Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte [Reprint 2020 ed.]
 9783112383346, 9783112383339

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

LEHRBUCH DER

Von

DR. RICHARD SCHRÖDER, PBOFESSOR IN HEIDELBEBG.

MIT EINER ABBILDUNG IM TEXT UND VIER KARTEN.

LEIPZIG, V E R L A G VON V E I T & COMP. 1869.

Druck TOH M e t z g e r

W i t t i g in Leipzig.

SEINEM VÄTERLICHEN FREUNDE

GEHEIMERAT PROF. DE. JOSEPH VON HELD I N WÜRZBURG

ALS VERSPÄTETE FESTESGABE ZU SEINEM IM JAHBE 1888 BEGANGENEN

50 J Ä H R I G E N

DOKTORJUBILÄUM

I N DANKBARER VEREHRUNG DARGEBRACHT.

V o r w o r t .

Der Druck dieses Werkes hat bereits vor drei Jahren begonnen. Die ersten 16 Bogen waren vollendet, als der erste Band der deutschen Rechtsgeschichte von BEUNNER erschien. So sehr ich bedauerte, dieses ausgezeichnete Werk kaum noch benutzen zu können, so freudige Genugthuung gewährte es mir, mich in allen wesentlichen Punkten mit dem Verfasser in Übereinstimmung zu sehen. Im Frühjahr 1887 wurde ich von einer schweren Krankheit befallen, die mich fast ein Jahr lang nötigte, jeder litterarischen Thätigkeit zu entsagen. Kaum war die Arbeit wieder aufgenommen, als die Übersiedelung von Göttingen nach Heidelberg eine abermalige Unterbrechung für mehrere Monate herbeiführte. Das Buch trägt nur zu deutlich die Spuren der erschwerenden Umstände, unter denen es vollendet wurde, an sich. Es ist nicht frei von Ungleichheiten, wie in der Darstellung, so auch im Inhalte. Die erste und zweite Periode sind stellenweise zu ausführlich behandelt, wofür bei den späteren Perioden, um das Werk nicht zu sehr anschwellen zu lassen, gespart werden mußte. Namentlich gilt dies von der Behandlung des Privat- und Strafrechts und Gerichtsverfahrens. Inhaltlich wird man mehrfach bemerken, daß der Verfasser im Laufe der Arbeit seine Auffassung geändert hat. Ich glaube nicht zu viel zu behaupten, wenn ich die Ansicht ausspreche, daß das Buch unter günstigeren Umständen erheblich besser geraten wäre. Indessen wird es auch so seinen Platz einnehmen und eine fühlbare Lücke in unserer Wissenschaft ausfüllen. An redlicher eigener Arbeit und fleißiger Benutzung der Litteratur hat es wenigstens nicht gefehlt. In den Litteraturangaben für die beiden ersten Perioden konnte ich mir durch Verweisung auf die Anführungen in den vier ersten Bänden der deutschen Verfassungsgeschichte von W A I T Z Beschränkungen auferlegen. Für das Mittelalter und die Neuzeit war die Litteratur, soweit sie Berücksichtigung verdiente, möglichst vollständig anzuführen. Großen Dank schulde ich den Herren Dr. J A S T B O W in Berlin, Professor Dr. R I C H A R D LÖNING in Jena und Professor Dr. L A M P E E C H T in Bonn für

VI

Vorwort.

die wiederholte Zusendung ihrer ausgezeichneten Litteraturberichte, die mir die größten Dienste geleistet haben. Daß bei Anführungen aus der Zeitschrift für ßechtsgeschichte, von Band XIV an, regelmäßig die germanistische Abteilung, bei solchen aus den Abhandlungen und Berichten der Akademien aber die philologisch-historische Abteilung gemeint ist, versteht sich von selbst. Entgegen meiner früheren Auffassung habe ich es vorgezogen, auch das Privatrecht, Strafrecht und Gerichtsverfahren synchronistisch zu behandeln und den einzelnen Perioden einzufügen. Daß die Sache ihre großen Bedenken hat, verhehle ich mir auch jetzt nicht, aber die Vorzüge einer derartigen Darstellung sind überwiegend. Anders bei dem mündlichen Vortrage, bei dem eine 25jährige Praxis mich überzeugt hat, daß der Zuhörer nur zu folgen vermag, wenn jene Partien ohne Rücksicht auf die Perioden der Verfassungs- und Quellengeschichte zusammenhängend vorgetragen werden. Der Dank für das Sach- und Wortregister gebührt größtenteils meinem hiesigen Kollegen Herrn Professor Dr. GEOBG COHN, der sich der überaus mühsamen Arbeit in freundschaftlicher Bereitwilligkeit unterzogen hat. Die Darstellung erstreckt sich bis zu der Auflösung des deutschen Bundes im Jahre 1866, nur vereinzelt greift sie darüber hinaus. Die Entwicklung nach 1866 gehört noch der unmittelbaren Gegenwart an. H e i d e l b e r g , im August 1889. R. Schröder.

I n h a l t .

Seite

Einleitung § 1. § 2.

1 Die Aufgabe und die Perioden Litteratur und Hilfsmittel

1 2

Erste Periode.

Die g e r m a n i s c h e § 3. § 4. § 5. § 6. § 7. § 8. § 9. § 10. §11. § 12. § 13.

Die Die Die Das Die Die Die Das Das Das Das

Urzeit.

Zustände der Germanen im allgemeinen staatliche Gliederung der Völkerschaften Landesgemeinde und das Königtum Beamtentum und das Gefolge Heeresverfassung Gerichtsverfassung Stände Grundeigentum Privatrecht Strafrecht Gerichtsverfahren

.

. .

• • •

8 11 15 21 29 33 37 43 50 70

79

Zweite Periode.

D i e f r ä n k i s c h e Zeit. Erstes Kapitel.

Die B i l d u n g der S t a m m e s r e i c h e .

§ 14. Die Bildung germanischer Stammesreiche . . . . . . . . . § 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Beiches . . . § 16. Die Stellung der Römer in den germanischen Reichen . . . .

88 94 101

Inhalt.

VIII

Zweites Kapitel. D i e V e r f a s s u n g des f r ä n k i s c h e n Reiches. § § § § § § § § § § § § §

17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29.

Das Königtum Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches . . . . . . Die öffentlichen Beamten Der königliche Hof Die Kirche Der Reichstag Das Heerwesen Die Entstehung des Lehnswesens Die Gerichtsverfassung Das Finanzwesen Die Immunitäten Das Grundeigentum Die Stände

Seite

106 120 126 135 139 143 148 152 160 181 192 195 208

Drittes Kapitel. Die R e c h t s q u e l l e n . § § § § §

30. 31. 32. 33. 34.

Die Die Die Die Die

Rechtsbildung im allgemeinen Volksrechte und die leges Romanae fränkischen Reichsgesetze Urkunden und die Formelsammlungen im allgemeinen Formelsammlungen

219 224 240 . . 244 247

Viertes Kapitel. P r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t und G e r i c h t s v e r f a h r e n . § 35. Das Privatrecht § 36. Das Strafrecht § 37. Das Gerichtsverfahren

251 330 346

Dritte Periode.

Das M i t t e l a l t e r . Erstes Kapitel. Das d e u t s c h e Reich u n d s e i n e B e w o h n e r . § § § § §

38. 39. 40. 41. 42.

Das deutsche Reich Die staatliche Gliederung des Reiches Das Lehnswesen Das Grundeigentum Die Stände

372 376 381 407 418

Zweites Kapitel. Die V e r f a s s u n g des d e u t s c h e n R e i c h e s u n d s e i n e r Teile. § § § § § § §

43. 44. 45. 46. 47. 48. 49.

Der König Der königliche Hof . Die Fürsten und Reichsbeamten Der Reichstag Das Reichsheerwesen Das Finanzwesen Die Gerichtsverfassung

.

453 469 - 476 490 495 502 528

Inhalt.

IX Seite

§ 50. § 51.

Die Territorien Die Städte

Drittes Kapitel. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60.

§ § § § § § § § §

Die R e c h t s q u e l l e n .

Die Die Die Die Die Die Die Die Die

Viertes Kapitel.

573 588

Rechtsbildung im allgemeinen Reichsgesetze Rechtsbücher Landrechte und Landesgesetze Stadtrechte Lehn- und Dienstrechte ländlichen Rechtsquellen Urkunden 1 Formelbacher

609 614 620 631 635 651 653 655 660

P r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t und Gerichtsverfahren.

§ 61. Das Privatrecht § 62. Das Strafrecht § 63. Das Gerichtsverfahren

662 702 708

Vierte Periode. Die Erstes Kapitel. § § § § § §

Die a l l g e m e i n e n

N e u z e i t . Verhältnisse.

64. Das Reichsgebiet 65. Die Reichsreform 66. Die Rezeption der fremden Rechte 67. Der Niedergang und die Auflösung des Reiches 68. Das Lehnswesen und das Grundeigentum 69. Die Stände und die Konfessionen

Zweites Kapitel. § § § § § § § § § § § §

70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81.

D i e V e r f a s s u n g des R e i c h e s u n d s e i n e r Teile.

Der Kaiser Die Reichshofbeamten Die Kurfürsten Die Reichsstände und der Reichstag Die Reichskreise und das Reichsregiment Die Reichsgerichte Das Reichsheerwesen Das Reichsfinanzwesen Das Reichspolizeiwesen Die Territorien Die Städte Die Reichsritterschaft und die Reichsdörfer

Drittes Kapitel.

750 752 755 757 762 765 770 772 774 776 797 800

D i e Z e i t des D e u t s c h e n B u n d e s .

§ 82. Die Zeit dej Rheinbundes § 83. Die Verfassung des Deutschen Bundes 1

717 721 722 731 734 743

802 806

Durch ein Versehen lautet die Überschrift S. 655: „Die Urkunden u. Formeln."

Inhalt.

X

Seite

§ 84. Die Reformbestrebungen im Bunde u. den Bundesstaaten bis 1848 § 85. Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866 Viertes Kapitel. § 86. § 87. § 88. § 89. § 90. Sach- und

812 817

Die R e c h t s q u e l l e n .

Die juristische Litteratur Die Reichsgesetze Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert Die Stadtrechte Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung . . . . Wortregister

822 824 827 829 830 835

Berichtigungen. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

4 Z. 25 lies 1877, S. 235—253. 7 Z. 1 lies Handatlas f. d. Geschichte des Mittelalters u. d. neueren Zeit. 56 Z. 3 v. u. lies 297 st. 267. 57 Z. 23 streiche 102. 102 Z. 11 v. u. lies 332 st. 362. 118 Z. 5 f. lies Reklamationsrechts st. privil. Gerichtsst. v. d. Könige. 123 Z. 15 v. u. lies Briganten st. Carbonari. 124 Z. 13 lies IV st. III. 219 Z. 23 v. u. lies vielleicht st. vielfach. 381 Z. 16 v. u. lies 1294 st. 1296. 500 Z. 22 f. lies Confoederatio cum principibus ecclesiaticis von 1220 § 9, st. Stat. i. fav. princ. von 1231. S. 529 Z. 10 lies Confoederatio st. Concordatio. S. 538 Z. 14 lies 5 bis 15 st. 11 oder 12. S. 660 Z. 18 lies Exaktionsklausel.

Inhalt.

X

Seite

§ 84. Die Reformbestrebungen im Bunde u. den Bundesstaaten bis 1848 § 85. Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866 Viertes Kapitel. § 86. § 87. § 88. § 89. § 90. Sach- und

812 817

Die R e c h t s q u e l l e n .

Die juristische Litteratur Die Reichsgesetze Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert Die Stadtrechte Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung . . . . Wortregister

822 824 827 829 830 835

Berichtigungen. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

4 Z. 25 lies 1877, S. 235—253. 7 Z. 1 lies Handatlas f. d. Geschichte des Mittelalters u. d. neueren Zeit. 56 Z. 3 v. u. lies 297 st. 267. 57 Z. 23 streiche 102. 102 Z. 11 v. u. lies 332 st. 362. 118 Z. 5 f. lies Reklamationsrechts st. privil. Gerichtsst. v. d. Könige. 123 Z. 15 v. u. lies Briganten st. Carbonari. 124 Z. 13 lies IV st. III. 219 Z. 23 v. u. lies vielleicht st. vielfach. 381 Z. 16 v. u. lies 1294 st. 1296. 500 Z. 22 f. lies Confoederatio cum principibus ecclesiaticis von 1220 § 9, st. Stat. i. fav. princ. von 1231. S. 529 Z. 10 lies Confoederatio st. Concordatio. S. 538 Z. 14 lies 5 bis 15 st. 11 oder 12. S. 660 Z. 18 lies Exaktionsklausel.

Einleitung. § 1. Die A u f g a b e u n d die P e r i o d e n . Innerhalb des arischen oder indogermanischen Völkerstammes bilden die Germanen mit den GräkoItalikern, Kelten und Letto-Slaven eine engere Gruppe, die als europäische oder westarische der asiatischen oder ostarischen Gruppe (Indier und Eranier) gegenübersteht. Die Kultur- und Rechtszustände dieser Nationen in der Zeit vor ihrer Sonderung zu erforschen ist die Aufgabe der vergleichenden Sprachwissenschaft und der vergleichenden Rechtswissenschaft 1 . Die deutsche Rechtsgeschichte beginnt um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, wo durch Caesars Eroberung Galliens die antike Kulturwelt bis unmittelbar an die Grenze Germaniens vorgeschoben, ein Teil der Germanen sogar schon in die Machtsphäre Roms hineingezogen wurde. Die e r s t e P e r i o d e umfaßt die Urzeit bis zu der Gründung der germanischen Reiche auf römischem Boden. Sie hat es nicht bloß mit den Südgermanen, sondern auch mit den Skandinaviern oder Nordgermanen zu thun, deren Rechtsaufzeichnungen zwar einer sehr viel späteren Zeit und vielfach einer entwickelteren Kulturstufe angehören, mit gehöriger Vorsicht aber zu den wichtigsten Rückschlüssen für die germanische Urzeit benutzt werden können 2 . Die zweite P e r i o d e , von der Grün1 Die vergleichende Rechtswissenschaft gehört, soweit sie sich auf das arische Gebiet bezieht, in den Bereich der Rechtsgeschichte, darüber hinaus in den Bereich der Ethnologie. Hauptorgan in Deutschland ist die seit 1878 erscheinende „Zeitschrift

für vergleichende Rechtswissenschaft," herausgegeben

von BERNHÖFT , COHN und

KOHLER, auch die unten (S. 3) angeführte „Revue de droit français et étranger" bewegt sich zum Teil auf demselben Gebiete. Unter den monographischen Arbeiten dieser rüstig aufstrebenden Wissenschaft sind namentlich die von KÖHLER, DARQDN, MAINE, LAVELEYE, JOLLY, BERNHÖFT und POST auch für die germanische Rechtsgeschichte bedeutsam. Vgl. auch SCHULER v. LIBLOY, Abriss der europäischen Staats- und Rechtsgeschichte, 1874. 2 Vgl. KONR. MAURER, Überblick über die Geschichte der nordgermanischen Rechtsquellen, in HOLTZENDORFF'S Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 4 . Aufl. ( 1 8 8 2 ) , S. 3 2 1 — 3 5 8 . Gesamtausgabe der norwegischen Rechtsquellen: KEYSER und MÜNCH, Norges garnie love, 4 Bände, 1 8 4 6 — 1 8 8 5 ; der schwedischen: COLLIN und SCHLYTER, Corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui, 1 3 Bände, 1 8 2 7 — 1 8 7 7 ; der däniscV-n-, KOLDERUP • ROSENVINGE , Sämling af garnie danske Love, 5 Bände, 1821—1846.

Island vgl. Diplomatarium Islandicum, B. SCHBÖDEB , Deutsche Bechtsgeschichte.

1857—1876. 1

FI

2

Einleitung.

dung bis zur Auflösung des fränkischen Reiches, beschäftigt sich ausschließlich mit den deutschen (westgermanischen) und denjenigen ostgermanischen Stämmen, die sich infolge ihrer geographischen Lage der gleichen Entwickelung angeschlossen haben. Das Recht der Franken tritt in den Vordergrund. Die d r i t t e Periode, von der Teilung des fränkischen Reiches bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, beschränkt sich auf die Verhältnisse des deutschen Reiches, dessen Rechtseinrichtungen ein immer stärkeres Vordringen des fränkischen Rechts erkennen lassen. Die rechtlichen Zustände Frankreichs und Englands (seit der normannischen Eroberung) beruhen vorwiegend auf den Grundlagen des fränkischen Rechts. Die französische und englische Rechtsgeschichte sind die wichtigsten Hilfsmittel für die deutsche Rechtsgeschichte des Mittelalters3. Die vierte Periode "beginnt mit der Einsetzung eines obersten Reichsgerichts, der Beseitigung des altgermanischen Fehderechts durch den ewigen Landfrieden, den mannigfachen Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Reichsverfassung. Die Rezeption des römischen Rechts, wie es aus der italienischlombardischen Jurisprudenz und der kanonistischen Doktrin und Praxis hervorgeht, führt auf allen Gebieten des Rechts zu neuen Gestaltungen. Die Periode schließt mit dem Untergange des römischen Reiches deutscher Nation, mit der Ausbildung des modernen Territorialstaates und mit den gesetzgeberischen Bestrebungen nach Beseitigung des durch die Rezeption herbeigeführten Dualismus im Wege der Kodifikation. Ein kurzer Ausblick ist der Zeit des deutschen Bundes, der Einführung konstitutioneller Verfassungen und den Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Landesgesetzgebung gewidmet. In den drei ersten Perioden schließt sich an die Darstellung der Verfassung und der Rechtsquellen eine kurze Skizze des materiellen Rechts und des Gerichtsverfahrens. Von der vierten Periode an konnte wegen des unmittelbaren Zusammenhanges dieser Verhältnisse mit dem Rechtszustande der Gegenwart von derartigen Übersichten abgesehen werden. Die politische Geschichte ist nur in Betracht gezogen, soweit sie zur Erklärung der Rechtsentwickelung unentbehrlich ist. Dagegen ist den in der Rechtsgeschichte oft zu sehr vernachlässigten wirtschaftlichen Verhältnissen eine größere Berücksichtigung geschenkt. § 2. L i t t e r a t u r und H i l f s m i t t e l . Die besonderen Quellen nebst der einschlägigen Litteratur sind je an ihrer Stelle anzuführen, hier nur was von allgemeinerer Bedeutung ist. Eine vortreffliche Übersicht über alles, was hier in Betracht kommt, enthält: D A H L M A N N ' S Quellenkunde 3 Vgl. B. SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht, Prolegomena zur deutschen Rechtsgeschichte, 1880 (Zeitschr. f. RG. XIV. 1—84). Allerdings hat der Verfasser dieser hochanregenden Abhandlung die Bedeutung der einzelnen Stammesrechte gegenüber dem fränkischen Recht vielfach unterschätzt, auch legt er ein zu einseitiges Gewicht auf das w e s t f r ä n k i s c h e (salische) Recht, während die den Ausgang der ganzen Entwickelung bildende karolingische Gesetzgebung hauptsächlich auf r i b u a r i s c h e r Grundlage beruhte.

§ 2.

Litteratur und Hilfsmittel.

3

der deutschen Geschichte, 5. Auflage, bearbeitet von G. WAITZ, 1883. Vgl. auch COSTA, Bibliographie der deutschen Rechtsgeschichte, 1858. I. Litteratur der deutschen Bechtsg-eschichte. K. F. EICHHOBN, Deutsche Staats- und Bechtsgeschichte, 5. Aufl., 1843—1844. WALTER, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl., 1857. v. DANIELS, Handbuch der deutschen Reichs- und Staatenrechtsgeschichte, 1859—1863. ZÖPFL, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, 4. Aufi. 1 8 7 1 — 1 8 7 2 . — K ü r z e r e L e h r b ü c h e r : HILLEBBAND ( 1 8 5 6 ) , PHILLIPS (4. A u f l . 1 8 5 9 ) , SCHULER VON LIBLOY (2. A u f l . 1868), SCHULTE (5. A u f l . 1881), SIEGEL (1886). — G r u n d r i s s e : STENZEL (1832), GENGLER ( 1 8 4 9 — 1 8 5 0 , u n v o l l e n d e t ) . — H . BRUN-

NER, Geschichte und Quellen des deutschen Rechts, in HOLTZENDORFF'S Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1882, S. 193—276. G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte. I. Band (a. u. d. T.: Die Verfassung des deutschen Volkes in ältester Zeit) 3. Aufl. 1880, II. Band 3. Aufl. 1882, III. Band 2. Aufl. 1883, IV. Band 2. Aufl. 1885 (II.—IV. a. u. d. T. : Die Verfassung des fränkischen Reichs, I . - I I I . Band), V.—VIII. Band 1874—1878 (a. u. d. T.: Die deutsche Reichsverfassung von der Mitte des neunten bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts, I.—IV. Band). Dazu: Urkunden zur deutschen Verfassungsgeschichte im 11. und 12. Jahrhundert, 1871. R e c h t s g e s c h i c h t e e i n z e l n e r T e r r i t o r i e n : BLÜMER (Schweizerische Demokratien, 1848—1859); BLUNTSCHLI (Zürich, 2. Aufl. 1857); CHABEBT (Österreich, Denkschriften der Wiener Akad. d. Wiss. III, 1852); MOSER (Osnabrückische Geschichte, Bd. VI—VIII der sämtlichen Werke, neu herausgegeben von ABEKEN, 1843); SCHÜLER VON LIBLOY (Siebenbürgische Rechtsgeschichte, 1867—1868, Materialien zur siebenb. Rechtsg. 1861—62, Statuta iurium municipalium Saxonum in Transsilvania, 1853), SEGESSER ( L u z e r n , ( W e t t e r a u , 1867).

1 8 5 1 — 1854);

SEIBERTZ

(Westfalen,

1860 — 1875);

THUDICHUM

J. GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer, 1828 (neue Abdrücke 2. Aufl. 1854, 3. Aufl. 1881). NOOBDEWIER, Nederduitsche Regtsoudheden, 1853. ZÖPPL, Altertümer des deutschen Reichs und Rechts, 1860—1861. OSENBRÜGGEN, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, 1868. GIERKE,

Das

deutsche

Genossenschaftsrecht,

3 Bände,

1868—1881.

v.

BETH-

MANN-HOLLWEG, Der germanisch-romanische Civilprozeß im Mittelalter, 3 Bände, 1868 bis 1874. WEINHOLD, Die deutschen Frauen in dem Mittelalter, 2. Aufl., 2 Bände, 1882. LABOULAYE, La condition civile et politique des femmes, 1842. A. HEUSLER, Institutionen des deutschen Privatrechts, 2 Bände, 1885—1886. STOBBE, Handbuch des deutschen Privatrechts, 5 Bände, 1871—1885 (I. und II. 2. Aufl. 1882-1883). KRAUT, Grundriß zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, 6. Aufl. bearbeitet von FRENSDORFF, 1886. LÖRSCH und SCHRÖDER, Urkunden zur Geschichte des deutschen Privatrechts, 2. Aufl. 1881. STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, 2 Bände, 1860—1864. Z e i t s c h r i f t e n : für geschichtliche Rechtswissenschaft, 15 Bände, 1815—1850; für deutsches Recht, 20 Bände, 1839—1861; für Rechtsgeschichte, seit 1861 (Neue Folge seit Band XIV, 1880, a. u. d. T.: Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, jeder Band eine germanistische und eine romanistische Abteilung umfassend); Forschungen zur deutschen Geschichte, seit 1862; Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, seit 18£0; Kritische Überschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 6 Bände, 1853—1859; Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, seit 1859; Zeitschrift für schweizerisches Recht, seit 1852; Revue de droit français et étranger, 4 Bände, 1844—1847; die II. Serie u. d. T.: Revue historique de droit français et étranger, 15 Bände, 1855 bis 1869; die III. Serie u. d. T.: Revue de législation ancienne et moderne française et étrangère, 6 Bände, 1870—1877; die IV. Serie u. d. T.: Nouvelle Revue historique de droit français et étranger, seit 1877. 1*

4

Einleitung.

I I , Rechtsgeschlchte verwandter Völker, a) A l t n o r d i s c h e s R e c h t . Von genaueren Angaben kann hier abgesehen werden mit Rücksicht auf die ausgezeichneten Litteraturberichte von KONRAD MAURER: Überblick über die Geschichte der nordgermanischen Rechtsquellen (siehe § 1 Anm. 2); Krit. Überschau I. 277—296; Krit. Vierteljahrsschr. II. 75—122, IV. 412-428, IX. 550 ff., X. 360-404, XI. 402—416, XIII. 51 ff., 265 ff., 360 ff., XV. 167 ff., 237 ff., 309 f., XVI. 82 ff., XVIII. 32 ff., XXV. 239 ff., XXVIII. 65—77, 80—94. BRANDT, Forelsesninger over den norske Retshistorie, 1830—1883. K. MAURER Udsigt over de nordgermaniske Retskilders Historie, 1878; Beiträge zur Rechtsgeschichte des germanischen Nordens, 1852; Island, von seiner ersten Entdeckung bis zum Untergange des Freistaats, 1874. KOLDERUP-ROSENVINGE, Grundrids af den danske Retshistorie, 2. Aufl. 1832 (deutsche Übersetzung der 1. Aufl. von HOMEYEB, 1825). STEMAN, Dansk Retshistorie, 1871. DAHLMANN, Geschichte von Dännemark, 3 Bände, 1840—1843. MÜNCH, Det norske Folks Historie, 1852—1863 (die beiden ersten Abschnitte a. u. d. T.: Die nordisch-germanischen Völker, ihre ältesten Heimatsitze, Wanderzüge und Zustände, übers, von CLAUSSEN, 1853). WEINHOLD, Altnordisches Leben, 1856. K . MAURER, G r a a g a a s (ERSCH u . GRUBER'S E n c y k l o p ä d i e L X X V I I . 1—136);

Gu-

lathing (ebenda XCVI. 377—418); Gulathingslög (ebenda XCVII. 1—74); Das Alter des Gesetzsprecheramtes in Norwegen (i. d. Münchener Festgabe für Arndts), 1875; Studien über das sog. Christenrecht König Sverrirs (i. d. Münchener Festgabe für Spengel), 1877; Das älteste Hofrecht des Nordens (i. d. Münchener Festschrift für Upsala), 1877. Zahlreiche Einzeluntersuchungen desselben Verfassers: Abhandl. d. Münch. Akad. X I I . 97—170, X I I I . 213—301, X I V . 67—156, XV. 175—253; Sitzungs-

berichte der Münch. Akad. 1874 S. 1 - 4 7 , S. 235—253, 1878 S. 21—87, 1879 S. 49 b i s 138, 1881 S. 2 2 5 — 2 6 8 , 1883 S. 5 4 8 — 5 9 2 ; G e r m a n i a ( h e r . v. PFEIFFER u. BARTSCH)

XIV. 27—40, XV. 1—17, XIX. 1 - 5 , 139—149, XXIV. 64 f., 88—102; I. Beilage zur Germania (a. u. d. T.: BARTSCH, Germanistische Studien) S. 57—76. v. AHIRA, Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtsgeschichte, 1876; Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren, 1874; Nordgermanisches Obligationenrecht, I.

1882 ( v g l . BRINZ i. d. G o t t . g e l . A n z . 1885, S. 5 1 3 — 5 9 0 ) .



HASSE,

Das

Schleswiger Stadtrecht, 1880; Das älteste Fehmarnsche Landrecht, 1881 (Abdruck a. d. Zeitschr. d. Gesellsch. f., Schlesw. Holst. Lauenb. Geschichte); Dänenrecht und Fremdenrecht in Dänemark, 1883; Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883. — LEHMANN U. SCHNORR VON CAROLSFELD, Die Njalssage, insbesondere in ihren juristischen Bestandteilen, 1883. — K. LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen, 1886. — PAPPENHEIM, Die altdänischen Schutzgilden, 1885. — RIVE, Die Vormundschaft im Rechte der Germanen, 1863. — ZORN, Staat und Kirche in Norwegen bis zum Schlüsse des 13. Jahrhunderts, 1875. b) F r a n z ö s i s c h e s und b e l g i s c h e s R e c h t . BRUNNER, Überblick über die Geschichte der französischen, normannischen und englischen Rechtsquellen (v. HOLTZENDOBFF'S Encyklopädie der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1882, S. 277—297), woselbst auch zahlreiche Litteraturangaben, auf die hier bezuggenommen wird. Zum Teil vortreffliche Arbeiten französischer Rechtshistoriker in der oben S. 3 angeführten „Revue historique de droit", der „Bibliothèque de l'école des chartes" (seit 1839), den Sitzungsberichten des Institut de France und der verschiedenen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften, sowie in den Einleitungen zu den einzelnen Bänden der „Collection de documents inédits sur l'histoire de France." — WARNKÖNIG u. STEIN, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, 3 Bände, 1846—1848. SCHAFFNER, Geschichte der Rechtsverfassung Frankreichs, 4 Bände, 1845—50. PARDESSUS, Mémoire sur l'origine du droit coutumier en France (i. d. Mémoires de l'Institut, X. 1834); Essai historique sur l'organisation judiciaire depuis Hugues Capet jusqu'à Louis XII, 1851. GINOULHIAC, Histoire générale du droit français, 1884. VIOLLET, Précis de l'histoire du droit français, 2 Bände, 1884—1886. GAUTIER, Précis de

§ 2.

Litteratur und Hilfsmittel.

5

l'histoire du droit français, 1882. MINIER, Précis historique du droit français, 1854. GUÉTAT, Histoire du droit français, 1 8 8 4 . KÖNIGS WARTER, Sources et Monuments du droit français, 1853. FRESQUET, Précis historique des sources du droit français, 2. Aufl. 1881. BEAUNE, Introduction à l'étude historique du droit coutumier français, 1880; Droit coutumier français, 1882. SEIGNOBOS, Le régime féodal en Bourgogne, 1882. BOUTARIC, Le régime féodal, 1875. DE LAGRÈZE, Histoire du droit dans les Pyrenées, 1867. RIVIÈRE, Histoire des institutions de l'Auvergne, 2 Bände, 1874. BOITTHORS, Les sources du droit rural, 1865. TARDIF, Recueil de textes pour servir à l'enseignement de l'histoire du droit, 3 Bände, 1883 bis 1885. VIOLLET, Les établissements de S . Louis, 3 Bände, 1 8 8 1 — 1 8 8 3 . BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire en France, 1886. ROSIÈRES, Histoire de la société française au moyen-âge, 1880. LUCHAIRE, Histoire des institutions monarchiques de la France sous les premiers Capétiens, 1 8 8 3 . FUSTEL DE COULANGE, Histoire des institutions politiques de l'ancienne France, 2. Aufl.; Recherches sur quelques problèmes d'histoire, 1885. WARNKÖNIG, Flandrische Staats- u. Rechtsgeschichte, 3 Bände, 1835—1842. POÜILLET, Histoire politique nationale, 1882. BRITZ, Code de l'ancien droit belgique, 1847. DÉFACQZ, Ancien droit de Belgique, 2 Bände, 1873. c) E n g l i s c h e s u n d n o r m a n n i s c h e s R e c h t . BRUNNER, Überblick (vgl. oben S. 4 ) S. 2 9 7 — 3 1 7 . KEMBLE, The Anglosaxons in England, 2 Bände, 1 8 4 9 (deutsche Übersetzung von BRANDIS, 1 8 5 3 — 1 8 5 4 ) . K . MAURER i. d. krit. Überschau I.— IH. PHILLIPS, Geschichte des angelsächsischen Rechts, 1825. BRUNNER, Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, 1 8 8 0 , S. 1 4 9 — 2 0 8 . Essays in Anglosaxon Law (ADAMS, LODGE, YOUNG, LAUGHLIN), 1 8 7 6 . STUBBS, The constitutional history of England, 3 Bände, 1874—1878; Select (¡barters of english constitutional history, 2. Aufl. 1874. GLASSON, Histoire du droit et des institutions politiques, civiles et judiciaires de l'Angleterre comparés au droit et aux institutions de la France, 6 Bände, 1882—1883. GNEIST, Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Englisches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1867; Selfgovernment, Kommunalverfassung und Verwaltungsgerichte in England, 3. Aufl. 1871. FISCHEL, Die Verfassung Englands, 1862. PHILLIPS, Englische Reichs- und Rechtsgeschichte seit der Ankunft der Normannen, 2 Bände, 1828. BÜDINGEB, Vorlesungen über englische Verfassungsgeschichte, 1880. REEVES, History of the English Law, 5 Bände, 1814—1829 (neue Bearbeitung von FINLASON, 1869). BIGELOW, Placita Anglo-Normannica, 1879; History of procedure in England from the Norman conquest, 1880 (über beide Werke vgl. BRUNNER i. d. Zeitschr. f. RG. XV. 202—214). BBUNNER, Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872; Das anglonormannische Erbfolgesystem, 1869 (vgl. MAURER i. d. Krit. Vierteljahrsschr. XII. 306 ff.); Die Zulässigkeit der Anwaltschaft im französischen, normannischen und englischen Rechte des Mittelalters (i. d. Zeitschr. f. vergleich. RW. I.). DE ROZIÈRE, De l'histoire du droit en général, du grand coutumier de Normandie et des rapports du droit anglais avec le droit normand, 1867. TARDIF, Coutumiers de Normandie, 1881 (vgl. BRÜNNER i. d. Zeitschr. f. RG. XVI. 226 f.). DELISLES, Recueil de jugements de l'Échiquier de Normandie, 1864. v. AMIBA, Die Anfänge des normannischen Rechts (v. SYBEL'S Histor. Zeitschr. Neue Folge III. 241—268). d) S p a n i s c h e s R e c h t . MONTESA Y MANRIQUE, Historia de la legislación y recitaciones del derecho civil de España, 8 Bände, 1 8 6 1 — 1 8 6 5 . SEMPEBE Y MORENO, Historia del derecho español, v. BRAUCHITSCH, Geschichte des span. Rechts, 1852. OLIVER, Historia del derecho en Cataluña, Mallorca y Valencia, 4 Bände, 1876 bis 1881. F. WOLF, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik aus spanischen Quellen, i. d. Sitzungsberichten der Wiener Akad., LI. 1865. Monumenta histórica Portugalliae, I. Leges et consuetudines, 1856. e) I t a l i e n i s c h e s R e c h t . PERTILE, Storia del diritto italiano, 5 Bände, 1873 bis 1876. LA MANTIA, Storia della legislazione italiana I. 1884. FICKER, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, 4 Bände, 1868—1874. v. BETHMANN-

6

Einleitung.

HOLLWEG, Ursprung der lombardischen Städtefreiheit, 1846. HEGEL, Geschichte der Städteverfassung von Italien, 2 Bände, 1847. SALVIOLI, Le giurisdizioni speciali nella storia del diritto italiano, I. 1884. KOHLER, Beiträge zur germanischen Privatrechtsgeschichte, 1883—1885. GAUDENZI, Sulla proprietà in Italia, 1884. — Archivio giuridico, 34 Bände von 1868—1885. Studi e documenti di storia e diritto, 1880 bis 1884. — Quellenwerke: Monumenta historiae patriae, Turin; Monumenti di storia patria delle provincie Modenesi. I. 1864; Monumenti istorici pertinenti alle provincie della Bomagna, Serie I. Statuti, 1869—1877; Monumenta histórica ad provincias Parmensem et Placentinam pertinentia, I. Statuta, 1855—1860; BONAINI, Statuti inediti della citta di Pisa, 3 Bände, 1854—1857. — MURATORI, Antiquitates Italicae medii aevi, 6 Bände, 1738—1742; Dissertazioni sopra le antichita italiane, 3 Bände, 1751. — LA MANTIA, Storia della legislazione di Sicilia, 2 Bände, 1866—1874. v. BRÜNNECK, Siciliens mittelalterliche Stadtrechte, 1881. MERKEL, Commentatio qua iuris Siculi sive assisaruro regum Siciliae fragmenta proponuntur, 1856. I I I . Haupt-Quellenwerk. M o n u m e n t a G e r m a n i a e h i s t ó r i c a , seit 1826, begründet vom Freiherrn vom STEIN, mit Unterstützung des Deutschen Bundes, jetzt des Deutschen Reiches und Österreichs, früher unter Leitung von PEBTZ, jetzt unter einer eigenen Centraidirektion. Abteilungen: Scriptores (fol. und 4°), Auetores antiquissimi (4°), Leges (fol. und 4°), Diplomata (fol. und 4°), Antiquitates (4°). Auf Grund der Monumenta erscheinen: Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, seit 1840, und: Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit in deutscher Bearbeitung, seit 1849. Das Organ der Monumenta ist: Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 12 Bände, 1824—1874; seit 1876 Neues Archiv etc. I T . Hilfswissenschaften. v. INAMA-STERNEGG, Deutsche Wirtschaftsgeschichte bis zum Schluß der Karolingerperiode, 1879; Über die Quellen der deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1877 (Abdruck a. d. Sitzungsber. der Wiener Akad. LXXXIV. 1876); Untersuchungen über das Hofsystem im Mittelalter, 1872; Die Ausbildung der großen Grundherrschaften in Deutschland während der Karolingerzeit, 1878. LAMPHECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, I. 1886; Beiträge zur Geschichte des französischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert, 1878; Die wirtschafts-geschichtlichen Studien in Deutschland (i. d. Jahrbüchern f. Nationalökonomie und Statistik, Neue Folge VI, IX, XI), 1883—1885. HANSSEH, Agrarhistorische Abhandlungen, 2 Bände, 1880. DE LAVELE YE, D a s U r e i g e n t u m , ü b e r s e t z t u n d v e r v o l l s t ä n d i g t v o n BÜCHER, 1879.

DENMAN W . ROSS,

The early history of land-holding among the Germans, 1883 (vgl. DARGUN i. d. Zeitschr. f. RG. XIX. 203—212). NASSE, Über die mittelalterliche Feldgemeinschaft und die Einhegungen des 16. Jahrhunderts in England, 1869 (vgl. K. MACBEB i. d. Krit. Vierteljahrsschr. XII. 98 ff.). SEEBOHM, The english village community, 1883 (deutsche Übersetzung u. d. T.: Die englische Dorfgemeinde, übers, von v. BUNSEN, 1885). HANACER, Les constitutions des campagnes de l'Alsace au moyen-âge, 1864; Les paysatìs de l'Alsace au moyen-âge, 1865; Études économiques sur l'Alsace, 2 Bände, 1876—1878. WOLFF, Beiträge zur siebenbürgisch-deutschen Agrargeschichte, Hermannstadt 1885. WATTENBACH, Deutschlands Geschichtsquellen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, 2 Bände, 5. Aufl. 1885—1886. LORENZ, Deutschlands Geschichtsquellen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, 2 Bände, 2. Aufl. 1876—1877. POTTHAST, Bibliotheca histórica raedii aevi, 1862, Supplement 1868. ÖSTERLEY, Wegweiser durch die Litteratur der Urkundensaramlungen, 2 Bände, 1885—1886. GÖDEKE, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl., I. 1884; II. 1886. SCHEREB, Geschichte der deutschen Litteratur, 1883. OSTERLEY, Historisch-geographisches Wörterbuch des deutschen Mittelalters, 1883. FÖRSTEMANN, Altdeutsches Namenbuch, I. Personennamen, 1856, II. Ortsnamen,

§ 2.

7

Litteratur und Hilfsmittel.

2. Aufl. 1872.

v. SPRUNER, Historisch-geographischer Handatlas, 3. Aufl. bearb. von

MENKE,

DROYSEN

1880.

u.

ANDREE,

Historischer

Atlas,

1886.

WOLFF,

Histori-

scher Atlas, 1877. Du CANGE , Glossarium mediae et iulimae latinitatis, ed. HENSCHEL, 7 Bände, 1840—1850; neueste Auflage her. von FAVRE, seit 1882. DIEZ, Etymolog. Wörterbuch der roman. Sprachen, 2 Bände, 4. Aufl. 1878. GRIMM, Deutsch. Wörterbuch, seit 1854. MÜLLER U. ZARNCKE, Mittelhochd. Wörterb., 3 Bände, 1854—1867. LEXKR, Mittelhochd. Handwörterbuch, 3 Bände, 1869—1878; Mittelh. Taschenwörterb., 2. Aufl. 1881. SCHILLER

U.

LÜBBEN,

Mittelniederd.

Wörterb.,

6 Bände,

1875—1881.

SCHMELLER,

Bayer. Wörterb., 2 Bände, 1. Aufl. 1827—1837, 2. Aufl. her. von PROMMANN, 1872 bis 1877. v. RICHTHOFEN, Altfries. Wörterbuch, 1840. BOSWORTH, Anglo-Saxon and English Dictionary, 1849. HALTAUS, Glossarium Germanicum medii aevi, 1758. GHAFF,

Althochdeutscher

Sprachschatz,

6

Bände,

1834—1846.

STEINMEYER

und

SIEVERS, Die althochdeutschen Glossen, 2 Bände. KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 1883. DUPIN et LABOULAYE, Glossaire de l'ancien droit français, 1846. RAYNOUARD, Lexique Roman, 6 Bände, 1838 ff. LA CURNE DE SAINTEPALAYE, Dictionnaire historique de L'anc. langage françois, 10 Bände, 1875—1882. MÖBIUS, Altnordisches Glossar, 1866. WRIGHT, Anglosaxon and old english vocabularies, 2. édition by WÜLCKER, 2 Bände, 1884. WATTENBACH, Das Schriftwesen des Mittelalters, 2. Aufl. 1875. GROTEFEND, Handbuch der historischen Chronologie, 1872. FLEISCHHAUER, Kalenderkompendium der christlichen Zeitrechnungsweise, 1884.

Erste Periode. Die germanische Urzeit. H a u p t q u e l l e n : CAESAB, Commentarii de bello Gallico (51 v. Chr.). TACITUS, Germania (98 n. Chr.); Historiae, Annales, beide noch unter Trajan (98—117 n. Chr.). L i t t e r a t u r : WAITZ, VG. I. 3. Aufl. 1880. v. SYBEL, Entstehung des deutschen Königtums, 2. Aufl. 1881. W . S I C K E L , Der deutsche Freistaat, 1879. THUDICHÜM, Der altdeutsche Staat, 1862. v. BETHMANN-HOLLWEG, Über die Germanen vor der Volkerwanderung, 1850. DAHN, Die Könige der Germanen I. 1861. EBHABDT. Älteste germanische Staatenbildung, 1879. ABNOLD, Deutsche Urzeit (a. u. d. T.: Deutsche Geschichte, I.), 1879. DAHN, Deutsche Geschichte, I. 1883; Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker, I. 1881. G. KAUFMANN, Die Germanen der Urzeit (a. u. d. T.: Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr., I.), 1880. MOMMSEN, Römische Geschichte V. 1885; Verzeichnis der römischen Provinzen um 2 9 7 , mit einem Anhange von M Ö L L E N H O F F , 1 8 6 3 (a. d. Abhandl. d. Berliner Ak. 1 8 6 2 ) . J U N G , Die romanischen Landschaften des römischen Reiches, 1 8 8 1 . HIBSCHFELD, Gallische Studien, 1883 (Abdruck a. d. Sitz.-Berichten der Wiener Akad. 1 8 8 3 , S. 2 7 1 — 3 2 8 ) . BBANDES, Das ethnographische Verhältnis der Kelten und Germanen, 1857.

§ 3. D i e Z u s t ä n d e der G e r m a n e n im a l l g e m e i n e n 1 . Das Volk der Germanen zerfiel gleich den übrigen westarischen Nationen in eine große Zahl politischer Gemeinwesen (Völkerschaften, civitates, altnord. fylkar), die, ohne dauernden Zusammenhang untereinander, jedes für sich ein staatliches Lehen führten. Die sprachlichen "Verschiedenheiten ergeben die Sonderung der Nation in zwei Gruppen: die G o t e n oder O s t g e r m a n e n und die D e u t s c h e n oder W e s t g e r m a n e n 2 . Von den ersteren haben die N o r d g e r m a n e n oder S k a n d i n a v i e r (Dänen, Norweger, Schweden) infolge ihrer geographischen und politischen Sonderstellung ihr Recht (das altnordische Recht) selbständig fortgebildet, wäh1

V g l . WAITZ I . 3 — 5 2 .

K . ZEUSS, D i e D e u t s c h e n u n d d i e N a c h b a r s t ä m m e ,

1837.

J. GBIMM, Geschichte der deutschen Sprache, 3. Aufl. 1868. USINGER, Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1875. FÖKSTEMANN, Geschichte des deutschen Sprachstammes, 2 Bde. 2

1874—1875.

Vgl. SCHERER, Zur Geschichte der deutschen Sprache (1868) S. 97 ff., 164. ZIMMER, Ostgermanisch und Westgermanisch (Zeitschr. f. deutsch. Altertum. XIX. 393—462).

§ 3.

Die Zustände der Germanen im allgemeinen.

9

rend der ebenfalls ostgermanische Zweig der g o t i s c h - v a n d a l i s c h e n Völker durch die Verschiebung seiner geographischen Lage infolge der Völkerwanderung den Zusammenhang mit den früheren Stammesgenossen verlor und westgermanischen sowie römischen Einflüssen anheimfiel 3 . Die W e s t g e r m a n e n , d. h. die späteren Deutschen samt Angelsachsen und Langobarden, gliederten sich nach Maßgabe ihrer Abstammung in die Gruppen der I n g v ä o n e n , I s t v ä o n e n und H e r m i n o n e n . Eine rechtliche oder politische Bedeutung hatte diese ethnogonische Einteilung in historischer Zeit nicht mehr. Dagegen bestand bei einem engeren Kreise des herminonischen Stammes, den S u e b e n , noch zur Zeit des Tacitus ein religiöser Völkerbund, dessen Mittelpunkt das Heiligtum des Stammesgottes Irmin oder Ziu in dem Lande der Semnonen bildete *. Die letzteren nahmen infolgedessen eine Art führender Stellung ein, sie hießen die Ziu waren, d. h. Verteidiger des Ziu; schon Tacitus bezeichnet sie als das Haupt der Schwaben (caput Sueborum) und schließlich blieb dieser ursprünglich einem ganzen Völkerkreise eigene Name an der führenden Völkerschaft haften: die Semnonen sind der Kern der späteren Schwaben oder Alamannen 6 . Außer den Jahresfesten des Gottes, bei denen sämtliche Völkerschaften des Bundes durch Gesandtschaften vertreten waren, zeichneten die Sueben sich durch gewisse Eigentümlichkeiten ihrer Tracht wie ihres Dialektes aus. Bei ihnen mögen daher schon Keime der Lautverschiebung, die gegen Ende des 6. Jahrhunderts den Übergang vom Germanischen zum Althochdeutschen herbeigeführt hat, vorhanden gewesen sein, wenigstens tritt das Althochdeutsche zuerst bei den Alamannen und alsbald auch bei den ebenfalls suebischen Bayern, Langobarden und Thüringern hervor. Aber die weitere Ausbreitung des Hochdeutschen über einen Teil der Franken hat, im Anschluß an die geographische Lage, auf reiner Kulturentwickelung beruht, wie dies noch heute bei dem Fortschreiten des Neuhochdeutschen in den niederdeutschen Gebieten der Fall ist. Geschlossene Kreise hoch- oder niederdeutsch 3 Auch die von den Nordgermanen ausgegangenen N o r m a n n e n in Frankreich, England und Unteritalien haben das Recht und die Sprache ihrer Väter früh verlernt und sich in beidem den Westfranken angeschlossen. Die ostgermanischen ß u g i e r und S c i r e n bilden höchst wahrscheinlich einen Teil der späteren Baiern, während die vielleicht ostgermanischen W a r i n e r später unter den Thüringern erscheinen. Die B u r g u n d e r , die Plinius ausdrücklich unter der gotisch-vandalischen Völkergruppe aufzählt, haben zwar in ihrem Eechte manche Eigentümlichkeiten bewahrt, durch die sie sich von den Westgermanen unterscheiden, aber ihre Sprachdenkmäler tragen, wohl infolge beständiger Nachbarschaft mit Westgermanen, vorwiegend westgermanischen Charakter. Vgl. WACKERNAGEL in BINDING'S Geschichte des burgundisch-romanischen Königreichs 331 ff. (auch i. d. Kl. Schriften III. 334 ff.). 4 Über derartige Kultusverbände bei den Germanen vgl. SOHM, Fränkische Reichs- u. Gerichtsverfassung 2 f. 5 Vgl. BAUMANN, Schwaben und Alamannen, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XVI. 217—277. Über die Bedeutung der in germanischen Völkernamen so häufigen Cömposita auf -varii als Verteidiger, dann Inhaber, Besitzer, vgl. MÖLLENHOFF i. d. Abh. d. Berliner Akad. 1862, S. 529.

10

Die germanische Urzeit.

redender Stämme hat es nie gegeben, für die Rechtsgeschichte ist diese aus sprachlichen Motiven hergenommene Einteilung wertlos6. In der räumlichen Ausbreitung der Germanen zeigte sich schon zu Caesars Zeit ein beständiges Vordringen derselben gegen die Kelten: die keltischen Bojer hatten, vor den deutschen Markomannen weichend, ihre noch heute nach ihnen benannte frühere Heimat (Boiohaemum, Böhmen) bereits geräumt und neue Sitze im inneren Gallien eingenommen; die auf beiden Ufern des Niederrheins angesiedelten keltischen Menapier sahen sich allmählich. zum Rückzüge auf das linke Rheinufer gedrängt. Um den Beginn unserer Zeitrechnung war schon das ganze linke Rheinufer von Basel bis zur Nordsee von einer geschlossenen Reihe germanischer Völkerschaften besetzt, die nur an der Mosel von keltischen Trevirern durchbrochen wurde; auch diese hielten vielfach zu dfn Germanen und wurden im Laufe der Zeit mehr und mehr von germanischen Elementen durchsetzt. Alle diese linksrheinischen Germanen, seit Augustus in den römischen Provinzen Obergermanien und Niedergermanien (Germania I und II) zusammengefaßt, waren den Römern heerfolge- und zum Teil auch tributpflichtig, behielten aber im übrigen ihre Verfassung und sonstigen nationalen Einrichtungen großenteils bei. Die Grenze der unabhängigen Germanen gegen das römische Reich bildeten im allgemeinen der Rhein und die Donau, nur die Provinzen Obergermanien und Vindelicien (Raetia II) erstreckten sich dauernd über den von beiden Strömen gebildeten Winkel, der durch den ungefähr von der Lahn bis zur Altmühl reichenden Grenzschutz (limes) gegen die Germanen abgeschlossen wurde. Die Germanen hatten, als sie zuerst in die Geschichte eintraten, den rohen Zustand der Jagd- und Fischervölker ebenso wie den reiner Hirtenvölker längst überwunden. Sie waren ein Volk von Bauern, das städtisches Leben und städtisches Gewerbe noch nicht kannte. Ihr wichtigster Erwerbszweig war noch die Viehzucht, ihre vornehmste Habe bestand in den Herden. Das Jahr teilten sie in drei Abschnitte (Frühling, Sommer und Winter); der Segen und die Arbeit des Herbstes war ihnen noch ünbekannt, denn Obst- und Weinbau waren ihnen fremd und ihr Ackerbau beschränkte sich auf die Frühjahrsbestellung. Wie sie die Jahre nach Wintern zählten, so berechneten sie die Tage nach Nächten, so daß eine Frist von 7 Nächten 8 Tage, eine solche von 14 Nächten 15 Tage ergab 7 . Ihr Handel war ausschließlich Tauschhandel, nur im Grenzverkehr mit den Römern bürgerten sich allmählich die Silberdenare der Republik und später die der Antonine ein 8. Im inneren Germanien wurden vielfach 6 Vgl. Zeitschr. f. RG. XV. 20. B R A U N E i. d. Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache I. 2 f. ' Noch heute sind uns ,,acht Tage" gleich einer Woche (frz. huitaine) und frz. quinzaine oder quinze jours bedeutet zwei Wochen. • Hierüber und über das Folgende vgl. SOETBEER, Beiträge zur Geschichte des Geld- und Münzwesens in Deutschland, Forsch, z. deutsch. Gesch. I. 207—300.

§ 4.

Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.

11

goldene Ringe und Spiralen (Bauge) zu Zahlungen verwendet, die man zuerst auf dem Wege des Bernsteinhandels von den Griechen am Schwarzen Meer erhalten hatte und deren Wert nach einem wahrscheinlich von ebendaher eingewanderten Pfunde von ungefähr 350 Gramm berechnet wurde. Als eigentlicher Wertmesser und wichtigstes Zahlungsmittel galt das Vieh, so dass faihu, feok geradezu Geld oder Lohn bedeutete. Den Gebrauch der Schriftzeichen hatten die Germanen wahrscheinlich gleich den übrigen westarischen Nationen schon aus der asiatischen Heimat mitgebracht 8 . Sie verwendeten dieselben ausschließlich zu religiösen Zwecken, besonders zum Losen, wobei die Zeichen unter dem Raunen heiliger Worte in Baumreiser eingeritzt wurden 1 0 . Das regelmäßige Verlosen der Äcker mag dann dazu geführt haben, daß jeder Hausherr ein eigenes Zeichen als Hausmarke oder Handgemal erhielt, dessen er sich auch zur Bezeichnung seiner Fahrhabe bediente 11 . Das Recht bezeichneten die Wes'tgermanen als „Ehe" (alth. alts. altfries. euua, alts. eo, Su, ags. d, ce, mo, altfries. ä, e), d. h. ewige Ordnung 1 2 , während bei den Nordgermanen die auch den Angelsachsen, Friesen und Franken bekannte Bezeichnung lag gebräuchlich war 1 3 . Geschriebenes Recht gab es nicht, alles Recht war Gewohnheitsrecht 14 , das teils in Urteilssprüchen von Fall zu Fall, teils in abstrakten Urteilen (Weistümern) und in Rechtsvorträgen der Gesetzsprecher, teils in Rechtssprichwörtern 16 hervortrat. § 4. D i e s t a a t l i c h e G l i e d e r u n g d e r V ö l k e r s c h a f t e n 1 . Bei dauernd angesiedelten Völkern pflegt der Boden, den sie bewohnen, die Grundlage ihrer staatlichen und rechtlichen Entwickelung abzugeben, ihre Verfassung erscheint als Landesverfassung, ihr Recht als Landrecht. So 9

V g l . W . GRIMM, Ü b e r a l t d e u t s c h e R u n e n , 1 8 2 1 .

v . LILIENCBON U. MÖLLEN-

HOFF, Zur Runenlehre, 1852. WIMMER, Runescrifters oprindelse og udvikling i norden, 1874. 10 Daher „Runen", „Stäbe", „Buchstaben". Vgl. GRIMM, DWB. II. 480. 11 Derartige Marken haben sich zum Teil bis heute im Gebrauch erhalten. Vgl. HOMEYER, Die Haus- und Hofmarken, 1870, und i.d. Bericht, über die Verhandl. der Berlin. Akad. 1872, S. 6L1—623. HOMEYEB, Über das germanische Losen (ebd. 1853, S. 747 bis 774), und die Losstäbchen (i. d. Symbolae Bethinanno -Hollwegio oblatae, Berlin 12

1868). V g l . GRIMM, D W B . I I I . 39.

13 Das Vorkommen des Wortes im Niederfränkischen hat BRUNNER nachgewiesen, Zeitschr. f. RG. XVII. 237. 14 Tacitus, Germania c. 19: plusque ibi boni mores valent quam alibi bonae leges. Selbst das lateinische lex wurde bei den Germanen noch im Mittelalter ebensowohl auf das ungeschriebene wie das geschriebene Recht bezogen. In der fränkischen Zeit bezeichnete es nicht selten geradezu das ungeschriebene Recht im Gegensatze zu dem geschriebenen (pactus). 15 V g l . D e u t s c h e R e c h t s s p r i c h w ö r t e r , g e s . v o n HILLEBBAND, 1858, v o n GRAF u. DIETHEBR, 1864, v o n SCHRÖDEB, i. d. Zeitschr. f. RG. V . 2 8 — 4 5 . 1

V g l . WAITZ, V G . I . 2 0 1 — 2 3 5 . v . SYBEL 3 5 — 8 1 . GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t I.

39—45. MÜNCH, Nordgerm. Völker 126 ff. THUDICHUM, Gau-u. Markverfassung 1—36.

Die germanische Urzeit.

12

weit war die Seßhaftigkeit der Germanen noch nicht gediehen. Der einzelne hatte noch kein Privatrecht am Boden und selbst das Yolk betrachtete sich nicht als dauernd mit diesem verbunden; ihm war das Land nur der Schauplatz, auf dem seine rechtliche und wirtschaftliche Existenz den notwendigen Raum fand, aber sein Recht war Volksrecht und die staatliche Gliederung schloß sich durchaus an die des Volkes, d. h. des Heeres, an 2 . Althochdeutsche Glossen übersetzen cuneus bald mit folch oder heriganozscaf, bald mit drupo, thrupo, je nachdem sie das ganze Heer oder einen kleineren Heereskörper, einen Trupp (turba), im Auge haben 3 . Das Volk (fylki, civitas) oder das Heer war zugleich der Staat (schwed. folkland), wie thrupo, thorp, thorf (goth. thaurp) außer einer Unterabteilung des Heeres auch eine einzelne Niederlassung, unser „Dorf", bezeichnete Welcher Heeresteil aber hier gemeint war, ergiebt sich aus Tacitus, Germ. C. 7: non casus nec fortuita conglobatio turmam aut cuneum facit, sed familiae et propinquiiates. Das Heer gliederte sich nach Sippschaften (farae), und als Sippschaften (genealogiae) wurden noch im 8. Jahrhundert auch einzelne Dörfer und Markgenossenschaften bezeichnet 5 . Die Ansiedlung der Germanen, denen das Wohnen in ummauerten Städten unerträglich erschien®, erfolgte teils in Dörfern, teils in Einzelhöfen. In unrichtiger Deutung der Worte des Tacitus hat man früher vielfach die Einzelhofwirtschaft für das eigentlich germanische Prinzip gehalten und die Dorfanlagen auf eine spätere wirtschaftliche Entwickelung zurückzuführen gesucht. Daß die in den Alpen, dem Schwarzwald, den Yogesen und dem skandinavischen Gebirgslande sowie in der niederrheinisch-westfalischen Tiefebene noch heute überwiegenden Einzelhöfe bis in die Urzeit zurückreichen und die geschlossenen Ortschaften in diesen ! Die Grundbedeutung der Worte „Yolk" und „Heer" ist dieselbe. Vgl. KLUGE, Etymol. WB. 358. Zeitschr. f. RG. XVIII. 33: .lecundum ritum Ostersahson herescaph in pago Sulbirgoiee; ferner: in exercitu Asterliudi, und: in orientali exercitu. Vgl. § 5 Anm. 4, 5. ' Vgl. STEINMEYER und SIEVERS 11.439: cuneum: folch; 758: cuneos: heriganozscaf. I. 74 f.: cuneus: drupo, tkrupo. GR ÄFF, Alth. Sprachschatz V. 252: cuneos, turbas minores: drupo, thrupo. 4 Vgl. STEINMEYEB U. SIEVERS I. 3 1 2 : in oppidis: in throphom. II, 1 3 2 : municipii dorfes; 148: predia: thorp; 332: oppido: thorf; 598: territoria,loca: dorf. WBIGHT,Anglosaxon Vocabularies, 2. edit. by WÜLCKER, I. 15: conpetum, tuun, prop; 207: competum vel compitwm i. villa vel fingstow vel frop. Vgl. GRAFF, a. a. 0. V. 224. Ortsnamen auf dorf bei FÖRSTEMANN, Ortsnamen 1464 ff. Über den sprachlichen Zusammenhang von „Dorf" und „Trupp" mit turba vgl. GRIMM, DWB. II. 1 2 7 6 f. STORM i. d. ßomania I. 490. DIEZ, WB. d. roman. Sprachen I. s. v. tropa. Die Verschiebung des r zeigt sich noch heute in en westfälischen und dänischen Ortsnamen auf trup und drup. 8

Vgl.

WAITZ

I.

80

ff.

v.

SYBEL 4 2

ff.

GIEBKE

I.

14

ff.

Formul.

Patav.

5

S. 4 5 9 , R o z i f e B E Nr. 3 1 8 ) : in vico et genealogia. Siehe auch §. 5 Anm. 5. Auf den Zusammenhang mit der Sippschaft deuten auch die patronymischen Ortsnamen auf —ing und —ingen. Vgl. FÖRSTEMANN, a. a. 0. 905 ff. 8 Nur die Ubier hatten sich schon zur Zeit Vespasians an das städtische Leben gewöhnt. Vgl. Tacitus, Hist. IV. c. 63, 64. (ZEUMEB

§ 4.

Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.

13

Gegenden erst später entstanden sind, läßt sich allerdings nicht bezweifeln, aber hier gab teils die gebirgige Natur des Landes, teils die Ansiedelungsweise der Yorbesitzer (keltischer Menapier) den Anlaß, von der sonst allgemein (auch in Dänemark und dem südlichen Schweden) üblichen Ansiedelung nach Dorfschaften abzusehen 7. Übrigens bestand der gewöhnlich angenommene scharfe Gegensatz zwischen Dorfsystem und Einzelhofsystem bei den Germanen überhaupt nicht, auch die Dörfer waren nicht Haus an Haus und durchaus nicht, wie die ringförmigen Dörfer der Wenden, nach einem bestimmten Bebauungsplane, sondern weitläufig längs der Strasse und in freier Anschmiegung an die natürlichen Bodenverhältnisse angelegt 8 , so daß es nur, wo diese es erlaubten, zu einigermaßen geschlossenen Ortschaften, die man vielfach mit Zaun und Graben befestigte, kam 9 . Die territoriale Bedeutung des Dorfes tritt in dem Worte wich oder wtk und den Ortsnamen auf husen und heim, die sämtlich von dem Begriffe „Haus", „Wohnsitz" ausgehen, hervor 10 . Aber erst das fränkische Reich hat den territoralen Charakter von Staat und Gemeinde zum Ausdruck gebracht, die Urzeit kannte nur Volk und Geschlecht. Die später bei den Dörfern der verschiedensten Gegenden hervortretende, durchschnittliche Größe von 20 bis 40 Hufen läßt darauf schließen, daß die Sippschaftsverbände, die sich an einem Orte niederließen, durchschnittlich 20 bis 40 Familien umfaßt haben, bei stärkeren Verbänden also die Bildung mehrerer Ortsgemeinden einzutreten pflegte. Die Bedeutung der Ortsgemeinden für das öffentliche Recht beschränkte sich auf die Stellung als besondere Truppenkörper im Heere, im übrigen hatten sie einen ausschließlich privat- oder familienrechtlichen Charakter und von einer Gemeindeverfassung als solcher war keine Rede. Die Gemeinde des öffentlichen Rechts war ein größerer, mehrere Dörfer umfassender Verband, den die römischen Schriftsteller als pagus bezeichnen. Die gemeingermanische Bezeichnung war „die H u n d e r t e " ; jünger war die territoriale Bezeichnung „Gau", die sich bei den Südgermanen ' Vgl. SCHRÖDER, Die Franken und ihr Recht 50 f. und die daselbst citierten Ausführungen 8

von

VANDERKINDEREN, E R H A R D T

und

LAMPRBCHT.

Dies ist der Sinn der vielumstrittenen Worte in Tacitus. Germ. c. 16:

Nullas

Gerrnanorum populis urbes habitari satis notwrn est; ne paii quidem inier se iunctas sedes. colunt discreti ac diversi, ut fons, ut campus, ut nemus placuit. vicos locant non in nostrum, morem conexis et cohaerentibus aedificiis: suam quisque domurn spatio eircumdat. Vgl. die S. 6 angeführten wirtschaftsgeschichtlichen Werke, besonders LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben I. 7 f. MEITZEN, Der Boden und die landwirtschaftl. Verhältnisse des preussischen Staates I. 345 f. WAITZ I. 114 f. 9 Auf die Dorfwehr beziehen sich die Ortsnamen auf —hag, —hagen, —tun, —bürg. Vgl. F Ö R S T E M A N N , a. a. 0 . 3 5 9 ff., 6 8 8 , 1 4 8 7 . 10 Vgl. STEINMEYER U. S I E V E E S II. 5 1 3 : vicos: ttuicha. Das Wort hängt sprachlich mit vicics und oixoc zusammen. Vgl. FÖRSTEMANN 7 0 1 ff., 8 7 9 ff., 1 5 8 3 . Mit heim = Dorf hängt die Bezeichnung des Marktes als Heimgarten zusammen. Vgl. S T E I N M E Y E R U. S I E V E R S I. 8 0 9 : inforo: in heimgarte. GRIMM, DWB. IV.* 8 7 1 .

14

Die germanische Urzeit.

findet und offenbar erst die Folge dauernder Ansiedelung der einzelnen Hundertschaften gewesen ist 11 . Die Hundertschaft, wie der keltische pagus regelmäßig unter einem eigenen Fürsten stehend 12 , bildete in erster Reihe eine besondere, mehrere Sippschaften umfassende Heeresabteilung und dementsprechend auch eine besondere Gruppe der Völkerschaftsversammlung. Außerdem war sie der Schauplatz der örtlichen Rechtspflege. In Angelegenheiten des Grundbesitzes erscheint sie als Markgenossenschaft. Ihre Entstehung und ursprüngliche Bedeutung ist im Heere zu suchen, sei es dass eine Schar von 100 oder (nach dem germanischen Großhundert berechnet) 120 Familien den Ausgang gebildet hat, oder daß sich der Ausdruck schlechthin auf eine größere Schar, die man nicht mehr zählte, bezog. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Hundertschaft, deren Namen von Caesar wie von Tacitus mißverständlich gedeutet wurde 13, ursprünglich aus der erweiterten Sippschaft hervorgegangen. Der Staat hat sich auf Sippschaft und Hundertschaft als Geschlechterstaat aufgebaut u , doch muß sich der gentilicische Charakter der Hundertschaft unter den Einwirkungen dauernder Seßhaftigkeit schon früh verloren und der Idee eines Bezirksverbandes platzgemacht haben 15. 11 Über „Gau" (got. gavi) vgl. GBIMM, OWB. IV. 1 1518 ff-, über die Hundertschaft ebenda IV. 2 1923. Das Wort „Gau" war den Nordgennanen unbekannt; auch bei den Angelsachsen kommt es nur vereinzelt vor, die geläufige ags. Bezeichnung für die späteren (großen) Gaue war stire (engl, shiré), von scerian, scyrian, d. h. teilen, scheren, übrigens mit ags. scearu, scaru, engl, share, ital. schiera, unserm Schar, sprachlich wie begrifflich zusammenhängend und daher vielleicht ebenfalls von der Bezeichnung eines Heeresteiles ausgegangen.. Nur in dem sächsischen go hat sich die ursprüngliche engere Bedeutung des Wortes Gau bis zum Mittelalter erhalten, während dasselbe sonst seit der fränkischen Zeit die Grafschaft und nicht mehr die zu einem bloßen Untergau gewordene Hundertschaft zu bezeichnen pflegt. Die „Hunderte" war eine den sämtlichen Germanen bekannte Bezeichnung, die damit als urgermanisch verbürgt ist. Daneben findet sich altnord. herab und harde, wahrscheinlich ebenfalls mit der Grundbedeutung „hundert". 13 Vgl. HIRSCHFELD, Gallische Studien 35 ff. (Sitzungsber. d. Wiener Akad. C M . 3 0 3 ff.). 13 Caesar legt den Chatten (die bei ihm als Sueben erscheinen), Tacitus den Semnonen eentwm pagi bei (Bell. Gall. IV. c. 1, Germ. c. 39), die Gerichtsversammlung der Hunderte bezeichnet Tacitus als centeni comités (Germ. c. 12). Der neuerdings von verschiedenen Forschern gegen die Annahme von Mißverständnissen des Caesar und Tacitus erhobene Widerspruch beruht auf einer Überschätzung der Zuverlässigkeit beider Autoren, während der Widerspruch gegen die altgermanische Hundertschaft bei der Übereinstimmung sämtlicher germanischen Verfassungen durch nichts gerechtfertigt ist. 14 In dieser Weise ist bei den Slaven aus der Familie die zadruga (Geschlechterdorf), aus der erweiterten zadruga die shupanie, aus dem Zusammenschluß mehrerer Shupanien in Kriegsfällen die Großshupanie oder Großwojwodschaft entstanden. Vgl. TURNER, Slavisches Familienrecht, 1874. 15 Zu weit in der Festhaltung des germanischen Geschlechterstaates geht v. SYBEL, wenn man ihm auch hinsichtlich der Geschlechtsdörfer unbedingt zustimmen muß; aber über das Dorf hinaus war der Staatsorganisraus der Germanen bei ihrem Ein-

§ 5.

Die Landesgemeinde und das Königtum.

15 1

§. 5. Die L a n d e s g e m e i n d e und das K ö n i g t u m . Ein eigentümlicher Gegensatz in der Verfassung der Ost- und Westgermanen bestand darin, daß die ersteren gleich bei ihrem Eintritt in die Geschichte unter Königen standen, während die Völkerschaften der Westgermanen in Eriedenszeiten keiner einheitlichen Spitze, weder einem erblichen Könige, noch einem gewählten Landesfürsten, gehorchten. Dieser Gegensatz hatte aber nur eine untergeordnete Bedeutung, da sich einerseits auch bei den Westgermanen das Königtum mehr und mehr einbürgerte, um dann im Laufe der Völkerwanderung zur überwiegenden Herrschaft zu gelangen, während andererseits das germanische Königtum mehr Ehren- als Hoheitsrechte umfaßte, so daß auch in den Monarchien der Schwerpunkt der Verfassung in der Volksversammlung lag. Die gemeingermanische Bezeichnung der Volksversammlung war T h i n g (ahd. dinc)2. Es gab ein Hundertschaftsthing (altn. heradsping), d. h. die Gerichtsversammlung, und ein Völkerschaftsthing (altn. fylkispbig), die von den Römern als concilium bezeichnete politische Versammlung der Landesgemeinde 3 . Ver-

sammlungen

mehrerer Völkerschaften kommen

in

dieser Periode

als

tritt in die Geschichte bereits von der Geschlechterverfassung losgelöst; wenn die Beamtentitel vielfach noch einen patriarchalen Charakter trugen, so beweist dies nur, daß der Geschlechterstaat den vorgeschichtlichen Ausgangspunkt der staatlichen Entwickelung gebildet hat. Im schroffen Gegensatze zu v. SYBEL stehen zwei andere Auffassungen, von denen die eine die Hundertschaft aus der Markgenossenschaft, statt umgekehrt, hervorgehen läßt, während die andere in den Hundertschaften ursprünglich selbständige Heerkönigreiche sieht, die sich erst im Laufe der Wanderung zu Völkerschaften vereinigt, ihre früheren Heerkönige aber als Gaufürsten beibehalten haben. Beide Auffassungen sind unbegründet. 1

V g l . WAITZ I . 2 9 4 — 3 7 0 .

v. SYBEL 2 1 0 — 2 3 1 .

GIERKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t

I. 30 ff., 48 ff. DAHN, Könige der Germanen I. SOHM, Fränk. Reichs- und Gerichtsverfassung 4—8. SICKEL, Freistaat 32—71. GRIMM, R.A. 229—265. KÖPKE, Die Anfänge des Königtums bei den Gothen, 1859. DAHLMANN, Gesch. v. Dänemark I. 169 ff. MÜNCH, Nordgerman. Völker 165 f., 195 f. K. LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen, 1886. SICKEL i. d. Mitteil. d. österr. Institutes, Ergänzungsheft I. 16 ff. 8

8

V g l . GRIMM, R A . 6 0 0 , 7 4 7 ; D W B . I I . 1165.

Eine in jeder Beziehung zutreffende, durch alle späteren Nachrichten bestätigte Schilderung des Landesthinges verdanken wir Tacitus, Germania c. 11: De minoribus rebus principes Consultant, de maioribus omnes, ita tarnen ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud principes pertractentur. coeunt, nisi quid fortuitum et subitvm incidit, eertis diebus, cum aut incohatur luna aut impletur: narn agendis rebus hoc auspicatissimum initium credunt, — — — illud ex libertate vitium, quod non simul nec ut iussi conveniunt, sed et alter et tertius dies cunctatione coeuntium absumitur. ut turba placuit, considunt armati. silentium per sacerdotes, quibus tum et coercendi ius est, imperatur. mox rex vel princeps, prout aetas cuique, prout nobilitas, prout decus bellorum, prout facundia; est, audiuntur, auctoritate suadendi magis quam iubendi potestate. si displicuit sententia, fremitu aspernantwr; sin placuit, frameas coneutiunt. honoratissimum assensm genus est armis laudare. Weiterhin hat dann Tacitus dem concilium scheinbar manches zugeschrieben, was nicht dem Landesthing, sondern dem von ihm mißverständlich aufgefaßten Hundertschaftsthing angehörte. Es ist nicht das kleinste Verdienst SOHM'S, auf diesem Gebiete die kritische Sonder u n g vorgenommen zu haben.

Die germanische Urzeit.

16

dauernde Einrichtungen nur mit dem Charakter von Opferversammlungen vor; erst später, nachdem aus der Vereinigung verschiedener Völkerschaften die großen Stämme hervorgegangen sind, erscheinen die Stammesversammlungen als lagthing oder landsthing. Die zum Thing versammelte Landesgemeinde war nichts anderes als das Volk in Waffen, das Heer 4 . Bewaffnet wie zum Kriege trat man zusammen, jeder Heerespflichtige war zugleich thingpflichtig, die Versammlung stellte sich nach den einzelnen Heeresabteilungen (Hundertschaften und Sippschaften) auf 6 ; das Thing diente zugleich als Heer- und Waffenschau und die Musterung der zur Waffenfähigkeit herangereiften Jünglinge galt als eine der regelmäßigen Aufgaben des Landesthinges. Aus diesem Grunde, sowie wegen der Geschenke, die den Königen und Fürsten von der Bevölkerung bei Gelegenheit des Thinges dargebracht wurden, ist anzunehmen, daß jährlich zu bestimmter Zeit, wahrscheinlich im Frühjahr, eine ordentliche Volksversammlung (als echtes oder ungebotenes Thing) stattfand, während in Fällen, die keinen Aufschub duldeten, nach Lage der Sache außerordentliche oder gebotene Thinge anberaumt wurden. Die Berufung der Thingpflichtigen erfolgte unter denselben Formen, wie bei dem Aufgebot zum Heere. Die Berufung anzuordnen war Sache des Fürstenrates. Denn alles, was im Thing verhandelt werden sollte, wurde zuvor in dem engeren Kreise der versammelten Fürsten durchberaten, minder wichtiges gleich hier erledigt; auch in Monarchien hat dieser Fürstenrat, in welchem der König dann den Vorsitz führte, nicht gefehlt. Zur Thingzeit wählte man, wenn es anging, die heiligen Tage des Voll- oder Neumondes 8 . Die Dauer des Thinges richtete sich nach den Umständen, doch verstrichen regelmäßig mehrere Tage, bis die Versammlung sich beschlußfähig erklären konnte. Sobald dies geschehen war, erfolgte die feierliche Hegung, und zwar bei den Südgermanen durch den Priester, während bei den Nordgermanen die Könige die priesterlichen Funktionen ausübten. Die Hegeformel lautete: „Ich gebiete Lust und verbiete Unlust" 7 . Durch die Hegung wurde die

4

Vgl. S. 12. ED. ROTHAKI C. 386: felicissimum exercitum nostrum, wobei nicht vom Heere, sondern von der Volksversammlung die Rede ist. Damit war die von manchen Schriftstellern in Abrede gestellte Thingpflicht aller Heerpflichtigen von selbst gegeben. In Fällen, wo es nicht darauf ankam, wird selbstverständlich die Versammlung kein Gewicht auf die Thingpflicht gelegt und die ohne echte Not Ausgebliebenen nicht zur Verantwortung gezogen haben. 5 Die älteste alamannische Rechtsaufzeichnung spricht von der Volksversammlung als den „Sippschaften des Heeres" (heris generationesj. Die den Römern unterworfenen Germanen rechneten es sich selbst zur Schmach, daß ihnen nur unbewaffnete Versammlungen gestattet waren. Vgl. Tacitus, Hist. IV. c. 6. • Die Westgoten hielten ihre Volksversammlungen noch im 5. Jahrhundert zur Zeit des Neumondes. Vgl. DAHN, Könige der Germanen VI. 554. Auch für den Aufmarsch des Heeres zum Kampfe hielten die Germanen diese Zeit für die geeignetste. Vgl. Caesar, Bell. Gall. I. c. 50. 7 Vgl. MÖLLENHOFF, Deutsche Altertumskunde V. 5, 86. SCHILLER U. LÖBBEN, Mittelnd. WB. II. 751; V. 63. Lust (alts. hlust, ags. hlyst, altn. hljops) in diesem

§ 5.

17

Die Landesgemeinde und das Königtum.

Versammlung gebannt, d. h. unter den Schutz und Frieden des Gottes Ziu gestellt, der als Schwert- und Kriegsgott zugleich der Gott des Heeres wie des Thinges war 8 . Jede Störung des Thingfriedens (unlust) war demnach eine Beleidigung der Gottheit und fiel der Bestrafung durch den Priester anheim. Den Gegenstand der Verhandlungen bildeten Wahlen (Königswahl, Herzogswahl, Fürstenwahl), Rechtsangelegenheiten von politischer Bedeutung, Beschlüsse über Krieg und Frieden; wollte ein Fürst auf eigene Hand einen Zug ins Ausland unternehmen (§ 7), so bedurfte er seiner Entlassung und mindestens insofern der Genehmigung der Versammlung. Wie die Wehrhaftmachung der jungen Leute, so gehörte auch die Verleihung des Waffenrechtes an Freigelassene vor das Landesthing; Freilassungen zu vollem Recht konnten demnach nur hier erfolgen. Eigentliches Gericht war das Landesthing nicht, da die ordentliche Rechtspflege als Sache der Hundertschaften galt; kraft ihres Hoheitsrechtes konnte aber die Landesgemeinde auch Rechtshändel, die bei ihr anhängig gemacht wurden, zu ihrer Entscheidung ziehen, und dies wird, wo die Gesamtheit mehr oder weniger mitberührt wurde, z. B. bei Klagen gegen einen Fürsten oder bei Verletzungen auf dem Wege zum Thing, auch regelmäßig geschehen sein. Von gesetzgeberischer Thätigkeit der Landesgemeinde läßt sich in dieser Periode füglich noch nicht sprechen 9 ; auch die später (vgl. § 8 Anm. 14) zu erwähnenden Rechtsvorträge dürften ursprünglich nicht dem Landesthing, sondern ausschließlich der Gerichtsversammlung der Hundertschaft angehört haben. An den Verhandlungen im Thing nahmen außer dem Könige und den Fürsten nur die Ältesten und Weisesten aus dem Volke, ohne daß man dabei an eine bestimmte rechtliche Abgrenzung zu denken hätte, teil 10 . Die Menge beteiligte sich Sinne bedeutet Gehör und Schweigen. Das studentische Silentiumgebieten erscheint als ein letzter Rest der alten Hegeformel. Vgl. noch § 7 Anm. 19. 8 Über die neuerdings in England aufgefundenen, dem Mars Thingsus geweihten Votivsteine tuihantischer Krieger aus dem cuneus Frisiorum vgl. Archaeologia Aeliana X . ( 1 8 8 4 ) 1 4 8 — 1 7 2 ; HÜBNEB i. d. W e s t d e u t s c h e n Z e i t s c h r i f t f. G e s c h i c h t e u . K u n s t I I I . 120,

2 8 7 ; SCHERER

i.

d.

Sitzungsberichten

der

Berl.

Ak.

XXY.

(1884)

571—582;

BRUKNER i. d. Zeitschr. f. RG. XVIII. 226 ff. Der Umstand, daß der Kriegsgott Ziu (Tiu, Tius, Irmin, Heru, der nordische Tyr) einen besonderen Beinamen als Gott des Thinges führte, klingt in der niederdeutschen Bezeichnung des ihm geweihten Dienstages als „Dingsdach", sowie umgekehrt in der vielfach verbreiteten Bezeichnung der Thingstätten als „Tie" noch heute nach. Vgl. GRIMM, DWB. II. 1120; RA. 748, 818. Während der Gottesfriede des Ziu für Bewaffnete bestimmt war, schloß der Friede der übrigen Götter alle Bewaffneten vom Zutritt aus. Vgl. Tacitus, G e r m . c. 4 0 ; A n n a l . I. c. 5 0 , 5 1 ;

K . MAURER i . d. G e r m a n i a v o n PFEIFFER U. BARTSCH

XVI. 331; WEINHOLD, Die deutschen Fried- und Freistätten (Kieler Universitätsprogramm v. 1864) S. 4. Vgl. auch § 7 Anm. 13. 9 Hierher mag man allenfalls rechnen, was Caesar (B. Gall. IV. c. 2) von dem Verbote der Weineinfuhr bei den Chatten, die er Sueben nennt, berichtet. 10 Vgl. Caesar, Bell. Gall. IV. c. 11: principes ac senatm. c. 13: omnibus prin-

cipibus maioribusque natu adhibitis. Tacitus, Hist. IV. c. 14: primores gentis et promptissimos vulgi. Man sehe die vortreffliche Auseinandersetzung bei SICKEL 39 f. Dali. SCHBÖDEB, Deutsche RechtBgeschichte.

2

18

' Die germanische Urzeit.

nur in summarischer Weise durch Ablehnung oder Zustimmung. Die Ablehnung äußerte sich durch Murren, die Zustimmung durch Schwingen und Zusammenschlagen der Waffen, zumal der Speere. In feierlichster Form erfolgt« diese Art der Zustimmung (altn. vâpnatak, langob. gairethiruc) unter einem tanzenden Hin- und Herbewegen des Körpers und Ausspruch feierlicher Gelübde- und Verwünschungsformeln, wenn es sich für das Volk um die rechtsförmliche Übernahme bindender Verpflichtungen, z.B. um den Beginn eines Krieges oder einer Schlacht, um Friedensschlüsse, Bündnisverträge, Annahme eines neuen Herrschers u. dgl. m., handelte 11 ; es war ein dem promissorischen Eide auf die Waffen ähnlicher, wenn auch begrifflich von ihm verschiedener Akt 12 . Umgekehrt scheint es ein Akt der feierlichen Ablehnung übernommener Verpflichtungen, insbesondere der Lossagung von einem Könige oder Herzog, gewesen zu sein, wenn das Volk die Waffen auf den Boden warf 13 . Zu den vornehmsten Aufgaben des Landesthinges gehörte in Monarchien die Königswahl, denn auch die Könige wurden gleich den Beamten gewählt, aber die Wahl war an ein bestimmtes Geschlecht, das erste oder königliche unter den Adelsgeschlechtern des Volkes, gebunden 14 . Auf diese Abstammung aus einem bestimmten Geschlecht deutet das gemeingermanische kuning (ags. cyning, altn. honungr) n, während goth. piudans (alts. thiodan, ags. ßeoden) den König als das Oberhaupt des Volkes (goth. piuda, altn. pjôd, ags. peôd, ahd. diot, mhd. diei) bezeichnet. Der neuerwählte König wurde von dem Volke auf den Schild gehoben und vor dem Volke umhergetragen, die Übertragung des Herrscherrechtes geschah wohl allgemein unter der symbolischen Überreichung eines Speeres ie . gegen nimmt ECKABDT, a. a. 0 . 41 ff., den senatus für einen besonderen Ausschuß, den er mit den von ihm als Ganausschuß gefaßten centeni comités des Tacitus (vgl. § 8) in Verbindung bringt. Die norwegische uud isländische lögretta ist späteren Ursprungs. 11 Über das vâpnatak vgl. GBIMM, RA. 770; K. MAUBEB, Island 167 und i. d. Germania von BABTSCH, XVI. 320 ff., sowie die daselbst besprochenen Arbeiten von GRÜNDTVIG, HERTZBERG und DJURKLOU, über gairethinx meine Bemerkungen i. d. Zeitschr. f. EG. XX. 58 ff. Siehe auch Tacitus, Hist. IV. c. 15, V. c. 17. Vgl. § 8 Anm. 11. Die Beifallsäußerung durch Zusammenschlagen der Waffen war auch den Kelten bekannt. Vgl. Caesar, B. Gall. VII. c. 21. 15 Vgl. Ammian. Marceil. XVII., 12 § 21 von den Quaden: eductis mucronibw, ¡nos pro numinibus colunt, iuravere se permansuros infide. Hierher ist auch zu ziehen Caesar Bell. Gall. IV. c. 11 von den Ubiern-, qwyrwrn si principes ac senatus sibi iureiurando fidem fecisset. Vgl. Beovulf v. 1097—1109. Über den gemeingermanischen Gebrauch des Eides auf die Waffen vgl. K. MAURER, a. a. 0. 317 f. und die bei diesem angeführte Schrift von GRÜNDTVIG. Siehe auch § 7 Anm. 6. 13 Vgl. Zeitschr. f. EG. XX. 58. 14 Tacitus, Germ. c. 7: Beges ex nobilitate, duces ex virtute sumunt. Auch in den Volksstaaten bezeichnete man das vornehmste Adelsgeschlecht als das königliche. Vgl. Tacitus, Hist. IV. c. 13. Annal. XI. c. 16. 16

Ü b e r die E t y m o l o g i e n v g l . GRIMM, R A . 229 f., HILDEBRAND in GRIMMS D W B

V 1691 f., KLUGE, Etym. WB. 175 f. 16 Vgl. GRIMM, RA. 163, 234 ff., 771. Zeitschr. f. RG. XX. 58 f. Vgl. Anm. 18.

§ 5.

Die Landesgemeinde und das Königtum.

19

Speer, Speerfahne, Schwert u n d Schild haben sich das ganze Mittelalter hindurch als Wahrzeichen der königlichen Gewalt e r h a l t e n 1 7 . Diese kriegerischen Symbole deuten an, daß der K ö n i g der geborene Heerführer seines Volkes war, während dies A m t bei den republikanischen Völkerschaften einem nur für die Dauer des Krieges erwählten Herzoge übertragen w u r d e 1 8 . Als Haupt des Heeres war der König auch das Haupt der Landesgemeinde, ohne doch in den vor diese gehörenden Angelegenheiten anders als durch die Kraft der Überredung wirken zu können. Wesentlich gehörte z u m altgermanischen K ö n i g t u m e auch die priesterliche Thätigkeit, zumal bei Opferdienst u n d Erforschung der Z u k u n f t 1 9 ; in vorhistorischer Zeit dürften Heerführertum und Oberpriestertum geradezu den Inbegriff der königlichen Gewalt gebildet h a b e n 2 0 , u n d dabei ist es i m Norden i m allgemeinen geblieben, während bei den Südgennaneri durch die Einführung des Landespriesteramtes, d e m die H a n d h a b u n g des B a n n e s i m T h i n g wie i m Heere anheimfiel, eine wesentliche S c h w ä c h u n g des K ö n i g t u m s herbeigeführt w u r d e 2 1 . Überhaupt aber hatte der altgermanische K ö n i g ein eigentliches Machtgebot n u r gegenüber s e i n e m G e f o l g e 2 2 . D e m Volke gegenüber war seine Gewalt äußerst beschränkt 2 3 . Bei manchen Stämmen war., wie es scheint, statt der Speerreichung die Berührung des von dem Könige gehaltenen Speeres durch die Speere der Volksgenossen üblich. Es fand also eine Verpflichtung des Volkes durch gairethinx statt, an deren Stelle später der Unterthaneneid getreten ist. 17 Vgl. § 17. 18 Auch bei der Herzogswahl fand Schilderhebung statt, vgl. Tacitus, Hist. IV. c. 15, von den Canninefaten: impositusque scuto more gentis et sustinentium humeris vibratus dux deligitur. Es liegt kein Grund vor, die königliche Schilderhebung, weil sie zufällig erst durch spätere Zeugnisse beglaubigt ist, für eine bloße Nachbildung der herzoglichen zu halten. 19 Vgl. Tacitus, Germ. c. 10: sacerdos ac rex vel princeps civitatis comitantur hinnitusque ac fremitws observant. 20 Vgl. § 6 Anm. 25. Slawische Sprachen verwenden leungs, Jcuningas, fcnezi vielfach zur Bezeichnung des Priesters, in dieser Bedeutung müssen sie das dem Germanischen entlehnte Wort also empfangen haben. Vgl. GRIMM, DWB. Y. 1691. 21 Vgl. § 6 Anm. 27 ff. Daß infolge dieses Gegensatzes das nordgermanische Königtum ein erheblich strafferes war, deutet u. a. die Notiz des Tacitus, Germ, c. 44, über das Königtum der Suionen an. Bei den Burgundern des 4. Jahrhunderts stand der Oberpriester (sinistusj in größerem Ansehen als der König, vgl. Ammian. Marc. XXVHL c. 5 § 14: Apud hos generali nomine rex adpellatur kendinos, etritu veteri potestate deposita removetur, si sub eo fortuna titubaverit belli vel segetum eopiam negaverit terra, ut solent Aegyptii casus eiusmodi adsignare rectoribus, nam sacerdos apud Surgundios omniwm maximus vocatur sinistus, et est perpetuus, obnoxius discriminibus nullis ut reges. Von dem vandalischen Königshause der Asdingen ist es nicht unwahrscheinlich, daß es das zur Königswürde aufgestiegene Priestergeschlecht der Naharnavalen (Tacitus, Germ. c. 43) gewesen ist. Vgl. M Ö L L E N HOFF i. d. Zeitschr. f. deutsch. Alt. X. 556 f., XII. 347. 22 Vgl. § 6 Anm. 17, 34 ff. 28 Tacitus, Germ. c. 7: nee regibus infinita aut libera potestas; c. 43: Gotones regnantur, paulo iam adduetius quam ceterae Oermanorum gentes, nondum tarnen supra libertatem. 2*

Die germanische Urzeit.

20

In seiner Eigenschaft als geborener Heerführer und Haupt der Landesgemeinde besaß er zwar gewisse Hoheitsrechte, aber doch wirkte er, wie der Herzog, in allem exemplo potius quam imperio: er hatte die Leitung, aber die Beschlüsse über Krieg und Frieden, über Beamtenwahlen und gerichtliche Entscheidungen lagen ausschließlich in der Hand des Volkes, der König hatte dabei nnr mitzureden und mitzustimmen, wie andere auch. Die ordentliche Rechtspflege war Sache der von dem Volke eingesetzten Richter; von einer eigenen königlichen Gerichtsbarkeit, die später so bedeutend in die ganze Rechtsentwickelung eingegriffen hat, war noch keine Rede, auch einen vom Könige verliehenen Frieden gab es noch nicht, der allgemeine wie der besondere Frieden war Volks- nicht Königsfrieden; immerhin aber deutet das Recht des Königs auf die Strafgelder, die in den Republiken an das Volk fielen, bereits die erste Stufe in der Ausbildung des königlichen Friedens und der königlichen Gerichtshoheit an 2 4 . Die Vertretung des Staates nach außen war Sache des Königs, aber doch nicht so, daß das Volk und die Fürsten nicht unter Umständen einen maßgebenden Einfluß auf seine Entschließung, gegebenenfalls selbst gegen seine Entschließung, auszuüben vermocht hätten 26 . Der gesamte Grund und Boden galt als Volksland, nicht als Königsland, und selbst bei der Verfügung über die Kriegsbeute hatte nicht der König, sondern die Volksversammlung das entscheidende Wort. Andererseits unterliegt es kaum einem Zweifel, daß der König in hervorragender Weise mit Grundbesitz ausgestattet war und an der regelmäßigen Ackerverlosung nicht teilnahm; nicht minder, daß ihm vom Kriegsgewinn ein erheblicher Teil überwiesen wurde, während die von seinen Gefolgsmannen gewonnene Beute ausschließlich ihm zugehörte. Bei der regelmäßigen Landesversammlung hatte jeder dem Könige eine Gabe darzubringen, die nur in bezug auf den Gegenstand freiwillig, aber auch hier wohl meistens observanzmäßig festgestellt war 26 . Endlich genoß die Person des Königs einen erhöhten Rechtsschutz. Daß ein ganzes Volk seinem Könige die Treue aufsagte, sei -es, weil er seine Macht mißbrauchte, sei es, weil Unglücksfälle, die ihn und sein Volk trafen, ihn als den Göttern verhaßt erscheinen ließen, ist wiederholt, namentlich in den auf romanischem Boden gegründeten Reichen, vorgekommen27. Die Entstehung des Königtums bei den ostgermanischen Völkern entzieht sich historischer Kunde. Dagegen vollzieht sich der Übergang zum Königtum bei den Markomannen, Hermunduren, Cheruskern und anderen westgermanischen Völkerschaften vor unseren Augen: bald giebt die herzogliche Gewalt einem im Felde und in der Politik bewährten » Vgl. § 12. 25

26

V g l . SICKEL, a . a . 0 .

1 8 3 f.

Was Tacitus, Germ. c. 15, vonAbgaben an diePürsten berichtet (s. §6 Anm. 13), muß auch den Königen gegenüber gegolten haben. 27 Vgl. Anm. 13, 21.

§ 6.

Das Beamtentum und das Gefolge.

21

Führer das Heft in die Hand, bald ist es das Verlangen des Volkes, seine staatliche Selbständigkeit oder, wenn eine Vereinigung bisher selbständiger Staaten stattgefunden hat, die nunmehrige staatliche Einheit durch die Einsetzung eines dem adelichsten Geschlechte entnommenen Königs zum deutlichsten Ausdruck zu bringen. Zuweilen haben auch bloße Heerkönige, d. h. Führer beutelustiger Scharen, wie Ariovist, ßadagais und die nordischen Seekönige, oder Söldnerführer, wie Odovaker, es zu dauernden staatlichen Gründungen gebracht, für die Verfassungsgeschichte und insbesondere für die Geschichte des germanischen Königtums kommen derartige außerordentliche Erscheinungen aber nicht weiter in Betracht. Die Könige der germanischen TJrzeit sind regelmäßig Völkerschaftskönige; erst nach der Bildung der größeren Stämme sind dieselben dem mit ganz anderer Macht ausgestatteten, zum Teil auf neuen Grundlagen erwachsenen Stammeskönigtum erlegen. Hundertschaftskönige als solche hat es nie gegeben; dagegen sind nicht selten ehemalige Hundertschaften zu der Stärke einer Völkerschaft angewachsen und zu staatlicher Selbständigkeit mit republikanischer oder monarchischer Verfassung gelangt. Die später im Norden vorkommenden heradskonungar sowie die regales der Alamannen waren wohl erblich gewordene Gaufürsten, wie sie auch sonst vorgekommen sein mögen. § 6. D a s B e a m t e n t u m u n d d a s G e f o l g e . 1. Die F ü r s t e n A n der Spitze jeder Hundertschaft stand, wie bei den Kelten, ein princeps. Dem lateinischen Worte entspricht ahd. ßiristo, d. h. der Erste, der Vorderste; in Monarchien, wo die Fürsten nicht die erste Stelle einnahmen, waren zum Teil andere Bezeichnungen üblich: iudex, von der richterlichen Thätigkeit des Fürsten 2 ; altn. hersir, goth. hundafaps, althochdeutsch, altniederftänkisch und westfälisch hunno, von der Hundertschaft als seinem Amtssprengel. Das Volksrecht der salischen Franken bezeichnet den entsprechenden Beamten als thunginus aut centenarius; mit dem Worte thing auf derselben Wurzel beruhend, bebedeutet thunginus den Mann von Gewicht (vir gravis, venerabilis, altn. thungr)3, was sachlich auf dasselbe wie die angelsächsische Bezeichnung hundredes ealdor hinauskommen dürfte; sprachlich weisen beide Ausdrücke auf ihre Entstehung aus der Geschlechterverfassung hin: solange die Hundertschaft noch den Charakter der erweiterten Sippschaft festhielt,

1

V g l . WAITZ,

VG.

I. 2 3 6 - 2 9 3 .

v . SYBEL 7 1 ff., 8 0 ff.,

1 0 9 ff.,

1 2 1 ff.

Bora,

Gesch. d. Benefioialwesens 2—11, 21. THUDICHUM, Altd. Staat 1—11, 38 f. v. BETHMANN-HOLLWEG, German roman. Civilproceß I. 88 ff. SICKEL, Freistaat 100—123. DAHN, K ö n i g e I . 2 1 ff., 6 7 FF. 2

ERHARDT, G e r m . S t a a t e n b i l d u n g

45—69.

Amniian. Marc. XVII. c. 12 § 21 von den Quaden: iudices variis populix praesidentet. Der Gothe Athanarich hat ebenfalls den Richtertitel geführt. 3 Vgl. MÖLLENHOFF bei WAITZ, Das alte Recht der salischen Franken, S. 294.. DIEFENBACH, WB. d. goth. Sprache I. 701.

22

Die germanische Urzeit.

wird eben der Geschlechtsälteste ihr Vorstand gewesen sein 4 . Tacitus kennt aber die Fürsten nicht mehr als geborene Vorsteher, sondern nur als Beamte, die von der Landesgemeinde gewählt werden6. Daß die Wahl sich in der Regel auf die Mitglieder der adelichen Geschlechter beschränkte, läßt sich nicht bezweifeln; von einem rechtlichen Ansprüche derselben, der Nichtadeliche von der Wahl ausgeschlossen hätte, ist aber in den Quellen nichts enthalten, auch Tacitus, der bei der Königswahl ausdrücklich die Beschränkung auf den Adel hervorhebt, deutet bei der "Besprechung der Fürstenwahl nichts dergleichen an. Die Wahl war, im Gegensatz zu der des Herzogs, keine zeitlich beschränkte, sie erfolgte auf Lebenszeit, was jedoch nicht ausschloß, daß ein Fürst unter Umständen sein Amt niederlegte6, oder durch Beschluß der Landesversammlung desselben entkleidet wurde. Die Thätigkeit des Fürsten erstreckte sich teils auf den ganzen Staat, teils auf die ihm angewiesene Hundertschaft. In ihrer Gesamtheit bildeten die Fürsten des Landes einen Fürstenrat, von dessen Aufgaben in allgemeinen Landesangelegenheiten bereits die Rede gewesen ist 7 . Teils durch den sich ihnen hier eröffnenden Einfluß, teils durch das militärische Gewicht, das sie als Herren eines mehr oder weniger starken kriegerischen Gefolges besaßen, gelangten die Fürsten unter Umständen zu großer politischer Bedeutung, so daß sie vom Auslande nicht selten mit Geschenken und Ehrenbezeugungen umworben wurden8. Gegenüber seiner Hundertschaft hatte der Fürst eine dreifache Aufgabe: er war ihr geborener Anführer im Kriege 9 , hatte die Leitung der agrarischen Angelegenheiten 10, vor allem aber war er der ordentliche Richter der Hundertschaft n . Von seiner priesterlichen Stellung wird unten zu reden sein. Unmündigen Gaugenossen, die keine zur Vormundschaft berufenen Verwandten besaßen, ersetzte der Fürst die Familie, zumal bei der Vorstellung der zur Waffenprobe gereiften Knaben in der Landesgemeinde; aber auch Väter und Vormünder rechneten es sich zur besonderen Ehre, wenn der Fürst die Vorstellung ihrer Söhne oder Mündel übernahm 12 . Eine Besoldung empfingen die Fürsten nicht. Jeder Gaugenosse hatte aber die Ehrenpflicht, seinem Fürsten bei der ordentlichen Landesversammlung ein Geschenk darzubringen13. Daß die Fürsten einen An4 Dies wird besonders von v. Sybel hervorgehoben. Über den angelsächsischen hundredes ealdor oder hundredes man vgl. Schmid, Gesetze der Angelsachsen, 2. Anfl

613; Wbight, Anglosaxon Vooabularies, ed. Wülckeb I. 110, 313. Vgl. Anm. 30.

6 Germania c. 12: Eliguntur in iisdem conciliis et principes, qui iura pagos vicosque reddunt. c. 22: de asciscendis principibus Consultant. 6 7 Vgl. § 7 Anm. 22. Vgl. S. 16. 8 Vgl. Tacitus, Germ. c. 5, 13, 15; Annal. I. c. 55; Caesar, B. Gall. IV. c. 11, 13; Livius XL. c. 57. 8 10 11 12 Siehe § 7. Siehe § 10. Siehe § 8. Vgl. unten S. 27. 13 Tacitus, Germania c. 15: Mos est civitatibus, ultro ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum, guod pro honore acceptum etiam necessitatibus subvenit. Über den Sinn dieser Stelle vgl. S. 20.

§ 6. Das Beamtentum und das Gefolge.

23

teil an den öffentlichen Strafgeldern erhielten, läßt sich aus den späteren Zuständen entnehmen. Außerdem waren sie wohl häufig mit besonderen Edelgütern ausgestattet; wo solche nicht bestanden, wurden sie nach Maßgabe des höheren Wergeides, das ihnen unzweifelhaft zukam, bei der regelmäßigen Ackerverlosung mit einem mehrfachen Anteil bedacht u . Als äußere Auszeichnung trugen die Fürsten bei manchen Völkerschaften einen besonderen Haarschmuck 16 . Die rechtliche Stellung der Fürsten kann in den Monarchien keine andere wie in den Republiken gewesen sein, auch in den ersteren waren die Fürsten Beamte des Volkes, nicht des Königs. Ihre Befugnisse im Fürstenrat wie in der Landesgemeinde warön hier wie dort dieselben 16 , nur der Ehrenstellung, die ein Recht des Königs war, und der Führerstellung desselben im Heere mußten sie sich unterordnen. Bestritten ist, ob die Fürsten neben dem Könige ein Gefolge halten durften 17. 2. D i e H e r z ö g e 1 8 . In Friedenszeiten hatten die republikanischen Völkerschaften keine einheitliche Spitze 18 , da man eine solche aber in Kriegszeiten nicht entbehren konnte, so wählte das Landesthing, wenn ein Krieg in Aussicht stand, einen für die Dauer desselben mit der obersten Leitung betrauten Herzog (dux) 20 . Die Wahl erfolgte nach Maßgabe der kriegerischen Tüchtigkeit 21 ; da diese aber auch bei der Wahl der Fürsten jedenfalls stark ins Gewicht fiel und der Fürstenrat, wie bei allem was an die Volksversammlung kam, das Vorschlagsrecht übte, so ist es undenkbar, daß die Wahl zum Herzog jemals auf einen 14

Vgl. § 10. Vgl. Tacitus, Germania c. 38. 19 Vgl. WAITZ, 8 5 0 Amn. 3 . Bei der Abfassung der Lex Salica unter Chlodovech treten nächst der Stammesversammlung die proceres ipsius gentis qui tunc tempore eiusdem aderant rectores und der aus der Zahl der letzteren zur Redaktion des Gesetzes gewählte Viererausschuß durchaus in den Vordergrund. Vgl. § 31 Anm. 8. 17 Die spätere Zeit kennt nur eine trustis regia und W A I T Z S. 253 nimmt dies schon für das altgermanische Königtum an, giebt aber zu, daß die Herzöge der Langobarden ihr eigenes Gefolge gehabt haben. 58 Vgl. W A I T Z , VG. I . 2 6 7 f. THUDICHUM, Altdeutsch. Staat 56 f. 16 Die von WAITZ und früher auch von SICKEL vertretene Ansicht, daß es über den Gaufürsten einen gewählten Landesfürsten (prineeps civitatis) gegeben habe, wird durch die Quellen widerlegt. Wo Tacitus von prineeps civitatis spricht, ist einer aus der Reihe der Fürsten gemeint. Die später an der Spitze alter Völkerschaftsgebiete erscheinenden langobardischen Herzöge, angelsächsischen ealdormen und nordischen fylhis konungar oder fylkar beruhen auf späterer Entwickelung und sind ursprünglich zum Teil, wie die fränkischen und alamannischen Gaukönige, aus dem Herzogtume hervorgegangene Völkerschaftskönige gewesen. Vgl. Anm. 31. 20 Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23 : Cum bellum -civitas aut illatum defendit aut infert, magistratus qui ei hello praesint, ut vitae necisque habeant potestatem, deliguntur. in pace nullus est communis magistratus, sed prineipes regionvm atque pagorwm inter mos ius dieunt controversiasque minuunt. Uber die Schilderhebung vgl. § 5, Anm. 18. Dem lateinischen dux entspricht ahd. herizogo, alts. heritogo. 21 Siehe § 5, Anm. 14. 15

24

Die germanische Urzeit.

anderen als einen der Pürsten gefallen sein sollte 22 . Die Stellung des Herzogs endigte mit dem Friedensschluß. Von seinen Machtbefugnissen wird unten (§ 7) die Rede sein. 3. Die P r i e s t e r 2 3 . Nach Caesar hatten die Germanen, im Gegensatz zu den Galliern, kein berufsmäßiges Priestertum 24 . Was an Opferdiensten und sonstigen religiösen Handlungen vorkam, wurde innerhalb der Familie und des Dorfes von dem Hausvater oder Geschlechtsältesten, in der Hundertschaft vom Fürsten, im Staate vom König besorgt. Daß insbesondere der Königstitel die priesterlichen Funktionen mitumfaßte, wurde bereits bemerkt 25 . Im Norden ist dieser Zustand unverändert bestehen geblieben; es gab wohl priesterliche Gehilfen (godar), deren sich die Könige und Fürsten bedienten, das Priestertum als solches aber blieb untrennbar mit dem weltlichen Amte verbunden und diese Verbindung wurde auch bei der ersten Organisation des isländischen Staates grundlegend, indem dieselbe von den einzelnen Tempelbezirken ausging, innerhalb deren der jedesmalige Tempelbesitzer als godi zur Häuptlingswürde (godord) gelangte 26 . Bei den Südgermanen erhielt sich die Verbindung der geistlichen und weltlichen Funktionen nur in den unteren Kreisen, des Hauses, der Sippschaft, der Hundertschaft. Die Hundertschaftsfürsten waren nach wie vor zugleich Priester (goth. gudja)27, während die weisen Frauen, wenn auch in noch so hohem Ansehen stehend, keine priesterliche Stellung bekleideten 28 . Dagegen scheint der Mangel einer einheitlichen 28

Später war, wenigstens bei den Sachsen, die Herzogswahl durchaus auf den Kreis der Fürsten beschränkt. Vgl. B E D A , Hist. eccles. V. c. 1 0 : Non enirn habent

regem, iidem antiqui Saxones, sei satrapas plurimos sitae genti praepositos, qui ingruente belli articulo mittunt aequaliter softes, et quemcumque sors ostenderit, hunc tempore belli ducem omnes sequuntur, huic obtemperant; peracto autem bello rursrum aequalis potentiaefiuntsatrapae. 23

Vgl.

WAITZ,

VG.

I.

276

ff.

v . SYBEL

101—108.

SICKEL,

Freistaat

72—85;

Zur germanischen Verfassungsgeschichte (Mitteilungen des Instituts f. österr. Gesch.Forschung, I. Ergänzungsheft) 43 ff. SCHEBER i. d. Anzeiger f. deutsch. Altertum IV. 100 ff. K. MAUBEB, Zur Urgeschichte der Godenwürde, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Philologie IV. 125 ff. MÜNCH, Nord, gerraan. Völker 200 ff. GRIMM, Deutsche Mythologie. 4. Aufl. I. 72 ff., III. 37 ff. DAHN, Könige I. 80 ff. 24 Bell. Gall. VI. c. 21: Germani multum ab hac consuetudine differunt. nam

neque druides habent, qui rebus divinis praesint, neque sacrificiis student. 25

Vgl. § 5, Anm. 20. Daß die nierovingischen Könige auf rinderbespannten Wagen zum Märzfelde fuhren, weist unverkennbar auf ehemalige Priesterstellung zurück. Vgl. GRIMM, RA. 262 f.; Deutsche Mythologie, 4. Aufl. 75, 554. 26 Vgl. MAURER, Island 38—49; Die Bekehrung des norwegischen Stammes zum Christentume II. 209—218. 27 Vgl. STEINMEYER und SIEVEBS, Althoohd. Glossen I. 8 8 f.: tribunus: cotinc, ampahlman. Da tribunus nur eine andere Bezeichnung für lmnno war, so führte dieser neben der weltlichen Benennung auch den Titel Priester. Andere Glossen übersetzen deeanus mit tegangot, iustiflcare mit gotten. Vgl. GRAFF, Althochd. Sprachschatz IV. 151, 153. 23 Vgl. WEINHOLD, Deutsche Frauen, 2. Aufl. I. 60 ff.

§ 6.

25

Das Beamtentum und das Gefolge.

staatlichen Spitze in den republikanischen Völkerschaften, sowie das Bedürfnis einer einheitlichen Vertretung in den mehrere Völkerschaften umfassenden Tempelverbänden, zuerst zur Einsetzung eigentlicher Priester geführt zu haben, die dann auch in den Monarchien, wo dies Bedürfnis zunächst nicht vorhanden war, alsbald Eingang fanden. Die deutsche Benennung der Landespriester (sacerdos civitatis) ergiebt sich aus goth. sinista, dem burgundischen sinistus, d. h. der Älteste 29 , eine Bezeichnung, die an thünginus und ealdor anknüpft 3 0 und die Entstehung des Landespriestertums aus dem Gaupriestertum der Fürsten nahe legt 3 I . Über die Einsetzung des Landespriesters erfahren wir nichts; wahrscheinlich wurde er von der Landesgemeinde aus dem Kreise der Fürsten, und zwar auf Lebenszeit, gewählt. Wenn er, wie wir annehmen dürfen, Hilfspriester zu seiner Unterstützung hatte, so können diese ebenso wie die im Norden vorkommenden Hilfspriester doch nur einen untergeordneten Charakter, wie Tempelhüter und Opferdiener, gehabt haben; eine öffentliche Stellung kam ihnen nicht zu. Zu den Aufgaben des Landespriesters, zum Teil unter Mitwirkung des Königs oder eines der Fürsten, gehörten vor allem die von Staats wegen an die Götter gestellten Fragen, also Namentlich Gottesurteile und Weissagung, und der staatliche Gebets- und Opferdienst; außerdem fiel die feierliche Hegung des Landesthinges und die Wahrung des Friedens im Thing wie im Heere unter seine Zuständigkeit 32 . Insofern war er der Hüter des Rechts (ewart) und als Verkündiger der von den Göttern ausgegangenen Urteile eosago oder äsega33. 4. Das G e f o l g e 3 4 . Zu dem Beamtenorganismus des altgermanischen Staates muß auch das Gefolge gerechnet werden, obwohl dasselbe auf einem rein persönlichen Verhältnisse zu dem Gefolgsherrn beruhte. Es gehörte zu den Amtsrechten der Könige, Herzöge und Fürsten, sich mit einem ritterlichen Gefolge zu umgeben, das ihnen im Kriege als Leibwache und Stab, im Frieden als ständiges Ehrengeleite diente 35 . Bis in das achte Jahrhundert bildete das Gefolge einen wesentlichen Faktor der 29

V g l . DIEFENBACH, W B .

d. g o t h . S p r a c h e I I . 2 1 2 .

WACKERNAGEL b e i BINDING,

Gesch. d. bürg. roman. Königreichs 372. Siehe oben S. 19. Anni. 21. 30 Vgl. Anm. 3, 4. 31 Möglicherweise ist der angelsächsische ealdorman aus dem Landespriestertum hervorgegangen. Ob auch die fylkiskonungar der Norweger, wie LEHMANN, Königsfriede der Nordgermanen 168, vermutet, unterliegt erheblichen Zweifeln, da die altnordische Verfassung kein Landespriesteramt gekannt hat. 32 Tacitus. Germania c. 7 (s. § 7 Anm. 17), c. 10, c. 11 (s. § 5 Anm. 3, 19), c. 39, c. 40, c. 43. Über die Entstehungszeit des Landespriesteramtes läßt sich nur so viel sagen, daß Caesar es noch nicht kennt, während Strabo (+ 60 n. Chr.) bereits einen JCaiziav I'BQBVc erwähnt. 33 Vgl. § 8 Anm. 8, 14. 34

V g l . WAITZ,

v . STBEL 231 ff. 168 bei

ff.

I.

371—401.

DAHN, K ö n i g e I . 7 4 ff.

GRIMM, D W B . 34

VG.

ROTH,

Gesch.

THUDICHUM, A l t d e u t s c h . Staat 1 2 — 2 0 . IV,

l a . 2150,

Tacitus, Germ. c. 13.

d.

Beneficialwesens

GIERKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t 2152.

11—30.

MÜNCH, N o r d . - g e r m . V ö l k e r I.

9 3 ff.

HILDEBRAND

Die germanische Urzeit.

26

fränkischen Reichsverfassung, selbst auf die Verhältnisse der kaiserlichen Leibwache in Rom und Byzanz scheint es mannigfachen Einfluß geübt zu haben 38 und die deutsche Dichtung hat die Erinnerung an das Gefolge, nachdem es längst aus dem Leben geschwunden war, noch Jahrhunderte hindurch bewahrt37. Der römischen Bezeichnung comitatus und comes für das Gefolge und den einzelnen Gefolgsmann entsprach bei den Langobarden gasindius38, bei den Franken trustis und antrustio39; nordgermanische Bezeichnungen waren drott, hird, für die Mannen hirdmenn, hüsharlar

40

.

Das Gefolgeverhältnis beruhte auf einem freiwilligen Dienstvertrage zwischen Herrn und Mann, der den Herrn zu Schutz, Unterhalt und kriegerischer Ausrüstung des Mannes, diesen aber zu völliger persönlicher Hingabe in den Dienst des Herrn (aber nur ingenuili ordine, nicht zu knechtischen Diensten) verpflichtete4,1 und ein der Familie nachgebildetes Treuverhältnis zwischen beiden Teilen begründete42. Zum Eintritt in das 36

37

V g l . HEBMANN, D a s H a u s m e i e r a m t 5 7 ff.

Besonders Beovulf, Heliand, Nibelungenlied, sowie die karolingische und britische Heldensage. Vgl. KÖHLEB, Germanische Altertümer im Beovulf, in BABTSCH Germania XIII. 129 ff. VILMAB, Deutsche Altertümer im Heliand, 2. Aufl. 1862. 38 Vgl. PAPST i. d. Forschungen z. deutsch. Gesch. II. 512 ff. Auoh der Heliand braucht gisithie, gesithscepie, gisith, Beovulf gesid und geswtcundman, Nibel. (her. v. LACHMANM) v. 1659 gesinde. Technisch war der angelsächsische Gebrauch nicht. Bei den Franken wurde nur unfreies Dienstvolk als Gesinde bezeichnet. 38

Vgl.

GBIMM, R A . 9 4 3 u n d

b e i MERKF.L, L e x S a l i c a S. V I .

MÖLLENHOFF b e i

WAITZ, Das alte Recht der sal. Franken 294. DIEFENBACH, WB. d. goth. Sprache II. 677 f. Das Wort bedeutet Trost, Schutz, hat aber schon früh auch die abgeleitete Bedeutung „Schar" angenommen; in diesem Sinne begegnet es Heliand v. 2114 und in althochdeutschen Glossen; in fränkischen Gesetzen dient trustis mehrfach zur Bezeichnung polizeilicher Scharen. 40 Das Wort drott stellt sich zu ags. dryht, driht, gedriht, das ebenfalls f ü r Gefolge verwendet wird. Die Bedeutung ist ,Schar". Vgl. DIEFENBACH, a. a. 0 . II. 642 f. 41 Tacitus, Germ. c. 14: Exigunt enirn principis sui liheralitate illum bellatorem equwni, illam cruentam vietricemque frameam. nam epulae et quamquam incompti, largi tarnen apparatus pro stipendio cedunt. Vgl. Beovulf v. 2866 f., 2885 f. Über das Becht des Herrn auf die Büstung seines verstorbenen Mannes ebd. v. 452 f., über seine Schutzpflicht v. 1481 f. Der Gefolgsmann heißt Tisch- oder Herdgenosse (ags. beodgeneat, heordgeneat) seines Herrn, conviva regia. 44 Die Mannen hießen die „Degen", d. h. die Kinder, ihres Herrn, dieser dagegen der „Alte" oder „senior" seiner Mannen. Vgl. Heliand v. 1188, 3184, 4962; Beov. v. 194, 408, 1309, 2710, 2811; ebd. v. 1645: ealdor pegna (d. i. senior puerorum). Über alts. thegan, ags. ßegn, pen, verwandt mit xixvov, vgl. GBIMM, DWB. II. 895. KLÜGB, Etymol. WB. 48. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen, 2. Aufl. 664 f. Die andere Bedeutung des Wortes („Krieger", „Held") ist erst eine abgeleitete. „Haudegen" beruht zum Teil auf einer Verwechselung mit dem aus ganz anderer Wurzel entstandenen Degen = Stichwaffe. Auf der Nachbildung der Verwandtschaftsverhältnisse beruht auch die Bezeichnung der Gefolgsleute als Magen (ags. mtsgas, mhd. m&ge unde man) oder Vettern (ags. gädelingas, mhd. gaten). Vgl. HILDEBRAND bei GBIMM, D W B . I V , l a . 1 4 9 4 , 1 4 9 6 .

§ 6.

Das Beamtentum und das Gefolge.

27

Gefolge war nur geeignet, wer das Waffenrecht besaß. A b s t a m m u n g aus g u t e m Hause verschaffte j u n g e n Leuten oft schon bei ihrer Wehrhaffcm a c h u n g die A u f n a h m e , die dann m i t einem öffentlichen Adoptionsakt verbunden zu werden pflegte, während sonst n u r erprobte Krieger der E i n r e i h u n g in das Gefolge gewürdigt w u r d e n 4 8 . Die Abschließung des Vertrages geschah durch einen Formalakt: Waffenreichung seitens des Herrn, Handreichung und eidliches Treuversprechen seitens des M a n n e s 4 4 . I m Kampfe bildete das Gefolge, das übrigens stets beritten w a r 4 6 , die einzig auf den Schutz ihres Herrn bedachte Leibwache, die ohne ihn nicht aus dem Felde zurückkehren durfte 4 6 . W a s das Gefolge erbeutete, gehörte dem Herrn, der dadurch vornehmlich die Mittel g e w a n n , seinen M a n n e n Unterhalt und Geschenke zu g e w ä h r e n 4 7 . Mit dem idealen Charakter der Gefolgschaft hing die den Germanen sonst so fremdartige unbedingte Unterordnung unter den Willen des Herrn zusammen. So war es ausschließlich seinem Ermessen überlassen, den R a n g seiner M a n n e n

43

Tacitus, Germ. c. 13 (das unmittelbar Vorhergehende s. § 7 Anm. 3): Insignis nobiliias auf magna patrum mérita principis dignationem etiam adulescentulis assignant ; ceteris robustioribus ac iam pridem probatis aggregantur, nee robur inter comités aspici. Über die verschiedenen Auslegungen dieser vielbestrittenen Stelle vgl. WAITZ, 288—290; SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 555 f.; SCHEBEB i. d. Zeitschr. f. Österreich. Gymnasial wesen 1869, S. 102 f. und Anzeiger f. deutsch. Altertum IV. 85—95. Daß Tacitus von der Aufnahme vornehmer junger Leute in das sonst nur persönlichem Verdienst zugängliche Gefolge spricht, ist füglich nicht zu bezweifeln. Dabei macht es in der Sache keinen Unterschied, ob man „principis dignatio" auf die in der Aufnahme liegende Begünstigung des Fürsten deutet, wofür der sachliche Zusammenhang zu sprechen scheint, oder auf die soziale Gleichstellung der jungen Edelinge mit ihrem Vorgesetzten, auf ihre Aussicht dereinst ebenfalls Fürstenstellung einzunehmen (vgl. BÄNKE, Weltgeschichte III. 2 S. 278 f.), also auf ihren fürstlichen Bang, was den von Tacitus gewählten Ausdrücken gemäßer ist. Auf die zwiefache Zusammensetzung des Gefolges bezieht sich wohl auch die Bezeichnung der Gefolgsmannen als Tugend und Jugend (duguét and geogodj oder als Scharmänner und Scharkinder (dryktgvma, dryhtbearn) im Beovulf. 44 Tacitus, Germ. c. 14: praecipuum sacfa/mentum-, c. 13: scuto framectque iuvenem ornant; c. 14: illum bellatorem equum, illam cruentam — — frameam. Vgl. meinen Aufsatz über Gairethinx, Zeitschr. f. RG. XX. 57 f. Über die Waffenreichung bei den nordischen Gefolgsmannen vgl. MAÜRER i. d. Germania von BABTSCH XVI. 319 f. und die dort besprochene Schrift von GBÜNDTVIG. 45 Vgl. WAITZ, 408. MÖLLENHOFF i. d. Zeitschr. f. deutsch. Alt. X. 553. Prokop, Bell. Goth. II. c. 25. 46 Tacitus, Germ. c. 14: Cwmventum inaciem, turpe principi virtute vinci, turpe comitatui virtutem principis non adaequare. iam vero infame in omnem vitam ac probrosum, superstitem principi suo ex acie recessisse. illum defender e, tueri, sua quoque fortia facta gloriae eius assignare •praecipuum sacramentum est. principes pro Victoria pugnant, comités pro principe. Vgl. die Ausführungen bei WAITZ 376, Anm. 2; Heliand v. 3996 ff., 4675 ff. Im Beovulf werden die Mannen als Handgesellen, Achselgenossen, Schildgefährten ihres Herrn bezeichnet. 47 Tacitus, Germ. c. 14: Materia munificentiae per bella et raptus. Vgl. Beovulf v. 1484 f., 2150 f., 2986 ff. Über die Bezeichnung des Herrn als Schätzespender v g l . WAITZ 346, A n m . 5.

28

Die germanische Urzeit.

zu bestimmen; er konnte den einen erhöhen, den anderen erniedrigen 48 . Verletzung der schuldigen Treue seitens eines Gefolgsmannes bewirkte, daß derselbe der öffentlichen Rechtlosigkeit verfiel 49 . Eine derartige Unterordnung freier, zu einem großen Teil adelicher Männer 6 0 unter einen, wenn auch noch so angesehenen Privatmann wäre nach germanischer Auffassung eine Erniedrigung der Freiheit gewesen. Sie war nur möglich, wo der Herr sich in hoher obrigkeitlicher Stellung befand, so daß sein Dienst, wenn auch nur mittelbar, als Staatsdienst angesehen werden konnte: nur Könige, Herzöge und Fürsten konnten Gefolgsherren sein; ob die letzteren auch in Monarchien, muß dahingestellt bleiben; der allgemeine Charakter des altgermanischen Königtums spricht mehr dafür als dagegen 51 . Das Gefolge war eine organische Staatseinrichtung für Krieg und Frieden. Der dem Gefolgewesen in mancher Richtung ähnliche Anschluß an einen Heerkönig zu Beutezügen in die Fremde hat nichts mit demselben gemein 62 . Aber nur der Krieg vermochte ein größeres Gefolge zu ernähren. In langen Friedenszeiten fand deshalb in der Regel eine Minderung des Gefolges statt 63 , was nur im beiderseitigen Einverständnis geschehen konnte, da das den Herrn und seine Mannen verknüpfende Band einseitig unlösbar war 64 . Doch konnte, wer bei einem ausländischen Fürsten in Dienst getreten war 5 5 , unter Umständen durch die Verpflichtungen gegen sein Volk zum Austritt genötigt werden. 48 Tacitus Germ. c. 13: Gradus quin etiam ipse comitatus habet, iudicio eius quem sectantur, magnaque et comitum aemulatio, quibus •primus apud principem suum locus. Vgl. Beov. 1309, 2022 und die amici iunctissimi des Alamannenkönigs Chnodomar (Anm. 53). 48 Vgl. Anm. 46. 50 Vgl. Tacitus, Germ. c. 14 (Anm. 53); Annal. II. c. 11: multi nobilium circa. 51 52 Vgl. oben Anm. 17. Vgl. § 7 Anm. 22. 58 Tacitus, Germ. c. 14: Si civitas, in qua orti sunt, longa pace et otio torpeat, plerique nobilium adolescentium petunt ultro eas nationes, quae tum bellum aliquod gérant, quia et ingrata genti quies et facilius inter ancipitia clarescunt magnumque comitatum non nisi vi belloque tueare. Über die verschiedenen Auslegungen vgl. WAITZ, 282 f. Die Zahl der Gefolgsmannen war je nach Ansehen, Stellung und Vermögen des Herrn eine sehr verschiedene. Im Vergleiche zu der Masse des Heeres war sie immer nur unbedeutend und zu selbständigen kriegerischen Unternehmungen nicht geeignet. Vgl. Prokop, Bell. Goth. II. c. 25. Mit dem Alamannenkönig Chnodomar wurden in der Schlacht bei Straßburg 200 comités und 3 amici iunctissimi gefangen, nachdem andere schon vorher gefallen waren. Amm. Marc. XVI. c. 12 § 60. 54 Daß auch Beurlaubungen zu Sonderzwecken stattfinden konnten, zeigt Beovulfs Fahrt zu König Hrodgar, an der noch andere Mannen des Königs Hygelac teilnehmen. Vgl. auch Beov. v. 1827 ff. Zu Entlassungen im Disciplinarwege muß der Herr wohl berechtigt gewesen sein. 65 Über derartige ausländische Dienste vgl. Tacitus, Germ. c. 14 (Anm. 53), Beovulf v. 472, Waltharius v. 755 ff. und das Nibelungenlied über die Fremden am Hofe des Königs Etzel. Vgl. § 24 über den waregang.

§ 7.

Die Heeres Verfassung.

29

1

§ 7. Die H e e r e s v e r f a s s u n g . Die germanische Heeresverfassung beruhte, wie bei allen Naturvölkern, auf der milizartig organisierten Wehr, pflicht aller waffenfähigen Männer 2 . Nicht zum Heere gehörten Unfreie und Hörige, Freie, die durch schmähliche Handlungen ihre Ehre verwirkt hatten, endlich Weiber und Kinder, die aber, wenn die Heerfahrt zugleich Auswanderung bedeutete, das Heer begleiteten. Die Aufnahme unter die Wehrpflichtigen war Staats sache: mochte es sich um den Ausnahmefall der Wehrhaftmachung eines Freigelassenen oder um den regelmäßig wiederkehrenden Fall der Musterung der zu den Waffen herangereiften männlichen Jugend handeln, immer bedurfte es eines Aufnahmebeschlusses der Volksversammlung, vor der die jungen Krieger die Waffenprobe abzulegen hatten, um sodann aus der Hand ihres Vaters oder Vormundes oder des Fürsten ihres Gaues die Waffe zu empfangen 3 . Der Wehrpflicht wurde genügt durch den Dienst im Gefolge, im Volksheer oder im Vortreffen. Dabei waren nicht, wie manche angenommen haben, die Unterschiede von Alten und Jungen oder von Grundbesitzern und Nichtgrundbesitzern maßgebend, sondern es entschieden einzig individuelle Neigungen und Gaben. Wer Gefolgsmann war, empfing die ganze kriegerische Ausrüstung und den Unterhalt von seinem Herrn; jeder andere mußte seine Ausrüstung selbst beschaffen und, so lange das Heer nicht in Feindes Lande stand, auch für seinen Unterhalt selbst aufkommen. Daraus ergab sich von selbst, daß die Art, wie er seiner Heerespflicht genügte, sich mehr oder weniger nach seiner Vermögenslage richtete. Wer kein Pferd hatte, konnte auch nicht zum ßeiterdienst befohlen werden. Die Einberufung des Heeres geschah auf Beschluß der Landesversammlung; in dringenden Fällen der Landesverteidigung rief das Landgeschrei unmittelbar zu den Waffen 4 . Zum Zusammentritt des Heeres 1 Vgl. WAITZ, I . 4 0 2 — 4 1 7 . SICKEL, 1 2 6 ff. R O T H , Gesch. d. Beneficialwesens 33 ff. v. PEUCKER, Das deutsche Kriegswesen der Urzeiten, 3 Bände, 1860—1864. MÜNCH, Nordisch-german. Völker 198 f. 2 Deshalb gebrauchen die Quellen „frei" oder „volkfrei", exercitalis, „Heermann", (arimannus) als gleichbedeutend. Vgl. SAVIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im Mittelalter,

2. Aufl. I. 192—214.

GRIMM, RA. 291 ff. SICKEL, 127, A n m . 4.

Vgl. S. 12, 16, § 9

Anm. 29. 3 Vgl. § 9, Anm. 6. Germ. c. 13: Arma sumere non ante ctiiquam moris, quam civitas suffecturum probaverit. tum in ipso concilio velprincipum aliquis vel pater velpropinqui scuto frameaque iuvenem ornant. haec apud illos toga, hic primus iuventae honos; ante hoc domus pars videntur, mox rei publicae. Uber den Sinn dieser Stelle vgl. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 545 ff. und die § 6 Anm. 43 angeführte Litteratur. Über die privatrechtliche Seite vgl. § 11. Das spätere Mittelalter kannte die Wehrhaftmachung nur noch im Ritterstande und bezeichnete sie als Schwertleite. 4 Cäsar, Bell. Gall. IV. c. 19 von den Sueben (Chatten): more suo concilio habito nuntios in omnes partes dimisisse, uti de oppidis demigrarent, liberos, uxores suaqueomnia in silvis deponerent atque omnes, qui armaferrepossent, unum in locwrn convenirent ; hicSomanorum, adventum exspectare atque ibi decertare constituisse. Heerfolgepflichtigen Staaten wurde das Aufgebot durch den führenden Staat mitgeteilt, vgl. Bell. Gall. VI. c. 10. Die Verkündigung des Heerbefehls erfolgte im Norden durch Umhersenden des Heerpfeils

30

Die germanische Urzeit.

wählte man, wie beim Thing, womöglich die Zeit des "Voll- und Neumondes, die für alle kriegerischen Unternehmungen als die günstigste betrachtet wurde6. Das versammelte Heer wurde nicht selten vor Beginn des Kampfes durch väpnatak oder durch Eid auf die Waffen feierlich verpflichtet e. Zahl und Zusammensetzung des Heeres wurde wohl vom Thing nach Maßgabe des Bedürfnisses für den einzelnen Fall festgestellt. Nur bei den Chatten, den Sueben Caesars, war das Heerwesen fest geordnet7. Das Heer war nach Hundertschaften, je unter Führung ihres von seinem Gefolge umgebenen Fürsten, jede Hundertschaft wieder nach Sippschaften gegliedert8. Den eigentlichen Heereskörper bildete das Fußvolk. Der Aufstellung der Kolonnen in Form eines abgestumpften Keils entsprach die Bezeichnung derselben als cuneus oder Schweinskopf9. Außer dem Fußvolk stellte jeder Gau für das VortrefFen eine auserlesene Schar, die sogenannten „Hundert", d. h. fünzig Rotten, aus je einem Reiter und einem demselben zugeteilten, besonders gewandten Fußsoldaten bestehend 10. oder eines Botstabes, bei den Südgermanen durch Aufpflanzen einer Fahne oder eines sonstigen Feldzeichens. Vgl. GRIMM, RA. 151, 161—165. Über das Land- oder Zetergeschrei (Gerüfte, Gerücht), das auch in anderen Fällen gemeiner Not und bei der •Verfolgung von Verbrechern als Hilferuf verwendet wurde, sind die reichhaltigen Zusammenstellungen von P E T E B S E N (i. d. Forschungen z. deutsch. Geschichte VI. 223—342) zu vergleichen, den leider seine mythologisierenden Erklärungsversuche völlig auf den Abweg geführt haben. Der Ruf, der landschaftlich sehr verschieden lautete, war in erster Reihe auf Erzeugung eines weithin schallenden Tones berechnet, daher besonders die Kombinationen mit io, wie feindio, fürio, mordio, wapen jo, jo heil, jochtte; andere Formen waren: heil, heil al, zeter, wäpen, w&fen (in den romanischen Gebieten al arma, daher Alarm, Lärm), bei den Normannen Uro. Vgl. GKIMM RA. 876 ff. D u z , WB. d. rom. Sprachen I. B. V. allarme. II 0 s. v. haro. GLASSON, Etüde historique sur le clameur de haro, Nouv. Revue hist. de droit fran?. VI. 397 ff., 5 1 7 ff. 6 Vgl. § 5 Anm. 6. 8 Vgl. § 5 Anm. 11, 12. Amm., Marc. XXXI c. 7 § 10 von den Gothen: signo ad arma capienda ex utraque parte "per lituos dato, barbari, postquam inter eos ex more iuratum est, tumulosos locos adpetere temptaverunt. Über väpnatak vor der Schlacht bei den französischen Normannen vgl. MAUSER i. d. Germania von BABTSCH XVI. 323. 7 Caesar, Bell. Gall. IV. c. 1 . Tacitus, Germ. c. 3 1 . Vgl. MÖLLENHOFF i. d. Zeitschr. f. deutsch. Altert. X. 561, und meine Bemerkungen i. d. Hist. Zeitschr., Neue Folge X. 128 f. Siehe auch § 10, Anm. 6. 8 Vgl. oben S. 12, 16 Anm. 5. In den Quellen werden mehrfach Tausendschaften, bei den Gothen auch Zehntschaften erwähnt. Vgl. W A I T Z , 2 1 7 Anm. 4 , 231 Anm. 2, 3; Widukind, Res gestae Saxonicae I. c. 9; Caesar Bell. Gall. IV. c. 1. Die Zehntschaften waren eine rein militärische Unterabteilung, die Tausendschaften dagegen scheinen nur eine andere Bezeichnung für die Hundertschaften mit Rücksicht auf die gewöhnliche militärische Stärke der letzteren gewesen zu sein. 9 Vgl. Tacitus, Germ. c. 6. W A I T Z , 4 0 9 . v. PEUCKEB, H. 206 ff. SCHERER i. d. Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. XXV. 571 f. Siehe auch oben S. 12, 17, Anm. 8. 10 Tacitus, Germ. c. 6 . Caesar, Bell. Gall. I . c. 4 8 . Vgl. MÖLLENHOFF i. d. Zeitschr. f. deutsch. Altert. X. 550 ff. v. PEUCKEB, II. 230 ff.

§ 7.

Die Heereaverfassung.

31

Nur bei einzelnen Völkerschaften der Niederung, denen die Beschaffenheit ihres Landes eine größere Pflege der Pferdezucht gestattete, wurden außer den Gefolgsmannen und den zu den „Hundert" gehörigen Reitern größere Geschwader Berittener gestellt. Die Führung des Heeres war Sache des Königs oder des von ihm ernannten Feldherrn, hei republikanischen «Völkerschaften Sache des vom Thing erwählten H e r z o g s n . Straffe militärische Unterordnung war ursprünglich nur den Chatten bekannt, die übrigen Germanen lernten sie erst allmählich von den Römern 1 2 . Das versammelte Heer stand gleich der Volksversammlung in dem Frieden des Kriegsgottes Ziu, des Mars Thingsus 1 3 , dessen heilige Zeichen, fahnenartig an Speerstangen befestigt, das Heer begleiteten und die persönliche Anwesenheit des Gottes in demselben a n d e u t e t e n u . Auf diese symbolische Bedeutung der Fahnen 1 5 bezog sich die Bezeichnung derselben als bandva (signum), woraus durch Vermittelung der romanischen Sprachen unser „Banner" abgeleitet ist 1 6 . Bannen, goth. bandvjan (significare), bezog sich zunächst auf das Aufpflanzen der signa dei, das Heer stand unter dem „Banner", d. h. dem Wahrzeichen, des Gottes. Darum war es Sache des Priesters, wie im Thing so auch im Heere den Gottesfrieden zu überwachen 17 . Wo der König oder Herzog zugleich Oberpriester war, lag die Wahrung dieses Friedens in seiner Hand, er übte die Banngewalt über das Heer 1 8 . Als Strafen im Heere werden Todesstrafe, Fesselung und körperliche Züchtigung erwähnt. Wer ohne ausreichende Entschuldigung dem Aufgebot zum Heere 11

Vgl. S. 19, 23. Tacitus, Genn. c. 7 Et duces exemplo potius quam imperio, si prompti, si conspicui, si ante aciem agant, admiratione praesunt; c. 30 von den Chatten: Multwm, ut inter Germanos, rationis ac sollertiae: praeponere electos, audire praepositos, nosse ordines, — — — quodque rarissimum nec nisi Somanae disciplinae concessum, plus reponere in duce quam in exercitu. Vgl. Annal. II. c. 45. 13 Vgl. S. 1 7 . Über die Verwendung von thing für Schlacht vgl. SCHERER, Sitz.-Ber. d. Berl. Ak. XXV. 5 7 5 , und STEPHENS i. d. Archaeologia Aeliana X. 1 6 7 f. 14 Tacitus, Germ. c. 7 (s. Anm. 17); Hist. IV c. 22: depromptae silvis lucisque ferarum imagines, ut cuique genti inire proelium mos est. Vgl. W A I T Z 4 1 2 Anm. 2 . Über die Gestalt dieser Zeichen vgl. LINDENSCHMIT, Handb. d. deutsch. Altertumskunde I. 275 ff. Von dem an der Stange befestigten Tuchstück wurde das Zeichen Fahne (fano, gundfano) genannt. Vgl. GRIMM, DWB. III. 1 2 4 1 . 15 Über die spätere symbolische Personifikation des Königs durch Fahnen und andere Zeichen vgl. meine Abhandlung über Weichbild, in den Histor. Aufsätzen für W A I T Z (Hannover 1886) S. 306 ff. 16 Vgl. GRIMM, DWB. I . 1 1 1 5 ff. D I E Z , WB. d. roman. Sprachen I . s. v. bando. Du CANGE, I . s. v. bandum. Nach einer von SCHERER, a. a. 0 . 5 8 1 Anm. 1, mitgeteilten Bemerkung von MÖLLENHOFF ist altn. ve (Heiligtum, Fahne) ebenfalls auf die als Feldzeichen verwendeten Symbole der Götter zu beziehen. 17 Tacitus, Germ. c. 7: Ceterum neque animadvertere neque vincire, ne verberare quidem nisi sacerdotibus permissum, non quasi in poenam nec ducis iussu, sed velut deo imperante, quem adesse bellantibus credunt. effigiesque et signa quaedam detracta lucis in proelium ferunt. 18 Vgl. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23 (§ 6 Anm. 20). 12

Die germanische Urzeit.

32

keine Folge leistete oder aus dem Heere entwich, wurde je nach Lage der Sache entweder wegen Feigheit zur Strafe des Lebendigbegrabens oder wegen Hochverrat zum Strange verurteilt; dem letzteren verfiel auch, wer zum Feinde überging 19 . Spione wurden dem Feuertode übergeben ao . Rechtlos wurde, wer ohne seinen Schild aus dem Kampfe zurückkehrte oder als Gefolgsmann seinem .¡Herrn die Treue brach21. Auch bei den Abenteurerzügen der Heerkönige, die an sich den Staat nichts angingen und die allgemeine Wehrpflicht der Bevölkerung nicht berührten, verfielen diejenigen, welche dem Rufe des Führers gefolgt waren, ihn dann aber im Stiche gelassen hatten, der öffentlichen Rechtlosigkeit, doch fand dies wohl nicht auf rein private Unternehmungen, sondern nur auf solche, die von einem Fürsten des Landes mit ausdrücklicher oder stillschweigender Genehmigung der Volksversammlung ausgegangen waren, Anwendung 22 . Befestigte Plätze besaßen die Germanen nur als Zufluchtstätten für die Bevölkerung mit ihrer Habe in Zeiten der Not. Es sind die bekannten, noch heute vielfach vorhandenen Ringwälle. Permanente Festungen waren unbekannt. Völkerschaften, die über ein größeres Gebiet verfügten pflegten ihre Landesgrenze auf weite Strecken wüst zu lassen, um sie als Landwehr gegen feindliche Einfälle zu benutzen 23 . 16 Vgl. § 12. Hohes Alter und körperliche Schwäche befreite vom Heerdienst, vgl. Tacitus, Germ. c. 15. Das Entweichen aus dem Heere hieß ahd. herisliz. Dem entspricht mnd. dinkslete für das eigenmächtige Verlassen des Thinges. Die gerichtliche Hegeformel de s Mittelalters verbot dingslete unde unlust (Ssp. I. 59 § 2). Vgl. § 5 Anm. 7. 20 Vgl. Caesar, Bell. Gall. I. c. 53 von dem durch Caesars Sieg befreiten Procillus, den Ariovist als Spion in Ketten hatte werfen lassen: Is se praesente de se ter sortibus Consultant dicebat, utrum igni statim necaretur an in aliud tempus reservaretur, sortium beneßcio se esse incolumem.

21

22

§

12

-

Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23: Latrocinia nullam habent infamiam, quae extra fines cuiusque civitatis flunt — —. atque ubi quis ex principibus in coneilio dixit, se ducem fore, qui sequi velint proßteantur, consurgunt ii qui et causam, et hominem probant, suumque auxilium pollicentur atque ab multitudine collaudantur. qui ex his secuti non sunt, in desertorwm ac proditorum numero ducuntur omniumque his verum postea fides derogatur. Wenn ein Fürst einen derartigen Zug unternehmen wollte, so konnte dies nur mit Bewilligung der Landesgemeinde, die ihn in sein Amt eingesetzt hatte, geschehen. Dadurch erhielt sein Unternehmen aber einen halbamtlichen Charakter, der sich dann auf sein Verhältnis zu den Teilnehmern an seinem Zuge erstreckte. Daß derartige Fahrten, von denen besonders die Wikingerfahrten der nordischen Seekönige bekannt sind, auch als reine Privatunternehmungen vorkommen konnten, ist zweifellos, der einseitige Rücktritt von solchen hat aber schwer, lieh die gleiche infamierende Wirkung gehabt. Die ältere Forschung hat diese Abenteurerzüge ungehörigerweise mit dem Gefolgewesen vermengt, auch die Entstehung germanischer Eeiche in der Völkerwanderung hierauf zurückgeführt. 2S Vgl. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23. Vellerns Paterculus II. c. 120. v. Pbucker II. 348 f., 354 ff., 371 ff. Waitz, 414.

§ 8. Die Gerichtsverfassung.

33

§ 8. D i e G e r i c h t s v e r f a s s u n g 1 . Die von dem Landesthing zu wählenden Fürsten werden von Tacitus (Germania c. 12) als diejenigen bezeichnet: qui iura per pagos vicosque reddunt, und ganz dem entsprechend berichtet Caesar (Bell. Gall. VI. c. 23): principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controversiasque rninuunt. Die vornehmste Aufgabe des Fürsten war demnach die Handhabung der Rechtspflege. Der ordentliche Schauplatz seiner richterlichen Thätigkeit war der pagus, die Hundertschaft. Dem entspricht die Gerichtsverfassung des germanischen Mittelalters: weit überwiegend hat sich die Hundertschaft als der eigentliche Gerichtssprengel erhalten. Hätte man den Ausspruch des Tacitus und Caesar wörtlich zu nehmen, so müßte innerhalb der einzelnen Hundertschaft eine von Ort zu Ort wandernde Rechtspflege ohne bleibende Stätte angenommen werden. Die durchgängige spätere Entwiekelung widerlegt dies: sie zeigt, daß jede Hundertschaft eine echte Dingstatt besaß, meistens uralt und geheiligt, unverkennbar bis in die Zeiten des Heidentums zurückreichend, an eine alte Opferstätte anknüpfend. Denn wie die Völkerschaftsversammlungen regelmäßig an heiligen Stätten zusammentraten und Opferdienst und Gebet mit den politischen Verhandlungen verbanden 2 , so waren auch die Gerichtsversammlungen in den einzelnen Hundertschaften an die althergebrachten Opferstätten gebunden. Die Rechtspflege wurde also nicht von reisenden Richtern, die in den einzelnen Orten Lokaltermine abhielten, gehandhabt, sondern gemeinsam für die ganze Hundertschaft an fester, durch die Religion geheiligter Dingstatt. Die Götter und Nomen hielten ihr Gericht unter dem Weltenbaum, am Urdarbrunnen 3 . Baum und Quelle gehörten auch für die menschliche Rechtspflege im allgemeinen zu jeder ordentlichen Dingstatt 4 . Das Gericht hieß thing, wie die Völkerschafts Versammlung, oder mahal (ahd. und altn. mal), d. h. Sprache 5 , davon die Dingstätte malberg, malstatl, während dieselbe andererseits im Anklänge an den Namen des Thinggottes auch tie genannt wurde 8 . Über die Zusammensetzung des Gerichts erfahren wir aus Tacitus, V g l . WAITZ, I . 2 1 9 , 3 5 6 ff.

/

v . S Y B E L , 1 1 3 ff.

SICKEL, F r e i s t a a t 1 4 7 — 1 6 3 ;

Zur

germanischen Verfassungsgeschichte (s. § 6 Anm. 23) 32 ff. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 5 ff. GRIMM, RA. 745 ff. THDDICHUM, Altd. Staat 32 f., 37 f., 48 ff. v. BETHMANN-HOLLWEG, Germ.-roman. Civilprozeß I. 100 ff. K. LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen 11 f., 109 f., 169. 2 Vgl. K. MAURER, Bekehrung des norweg. Stammes II. 218 ff. WAITZ, 361. 3 Vgl. GRIMM, RA. 750; Deutsche Mythologie 4. (3.) Aufl. 337 (379), 664 (756). MÖLLENHOFF, Deutsche Altertumskunde V. 104f. v. RICHTHOFEN, Untersuchungen Zur fries. RG. II. 459 ff. 4

V g l . GRIMM, R A . 7 9 4 — 8 0 0 ;

Weistümer VII. 275.

JOSEPH, K o n r a d s v o n W ü r z -

burg Klage der Kunst S. 2, 76. 5

V g l . GRIMM, R A . 7 4 6 f.

SOHM, a . a. 0 . 5 7

ff.

DIEFENBACH, G o t h . W B . I I . 7 f.

Auch ahd. sprächa und sermo kommen für Gerichtsversammlung vor. 6 V g l . oben § 5 A n m . 8 . W B . IV. 541.

GRIMM, R A . 7 4 8 .

R. SCHBÖDBB, Deutsche Beehtageschiehte.

SCHILLER U. LÜBBEN,

Mittelniederd.

3

34

Die germanische Urzeit.

daß dem Fürsten hundert Begleiter zur Seite standen: centeni singulù ex plebe comités consilium simul et auctoritas assunt. Da die späteren Gerichtsversammlunçen stets die ganze Hundertschaftsgemeinde umfaßten, so ist es klar, daß Tacitus mit den hundert Gerichtsleuten eben die Hundertschaftsgemeinde und nicht, wie manche annehmen, einen Hunderterausschuß derselben gemeint hat 7 . Das Gericht bestand aus dem Fürsten und sämtlichen dingpflichtigen Hundertschaftsgenossen: wer als waffenfähig in die Landesgemeinde aufgenommen und damit thing- und heerpflichtig geworden war, hatte auch die Verpflichtung, die Gerichtsversammlungen seiner Hundertschaft zu besuchen. Auch diese Versammlung konnte einer religiösen Weihe und eines besonderen Thingfriedens nicht entraten. Da der Fürst der einzige Priester der Hundertschaft war, so muß die Gerichtshegung und die Wahrung des Thingfriedens ihm obgelegen haben, er war also der êwart des Gerichts und insofern hatte er den Bann 9 . Die spätere Zeit verstand aber unter dem Gerichtsbann noch etwas anderes, nämlich die leitende und vollziehende Thätigkeit des Richters im Gegensatze zu der Rechtweisung und Urteilfindung (dorn, ahd. tuom) der Gerichtsgemeinde oder der für sie berufenen Urteiler 9 . Es fragt sich, ob dieser Gegensatz bis in die Urzeit zurückreicht. Die Worte des Tacitus unterstützen diese Annahme keineswegs, denn er läßt die Gerichtsgemeinde zu consilium und auctoritas berufen sein: unter consilium kann nur die Beratung des mit der Urteilsfindung Betrauten, unter auctoritas der dem Urteil Rechtskraft verleihende Beschluß verstanden werden. Das Urteil zu finden, d. h. vorzuschlagen, muß Aufgabe des Fürsten, d. h. des Richters, gewesen sein, über den von diesem gemachten Urteilsvorschlag wurde mit der Gemeinde verhandelt (consilium), erst durch die Zustimmung der Gemeinde (auctoritas) wurde das Urteil vollstreckbar 10 . Für diese Auffassung spricht vor allem die Analogie der Verhandlungen im Landesthing; auch im Gericht lag die Entscheidung beim Volke, das seinem Willen auch hier durch vapnaiak Ausdruck verleihen mochte n . Eine weitere Bestätigung erhält diese Auffassung durch die Stellung des salischen thunginus, der keinen Gerichtsbann besaß 12 , während die Vorgänge bei der Abfassung des Lex Salica ihn als denjenigen, der das Urteil ' Über die mißverständliche Auffassung des Hundertschaftsnamens durch Caesar und Tacitus vgl. S. 14. 8 Vgl. S. 25. 8 Vgl. DIEFENBACH, Goth. WB. II. 648 f. 10

11

V g l . v . SYBEL, 114.

Vgl. S. 18. Im Norden war die Zustimmung durch väpnatak in allen Thingversammlungen, namentlich auch in gerichtlichen Angelegenheiten, gebräuchlich, vgl. LEHMANN i. d. Zeitschr. f. RG. XVIII. 93 ff., 101. Daß dieselbe auch in den angelsächsischen Gerichtsversammlungen nicht unbekannt war, lehrt die in Nordengland verbreitete Bezeichnung der Hundertschaft als w&pentäc oder w&pengetfec, wobei allerdings dänische Einflüsse mitgespielt haben. Vgl. GRIMM, RA. 771. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 672. K. MAURER i. d. Germania von BARTSCH XVI. 322 f. 12 Vgl. § 25.

§ 8.

Die Gerichtsverfassung.

35

oder Weistum vorschlug, und die Gerichtsgemeinde als den dasselbe annehmenden und zum Gesetz erhebenden Teil erkennen lassen 1 S . Der Fürst war demnach der Gesetzsprecher (éosago, esago, ásega, lagman, lögmadr, lögsögumadr), zu dessen Aufgabe es unzweifelhaft schon in der germanischen Zeit gehörte, der Gemeinde, sei es im Gericht, sei es im Landesthing, auch allgemeine Rechtweisungen (Weistümer, altn. lögsaga) zu erteilen, die durch ihre ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung bindende Kraft erhielten 14. Erst in der folgenden Periode, die das Richteramt in die Hand eines königlichen Beamten legte, kehrte sich die Sache um: die erstarkte königliche Gewalt übertrug dem Richter nunmehr den Gerichtsbann, beschränkte ihn aber andererseits auf die Urteilsfrage, während Rechtweisung und Urteilfindung Sache der Gerichtsgemeinde oder eines Ausschusses derselben oder eines von der Gemeinde gewählten, aber nicht mehr mit dem Gerichtsvorsitz betrauten Gesetzsprechers wurden 16 ; nur vereinzelt, bei den Westgothen, Burgundern und Langobarden, hat sich, begünstigt durch die römischen Einrichtungen, der selbsturteilende Richter erhalten 1 6 . Wenn die unter ihrem Fürsten zusammentretende Hundertschaftsversammlung als das ordentliche Gericht der altgermanischen Verfassung angesehen werden muß, so war damit die konkurrierende außerordentliche Gerichtsbarkeit der Landesgemeinde ebensowenig ausgeschlossen, wie später die des Königs. Kraft seiner Gerichtsherrlichkeit konnte das versammelte Volk jede ihm vorgelegte Sache entscheiden: licet apud concilium acensare quoque et discrimen capitis intendere (Germania c. 12). Dabei ist nicht, wie man früher anzunehmen pflegte, an eine regelmäßige Gerichtsbarkeit des Landesthinges in Strafsachen zu denken, sondern nur an die Befugnis des Klägers, seine Sache nach Wahl vor dem ordentlichen Hundertschaftsgericht oder vor der Landesgemeinde zum Austrag zu bringen 1 7 . Ein 18 14

Vgl. § 31, Anm. 3. Vgl. K. MAÜRER, Das Alter des Gesetzsprecheramtes in Norwegen, 1875; Island

2 1 1 — 2 2 0 ; Krit. V i e r t e l j a h r s s c h r i f t X . 3 7 4 — 3 8 1 , X I I I . 7 5 - 8 9 .

v . RICHTHOFEN, U n t e r -

suchungen über fries. Rechtsgeschichte II. 456—494. K. LEHMANN, Zur Frage nach dem Ursprünge des Gesetzsprecheramtes, i. d. Zeitschr. f. RG. XIX. 193 ff. R. SCHBÖDER, Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ebd. XVII. 215—231. Die von mir früher vermutete ursprüngliche Identität des Gesetzsprechers mit dem Priester als solchem ist gegenüber den Einwendungen LEHMANNS nicht aufrecht zu erhalten. Nur insofern der Fürst Gesetzsprecher und Priester war, kann von einer Verbindung beider Ämter in einer Person gesprochen werden. 15 So erklärt sich die Stellung der späteren Gesetzsprecher. LEHMANN legt auf diese offenbar jüngere Phase, indem er dieselbe für die ursprüngliche hält, zu großes Gewicht. 16 Ich habe hier früher eine romano-germanische Afterbildung angenommen, muß aber jetzt die Richtigkeit der von SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht 23 f., und SCHERER, i. d. Sitzungsber. d. Berl. Akad. XXV. 578 Anm. 1, angedeuteten Aulfassung zugeben. 17 Vgl. S. 17. Unberechtigt sind die von WAITZ, 356 f., erhobenen Einwände gegen diese zuerst von SOHM durchgeführte Auffassung. 3*

36

Die germanische Urzeit.

materieller Unterschied zwischen der Gerichtsbarkeit der Landes- und der Hundertschaftsversammlung bestand nicht. Das entscheidende Wort, den Bann im Sinne des späteren Rechts, hatte auch im Landesthing das versammelte Volk, das hier wie in politischen Angelegenheiten seine Zustimmung durch Speerschwingen (väpnatak, gairethinx) ausdrückte. Die Urteilsfindung wird in der Regel Sache des Fürstenrates gewesen sein18, der hier wie in anderen Dingen den in der Yorberatung beschlossenen Antrag durch eins seiner Mitglieder in die Versammlung brachte; wo es sich aber um ein Gottesurteil handelte, kann nur der Priester der Urteilsfinder gewesen sein; bei den Nordgermanen, die keine eigenen Priester hatten, fiel diese Aufgabe den Königen oder Jarlen zu. Bei dem Zusammenhange der Rechtspflege in der Landesgemeinde und im Gauthing ist anzunehmen, daß auch die Gerichtsversammlung der Hundertschaft, die doch zugleich eine Heeresabteilung bedeutete, unter den Schutz des Ziu Thingsus gestellt wurde 19 . Die im Mittelalter allgemein verbreitete Sitte, das Gericht durch Aufhängen eines Schildes oder Aufstecken einer Fahne oder ähnlicher Wahrzeichen der königlichen Gewalt zu bannen 20 , macht es wahrscheinlich, daß die Germanen zur Zeit des Heidentums im Gauthing ebenso wie im Heer und der Landesgemeinde ein Symbol (bandva, Banner) des Thinggottes für nötig erachtet haben, um den Thingfrieden zum Gottesfrieden (velut deo imperante, quem adesse bellantibus credunt) zu erheben.

Zwei Hilfsgöttinnen (Älaisiagae), die dem Mars Thingsus auf den mehrerwähnten Votivsteinen twentischer Krieger beigesellt sind 21 , scheinen die gerichtliche Seite in den Beziehungen des Gottes anzudeuten. Die Namen derselben, Beda und Fimmilena, weisen auf zwei spätere friesische Gerichtsbezeichnungen, bodthing undfimeltliing,hin, es scheint demnach schon in unserer Periode zwei verschiedene Gerichtsversammlungen, ein regelmäßig zusammentretendes echtes Ding und außerdem je nach Bedürfnis zusammenberufene Afterdinge oder gebotene Gerichte, gegeben zu haben, als deren Personifikationen die beiden Älaisiagae zu betrachten wären 22 . Die Gerichtsverhandlungen beschränkten sich nach uralter germanischer Sitte auf die Zeit, wo die Sonne am Himmel stand; nach Sonnenuntergang durfte nicht weiter getagt werden2S. Gleichwohl sind die heiligen Zeiten des Voll- und des Neumondes24 unzweifelhaft auch für das Gerichtswesen von Bedeutung gewesen. In der späteren Zeit fanden durchweg entweder von Monat zu Monat, oder zweimal im Monat, also alle vierzehn Nächte, Gerichtssitzungen statt 26 . Man darf vermuten, daß in unserer Periode 18 20

21 22 23 25

V g l . v . SYBEL, 1 1 9 . V g l . § 7 A n m . 15.

19 V g l . E A . 8 1 8 f. GRIMM, R A . 1 3 4 f., 151, 1 6 1 ff., 7 6 1 f., 8 5 1 if.

Vgl. S. 17, Anm. 8. Vgl. SCBEBEB, nach der Mitteilung von BRUNNER, Zeitschr. f. RG. XVIII. 228. V g l . GBIMM, R A . 8 1 3 V g l . GKIÄM, R A . 821.

24 ff. V g l . S. 16. WAITZ, 3 4 2 FF.

§ 9. Die Stände. monatlich einmal das echte Ding

37

und dazwischen mit

halbmonatlichen

Fristen je nach Bedürfnis ein Afterding gehalten wurde. §

9.

Die

Stände1.

Das Volk

Adeliche, Freie, Hörige und Unfreie. altn. prall)

zerfiel

in

vier

Geburtsstände:

Der Unfreie (servus,

skalks, pius,

stand wie eine Sache schlechthin im Eigentum des Herrn,

der beliebig,

nur durch die Sitte beschränkt, über ihn schalten konnte.

Tötung oder Verletzung eines Unfreien galt Sachvernichtung, Sachbeschädigung.

dem Herrn gegenüber als

Für Verschuldungen des Unfreien

haftete der Herr in derselben Weise wie für sein Vieh. gemeinen Rechtsschutze stand der Unfreie nicht.

Unter dem all-

Begründet wurde die

Unfreiheit durch Kriegsgefangenschaft, Verknechtung Fremder, die ohne Geleite und ohne Gastfreundschaft ins Land kamen 2, Schuldknechtschaft 3 , freiwillige Ergebung, Verheiratung mit einer unfreien Person.

Sie über-

trug sich als Geburtsstand auf die Nachkommen, auch wenn nur der eine Elternteil dem unfreien Stande angehörte.

Die meisten Unfreien waren

Landsiedler nach Art der römischen Kolonen: der Herr überließ ihnen ein Grundstück

zu eigener Bewirtschaftung und beschränkte sich darauf,

ihnen bestimmte Abgaben (an Getreide, Vieh oder Kleidungsstücken) und Herrendienste

(Frohnden)

aufzuerlegen 4 .

Was

sie

erübrigten

gehörte

ihnen, konnte von ihnen aber weder veräußert, noch vererbt werden, sondern kehrte nach ihrem Tode an den Herrn zurück, der es, wenigstens später,

nach Abzug

eines Sterbfalls dem Erben

zu überlassen

Ehen unfreier Leute bedurften der Genehmigung des Herrn. die Eltern

verschiedenen Herren,

pflegte. Gehörten

so folgten die Kinder, mangels einer

Vereinbarung, nach der Mutter.

Den angesiedelten Eigenleuten

über standen die neuerworbenen,

für die der Herr keinen

gegen-

Grundbesitz

zur Verfügung hatte; sie wurden entweder weiter veräußert 5 oder zu Gesindediensten auf dem Herrnhofe verwendet.

Die Zahl der Unfreien war

im Verhältnis zu den Freien nicht bedeutend.

Die Ausbildung

großer

Sklavenwirtschaften nach römischer A r t war durch die germanische Agrarverfassung von selbst ausgeschlossen 6 .

Nur Könige und Fürsten erhielten

so viel Grund und Boden, daß sie eine größere Anzahl unfreier Familien ansiedeln

konnten, nur ihnen war es deshalb auch möglich,

sich

eine

eigene Hausdienerschaft und für Jagd und Fehde ein bewaffnetes Gesinde zu halten.

1

Vgl.

Dem Staate gegenüber

WAITZ,

I.

149—200.

galt der Unfreie als waffenunfähig,

GKIMM, E A .

226—402.

SICKBL, Freistaat .12 ff.

GIEBKE, Genossenschaftsrecht I. 35 ff. MÜNCH, Nordisch-german. Völker 141 ff. LEO, Eectitudines singularum personarum 151 ff. 2 Vgl. Tacitus, Agricola c. 28. 3 Vgl. §§ 11, 12. 4 Tacitus, Germania c. 25. 5 Ebd. c. 24: Servos condicionis huius per commercia tradunt. Althochdeutsche Glossen unterscheiden den coufschalc von dem ingebwro, incneht (vernaculus). 6 Vgl. Germ. c. 15: delegata domus et penatium et agrorum cwra feminis seniìmsque et infirmissimo cuique ex familia.

38

Die germanische Urzeit.

weil er nur mit Genehmigung seines Herrn bewaffnet erscheinen durfte; an Heer und Thing hatte er keinen Teil. Diese Waffenunfähigkeit konnte nur durch Yermittelung der Landesgemeinde gehoben werden: es gab eine F r e i l a s s u n g ö f f e n t l i c h e n R e c h t s , die im Landesthing vor sich ging und sich ganz in den Formen der Wehrhaftmachung bewegte 7 . Sie machte den Freigelassenen zum volkfreien Heermann und löste das zwischen ihm und seinem Herrn bestehende Band vollständig; nur ein familien- und erbrechtliches Verhältnis, als Folge des mit der Vollfreilassung verbundenen Adoptionsaktes 8 , blieb bestehen. Die Freilassung durch Wehrhaftmachung reicht in die germanische Urzeit zurück; bei den Nordgermanen erlangte jeder Unfreie, der bei einem allgemeinen Landesaufgebot durch den Heerpfeil zu den Waffen berufen einen Feind erlegt hatte, alsbald die Freiheit 9 . Freilassung im Thing, verbunden mit der ausdrücklichen Aufnahme in die Genossenschaft der freien Leute schlechthin oder in ein einzelnes freies Geschlecht, hat sich auch fernerhin im Norden im Gebrauche erhalten 10. Immerhin kam die Vollfreilassung nur in seltenen Ausnahmefällen vor, wo die Not oder hervorragendes Verdienst den Anlaß gab; zur Zeit des Tacitus war sie aber wohl überhaupt noch unbekannt. Dieser kannte nur die p r i v a t e F r e i l a s s u n g 1 1 , die ein Ausscheiden aus der Klasse der Unfreien nicht bewirkte und selbst dem Freilasser gegenüber nur ein prekäres, jederzeit widerrufliches Recht begründete. Den Nordgermanen war diese Art der Freilassung neben der Vollfreilassung geläufig 12 , Spuren derselben sind auch in dem burgundischen Volksrecht noch erhalten 1 3 , während bei den Westgermanen die Freigelassenen der geringeren Ordnung durchweg die Stellung von Hörigen einnehmen. 7 Sie bestand in der Überreichung eines Gers oder einer anderen Waffe seitens des Freilassers oder eines von diesem Beauftragten und ist für das langobardische, sächsische und angelsächsische Eecht bezeugt. Vgl. Zeitschr. f. EG. XX. 54 f. und unten § XI. Freilassung vor der Volksversammlung kannte auch das altsalische und das alamannische Eecht. Vgl. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung 46 ff. 8 Über Waffenreichung als Adoptionsakt vgl. § 11. 9 Vgl. K. Maüber, Die Freigelassenen nach altnorwegischem Eecht, i. d. Sitz.Ber. d. Münchener Akad. 1878, S. 24. 10 Vgl. Pappenheim, Launegild und Garethinx 40 iF. v. Amira, Nordgerman. Obligationenrecht I. 264 f. 268. 314. 541. In Norwegen bedurfte es keiner gerichtlichen Freilassung, die Aufnahme in die freie Genossenschaft erfolgte durch Haltung des Freilassungsbieres. Vgl. Madree, a. a. 0 . 21—87; Island 144 if. 11 Germ. c. 25: Liberti non multwm supra servos sunt, raro aliquod momentvm in domo, numquam in eivitate, exceptis dumtaxat iis gentibus quae regnantwr: ibi enim et super ingenuos et super mobiles aseendunt; apud ceteros impares libertini libertatis argumentum sunt. Von einer Freilassung durch die Hand des Königs, wie das spätere Recht sie kannte, weiß Tacitus noch nichts. Er spricht nur von der höheren sozialen Stellung, die Freigelassenen wie Unfreien durch königliche Begünstigung zu teil werden konnte. 14 Vgl. die Anm. 10 angeführte Litteratur. 13 Vgl. Lex Burgundionum Tit. 40.

§ 9.

Die Stände.

39

Das gemeingermanische Recht hat noch keine H ö r i g e n gekannt 1 4 . Dem Rechte der Ostgermanen, der Nordgermanen sowohl wie der gothischvandalischen Gruppe, sind dieselben fremd geblieben 18 . Die Hörigkeit kann daher nicht im Zusammenhange mit der germanischen Freilassung entstanden sein, sondern höchstens auf diese zurückgewirkt haben, indem sie die prekäre Stellung der Freigelassenen hob und festigte. Da das Hörigkeitsverhältnis sich nur bei den Westgermanen findet, so wird seine Entstehung in den völkerrechtlichen Beziehungen zu Kelten und Römern zu suchen sein. Alles scheint dafür zu sprechen, daß es ein Produkt des abendländischen Kriegsrechts gewesen ist und insofern auf römische Wurzel, auf den Gegensatz der deditio bei freiwilliger Unterwerfung des Besiegten unter die Hand des Siegers und der Sklaverei bei gewaltsamer Unterwerfung (occupatio bellica) zurückgeführt werden muß 1 6 . Daß die Germanen diese beiden Elemente des römischen Kriegsrechts sich angeeignet hatten, zeigen die Erklärungen des Ariovist gegen Caesar: Jus esse belli, ut, qui vicissent, iis, quos vicissent, quemadmodum vellent imperarent. — — Haeduos sibi, quoniam belli fortunam temptassent et armis congressi ac superati essent, stipendiarios esse factos (Bell. Gall. I. c. 36), und später (c. 44): Stipendium capere iure belli, quod victores victis imponere consuerint. — — — si per populum Romanum Stipendium remittatur et dediticii subtrahantur, non minus libenter sese recusaturum populi Romani amicitiam, quam appetierit. Wie die Germanen solche dediticii in ihrer Sprache nannten, ergiebt sich aus der Bezeichnung der von den Römern in Gallien angesiedelten Barbaren vornehmlich germanischer Herkunft, welche gegen Empfang von Grundbesitz (agri laetici) Kriegsdienste zu leisten hatten und den Namen laeti führten 1 7 . Bei den Franken, Alamannen, Thüringern, Sachsen, Angelsachsen und Friesen wurden die 14 Die Bezeichnung der hier in Betracht kommenden Mittelstufe zwischen Freiheit und Unfreiheit als Hörigkeit hat sich in der Wissenschaft einmal eingebürgert, so daß sich die Beibehaltung empfielt, auch wenn der Ausdruck nicht ganz passend sein sollte. Über die Stellung der Hörigen vgl. Boos, Die Liten und Aldionen nach den Volksrechten, 1874. 16 Auch die Lex Angliorum et Werinorum kennt nur Freigelassene, keine Hörigen, was auf die ostgermanische Herkunft der Wariner (vgl. S. 9 Anm. 3) hinweist. Vgl. Zeitschr. f. BG. XX. 21. Dasselbe gilt von der Lex Burgundionum, während die für die romanischen Unterthanen des burgundischen Reiches erlassene Lex Romana Burgundionum Tit. 46 eine Bestimmung über den litus hat. Da diese Bestimmung einem römischen, die Läten betreffenden Gesetze entnommen ist, so darf man sie mit Sicherheit auf Läten, die von den Burgundern vorgefunden wurden, beziehen. Vgl. Anm. 17. Bbunneb i. d. Zeitschr. f. RG. XVIH. 81, Anm. 6. 16 Vgl. Kablow a, Römische Rechtsgeschichte I. 293 f.

17

Vgl. Roth, Geschichte des BeneflcialWesens 48 ff.; Waitz 159 f.; Kablowa,

a. a. 0 . 1 . 928, und die bei diesen Angeführten. Über derartige germanische Zwangskolonien in Gallien vgl. meine Zusammenstellungen i. d. Hist. Zeitschrift, Neue Folge VII. 32 f., und Zeitschr. f. RG- XV. 9 f. Die in der Lex Romana Burgundionum erwähnten Liten (s. Anm. 15) dürften auf die im Rhonegebiet angesiedelten Läten chattuarischer Herkunft zu beziehen sein.

40

Die germanische Urzeit.

Hörigen und die im Hörigkeitsverhältnis stehenden Freigelassenen der geringeren Klasse liti, leti, lati, lazzi genannt, ein Wort, das, wahrscheinlich mit mansionarius gleichbedeutend, den auf fremdem Grund und Boden Angesiedelten bezeichnete 18. Die langobardische und bairische Benennung des Hörigen war aldhts, aldio19; daneben begegnet bairisch barscalk, parscalk, d. h. der freie Knecht, und alamannisch das sonst nur den freien Mann bezeichnende baro20. Was die deutschen Liten mit den Läten der Römer gemein hatten, war die Gebundenheit an die Scholle, also der Mangel der Freizügigkeit, und die Verpflichtung zu gewissen Leistungen als Entgelt für den ihnen verliehenen Grund und Boden. Im übrigen mögen die Verhältnisse sehr verschieden gewesen sein, und es ist nicht daran zu denken, daß die Läten der Römer von den germanischen Eroberern als Liten beibehalten sein oder gar den Grundstock für die Ausbildung des Litenstandes gebildet haben sollten; vielmehr darf man annehmen, daß sie größtenteils mit den stammverwandten Siegern verschmolzen und aus römischen Läten zu freien Franken geworden sind. Aber daß auch die Liten der Germanen auf kriegerische Unterwerfung zurückgeführt werden müssen, zeigen außer den dedüicii des Ariovist die thüringischen Laten unter den Sachsen 21 und wohl nicht minder die auffallend zahlreichen Laten am Niederrhein, die vornehmlich der Unterwerfung der Ubier durch die ribuarischen Franken ihre Entstehung verdanken dürften. Wo der siegreiche Staat sich nicht mit einem Bundesverhältnis oder mit einer teilweisen Landabtretung und einem der Gesamtheit der Besiegten auferlegten Tribute begnügte 22 , sondern Abtretung des ganzen Landes verlangte, war die Hörigkeit der im Besitz belassenen Bevölkerung von selbst gegeben23. Herr der Hörigen war dann zunächst die Gesamtheit des siegreichen Volkes, also der Staat, später der König. An den Staat entrichteten sie ihre Abgaben 2 ', und der Staat ließ sie ebenso wie die Freien, wenn auch zu einem geringeren Verhältnis, an 18

V g l . GBIMM, E A . 3 0 5 ff.

WAITZ I. 154, I I . 1 S. 227. MÖLLENHOFF b e i WAITZ, Du CANGE , Glossarium s. Y. mansionarii.

Das alte Recht der sal. Franken 288.

Mit ahd. frttaz

oder hantlaz, ags. friöleta, für libertus, hat lazzus und letus sprach-

lich nichts gemein. " V g l . GRIMM, R A . 309. WAITZ, I. 1 5 4 , II. 1 S. 239. V g l . WAITZ, I I . 1 S. 2 3 9 f. V g l . A n m . 32.

10

81

Vgl. Widukindi res gestae Saxonicae I c. 14: reliquias pulsae gentis tributi»

eondempnaverunt; unde usque hodie gens Saxonim triformi genere ac lege praeter conditionem servilem dividitur.

Transl. S. Alexandri c. 1. Ssp. III. 44 § 3. Bei

den Angelsachsen nahm der Wäle (wealhj zum Teil die Stellung des Liten ein. Vgl. SCHMID, Angels. Gesetze, 2. Aufl. 673. K. MAURER i. d. Krit. Überschau I. 419 ff. 22 Vgl. Caesar, Bell. Gall. IV. c. 3, VI. c. 10. 23

Vgl. Plinius, naturalis historia XXII. 4: Summwm apud antiquos Signum vic-

toriae erat herham porrigere victos, hoc est terra et altriee ipsa humo et humatione etiam cedere, quem pwrem etiam nunc durare apud Germanos scio. 24 Daraus erklären sich wohl manche spätere Abgaben, wie der Schweinezins der Thüringer und gewisse bei Baiern und Alamannen vorkommende Grundzinsen.

V g l . WAITZ, I I . 2 S. 2 5 3 . 256 ff.

§ 9. Die Stände.

41

den Ackerverlosungen teilnehmen. Erst im Laufe der Zeit und jenseit der Grenzen dieser Periode, mit der Ausbildung des Privateigentums an Grund und Boden und der Hineinziehung der Freigelassenen minderen Rechts in das Hörigkeitsverhältnis, kann die Absplitterung eingetreten sein, welche zahlreiche Hörige in die Hand (munt) einzelner Grundherren brachte, während hei den nur dem Staate Verpflichteten der ursprüngliche Makel ihrer Stellung in Vergessenheit geriet und die völlige Gleichberechtigung mit den Freien angebahnt wurde 26 . Über die rechtliche Stellung der hörigen Bevölkerung in der Urzeit läßt sich wenig sagen. Am Heer und an der Volksversammlung hatte sie keinen Teil 26 , dagegen war sie des vollen Rechtsschutzes teilhaftig und konnte ihr Recht als Partei selbst vor Gericht wahrnehmen 2 7 . Seit der Einführung gesetzlicher Büß- und Wergeidtaxen für Verletzungen und Totschläge wurden die Hörigen regelmäßig zu der halben Taxe der Freien angesetzt, während Unfreie nach wie vor nach ihrem individuellen Sachwerte geschätzt wurden. Nach demselben Verhältnis wurden die Hörigen wohl auch bei den regelmäßigen Ackerverlosungen berücksichtigt 28 . Der Gegensatz zwischen Hörigen- und Freienbesitz beruhte also nicht auf dem Gegensatze von Leiherecht und Eigentum, sondern auf der geringeren Größe und der Zinspflicht des Hörigenbesitzes. Sonstigen Vermögensbeschränkungen, wie sie später hervortreten, war die hörige Bevölkerung ursprünglich wohl nicht unterworfen. Dagegen bestand zwischen ihr und den Freien kein Oonnubium, Ehen zwischen Hörigen und Freien waren ebenso wie die zwischen Unfreien und Hörigen Mißheiraten, bei denen die Kinder je der ärgeren Hand folgten 29 . Der F r e i e (ingenuus, altsächs. frtling) wurde, der Identität von Volk und Heer entsprechend, bald als Volkfreier, bald als Heermann bezeichn e t 3 0 ; auch die Benennung desselben als Kerl (ahd. charl, altn. karl, 25

So wurden die in der vorigen Anmerkung erwähnten Abgaben im fränkischen Reiche nicht mehr als eine Beeinträchtigung der Freiheit angesehen. Die Börner galten als vollfrei, obwohl sie an Buße und Wergeid den Liten und Aldien gleichgestellt wurden. Die Sachsen traten als gleichberechtigte Genossen in den Verband des fränkischen Reiches ein, obwohl Einhard zum Jahre 776 von ihnen berichtet:

Seddiderunt palriam per vadium omnes manibus eorwm, et spoponderunt se esse christianos, et sub ditione domini Caroli regis et Francorum, svbdiderunt. 28

Bei den Sachsen waren die Liten später zur Teilnahme an der Volksversammlung berechtigt. 21 Die Vertretung durch den Muntherrn kann erst der späteren Periode de« Hörigkeitsverhältnisses angehören. Vgl. W A I T Z , I. 156. 29 Vgl. § 10 Anm. 22. 29 Vgl. § 11. 30 Das Wort fwlcfree in den langobardischen Gesetzen, dem ags. folcfreö, folefry entspricht, ist erst durch die Ausgabe von BLUHME an Stelle des mißverständlichen fulfree und fulfreal restituiert. Eine althochdeutsche Glosse übersetzt militum mit milizzo anti harimanno (STEINMEYER und SIEVEBS, Glossen I . 8 0 ) . Dem entspricht arimannus, arimanna, exercitalis als Bezeichnung des Freien in den langobardischen Quellen. Vgl. Du Cange, Glossar s. v. kerimanni. GBIMM, RA. 292 f.

42

Die germanische Urzeit.

ags. ceorl) scheint gemeingermaniscli gewesen zu sein 3 1 , während baro sich nur bei einigen westgermanischen Stämmen (Franken, Alamannen, Langobarden) findet32. Die Freien bildeten die große Masse des Volkes, Eecht und Gesetz beruhte in erster Reihe auf ihnen: bei der Ackerverlosung galt das Freienlos als die Einheit, ebenso das Freienwergeld und die Freienbuße bei Tötung und Körperverletzung, der Muntschatz der freien Jungfrau bei der Vermählung. Über den Freien stand der A d e l 3 3 . Die Entstehung desselben ist in Dunkel gehüllt, doch läßt sich nicht bezweifeln, daß Königtum und Fürstenamt die Grundlage abgegeben haben. Die Geschlechter der Könige und Fürsten bildeten eben den Inbegriff' des Adels, und wenn einerseits das Emporkommen neufürstlicher, also neuer Adelsgeschlechter durch die Berufung eines Nichtadelichen zum Fürstenamte prinzipiell nicht ausgeschlossen war, so galt es doch durchaus als die Regel, wie die Könige so auch die Fürsten nur aus den Reihen des Adels zu wählen. Die römischen Schriftsteller bezeichnen den germanischen Adelichen als nobilis; die altnordische Benennung war jarl, der ags. eorl entsprach, wie der ceorl dem karl. Gemeingut der Westgermanen war etheling, ahd. adaling 34, von adhal, adal, das Geschlecht, die Herkunft, und auf derselben sprachlichen Wurzel wie altn. 6dal, ags. edel, altfries. ethel, d. i. Erbgut, beruhend 36 . Der Adel war demnach ein Geschlechtsadel, ein Geburtsstand. Ehen zwischen Adelichen und Freien wurden bei den Sachsen als Mißheiraten behandelt; wie es bei den übrigen Stämmen damit gehalten wurde, ist unbekannt 36 . An Buße und Wergeid hatte der Adel mindestens die doppelte Taxe der Freien 37 , in derselben Weise hatte er wohl auch bei der Ackerverteilung ein Mehrfaches zu beanspruchen. Innerhalb des Adels gab es Abstufungen. Das höchste Adelsgeschlecht war das königliche; wie es scheint, wurde auch bei solchen Völkerschaften, die keinen König hatten, das erste Geschlecht als das königliche bezeichnet. Besondere Vorrechte außer den angegebenen besaß der Adel nicht, dagegen ge81

V g l . GRIMM, D W B .

32

Vgl.

36

V g l . WAITZ, I.

V . 5 7 0 f.

WB. d. roman. Sprachen I. s. v. barone. Du CANGE, S. V. baroMÖLLENHOFF bei W A I T Z , Das alte Eecht der salischen Franken 2 7 9 . Vgl. Anm. 2 0 . 38 Außer der Anm. 1 angegebenen Litteratur vgl. v. SYBEL 1 2 5 ff. v. SAVIGNY, Beitrag zur Rechtsgeschichte des Adels (Abh. d. Berl. Akad. 1836, auch i, d. Klein. Schriften I V ) , S. 2—6. B R A N D E S , Erster Bericht über die germanist. Gesellschaft 2 1 ff. K . M A U B E B , Das Wesen des ältesten Adels der deutschen Stämme 4 — 1 9 . 1 9 8 ff. THUDICHUM, Der altdeutsche Staat 7 6 ff. D A H N , Könige der Germanen I . 1 8 ff., 6 1 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht I . 3 6 f. v. BETHMANN-HOLLWEG , Germ.roman. Civilprozeß I . 8 5 ff. SICKEL i. d. Gött. gel. Anz. 1 8 8 0 , S . 1 7 1 ff. EBHABDT, ebd. 1 8 8 2 , S. 1 2 4 6 ff. 81 Vgl. Zeitschr. f. BG. XX. 20. K. MAURER, a. a. 0. 199. 35 Vgl. GRIMM, DWB. I 176 f. Siehe auch § 1 0 Anm. 27. 87

DIEZ,

1 9 4 f.

Vgl. W A I T Z , I . 1 9 6 f. Bei den Sachsen hatte das Adelswergeid den sechsfachen Betrag des Freienwergeldes. Ahnlich ursprünglich bei den Angelsachsen.

§ 10. Das Grundeigentum.

43

währte er seinen Angehörigen große Vorzüge i n sozialer Beziehung. Im a l l g e m e i n e n war die Zahl der adelichen Geschlechter nur gering u n d wurde durch die dem Stande eigene Vorliebe für den kriegerischen Beruf stetig vermindert. N u r bei den Sachsen fand sich noch in der karolingischen Zeit ein zahlreicher, m i t hervorragenden Rechten ausgestatteter Adel. § 10. D a s G r u n d e i g e n t u m 1 . Unsere K e n n t n i s der Agrarverhältnisse der germanischen Urzeit beruht teils auf den Berichten des Caesar u n d Tacitus, teils auf Rückschlüssen aus späteren Z u s t ä n d e n 2 u n d auf den Ergebnissen der vergleichenden Rechtswissenschaft 3 . Von den drei Stadien, welche die Entwickelung des Grundeigentums bei einem Volke erfahrungsgemäß durchzumachen pflegt — G e m e i n g u t u n d Gemein1 Vgl. W A I T Z , I . 9 7 — 1 4 8 . v. SYBEL, 1—35. SICKEL, Freistaat 1 8 ff.; Zur germ. Verfassungsgeschichte (s. § 6 Anm. 23) 40 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht I. 53 ff. THUDICHÜM, Altd. Staat 9 1 ff. v. BETHMANN-HOLL WEG, Roman.-german. Civilprozeß I. 78 ff. HANSSEN, Ansichten über das Agrarwesen der Vorzeit (Agrarhistor. Abh. I. 1 — 7 6 ) ; Wechsel der Wohnsitze und Feldmarken in germanischer Urzeit (ebd. I . 7 7 bis 9 8 ) . ROSCHER i. d. Berichten der Sachs. Ges. d. Wiss. 1 8 5 8 (auch Ansichten der Volkswirtschaft, 18R1). HENNINGS, Über die agrar. Verfassung der alten Deutschen, 1869. ZACHER bei ERSCH U. GRÜBER, Encyklopädie I . 6 1 , S. 3 5 8 ff. LAMPRECHT i. d. Zeitschr. d. Berg. Gesch.-Vereins XVI. ERHARDT i. d. Gott. gel. Anzeigen 1 8 8 2 , S. 1220 ff. v. INAMA-STBRNEGG, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I. 6 ff.; Untersuchungen über das Hofsystem im Mittelalter, 22 ff. WAGNER, Allg. Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl. I. 690 ff. DAHLMANN, Gesch. v. Dänemark I. 133 ff. VIOLLET, Précis de l'hist. du droit français II. 471 ff. L . MEYER i. d. Zeitschr. f. deutsche Philologie V. 2 5 1 ff. WIEDEMANN i. d. Forschungen z. deutsch. Gesch. I V . 1 9 1 f. K A U F MANN, Deutsche Geschichte I. 122 f. 125 f. GAUPP, German. Ansiedelungen 50 f. LANDAU, Territorien 64 ff. GAUDENZI, Proprietà in Italia 28 ff. 3 Vgl. die S . 6 angeführten Werke von INAMA-STERNEGG, LAMPRECHT, HANSSEN, Ross, NASSE, SEEBOHM. Ferner GIERKE, Genossenschaftsrecht I . 2 0 2 ff. 6 0 9 ff. 6 7 5 ff. II. 134 ff. 222 ff.; Erbrecht und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, i. d. Zeitschr. f. RG. XII. 430 ff. SCHRÖDER, Die Franken und ihr Recht (Zeitschr. f. RG. XV) 49 bis 82; Die Ausbreitung der sai. Franken, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIX. 144 ff. L. v. MAURER; Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- u. Stadtverfassung, 1854; Geschichte der Markverfassung in Deutschland, 1856; Geschichte der Dorfverfassung in Deutschland, 2 . Bände, 1 8 6 5 — 1 8 6 6 . THUDICHÜM, Die Gau- und Markverfassung in Deutschland, 1860. MEITZEN, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staates I. 343 ff. ACHENBACH, Die Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes, 1863. BERNHARDT, Geschichte des Waldeigentums, 1872 bis 1875; Die Haubergswirtschaft im Kreise Siegen, 1867. HEUSLER, Institutionen d. deutsch. Privatrechts I. § 56. H. LEO, Rectitudines singularum personarum 105 ff. v. MIASKOWSKI, Die Verfassung der Land-, Alpen- und Forstwirtschaft der deutsch. Schweiz, 1878; Die schweizerische Allmend 1879. HAXTHAUSEN, Über die Agrarverfassung in Norddeutschland, 1829. MICHELSEN, Von der bauerschaftlichen Meentverfassung in Dithmarschen, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht VII. 8 9 ff. ARNOLD, Ansiedelungen u. Wanderungen der deutschen Stämme, 1875. 3

V g l . LAVELEYE, U r e i g e n t u m (s. S. 6).

MAINE, V i l l a g e - C o m m u n i t i e s

in t h e

East and West, 1871. VIOLLET, Caractère collectif des premières propriétés immobilières, i. d. Bibl. de l'école des chartes X X X I I I . 4 5 5 ff. KÖHLER i. d. krit Vierteljahrsschrift XXIII. 24 FF.

Die germanische Urzeit.

44

genuß, Gemeingut und Privatgenuß, Privatgut und Privatgenuß —, hat das zuletzt genannte seit der fränkischen Zeit immer mehr den Vorrang eingenommen, ohne doch bis auf die Gegenwart alle Spuren des zweiten Stadiums verwischen zu können. Noch heute tritt uns in den Gehöferschaften an Mosel und Saar, den Haubergsgenossenschaften des Siegerlandes und den Waldgenossenschaften des Kreises Wittgenstein ein deutliches Bild der von Caesar und Tacitus geschilderten altgermanischen Feldgemeinschaft entgegen. Wie bei anderen Völkerschaften so gab es auch bei den Germanen ursprünglich kein Privateigentum an Grund und Boden, sondern das gesamte Land gehörte dem Staate: es war Volkland und wurde den Einzelnen nur von der Gesamtheit zur Nutzung überlassen. Über die Art, wie dies geschah, liefert Caesar zwei Berichte, den einen von den Sueben (d. h. Chatten), den andern von den Germanen überhaupt. Die ersteren besaßen nach Caesar 4 noch keine dauernden Ansiedelungen, sondern verlegten ihre Wohnsitze von Jahr zu Jahr, je nach der Lage des gerade in Anbau genommenen Landes 5 . Die Bestellung und Nutzung desselben war nicht Privatsache der einzelnen Familien, sondern Angelegenheit der Gemeinde oder Sippschaft, welche als solche auch für den Unterhalt ihrer zum Heere aufgebotenen Mitglieder zu sorgen hatte. Abgesehen von diesem mit der suebisch-chattischen Heeresverfassung zusammenhängenden Kommunismus 6 war die Agrarverfassung der übrigen germanischen Völker, von denen Caesar Kunde besaß, durchaus ebenso geordnet: Agriculturae non stvdent, maiorque pars eorum victus in lade, caseo, came consistit. neque quisquam agri modum certum aut fines habet proprios; sed magistratus ac principes in annos singulos gentibus cognationibusque hominum, qui una coierunt, quantum et quo loco Visum est agri Der jährliche Wechsel attribuunt atque anno post alio transire cogunt1. der Wohnsitze und der damit zusammenhängende gänzliche Mangel des privaten Grundeigentums wird hier bestätigt, aber die den Fürsten in ihrer Eigenschaft als Gauvorsteher obliegenden jährlichen Ackerüberweisungen erfolgten nach Sippschaften und Familien (gentibus cognationibusque hominum), es muß also schon eine Privatwirtschaft der einzelnen 4

Bell. Gall. IV. c. 1: Hi centum pagos habere dicuntur, ex quibus quotarmis singula milia armatorum bellandi causa ex finibus educunt. reliqui, qui domi manserunt, se atque illos alunt. hi rursus in vicern anno post in armis sunt, illi domi remanent, sic neque agricultura nec ratio atque ustis belli intermittitur. sed privati ac separati agri apud eos nihil est, neque longius anno remanere uno in loco incolendi causa licet. 5 Über germanische Wanderungen, bei denen die abgebrochenen Häuser auf Karren mitgeführt wurden, vgl. W A I T Z I. 106. 6 Ein Rest dieses Kommunismus war der von Tacitus Germ. c. 31 erwähnte Anspruch der chattischen Berufskrieger auf freies Naturalquartier bei jedem ihrer Landsleute. Die Worte nulli dormts aut ager aut aliqua cura ergeben für alle übrigen Chatten Privatwirtschaft. 7 Bell. Gall. VI. c. 22.

§ 10.

Das Grundeigentum.

45

Höfe bestanden haben. So aufgefaßt war der Unterschied zwischen den Zuständen, wie Caesar sie schildert, und denen zur Zeit des Tacitus nur gerade so weit verschieden, wie der dazwischen liegende Abstand von 150 Jahren es naturgemäß mit sich brachte. Seit Augustus und Tiberius trennten feste, seitdem nur noch wenig veränderte Grenzlinien das römische Reich von den Gebieten der freien Germanen. Der dauernde Grenzfriede hatte die Stetigkeit der Beziehungen zu Grund und Boden gefördert, der unstete Wandertrieb, dem Caesar begegnete, hatte aufgehört. Die germanischen Dorfanlagen waren nicht mehr wie Zeltlager, die man abbricht und an anderer Stelle wiederaufbaut, sondern auf eine seßhafte Einwohnerschaft berechnet; jeder hatte sein eigenes Haus mit dazu gehörigem Hofe, einem Keller (tung) neben dem Hause zur Aufnahme der Früchte, bei Winterkälte auch den Bewohnern als Aufenthaltsort dienend; die Häuser zwar meistens einfach aus Flechtwerk und Lehm, hin und wieder aber doch schon mit einem gewissen Luxus gebaut. Alles Zustände, die notwendig auf festen Besitz, auf ein Eigentum des einzelnen an Haus und Hof gedeutet werden 8 . Von dem Ackerbau berichtet Tacitus: „Die Ackerfluren werden in einem der Zahl der Nachbarn entsprechenden Umfange von der Bauerschaft abwechselnd in Gesamtbesitz genommen; sodann verteilen sie dieselben unter sich nach Verhältnis ihrer Würdigkeit. Erleichtert wird die Teilung durch die Ausdehnung der Felder. Das Pflugland tauschen sie jährlich und ein Teil der Flur bleibt unbestellt. Denn sie ringen auch nicht in harter Arbeit mit der Fruchtbarkeit und Größe von Grund und Boden, so daß sie Obstpflanzungen anlegten und Wiesen ausschieden und Gärten bewässerten: nur die Saat wird vom Boden verlangt. Und daher teilen sie auch das Jahr selbst nicht in so viel Jahreszeiten ein wie wir: Winter, Frühling und Sommer sind ihnen bekannt und haben ihre Benennung, vom Herbste kennen sie weder seinen Namen, noch seinen Segen" 9 . Die Wirtschaft war hiernach noch durchaus extensiv; Obstkultur, Garten- und Wiesenbau waren noch unbekannt, der Körnerbau noch auf die Sommersaat beschränkt, das Ackerfeld auch jetzt noch nicht definitiv von dem Wald- und Weidelande geschieden. Aber ein großer Fortschritt in letzterer Richtung hatte sich bereits vollzogen: während man zu Caesars Zeit alljährlich ein neues Stück Wildland in Anbau nahm, dessen 8

Vgl. Germania c. 16, c. 46. PLIKIUS, natur. hist. XIX, 2. WAITZ I. 42. 107 f. Germania c. 26: Agri pro numero cultorum ab universis in vices occupanlur, quos mox inter se secundum dignationem partiuntwr. facilitatem partiendi camporum spatia praebent: arva per annos mutant, et superest ager. nec enim cum ubertate et amplitudine soli labore contendunt, ut pomaria conserant et prata separent et hortos rigent-, sola terrae seges imperatur. unde annum, quoque ipsum non in totidem digerunt species: hiems et ver et aestas intellectum ac vocabula habent, autumni perinde nomen ac bona ignorantur. Die Ubersetzung schließt sich im wesentlichen an 'die 9

v o n HENNINGS, a. a. 0 . 1, a n .

46

Die germanische Urzeit.

Größe nach dem Erntebedürfnis eines Jahres bemessen würde, — also Waldwechselwirtschaft und wilde Feldgraswirtschaft rohester Art, — waren die Ackerfluren der einzelnen Gemeinden zur Zeit des Tacitus bereits auf einen periodischen Umtrieb berechnet, so daß sich der jährliche Wechsel nicht mehr zwischen Pflugland und Wildnis, sondern zwischen Pflugland und Dreeschland vollzog. Es war demnach schon eine Art geregelter Feldgraswirtschaft oder Egartenwirtschaft eingetreten und es bedurfte nur noch der Einführung der Wintersaaten, um von diesem System, das sich in den Gebirgsländern zum Teil bis zur Gegenwart erhalten hat, zur Dreifelderwirtschaft zu gelangen 10 . Es ist wahrscheinlich, daß sich dieser Übergang zum Teil noch in der germanischen Periode vollzogen hat; jedenfalls aber geraume Zeit vor Karl dem Großen, dem man früher in der Regel die Einführung der Dreifelderwirtschaft zugeschrieben hat 1 1 . Außer dem jährlichen Wechsel innerhalb der einzelnen Ackerfluren fand nun aber noch ganz in alter Weisse ein Wechsel der Ackerfluren selbst statt (agri pro numero cultorum ab universis in vices occupantur), natürlich nicht ein Austausch zwischen den Ackerfluren verschiedener Gemeinden, — das hätte keinen Sinn gehabt, — sondern ein Wechsel zwischen Ackerfeld und Wildnis, wie ihn Caesar schildert, aber nicht mehr von Jahr zu Jahr und auf das Bedürfnis nur eines Jahres berechnet, sondern in längeren Perioden, deren Dauer Tacitus nicht angiebt, offenbar weil sie nach den örtüchen Verhältnissen sehr verschieden war. Je größer die einzelne Ackerflur im Verhältnis zu der Einwohnerzahl genommen wurde, oder je fruchtbarer der Boden war, desto länger kam man damit aus. Hätte man schon damals die Kunst der Düngung besessen, so hätte es eines Wechsels der Felder überhaupt nicht bedurft, man wäre ebenso wie später mit dem Wechsel in der Bestellung ausgekommen. Allein der wenig bearbeitete Boden (nec labore contendunt) vermochte eine wiederholte ausreichende Ernte nur selten zu tragen, selbst wenn ihm einige Euhejahre vergönnt wurden. Mit dem Boden zu geizen hatte man bei der geringen Bevölkerungszahl keinen Anlaß; die Wechselwirtschaft brachte das nötige Holz zur Feuerung, zu Bau- und Flechtwerk, zu Zaunanlagen u. dgl. m., das Abbrennen der Baumstümpfe und sonstigen Waldreste hob die Fruchtbarkeit des jungfräulichen Bodens, genug, es lagen ausreichende Gründe vor, um die Wirtschaftsart der Väter wenigstens in modifizierter Form beizubehalten. In einem gewissen periodischen Wechsel wurden also neue Ackerfluren von den Gemeinden in Besitz genommen, während die alte Flur in die Wildnis zurückkehrte, um erst nach langen Jahren, vielleicht aber 10

Vgl. besonders HANSSEN, Zur Geschichte der Feldsysteme in Deutschland [Agrarhistor. Abh. I. 123 ff.). 11

Vgl. HANSSEN, a. a. O. 152 ff.

WAITZ, I. 121.

Dreifelderwirtschaft schon bei Tacitus zu finden.

Die ältere Schule glaubte die

§ 10. Das Grundeigentum.

47

ia

auch nie wieder urbar gemacht zu werden . Manche haben diesen Wechsel der Felder bestritten, indem sie die Worte des Tacitus von einer erstmaligen Besitzergreifung bei der Niederlassung in fremdem Lande verstehen. Aber selbst wenn diese Auslegung den Worten des Tacitus keine Gewalt anthäte und sprachlich überhaupt zu rechtfertigen wäre 13 , so müßte sie schon aus dem Grunde zurückgewiesen werden, weil Tacitus in der Germania nicht die wechselnde Geschichte wandernder Völker, sondern die geordneten Zustände einer fest angesiedelten Nation schildern wollte, also ohne eine Ungereimtheit zu begehen nicht plötzlich von der Gründung neuer germanischer Ansiedelungen reden konnte. Ob die jedesmalige Besitznahme der neuen Ackerflur durch die Gesamtheit der Bauern 14 schlechthin Sache der Dorfgemeinde als Markgenossenschaft war, oder ob eine Überweisung seitens der Hundertschaftsgemeinde vorausgehen mußte, wird von Tacitus nicht angegeben. Die Nachrichten Caesars lassen darüber keinen Zweifel, daß zu seiner Zeit die Hundertschaftsgemeinde das Subjekt des ganzen Wirtschaftsbetriebes, die von ihrem Fürsten als Obermärker geleitete Markgenossenschaft, war 16 . Auch das Mittelalter kennt zahlreiche Reste alter Hundertschaftsmarken, so daß die kleineren Markgenossenschaften erst durch Absplitterungen und Aufteilungen aus der Hundertschaftsmarkgenossenschaft entstanden zu sein scheinen 16 . Jedenfalls haben die einzelnen Hundertschaften überall gleich bei der ersten Niederlassung fest abgegrenzte Marken eingenommen 17 . Was nicht den einzelnen Gemeinden zu zeitweiliger Ackernutzung 12 So erklären sich die sogenannten Hochäcker in den Gebirgen (besonders schön im Rhöngebirge), die weit über die Grenzen des heutigen Kulturlandes hinaus in ihrer Bodenformation die Spuren ehemaliger Ackerbestellung deutlich bewahrt haben, nicht selten noch ganze Gewannlagen mit ihren parallel liegenden Ackerbeeten erkennen lassen. Auch in Wäldern begegnet man häufig Spuren ehemaligen Ackerbaues, die aber zum Teil von sehr viel jüngeren Einöden, namentlich aus der Zeit des 30jährigen Krieges, herrühren. 13 Die Anhänger dieser Ansicht sehen sich, um die Wechselwirtschaft zu be. seitigen, genötigt, die gut beglaubigte Lesart in vices oder invicem entweder einfach zu ignorieren oder durch die Konjektur vicis zu ersetzen; aber ein vicus kann doch kein Land in Besitz nehmen! 14 Daß occupare nur die einmalige dauernde Besitznahme bedeuten könne, ist eine durch nichts gerechtfertigte Behauptung. Ebensogut, wie die von dem einzelnen angelegten Ackerbeete bifang (von dem Einfangen derselben) genannt wurden, konnte Tacitus von einer occupatio der ganzen Ackerflur reden. Vgl. STEINMEYEK und SIEVERS, Glossen I. 286: occupaverunt, pifeangun, pihafton. Vgl. Aum. 21. 15 Bell. Gall. IV. c. 1 handelt von der Kriegs- und Agrarverfassung der centum pagi, VI. c. 22 hebt die agrarischen Aufgaben der Gaufürsten hervor. 16 Hierauf hat besonders THÜDICHUM wiederholt aufmerksam gemacht. 17 Ob dabei Staats- oder Gaueigentum am Volkslande anzunehmen, kann völlig dahingestellt bleiben, da man in der Urzeit an derartige Probleme nicht dachte. Daß aber das Volk nicht berechtigt war, einseitig über die Mark einer Hundertschaft zu verfügen, ergiebt sich aus einem bekannten Vorgange bei den Vandalen, der sagenhaft erscheint, aber der damaligen Rechtsauffassung jedenfalls entsprochen hat. Vgl. PROKOP, Bell. Vandal. I. 22. DAHN, Könige der Germanen I. 224.

Die germanische Urzeit.

48

überwiesen wurde, diente, soweit es nicht als Tempelgut, Malstatt, Grenzschutz, Ringwall oder sonstwie zu öffentlichen Zwecken vorbehalten werden mußte 18, als gemeine Mark oder Almende dem gemeinen Nutzen 19 . Die Art der Verteilung der den Gemeinden überwiesenen und von diesen in Besitz genommenen Ackerfluren 20 läßt sich aus den späteren Zuständen mit ziemlicher Sicherheit feststellen. Man zerlegte das ganze Feld nach Maßgabe der in demselben vorhandenen Bodenverschiedenheiten in eine größere oder geringere Zahl von Yerlosungsbezirken (Kampen, Gewannen) in der Form von Rechtecken, die übrigens sehr verschiedene Größe haben konnten, da jedes Gewann in sich von möglichst gleichartiger Bodenbeschaffenheit sein mußte. Nach der Zahl der Interessenten wurden die einzelnen Gewanne durch Parallellinien in eine gleich große Zahl von Teilstrecken zerlegt. Die Vermessung geschah mit Hilfe eines Meßseils (funiculus, rep, altdän. reeb), dessen sich die Germanen statt der romanischen Meßrute (virga) bedienten. Die Verlosung der Teilstücke erfolgte für sämtliche Gewanne zugleich, so daß jeder Losende in jedem einzelnen Gewann seinen Anteil, und zwar in derselben Reihenfolge wie in allen übrigen Gewannen, erhielt. Sein Los (sors) bestand also aus einer der Zahl der Gewanne entsprechenden Zahl von Ackerbeeten oder „Bifängen", die je nach Lage der Gewanne über das ganze Ackerfeld zerstreut waren und, mit dem Lande der übrigen Gemeindeglieder (Nachbarn) in Gemenglage befindlich, der von der Gemeinde angeordneten Bewirtschaftungsart (Feldgraswirtschaft) und dem entsprechenden Wechsel des Pfluglandes unterlagen. Neben der das Ganze beherrschenden Feldgemeinschaft galt Flurzwang hinsichtlich der Benutzungsart. Die Verlosung der Teilstücke geschah nach dem Stande der Beteiligten (secundum dignationem), indem das Freienlos die Einheit bildete, während Hörige nur ein halbes Los, Adeliche je nach der Wertschätzung ihres Standes (S. 42) eine Mehrheit von Losen, gewöhnlich 18 Über Grenzschutz und Befestigungen vgl. WAITZ, I. 414; Caesar, Bell. Gall. VI. c. 10; über Tempel und Tempelgüter GBIMM, Deutsche Mythologie, 4. Aufl. I. 53—71, III. 32 ff.; K. MAUBEB, Bekehrung des norweg. Stammes II. 205 ff. 214 ff.; v. RICHTHOFEN, Untersuchungen über fries. RG. II. 423 ff. 436 f. 439 ff. 19 Über marka, ahd. marcha, für Grenzzeichen, dann Grenze, Grenzland, abgegrenztes Gebiet, vgl. GBIMM, RA. 4 9 6 ; DWB. Y I . 1633. Über almende, altn. almenning, almenningr, vgl. RA. 4 9 7 f. SCHMELLEB, Bayer. WB. I. 1 6 1 3 (1. Aufl.

II. 588). 20

Es ist anzunehmen, daß dabei stets eine feierliche Grenzbegehung vorgenommen wurde. Vgl. § 11, Anm. 18. ai Uber „Nachbarn" (vicini) als technische Bezeichnung der einer Gemeinde angehörigen Bauern, im Gegensatze zu den Besitzern selbständiger Gutsbezirke, vgl. SCHBÖDEB, Die Franken und ihr Recht 53. GIEBKE, Erbrecht und Vicinenrecht 4 3 6 . Über Mfang vgl. Anm. 1 4 , SCHMELLEB, Bayr. WB. I. 729 (1. Aufl. 5 4 0 f.). Die Ackerbeete wurden zuweilen auch nach dem Meßseil rt:p, seil, funiculus genannt. Vgl. STEINMEYEB und SIEVEBS I. 1 4 8 f.: funiculum, territurium, raiffa, reifa, lant-

marcha.

§ 10. Das Grundeigentum.

49

22

wphl ein doppeltes Los, erhielten . Unfreie n a h m e n an der Verlosung nicht t e i l ; was sie an Grund und Boden erhalten sollten, mußte ihnen von ihrem Herrn und aus dessen Mitteln überwiesen werden. Dasselbe m u ß bei den Freigelassenen der geringeren Ordnung der Fall gewesen sein. Im übrigen bezog sich die Ackerverlosung nicht auf die Personen, sondern auf die Haushaltungen 2 3 . Söhne, die noch auf der Hofwehre des Vaters lebten, blieben unberücksichtigt, auch wenn sie längst in Thing und Heer als Vollgenossen aufgenommen waren; der Markgenossenschaft gehörten sie erst an, wenn sie einen eigenen Hof besaßen 2 4 . Die Errichtung neuer Höfe konnte nur mit Genehmigung der Markgenossenschaft erfolgen. Bei dem Überfluß an Boden war dieselbe wohl immer leicht zu erreichen 2 6 . W o dies nicht der Fall war, blieb den erwachsenen Söhnen, die in der Heimat keinen Hof erwerben konnten, nur die Auswanderung ü b r i g 2 6 . Daß die Könige und Fürsten an den Ackerverlosungen teilgenommen haben sollten, ist nicht eben wahrscheinlich. Für diese wird es von jeher geschlossene Edelgüter gegeben haben, die zunächst als Ausstattung des A m t e s galten, allmählich aber den Charakter erblichen Geschlechtsbesitzes annahmen27. 22 Dem Kloster Herford wurden im Jahr 858 von Ludwig dem Deutschen zwei westfälische Fronhöfe geschenkt, nec non et mansos 30 pertinentes ad loca praenominata — — cum familiis 60, quae lingua eorwrn lazi dicuntur. Wilmans, Königsurkunden I. Also 60 Latenfamilien auf 30 Hufen, d. h. jede auf einer halben Hufe. Vgl. Waitz, I. 198, der aber erst späteren Ursprung dieser Grundbesitzabstufungen annimmt, obwohl er I. 127 auf den Zusammenhang zwischen Grundbesitz und Wergeid aufmerksam macht. 2;! Dadurch ist wahrscheinlich der Gehrauch der Hausmarken (auch Handgemal, altn. hölmmrke, bomarke) aufgekommen. Vgl. § 3 Anm. 11. Homeyer, Über die Heimat nach altdeutschem Recht (Abh. d. Berlin. Akad. 1852) 85 ff. In manchen Gehöferschaften hat sich die Verlosung nach Höfen in durchaus altertümlicher Form erhalten. Von den später üblichen Bezeichnungen für das Einheitsmaß des Grundbesitzes sind die meisten von dem Begriffe „Wohnung" abgeleitet: mawM von manere, wohnen (vgl. mansio, frz. maison); ags. Mde, hyde, von hydan, bergen; altn. Ml mit bu, schwed. dän. ho, Wohnung, zusammenhängend. Die Erklärung des Wortes Hufe ß,mba, hova) ist unsicher; mit Hof hängt es nicht zusammen. 24 Die Ansicht, daß nur die Grundbesitzer politische Rechte ausgeübt und im Heere einen besonderen Körper gebildet hätten, ist durch nichts beglaubigt, durch Tacitus c. 13 positiv widerlegt. 25 Nicht selten sind auf diese Weise neue Tochterdörfer entstanden. 28 Aus dem durch Übervölkerung entstandenen Mangel an dem erforderlichen Grund und Boden erklären sich nicht bloß die Unternehmungen einzelner sogenannter Heerkönige, sondern ganze Völkerzüge, zum Teil die Völkerwanderung selbst. 27 Vielleicht erklärt sich der angelsächsische ¿Sei, der friesische ethel, das altnordische odal auf diese Weise. Über den sprachlichen Zusammenhang vgl. S. 42. Auch die fränkischen Salgüter könnten auf diese Weise bis in die Urzeit zurückreichen. Möglich ist aber auch, daß alle diese Herrengüter erst der späteren königlichen Gewalt ihre Entstehung verdanken. Der Bataverfürst Civilis besaß eigene agros villasque (Tacitus, Hist. V. c. 23), aber freilich in einem unter römischer Oberhoheit stehenden Gebiete. R. Schböseb, Deutsche Rechtsfreschicbte. 4

50

Die germanische Urzeit.

Wo die Bodenverhältnisse oder die Ansiedelungsmethode der Vorbesitzer die Niederlassung in Dorfschaften verhinderten, muß mit dem Einzelhofsystem schon früh das Privateigentum am Ackerlande zur Anerkennung gelangt sein. Im einzelnen entzieht sich die Entwickelung, die hier stattgefunden hat, jeder genaueren Einsicht; daß sich aber auch hier erst ein Übergang vom Gesamteigentum zum Privateigentum vollzogen hat, zeigt sich an dem Wald- und Weidelande, das in den Bauerschaftsgemeinden mit Einzelhöfen ebenso wie anderwärts als gemeine Mark behandelt wurde. § 11. Das P r i v a t r e c h t 1 . Der rohe Zustand der arischen Zeit, welcher alle privatrechtliche Herrschaft in dem Begriffe der „Hand" zusammenfaßte 2 und zwischen der Gewalt über freie Hausangehörige, über Sklaven und Sachen keinen prinzipiellen Unterschied machte, ragt gleich dem alten Geschlechterstaat (S. 14) mit vereinzelten Resten noch in unsere Periode hinein 3 . Im allgemeinen wurde aber bereits scharf und bewußt unterschieden: die Herrschaft über Sachen und Sklaven kam bei den Westgermanen in der mit dem Handschuh bekleideten oder „gewerten" Hand (manus vestita)*, die Herrschaft über freie Personen in der mit dem Ger (framea) bewehrten „Munt" zum Ausdruck 6 . Für den Sacheigentümer fehlte es an einer substantivischen Bezeichnung; frauja, heriro, h&rro galten nur von dem dominus servi a . Der Träger der Munt hieß muntporo

(momper),

muntwalt

(mundoaldus),

foramunto,

als I n h a b e r

des

Gers auch ffSrhabe7, sein Schutzbefohlener mundling8. Die sachenrechtliche 1

In der bisherigen Litteratur fehlt es an einer Darstellung des Privatrechts der germanischen Urzeit. Zu vergleichen sind die S. 3 f. angeführten Werke von HEUSLER (Institutionen), STOBBE (Handbuch), VIOLLET (Precis), sowie die Geschichte des Privatrechts bei B R U N N E B , Gesch. u. Quellen des deutschen Rechts (s. S. 3) S. 245—263, und in den Lehrbüchern von SCHULTE, SIEGEL und W A L T E E . P E R T I L E , Storia del diritto italiano III. IY. 2 Vgl. HEUSLEE, Institutionen I . 95 ff. Für das altrömische Recht zeugen Ausdrücke wie mancipium, mancipatio, manumissio, uxor in manu. Über den neueren deutschen Sprachgebrauch vgl. GRIMM, DWB. IV. 2. 351 f. 3 Vgl. Anm. 72—74. 4 Vgl. H E U S I E B , a. a. 0 . I. 86 ff., II. 68. 72. Ob der Handschuh in diesem Sinne auch den Ostgermanen bekannt gewesen, ist zweifelhaft. 5 Über ahd. munt (fem., masc.), altn. ags. mund (fem.), lat. mundium, vgl. GBIMM, RA. 4 4 7 f.; H E U S L E R , I . 9 5 f.; K R A U T , Vormundschaft I . 1 ff.; DIEFENBACH, WB. d. goth. Sprache II. 86f. Das Wort bedeutet ursprünglich die Hand, wird aber in juristischen Beziehungen immer nur von der Schutzhand über Personen, nie von der Gewalthand über Sachen und Sklaven gebraucht. Die spätere Zeit vermischte die Symbole. So übernimmt in einer schwäbischen Trauungsformel des 12. Jahrh. der Bräutigam unter Überreichung eines Handschuhes den rehten munt, den gewerten munt, den gewaltigen munt über seine Frau. 6

Vgl.

GRIMM, R A .

491.

' Vgl. ebd. 4 6 5 f. KRAUT, a. a. 0 . I . 2 f. Eine ahd. Glosse übersetzt patroni mit mundpurtin, mvndportun (STEINMEYER und SIEVERS, I I . 3 0 2 ) . Über gerhabe vgl. SCHMELLKR, Bayer. W B . 2 . ( 1 . ) Aufl. I . 9 3 0 . ( I I . 6 1 ) ; HALTAUS, Glossarium 6 6 4 . 8

Vgl.

GRIMM, R A .

311.

§11.

Das Privatrecht.

51

Hand bedeutete ein Gewaltverhältnis; die personenrechtliche „Munt" bedeutete in erster Reihe Schutz und Vertretung 9 . Alle Rechtsgeschäfte vollzogen sich „mit Hand und Mund", indem die erforderliche symbolische Handlung durch den sie begleitenden Ausspruch formelhafter Worte den entsprechenden Rechtsinhalt empfing. Die rechtsgeschäftliche Form des Sachenrechts bestand, wenigstens bei den Westgermanen, in der Übergabe des Handschuhes, damit ihn der Empfänger anziehe (daher investilura, gewere)10. Die rechtsgeschäftliche Form des Personenrechts war die Übergabe oder das Zuwerfen einer Waffe, zumal der zu Wurf und Stoß gleichmäßig geeigneten altgermanischen Framea oder des G-eres (gairethinx)11. Durch Waffenreichung wurde der Mündling aus der Munt entlassen, durch Waffenreichung vollzog sich die Freilassung zu vollem Recht 12 . Wurde jemand einer fremden Gewalt übergeben, so diente die Waffenreichung als Zeichen, daß er nicht der Gewalt eines Herrn, sondern der Munt eines Gerhäben unterworfen sein sollte; so bei der Eheschließung, bei Adoption und Kommendation 13 . In der Form hat die Waffenreichung allmählich manche Abwandlungen erfahren, deren wichtigste darin bestand, daß, in Übereinstimmung mit einer auch bei anderen arischen Nationen bezeugten Entwicklung 1 4 , der Ger vielfach durch einen Stab (festuca, fiistis) oder Halm (festuca, stipula) ersetzt wurde 15 , so daß Stabreichung und Halmwurf (festucatio) dem 9 Darüber läßt das Symbol der Waffe keinen Zweifel. Die entgegenstehende Auffassung von HEUSLER, I . 1 0 3 — 1 4 4 , beruht hauptsächlich auf der Hereinziehung des erst der folgenden Periode angehörigen privaten Hörigkeitsverhältnisses. Vgl. oben S. 3 9 f. Gegen HEUSLER vgl. WAITZ , Über die Bedeutung des Mundium im deutschen Recht, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1886, S. 375 ff. 10 Vgl. HEDSLEE, II. 6 8 ; GRIMM, RA. 1 5 2 f . ; Du CANGE, Glossarium s. v. chirothecae, investitura. Über ahd. werjan (goth. vasjari), d. i. vestire, und giweri (mhd. gewere), investitura, vgl. GRIMM, RA. 5 5 5 f. STEINMEYER U. SIEVERS, Althochdeutsche Glossen, I. 294: vestivit, i. e. kiuuerita. Statt des Handschuhes (wanto, schwed. vante, frz. gant) diente vielfach der rätselhafte andelang oder wandelang, den man nach dem Vorgange von MICHELSEN, Über die festuca notata ( 1 8 5 6 ) , S . 2 7 f., mit frz. gantelet, Fechtbinde, kleinerer Handschuh, in Verbindung bringt. Vgl. GRIMM, RA. 1 9 6 ff. 5 5 8 ; DWB. I. 3 0 4 . Du CANGE S. V. andelangus. 11 Vgl. SCHRÖDER, Gairethinx, i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 53 ff. Das Wort bezeichnet zunächst allgemein eine Rechtshandlung mit dem Ger. Während dieser bei den Westgermanen in der Regel übergeben wurde, war es bei den Nordgermanen, in Anknüpfung an das väpnatak (S. 18), üblich, den von der einen Seite entgegengestreckten Ger von der anderen Seite nur mit dem Ger oder der Hand zu berühren, also ein manu firmare, wie später bei der Ausstellung von Urkunden. Vgl. die sogen. Leges Edwardi Confessoris, c. 30 (SCHMIE, Gesetze der Angelsachsen, 2. Aufl. 508); v. AMIRA, Altnord. Obligationenrecht I. 273 f. 514 f. 520, Anm. 5. Über die Anwendung des Gairethinx im öffentlichen Rechte vgl. § 5 Anm. 16, § 31 Anm. 37. 12 13 Vgl. S. 38. Vgl. Anm. 40, 82—85, 91, 109 und oben S. 27. 14 So bei den Römern, Kelten, Indern. Vgl. GRIMM, RA. 128 ff. KOHLER i. d. Zeitschr. f. vergleich. RW. VI. 200. 15 Es ist das Verdienst von THE VENIN, Contributions ä L'histoire du droit germanique (Abdruck aus der Nouv. Revue hist. de droit, 1879, 1880) 43 ff., zuerst auf

4*

Die germanische Urzeit.

52

Gairethinx als gleichwertige Formalakte zur Seite traten16. — Landüber. tragungen wurden, einem gemeinsamen Gebrauche der arischen Völker entsprechend, auf dem zu tradierenden Grundstücke selbst durch Übergabe einer Handvoll Erde oder einer ganzen Erdscholle (herba, chrenecruda, Rasen und Zweig, mit torf unde twige) vollzogen. Dies geschah in der Rege] so, daß die Erde, und zwar bei den Westgermanen unter Beifügung der oben erwähnten Investitursymbole (Handschuh oder andelang) dem Erwerber in den Schoß geworfen wurde17. Daher bezeichnete man den Akt als Schoßwurf (mlat. scotatio, mnd. schötinge, vorschötinge,

altn. skey-

ting, altschwed. skötning). An denselben schloß sich eine gemeinschaftliche Begehung der Grenzen (altn. umfarp)18 und die feierliche Besitzräumung (exitus) seitens des Veräußerers an19. Solange es noch kein Privateigentum an Grund und Boden gab, konnten derartige Investiturakte nur bei Landabtretungen von Staats

den Zusammenhang zwischen festuca und framea hingewiesen zu haben, doch geht er darin zu weit, daß er in jedem Stabe eine Waffe sieht (vgl. Anm. 19). Vgl. auch EBBENBERG, i. d . Z e i t s c h r . f. E G . X Y I . 231.

KOHLE», a. a . 0 . V . 4 2 9 f.

Die Ver-

mutung von HEUSLER, I. 76 ff., daß die festuca ursprünglich ein Runenstäbchen (festuca notata.) gewesen und demnach als die älteste Form der Geschäftsurkunde zu betrachten, der Halm aber erst durch mißverständliche Übersetzung von stipula und stipulatio in Gebrauch gekommen sei, ist schon an sich und ebenso den Quellen gegenüber unhaltbar. Gerade zum Zuwerfen oder Schießen waren Rohr- und dickere Strohhalme, die schon in Knoten geschossen waren (festucae nodataej, und andere nahm man nicht, vortrefflich geeignet. Vgl. HOMEYEB, Haus- u. Hofmarken 234 f. 18

V g l . GRIMM, R A . 1 2 1 — 1 3 0 . 133.

NOOBDEWIEB, N e d e r d u i t s c h e

regtsoudheden

30—32. Du CANGE, Glossarium s. v. calamtis, festuca. HALTAUS, Glossarium 782 f. 1712 ff. ESMEIN, Études sur les contrats dang le très ancien droit français 69 FF. Rechtlich war es ganz gleich, ob die festuca aus einem Halm oder einem Stabe bestand, doch war es natürlich, daß man sich vorzugsweise eines Stabes bediente, wo die festuca bloß gehalten, entgegengestreckt oder überreicht wurde, dagegen eines Halmes, wo es sich darum handelte, die festuca dem Partner in die Rockfalten oder in den Schoß zu werfen (laisus, daher laesowerpire). Vgl. MÖLLENHOFF bei WAITZ, Das alte Recht der sal. Pranken 287. STEINMEYER u. SIEVEBS, II. 142: sub stipulatione, halmuurf. Daher mlat. werpire (altfrz. guerpir) und mhd. verschiezen für aufgeben, verzichten. Vgl. Du GANGE S. V. guerpire. HALTAUS 1884 f. Über den Gebrauch von festuca und Handschuh als wadia vgl. S. 58. 17

Vgl. § 9 Anm.

23;

GRIMM, R A . 1 1 0 — 1 1 7 . 120.

HEUSLEB, I n s t i t u t i o n e n

H.

67 f. SOHM, Zur Geschichte der Auflassung (i. d. Festgabe der Straßburger rechtsu. staatsw. Fakultät für THÖL, 1879) 86 ff. BRUNNER, RG. der röm. u. germ. Urkunde 264 f. 274. 276. BEWER, Sala traditio vestitura (1880) 40 f. Du CANGE, Glossar, s. v. investitura. Über das schwedische Recht vgl. v. AMIRA, Altn. Obligationenrecht I. 513, für das norwegische K. LEHMANN, i. d. Zeitschr. f. RG. XVIII. 93 ff., für das dänische Zeitschr. f. RG. XX. 59, Anm. 1. 18 Vgl. HEUSLEB, Institutionen II. 68; Gewere 9. STOBBE, Auflassung 159. v . AMIRA, a . a . 0 . 5 1 4 . 19

LEHMANN, a. a. 0 . 108. 113.

Vgl. BRÜNNEB, a. a. 0. 274. Der Stab, den der besitzräumende Totschläger nach L. Sal. 58 in der Hand trägt, ist von GBIMM, RA. 134, mit Recht als ein Symbol der Landflüchtigkeit erklärt worden. Der Deutung von THÉ VENIN, a. a. 0 . 48 f., der in dem Stabe eine Waffe sieht, kann man unmöglich zustimmen.

§11.

Das Privatrecht.

53

20

wegen vorkommen , erst seit der taciteischen Zeit waren auch private Immobiliarveräußerungen möglich. Dieselben galten als Familienangelegenheit, da Haus und Hof ein Gesamteigentum der Hausgenossenschaft bildeten und nur unter Mitwirkung aller mündigen Hausgenossen veräußert werden konnten 21 . Übertragungen an Fremde (d. h. Ungenossen, Ausmärker), wenn diese nicht durch einstimmigen Gemeindebeschluß aufgenommen waren, unterlagen dem Widerspruch jedes einzelnen Markgenossen 22 . Zwischen dem (obligatorischen) Yeräußerungsgeschäft und dem (dinglichen) Übertragungsakte wurde nicht unterschieden, beide Geschäfte bildeten einen einheitlichen, untrennbaren Rechtsakt, die sala23. Das germanische Vertragsrecht wurde von zwei Grundgedanken beherrscht, die dem ersten Entwickelungsstadium jedes Rechtes entsprechen. Ein Naturvolk kennt keine Liberalitäten: es giebt nur entgeltliche Verträge. Der erste Rechtsschutz beschränkt sich auf die Wahrung des Bestehenden: es giebt nur Barverträge. Der Normalvertrag des deutschen Rechts war der Tausch oder Kauf 2 4 . Verträge über unentgeltliche Leistungen des einen Kontrahenten waren ungültig; wo eine materiell entsprechende Gegenleistung fehlte, mußte wenigstens eine formell entsprechende, wenn auch noch so geringe Gegenleistung {arrha, launegild, d. h. Lohngeld, Handgeld, Haftgeld, Angeld, Treupfennig) erfolgen, jede Leistung mußte durch eine Gegenleistung erkauft werden 25 . 20

Vgl. § 9 Anm. 23.

21

Vgl.

HEUSLEE, I n s t i t u t i o n e n

I.

2 2 7 f.

K.

MAUREE, I s l a n d

3 3 1 f.

v.

AMIRA,

Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung 57 f. 211 ff. 22 Vgl. § 28. 23 Von goth. saljan, altn. selja, ags. sellan, d. i. tradere. 24 Althochdeutsche Glossen (STEINMEYER U. SIEVERS, II. 130. 192. 280) übersetzen negotium, merces, foenus mit chouf, mercede ist mid thema copa (588), gratis ist ungichouftaz (273). Über die allgemeinere Bedeutung der Wörter „Kauf" und „kaufen", namentlich über Kauf = Tausch, vgl. GRIMM, RA. 601; DWB. V. 315. 317. 325 f. 328 ff. AMIRA, Altn. Obligationenrecht I. 541 f. 25 So schon Tacitus, Germania c. 21: Abeunti, si quid poposcerit, concedere moris\ et poscendi invicem eadem facilitas, gaudent rnunerïbus, sed nec data imputant, nec acceptis obligantur. Vgl. HEUSLER, I. 80 ff. VAL DE LIÈVRE, Launegild und Wadia, 1877; Revision der Launegildstheorie, i. d. Zeitschr. f. RG. XVII. 15—54. PAPPENHEIM, Launegild und Garethinx 1—27. STOBBE, Reurecht und Vertragsschluß (zuerst 1876 als Leipziger Dekanatsprogramm erschienen, hier citiert nach dem Abdruck in der Zeitschr. f. RG. XIII.) 243 ff. SOHM, Recht der Eheschließung 28 ff. ESMEIN, Etudes 13 ff., 24 f. v. AMIRA, Altnord. Obligationenrecht I. 333 f. 506 ff. BRUNNER i. d. Zeitschr. f. Handelsrecht XXII. 546, Anm. 2. EHRENBERG, Kommendation und Huldigung 69. PERTILE, Storia del diritto italiano IV. 541 ff. KOHLER, Beitr. z. germ. Privatrechtsgeschichte 3 f. IHERING, Der Zweck im Recht I. 276 ff. Vortrefflich hat GOETHE in den Wanderjahren, II, Kap. 4 (Sämmtl. Werke XVIII. 32) das Wesen des Treupfennigs charakterisiert. In der Novelle „Der Mann von fünfzig Jahren" läßt er die schöne Witwe zu dem Major sagen: „Dichter und Liebhaber sind längst schon leider im Ruf, daß ihren Versprechen und Zusagen nicht viel zu trauen sei; verzeihen Sie daher, wenn ich das Wort eines Ehrenmannes in Zweifel zu ziehen

Die germanische Urzeit.

54

Das Haftgeld konnte auch in der Form eines Imbisses, den man dem Vertragsgegner und den Zeugen vorsetzte, geleistet werden; das war der Weinkauf, von dem ursprünglich allein gebräuchlichen Obstwein (Iii) auch litkouf genannt 26 . Leistung und Gegenleistung mußten, wie bei der sala, Zug um Zug geschehen, es fand nur ein gegenseitiger Austausch von Werten statt. Was auf diese Weise zustande kam, erfreute sich rechtlichen Schutzes. Dagegen gab es keine Klage auf Erfüllung, keinen privatrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder verspäteter oder mangelhafter Erfüllung, keinen Eviktionsanspruch. Das Recht kannte nur Barverträge, keine Schuldverträge 27 . Die weitere Entwickelung des deutschen Yertragsrechts ist vom Pfandrecht ausgegangen. Der Schuldner konnte durch Bestellung eines Pfandes seinen Willen „binden", in diesem Sinne also eine „Verbindlichkeit" auf sich nehmen. Die gemeingermanische Bezeichnung für das vom Schuldner bestellte Pfand war „Wette" (goth. vadi, altn. veä, ags. ved, ahd. ireili, m l a t . wadia,

wadium,

frz. gage, ital. span. gaggio,

engl, wed, wage), von

goth. vidan, d. i. binden 28 . Die älteste Form des Pfandvertrages bewegte sich auf dem Boden des Strafgedinges; sie bezweckte nicht die Befriedigung des Gläubigers, sondern die Bestrafung des säumigen Schuldners durch Verfall des Pfandes 29 . Es ist charakteristisch, daß sich das Wort „Wette", nachdem es alle im Laufe der Zeit angenommenen weiteren Bedeutungen abgestreift, bis auf den heutigen Tag gerade in diesem Sinne, und nur in diesem, erhalten hat, der Wetteinsatz verfällt, um den Wettschuldner für die Unrichtigkeit seiner Behauptung zu strafen 80 . Bei der unbegrenzt dispositiven Natur des altgermanischen Rechtes konnte der Schuldner Leib und Leben, Freiheit und Ehre verpfänden, indem er den Gläubiger ermächtigte, ihm wage und deshalb ein Pfand, einen Treupfennig, nicht verlange, sondern gebe. Nehmen Sie diese Brieftasche." 26 Vgl. GRIMM, EA. 191. STOBBE, Reurecht und Vertragsschluß 231 ff.; Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts 50 ff. SOHM, a. a. 0. 54. Der Imbiß wurde als „Kauf" bezeichnet, weil mit ihm die Gegenleistung erkauft wurde. Über das Halten des Freilassungsbieres im altnordischen Recht vgl. § 9 Anm. 10. 27 Vgl. EHRENBERG, Kommendation u. Huldigung 91. FRANKEN, Das französ. Pfandrecht im Mittelalter 213. HEUSLEB, II. 230. Der Spielvertrag, dem die Germanen bekanntlich im Übermaß ergeben waren (Tacitus, Germ. c. 24. v. AMIBA, a. a. 0. I. 231 ff.), ist bis auf den heutigen Tag reiner Barvertrag geblieben. Dasselbe gilt zum Teil von der Wette. 28 Vgl. D I E Z , WB. d. roman. Sprachen I. s. v. gaggio. v. A M I R A , Altn. Obligationenrecht I. 1 9 3 Anm. 1. GRIMM, RA. 6 0 1 . Im Bairischen und Schwäbischen heiit „wetten" noch heute „binden", „ins Joch spannen"; engl, med ist „heiraten", „verheiraten", „verbinden". Vgl. Anm. 108. 29 Vgl. v. MEIBOM, Das deutsche Pfandrecht 256. K. MAURER i. d. Krit. Vierteljahrsschrift XV. 245 f. 30 So erklärt sich auch der mittelalterliche Sprachgebrauch, der Wette, Gewette in dem Sinne von Geldstrafe verwendet. Vgl. § 13, Anm. 33.

§ 11.

Das Privatrecht.

55

im Falle der Säumnis das Leben zu nehmen, ihn zu verstümmeln, in Knechtschaft abzuführen, ihm die Ehre zu rauben 31 . Die Vollstreckung eines derartigen Strafgedinges war das gute Recht des Gläubigers, in welchem ihn niemand beirren durfte. In derselben Weise konnte der Hausvater die Freiheit von Weib und Kindern verpfänden32. Es war schon eine erhebliche Milderung, wenn der Gläubiger sich mit einem Sachpfande des Schuldners begnügte 33 , oder wenn ihm von diesem das Recht eingeräumt wurde, ihn zur Strafe seiner Säumnis zu pfänden 34 . Der spätere Formalvertrag (fides facta) oder Wettvertrag (wadiatio) ist aus prozessualischen Kautionen hervorgegangen 36 . Schon bei den gerichtlich festgestellten Sühnegeldern in Straffällen (s. § 12, zu Anm. 28) wird eine Zahlungsstundung gegen Sicherheitsleistung seitens des Beklagten nur selten zu umgehen gewesen sein. Von besonderer Bedeutung war aber die cautio iudicatum solvi, die der Kläger von dem zu eidlicher Reinigung verurteilten Beklagten zu fordern hatte. Die Sicherstellung wurde verlangt, weil der Eid regelmäßig erst in einem späteren Termine abzuleisten war; sie wurde dem Beklagten vom Kläger abverlangt, weil der Beklagte nach germanischer Auffassung nicht dem Gericht, sondern dem Kläger den Eid schuldete. Die Sicherstellung bezog sich im nordgermanischen Prozeß, der das einfache Beweisurteil hatte, ausschließlich auf den Eid, 31 Vgl. HEUSLER. I. 103 f. K O H L E R , Shakespeare 20—35. 53 ff. 59 ff. GRIMM, RA. 612 ff. K. MAURER, Die Schuldknechtschaft nach altnord. Recht (Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1874). v. AMIRA, Altn. Obi. R. I. 690. BUDDE, Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit, Echtlosigkeit, 99. Der berühmte Bericht des Tacitus, Germ. c. 24, über

das Verspielen der Freiheit (extremo ac novissimo iaetu de libertate ac de corpore

contendunt; victus volunlariam servitutem adit, — — alligari se ac venire patitwr) ist wohl von einem Verpfänden der Freiheit in dem im Text entwickelten Sinne zu verstehen.

V g l . HEUSLER, I I . 234 A n m . 7.

32

Vgl. Anm. 73.

33

V g l . v . MEIBOM, a . a . 0 . 2 4 8

34

ff.

R . LÖNINO, V e r t r a g s b r u c h

7 3 f.

Bezeugt ist die Konventionalpfändung unter den Volksrechten nur von dem der Langobarden, vgl. WACH, Ital. Arrestprozeß § 2. Daß sie schon in der Urzeit zulässig gewesen sein muß, ist zweifellos. 35 Die Entdeckung des deutschen Vertragsformalismus ist eins der wichtigsten Ergebnisse der neueren germanistischen Wissenschaft. Vgl. SOHM, Prozeß der Lex Salica 18 ff., 164 ff.; Recht der Eheschließung 34—47. STOBBE, Reurecht und Vertragsabschluß (s. Anm. 25) 217 ff. Weitere Aufklärungen, teils nach der dogmatischen, teils nach der historischen Seite bei BRUNNER, i. d. Zeitschr. f. Handelsrecht XXII. 510ff., 552ff.; FRANKEN, Das franz. Pfandrecht I. 43ff, 210ff., 261 ff.; HEUSLER, Institutionen I. 79, 85f., II. 229—242; Gewere 21f.; LÖNING, Vertragsbruch § § 2 — 8 ; THÉVENIN (in der Anm. 15 angeführten Schrift). Die beiden letzteren gehen aber in ihrer Gegnerschaft gegen den Formalvertrag viel zu weit. Allerdings gehört derselbe, soweit er Wettvertrag ist, erst einer späteren Entwickelungsstufe an, aber dass die fides facta den historischen Ausgangspunkt gebildet h a t , läßt sich nicht bezweifeln. Von der zahlreichen Litteratur ist noch anzuführen: EHRENBERG, i. d. Zeitschr. f. RG. XVI. 228 ff. ESMEIN, Etudes sur les contrats 69 ff. LAUGHLIN, i. d. Essays in anglo-saxon law 189 ff. PERTILE, a. a. 0 . IV. 445 ff. SIEGEL, Geschichte des deutsch. Gerichtsverfahrens 35 ff., 223. VAL DE LIÈVRE, Launegild und Wadia 96 ff. VIOLLET, Précis historique 505 ff. WACH, Ital. Arrestprozeß 4 Anm. 4. 10 ff.

56

Die germanische Urzeit.

sie war reine Eidesbürgschaft; bei den Westgermanen dagegen, bei denen das Beweisurteil, wenigstens später, in der Form eines bedingten Endurteils gefällt wurde, auf Reinigung oder Zahlung, die fides facta war ein vollkommenes Urteilserfüllungsgelöbnis 36 . Die Sicherstellung erfolgte ausschließlich durch Bürgen, deren Zahl wohl immer nach der Größe des Eides, d. i. nach der Zahl der Eideshelfer, bemessen wurde. Das germanische Recht der Urzeit kannte nur Leibbürgen, die dem Gegner selbst als Pfand (wadium) übergeben wurden und eventuell, zur Strafe des Vertragsbruches, in Schuldknechtschaft verfielen 37 . Der Bürgschaftsvertrag war also ursprünglich Yergeiselungsvertrag 38 . Über die Form desselben lassen sich zunächst nur Mutmaßungen aufstellen. Die solenne Form für die Yerknechtung eines freien Menschen war Abschneiden der Haare und Anlegung von Fesseln 39 ; zweifellos wurde diese Form auch dann angewendet, wenn ein Bürge verfiel. Dem gegenüber muß es bei dem Yergeiselungsvertrage eine besondere Solennität gegeben haben, durch welche zum Ausdruck gebracht wurde, daß sich der Bürge nicht als Knecht in die Gewere, sondern als Freier unter die Munt des Gläubigers begab. Von vornherein ist es wahrscheinlich, daß diese Solennität wie bei Adoption und Eheschließung in der Waffenreichung bestanden haben wird 10 . Bestätigt wird diese Vermutung zunächst durch die Bezeichnung des Bürgen als „Geisel", d. i. Ger, Gerträger, freier Mann 4 1 . Erst hierdurch wird die Form des prozessualischen Eidesangebotes mit „Holzstab und Bürgen" (trat oktaka) in dem altschwedischen Rechte verständlich 42 . Der Stab fskaft, skapt) vertrat hier wie anderwärts den Ger 43 , die Stabreichung war Waifenreichung. Durchaus in entsprechender 36 Über den Ausdruck fidern faeere vgl. § 5, Anm. 1 2 ; BRUNNER, EG. der Urkunde I. 222, Amm. 9; ESMEIN, a. a. 0. 73. Der Ausdruck kann auch deutschem Sprachgebrauche nachgebildet sein, vgl. „Handtreue thun", „Handtreue geben", bei

HALTAUS, G l o s s a r 8 1 4 ; SCHILLER u . LÜBBEN, M i t t e l u d . W B . I I . 2 0 1 ; LEXER, M i t t e l h d .

WB. II. 1520. Daß der spätere Wettvertrag ursprünglich nur Urteilserfüllungsgelöbnis gewesen ist, wird mit Recht angenommen von HEUSLER, Institutionen II. 230, und BEHREND, Zum Prozeß der Lex Salica (i. d. Festgaben für Heffter, 1873) S. 81 ff. Nach LÖNING und TH£VENIN hätte die fides facta überhaupt immer nur eine gerichtliche Bedeutung gehabt. 37

V g l . HEUSLER, I I . 2 3 2 , 2 5 0 f.

v . AMIRA, O b l i g a t i o n e n r e c h t

I . 6 9 1 f.

GRIM#.

RA. 619f.; DWB. IV. 1. b. 2608—2616. KOHLER, Shakespeare 60; Nachwort zu Shakespeare 9 f. 39 Über den Vergeiselungsvertrag im Gebiete des Völkerrechts vgl. WAITZ, VG. I. 171; Tacitus, Germania c. 8, 20. Lehrreich für die Stellung derartiger Geiseln ist der Waltharius Ekkehards I. aus dem 10. Jahrh. 38 Vgl. Tacitus Germ. c. 24, 31, 39. GRIMM RA. 147, 184, 328. v. AMIRA, Vollstreckungsverfahren 40 41 42

341.

WAITZ, I . 4 2 3 .

Vgl. S. 62 ff., 67 f. Vgl. SCHRÖDER, Gairethinx 55, 57, und die daselbst angeführte Litteratur. V g l . v . AMIRA, O b l i g a t i o n e n r e c h t

Nordgermanen 14. 43 Vgl. S. 51.

I.

2 6 7 f.

K . LEHMANN, K ö n i g s f r i e d e

der

§ 11.

Das Privatrecht.

57

Weise vollzog sich die fides facta bei den F r a n k e n : der Beklagte übergab die festuca an den Kläger u n d dieser händigte sie an den B ü r g e n aus 4 4 . Aber zur Zeit der Volksrechte war der Bürge nicht m e h r Leibbürge, sondern nur noch Vermögensbürge, das Geben u n d N e h m e n der festuca war zu einer bloßen Form geworden, die man auf das Bürgschaftsversprechen und, seit der Ausbildung der Selbstbürgschaft des Schuldners, unmittelbar auf das Schuldversprechen bezog 4 5 . N a c h d e m m a n aufgehört hatte, den B ü r g e n selbst als das wadium zu betrachten, übertrug sich dieser Begriff von selbst auf die festuca, die n u n als Scheinpfand angesehen wurde: der Vergeiselungsvertrag war zu einem Wettvertrage geworden, der durch das Geben u n d N e h m e n der festuca als wadium geschlossen wurde u n d dessen W e s e n in d e m Einlösungsversprechen des Schuldners oder des B ü r g e n beruhte. Mit dieser Verflüchtigung des ursprünglich sehr reell gemeinten Vertrages zu einem reinen Formal vertrage 4 6 w a r die Möglichkeit gegeben, sich desselben auch zu außergerichtlichen Schuldverträgen zu bedienen. Andererseits kam es, seit die festuca zu einem bloßen Scheinpfande 44 Vgl. SOHM, Becht der Eheschließung 38 ff. In derselben Weise erfolgte die Bürgenstellung im bairischen und langobardischen Recht. Vgl. SOHM, 3 9 Anm. 3 5 . VAL T)E LIÈVRE, a. a. 0 . 183 ff. Über die Identität der langobardischen wadia mit

d e r f e s t u c a v g l . VAL DE LIÈVKE 1 2 1 45

ff.

WACH, a. a. O . 4 A n m .

4.

Über die Selbstbürgschaft nach fränkischem und langobardischem Recht vgl. SOHM, a. a. O . 4 1 f. VAL DE LIÈVRE 1 8 6 , 2 4 4 ff. STOBBE, Privatrecht III. 3 0 6 f. BRUNNEB, i. d. Zeitschr. f. Handelsrecht XXII. 102, 513. In der bekannten schwäbischen Trauungsformel des 12. Jahrhunderts empfängt der Bräutigam die sieben als „Wette" gegebenen Handschuhe wieder zurück, er ist selber Bürge seines Versprechens (Anm. 5). 48 Technische Bezeichnung für das formelle Versprechen ist später achramire, adhramire, altfrz. aramir. Diese Bedeutung des Wortes ist aber eine abgeleitete und erst entstanden, nachdem die fides facta ihren ursprünglichen Charakter bereits verloren hatte und zu einem Formalvertrage geworden war. Die ursprüngliche Bedeutung war keine abstrakte, sondern eine sinnliche. Das Wort hängt mit altn. hremma, goth. hramjan zusammen und bedeutet ergreifen, in Besitz nehmen. So noch Lex Salica 37 u. 47 § 1, wo es sich auf die Besitznahme an einer vindizierten Sache während der Dauer des Prozesses bezieht. Vgl. THÉ VENIN, a. a. O. 14 ff., dessen Ausführungen gegen SOHM wir hier durchaus zustimmen müssen. Dieselbe sinnliche Bedeutung hat das Wort, wo von dem Ergreifen der Wadia durch den Bürgen, wadium adhramire, die Rede ist. Entsprechend heißt es Ed. Liutpr. 36 u. 38 wadiam recipere, accipere, und in der schwäbischen Trauungsformel: diu wete elliu diu niemet diu fromce. Später hat das Wort nur noch die abstrakte Bedeutung des formalen Versprechens per festucam, festucam iactante. Eine alth. Glosse zu Ansegis, Capitul. IV. c. 26 übersetzt adhramire demgemäß mit stabôn. Das Wort wird nun auch reflexiv gebraucht: se adhramire für sich durch festuca verpflichten-, selbst: aliquem adhramitum habere für jemanden sich haben verpflichten lassen (vgl. Form. Senon. 1 0 bei ZEUMER, Formulae p. 1 8 9 , DE ROZIÈRE Nr. 456). THÉVENIN hat diesen Übergang vom Sinnlichen zum Abstrakten verkannt, während SOHM die abstrakte Bedeutung schon in den oben angezogenen Stellen der Lex Salica zu finden meinte; beide sind dadurch zu gewaltsamen Interpretationen gedrängt worden. Über die sprachliche Seite vgl. MÜLLENHOFE, bei WAITZ, Recht der salischen Franken 276 f. GRIMM, RA. 123, 844. DIEZ, WB. d. rom. Sprachen II. 3. s. v. aramir. Du CANGE, Glossar, s. v. adramire.

Die germanische Urzeit.

58

geworden war, nicht mehr darauf an, ob gerade ein Stab oder ein Halm gereicht wurde; nur im fränkischen Kechtsgebiete haben diese dauernd den ersten Platz behauptet17, im übrigen kamen bald alle möglichen Gegenstände, namentlich die von der Investitur her gebräuchlichen, Handschuh und Messer, als Wadia in Gebrauch48. Da die Wadia später in den Händen des Gläubigers blieb, bis sie ausgelöst wurde, so machte sich vielfach das Bedürfnis geltend, dieselbe zur Feststellung ihrer Identität mit besonderen Zeichen zu versehen49. Die angegebene Entwickelung des Formalvertrages gehört schon ganz der folgenden Periode an. Die der Urzeit am nächsten stehende Lex Salica (zwischen 486 und 496) kennt wohl nur die prozessualische fides facta, diese aber schon als formalen Schuldvertrag, nicht mehr als Vergeiselungsvertrag. Der Übergang von dem einen zum anderen muß sich also noch gegen das Ende unserer Periode vollzogen haben. Dabei ist die Entwickelung bei den verschiedenen südgermanischen Stämmen im allgemeinen eine gleichartige gewesen 60 , nur bei den Sachsen findet sich statt des Gebens und Nehmens der Wette die eigentümliche Form eines Versprechens mit gekrümmten Fingern, die schon in heidnischer Zeit bezeugt ist und sich in Holstein bis in die letzten Jahrzehnte in Übung erhalten hat 61 . Vielleicht waren die Verhältnisse hier ebenso gestaltet wie im Norden, wo der Stab nicht zur Wadia werden konnte, weil er nicht über47

Vgl. die Anm. 16 angeführte Litteratur und die in meinem Register zu Weistümern S. 883 f. unter halrn und stab verzeichneten Stellen. Eine Glosse bei STEINMEYEH U. SIEVERS I. 632 übersetzt stipulatio mit wette. • 48 Über den Handschuh vgl. u. a. Anm. 45. GBIMM, RA. 154. Das Messer bei der Investitur von Grundstücken bezog sich wohl ursprünglich auf die mit demselben ausgestochene Erdscholle. Vgl. RA. 179. BRÜNNER, RG. d. Urkunde I. 105 f. B I GELOW, Placita Anglo-Normannica 70 f., 150, 172. 49 Vgl. HEUSLER, I . 8 6 . MICHELSEN, Festuca notata 1 4 . BIGELOW, a. a. O . 7 1 . 50 Vgl. Anm. 44. Insbesondere steht die langobardische Wadia in der engsten Beziehung zu Urteilerfüllungsgelöbnis und Bürgschaft. Vgl. V A L DE LIÈVRE 1 3 5 ff., GRIMM'S

165—183. 51

Vgl. GRIMM, RA. 128, 141. Zeitschr. d. Gesellsch. f. Schlesw.-Holst.-Lauenb. Geschichte XII. 191 f. Eine Andeutung enthält schon Karls des Großen Capitulatio de partibus Saxoniae, c. 27 : Si quis homo ßdeiussorem iwvenire non potuerit, res illius in forbanno mittantur, usque dum fideiussorem praesentet. Si vero fideiussor diem statutum non observaberit, tunc ipse tantum damni incurrat, quantum manus sua fideiussoris exstitit. Schon die Unterwerfungserklärung der Sachsen gegenüber Karl dem Großen erfolgte manibus eorum. Vgl. Annal. Lauriss. und Annal. Fuldens. ad annum 777 (Mon. Germ. Scriptores I. 158, 349). Nach dem Bericht des Einhard (s. § 9 Anm. 25) wäre dabei allerdings ein vadium gegeben, worunter aber nach dem Sprachgebrauche des 8. Jahrhunderts auch Rasen und Zweig verstanden werden können. Vgl. S. 52. Daß die ruoda der Lex Saxonum c. 14 eine für den Betrag von 120 Solidi von einem Wergeldsbiirgen genommene festuca sei, will mir nicht in den Sinn. Vgl. meinen Versuch, die Stelle durch Annahme eines Glossems zu erklären, i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 27 f. Dagegen verdient BRUNNERS Erklärung des praemium als Vorsühne (a. a. O. 5 f.) vor der von mir versuchten wohl den Vorzug.

§11.

59

Das Privatrecht.

geben, sondern nur mit der Hand berührt wurde, so daß die Waffenreichung nicht zum "Wettvertrage, wohl aber zum Vertragsschluß durch Handschlag führte 53 . Ob das Eingehen eidlicher Verpflichtungen, das im Gebiete des öffentlichen Rechts und bei den Sühneverträgen im Gebiete des Strafrechts keine unbedeutende Rolle spielte 53 , auch privatrechtliche Wirkung haben konnte, steht dahin 54 . Man darf vermuten, daß dies erst unter kirchlichen Einflüssen geschehen ist, auf die zweifellos auch die Selbstverfluchungen des späteren Urkundenstils, gewissermaßen eine Verpfändung des eigenen Seelenheils im Wege des Strafgedinges, zurückzuführen sind 65 . Die Schadensersatzpflicht bei Beschädigungen war nach germanischem Rechte eine unbedingte; zwischen absichtlicher und unabsichtlicher Beschädigung wurde nicht unterschieden: „Wer Schaden thut, muß Schaden bessern" 56 . Dementsprechend war auch die Haftung des Herrn für Beschädigungen durch seine Haustiere oder Sklaven ursprünglich eine durchaus persönliche; erst in der Zeit der Volksrechte zeigt sich mehr und mehr die Neigung, in allen Fällen, wo den Herrn selbst keine Schuld traf, bloße Sachhaftung eintreten zu lassen 67 . Die gemeingermanische Bezeichnung der Verwandtschaft in ihrer Gesamtheit war „Sippe" 6S . Die vergleichende Rechtswissenschaft hat festgestellt, daß alle Nationen, deren Familienrecht sich bis in seine ersten Anfänge zurückführen läßt, von dem Standpunkte des Mutterrechts aus52

V g l . GRIMM, K A . 1 3 8 .

v . AMIRA, O b l i g a t i o n e n r e c h t I . 290FF.

R e c h t v g l . ANDR. SUNESONS L e x S c a n i a e c. 3 9 , 33 34 55

Für das dänische

140.

Vgl. § 5 Anm. 12. § 12 Anm. 27. Vgl. SOHM, Recht der Eheschließung 47 f. V g l . HEÜSLER,

I . 78.

KOHLER,

Shakespeare 61, 64.

LÖNING,

Vertragsbruch

558 f. BLUHME, Bekräftigungsformeln der Rechtsgeschäfte (Jahrbuch d. gem. deutsch. Rechts III.) 220 f. BRUNNER, RG. d. Urkunde I. 157 f.; Über das Alter der Lex Alamannoium (Sitz.-Ber. d. Berl. Akad., 1885) 220 f. v. AMIRA, Obligationenrecht I. 690. Uber Verwünschungen zur Zeit des Heidentums vgl. LILIENCRON u. MÖLLENHOFF, Zur Runenlehre 22, 62 f. 36

V g l . HEÜSLER, I I .

2 6 2 f.

STOBBE, D e u t s c h . P r i v a t r e c h t

III. 377.

SCHMIDT,

Schadensersatz in den Volksrechten (Untersuch, z. deutsch. Staats- u. Rechtsgesch. her.

v . GIERKE,

XVIII.)

19F.,

3 1 ff.

GRAF

U. DIETHERR,

Deutsche

Rechtssprich-

wörter 276. 57 Vgl. KRAUT, Vormundschaft I. 347 ff. v. MEIBOM, Deutsch. Pfandrecht 198 f. WILDA, Strafr. d. Germanen 588 ff., 652 ff. GRIMM, RA. 664 ff. STOBBE, Privatrecht III. 388, 402 ff. SCHMIDT, a. a. 0 . 43—57. v. AMIRA, Obligationenrecht I. 391 ff.; Zweck und Mittel der german. Rechtsgeschichte 56. 59 Goth. sibja, ags. sib, ahd. sippa, sibba. Wenn das Wort auch „Frieden" bedeutet, so scheint dies doch erst abgeleitet, nicht umgekehrt. Im Nordgermanischen hat sich sifjar nur für Schwägerschaft erhalten. Über die germanische Verwandtschaftsgliederung

v g l . HEÜSLER, I I . 2 7 1

ff.

GRIMM, R A .

467

ff.

K . MAURER,

Island

322 ff. (hauptsächlich gestützt auf FINSEN, Fremstilling af den islandske Familieret, 1849—1850); Die Berechnung der Verwandtschaft nach altnorwegischem Rechte, i. d. Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1877, S. 235—253. v. AMIRA, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung nach den altniederdeutschen Rechten, 1874. BRONNEB, Sippe und Wergeid nach niederdeutschen Rechten, i. d. Zeitschr. f. RG. XVI. 1—87.

60

Die germanische Urzeit.

gegangen sind, welches, entsprechend dem Satze „mater certa pater incertus", nur die durch Weiber vermittelte Verwandtschaft als solche anerkennt 89 . Daß auch das Familienrecht der Germanen in vorhistorischer Zeit auf dem Mutterrecht beruht hat, läßt sich an zahlreichen Spuren, die sich zum Teil bis über die Zeit der Yolksrechte hinaus erhalten haben, deutlich erkennen 60 . Dahin gehört namentlich die bevorzugte Stellung, die der Oheim (avunculus) in der Familie neben dem Vater oder wohl gar vor dem Vater einnahm 65 . Nach den Andeutungen des Tacitus müssen schon zu seiner Zeit große partikularrechtliche Verschiedenheiten bestanden haben; daß das auf die Verwandtschaft durch den Vater gegründete agnatische Prinzip im wesentlichen schon zur Herrschaft gelangt war, ist außer Zweifel 62 ; wahrscheinlich sind es die adelichen Geschlechter gewesen, die dasselbe zuerst zur Anerkennung gebracht haben 63 . Da die Spindel (Spille, Kunkel, fusus) für das weibliche, der Ger (Schwert, Speer, lancea) für das männliche Geschlecht als Wahrzeichen galt 6 4 , so unterschied man die Verwandten von der Spindelseite und die von der Gerseite; dieselben wurden auch wohl unter den Kollektivbegriffen „Spindel" und „Ger" oder „Schwert" zusammengefaßt. Die technische Bezeichnung für den einzelnen Verwandten ist nordgermanisch und ursprünglich wohl gemeingermanisch „Freund" (framdi), westgermanisch „Mage" 65 . Geroder Schwertmagen waren die Verwandten des Mannsstammes, also die Vatermagen, regelmäßig aber nur die Vatermagen männlichen Geschlechts; Spill- oder Kunkelmagen waren, nach Überwindung des Mutterrechts und des diesem eigentümlichen Begriffes der Muttermagen, alle Verwandten von der Weiberseite, ohne Rücksicht auf das Geschlecht, und die Vatermagen weiblichen Geschlechts66. 59

Vgl. BACHOFEN, Das Mutterrecht 1861. DARGUN, Mutterrecht und Raubehe und ihre Reste im germanischen Recht und Lehen (Untersuchungen z. deutsch. Staats- u. Rechtsgeschichte, her. von GIERKE XVI.) 1883. KOHLER, i. d. Zeitschr. f. vergl. RW. III. 393ff. V. 407ff.; Das Recht als Kulturerscheinung 7—17; Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 223 f. 60 Vgl. DARGUN, a. a. 0 . 21—72, und i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 121 Anm. 61 Tacitus, Germania c. 20. Vgl. WAITZ, I. 67 ff. 62 Dies ergiebt sich aus dem Eheschließungsrecht, der Adoption, dem Erbrecht. 83 Adel ist nur denkbar unter der Herrschaft des Vaterrechts. Vgl. Tacitus Annal. XI. c. 16 vom Italicus: patemum kuic genus e Flavo, fratre Arminii, mater ex Actumero, principe Chattorum. Italicus wird nicht als Chatte, sondern als Mitglied der stirps regia der Cherusker betrachtet. Es wird die Frage aufgeworfen (c. 17): an dignum se palruo Arminia, avo Actumero praeberet. 84 Eine ahd. Glosse (STEINMEYER U. SIEVERS II. 403, 414) übersetzt fusus einmal mit spinnila, sodann mit quemana (d. i. Weib). Vgl. SCHRÖDER, Uber die Bezeichnung der Spindelmagen, i. d. Zeitschr. f. RG. XVII. lff. GRIMM, RA. 163, 171. WEINHOLD, Deutsche Frauen I. 177. WACKERNAGEL, Familienrecht u. Familienleben der Germanen (Kleinere Schriften I.) 22. v. AMIRA, Erbenfolge 78. 65 Bei den Ostgermanen nur auf die Schwägerschaft angewendet. 66 Vgl. ROSIN, Der Begriff der Schwertmagen, 1877, und meinen Anm. 64 angeführten Aufsatz S. 3 ff.

§ 11.

Das Privatrecht.

61

Die Verwandtschaft zerfiel in den engeren Kreis des Hauses oder der Familie, der die Eltern mit ihren (noch im Hause weilenden oder bereits abgesonderten) Kindern sowie die Geschwister untereinander umfaßte, und den weiteren Kreis der Magschaft oder Sippe 67 . Indeni man sich die Verwandtschaftsgliederung nach dem Bilde des menschlichen Körpers vorstellte, wies man der Familie ihren Platz in dem Rumpfe an und ließ die Magschaft mit dem Knie beginnen und mit dem letzten Gliede des Fußes endigen, so daß sich als äußerste Grenze der Sippe das vierte oder fünfte Glied oder Knie, d. h. die vierte oder fünfte Generation, ergab 68 . Die Familie bezeichnete man als den Schoß oder Busen (ags. fddm, altn. fadmr)69. Die Aufnahme in die Familie im Wege der Legitimation oder Adoption geschah deshalb durch Anlegen an die Brust, Aufnehmen auf den Schoß (Schoßsetzung, Kniesetzung), Mitumfangen mit dem Kleide oder Mantel 70 . Adoption hieß daher mlat. adfatimus, adoptieren affatimire, adfathamire71. Innerhalb des Hauses hatte der Vater in vorhistorischer Zeit eine unbeschränkte Herrschaft wie über das Vermögen so auch über die Personen ausgeübt. Einzelne Reste dieser Auffassung waren bis in unsere Periode stehen geblieben: neugeborene Kinder konnte der Vater ungestraft aussetzen oder töten 72 , Weib und Kiöder in Fällen der Not vergeiseln oder in die Knechtschaft verkaufen73, die Töchter nach Willkür, ohne sie 67

V g l . v . AMIBA, a . a . O . ( s . A n m .

58).

BEIINNER, a . a . O . ( Ä n m . 5 8 ) .

HEUSLEB,

II. 5 2 8 ff. MAUBER, Island 8 2 7 ff. GRIMM, RA. 4 6 8 ff. YOUNQ, The anglosaxon family law (i. d. Essays in anglosax. law) 123 ff., 127 ff. 69 Die verschiedene Abgrenzung ergab sich aus der Zählung der Glieder unterhalb des Knies, jo nachdem man die große Zehe oder eine andere als Endpunkt nahm. Das Resultat war dasselbe wie bei der sächsischen Verwandtschaftsberechnung, die der Familie ihren Platz in Kopf und Hals anwies und die Magschaft an der Schulter beginnen ließ. Vgl. Ssp. I, 3, § 3. 89 Im engeren Sinne bezeichnete Schoß die Eltern, Busen die Kinder. Daß die Enkel ursprünglich nicht zum Busen gerechnet wurden, erklärt sich aus ihrer Geburt in einem bereits abgesonderten, zweiten Hause. 70 Vgl. GRIMM, R A . 160, 464 f. v. AMIBA, Zweck und Mittel der germ. R G . 52 f. Siehe auch Anm. 72. Auch bei der Eheschließung begegnet der Gebrauch der Kniesetzung (vgl. RA. 433), bei der Kommendation das Umfangen mit den Händen (vgl. EHBENBEBG, Kommendation u. Huldigung 22). 71 Von altfränk. fathumjau, ags.-fädmian, umarmen, an den Busen schließen. Vgl. unser Faden = Klafter. Vgl. MÖLLENHOFF bei W A I T Z , Recht der sal. Franken 277.

GBIMM, D W B . 72

III.

1230,

1233.

So lange das Kind noch keine Nahrung erhalten oder Namen und Wasserweihe empfangen hatte. Das Recht durfte nicht mehr ausgeübt werden, sobald der Vater es auf den Arm genommen und damit seine Aufnahme in den Busen (Anm. 70, 71) bewirkt hatte. Vgl. GBIMM, RA. 4 5 5 ff. K. MAUBEB, Über die Wasserweihe des germ. Heidentumes (Abdr. a. d. Abh. d. Münch. Akad. XV. 1 8 8 0 ) ; über das Aufnehmen des Neugeborenen vgl. daselbst S. 1 0 f. ( 1 8 2 f.). MÖLLENHOFF i. d. Anzeiger f. deutsch. Altertum VII. 4 0 4 ff. HEUSLER, II. 4 3 1 f. 73 Vgl. GRIMM, R A . 3 2 9 , 4 6 1 . v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 2 9 3 ff., Note. WACKERNAGEL, KL. Schriften I . 1 2 . HEUSLER, I . 1 2 0 .

62

Die germanische Urzeit.

zu fragen, verheiraten 74 . Allein von diesen Kückständen einer rohen Zeit abgesehen war die hausherrliche Gewalt über Frau und Kinder aus einem Herrschaftsrecht zu einem Schutz- und Vertretungsrecht, zur Munt, geworden 76 . Als das Wahrzeichen der Munt haben wir bereits den Ger kennen gelernt 76 . Der Hausherr war der Gerhabe für Frau und Kinder, er trug den Ger für sie, zu Fehde wie zu Gericht. Die väterliche Munt endigte bei Lebzeiten des Vaters für die Söhne durch Wehrhaftmachung, für die Töchter durch Verheiratung. Ein bestimmtes Alter für die Zeit der Wehrhaftmachung gab es nicht 77 . Sobald der Sohn des Freien die individuelle WafFenfähigkeit erlangt hatte, bestand für den Vater die öffentlichrechtliche Pflicht, ihn dem Landesthing vorzustellen und, nachdem dasselbe die Aufnahme des Jünglings in die Genossenschaft der volkfreien Heermänner beschlossen, durch Waffenreichung die Wehrhaftmachung zu vollziehen78. Damit hatte der Jüngling die Selbständigkeit erlangt, er war sein eigener Gerhabe geworden. Nicht aus der Familie als solcher war er geschieden, aber er hatte aufgehört, domus pars zu sein, er war nicht mehr der hausherrlichen Munt unterworfen, die Wehrhaftmachung in ihren privatrechtlichen Wirkungen war Emanzipation 79 . Dabei wurde jedoch vorausgesetzt, daß der Sohn aus der väterlichen Hausgenossenschaft ausschied, sei es, daß er einen eigenen Herd gründete oder sein Heil in der Fremde versuchte 80 . War dies nicht die Absicht, so reichte die unmittelbare Wehrhaftmachung zur vollen Emanzipation nicht aus 81 , vielmehr mußte der Emanzipationsakt in diesem Falle mit einem Adoptionsakte verbunden werden, indem der Vater, wie dies schon von Tacitus angedeutet ist, seinen Sohn einem Dritten zur Vollziehung der Wehrhaftmachung übergab 88 . Die Waffen74

75

V g l . SCHRÖDER, Gesch. des ehel. Güterrechts I, 7.

76 77 Vgl. Anm. 9. Vgl. S. 51. Vgl. § 35. 78 Vgl. S. 29, Anm. 3. Die Anlegung der toga virilis, mit der Tacitus die Wehrhaftmachung in Parallele stellt, bedeutete die Aufnahme in die Bürgerschaft und das Heer, die volle politische Selbständigkeit und privatrechtliche Handlungsfähigkeit. Die patria potestas blieb unberührt. Vgl. MARQUARDT, Das Privatleben der Römer, 2. Aufl. I. 123—134. Eine althochdeutsche Glosse, den Vergleich des Tacitus gut illustrierend, übersetzt toga mit dinckiuuati. STEINMEYER U. SIEVEBS, II. 413. 76 Vgl. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 343, 5 5 5 . YOUNG, a. a. 0 . 155f., 159f. 80 Vgl. STOBBE, Die Aufhebung der väterlichen Gewalt (Beiträge zur Geschichte des deutsch. Rechts, 1 8 6 5 ) S . 1 — 1 2 . HEUSLER, I I . 4 3 5 f. 81 Anderer Meinung EHRENBERG, Kommendatiön und Huldigung 5 4 (früher auch HECSLER, I . 1 1 4 ) , da der junge Mann durch den Empfang des Heergerätes, als seines Handwerkszeuges, wirtschaftlich selbständig geworden sei, durch Jagd und Krieg seinen Lebensunterhalt habe erwerben können. Aber durch Krieg doch nur, wenn er sein Vaterhaus verließ und fremde Dienste nahm! Vgl. übrigens Anm. 82. 82 Vgl. SOHM, a. a. O. 550 ff. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung, was Paulus Diaconus, Hist. Langob. I. c. 23, 24, von dem Langobardenkönig Audoin berichtet. Alboin, der Sohn des Königs, hatte noch als Knabe den Sohn des feindlichen Gepidenkönigs Turisind in der Schlacht erlegt und das Volk bat daher den König, er möge seinen Sohn als Gefolgsmann (conviva) aufnehmen, nt, qui patri in periculo, ita et

§11.

Das Privatrecht.

63 83

reichung seitens des Dritten wirkte als Adoption , sie führte daher rechtlich die Absonderung des Sohnes von dem Haushalte des Vaters herbei, auch wenn der Sohn thatsächlich als Gast zu diesem zurückkehrte. W i e die Emanzipation so war auch die Freilassung eine Verbindung m i t der Adoption eingegangen. Die unmittelbare Freilassung des Knechtes durch seinen bisherigen Herrn vermochte das Band der Unfreiheit nicht zu zerstören, es bedurfte der A u f n a h m e des Freigelassenen in eine freie Sippe, also eines Adoptionsaktes 8 4 , u n d auch dieser wurde vollzogen durch Hingabe zur Freilassung durch W e h r h a f t m a c h u n g 8 5 . Daß die Wehrhaftmachung zugleich Form für die Emanzipation wie für die Adoption w a r 8 6 , findet noch eine weitere B e s t ä t i g u n g . Zu dem in convivio comes esset. Der König lehnte dies ab, da er den ritus gentis nicht brechen dürfe: „Scitis", inquit, „non esse apud nos consuetudinem, wl regis cum patre filius prandeat, nisi prius a rege gentis exterae arma suscipiat." Alboin begiebt sich hierauf zu Turisind, der ihn, nachdem er seinen Wunsch gehört, freundlich begrüßt, ihn zum Gastmahl (ad suum conviviumj ladet und ihm dabei den Platz zu seiner Rechten anweist, den sein von Alboin erschlagener Sohn Turismod früher eingenommen hatte. Dann heißt es: sumensque Turisindus arma Twrismodi, filii sui, ea Alboin tradidit eumque cum pace incolomem ad patris regnum remisit. Allerdings war die Adoption hier nur als ein Scheingeschäft gemeint, aber ihre Wirkung hinsichtlich der Emanzipation hatte sie nicht verfehlt. Vgl. STOBBE, a. a. 0 . 8 f. Es liegt kein Grund vor, das hier beobachtete Verfahren mit HEÜSLER, II. 436, auf die höchsten Lebenskreise zu beschränken. Tacitus sagt ausdrücklich, daß vel principum aliquis vel pater vel propinqui die Waffenreichung vornahmen. Das Eintreten der Fürsten oder der Verwandten war durchaus nicht auf die Fälle beschränkt, wo der junge Mann vaterlos war oder in das fürstliche Gefolge eintreten sollte. 83

Theoderich der Große erklärte es geradezu für eine mos gentium: per arma fieri posse filium. Bezeugt ist die Adoption durch Waffenreichung bei den Ostgothen (GRIMM, R A . 1 6 6 ;

SOHM, a . a . O. 5 4 6 A n m . 5, 5 5 1 A n m . 1 8 ) , G e p i d e n ( A n m . 8 2 ) ,

Franken (GRIMM, RA. 163, 464 Note) und Langobarden. Bei den letzteren stand die Adoption durch gairethinx noch im 7. Jahrh. und 8. Jahr, im Gebrauche. Vgl. SCHRÖDEB, Gairethinx (Zeitschr. f. RG. XX.) 56 f. Der fränkische adfatimus ist ebenfalls nichts anderes als eine verblaßte Adoption, bei welcher die festuca an die Stelle des Geres getreten ist. Vgl. TH£VENIN, Contributions ä l'histoire du droit germanique 49 ff. KÖHLER i. d. Zeitschr. f. vergl. RW. V. 429 f. Die altn. Bezeichnung für Adoption war cettleiting (Geschlechtsleite). 84

V g l . S . 3 8 A n m . 10.

GRIMM, R A . 3 3 3 .

85

Vgl. SCHRÖDER, Gairethinx 54 f. Während nach dem anglonormannischen Rechte nur die Ubergabe des Unfreien an den Vicecomes zur Vollziehung der Waffenreichung erfolgte, geschah die langobardische Freilassung durch Gairethinx erst durch die vierte Hand, es bedurfte also einer dreimaligen Hingabe zur Adoption, um den Freigelassenen ganz aus der Munt seines bisherigen Herrn zu lösen, ihn amund zu machen. Nur die Übergabe an den König vermochte die drei Hände zu ersetzen. Vgl. Ed. Roth. 224. Liutpr. 9. Vgl. auch SOHM, a. a. 0 . 548 Anm. 10. 86 Besondere Adoptionsformen waren die zu Anm. 70 erwähnten, sowie das altnordische Einsteigen in einen Schuh (vgl. GRIMM, RA. 155). Wenn der Frankenkönig Gunthram seinen Neffen Childebert auf seinen eigenen Thronsessel setzte (ebd. 464) oder der Gepidenkönig den Alboin auf den Stuhl seines verstorbenen Sohnes, so hatte dies zweifellos dieselbe Bedeutung wie die Kniesetzung. Eine große Rolle bei der

Die germanische Urzeit.

64

Akte der Wehrhaftmachung gehörte nämlich außer der Waffenreichung auch die Ablegung der Kindertracht, also das erstmalige Scheren der bis dahin ungekürzt getragenen Haare 8 7 , — der Emanzipationsakt wurde deshalb mittellateinisch als capillatoriae bezeichnet — , und die Gewährung einer Aussteuer, deren vornehmsten Bestandteil die zu der Wehrhaftmachung gehörige Waffenausrüstung (das „Heergeräte") bildete 8 8 . In derselben Weise vollzog sich aber die Adoption; auch hier bildeten das Scheren der Haare 8 9 und die Gabe ein wesentliches Moment neben der Waffenreichung 9 0 . Waffenreichung, Gabe und Scheren der Haare bezeichneten die Adop-

Adoption spielte auch die Veranstaltung eines Gastmahls, besonders bei der nordischen attleiding. Vgl. GBIMM, EA. 1 5 5 . WILDA, Von den unecht geborenen Kindern (i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht XV.) 257. Unmittelbar mit dem cettleidingsol hing das frelsisöl, das Freilassungsbier, zusammen. Vgl. S. 38 Anm. 10. 87

Vgl. STOBBE, a. a. 0 . 10. Die noch waffenunfahigen Knaben bezeichnete man als pueri criniti. Sie trugen zuweilen das Haar in einen Knoten geschürzt, was bei Männern nicht üblich war, außer bei den Sueben (Tacitus, Germ. c. 38). Bei den Chatten wurde das erste Scheren der Haare bis nach der ersten Waffenthat des Jünglings verschoben (Germ. c. 31). Über die Haartracht der Germanen im allgemeinen vgl. LINBBNBCHMIT, Handb. d. deutsch. Altertumskunde I. 316 f. GBIMM, RA. 2 8 3 ff. Vgl. Anm. 116. 88

V g l . SOHM, a . a . 0 . 3 4 4 f .

STOBBE, a . a . 0 . 6 . 10.

Mit Unrecht hat m a n

die

Waffenreichung selbst, also den Formalakt des Gairethinx, mit der Gewährung der Waffenaussteuer, die nur eine materielle Bedeutung hatte, vermischt. Vgl. EHREHBERG, a . a . O . 5 4 . 89

V g l . GBIMM, R A . 1 4 6 .

STOBBE, a . a . O . 7 — 1 1 .

SOHM, a . a . 0 . 5 4 8 f .

KOHLER

i. d. Zeitschr. f. vergl. RW, V. 431 f. EHRENBERG, a. a. 0. 51 ff. Der letztere bringt das Scheren bei den capillatoriae zu Unrecht mit dem Scheren der Haare bei Unfreien in Verbindung. Knechte trugen das Haar überhaupt geschoren (vgl. RA. 339), freien Männern wurde es nur im Nacken gekürzt, so daß ihre Haartracht zwischen derjenigen der Knechte und derjenigen der Knaben oder solcher Männer, die sich dem Kriegsgotte gelobt hatten, die Mitte hielt. 80 Vgl. Anm. 82, 91, 111. WILDA, a. a. 0. 258. 269. Von Karl Martell wird berichtet, er habe seinen Sohn Pippin zu dem Langobardenkönig Liutprand gesckickt, ut eins iuxta morem capillum susciperet, worauf Liutprand, eins eaesariem incidens, ei pater effectus est multisque eum ditatum regiis muneribus genitori remisit. Paulus Diac., Hist. Langob. VI. c. 53. Im Beovulfsliede (v. 2429 ff.) erzählt Beovulf, daß König Hreöel ihn, sieben Winter alt, von seinem Vater übernommen und ihm sine and symbel (Schatz und Schmaus) gegeben habe. Auch die Schwertleite des Mittelalters war von einer Gabe begleitet. Die Gabe an sich war eine Gunstbezeugung (vgl. v. AMIRA, Oblig.-R. I. 506), dem bei der Namengebung üblichen Geschenke entsprechend (vgl. Paul. Diac. I. c. 8. MAUBEB, Wasserweihe 8 f. WEINHOLD, Altnord. Leben 263); ihre rechtliche Bedeutung lag in erster Reihe in der Waffenrüstung, doch läßt sich auch der Gedanke nicht ganz abweisen, daß die Gabe zugleich als ein Entgelt für die Hingabe der Person des Adoptierten gegolten haben wird. Daß dies wenigstens bei der Kommendation der Gefolgsmannen der Fall war, ist nicht zu bezweifeln (vgl. S. 27; EHRENBERO, a. a. 0. 20, 50, 55, 57 ff.), doch darf man auch hier den formellen Adoptionsakt der Waffenreichung nicht mit dem materiellen Akt der Gabe verwechseln.

§ 11.

Das Privatrecht.

65

tionshandlung auch dann, wenn sich ein homo sui iuris, ein Selbmündiger, selbst in Adoption gab 91 . Auch die Legitimation unehelicher Kinder wurde als Adoption aufgefaßt 92 . Eine stillschweigende Legitimation durch nachfolgende Ehe hat das deutsche Recht nicht gekannt. Eine Adoption konnte nur von kinderlosen Personen oder mit Zustimmung aller Kinder vorgenommen werden 93 . Die Wirkungen der Adoption beschränkten sich auf die Aufnahme in die Familie und die daraus erwachsenden K o n s e q u e n z e n U n t e r die Munt des Adoptivvaters trat der Adoptierte als solcher nicht 95 . Die Töchter schieden aus der väterlichen Munt aus, indem der Vater sie einem Manne zur Ehe gab 96 . Daß dies durchaus der regelmäßige Weg der Eheschließung war, steht zweifellos fest. Andererseits haben auch die Germanen, wie nachweislich alle anderen Völker in ihren ersten Entwickelungsstadien, der durch Entführung begründeten sogenannten Raubehe nicht jede Anerkennung verweigert 97 . Dem Auslande gegenüber war, wie der Raub überhaupt 98 , so auch der Frauenraub erlaubt und zur Ehebegründung vollkommen geeignet. Dagegen hatte die Entführung einer Volksgenossin diese Wirkung nur, wenn eine Sühne mit der Familie der Entführten zu stände kam. War dies nicht der Fall, so standen 91

V g l . SOHM, a . a . 0 . 5 4 9

A n m . 14.

551

Anm.

18.

EHRENBERG,

a. a. O.

40,

Anm. 28. Die Waffenreichung wurde entweder mit der Gabe verbunden, oder der zu Arrogierende übergab dem pater arrogans die Waffe und empfing sie aus dessen Hand zurück. Wir haben schon S. 56 bemerkt, daß die älteste Form der Bürgschaft wahrscheinlich die Form der Adoption oder Arrogation gehabt hat, indem der Bürge aus der Hand des Gläubigers einen Ger (später die festuca oder wadia) empfing, mit dem ihn der Hauptschuldner oder der Bürge sich selbst tradiert hatte. Ein derartiger Vorgang muß notwendig gewesen sein, um den Vergeiselungsvertrag von dem Obnoxiationsvertrage zu unterscheiden. Die Bezeichnung des Bürgen als gisil deutet denselben als Gerempfänger an. Daß die Geiseln nicht selten geradezu in eine Art Adoptionsverhältnis eintraten, lehrt u. a. der Waltharius des Ekkehard. 92

V g l . GRIMM, R A . 4 6 3 f .

W I L D A , a . a . 0 . 2 5 7 ff., 2 6 9 ff., 2 7 9 .

93

Vgl. v. AMIRA, Zweck u. Mittel der germ. EG. 52 f. 94 Vgl. SOHM, a. a. 0 . 546. Es gab auch der Adoption nachgebildete künstliche Geschwisterverhältnisse, unter denen die altnordische Blutsbrüderschaft, mit Eiden, Blutvermischung und dem feierlichen Treten unter den Easenstreifen, die erste Stelle einnimmt. Vgl. PAPPENHEIM, Die altdänischen Schutzgilden 21—43. 95 Anders, wenn eine Kommendation vorlag. Vgl. S. 26 f. SOHM, a. a. 0 . 552 Anm. 20. 555 ff. Im Beovulfsliede (v. 1481 f.) bittet der zu tötlichem Kampfe ausziehende Held seinen Gastfreund, sich für den Fall seines Bleibens seiner Mannen anzunehmen: ves fm mundbora minwrn mago-ftegnum, hondgesellum, gif mec hild nime. 98 Althochdeutsche Glossen übersetzen sponsalia mit prutkeba, prutkepu. STEINMEYER u . SIEVERS I . 2 9 2 . 97

Über die Eaubehe im allgemeinen vgl. besonders DARGUN, Mutterrecht und Eaubehe (s. Anm. 59) 78—140 (speziell über die germanischen Verhältnisse I I I bis 151); KÖHLER, Studien üher Frauengemeinschaft, Frauenraub und Frauenkauf, i. d. Zeitschr. f. vergl. EW. V. 334ff.; Indisches Ehe- und Familienrecht, ebd. III. 342ff.; Das Eecht als Kulturerscheinung 8 ff. 98 Vgl. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23. R, SCHBÖDEÄ, Deutsche Rechtegeschiehte.

5

56

Die germanische Urzeit.

Frau und Kinder nicht in der Munt des Mannes, vielmehr blieb die Frau in der Munt ihres Vaters, die sich auch auf ihre Kinder erstreckte ; demgemäß muß dieser das Recht gehabt haben, im Wege des Betreibungsverfahrens die Herausgabe seiner Tochter wie seiner Enkel zu verlangen. Von diesen Mängeln abgesehen galt aber auch die inländische Eaubehe nicht als eine lose geschlechtliche Verbindung, sondern als eine wirkliche Ehe; ihre Ungiltigkeit war eine relative, sie bestand nur gegenüber der Familie der Frau; für die Ehegatten selbst und gegenüber Dritten war die Raubehe ebenso rechtsbeständig wie die regelmäßig eingegangene E h e " . Dagegen können wir der neuerdings vielfach ausgesprochenen Ansicht, daß die normale Form der vereinbarten Ehe erst aus den Sühneverträgen nach Entführungen entstanden und daß die Raubehe, und zwar mit Ausländerinnen, die Normalehe des TJrrechts gewesen sei 100 , in keiner Weise beistimmen. Die Ehe zwischen Nachbarskindern, mit Wissen und Willen der Eltern geschlossen, muß bei jedem nicht rein tierischen Volke den Ausgang gebildet haben ; daneben wurde die Entführungsehe mit Fremden anerkannt, mit Einheimischen geduldet 101 . Der Eheschließung vorauf ging die Werbung bei dem Vater, regelmäßig durch einen Fürsprecher oder Brautwerber des Freiers. Die Werbung anzunehmen oder abzulehnen war freier Wille des Vaters, das Mädchen wurde nicht gefragt 102 . Wurde sie angenommen, so konnte die Eheschließung nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen erfolgen 103 . Wie bei allen jugendlichen Völkern, so beruhte auch bei den Germanen das Wesen der Eheschließung in dem Brautkaufe 104 . Der Kaufpreis wurde 99 Über das Verhältnis des Arminius zu Segest sind wir doch zu wenig unterrichtet. Daß der Haß des letzteren aus der Entführung seiner einem andern versprochenen Tochter herrührte (Tacitus, Annal. I. c. 55, 57, 58), schließt die Möglichkeit einer stattgehabten Sühne nicht aus. 100 Vgl. DARGUN, a. a. O . 1 3 8 f. KOHLER, Studien 3 3 6 ; Ind. Eherecht 3 4 2 ff.; Becht als Kulturerscheinung 9. HEUSLEE, I I . 279 f. 101 Daß die Volkssitte auch bei der normalen Eheschließung vielfach Entführungsspiele eintreten ließ, die zu der Bezeichnung Brauttauf geführt haben und stellenweise bis zur Gegenwart in Gebrauch geblieben sind, beweist für das Erstgeburtsrecht der Baubehe nicht das geringste. Es handelte sich einzig darum, den Übergang der Braut in die Hand des Bräutigams in ' drastischer Weise sich vollziehen zu lassen. 102 Vgl. Anm. 74. 103 Auf ein solches Verhältnis bezieht sich Tacitus, Annal. I. c. 55: Arminius filiam eius alii pactam rapnerat. Derartige Vorbesprechungen hatten, wie das Beispiel des Arminius zeigt, keine rechtsverbindliche Kraft. 104 Über die Allgemeinheit des Brautkaufes sind besonders die Anm. 100 angeführten Schriften von DAEGCN und KÖHLER und KÖNIGS WARTER i. d. Bevue de législation, 1849, I. 145 ff. zu vergleichen. Für das germanische Eecht vgl. meine Geschichte des ehelichen Güterrechts I. 26 ff., 43 ff., 47 ff,. 49 ff., 71, 75, 76 ff. II. 3. Abt., 389; De dote secundum>leges gentium Germanicarum antiquissimas (Berlin 1861) 33ff. FRIEDBEHG, Becht der Eheschließung 18 f. GINOULHIAC, Histoire du régime dotal en France 183 ff. GRIMM, BA. 420 ff. HEÜSLER, I I . 277ff. KÖNIOSWAETEB, Hist. de l'organisation de la famille en France 121 ff. KRAÜT, Vormundschaft I . 299 ff. LABOU-

§ 11. später Wittum, Meta,

Das Privatrecht.

Muntschatz

genannt.

67

Die Ansicht über das Alter

der letzteren Bezeichnung hängt von der Entscheidung über die F r a g e ab,

ob die spätere Auffassung des Brautkaufes als eines bloßen

Kaufes

der Munt bis in die Urzeit zurückreicht, oder ob ursprünglich die B r a u t selbst als der Gegenstand des Kaufes angesehen wurde. die letztere Auffassung zu sprechen.

Alles scheint für

Der Y a t e r verkaufte seine Tochter

an den Bräutigam für einen vorher vereinbarten Kaufpreis 1 0 6 , verkaufte

sie nicht in Knechtschaft,

band sich mit dem Kaufvertrage akt106.

Tacitus

hat

aber

er

sondern zu Muntrecht, darum ver-

ein Freilassungs- und ein Adoptions-

den Brautkauf

unerwähnt

gelassen,

wird

aber

dieser Beziehung ausreichend durch die späteren Quellen ergänzt 1 0 7 .

in

Seine

berühmte Schilderung der germanischen Eheschließung 1 0 8 spricht von zwei Gaben,

von denen die eine der F r a u von dem Manne,

Manne von der F r a u dargebracht wird.

die andere dem

Die letztere wird in der L i t t e r a t u r

regelmäßig als Aussteuer angesehen, allein was sollten der B r a u t Waffen als Aussteuer?

Die ganze Ausdrucksweise des Tacitus läßt erkennen, daß

er n u r ein Handgeld für die Gabe des Mannes im Auge h a t t e 1 0 9 .

Diese

LAYE, Recherches sur la condition civile et politique des femmes 112 ff. OIIVECRONA, Om makars giftorätt i bo, 4. Aufl., 1R76, 43 ff. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 2 8 8 ff. SOHM, R e c h t der E h e s c h l i e ß u n g 2 2 f.

STOBBE, P r i v a t r e c h t I V . 11 ff. TELTING,

Schets van het oud-friesche privaatregt (Abdr. a. d. Themis, 1869, 4. Stück) 24ff. WACKERNAGEL, Kl. Schriften I. 6 f., 9, 54 ff. WEINHOLD, Deutsche Frauen im Mittelalter I. 320 ff. YOUNG, Anglosaxon family law 163 ff. 1 0 5 Die später in den Gesetzen genannten festen Summen waren wohl in erster Reihe für den nachträglichen Brautkauf nach stattgehabter Entführung berechnet. Daß auch die Nordgermanen den Brautkauf gehabt haben, unterliegt nicht dem mindesten Zweifel, wenn auch nur geringe und nicht entscheidende Quellenaussprüche vorliegen. Der Brautkauf war nicht bloß eine gemeingermanische, sondern eine allen Völkern zu einer gewissen Zeit gemeinsame Einrichtung, deren Nichtvorhandensein bei einem einzelnen Volke mit den bündigsten Belegen erst nachgewiesen werden müßte. los yg], SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 547 f., 551 Anm. 19. 107 Vgl. § 35. 108 Germania c. 18: Dotem non uxor marito, sed uxori maritus offert. intermnt parentes et propinqui ac munera probant, munera non ad delicias muliebres quaesita nec quibus nova nwpta comatur, scd boves et frenatwm eqwum et scntum cum framea gladioque. in haee munera uxor acdpitur, atque invicem ipsa armorum aliquid viro affert, hoc maximum vinculum, haee arcana saera, hos coniugales deos arbitrantur. ne se mulier extra virtutum cogitationes extraque bellorwm casus putet, ipsis ineipientis matrimonii auspieiis admonetur, venire se laborwm periculorwmque sociam, idem in pace, idem in proelio passuram ausuramque. hoo iuncti boves, hoc paratus equus, hoc data arma denuntiant. sie vivendum, sie pereundum; aeeipere se quae liberis inviolata ac digna reddat, quae nurus aeeipiant rursusque ad nepotes referantur. Die Bemerkung über die Bedeutung des Ochsengespannes erinnert an das angelsächsische betoeddung (engl, wedding) für Hochzeit (vgl. Anm. 28), das man gleich dem goth. gavadjon (desponsare) unrichtigerweise aus dem Wettvertrage' hat erklären wollen. 109 Vgl. S. 53. Die Waffen, welche dem Bräutigam von der Braut zugebracht oder wohl richtiger ihm mit der Braut übergeben wurden, bezogen sich zweifellos auf den Freilassungsakt der Waffenreichung. In derselben Weise wurde bei der 5*

Die germanische Urzeit.

68

Gabe (dos), die man mit Unrecht aus einer missverständlichen Auffassung des Brautkaufes zu erklären versucht hat 110 , war nichts anderes als die Adoptionsgabe111, dieser auch darin entsprechend, daß sie hauptsächlich aus einem Heergeräte bestand, so daß die Gabe zugleich Waffenreichung, d. h. Freilassung und Adoption oder Annahme der Frau als Genossin des Mannes, bedeutete112. Man erkennt unschwer darin die spätere Morgengabe, deren gleichmäßiges Vorkommen bei allen germanischen Stämmen den gemeingermanischen Charakter dieser Gabe verbürgt113. Man darf vermuten, daß der nordische mundr ursprünglich mit dieser Gabe zusammenfiel114. Da das germanische Recht nur Barverträge kannte, so bildeten auch die verschiedenen zur Eingehung der Ehe erforderlichen Akte nur ein einziges, in sich geschlossenes Rechtsgeschäft: Übergabe (Trauung) der Braut an den Bräutigam durch den Vater oder sonstigen Verlober, und Zahlung des Kaufpreises durch den Bräutigam zu Händen des Vaters115; Übergabe von Waffen und anderen als Adoptionssymbole geeigneten Gegenständen an den Bräutigam durch die Braut oder mit der Braut, und Überreichung der Gabe des Bräutigams (dos, mundr, Morgengabe) an die Braut; alles dies feierlich im Kreise der Verwandten116. Das große GeVergeiselung, bei der Freilassung durch Gairethinx, in der Eegel wohl auch bei der Hingabe zur Adoption und bei Arrogation der Ger hin- und zurückgegeben. Über diesen noch im Mittelalter festgehaltenen Gebrauch der Waffe bei der Eheschließung vgl. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 551 f., Anm. 10; Recht der Eheschließung 65 ff. FHIEDBEEO, Recht der Eheschließung 26 f. GBIMM, RA. 431. Auf eine italienische Trauung des 1 0 . Jahrh. unter Überreichung eines Stabes hat BBUNNEH (i. d. Jenaer Litteraturzeitung, 1 8 7 6 , Art. 4 3 9 ) aufmerksam gemacht. Vgl. LOEBSCH und SCHBÖDEB, U r k u n d e n I a , N r . 78, 94. 1,0

Ich selbst habe früher an diesem Irrtum teilgenommen. Vgl. HEUSIEB, II, 293 f. Vgl. Anm. 8 8 , 9 0 , 9 1 . 1,2 Bei der römischen coemtio uxoris bedurfte es keines derartigen Aktes, da schon die Konsenserklärung der Braut bewirkte, daß die mancipatio sie nicht in eine sklavische Stellung, sondern in die manus des Mannes brachte. Vgl. MARQUARDT, Privatleben der Römer, 2. Aufl. I. 33 f. 113 Vgl. § 35. Über die nordgermanische Morgengabe vgl. v. AMIBA, Obligationenrecht I. 518 ff. K. LEHMANN, Verlobung und Hochzeit nach den nordgerm. Rechten 64 f. OLIVECRONA, a. a. O. 143, 147 ff. Hinsichtlich ihrer Bestandteile stand die westgothische Morgengabe der taciteischen Dos am nächsten (vgl. meine Geschichte d. ehel. Güterrechts I. 106 ff.). Ein altschwedischer Gebrauch bei der Darreichung der Morgengabe erinnert an die Waffenreichung. Vgl. GBIMM, RA. 431. War die Gabe des Mannes bestimmt, den Eintritt der Frau in die eheliche Genossenschaft zu besiegeln, so war es wohl erklärlich, wenn sich in Gebieten, wo die Witwenehe untersagt war, die Auffassung eines Lohnes für das Opfer der Jungfräulichkeit einbürgerte. 111

114

Vgl. MAUBEB, i. d. Krit. V i e r t e l j a h r s s c h r . X. 392 ff. v. AMIBA, a. a. O. 522 ff.

K . LEHMANN, a . a . 0 . 5 8 116

ff.

OLIVECRONA, a . a . O . 1 3 6 ff.

Auf die Frage, wer außer dem Vater ein Recht auf den Kaufpreis hatte, ist erst in der folgenden Periode einzugehen. 116 Außer der Waffenreichung werden in nord- wie südgermanischen Quellen noch andere auf einen Adoptionsakt deutende Symbole genannt, wie Kniesetzen, in einen

§11.

69

Das Privatrecht.

wicht, das in den späteren Quellen sowie im kanonischen Recht auf die Vollziehung des ehelichen Beilagers gelegt wird, läßt vermuten, daß die formelle Überführung der Braut in das Ehebett ursprünglich ebenfalls einen notwendigen Bestandteil des Eheschließungsaktes gebildet hat 117 . Die Ehemündigkeit begann mit dem vollendeten zwanzigsten Lebensjahre 118 . Auf Standesgleichheit wurde gesehen, ein Ehehindernis aber bildete die Standesverschiedenheit nur zwischen Freien und Unfreien 119 . Die Ehe war im allgemeinen durchaus monogamisch; nur in den höchsten Lebenskreisen kannte man eine beschränkte Vielweiberei120. Die Wiederverheiratung einer Witwe wurde nicht begünstigt, bei manchen Stämmen war sie verboten 121 . Nach dem Tode des Mannes stand die Witwe nebst den Kindern unter der Munt seines nächsten Schwertmagen, zunächst unter der des ältesten mündigen Sohnes. Die Töchter blieben, so lange sie unverheiratet waren, dieser Munt unterworfen. Heirateten sie, so war der Muntwalt ihr Yerlober, der sie in die Munt ihres Mannes gab und dafür den Kaufpreis empfing. Für das weibliche Geschlecht bestand demnach eine auf alle Lebensalter erstreckte Geschlechtsvormundschaft, während die Knaben, sobald sie die Waffenfähigkeit erworben hatten, durch die Wehrhaftmachung mündig wurden 122 . Bestimmte Mündigkeitstermine gab es wahrscheinlich noch nicht. Eine gewisse Obervormundschaft wurde vorder Verwandtschaft ausgeübt, und zwar, wie es scheint, in erster Reihe von den Muttermagen, von denen vor allem der Oheim zu einer fast väterlichen Stellung berufen war 123 . Die Sippe in ihrer weitesten Ausdehnung bildete einen Friedensbund 124 . Schuh steigen oder auf den Fuß treten u. dgl., mit dem Mantel umfangen, Hochzeitsgelage (giftaröl) u. a. m. Vgl. GRIMM, RA. 155, 160, 428, 431 f., 443. SOHM, Recht der Eheschließung 66. FBIEDBERG, Recht der Eheschließung 27 ff., 42. v. AMIKA. a. a. O. I. 537, 539. WEINHOLD, a. a. 0 . I. 372 f., 383. Dem Scheren der Haare bei Emanzipation und Adoption entsprach das Aufbinden der Haare seitens der verheirat e t e n Frau.

V g l . GRIMM, E A . 443.

WEINHOLD, a. a. 0 . I. 386 f.

117

Vgl. FRIEDBERG, Eecht der Eheschließung 22 f. SOHM, Recht der Eheschließung 88 f., 96 ff. v. AMIRA, Obligationenrecht I. 540. K. LEHMANN, Verlobung und Hochzeit 81 f., 87 f. WEINHOLD, a. a. O. 399 ff. Zeitschr. f. EG. XIX. 230. 118 Vgl. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 21. Tacitus, Germania c. 20. II» V g l . HEUSLER, I . 158.

WAITZ, I. 194.

N u r bei den S a c h s e n b e s t a n d

später

auch zwischen Adelichen und Freien kein Konnubium. 120 Tacitus, Germania c. 18. Im Norden scheint die Begünstigung unehelicher Kinder eine größere Verbreitung der Vielweiberei in der Urzeit anzudeuten. Vgl. WACKERNAGEL, KL. S c h r i f t e n I . 1 0 f . 121

Vgl. Tacitus, Germania c. 19. a. a. O. 142 f. 122

V g l . HEUSLER, I . 54 ff.

WILDA, a . a . 0 .

(Anm.

86).

SOHM, Eecht der Eheschließung 63 f. DARGUN,

GENQLER, G e r m a n i s c h e R e c h t s d e n k m ä l e r 469.

Die

späteren Mündigkeitstermine bezeichneten wohl nur den frühesten Termin der Wehrhaftmachung. 123 Vgl. S. 60. 124 Im Angelsächsischen ist sib und mtegburg gleichbedeutend mit Friedensverbindung. Vgl. Anm. 58.

Die germanische Urzeit.

70

Die Gesippen waren einander Treue und gegenseitige Unterstützung schuldig. Tötung eines Verwandten oder Angriffe auf einen verstorbenen Verwandten legten der Sippe die Pflicht zur Ahndung des Frevels durch Fehde oder Klage auf 125 . Jede Fehde zog aktiv und passiv die beiderseitigen Sippen in Mitleidenschaft126. Ebenso war jede Sühne eines Frevels auf beiden Seiten Familiensache; die Verwandten des Übelthäters mußten zur Aufbringung der Buße beisteuern, während die Verwandten des Verletzten, wenigstens in vielen Fällen, einen Teil der Buße für sich beanspruchen durften 127 . Hatte ein Familienglied einen Reinigungseid zu leisten, so waren die Verwandten zur Eideshilfe verpflichtet, so weit sie nicht Grund hatten, seine Wahrhaftigkeit zu bezweifeln128. Wer sich von den Banden der Verwandtschaft lösen wollte, mußte dies durch eine feierliche Lossagung von allen Rechten und Pflichten der Sippe aussprechen129. Eine derartige Lossagung von der Sippe bewirkte auch den Verlust des Erbrechts gegen seine Verwandten, während diesen ihr Erbrecht gegen den Ausscheidenden nicht. genommen werden konnte. Es gab nur eine gesetzliche Erbfolge der Hausgenossen: Kinder, Eltern, Geschwister, darüber hinaus Oheim (avunculus) und Vetter (d. i. Vaterbruder, patruus)130. Das Erbrecht war unentziehbar und beruhte wohl eher auf einem Gesamteigentum der Hausgenossen als auf eigentlicher Erbfolge 131 . Adoptivkinder wurden im Erbrecht wie echte Kinder behandelt. Ein Erbrecht auf Grund letztwilliger Verfügungen gab es nicht. § 12. D a s S t r a f r e c h t 1 . Tacitus giebt Germania c. 12 eine treffende Charakteristik des germanischen Strafrechts: Licet apud concilium 188 m

Vgl. § 12 Anm. 8. Vgl. § 12 Anm. 24, 25.

m 128

Vgl. S. 73. Vgl. § 13 Anm. 23.

i2» Vgl. Lex Salica Tit. 60 De eum, qui se de parentilla tollere vult. Über den Inhalt dieses Titels vgl. BRUNNEH, Sippe u. Wergeid 42. WAJTZ, I. 62. zustimmen ist der Deutung von TH£ VENIN, a. a. 0. 52.

Nicht bei-

130 Vgl. Tacitus, Germania c. 20: Heredes tarnen successoresque sui cuique liberi, et nullum testamentum. si liberi non sunt, proximus gradus in possessione, fratres,

.patrui, avunculi. Die Reihe ist nicht vollständig, es fehlen die Eltern und Schwestern. Auf die Morgengabe der Mutter und das Heergeräte des Vaters scheinen die Söhne ein Vorrecht gehabt zu haben, vgl. Germ. c. 18, und unter diesen wohl wieder der älteste von den übrigen, vgl. c. 32. Im Einzelnen ist hier vieles unsicher und bestritten. Bei der Mangelhaftigkeit der Quellen kann erst in der folgenden' Periode näher auf die Erbfolgeordnung eingegangen werden. 131 Vgl. § 35. 1 Vgl. WILDA, Das Strafrecht der Germanen, 1842. v. BAR, Geschichte des deutschen Strafrechts 51 ff. KÖSTLIN, Geschichte des deutschen Strafrechts, 1859 (auch i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht XIV.). GRIMM, RA. 622—744. WAITZ, I. 418 bis 442. v. AMIRA, Das altnorw. Vollstreckungsverfahren 1—168; Zweck und Mittel der german. Rechtsgeschichte 47 f., 57—60. K. MAURER, i. d. Krit. Überschau III. 26—61; i. d. Krit. Vierteljahrsschrift XVI. 83—97. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonuro 204—211, 218—330. SICKEL, Freistaat 148—155. v. WORINGEN, Beitr. z. Gesch. d.

§ 12.

Das Strafrecht.

71

accusare qaoque et discrimen capitis intendere. distinctio poenarum ex delicto . proditores et transfugas arboribus suspendunt, ignavos et imbelles et corpore infames caetio ac palude, iniecta insuper crate, mergurvt. diversitas supplicii illuc respicit, tamquam scelera ostendi oporteat, dum puniuntur, flagitia abscondi. Sed et levioribus delictis pro modo poena: equorum pecorumque numero convicti mulctantur . pars mulctae regi vel civitati, pars ipsi qui vindicatur vel propinquis eins exsolvitur. Diese Unterscheidung zwischen

todeswürdigen Verbrechen (scelera, flagitia) und sühnbaren Freveln (leviora delicta) ist durch neuere Untersuchungen, namentlich von K . M A Ü B E R , v. A M I B A und v. R I C H T H O F E N , glänzend bestätigt und als urgermanisch nachgewiesen. Damit sind zwei ältere, einander entgegenstehende Auffassungen widerlegt; beide stimmten darin überein, daß sie dem altgermanischen Hechte jede eigentliche Strafrechtsidee absprachen und den von Tacitus geschilderten Zustand erst als ein jüngeres Entwickelungsstadium betrachteten; aber während die einen davon ausgingen, daß der Staat sich um das Wohl und Wehe des einzelnen ursprünglich nicht gekümmert und es ihm ganz überlassen habe, sich im Wege der Selbsthilfe oder Fehde Genugthuung zu verschaffen, gingen die anderen von dem Standpunkt der nordischen, namentlich isländischen Rechtsquellen aus, welche im allgemeinen jede Missethat ohne Unterschied als einen Bruch des gemeinen Friedens behandelten und demgemäß mit der Friedlosigkeit, d. h. Ausstoßung aus der allgemeinen Rechts- und Friedensgenossenschaft, bestraften. Das System der öffentlichen Strafen reicht in die ältesten Zeiten des germanischen Heidentumes zurück. Die technische Bezeichnung für Strafe (supplicium) war altn. vite, ags. altfries. wite, ahd. wizi; dem goth. fraveitan (rächen) entspricht, wenn auch in stark abgeschwächter Bedeutung, unser verweisen. Die Todesstrafen hingen auf das engste mit den Menschenopfern zusammen 2 . Das Material für diese Opfer lieferten Sklaven, Kriegsgefangene, in erster Reihe aber Verbrecher. Auf diese hatten die Götter ein unentziehbares Recht. Hier konnte der Verletzte nicht wählen zwischen Fehdegang und Rechtsgang, hier lag, wenn man die Sache modern ausdrücken will, kein Antragsdelikt vor, sondern es konnte von Amts wegen Klage erhoben werden, wenn der zunächst Betroffene säumte 3 . Die Nordgermanen faßten die todeswürdigen Verbrechen unter dem Ausdruck „Neidings werke" (nidingsverk) zusammen. Bei den Westgermanen dürfte meintat (altn. mein, ahd. mein, ags. man, d. i. dolus, scelus, deutschen Strafrechts, 1836. WÄCHTER, Beiträge zur deutschen Geschichte, 1845. SIEGEL, Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens 8—35. DAHN, Fehdegang und Rechtsgang, 1877. KÖNIGSWARTER, La vengeance et les compositions (Eevue de légjfelation, 1849, II. 117ff.). LAUGHLIN, i. d. Essays in anglosaxon law, 270—283. DEL GIUDIZE, La vendetta nel diritto Longobardo, 1876. PERULE, a. a. O. V. 1876. Besondere Darstellungen des Strafrechts in den Lehrbüchern von SIEGEL und WALTER. 2 Vgl. GRIMM, Mythologie 4. (3.) Aufl. I. 35 ff. (38 ff.). III. 25 f. 3 Vgl. WILDA, Strafrecht 214 ff. SOHM, Prozeß der Lex Salica 129 Anm. 3.

72

Die germanische Urzeit.

perversitas) oder mein und mort dasselbe besagt haben, während ßrintat (goth. fairina, altn. Jim, ahd.firina) nur Gefährde, gefährdende Handlung bedeutet, also wohl auch die sühnbaren Missethaten mitumfaßte 4 . Als Neidingswerke galten alle Verletzungen eines höheren Friedens, namentlich also Tempelschändungen, grobe Friedensbrüche in Thing und Heer, Hausfriedensbruch (heimsuche), Bruch des gelobten Friedens; ferner Missethaten, die das Gemeinwesen gefährdeten, wie Landesverrat, Zauberei, Mordbrand u. dgl., oder durch die eine besonders verächtliche Gesinnung bethätigt wurde, wie Heerflüchtigkeit (herisliz), Mord (d. h. heimliche Tötung), großer Diebstahl, widernatürliche Unzucht. Die Art der Todesstrafe war mehr oder weniger der Art der Missethat entsprechend. Die Strafe des Ertränkens stand auf Tempelschändung6, Versenken in einen Sumpf auf Feigheit oder böser Fleischeslust, Rückenbrechen auf Mord6» der Strang auf Diebstahl und Landesverrat, Feuertod auf Zauberei und Spionage. Wegen ihres sakralen Charakters wurden diese Strafarten von der christlichen Kirche als heidnisch bekämpft. An ihre Stelle trat bei den Nordgermanen die unsühnbare Acht, so daß man die Neidingswerke nun als unbüßbare Werke (übolaverk, übotamäl) behandelte, während bei den Westgermanen die Ablösung der Todesstrafe durch Zahlung des eigenen Wergeides (Lösung des Halses) üblich wurde. Nur bei den Sachsen und teilweise auch bei den Friesen hat das altgermanische Strafensystem die Einführung des Christentums überdauert. Nicht die Härte Karls des Großen hat die sächsischen Strafgesetze diktiert, wie man früher anzunehmen pflegte, sondern seine Weisheit hat das Vorgefundene, jedoch mit zeitgemäßen Änderungen, aufrechterhalten. So sind es außer nordischen Sagas und Liedern vornehmlich die sächsischen und friesischen Gesetze, aus denen, neben den Angaben des Tacitus, die Wissenschaft die Erkenntnis geschöpft hat, daß das Strafrecht der germanischen Urzeit unter den Einflüssen des Heidentums ein vollkommeneres als das des christlichen Mittelalters gewesen ist. Alle anderen Missethaten, außer den Neidingswerken oder Meinthaten, galten zunächst als Privatsache der verletzten Partei, die sich nach freier Wahl für Aussöhnung mit dem Gegner, oder für die Rache im Wege der Selbsthilfe, oder für den Rechtsweg entscheiden mochte7. Eine rechtliche 4 Vgl. STEINMEYEB U. SIEVEBS, Alth. Glossen II. 602: flagitia firintat meintat. II. 415: crimina virina. I. 290: scelere firintati. Vgl. GBIMM, RA. 7, 623; DWB. VI. 1912. HALTAÜS, Glossar 1335 f. 1 Eine später in den Text gekommene Randglosse zu der Lex Frisionum (Add. Sap. Tit. 11) berichtet als ostfriesischen Brauch: Qui fanwm effregerit, et ibi aliquid de sacris tulerit, ducitur ad mare, et in sábulo, quod accessus maris operire solet, finduntur aures eins et castratur et immolatur diis, quorum templa violavit. Vgl. v. RICHTHOFEN, a. a. 0 . 206, Note. Ähnlich bei den Schweden. Vgl. Adam. Brem., Gesta Hammaburg. II. c. 60. 6 So im Norden und im friesischen Recht des Mittelalters. 7 Verletzungen von Ausländern im Auslande waren überhaupt erlaubt. Vgl. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23: Latrocinia nullam habent infamiam, quae extra fines

§ 12.

Das Strafrecht.

73

Pflicht, in der einen oder anderen Weise sich Genugthuung zu verschaffen, bestand nur für die Verwandten eines Getöteten8. Kam es zu einer außergerichtlichen Versöhnung9, so mischte sich der Staat nicht weiter hinein, nur ist es wahrscheinlich, daß der Bruch des bei solcher Gelegenheit von den Parteien beschworenen Friedens von jeher zu den Neidingswerken gezählt und mit dem Tode bestraft wurde. Das von der gegnerischen Partei gezahlte Sühngeld fiel, wenn es sich um eine Tötung handelte, der ganzen zur Rache berufenen Familie zu; daß der Staat einen Anteil davon hätte beanspruchen können, ist für diesen Fall nicht anzunehmen10. Kam es zu keiner Sühne, so konnte die verletzte Partei, wenn sie nicht klagen wollte, den Weg der Fehde (inimicitia, ahd.fihida, faida, ags. fiehd) beschreiten11. Das Wesen der Fehde beruhte auf einem erlaubten Vergeltüngsrecht des Verletzten gegen den Missethäter, also auf einer relativen Friedlosigkeit des letzteren. Soweit die Fehde Blutrache war, ergriff sie auf beiden Seiten die Verwandten mit; die Verwandten des Getöteten hatten den erlaubten Angriff auch gegen die Verwandten des Totschlägers, die relative Friedlosigkeit des letzteren erstreckte sich auch auf sie. Ob dies auch in anderen Fehdefällen gegolten hat, muß dahingestellt bleiben. Die Friedlosigkeit des Befehdeten (faidosus) und seiner Fehdegenossen war aber nur eine relative, und zwar nach zwei Pachtungen hin: sie bestand dem gemeinen Wesen und unbeteiligten Dritten gegenüber nicht, und sie galt nur bis zu dem Maße der Vergeltung, so daß Tötung für bloße Verletzung, Tötung mehrerer für Tötung einer geringeren Zahl, Tötung eines Höheren für Tötung eines Geringeren als Überschreitung des erlaubten Maßes angesehen wurde und die Gegenpartei zu einer Entschädigung berechtigte. Andererseits galt einer rechten Fehde gegenüber die Verteidigung nicht als erlaubte Notwehr; Tötungen und Verletzungen, von der befehdeten Partei bei der Verteidigung begangen, häuften nur neue Schuld zu der alten. Aber Meinthaten mußten auch dem faidosus gegenüber ausgeschlossen bleiben; im Finstern schleichende Rache war keine ehrliche Fehde, heimliche Tötung galt auch hier als Mord, heimliche Wegnahme von Vermögensgegenständen als feiger Diebstahl. Die allgemeinen Friedstätten waren cuiusque civitatis fiunt atque ea iuventutis exereendae ac desidiae minuendae causa fieri praedicant. Bei den Holsteinern herrschte diese Auffassung noch im 12. Jahrhundert. Vgl. HELMOLD, Chronica Slavorum I. c. 47. s Tacitus, Germanica c. 21 (Anm. 10). 9 Vgl. Germania c. 21 (Anm. 10). c. 22. 10 Germania c. 21 : Suscipere tarn inimicitias seu patris seu propinqui quam amicitias necesse est. nec implacabiles durant: luitur enim etiam homiddium certo armentorum ac pecorum numero, recipitque satisfactionem universa domus; utiliter in publicum, quia periculosiores sunt inimicitiae iuxta libertatem. 11 Vgl. GRIMM, DWB. III. 1417. Über die Blutrache bei den Germanen ist außer der Anm. 1 angeführten Litteratur besonders zu vergleichen KOHLEB, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 157—179 und Nachwort 17 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire etc. de la Loi Salique 153 ff.

74

Die germanische Urzeit.

auch Freistätten für 'den befehdeten Missethäter 12 ; selbst sein HausMede mußte gewahrt bleiben, Bruch desselben war strafbare Heimsuchung 13 . Erst in der folgenden Periode hat das erstarkte Königtum zuweilen unternommen, die Fehde zu beschränken, indem der befehdeten Partei das Recht eingeräumt wurde, dem Gegner Sühne anzubieten und so das Recht auf Fehde seinen Händen zu entwinden. Aber unsere Periode hat davon noch nichts gewußt; ein derartiges Anerbieten seitens des Missethäters konnte nur auf Grund eines bestimmt ausgeprägten Kompositionensystems erfolgen, ein solches aber war der Urzeit noch unbekannt 14 . Denn wenn die verletzte Partei statt des Fehdeganges den Rechtsgang wählte, so klagte sie nicht auf Buße, sondern auf Strafe für die Missethat. Die Buße beruhte in unserer Periode ausschließlich auf Sühne, mochte der Sühnevertrag gerichtlich oder außergerichtlich zu stände gekommen sein. Die Strafe für Missethaten, die nicht Neidingswerke waren, bestand in der Friedloserklärung. Man darf zuversichtlich behaupten, daß die germanische Urzeit weder eine ipso iure eintretende Friedlosigkeit (abgesehen von notorischen Friedensbrüchen), noch eine bloße Bußfälligkeit (soweit es sich um eine wirkliche firintat handelte), sondern nur eine durch Urteil verhängte Friedlosigkeit, also die Ächtung, gekannt hat. Dies wird bestätigt durch goth. gavargjan (condemnare) und alts. wargida (d. h. Friedensgeld, s. Anm. 20), denn „Wolf" (altn. vargr, goth. vargs, ags. wearg, mhd. wäre) oder „Waldgänger" (altn. skoggängr, ags. wealdgenga) war die gemeingermanische Bezeichnung für den Geächteten16. Der Friedlose verlor nicht bloß die „Mannheiligkeit", d. h. den Anspruch auf persönlichen Rechtsschutz, sondern er wurde überhaupt aus der allgemeinen Friedens- und Rechtsgenossenschaft ausgestoßen, sein bewegliches Vermögen wurde herrenlos, er war bürgerlich tot 16 . Während die Fehde auch die Verwandten des Missethäters mitergriff, war die Friedlosigkeit auf die Person des Ge12 Aber nur für den befehdeten, nicht für den verurteilten. Ygl. WEINHOLD. Über die deutschen Fried- und Freistätten, Kieler Universitätsprogramm, 1864. 13 Auch hier im Gegensatze zu dem Verurteilten oder Ächter. Wenn der faidosus selbst in seinem eigenen Hause Schutz fand, so war dies selbstverständlich in dem Hause eines Dritten, bei dem er Zuflucht gefunden hatte, nicht minder der Fall. 14 Vgl. Anm. 18. 16 Vgl. Anm. 2 0 . GBIMM, RA. 7 3 3 f. v. AMIRA, Zweck u. Mittel 4 7 f. K . MAUBER i. d. Krit. Vierteljahrsschr. XVI. 85. LEXER, Mhd. WB. III. 688. Der altn. Ausdruck für die Ächtung war utleg$ (von lag, l'og), wie mhd. echtelos (von e, Ehe). Vgl. S. 1 1 , Das ahd. ähta, mhd. ahte, fehte, bedeutet Verfolgung. Eine Glosse bei STEINMEYER u. SIEVEBS H . 3 7 8 giebt exlex mit zehho (statt ze ehto) wieder. 16 Eine wirkliche Vermögenseinziehung brachte die Friedlosigkeit erst in der späteren Zeit mit sich. Unsere Periode kannte wohl nur Angriffe auf das Vermögen zu den Zwecken der Bache oder der Befriedigung von Entschädigungsansprüchen. Bei den Sachsen; Friesen und Normannen hat sich das auch im schwedischen Hecht bezeugte Niederbrennen der Häuser Geächteter im Wege der Volksjustiz bis tief in das Mittelalter erhalten. Vgl. WILDA, a. a. 0 . 2 9 3 . GRIMM, RA. 7 2 9 . v.. RICHTHOFEN

§ 12.

Das Strafrecht.

75

ächteten beschränkt; dagegen stand das Recht des Angriffs nicht bloß der klägerischen Partei, sondern schlechthin jedem zu, während jede Unterstützung des Friedlosen, auch seitens seiner Verwandten, bei Strafe verboten war. Freistätten gab es für den Friedlosen nicht, doch durfte derselbe an geweihter Stätte nicht getötet werden. Heimliche Tötung war auch dem Friedlosen gegenüber untersagt. Die Tötung mußte offen vorgenommen und alsbald zur Anzeige gebracht werden. Das nordgermanische Recht unterschied eine sühnbare und eine unsühnbare Friedlosigkeit. Es wurde schon oben (S. 72) bemerkt, daß die letztere wahrscheinlich jüngeren Ursprungs und erst an die Stelle der unter dem Einflüsse des Christentums beseitigten sakralen Strafen getreten ist 17 . Jedenfalls läßt sich der gemeingermanische Charakter der sühnbaren Friedlosigkeit feststellen, und zwar mit Hilfe der fränkischen Volksrechte, deren Bestimmungen über die Bestrafung des Gräberraubes geeignet sind, die historische Entwickelung von dem System der bußbaren Friedlosigkeit zum Kompositionensystem in das hellste Licht zu setzen, Ganz auf dem Standpunkte des Kompositionensystems steht das jüngere Volksrecht (Lex Ribuaria 85, § 2); es bestimmt, daß der Thäter 200 solidos cum capitale et dilaturas culpabilis iudicetur, vel wargus sit, usque ad parentibus satisfecerit, also Verurteilung zu Schadensersatz und Geldstrafe (das Wergeid des Thäters als Löse des Halses), im Nichtzahlungsfalle Friedlosigkeit; die letztere nicht mehr Strafe für das Verbrechen, sondern Strafe für die Rechtsverweigerung, prozessualisches Zwangsmittel. Ganz anders die Lex Salica (Tit. 55 §§ 2, 3), die der ribuarischen Bestimmung als Vorlage gedient hat: Si corpus iam sepultum effuderit et expoliaverit, et ei fuerit adprobatum, wargus sit usque in die illa quam ille cum parentibus ipsius defuncti conveniat, et ipsi pro eum rogare debent, wl illi inter homines liceat accedere . et qui ei, antequam parentibus conponat, aut panem dederit aut hospitalitatem dederit, seu parentes seu uxor proxima, 600 dinarios qui faciunt solidos 15 culpabilis iudicetur. ipse vero, qui hoc admisisse probatur, 8000 dinarios qui faciunt solidos 200 culpabilis iudicetur. Hier erscheint die Friedlosigkeit noch als die unmittelbare Strafe für die Grabesschändung; aber sie ist sühnbar, auf den Antrag der klägerischen Partei muß der Geächtete jederzeit wieder in den Frieden eingesetzt werden; das Sühnegeld ist gesetzlich fixiert, mehr können also die Kläger und das Gericht nicht verlangen; wenn der Geächtete das gesetzliche Sühnegeld ani. d. Mon. Germ. Leg. V. 91 Note 43; Zur Lex Saxonum 306 f. Privileg f. Staveren v. J. 1108 bei WAITZ, Urkunden zur deutsch. VG. Nr. 9. DD CANGE, Glossarium s.

v. condemnare. 17

Vgl v. AMIBA, Vollstreckungsverfahren 18, 37, 43 f., 48; Zweck u. Mittel 73. K. MAURER i. d. Krit. Vierteljahrsschr. XVI. 84 ff. Während wir dem ersteren in der Annahme der Priorität der milderen Friedlosigkeit zustimmen, halten wir es andererseits mit MAURER für zweifellos, daß der Thäter in der germanischen Zeit nicht das Eecht hatte, durch Angebot der Buße die Fehde abzuwenden. Nur die Friedlosigkeit konnte er abkaufen, nachdem der Verletzte geklagt, also auf die Fehde verzichtet hatte.

Die germanische Urzeit.

76

bietet, darf ihm der Friede nicht versagt werden. Es ist leicht, von hier aus einen Schritt nach rückwärts zu thun: der endgültigen Festsetzung des Sühnegeldes durch Gesetz muß eine solche durch das Gericht von Fall zu Fall vorangegangen sein. Das Gericht war also urteilendes Gericht, wenn es die Ächtung aussprach; dagegen Sühnegericht, wenn es auf Antrag des Beklagten ein Sühnegeld festsetzte18. Wir wissen aus nordischen Quellen, daß das Gericht diese Festsetzung dem Kläger übertragen konnte und daß dies die ehrenvollste Art war, demselben Genugthuung zu verschaffen; aber wenn das Gericht ihm die Bestimmung nicht überließ, sondern den Betrag von sich aus festsetzte, so mußte der Kläger die so gebotene Sühne annehmen; insofern hatte er durch die Anrufung des Gerichts die Sache aus der Hand gegeben, das Gericht war nicht bloß zum Sühneversuch berufen, es war Sühnegericht. Treffend übersetzen althochdeutsche Glossen iudex deiudicat m i t pisönit19.

mit urteilo

und söneo,

iudicium

mit

söna,

Damit haben wir den Bericht des Tacitus über die Behandlung der leviora delicta mit der nordgermanischen Friedlosigkeit in einen organischen Zusammenhang gebracht. Zwischen einer an den Kläger zu zahlenden Buße und dem an die öffentliche Gewalt für die Rückgewähr des Friedens zu zahlenden Friedensgelde unterscheidet Tacitus noch nicht, die mulcta umfaßt ihm beides, ein Teil fällt als Buße an den Kläger, ein anderer Teil als Friedensgeld an die öffentliche Gewalt20. 18 Wie in der Lex Salica der Gräberraub noch nach dem älteren Standpunkte behandelt wird, während das Gesetz im übrigen schon das unmittelbare Kompositionensystem angenommen hat, so zeigt sich in der Les Saxonum c. 20 eine ähnliche Ungleichheit in der Behandlung des Plagium: der Thäter hat den in die Sklaverei Verkauften wie einen Erschlagenen zu büßen, wenn derselbe nicht zurückkehrt; mit dem halben Wergeide, wenn er ohne Zuthun des Schuldigen zurückkehrt; wenn aber dieser selbst ihn zurückführt: emendet ei iuxta quod placitare potuerit, hier also Festsetzung der Buße im Sühneverfahren. Eine Reminiscenz an das letztere auch noch Capitulare Saxonicum von 797, c. 4 (Anm. 20). Einen Rest der ursprünglichen Auffassung glauben wir auch darin zu erkennen, daß der Prozeß der Lex Salica noch keine Vollstreckung aus dem Urteil auf Zahlung, sondern nur eine solche aus dem Erfüllungsgelöbnis (fides facta) kennt. Es blickt immer noch der Gedanke durch, daß der Beklagte nur zu zahlen hat, weil er es versprach; verspricht er nicht, so tritt die unmittelbare Strafe, die er hätte abwenden können, die Friedlosigkeit, ein. 19

50

STEINMEYER U. SIEVEBS, I . 1 4 f . 6 2

ff.

Vgl. §

13 A n m .

32.

Für die Bedeutung des der öffentlichen Gewalt zufallenden Anteils an der Buße ist die Anm. 18 angezogene Bestimmung des Capitulare Saxonicum lehrreich, [n jeder zur Erledigung gekommenen Sache sollen zweimal 12 solidi erhoben werden, [st die Sache vor dem ordentlichen Gericht entschieden (infra patriam cum propriis vicinantibus pacificata), so erhält die Gerichtsgemeinde beide Beträge, den einen pro lislrictione, den anderen pro wargida. Bei Entscheidungen vor dem missus regis ;rhält der König den ersten Betrag (quia missus regalis ex hae re fatigatus fuerit), ler Betrag pro wargida verbleibt der Gerichtsgemeinde. Bei Entscheidungen im königlichen Hofgericht kommen beide Beträge an den König. Es ergiebt sich, daß ler eine Betrag den Lohn für die Sühneverhandlung, der andere den Preis für die Aufhebung der Friedlosigkeit, also den Einkauf in den Frieden, darstellt.

§ 12.

77

Das Strafrecht.

Während der Anteil, den die öffentliche Gewalt von dem Sühnegelde erhielt, als Friedensgeld, d. h. als Preis für die Rückgewähr des allgemeinen Friedens, angesehen wurde, erschien der Anteil der klägerischen Partei, also die eigentliche Buße (compositio) oder, soweit es sich um eine Totschlagsbuße handelte, das Manngeld (werigelt,

manböt,

leodgeld,

liudi,

leudis)21, als Entschädigung für den besonderen Friedensschluß, als Fehdegeld 22 . Dem entsprechend galten der Empfang der Buße und die Aufbringung der Buße, also Bußenforderung und Bußenschuld, in derselben Weise wie die aktive und die passive Teilnahme an der Fehde als Familiensache 23 . Daher waren die Verwandten eines Totschlägers verpflichtet, zur Aufbringung des Wergeides beizusteuern, zuweilen subsidiär, soweit seine eigenen Mittel nicht ausreichten 24 , in der Regel aber so, daß das Wergeid in zwei voneinander unabhängige Teile zerfiel, von denen der eine als „Erbsühne" von dem Thäter und seiner Hausgenossenschaft an den engeren Verwandtenkreis des Erschlagenen, der andere als „Magsühne" (altn. ättarbot) von dem weiteren Verwandtenkreise des Thäters an den weiteren Verwandtenkreis des Getöteten zu entrichten war 26 . Eine gesetzliche Tarifierung der Wergelder und Bußen hat erst in späterer Zeit, zumeist erst bei der Aufzeichnung der Volksrechte, stattgefunden, doch läßt sich nicht bezweifeln, daß die Gerichte sich bei der Festsetzung der Sühnegelder von jeher in erster Reihe nach dem Stande des Getöteten oder Verletzten gerichtet haben. Dabei darf man vermuten, daß als Grundlage für das Wergeid eines freien Mannes in der Regel der Wert eines Freienhofes gedient hat 26 . Die Sühne wurde regelmäßig von den Parteien eidlich bekräftigt 27 . Bruch des so gelobten Friedens galt als Neidingswerk. Die Zahlung des Sühnegeldes konnte wohl nur in den seltensten Fällen sofort geschehen; in der Regel mußte es gestundet und für die spätere Zahlung Sicherheit geleistet werden 28 . Es ist schon an anderer Stelle (S. 55f.) bemerkt, wel21

Vgl. GRIMM, RA. 650 ff. Die Wortbedeutung ist gleichmäßig Mann- oder Leutegeld, denn ahd. wer (goth. vair, altn. verr) ist vir. 22 Daher die Bezeichnung der Buße als faidus oder faida. Vgl. M Ö L L E N H O F F bei WAITZ, Recht der sal. Franken 282. 23 Vgl. BBUNNER, Sippe und Wergeid, i. d. Zeitschr. f. RG. XVI. 1—87. v. AMIRA, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung 22 ff., 84 ff., 116 ff., 142 ff. K. MAURER i. d. Krit. Vierteljahrsschr. III. 49. WILDA, Strafrecht 372 ff. KOHLER, Shakespeare 1 5 8 ff.

W A I T Z , I . 7 0 f . , 7 4 ff.

24 25 26

So bei den salischen Franken. Vgl. Lex Salica 58 (s. Anm. 29). Die meisten Stämme rechneten zwei Drittel als Erb-, ein Drittel als Magsühne. Vgl.

WAITZ, I . 1 2 7 , 4 4 1 f.

27

Der deutsche Ausdruck dafür war Urfehde, der angelsächsische unf&hcte, der nordische prygctir. Vgl. GRIMM, R A . 53, 907. HALTAUS, Glossarium 2 0 0 0 ff. L E X E R , Mhd.

WB.

II. 2 0 1 6 .

SCHILLER U. L Ü B B E N , M i t t e l n d . W B .

III. 241.

v . AMIRA,

Voll-

streckungsverfahren 21; Obligationenrecht I. 682. WILDA, Strafrecht 229 ff. SIEGEL, a. a. 0. 25. LÖNING, Vertragsbruch 132 ff. Über den Sühnekuß vgl. BBUNNER, a. a. O. 16 f. 28

Vgl.

BRUNNEB, a. a. 0 .

8 f.

v.

AMIRA, V o l l s t r e c k u n g s v e r f a h r e n

58.

Die germanische Urzeit.

78

chen Einfluß derartige Kautionen auf die Entwicklung des germanischen Vertragsrechtes ausgeübt haben. Wurde das Sühnegeld auch mit Hilfe der Verwandten nicht aufgebracht, so trat volle Friedlosigkeit ein; war man des Schuldigen habhaft, so wurde derselbe dem Kläger zur Vollziehung der Rache übergeben 29 . Fehde und Friedlosigkeit haben unzweifelhaft immer nur bei wirklichen Missethaten, wie sie in der altdeutschen Rechtssprache als firintdt zusammengefaßt wurden (S. 72), Anwendung gefunden. Wo dem Thäter der verbrecherische Wille fehlte, also eine Auflehnung gegen die Rechtsordnung nicht vorlag, kann es von jeher nur Bußen und Schadensersatzansprüche gegeben haben 3 0 ; die Friedlosigkeit war hier nur ein prozessualisches Zwangsmittel. Von der Handhabung des Thing- und Heeresfriedens ist bereits die Rede gewesen 31 . Wie hier von den Priestern, so wurde innerhalb der Hausgenossenschaft von dem Vater, innerhalb des Gefolges von dem Gefolgsherrn eine weitgehende Disziplinargewalt ausgeübt 32 . Endlich ist noch der Recht- und Ehrlosigkeit zu gedenken, die als unmittelbare Folge'einer schmählichen Handlung, nicht aber als eigentliche Strafe, eintrat. Wer einem Heerkönig im Thing die Folge versprochen, dann aber wortbrüchig geworden war, wurde nach Caesar (Bell. Gall. VI. c. 2 3 ) in deseriorum ac proditorum numero gezählt, omniumque his verum postea fides derogatur. Ebenso wurde der Gefolgsmann angesehen, der aus einem Kampfe wich, in welchem sein Herr geblieben war: iam vero infame in omnem vitam ac probrosum, superstitem principi suo ex acie recessisse33. Auch wer seinen Schild in den Händen des Feindes lassend aus dem Kampfe zurückkehrte, galt als bescholten und durfte fernerhin weder bei öffentlichen Opferfesten, noch im Thing erscheinen 34 .

29 Lex Salica Tit. 58 de chrene cruda. Lex Burg. 12 § 3. Pact. Alam. IV. c. 3 § 5 (Lex Alam. 100, 5). Vgl. SOHM, Prozeß der Lex Salica 175 ff. WAITZ, Recht der

sal. F r a n k e n 1 7 6 f.

WILDA, Strafrecht 391.

GBIMM, R A . 6 1 7 . 6 6 3 .

BRUNNER, a. a. O.

37 ff. v. AMIRA, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung 22 ff. KÖHLER, Shakespeare 159. THONISSEN, Organisation judiciaire de la Loi Salique 225 ff. 30

Vgl. WILDA, a. a. O. 5 4 4 ff. v. RICHTHOFEN, a. a. 0 . 2 4 0 ff. v . AMIRA, Obli-

gationenrecht I. 369 ff. 706 ff. 31 Vgl. S. 17, 31. Die Strafen der Fesselung und körperlichen Züchtigung können nur als Disziplinarstrafen angesehen werden. 32 Über die Bestrafung von Ehebruch und Unzucht weiblicher Familienglieder durch den Hausherrn unter Mitwirkung der Familie und der ganzen Gemeinde vgl. Tacitus Germ. c. 19. Brief des Bonifacius an König Aethilbald (JAFF£, Monumenta Moguntina 172). WAITZ, I. 58. Über die Disziplinargewalt des Gefolsherrn vgl. S. 27f. 33 Tacitus Germania c. 14. Vgl. WAITZ, I. 376. 34 Germania c. 6: scutum reliquisse praecipwwmflagitiwm,nec aut sacris adesse auf condlium inire ignominioso fas; multique superstites bellorum infamiam laqueo finierunt. Vgl. WAITZ, I. 348, 413. Über das altnordische Recht WILDA, a. a. 0. 304 ff., in der .Note.

§ 13.

Das Gerichtsverfahren.

79

§ 13. Das G e r i c h t s v e r f a h r e n 1 . Die Quellen der Urzeit geben über das gerichtliche Verfahren noch keinen Aufschluß, doch läßt sich durch Vergleichung des der früheren Eutwickelungsstufe noch sehr nahestehenden Prozesses der Lex Salica mit dem der nordgermanischen Rechte wenigstens ein annähernd richtiges Bild gewinnen. Das germanische Recht hatte den Standpunkt niederer Kultur, der nur ein Strafverfahren kennt und den Schutz der Privatinteressen privatem Austrag oder einer ungeregelten Selbsthilfe überläßt, bereits überwunden, war aber noch nicht zu der Ausbildung eines von dem Strafverfahren ausgeschiedenen rein bürgerlichen Verfahrens vorgeschritten. Das ordentliche Verfahren beschränkte sich auf den Deliktsprozeß. Privatrechtliche Ansprüche konnten im Wege Rechtens nur verfolgt werden, wenn sie liquid waren und der Kläger den Beklagten durch eine erfolglos gebliebene Aufforderung, ihn zu befriedigen, in formales Unrecht versetzt hatte; die Bestrafung dieses Unrechts, verbunden mit der civilrechtlichen Befriedigung des Klägers, bildete den Gegenstand eines eigentümlichen Betreibungsverfahrens. Eine Mittelstellung nahm schon nach der Lex Salica die Verfolgung gestohlener Sachen ein, bei welcher es sich ebensowohl um die Wiedergewinnung des Eigentums wie um die Bestrafung des Diebes handelte; ob aber das hierher gehörige Verfahren im einzelnen noch der Urzeit angehört, unterliegt bei der zum Teil abweichenden Gestaltung des nordgermanischen Rechtes erheblichen Zweifeln. Für illiquide privatrechtliche Ansprüche war der Rechtsweg noch nicht eröffnet 2 . Das Gerichtsverfahren beruhte wie bei den Legisaktionen der Römer auf dem strengsten Formalismus und einer weitgehenden Verhandlungsmaxime. Der einzelne Prozeß spielte sich wesentlich wie ein Kampf der Parteien unter den Augen des Gerichtes ab 3 . Die eigentliche Prozeß1 Vgl. SIEGEL, Geschichte des deutschen Gerichtsverfahrens, 1857. v. BETHMANN-HOLLWEG, Der germanisch-romanische Civilprozeß im Mittelalter, I. 1868. SOHM, Der Prozeß der Lex Salica, 1867; Reichs- und Gerichtsverfassung 113—132, 138 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire etc. de la Loi Salique, 1882, S. 401—543. WAITZ, Recht, der sal. Franken 154—185. BEHBEND, Zum Prozeß der Lex Salica, i. d. Festgaben für Heffter, Berlin 1873. PARDESSÜS, Loi Salique 597—613. v. AMIRA, Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren, 1874; Nordgerm. Obligationenrecht, I.

§ § 11, 1 5 — 2 3 , 34, 35, 7 0 ; a u c h i. d. G ö t t . g e l . A n z e i g e n , 1 8 8 5 , S. 161FF.

K . MAUBEK,

i. d. Krit. Vierteljahrsschr. XVI. 97—108, XVIII. 32—77; Das Beweisverfahren nach deutschem Recht, i. d. Krit. Überschau V. 180—249, 332—393. HERTZBBRG, Grundtr®kkene i den seldste norske proces, 1874. K.LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen 13—21, 111—119. LAUGHLIN, The anglosaxon legal procedure, i. d. Essays in anglosaxon law, 183-305. GAUDENZI, I/antica procedura germanica e le legis actiones del diritto romano, 1884. ZOBN, Das Beweisverfahren nach langob. Recht, 1872.

PERTILE, a. a. 0 . V I .

WAITZ, I . 4 4 2 ff.

GRIMM, R A . 8 3 9 ff. V g l . die z u § 37

angeführte Litteratur. Siehe auch IHERING, Das Schuldmoment im röm. Privatrecht (Vermischte Schriften Nr. IV) S. 232 ff. 2 Hier konnte das außergerichtliche Sühneverfahren bei Gastmählern (Tacitus, Germania c. 22) seine Wirksamkeit entfalten. Daraus sind wohl die nordischen Privatgerichte für das Verfahren in illiquiden Rechtssachen (TcvaSaJ hervorgegangen. 3 Über die Gleichstellung von Thing und Kampf vgl. S. 31, Anm. 13. Die Grund

80

Die germanische Urzeit.

leitung lag nicht in der Hand des Richters, sondern in der Hand der betreibenden Partei. Legte die spätere Rechtssprache dem Richter Zwing und Bann oder Gebot und Verbot bei, so stand ihm in unserer Periode mehr nur das negative Recht des Verbotes und der Bestrafung dingwidriger Handlungen zu. Das Recht des zwingenden Gebotes, dem bei Strafe Folge geleistet werden mußte, hatte, soweit es auf den einzelnen Rechtsstreit ankam, vor allem der Kläger. Die zwingende Kraft dieses Gebotes lag allein in seiner dem Recht entsprechenden Form, ohne Rücksicht auf seine materielle Berechtigung oder Nichtberechtigung 4 . Der Schutz gegen den Mißbrauch des Gebotes bestand, abgesehen von den prozessualischen Nachteilen, in der Geldbuße, in welche der Kläger verfiel, wenn sich im Laufe des Prozesses aus formellen oder materiellen Gründen die Unstatthaftigkeit des Gebotes oder die Nichtbeobachtung der dem Kläger selbst aus seinem Gebote erwachsenen Verpflichtungen ergab 6 . Der Ungehorsam einer Partei wurde nicht durch das Gericht, sondern durch feierlichen Protest des Gegners festgestellt 8 . 1. D a s o r d e n t l i c h e V e r f a h r e n . Die Eröffnung geschah durch die Ladung. Die Ladung hieß Mahnung (mannitio), Berufung (altn. stefiia, heimstefna, mälstefiia), admallatio7. Sie geschah nicht durch den Richter, sondern war ein außergerichtliches, rechtsförmliches Gebot des Klägers an den Beklagten, mit Angabe des Termins und des Gegenstandes der Beschuldigung, vorgenommen im Hause des Beklagten vor mehreren zugezogenen Zeugen. Versäumte eine der Parteien den Tag, ohne sich wegen gesetzlicher Hinderungsgründe (sunnis, Ehaften, echte Not) durch einen Boten zu entschuldigen 8 , so wurde sie auf IJngehorsamsprotest des Gegners in eine Geldbuße an das Gericht und den Gegner verfällt. Den bedeutung von mhd. sacke (d. i. Streitsache) ist Kampf, Streit, Angriff. Vgl. LEXEB, Mhd. WB. II. 564 f. AMIBA, Oblig. I. 69 f. Das mlat. mannire (vor Gericht laden), unser Mahnen (ahd. alts. man&n, ags. manjan, altn. mana) bedeutet ursprünglich Aufforderung zwrn Kampf . Vgl. GBIMM, RA. 842; DWB. VI. 1462. Eine Eeihe prozessualischer Akte wurde mit der Waffe in der Hand vollzogen (vgl. Tacitus, Germ. c. 13). 4 Das klägerische Recht des Gebotes ist zuerst von SOHM, a. a. O. 2 ff. aufgedeckt worden. Der von ihm dafür gewählte Ausdruck „Pormalakt" will uns aber bei dein Reichtum des deutschen Rechtes an den verschiedensten Formalakten weniger passend erscheinen. 5 Die Lehre SOHM'S von der Kraft des Formalaktes ist zum Teil auf lebhaften Widerspruch gestoßen und namentlich von COHN, Die Justizverweigerung im altdeutschen Recht 28 ff., bekämpft. 6 Der Protest stellte in rechtsförmlicher Weise den Sonnenuntergang (solü collocatio, solsadium, altn. sölsetr) fest und wurde deshalb, in übertragener Bedeutung, selbst mit solem collocare oder solsaiire bezeichnet. Vgl. GBIMM, RA. 817, 846 f. WAITZ, Recht der sal. Pranken 159 f. Der Versuch von H. O. JAEHMANN, Der Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht 32 ff., die Quellenstellen auf die ursprüngliche Bedeutung (sol collocat = die Sonne geht unter) zurückzuführen, ist sprachlich unmöglich; er stützt sich auf einen offenbaren Schreibfehler einer einzigen Handschrift (Lex Salica 50, 2), die sich hinterher selber verbessert hat. 7 Über mannitio vgl. Anm. 3, über stefna (goth. stibna, vox) GBIMM, RA. 845. 8

Vgl.

GBIMM, R A .

847 f.

MÜLL^ENHOFP b e i W A I T Z , a . a . O .

293.

81

§ 13. Das Gerichtsverfahren.

ausgebliebenen Kläger traf außerdem, wenigstens später, die Strafe, daß er mit seiner Klage für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen wurde®, während der ausgebliebene Beklagte noch mehreremale geladen werden mußte und erst nach mehrmaligem Ungehorsamsprotest des Klägers ein Kontumazialurteil beantragt werden konnte10. Waren die Parteien im Gericht erschienen, so hatte der Kläger bei derselben Strafe, die den Ausbleibenden traf, die Klage vorzutragen11, wobei Haltung und Worte streng vorgeschrieben und bei Verlust des Prozesses keine Abweichungen gestattet waren. Mit der Klage verband sich eine feierliche Beteuerung, wahrscheinlich eine Art Gefährdeeid auf die Waffen, und die rechtsförmliche Aufforderung des Klägers an den Beklagten, ihm Wort für Wort zu antworten12. Die Antwort konnte ein einfaches Zugeständnis, oder eine einfache Ableugnung oder ein Zugeständnis mit Einreden enthalten13. Weigerte der Beklagte die Antwort, so wurde er wie ein Ausgebliebener behandelt. Nach der Antwort stellte der Kläger in feierlicher Weise die Urteilsbitte 14 . Man darf annehmen, daß das Urteil in unserer Periode regelmäßig von dem Richter, vielleicht nach vorheriger Beratung (Acht) mit den Weisesten unter den Thingmännern16, vorgeschlagen, sodann durch 9

Ygl. SOHM, Prozeß der Lex Salica 142. Ygl. ebd. 155 ff. Siehe auch Anm. 29. 11 Vgl. Anm. 9. Schon Tacitus erwähnt das Anklageverfahren (vgl. S. 35). Im allgemeinen galt der Satz: „Wo kein Kläger ist, soll kein Richter sein". Über Klagen vonAmts wegen vgl. § 12 Anm. 3. 19 Form and Bedeutung der Beteuerung des Klägers sind dunkel, ebenso ob das tanganare der fränkischen Rechte damit zusammenhängt oder ob eine bestimmte Art des Antwortgebotes darunter zu verstehen. Manches scheint auf ein Anfassen der Waffe (Ger, Schwert, Stab, festuca) hinzudeuten. Ygl. SIEGEL, a. a. O . 1 3 1 — 1 3 6 . SOHM, a. a. O . 1 4 3 — 1 5 0 ; Reichs- und Gerichtsverfassung 1 3 9 . C O H N , a. a. 0 . 2 2 — 4 0 . BRUNNER, Zeugen- und Inquisitionsbeweis 44. Über die zweifelhafte Wortbedeutung 10

v o n tanganare

v g l . GKIMM, R A . 5 .

MÜLLEMHOFF b e i W A I T Z , a . a . O . 2 9 3 .

DIEZ, W B .

d. roman. Sprachen II C , s. v. tangoner. 13 Die gewöhnliche Annahme, daß dem Beklagten nur ein Ja oder Nein gestattet, das qualifizierte Geständnis dagegen ausgeschlossen gewesen sei, legt dem deutschen Prozesse einen Formalismus bei, den er in seiner Entartung allerdings mehrfach entwickelt hat, von vornherein aber nicht besessen haben kann. Dem wegen eines Totschlags Angeklagten kann die Einrede der Straflosigkeit oder verminderten Strafbarkeit seiner Handlung nicht versagt gewesen sein. Es ist undenkbar, daß er sich nicht hätte auf ein Strafgedinge (vgl. § 11 Anm. 29—34), auf Friedlosigkeit, Fehde, Notwehr, Widerstand gegen das Binden bei handhafter That, auf ertappten Ehebruch, auf unbeabsichtigte Tötung u. dgl. m. hätte berufen dürfen. Ygl. WILDA, Strafrecht 545 ff., 564, 701 ff. THONISSEN, a. a. Ü. 432 f. Man kann auch nicht einwenden, daß alles dies schon in der Klage habe liegen müssen, wie etwa später in der Behauptung des malo ordine possidere. Denn wie sollte in solchen Fällen der Eid formuliert werden, wenn der Beklagte bloß ein „Nein" zu sagen hatte? Ygl. SOHM, Prozeß 137 ff. 14 Auch hier hatte das fränkische Recht die Aufforderung mit tangano. Vgl. SOHM, a . a . 0 . 1 5 0 ff. 15

R.

Vgl. S. 17, 34 und unten § 25.

SCHBÖDBB,

Deutsche Beohtsgeschiehte.

6

82

Die germanische Urzeit.

die Zustimmung (folge, volbort, nach Tacitus auctoritas) der Gerichtsversammlung zur lex erhoben wurde. War der Beklagte geständig, so erfolgte sofort die Verurteilung. In allen anderen Fällen wurde entweder ein Beweisurteil (so bei den Nordgermanen) oder, wie bei den Westgermanen, ein alternatives oder bedingtes Endurteil erlassen. War der Angeklagte ein Unfreier, so schritt man alsbald zur Tortur, während bei dem Verfahren gegen Freie ein besonderer Termin zur Beweisverhandlung angesetzt wurde. Der Beklagte mußte seinem Gegner ein Urteilserfüllungsgelöbnis ablegen und die Wahrnehmung des Beweistermins durch Geiseln sicherstellen16. Das Beweisverfahren war von einer höchst formalistischen Beweistheorie beherrscht. Es handelte sich nicht sowohl um die individuelle Überzeugung des Gerichts von der materiellen Wahrheit einer Behauptung oder Aussage, als vielmehr darum, dem Gegner, und mit ihm der Gesamtheit, eine juristische Gewißheit, eine formelle Wahrheit vorzuführen 17 . Die Beweisrolle und das Beweisthema wurden vom Gericht genau festgestellt. Die Beweisrolle war durchaus einseitig, jeder Gegenbeweis war ausgeschlossen. Der Beweis (probaiio) war, von Fällen der Notorietät abgesehen, ausschließlich Zeugenbeweis18. Berufen, denselben zu führen, war der Angreifer (also in der Kegel der Kläger, bei Einreden unter Umständen auch der Beklagte), vorausgesetzt daß er sich rechtzeitig dazu erboten hatte. War dies nicht der Fall, so hatte der Gegner sein Ableugnen eidlich zu bekräftigen 18 . Der Eid war demnach subsidiäres Beweismittel. Der Zeugenbeweis wurde entweder mit Erfahrungszeugen oder mit Urkundszeugen geführt. Erfahrungszeugen waren nur zulässig, wo es sich um länger dauernde Zustände handelte; der Beweis wurde durch Nachbar- oder Verwandtenzeugnis geführt. In anderen Fällen bedurfte es besonderer Urkundszeugen, die in rechtsförmlicher Weise zu der zu bekundenden Thatsache zugezogen oder, wenn zufällig anwesend, angesichts derselben zur späteren Bezeugung aufgefordert waren 80 . Die 16 Vgl. S. 55 ff. und unten Anm. 32, 33. Hatte der Beklagte keine Geiseln, so wurde er wohl selbst von dem Kläger in vorläufige Haft genommen, Die Beweisverhandlung fand bei den Westgermanen vor Gericht, im Norden dagegen in einem außergerichtlichen Termine vor den Parteien und gezogenen Zeugen statt. " Vgl. K. MAUBEB, Beweis verfahren 369 ff. BRUNNEB, Entstehung der Schwurgerichte 48. 18 Außer der Anm. 1 angeführten Litteratur vgl. R. LÖNING, Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen, 1880. Demselben gebührt das Verdienst, das Verhältnis des Zeugenbeweises zum Eide in das rechte Licht gestellt zu haben. 19 Der Leugnende war demnach „näher zum Eide". Thatsächlich war das Verhältnis dasselbe wie heute bei dem zugeschobenen Eide, den der Behauptende zuschiebt,-der Leugnende schwört. Nur die Terminologie war eine andere: heute wird die den Eid zuschiebende Partei als der Beweisführer angesehen, während diese Kolle nach dem Rechte des Mittelalters der schwörenden Partei zukam. 20 Vgl. GBIMM, RA. 143 ff., 857 f. Das Wort Zeuge selbst ist von ziehen abgeleitet. Die Quellen bezeichnen die Zeugen als testes tracti (bei den Baiern teste» per aures tracti), testes rogati. Die Grundbedeutung von ahd. wrchundo, mhd. ur-

§13.

Das Gerichtsverfahren.

83

Berufung auf rein zufällige Augen- oder Ohrenzeugen, obwohl solche gerade für den Beweis in Strafsachen von vorzüglicher Bedeutung sind, war ausgeschlossen. Die Zeugen hatten ihre Aussage zu beschwören. Ihre Vorladung erfolgte, wie die der Eideshelfer, durch den Produzenten. Da Urkunds- und Erfahrungszeugen im Deliktsverfahren naturgemäß nur selten Anwendung finden konnten, so lag der Schwerpunkt des Beweisverfahrens in dem Parteieneide 21 . Männer hatten denselben auf die Waffen zu leisten, Frauen in der Regel auf die Brust oder auf Brust und Zopf; bei den Nordgermanen war auch Ablegung des Eides auf einen Eidring in Gebrauch. Nur in geringeren Angelegenheiten genügte der Eineid der Partei. In der Regel mußte diesem, je nach der Bedeutung des Gegenstandes, eine größere oder geringere Zahl von Hilfseiden folgen. D i e E i d e s h e l f e r (consacramentales,

coniuratores,

gieidon,

hamedii)

hatten

nicht die objektive Wahrheit, sondern nur die subjektive Reinheit des Haupteides zu beschwören 22 . Da dies keine bloße Formalität, sondern ein wichtiges Beweismittel war, so konnten nur Personen, die den Schwörenden genau kannten, Verwandte, Nachbarn, Genossen, zur Eideshilfe zugelassen werden. Für die Verwandten war es Pflicht, der Aufforderung zur Eideshilfe Folge zu leisten, selbstverständlich aber nur, soweit sie dies mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten 2 3 . Wer nicht von der Redlichkeit des Schwörenden überzeugt war, hatte die Pflicht, den Hilfseid zu versagen. Die Vorladung der Eideshelfer wie der Zeugen war Sache der beweisführenden Partei, der hierzu das prozessualische Recht des zwingenden Gebotes zur Verfügung stand 24 . Gewichtigere Beweismittel als Zeugen und Eid waren später bei allen Germanen die Gottesurteile. Mit Ausnahme des Losurteils und des gerichtlichen Zweikampfes sind den Germanen, wie es scheint, diese mehr als bedenklichen Beweismittel noch unbekannt gewesen und erst später, in Anlehnung an die Gebräuche anderer Völker, durch kirchliche Einflüsse

künde, ist Zeuge. Eine andere Bezeichnung war der „Wissende" (ahd. giwizo, ags. gevita, altn. vitni). Im Altnordischen hieß die rogatio testium shtrskoting. Um die Urkundszeugen zur Abgabe ihres Zeugnisses ein für allemal zu verpflichten, mußte die Partei ihnen Urkundsgeld zahlen oder Weinkauf leisten, da eine öffentlichrechtliche Zeugnispflicht noch nicht bestand, eine privatrechtliche aber nur durch entgeltlichen Vertrag begründet werden konnte. Vgl. S. 53 f. 21 Insofern konnte man sagen, daß der Leugnende „näher zum Beweise" sei. Notorisch ehrlose Personen (S. 78) wurden weder zum Parteien-, noch zum Hilfsoder Zeugeneide zugelassen. Caesar, Bell. Gall. VI. c. 23: omnium his rerum postea fides derogatur. 22 Sie schworen, daß jener Eid rein und unmein sei. 23 Gegen die Annahme, daß die Eideshilfe schlechthin Verwandtenpflicht gewesen sei und mit der Fehdegenossenschaft zusammengehangen habe, vgl. Maurer, Beweisverfahren 197 ff. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung 578 ff. v. Amira, Zur altfränkischen Eideshilfe (i. d. Germania XX. 53—66) 59. 24 Vgl. Lex Salica 49. 6*

84

Die germanische Urzeit.

zur Anerkennung gelangt 26 . Verbürgt ist für die germanische Urzeit nur das Losurteil26, das aber nur bei todeswürdigen Verbrechen Anwendung gefunden zu haben scheint, ursprünglich auch wohl weniger zur Entscheidung der Schuldfrage, als der Trage des Strafvollzuges diente, indem man es vor jeder Hinrichtung für geboten hielt, die Götter zu befragen, ob ihnen das Opfer genehm sei. Gleich dem Losen war auch der Zweikampf dem germanischen Heidentume als Orakel bekannt; insbesondere diente er dazu, den Ausgang einer bevorstehenden Schlacht zu ermitteln27. Da nun jeder Prozeß als ein Kampf aufgefaßt wurde, so war nichts natürlicher, als daß man auch den Ausgang des Prozesseß nicht ungern von dem Ausfall eines Zweikampfes abhängig machte. So wurde der Zweikampf zum Gottesurteil im Prozeß28. Über seine Verwendung im einzelnen geben erst die Quellen der folgenden Periode Auskunft. Eines Endurteils nach Ablauf des Beweistermines bedurfte es nur nach den nordgermanischen Kechten; bei den Westgermanen war die Sache bereits durch das bedingte oder alternative Endirrteil erledigt. Ein Kontumazialurteil konnte der Kläger verlangen, nachdem er an drei oder vier aufeinander folgenden Terminen den Ungehorsamsprotest erhoben hatte 29 . Die Verurteilung lautete bei den Neidingswerken regelmäßig auf Tod30, bei anderen Friedensbrüchen dagegen auf sühnbare Friedlosigkeit (altn. ütlegd), d. h. alternativ auf Acht oder Sühneversprechen, eine Form der Verurteilung, die sich wenigstens für den Fall des Gräberraubes noch in der Lex Salica erhalten hat 31 , während diese im übrigen die Verhängung der Acht als ein Vorrecht des Königs behandelt und demgemäß nur eine Verurteilung auf Ablegung eines Sühneversprechens mit einem " Vgl. W I L D A , Ordalien (bei EBSCH und GBUBEB, Encyklopädie, III. Sektion, IV. Bd. 453—490) 480 ff. Bei den Nordgermanen gab es in der heidnischen Zeit nur den gerichtlichen Zweikampf, der dann in der christlichen Zeit durch die Einführung der anderen Gottesurteile verdrängt wurde. Vgl. K. MAUBEB, Das Gottesurteil im altnordischen Recht (i. d. Germania XIX. 139—148). v. AMIBA, i. d. GGA. 1855, S. 169 f. Das Gehen unter den Basenstreifen, das man früher für das nordgermanische Gottesurteil hielt, hat eine andere Bedeutung gehabt. Vgl. § 11, Anm. 94. 26

33—42. "

V g l . W I L D A , a. a . 0 . 4 5 4 f., 4 8 0 .

LILIENCBON U. MÖLLENHOFF, Z u r R u n e n l e h r e

HOMEYEB, Das germanische Losen (vgl. S. 11, Anm. 11) 763 ff. V g l . T a c i t u s , G e r m a n i a c. 10.

GBIMM, R A .

928.

88

Der entgegenstehenden Ansicht von MACBEB, Beweisverfahren 222—233, der den gerichtlichen Zweikampf für eine organisierte Fehde erklärt, können wir nur teilweise beistimmen. WILDA, a. a. O .

V g l . SIEGEL, a . a . O . 2 0 2 ff. LÖNINO, R e i n i g u n g s e i d 5 0 f f . , 7 5 ff.

4 6 0 ff., 4 7 7 ff.

" Vgl. Anm. 6. SOHM, Prozeß 155 ff, 180 ff. Der sachfällige Beklagte wurde als iactivus bezeichnet. 30 Vgl. S. 71 f. Dafür bei den Nordgermanen später meistens die strengere Friedlosigkeit, bei den Südgermanen die Zulassung der Lösung des Halses (vgl. Anm. 31). " . V g l . S. 75. Ganz ähnlich erscheinen die alternativen Urteile auf Tod oder Zahlung des eigenen Wergeides. Vgl. Lex Salica 50, 5: de vita culpahilis esse (lebet aut, quanlum valet, se redemat; 51, 2: aut se redimat, aut de vita componat.

§ 13. Das Gerichtsverfahren.

85

32

im Urteil bestimmten Inhalte (lex) kennt . Bei geringeren Delikten und bei Ungehorsamsbußen lautete das Urteil zwar auf Zahlung, aber gegen Urteilserfüllungsgelöbnis wurde dem Verurteilten regelmäßig Stundung gewährt33. Verhängung der Friedlosigkeit scheint hier auch als prozessualisches Zwangsmittel nicht vorgekommen zu sein. Eine Vollstreckung auf Grund des Urteils gab es nur bei Todesstrafen und bei Geldbußen. Soweit die letzteren der öffentlichen Gewalt zufielen, wurden sie unzweifelhaft von Amts wegen eingetrieben. Der Kläger hatte zur Befriedigung seiner Ansprüche ein privates Pfändungsrecht unter gerichtlicher Aufsicht; die Pfändung von Amts wegen ist erst in der folgenden Periode zur Ausbildung gelangt; den nordgermanischen Eechten ist sie im wesentlichen bis zum 13. Jahrhundert unbekannt geblieben. Die Friedlosigkeit gab der Vollstreckung insofern Baum, als sie dem Gericht wie dem Kläger den Zugriff zu dem Mobiliarvermögen des Geächteten eröffnete. Die Exekution auf Grund eines gerichtlichen Sühneversprechens oder Urteilserfüllungsgelöbnisses erfolgte im Wege des Betreibungsverfahrens. 2. Das V e r f a h r e n bei h a n d h a f t e r That. Wurde der Verbrecher auf handhafter That oder unmittelbar auf der Flucht ergriffen, so fand statt des kontradiktorischen ein rein exekutivisches Verfahren statt. Die Voraussetzungen der Verurteilung waren: a) daß der Verletzte sofort das Gerüft geschrieen hatte, durch das er alle, die es hörten, bei Strafe nötigte, zu seiner Unterstützung sowie zur Bezeugung des Geschehenen herbeizueilen34; ferner b) daß der Verbrecher alsbald, nebst den körperlichen Beweisen, gebunden vor das Gericht geführt wurde; endlich c) daß die Klage unmittelbar erhoben und durch die eidliche Aussage des Verletzten und einer genügenden Zahl von Schreimannen erwiesen wurdeSB. Erwehrte sich der Thäter der Festnahme, so konnte er von seinen Verfolgern ungestraft getötet werden. Andererseits mußte das mit Gerüft oder mit der Festnahme des Gegners begonnene Verfahren bei Strafe durchgeführt werden. 32

Vgl. R. LÖNING, Vertragsbruch 44 ff.

SOHM, a. a. 0 . 162ff., 180f„ 184 ff.

Die

Acht ist nur noch prozessualisches Zwangsmittel. Sie wird vom Könige verhängt, nachdem ihm nachgewiesen ist, daß der Beklagte das Urteilserfüllungsgelöbnis (fides facta), also das Sühne versprechen, verweigert hat. Vgl. Lex Salica 56. Daß die Gerichte ursprünglich die Sühne, d. h. die Wiedergewinnung des Friedens durch Geldzahlung, als ihre vornehmste Aufgabe betrachteten, blickt noch in verschiedenen ahd. Glossen durch. Vgl. S . 76. STEINMEYEB U. SIEVERS, I I . 277: sententia sona suna. Siehe auch LEXER, Mhd. WB. II. 1322. 33 Vgl. Lex Salica 57, 2. Von dem regelmäßigen Verwetten der Geldstrafen ist wohl die Bezeichnung derselben als Wette oder Gewette ausgegangen. Vgl. LÖNING, a. a. 0. 21 Anm. 32. 34 Über das Gerüft vgl. S . 30 Anm. 4 . SOHM, Prozeß 135 Anm. 2. STEINMEYEB u. SIEVERS, Ahd. Glossen II. 321: elamor gehruafti. 38 Die Schreimannen waren durch das Gerüft herbeigezogen, also festes rogati, wirkliche Urkundszeugen. Vgl. LÖNING, Reinigungseid 24 f., 65 ff., 80 ff.

86

Die germanische Urzeit.

3. D a s B e t r e i b u n g s v e r f a h r e n . Das Verfahren bei handhafter That hat das Vorbild für die exekutivische Verfolgung der auf dem gerichtlichen Sühneversprechen und Urteilserfüllungsgelöbnis beruhenden Ansprüche abgegeben. Sobald die Schuld fällig war, hatte der Kläger den Beklagten in rechtsförmlicher Weise zur Zahlung aufzufordern, sodann, wenn dieselbe ausblieb, Ungehorsamsprotest zu erheben und den Beklagten vor Gericht zu laden; im Termin handelte es sich nur um die Feststellung des Ungehorsams, worauf dem Kläger auf seinen Antrag die Befugnis zur Pfändung bewilligt wurde. Die große Übereinstimmung des Betreibungsverfahrens der Volksrechte, zumal der Lex Salica 36 , mit dem der nordgermanischen Rechte beweist, daß dasselbe schon in der germanischen Zeit auf alle liquiden vermögensrechtlichen Ansprüche ausgedehnt sein muß, indem der Ungehorsam des Schuldners gegen das rechtsförmliche Gebot des Gläubigers, ihn zu befriedigen, als eine rechtswidrige und darum strafbare Vorenthaltung von Vermögensgegenständen (altn. ran) angesehen wurde, so daß gegen den Säumigen sowohl wegen der Ungehorsamsbuße als auch wegen des zu Grunde liegenden privatrechtlichen Anspruches exekutivisch vorgegangen werden konnte. Die erste Voraussetzung des Betreibungsverfahrens war ein einseitiger, fälliger, zweifelloser oder sofort durch Zeugen festzustellender vermögensrechtlicher Anspruch 37 . Der Berechtigte hatte seinen Schuldner in dessen Wohnung vor zugezogenen Zeugen in rechtsförmlicher Weise zur Befriedigung seines Anspruches aufzufordern 38 . Diese Aufforderung, die in der Regel noch zwei- bis dreimal in bestimmten Fristen wiederholt werden mußte, wird von den Quellen als testare, contestari, admonere bezeichnet; altnordisch hieß sie krafa (altschwed. krcevia) oder ütbeizla". Hatte der 38 Vgl. SOBM, Prozeß der Lex Salica 11—54, 163—180, in einigen wesentlichen Punkten durch die Anm. 1 angeführte Schrift von B E H R E N D berichtigt. Die gegen die Konstruktion des Betreibungsverfahrens erhobenen Einwendungen von R. LÖNING, Vertragsbruch §§ 3—5, 9, werden durch die übereinstimmende Entwickelung des ost- und westgermanischen Rechtsganges widerlegt. Über die nordgermanische krafa vgl. die Anm. 1 angeführten Schriften von K. MAURER und IHERING, sowie AMIBA, Vollstreckungsverfahren 230—266, Obligationenrecht I § 11. 37 Altnordisch vitafe, d. h. gewußtes Gut. Ob der Anspruch obligatorischer oder dinglicher Natur war, machte keinen Unterschied. Die Lex Salica spricht nur von den Ansprüchen aus fides facta (ob sie nur das gerichtliche Urteilserfüllungsgelöbnis oder auch schon den außergerichtlichen Wettvertrag im Auge hat, vgl. S. 55 ff., läßt sich nicht sicher feststellen) und res praestita, sowie der Abtreibung eines neuen Ansiedlers (homo migrans). Zweifellos war das Betreibungsverfahren aber auch in allen ähnlichen Fällen, wo es sich um eine Zahlung oder um Herausgabe einer Sache handelte, zugelassen. Vgl. B E H R E N D , a . a . O . 6 3 f . Unbedingt ausgeschlossen waren Forderungen, denen ein Gegenanspruch des Beklagten gegenüberstand. 38 Die Zeugen hatten zugleich als Schätzleute für den Fall, daß Zahlung oder vielmehr Hingabe, an Zahlungsstatt erfolgte, zu dienen. 39 Ersteres von hrefja (anfordern), letzteres von beiia ut (herausbegehren). Vgl. v. AMIRA, Vollstr. 247. Die technische Bezeichnung des Betreibungsverfahrens war altschwed. sökia, d. h. angreifen, suchen, besuchen. Vgl. AMIRA, Oblig. I. 73 ff.

§ 13.

Das Gerichtsverfahren.

87

Kläger die Erfolglosigkeit seiner Aufforderung durch Ungehorsamsprotest festgestellt, so lud er den Beklagten vor Gericht. Im Termin hatte Kläger durch seine Zeugen die wiederholte Aufforderung des Beklagten und dessen Ungehorsam zu beweisen. Auf eine materielle Begründung des klägerischen Anspruches wurde nur eingegangen, wenn der Beklagte die Berechtigung desselben bestritt und dadurch ein kontradiktorisches Verfahren herbeiführte. Ergab sich die formelle oder materielle Nichtberechtigung des klägerischen Verfahrens, so verfiel der Kläger wegen Missbrauches des Gebotes in eine Buße. Wurde dagegen der Beklagte verurteilt, so hatte er außer der ursprünglichen Leistung eine Ungehorsamsbuße an den Kläger und die öffentliche Gewalt zu zahlen. Manches deutet darauf hin, daß die poena dupli hier mit Vorliebe angewendet wurde. Durch richterlichen Zahlungsbefehl 40 wurde der Kläger zur Pfändung ermächtigt. Die Vollziehung derselben war in dieser Periode wohl ausschließlich dem Kläger überlassen, eine gewisse Mitwirkung des Gerichts hat dabei aber wohl immer stattgefunden, schon wegen des dem Gerichte zufallenden Anteils an der Ungehorsamsbuße. Reichte die Pfändung zur Befriedigung des Gläubigers nicht aus, so verfiel der Schuldner nach dem späteren Recht bis zur Abarbeitung der Schuld in die Schuldknechtschaft, er wurde mit seiner Person Nutzpfand des Gläubigers 41 . 40

Die fränkische Formel dafür lautete: nexli gantickio,

HOFF, b e i W A I T Z ,

Recht

der sal. P r a n k e n

vgl. GBIMM U. MÖLLEN-

2 9 0 f.

4 1 Vgl. KOHLER; Shakespeare 29. Über das Recht des Klägers, den zahlungsunfähigen Schuldner zu töten, vgl. § 12, Anm. 29.

Zweite Periode. Die f r ä n k i s c h e

Zeit.

Erstes Kapitel. Die Bildung der Stammesreiche. H a u p t q u e l l e n werke: M o n u m e n t a G e r m a n i a e h i s t ó r i c a , Auctorum antiquissimorum tom. I—VI. 1877—83; Scriptores rerum Merovingicarum. I. 1885. L i t t e r a t u r : ARNOLD, Fränkische Zeit (a. u. d. T. Deutsche Geschichte IL), 1881—83; Ansiedelungen und Wanderungen deutscher Stämme, 1875. DAHN, Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker I.—III. 1881—86; Die Könige der Germanen I.—VI. 1861—71. (VI. 2. Aufl. 1885). KAUFMANN, Deutsche Geschichte bis auf Karl den Großen I. II. 1880—81. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte II. (3. Aufl.) 1. Abt. 1—79. v. WIETERSHEIM, Geschichte der Völkerwanderung, 2. Aufl. bearb. von DAHN, I. II. 1881. — v. BETHMANN-HOLLWEG, Der germanisch-romanische Ciyilprozeß im Mittelalter I. 1868. v. DANIELS, Handbuch der deutschen Reichs- u. Staatenrechtsgeschichte I. § 16 bis § 62. — C. BINDING, Geschichte des burgundischromanischen Königreichs, 1868. WINKBIMANN, Geschichte der Angelsachsen, 1883. GIBBON, History of the decline and fall of the Roman empire. LONGNON, Géographie de la Gaule au VI. siècle, 1878. § 14. D i e B i l d u n g g e r m a n i s c h e r S t a m m e s r e i c h e 1 . Die ungeheure Völkerbewegung, die wir als die Völkerwanderung zu bezeichnen pflegen, zerfällt in vier Phasen. Sie beginnt in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts mit dem Abzüge der gothisch-vandalischen und verschiedener suebischen Völker aus dem nordöstlichen Germanien, offenbar teils infolge eingetretener Übervölkerung, teils veranlaßt durch das Vordrängen der Sarmaten oder Letto-Slaven, die alsbald das von den Germanen verlassene Gebiet von der Elbe und Saale bis über die Weichsel 1

Vgl. unsere Tafel I. über die Gebiete der deutschen Stämme, sowie die S. 8 Anm. 1 angeführten Werke von J. GRIMM und ZEÜSS, ferner C. PLATNEB, Über die Art der deutschen Völkerzüge zur Zeit der Wanderung, i. d. Forschungen z. deutsch. Geschichte XX. 165 ff. Der letztere macht darauf aufmerksam, daß regelmäßig nicht die ganze Bevölkerung auf die Wanderung gegangen ist. Immer sind es nur die jüngeren, kräftigeren Elemente gewesen, während die übrigen zurückblieben und, nachdem sie den alten Zusammenhang teilweise noch eine Weile festgehalten hatten, allmählich von nachrückenden Völkern dienstbar gemacht oder aufgesogen wurden. Geringe Reste des gothischen Stammes haben sich bekanntlich am Schwarzen Meere bis zum 18. Jahrhundert erhalten.

§ 14. Die Bildung germanischer Stammesreiche.

89

hinaus, südlich bis zum oberen Maingebiet vorrückend, in Besitz nehmen. Durch diese geographische Verschiebung wird der bisherige Zusammenhang mit den Nordgermanen gelöst, andererseits eine um so innigere Berührung mit der römischen Kulturwelt und der christlichen Kirche angebahnt. — Die zweite Phase beginnt mit dem Einfall der Hunnen im Jahre 375, indem die nach Südosten gewanderten gothisch-vandalischen Völker, soweit sie nicht in Abhängigkeit von den Hunnen geraten, in eine gewisse Verbindung mit dem römischen Reiche treten, durch die ihnen im Laufe des fünften Jahrhunderts die Gründung eigener Reiche auf altrömischem Boden, in Gallien und Spanien, ermöglicht wird. — Als die dritte Phase kann man die mit dem Zusammenbruche des weströmischen Reiches in Verbindung stehende Ausdehnung der Franken nach Westen und Süden, die Übersiedelung von Angeln, Sachsen und Jüten nach Britannien und die Besetzung der dadurch entvölkerten jütischen Halbinsel durch Nordgermanen (Dänen), sodann die Gründung des ostgothischen Reiches in Italien bezeichnen. Die letzte Phase bildet die an den Sturz des Ostgothenreiches unmittelbar anknüpfende Gründung des Langobardenreiches in Italien. Auf die Verfassung der germanischen Staaten hat der furchtbare Kampf ums Dasein, den diese Völkerzüge naturgemäß mit sich brachten, einen doppelten Einfluß geübt. Die volksstaatliche Verfassung war den Ansprüchen einer solchen Zeit nicht gewachsen; überall, mit Ausnahme der Sachsen, die von der Völkerwanderung am wenigsten berührt waren, vollzog sich der Übergang von der Republik zur Monarchie oder, wo diese schon bestand, der Übergang vom altgermanischen Volkskönigtum zu einer wahren königlichen Gewalt. Die kleinen politischen Scheinexistenzen der Völkerschaftsstaaten verschwanden, um größeren staatlichen Gebilden Platz zu machen; an die Stelle der Völkerschaften traten die Stämme. Sind dieselben anfangs auch sehr losen Gefüges und teilweise nicht einmal als eigentliche Völkerbündnisse zu erkennen, so zeigt doch der gemeinsame Stammesname und das Verschwinden der Einzelnamen sowie die überall zu weiterer Centralisation fortschreitende Entwickelung, als deren Hauptträger das Königtum hervortritt, daß wir es nicht mit vorübergehenden Erscheinungen wie in den Völkerbündnissen der Urzeit, sondern mit organischen Bildungen im Leben der Völker zu thun haben. Im ganzen sind aus der Völkerwanderung dreizehn Stämme hervorgegangen, von denen aber der ostgermanische Stamm der Vandalen für die deutsche Rechtsgeschichte keine Bedeutung erlangt hat. Zum Teil treten die Stämme unter ganz neuen Namen (Alamannen, Baiern, Franken, Sachsen) auf, zum Teil sind es alte Völkerschaftsnamen, die sich zu Gesamtnamen ganzer Stämme erweitert haben (Burgunder, Friesen, Gothen, Langobarden, Thüringer, Vandalen). Manche andere Völkerschaftsnamen haben sich zwar erhalten, sind aber zu bloßen Gaunamen geworden. Der Sueben- oder Schwabenname hat eine Reduktion seiner ursprünglichen Bedeutung erfahren: aus der großen suebischen Gruppe sind die Stämme der Baiern,

90

Die

fränkische

Zeit.

Langobarden, Schwaben (Alamannen) und Thüringer hervorgegangen. Wie hier, so zeigt sich bei den aus der gothisch-vandalischen Gruppe, erwachsenen Stämmen der Burgunder, Ost- und Westgothen und Vandalen und bei den ingväonischen Friesen, daß bei der Bildung der Stämme in erster Reihe verwandtschaftliche Beziehungen mitgewirkt haben. Auch die ribuarischen Franken dürften dem entsprechen, da sie allem Anscheine nach ausschließlich aus istväonischen Elementen hervorgegangen sind. Dagegen sind die Sachsen höchstwahrscheinlich aus einer Verbindung ingväonischer Völkerschaften mit den herminonischen Cheruskern hervorgegangen, die Angelsachsen beruhen auf einer Vereinigung ingväonischer und herminonischsuebischer Elemente und den Grundstock der salischen Franken haben herminonische Chatten gebildet, mit denen Völkerschaften istväonischer Herkunft eine Verbindung eingegangen sind. Man erkennt, daß nachbarliche Beziehungen und politische Notwendigkeit bei der Bildung der Stämme mindestens denselben Einfluß wie die verwandtschaftlichen Verhältnisse ausgeübt haben2. Die Gothen, als Guto-nes oder Gotones eine schon von Plinius und Tacitus erwähnte Völkerschaft im Mündungsgebiete der Weichsel, erscheinen bereits zu Anfang des 3. Jahrhunderts an der unteren Donau und dem Schwarzen Meere, und zwar im Osten die Austrogothi oder Greuthungi, im Westen die Wisigothi oder Thervingi, beide bis zu dem Einbrüche der Hunnen im Jahre 375 unter dem Königshause der Amaler vereinigt. Während die O s t g o t h e n unter hunnische Oberhoheit gerieten und erst nach dem Tode Attilas wieder selbständig wurden, bewahrten die W e s t g o t h e n , die in das römische Thracien übergetreten waren, ihre Unabhängigkeit. Nachdem die letzteren unter ihrem erwählten Könige Alarich die Balkanhalbinsel und Italien durchzogen hatten, setzten sie sich im zweiten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts im südlichen Gallien fest. Den Mittelpunkt ihres Reiches, das unter Eurich (466—485) auch über die Provence und den größten Teil der pyrenäischen Halbinsel ausgedehnt wurde, bildete Toulouse. Nur die im Anfange des 5. Jahrhunderts mit den Vandalen über die Pyrenäen gezogenen Sueben behaupteten sich noch ein Jahrhundert lang im Nordwesten der Halbinsel unter eigenen Königen. Nachdem in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts die gallischen Besitzungen der Westgothen bis auf die Provinz Septimanien oder Gothien (Languedoc) an die Franken verloren gegangen waren und das tolosanische Reich damit seinen alten Schwerpunkt eingebüßt hatte, verlegte Leovigild (572—586) den Mittelpunkt des Reiches nach Toledo. Unter seinem Sohne Rekkared I . (586—601) gingen die Westgothen, die seit der Mitte des 4. Jahrhunderts arianische Christen waren, zum katholischen Glauben 2 Mit den Langobarden hatte sich eine sächsische Heerschar zu dem Zuge nach Italien vereinigt. Die Beziehungen waren ausschließlich nachbarliche, eine nähere Verwandtschaft bestand nicht. Wären diese Sachsen in Italien geblieben, so würden sie mit den Langobarden alsbald ebenso verschmolzen sein, wie ihre Stammesbrüder in Britannien mit den suebischen Angeln.

§ 14.

Die Bildung germanischer Stammesreiche.

91

über, wodurch ihre spätere Verschmelzung mit den römischen Unterthanen ihres Reiches angebahnt wurde. Die O s t g o t h e n , nach dem Tode Attilas im Einverständnis mit den Römern in Pannonien und Mösien angesiedelt, drangen im Jahre 489 unter Theoderich dem Großen in Italien ein und gründeten, nach dem Sturze des Odovakar, ein großes Reich, das außer Italien und den dalmatischen Küstenlanden bald auch Rätien und Noricum und die bisher westgothische Provence umfaßte. Nach dem Tode Theoderichs (526) gingen die außeritalischen Besitzungen alsbald verloren. Im Jahre 552 unterlag das Reich der Ostgothen den Heeren Justinians, nachdem kaum zwei Jahrzehnte vorher das von den Y a n d a l e n errichtete afrikanische Reich dasselbe Schicksal gehabt hatte. Die Erbschaft der Ostgothen wurde bereits 568 von den suebischen L a n g o b a r d e n angetreten. Ursprünglich zwischen Elbe und Aller in dem noch im Mittelalter nach ihnen benannten Bardengau gesessen, also Nachbarn der Sachsen auf der einen, der Semnonen auf der anderen Seite, hatten die Langobarden sich nach dem Abzüge der letzteren allmählich nach Südosten gezogen und zuletzt die von den Ostgothen verlassenen Gebiete Pannoniens in Besitz genommen. Unter ihrem König Alboin bemächtigten sie sich des ganzen Italiens mit Ausnahme des Exarchats von Ravenna und der Stadt Rom. Als ihr Reich 774 von Karl dem Großen erobert wurde, hatte dasselbe bereits ein so festes Gefüge erhalten, daß es dem Frankenreiche nicht einverleibt wurde, sondern auch unter der fränkischen Herrschaft seinen selbständigen Charakter als Reich der Langobarden bewahrte. Den Langobarden nahe verwandt waren die B a i e r n , die durch ihren Namen (Baiuwarii) als die Nachkommen der Bewohner von Baias oder Böhmen gekennzeichnet werden 3 . Das von den keltischen Bojern verlassene Land war schon zu Anfang des 1. Jahrhunderts von den suebischen Markomannen besetzt worden, die dasselbe erst im Laufe des 5. Jahrhunderts, von den Slaven gedrängt, wieder geräumt haben. Die Baiern sind wahrscheinlich aus einer Verschmelzung der Markomannen mit den ebenfalls von den Slaven verdrängten Quaden hervorgegangen. Eine Zeitlang in Abhängigkeit von den Hunnen, dann nach dem Tode Attilas zur Selbständigkeit gelangt, scheinen die Baiern nach dem Sturze Odovakars gegen Ende des 5. Jahrhunderts das bis dahin von den Rugiern beherrschte Noricum eingenommen zu haben. Seit dem Frankenkönige Theodebert I. (534—547) gehörten sie zu dem fränkischen Reiche. Durch welche Ereignisse es dazu gekommen, läßt sich nicht ermitteln 4 . Den Kern des inneren Germaniens bewohnten zur römischen Zeit 3

Vgl. RIEZIER, Geschichte Baierns I. 8 ff. Der Name der Baiern wird anfangs des 6. Jahrh. zuerst genannt. 4 Wahrscheinlich hatten sie während der Herrschaft Theoderichs des Großen unter ostgothischer Oberhoheit gestanden.

Die fränkische Zeit.

92

die herminonischen Düren (Hermunduren), von denen durch die patronymische Endung ing der Stammesname der T h ü r i n g e r (ahd. Duringa) entlehnt ist. Außer den Hermunduren haben namentlich Teile der Angeln und Wariner bei der Bildung des Thüringerstammes mitgewirkt6. Die centrale Lage der Thüringer bewirkte es, daß sie, ohne selbst an der Bewegung der Völkerwanderung teilzunehmen, fortwährend Gebietseinbuße erleiden mußten, bis sie, früher von der mittleren Elbe fast bis an die Donau reichend, auf das in unserer Tafel I. verzeichnete kleine Gebiet zwischen Harz, Thüringer Wald, Saale und Werra eingeschränkt wurden. Durch den Franken Theoderich I. wurden die Thüringer dem fränkischen Reiche einverleibt (531). Im Nordosten der Hermunduren, an der mittleren Elbe und Havel, saßen im 1. Jahrhundert die von Tacitus als capul Sueborum bezeichneten Semnonen, in denen die neuere Forschung den ursprünglichen Kern der Schwaben oder A l a m a n n e n erkannt hat. Nachdem die Gothen und Yandalen den nachrückenden Slaven Platz gemacht hatten, wurden die Semnonen und ihre nordöstlichen Nachbarn an Oder und Warte, die ostgermanischen B u r g u n d e r , von dem Vordringen der Slaven betroffen. Beide scheinen dann, die Grenzen der Hermunduren durchbrechend, in das Maingebiet vorgedrungen zu sein. Seit die Semnonen ihre ursprüngliche Heimat mit dem Stammesheiligtum der suebischen Völker verlassen hatten, verschwand ihr an das letztere angeknüpfter hieratischer Name (Semnonen = Feßler), während der frühere Gesamtname der Schwaben an ihnen haften blieb6. Die B u r g u n d e r haben sich mainabwärts gezogen und am Mittelrhein ein ausgedehntes Reich mit Worms als Mittelpunkt gegründet. Nachdem dasselbe den Angriffen Attilas zum Opfer gefallen war (437), wurde den Burgundern von den Römern das obere Rhonegebiet, die sogenannte Sabaudia, überwiesen (443), von wo aus sie sich allmählich bis an die Provence ausdehnten. Im Jahre 534 wurde das burgundische Reich dem Frankenreiche einverleibt. Die Schwaben, die vom Main aus schon gegen das Ende des 5

Über die thüringischen Angeln und Wariner vgl. unten § 31 und Zeitschrift f. EG. XX. 21 f. Tacitus nennt die Anglii et Varini nebeneinander unter den suebischen Völkerschaften, während Plinius die Varinne zu der gothisch-vandalischen Gruppe rechnet. Die Annahme, daß es auch in Belgien Thüringer oder Thoringer gegeben habe, beruht auf Mißverständnis. 6 Vgl. S. 9. MÖLLENHOFF i. d. Zeitschr. f. deutsch. Altertum VII. 383, X. 562 ff. Von dem Heiligtume des Ziu führten die Schwaben noch im 8. Jahrhundert den Beinamen Ziuvari. Die Vermutung, daß auch der Alamannenname auf solche Weise entstanden sei, scheint sprachlichen Schwierigkeiten zu begegnen, da eine so frühe Abwerfung 'des h in alak nicht angenommen werden kann. Sicher aber war der Alamannenname nur ein zweiter Name für die Schwaben. Die Unterscheidung zwischen Schwaben und Alamannen ist nicht gerechtfertigt. Sie stützt sich im wesentlichen auf dialektische Verschiedenheiten, deren Ausbildung erst dem späteren Mittelalter angehört.

§ 14.

Die Bildung germanischer Stammesreiche.

93

8. Jahrhunderts den römischen Limes durchbrochen und das Dekumatenland eingenommen hatten, drangen im Laufe des 4. Jahrhunderts wiederholt vom Oberrhein aus in Gallien ein, während andere Teile des Stammes, durch die in der Mainebene angesiedelten Burgunder von den übrigen getrennt, sich in der Wetterau und dem Rheingau niederließen. Von den zahlreichen Völkerschaften, die der Name der Schwaben oder Alamannen umfaßte, lassen sich noch verschiedene aus späteren Gaunamen erkennen. Im Laufe des 5. Jahrhunderts, zumal nach der Übersiedelung der Burgunder in das Ehonegebiet, drangen die Alamannen am Oberrhein bis in die Alpen und Yogesen vor, auch die Gebiete des Mittelrheins und unteren Mains wurden von ihnen besetzt, zahlreiche Vorstöße in die Gebiete der Mosel, der Lahn und des Niederrheins vorgenommen. Die dadurch herbeigeführten Konflikte mit den Franken führten zu der entscheidenden Schlacht von 496. Die Folge des fränkischen Sieges war nicht nur die Einverleibung des größten Teiles des alamannischen Landes in das fränkische Beich (nur die Alpenländer bewahrten bis zum Tode Theoderichs des Großen ihre Selbständigkeit unter ostgothischem Schutze), sondern auch ein bedeutendes Vordringen des fränkischen Volkselementes am Main und Mittelrhein7. Die S a c h s e n zerfielen in vier Abteilungen: die Westfalen, Engern (die Ängrivarii des Tacitus), Ostfaien und Nordaibingier. Bei den letzteren, den späteren Holsteinern und Dietmarsen, begegnet der Volksname schon im 2. Jahrhundert; derselbe ist von der Bezeichnung der volkstümlichen Waffe, eines kurzen Schwertes (sahs), entlehnt. Welche Völkerschaften den Stamm der Sachsen gebildet haben, läßt sich nicht mehr feststellen, doch darf man annehmen, dass dieselben größtenteils dem ingväonischen Stamme angehörten; höchstwahrscheinlich sind die Ostfaien auf die (hermlnonischen) Cherusker und die Fosen zurückzuführen. Im 6. Jahrhundert haben die Sachsen ihr Gebiet gegen Südosten auf Kosten der Thüringer erheblich erweitert; der Nordthüringgau zwischen Elbe und Harz hat die Erinnerung hieran bis in das Mittelalter erhalten. Zwar wurde ein Teil des eroberten Gebietes bald darauf von einer vorgeschobenen schwäbischen Kolonie in Besitz genommen, doch sind diese sogenannten Nordschwaben des sächsischen Schwabengaues im wesentlichen schon früh mit den Sachsen verschmolzen8. Die westlichen Nachbarn der Sachsen längs der Küste waren die F r i e s e n . Schon Tacitus kannte große und kleine Friesen, wie große und kleine Chauken. Wahrscheinlich sind die letzteren mit den späteren Ostfriesen identisch. Die Friesen bewohnten das Küstengebiet von der Weser bis zur Sinkfala (Zwyn), der heutigen Grenze zwischen Belgien und Holland. An der Völkerwanderung haben sie nur insofern teilgenommen, 7

Unsere Tafel I. zeigt die späteren Grenzen des alamannischen Stammes. Geringe Abweichungen in dem Eechte der Nordschwaben wurden noch von dem Verfasser des Sachsenspiegels aufgezeichnet. 8

94

Die fränkische Zeit.

als sie die salischen Tranken von den Mündungen des Rheins und der Scheide abgedrängt und dadurch wohl zuerst zu der Wanderung nach Toxandrien veranlaßt haben9. Die Friesen zerfielen in die Westfriesen zwischen Sinkfala und Fly, die Mittelfriesen zwischen Fly und Laubach (Lauwerzee) und die Ostfriesen zwischen Laubach und Weser. Die Besiedelung der schleswigschen Westküste durch die Friesen ist nicht vor dem 9. Jahrhundert bezeugt. Die Gründung des Reiches der A n g e l s a c h s e n ist wesentlich anders als die 'der übrigen Stammesreiche erfolgt. Außer den Sachsen an der Weser und Elbe haben sich wohl von jeher auch ihre nördlichen Nachbarn, die suebischen Angeln in Schleswig10 und die Jüten, an den Streifzügen beteiligt, mit denen sächsische Seeräuber seit dem 3. Jahrhundert die gallischen und britischen Küsten heimsuchten. Schon im Laufe des 4. Jahrhunderts hatten diese Streifereien zu einer festen Ansiedelung an der atlantischen Küste Galliens, dem sogenannten litus Saxonicum, geführt. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts ließ sich die erste sächsische Heerschar in Britannien, und zwar anfangs im Einverständnis mit den Einwohnern, nieder. Indem eine Heerschar nach der anderen folgte, wurde allmählich der größte Teil des Landes bis zum Förth von den Einwanderern in Besitz genommen, während die von ihren Einwohnern mehr und mehr entblößte cimbrische Halbinsel von Dänen besetzt wurde. Die Besiedelung Britanniens erfolgte in der Weise, daß in den nördlichen Königreichen Northumbrien, Mercia und Ostangeln die anglische, in Kent die jütische, in Ost-, West- und Südsachsen (Essex, Wessex, Sussex) die sächsische Bevölkerung überwog. Während von diesen sieben Reichen zu Anfang des 7. Jahrhunderts besonders Northumbrien (unter Aethelfrid) und Kent (unter Aethelbert) hervortraten, nahmen seit dem 8. Jahrhundert Mercia und Wessex die führende Stellung ein, bis im Anfang des 9. Jahrhunderts König Egbert von Wessex die Oberherrlichkeit über die sämtlichen Königreiche erwarb und gegen Ende desselben Jahrhunderts Aelfred der Große von Wessex, nachdem er das Land von der Herrschaft der Dänen befreit hatte, den angelsächsischen Einheitsstaat herstellte. § 15. Die G r ü n d u n g und A u s b r e i t u n g des f r ä n k i s c h e n Reiches 1 . Die vornehmsten Träger des Namens der Franken (d. h. der Freien), der seit dem Anfange des 3. Jahrhunderts erwähnt wird, sind die Chatten, die schon Tacitus als das militärisch und politisch bedeutsamste 9 10 1

Vgl. S. 95. Über den mit den Thüringern verschmolzenen Teil der Angeln siehe oben.

Über die Herkunft der Franken vgl. SCHRÖDER, Die Franken und ihr Eecht (Abdr. a. d. Zeitschr. f. EG. XV.) 1—36 und die daselbst angeführte Litteratur. W A I T Z , II. 1, S . 2 0 ff. v. S Y B E L , Königtum 159 if. ARNOLD, Ansiedelungen u. Wanderungen 147 fif. LAMPRECHT, Fränkische Wanderungen und Ansiedelungen, vornehmlich im Eheinland (Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins IV. 189—250); Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter I. 1, S. 151—158.

§ 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Reiches.

95

Volk unter den Germanen erkannt hatte 2 . Sie waren die Stammväter der späteren Hessen 3 . Ihr Gebiet umfaßte im 1. Jahrhundert das ganze hessische Land von der Werra bis zur Rhön, dem Taunus und dem Westerwald; mit den stammverwandten Mattiaken, den Bewohnern des Rheingaues, reichten sie bis an den Rhein und unteren Main. Seit der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts suchten die chattischen Franken sich auch im Mosellande festzusetzen, was aber erst nach dem Tode des Aetius (455) mit dauerndem Erfolge geschah 4 . Von noch entscheidenderer Bedeutung waren die fränkischen Bewegungen, von denen um die Mitte des 4. Jahrhunderts Belgien ergriffen wurde, indem die schon zu Caesars Zeiten auf der batavischen Insel und in dem Mündungsdelta des Rheines angesiedelten Bataven und Cannenefaten, beide ebenfalls chattischer Herkunft 6 , durch Friesen und andere Nachbarn gedrängt, einen Teil ihrer bisherigen Sitze aufgaben, um sich in Toxandrien (Brabant) niederzulassen. Da um dieselbe Zeit auch die sugambrischen Cugernen, die bis dahin zwischen Rhein und Maas, in der Gegend von Cleve und Xanten, gesessen hatten 6 , auf das linke Maasufer übergetreten waren 7 , so hat man die von Ammianus Marcellinus zum Jahre 358 erwähnten Francos, eos videlicet quos consuetudo Salios appellavit, ausos olim in Romano solo apud Toxiandriam locum habitacvla sibi figere praelicenter, in erster Reihe auf das Zusammentreten jener drei Völkerschaften, der Bataven, Cannenefaten und Cugernen, zurückzuführen 8 . Der Name der Salier ist wahrscheinlich aus dem keltisch-germanischen sal oder sale, d. h. Salzwasser, zu erklären 9 ; die salischen Franken waren demnach die „Seefranken", im Gegensatze zu den Ribuariern, d. h. Ufer2

Vgl. § 7 Anm. 7, 12. Der alte Volksname lautete Chatthus (d. h. Held, Krieger), woraus später Hassus geworden ist. Vgl. W A C K E B N A G E L , Altd. WB. unter Hesse. G R I M M , Gesch. d. deutsch. Spr. 400 f. (576 f.); DWB. IV, 2. 1267 f. Das Dorf Hessen bei Saarburg in Lothringen hieß noch 699 Chassus, später Hessis. 4 Wie weit die Chatten im Laufe der Zeit in Lothringen vorgedrungen sind, zeigt u. a. das Anm. 3 erwähnte Dorf Hessen. Vgl. ARNOLD, Ansiedelungen 203 f. 5 Vgl. Tacitus, Germania c. 29; Histor. IV. c. 12,15. Caesar, Bell. Gall. IV. c. 10. 6 Die Cugernen waren der im Jahre 8 v. Chr. von Tiberius zwangsweise auf das linke Rheinufer verpflanzte Teil der Sugambern (vgl. Tacitus, Hist. IV. c. 26), während die unabhängig gebliebenen Reste dieses einst so berühmten Volkes wahrscheinlich in den Gambriviern und Marsen zu suchen sind. ' Zwischen 360 und 392 haben sich schon die früher auf dem rechten Rheinufer in der Ruhrgegend angesiedelten Chattuarier in dem von den Cugernen geräumten Lande, das nun nach jenen Hattuariergau (vgl. unsere Tafel II.) genannt wurde, niedergelassen. Über einen Hattuariergau in Gallien s. Anm. 13. 8 Daß auch die Anm. 7 erwähnten Chattuarier den Chatten entstammt waren und später ebenfalls zu den Saliern gerechnet wurden, ist wenigstens wahrscheinlich. 9 Vgl. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIX. 170. S Y B E L S Histor. Zeitschr. N. F. VII. 28 f. Vgl. Anm. 18. Eine ahd. Glosse ( S T E I N M E Y E R U. S I E V E B S , II. 739) übersetzt maritima mit selih. Der Name des östlich der Zuiderzee belegenen Gaues Salon oder Salland ist wohl auf dieselbe Weise zu erklären. Mit den salischen Franken hatte derselbe nichts zu thun. 3

Die fränkische Zeit.

96

franken, am Rhein 10 . Kaiser Julian sah sich genötigt, die Salier in den neueingenommenen Sitzen zu bestätigen. Ihre südliche Grenze bildete noch zu Anfang des 5. Jahrhunderts der Kohlen wald (Silva Carbonaria) im Hennegau, zwischen Scheide und Sambre11, von wo sie um die Mitte des 5. Jahrhunderts unter König Chlogio bis zur Somme vordrangen. Tournay und Cambray an der Scheide wurden zu salischen Königssitzen12. An den Ufern des Niederrheins wurden die Römer während des 4. Jahrhunderts besonders von den fränkischen Völkerschaften der Chattuarier und der unterhalb derselben angesessenen Chamaven heimgesucht1S. Nachdem die Chattuarier auf das linke Rheinufer übergetreten waren, erschienen in den von ihnen verlassenen Sitzen alsbald die Brukterer und Ampsivarier, denen es im zweiten oder dritten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts gelang, sich südlich von dem Hattuariergau zwischen Rhein und Maas dauernd festzusetzen u , während die Mosellande noch römisch blieben, um erst einige Dezennien später an die chattischen Franken verloren zu gehen. Die schon unter Augustus auf dem linken Rheinufer angesiedelten Ubier, die es stets mit den Römern gehalten hatten, wurden von den eingedrungenen Franken wohl größtenteils zu Hörigen gemacht und sind in der Folgezeit mit den Eroberern verschmolzen. Ihre Hauptstadt, Köln, wurde nunmehr der Königssitz des fränkischen Rheinuferstaates, dessen Bewohner fortan nicht mehr unter den früheren Einzelnamen15, sondern unter einem neuen Gesamtnamen, als Ribuarii, erscheinen16. Nur die 10

Schon gegen Ende des 3. Jahrhunderts worden die atlantischen Küsten Galliens und Spaniens von fränkischen Seeräubern heimgesucht, die nur von den Bataven und Cannenefaten ausgegangen sein können, da die übrigen Franken das Meer nicht berührten. 11 Die zwischen 411 und 413 abgefaßte Notitia dignitatum (vgl. KARLOWA, Böm. RG. I. 992) nennt als die äußersten römischen Grenzstationen gegen Norden Arras, Famars (bei Valenciennes) und Tongern. Der letzte römische Bischof von Tongern war Aravatius (f um 450). 12 Vorher war Dispargum, wahrscheinlich Duysburg bei Brüssel, der Sitz des Chlogio gewesen. Der Geschichtschreiber der Franken, Gregor von Tours, fabelt hier von einer Landschaft Thoringia, mit der er viel Unheil angerichtet hat. 13 Unter Constantius Chlorus (f 306) wurden Teile der Chattuarier und Chamaven zwangsweise als Läten in das Rhonegebiet verpflanzt. In dem pagus Attoariorum und pagus Amavorwm hat sich ihr Name bis in das Mittelalter erhalten. Vgl. 5. 39 Anm. 17. 14 Die Notitia dignitatum (Anm. 11) zeigt die römischen Grenzstationen unter dem dux Mogontiacensis nur noch bis Coblenz und Andernach, also bis zur Grenze Obergennaniens, reichend; Niedergermanien wurde demnach schon 413 nicht mehr dauernd besetzt gehalten. Salvian, dessen Werk „de gubernatione Dei" zwischen 439 und 451 verfaßt ist, weiß Köln bereits in den Händen der Barbaren. Er war um 400 geboren und hatte das Mannesalter schon erreicht, als Köln fiel. Unter Aetiua und Aegidius scheint ein vorübérgehender Bückschlag eingetreten zu sein, bis Köln 463 dauernd in den Besitz der Franken überging. 15 Uber die Brukterer und Ampsivarier als Hauptfaktoren bei der Gründung des ribuarischen Beiches vgl. Die Franken und ihr Becht 14 ff. 18 Neuerdings ist in einer sonst sehr verdienstlichen Schrift von E. MAYER, Entstehung der Lex Bibuariorum 18 ff., Note 28, die Ansicht aufgestellt worden, daß es

§ 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Beiches.

97

Chamaven, die ebenfalls zu den ribuarischen Franken gehörten und nach ribuarischem Rechte lebten, bildeten auch ferner eine Gruppe für sich; sie besaßen ein eigenes Gaurecht und das von ihnen bewohnte Gebiet, das nach ihnen Hamaland oder Amoreland genannt ward, wurde von dem eigentlichen Ribuarierlande unterschieden 17 . Die Franken besaßen bis gegen Ende des 5. Jahrhunderts noch keine staatliche Einheit. Nur die Ribuarier hatten es zu einem einheitlichen Königtume gebracht; bei den Saliern bestanden mehrere selbständige Königreiche nebeneinander, die aber, da die Herrscher alle demselben nur einen einheitlichen Frankenstamm und ein einheitliches Frankenrecht, den Stamm und das Recht der Salier, gegeben habe. Der Name der Ribuarier soll nur eine geographische Bezeichnung für die Bewohner der fränkischen Eheinlande, die Lex Kibuaria nur ein territoriales Partikularrecht für das von ihnen bewohnte Land gewesen sein. Unter den positiven Gründen, auf die sich diese Annahme stützt, ist nur ein einziger überhaupt der Erwägung wert. In der Decretio Childeberti II. von 595 wird einmal, und zwar gerade in dem auf einem kölnischen Reichstage erlassenen Teile, Saliern in dem Sinne von Francas gesagt. Daraus soll folgen, daß die Kölner Salier gewesen seien. Das Gesetz Childeberts war ein Territorialgesetz für das von ihm beherrschte, zum größten Teile von salischer Bevölkerung bewohnte Gebiet; einzelne Bestimmungen sind auf altsalischem Boden (Maastricht), andere auf chattisch-fränkischem, also neusalischem Boden (Andernach) erlassen; der König selbst war ein Salier. Soll man sich da wundern, wenn gelegentlich einmal der Name des führenden Stammes statt des Gesamtnamens gebraucht wurde? Das ist doch nicht anders, als wenn der Franzose einen Deutschen „Prussien" nennt! Daß Chlodovech den Ribuarierkönig Sigbert als seinen parens bezeichnete, beweist ebensowenig. Bei den häufigen Wechselheiraten unter den herrschenden Familien bestand damals ebenso wie heute eine weitverbreitete Blutsverwandtschaft unter denselben; die Merovinger hingen u. a. mit den Königshäusern der Ost- und Westgothen, Burgunder und Thüringer zusammen; soll man sich wundern, daß sie auch mit dem der Ribuarier verwandt waren ? Gerade hier läßt sich außerdem feststellen, daß diese Verwandtschaft eine andere als die unter den verschiedenen salischen Königshäusern war. Den letzteren succedierte Chlodovech als Merovinger, also als Schwertmage; in Köln wurde er vom Volke gewählt, er war kein successionsberechtigter Verwandter. Vgl. W A I T Z , II. 1, S. 51 f. Die Verschiedenheiten zwischen dem ribuarischen und salischen Recht waren nicht gerade bedeutend und sie wurden im Laufe der Zeit immer mehr ausgeglichen, aber sie waren doch erheblich größer, als M A Y E B annimmt. Was sollte es sonst heißen, daß man am Niederrhein die Auflassungen secundum legem Ribuariam auf dem rechten und secundum legem Salicam auf dem linken Ufer unterschied (vgl. meine Untersuchungen zu den fränkischen Volksrechten, in P I C K S Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutschlands VI. 496), daß auf einem Reichstage Konrads III. zu Köln im Jahre 1138 vorzugsweise salische Franken zugezogen wurden, um eine belgische Streitsache zu entscheiden (vgl. S Y B E L S Histor. Zeitschr. N. F. VII. 47)? Das Stammesgebiet der Ribuarier (vgl. unsere Tafeln I und II) war so groß wie die Gebiete der Thüringer und Friesen zusammengenommen. Und da soll die Lex Ribuaria kein Volksrecht, sondern ein unbedeutendes Gaurecht gewesen sein ? Die Chamaven hatten ein solches Gaurecht, aber ihr eigentliches Volksrecht war das ihres Stammes, das der Ribuarier. 17

Vgl. unsere Tafeln I und II, ferner: Die Franken und ihr Recht 2 f., 47f.; Untersuchungen zu den fränk. Volksrechten (s. Anm. 16) 492—502. Durch den S. 17, Anm. 8, erwähnten Inschriftenfund ist festgestellt, daß der später chamavische Gau Twente einem bisher unbekannten, wahrscheinlich friesischen Volke der Tuihanten seinen Namen verdankt hat. R . SCHRÖDER, D e u t s c h e R e c h t s g e s c h i c h t e .

7

98

Die fränkische Zeit.

Hause, dem der Merovinger, angehörten18, zum Teil jedenfalls aus früheren Erbteilungen herrührten; wie es mit den chattischen Franken und den Chamaven bestellt war, läßt sich nicht einmal vermuten. Der Merovinger Childerich (+ 481) war König eines Bruchteils des salischen Landes; seine Residenz war zu Tournay; der Schwerpunkt seiner Stellung beruhte in Kriegsdiensten als Bundesgenosse der Römer. Sein Sohn Chlodovech (481—511) dehnte das ihm zugefallene Reich von Tournay durch den Sieg von Soissons (486) über das Herrschaftsgebiet des Römers Siagrius im nördlichen Gallien, bald darauf auch über den aremorikanischen Freistaat an der atlantischen Küste aus, so daß sein Reich sich nunmehr vom Kohlenwalde im Norden bis zur Loire im Süden erstreckte19. Um dieselbe Zeit scheinen sich ihm die chattischen Franken, die ihre ursprüngliche Verwandtschaft mit den Saliern wohl nie ganz außer Acht gelassen hatten, — daß sie auch nach demselben Rechte lebten, ist ein starker Beweis ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit20 — , angeschlossen zu haben21. Durch die chattischen Franken wurde Chodovech mit den Thüringern und Alamannen in Krieg verwickelt; die ersteren machte er schon 490 tributpflichtig, die Alamannen wurden 496 dem fränkischen Reiche einverleibt, bis auf die zunächst durch das Einschreiten Theoderichs des Großen vor dem gleichen Schicksal bewahrten Bewohner der Alpenlande in dem oberen Rätien22. Das letzte Jahrzehnt seiner Regierung füllte Chlodovech mit der Eroberung der westgothischen Besitzungen zwischen Loire und Garonne (507) und der Beseitigung der übrigen fränkischen Könige aus; während er den salischen Königen als Verwandter ohne weiteres succedierte, wurde er von den Ribuariern durch Volksbeschluß zum Könige erhoben23. Damit war die Einheit des gesamten Frankenreiches hergestellt24 und die Verbindung desselben mit anderen germanischen wie romanischen Ländern in folgenreichster Weise angebahnt. Auf Chodovech folgten seine Söhne Theoderich I., Chlodomer, Childebert I. und Chlothar I. Dieselben teilten das Reich, wußten aber gleich-

19 Die merovingische Haussage, die das Geschlecht auf die Erzeugung durch einen Meergott zurückführte, entspricht der Deutung des salischen Volksnamens als Seefranken. Vgl. Anm. 9. § 17, Anm. 8, 14. 19 Aber unterbrochen durch das ebenfalls salische Eeich von Cambray. 20 Vgl. Die Franken und ihr Recht 43 f. Für die Gaue Arduenna, Condrustinsis und Loinacensis ist noch eine Urkunde von 890 bei MARTINE und DURAND, Amplissima collectio I I . 33, zu vergleichen. 21 Vgl. Die Franken und ihr Recht 27 f. WAITZ, II. 1, S. 52 f. 22 Die Unterwerfung der Alamannen hatte zugleich ein starkes Vordringen des chattisch-fränkischen Elementes am Neckar, Main und Rhein zur Folge. Vgl. S. 102 und unsere Tafel I. 23 Vgl. Anm. 16. Die Königswahl erfolgte unter Waffengetöse (väpnatak) und Erhebung auf den Schild. Gregor. Tur., Hist. Franc. II. c. 40. Vgl. S. 18. 84 Mit Recht konnte daher der Epilog der Lex Salica Chlodovech als primus rex Franeorum bezeichnen.

§ 15.

Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Reiches.

99

wohl die Grenzen desselben noch mehr zu erweitern; 531 wurde Thüringen, 534 Burgund erobert, dazu kamen die westgothischen Besitzungen zwischen der Garonne und den Pyrenäen, die früher westgothische, dann ostgothische Provence, die Alamannen in Rätien und die Baiern, die letzteren wohl durch freien Anschluß und vielleicht gegen das Zugeständnis eines erblichen Stammesherzogs. Nachdem die drei anderen Linien ausgestorben waren, vereinigte Chlothar I. das ganze Reich in seiner Hand. Nach seinem Tode (561) wurde das Reich abermals unter vier Söhne, Charibert (t 567), Gunthram (t 592), Sigibert (t 575) und Chilperich (t 584), geteilt. Die beiden ersteren starben ohne Nachkommen, Sigibert dagegen wurde von seinem Sohne Childebert II. (t 595), dieser von Theodebert II. (+ 612) und Theoderich II. (t 613) beerbt. Des letzteren Sohn Sigibert II. kam 613 durch eine Thronrevolution der austrasischen Großen ums Leben, so daß das ganze Reich in der Hand Chlothars II. (584—629) abermals vereinigt wurde. Chlothar II. nahm 623 seinen Sohn Dagobert I. (t 639), dieser 634 seinen Sohn Sigibert III. zum Mitregenten, speziell für Austrasien, an. Durch die Bürgerkriege seit dem Tode Chlothars I. war die Kraft des Reiches erschöpft, durch die Thronrevolution von 613 in Austrasien die königliche Gewalt zu Gunsten der Landesaristokratie auf das äußerste geschwächt. Schon 614 sah Chlothar II. sich genötigt, der gesamten Aristokratie seines Reiches weitgehende Zugeständnisse zu machen. Unter den Nachfolgern Dagoberts I. entwickelte sich innerhalb der einzelnen Reichsteile das Stammesherzogtum in einer mit der Reichsidee nicht mehr vereinbaren Weise, während die königlichen Rechte mehr und mehr in die Hände der Aristokratie, vor allem in die der königlichen Hausmeier von Austrasien, Neustrien und Burgund, gerieten. Gegen das Ende des 7. Jahrhunderts schien das fränkische Reich vor seiner Auflösung zu stehen, als es dem durch Erwerb des Herzogtums der austrasischen Franken und durch wiederholte Bekleidung des Hausmeieramtes zur Macht gelangten ribuarischen Hause der Arnulfinger oder Pippiniden gelang, die höchste Gewalt im Reiche in seiner Hand zu vereinigen. Pippin der Mittlere (von Heristal), Herzog der austrasischen Franken 25 , erwarb infolge der Schlacht von Testri (687) das Hausmeiertum für das ganze Reich und damit thatsächlich die königliche Gewalt. Die von ihm und seinen Nachfolgern geführten Titel waren maior domus und dux et princeps Francorum. Dem Könige blieben nur die formalen Königsrechte und die königlichen Ehren. Nach außen erweiterte Pippin das Reich durch die Unterwerfung der Westfriesen (689), dagegen gelang es ihm nicht, die abgefallenen Herzogtümer wieder unter die Reichsgewalt zu beugen. Nach kurzem Zwischenreiche folgte ihm sein Sohn Karl Martell (717—740). Derselbe brachte die Herzöge von Aquitanien und Baiern zur Anerkennung seiner 28 Pippin, der Sohn des Herzogs Ansegisil, war väterlicherseits Enkel des Bischofs Arnulf von Metz, mütterlicherseits Enkel Pippins des Alteren (von Landen).

7*

100

Die fränkische Zeit.

Oberhoheit, trat den Abfallgelüsten anderer Herzöge mit Erfolg entgegen, trieb die nach der Eroberung Spaniens in das Frankenreich eingefallenen Araber dauernd über die Pyrenäen zurück, vereinigte das bis dahin westgothisch verbliebene Septimanien oder Gothien (Languedoc) mit dem Frankenreiche und unterwarf endlich auch die mittleren Friesen (734), nachdem er die nach Pippins Tode abgefallenen Westfriesen schon im Beginn seiner Regierung zurückgewonnen hatte. Bei seinem Tode teilte Karl wie ein Selbstherrscher das Reich unter seine Söhne Pippin und Karlmann. Nachdem der letztere der Herrschaft entsagt hatte (747) und durch die strenge Niederwerfung der Selbständigkeitsbestrebungen in den Herzogtümern die Kraft und Einheit des Reiches in einer Weise, wie sie seit dem 6. Jahrhundert nicht bestanden hatte, hergestellt war, erfolgte 751 auf dem Reichstage zu Soissons die feierliche Wahl Pippins zum Könige. Der letzte merovingische Scheinkönig und sein Sohn wurden in ein Kloster geschickt. Für den an sieh ungesetzlichen Akt war es von Bedeutung, daß Pippin sich der päpstlichen Zustimmung zu demselben versichert hatte. In alttestamentlicher Form sprach die Kirche ihm und seinem Geschlechte durch feierliche Salbung seitens der Bischöfe, die später durch den Papst selbst noch einmal wiederholt wurde, ihre Anerkennung aus. Nach Pippins Tode (768) wurde das Reich unter seine Söhne Karl und Karlmann geteilt; nachdem der letztere früh gestorben, kam auch sein Anteil, mit Übergehung seiner unmündigen Söhne, an Karl den Großen. Unter Karl wurde durch die Beseitigung des Herzogtums Baiern, als des einzigen noch übrig gebliebenen Stammesherzogtumes, die Idee des Einheitsstaates vollkommen durchgeführt, durch die Unterwerfung der Ostfriesen und Sachsen wurden die letzten noch unabhängig gebliebenen rein deutschen Elemente (außer den Angelsachsen) dem fränkischen Reiche einverleibt. In einer gewissen Selbständigkeit wurde das 774 eroberte Reich der Langobarden dem Frankenreiche verbunden; die Herzogtümer Spoleto und Benevent blieben vorerst noch unabhängig und behielten auch nach ihrer Unterwerfung ihre eigenen Herzöge. Im Osten wurden die Avaren unterworfen, das bis dahin byzantinische Istrien wurde erworben, vorübergehend auch Dalmatien und Yenetien. Jenseit der Pyrenäen bis zum Ebro wurde den Arabern das Gebiet abgerungen, aus dem Karl die spanische Mark errichtete. Die Gothen in Asturien und Gallicien, die sich gegen die Herrschaft der Araber erhoben und einen eigenen König über sich gesetzt hatten, gehörten nicht eigentlich zum Reiche Karls, erkannten aber eine Oberherrlichkeit desselben an. Außer den britischen Inseln und den arabischen Teilen Spaniens umfaßte das Reich Karls des Großen das ganze Gebiet des ehemaligen oströmischen Reiches, in den deutschen Landen ging es erheblich über die Grenzen des letzteren hinaus. Es war daher nur eine äußere Anerkennung der thatsächlichen Verhältnisse, daß der Papst im Weihnachtsfeste des Jahres 800 dem Frankenkönige die römische Kaiserkrone aufs Haupt setzte. Für die deutsche Rechtsgeschichte hat dieser Vorgang keine größere Bedeutung

§ 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Reiches. gehabt.

Die stärkere Centralisation der Reichsregierung

101

durch

die Er-

richtung des Königsbotenamtes fällt schon in die Zeit vor der Kaiserkrönung, und die Unternehmungen Karls zur Förderung der Rechtseinheit im Reiche sind nicht die Folge seiner kaiserlichen Stellung gewesen. bei seinen Lebzeiten hat Karl

auch seinem Sohne Ludwig,

wie

Noch dieser

später seinem Sohne Lothar, die Kaiserkrone selbst aufs Haupt gesetzt. Die

Bedeutung

der

schwachen Regierung

Ludwigs

des

Frommen

(814—840) lag hauptsächlich in den wiederholten Versuchen, eine befriedigende Reichsteilung unter seinen Söhnen herbeizuführen 28 .

Erst 848

kam es in dem Vertrage zu Verdun zu einer endgültigen Vereinbarung 27 . Grundgedanke der Teilung war, daß zunächst jeder der Brüder behielt, was er bereits besaß (Lothar I . die Kaiserwürde und das Langobardenreicb, Ludwig der Deutsche Baiern, Karl der Kahle Aquitanien), das übrige dagegen in drei möglichst gleiche Teile zerlegt wurde.

Der Anteil Lothars

umfaßte, außer der Provence, Burgund und dem Elsaß im Süden, den friesichen Landen und den altsalischen Besitzungen zwischen Maas, Kohlenwald und Scheide im Norden, die fränkischen Gaue zwischen Maas und Rhein 2 8 , mit Ausnahme der Gaue von Mainz, Worms und Speier, die zu Ludwigs

Anteil

gehörten.

Im

übrigen

erhielt Ludwig

Osten, K a r l alles Land im Westen der Gebiete Lothars.

alles Land

im

Ludwigs Reich

hatte eine ausschließlich deutschredende Bevölkerung, in dem Reiche Karls wurde, von Flandern abgesehen, französisch gesprochen.

Die Trennung

der deutschen und der französischen Nation war vollzogen.

Die durch

den Vertrag zu Verdun festgesetzten Grenzen sind noch im Laufe des 9. Jahrhunderts durch das Aussterben der Linie Lothars wesentlich verändert worden, vorübergehend hat noch einmal eine Vereinigung sämtlicher fränkischen Lande in einer Hand stattgefunden, aber die Grundlage für die Aussonderung des deutschen, wie

des französischen Reiches aus

dem Gesamtverbande des fränkischen Reiches ist der Verduner Vertrag geblieben.

Mit

dem Jahre 843 endigt die Geschichte

des fränkischen

Gesamtreiches; die Geschichte des deutschen und französischen Nationalstaates beginnt. § 16. chen1. 26

Die

Stellung

der R ö m e r

in d e n

germanischen

Rei-

Die Auffassung der Germanen, daß jedes Volk als solches Träger

V g l . WAITZ, I V . 658—680.

27

V g l . ebd. 691—700.

V . 10 ff.

Gegen die verbreitete Annahme, daß Lothar auch die ribuarischen Gaue des rechten Rheinufers erhalten habe, vgl. meine Bemerkungen in SYBELS Hist. Zeitschr. N . F . V I I . 51, Anm. 3. 28

1

Vgl. v. SAVIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im Mittelalter, 2. Aufl., I. II.

GAUPP,

Die german. Ansiedlungen u. Landteilungen in den Provinzen des röm. Westreichs, 1844.

WAITZ, I I . 1, S. 42 f., 47 ff., 268 f., 385.

EICHHOBN, St. u. R G . I .

149—177.

v. BETHMANN-HOLL WEG, Germ, roman. Civilprozeß I. 121—129, 139 ff., 155, 181 f., 185 f., 258 ff., 301—320, 402 ff. DAHN, K ö n i g e der Germanen I . 237—243.

254 ff. V I . 70—88.

I I I . 1—23,

HEGEL, Geschichte der Städte Verfassung von Italien I. 101—125.

PABDESSÜS, L o i Salique 507 ff.

Die fränkische Zeit.

102

seines Rechtes sei, daß es nur Volksrecht und kein Landrecht gebe2, — aus der Zeit unsteter Sitze hergebracht und auch, nachdem sich die Völker dauernd niedergelassen hatten, noch jahrhundertelang festgehalten, — kam auch den Römern in den auf römischem Boden errichteten germanischen Reichen zu gute. Wie verschieden sonst die Behandlung der römischen Provinzialen seitens der germanischen Eroberer sein mochte, darin stimmten alle überein, daß dieselben ihre volle persönliche Freiheit und das römische Civilrecht als nationales Recht behielten8. Aber damit war nicht die unbedingte Anerkennung des römischen Privateigentums an Grund und Boden ausgesprochen. Die Germanen hielten an dem Gedanken fest, daß aller Grundbesitz in erster Reihe Staatsgut sei. Der Eroberer beanspruchte das Recht einer Landteilung, d. h. er forderte nicht bloß staatsrechtliche Gebietsabtretungen, sondern die Überlassung von Grund und Boden zur Ansiedelung, gleichviel ob derselbe bisher Staatsgut oder Privatgut der Besiegten gewesen war. Die älteste Form der Landteilung bestand in der Abtretung zusammenhängender Gebiete, die der siegreiche Staat zu geschlossener Ansiedelung an seine Angehörigen verteilte. So verfuhr Ariovist mit den Sequanern4, so der Yandale in Afrika6, der Angelsachse in Britannien6. So erklären sich wohl auch die Gebietseinbußen der Alamannen gegenüber den Franken nach 496 und die der Thüringer gegenüber den Franken, Baiern und Sachsen nach 531 7 . Völlig anders waren die Landteilungen der Burgunder und Westgothen, der 2

Vgl. S. 11 f. und unten § 30. Vgl. § 30. Hinsichtlich der Langobarden ist dies von HEQEL, a. a. 0. I. 382 bis 393, in Abrede gestellt, da dies Volk auch anderen Germanen gegenüber das Prinzip der persönlichen Rechte nicht anerkannt, vielmehr territoriale Geltung des langobardischen Rechtes beansprucht habe. Allein die Quellenbelege für diese Auffassung beziehen sich nur auf einzelne Germanen, vornehmlich auf solche, die den Anspruch erhoben, als Volks- und Heergenossen zu gelten; für diese wurde ebenso wie bei den Burgundern die Einheit des Volksrechts durchgeführt, nicht aber daran gedacht, demselben schlechthin territoriale Geltung zu geben. Daß die Römer im Langobardenreiche nach römischem Civilrecht lebten, lassen die langobardischen Rechtsquellen mehrfach deutlich durchblicken, entscheidend ist aber die starke Verbreitung des römischen Rechtes in Italien seit der fränkischen Herrschaft. Woher soll dasselbe gekommen sein, wenn es seit zwei Jahrhunderten unterdrückt war? Vgl. SCHUPFE», Istituzione politiche longobardiche 156—199. BETHMANN-HOLL WEG, a. a. 0. I. 362 ff. 4 Caesar, Bell. Gall. I. c. 31. Vgl. GAUPP, a. a. 0. 55 f. 5 Vgl. GAUPP, a. a. 0. 446—454. DAHN, a. a. O. I. 240f. BETHMANN-HOLLWEG, a. a. 0. I. 132 f. e Vgl. GAUPP, a. a. 0. 541. Vgl. auch Beovulf v. 1086 ff. Solange das bundesfreundliche Verhältnis der ersten angelsächsischen Heerscharen der britischen Bevölkerung bestand, scheint eine Einquartierung nach den Grundsätzen des römischen Reiches stattgefunden zu haben. 7 Daß die Sachsen eine Gebietseinräumung verlangt haben, steht quellenmäßig fest. In den übrigen Fällen läßt sich ein analoges Verfahren vermuten. Vgl. WAITZ, II. 1, S. 55—58. Gregor, Hist. Franc. V. 15. 3

§ 16.

Die Stellung der Römer in den germanischen Eeichen.

103

Heerscharen des Odovakar, der Ostgothen und Langobarden 8 . Hier wurden keine geschlossenen Distrikte zu gemeinsamer Ansiedelung abgetreten, sondern der einzelne römische Grundbesitzer teilte mit dem einzelnen Germanen, so daß in den Ansiedelungsgebieten eine aus beiden Nationalitäten gemischte Bevölkerung entstand. Den Grund dieser Art der individuellen Landteilung erkennt man am besten aus dem Verfahren des Odovakar. Bis zum Sturze des Kaisers hatten die Heerscharen Odovakars nach den römischen Einquartierungsnormen bei den italienischen Grundbesitzern als hospites in Quartier gelegen 9 . Dementsprechend hatte jeder germanische Krieger ein Drittel von Haus und Hof seines hospes zu seiner Verfügung gehabt, während seine Verpflegung Staatssache war. Nachdem gerade die Verpflegungsfrage die Empörung der Truppen veranlaßt hatte, führte die Erhebung Odovakars zum König eine definitive Auseinandersetzung in der Art herbei, daß das Recht des einzelnen Kriegers auf ein Drittel an dem gesamten Grundbesitz seines hospes ausgedehnt und nach diesem Verhältnis eine allgemeine Landteilung vorgenommen wurde. Ebenso verfuhren die Ostgothen bei ihrer Niederlassung in Italien. Während sie sich gegenüber den Scharen des Odovakar als Eroberer betrachteten und die von diesen in Besitz genommenen Drittel einfach wegnahmen, waren sie den Römern gegenüber Verbündete und vollzogen daher, soweit jene Drittel nicht ausreichten, in systematischer Weise die Einquartierung bei den römischen Grundbesitzern, deren jeder seinem hospes ein Drittel herauszugeben hatte. In derselben Weise ging die Ansiedelung der Westgothen in Gallien und der Burgunder in der Sabaudia vor sich, auch diese waren Verbündete der Römer und wurden als einquartierte Krieger betrachtet, nur begnügten sie sich bei der Landteilung nicht mit einem Drittel, sondern verlangten teils überhaupt, teils wenigstens von dem Kulturlande zwei Drittel. Die Niederlassung der Langobarden in Italien erfolgte im Gegensatze zu den Römern, sie kamen als Eroberer ins Land, haben sich aber ebenfalls mit einer Landteilung nach Art der gothischen begnügt 10 . Dagegen haben die Franken in Gallien keine Landteilung vorgenommen. Über die Art ihrer Ansiedelung in Toxandrien sind wir nicht unterrichtet, wahrscheinlich war ihnen hier von den Römern ein ganzes Gebiet 8

V g l . GAUPP, a. a. O. 3 1 7 - 3 6 5 ,

3 9 4 — 4 0 8 , 4 5 7 ff., 4 6 6 — 4 7 7 , 5 0 3 — 5 1 5 .

VIGNY, a. a. O . I . 2 9 6 ff., 3 0 0 , 3 3 1 ff., 3 9 8 ff. V I I . 1 7 . VI.

52—60.

EICHHORN,

BETB MANN-HOLLWEG,

a. a. O .

a. a. O. I .

I.

150—159.

DAHN, a. a. O . I I . 4 3 .

v . DANIELS,

Handbuch

121FF„ 1 4 5 ff., 1 8 2 f., 2 6 2 , 3 0 4

ff.

I.

v . SAI H . 5 ff.

352—362.

HAVET, D U p a r -

tage des terres entre les Romains et les Barbares, i. d. Revue historique VI. 86—99. HEGEL, a. a. 0 .

I . 1 0 4 f., 3 5 2

ff.

SCHUPFEB, a. a. 0 .

55

ff.

BINDING,

Geschichte

des

burgund. roman. Königreichs 13—38, 297 ff. G. KAUFMANN, i. d. Forsch, z. deutsch. Geschichte X. 355—387. GAUDENZI, Sulla proprietà in Italia l l f f . , 31 ff. 0 Über die Grundsätze bei der römischen Einquartierung (hospitalitas) vgl. GAUPP, a . a. 0 . 8 5 ff. 10

Vgl. Paul. Diac., Hist. Langob. II. c. 32. III. c. 16. langobardischen Grundbesitzverhältnisse sehr bestritten.

Im einzelnen sind die

Die fränkische Zeit.

104

zu geschlossener Niederlassung bewilligt. Die Ortsnamen wie die noch heute bestehende Sprachgrenze lassen erkennen, daß in derselben Weise ein massenhaftes Vorschieben des salischen Volkes in Flandern, Brabant und Artois bis zur Canche stattgefunden h a t u , und dasselbe ist im Moselgebiet bis in die Gegend von Metz und im ganzen Saargebiet seitens der chattischen Franken geschehen 12 . Ob in diesen Gebieten eine Okkupierung des Landes durch die einrückenden Franken erfolgt ist, oder ob die Franken herrenloses Land in einer für ihre Volkszahl ausreichenden Menge vorfanden, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden 13 . Dagegen wurde die Eroberung Galliens durch Chlodovech als eine Eroberung des Königs zur Erweiterung seiner Herrschaft und nicht als eine Eroberung des fränkischen Volkes zur Gewinnung neuer Sitze behandelt". Das Privateigentum der Provinzialen blieb unangetastet, der König verfügte zu Gunsten seiner Franken nur über solche Ländereien, die ihm kraft öffentlichen Rechtes zufielen. Auch sonst stellte sich Chlodovech, die alte Tradition der Salier festhaltend 16 , durchaus freundlich zu den Römern. Obwohl er Gallien in voller Unabhängigkeit kraft des Eroberungsrechtes erworben hatte, trug er doch kein Bedenken, den ihm von Kaiser Anastasius verliehenen Titel eines Konsuls zu führen und Münzen mit dem Namen des römischen Kaisers prägen zu lassen. Die römischen Provinzialen wurden nur an Buße und "Wergeid zurückgesetzt, indem sie hier nur den Hörigen gleichgestellt waren. Im übrigen galten sie als gleichberechtigte Unterthanen neben den Franken. Die öffentlichen Amter waren ihnen ebenso zugänglich wie diesen, auch die Heerespflicht wurde von vornherein auf sie ausgedehnt, während in den übrigen germanischen Reichen, vielleicht mit Ausnahme des westgothischen, nur die Germanen dem Heere angehörten. Mischehen zwischen Franken und Provinzialen waren zu keiner Zeit gesetzlich ausgeschlossen. Der Übertritt der Franken zur römischen Kirche begünstigte die Verschmelzung der beiden Nationalitäten und bewahrte das Frankenreich vor dem Zwiespalt, der die übrigen germano-romanischen Reiche zersetzte. Das öffentliche Recht des 11

Vgl. W A I T Z , Recht der salischen Franken 53 ff. VANDERKINDERE, Les origines de la population flamande, 1885, 1886. Der letztere macht besonders auch auf die Verbreitung sächsischer Niederlassungen unter den fränkischen in Flandern aufmerksam. 12 Vgl. die S . 9 1 Anm. 1 angeführten Schriften von ARNOLD und LAMPRECHT, sowie meine Untersuchungen, Die Franken u. ihr Recht 23, 44, und Die Ausbreitung der salischen Franken, i. d. Forsch, z. deutsch. Geschichte XIX. 139—172. 13 Wahrscheinlich hat wenigstens eine teilweise Okkupation stattgefunden. Über die Besiedelung des Landes durch neuen Anbau haben ARNOLD und LAMPEECHT ausgezeichnete Untersuchungen angestellt. 14 Vgl. § 17, § 26, § 28. 15 Die Bataven, Cannenefaten und Cugernen hatten unter römischer Oberhoheit gestanden, auch die Salier des 4. und 5. Jahrhunderts, obwohl ihr Land seit dem Anfange des 5. Jahrhunderts nicht mehr zu dem Bestände des römischen Reiches gerechnet wurde, waren den Römern heerfolgepflichtig. Die Thaten Childerichs erschöpften sich in Kriegsleistungen im Bunde der Römer.

§16. fränkischen nischer Raum16.

Die Stellung der Römer in den germanischen Reichen.

Reiches

Grundlage; Auf

dem

war

durchaus

einheitlich

und

beruhte

hier blieb f ü r das r ö m i s c h e E e c h t Gebiete

des

bürgerlichen

Rechtes

105

auf

germa-

als solches k e i n vollzog

sich

im

L a u f e der Zeit eine e i g e n t ü m l i c h e V e r s c h m e l z u n g in der W e i s e , d a ß nördlich

der Loire,

wo die f r ä n k i s c h e n E l e m e n t e

überwogen,

das

römische

R e c h t a l l m ä h l i c h ganz v e r s c h w a n d u n d d e m salischen P l a t z m a c h t e , w ä h r e n d i m S ü d e n das r ö m i s c h e R e c h t , aber durch g e r m a n i s c h e E i n f l ü s s e z u e i n e m r ö m i s c h e n V u l g a r r e c h t u m g e s t a l t e t , den V o r r a n g b e h a u p t e t e .

Zweites Kapitel. Die V e r f a s s u n g des f r ä n k i s c h e n

Reiches.

L i t t e r a t u r - , WAITZ, VG. II. 1. u. 2. Abt. 3. Aufl. 1882. III. 2. Aufl. 1883. IV. 2. Aufl. 1885; Das alte Eecht der salischen Pranken, 1846. v. SYBEL, Entstehung des deutschen Königtums, 2. Aufl. 1881. SOHM, Die fränkische Reichs- u. Gerichtsverfassung, 1871. FAHLBECK, La royauté et le droit royal francs, durant la première période de l'existence du royaume, 1883. FUSTEL DE CODLANGES, Histoire des institutions politiques de l'ancienne France, I. 1875. TARDIF, Études sur les institutions politiques et administratives de la France, I. 1881. FLACH, Les origines de l'ancienne France, I. 1886. ROTH, Geschichte des Beneficialwesens, 1850; Feudalität und Untert h a n e n v e r b a n d , 1863.

KAUFMANN, D e u t s c h e G e s c h i c h t e I I . 1 8 9 — 2 1 8 , 2621F., 3 5 0 — 3 7 7 .

v. BETHMANN-HOLLWEG, Der germanisch-romanische Civilprozeß I. §§ 37f., 43f., 47f., 52 ff., 60 f., 65 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire, le droit pénal et la procédure pénal de la loi salique, 2. édition, 1882. PABDESSUS, Loi Salique, 1843, Dissertations II.—IX. — GAUPP, Recht und Verfassung der alten Sachsen, 1837. QUITZMANN, Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren, 1866. MERKEL, De republica Alainannorum, 1849. DAHN, Könige der Germanen I.—VI. SCHUPFER, Delle istituzioni politiche longobardiche, 1863. PERTILE, Storia del diritto italiano I. STUBBS, Constitutional h i s t o r y of E n g l a n d I . cap. 4 — 8 .

KEMBLE, K . MAURER, PHILLIPS (s. S. 5).

E . WINKEL-

MANN, Geschichte der Angelsachsen 91—111. v. INAMA-STERNKGG, Deutsche Wirtschaftsgeschichte bis zum Schluß der Karolingerperiode, 1879. LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter I. 1. 1886. U r k u n d e n s a m m l u n g e n 1 : bei DAHLMANN-WAITZ, Quellenkunde, 5. Aufl. N r . 291, 326, 329, 335, 344, 348, 353, 354, 356, 365, 367, 433—442. —

Diplomata

regum Francorum, Mon. Germ. Dipl. I. 1872 (sehr mangelhaft). J . F. BÖHMER, Regesta chronologico-diplomatica Karolorum, 2. Aufl., bearb. von MÜHLBACHER (a. u. d. T. Regesta imperii I.), seit 1880. Th. SICKEL, Regesten der Urkunden der ersten Karolinger (751—840), 1867 (a. u. d. T. Acta regum Karolinorum digesta et enarrata, I I . Teil, Urkundenregesten). — Collection des documents inédits sur l'histoire de France, seit 1835. Documents historiques publiés par la société de l'école des chartes, I . II.

1873-1879.

16 Dagegen wurden im einzelnen viele römische Einrichtungen angenommen, so daß es unrichtig wäre, die öffentlich-rechtlichen Zustände des fränkischen Reiches einfach als germanisch zu bezeichnen. Das öffentliche Recht war romano-germanisch, wie die französische Sprache sich als eine germano-romanische entwickelt hat; in jenem überwiegen die germanischen, wie in dieser die romanischen Bestandteile. 1 Vgl. die speziellen Angaben bei OSTEBLEY, Wegweiser (s. S. 6).

§16. fränkischen nischer Raum16.

Die Stellung der Römer in den germanischen Reichen.

Reiches

Grundlage; Auf

dem

war

durchaus

einheitlich

und

beruhte

hier blieb f ü r das r ö m i s c h e E e c h t Gebiete

des

bürgerlichen

Rechtes

105

auf

germa-

als solches k e i n vollzog

sich

im

L a u f e der Zeit eine e i g e n t ü m l i c h e V e r s c h m e l z u n g in der W e i s e , d a ß nördlich

der Loire,

wo die f r ä n k i s c h e n E l e m e n t e

überwogen,

das

römische

R e c h t a l l m ä h l i c h ganz v e r s c h w a n d u n d d e m salischen P l a t z m a c h t e , w ä h r e n d i m S ü d e n das r ö m i s c h e R e c h t , aber durch g e r m a n i s c h e E i n f l ü s s e z u e i n e m r ö m i s c h e n V u l g a r r e c h t u m g e s t a l t e t , den V o r r a n g b e h a u p t e t e .

Zweites Kapitel. Die V e r f a s s u n g des f r ä n k i s c h e n

Reiches.

L i t t e r a t u r - , WAITZ, VG. II. 1. u. 2. Abt. 3. Aufl. 1882. III. 2. Aufl. 1883. IV. 2. Aufl. 1885; Das alte Eecht der salischen Pranken, 1846. v. SYBEL, Entstehung des deutschen Königtums, 2. Aufl. 1881. SOHM, Die fränkische Reichs- u. Gerichtsverfassung, 1871. FAHLBECK, La royauté et le droit royal francs, durant la première période de l'existence du royaume, 1883. FUSTEL DE CODLANGES, Histoire des institutions politiques de l'ancienne France, I. 1875. TARDIF, Études sur les institutions politiques et administratives de la France, I. 1881. FLACH, Les origines de l'ancienne France, I. 1886. ROTH, Geschichte des Beneficialwesens, 1850; Feudalität und Untert h a n e n v e r b a n d , 1863.

KAUFMANN, D e u t s c h e G e s c h i c h t e I I . 1 8 9 — 2 1 8 , 2621F., 3 5 0 — 3 7 7 .

v. BETHMANN-HOLLWEG, Der germanisch-romanische Civilprozeß I. §§ 37f., 43f., 47f., 52 ff., 60 f., 65 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire, le droit pénal et la procédure pénal de la loi salique, 2. édition, 1882. PABDESSUS, Loi Salique, 1843, Dissertations II.—IX. — GAUPP, Recht und Verfassung der alten Sachsen, 1837. QUITZMANN, Die älteste Rechtsverfassung der Baiwaren, 1866. MERKEL, De republica Alainannorum, 1849. DAHN, Könige der Germanen I.—VI. SCHUPFER, Delle istituzioni politiche longobardiche, 1863. PERTILE, Storia del diritto italiano I. STUBBS, Constitutional h i s t o r y of E n g l a n d I . cap. 4 — 8 .

KEMBLE, K . MAURER, PHILLIPS (s. S. 5).

E . WINKEL-

MANN, Geschichte der Angelsachsen 91—111. v. INAMA-STERNKGG, Deutsche Wirtschaftsgeschichte bis zum Schluß der Karolingerperiode, 1879. LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter I. 1. 1886. U r k u n d e n s a m m l u n g e n 1 : bei DAHLMANN-WAITZ, Quellenkunde, 5. Aufl. N r . 291, 326, 329, 335, 344, 348, 353, 354, 356, 365, 367, 433—442. —

Diplomata

regum Francorum, Mon. Germ. Dipl. I. 1872 (sehr mangelhaft). J . F. BÖHMER, Regesta chronologico-diplomatica Karolorum, 2. Aufl., bearb. von MÜHLBACHER (a. u. d. T. Regesta imperii I.), seit 1880. Th. SICKEL, Regesten der Urkunden der ersten Karolinger (751—840), 1867 (a. u. d. T. Acta regum Karolinorum digesta et enarrata, I I . Teil, Urkundenregesten). — Collection des documents inédits sur l'histoire de France, seit 1835. Documents historiques publiés par la société de l'école des chartes, I . II.

1873-1879.

16 Dagegen wurden im einzelnen viele römische Einrichtungen angenommen, so daß es unrichtig wäre, die öffentlich-rechtlichen Zustände des fränkischen Reiches einfach als germanisch zu bezeichnen. Das öffentliche Recht war romano-germanisch, wie die französische Sprache sich als eine germano-romanische entwickelt hat; in jenem überwiegen die germanischen, wie in dieser die romanischen Bestandteile. 1 Vgl. die speziellen Angaben bei OSTEBLEY, Wegweiser (s. S. 6).

106

Die fränkische Zeit.

§ 17. Das K ö n i g t u m 1 . Nach einer alten Überlieferung, die uns der Geschichtschreiber der Franken bewahrt hat, lebten die Salier, lange bevor es dem großen Sprossen des Merovingerhauses gelang, den ganzen Stamm unter seiner Königsgewalt zu vereinigen, nach Gauen und Volklanden unter gelockten, aus ihrem adelichsten Geschlecht erwählten Königen 2 . Die Zustände waren demnach dieselben wie bei den Norwegern, bei denen, bis zu der Vereinigung ihres Landes unter Harald Härfagri (Schönhaar) gegen Ende des 9. Jahrhunderts, Gau- und Volklandskönige (heradskonüngar, fylkishonüngar) sich in die Herrschaft teilten 3 . Bei den Quaden scheint es in der zweiten Hälfte .des 4. Jahrhunderts unter einem gemeinsamen Volkskönig teils einzelne Gaukönige, teils Gaurichter (iudices) im Sinne der alten principes gegeben zu haben4. Auch die salischen Gaukönige lassen sich wenigstens bei den Bataven bis um die Mitte des 4. Jahrhunderts zurückverfolgen. Die den Römern von diesem Volke gestellten Bundestruppen standen nach Tacitus unter einem Herzog, die einzelnen Kohorten unter einheimischen Fürsten 8 , während die batavischen Hilfstruppen Julians 357 in der Alamannenschlacht von Königen angeführt wurden8. Es war also einem oder mehreren der adelichen Geschlechter gelungen, sich in den erblichen Besitz der Gauvorsteherschaft zu setzen7; aus den gewählten Gaufürsten waren erbliche Gaukönige geworden. Derselbe Prozeß hat sich dann bei den Saliern wiederholt. Das den Seefranken durch seine Haussage wie durch seinen Namen auf das engste verbundene Geschlecht der Merovinger ( § 1 5 Anm. 18) hatte, vielleicht infolge eines ähnlichen Vernichtungskampfes wie 1 V g l . WAITZ, I I . X, S. 99—106, 136-216. I I . 2, S. 350—360. I I I . 76ff., 221 bis 327; Recht der salischen Franken 201-214. SOHM, 9—37. v . SYBEL, 241—371. W . SICKEL, Entstehung der fränkischen Monarchie, i. d. Westdeutschen Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst I V . 231—272, 313—352. DAHN, Könige der Germanen I — I I I . V I . FUSTEL DE COULANGES, Histoire des institutions politiques de France I . livre I I I . I V . FAHLBECK, Royaute et droit royal francs. BETHMANN-HOLLWEG, German.-roman. ö i v i l prozeß I. 147 lf., 187 ff., 407 if. GIERKE, Genossenschaftsrecht I. § § 6, 18. HEGEL, Geschichte der Städteverfassung von Italien I. 446 if. BÜDINGEB, Engl. Verfassungs'geschichte 66 if., 76—94. KÖPKE, Anfänge des Königtums bei den Gothen. ROTH, Geschichte des Beneficialwesens; Feudalität u. Unterthanen verband. 2

Gregor. Tur., Hist. Franc. I I , 9 (Mon. Germ. Script, rer. Merov. I. 77):

iuxta

pagos vel civitates regia crinitos super se creavisse de prima et, ut ita dicam, nobiliore suorum familia. Daß vel nicht für aut, sondern für et steht, ergiebt sich aus dem Sprachgebrauche Gregors. V g l . Mon. Germ. 1. c. 963. Anderer Meinung v. SYBEL, 160 ff., vgl. Anm. 11.

WAITZ, I . 305 Anm. 2.

3 V g l . MAUSER, Island 20 ff. Krit. Viertel] .-Sehr. X . 370—374. K . LEHMANN, Königsfriede der Nordgermanen 168, 172 ff. Siehe auch oben § 6 Anm. 19. 4 Ammian. Marc. X V I I . 12 § § 9, 21.

5 Annal. II. 11: Chariovalda dux Batavorum. Hist. IV. 2: cohortibus qtias vetere instituto nobilissimi populariitm regebant. 6 Ammian. Marc. XVI. 12 § 45: Batavi venere cum regibus. 7 Schon von den beiden Civilis hieß es: regia Stirpe multo ceteros anteibant.

Einem zweiten batavischen Adelsgeschlecht Hist. I V . 13, 18.

gehörte Claudius Labeo an.

Tacitus,

§ 17. Das Königtum.

107

der später von Chlodovech gegen seine eigenen Geschlechtsgenossen geführte, alle konkurrierenden Geschlechter beseitigt und in sämtlichen Hundertschaften des Stammes das Gaukönigtum an sich gebracht 8 . War das Gaukönigtum aus einer mehr oder weniger naturgemäßen Entwickelung hervorgegangen, bei welcher die bisherige republikanische Verfassung mit dem Landesthing und dem Fürstenrate an der Spitze noch fortbestehen mochte 9 , so kann das Volklandskönigtum, wenigstens bei den Westgermanen, nur aus einer Verfassungsänderung erklärt werden. Hier wird in erster Keihe das in der Völkerwanderung ständig gewordene Herzogsamt, vielleicht zum Teil durch eine Verbindung mit dem Landespriestertum unterstützt, als maßgebender Faktor eingetreten sein. War der Herzog, der früher nur für die Dauer eines Krieges gewählt wurde und nach Beendigung desselben wieder in sein Gaufürstenamt zurücktrat, infolge fortwährender Kriege zu einer lebenslänglichen Stellung an der Spitze seines Volkes gelangt, so mußte es ihm unter Umständen ein leichtes sein, diese Stellung dauernd an sein Haus zu fesseln. Wie aus dem Gaufürstentum die Gaukönige, so gingen aus dem Volksherzogtum die Volklandskönige hervor. Wir begegnen solchen Volklandskönigen nicht nur bei den Franken 10 und Norwegern, sondern auch den Alamannen 11 , auch die angelsächsischen Ealdormen und die langobardischen Herzöge sind unverkennbar ebenfalls ursprünglich Könige gewesen, die erst durch das Emporkommen des Stammeskönigtums zu Unterkönigen herabgedrückt wurden 12 . Die Entstehung des Stammeskönigtums ist, wie das Beispiel der West8 Daß Gregors reges criniti Merovinger waren, ist billig nicht zu bezweifeln. Gregor selbst deutet darauf hin, daß die von ihm erwähnten Kleinkönige erst durch Chlodovech beseitigt seien (Hist. Franc. II. 9, 41, 42), also dessen Verwandte waren. Einen besonderen Beweis liefert die übereinstimmende Haartracht (vgl. Anm. 31), die ebensowohl an die altchattischen Berufskrieger (Tacitus, Germ. c. 31) wie an den Gebrauch des Civilis während des batavischen Krieges (Hist. IY. 61) erinnert. Vgl. Schböder, Die Franken und ihr Recht 31 f. Siehe auch Anm. 14. 9 Ich halte es für wahrscheinlich, daß auch die sächsischen Gaufürsten, die sairapae des Beda, großenteils ebenfalls erbliche Gaukönige gewesen sind. Die hervorragende Stellung des sächsischen Adels, insbesondere die eigentümliche Herrschaft (tutela), die von sächsischen Herren (domini) über Freie und Liten ausgeübt wurde, scheint so ihre einfachste Erklärung zu finden. Vgl. Waitz, I. 258. III. 124, 132, 148 fif., und die daselbst angeführte Litteratur. Aus dem Bericht Nithards (IV. 2) über den Aufstand der Stellinga ergiebt sich doch nur, daß Karl den sächsischen Adel auf Kosten der Freien und Liten begünstigt hatte, keineswegs aber, wie v. Sybel 129 annimmt, daß er überhaupt erst die bevorzugte Stellung desselben geschaffen. Gerade die L. Sax. 62 erwähnten Adelichen waren wegen ihres Widerstandes gegen Karl in die Verbannung geführt, können ihre tutela also nicht von ihm gehabt haben. 10 Vgl. Waitz, I. 305 f. Sulpicius Alexander (bei Greg. Tur., Hist. Franc. II. 9) bezeichnet die Führer der rechtsrheinischen Franken (Chatten und Eibuarier), Sunno und Marcomer, einmal als duces, dann als regdles und subreguli. 11 Vgl. Waitz, I. 303 f. v. Sybel, 152 ff. Der letztere nimmt hier wiebeiden Franken (Anm. 2) nur Gaukönige an. 12 Vgl. S. 23 Anm. 19. S. 25 Anm. 31.

108

Die fränkische Zeit.

gothen und Langobarden sowie der unter Odovakar vereinigten Völker zeigt, zunächst auf das von den Völkern selbst empfundene Bedürfnis einer vollen staatlichen Einigung zurückzuführen13. Selbst bei den salischen Franken, bei denen die persönliche Thatkraft des Chlogio und seiner Nachfolger den Rahmen eines bloßen Volklandskönigtumes durchbrochen und ein einzelnes herrschgewaltiges Haus zur Vormacht erhoben hatte, konnte das rücksichtslose Vorgehen Chlodovechs gegen seine Nebenkönige nur darum so widerspruchslos und ohne Kampf erfolgen, weil die Bevölkerung selbst ihre Interessen dadurch gefördert sah. Der Anschluß der ßibuarier wurde in rechtsförmlicher Weise von der Stammesversammlung beschlossen; und der Anschluß der Chatten ist wohl auf dieselbe Art vor sich gegangen 14 . Anders stand es in Norwegen, dessen geschützte Lage das Bedürfnis der staatlichen Einigung weniger fühlbar machte. Seit dem Anfange des 8. Jahrhunderts hat das aufstrebende norwegische Großkönigtum zu heftigen inneren Gährungen und Kämpfen geführt und dadurch den Hauptanstoß zu den normannischen Wikingerzügen gegeben, die vorzugweise von bisherigen Volklands- und Heradskönigen unternommen wurden, um neue Herrschaftsgebiete an Stelle der verlorenen zu erringen. Man sieht, das germanische Stammeskönigtum ist überall aus denselben Grundlagen erwachsen. Wie verschieden auch im einzelnen die dabei mitwirkenden Elemente gewesen sind, im großen und ganzen liegt eine gleichmäßige organische Entwicklung vor. Ein völliger Bruch mit der Vergangenheit hat ebensowenig stattgefunden, wie ein völliger staatlicher Neubau oder gar ein einfacher Eintritt in römische Verhältnisse. Daß die letzteren ebenso wie die monarchischen Vorstellungen der katholischen Kirche dem Königtum, zumal dem fränkischen, vielfach förderlich gewesen sind, daß eine Menge römisch-rechtlicher Elemente in die Verfassungen der auf römischem Boden errichteten germanischen Reiche ein13

Vgl. WAITZ, I. 306 f. Über den König der Alamannen ebd. 305, über den der Thüringer 301, 308. Der König der Wariner (Cassiodor, Yaria III. 3. Prokop, Bell. Goth. IV. 20), der nur ein Volklandskönig gewesen sein kann, wurde wohl in den Sturz des Thüringerreiches mithineingezogen. Über die Angelsachsen vgl. oben S. 94. 14 Chlogio kano, solange er seinen Sitz zu Dispargum hatte, nur einer der alten reges criniti (Anm. 2, 8) gewesen sein, als nobilissimus in gente sua (Hist. Franc. II. 9) natürlich nicht Gau-, sondern Volklandskönig, d. h. erblicher Herzog einer civitas. Indem er nach der Mitte des 5. Jahrhunderts über den Kohlenwald vordrang, Tournay und Cambray eroberte und seine Grenzen bis an die Somme vorschob (WAITZ, II. 1, S. 30f.), gründete er einen wirklichen Staat, der aber nach seinem Tode sofort wieder zersplittert wurde. Die alsbald hervortretenden Reiche von Tournay und Cambray können nur durch eine Erbteilung in dem Hause Chlogios entstanden sein; während Tournay dann auf Childerich, Cambray auf ßagnachar überging, muß das jenseit des Kohlenwaldes belegene Volkland von Dispargum an einen anderen Zweig des Hauses gekommen sein. Childerich war demnach zunächst wieder nur ein Kleinkönig, aber es ist undenkbar, daß er den Römern ganz uneigennützige Dienste geleistet haben sollte. Wahrscheinlich sind ihm Gebiete an der Mosel abgetreten worden, und hier haben sich ihm die stammverwandten chattischen Pranken alsbald angeschlossen.

V g l . v . SYBEL, 2 9 6 ff.

SCHBÖDER, F r a n k e n 28 ff.

§17.

109

Das Königtum.

gedrungen sind, wird kein Verständiger leugnen. Aber ein prinzipieller Unterschied zwischen dem fränkischen Königtum Chlodovechs und dem norwegischen Haralds hat nicht bestanden. Auch das fränkische Reich ist seiner Entstehung und seinem Inhalte nach ein germanischer Staat gewesen16. Das zeigt sich schon an den äußeren Wahrzeichen der königlichen Gewalt. Noch in der Zeit ihres tiefsten Verfalles haben die Merovinger den uralt heidnischen Gebrauch der Thingfahrt auf rinderbespanntem Wagen festgehalten 16 . Das römische Diadem war bei ihnen ebensowenig in Gebrauch wie die Krone, die erst von den Karolingern eingeführt wurde 17 . Das eigentliche Königszeichen blieb in altgermanischer Weise der Speer; wie bei den Langobarden, so wurde auch bei den Franken das Herrscherrecht durch Übergabe eines Speeres übertragen 18 . Noch im Jahre 1002 hat König Heinrich II. in dieser Weise die Huldigung der Sachsen empfangen 19 . Surrogat des Speeres war der königliche Stab 20 , der, nachdem Karl der Große einen goldenen Stab (Scepter) hatte anfertigen lassen, auch neben dem Scepter als selbständiges Königszeichen beibehalten wurde 21 . Seit der Karolingerzeit wurden auch Schwert und Schild zu den königlichen Insignien gerechnet 22 . Ebenso muß das Kreuz, das später zu den deutschen Reichsinsignien gehörte 23 , schon im fränkischen Reiche in Gebrauch gewesen sein 24 . Die königlichen Wahrzeichen hatten nicht bloß ihre Bedeutung bei 15 Damit ist die Stellung angedeutet, die ich gegenüber den Werken von FÜSTEL DE COULANGES, TARDIF und v. SYBEL, trotz der von diesen, namentlich von dem letzteren, gebotenen vielfachen und reichen Belehrung, einnehme. Vgl. WAITZ, II. 1, S. 80 ff., und i. d. Histor. Zeitschr. XXXVII. 45 ff. Gegenüber der in der Litteratur mehrfach hervortretenden, selbst von WAITZ noch nicht ganz überwundenen Neigung, den persönlichen Charakter der fränkischen Verwaltung auf Kosten des staatsrechtlichen Charakters der fränkischen Verfassung in den Vordergrund zu schieben, ist namentlich auf die Arbeiten von ROTH und SOHM zu verweisen. 19

V g l . § 6 A n m . 25.

WAITZ, I I . 1, S .

178.

17

Vgl. WAITZ, II. 1, S. 174 f. III. 249 ff. Nur ganz vorübergehend, als der Kaiser ihm die konsularischen Würden verliehen hatte, hat Chlodovech Diadem und Purpur angelegt. 18

V g l . WAITZ, I I . 1, S . 1 7 4 .

GRIMM, R A . 1 6 3 .

Z e i t s c h r . f. R G . X X . 5 8 .

Siehe

auch oben S. 18. 19 Thietmar von Merseburg, Chron. V. 9: Bernhardus igitur dux, accepta in manibus saora lancea, ex parte omnium regni curam Uli fideliter committit. Vgl. WAITZ, VI. 138 f. Das deutsche Reich rechnete noch im 12. Jahrhundert die heilige Lanze zu seinen Kroninsignien. Vgl. Anm. 23, 25. 20 Vgl. S. 51. 21 Vgl. WAITZ, i n . 249, 251 f., 258. Siehe auch Anm. 25. 22 Vgl. WAITZ, III. 252. Siehe Anm. 25, 28. 23 Nach der Chronik des Ekkehard von Aura, zum Jahre 1106, übergab Heinrich IV., als er zu Gunsten Heinrichs V. auf die Krone verzichtete, diesem die regalia vel imperialia insignia, crucern scilicet et lanceam, sceptrum, globum atque coronam. 24 Schon die merovingischen Münzen trugen außer dem Königsbildnis regelmäßig das Zeichen eines Kreuzes, das sich freilich schon auf den Münzen der christlichen Kaiser fand. Über karolingische Marktkreuze vgl. Anm. 28.

110

Die fränkische Zeit.

der Übertragung oder Niederlegung der Herrschaft25, sie begleiteten den König auch bei der Ausübung seines Amtes26, vermochten aber selbst den abwesenden König zu vertreten, indem sie geradezu als Leibzeichen, als Personifikationen des Königs, angesehen wurden. So traten sie an die Stelle der altheidnischen Banner, die in Thing und Heer aufgerichtet wurden, um die Anwesenheit der Gottheit und die Stellung der Versammlung unter deren Baun anzudeuten27. Die königlichen Insignien wurden infolgedessen zu Wahrzeichen des Bannes, den der König auf eine Stätte gelegt hatte, sei es, um derselben einen besonderen Frieden zu verleihen, oder um die Beschlagnahme eines Grundstücks (Befrohnung) zu vollziehen28. Die Erteilung königlicher Vollmachten geschah unter Überreichung eines Stabes, dem als unmittelbares Leibzeichen, um den Empfänger als die Hand des Königs darzustellen, ein Handschuh hinzugefügt zu werden pflegte29. Die Thronfolge30 war bis zur Erhebung Pippins streng erblich in dem götterentstammten Hause der langgelockten Merovinger31, nach ihrer Beseitigung ebenso unter den durch Wahl des Volkes berufenen, von der Kirche geweihten Karolingern. Eiue bestimmte Thronfolgeordnung be25

Vgl. WAITZ, III. 253. Der sterbende König Konrad I. übersandte die Reichsinsignien (sumptis his insigniis, lancea sacra, armillis aureis cum clamide, et veierum gladio regvm ac diadematej an Heinrich I., den er zu seinem Nachfolger designiert hatte. Widukind, Res gestae Saxonicae I. 25. Otto dem Großen wurden bei seiner Krönung die regalia insignia, nämlich gladius cum balteo, clamis cum armillis, baculus cwm sceptro, diadema, feierlich übergeben. Vgl. ebd. II. 1. Vgl. auch Anm. 23. 26 Dafür waren besondere Hofbeamte (Speerträger, Schwertträger, Stabträger, armiger, spatarius) angestellt. Vgl. WAITZ, II. 2, S. 74 f. III. 505, 509. Über den langobardischen Speerträger und den angelsächsischen und gothischen signifer, der dem Könige stets mit einer Fahne voran schritt, vgl. GRIMM, RA. 241. DAHN, VI. 548. 87 Vgl. S. 31. 28 Vgl. SCHRÖDER, Weichbild (s. § 7 Anm. 15). Das Kreuz als Zeichen des Marktbannes ist für Aquitanien schon um die Mitte des 9. Jahrhunderts durch die Translatio s. Filiberti I. c. 72 (MABILLON, Acta Sanctorum ex ordine S. Benedicti IV. 1, S. 551) bezeugt; als Frohnungssymbol kommt es später sowohl in Frankreich als auch in Deutschland vor (vgl. Weichbild 320), ist aber auch dem altnorwegischen Recht bekannt gewesen (vgl. Krit. Vierteljahrsschr. XVIII. 41, 59). Der einfache Stab als Wahrzeichen des Bannes war wenig gebräuchlich, statt seiner diente eine Fahne (pannonceau du roy, vgl. auch Anm. 26) oder es wurde ein Hut oder ein ursprünglich als Kopfbinde (goth. vipja) gedachter Strohwisch (mnd. mp, ahd. wifa, wiffa, mhd. wife, wifel, schoup, altfrz. brandon) auf den Stock gesteckt. Der noch heute bestehende Gebrauch des Strohwisches als Bannzeichen war nicht nur in Deutschland, Frankreich und Italien, sondern auch im Norden verbreitet. Vgl. GRIMM, RA. 195, 941; mein Weichbild 312 f., 321 f. Den Schild als Zeichen des Gerichtsfriedens kannte schon die Lex Salica Tit. 44, 46. 29 Vgl. Chanson de Roland v. 247, 268, 320, 331 ff. Rolandslied des Pfaffen Konrad (hrsg. v. BARTSCH) V. 1417, 1430, 1434 f. SCHRÖDER, Weichbild 307, 316, 319. Greg. Tur., Hist. Franc. VII. 32. 30

31

V g l . H . SCHULZE, i. d . Z e i t s c h r . f. R G . V I I . 3 2 3 — 3 9 2 .

Vgl. Anm. 2, 8. § 15 Anm. 18. Daß Chlodovech noch selbst an die göttliche Abstammung seines Hauses glaubte, ergiebt seine Bemerkung über den Christengott: nec de deorum genere esse probatur (Greg. Tur., Hist. Franc. II. 29). Uber die Haartracht der Merovinger vgl. GBIMM, RA. 239 f.

§ 17.

Das Königtum.

111

stand nicht. In der Regel folgten dem Vater die Söhne, die, wie auch in den Reichen der Burgunder und Thüringer, Reich und Schatz teilten. Nur wenn ein Teilkönig starb, wurden seine Söhne wiederholt im Interesse der Konsolidation des Reiches von der Succession ausgeschlossen32. Denn obwohl jeder Teilkönig selbständiger Herrscher in seinem Lande war (das unter den Karolingern geplante Oberkönigtum des zur Kaiserwürde Berufenen ist nicht durchgedrungen), blieb die Idee des Gesamtreiches doch unangetastet, namentlich trat sie in den Titeln der Könige und in den auswärtigen Beziehungen hervor. Die Art der Teilung wurde nicht selten schon von dem Yater angeordnet. Seit dem 7. Jahrhundert kam es wiederholt, namentlich im Interesse der Austrasier, vor, daß der König schon bei seinen Lebzeiten einen Sohn über einen bestimmten Landesteil als Mitregenten einsetzte. Eine eigentliche Königswahl fand unter den Merovingern seit Chlodovech nur in außerordentlichen Fällen statt. Seit dem 7. Jahrhundert gewannen die austrasischen Großen, später die arnulfingischen Hausmeier einen maßgebenden Einfluß auf die Thronbesetzung. Seit der Wahl Pippins trat die germanische Auffassung, Wahl oder Anerkennung des neuen Königs durch das Volk oder die Großen, wieder allgemein in den Vordergrund. Durchaus germanisch war die von den Merovingern prinzipiell festgehaltene, wenn auch nicht immer thatsächlich ausgeführte Umfahrt des neuen Königs im Reiche, sowie die Ableistung des -TJnterthaneneides (leudesamio). Die Karolinger gaben die Umfahrt auf, auch ein Unterthaneneid wurde unter Pippin und während der zwei ersten Dezennien unter Karl dem Großen nicht verlangt. Erst 789 infolge einer Empörung ordnete der letztere die allgemeine Vereidigung aller über zwölf Jahre alten männlichen Unterthanen an, eine Maßregel, die unter ihm und Ludwig später mehrfach wiederholt wurde 33 . Eine eidliche Verpflichtung des Königs selbst ist nur einmal unter außergewöhnlichen Verhältnissen vorgekommen. Den merovingischen Königen in der Zeit des Verfalls wußten die Großen nicht selten eine Art Kapitulation abzudringen. Krönung und Salbung haben die Merovinger nicht gekannt, auch Ludwig der Deutsche hat ebenso wie später König Heinrich I. beides 84 Nur bei Theoderich I. und Sigibert I. gelangten die Söhne unmittelbar zur Nachfolge. 33 Vgl. W A I T Z , I I . 1, S . 205 ff. I I I . 221 ff., 290 ff. ROTH, Beneficialwesen 108 ff. 386 ff. Außer den Fällen einer allgemeinen Vereidigung sollte jeder, sobald er 12 Jahre alt geworden war, zur Eidesleistung veranlaßt werden. Der Termin der Eidesmündigkeit entspricht dem salischen Recht, das demnach als Reichsrecht angesehen wurde. Gegenüber der Auffassung, als habe der Eid überhaupt erst die Unterthanenpflicht erzeugt, so daß also ein Vertragsverhältnis zwischen dem Herrscher und den Beherrschten bestanden hätte, ist hervorzuheben, daß der Eid nur die feierliche Anerkennung der schon an sich bestehenden Unterthanenpflicht bedeutete. Vgl. u. a. SICKEL, a. a. 0. 341. Vgl. LEHMANN, Königsfriede 176f. über die Annahme (taka) des norwegischen Königs.

112

Die fränkische Zeit.

vermieden. Die Salbung ist unter Pippin, die Krönung wohl erst mit dem Kaiser turne Karls des Großen eingeführt worden. Während Karl durch den Papst gekrönt wurde, hat er selbst seinem Sohne Ludwig und später dieser seinem Sohne Lothar zu Aachen die Krone aufgesetzt. Eine besondere Kaiserkrönung hat nach Karl nicht mehr stattgefunden. Zur Thronfolge waren ursprünglich nur Söhne aus einer ebenbürtigen Ehe berufen, doch wurde diese Rücksicht schon im 6. Jahrhundert nicht immer beobachtet; Theoderich I. war der Sohn einer Beischläferin Chlodovechs. Die Karolinger haben nur Inländerinnen, und zwar ohne Rücksicht auf den Stand, zur Ehe genommen. Die Vormundschaft über einen unmündigen Thronfolger war Sache des nächsten Verwandten oder der Mutter; unter den Merovingern wurde dieselbe schon gegen Ende des 6. Jahrhunderts durch einen von den Großen berufenen Erzieher, später durch den Hausmeier geführt. Die Mündigkeit trat bei den Angehörigen des karolingischen Hauses nach dem ribuarischen Recht mit dem vollendeten fünfzehnten Lebensjahre ein 3 4 . Die Frage nach dem Eintritt der Regierungsmündigkeit bei den nach salischem Recht lebenden Merovingern ist bestritten 36 . Der fränkische Königstitel lautete, ohne Rücksicht auf die einzelnen Reichsteile, rex Francorum vir inluster38. Karl der Große nannte sich seit 774 rex Francorum et Langobardorum, seit der Kaiserkrönung imperaior Romanum gubernans Imperium, qui et per misericordiam Bei rex Francorum et Langobardorum, während Ludwig alle besonderen Bezeichnungen aufgab und nur den Titel imperator augustus führte 37 . Einen festen örtlichen Mittelpunkt besaß das fränkische Reich nicht, obwohl Chlodovech und seine Nachfolger Paris, Soissons und einige andere Städte, die austrasischen Herrscher besonders Reims und Metz bis zu einem gewissen Grade als Residenzen betrachteten. Großer war die Bedeutung Aachens unter Karl dem Großen und Ludwig. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt nahmen die Könige aus beiden Dynastien, der germa34 Vgl. Schbödee, Die Franken und ihr Recht 41; Ausbreitung der sal. Tranken, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIX. 141 f. 35 Der salische Mündigkeitstermin (s. Anm. 33) hatte nur die Bedeutung des frühesten Termins. Wo die individuelle Reife erst später eintrat, konnte der salische Knabe noch länger puer crinitus bleiben. Wenn ein solches Hinausschieben der Mündigkeitserklärung unter Privaten kaum vorgekommen sein mag, so stand es doch anders bei dem Königssohne, der mit den Waffen bekleidet werden sollte. Selbst bei dem ribuarischen Termine konnte eine Verzögerung vorkommen, wie dies in einer Beschwerde Karls des Einfältigen (Schröder, Die Franken u. ihr Recht 41 Anm. 2) angedeutet erscheint. Nur durch ein solches thatsächliches Hinausschieben erklärt es sich, daß Childebert II. erst mit 15 Jahren mündig erklärt wurde. Vgl. meine Anm. 34 angeführten Arbeiten, Heüsier, Institutionen I. 55 f. II. 489 ff. Waitz, II. 1, S. 172 f. und die bei diesem angeführte Litteratur. 36 Die Großen des Reiches durften sich nur inluster vir nennen, was selbst die arnulfingischen Hausmeier beobachteten. 37 Den Titel palricius Somanorurn führten Pippin und seine Söhne, Karl aber nur bis zu der Kaiserkrönung, auf Grund päpstlicher Verleihung. Vgl. Waitz, III. 86.

§ 17. Das Königtum.

113

nischen Abneigung gegen das Wohnen in Städten auch ihrerseits entsprechend, auf ihren verschiedenen, über das Reich zerstreuten Pfalzen (palatia), an denen häufig die wichtigsten Staatsakte vollzogen wurden. Der Inhalt der königlichen Gewalt war nach der Lex Salica ein wesentlich engerer als nach allen jüngeren Zeugnissen. Das Gesetz ist zwischen 486 und 496 entstanden, also zu einer Zeit, wo Chlodovech noch keinen zweiten deutschen Stamm unterworfen hatte, wo selbst bei seinen eigenen Stammesgenossen noch das Kleinkönigtum ihm überall im Wege stand, andererseits aber die erfolgreiche Kriegführung gegen Siagrius und die Eroberung einer nicht unbedeutenden römischen Provinz ihm bereits einen großen persönlichen Machtzuwachs zugeführt hatte. Zwar stand dem Könige in den Hundertschaften kein Gaukönigtum mehr gegenüber, die Centenarien oder Thunginen der Lex Salica waren Beamte, aber nicht Beamte des Königs, sondern des Volkes. Der König besaß bereits die vollziehende Gewalt, die er durch seine Grafen und Sacebaronen ausübte, aber den Vorsitz im Gericht hatte noch ein von ihm unabhängiger Beamter. Das alte Volklandsthing war verschwunden, dafür stand die Landesversammlung in allen politischen und Rechtsangelegenheiten mitherrschend neben dem König 3 8 . Erst die Unterwerfung der Alamannen, verbunden mit der weiteren Ausdehnung des Reiches in Gallien, hat das fränkische Königtum auf die Höhe seiner Macht erhoben, hat dem Könige zugleich sein eigenes Volk unterworfen 39 . War das fränkische Stammesreich im wesentlichen noch ein Volk mit einem König an der Spitze gewesen, so handelte es sich jetzt um ein von einem Könige begründetes und beherrschtes Reich, das Königtum war zu einer Territorialgewalt geworden. Dar König hatte sich dementsprechend an die Stelle der früheren Volksversammlung gesetzt und alle Befugnisse der letzteren in sich aufgenommen, zugleich aber durch die Gewohnheit der römischen Provinzialen, sich einem unbeschränkten Herrscher zu fügen, und durch die kirchlichen Vorstellungen von der Heiligkeit des Königtums gehoben und gefördert. Die wesentlichen Aufgaben der königlichen Gewalt waren der Schutz des Friedens nach außen und die Wahrung der Rechtsordnung nach innen. Dem Auslande gegenüber war der König der alleinige Vertreter des Staates. Bündnisverträge und Friedensschlüsse gingen allein durch seine Hand. Die Organisation, das Aufgebot und die Führung des Heeres waren ihm überlassen. War aber das Heer versammelt, so fühlte es sich in altgermanischer Weise als das Volk; es bedurfte der Überredung seitens des Königs, um das Heer zum Kriege schlüssig zu machen oder zur Rückkehr von einem begonnenen Kriege zu bewegen; wiederholt hat das Heer den König wider seinen Willen zu Kriegszügen genötigt; bei der Verteilung der Beute sprach das Heer, wenigstens noch zur Zeit Chlodovechs, das entscheidende Wort. Dagegen vermochte der König dem ein89

V g l . S.

1 4 3 f.

99

Vgl.

R . SCHBdDER, Deutsche RechtB?eachichte.

SOHM 3 5 ff.

8

Die fränkische Zeit.

114

zelnen Krieger gegenüber die schärfste Disziplin zu üben, und das Recht über Leben und Tod wurde hier oft in erschreckender Weise gemißbraucht. Zur Wahrung der Rechtsordnung dienten dem Könige die Gerichtshoheit und das Bannrecht. Während die Gerichtshoheit noch zur Zeit der Lex Salica zwischen dem König und der Landesversammlung geteilt war, ist sie nach der wohl noch unter Chlodovech selbst erfolgten Verdrängung des Volksrichters durch den Grafen ganz auf den König übergegangen. An die Stelle der von dem Landesthing ausgeübten außerordentlichen Gerichtsbarkeit40 war schon zur Zeit der Lex Salica die persönliche Gerichtsbarkeit des Königs getreten. Nur vom König konnte die strenge Friedlosigkeit verhängt werden 41 . Das Gericht des Königs war ein Billigkeitsgericht, das im Gegensatze zu den ordentlichen Gerichten weder formell noch materiell an die Strenge des Gesetzes gebunden war. Der Rechtsschutz gegen die Gefahr der Willkür bestand darin, daß auch die königliche Gerichtsbarkeit wenigstens die allgemeinen Formen des Prozesses zu wahren hatte und daß der König den Spruch nicht einseitig, sondern unter der Mitwirkung eines Urteilerkollegiums fällte. Im übrigen machte es keinen Unterschied, ob der König (oder sein Bevollmächtigter) die Gerichtsbarkeit im königlichen Hofgericht oder in einem der ordentlichen Gerichte ausübte. Die letzteren unterlagen der Einwirkung des Königs nur, wenn er selbst oder sein Bevollmächtigter den Richterstuhl einnahm; in allen anderen Fällen waren die ordentlichen Gerichte durchaus unabhängig und hatten nur nach Maßgabe des Volksrechts zu verfahren. Einseitige königliche Erlasse und Verordnungen waren für sie unverbindlich. Der König persönlich hatte keinen Richter über sich, nicht einmal in Civilsachen; Beschwerden gegen den König konnten nur durch Anrufung seiner Gnade und nicht im Wege Rechtens verfolgt werden 42 . Das wichtigste Königsrecht war das Bannrecht, d. h. die Befugnis zum Erlaß administrativer Strafgebote 43 . Derartige Gebote oder Verbote,, die man als auctoritas, praeceptum, verbum regis bezeichnete, konnten ebensowohl als Einzelverfügungen von Fall zu Fall wie als allgemeine Verordnungen von vorübergehender oder dauernder Bedeutung erlassen werden 44 . Die Entstehung des Bannrechts ist in dem altgermanischen Priestertum zu suchen. Während die Könige und Fürsten der Urzeit im Thing aucloritate suadendi magis quam iubendi poteslate, die Heerführer 40

41 Vgl. S. 35. Vgl. Anm. 68. Anders bei Angelsachsen und Langobarden. Vgl. ROTH, Beneficialwesen 222; Feudalität 2 2 5 . SOHM, 2 6 f. 43 Vgl. W. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes (Marburger Universitätsprogramm, 1886). WAITZ, II. 1, S. 210 if. II. 2, S. 286 ff. III. 315 ff. SOHM, 103—114, 133, 145, 171 f. FICKER, Forschungen z. Reichs- u. Rechtsgeschichte Italiens I. 63 ff. EHRENBERG, Commendation u. Huldigung 118 f. ROTH, Beneficialwesen 142 f. 44 Über die letzteren vgl. unten §§ 22, 30—32. 42

§ 17.

Das Königtum.

115

exemplo potius quam imperio wirkten, hatten die Priester in Thing und Heer velut deo imperante das ius coercendi, das Recht des Gebotes und Verbotes, das von den aufgepflanzten Bannern des Gottes gewiß schon früh als das Recht des Bannes bezeichnet wurde 4 5 . Als die königlichen Insignien an die Stelle der Götterzeichen traten, war der Übergang des priesterlichen Bannrechts auf den König vollzogen 46 . Der in dem Mallus des Thunginus aufgehängte Schild beweist, daß der Gerichtsbann schon zur Zeit der Lex Salica dem Könige zustand 4 7 ; auch nach anderen Richtungen hin läßt das Gesetz erkennen, daß einem königlichen Gebote Folge geleistet werden mußte 4 8 .. Daß Chlodovech in militärischen Angelegenheiten das Bannrecht ausübte, ist durch den Geschichtschreiber der Franken wiederholt bezeugt 4 9 . Seine Hauptanwendung fand das königliche Bannrecht im Hofgericht, in Heeres- und administrativen, namentlich polizeilichen Angelegenheiten, bei dem gänzlichen Mangel einer gesetzlichen Kompetenzabgrenzung waren aber auch Eingriffe in die private Rechtssphäre nicht ausgeschlossen. Dieselben wurden als Übergriffe empfunden und stießen vielfach, namentlich wenn es sich u m die Interessen der Kirche handelte, auf den lebhaftesten Widerstand, bei dem Mangel an wirklichen Verfassungsgarantien war es aber mehr eine Machtals eine Rechtsfrage, ob das Gebot eines tyrannischen Königs oder der berechtigte Widerstand der Unterthanen den Sieg davontragen sollte 50 . Nach dem Tode des Chilperich wurden seine Gewaltmaßregeln von König G u n t h r a m annulliert; alle, die durch dieselben in Verlust gekommen waren, erhielten, iusticia intercedente, Ersatz 5 1 . Man erkennt deutlich, daß dem Könige nicht das Recht zustand, nach Willkür zu verfahren, sein 45

Vgl. Tacitus, Germania c. 7, c. 11. Siehe oben S. 16 f., 31. Nur bei den Chatten hatten die Heerführer von alters her eine gewisse Disziplinargewalt (Germ. c. 30), was der Entwickelung des fränkischen Königtums zu statten gekommen sein mag. 46 47 Vgl, S. 110. Vgl. Anm. 28. 48 Wer einen königlichen Auftrag (dominica ambasia) auszuführen hatte, war entschuldigt, wenn er einer Ladung vor Gericht nicht Folge leistete (L. Sal. 1, 4); die puella in verbo regís erfreute sich eines erhöhten Rechtsschutzes (13, 6); der Widerspruch gegen ein vom König erteiltes Niederlassungsprivileg (praeceptum, ordinatio regis) wurde mit dem Tode oder Zahlung des eigenen Wergeides bestraft (14, 4). 49 Gregor, Hist. Franc. II. c. 27 (Aufgebot zur Heer- und Waifenschau); c. 37 (Verbot der Plünderung). Vgl. das Schreiben Chlodovechs von 5 0 7 — 5 1 1 bei Boretius, Capitularía I. 1. 50 Chlothar I. hatte den Kirchen eine neue Abgabe auferlegt; auf den Widerspruch des Bischofs von Tours nahm er sein Gebot zurück. Hist. Franc. IV. c. 2. Chilperich ließ von den Hintersassen der Kirche zu Tours den Heerbann eintreiben:

bannos iussit exigi, pro eo quod in exercitu non ambidassent; Gregor bezeichnet diese Maßregel als rechtswidrig: Non erat enim eonmetudo, ut hi ullam exsolverent publicum functionem (V. c. 26). In einem ähnlichen Falle kam der gegen die Gewaltt a t protestierenden Kirche ein Wunder zu Hilfe (VII. c. 42). Als Chilperich neue Steuern ausgeschrieben hatte, entstand ein offener Aufruhr, den der König zwar mit den härtesten Maßregeln niederwarf, schließlich aber sah er sich gleichwohl zur Zurücknahme seiner Anordnungen veranlaßt (V. c. 28. c. 34). 51 Hist. Franc. VII. c. 7. 8*

Die fränkische Zeit.

116

Bannrecht vielmehr nur soweit anerkannt war, als es sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegte 6 2 . Ausdrücklich festgestellt wurde diese Beschränkung in der praeceptio Chlothars I I . 6 3 , welche ausgesprochenermaßen bestimmt war, den gesetzlosen Zuständen der letzten Dezennien ein Ende zu machen und die antiqui iuris norma wiederherzustellen (c. 1). Dem Gesetze widersprechende Erlasse des Königs sollten als erschlichen gelten und kassiert werden 6 4 ; rechtmäßige königliche Verfügungen und Privilegien sollten nicht willkürlich zurückgenommen werden dürfen 6 6 ; Heiratszwang durch königliches Ehegebot sollte nicht gestattet sein 6 8 . Das Edikt Chlothars I I . von 6 1 4 57 bestätigte diese Festsetzungen und wahrte (c. 16) ausdrücklich nur den per iusticia erlassenen Verordnungen des Königs und seiner Vorgänger die Rechtsgültigkeit. Hiermit ganz im Einklänge bestimmte die wahrscheinlich einige Dezennien später abgefaßte Lex Ribuaria 65, 1: Si quis legibus in utilitatem regis sive in hoste seu in reliquam utilitatem bannitus fuerit, et minime adimpleverit, si egritudo eum non detenuerit, 60 solidos multetur. Damit war die Gültigkeit der königlichen Gebote und Verbote von zwei Voraussetzungen, utilitas publica und Gesetzmäßigkeit, abhängig gemacht. Die königlichen Erlasse mußten sich demnach auf dem Boden der allgemeinen Rechtsanschauung und des Herkommens halten, namentlich durfte der König nichts gebieten, was das Volksrecht (Gesetz oder Gewohnheitsrecht) positiv verbot, und nichts verbieten, was das Volksrecht zur gesetzlichen Pflicht machte. Das königliehe Bannrecht war daher im wesentlichen ein das Volksrecht ergänzendes Verordnungsrecht. I n Verbindung mit der Praxis der königlichen Gerichte hat die Handhabung des Bannrechts im Laufe der Zeit ein Amtsrecht geschaffen, das, in ähnlicher Weise wie bei den Römern das prätorische Recht gegenüber dem ius civile, das Volksrecht nach den verschiedensten Richtungen hin ergänzt, abgeändert, mit der Fortbildung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und mit der Veränderung der Rechtsanschauungen im Einklänge erhalten hat 6 8 .

51 Vgl. WAITZ, II. 1, s. 211 f. SICKEL, Entsteh, d. Königtums 250 f., 339; Gött. gel. Anz. 1885, S. 104 f., 106 f. SOHM, i. d. Deutsch. Litteraturzeitung 1884, Sp. 58 (in der Reichs- u. Gerichtsverfassung 106 f. vertritt derselbe noch den Standpunkt des unbegrenzten Bannrechts). Gin unbeschränktes Bann- und Gesetzgebungsrecht wird angenommen von SYBEL, 362—369, und FAHLBECK, 163 f., 167 ff. Über den allgemeinen Standpunkt des letzteren vgl. Anm. 76. 63 BORETIUS, Capitularía I. 18. 54 c. 5: Si quis auctoritatem nostram subreptitie contra legem elicuerit fallend o principem, non valebit. 55 c. 9: Ut auctoritatis cum iustitia et lege competente in omnebus maneant stabili firmitate, nec subsequentibus auctoritatibus contra legem, elecitis vacuentur. 56

c. 1.

57

BORETIUS, 1. c. 2 0 ff.

Vgl. SOHM, 102—146, 166 ff. BRUNNER, Entstehung der Schwurgerichte 60 f. Der von HEDSLKB, Institutionen I. 11, gemachte Unterschied zwischen einem volksrechtlichen verbwm, regis der Merovinger- und einem amtsrechtlichen bannus regis der Karolingerzeit ist unbegründet und wird durch die Lex Salica widerlegt. 58

§ 17.

Das Königtum.

117

Der Rechtsschutz gegen einen Mißbrauch des Bannrechts war ein dreifacher. Einmal waren die königlichen Erlasse nur wirksam, soweit die unmittelbare Amtsgewalt des Königs oder seiner Bevollmächtigten reichte, also im Königsgericht und auf administrativem Gebiete; dagegen bildeten sie keine Norm für die ordentlichen Gerichte, für die ausschließlich das Volksrecht maßgebend blieb. Sodann waren die Gebote des Königs für den Regierungsnachfolger nicht verbindlich; derselbe konnte sie stillschweigend bestehen lassen, ausdrücklich bestätigen oder aufheben, was namentlich nach dem Tode Chilperichs, der Recht und Gesetz prinzipiell mißachtet, hatte, von Bedeutung wurde 6i) . Endlich trugen die Banngebote des Königs nur den Charakter der leges imperfectae. Der Ungehorsam gegen dieselben zog nur eine Strafe nach sich, hatte aber keine sonstigen Rechtsfolgen. Die Strafe war ursprünglich wohl arbiträr. Die Lex Salica setzt 63 Schillinge auf die Entführung einer 'in verbo regis befindlichen Jungfrau, dagegen 200 Schillinge, d. h. durch Zahlung des Wergeides abzulösende Todesstrafe, auf die Auflehnung gegen ein königliches Niederlassungsprivileg 60 . Während des 6. Jahrhunderts begegnen Todesstrafen 61 , Gefängnis 62 , Geldstrafen (banni) von unbestimmter Höhe 63 . Die 60 Schillingbuße, die später schlechthin „Königsbann" genannt wurde, begegnet zuerst in einem kölnischen Gesetze Childeberts II., der Decretio Childeberti von 595, c. 9, sodann prinzipiell und in zahlreichen Einzelbestimmungen in der Lex Ribuaria 64 , so daß die allgemeine Normierung des Königsbannes auf 60 Schillinge ihren Ausgang von Ribuarien oder doch von Austrasien genommen haben dürfte. Daß die Könige seitdem zu höheren Strafandrohungen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedurften, scheint aus einem als Yolksrecht angenommenen sächsischen Gesetze Karls von 797 hervorzugehen 66 . 59

Vgl. Anm. 51. Es war üblich, sich Privilegien und Schenkungen der Könige regelmäßig von den Regierungsnachfolgern bestätigen zu lassen. 60 Vgl. Anm. 48. Die Strafbestimmung der L. Rib. 60, 6, Todesstrafe auf Anfechtung einer Königsurkunde, hatte eine ganz andere Bedeutuug, da hier nicht Ungehorsam gegen einen königlichen Befehl, sondern der gegen den König erhobene Vorwurf der Unwahrheit, also schwere Majestätsbeleidigung, zu ahnden war. 61 Vgl. WAITZ, II. 1, S. 213. Pactum de tenore pacis Childeberts I. und Chlothars I. c. 18. Ed. Chlothars II. v. 614, c. 24. 62 Gregor, Hist. Franc. VI. c. 45. 63 Vgl. Anm. 50, 67. Gregor, Hist. Franc. IV. 26. Chilperich drohte in einer Urkunde (Mon. Germ, Dipl. I. Nr. 8, S. 12) Vermögenseinziehung und Verbannung an. 64 Vgl. L. Rib. 35, 3 (gegenüber L. Sal. 13, 6). 58, 12, 13. 60, 3. 65, 1, 3. 73. 87. Vgl. MAYER, Entstehung der Lex Ribuariorum 169. 03 Capitulare Saxonicum c. 9: Item placuit, ut, quandoquidem voluil domnus rex propter pacem et propter faidam et propter maiores causas bannum fortiorem statuere una cum consensu Francorum et fidelium Saxonum, secundum quod ei plaeuerit, iuxtaquod causa exigit et oportunitas fuerit, solidos sexaginta multiplicare in duplum et solidos centum sive usque ad mille conponere faciat, qui eius mandatum transgressus fuerit. Wenn in einer Hofgerichtsurkunde Childeberts III. von 695 (Mon. Germ. Dipl. I. Nr. 68, S. 61) ein sexcentus solidos umfassender Heerbann erwähnt wird, so

118

Die fränkische Zeit.

Dem Bannrecht verwandt war die Befugnis des Königs, einzelnen Personen oder Instituten seinen besonderen Schutz zu verleihen, sie unter sein „Wort", d. h. seinen Schutzbrief, zu stellen66. Die Verletzung solcher Personen zog die Strafe des Königsbannes nach sich; außerdem war mit dem königlichen Schutzbrief die Verleihung des privilegierten Gerichtsstandes vor dem Könige verbunden. Umgekehrt konnte der König die Entziehung seiner Gnade aussprechen, was für den Betroffenen den Abbruch aller persönlichen Beziehungen zum Hofe und den Verlust alles dessen, was er an Ämtern oder Gütern vom König empfangen hatte, bedeutete67. Davon verschieden war die Verhängung der Friedlosigkeit durch den König, deren Bezeichnung durch extra sermonem regis ponere zu der irrtümlichen Auffassung geführt hat, als habe es neben dem besonderen noch einen allgemeinen Königsschutz gegeben, während der König hier einfach als das berufene Organ der allgemeinen Rechtsgenossenschaft handelte68. Die persönliche Beziehung zum König bewirkte für die unmittelbaren königlichen Beamten und die Mitglieder des königlichen Gefolges, vorübergehend auch für alle, die im Auftrage des Königs beschäftigt waren, die Verdreifachung des Wergeids und der Buße ihres Geburtsstandes, also einen erhöhten Rechtsschutz und insofern eine relative Standeserhöhung. Auch in dieser Beziehung ist der König in die Rechte der Volksversammlung eingetreten. Noch nach der Lex Salica hatte die Anwesenheit in der Volksversammlung, im Gericht oder im Heere (in hoste) die unbedingte Verdreifachung des Wergeides zur Folge89. Die jüngeren Gesetze wissen nichts mehr davon, sie kennen nur die Ehre und den Frieden des Königsdienstes. Die Verletzung des Königs oder der ihm schuldigen Treue wurde unter den Merovingern, unter unverkennbarem Einfluß des römischen Rechtes, als crimen laesae maiestatis mit dem Tode bestraft. Unter den Karolingern wurde genauer unterschieden, die Todesstrafe nur noch für die eigentlichen Majestätsverbrechen beibehalten, dagegen sonstiger Treubruch mit Vermögenseinziehung oder doch Benefizienverlust bestraft70. kann dies nur von einer Gesamtbuße, die der Herr für seine Hintersassen mitzuentrichten hatte, verstanden werden. Vgl. § 24 Anm. 15. 64

V g l . HEÜSLER,

Institutionen

I.

109ff.

WAITZ, I I . 1, S . 3 3 0 f f .

ROTH,

Feu-

dalität 266 ff. Siehe § 24 Anm. 10. 67 Vgl. WAITZ, II. 1, S. 197. III. 326. In einem Diplom Dagoberts I. von 635 (Mon. Germ. Dipl. I. Nr. 15, S. 17) wird jedem, der den Anordnungen des Königs zuwiderhandeln werde, angedroht: nostram offensam et aßsco graue damnurn sustineat. 69 Vgl. FRENSDORFF, Recht und Rede (i. d. Historischen Aufsätzen zum Andenken an WAITZ, 1886) 476 ff., der den Nachweis führt, daß extra sermonem ponere nur eine Übersetzung von verzalen, verzollen, Mrsagen, ist, also einfach verfesten, ächten, proscribere bedeutet und mit dem verbum regis nichts zu thun hat. 69

70

V g l . SOHM, 3 9 ff.

Vgl. WAITZ, III. 307 ff. Damit kam auch die im älteren Recht auf die Anfechtung einer Königsurkunde gesetzte Todesstrafe in Wegfall. Über das Vorrecht des Königs, öffentliche Urkunden auszustellen, vgl. § 33.

§ 17.

Das Königtum.

119

Unter Karl dem Großen wurden die dem Könige geschuldeten Treuepflichten der Unterthanen förmlich katalogisiert 71 . Die Organisation des Reiches nach allen Richtungen hin war ausschließlich Sache des Königs. Dabei konnte er kraft seines Dispensationsrechtes nach Belieben Befreiungen und Privilegien erteilen. Alle Beamten, im wesentlichen auch die der Kirche, wurden von ihm ernannt. Königlicher Auftrag entschuldigte schon nach der Lex Salica das Ausbleiben im Gericht. Von hervorragender Bedeutung war die Stellung des Königs in fiskalischer und ökonomischer Beziehung, wovon § 26 und § 28 zu handeln ist. Ein Besteuerungsrecht besaß der König nicht, selbst das zunächst aufrechterhaltene römische Steuersystem gegenüber den Provinzialen geriet bald in Verfall. Zwischen Reichs- und königlichem Privatgut wurde für gewöhnlich nicht unterschieden 72 . Zwar wurde bei den Franken ebenso wie bei Angelsachsen, Langobarden und Westgothen in der Verwaltung ein Unterschied zwischen Krongütern und öffentlichen Einnahmequellen gemacht 73 , aber die Einnahmen selbst, soweit sie nicht zur Besoldung der Beamten gehörten, flössen sämtlich in den königlichen Schatz. Der Hauptmangel des fränkischen Königtums beruhte darin, daß die Art der Beteiligung des Volkes an der Regierung nicht geordnet war und daß es an einem ausreichenden Rechtsschutze gegen die Krone fehlte. So ging es oft tumultuarisch zu und alles wurde zur Machtfrage 7i . Während Chlodovech und seine nächsten Nachfolger sich noch durchaus als germanische Herrscher aufführten, trat Chilperich und wahrscheinlich in ihren späteren Jahren auch Brunichildis alles Recht mit Füßen. Die von den austrasischen Großen ausgegangene Reaktion gegen die dadurch herbeigeführten gesetzlosen Zustände führte zu einer feierlichen Anerkennung und Wiederherstellung des alten Rechts durch Chlothar II. 7 6 , zugleich aber zu einer Reihe von Zugeständnissen, deren weitere Entwickelung die Krone aller Regierungsrechte beraubte, bis das Haus der Pippiniden einem regenerierten Königtume den Boden schuf 76 . 71

72

V g l . WAITZ, III. 296 ff. EHRENBERG, C o m m e n d a t i o n u n d H u l d i g u n g 105 ff. V g l . SOHM, 2 7 — 3 4 , der auf den G e g e n s a t z der a n g e l s ä c h s i s c h e n V e r h ä l t n i s s e

hinweist. Ganz fremd war die fiskalische Idee übrigens auch den Franken nicht, insofern sie Reich und Schatz als untrennbar zusammengehörig betrachteten. Wer das Reich erhielt, bekam auch den Schatz. Teilung des Reiches bedeutete zugleich eine entsprechende Teilung des Schatzes. Vgl. besonders Gregor, Hist. Franc. VI. c. 45. 73 Vgl. S. 129. 74 Vgl. Anm. 50. Gregor, Hist. Franc. III. 11, 27. IV. 14, 49. 75 Vgl. S. 116. 78 Das Werk von FAHLBECK, SO dankenswert in manchen einzelnen Anregungen, krankt an dem Grundfehler, daß es die Gewaltthaten eines Chilperich als den normalen Zustand und demgemäß das System absoluter Rechtlosigkeit als das System des fränkischen Staatsrechts betrachtet. Die ziemlich geregelten Zustände unter Chlodovech und seinen Nachfolgern ignoriert es ebenso wie den Beginn einer verfassungsmäßigen Reaktion unter Gunthram. Chlothar II. schafft nach FAHLBECK überhaupt erst einen Rechtsstaat, während der König selbst anerkennt, daß er die

120

Die fränkische Zeit.

§ 18. D i e s t a a t l i c h e G l i e d e r u n g des f r ä n k i s c h e n R e i c h e s . Die Reichsteilungen in der fränkischen Monarchie führten dahin, daß Austrasien, Neustrien und Burgund, neben ihnen wohl auch Aquitanien und die Provence, unbeschadet der höheren Reichseinheit, mehr oder weniger als Reiche für sich angesehen wurden, wodurch sich die in dem Vertrage von Yerdun vollzogene nationale Scheidung allmählich vorbereitete. Italien war von vornherein in einer Weise mit dem Frankenreiche verbunden, bei der ihm bis zu einem gewissen Grade der Charakter eines selbständigen Reiches gewahrt blieb; der Titel rex Francorum et Langobardorum brachte zum Ausdruck, daß das ehemalige Langobardenreich wenigstens keine Provinz des fränkischen Reiches geworden war. Bei der inneren Gliederung des Reiches sind die Provinzen, die Gaue oder Grafschaften, die Hundertschaften und die Gemeinden in Betracht zu ziehen. Die Provinzen waren der Schauplatz der Stammesindividualität und der volksrechtlichen Gesetzgebung; die Gaue waren die eigentlichen staatlichen Yerwaltungssprengel in politischer, militärischer, fiskalischer, gerichtlicher Beziehung; die Hundertschaften waren die ordentlichen Gerichtssprengel und bildeten zugleich die Grundlage einer gewissen polizeilichen Organisation sowie der wirtschaftlichen Organisation der Markgenossenschaften; die Gemeinden endlich waren ausschließlich Schauplatz wirtschaftlicher Interessen und genossenschaftlicher Selbstregierung. Eine gewisse Zwischenstellung zwischen Provinzen und Gauen nahmen die militärischen Herzogtümer und Markgrafschaften, sowie seit Karl dem Großen die Inspektionsbezirke (missatica) der Königsboten ein. I. D i e P r o v i n z e n 1 . Das fränkische Reich hat niemals den Anspruch erhoben, ein die Bewegung seiner einzelnen Glieder lahm legender absoluter Einheitsstaat zu sein. Zwar ein eigener Stammesherzog mit erblicher viceköniglicher Gewalt war nur vielleicht den Baiern zugestanden, und es war ein Zeichen des ärgsten Verfalles, wie auch bei den übrigen in dem Frankenreiche vereinigten Stämmen entsprechende erbliche Gewalten emporkamen, während es umgekehrt als die wichtigste Leistung der Pippiniden erschien, daß sie durch die Zertrümmerung des Stammesherzogtums, zuletzt auch desjenigen der Baiern, die gefährdete Reichseinheit "wiederherzustellen wußten, — aber andererseits brachte das Prinzip der persönlichen Rechte es mit sich, daß die einzelnen Stämme als Träger und alleinige Fortbildner des Volksrechts angesehen wurden. Das Volksrecht war nicht Sache des Reiches, sondern der einzelnen Provinzen; als Gesetzgeber auf dem Gebiete des Volksrechts handelte der König nicht als Oberhaupt des Reiches, sondern als Oberhaupt der einzelnen Provinz, der gesetzgebende Faktor neben ihm war nicht der Reichstag, sondern die

alten Rechtsnormen wiederherstelle. Vgl. Waitz, III. 644 ff. Sohm, i. d. Deutsch. Litt.-Zeitung 1884, Nr. 2. S i c k e l , i. d. Gött. gel. Anz. 1885, S. 109 ff. 1 Vgl. Waitz, I I . 1, S . 4 2 1 — 4 2 5 . I I I . 3 4 1 f., 3 5 3 ff. Lorgnon, Geographie de la Gaule 190 ff.

§ 18.

Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches.

121

auf dem Reichstage erschienene oder in ihrer Heimat befragte Provinzialbevölkerung, der einzelne Stamm. Denn die Provinzen des fränkischen Reiches waren ehen die Stammesgebiete 2 . Dabei bildeten die salischen Franken regelmäßig zwei verschiedene Gruppen, indem die Provinz Neustrien die romanischen Gebiete salischen Rechtes nördlich der Loire und die flämischen westlich der Scheide und des Kohlenwaldes umfaßte, während die Lande zwischen Scheide und Maas zusammen mit den chattischen Franken die Provinz Austrasien bildeten, zu der auch das ribuarische Land, sonst wieder eine Provinz für sich, gerechnet? wurde. In Gallien erscheinen, außer Neustrien, Aquitanien und Burgund, als Provinzen: Britannia (die keltische Bretagne), Wasconien (das Land der Basken), Septimanien oder Gothien, die Provence, in karolingischer Zeit auch Hispania, Ebenso werden das Elsaß, Churrätien, Istrieii zuweilen als besondere Gebiete genannt. Die Bezeichnungen der Provinzen waren nicht technisch, neben provincia begegnet ducatus, regio, auch regnum. I I . D i e G a u e 3 . Bei der Bildung der deutschen Stämme haben die in denselben vereinigten Völkerschaften ihre frühere staatliche Selbständigkeit zum Teil erst sehr allmählich verloren 4 . Aber auch nachdem dies geschehen war, blieb das Bewußtsein der alten Zusammengehörigkeit bestehen, die früheren Volksgenossen wurden zu Gaugenossen (compagenses), der ehemalige Völkerschaftsstaat wurde zum Gau. Eine unbedingt technische Bedeutung hat das Wort Gau freilich nicht erlangt, vielfach erhielt es sich auch für kleinere Bezirke, namentlich bei den Sachsen war go noch im Mittelalter nicht die regelmäßige Bezeichnung des Gaues" in unserem Sinne, sondern in dem der Urzeit, go bedeutete die Hundertschaft. Auch die lateinischen Ausdrücke für Gau (pagus, provincia, regio, territorium, terminus, ministerium, fines) waren nicht technisch, auch sie wurden nicht selten zur Bezeichnung anderer Bezirke gebraucht. In den Gaunamen haben sich zum Teil noch die alten Völkerschaftsnamen erhalten 6, die meisten Gaue erscheinen aber unter neuen Namen e , meistens Vgl. unsere Tafel I. Vgl. WAITZ, II. 1, S. 406 ff. III. 378 ff. Über die angelsächsischen scire vgl. MAOBEB, i. d. Krit. Überschau I. 81—87. Unsere Tafel II giebt einen .Überblick über die Gaue Eibuariens und der angrenzenden salischen, chattischen, chamavischen und westfälischen Gaue. 4 Die Kleinkönigreiche der salischen Franken und der Alamannen im 4. Jahrhundert waren unverkennbar noch Völkerschaften; bei den Sachsen traten dieselben noch in dem Kriege gegen Karl den Großen in politischer Selbständigkeit auf. Vgl. WAITZ, III. 122 f. Über die angelsächsischen Verhältnisse vgl. WINKELMANN, Gesch. d. Angelsachsen 98 ff. 5 So in dem friesischen Gau Hugmerke (marca Chaucorum), den fränkischen Gauen Tuianti, Batua, Hamaland, Hattuariergau, Hessengau, den thüringischen Gauen Engilin und Werinofeld, dem alamannischen Linzgau. Die Namen der früheren Bewohner klingen u. a. im Bardengau und dem Gau Boroctra noch nach. 6 Bei Friesen und Saliern endigen die Gaunamen vielfach auf baut, in den fränkischen Mainlanden auf eiba, bei den Schwaben auf hara. Verbreitet war die 2 3

Endung feld.

Die fränkische Zeit.

122

landschaftlichen Beziehungen entlehnt 7 , oder nach der Himmelsgegend gewählt 8 , in den Rheingegenden häufig auch nach dem Namen einer früher römischen Stadt gebildet 9 . In Gallien hatte die römische Verwaltungsorganisation die alten gallischen Völkerschaften ebenfalls als civitates, und zwar größtenteils in altgallischer Weise als reine Landgemeinden und nur zum Teil als römische Stadtgemeinden, aber mit einem ausgedehnten Territorium, fortbestehen lassen 1 0 . Die Organisation des fränkischen Reiches gründete sich von vornherein auf diese Gaue. Jeder Gau wurde mit einem Grafen als unmittelbarem Organ des Königs besetzt, der Gau wurde zur Grafschaft (comitatus). Erst seit dem Ende des 8. Jahrhunderts begann vielfach eine systematische Verkleinerung der Verwaltungsdistrikte, indem solche Gaue, die sich, zumal infolge des natürlichen Wachstums der Bevölkerung, als zu groß erwiesen, in mehrere Grafschaften zerlegt wurden, so daß man nun den alten Gau als Großgau (pagus maior) von dem neuen Gau als Kleingau oder Untergau (pagus minor) unterschied; nicht selten wurden ehemalige Hundertschaften zu solchen Kleingauen erhoben, die dann neben dem Gau- oder Grafschaftsnamen oft genug auch den alten Hundertschaftsnamen weiterführten 1 1 . III. D i e H u n d e r t s c h a f t e n 1 2 . Gleich den Völkerschaften der Urzeit haben auch die Hundertschaften alle Stürme der Völkerwanderung 7 Nach Flüssen u. a. Rheingau, Maasgau, Saargau, Nahegau, Maingau, Donaugau, Thurgau, Helmengau, Leinegau, Emsgau, Stormarn (pagus Sturmariorum). Nach Gebirgen u. a. Eifla, Arduenna, Hundesrucha, Westerwald, Auelgau, Hardago (Harzgau?). Nach Wäldern Waldsazi im Spessart, Holtsatia (Holstein), Waltsati (zwischen Weser und Elbe). 8 Nach der Himmelsgegend bezeichnete Gaue waren sehr verbreitet. Das Elsaß zerfiel in Nord- und Sundgau. Baiern hatte einen Nord-, einen West-, einen Sundgau und ein Ostarrichi. Vgl. S. 94 über die Heptarchie der Angelsachsen. 9 Vgl. die Gaunamen auf unserer Tafel II., dazu Wormsfeld, Speiergau, Metzgau, Augesgau (Augusta Vindelicorum), Augustgowe (Augusta Rauracorum). 10

V g l . WAITZ, I I . 1, S . 1 0 6 .

MOMMSEN, R o m . G e s c h i c h t e V . 7 8 — 8 4 .

GUÉBARD,

Essai sur le système des divisions territoriales de la Gaule, 1832, S. 12 if., 46 f. LONOKON, G é o g r a p h i e d e l a G a u l e 1 ff., 188 ff., 1 9 6 — 2 4 2 , 2 9 4 — 6 1 7 ; A t l a s h i s t o r i q u e d e l a F r a n c e , T e x t e e x p l i c a t i f 8 ff , 1 4 — 2 0 . BRAMBACH , i m R h e i n . M u s e u m X X I I I .

302. Der Unterschied der gallischen civitates gegenüber den römischen Stadtgemeinden war vorwiegend ein quantitativer. Während die tarraconensische Provinz in Spanien 293 selbständige Gemeinden umfaßte, zählten die drei gallischen Provinzen nur 64 civitates. 11 Vgl. Zeitschr. f. RG. XVII. 87 f. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 201 ff. LONGNON, G é o g r a p h i e 3 2 f. 1S

V g l . WAITZ, I I . 1, S . 3 9 8 - 4 0 6 .

I I I . 3 9 5 f.

SOHM, a . a . O . 1 8 1 — 2 1 2 .

MAUREB,

i. d. Krit. Überschau I. 73—80. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire 11 ff. Die früher vielfach, namentlich von französischen Gelehrten, entwickelte Ansicht, daß die Hundertschaften erst aus gewissen polizeilichen Organisationen des fränkischen Reiches entstanden seien, darf heute wohl als abgethan gelten, da auch die Gegner nicht in Abrede stellen, daß die Völkerschaft und ebenso der spätere Gau von jeher gewisse Unterabteilungen gehabt habe; nur sollen diese ursprünglich nicht Hundertschaften geheißen haben. Vgl. S. 13 f.

§18.

Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches.

123

überdauert. Wären dieselben bloß territoriale Begriffe gewesen, so ließe sich ein derartiger Vorgang nicht verstehen. Da aber die Hundertschaften aus der Familiengliederung hervorgegangene Abteilungen des Volkes und Heeres waren, so behielten sie ihre Geschlossenheit auch auf den Wanderungen und bei der Ansiedelung in neuen Gebieten, so daß sie, nachdem die Nation zu dauernder Seßhaftigkeit gelangt war, mehr und mehr einen territorialen Charakter erhielten. Auch bei der Organisation der Hundertschaften konnte die gallische Provinzialverfassung benutzt werden, da von alters her jede einzelne civitas mehrere Unterabteilungen oder pagi umfaßte 1 3 , die nun zu Hundertschaften erhoben wurden, wie die civitates zu Grafschaften. Nach dem fränkischen Hundertschaftsbeamten (centenarius), der als berufener Stellvertreter des Grafen auch den Amtstitel vicarius fährte, bürgerte sich in Westfranken die amtliche Bezeichnung vicaria für die Hundertschaft ein; daneben erhielten sich in bestimmter lokaler Abgrenzung die althergebrachten Bezeichnungen condita, aicis, ager, Jinis, ministeriumu, während die Hundertschaft in Deutschland huntari, hunischaft, centena, bei den Sachsen go genannt wurde 15 . Ihre militärische Bedeutung hatte die Hundertschaft an den Gau abgegeben. Von ihrer wirtschaftlichen Bedeutung als Markgenossenschaft wird später (§ 28) zu reden sein. Die Hauptaufgabe der Hundertschaft gehörte in das Gebiet der Gerichtsorganisation: die Hundertschaft war wie in der germanischen so auch in der fränkischen Zeit der ordentliche Gerichtssprengel. Zwar wurde die Verwaltung des Gerichtswesens unter Chlodovech auf den Grafen übertragen und ist seitdem Grafschaftssache geblieben, aber die Handhabung der Rechtspflege selbst behielt ihren Sitz in den einzelnen Hundertschaften. Aus der karolingischen Gerichtsorganisation ergiebt sich, daß der Gau drei bis acht Hundertschaften umfaßte. Eine neue Aufgabe wurde den Hundertschaften unter Childebert I. und Chlothar I. gestellt 18 , indem diese, um dem Überhandnehmen des Carbonariwesens zu begegnen, eine Gesamtbürgschaft der Hundertschaft, in welcher ein Diebstahl begangen war oder der Dieb eine Zuflucht gefunden hatte, einführten und statt der bisherigen unfreien und wenig 13

Vgl.

WAITZ, I I . 1, S . 4 0 1 .

LONGNON, G é o g r a p h i e d e l a G a u l e 2 4 f f .

GUÉRARD,

a. a. 0 . 34 f. HIRSCHFELD, Gallische Studien 35 ff. MOMMSEN, im H e r m e s XVI. 4 4 9 ff., 483 ff. 14 V g l . meine Zusammenstellungen i. d. Zeitschr. f. EG. XVII. 87—93. SOHM, a. a . 0 .

191

ff.,

1 9 6 ff.,

2 1 1 f.

GUÉRABD,

a. a . O.

48

ff.

WAITZ,

II. 1 ,

S . 3 0 9 ff.

§ 19 Anm. 13. 15 In unbestimmterer A n w e n d u n g auch marca, finis, pagus, pagellus. 10 Pactus pro tenore pacis c. 9, 16, 17 (BORETIUS, Capitularía I. 5. 7). Auch c. 1 des ersten Kapitulars zur Lex Salica (BEHREND, Lex Salica S. 89) könnte sich hierauf beziehen, woraus sich ein Argument g e g e n die Urheberschaft Chlodovechs an diesem Gesetze ergeben würde. Über die viel bestrittene B e d e u t u n g der angeführten Bestimmungen

vgl.

WAITZ, I I . 1, S . 3 9 9 , 4 0 5 f .

SOHM, a . a . O .

182—191.

124

Die fränkische Zeit.

zuverlässigen Scharmänner in jeder Hundertschaft eine aus den freien Einwohnern durch Aushebung gebildete Centschaar errichteten, deren ausschließliche Aufgabe die Verfolgung von Dieben und Käubern, selbst über die Grenzen ihres Gebietes hinaus, bildete. Die Mitglieder einer solchen Centschar wurden als centmarii, die Schar selbst als trustis oder centena bezeichnet 17 . Die Einrichtung scheint von Chlothar I. später auf das ganze Reich ausgedehnt zu sein, wenigstens bestand sie 595 auch in dem Reiche Childeberts II. zu Recht 18 . In ähnlicher Weise war auch die angelsächsische hundred zu polizeilichen Zwecken organisiert19, doch gehen die Nachrichten davon nicht über das 10. Jahrhundert zurück, so daß sich nicht feststellen läßt, ob dies durch eine Übertragung aus dem Frankenreiche geschehen sein kann. III. D i e G e m e i n d e n . Auf dem Gebiete des Gemeindewesens wurde durch den Eintritt der Germanen in den Bereich der römischen Kulturwelt eine vollständige Umwälzung der früheren Zustände angebahnt. Das öffentliche Recht wurde davon zwar zunächst weniger berührt, da auch die fränkische Verfassung daran festhielt, daß innerhalb der Hundertschaftsgemeinde kein Platz für einzelne Ortsgemeinden sei, — auch die größten Stadtgemeinden waren nur privatrechtliche Korporationen —, aber die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse wurden derartig umgestaltet, daß auch die Rechtseinrichtungen sich dem gewaltigen Einflüsse dieser Veränderungen auf die Dauer nicht zu entziehen vermochten. Während die alte Zeit im wesentlichen nur demokratische Bauernrepubliken gekannt hatte, besaß die neue Zeit in den Krongütern, den Latifundien der geistlichen und weltlichen Großgrundbesitzer und in den auf königlicher Verleihung beruhenden Edelgütern hofrechtliche Elemente, denen im Laufe der Zeit die gemeine Freiheit mehr und mehr zum Opfer fallen mußte, andererseits aber in den Städten und Märkten Elemente, die später berufen waren, den korporativen Bestrebungen und der gemeinen Freiheit eine bedeutende Verstärkung zuzuführen. Es hat sich eigentümlich gefügt, daß diese genossenschaftlichen Elemente erst durch die ihnen scheinbar entgegengesetzten hofrechtlichen Elemente zu voller Entwickelung gelangt sind. Von den hofrechtlichen Elementen ist erst später (§§ 26—28) zu handeln; auch die Verhältnisse der Landgemeinden werden wir, da dieselben dem öffentlichen Rechte nicht angehörten, sondern nur auf wirtschaftlichem Gebiete in Betracht kamen, erst bei der Darstellung der Grundeigentumsverhältnisse (§ 28) besprechen. Hier ist nur von den Städten zu reden. Über die Behandlung der römischen Städte seitens der germanischen 17 Über trustis in diesem Sinne vgl. S. 26, Anm. 39. Wenn die angezogenen gesetzlichen Bestimmungen den Ersatz des gestohlenen Gutes in Fällen, wo der Dieb nicht gefaßt wurde, der Centschar aufbürdeten, so war es selbstverständlich dieser anheimgegeben, ihren Rückgriff auf die Hundertschaft zu nehmen. 18 Decr. Childeberti II. v. 595, c. 11 (BOHETIUS, Capitularía I. 17). 19 Vgl. (SCHMID, Gesetze der Angelsachsen, 2. Aufl., 613.

§ 18.

Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches.

125

Eroberer ist viel gestritten. E I C H H O R N hat einfach ihre Fortdauer behauptet und das Städtewesen des Mittelalters auf sie zurückbezogen20, andere haben sie ganz untergehen, zu großen Dörfern degradiert sein lassen. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Daß die Germanen ihre ursprüngliche Abneigung gegen das Wohnen in ummauerten Städten 21 auf römischem Provinzialboden alsbald aufgegeben haben, steht zweifellos fest. In Köln hatten sich sofort nach der Eroberung zahlreiche Franken niedergelassen und heidnische Altäre errichtet, die ribuarischen Könige nahmen hier ihren Sitz 22 ; Avignon und Vienne wurden von Burgundern bewohnt und als Festungen benutzt 23 , in Rhodez wohnten römische Provinzialen und Gothen nebeneinander 24 . Während dabei in den deutsch gewordenen Landesteilen die römische Munizipalverfassung vollständig über den Haufen geworfen wurde, ist eine gewisse Fortdauer derselben in den romanischen Gebieten nicht zu bezweifeln25. Zwar die eigentliche Munizipalgerichtsbarkeit mußte der fränkischen Gerichtsorganisation weichen, aber wenigstens die freiwillige Gerichtsbarkeit der gesta municipalia und die curia als die städtische Behörde zur Führung derselben blieben bei Bestand; der städtischen de/ensores wird in den Quellen öfter gedacht, zuweilen als Unterbeamten des Bischofs, wie überhaupt die Bischöfe in den gallischen Städten häufig als Oberhäupter oder als Schutzherren derselben auftraten. Wahrscheinlich wurde der römische Verwaltungsapparat innerhalb der korporativen Selbstverwaltung der gallischen Städte im wesentlichen auch unter den Franken beibehalten. In allen Beziehungen des öffentlichen Rechts waren aber Graf und Centenar, also die Gaubeamten der fränkischen Verfassung, allein maßgebend. Daß die Grafen vielfach ihren Wohnsitz in den Städten nahmen, diese also thatsächlich zu Mittelpunkten der Grafschaftsverwaltung und der Rechtspflege wurden, vermochte an der rechtlichen Stellung der Städte als solcher nichts zu ändern. Erst mit ihrer Exemption vom Gau traten die Städte in den Staatsorganismus ein und wurden zu Korporationen des öffentlichen Rechts, zu wirklichen Gemeinden. Der fränkischen Periode waren der-, artige Exemptionen noch nicht bekannt, die Keime dazu aber in dem 20 Vgl. EICHHORN, Über den Ursprung der städtischen Verfassung in Deutschland (Zeitschr. f. gesch. Rechtswissenschaft II. Nr. 6) 193ff„ 216ff.; Staats- u. Rechtsgeschichte I. 176 f. 21 Vgl. S. 12. Ammian. Marceil. XVI. c. 2 § 12. 22 Über die Franken in Köln vgl. Salvianus, de gubernatione Dei VI. § 39 (Mon. Germ. Auct. antiqu. I. 74); epistolae I. (ebd. 108). Greg. Tur., Hist. Franc. II. c. 40; Vitae patrum VI. c. 2. 23 Vgl. Greg. Tur., Hist. Franc. II. c. 32, 33. 24 Vgl. ebd. c. 36. 25 Vgl. WAITZ, II. 1, S. 412 ff. SAVIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im Mittelalter I. 311 — 321. HEGEL, Gesch. d, StfidteVerfassung in Italien II. 345 — 364. BETHMANNHOLLWEG, Germ, roman. Civilprozeß I. 416 ff. RAYNOUABD, Histoire du droit municipal en France I. 304—351. QUICHEBAT, De L'enregistrement des contracts ä la curie, i. d. Bibl. de l'ecole des chartes, 5. serie I. 440 ff. BBUNNER, Rechtsgeschichte der röm. u. germ. Urkunde I. 139 ff.

Die fränkische Zeit.

126

Immunitätswesen (§ 27) bereits vorhanden. Mit dem Marktwesen, das dann ganz besonders zur Ausbildung der städtischen Verfassung beigetragen hat, werden wir uns wegen seiner in dieser Periode noch durchaus überwiegenden fiskalischen Bedeutung erst bei der Darstellung des Finanzwesens (§ 26) beschäftigen. § 19. D i e ö f f e n t l i c h e n B e a m t e n . Der Gliederung des Staates entsprach die Gliederung des Beamtentums. Es gab keine öffentlichen Gemeindebeamten, weil die Gemeinden überhaupt nicht dem öffentlichen Rechte angehörten 1 . Dagegen gab es Hundertschaftsbeamte, Gaubeamte und Herzöge, statt der letzteren seit Karl dem Großen Grenzherzöge (Markgrafen) und Königsboten. I. D i e B e a m t e n d e r H u n d e r t s c h a f t . Die Lex Salica kennt zwei Hundertschaftsbeamte: den thunginus aut centenarius2 und den sacebaro3. Jener ist von der Stammesversammlung gewählt, dieser vom König ernannt 4 . Der Thunginus ist der Richter der Hundertschaft, man erkennt in ihm deutlich den Nachfolger des germanischen Gaufürsten (princepsf. Aber von allen Funktionen des letzteren hat er nur noch den Vorsitz im Gericht, alles übrige ist auf den Grafen übergegangen, der Volksbeamte ist dem königlichen Beamten gewichen. Nicht einmal den Gerichtsbann hat der Thunginus ganz zu bewahren vermocht, die Urteilsvollstreckung geschieht durch den Grafen, der Graf ist der Gerichtsvollzieher der sämtlichen Hundertschaften seines Gaues. Zu seiner Unterstützung dienen die Sacebaronen, deren wesentliche Aufgabe die Anwesenheit im Gericht und die Eintreibung der königlichen Gefälle, namentlich der Strafgelder, ist 6 . Jede Hundertschaft hat einen Sacebaro, in größeren Hundertschaften kommen auch zwei oder drei vor. Schon die ältesten Kapitularien zur Lex Salica kennen den Thunginus und den Sacebaro nicht mehr. Noch unter Chlodovech müssen beide Ämter verschmolzen sein 7 . Aus dieser Verschmelzung ist der neue Hundertschaftsbeamte, der fränkische Schultheiß, hervorgegangen 8 . Der 1

Die entgegenstehende Annahme von WAITZ, I I . 2 , S. 4 ff., der den tribunus für einen Gemeindevorsteher hält, ist nicht begründet. Vgl. ADDI. 15. 2 Über diesen vgl. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 7 0 ff. W A I T Z , Recht der sal. Franken 1 3 5 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire 5 6 ff. 3 Vgl. SOHM, a. a. O. 84—97, 99. WAITZ II. 1, S . 100. THONISSEN, a. a. 0 . 61 ff. 4

6

V g l . SOHM, a . a . O . 6 4 , 7 2 f . , 8 5 .

5

V g l . S.

21.

Dies deutet auch der Name an, dessen erste Hälfte Sache, d. h. causa, Schuld, bedeutet. Die zweite Hälfte ist entweder aus baro = Mann (S. 42) zu erklären, oder mit altfries. haria (detegere, manifestare, clamare) in Verbindung zu bringen (vgl. SOHM 9 3 f. KERN, Glossen der Lex Salica 8 1 f. RICHTHOFEN, Altfries. W B . 6 1 8 f.). Sacebaro ist demnach Schuldeintreiber, Schultheiß. Vgl. Anm. 11. 7 So erledigt sich die Streitfrage, ob der Thunginus oder der Sacebaro der Vorgänger des Schultheißen gewesen. Sie waren beide seine Vorgänger. 3 Über das Amt des Schultheißen oder Centenars vgl. SOHM, a. a. 0. 213—272. WAITZ, I I . 2, S. 7 — 1 8 , 1 3 1 ff. I I I . 391—396. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire 193 ff.

§ 19.

Die öffentlichen Beamten.

127

Schultheiß war ein königlicher Beamter wie der Sacebaro, wenn auch in der Eegel nicht unmittelbar vom König, sondern, als Unterbeamter, vom Grafen ernannt 9 . Aber die Ernennung war keine willkürliche, sie setzte eine Wahl durch die Gerichtsgemeinde voraus 10 . Als der regelmäßige Gerichtsvollzieher der Hundertschaft war der Schultheiß teils an die Stelle des Grafen, teils an die des Sacebaro getreten; wie der letztere so wurde auch der Schultheiß durch seinen Amtsnamen als Schuldeinforderer gekennzeichnet 11 . Andererseits giebt ihn die Bezeichnung centenarius, centurio, hunno als den Rechtsnachfolger des alten Gaufürsten und des Thunginus zu erkennen 13 . Wie dieser hat er auch noch eine richterliche Thätigkeit, er ist zwar nicht mehr der ordentliche Richter der Hundertschaft, das ist nunmehr der Graf, aber er ist der regelmäßige Stellvertreter des Grafen im Gericht und führt daher, namentlich in Westfranken, auch den Titel vicarius13. Die Stellung des Schultheißen war in der Karolingerzeit dieselbe wie unter den Merovingern M . Erst durch die neue Gerichtsorganisation Karls des Großen trat ein erheblicher Unterschied ein, indem der Schultheiß den Vorsitz im Niedergericht erhielt. Von dieser Veränderung sowie von den Aufgaben des Schultheißen in seiner Eigenschaft als Gerichtsvollzieher, endlich von der mehrfach abweichenden Stellung der Hundertschaftsbeamten in den nichtfränkischen Landesteilen wird erst bei der Darstellung der Gerichtsverfassung (§ 25) die Rede sein. Als Gerichtsvollzieher hatte der Schultheiß auch die Aufsicht über die Gefängnisse, die Anordnung und Überwachung der Hinrichtungen und Körperstrafen. Er stand an der Spitze der Hundertschaftspolizei und war demgemäß Anführer der Centschar. Seine Bezeichnung als tribunus scheint aus dieser polizeilichen Stellung hervorgegangen zu sein 16 . In militärischer Beziehung hatte der Schultheiß die Aufsicht über die wehr9

Vgl. SOHM, 241—248. Auch Absetzung des Schultheißen stand nicht bloß dem Könige, sondern auch dem Grafen zu. Vgl. ebd. 244 if. 10

11

Vgl.

SOHM, 2 4 3 , 2 4 8 f.

WAITZ, I I . 2 , S .

17.

Vgl. STEINMEYEK u. SIEVERS, Glossen I. 727: exactor sculdheizzo. 278: exactor sculdsuacho. Die Bezeichnung des Schultheißen als exactor publicus kommt in den Quellen häuiig vor. Eine wörtliche Übersetzung von Schultheiß ist causidicus. In den altsalischen Gegenden hat sich für den Schultheißen auch die alte Bezeichnung sacebaro noch lange erhalten, vgl. GUEBARD, Cartulaire de St. Bertin 19 (a. 648). 12 Vgl. S. 21. 13 Während in Gallien vicarius und für den Amtssprengel vicaria überwiegen, ist in Austrasien und nicht minder in den altsalischen Ländern centenarius und centena vorherrschend. Für centena begegnet auch sculdasia. Die amtliche Sprache der Reichsgesetze stellte in der Eegel beide Bezeichnungen (vicarius und centenarius, vicaria und centena) kumulativ nebeneinander, woraus man ungehörigerweise auf eine sachliche Verschiedenheit hat schließen wollen. Vgl. Zeitschr. f. BG. XVII. 91 ff. w Die entgegenstehende Ansicht, zumal von WAITZ, findet ihre Widerlegung in den Ausführungen von SOHM. Anderer Meinung W. SICKEL i. d. Mitteil. d. österr. Instit. IV. 623 ff. 15 Über tribuntcs vgl. SOHM, 230—240, der insbesondere die Unrichtigkeit der Ansicht, daß der tribunus ein Gemeindevorsteher gewesen sei, dargethan hat. Vgl. STEINMEYER U. SIEVERS, Glossen II. 128: tribunali, hunnilihhero. 1.90: centurio, hunno.

Die fränkische Zeit.

128

Pflichtige Mannschaft seines Bezirkes und die Strafeintreibung gegen diejenigen, die ihre Pflichten versäumten. Yon besonderer Bedeutung waren endlich die fiskalischen Obliegenheiten des Schultheißen, dem die Einziehung aller öffentlichrechtlichen Gefälle und Einnahmen anheimfiel. Seit dem Anfange des 9. Jahrhunderts fing das Schultheißenamt an, unter die Einflüsse des Hofrechts und Lehnrechts zu geraten. Man erkennt bereits die Anfänge des Hof- und Lehnschultheißentums. Die Entwickelung beider gehört erst dem Mittelalter an. II. D e r G r a f 1 6 . Die Gauregierung war bei den Franken und Gothen eine unmittelbar königliche, während die angelsächsischen ealdormen und die langobardischen duces vicekönigliche Gewalt bekleideten 17 . Das Organ der königlichen Gauregierung war der Graf (grafio, comes)18, dem bei den Gothen der comes civitatis entsprach 19 . Dem Grafen wurde nicht die ganze königliche Machtfülle in bloß lokaler Abgrenzung übertragen, sondern er übte die königliche Gewalt innerhalb bestimmter verfassungsmäßiger Beschränkungen, die er nur auf Grund besonderer königlicher Ermächtigung überschreiten konnte. Die Amtswaltung war seine Pflicht, aber nicht sein selbständiges Recht. Wie er in die Amtssphäre des Schultheißen als seines Unterbeamten eingreifen durfte, so stand dem Könige jederzeit das Recht zu, persönlich oder durch besondere Bevollmächtigte in den Verwaltungsbereich des Grafen einzugreifen und die Amtsbefugnisse des letzteren insoweit niederzulegen. Das Grafenamt scheint militärischen Ursprungs gewesen zu sein. Erbliche Gaukönige an der Spitze der einzelnen Völkerschaften waren mit dem Stammeskönigtum unvereinbar; aber indem sie entfernt wurden, bedurfte es besonderer militärischer Führer, die dem König-Herzog als 16

Vgl.

II. 2, S. 21—42. III. 376-391; Becht der sal. Franken 136 ff. 74 — 84, 146—181. A. PEBNICE, Graf (bei EBSCH U. G B Ü B E R , Allgem. Encyklopädie, I. Sektion, Bd. LXXVIII) 132—145. THONISSEN, a. a. 0. 50ff. F A H L BKCK, a. a. O. 145 ff. BEAUCHET, a. a. O. 10 f., 160 ff. BETHM ANN-HOLL WEG, a.a.O. I. 412 f. Vgl.-das Bestallungsformular Anm. 31. 17 Vgl. SOHM, 24 f. PABST, Geschichte des langobardischen Herzogtums, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. I I . 4 0 5 — 5 1 8 . WINKELMAHN, Geschichte der Angelsachsen 99, 102. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen, 2, Aufl., 560. 19 Über die noch unaufgeklärte sprachliche Bedeutung des Wortes Graf vgl. GBIMM, RA. 7 5 2 f. W A I T Z , I . 2 6 5 . M Ö L L E N H O F F , bei W A I T Z , Eecht der salischen Franken 2 S 3 ff. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 5 9 7 f. RICHTHOFEN, Altfries. WB. 7 8 5 f. L E X E B , Mittelhd. WB. I . 1 0 7 4 . KLUGE, Etymol. WB. 1 1 3 . Du CANGE, Glossarium s. v. grafio. Sachlich bedeutete das Wort, das ebenso wie comes und ags. ger&fa, in zahlreichen Znsammen Setzungen zur Bezeichnung der verschiedensten Amter verwendet wurde, soviel wie Beamter, Diener. Den wichtigsten Beamten des fränkischen Reiches bezeichnete man schließlich als „den Beamten", ohne daß es eines weiteren Zusatzes bedurfte. Vgl. SOHM, 1 9 f. Andere Bezeichnungen des Grafen waren praefeclm, praeses, rector, iudex fiscalis, vielfach auch die allgemeineren iudex, agens u. a. m. 19 Vgl. SOHM, 2 3 . D A H N , Könige der Germanen III. 1 8 0 f. IV. 1 5 7 ff. VI. 3 3 4 ff. Über den vandalischen comes ebd. I . 2 1 7 , über den burgundischen BETHMANN-HOLLWEG, a. a. 0. I. 1 5 2 ff. WAITZ,

SOHM, 1 6 — 2 2 ,

§ 19.

129

Die öffentlichen Beamten.

Abteilungskommandanten zur Seite standen, während es auf dem Gebiete der Rechtspflege vorerst noch bei den alten Hundertschaftsfürsten sein Bewenden behalten konnte. Der König hatte das unbeschränkte Recht, seine Grafen nach Willkür zu ernennen oder abzuberufen. Selbst unfreie Gefolgsmannen (pueri regis) konnte er als Grafen einsetzen; was ihnen an Freiheit abging, wurde durch ihre soziale Stellung ausgeglichen. Erst durch das Edikt Chlothars II. von 614 erfuhr das königliche Ernennungsrecht eine folgenreiche Beschränkung durch die Bestimmung, daß fortan nur Grundbesitzer desselben Gaues als Grafen eingesetzt werden sollten 20 , wodurch, obgleich die Karolinger sich nicht an diese Beschränkung gebunden erachteten, doch die Erblichkeit und Lehnbarkeit der Grafenämter vorbereitet wurde. Die Grafen hatten der Gauverwaltung in allen ihren Beziehungen, in gerichtlichen, administrativen, fiskalischen, militärischen, vorzustehen. Solange die Rechtspflege ausschließlich Hundertschaftssache war, beschränkte sich die gerichtliche Thätigkeit des Grafen auf die Leitung des Gerichtsvollzieherwesens. Durch die Beseitigung des Volksrichters der Hundertschaft wurde der Graf auch mit den richterlichen Funktionen betraut, während er durch die Übertragung der Vollstreckungsgeschäfte auf den Schultheißen, der ihn nach Bedürfnis auch als Richter zu vertreten hatte, entlastet wurde. In administrativer Beziehung handhabte der Graf die Gaupolizei; er konnte die Gaubewohner zu den erforderlichen öffentlichen Arbeiten bei Straßen-, Wege-, Strombauten, zu Wachen und anderen öffentlichen Diensten aufbieten, und ebenso war er zur Wahrung des Landfriedens befugt, das allgemeine Landesaufgebot zu verkündigen 21 . Auch die Fürsorge für kirchliche Stiftungen und andere königliche Schutzbefohlene sowie die Handhabung der Fremdenpolizei war Aufgabe des Grafen. I n fiskalischer Beziehung hatte er alle öffentlichrechtlichen Einnahmen zu überwachen und selbst oder durch seine Schultheißen für die Einziehung derselben zu sorgen. Die Krongutsverwaltung gehörte nicht zu den Aufgaben des Grafen; für diese hatte jeder Gau einen besonderen Rentbeamten, der bei den Franken domesticus, später actor dominicus22, bei den Westgothen comes patrimonü, den Langobarden gastaldius, den Angelsachsen scirgerefa (sheriff) genannt wurde 23 . Unter den Karolingern 20

Nullus iudex de aliis provinciis aut regionibus in alia loca ordinetur: ut, si aliquid mali de quibuslibet condicionibus perpetraverit, de suis propriis rebus exinde quod male abstolerit iuxta legis ordine debeat restaurare. Da diese Bestimmung, die das Grafenamt thatsächlich zu einem vorbehaltenen Rechte der Grundaristokratie machte, sich nur auf zukünftige Ernennungen bezog, so blieben die bereits im Amte befindlichen Männer geringerer Herkunft davon unberührt; auch stand nichts im Wege, daß der König bei Neuanstellungen selbst die Ausstattung des Grafen mit dem erforderlichen Grundbesitz beschaffte. Vgl. Lex Eibuaria 53, 2. 21 Vgl. ROTH, Gesch. d. Beneficialwesens 411 f. 22

V g l . SOHM, 1 3 ff.

23

V g l . SOHM,

a. a. 0 .

102.

23

WAITZ, I I . 2 , S . 4 5 ff.

SCHMID,

Gesetze

ff.

FAHLBECK, a . a . 0 .

der A n g e l s a c h s e n

3 1 7 ff.

5 9 7 f.

WINKELMANN,

PABST, a. a . O . 4 4 2 ff.

B. SCHBÖDEB, Deutsche RechlsgeBchlchte.

9

Die fränkische Zeit.

130

bekleidete der Graf in der Eegel zugleich das Amt dieses Krongutsverwalters, obwohl prinzipiell die Trennung beider Ämter aufrecht erhalten blieb. In militärischer Beziehung hatte der Graf, von den erwähnten außerordentlichen Fällen abgesehen, kein eigenes Aufgebotsrecht, sondern nur die Verkündigung des von dem Könige erlassenen Heerbannes. Das ganze Aufgebot des Gaues stand unter seinem Befehl. Die Eintreibung der Heerbannbußen kam ihm später nur auf besondere königliche Anordnung zu. Der Graf gehörte schon nach der Lex Salica zu der Beamtenaristokratie, die durch das dreifache Wergeid ihres Geburtsstandes ausgezeichnet war. Sein verfassungsmäßiges Eecht des Gebotes und Verbotes stand unter dem Schutze der volksrechtlichen Bannbußen. Er konnte nicht, wie der König, schlechthin kraft seines Amtes beliebige Geldstrafen auf die Nichtbefolguug seines Gebotes verhängen, sondern die Strafe (das Gewette) richtete sich nach seinem Stammesrecht 24 . Demgemäß betrug das gräfliche Gewette bei den salischen Franken ebenso wie bei den Sachsen 15 Schillinge. Nur in besonderen Fällen waren dem Grafen auch höhere Strafbefehle gestattet; insbesondere wurde unter den Karolingern eine größere Zahl von Ausnahmefällen festgesetzt, in denen der Graf die gewöhnliche Strafe des Königsbannes im Betrage von 60 Schillingen verhängen durfte, eine Befugnis, die Karl den sächsischen Grafen schon durch sein erstes sächsisches Kapitulare ganz allgemein für alle causae maiores eingeräumt hatte 26 . Die Einnahmen des Grafen bestanden in einem Drittel der sämtlichen Gerichtsgefälle. Seit dem 8. Jahrhundert scheint das Grafenamt auch regelmäßig mit einem Beneficium ausgestattet gewesen zu sein. Die später hervortretenden Leistungen der Gaubewohner an den Grafen, die man unter dem Namen „Grafenschatz" zusammenfaßte, gehören erst der folgenden Periode an. Die Anstellung des Grafen war prinzipiell wohl immer auf Lebenszeit verstanden, der König hatte aber jederzeit das Eecht, den Grafen wiederabzuberufen. Die Großen haben wiederholt versucht, diese Machtbefugnis des Königs einzuschränken. Erfolg haben diese Bestrebungen erst in der folgenden Periode unter dem Einflüsse des Lehnswesens gehabt. Verletzung der Amtspflichten seitens des Grafen war mit schweren Strafen, mehrfach selbst mit dem Tode bedroht 26 . 24

25

V g l . SOHM, 1 7 3 FF.

Capitulatio de partibus Saxoniae c. 31: Dedimus potestatem comitibus bannum mittere infra suo ministerio de faida vel maioribus causis in solidos 60; de minoribus vero causis comitis bannv/m in solidos 15 constituimus. Durch das Capitulare Saxonicum von 797, c. 9, behielt sich Karl für dringende Fälle eine weitere gesetzliche Erhöhung des Grafenbannes vor. Vgl. SOHM, 175 ff. 26 Vgl. WAITZ, II. 2, S. 33. G. COHN, Die Justizverweigerung im altdeutschen Eecht, 1876. H. O. LEHMANN, Der Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Eecht, 1883, S. 55 ff., 83 ff, 104 ff.

§ 19.

Die öffentlichen Beamten.

131

Durch die mannigfaltigen Pflichten des Grafen, namentlich durch seinen Hof- und Heerdienst, wurde häufig das Bedürfnis einer Vertretung hervorgerufen. Außer den Schultheißen, die je für ihre Hundertschaft zu dieser Vertretung berufen waren 27 , ließen sich die Grafen häufig auch durch Spezialbevollmächtigte vertreten. Ordentliche Substituten, die den Titel vicecomites oder vicedomini führten, kamen seit dem Anfange des 9. Jahrhunderts hin und wieder vor. Als wirkliches Amt begegnet das Institut der Vicegrafen in Deutschland erst im Mittelalter 28 . III. H e r z o g u n d M a r k g r a f 2 9 . Bei der Ausdehnung des fränkischen Reiches bedurfte es gewisser Zwischenglieder zwischen den einzelnen Gauen und der Centralgewalt des Königs. Deshalb waren in der merovingischen Zeit in der Regel mehrere Gaue zu einem größeren Sprengel unter einem Herzog (dux) vereinigt; in den romanischen Landesteilen erscheint statt des Herzogs vielfach ein patricius. Der Unterschied zwischen beiden beruhte einzig auf der verschiedenen historischen Entwickelung; sachlich hatten beide Ämter dieselbe Bedeutung. Die Sprengel, die auch als Herzogtümer (ducatus) bezeichnet wurden, waren von sehr verschiedener Größe; sie umfaßten drei bis zwölf Gaue und schlössen sich mehr oder weniger an die vorhandenen Stammesgebiete oder besondere landschaftliche Verbindungen an 30 . Die Aufgabe des Herzogs war eine doppelte. Soweit ein zu seinem Amtsbezirke gehöriger Gau dauernd oder vorübergehend ohne Grafen war, hatte der Herzog in demselben die gräflichen Funktionen auszuüben; die Einführung eines neuen Grafen muß deshalb ebenfalls zu seinen Obliegenheiten gehört haben. Dagegen hatte er sich in die Gauverwaltung der Grafen nicht einzumischen, die Grafen waren ihm in dieser Beziehung nicht untergeordnet, er nicht ihr Vorgesetzter. Anders in allem, was über den Grafschaftstereich hinausging, namentlich in militärischer Beziehung: der Herzog hatte den Oberbefehl über die sämtlichen Aufgebote seines Sprengeis, er war der militärische Vorgesetzte der dieselben führenden Grafen. Dasselbe galt, wenn zur Wahrung des Landfriedens oder zur Verteidigung gegen feindliche Einfälle ein Landesaufgebot in mehreren Gauen notwendig wurde. Ebenso muß es aber auch gewesen sein, wenn es sich über die Grenzen des einzelnen Gaues hinaus um Abwendung einer gemeinen Gefahr oder um öffentliche Arbeiten, die von dem gemeinen Interesse gefordert wurden, handelte. 27 In dem Sprachgebrauche des Mittelalters, diente das Wort „Schultheiß" geradezu als Bezeichnung eines Stellvertreters im Amt. Vgl. Zeitschr. f. RG. XVIII. 48, Anm. 6. 29

V g l . WAITZ, I I I . 3 9 7

29

Über

ff.

das Herzogsamt

SOHM, 5 1 3 ff. § 2 5 , A n m .

vgl.

SOHM, 455—479.

30.

WAITZ,

IL 2,

S. 49—56.

v. DANIELS, H a n d b u c h I. 5 7 4 f. 30

Wie die Provence, so umfaßte auch das Stammesgebiet der Eibuarier zwei

Herzogtümer, den ducatus Ribuariorv/m und den ducatus Chamavorum. Einige Gaue scheinen keinem Herzoge unterstanden zu haben.

Vgl. unsere Tafel II. 9*

Die fränkische Zeit.

132

Im übrigen stand der Herzog dem Grafen, dem er nur im Range übergeordnet war, gleich. Er war königlicher Beamter wie dieser und wurde gleich ihm nach freiem Ermessen des Königs eingesetzt und abberufen 31 . Im Laufe des 7. Jahrhunderts führte die Schwäche des Reiches mehr und mehr zur Ausbildung des S t a m m e s h e r z o g t u m s 3 2 . In den deutschen Landen entstanden die Herzogtümer der Baiern, Alamannen, Thüringer (mit Einschluß der fränkischen Mainlande) und der austrasischen Franken; ein eigenes Herzogtum war im Elsaß zur Ausbildung gelangt. Von den westfränkischen Herzogtümern waren die der Aquitanier und Briten die wichtigsten. Das Stammesherzogtum hatte den Charakter eines Amtes mit einem bestimmten Amtssprengel vollkommen abgestreift. Es war zu einem wahren Unterkönigtum über ein ganzes Volk geworden. Dem Frankenkönig blieb nur eine mehr oder weniger anerkannte Oberhoheit; das Recht, den neuen Herzog zu bestätigen, ihm Heeresfolge zu gebieten, eine gewisse oberste Gerichtsbarkeit und der Anspruch auf Unterordnung des Herzogs unter den Reichsverband und das Reichsrecht. Dagegen war der König in keiner Weise berechtigt, in die Landesverwaltung einzugreifen. Der Stammesherzog war nicht wie der Amtsherzog oder der Graf ein bloßes Organ des königlichen Willens, sondern er war selbständiger Herrscher über seine eigenen Unterthanen. Die Beamten wurden von ihm ein- und abgesetzt, Konfiskationen, Friedensgelder u. dgl. kamen an ihn, nicht an den König, er war der Schutzherr der Schutzbefohlenen seines Landes, ihm stand die Gerichtshoheit zu, er hielt Hofgericht und erließ mit einem eigenen Landtage Landesgesetze. Er war der Kriegsherr seiner Unterthanen, unternahm Kriegszüge und schloß Frieden, unbekümmert um die Verhältnisse des Reiches. Die Majestät seiner Person stand unter einem höheren Frieden, der sich auch der herzoglichen Umgebung mitteilte. Nachdem es Karl Martell, Pippin und Karl dem Großen gelungen 81

Bezeichnend ist in der Formelsammlung des Marculf I. 8 das einheitliche Bestallungsformular für Herzogs- wie Grafenamt, Carta de ducato et patriciatu et comitatu. Nach den einleitenden Worten heißt es hier: Ergo dum, et fidem et utilitatem tuam videmur habere compertam, ideo tibi accionem comitiae, dueatus auf patriciatus in pago ilio, quem antecessor tuos illi usquae nunc visus est egisse, tibi ad agendum regendumque commissemus, ita ut Semper erga regimine nostro fidem inlibata custodias, et omnis populus ibidem commanentes, tam Franci, Romani, Burgundionis vel reliquas nationis, sub tuo regimine et gubernatione degant et moderentur, et eos recto tramite secundum lege et consuetudine eorum regas, viduis et pupillis maxvmus defensor appareas, latronum et malefactorum scelera a te severissimae repremantur, ut populi bene viventes sub tuo regimine gaudentes debeant consistere quieti ; et quicquid de ipsa accione in fisci dicionibus speratur, pei• voßmet ipsos annis singulis nostris aerariis inferatmr. 32

V g l . WAITZ, II. 2, S. 3 6 5 - 3 7 2 , 413 ff. III. 24 f., 4 4 ff., 1 0 2 — 1 1 4 .

SOHM, 474.

W. SICKEL, Das Wesen des Volksherzogtums, in SYBELS Histor. Zeitschr. N. F. XVI. 407—490. RIEZLEB, Geschichte Baierns I. 120 ff. STALIN, Wirtemberg. Geschichte I. 169 ff. WITTMANN i. d. Abh. d. Münch. Akad. VIII. 1, S. 169—220. PERBOUD, Origines du duché d'Aquitaine, 1882.

§ 19.

133

Die öffentlichen Beamten.

war, die Stammesherzogtümer zu vernichten, behielten nur das Herzogtum Benevent und die Besitzungen des römischen Bischofs in der Romania (Romagna), ferner die Churwalchen, Briten und Basken eine gewisse Sonderstellung innerhalb des Reiches33. Das Herzogsamt, das sich als die vornehmste Grundlage bei der Ausbildung der Stammesherzogtümer erwiesen hatte, ließ Karl der Große eingehen, nur an den Grenzen des Landes, wo den Nachbarn gegenüber ein beständiges Zusammenfassen größerer Streitkräfte in einer Hand unentbehrlich war, wurde das militärische Herzogtum neu organisiert. Der G r e n z h e r z o g oder M a r k g r a f (dux limitis, comes marchae,

marchio,

von

ahd. marcha, d. i. Grenze) erhielt entweder in alter Weise mehrere Grenzgrafschaften überwiesen, so daß seine Stellung ganz dem früheren Herzogsamte entsprach, oder eine nicht in Gaue eingeteilte Mark, d. h. ein jenseit der ursprünglichen Reichsgrenze auf erobertem Gebiete gelegenes Vorland mit festen Plätzen und straffer militärischer Organisation. Häufig wurde die Mark auch mit einigen Grenzgauen verbunden 34 . IV. Die K ö n i g s b o t e n 3 5 . Die fränkischen Könige hatten von jeher den Brauch gehabt, Angelegenheiten, die sie weder persönlich, noch durch die ordentlichen Beamten erledigen konnten oder wollten, durch besondere Bevollmächtigte (missi) besorgen zu lassen. Dieselben hatten stets einen außerordentlichen Charakter und je nach dem Anlaß und dem Umfange der Vollmacht eine sehr verschiedene Stellung. Unter den späteren Merovingern geriet wie der persönliche so auch der durch solche Boten vermittelte Verkehr des Monarchen mit seinem Reiche völlig ins Stocken; um so lebhafter wurde er unter den Karolingern, zumal nachdem die Beseitigung des Herzogtums die unbedingte Notwendigkeit eines neuen Mittelgliedes zwischen Reichs- und Gauregierung hatte hervortreten lassen. Karl der Große bediente sich der Königsboten von Anfang an in so ausgedehntem Maße, daß die Thätigkeit derselben längst zu einem integrierenden Teile der Reichsverwaltung geworden war, als die neue Einrichtung endlich 802 in organischer Weise in die Verfassung eingefügt wurde. Wir kennen nur den lateinischen Amtstitel missus (auch nuntius, legatus), dem in der Regel zu näherer Bezeichnung ein regis, dominicus, regalis, palatinus,ßscalis u. dgl. m. hinzugefügt wurde. Gegenüber den zahlreichen Versuchen, den entsprechenden deutschen Ausdruck zu finden, verdient die zuerst von W A I T Z gewählte Bezeichnung Königsbote den Vorzug 36. Karl teilte das ganze Reich in Inspektionsbezirke (missatica, lega33 Vgl. WAITZ, III. 362 ff. Von Benevent und der Romania abgesehen wurde in Italien ebenso wie in Sachsen und Friesland die fränkische Grafschaftsorganisation durchgeführt, so daß die früheren langobardischen Herzogtümer zu Grafschaften wurden. 34

Ü b e r d i e M a r k g r a f e n v g l . WAITZ, I I I . 3 6 9 — 3 7 4 .

SOHM, 4 7 9 .

PERNICE, G r a f

(Anm. 16) 1 4 3 f. 33

36

V g l . WAITZ, I I I . 4 4 1 - 4 9 2 .

SOHM, 4 8 0 — 5 0 8 .

FICKEB, F o r s c h u n g e n I I . 1 1 8 ff.

Im Heliand (Ausg. von HEYNE, V. 5195, 5211, 5232, 5559) wird der Landpfleger Pilatus kesures bodo genannt.

Die fränkische Zeit.

134

tiones), die aber im Laufe der Zeit vielfach verändert wurden. Für jeden Bezirk wurden mehrere Königsboten, in der Regel zwei, zu gemeinsamer Amtswaltung ernannt, meistens ein weltlicher und ein geistlicher. Die Ernennung erfolgte immer nur auf ein J a h r , konnte aber erneuert werden, was bei den Königsboten geistlichen Standes (gewöhnlich dem Erzbischofe der betreffenden Provinz) die Regel bildete. Vor Antritt ihres Amtes erhielten die Königsboten ihre Instruktionen, in der Regel im Anschluß an die Verhandlungen des Reichtags; die schriftlichen Instruktionen pflegte man als capitula missorum zu bezeichnen 37 . Die Königsboten waren mit der vollen königlichen Machtbefugnis ausgerüstet, so daß sie hinsichtlich der inneren Reichsverwaltung durchaus an des Königs Stelle standen und nur diesem für die Innehaltung ihrer Aufträge verantwortlich waren 88 . Sie walteten ihres Amtes daher nicht nach Volksrecht, wie die Herzöge und Grafen, sondern nach Amtsrecht; sie hatten das Recht des Königsbannes. Unmittelbar nach Antritt ihres Amtes, nach einer Verordnung Ludwigs des Frommen im Mai (also im Anschluß an den Reichstag), hatten sie einen Landtag abzuhalten, zu welchem bei Strafe des Königsbannes die geistlichen und weltlichen Beamten und die königlichen Vassallen des ganzen Sprengeis entboten wurden; wo die Ausdehnung des Sprengeis es notwendig machte, konnte die Versammlung auf zwei oder drei verschiedene Orte verteilt werden, so daß statt eines allgemeinen Landtages mehrere Sonderlandtage stattfanden 3 9 . Auf dem Landtage hatten die Königsboten die ihnen aufgetragenen Mitteilungen zu machen, die für ihre Aufgaben erforderlichen Anordnungen zu treffen, Beschwerden anzuhören und, wenn es ging, sofort kraft Amtsrechts zu erledigen. Auch Personen, die nicht geladen waren, konnten sich einfinden, um ihre Beschwerden vorzubringen. Die Thätigkeit der Königsboten erstreckte sich nicht ununterbrochen 37

Vgl. Waitz, III. 482 ff. Boretius, Die Capitularien im Langobardenreiche 17. Neben den ordentlichen Königsboten blieben die früher allein üblichen außerordentlichen fortwährend in Gebrauch. Ein- und Absetzung von Grafen, Eintreibung der königlichen Fourage (fodrurn) und Einziehung der Heerbannbußen geschah nur durch solche außerordentlichen Boten. Die Vollmacht der ordentlichen Königsboten erstreckte sich auf diese Dinge nicht; ebensowenig waren dieselben zum Aufgebot des Heeres berechtigt. 39 Vgl. Ludwigs Commemoratio missis data von 825 (Bobetius, Capitularia I. 308) und das wahrscheinlich 826 erlassene Legationis capitulum (309 f.). In dem letzteren heißt es: Itaque volumus, ut medio mense maio conveniant idem missi, unusquisque in sua legatione, cum omnibus episcopis, dbbatibus, comitibus ac vassis nostris, advocatis nostris ac vicedominis abbalissarum necnon et eorum qui propter aliquam inevitabilem necessitatem ipsi venire non possunt ad loeum unum; et si necesse fuerit, propter oportunitatem conveniendi, in duobus vel tribus locis, vel maxime propter pauperes populi, idem conventus hdbeatur, qui omnibus congruat. Et habeat unusquisque comes vicarios et centenarios suos secum, necnon et de primis scabinis suis tres auf quattuor. 39

§ 20.

Der königliche Hof.

135

auf das ganze Jahr, sondern war auf einen Monat in jedem Vierteljahr beschränkt, so daß immer zwei Monate Frist blieben, um dem Könige Bericht erstatten und neue Instruktionen einholen zu können; auch die sonstige amtliche Stellung der Königsboten, namentlich der geistlichen, mochte diese Unterbrechungen ihres Dienstes notwendig machen. Während jedes der vier Amtsmonate hatten die Königsboten an vier verschiedenen Dingstätten Gericht abzuhalten, so daß während eines Jahres sechzehn missatische Gerichtssitzungen stattfanden, zu denen wohl regelmäßig die gesamten Dingpflichtigen des betreffenden Gaues, nach Bedürfnis auch diejenigen benachbarter Gaue entboten wurden 40 . Außerdem hatten die Königsboten das Land zu bereisen, die Kirchen und Klöster aufzusuchen und sich überall von den Zuständen des Landes und seiner Bewohner zu unterrichten. Um sie möglichst mit allen vorhandenen Mängeln in Rechtspflege und "Verwaltung bekannt zu machen, wurden überall im Lande besonders angesehene Männer als Rügezeugen verpflichtet, die auf den missatischen Landtagen und Gerichten oder bei sonstiger Gelegenheit alle ihnen bekannt gewordenen Ungehörigkeiten anzuzeigen hatten. Die Beamten waren zu jeder erforderlichen Unterstützung der Königsboten verbunden. Die Person der letzteren war, solange sie im Amte, durch dreifaches Wergeid und dreifache Buße geschützt. Widerstand gegen ihre Anordnungen wurde streng, unter Umständen selbst mit dem Tode bestraft. Andererseits trug die Krone auch dafür Sorge, daß die Königsboten sich unnützer Plackereien und überflüssigen Umherreisens enthielten. Die ganze Einrichtung, von Karl dem Großen geschaffen, von Ludwig dem Frommen weiter entwickelt, war in großartiger Weise geeignet, die inneren Zustände des Reiches nach jeder Richtung hin zu festigen und zu fördern. Aber sie trug zu sehr einen persönlichen Zuschnitt und mußte versagen, sobald es an den rechten Männern fehlte. § 2 0 . D e r k ö n i g l i c h e Hof 1 . Der ausgeprägt persönliche Charakter des fränkischen Königsregimentes hatte die Folge, daß der königliche Hof, obgleich zunächst nur der Person des Königs dienend, auch für die Reichsregierung von größter Bedeutung war. Von hier ging die ständige Beratung des Königs aus, an Reichstag und Hofgericht nahm der königliche Hof teil, Staats- und Kirchenämter besetzte der König nicht ungern mit Männern seines Hofes, wie er umgekehrt die Beamten aus den Pro40 Vgl. KARLS Capitulare de iustitiis faciendis von 811—813, c. 8 (BOBETIDS, a. a. O. I. 177): Volumus, ut propter iustitias, quae usque modo de farte comitum remanserunt, quatuor tantum mensibus in anno missi nostri legationes suas exerceant, in hieme ianuario, in verno aprili, in aestate iulio, in autumno octobrio. Ceteris vero mensibus unusquisque comitum placitum suum habeat et iustitias faciat. Missi autem nostri quater in uno mense et in quatuor locis habeant placita sua cum illis comitibus, quibus congruum fuerit, ut ad eum locum possimi convenire. 1 Vgl. WAITZ. II. 2, S. 69—113. III. 493—554.

Die fränkische Zeit.

136

vinzen an den Hof zu ziehen liebte, so daß ein steter Wechselverkehr stattfand. Die Söhne der Großen suchten den Hof schon in jugendlichem Alter auf, um hier zu lernen und von hier aus ihre kirchliche oder politische Laufbahn zu beginnen. Außerordentliche wie ordentliche Königsboten wurden mit Vorliebe den Kreisen des Hofes entnommen. Wie in anderen germanischen Reichen, so gab es auch in dem der Merovinger vier Hofämter, in denen die unmittelbaren Dienste meist von jüngeren Leuten vornehmer Herkunft besorgt wurden, während ein Großwürdenträger 2 an der Spitze jedes Amtes stand: der S e n e s c h a l k als Vorstand des ganzen Hauswesens 3 , der M a r s c h a l k (comes stabuli) als Vorsteher der königlichen Marställe 4 , der S c h a t z m e i s t e r (ihesaurarius) als Aufseher über Hausrat, Bekleidungswesen und Wohnräume des Hofes, auch cubicularius genannt 6 , endlich der S c h e n k (pincerna, buticularius). Hofbeamte von geringerer Stellung, und nicht zu den Hofchargen gehörig, waren u. a. der Küchenmeister (coquus), Waffenträger (spatarius), die Kämmerer (camerarii). Großwürdenträger, deren Aufgaben sich mehr auf die Staatsangelegenheiten als auf die des Hofes bezogen, waren der den byzantinischen Einrichtungen entlehnte R e f e r e n d a r i u s , der als Vorstand der Kanzlei und Großsiegelbewahrer die königlichen Urkunden zu beglaubigen hatte 6 , und der P f a l z g r a f (comes palatii) als amtliche Urkundsperson und ständiger Beisitzer des königüchen Hofgerichts 7 . Die domestici am Hofe scheinen Oberaufsichtsbeamte für die Verwaltung der Krongüter gewesen zu sein 8 . Außer den mit einem bestimmten Amte betrauten Personen gehörten zum Hofe vor allem die Mitglieder des k ö n i g l i c h e n Gefolges 9 . Dieselben w e r d e n i n den Quellen als antrustiones,

optimates,

convivae

regis

bezeichnet. Ihre Stellung war im wesentlichen dieselbe wie in der vorigen 2

Zuweilen mehrere, unter denen dann in der Regel wohl einer den obersten Bang einnahm. 3 Der Name bedeutet Alfknecht. Vgl. GRIMM, RA. 302, und oben S. 25. Eine zweite, auch in den übrigen germanischen Reichen übliche Bezeichnung war maior domus, die aber bei den Franken eine andere Bedeutung annahm, als der Träger dieses Namens zu der hervorragenden Stellung gelangt und für das bescheidenere Amt, von dem er ausgegangen, wieder ein besonderer Seneschalk angestellt war. 4 Der Name bedeutet Pferdeknecht. 5 Die ihm unterstellten Hausdiener hießen ebenfalls cubicularii. 6 Vgl. WAITZ, II. 2, S. 79 ff. TH. SICKEL, Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger 72 f. Es gab regelmäßig mehrere Referendarien nebeneinander, die entweder in einer bestimmten Rangordnung standen oder, wie die magistri scriniorum der römischen Kaiser, eine Arbeitsteilung untereinander hatten. 7 Vgl. WAITZ, II. 2, S. 76 lf. A. PERNICE, De comitibus palatii (Halle 1863) 1—21. Näher wird § 25 von dem Pfalzgrafen zu reden sein. 8

V g l . SOHM, 15.

WAITZ, II. 2, S. 93 f.

Ü b e r die K r o n g u t s v e r w a l t e r i n

den

Grafschaften vgl. S. 129. 9

V g l . WAITZ, I . 291 ff.

I I . 1, S. 3 3 5 — 3 4 3 .

II. 2, S. 101 f.

ROTH, B e n e f i c i a l -

wesen 116 ff. Feudalität 256 ff. DELOCHE, La trustis et l'antrustion royal, 1873. K. MAUKER, Über das Wesen des ältesten Adels 83 ff. G. L. v. MAUREB, Fronhöfe I. 147 ff.

EHRENBERG, C o m m e n d a t i o n 121 ff.

THONISSEN, a. a. 0 .

110—127.

§ 20.

Der königliche Hof.

137

Periode 10 . Privatgefolgschaften waren nicht gestattet, es gab nur eine triistis regia11. Auch Hörige und Unfreie konnten in das Gefolge aufgenommen werden. Die Antrustionen hatten wie die königlichen Beamten das dreifache Wergeid ihres Geburtsstandes. Man hat daraus vielfach schließen wollen, daß auch die Beamten zu den Antrustionen gehört hätten. Diese Annahme ist unbegründet, da es durchaus zum Wesen der Trustis gehörte, daß die Mitglieder derselben die ständige Umgebung des Königs bildeten, wobei nicht ausgeschlossen war, daß ein Graf Antrustio wurde oder ein Antrustio Graf. Mit vorübergehenden Entsendungen oder der Bekleidung von Hofämtern war die Antrustionenstellung dagegen jederzeit vereinbar, die Großwürdenträger des Hofes gehörten wohl sogar regelmäßig dem Gefolge an. Vorgesetzter der sämtlichen Hofbeamten war der M a j o r d o m u s oder H a u s m e i e r 1 2 . Der Titel zeigt, daß derselbe seinen Ausgang von dem Amte des Seneschalkes genommen hat 13 . Ursprünglich hatte jede königliche oder prinzliche Hofhaltung einen eigenen Hausmeier als gubernator oder princeps palatii an der Spitze. Als aber der Vorsteher des Hauswesens zum Chef des ganzen Hofstaates geworden war, gab es in jedem der drei Reichsteile (Austrasien, Neustrien, Burgund) nur noch einen Hausmeier. Derselbe hatte am Hofe für die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung zu sorgen und übte demgemäß eine gewisse Disziplinargewalt über die gesamte Beamtenschaft des Hofes und über das königliche Gefolge. Auch die Hofschule für die jungen Prinzen und die am Hofe erzogenen Söhne der Großen stand unter seiner Oberleitung. Dadurch erlangte der Hausmeier einen maßgebenden Einfluß auf die Erziehung der Prinzen, die sich im Laufe der Zeit zu dem Rechte der Regierungsvormundschaft bei Unmündigkeit des Thronfolgers erweiterte. Durch die Beseitigung des Domesticus am Hofe gewann der Hausmeier die Oberaufsicht über die gesamte Krongutsverwaltung des Reiches, während er ohnehin als unmittelbarer Vorgesetzter des Thesaurarius die Hand über die Verwaltung des Schatzes hielt. J e schwächer das Königtum wurde, desto mehr wuchs die Macht des Hausmeiers, in dessen Person sich die Macht der Großen mehr und mehr verkörperte. Der Hausmeier wurde zum Stellvertreter des Königs, wenn in dem Reichsteil, dem jener angehörte, kein König residierte. Die Disziplinargewalt am Hofe erweiterte 10

Vgl. S. 25 ff. Das Formular für die Aufnahme eines Anstrustio Form. Marc. I. 18. Über das Gefolge bei Angelsachsen und Langobarden vgl. K. MAUBEB i. d. Krit. Überschau II. 388 ff. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 599 f., 666 ff. PABST, Geschichte des langob. Herzogtums (Forsch, z. Deutsch. Gesch. II.) 502 ff. 11 In derZeit des überwuchernden Stammesherzogtums kamen auch herzogliche Gefolgsmannen vor, so die bairischen Adalschalken. 12 Vgl. WAITZ, II. 2, S. 83—100, 397 ff. PERTZ, Geschichte der merov. Hausmeier, 1819. SCHÖNE, Die Amtsgewalt der fränk. Majoresdomus, 1856. HEBMANN, D a s H a u s m e i e r a i n t (GIERKE, U n t e r s u c h u n g e n I X . 1 8 8 0 ) .

karol. Hauses, 1866. 13 Vgl. Anm. 3.

BONNELL, D i e A n f ä n g e

des

138

Die fränkische Zeit.

sich zur Handhabung des Landfriedens unter den Großen des Reiches überhaupt. Für die Aristokratie des Landes war es eine Lebensfrage, daß sie das Recht, den Hausmeier zu wählen, in ihre Hände brachte. Sobald es den Arnulfingern gelungen war, das Hausmeieramt in den drei Reichen zu vereinigen und dasselbe dauernd an ihr Haus zu fesseln, trat das Hausmeieramt unmittelbar in einen Gegensatz zu den Großen, an deren Spitze es bis dahin gestanden hatte. Die arnulfingischen Hausmeier erwarben auch den stellvertretenden Vorsitz im königlichen Hofgericht. Die weitere Entwickelung ihrer Befugnisse kann nicht mehr als eine Erweiterung des Hausmeieramtes betrachtet werden; es war der Regenerationsprozeß des Königtums. Die Karolinger 14 haben das Amt des Hausmeiers eingehen lassen. Den stellvertretenden Vorsitz im Hofgericht und die eigentliche Leitung der Hofgerichtsangelegenheiten erhielt jetzt der P f a l z g r a f 1 6 . Außerdem wurde für das Hofgericht eine besondere, von der königlichen Kanzlei unabhängige Gerichtsschreiberei unter dem Pfalzgrafen, mit eigenem Pfalzsiegel, eingerichtet, wodurch die Thätigkeit des Pfalzgrafen als amtliche Urkundsperson in Wegfall kam 16 . Das Pfalzgrafenamt war unter den Karolingern regelmäßig mehrfach besetzt, doch dürfte einer der Pfalzgrafen als Siegelbewahrer eine gewisse Oberstellung gehabt haben 17 . Tür Italien wurde, wie es scheint, seit dem Anfange des 9. Jahrhunderts regelmäßig ein besonderer Pfalzgraf ernannt 18 . Das Schreiberwesen in der Kanzlei wurde unter den Karolingern ausschließlich von Geistlichen (cancellarii) besorgt, während die Referendarien der Merovinger rein weltliche Beamte waren 19 . Der oberste K a n z l e r war regelmäßig ein höherer Geistlicher. Unter ihm standen Notare, die in Vertretung des Kanzlers unterschreiben konnten, und die eigentlichen Schreiber. Seit dem Kanzler Fridugis unter Ludwig dem Frommen entwickelte der Vorsteher der Kanzlei eine erheblich größere Selbständigkeit; eine Einmischung des Kanzlers in die politischen Angelegenheiten hat vor den letzten Regierungsjahren Ludwigs nicht stattgefunden. Da das königliche Archiv sich, wenigstens anfangs, in der Hofkapelle befand 20 und sämtliche am Hofe befindlichen Geistlichen mit Einschluß der Kanzleibeamten unter dem königlichen E r z k a p e l l a n standen, so hatte dieser auch einen gewissen Einfluß auf die Kanzlei, Vorstand der letzteren ist er 14 Die Einrichtung des karolingischen Hofes hat Hinkmar von Reims in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts auf Grund einer verloren gegangenen Schrift des Abtes Adalhard von Corbie in seiner Epistola de ordine palatii (WALTEB, Corpus iuris Germanici III. 761—772) dargestellt. 15

V g l . WAITZ, I I I . 5 1 0 .

16

V g l . T H . SICKEL, a . a . 0 .

PERNICE, a . a . 0 .

22—46.

3 6 1 ff.

17 Unter den Merovingern scheint es nur einen Pfalzgrafen gegeben zu haben; wo anscheinend mehrere genannt werden, liegt wohl nur Stellvertretung vor. 18 Vgl. FICKEB, Forsch, z. Reichs- u. Rechtsgeschichte Italiens I. 312 f. 19

Über

20

V g l . SICKEL, a . a . O .

die Kanzlei

v g l . T H . SICKEL, a . a. 0 . 9.

73—103.

WAITZ, I I I .

511—525.

§21.

Die Kirche.

139

aber erst später geworden. Eine eigene Kanzlei für Italien hat es in dieser Periode noch nicht gegeben. Für ihre Korrespondenz bedienten die Könige sich besonderer Vertrauenspersonen; die Kanzlei hatte damit nichts zu thun 2 1 . Der S e n e s c h a l k hatte in der Karolingerzeit vorzugsweise den Unterhalt des Hofes unter seiner Aufsicht und wurde deshalb auch als Küchenmeister oder dapifer, später als Iruchseß bezeichnet. Neben ihm standen der S c h e n k , der M a r s c h a l k und der K ä m m e r e r (der frühere thesaurarius). Andere Hofbeamte waren der Thürwart (magister ostiariorum, ostiarius, scario), zugleich des Königs Stabträger, der Quartiermeister (mansionarius) für die Reisen des Königs, der Schwertträger u. a. m. Die höheren Hofbeamten pflegten nebst anderen, die das besondere Vertrauen des Königs berief, in wichtigeren Angelegenheiten als Hofrat des Königs zugezogen zu werden, ohne daß es in dieser Richtung irgendwie zu einer abschließenden Entwickelung gekommen wäre. Die Zahl der ohne ein bestimmtes Amt am Hofe lebenden Freunde oder Tischgenossen des Königs war eine erheblich geringere als früher, die alte trustis regia war seit der Ausbildung der Vassallität im wesentlichen verschwunden 22 . § 21. Die K i r c h e 1 . In Gallien fanden die Franken eine vollkommen ausgebildete Kirchenverfassung vor, die sich bis in den Anfang des 7. Jahrhunderts als rein römische Einrichtung erhielt; der Episkopat wurde ausschließlich aus der Reihe der vornehmen Provinzialen, meistens mit Angehörigen alter senatorischer Geschlechter, besetzt. Erst seit Dagobert I. trat auch die deutsche Aristokratie in den Episkopat ein 2 , während der niedere Klerus während des 7. Jahrhunderts noch im wesentlichen römisch blieb 3 . Seit dem 8. Jahrhundert waren beide Nationalitäten gleichmäßig im Klerus vertreten 4 . 21

1

V g l . SICKEL 1 0 3 f.

22

V g l . § 24.

Vgl. E. LÖNING, Geschichte des deutschen Kirchenrechts (Bd. I. a. u. d. T.: Das Kirchenrecht in Gallien von Constantin bis Chlodovech, II. a. u. d. T.: Das Kirchenrecht im Reiche der Merovinger), 1878. RETTBERG, Kirchengeschichte Deutschlands I. II. 1846—1848. FRIEDRICH, Kirchengeschichte Deutschlands I. II. 1867 bis 1869.

WAITZ, I I . 2, S. 5 7 — 6 8 .

I I I . 12 ff., 2 7 — 4 3 , 161 ff., 1 7 8 ff., 2 2 8 ff. V. DANIEIS,

Handbuch I. §§ 129 ff. C. HEGEL, Über die Einführung des Christentums bei den Germanen,

>-»856.

ARNOLD, F r ä n k i s c h e

Zeit

I.

158—243.

II. 248

ff.

KAUFMANN,

Deutsche Geschichte II. 269—287, 356 ff. LÖBELL, Gregor von Tours und seine Zeit, 2. Aufl. h r s g . v o n BERNHARDT, 1869, S. 2 5 3 — 2 8 3 .

v . RICHTHOFEN, Z u r L e x

Saxonum

129—170; Untersuchungen über fries. Rechtsgeschichte II. 348 ff., 369—412., 494 ff., 511 ff., 742 ff. HAÜCK, Bischofswahlen unter den Merovingern, 1883. Des letzteren Kirchengeschichte Deutschlands konnte vom Verf. noch nicht eingesehen werden. 2 Die ersten deutschen Bischöfe waren Arnulf von Metz (612—627) und Kunibert von Köln (ungefähr seit 620). 3 Der ursprüngliche Text in Lex Ribuaria 36, 5—7 berechnet die Wergeidsätze für den niederen Klerus noch nach dem Wergeide der Römer, die für Priester und Bischöfe bereits nach dem der Franken. Vgl. Zeitschr. f. RG. XX. 26 f. 4 Die Volksrechte des 8. Jahrhunderts berechnen das Wergeid des Klerus durchweg nach Maßgabe der heimischen Wergeidsätze oder nach dem Geburtsstande. Vgl.

140

Die fränkische Zeit.

In Gallien bildete in der Regel jede civitas eine eigene Diözese unter ihrem Bischof. Die sämtlichen Bischöfe einer Provinz standen unter dem Bischof der Provinzialhauptstadt als Metropoliten. Seit dem Ende des 7. Jahrhunderts geriet der Metropolitanverband in Verfall. Im Rheinund Moselgebiet war die römische Kirchenverfassung seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts durch den Einbruch der Franken und Alamannen völlig zertrümmert, doch sind Köln, Trier, Tongern-Maastricht und Mainz schon während des 6., Speier, Straßburg und Konstanz während des 7. Jahrhunderts als Sitze von Bischöfen bezeugt. Die christliche Mission im inneren Deutschland hatte im allgemeinen zu einer der römischen geradezu entgegengesetzten kirchlichen Verfassung geführt, denn die irisch-schottische Kirche, von der jene Mission hauptsächlich ausging, stand in keinem Zusammenhange mit Rom und statt der bischöflichen Verfassung legte sie das Kirchenregiment in die Hände der Klöster, deren Äbte die bischöflichen Funktionen ausübten. Dagegen hielt die angelsächsische Kirche, die seit dem Ende des 7. Jahrhunderts die deutsche Mission in die Hand nahm, streng auf die Unterordnung unter Rom und auf die Herstellung der bischöflichen Ordnung. Wer wollte es leugnen, daß dies der allein mögliche Weg war, die Bekehrung mit Erfolg durchzuführen! Schon unter Pippin dem mittleren wurde durch Willibrord die bischöfliche Kirche zu Utrecht für die Westfriesen errichtet; die Bischofsweihe empfing er vom Papst. Größeres hat Bonifatius (Winfried) unter Karl Martell, namentlich aber unter Pippin und Karlmann vollbracht. Von Rom mit der missio canonica ausgestattet und nacheinander zum Bischof, zum Erzbischof und zum päpstlichen Legaten für das Frankenreich erhoben, beständig mit dem Papste in Verbindung, zugleich mit einem Schutzbriefe des Majordomus ausgerüstet und fortwährend in engster Fühlung und im Einverständnis mit demselben handelnd, hat Bonifatius die deutsche Kirchenverfassung gegründet, die verfallene westfränkische wiederhergestellt. Nachdem er für Baiern, im Anschluß an die von der irischen Mission herrührenden regierenden Klöster, die bischöflichen Kirchen von Freising, Passau, Regensburg und Salzburg, für Ostfranken und Thüringen die von Buraburg (Fritzlar), Eichstätt und Würzburg errichtet hatte, wurde er 742 unter Karlmann auf der ersten deutschen Synode, die zur Herstellung der kanonischen Ordnung bestimmt war, ausdrücklich als Erzbischof anerkannt 6 . Der Sitz des Erzbistums wurde nach Mainz verlegt. Unter Karl dem Großen wurde, nachdem die Bekehrung der Sachsen und Friesen die Errichtung weiterer Bistümer notwendig gemacht hatte, der Metro-

L. Alam. 11—16, L. Baiuw. I. 8—10, und die Anm. 3 angeführte Bestimmung der L. Eib. in der karolingischen Rezension. 5 Vgl. Karlmanns Kapitulare vom 21. April 742 (BORETIDS, Capitularía I. 24). Die Beschlüsse der Synode wurden das Jahr darauf auf dem Reichstage zu Lestinnes bestätigt. Vgl. Karlmanns capitulare Liptinense von 743 (BORETIUS I. 26). Entsprechende Beschlüsse für Westfranken wurden wenig später unter Pippin auf dem Reichstage zu Soissons gefaßt. Vgl. Pippins capitulare Suessionense v. 744 (BORETIUS I. 28).

§ 21.

Die Kirche.

141

politanverband innerhalb der deutschen Kirche vollendet, indem Köln, Trier und Salzburg zu Metropolitansitzen neben Mainz erhoben wurden. Das von Ludwig dem Frommen errichtete Erzbistum Hamburg war nur für den skandinavischen Norden bestimmt. Wie unter Karlmann und Pippin, so wurden auch unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen von Reichs wegen umfassende kirchliche Ordnungen erlassen 6 . Die gallischen Bischöfe wurden nach der kanonischen Ordnung von Klerus und Volk, unter Mitwirkung des Metropoliten und der übrigen Bischöfe, gewählt. Die fränkischen Könige nahmen von Anfang an ein Bestätigungsrecht in Anspruch, das bald zum Ernennungsrecht wurde. Selbst das Edikt Chlothars II. von 614, das im Prinzip das bloße Bestätigungsrecht wiederherstellte, wahrte doch das Becht der königlichen Ernennung, insoweit dieselbe auf eine mit den kanonischen Eigenschaften versehene Persönlichkeit fallen würde. Ohne jede kanonische Rücksicht wurde das Ernennungsrecht von Karl Martell ausgeübt, der die kirchlichen Pfründen ebenso wie die Kirchengüter als Vermögensgegenstände zur Verfügung der Krone behandelte. Das Ernennungsrecht und die Verfügung über die Kirchengüter wurde auch von seinen Söhnen wie von Karl dem Großen festgehalten, wenn auch die Ausübung mehr im Einverständnis mit der Kirche erfolgte. Erst Ludwig hat das Ernennungsrecht wenigstens im Prinzip, aber nicht thatsächiich, aufgegeben. Die Amtsentsetzung konnte über einen Bischof nur durch die Synode unter Bestätigung des Königs erfolgen 7 . Der König hatte das Begnadigungsrecht. Die Vorsteher der auf königlichem Grund und Boden errichteten Klöster wurden von den Königen, die der grundherrlichen Klöster von den Grundherren ernannt; das den Klöstern nicht selten ausdrücklich zugestandene Wahlrecht blieb meistens unbeachtet. Die königlichen Klöster standen durchweg unter dem besonderen Schutze des Königs. Von der bischöflichen Gewalt wurden die Klöster vielfach eximiert. Neben den Diözesanbischöfen gab es bis auf Pippin auch umherreisende Bischöfe ohne Diözese, die später verschwanden, außerdem waren den Bischöfen zur Unterstützung in ihrer geistlichen Amtswaltung Chorbischöfe beigeordnet. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts wurden die letzteren seitens des Episkopats heftig bekämpft und infolgedessen in Westfranken beseitigt. Für die Beaufsichtigung der Geistlichkeit und die äußere Verwaltung stand dem Bischof der Archidiakon, für die Vermögensverwaltung der Vicedominus zur Seite. Unter den Priestern nahmen die Erzpriester (archipresbyteri) an den Taufkirchen die erste Stelle ein. Kirchen auf grundherrlichem Gebiete standen im Eigentume der Grundherren und wurden von diesen besetzt. Nach einer Bestimmung Ludwigs sollten Unfreie nicht zur Priesterweihe zugelassen werden. Der Eintritt 6

Vgl. Karls admonitio generalis von 789 (BORETIÜS I. 53—62). Ludwigs capi-

t u l a r e ecclesiasticum von 8 1 8 - 8 1 9 (ebd. 275—280). 7

Nur einmal ist eine einseitige Amtsentsetzung durch den König vorgekommen.

142

Die fränkische Zeit.

in den geistlichen Stand bedurfte der Genehmigung des Königs oder des Grafen 8 . Die frühere Annahme, daß die staatliche Organisation des fränkischen Reiches sich an die kirchliche Gliederung angeschlossen habe, hat sich als trügerisch erwiesen9. Nur in Gallien fielen die Diözesen in der Regel mit den Grafschaften zusammen, dagegen bestand eine Übereinstimmung weder hinsichtlich der Kirchenprovinzen und der Herzogtümer, noch hinsichtlich der Kirchspiele und der Hundertschaften. Die Einteilung der Diözesen in Archidiakonate gehört überhaupt erst der späteren Zeit an. Noch weniger deckten sich kirchliche und staatliche Bezirke in den deutschen Landesteilen. Unter den Erzbistümern war das von Salzburg das einzige, das sich nicht über die Gebiete mehrerer Stämme erstreckte. Selbst die Bistümer, obwohl sie im allgemeinen einen mehr homogenen Charakter hatten 10 , griffen zuweilen in verschiedene Stammesgebiete über 11 . Für die deutschen Gaue und Hundertschaften bot die damalige Kirchenverfassung überhaupt keine Analogie. Später haben beide zuweilen als Grundlage für die Bildung von Archidiakonaten und Kirchspielen gedient. Die politische Bedeutung der Kirche war für das fränkische Reich von vornherein eine außerordentliche. Die Provinzialen sahen in den Bischöfen die berufenen Vertreter ihrer Nationalität, ihrer sozialen Zustände, ihrer höheren Kultur; oft trat der Bischof geradezu als Schutzherr seiner Stadt auf, wie gegen die königlichen Beamten, so gegen den König selbst. Die Gemeinschaft der Interessen und das durch die Synoden geförderte feste Zusammenhalten legte dem vereinigten Episkopate ein Gewicht bei, dem selbst ein Chilperich nicht zu widerstehen vermochte. Daher von Anfang an das Streben der fränkischen Herrscher, das wohlwollende Entgegenkommen des katholischen Klerus durch Begünstigungen und Privilegien zu einem dauernden zu machen, Einfluß auf die Besetzung der kirchlichen Stellen zu gewinnen, die Kirche möglichst in das staatliche Interesse hineinzuziehen. Die Kirchen wurden reich mit Gütern, Markt-, Münz- und Zollprivilegien, Immunitätsgerechtsamen und gerichtlichen Befugnissen ausgestattet 12 . Die gallischen Nationalkonzilien wurden mit den Reichstagen verbunden 13 , die Könige erachteten sich ebenso zu geistlicher wie zu weltlicher Gesetzgebung befugt 14 . Die Bischöfe gehörten zu den Großen des Reiches, bildeten oft die unmittelbaren Berater der Krone, selbst die Ernennung oder Beaufsichtigung von Grafen wurde ihnen gelegentlich übertragen, zuweilen geradezu weltliches Regiment in 8 Jedenfalls weil die Geistlichen der allgemeinen Heerpflicht entzogen wurden. Vgl. WAITZ, II. 1, S. 197. II. 2, S. 200, Note. Form. Marc. I. 19. Siehe § 23, Anm. 5. 9 * Vgl. WAITZ, III. 437 ff. und die von diesem angeführte Litteratur. 10 So fiel die Grenze zwischen den Diözesen Köln und Trier mit der Grenze der Ribuarier gegen die chattischen Franken zusammen. 11 Utrecht umfaßte salische, chamavische und friesische Gaue, Mimigardevort (Münster) und Bremen waren teils sächsisch, teils friesisch. 12 13 14 Vgl. §§ 2 5 - 2 7 . Vgl. § 22. Vgl. Anm. 5, 6.

§ 22.

Der Reichstag.

143

16

die Hand des Bischofs gelegt . Das Königsbotenamt wurde in der Regel von einem geistlichen und einem weltlichen Großen gemeinsam versehen. Überhaupt war es der Gedanke Karls des Großen, unter dem die Idee des theokratischen Staates ganz besonders gepflegt wurde, daß Bischöfe und Grafen stets Hand in Hand gehen und sich gegenseitig unterstützen sollten. Ein erhöhtes Wergeid gab der Geistlichkeit in derselben Weise wie den königlichen Beamten einen höheren Frieden. Obwohl die Karolinger streng an dem Rechte, die Bischöfe zu ernennen, festhielten und das Kirchengut durchaus als Reichsgut behandelten, gelangte der Episkopat doch allmählich zu einer derartigen Selbständigkeit, daß er es wiederholt wagen konnte, in den Wirren unter dem schwachen Regimente Ludwigs des Frommen das entscheidende Wort zu sprechen 16 . § 22. Der R e i c h s t a g 1 . Unter allen germanischen Reichen hat das der Angelsachsen der centralisierenden Strömung der Zeit am wenigsten nachgegeben. Wie die alten Volklandskönige als Ealdormen unter den Königen der Heptarchie fortdauerten, so verloren auch die Volklandsthinge nicht alle Bedeutung; als folkesmöt oder scirgemöt behielten sie gewisse gerichtliche Funktionen, auch nachdem sie ihre politische Bedeutung an die Versammlung der Großen des Reiches (witenagemöt) hatten abgeben müssen 2 . Dagegen haben in den drei nordgermanischen Reichen die Volklandsthinge den größeren Thingverbänden der Landschaften weichen müssen; den Heradsthingen als den ordentlichen Gerichtsversammlungen standen als Gerichts- und gesetzgebende Versammlungen nicht mehr die Volklandsthinge, sondern die Landschaftsthinge gegenüber 3 ; eine Reichsversammlung (Allthing) bestand nur in Dänemark, aber nur für rein politische Angelegenheiten, nicht für die Akte der Gesetzgebung 4 . Bei den Langobarden haben sich die Volklandskönige in dem Unterkönigtum der Herzöge erhalten; aber die Volklandsthinge sind der Stammesversammlung gewichen, während es zu besonderen Landschaftsthingen innerhalb des Reichsverbandes nicht gekommen ist. Über die fränkischen Verhältnisse bis zu der Reichsgründung durch 15

So vorübergehend in Istrien und Rätien.

16

V g l . WAITZ, I V . 6 6 4 ff., 6 6 9 f.

1 Vgl. WAITZ, II. 2, S. 176—183, 197—205, 213 ff., 225-242. III. 554—599. W. SICKEL i. d. Mitteil. d. Institut, f. österr. Gesch. I. Erg.-Bd. 220 ff. 2 Vgl. WINKELMANN, Gesch. d. Angelsachsen 102 ff. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen, 2. Aufl., 595 f. 3 Bei den Norwegern bestanden seit dem 9. Jahrhundert die Landschaften Frostuthing (Drontheim) mit acht, Gulathing und Eidsifjathing (Uplönd) mit je drei Volklanden; dazu kam im 12. Jahrhundert als vierte Landschaft das Borgarthing. In Schweden umfaßten die Stämme der Sviar und Gautar je sechs Landschaften. Dänemark zerfiel in die Landschaften Jütland, Seeland und Schonen. Vgl. K. MAUREB bei HOLTZENDORFF, Encyklopädie 322, 336 f., 349. K.LEHMANN, Königsfriede 11, 104 f., 1 0 8 f., 1 6 6 ff., 1 7 3 , 1 7 8 f., 186.

* V g l . LEHMANN, a . a. 0 .

105.

Die fränkische Zeit.

144

Chlodovech sind wir wenig unterrichtet, es ist aber nach dem Vorstehenden zweifellos, d a ß , solange die Volklandskönige sich behaupteten, auch die Volklandsthinge in alter Weise fortgedauert haben müssen. A n eine S t a m m e s v e r s a m m l u n g der salischen Franken ist vor der vollen staatlichen E i n i g u n g unter Chlodovech nicht zu denken 5 . D a g e g e n ist es höchst wahrscheinlich, daß es in den über den Bereich eines Volklandsstaates weit hinausgehenden Herrschaftsgebieten Chlogios, Chilperichs und Chlodovechs von vornherein zu der Bildung von Landesversammlungen an Stelle der Volklandsthinge g e k o m m e n ist. Eine solche V e r s a m m l u n g war es, die 4 8 6 nach B e e n d i g u n g des Krieges gegen Siagrius zu Soissons zur Beschlußfassung über die Kriegsbeute u n d ein J a h r später in campo Marcio auf Chlodovechs Befehl zur Heeresmusterung zusammentrat 6 . E i n e solche V e r s a m m l u n g m u ß es auch gewesen sein, die bald darauf die Aufzeichn u n g des salischen Rechtes beschloß u n d zu diesem Zwecke aus der Zahl der Thunginen eine Redaktionskommission w ä h l t e 7 . D a ß dieser B e s c h l u ß unter maßgebender Mitwirkung des K ö n i g s , wahrscheinlich unter s e i n e m Vorsitze, gefaßt wurde, ergiebt sich aus dem Inhalte der Lex Salica und aus der Bezeichnung ihrer B e s t i m m u n g e n als legen dominicaee. Man kann 6 Wie wäre z. B. nach Gregor, Histor. Franc. II. 41, eine den Reichen Chlodovechs und Chararichs gemeinsame Stammesversammlung auch nur denkbar! Dagegen ergiebt sich aus II. 40, daß es in dem unter Sigibert vereinigten Reiche der Ribuarier eine Stammesversammlung gab. 6 Der Bischof einer durch das siegreiche Heer geplünderten Kirche reklamierte bei dem Könige einen kostbaren Krug. Chlodovech forderte den Boten des Bischofs auf, ihm nach Soissons zu folgen, quia ibi cuncta que adquisita sunt dividenda erunt; wenn ihm der Krug durch das Los zufallen sollte (cum mihi vas illud sors dederit), so werde er ihn dem Bischöfe zurückgeben. Dehinc adveniens Sexonas, cunctum onus praedae in medio positum, ait rex: Rogo vös, o fortissimi proeliatores, ut saltim mihi vas istud extra partem concidere nort anuatis. Nachdem die Versammlung unter dem Widerspruche eines einzigen, der dem Könige nur seinen Losanteil zuerkennen wollte und zum Zeichen der Beschlagnahme seine Waffe an den Krug legte, den Antrag des Königs genehmigt hatte, gab dieser den Krug an den Bischof zurück. Der Widerspruch des einzelnen Mannes blieb unberücksichtigt, — die Mehrheit entschied, — aber er blieb auch unbestraft, da der Mann nur ein verfassungsmäßiges Recht, wenn auch in einer den König beleidigenden Weise, ausgeübt hatte. Dann heißt es weiter von Chlodovech: Transacto vero anno, iussit, omnem cum armorum apparatu advenire falangam, ostensuram in campo Marcio horum armorum nitorem. Bei der Heeresmusterung war der König-Herzog nicht wie im Thing der primus inter pares, sondern höchster Befehlshaber mit Gewalt über Leben und Tod; hier rächte er den ihm im Thing widerfahrenen Schimpf, indem er seinen Beleidiger wegen angeblich gebotswidriger Bewaffnung eigenhändig niederschlug. Gregor, Hist. Franc. II. 27. 7 Der längere Prolog zur Lex Salica berichtet: Gens Francorum inclita , ad catholica fide conversa et inmunis ab herese, dum adhuc teneretur barbara, dictaverunt Salica lege per proceris ipsius gentis, qui tunc tempore eiusdem aderant rectores, electi de pluribus viris quattuor — — — in loca nominancium Salchamae, Sodochamae, Widochamae, qui per tres mallos convenientes omnes causarum origines sollicite discuciendum tractandis de singulis iudicibus decreverunt hoc modo. Vgl. SOHM, 50 ff. Siehe auch unten § 31 Anm. 2. 8

V g l . SOHM, 5 3 ff.

§ 22.

Der Reichstag.

145

diese Versammlung, die nach der Lex Salica jedem Anwesenden den erhöhten Rechtsschutz des dreifachen Wergeides gewährte, in der die Centenarien gewählt wurden u n d Freilassungen vorgenommen werden konnten 9 , nicht als Stammesversammlung bezeichnen, denn sie umfaßte zur Zeit der Abfassung des Gesetzes n u r einen Teil des Stammes und später, nachdem Chlodovech sämtliche Franken unter seiner Herrschaft vereinigt hatte, auch die Angehörigen anderer Stämme und römische Provinzialen. Die Versammlung hatte jetzt in erster Reihe keinen nationalen, sondern einen territorialen Charakter, sie war die Heeresversammlung des chlodovechischen Reiches 1 0 . Aber das versammelte Heer war auch damals noch das versammelte Volk, und da das Heer nach Provinzen und Gauen aufgestellt wurde, so bestand die Heeresversammlung thatsächlich aus einer Reihe von Stammesversammlungen. Die allgemeine Heeresversammlung fand schon unter Chlodovech im März statt und wurde deshalb als das Märzfeld (Campus Martins) bezeichnet. Mögen Erwägungen militärischer Zweckmäßigkeit dabei mitgewirkt haben, jedenfalls beruhte das Märzfeld auf altgermanischem Brauche, der sich auch bei den Langobarden erhalten h a t t e 1 1 und wohl an die übliche Zeit der alten Volklandsthinge anknüpfte 1 2 . Während Childebert I I . das Märzfeld noch in den letzten J a h r e n seiner Regierung regelmäßig abhielt 1 3 , scheint es im Laufe des 7. J a h r h u n d e r t s in Neustrien außer Gebrauch gekommen zu sein. Dagegen erhielt es sich, nach Ausbildung der Stammesherzogtümer, in den austrasischen Landen als Stammesversammlung 1 4 , bis es von den arnulfingischen Hausmeiern wieder f ü r das ganze Reich ins Leben gerufen wurde 1 5 . Unter Pippin, der die Versammlung auf den Mai verlegte, erhielt das alte Märzfeld den Namen Maifeld (Campus Madius, Magiscampus), den es auch unter Karl dem Großen beibehielt, obwohl dieser die Versammlung häufig erst zu den Sommermonaten berief 1 0 . U n t e r Ludwig dem Frommen hörte, obgleich derselbe zahlreiche Reichsversammlungen abhielt, jede Regelmäßigkeit auf und der alte Name kam außer Gebrauch. Außer den Heeresversammlungen sind die Versammluugen der Bischöfe von hervorragendem Einflüsse auf die Ausbildung des fränkischen Reichs9 10

Vgl. Sohm, 3 8 — 5 0 , 5 5 ff. In diesem Sinne spricht Chlodovech in seinem Erlaß an die Bischöfe nach

dem westgothischen Kriege (Boretius, Capitularía I. 1) von omni* exercitu* noster und populus noster. 11

Die Gesetze Liutprands und seiner Nachfolger sind sämtlich vom 1. März Vgl. H e g e l , Gesch. d. Städteverfassung von Italien I. 449. 12 Vgl. S. 16. Auch die Darbringung der Geschenke an den König auf dem Märzfelde entsprach ganz dem alten Brauche. Vgl. W a i t z , II. 2, S. 215, 249. III. 556. 13 Sein Edikt enthält Beschlüsse der Märzfelder von Andernach (1. März 593), Maastricht (1. März 594), Köln (28. Februar 595). 14 Vgl. W a i t z , II. 2, S. 178—182, 226 ff. 15 Vgl. ebd. 227. III. 558. 16 Vgl. ebd. III. 561 f. datiert.

R. SCQBÖDEK, Deutsche Rechtsgeschichte.

Die fränkische Zeit.

146

tags gewesen 17 . Die Nationalkonzilien des fränkischen Reiches wurden regelmäßig durch den König berufen 18 . Die Anwesenheit von Laien bei denselben kam erst im Laufe des 7. Jahrhunderts auf, der kirchliche Charakter der Versammlungen wurde aber dadurch nicht verändert, da der König und die mit ihm erschienenen Großen nur Zuhörer oder Berater, aber nicht mitstimmende Teilnehmer waren; die Verhandlungen wurden nicht von ihnen, sondern nur von den Bischöfen unterschrieben. Es gab keine concilia mixta wie bei den Westgothen. Den Vorsitz hatte regelmäßig einer der Metropoliten. Die Beschlüsse bedurften, soweit sie sich auf das kirchliche Gebiet beschränkten, zu ihrer kirchlichen Geltung keiner Genehmigung des Königs 19 . Bei der einflußreichen Stellung der Bischöfe im fränkischen Reiche wurden ihre Zusammenkünfte seitens der Könige gern benutzt, um mit Zuziehung der weltlichen Großen wichtige politische Angelegenheiten zur Beratung zu bringen. Man knüpfte deshalb diese Notabeinversammlungen, die in Neustrien seit der Mitte des 6. Jahrhunderts mehr und mehr als Ersatz für das Märzfeld behandelt wurden, in der Regel an die Konzilien an, denen man sie vorangehen oder unmittelbar folgen ließ. Unter den Karolingern wurde es üblich, regelmäßig eine derartige Versammlung mit dem Maifelde zu verbinden, zur Vorbereitung der hier zu verhandelnden Gegenstände aber eine engere Herbstversammlung, zu der nur vertrautere Berater aus den geistlichen und weltlichen Großen entboten wurden, zu berufen. Während die Herbstversammlung nur den Charakter eines Staatsrates trug, erschien das Maifeld als wirklicher Reichstag (generalis conventus, concilium, placitum, synodus, synodaüs conventus), der einesteils als Heerschau diente, anderenteils zur Erledigung der verschiedensten politischen Angelegenheiten, zu Akten der Gesetzgebung und zu hofgerichtlichen Entscheidungen benutzt wurde. Rein kirchliche Angelegenheiten erledigten die Bischöfe unter sich als Konzil. Zu einer festen Form sind die Reichstagsverhältnisse im fränkischen Reiche nicht gelangt. Der Versammlungsort war unbestimmt, in der Regel eine der königlichen Pfalzen. Ludwig begünstigte eine möglichste Abwechselung zwischen den verschiedenen Teilen des Reiches. Nicht selten wurde die Reichsversammlung bei Beginn eines Krieges, zuweilen aber auch erst auf der Heerfahrt selbst abgehalten. Eine bestimmte 17

Vgl. LÖNING, Kirchenrecht der Merovinger 130—156. Das erste war das von Chlodovech kurze Zeit vor seinem Tode berufene Konzil zu Orleans von 511. Bis gegen Mitte des 7. Jahrhunderts wurde trotz der Reichsteilungen an den gemeinsamen Konzilien festgehalten,- später gab es nur noch solche der Teilreiche. 19 Wenn sie dagegen das politische Gebiet berührten, bedurfte es der Bestätigung durch den König, der die von ihm genehmigten Beschlüsse; dann auch wohl selbst verkündigen ließ. Zuweilen dienten Konzilbeschlüsse als Grundlage für den Reichstag. So entsprach das Edikt Chlothars II. von 614 den Beschlüssen eines voraufgegangenen Pariser Konzils, die, allerdings mit bedeutenden Änderungen, Aufnahme in das Gesetz fanden. 18

§ 22.

147

Der Reichstag.

Reichsstandschaft gab es nicht. Während einerseits jeder Freie auch uneingeladen zu erscheinen berechtigt war, hatte andererseits jeder von dem Könige Berufene die Pflicht, dem Gebote Folge zu leisten. Zum Maifeld wurden regelmäßig alle geistlichen und weltlichen Großen des Reiches entboten. Lag der eigentliche Schwerpunkt der Volksversammlungen schon in der germanischen Zeit mehr bei den Fürsten und Ältesten als bei dem Volke selbst, so traten in unserer Periode die Großen noch ungleich mehr in den Vordergrund, namentlich seit die Ausdehnung des Reiches und die vielfache Inanspruchnahme einzelner Provinzen durch Grenzkriege die Berufung des ganzen Heeres immer schwieriger machten. In Neustrien galten die Großen während der Zeit, wo das Märzfeld außer Übung gekommen war, geradezu als die Vertreter des Volkes, aber auch in Austrasien beschränkte sich die Mitwirkung des Heeres darauf, daß demselben besonders wichtige Beschlüsse, wie bei Königswahlen, Reichsteilungen, Krieg und Frieden, mitgeteilt und von ihm mit den altherkömmlichen Beifallsbezeugungen begrüßt wurden 20 . Unter den Karolingern wurden alle Vorlagen, abgesehen von der etwaigen Vorbereitung in der voraufgegangenen Herbstversammlung, zunächst von dem Könige mit einem Ausschuß hervorragender Mitglieder des Reichstags durchberaten und sodann, wenn sie hier nicht gleich erledigt werden konnten, vor die Gesamtheit der Großen gebracht. Die Vorlagen gingen in der Regel vom König aus, konnten aber auch von dem Ausschuß, den Bischöfen oder selbst einzelnen Großen eingebracht werden. Regelmäßig fand eine förmliche Entlassung des Reichstages durch den König statt. Die Beschlüsse wurden aufgezeichnet, zuweilen auch von den Anwesenden unterschrieben. Über kirchliche Angelegenheiten wurden in der Regel besondere Aktenstücke ausgefertigt, nicht selten wurde aber auch alles in einer Akte verbunden. Wegen ihrer Einteilung in Kapitel wurden die Aktenstücke der karolingischen Reichstage capitula oder capitularía genannt. Für die merovingische Zeit fehlt es an einer einheitlichen Bezeichnung 21 . Eine bestimmte Kompetenzabgrenzung bestand für den Reichstag nicht. Es war üblich, daß der König keine wichtigeren Beschlüsse ohne die Großen faßte, aber erst Ludwig der Fromme hat in dieser Beziehung ein ausdrückliches Versprechen abgegeben 22 . Soweit der König sich innerhalb seines Bannrechts hielt, war er rechtlich an die Beschlüsse des Reichstags nicht gebunden, derselbe hatte ihn nur zu beraten, seine Beschlüsse. waren Gutachten ohne zwingende Bedeutung. Aber nicht leicht 20 Statt des Zusammenschlagens der Waffen, das in der fränkischen Periode wohl noch'beibehalten wurde, kam später das Erheben der Hände unter Beifallsrufen in Gebrauch. Vgl. Widukind, res gestae Saxonicae I. 26. II. 1. 21 Die Wissenschaft wendet die karolingische Bezeichnung mit Recht auch auf die Merovingerzeit an. 22

Vgl.

WAITZ, I I I .

595. 10*

Die fränkische Zeit.

148

mochte sich der König mit einer entschiedenen Mehrheit der Großen in Widerspruch setzen. Die geringe Gewöhnung an unbedingten Gehorsam und die Neigung zu Abfall und Empörung war eine nicht zu unterschätzende Gewähr gegen einen Mißbrauch der königlichen Rechte. Auf dem Gebiete der Gesetzgebung wurde zwischen den Reichsgesetzen, die sich im wesentlichen auf die Verwaltungsorganisation des Reiches und seiner Teile bezogen, gelegentlich aber auch andere Gebiete, namentlich das Strafrecht, berührten, und den Volksrechten (leges, capitula legibus addenda) unterschieden. Zur Kompetenz des Reichstags gehörten nur die ersteren, bei denen es sich um die Erzeugung territorialen Reichsreehtes handelte 2 3 . Die Heeresverfassung des fränkischen § 23. D a s H e e r w e s e n 1 . Reiches unterscheidet sich von derjenigen der meisten übrigen germanischen Staaten auf römischem Boden dadurch, daß sie die allgemeine Wehrpflicht von vornherein auch auf die römischen Provinzialen ausdehnte, obwohl diese durch die Söldnerwirtschaft des sinkenden römischen Reiches dem kriegerischen Leben fast gänzlich entfremdet waren. Die Wehrpflicht gestaltete sich demnach im fränkischen Reiche von Anfang an zu einer allgemeinen staatlichen Unterthanenpflicht 2 . Nicht der Empfang von Krongütern, wie früher eine jetzt allgemein aufgegebene Ansicht annahm, auch nicht der Grundbesitz des einzelnen, wie zu Unrecht noch heute von W A I T Z angenommen wird, war das verpflichtende Moment, sondern die Unterthanenpflicht schlechthin oder, wie diese unter Karl dem Großen aufgefaßt zu werden pflegte, der allgemeine Fidelitätseid, den jeder über zwölf Jahre alte Freie ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen dem Könige zu leisten hatte 3 . I n dieser Beziehung bestand zwischen der Zeit der Merovinger und derjenigen der Karolinger nicht der mindeste Unterschied; auch darin nicht, daß die Geistlichen, obwohl diese ebenfalls den Unterthaneneid zu leisten hatten 4 , für ihre Person von der Wehrpflicht befreit waren 6 . Eben darum unterlag der Eintritt in den geistlichen Stand der Genehmigung des Königs®. 23 I

Näheres hierüber s. §§ 30—32. ROTH, B e D e f l c i a l w e s e n 1 6 9 — 2 0 2 , 3 0 2 - 4 1 6 ;

I I . 2, S . 2 0 5 — 2 2 5 .

IV. 531—633.

zur Capitularienkritik 71—169.

v . SYBEL,

F e u d a l i t ä t 2 3 2 — 2 4 6 , 313FF.

K ö n i g t u m 396

v . DANIELS, H a n d b u c h I . 408FF.

ff.

BORETIUS,

WAITZ, Beiträge

BALDAMUS, D a s H e e r -

wesen unter den späteren Karolingern (GIEBKE, Untersuchungen IV.), 1879. KAUFMANN, Deutsche Geschichte II. 212 ff., 370 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht I. 105 f. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes (s. § 17 Anm. 43) 3 ff. 3 Dies zuerst nachgewiesen zu haben ist vor allem das Verdienst von ROTH. 3 Vgl. BOBETIUS, a. a. O. 109, 137, 142. Siehe oben S. 111. II Vgl. IiOKiNG, Kirchenrecht der Merovinger 311. 5 Vgl. ebd. 311 f. BALDAMUS, a. a. 36 Y G ] Nr. 4 8 8 (713).

LOEKSCH

u.

SCHRÖDER,

Nr.

11,

33.

PARDESSUS,

BEYER, M i t t e l r h e i n . U r k . - B . I. 2 6 , N r . 21 ( 7 6 7 ) .

Diplomata

D'ACH£RY,

II.

297,

Spicilegium

(edit. II.) III. 342 (850). MIRAEDS, Opera diplomatica (edit. II.) II. 935 (Suppl. II, 0..12). Form. Turon. addit. 3, Form. Bignon. 21, 22 (20, 21). (ZEUMER, Formulae 160. 235). ROTH, Feudalität 173. V g l . BRUNNER, D R G . I . 2 0 9 . 139

Zahlreiche Beispiele für beides in Formeln und Urkunden. Vgl. u. a. ineine Geschichte d. ehcl. Güterrechts I. 161 f. LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 41, 44, 63. 1:19

1. 7 1 f.

Vgl.

ROTH,

Feudalität

1 5 6 FV.

HEUSLER.

II.

1 1 7 IF.

BESELER.

Erbverträge

HEUSLER. II. 36 f., 118. 18*

Siehe auch

ALBRECHT. G e w e r e 1 9 4 ff.

139. VGL. BRUNNEB, RG. (1. Urkunde I. 296.

Die fränkische Zeit.

276

Dabei wurde kein Unterschied gemacht, ob die Leihe zinslos oder mit Auferlegung eines Zinses, der fast immer ein bloßer Anerkennungszins von geringem Betrage war, erfolgte: in beiden Fällen fand ausdrückliche Besitzeinräumung an den Beschenkten und Rückgabe des Besitzes an den Schenker statt 140 , und eine Verschiedenheit bestand nur darin, daß bei zinsloser Leihe eine Entziehung des Gutes bloß wegen Verschlechterung desselben eintreten konnte U 1 , bei Auferlegung eines Zinses dagegen auch wegen unterbliebener Zinszahlung 142 . Hatten schon die erwähnten Vergabungen von Todes wegen meistens herrschaftliche Güter, nicht selten ganze Gutskomplexe, zum Gegenstande, so war dies bei den königlichen Benefizien von vornherein selbstverständlich, da sie dem Vassalien nicht bloß die erforderlichen Mittel zur Erfüllung der übernommenen Dienstpflicht, sondern auch die Möglichkeit gewähren mußten, sich mit den Seinigen ganz der Pflege des ritterlichen Lebensberufes hinzugeben. Der Kriegsmann von Beruf, wenn er nicht mehr Tischgenosse seines Dienstherrn sein sollte, konnte nur als Gutsherr, nicht als Landmann seinen Pflichten genügen. Weil die Königsleihe nichts als ein in Landnutzung bestehender Dienstsold war, so wurde für sie und die aus ihr hervorgegangenen Afterlehen die Bezeichnung beneficium technisch, während für alle übrigen Leiheverhältnisse in alter Weise Anm. 140. Der Schenker empfing einen Leihebrief (praestaria). Vgl. DBONKE, Cod. dipl. Fuld. Nr. 380. 140 Daß dies und die sessio triduana auch bei der Übernahme eines Anerkennungszinses notwendig war, wird MEICHELBECK, Hist. Fr. I. 2, 824 Nr. 686 (845) ausdrücklich als mos Baiouuariorum bezeugt. Der von HEUSIEE, II. 26 f., 120 gemachte Unterschied, wonach nur der zinslos Beliehene gleich dem eigentlichen Zinsmann die Gewere selbst gehabt hätte, dagegen der mit einem Anerkennungszins (cemus pro vestitura) Belastete nur als Verwalter eines fremden Gutes, wenn auch für seine eigene Rechnung, angesehen worden sei, erweist sich jedenfalls für unsere Periode als unbegründet. Ebenso die Annahme (HEUSLSR, II. 118 f.), als habe es auch, namentlich in Baiern, eine donatio post obitum mit sofortiger Eigentumsübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauches, ohne Besitzräumung und Rückinvestitur, gegeben. Was man dahin deuten könnte, beruht nur auf der Neigung der Urkundenschreiber, namentlich bei den Cartae, die äußerlichen Rechtshandlungen als selbstverständlich zu übergehen. Man vergleiche MEICHELBECK. I. 2, 219, Nr. 412 (820), wo nebeneinander drei gleichartige Vergabungen berichtet werden, die erste mit traditio und darauf folgender Investitur des Sohnes des Schenkers gegen Anerkennungszins, die zweite scheinbar einfache traditio post mortem, die dritte mit traditio, sessio triduana und zinsloser Investitur. Es ist doch zweifellos, daß der thatsächliche Hergang in allen drei Fällen derselbe gewesen war, aber dem Schreiber genügte es, nur in dem dritten Falle alles, in dem ersten Falle einiges, im zweiten Falle nichts darüber zu bemerken. 141 Die Urkunden betonen häufig, daß das Gut in verbessertem Zustande an den Eigentümer zurückkehren solle. Vgl. BESELEB, Erbverträge I. 145. Entziehung wegen Verschlechterung LOERSCH U. SCHBÖDER, Nr. 44. Freiwillige Auflassung seitens des Nießbrauchers bei seinen Lebzeiten ebd. Nr. 23 (zum Verständnis vgl. BRUNNER, E G . d. U r k . I . 293 f.). 142

Vgl. LOERSCH U. SCHBÖDER Nr. 33, wo dem säumigen Zinszahler Ildes facta zur Vermeidung der Privation gestattet wird. Vgl. Anm. 136.

§ 35.

Das Privatrecht.

277

beneßcium und precaria als gleichwertige Ausdrücke iu Gebrauch blieben 143. Unter den Begriff der Königsleihe fielen außer den fiskalischen Benefizien auch die vom König verliehenen Kirchengüter 141 , die sich von jenen im wesentlichen nur dadurch unterschieden, daß der mit Kirchengut beliehene Vassall bei Verlust des Lehens eine besondere Abgabe an die Kirche, der das Eigentum an seinem Lehen zustand, zahlen mußte 14B , während die fiskalischen Benefizien frei von allen Lasten verliehen zu werden pflegten U 6 . Im übrigen ist das in dieser Periode noch in den ersten Entwickelungsstadien befindliche Lehnrecht erst später (§ 40) zu behandeln. Das Pfandrecht an unbeweglichen Sachen 147 begegnet in Westfranken und Italien schon im siebenten Jahrhundert, und zwar in der sich mit der römischen Fiducia berührenden und zum Teil von dieser den Namen entlehnenden, sie aber allmählich ganz verdrängenden Gestalt des Nutzpfandes 148 , bei dem die Gewere auf den Gläubiger überging, der Verpfänder aber die nuda proprietas und das Lösungsrecht behielt. Die Lösung des Pfandes konnte zeitlich beschränkt werden, so daß, wenn sie ausblieb, das Pfand dem Gläubiger zu Eigentum verfiel, die Verpfändungsurkunde (cautio) also zugleich den Charakter einer eventuellen Veräußerungsurkunde, das Pfandgeschäft den eines bedingten Übereignungsaktes hatte 149 . Wie es dabei im Gebiete des fränkischen Rechts mit der Auflassung gehalten wurde, die zu der Bestellung eines Nutzpfandes an sich 143 Vgl. ROTH, Feudalität 142 ff., 174, der nur darin irrt, daß er auch sonst einen Gegensatz zwischen beneficium und precaria annimmt. Vgl. W A I T Z , II. 1 , 296 ff. IV. 258. B B U N N E B , D R G . I. 211 f. Über die spätere Bezeichnung der Lehen vgl. § 40, Anm. 2. "« Vgl. S. 157 f. und § 40, Anm. 1. 145 Vgl. S . 1 5 9 . W A I T Z , IV. 1 9 3 ff., 2 3 0 . Zu der Abgabe oder dem Zehnten trat noch eine Beteiligung an der Kirchenbaulast. Mehrfach wurden alle diese Leistungen im Wege der Vereinbarung durch einen festen Zins ersetzt. Die Eigentümlichkeit der Königslehen an Kirchengut, daß der Heimfall hier an die Kirche eintrat, hatte praktisch keine große Bedeutung, da die Könige die heimgefallenen Lehen sofort anderweitig zu verleihen pflegten. Die von der Kirche wiederholt verlangte Restitution hat nur in einzelnen Fällen stattgefunden. Nur Verfügungen über die Substanz setzten die Zustimmung der betreffenden Kirche unbedingt voraus. 146 Vgl. S . 195. 147 Vgl. KOHLER, Pfandrechtliche Forschungen 82—91. v. M E I B O M , Deutsch. Pfandrecht 270 ff. B R Ü N N E B , Zeitschr. f. H R . XXII. 542 ff. H E OSLER, II. 134 ff. 149 Vgl. Ed. Roth. 174. Liutpr. 58. Das älteste fränkische Beispiel Form. Andec. 22. Daß das Nutzpfand im 9. Jahrhundert auch im Alamannischen bekannt war, scheint aus LOERSCH U. SCHBÖDER Nr. 6 3 ( 8 6 2 ) hervorzugehen. Vgl. K Ö H L E R , a. a. 0 . 86, Anm. 1. 149 Vgl. Form. Turon. app. 1 (ZEUMER, 1 6 3 . RozifesE, Nr. 3 7 7 ) . Über eine langobardische Urkunde von 777, in der außerdem für den Fall eines Verkaufes dem Gläubiger das Näherrecht eingeräumt wird, vgl. K O H L E R , a. a. 0 . 85. Über entsprechende fränkische Urkunden des 9. Jahrhunderts ebd. 90 f., über eine langobardische B R U N N E R , a. a. 0. 545. Das verfallene Pfand wurde in den langobardischen Quellen als transactum oder fegang, in den westfränkischen als discombitum bezeichnet. Vgl. BRUNNEB 545, Note 1. KOHLER 9 0 . Du CANGE, Glossar s. v. decwmbitio. B L U H M E , MG. Leg. IV. 6 7 0 ,

Die fränkische Zeit.

278

nicht gehörte, bleibt zweifelhaft. Das langobardische Recht hatte, weil ihm die traditio cartae zur Eigentumsübertragung genügte (S. 266), eine freiere Bewegung: es war möglich, ein Verfallpfand durch bloße Urkunde zu bestellen, wobei der Yerpfander im Besitz blieb, der von ihm übergebenen Urkunde aber die Klausel einfügte, daß sie eventuell als Verkaufsurkunde gelten solle 150 . Ein anderes Mittel des langobardischen Rechts, eine Sache ohne Besitzübertragung zu verpfänden, bestand darin, daß der Gläubiger dem Schuldner das Pfand gegen einen Zins zurückgab 151 . Das Pfandrecht hat den Ausgangspunkt für die Ausbildung der formellen Schuldverträge abgegeben l ä 2 . Der germanische Pfand- oder Wettvertrag (wadiatio) begründete noch keine Haftung des Schuldners, sondern nur eine Haftung des Pfandes (Wette, goth. vadi, mlat. ivadia, wadtum), das im Nichtleistungsfalle in das Eigentum des Gläubigers verfiel 163 . Gegenüber dem Sachenpfande überwog wohl von jeher das Menschenpfand, der altgermanische Wettvertrag war in der Regel Vergeiselungsvertrag (S. 56). Es war natürlich, daß der Geisel, um der Gefahr der Schuldknechtschaft zu entgehen, den Schuldner nach besten Kräften zur Erfüllung anzuhalten suchte. Der Fortschritt in unserer Periode bestand zunächst darin, daß dem früher wohl auf die Mittel moralischen Druckes beschränkten Bürgen die erforderlichen rechtlichen Zwangsmittel in die Hand gegeben wurden, während sich die eventuelle Schuldknechtschaft mehr und mehr in eine vermögensrechtliche Verantwortlichkeit für den Fall der Pflichtversäumnis in Anwendung dieser Zwangsmittel verwandelte. So wurde der Bürge, gleich den römischen obsides praedes vades, zum Einsteher, der nicht, wie der fideiussor, eine accessorische Verpflichtung neben dem Schuldner, sondern die ausschließliche Haftung dafür übernahm, daß er den von jeder direkten Haftung befreiten Schuldner zur Leistung an den Gläubiger veranlassen werde 154 . 150 Vgl. Ed. Liutpr. 67 (der Schuldner verliert die Disposition über darf" Pfand). BRUNNEB, a. a. O. 107 f., 543 f. HEUSLER, II. 145. Es scheint übrigens, als sei diese Art der Verpfändung nur zur Sicherstellung eines Vorkaufsrechts oder einer Gewährschaft gebräuchlich gewesen. 151

16î

V g l . KÖHLER, a . a . 0 . 8 5 f .

Vgl. S. 54 und über alles Folgende außer der S. 55, Anm. 35 angeführten Litteratur besonders HEUSLER, I I . 228—245, 250 ff. BRUNNER i. d. Zeitschr. f. H R . X X I I . 510fT. SOHM, Recht der Eheschließung 34—46. VAL DE L I È V R E , Launegild und Wadia 96 ff. STOBBE, Privatrecht III. 62 f., 305 ff. ESMEIN, Études sur les contrats dans le très ancien droit français 69—95. THÉVENIN, Contributions à l'histoire du droit germanique (auch Nouv. Rev. hist. de droit franç. et étranger, 1880, S. 69 ff., 447 ff.). NISSL, Gerichtsstand des Klerus 191 ff. 153 Über den Gegensatz von Schuld und Haftung vgl. AMIRA, Obi. R. I. 39 ff. Uber den Ausschluß der persönlichen Haftung beim Sachenpfande vgl. KOHLER, Pfandrechtl. Forschungen 111 ff. und die dort angeführte Litteratur, ferner AMIRA, Obi. R. I. 217. In Betreff der Schuld vgl. jedoch Anm. 66. 154 Vgl. die glänzende Ausführung von IHEKING, Geist des römischen Hechts, 4. Auli. I I I . 1 , S . X I — X X V . Über den sprachlichen Zusammenhang von vas und praes (alter Plural prae-vid-es) mit goth. vadi und vidan vgl. DIEFENBACH, WB. der

§ 35.

Das Privatrecht.

279

Ganz auf diesem Boden bewegte sich das von den älteren Auslegern vielfach auf eine subsidiäre Bürgschaft gedeutete Recht des burgundischen Reiches, das, wie es scheint, in dieser Hinsicht für die römischen Provinzialen dasselbe wie für die Burgunder war 155 . Dem Pfändungsverfahren gegen den Schuldner wie gegen den Bürgen mußte eine dreimalige Aufforderung (admonitio) des Schuldners zur Erfüllung vorausgehen (S. 86). Diese Aufforderung war in der Regel Sache des Gläubigers, Sache des Bürgen wohl nur dann, wenn dieser den Gläubiger schon aus eigenen Mitteln befriedigt hatte. Die admonitio erfolgte in Zeugengegenwart, das dritte Mal im Beiwesen des Richters. War die Aufforderung erfolglos, so konnte der Bürge zur Pfändung schreiten. Die Pfändung vollzog sich außergerichtlich vor Zeugen; sie konnte den Betrag der Schuld um ein Drittel überschreiten. Nach der Pfändung hatte der Schuldner eine dreimonatliche Lösungsfrist, nach deren Ablauf das Pfand verfiel. Reichten die Mittel des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers nicht aus, so konnte sich der Bürge durch Auslieferung der Person des Schuldners an den Gläubiger von jeder weiteren Haftung befreien. That er dies nicht, so haftete er dem Gläubiger mit seinem eigenen Vermögen für den Ausfall 165 ". War der Bürge durch Verzug des Schuldners in Schaden gekommen, so hatte dieser ihm den dreifachen Ersatz zu leisten 159 . Dagegen traf den Schuldner die Strafe des Neunfachen (neben dem Fredus), wenn er ihm durch den Bürgen, oder diesem durch den Gläubiger abgepfändete Sachen rechtswidrigerweise aus der Gewahrsam des Gläubigers entfernte. Von einem Recht der Pfändung des Schuldners durch den Gläubiger enthält das Gesetz keine Spur; dem Gläubiger haftete der Schuldner nicht, die admonitio des Schuldners durch den Gläubiger hatte nur eine formelle, keine materielle Bedeutung. Dem Bürgen haftete der Schuldner für die Befreiung desselben von der Bürgschaftshaftung. Dem Gläubiger haftete der Bürge für Befriedigung durch den Schuldner oder aus den gepfändeten Mitteln des Schuldners oder durch Überantwortung der Person des Schuldners. Bestätigt wird unsere Auffassung durch Aussprüche altdänischer und altschwedischer Rechtsquellen, nach denen die Haftung des Bürgen ebenfalls eine prinzipale und nicht eine accessorische war 157 , sodann durch das goth. Sprache 1. 140 ff. FICK, \VB. d. indogermanischen Sprachen, 3. Aufl. I. 767. AMIRA, Obl.-R. I. 193, Note 1. 155 L. Burg. 19, 5—11 (in § 10 ist, wie schon B L U H M E bemerkt hat, das handschriftliche debitori durch creditori zu ersetzen) 82, 96 (add. 1, 9). 107, 7 (add. 2). L . Rom. Burg. 14, 8. SOHM, Prozeß der Lex Salica 21, 4 4 f., 223. BETHMANN-HOLLWEG, Germ, roman. Civilprozeß I. 168. las» j) el . ]H]rl>e des Bürgen haftete nicht. Vgl. L. Burg. 82, 2. Angesichts der Übereinstimmung der späteren Rechtsquellen muß diese Nichterblichkeit der Bürgschaft gemeingermanisch gewesen sein. Vgl. ESMEIN 89 f. 156 Der römische Provinziale leistete nur das Doppelte. Vgl. übrigens Anm. 161. 167 Vgl. P A U L S E N , Beitrag zu der Lehre von der Bürgschaft aus dem nordischen Rechte, Zeitschr. f. deutsch. Recht IV. 122 ff. AMIRA, Obl.-R. I. 696 ff. S A R A U w , i. d.

280

Die fränkische Zeit.

langobardische R e c h t 1 5 7 8 . N a c h dem letzteren wurde der Schuldner durch Übergabe der Wadia an den Gläubiger bei einer Geldbuße verpflichtet, demselben binnen bestimmter Frist einen ausreichenden B ü r g e n zu s t e l l e n 1 6 8 ; der B ü r g e hatte das Recht und nötigenfalls die P f l i c h t , den Schuldner nach dreimaliger Zahlungsaufforderung zu pfänden, während umgekehrt der Gläubiger bei Verzug des Schuldners das Pfändungsrecht g e g e n den B ü r g e n hatte 1 6 8 . Der Schuldner war durch die Bürgenstellung von jeder H a f t u n g gegenüber dem Gläubiger befreit, der letztere verpflichtete sich durch die Übergabe der von dem Schuldner erhaltenen W a d i a an den B ü r g e n , seine Befriedigung nur bei diesem und durch diesen zu suchen 1 8 0 . Das fränkische R e c h t stand auf demselben Standpunkt wie das der Langobarden: der B ü r g e haftete dem Gläubiger, der Schuldner dem Bürgen, u n d zwar, w e n n er diesen hatte in Schaden kommen lassen, für den doppelten Ersatz 1 6 1 . Zwar konnte der Gläubiger auch unmittelbar g e g e n Neuen staatsb. Magazin VII. 552. Weun die beiden erstgenannten nur solidarische Haftung des Bürgen neben dem Schuldner anzunehmen geneigt sind, so spricht Jüt. Lov, II. 64 ganz deutlich: Welcher Mann Birgen setzt, der ist schuldig für die That keinem Manne zu antworten, außer dem allein, der sein Bürge wurde. Dazu II. 62: Wofür ein Mann Bürge ward, das soll er gelten. 167 * Neuerdings hat FIOKER, Über nähere Verwandtschaft zwischen gothischspanischem und norwegisch-isländischem Recht (Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch.-Forsch., Ergänzungsband II. 455 ff.), die Zugehörigkeit der Langobarden zu den Ostgermanen behauptet. Ich kann dem, so reiche Belehrung ich der angeführten Schrift im übrigen verdanke, in keiner Weise beitreten. Die Langobarden waren Sueben und gehörten zu dem Stamme der Herminonen. So weit ihr Recht mit dem der Nordgermanen übereinstimmte, haben wir gemeingermanisches Recht vor uns. Vgl. Anm. 239. 158 Ed. Liutpr. 36—38. Lib. Pap. Roth. 360 (MG. Leg. IV. 386, ein dem Edikt fremder, dem langobardischen Gewohnheitsrecht entsprechender privater Zusatz, vgl. ebd. S. LXXIV). 159 Pfändungsrecht des Bürgen gegen den Schuldner: Ed. Liutpr. 39, 40; des Gläubigers gegen den Bürgen: Liutpr. 108, 109, 126 (vgl. Roth. 366. Liutpr. 38. Ratch. 8); dreifache Mahnung: Roth. 245, 246. 160 Die Übernahme der Wadia seitens des Bürgen wurde als ein solvere reeipere liberare bezeichnet; die durch Hingabe der Wadia an den Gläubiger begründete Haftung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger wurde durch die Übernahme der Wadia seitens des Bürgen getilgt. Vgl. VAL DE LIÈVRE, a. a. 0 . 184 f., 216 f. EsMEIN 81, 86 Note 2, 87 f. BRUNNEK, a. a. O. 511. Entscheidend sind die in Italien entstandenen Extravaganten der Lex Salica, c. 6 (MEEKEI., Lex Salica S. 100): Fostquam autem debitor wadium dederit, liber erit, si fideiussor moritur, pr opter wadium quod emisit in debitore (creditore!), et si virent ambo, quod spopondit qui wadium dédit det, et si domo non dat, fideiussor quantum spopondit pro neglectu debitorit det. Man könnte allerdings geneigt sein, aus einigen Stellen des Edikts auf eine Haftung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger zu schließen, aber Roth. 360—362 bezieht sich nur auf die Schuld, nicht auf die Haftung, und Liutpr. 108 f. und Aistulf 21 ist unter debitor nicht der Wettschuldner (wadiatorj, sondern wer aus einer Cautio oder beliebigen anderen Gründen haftet, zu verstehen. Erst der Liber Papiensis kennt eine direkte Haftung des Schuldners aus dem Wettvertrage. 1Ü1

V g l . SOHM, P r o z e ß d e r L e x S a l i c a 21 f., 53, 220 ff. ESMEIN, 82.

BETHMANN-

HOLLWEG, a. a. O. L 558 ff. Den doppelten Ersatz (L. Franc. Cham. 16) erhielt der Bürge auch nach dem sächsischen Recht (Capitulatio de part. Sax. 27), ebenso nach

§ 35. Das Privatrecht.

281

den Schuldner das Betreibungsverfahren (außergerichtliche Pfändung kannten die Franken nicht) anstrengen, aber nur unter Verzicht auf die Haftung des B ä r g e n : durch den Zugriff des Gläubigers auf den Schuldner wurde der Bürge sofort befreit 1 6 3 . Daß auch die übrigen Stammesrechte ähnliche Grundsätze befolgt haben, ergibt sich aus einer B e s t i m m u n g der Lex Romana Curiensis und aus verschiedenen Partikularrechten des deutschen Mittelalters 1 6 3 . Aus dem Bürgschaftsvertrage hat sich der Formalvertrag des deutschen Rechts entwickelt. Dies tritt nicht nur in der Bezeichnung desselben als Selbstbürgschaft 1 6 4 , sondern namentlich auch in der Form charakteristisch hervor. Der Bürgschaftsvertrag wurde bei Langobarden, Franken und Baiern übereinstimmend in der Weise geschlossen, daß der Schuldner dem Gläubiger einen Stab (festuca) als Wette überreichte, den dieser sodann an den Bürgen weitergab 1 8 6 . Die Festuca ist als ein jüngeres der L. Rom. Burgundionum seitens der Provinzialen Burgunds (Anm. 156). Ks ist bemerkenswert, daß poena dupli in dieser Anwendung auch dem indischen Rechte bekannt war. Vgl. JOLLY i. d. Sitz.-Ber. d. Münch. Akademie, philos.-philol. KL. 1877, S. 304 f. KÖHLER, Zeitschr. f. vgl. RW. III. 184. Siehe auch SICKEL, Bestrafung des Vertragsbruches 10. Überall hatte diese Vermehrfachung des Regresses die Voraussetzung, daß der Bürge durch Verzug des Schuldners zur Zahlung genötigt war. 162 Bened. Levita III. c. 334 (MG. Leg. II. 123): Si quis contemplo fideiussore debitorem suurn teuere maluerit, fideiussor vel heres eius a fideiussionis vinculo liberatur. Das Kapitulare, dem diese Bestimmung angehört, ist eine Fälschung des Benedikt, es unterliegt aber keinem Bedenken, den Ausspruch als ein Zeugnis für das fränkische Gewohnheitsrecht zu betrachten. Vgl. ESMEIN, 86 f. Einen direkten Zugriff des Gläubigers auf den Schuldner zeigt das erste Zusatzgesetz zur Lex Salica, c. 10 (BEHREND, Lex Salica S. 91) und wohl auch L. Sai. 50. 193 L. Rom. Cur. 22, 12: Si quis homo pro fidemiussorem acceperit, si se ad ipsum fidemiussorem (tenere) vult, fide quod fecit solvat. et quod si illum fidemiussorem dimittere vult, ad suurn dehitorem se tenere debet, ut suurn debitum ei reddat. Also auch hier setzte der Zugriff auf den Schuldner den Verzicht auf den Bürgen voraus. Für das bairische Recht vgl. Anm. 165, für das sächsische Capitulatio de part. S a x . 27 (BORETIUS 70), f ü r d a s M i t t e l a l t e r STOBBE I I I . 3 0 8 , N o t e 8. 104

Vgl. S. 57, Anni. 45, und die daselbst angeführte Litteratur. SOHM, Prozeß der Lex Salica 220 ff. FRANKEN, Franz. Pfandrecht 234 ff. MÜLLER, Zeitschr. f. DR. I. 341, Note 1. Ed. Chilper. c. 6 (Anm. 169). Cap. legibus add. von 818, c. 6 (BORETIUS 282)\ fideiussor es vestiturae donet — — —, insuper et ipse per se fldemiussionem faciat eiusdem vestiturae. Die von VAL DE LIÈVBE angeführten Belege siud vorzugsweise italienischen Ursprungs und gehören erst der späteren Zeit an. Das langobardische Edikt kannte den von dem Bürgschaftsvertrage losgelösten Wettvertrag noch nicht. Vgl. VAL DE LI È VRE 165—183, 226 f. Die Bekanntschaft des nordischen Rechts mit dem Begriffe der Selbstbürgschaft zeigt Jüt. Lov, II. 104: Wenn irgend ein Mann gibt einem andern Mann Diebstahls schuld, der selbst hat Land, so mag er selbst gehen in Bürgschaft für sich. 165 vgl. S. 57. SOIIM, Eheschi. 39. BRUNNER, a. a. U. ò l i . Für das bairische Recht vgl. die Anführungen von HEUSLER II. 241, Note 7 und besonders L. Baiw. app. 4 (MG. Leg. III. 137): cum de.ctra manu tradat (nämlich Rasen und Zweig, die Investitursyinbole), cum sinistra vero por riga t wadium huic, qui de ipsa, terra eum niallef. per Inter verba: „Ecce wadium tibi do, quod tuam terrarn alteri non do legem faciendi," 'lune ille alter suseijaiat wadium et donet illud vicessvrihus (st. fideiusso•

Die fränkische Zeit.

282

Surrogat des Speers anzusehen: die älteste Form des Wettvertrages muß die Speerreichung gewesen sein 166 . Näher als die oben (S. 56) versuchte Erklärung dieser Solennität aus dem Vergeiselungsvertrage lind der Adoption liegt eine zuerst von B R U N N E R angedeutete Auffassung, wonach wir den Speer und die Festuca als Wahrzeichen der hausherrlichen Gewalt und ihre Übergabe an den Gläubiger und weiter an den Bürgen als Einräumung einer gewissen Obergewalt über Person und Vermögen des Wettgebers zu betrachten hätten 167 . Daß mit der Hingabe der Wette ein Schuldversprechen des Schuldners und mit der Entgegennahme (achramire, (ulhramire) der Wette seitens des Bürgen ein Lösungsversprechen des letzteren verbunden wurde, ist im langobardischeu Edikt angedeutet 188 . Manches spricht dafür, daß auch bei dem nordischen Bürgschafts vertrage der Stab eine Rolle gespielt hat 168 ", während die Sachsen sich des schon mehrfach erwähnten Versprechens mit gekrümmten Fingern bedienten (S. 264). Den Fortschritt von der Bürgschaft zur Selbstbürgschaft, also die Einkleidung des Schuldvertrags in die Form des Wettvertrages, hatten die Franken schon in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts erreicht: bei dem Urteilerfüllungsvertrage sollte der Verklagte, wenn er keine Bürgen hatte, die Festuca aus der linken Hand in die rechte nehmen und mit dieser dem Gegner überreichen (auferre für afferre)169. Es wurde also daran festgehalten, daß die Wette durch drei Hände gehen mußte, aber die dritte Hand war nun der Gläubiger selbst, der sie behielt, bis sie vom Schuldner eingelöst wurde. Die Festuca war zum Scheinpfande geworden, dessen Hingabe, da weder eine Bürgen- noch eine reelle Pfandhaftung bestand, die direkte Haftung des Schuldners begründete 170 . Von rihus) istius ad legem faciendi. Daß auch die langobardischc Wadia ein Stab war, hat VAL DE LIÈVRE 119 ff.. '263 nachgewiesen, Bei einer Mehrheit von Schuldnern oder Bürgen und ebenso bei einer Mehrheit von Versprechungen wurde bald nur eine Wette, bald eine Mehrheit von Wetten gegeben. Vgl. S. 57, Anm. 45. VAL DE LIÈVRE 187 f.

I«« Vgl. insbesondere die Anm. 152 angeführte Schrift von THÉVKNIN. 167 Vgl. BBÜNNER, a. a. 0 . 512, Note 1. Die Festuca in der Hand des betreibenden Gläubigers oder Bürgen (L. Sal. 50, 3) bezog sich auf die von ihm dem Grafen zu stellende Kaution : Ego super me et furluna mea pono, quod securas mitte in furtuna sua manum. Wahrscheinlich fand auch hier Übergabe der Festuca an den Grafen statt. Vgl. auch Form. Marc. 21. 198 Ed. Roth. 366. Liutpr. 15. Ratchis 5. Über achramire vgl. S. 57, Anm. 46. ÍES» YGJ AMIRA, Obl.-R. I. 297 f., wonach das Citât S. 56, Anm. 42 zu berichtigen. 169 Ed. Chilper. 6: Similiter convenit, ut quicumque admallatus fucrit et in veritatem testimonia non habuerit unde se aeducat, et necesse est ut inimn fldem faciant, et non habuerit simili modo qui pro cum fidem faciat: ut ipse in senextra manu fistucam teneat et dextera manu auferat. Uber die von der unserigen etwas abweichend« Auslegung vgl. SOHM, Eheschließung 41 f.; Prozeß der Lex Salica 81, 220f. ESMEIN 83 f. Uber die Lesart inium (Kessseifang) statt des handschriftlichen mitium BBÜNNER, Mithio und sperantes 24 f. m

VGL. FRANKEN, F r a n z . P f a n d r e c h t 214 ff,, 261 ff. HEUSLER 1. 79.

§ 35.

283

Das Privatrecht.

diesem Standpunkte aus gewöhnte man sich bald, einen Halm oder Handschuhe oder beliebige andere Gegenstände als Wette zuzulassen 171 . Das langobardische Recht hat, im Gegensatze zu den Franken und Süddeutschen, die Umbildung des Wettvertrags zu einem direkten Schuldversprechen erst in der spät-karolingischen Zeit erreicht 172 . Der Grund für dies zähere Festhalten am Hergebrachten war die Rezeption der römischen Cautio und im Anschluß daran die Ausbildung der dispositiven Urkunde (carta), durch deren Begebung der Aussteller dem Empfänger gegenüber ganz wie bei der Wadia zur Einlösung verpflichtet wurde 173 . Die Franken, Baiern und Alamannen haben diesen Gebrauch der Carta im Laufe der Zeit ebenfalls übernommen, und zwar in der Art, daß in der Regel die Urkunde die „Wette" nur begleitete oder mit angehefteter Wette übergeben wurde 174 . Durch die geschilderte Aus- und Umbildung des Wettvertrages war das altgermanische Prinzip der Barverträge (S. 54) über den Haufen geworfen. Zuerst kam es unter dem Einflüsse des den Urteilerfüllungsvertrag beherrschenden prozessualischen Zwanges zu einer wirklichen Haftung des Schuldners, dem vorher nur die Gefahr des Verfalles seines Pfandes oder seines Bürgen gedroht hatte. Der Schuldner als Geber der Wette haftete dem Gläubiger als Nehmer für Stellung des Bürgen, sodann dem Bürgen für Befriedigung des Gläubigers, eventuell für doppelten oder dreifachen Ersatz; der Bürge haftete dem Gläubiger für Ausübung der mit der Wette ihm zu treuer Hand übertragenen Gewalt über Person und Vermögen des Schuldners. Neben dem prozessualischen Wettvertrage, der in alter Weise fortbestehen blieb178, kam etwa seit dem 7. Jahrhundert der pi'ivatrechtliche Wettvertrag zur Ausbildung 176 ; den Ausgang der Entwickelung bildete endlich die Emanzipation des Wettvertrags von der Bürgschaft, indem neben dem Bürgenwettvertrage auch die Selbstbürgschaft durch Wette, das unmittelbare Schuldversprechen gegen Scheinpfand, zur Anerkennung gelangte. In dieser stufenweisen Entwickelung nahm der Wettvertrag eine der römischen Stipulation entsprechende Stellung ein, wurde vielfach geradezu mit demselben Namen bezeichnet 177 . Gleich der 171

Vgl. S. 57 f.

172

Vgl.

BRUNNER, R G .

d.

U r k . 13.

VAL

DE

LIÈVRE

2 5 8 ff.

Edikts ist noch untrennbar mit der Bürgschaft verbunden. DE LIÈVRE 1 6 5 — 1 8 3 , 173

147T'.;

Die

wadiatio

Vgl. ESMEIN 80.

des

VAL

2 2 6 f.

Vgl. BRUNNER, Zeitschr. f. HR. XXII. 552f.; RG. d. Urk. 16, 62 ff., 96 ff., in

HOLTZENDORFFS

Encyklopädie

252f.

FRANKEN,

a.

a.

0.

241

ff.

ESMEIN,

¡i. a. O. 16 ff. STOUFF, Etudes sur la formation des contrats par l'écriture (1887) S. 36 ff. Ich bin geneigt, auf die durch Carta eingegangenen Verbindlichkeiten das rätselhafte stantia in Ed. Ratchis 5 zu beziehen. Die von HEUSLER II. 239 f. versuchte Erklärung dieses Ausdrucks kann unmöglich befriedigen. 174

V g l . A n m . 96.

BRUNNER, RG. d. Urk. 211, 229, 2 4 4 ff., 2 6 0 ff. D i e ältesten

fränkischen Schuldurkunden LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 175 177

dieser Art Form. Andeg. 22, 25, 38, 60. Marc. 25 ff.

1 7 f.,

25.

1,6 Vgl. S. 55, 82, 85, § 37. So schon Ed. Roth. 366. Form. Marc. II. 18. Vgl. Ed. Liutpr. 15. BRUNNER, RG. d. Urk. 222 f., 229. Besonders wert-

284

Die fränkische Zeit.

Stipulation an sich nur auf einseitige Verpflichtungen, auf diese aber ohne Beschränkung anwendbar 1 7 8 , ließ sich der Wettvertrag m i t Leichtigkeit auch für gegenseitige Obligationen nutzbar m a c h e n , indem von jeder Seite eine W e t t e gegeben und g e n o m m e n wurde 1 7 9 . Der Wettvertrag war nicht nur der Pormalvertrag, er war auch, wenn m a n von der für das innere Deutschland wenig in Betracht gek o m m e n e n Schuldurkunde (cautio) absieht, die einzige Form des deutschen Schuldvertrages i n unserer Periode. Zwar hat man a n g e n o m m e n , daß das Prinzip der Barverträge auch durch die Anerkennung der Realverträge bereits durchbrochen gewesen sei, und hat sich dafür namentlich auf die N a t u r des Kauf- und Tauschvertrages als eines Realvertrages berufen 1 8 0 , aber soweit die Quellen ein bestimmtes Urteil gestatten, hat m a n es hier überall noch m i t reinen Barverträgen zu t h u n 1 8 1 . Selbst die einseitige Rückerstattungspflicht bei L e i h e , Pfand u n d H i n t e r l e g u n g wurde k a u m schon als eine obligatorische Pflicht verstanden; die verweigerte Rückgabe galt hier und in verwandten Fällen als eine strafbare voll ist Lex Rom. Our. 24, 2: Stipulatio est inter duos homines, de qualecumque rem intencio est, possunt inter se ipsa causa sine scripta et sine fideiussores per stipula finere, Stipula hoc est, ut unus de ipsos levet festucum de terra, et ipsum festucum, in terra reiactet, et dicat: per ista stipula omne ista causa dimitto: et sie ille alter prendat ipsum illum festucum et eum salmtm faciat. Et itervm ille alius similiter faciat. Si hoc fecerint, et aliqui de illos aut de heredes eorum ipsa causa removere voluerit, ipsum festucum in iudicio coram festes praesentetur, ambo duo qui contendunt, et si hoc fecerint, ipsa causa removere non possunt,. Man erkennt hier deutlich denselben Gebrauch, der bei der Urkundenbegebung zu der Ievatio cartae (Anm. 95) führte. Der römischen Cautio wurde häufig, um die Verbalstipulation zu ersetzen, die Klausel stipul.atione interposita beigefügt. Durch Vermittelung rätischer Urkunden drang dieselbe auch in den Urkundenstil des fränkischen Keiches ein, wo sie, mißverstanden und auf die Unterschrift der Urkunde bezogen, später in stipulatione subnixa umgewandelt wurde. Vgl. BRUNNEB, RG. d. Urk. 223 ff. SEUFFERT, Zeitschr. f. RG. XV. 115 ff. SCHRÖDER, ebd. XVII. 104; Histor. Zeitschr. NF. XII. 507. KOHLER, Beitr. z. germ. Privatrechtsgeschichte I. 23, Note 2. Über die Bezeichnung des Wettvertrages als fides facta vgl. S. 56. Althochdeutsche Glossen übersetzen promitterdes und sponsionem mit vetti. Vgl. STEINMEYER u. SIEVERS II. 141. " 8 Die vielfach angenommene Beschränkung auf ein Summensprechen und auf bestimmmte Erfüllungstermine bestand nicht. Vgl. V A L DE LIJIVRE 1 5 5 ff. 178 Vgl. VAL DE LIÜVBE 1 5 3 f. Siehe auch L . Rom. Cur. 2 4 , 2 (Anm. 1 7 7 ) . Bei dem Beweisurteil verwettete die eine Partei die Beweisführung, der Gegner die Annahme des Beweises. 180

64

ff.

Vgl.

SOHM, E h e s c h l i e ß u n g

BRUNNER

181

in

2 4 ff. ESMEIN, a . a . 0 . O f f .

HOLTZENDORFFS

V g l . HEUSLER, I I . 2 5 3 f .

Encyklopädie

THEVENIN, a . a .

0.

252.

BEHREND i. d . Z e i t s c h r . f. H R . X X I . 5 9 0 f.

NIBSL,

Gerichtsstand des Klerus 189. LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 22, wo die nicht erfüllte Verabredung über einen Tauschvertrag als bloße conlocucio et conveniencia bezeichnet wird. Das von SOHM, a. a. 0 . 26, Note 9 angezogene Testament des Grimo von 636 dürfte dem römischen Rechte angehören, da sich in der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts noch keine Germanen unter dem niederen Klerus zu befinden pflegten. Vgl. Zeitschr. f. RG. XX. 26 f. Einen positiven Beleg für die Nichtanerkennung der Realverträge glaube ich u. a. darin zn finden, daß der Leiheherr eine Klage wegen rückständigen Zinses nur hatte, wenn dieser ihm verwettet war. Vgl. S. 275.

§ 35.

285

Das Privatrecht. 182

Vermögensvorenthaltung, als eine strafrechtliche Schuld . Auch Schenkungen gehörten, soweit man sich nicht des Wettvertrages bediente, durchaus zu den Barverträgen 183 . Das Prinzip der Entgeltlichkeit aller Verträge wurde festgehalten; jede an sich unentgeltliche Leistung verlangte zu ihrer Rechtsbeständigkeit eine wenn auch noch so unbedeutende Gegenleistung als Handgeld (arrha, vicissitudo) oder, wie die Langobarden es bezeichneten, Launegild 1 M . Wurde das Launegild verweigert, so brauchte der Gegner das Versprochene nicht zu leisten, er wie sein Erbe konnte das Geleistete zurückfordern. Außer bei Schenkungen kam das Handgeld insbesondere auch schon als Gegengabe für den Verzicht auf ein Recht vor. So konnte bei einer vorläufigen Kauf beredung (convenientia) der Verkäufer gegen Handgeld zum einstweiligen Verzicht auf sein Verfügungsrecht über die Sache bis zur Zahlung des Kaufpreises, d. h. bis zur Perfektion des beredeten Kaufvertrages, bewogen werden 186 . Eine weitergehende Wirkung hat das Handgeld in dieser Periode noch nicht gehabt, eine positive Haftung vermochte es nicht zu erzeugen 186 . Die Lehre vom Schadensersatz wird im wesentlichen erst weiter unten zu behandeln sein 187 . Die Haftung traf regelmäßig, ohne Unterscheidung zwischen Schuld und Zufall, denjenigen, der als der schuldige oder unschuldige Urheber der Beschädigung angesehen wurde. Für Tiere und Unfreie haftete schlechthin der Eigentümer, der sich aber durch Abtretung des Thäters an den Beschädigten ganz oder zum Teil von der Haftung befreien konnte 188 . Befand sich das Tier oder der Knecht zur Zeit der Schädigung in der Gewahrsam eines Dritten, der in rechtswidriger Weise dazu gekommen war, so haftete dieser statt des Eigeu182

Vgl. S. 86. L. Sa], 52. L. Rib. 52. Nissl, a. a. O. 190 f. Sickel, Bestrafung

des Vertragsbruches 8. 183 Vgl. Val de LifcvHE, Zeitschr. f. RG. X V I I . 51 f. Nissl, a. a. O. 189. 184 Vgl. S. 53 und die daselbst Anm. 25 angeführte Litteratur. Westgothisches Fragment (§ 31 N. 18) c. 14. Form. Wisig. 34. THiVENiN.a. a. 0 . 65, Anm. 2. Besonders entwickelt war das langobardische Launegildsrecht, seit 8. Jahrhundert auch bei den Hörnern in Gebrauch ( K o h l e r , Beiträge II. 9). Vgl. Ed. Roth. 175, 184. Liutpr. 43, 73 (Ausnahme zu Gunsten der Schenkungen zu frommen Zwecken). Dem Freigelassenen sollte mangels eigenen Vermögens nach Ed. Aist. 12 sein bisheriger Dienst als L. angerechnet werden. i8ä Vgl, Westg. Antiqua 297. L. Wisig. V. 4, 4. H e u s l e r , I. 80 f., 84 f., II. 253 f. 188 Anderer Ansicht namentlich Sohm, S t o b b e und Esmein. Die einzigen Quellenstellen, auf die man sich berufen könnte, L. Baiw. 16, 10 und 17, 3 , handeln aber gar nicht von dem Handgelde, sondern von dem Pfände, das einem auch sonst vorkommenden Sprachgebrauche gemäß hier mit arra bezeichnet wird. Vgl. H e d s l e b , II. 254. 187 Vgl. § 36. Über die dilatura vgl. auch S i c k e l , Bestrafung des Vertragsbruches 11 f. LAS v g l . S. 59. Reine Sachhaftung bestand bei den Burgundern, Westgotheu, Sachsen und nach dem späteren Rechte der Ribuarier (Cap. in lege Rib. mitt. von 803 c. 5 , Boretids 117), Sachhaftung und auf einen Teil beschränkte persönliche Haftung bei den Baiern, Langobarden, Saliern und im älteren ribuarischen Recht.

286

Die fränkische Zeit.

tümers 188a . Nach dem langobardischen Rechte galt dies auch von dem Mieter, Kommodatar, Faustpfandgläubiger, indem die Haftung nicht mehr auf das Eigentum, sondern auf die mangelnde Obhut zurückgeführt wurde 189 . Eine persönliche Haftung des Muntwalts für die in seiner Munt befindlichen Personen bestand nicht, soweit nicht eigene Verschuldung vorlag 1893 . Die Eheschließung 190 vollzog sich bei einigen Stämmen (Thüringern. Sachsen, Angelsachsen, Friesen, Burgundern, Langobarden unter Rothari) noch ganz in der altgermanischen Form des Brautkaufes, vielfach muß aber die Sitte bestanden haben, daß der Vormund der Braut den für sie erhaltenen Preis (Wittum) ganz oder teilweise in die Ehe mitgab, wodurch sich, je mehr die Geschlechtsvormundschaft an Intensität verlor, mehr und mehr die Auffassung Bahn brach, daß der Vormund das Wittum überhaupt nicht für sich, sondern für die Braut bedinge, daß es dieser zukomme, weil sie den Willen des Bräutigams zu dem ihrigen machte i e i . So wurde der Kaufpreis, ohne zunächst seine juristische Natur zu ändern und seine Notwendigkeit für jede vollgültige Ehe zu verlieren, zu einer von dem Vormunde ausbedungenen Dos des Bräutigams an die Braut 192 . Das Übergangsstadium erkennt man in der Lex Burgundionum 193 , während l88 * L. Alam. 82. L. Fris. 9. Hatte ein Dritter das Tier gereizt, so haftete dieser, nicht der Eigentümer. 199 Vgl. Ed. Roth. 327. Liutpr. 110. L. Fris. add. sap. 11, 2. Vgl. Anm. 63. I89A j ) J E entgegenstehende Annahme von H E U S L E R , I. 123ff. und K R A U T , Vormundschaft I. 347 (f., stützt sich ausschließlich auf die Verhältnisse der langobardischen Aldien, die als Halbfreie nicht zum Beweise dienen können. Vgl. dagegen L. Sax. 18. Nur die gerichtliche Vertretung, aktiv und passiv, war Sache des Vormunds. 190 Vgl. S. 66 if. und die daselbst Anifl. 104 angeführte Litteratur, ferner meine Geschichte des ehel. Güterrechts I . 7 ff., 24—83. K R A U T , Vormundschaft I . 171 ff.

298 ff. RIVE, V o r m u n d s c h a f t I. 92 ff., 117 ff., 238 ff. SOHM, E e c h t der E h e s c h l i e ß u n g

22—34 , 50f., 59—67. H A B I C H T , Die altdeutsche Verlobung, 1879. W E I N H O L D . Deutsche Frauen, 2. Aufl. I. 315 ff., 339 ff, 368 ff. B R U N N E R , RG. I. 74 f.; in H O L T Z E N DORFFS Encyklopädie 257; Jenaer Lit.-Zeitung 1876, S. 498 ff. W A L T E R , RG. §§ 481 bis 484. S T O B B E , Privatrecht IV. 8 ff. 24. W I L D A , Strafrecht 799 ff. E. L Ö N I N G . Kirchenrecht der Merovinger 577—601. K Ö N I G S W A R T E R , Études historiques sur le droit français (Revue de législation XVII.) 394 ff. G A U P P , Recht und Verfassung der alten Sachsen 150 ff. O S E N B R Ü G G E N , Strafrecht der Langobarden 84 ff. P E B T I L E , Storia del diritto ital. III. 253f„ 258. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 561 f. D A H N . Westgothische Studien 114 ff. LONDON, Quaestiones de historia iur. familiae in lege Visigothorum (1875) 13—41. L E H M A N N , Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882 (vgl. meine Anzeige i. d. Zeitschr. f. RG. XIX. 227 ff. und die Anzeige von A M I R A , Gött. gel. Anz. 1882, Stück 51). A M I R A , Nordgerm. Obligationenrecht I. 533 ff. OLIVECBONA, Om makars giftorätt i bo, 4. Aufl. I. 130 ff. YOUNG, i. d. Essays in anglosaxon law 1 6 3 ff. 191

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 53, 71. SOHM, a. a. 0 . 33. Über die Notwendigkeit dieser Dos für jede vollkommene Ehe vgl. Gesch. d, ehel. Güterr. I. 53, 64 f., 72, 80 f. Daß die Umwandlung nicht unmittelbar durch die Beseitigung des Heiratszwanges herbeigeführt worden ist., erkennt man aus Ed. Roth. 195. Liutpr. 12, 120. L. Burg. 100. 193 Der Vater oder Bruder der Braut erhielt das ganze Wittum und es blieb ihm 192

§ 35.

Das Privatrecht.

287

die Westgothen, Salier, Ribuarier, Alamannen, Baiern und seit Liutprand auch die Langobarden schon ganz auf dem jüngeren Entwicklungsstadium stehen. Über das nordgermanische Recht läßt sich nichts bestimmtes behaupten, da in den Quellen wenigstens jede sichere Spur des alten Brautkaufes verwischt erscheint 1 9 4 . Der Kaufpreis hieß widern19ä, bei den Langobarden meta oder Muntgeld (mundium)196, ähnlich bei den Friesen mundsket, als lateinische Bezeichnungen begegnen namentlich pretium nuptiale, pretium emptionis, später dos, imtitia, tanodo197. Die Höhe des Wittums beruhte zum Teil auf gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Feststellung 1 9 8 , zum Teil und ursprünglich wohl allgemein auf freier Vereinbarung 1 9 9 . Bei der Wiederverheiratung einer Witwe oder dem Rückkauf derselben zum Zweck der Rückkehr unter ihre angeborene Munt berechneten die Sachsen und Burgunder den vollen, die Langobarden nur den halben Betrag des von dem ersten Manne Entrichteten 2 0 0 . Das Amt des Verlobers stand dem Vater, Bruder oder nächsten männiiberlassen, ob er der Braut etwas abgeben wollte, während jeder entferntere Verwandte der Braut und der Sippe je ein Drittel überlassen mußte (L. Burg. 66, 86). Bei Wiederverheiratung einer Witwe erhielt diese, da sie keiner Geschlechtsvorrauudschaft mehr unterworfen war, das vou dem zweiten Manne zu entrichtende Wittum selbst (52. 3), mußte dasselbe aber an die Erben ihres ersten Mannes als Entschädigung für das seinerzeit von diesem gezahlte Wittum herausgeben (42, 2. 69, 1); im Falle einer abermaligen Verheiratung durfte sie das Wittum behalten (69, 2). Vgl. Geschichte d. ehel. Güterr. 1. 44 f., 191. Die dort angezogene Stelle L. Burg. 44, 2 bezieht sich auf die Buße, nicht auf das Wittum. 194 Der nordische mundr (S. 68) hat kaum damit zu thun. 195 Über alid. widemo, widern, ags. weotuma, altfries. witma, wetma, bürg, wittimon, wiltemon, das spätere Wittum, vgl. besonders W A C K E R N A G E L , Kl. Schriften III. 355 f. (auch bei DINDING , Burg, roman. Königreich 349). Das Wort hängt mit wette und goth. vidan (S. 54), ebenso mit goth. gavadjón (despumare) zusammen. 198 Meta von miete, Lohn. Über mttndium vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 26 f. Muntschatz zahlen hieß mundium faceré. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 41. S O H M , Reichs- u. Gerichtsverfassung 90. 197 Über letztere Bezeichnung vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 66. Z E U M E R i. d. N. Arch. d. Ges. f. deutsch. Gesch.-Kunde VI. 33. 199 Bei den Alamannen 40, den Burgundern 15 und 50 (diese für den Adel), den Angelsachsen 50 und 60, den Ribuariern 50, den Saliern 62'/2 (für Liten 30), den Sachsen 300 Sol. Für den absoluten Charakter dieser Ansätze, da es sich ebenso wie beim Wergeide um unschätzbare Werte gehandelt habe, SOHM i. d. Zeitschr. f. RG. V. 420 f.; Recht der Eheschi. 23. Andere wollen nur eine dispositive Bedeutung zugeben, so daß jene Beträge nur mangels anderweitiger Feststellung eingetreten seien. Jedenfalls richtete sich die Muntbrüche (vgl. § 36) immer nach dem Wittum, das daher ohne einen feststehenden Betrag nicht gedacht werden kann. Auch scheint L. Sax. 40 u. 43 durchaus für den absoluten Charakter zu sprechen. 199 Vgl. Ed. Roth. 1 8 2 , 1 9 1 , 2 1 4 . Liutpr. 8 9 . L . Wisig. III. 1 . 5 . Wenn SOHM, a. a. O. V. 421 ff.. die freie Vereinbarung des Wittums schlechthin erst einer spätejn Entwickelungsstufe, die das Wittum als Dos behandelte, zugestehen will, so steht dies mit dem Edikt des Rothari in Widerspruch. 200 Vgl. Ed. Roth. 182, 183. L. Sax. 40, 43. Betreffs des Burgunder vgl. Anm. 193,

288

Die fränkische Zeit.

liehen Schwertmagen der Braut, also überhaupt ihrem Geschlechtsvormunde, aber unter einer gewissen Beteiligung der Sippe, zu. Bei der Wiederverheiratung einer Witwe war, soweit dieselbe noch unter Geschlechtsvormundschaft stand, der nächste Schwertmage des ersten Mannes, unter Mitwirkung ihrer Blutsfreunde, der Verlober; weigerte er sich dessen, so konnten die Verwandten der Frau an seine Stelle treten 201 . Solange noch der in unserer Periode unter dem Einflüsse der Kirche mehr und mehr abgeschaffte Heiratszwang bestand 202, war die Vermählung noch ein wirklicher Kaufvertrag zwischen dem Verlober und dem Bräutigam, dessen Gegenstand die Braut oder vielmehr die Fülle der Rechte, welche dem Manne über seine Ehefrau zustanden, nicht die Munt allein bildete 2023 . Wo dagegen die ausdrückliche Zustimmungserklärung der Braut verlangt wurde, trat diese bis zu einem gewissen Grade als dritte Kontrahentin hinzu. Kirchliche Einsegnung der Vermählten war üblich, aber ohne rechtliche Bedeutung für das Zustandekommen der Ehe, sie diente nur als Eheheiligungs- und nicht als Perfektionsmittel. Die ursprüngliche Verbindung der Verlobung und Trauung zu einem Akte, nach dem Vorbilde des Barkaufes, bestand in unserer Periode nicht mehr. Schon das Edikt des Rothari, das noch den vollen Brautkauf festhielt 203 , unterschied die anomalìa oder fabula firmata (Vermählung)10* von den nuptiae (dies traditionis nuptiarum, traditio). Die vollständigste und zuverlässigste Auskunft über die Spaltung des einheitlichen Eheschließungsaktes in die zwei Akte der Verlobung (Vermählung) und Trauung gewähren die langobardischen Rechtsquellen, die hier um so wertvoller sind, als sie sich gleichmäßig auf die beiden Entwicklungsstadien der Meta als pretium puellae und dos beziehen 206 . Zu der Verlobung gehörte zunächst die Vereinbarung über die Meta 208 und, wenn die Braut nicht Tochter o'der Schwester des Verlobers war, die (übrigens formlose) Erklärung ihrer Einwilligung 207 . Die Hauptverhandlung bezog sich auf die Zahlung der Meta und die Trauung der Braut. Solange die Meta noch Kaufpreis war, wurde sie bei der Verlobung ganz oder abschlagsweise von dem 201

L. Sax. 43. Ed. Eotli. 182. Vgl. Geschichte d. ehel. Güterr. I. 7 f. 202. v g l . BRÜNNEB i. d. Jen. Litt.-Zeit. a. a. O. 498, Note 1. 208 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 28—38. 204 Vgl. GBIMU, RA. 433, wo aber irrtümlich wegen makal (—fabula, Sprache) Gerichtlichkeit des Aktes angenommen wird. Siehe SOHM, Eheschi. 62. so» A u ß e r den Bestimmungen des Edikts ist namentlich zu verweisen auf eine von BRÜNNER (Jen. Litt.-Zeit. a. a. O. 499) besprochene Urkunde von 966 (Cod. dipi. Oav. II. 31), auf Formel und Expositio zu Lib. Pap. Rothari 182 (MG. Leg. IV. 333), Formel zu Lib. Pap. Roth. 195 (ebd. 341) und eine Verlobungs- und Trauungsformel des Cartul. Lang. 16 (ebd. 599), die sich zwar auf die Wiederverheiratung einer salischen Witwe bezieht (Anm. 226), aber in Italien entstanden ist und in ihrem hier in Betracht kommenden Inhalte italienischen Gebräuchen entspricht. Der Einfluß des langobardischen Rechts auf die Angehörigen anderer Nationen zeigt sich auch bei den Ehen mit Römerinnen. Vgl. MG. Leg. IV. 650. 202

404

Vgl. Roth. 178, 190—192.

207

Vgl. Roth. 195. Liutpr. 12, 120.

§ 35.

289

Das Privatrecht. 208

Bräutigam an den Verlober b e z a h l t ; was noch daran fehlte, wurde durch W e t t b ü r g e n versprochen 2 0 9 ; seit die M e t a zur Dos geworden war, wurde sie bei der Verlobung nur noch verwettet, i n d e m der B r ä u t i g a m für die Verschreibung der Meta B ü r g e n s t e l l t e 2 1 0 . A n die Zahlung oder V e r w e t t u n g der Meta schloß sich eine Scheintrauung, i n d e m der Verlober die Braut d e m Bräutigam in altgermanischer Art m i t W a f f e n , Mantel und H a n d s c h u h übergab, sie aber sofort in derselben W e i s e von i h m zurückempfing, also Scheintrauung u n d R ü c k t r a u u n g 2 1 1 . Darauf folgte ein wechselseitiger Wettvertrag, i n d e m der Verlober für die Trauung, der Bräutigam aber für die A n n a h m e der Braut B ü r g e n setzte 2 1 3 . Die Verl o b u n g enthielt demnach alles, was zu d e m Eheschließungsakte gehörte, nur daß die Barleistung hinsichtlich der T r a u u n g u n d später auch hinsichtlich der Meta gestundet u n d einstweilen durch den Formalvertrag ersetzt w u r d e 2 1 3 . Die Trauung bestand aus der Übergabe der Braut 208 Daß der Bräutigam vor der Trauung Zahlung leistete, das mundium facere als die Vorleistung galt, folgt aus Roth. 179, 180, 182, 183, 215; daß mindestens eine Abschlagzahlung schon bei der Verlobung erfolgte, aus Roth. 178 (potestatem liabeatpater auf frater , clistringere fideiussorem, quatinus adinpleat metarn illam,. quae in diae sponsaliorum promisit). Vgl. SOHM, Eheschi. 27. 209 Vgl. Roth. 178 (Anm. 208). 210 Vgl. Ed. Liutpr, 117. Mit der Meta zugleich wurde die Morgengabe versprochen. 211 Am deutlichsten in der Urkunde von 966, in der an die Stelle des Speeres ein Stab getreten ist: presens per baculum ipse P. ipsa filia sua mihi legitimam uxorem tradidit — — — et -per ipsum eadem baculum ipsius 1'. recommandavi ipsa filia sua usque in dictum, constitutum. Lib. Pap. Roth. 182 Formel: Per istam spatam et istum wantonem sponso tibi M. mearn filiam. Et accipe tu eam sponsario nomine, et commenda eam. ei usque ad terminum talem. Expositio § 1: Andrea, per huno ensem et wantonem istum sponsa Cristinam filiam tuam. Ipso affirmante dicatur sponso, ut eam accipiat. Von der Rücktrauung wird hier nichts gesagt, sie ergibt sich aber aus der sich unmittelbar anschließenden Verwettung der Trauung durch den Vater von selbst, ebenso aus der Formel zu Roth. 195. Vgl. Cartul. Langob. 16: Tunc gladius cum clamide et cirotheca tenebitur a Seneca, et orator dicat: „per illum gladium et clamidem sponsa Fabio Semproniam tuam repariam, que est ex genere Francorum." Quod cum Seneca firmaverit, tunc orator [dicaf] ad Fabium accipientem eundem gladium cum clamide dicat et: „o Fabio, tu per eundem gladium et clamidem conmenda eam sibi, donec fuit inter te et illum conventio." Ich habe diesen Akt früher für eine wirkliche Trauung gehalten und den Schluß der Formel auf eine langobardische Trauung bezogen (ähnlich SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 552, Note 19), während es sich wie in den übrigen angeführten Fällen zunächst um eine Scheintrauung mit Rücktrauung handelt, worauf dann die wirkliche Trauung folgt. Über die Trauungssymbole s. S. 68, Anm. 116. SOHM, Reichs- und Ger.Verf. 550 ff. 212 Bürgen des Verlobers: Roth. 190—192, des Bräutigams ebd. 178 (Anm. 208). Lib. Pap. Roth. 182, Expositio § 1: Andrea, da wadiam Martino, quod filiam tuam ei trades uxorem et eam sub mundio cum rebus ad eam pertinentibus mittes; ei tu da wadiam, quod tu eam accipies; et si quis nostrum se subtraxerit, componat pars parti fidem servanti penam auri libras 100. Ähnlich Formel zu Roth. 195. 2,3 Das hat SOHM, Eheschi. 28, 34, 46, verkannt, indem er den Verlobnngsvertrag für einen „durch Zahlung zum Abschluß zu bringenden Realcontract" erklärt

R. SCHBÖDEB, Deutsche Rechtsgeschichte.

19

290

Die fränkische Zeit.

(traditio per manum dexteram) durch den V e r l o b e r 2 , 4 und der A n n a h m e derselben (tollere, accipere) durch den B r ä u t i g a m 2 1 6 , in Gegenwart der Freunde, die, sei es zum L o h n für ihre Zustimmung, sei es als Urkundsgeld (für die Zeugenschaft) eine Gabe (exenium) des Bräutigams empfingen, während sie ihrerseits der Braut eine Gabe darbrachten 2 1 ". W a r die Meta nicht schon früher voll e i n g e z a h l t , so m u ß t e dies j e t z t , vor der Trauung, geschehen; seit die Meta zur Dos geworden war, fand statt der Zahlung die Übergabe der Verschreibung (traditio cartae) a n die Braut s t a t t 2 1 7 . Die A b n e i g u n g des deutschen Rechts g e g e n alle unentgeltlichen Verträge 2 1 8 n ö t i g t e den Bräutigam in dem späteren Entwicklungsstadium der Meta zu einer besonderen Gabe an den Verlober als Gegenleistung für die Trauung u n d die Abtretung der Munt. Der B r ä u t i g a m hatte dafür, u n d zwar entweder schon bei der Scheintrauung oder erst bei der wirklichen T r a u u n g ein Launegild zu entrichten 2 1 9 . D i e Aufschlüsse, welche die langobardischen Quellen über das W e s e n des Eheschließungsaktes g e b e n , sind u m so wertvoller, als das dadurch g e w o n n e n e Bild i n allen wesentlichen Zügen gemeingermanisch gewesen sein m u ß . Dies gilt nicht bloß von d e m allen Volksrechten und ebenso und die Anwendung des Formalvertrages bei der Verlobung erst auf eine spätere Rechtsbildung zurückführt. Ein selbständiger Verlobungsvertrag ist überhaupt erst durch den Wettvertrag möglich geworden. 214 Vgl. Roth. 183. Cart. Lang. 16: et post Iradantur cartule donationis et dotisy vel scrijpte ibi legantur, et post Seneca det coniugem Semproniam Fabio et Fabius Semproniae cartas. Lib. Pap. Roth. 182, Expositio § 1 : Antifacti et morgincaph cartule lecte sporne a sponso tradantur. Tune pater, qui mundoaldus est, per manum dexteram tradet eam marito. Formel: Cum venerit ad terminum, fiant cartulae lectae et fiat femina tradita per manum. 1116 Vgl. Roth. 178, 179, 182. Unter der Annahme ist die Heimführung der Braut und die Vollziehung des ehelichen Beilagers (Anm. 227) zu verstehen. Vgl. Roth. 184. Da die der Braut überreichten Gaben der Freunde ein besonderes Launegild des Bräutigams erheischten, wofür sie dessen Eigentum wurden, so können sie keine Gegengabe für das exenium gewesen sein. In dem letzteren erkennen wir Geschenke des Bräutigams an die Sippe der Braut, wie sie sich in manchen Hochzeitsgebräuchen bis heute erhalten haben, auch an das Hochzeitsmahl darf man denken. a 2,8 " Vgl. Anm. 214. Vgl. S. 285. ai * In der Urkunde von 966 wird ein Goldsolidus als arra für die Scheintrauung bezahlt. Altertümlicher sind die Formeln des Lib. Pap.: nach Formel zu Roth. 182 gibt der Bräutigam vor der Trauung einen Pelzmantel (crosna), nach der Expositio ein Pferd, je im Werthe von 20 Soi., pro mundio an den Verlober, empfängt aber das Gegebene sofort als Trauungssymbol, und zwar zu Eigentum, zurück und zahlt für diese Schenkung, also nicht unmittelbar für die Trauung, ein Launegild. Ganz entsprechend eine andere langobardische Formel (MG. Leg. IV. 605), ferner eine r ö m i s c h e Formel (ebd. 650) und die f r ä n k i s c h - i t a l i s c h e Formel des Cart. Lang. 16. In der Formel zu Roth. 195 gibt der Bräutigam ebenso Pelzmantel, Speer und Schild, empfangt aber nur den ersteren zurück, während die Waffen (offenbar als Launegild) dem Verlober verbleiben. Über die juristische Bedeutung dieser Vorgänge vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 39 f. V a l de Lièvre, i. d. Zeitschr. f. RG. XVII. 18. Amira, Obi. R. I. 509.

§ 35.

Das Privatrecht.

291

den nordischen Rechten bekannten Dualismus der Verlobung (ags. beweddung, altn. fastning, d. i. firmatio, fabula ßrmata) und Trauung (ags. und altschwed. gifta, altn. giptarord, d. i. Vergabungswort) überhaupt, sondern auch von Einzelheiten. So ist die Verwettung der Verlobung wenigstens für die Südgermanen durch das angelsächsische und alamannische Recht bezeugt 220 , und dem Launegild für die Trauung entsprach ebensowohl die vingiaf (Freundesgabe) und vielleicht auch das fißstningcefa (Ferlobungsgeld) des altschwedischen Rechts 221 , wie die arra (auch arrabo) von 1 Sol. 1 Den., die der salische Bräutigam an den Verlober zu entrichten hatte 222 . Wesentlich verschieden von dieser Leistung waren die dem salischen Recht eigentümlichen Abgaben bei der Wiederverheiratung einer Witwe, der Reipus und der Achasius223. Der letztere war eine der Witwe obliegende Abgabe an die Verwandten des ersten Mannes oder an den Richter, durch die sie sich für die zweite Ehe die Belassung des von jenem gegebenen Wittums erkaufen mußte 224 . Der Achasius bestand in einem Zehntel des Wittums, außerdem wurden demselben gewisse Gegenstände beigefügt, die ihrer Natur nach zu der Gerade gehörten, damit also den eventuell zu der Witwengerade berufenen weiblichen Verwandten der Frau entzogen wurden 225 . Es ist möglich, daß der rätselhafte Reipus, der in einem festen Betrage von 3 Sol. 1 Den. bestand, eine Entschädigung für diese Einbuße war, doch bleibt auch bei dieser Erklärung noch vieles im Dunkeln 226 . 220 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 49 ff. Aethelbirht 83. Ine 31. Alfred 18, 1—3. Poenitentiale Theodori II. c. 12, 34 (WASSERSCHLEBEN, Bußordnungen 216). Angelsächsische Verlobung (SCHMID, Gesetze d. Angels. 391, auch Gesch. d. ehel. Güterr. I. 181 und SOHM, Eheschi. 315). Die oft gedruckte schwäbische Verlobungsformel aus dem 12. Jh. (am besten bei MÖLLENHOFF u. SCHERER, Denkmäler, danach auch Gesch. d. ehel. Güterr. II. 1, 71) ki üpft an die sieben „Wetten" der Verlobung die Trauung, bei welcher wie bei den Langobarden mit der Braut auch Mantel, Hut und Schwert übergeben werden. 221 Für beide: LEHMANN, a. a. 0 . 6 7 ff., 7 1 ff. Nur für die erste Gabe: AMIRA, Obligationenrecht 318, 509, 522 ff., Gött. GA. 1882, S. 1609 f. 222 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 55 f. 223 Lex Salica 44. Erstes Zusatzkapitular c. 7 (BEHREND, Lex Salica S. 90). Die umfassende ältere Litteratur ist Gesch. d. ehel. Güterr. I. 5 6 — 6 3 aufgeführt. Von neueren Schriften ist hervorzuheben: SOHM, Eheschi. 63 f. AMIRA, Erbenfolge 30—36. DARGUN, Mutterrecht u. Raubehe 1 4 1 ff. WEINHOLD, Deutsche Frauen II. 4 2 .

LAMPRECHT, D e u t s c h e s W i r t s c h a f t s l e b e n I. 32 ff. 221

HEUSLER, I I . 307.

Vgl. Anm. 292, 294. RIVE, Vormundschaft I. 279f. SOHM, Eheschi. 64, Note 17. Die von mir früher entwickelte Auffassung des Achasius und des Reipus als symbolischer Muntschatz (Launegild, arra) läßt sich nicht aufrecht erhalten. 225 Vgl. Anm. 260. 226 Als Entschädigung für die Gerade wird der Reipus von P E T E R S , AMIRA und LAMPRECHT angesehen, während SOHM und DARGÜN ihn für eine Art poena secundarum- nuptiarum erklären. Für letztere Ansicht könnte nur die eigentümliche Anwendung des Scheinprozesses ins Gewicht fallen, sie bleibt aber mit der Reihenfolge der zum Reipus Berechtigten unvereinbar. Ganz befriedigend ist die Annahme einer Geradeentschädigung übrigens ebenfalls nicht, am wenigsten aber die Erklärung des Reipus aus einem symbolischen Muntschatz (Anm. 224). In Neustrien wurde der 19*

292

Die fränkische Zeit.

Über die rechtliche Natur der Verlobung und Trauung227 hat sich sich ein ziemlich unfruchtbarer Streit entsponnen, bei dem bald die Verlobung, bald die Trauung nicht zu ihrem vollen Recht kommt228. Allerdings umfaßte die Verlobung, wenigstens wie sie bei den Langobarden erscheint, schon alles Wesentliche des Eheschließungsaktes, aber doch noch durchaus unfertig, das Wittum gestundet, die Trauung nur als Scheintrauung, ihre Vollziehung ebenfalls gestundet, beides durch Wettbürgen obligatorisch sichergestellt. So konnte die Verlobung zunächst nur obligatorische Wirkung haben, denn den Bürgen konnte man nicht zur Heirat, sondern nur zu Geldzahlungen zwingen, gegen den Wettschuldner aber gab es keine Klage 229 . Der Vormund war dem Bräutigam zur Vollziehung der Trauung, der Bräutigam dem Vormunde zur Heimführung der Braut, und zwar nach langobardischem und westgothischem Rechte binnen zwei Jahren, verpflichtet230. Aber wer sich ohne gesetzlichen Grund dieser Pflicht entzog, wurde dem andern Teil bloß bußfällig wegen Verlöbnisbruch231, der Vertrag war damit aufgehoben, eine Klage auf Erfüllung gab es nicht. Nur die Braut, da sie nicht eigentliche Kontrahentin war (abgesehen von dem Ausnahmefall der sich selbst verlobenden Witwe nach einigen Rechten), konnte sich nicht einseitig zurückziehen, sie war dem Bräutigam Treue schuldig und wurde nach burgundischem, langobardischem und westgothischem Recht (aber nicht bei den übrigen Stämmen) im Falle geschlechtlichen Umganges mit Dritten gleich einer Reipus schon durch Ed. Chilper. c. 2 aufgehoben, nach Ludwigs Cap. legi Sal. addita v. 819 c. 8 (BOBETIUS 293) war er im 9. Jh. im Frankenreiche überhaupt nicht mehr bekannt. Nach der wiederholt angezogenen Formel des Cartul. Lang 16 CQualiter vidua Salicha desponsetur, nam de puella fit ut de ceterit) hat es den Anschein, als hätten gewisse mit dem Reipus zusammenhängende Gebräuche sich bei den in Italien ansässigen Franken bis ins 11. Jh. erhalten, doch könnte hier auch eine doktrinäre Studie auf Grund der L. Sal. 44 vorliegen. 227 Daß die Trauung erst durch die Vollziehung des Beilagers zum vollen Abschluß gelangte, ja daß ursprünglich wohl unmittelbar die Übergabe der Braut in das Ehebett erfolgen mußte, lernen wir erst aus den nordischen Rechten und den deutschen Rechtsquellen des Mittelalters, sowie aus dem kanonischen Recht. Vgl. S. 69. LEHMANN, a. a. 0. 80 ff., 87. AMIRA, a. a. 0. 540. Siehe auch Zeitschr. f. RG. XIX. 230. MEUBEB, Zeitschr. f. Kirchenrecht XXI. 232 ff. 148 Zu großes Gewicht auf die Verlobung legt insbesondere SOHM, Eheschi. 75—92; Trauung u. Verlobung 1—37. Andererseits wird die Verlobung gegenüber der Trauung unterschätzt von FBIEDBEBG, Verlobung u. Trauung 21, und STOBBE, a. a. 0 . 16, der die Verlobung für ein pactum de contrahendo erklärt. Die richtige A u f f a s s u n g b e i BKUNNER, E . LÖNING, HEUSLEB, AMIBA, G . MEYEB ( J e n . Lit.-Zeit. 1876,

S. 501 f.), neuerdings auch SOHM i. d. Straßburger Festgabe für THÖL 84, 98, Note 27. s " Vgl. S. 278 ff. Ed. Roth. 178. Liutpr. 119. L. Wis. III. 1, 4. Vgl. auch Greg. Tur., Hist. Franc. III. 27. VI. 34. Prokop, Bell. Goth. IV. 20. *" Vgl. u. a. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 12 ff. R. LÖNING, Vertragsbruch 142—153. In der Regel bestand die Buße, wenn keine besondere Konventionalstrafe beredet war, für den Bräutigam in dem Verlust des Wittums (hatte er die Braut noch besonders verletzt, so kam dieser unter Umständen ebenfalls eine Buße zu), für den Vormund in der Rückerstattung des Wittums mit poena dupli.

§ 35.

Das Privatrecht.

293

232

Ehebrecherin gestraft . Wurde sie mit oder ohne ihren Willen durch einen Dritten entführt oder vorenthalten, so hatte der Bräutigam ebenso wie der Vormund eine Klage gegen diesen; handelte der Dritte aber im Einverständnis mit dem Vormunde, so war der Bräutigam auf die Verfolgung des letzteren wegen Verlöbnisbruches beschränkt. Die Verlobung hatte also nur eine Wirkung nach innen, gegenüber den beiden Kontrahenten und der Braut, nicht aber gegen Dritte 233. Aber trotzdem war die Verlobung mehr als ein bloß obligatorischer Akt, mehr als eine bloße causa traditionis. Die Ehe wurde zwar erst durch die Trauung perfekt 234 , die kein bloßer Vollzugsakt (wie das Beilager), sondern ein solennes Rechtsgeschäft war, aber die Trauung wirkte nur unter der Voraussetzung einer (früher oder unmittelbar) voraufgegangenen Verlobung 236 . Wo daher eine geschlechtliche Verbindung ohne Verlobung bestand, mußte dieselbe, um das Verhältnis zu einer wahren Ehe zu gestalten, nachgeholt werden 238 . Ob es in solchem Falle auch der Trauung bedurfte, läßt sich aus den Quellen nicht feststellen 237. So lange das Versäumte nicht nachgeholt war, hatte, abgesehen von der dem Entführer drohenden Strafe und einer etwaigen Muntbrüche, der Vormund und, wenn die Frau anderweitig verlobt war, auch der Bräutigam das Rückforderungsrecht. Der Mann hatte, auch wenn das Paar sich zu dauernder ehelicher Verbindung geeinigt hatte, weder die Munt über seine Genossin, noch über die mit ihr erzeugten Kinder, die Munt über dieselben verblieb dem Vormunde der Frau, dem diese durch eine ohne seine Mitwirkung eingegangene Ehe weder sich noch die Kinder entziehen konnte 238 . Gleichwohl wurden die in Rede stehenden Verbindungen, wenn sie auf eine wirkliche dauernde Lebensgemeinschaft gerichtet waren, nach verschiedenen Stammesrechten, die darin zweifellos einen Rest der in der Urzeit neben der Muntehe anerkannten Raubehe bewahrt hatten, nicht als ein zeitweiliger Konkubinat, sondern als eine Kebsehe (span. barraffania) behandelt, die den Gatten gegen einander dieselben Pflichten wie bei der vollen Ehe auferlegte, im Verhältnis zu Dritten, mit Ausnahme des Muntwalts der Frau, denselben Schutz wie eine wahre Ehe genoß, endlich den Kindern gewisse erbrechtliche und verwandtschaftliche Ansprüche

232

Vgl. Ed. Roth. 179. L. Burg. 52, 3. L. Wis. III. 1, 2. Dies ist gegen Sohm und zum Teil auch gegen Lehmann, a. a. 0 . 106 ff., namentlich von Bkunner, Löning und Amira überzeugend dargethan. Auch meine frühere Auffassung, Gesch. d. ehel. Güterr. I. 10, ist danach zu berichtigen. 234 Vgl. Ed. Roth. 183 (De traditione f uellae aut mulierisj: aliter sine tra* ditione nulla rerum dicimus suhsistere firmitatem. Anspielung auf ein Rechtssprichwort? 235 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 8 f. 23< Vgl. Anm. 288. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 9, Anm. 43. Roziebe, Recueil des formules Nr. 130, 211 ff., 261. 237 Manche Ausdrücke (wie in coniugem duxit) scheinen allerdings eine Heimführung und damit eine Trauung anzudeuten. 238 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 10. 233

294

Die fränkische Zeit.

auch gegen den Vater und die väterliche Sippe gewährte239. Man darf annehmen, daß diese Kebsehe die unmittelbare Vorgängerin der späteren morganatischen Ehe gewesen ist, bei der die Frau zwar kein Wittum, aber doch eine Morgengabe (morganatica) erhielt 240 . Eine Kebsehe war es auch, wenn ein Freier sich seine Sklavin als Gattin beigesellte, doch konnte dies Verhältnis von seiner Seite jederzeit willkürlich gelöst werden. Eine freie Frau durfte ein solches Verhältnis mit ihrem Eigenmanne bei Todesstrafe nicht eingehen. Dagegen war es freien Personen beider Geschlechter gestattet, eine vollwirksame Ehe mit Unfreien fremder Herren einzugehen, wenn der Herr damit einverstanden war; handelte es sich um eine unfreie Frau, so mußte ihr Herr die Trauung vornehmen. Eine solche Ehe hatte für den freien Teil den Übergang in die Unfreiheit zur Folge, wenn ihm nicht, was bei Ehen mit Fiskalinen und Gotteshausleuten die Regel bildete, durch Vertrag (die Verbriefung hieß epistola conculcatoria) die Freiheit zugesichert wurde. Bei Ehen mit Fiskalinen wurde im Frankenreiche seit dem -7. Jahrhundert die persönliche Freiheit des anderen Teils nicht mehr beeinträchtigt, dagegen folgten die Kinder regelmäßig der ärgeren Hand. Ehen zwischen Unfreien waren, wenn der Herr die Trauung vollzogen hatte, giltig, konnten aber durch Veräußerung des einen Ehegatten seitens des Herrn jederzeit gelöst werden241. Bei Heiraten zwischen Hörigen und Unfreien galten entsprechende Grundsätze, ebenso im wesentlichen auch zwischen Freien und Hörigen. Dagegen bestand ein Ehehindernis der Standesverschiedenheit zwischen Freien und Edelingen im allgemeinen nicht, nur die Sachsen, bei denen S39 ygj g_ gg

Daroun, a. a. O. 23 ff. Ficker, Über nähere Verwandtschaft

zwischen gothisch-spanischem und norwegisch-isländischem Recht (Mitteilungen d. Inst. f. österr. Gesch.-Forsch., Erg.-Band II.) 479—500. Eosin, Formvorschriften f. d. Veräußerungsgeschäfte der Frauen nach langob. Recht (Giebke, Untersuchungen VIII.) 48ff. W i l d a , Von den unechten Kindern, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht XV. 237 ff. K. Maubeb, Von den unecht geborenen Kindern, Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1883, S. 3 ff. Dahn, Bausteine VI. 164 f. Weinhold, Deutsche Frauen II. 15 ff. Die Kebsehe kommt im nordgermanischen, westgothischen, langobardischen und friesischen Recht vor. Fickeb, a. a. O., hat sich das große Verdienst erworben, aus spanischen Fueros das wahre westgothische Volksrecht, das in der Lex Wisigothorum ganz zurücktritt, hinsichtlich der Barragariie festgestellt und hier wie in anderen Beziehungen die Verwandtschaft des Westgothenrechts mit dem der Nordgermanen, zumal der Norweger, klargelegt zu haben. Nur darin, daß er auch das langobardische und friesische Recht der ostgermanischen Gruppe zuzählen will, kann ich ihm nicht beistimmen, da es sich lediglich um Reste des gemeingermanischen Rechts handelt, die hier entschiedener als bei anderen westgermanischen Stämmen bewahrt sind. Vgl. Anm. 157 a. 240 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 112. Andere Belege für diese Bedeutung des Wortes: Fickeb, Forsch, z. RG. Italiens IV. 39, Nr. 29 (976). Lang, Regesta rer. Boic. IV. 495. S c h n e l l e r , Bayer. WB. II. 616 (2. Aufl. I. 1648). 241 Uber alles Vorstehende vgl. Köhne, Geschlechtsverbindungen der Unfreien im fränkischen Recht (Giebke, Untersuchungen X X I I ) .

§ 35.

Das Privatrecht.

295

der Adel überhaupt in einer sonst nicht bezeugten Weise über die Freien emporragte, machten eine Ausnahme 242 . Das Ehehindernis der Verwandtschaft hat sich so vorwiegend unter dem Einfluß der Kirche ausgebildet, daß von einer näheren Erörterung hier abgesehen werden kann 243 . Das Recht der Ehescheidung 244 hatte ursprünglich nur der Mann. Erlaubt war diesem die Verstoßung der Frau zwar nur aus bestimmten gesetzlichen Gründen, aber auch die unerlaubte Scheidung löste das Eheband und war nur mit vermögensrechtlichen Nachteilen für den Mann verbunden. Der Frau wurde erst allmählich unter dem Einflüsse des römischen Rechts die Befugnis, sich unter bestimmten Voraussetzungen von dem Manne loszusagen, zugestanden. Der Normalfall der Ehescheidung war die Trennung der Ehegatten durch Übereinkunft. Die Wiederverheiratung Geschiedener wurde anfangs von der Kirche bekämpft; später hat diese den Widerstand gegen das weltliche Recht aufgegeben, in der karolingischen Zeit ihn aber wieder aufgenommen. Das eheliche Güterrecht 245 beruhte im allgemeinen auf dem System der Verwaltungsgemeinschaft 246 , indem der Mann das Vermögen der Frau kraft seiner Munt in Besitz nahm, um es gemeinschaftlich mit dem seinigen für die Zwecke der Ehe zu verwalten 247 . Es fand weder eine Verschmelzung des beiderseitigen Vermögens zu einer einheitlichen Masse, wie bei der späteren allgemeinen Gütergemeinschaft, noch eine Aufsaugung des Frauen242

241

V g l . WAITZ I 3 . 194.

243

V g l . LÖNING, K i r c h e n r e c h t d e r M e r o w i n g e r 5 4 6 ff.

Über das Folgende vgl. LÖNING, a. a. 0 . 612 ff. WEINHOLD, Deutsche Frauen II. 43 ff. HEUSLEB, II. 291. Geschichte des ehel. Güterrechts I. 174 ff. 245 Vgl. meine Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, I. Teil. Die Zeit der Volksrechte, 1863. Die überaus reichhaltige ältere Litteratur ist daselbst vollständig angegeben. Von neueren Arbeiten sind namentlich anzuführen: HEUSLEB, I I . 292 ff. STOBBE, Privatrecht IV. 67 ff. YOUNG, i. d. Essays in anglosaxon law 172ff. OLIVECBONA, Om makars giftorätt i bo, 4. Aufl. 1876 (eine frühere französische Bearbeitung des historischen Teils dieses Werkes u. d. T. Précis historique de l'origine et du développement de la communauté des biens entre époux, i. d. Revue hist. de droit fran$. et étranger 1865). SANDHAAS, Fränkisches ehel. Güterrecht (1866), 45—122. HUBEB, Die historische Grundlage des ehel. Güterrechts der Berner Hand, feste (Basel 1884) S. 1 5 - 3 8 . PEBTILE, Storia del dir. ital. III. 271 ff. DAHN, Westgoth. Studien 116 f., 123 ff. WEINHOLD, a. a. O. II. 28ff. RIMASSON, Essai historique sur la législation du douaire dans le droit germanique, Revue de législation, 1870. 246 Die Bezeichnung „Verwaltungsgemeinschaft" bedeutet die objektive Gemeinschaft der Verwaltung, nicht, wie die Gegner jenes Ausdruckes annehmen, subjektiv gemeinschaftliche Verwaltung. Die Gemeinschaft der Verwaltung bildet einen logischen Gegensatz zu der Gemeinschaft der Güter oder des Vermögens; jene läßt den ursprünglichen Güterstand fortbestehen, während die Gütergemeinschaft jedes Sondergut aufhebt. 247 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 126. L . B u r g . 100: Quaecumgue mulier Burgundia vel Romana volúntate sua ad maritum ambulaverit, iubemus, ut maritus ipse facúltate ipsius mulieris, sicut in ea habet potestatem, ita et de res suas habeat. Die Ausdehnung auf die burgundischen Ehefrauen römischer Herkunft erklärt sich aus dem Eintritt der F r a u in das Recht des Mannes.

296

Die fränkische Zeit.

gutes durch das des Mannes, wie in der altrömischen Ehe mit manus, statt, vielmehr blieben die ursprünglichen Güterstände, soweit sie nicht durch Eheverträge eine Abänderung erfahren hatten, gewahrt und nach Auflösung der Ehe gingen die beiderseitigen Vermögensmassen nach der ursprünglichen Zuständigkeit wieder auseinander248. Nur hatte die Frau bei einigen Stämmen eine Quote an dem Vermögen des Mannes oder doch an der ehelichen Errungenschaft zu beanspruchen, während andererseits bei den Langobarden ein Universalerbrecht des Mannes gegen seine Frau bestand. Das Vermögen der Frau setzte sich aus ihrem Ehegute und dem, was sie von dem Manne erhielt, zusammen. Die Aussteuer, die der Braut von ihrem Muntwalt bei der Trauung mitgegeben zu werden pflegte849, bestand ursprünglich nur aus Hausratsgegenständen und der fraulichen Ausrüstung an Kleidungsstücken und Schmuck. Der späteren sächsischen Bezeichnung dieses Vermögenskomplexes mit gerade entsprach thüringisch rhedo, burgundisch malakareda, vielleicht auch ein alamannisches heredi260, während die Langobarden 248 Während in dieser Beziehung bis vor kurzem allgemeine Übereinstimmung herrschte, hat neuerdings HUBEB in seiner sonst sehr verdienstvollen Schrift (Anm. 245) eine völlig abweichende Auffassung entwickelt, der sich HEUSLER anschließt. Hiernach soll das Vermögen der Frau mit Ausnahme der Gerade in das ausschließlich dem Manne unterstellte Hausvermögen aufgegangen und insoweit Eigentum des Mannes geworden sein. Schon die zugestandene Ausnahme enthält die Widerlegung, denn da das eingebrachte Vermögen der Frau, so lange sie noch keinen Grundbesitz haben konnte, regelmäßig nur aus Geradesachen bestand, so folgt aus jener vermeintlichen Ausnahme ganz klar, daß die Frau Eigentümerin ihres Vermögens blieb. Die positive Begründung stützt sich ausschließlich auf die Lex Burg., besonders 14, 4: Similiter quod mulier ad maritum veniens erogaverit, defuncto sine filiis marito mulier aut parenfes mulieris non requirant. Das soll bedeuten, daß das Eingebrachte der Frau (soweit es nicht Gerade war) bei Auflösung der Ehe weder von ihr, noch von ihren Erben zurückgefordert werden dürfe. Allein erogare heißt nicht einbringen, sondern ausgeben, aufwenden, verschenken, vermachen, — es handelt sich um die von der Frau bei Eingehung der Ehe und wohl auch während der Ehe getroffenen Verfügungen über ihr Vermögen, Verfügungen zu gunsten des Mannes wie zu anderen Zwecken, die Bestimmung hat also eine ähnliche Bedeutung wie L. Burg. 51, 4, L. Eib. 37, 3, L. Alam. 55, 2. Eine unmittelbare Widerlegung der Hausvermögenstheorie enthalten L. Burg. 14, 1 (Anm. 268), 74, 1 (Anm. 266) und 96 (Anm. 323). 249 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 116—125, 127, 144, 173, 175 f. 250 L. Angl, et Wer. 38: ornamenta muliebria quod rhedo dicunt. L. Burg. 86: De mala hareda. L. Alam. 55: quidquid de sede paternica secum adtulit, dafür in einer Variante (MG. Leg. III. 104): quidquid de lieredi paternicam secum adtulit. Das nach BLUHME ebenfalls hierher zu rechnende chane ereudo in der Überschrift des II. Kapitulars zur L. Salica, c. 2 (BEHREND, Lex Salica S. 93) würde nur in Betracht kommen können, wenn eine Lesart chreudo oder hreudo nachweisbar wäre. Über die sprachliche Bedeutung vgl. GRIMM, RA. 567, der auf rät = supellex verweist, und WACKEBNAGEL, Kl. Schriften III. 357, 362 (bei BINDING, Burg.-roman. Königreich 351, 356), der auf altn. reiSa Zurichtung (ahd. raita, fränk. raida) Bezug nimmt und malahareda mit Vermählungszurüstung erklärt. Vgl. HOMEYER, Über die Heimat, Abh. d. Berl. Akad. 1852, S. 52, Note 44.

§ 35.

Das Privatrecht.

297

dafür den Ausdruck scherpha, scerfa, der aber überhaupt bewegliche Sachen bedeutete, verwendeten 251 . Als lateinische Bezeichnung begegnet besonders ornamenta, orn. muliebria, orn. matronalia. Die aus dem Sachsenspiegel bekannte Behandlung der Gerade als wandelbarer Yermögensinbegriff, wobei nur auf die Xatur der einzelnen Gegenstände, nicht aber gerade darauf gesehen wurde, daß die Frau sie mitgebracht hatte, war den einfacheren Verhältnissen der Volksrechte noch unbekannt, nur die Alamannen scheinen wenigstens das Bettzeug schon in der Weise des späteren Rechts behandelt zu haben 262 . Daß der Muntwalt verpflichtet war, der Braut überhaupt eine Gerade mitzugeben, dürfte schon aus der Notwendigkeit der „Gabe" bei allen Emanzipationsakten folgen 253. Dagegen lag es, soweit die Braut nicht schon eigenes Vermögen besaß, in seinem Belieben, wieviel er geben wollte254, nur bei den Burgundern bestand für den Muntwalt, wenn er nicht Tater oder Bruder der Braut war, die gesetzliche Verpflichtung; ein Drittel des vom Bräutigam empfangenen Wittums auf die malahareda zu verwenden 255 . Mit dem Charakter einer im wesentlichen freiwilligen Gabe mag es zusammenhängen, daß die Gerade nicht als Erbabfindung behandelt, sondern der Empfängerin bei der Beerbung des Muntwalts als Voraus belassen wurde 266. Auch das gehörte zum Wesen der Gerade, daß sie der Munt des Mannes nicht mit der gleichen Strenge wie das übrige Ehegut unterworfen sein konnte 257. Beim Tode vererbte sich die Gerade bei mehreren Stämmen mit Ausschluß der Söhne auf die Töchter und, wenn diese fehlten, auf die nächste weibliche Verwandte von der Spindelseite 258, während umgekehrt die Kriegsrüstung (das Heergewäte) 261 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 117. Urk. v. 774 bei LUPO, Cod. dipl. Berg. I. 529: Mobiiibus vero rebus meis, h. e. scherpha mea, aurum et argentum, simul et vestes et cavalli. 262 Vgl. Pact. Alam. III. 2. v. MARTITZ, Ehel. Güterr. d. Sachsensp. 96 f. 253 Vgl. S. 64. 254 In dieser Weise ist die Streitfrage über die Dotationspfiicht des Muntwalts wohl zu entscheiden. 255 Ii. Burg. 86, 2 in Verbindung mit L. Burg. 66. 280 Vgl. L. Burg. 86, 1. Capit. II. ad L. Sal., c. 2 (BEHREND, L. Sal., S. 93). L. Eib. 59, 9. Form. Wisig. 34. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverf. 345. Die Quellen beziehen sich teils nur auf die Gerade, teils gleichzeitig auf die Aussteuer des Sohnes bei der Emanzipation, teils nur auf die letztere. Die Grundsätze waren bei beiden dieselben. 247 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 127. Die fränkischen Königinnen Radegundis und Fredegundis verfügten einseitig über ihre Kleider und Schmucksachen. Vgl. Ven. Fortun., Vita S. Radegundis c. 13 (MG. Auct. antiqu. IV. 2, 41). Greg. Tur., Hist. Franc. VI, 45. Vgl. auch L. Burg. 51, 4. !s8 L. Burg. 51, 3, 5. 14, 6. L. Angl, et Wer. 32 (Anm. 268). Für das sächsische Recht ist das Geraderecht des Mittelalters beweisend. Daß das fränkische Recht den gleichen Grundsätzen folgte, wird durch das im 1. Viertel des 11. Jh. abgefaßte Hofund Dienstrecht des Bischofs Burchard von Worms c. 10 bezeugt, ebenso, wie es scheint, durch L. Chamav. 42. Vgl. GAUPP, Lex Chamavorum S. 81 f. Die entgegenstehende Auslegung von AMIRA, Erbenfolge 44, ist höchst unwahrscheinlich. Vielleicht steht auch die Reihenfolge der zum Reipus berechtigten Personen nach

298

Die fränkische Zeit.

des Mannes den Söhnen oder dem nächsten Schwertmagen vorbehalten blieb2®9. Bei einigen Stämmen hatte der Mann, wenn die Frau vor ihm starb oder die Ehe durch Übereinkunft der Gatten gelöst wurde, die für ihn unentbehrlichsten Hausratsgegenstände aus der Gerade für sich zu beanspruchen 260 . Bei den Langobarden ging, der entwickelteren Kulturstufe Italiens entsprechend, die Aussteuer schon im 7. Jahrhundert erheblich über den Begriff der Gerade hinaus. Die Aussteuer, die hier faderßo, zuweilen auch dos genannt wurde 261 , pflegte außer der Gerade auch Geld und unbewegliche Sachen zum Gegenstande zu haben. Sie galt als Erbabfindung, die entweder ganz von der Erbschaft ausschloß oder auf dieselbe angerechnet wurde, und folgte, wenn die Frau starb, den gewöhnlichen Grundsätzen des Erbrechts 262 . Denselben Charakter trug die Aussteuer nach der Lex Wisigothorum 263 und urkundliche Zeugnisse der karolingischen Zeit beweisen, daß auch andere Stämme sich dieser Entwickelung auf die Dauer nicht haben entziehen können 264 . Nach sämtlichen * Volksrechten umfaßte das im Eigentume der Frau, aber in Besitz und Verwaltung des Mannes befindliche Ehegut außer der eigentlichen Aussteuer auch ihr sonstiges eingebrachtes Vermögen 285 und alles, was sie während der Ehe durch Erbschaft hinzuerwarb266. Im alliier Lex Salica mit der für die Gerade geltenden Erbfolgeordnung in Beziehung. Vgl. S. 291. Vgl. L. Angl, et Wer. 3). 860 Nach Cap. I. ad. L. Sal. c. 8 § 2 (BEHREND, S. 91) erhielt der wiederheiratende Mann, wenn keine Kinder vorhanden waren, von den proximiores mulieris 2 Bettdecken, 2 bedeckte Bänke und 2 Stühle; ungefähr dieselbe Abgabe (lectum Stratum, et lectaria condigna et scarnno cooperto et cathedras, quae de casa patris mei exhibui) hatte die kinderlose Witwe, welche zur zweiten Ehe schritt, an die Erben ihres ersten Mannes zu entrichten. Vgl. Anm. 294. Eine ähnliche Abgabe von der Witwengerade war der Heerpfühl des sächsischen Rechts, Ssp. I. 22, 4. Bei vertragsmäßiger Ehescheidung erhielt nach Pact. Alam. III. 2 jeder Gatte die Hälfte des Bettzeuges. 861 Über die sprachliche Bedeutung von faderßo (Vatervieh, Vatergut) vgl. §. 40 Anm. 2. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 118 Note 10. Das angebliche ags. faederingfeoh ist quellenmäßig nicht zu belegen. Nach W A C K E R N A G E L , i. d. Zeitschr. f. deutsch. Alt. II. 557 f. wäre fio und feudum nicht auf feoh (pecus), sondern auf goth. thiuth (Gut), dem ein fränkisches fiuf entsprechen würde, zurückzuführen. Über metfio vgl. Anm. 284. 262 Vgl. Ed. Roth. 181, 199. Liutpr. 3, 102. 283 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 124. DAHN, Westg. Stud. 124. Über das ältere gothische Recht vgl. Anm. 256 und hinsichtlich der Ostgothen Gesch. d. ehel. Güterr. I. 123 f. 261 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 120 N. 3. 122 N. 10. Form. Marc. II. 10. 265 L. Alam. 55, 2: quidquid de sede paternica secum adtulit. L. Baiw. 8, 14: quiequid illa de rebus parentorum ibi adduxit. 15, 8: si habet proprias res. 15, 10 eo quod proprium habet. 269 Nach L. Burg. 74, 1 sollte die gesetzliche Leibzucht der Witwe an einem Drittel des Nachlasses ihres Mannes in Zukunft nur noch der a r m e n Witwe, die weder von ihren Eltern noch von ihrem Manne ausreichende Versorgung erhalten

§ 35.

Das Privatrecht.

299

g e m e i n e n galt dies auch von Schenkungen an die F r a u , nur bei d e n Langobarden wurden dieselben E i g e n t u m des Mannes, weil ihre L a u n e gildstheorie die strenge A u f f a s s u n g der S c h e n k u n g als eines onerosen E r werbsgeschäftes festhielt und daher den Mann, der das Launegild zahlte, auch als den Erwerber behandelte 2 6 7 . Während die Gerade vielfach n u r auf die weiblichen Verwandten der F r a u vererbt wurde, konnte die noch m i t sonstigem Ehegute ausgestattete F r a u auch den S ö h n e n und anderen von der Gerade ausgeschlossenen Verwandten V e r m ö g e n hinterlassen 2 6 8 D e m überlebenden Manne stand nur bei den Langobarden ein das ganze V e r m ö g e n der Frau ergreifendes, selbst die Kinder ausschließendes Erbrecht zu 269 , nach den übrigen Stammesrechten konnte er nur entweder durch ausdrückliche V e r f ü g u n g der F r a u 2 7 0 , oder durch Beerbung der Kinder, n a c h d e m diese zuvor Erben der Mutter geworden waren, E i g e n t u m an d e m E h e g u t e der verstorbenen Frau erlangen 2 7 1 . Außer dem Ehegute u m f a ß t e das Vermögen der Frau auch gewisse hatte, zugestanden werden: Quapropter iubemus, ut illa iantum vidua hanc — — hereditatis mariti accipiat quantitatem, quae jpalris aut matris non habuerint facultatem, aut si ei maritus suus aliquam, de qua vivere possit, successionis suae non donaverit quantitatem. Die Gleichstellung der Versorgung aus dem elterlichen Vermögen mit der Versorgung durch den verstorbenen Mann schließt die Annahme von H U B E R , a. a. 0. 26, daß unsere Stelle nur von dem Erbanfalle im Witwenstando handle, unbedingt aus. 267 Über die Auslegung von Ed. Roth. 184 vgl. Anm. 216. Die Erklärung von YAL DE Life VRE, Zeitschr. f. RG. XVII. 36 f., kann unmöglich befriedigen. 26s y g ] L g u r g 1 4 ; 1 7 4 ; j (Anm. 266). L.Angl, et Wer. 32: Mater moriens filio terram, maneipia, pecuniam dimittat, filiae vero spolia colli, id est murenulas, nuscas, monilia, inaures, vestes, armillas, vel quidquid ornamenti proprii videbatur habuisse. 33: Si nec filium nec flliarn habuerit, sororem vero hdbuerit, sorori pecuniam et maneipia, proximo vero paterni generis terram relinquat. Wenn H E D S L E R , II. 298 f., um die Theorie vom Hausvennögen zu retten, die erste Hälfte des c. 32 nicht auf den von der Mutter als Eigentümerin hinterlassenen Grundbesitz, sondern auf den durch ihren Tod beendigten Beisitz auf dem Besitztum des Mannes bezogen wissen will, so wird diese Auffassung sofort durch c. 33 widerlegt. Die Annahme, daß eine Thüringeriu keinen Grundbesitz hätte erwerben können, ist ungerechtfertigt, da dem Erwerbe durch Kauf oder Schenkung nichts im Wege stand und der Erwerb durch Erbschaft zwar durch die ausgedehnte Bevorzugung der Schwertmagen sehr erschwert, aber keineswegs ausgeschlossen war. 269 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 167. 2,0 Vgl. ebd. 139 N. 12. 159 N. 9. Form. Andec. 41 (40). Form. Marc. II. 7. 17. Form. Merkel. 16. Form. St. Araandi s. Lindenbrog. 13 ( Z E U M E R 275). Form. Aug., coli. B. Nr. 4 (ZEUMER 350). L. Rib. 48. 271 Vgl. L. Alam. 95: Si quis mulier, qui hereditatem suam paternicam habet, post nuptum et prignans peperit puerum, et ipsa de partu mortua fuerit, et infans vivus remanserit tantum spacium, ut vel unius Aorae possit aperire oculos et videre culmea domus et quatuor parietes, et postea defuncius fuerit: hereditas materna ad patrem eius perteneatur. Die gezwungene Auslegung dieser Bestimmung bei H U B E R , a. a. 0. 27, bedarf kaum der Widerlegung. Ein praktisches Beispiel aus dem Gebiete des salischen Rechts bei G U £ R A R D , Cartulaire de St. Bertin S . 3 8 , Nr. 1 8 (704j, denn auch nach salischem Recht erbten die Kinder und nicht der Vater die res uxoris. Vgl. Anm. 291.

300

Die fränkische Zeit.

regelmäßige Zuwendungen des Mannes, die Morgengabe und das Wittum, von denen aber ursprünglich nur die erstere in Betracht kam, da das Wittum, so lange die Strenge des alten Brautkaufes aufrechterhalten blieb, ausschließlich dem Vormunde der Braut zufiel. Wir haben oben (S. 68) die Vermutung ausgesprochen, daß die altgermanische Form der Morgengabe in der taciteischen dos (Germania c. 18) zu suchen sei und daß ihre ursprüngliche Bedeutung derjenigen der Adoptionsgabe entsprochen habe 272 . Die altgermanische Dos bestand aus Rindern, Waffen und einem aufgezäumten Rosse; zeitgemäß verändert erkennen wir sie wieder in der Morgengabe, die der westgothische Adel nach altem Brauche (ordinis vi Getici est et morgingeba vetusti) noch im Anfange des siebenten Jahrhunderts neben einem das halbe Vermögen des Bräutigams umfassenden Wittum (dos) im Ehevertrage zu versprechen pflegte 273 . Dieselbe umfaßte zehn Knechte mit ebenso vielen Pferden, zehn Mägde mit ebenso vielen Mäulern und außerdem Waffen (arma). Seit ein Gesetz Chindasuinths von 645 das Maximum des Wittums auf ein Zehntel von dem Vermögen des Bräutigams festgesetzt hatte, blieb die frühere Morgengabe als ein dem Adel gestatteter Zuschlag zu dem gesetzlichen Maximalbetrage des Wittums auch ferner in Übung, nur daß an die Stelle der Waffen, deren Bedeutung man nicht mehr verstand, andere Gegenstände bis zu einem bestimmten Betrage (in ornamenti? quantum mitte soüdorum valere summam constiterit) traten 2 7 4 . Die taciteische Ehegabe hatte nicht sowohl eine Versorgung der Frau bezweckt, als vielmehr eine symbolische Bedeutung gehabt, ja geradezu einen Teil derSolennitäten des Eheschließungsaktes gebildet. Solange diealtgothische Morgengabe an den Waffen festhielt, blieb der ursprüngliche Zusammenhang noch einigermaßen gewahrt. Seit neben Eigenleuten, Pferden und Mäulern nicht mehr arma, sondern ornamenta gegeben wurden, war die Morgengabe zu einer reinen Witwenversorgung geworden, und da sie sich in dieser Beziehung mit dem Wittum begegnete, so verschmolz sie, wenigstens soweit sie aus unbeweglichen Sachen bestand, vollständig mit diesem 275 272

Über die Morgengabe vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 84—112. 154 ff., 172f,, 175f. Form. Wisig. 20 (ZEUMER 583). Gesch. d. ehel. Güterr. I. 107. Das Wort hat gothisch maurgingiba oder maurginagiba gelautet, ist also in der Formel im wesentlichen richtig und nicht, wie DAHN, Westg. Studien 118 annimmt, in fränkischer Form wiedergegeben. 274 L. Wis. III. 1, 5. Im praktischen Leben wurde die von Chindasuinth gezogene Grenze später nicht mehr beobachtet. Eine cartula doiis von 887 (HELFFERICH, Entstehung des Westgothenrechts 255. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 108) zählt auf: ein Zehntel vom Vermögen des Mannes, 10 Knechte, 10 Mägde, 20 Pferde oder Mäuler. 273

mehrere Viehheerden, 400 Sol. in ornamento etvestimento und 30 Höfe (villae). 475

Über das westgothische Wittum (dos, pretium), das noch nicht allen Zusammenhang mit seinem ursprünglichen Charakter als Kaufpreis abgestreift hatte, vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 70 ff., 153 f., 172. Das Wittum galt als Eigentum der Frau, fiel aber, soweit sie nicht unter Lebenden darüber verfügt hatte, an den Mann, die Kinder oder sonstigen nächsten Verwandten des Mannes zurück. Seit Chindasuinth durfte die Frau bei beerbter Ehe nur noch über '/i verfugen, 3/4 waren den Kindern verfangen.

§ 35.

Das Privatrecht.

301

und behauptete nur als Mobiliargabe (die camera cerrada der Portugiesen) eine gewisse Selbständigkeit 275 ". Bei den meisten übrigen südgermanischen Stämmen wurde die Waffengabe als eine der Eheschließungssolennitäten festgehalten (S. 289 ff.), aber nicht mehr mit der Morgengabe in Verbindung gebracht; die alte einheitliche Ehegabe hatte sich in zwei Gaben aufgelöst: die der Perfektion der Ehe dienende Waffen- und die der Versorgung der Frau bestimmte Morgengabe 276 . Es war natürlich, daß die letztere sich ganz besonders da, wo die Frau kein Wittum erhielt, also in der Kebs- oder morganatischen Ehe (S. 294) und bei den am Brautkaufe länger festhaltenden Stämmen, zu einer materiell bedeutenden Zuwendung gestalten mußte, deren Vereinbarung zu einem wesentlichen Punkte bei den Eheberedungen wurde. Wenn die burgundische morginegiba (dos, donatio nuptialis) bei beerbter Ehe den Kindern, deren Vater sie gegeben hatte, verfangen blieb, bei unbeerbter Ehe aber nach dem Tode der Frau wenigstens zur Hälfte hinterfällig wurde 277 , so muß es sich um eine bedeutende, vornehmlich das Immobiliarvermögen berührende Gabe gehandelt haben. Dasselbe ist von der Morgengabe (dos) der Lex Saxonum anzunehmen 278. Bei kinderloser Ehe war dieselbe stets hinterfällig; sie kehrte zurück an den Mann, wenn die Frau vor ihm starb, und fiel an die Erben desselben, wenn das der Witwe an der Morgengabe zustehende Leibzuchtsrecht durch ihren Tod beendigt wurde. Bei beerbter Ehe bestand ein für die Folgezeit entscheidend gewordener Gegensatz zwischen dem westfälischen Rechte und dem der übrigen Sachsen 279 . Bei den letzteren war die Morgengabe den Kindern verfangen und wurde durch Vorabsterben sämtlicher Kinder Eigentum der Frau kraft Erbrechts, bei den Westfalen dagegen bewirkte die Geburt eines Kindes den Untergang der Morgengabe, statt deren die Frau den Anspruch auf die Hälfte der ehelichen Errungenschaft erhielt 280 . 275A Vgl. JORDAO, Le morgengabe portugais, Revue hist. de droit franj. et etr. V. 114 ff. 276 Ähnlich mag die nordische Morgengabe (altschw. morghongisef) aus einer Abzweigung von dem mundr entstanden sein. Vgl. K. MAÜAEE, Krit. Vierteljahrsschr. X. 392. K. LEHMANN, Verlobung u. Hochzeit 58 ff. v. AMIRA, Obl. Recht 518 ff. 2.7 Vgl. L. Burg. 24, 1. 2. 42, 2. 62, 2. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 104 f. Durch Wiederverheiratung ging die Morgengabe nicht verloren. Über die verschiedenen handschriftlichen Formen des Wortes vgl. WACKERNAGEL, KL. Sehr. III. 405 (bei BINDING, Burg, roman. Königreich 394). 2.8 Vgl. L. Sax. 47 f. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 98 ff. II. 3, 110 ff., 119 ff., 332 f. 278 Die Lex Saxonum stellt den Westfalen zwar nur die Engern und Ostfalen gegenüber, aus den späteren Quellen ergibt sich aber, daß auch die Nordsachsen zu der zweiten Gruppe gehörten. Vgl. übrigens L. Sax. 66. Widukind, Res gestae Saxonicae I. 14. 2S0 Ganz ähnlich das mittlere livländische Ritterrecht c. 54: Heft ön erst ein frouwe ein kind, dat se betügen möge sülf drüdde, dat id de veer wende beschriet, wenn id to der werlt kurnpt, so is alle murgengave dod, unde se besittet eres mannes dele des gudes unde betalet sine schult unde vördert sine schult unde schaffet denste erern heren van erem gude. Vgl. ERDMANN, Güterr. d. Eheg. n. d. Provinz. Recht Liv-, Ehst- und Curlands 172.

302

Die fränkische Zeit.

Auch die morgengißi (dos) der Angelsachsen 281 war vor allem eine Witwenversorgung, die in der Regel auch Grundstücke zum Gegenstande hatte. Es scheint, als sei dieselbe ähnlich wie bei den Westfalen durch die Geburt eines Kindes in einen gesetzlichen Anteil (die Hälfte) nicht bloß an der ehelichen Errungenschaft, sondern überhaupt an dem Vermögen des Mannes verwandelt worden 282 . Die morgincap der Langobarden 283 hatte eine solche Höhe erreicht, daß Liutprand schon 717 den vierten Teil des Vermögens des Mannes als nicht zu überschreitenden Höchstbetrag derselben festsetzte283®. Das Gesetz wurde umgangen, indem man die inzwischen ebenfalls zu einer Zuwendung an die Frau gewordene Meta um so viel mehr zu erhöhen pflegte, bis Ed. Liutpr. 89 auch hierfür eine Grenze zog 284 . Da sich aber zeigte, daß auch diese Maßregel durch anderweitige Schenkungen des Mannes an die Frau illusorisch gemacht wurde, so untersagte Ed. Liutpr. 103 endlich alle derartigen Schenkungen, so daß nur noch Morgengabe und Meta, aber beide innerhalb der gesetzlichen Maximalgrenzen, verstattet blieben. Bei dieser Entwickelung konnte es nicht ausbleiben, daß die beiden demselben Zwecke dienenden Gaben wie bei den Westgothen zu einer einheitlichen Gabe verschmolzen, die man, weil sie wie ehedem die Meta bei der Verlobung vereinbart wurde, zuweilen als meta oder antefactum bezeichnete, meistens aber nach der von der Morgengabe beibehaltenen Übergabe am Morgen nach der Brautnacht als morgincap. Der von Liutprand für die Morgengabe festgesetzte Höchstbetrag wurde als regelmäßiger Betrag dieser vereinigten Gabe üblich, sie belief sich durchweg auf den vierten Teil des gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens des Mannes und wurde daher geradezu als Quarta bezeichnet. Nur bei der Wiederverheiratung einer Witwe erhielt sich im Beneventischen, in Anknüpfung an die nach älterem Recht in solchem Falle zu zahlende halbe Meta, der Gebrauch, nur eine Octava, also eine halbe Morgengabe, zu geben 286 . Übrigens stand die Bestellung der Quarta oder Octava in Benevent derartig gewohnheitsrechtlich fest, daß die Witwe diese selbst dann, wenn die gesetzlich verordnete Verbriefung unterblieben war, beanspruchen konnte, quoniam iniquum et reprehensibilem videtur, ut, quod omnes de suis 281

Vgl. Gesch. d. ehel. Giiterr. I. 94 ff. YOUNG, a. a. O. 173 ff. In den Urkunden wird bei Erwähnung der Morgengabe häufig ausdrücklich die Kinderlosigkeit hervorgehoben. Vgl. THORPE, Diplomatarium Anglicum S. 275: Sabebat etiam ipse Hadricus uxorem et non liberos. hac de causa concessit Aelfegus (der Yaterbruder des + Mannes) Uli viduae donum dotis suae (ags. Text, S. 272: hire morgengifej tantum quod ei dederat Eadricus, quando eam primum accepit uxorem, in Craeia. 283 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. 1. 84—89. PERTILE, III. 276 ff. 283 » Ed. Liutpr. 7. 284 Über die Meta seit Liutprand vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 40 ff, 146. Über die Zusammensetzung mit fio (metfio) vgl. ebd. I. 27, sowie oben Anm. 261 und § 40, Anm. 2. 282

285

Vgl.

S. 2 8 7 .

BLUHME i n SYBEL'S H i s t .

äußerungsgeschäfte der Frauen 37.

Zeitschr. X X X .

PERTILE, a. a. 0. 279.

396.

BOSIN, Ver-

Siehe auch Anm. 286.

§ 35.

303

Das Privatrecht.

retinent viris, aliquantae mulieres per incuria vel aliqua accidentia ammittantiw. Aus einem gewohuheitsrechtlichen Niederschlage der Ehe vertrage hatte sich eine frauliche Gerechtigkeit (iustitia) gebildet, kraft deren die überlebende Frau, wenn keine anderweitige Vereinbarung vorlag, als gesetzliche Miteigentümerin an dem Vermögen des Mannes galt. Eine ähnliche Entwickelung hat bei den Franken stattgefunden. Dieselben kannten das Wittum schon zur Zeit des Chlodovech nicht mehr als Kaufpreis, sondern nur als eine Gabe an die Frau (dos, tanodo, dotaliüum, sponsalitia largitas)287, die aber den ursprünglichen Zusammenhang so weit gewahrt hatte, daß nur die Wittumsehe als wahre Ehe anerkannt wurde: die Vereinbarung des Wittums bildete eine der wesentlichsten Aufgaben bei der Verlobung; war jene unterblieben, so galt das Verhältniß als bloßer Konkubinat, wenn das Versäumte nicht noch nachgeholt wurde 288 . Auch darin, daß bei Verletzung der Munt der Betrag des Wittums als Muntbrüche zu entrichten war, hatte sich die Erinnerung an die frühere Bedeutung des Wittums erhalten 289 . Der früher bei dem Brautkaufe entrichtete Betrag muß derselbe gewesen sein, den wir noch in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts als den regelmäßigen Betrag des Wittums finden (bei Saliern 62 Y2 Sol., für Liten 30 Sol., bei Ribuariern 50 Sol.); bezahlt wurde er in Geld oder fahrender Habe; den Beweis für das Gegebene hatte die Frau im Streitfalle durch Zwölfereid zu erbringen 290 . Starb die Frau während der Ehe, so vererbte sie das Wittum wie ihr sonstiges Vermögen auf die Kinder, dem Manne stand an beidem nur Verwaltung und Nutzung kraft der väterlichen Munt zu 2 9 1 ; aber auch die ihren Mann überlebende Frau war, wenn Kinder vorhanden waren, nicht freie Herrin ihres Wittums, da sie dasselbe, wenn sie sich anderweitig verheiratete, den Kindern erster Ehe weder durch Schenkungen, noch von Todes wegen zu entziehen vermochte 29 2. Bei kinderloser 886 287

Vgl. Kapitular des Herzogs Adelchis (nach 866) c. 3 (MG. Leg. IV. 211). Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 63 ff., 147 ff., 170 f. SANDHAAS, a. a. O. 46 ff.

SOHM, i. d. Z e i t s c h r .

f. R G . V . 4 1 9

ff.

HEUSLER, I I .

3 0 6 ff., 3 1 3

ff.

Über

das

dem

Vormunde der Braut verbliebene Handgeld von 1 Sol. 1 Den. vgl. S. 291. BRUEL, Recueil des chartes de Cluny I. 96, Nr. 86 (um 904). 288 Vgl. Anm. 192. 236. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 65, N. 4, 5. Form. Marc. II. 16. Form. Tur. 16. Cart. Senon. app. 1 (ZEUMER, 208f. ROZIÜRE, Nr. 130, 261). Form. Merkel. 19 (21). Form. S. Amandi s. sal. Lindenbr. 16. 289 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 16. Bezeichnung der Muntbrüche als praecium L. Sal. 13, 6. 290 II. salisch. Kapitulare c. 4 (BEHREND, Lex Salica S. 94). 291 I. salisch. Kapitulare, c. 8, § 1 (BEEREND, S. 91): Si quis uxorem amiserit et aliam habere voluerit, dotem, quam, primarie uxorem dedif, secunda ei donare non licet, si tarnen adhuc filii parvoli sunt, usque ad perfectam aetatem res uxares anteriores. vel dotis causa fd. h. und auch das Wittum) liceat vudicare, sie vero ut de has nec vendere nee donare praesummat. 292 Vgl. c. 7 des Anm. 291 angeführten Kapitulares: Sic tarnen, ut dotem, quem anterior maritus dedit, filiis suis post obitum matris sine ullum consorcium (also namentlich ohne Konkurrenz der Kinder zweiter Ehe) sibi vendicent ac defendant-,

804

Die fränkische Zeit.

Ehe erhielt, bevor Chilperich in Neustrien die Halbteilung des Wittums eingeführt hatte 293 , die Partei der Frau Zweidrittel, die des Mannes ein Drittel des Wittums; die Auseinandersetzung erfolgte bei der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten; blieb dieser aber ledig, so erst nach seinem Tode 29i . An Stelle des Mobiliarwittums muß schon im Laufe des sechsten Jahrhunderts in den vermögenden Kreisen die seit dem siebenten Jahrhundert in zahlreichen Formeln und Urkunden bezeugte Immobiliardos üblich geworden sein. Dieselbe wurde regelmäßig durch traditio cartae bestellt 296 und daher auch als dos conscripta bezeichnet. Wenn eine solche Verbriefung nicht stattgefunden hatte, so hatte die den Mann überlebende Frau nur eine Mobiliardos in dem altherkömmlichen Betrage zu beanspruchen 296 . Bei der Immobiliardos wurde der Frau bald das Eigentum, bald nur die Leibzucht verschrieben 297 ; volle Wirkung hatte die Art der Yerschreibung aber nur bei kinderloser Ehe, da bei beerbter Ehe das Ganerbenrecht der Kinder (S. 262 f.) in den Vordergrund trat. Denn das nur zu Leibzucht verschriebene Wittumsgut kehrte zwar, wenn die Frau während der Ehe starb, an den Mann zurück, war aber den Kindern verfangen; das zu Eigentum verschriebene Wittum blieb als ein den Kindern verfangenes Gut in der Hand der überlebenden Frau, vererbte sich dagegen, wenn die Frau vor dem Manne starb, sofort auf die Kinder, so daß der Mann daran nur Verwaltung und Nutzung für die Dauer seiner väterlichen Munt zu beanspruchen hatte 298 . Die Höhe des Wittums unterlag, im Gegensatze zu der älteren Mobiliardos, der freien Vereinbarung 299 . Neben unbeweglichen Sachen wurden häufig auch Fahrnisstücke und Kostbarkeiten versprochen. Seit dem neunten Jahrhundert war es in Frankreich wie bei den in Italien angesessenen Franken ganz de qua dotern mater nec donare praesummat. Daß die Mutter auch, wenn sie ledig blieb, keine Verfügung über das Wittum gehabt hätte, ist nicht gesagt und, soweit es sich nicht um dolose Veräußerungen zur Benachteiligung der Kinder handelte (vgl. HEUSLER, II. 308 N. 6) schwerlich anzunehmen. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 131 N. 23. Es lag daher noch keine völlige Verfangenschaft, sondern nur der Keim derselben vor. Um das Wittum in die zweite Ehe hinübernehrnen zu können, bedurfte es der Ehebewilligung seitens der Verwandten des ersten Mannes oder des Richters; die dafür zu zahlende Gebühr war der Achasius. Vgl. S. 291. 293 Ed. Chilper. c. 4. 2,4 Vgl. c. 7 und c. 8 § 2 des Anm. 291 und 292 erwähnten Kapitulares. Erfolgte die Teilung wegen Wiederverheiratung des längstlebenden Ehegatten, so hatte die Partei des Mannes außer dem Wittumsdrittel noch gewisse Hausratsgegenstände aus der Gerade zu beanspruchen. Vgl. Anm. 260. Über den von der wiederheiratenden Witwe auch hier zu zahlenden Achasius vgl. Anm. 292. 295 2,9 Vgl. S. 266 ff. Vgl. Anm. 304, 305. 297 L. Eib. 37, 1: Si quis midierem disponsaverit, quidquid ei per tabularum seu cartarum instrumenta conscripseril, perpetualiter inconfulsum permaneat. Vgl. Gesch. d. ehe). Güterr. I. 149, 171.

SANDHAAS, a. a. 0 . 5 8 ff.

298

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 147, 170 f. SOHM, a. a. O. 424. SANDHAAH, a. a. 0. 62. HEUSLEE, II. 311, 315. Form. Marc. II. 9. Form. Merkel. 22 (24). 299

V g l . SOHM, a. a. O. 4 2 2 f.

§ 35.

Das Privatrecht.

305

besonders üblich, der Frau den dritten Teil des gesamten gegenwärtigen u n d zukünftigen Vermögens des Mannes als dos oder dotaUtium zu E i g e n t u m oder Leibzucht a u s z u m a c h e n 3 0 0 . Die lombardischen Juristen stellten diese salische Tertia in Parallele m i t der Quarta des lombardischen Rechts 3 0 1 . In der That läßt sich nachweisen, daß jene wie diese aus der Verschmelzung zweier ursprünglich selbständigen Gaben entstanden ist. Bei den Franken war es üblich, in der Wittumsverschreibung außer dem in Immobilien bestehenden W i t t u m (dos) für die Frau ein Drittel der ehelichen Errungenschaft auszusetzen 3 0 2 , so daß eine vertragsmäßige Errungenschaftsgemeinschaft zu Schwert- und Spindelteil (d. h. zu zwei Teilen für den Mann, zu einem Teil für die Frau) begründet wurde. E n t hielt die Wittumsverschreibung keine derartige B e s t i m m u n g , so trat keine Errungenschaftsgemeinschaft ein 3 0 3 . W e n n dagegen eine Verbriefung des W i t t u m s überhaupt nicht erfolgt, also keine Immobiliardos gegeben war, so hatte die den Mann überlebende Frau außer ihrer Mobiliardos, die sich bei den ribuarischen Franken noch g e g e n E n d e des sechsten Jahrhunderts in der gesetzlichen H ö h e von 5 0 Sol. hielt, während die spätere 300 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 90. Dipl. Langob. 16 (MG. Leg. IV. 599). TSRUET,, ßecueil des chartes de l'abbaye de Cluny I. 99, Nr. 88 (905): cedo tibi tercia yorcior.e de omncs res faciiltaies meas quas vüm sum obere auf. pussidere auf inantea — — conquirere aut laborare potuero, tarn in Lucdunense et in Viennense — — —, et secundum mea lege Salica manibus tibi trado perpetualiter ad abendwm, vendendum, donandum, seu liceat tibi commutandum, et sicut lex mea Salica commemorat facien-

d-um. E b d . 3 3 5 , N r . 358 ( 9 2 8 ) . 4 8 1 , N r . 4 9 6 (939). I I . 2 9 3 , N r . 1 2 1 1 (966). 4 5 4 , N r . 1 3 9 2 ( 9 7 4 ) . 470, N r . 1 4 1 2 ( 9 7 5 ) . DU CANQE, G l o s s a r i u m s. v . tertia 5, tertiaria 4.

Zuweilen wurde statt des Drittels "die Hälfte gegeben.

Vgl. BHUEL, a. a. O. I. 96,

N r . 86 (904). 301

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 89. Cartul. Lang. Nr. 1. Der Gemahlin des Königs Dagobert, die doch unzweifelhaft eine Wittumsverschreibung erhalten hatte, wurde bei seinem Tode der dritte Teil der ehelichen Errungenschaft vorbehalten. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 92. Nach einer rheinfränkischen Urkunde von 815 (WENCK, Hess. Landesgesch. II. Urk.-B. Nr. 15) besteht das Vermögen einer Frau aus ihrer haereditas, der ihr von ihrem Mann zu Leibzuchtsrecht bestellten dos und der ihr zu Eigentum zustehenden tertia pars elaboratus nostri. Vgl. Zeitschr. f. RG. XV. 21 f. Eine geringe Variation, indem statt des Anteils an der Errungenschaft ein Anteil an der gesamten fahrenden Habe des Mannes gewährt wird, in einer südfranzösischen Urkunde von 833 (BRUEL, a. a. O. 9, Nr. 7): quia et racio postulat et consuetudo exquirit, ut sponsus sponsam et maritus uxorem dotare debeat, ideo cedo tibi atque dono par hoc dotaliciwm aliquid ex rebus meis, que sunt site in pago Lugdunense, — — hoc est mansurn unurn et servwm M. cum uxore sua. cedo etiam tibi terciam partem ex omnibus rebus meis mobilibus, quas modo habeo vel infuturo pariter acquirerepoterimus, und zwar alles zu Eigentum. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 92. Form. Marc. II. 17 (quod in tertia mea accepij. Form. St. Amandi s. sal. Lindenbrog. 13 (ZEUMER, 275. ROZIERE, Nr. 251). 303 Dies verkennt HEUSLER, II. 317, der vorzugsweise dadurch zum Teil zu unrichtigen Ergebnissen gekommen ist. Zwischen Chilperich und Fredegundis bestand keine Errungenschaftsgemeinschaft (vgl. Greg. Tur., Hist. Franc. 6, 45. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 131, N. 25), die Königin war Eigentümerin der von ihrem Gemahl bestellten dos und betrachtete auch die Früchte derselben als ihre proprietas. R. SCHHÖDBB, Deutsche Rechtsgeschichte. 20 302

306

Die fränkische Zeit.

Zeit keine bestimmten Beträge mehr kannte 304 , von Rechts wegen ein Drittel der ehelichen Errungenschaft zu beanspruchen 306 . Was sich in den Eheverträgen regelmäßig zu wiederholen pflegte, war demnach allmählich zu einem Rechtssatze geworden, der, wenn auch zunächst nur zu Gunsten der überlebenden Frau, überall platzgriff', wo keine besondere Vereinbarung stattgefunden hatte 306 . Da den Franken der Errungenschaftsanteil der Frau zunächst nur als eine vertragsmäßige und nicht als eine gesetzliche Einrichtung bekannt gewesen war, die Zurückführung desselben auf das Wittum aber ausgeschlossen bleiben muß, weil die Quellen beide Zuwendungen durchaus getrennt halten 307 , so liegt es nahe, die Entstehung desselben in der Morgengabe zu suchen, die auch bei den Langobarden, Westfalen und Angelsachsen die Neigung zu einer ähnlichen Gestaltung erkennen läßt. Dem scheint nun freilich der Umstand entgegenzustehen, daß das ribuarische Volksrecht außer dem Errungenschaftsanteil und der Immobiliaroder Mobiliardos auch noch eine ausschließlich aus beweglichen Sachen bestehende Morgengabe kannte 300 . Allein diese Morgengabe, die sich auch in dem fränkischen Recht des Mittelalters wiederfindet3"9, darf nur gleich der westgothisch- portugiesischen camera cernida (S. 301) als der durch 304 Vgl. das dem Gebiete des rhein-fränkischen Rechts angehörende Citat aus dem Corrector Burchardi, Gesch. d. ehel. Güten-. I. 81, N. 19. 30 "' L. Rib. 37, 2 (37, 1 siehe Anm. 297): Si autem per series scripturarum ei nihil contullerit, si mulier virum supervirerit, •:>() sulidos in dude recipial, et terciam de omne re, quod shmil eonlahuraverit, sihi studeal emndicare. F ü r das salische Recht vgl. die nach 678 ents andene F o r m . Andee. 59 (58), wo der freien Frau eines Unfreien seitens der Herrschaft des letzteren außer der Aufrechterhaltung ihrer Freiheit zugesichert w i r d : pecu/iare, quud slanle coniugiu lahorare potuerit, ipsa femena tercia parte exinde Aabrai absque nustra rcpetieione vel eredvm nostrm um. Die Formel kann nur auf Verhältnisse bezogen werden, wo der Gedanke au eine Immobiliardos ausgeschlossen ist. Über Ludwigs d. Fr. Cap. missorum v. 821, c. 9

(BORETIUS 3 0 1 ) v g l . d i e z u t r e f f e n d e E r k l ä r u n g 308

von

HEUSLEH, I I . 3 1 0 N . 8 .

Vgl. Gesch. d. ehel. Giiterr. II. 2, 54 ff.. 174, 229, 232.

307 Die Unterscheidung tritt nicht nur in den Anm. 302 angeführten Urkunden, sondern auch L. Rib. 27, 2 (Anm. 305) deutlich hervor. Die Anm. 305 angeführte Bestimmung L. Rib. 37, 2 f ä h r t fort: et quidquid ei in morgangaha traditum fuerit, similiter faciat. Statt et lesen die meisten Handschriften der A- und sämtliche der B-Klasse vel. Da nun auch et häufig in disjunktivem Sinne gebraucht wird (vgl. A n m . 313) und vel in mehr als 60 Stellen der L. Rib. in dem Sinne von aut steht, so stände der früher (Gesch. d. ehel. Güterr. I. 94, N. 13) von mir gegebenen E r k l ä r u n g sprachlich nichts entgegen. Ich halte es aber jetzt mit Rücksicht auf die ähnliche Wendung in I,. Rib. 4.:> für richtiger, vel hier kopulativ in dem Sinne von und auch zu nehmen. Wenn ich darin mit SOHM, MG. Leg. V. 232, N. 79 und HEUSLEB, I I . 313 übereinstimme, so kann ich doch aus den im Text entwickelten Gründen das Errungenschaftsdrittel der Frau weder mit SOHM als einen Bestandteil des Wittums, noch mit HEUSI.ER, II. 310, 31«, SANDHAAS, a. a. O. 82 ff. und anderen ( vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 94 N. 13) für eine von der Morgengabe und dem Wittum u n a b h ä n g i g e frauliche Gerechtigkeit halten. 309

Vgl. Gesch. d. ehel. Giiterr. II. 2, 242 ff. HÜHLBAUM. Das Buch Weinsberg II. 96.

§ 35

Das Privatrecht.

307

die Verbindung der Morgengabe mit dem Wittum abgestoßene Rest der ursprünglichen Morgengabe angesehen werden 310 . Auch bei den Baiern scheint eine Verschmelzung der Morgengabe mit dem Wittum stattgefunden zu haben, da die in dem Volksrecht und in Urkunden erwähnte, regelmäßig in Grundstücken bestehende und von dem Manne urkundlich verbriefte dos, dos legitima oder iustitia311 im Mittelalter überwiegend uuter der Bezeichnung „Morgengabe" begegnet, während sie durchaus die sonst dem Wittum zukommenden Funktionen erfüllte 312 . Die Alamannen kannten das Wittum sowohl als Immobiliardos wie in der älteren Form der Mobiliardos, bei der auch der ursprüngliche Betrag des Kaufpreises von 40 Sei. noch festgehalten wurde 313 . An der immobiliardos erhielt die Frau in der Regel nicht wie bei den Franken und Baiern das Eigentum, sondern nur die Leibzucht, so daß, wenn sie vor dem Manne starb, die Dos an diesen zurückkehrte 314 . Außer dem Wittum erhielt die Frau von dem Manne eine Morgengabe, die den Betrag In dem Vertrage der Könige Gunthram und Childebert II. von 587 (Greg. Tur., Hist. Franc. 9, 20. BORETIUS, Capitularia Nr. 6) über den Nachlaß der von ihrem Gemahl Chilperich ermordeten Gailesuintha heißt es: De civitatibus vero, h. e. Burdegala, Lemuvicas, Cadurc-us, Benarno et Begora, quae Gailesoindam, germanam domnae Brunichildis, tarn in dote quam in morganegiba, h. e. matutinale donum, in Franciam venientem certum est adquisisse, quas etiam per iudicium — — (iuntchramni regis vel Francorum superstitibus Chilperico et Sigiberto regibus domna Brunichildis nosei.tur adquisisse. Die fünf der Gailesuintha durch ihren Gemahl zu Eigentum übertragenen Grafschaften bildeten teils ihr W i t t u m , teils ihre Morgengabe, aber im einzelnen wurde nicht weiter unterschieden, beide bildeten eine einheitliche Brautgabe (vgl. HEUS LEB, II. 306), wie die dos conscripta des ribuarischen Volksrechts und die Dos der Fredegundis (Anm. 303) außer dem Wittum auch das vertragsmäßige Surrogat der tertia collaborationis umfaßte. Es ist dieselbe Erscheinung wie bei der westgothischen Dos zur Zeit des Chindasuinth und bei der langobardischen Meta und Morgengabe seit Liutprand. 311 Vgl. Gesch. d. ehcl. Güterr. I. 69 f., 151 f. Mon. Boica XXVIII. 2, 24, Nr. 27. Die Frau erhielt in der Kegel das Eigentum, das aber bei beerbter Ehe dem Ganerbenrecht der Kinder unterlag, daher diesen verfangen war. 312 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. 11 1, 92 f., 2, 243. 3, 340 ff. 3,3 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 67 f., 149 f., 172. L . Alam. 55 § 1: Si quis Uber mortuus fueril, et reliquit uxorern sine filiis aut filias, et de illa hereditate exire vuluerit, nubere sibi aliutn coaequalem sibi, sequat eam dotis legitima et quidquid parentes eius legitime placitaverint. § 2. Ft quidquid de sede paternica secum adlnJ.it, omnia in potestate habeat auferendi, quod non mandueavit aut non vindidit. § 3. Dotis enim legitima 40 solidis constat aut in au.ro aut in argento aut in maneipia, aut quäle habet ad dandum. Das et in dem ersten Satze steht, wie auch sonst mehrfach, in dem Sinne von aut: die Witwe erhielt entweder die Mobiliardos von 40 Sol., oder was ihr von den Verwandten als Immobiliardos ausbedungen war. Wurde ihr die letztere von den Erben des Mannes bestritten, so konnte sie nach Ii. Alam. 56, 1 durch Sechsereid oder gerichtlichen Zweikampf ihr Recht erweisen. Vgl. SOHM, i. d. Zeitschr. f. RG. V. 423 f. 314

Nur wenn die Erben des Mannes die Immobiliardos bestritten und den Prozeß verloren hatten, wurde ihnen zur Strafe ihr Rückfallsrecht aberkannt und der Frau das Wittum zu Eigentum zugesprochen. Vgl. L. Alam. 56, 1. 20*

Die fränkische Zeit.

308

von 12 Sol. nicht übersteigen durfte und ausschließlich aus fahrender Habe bestand; wurde die Morgengabe ihr bestritten, so konnte sie nach einer i m Mittelalter bei den verschiedensten Stämmen nachweisbaren Sitte ihr R e c h t durch Eineid, den sie auf die Brust ablegte, erhärten 3 1 5 . Andere Zuwendungen als das W i t t u m und die Morgengabe sollte die Frau nach einem Gesetze Liutprands von 7 2 8 von ihrem Manne nicht erhalten dürfen 3 1 6 . Sonst waren Schenkungen unter Ehegatten durchaus erlaubt 3 1 7 , nur während des ersten Ehejahres sollten sie nach e i n e m Gesetze des Westgothenkönigs Chindasuinth von 6 4 5 unterbleiben 3 1 8 . W ä h r e n d der E h e hatte der Mann die Verwaltung und N u t z u n g des ganzen beiderseitigen V e r m ö g e n s 3 1 9 . I h m stand die Vertretung seiner Frau vor Gericht zu 3 2 0 . Ob das i m mittelalterlichen R e c h t anerkannte Verfügungsrecht des Mannes über ihre fahrende Habe schon i n dieser Periode bestand, läßt sich nicht m i t Sicherheit feststellen 3 2 1 . Jedenfalls hatte er es n u r , soweit die Zwecke der Ehe es dringend notwendig m a c h t e n 3 2 2 , nicht aber zu eigenen Zwecken, namentlich nicht zur B e zahlung seiner Schulden, für die das Vermögen der Frau nicht in A n spruch g e n o m m e n werden durfte 3 2 3 . Über unbewegliche Sachen der Frau, 3,5

Vgl. Gesch. d. ehel. Giiterr. I. 106. L. Alain. 56, 2. Ed. Liutpr. 103. Vgl. S. 302. 8,7 Vgl. Gesch. d. ehel. Giiterr. I. 139 f. Auf Schenkungen der Frau an den Mann bei Gelegenheit der Eheschließung scheint L. Burg. 14, 4 hinzudeuten (siehe Anm. 248). 318 L. Wig. III. 1, 5. 319 Soweit nicht der Frau ein Anteil an seinem Vermögen oder doch an der ehelichen Errungenschaft eingeräumt war. Bei den Westfalen gebührte der Frau, wenn die Ehe beerbt war, stets die Hälfte der Errungenschaft (S. 301). Die Königin Fredegundis betrachtete sich als Herrin der Erträge ihres Eingebrachten wie ihres Wittums (Gesch. d. ehel. Giiterr. I. 131, N. 25), vielleicht auf Grund ihres Ehevertrages (vgl. Anm. 303). Im übrigen, namentlich über die besonderen Grundsätze des Westgothenrechts, vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 135 ff. 320 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 140 f. SANDHAAS, a. a. 0 . 78. B R U E L , Recueil des chartes de Cluny I. 18 Nr. 15 (870). Nur das Westgothenrecht verlangte Ermächtigung des Mannes durch die Frau. 321 L. Wisig. III. 6, 1 (Antiqua) entzieht dem Manne, der seine Frau ohne Grund verlassen hat, den Anspruch auf den Rückfall des Wittums und verpflichtet ihn zum Ersatz alles dessen, quidquid etiarn de facultate ipsius mulieris vel alienassc vel fraudasse dinoscitur. Daraus scheint hervorzugehen, daß er unter anderen Umständen nicht ersatzpflichtig war. 322 Vgl. L. Rib. 37 § 3 (s. Anm. 297, 305, 308): Quod si ex Iis, qui conscripta vel tradita sunt, simul conmmpserit (1. consumpserint), nihil requirat. L. Alam. 55, 2 (s. Anm. 313). 323 Nach L. Burg. 96 (add. 1, 9) sollte, wenn für irgend eine Schuld des Mannes res uxoris pigneratae fuerint, der Bürge, der die Pfändung vollzogen hatte (vgl. S. 279), für diesen Mißgriff nicht gestraft werden, der Mann aber zur Auslösung der gepfändeten Sachen und zur Rückerstattung derselben an seine Frau verpflichtet sein (ita tarnen ut maritus, cui pro debilo res uxoris pigneratae sunt, apud fideiitssorem suum se absolvat et res uxoris, quae pigneratae sunt, restituat). Uber die Nicht319

§ 35.

Das Privatreclit.

309

mit Einschluß derjenigen, die ihr als Wittum oder Morgengabe eingeräumt waren, konnte er nur unter ihrer Mitwirkung verfügen 324 . Das langobardische Recht verlangte hierzu die in bestimmter Form vor ihren Verwandten oder vor Gericht abgegebene Erklärung der Frau, daß sie aus freien Stücken ihre Einwilligung gegeben habe 325 . Über sein Vermögen konnte der Mann frei verfügen, soweit er seiner Frau keine Rechte an demselben eingeräumt hatte 336 . Die Quarta und Tertia des jüngeren langobardischen und fränkischen Rechts hatte die Wirkung, daß die Frau als Miteigentümerin bei jeder Immobiliarveräußerung des Mannes zugezogen werden mußte 327 . Aber schon der Errungenschaftsanteil, den die fränkische Frau als Morgengabe zu empfangen pflegte und in Ermangelung einer dos conscripta von Rechts wegen erhielt, während die westfälische Frau einen solchen in jeder beerbten Ehe zu beanspruchen hatte, legte dem Manne die Verpflichtung auf, auch seinen eigenen Grundbesitz nicht anders als mit gesamter Hand, d. h. unter Mitwirkung der Frau, zu veräußern, da der Errungenschaftsanspruch in erster Reihe durch die Erträge des Grundbesitzes zu befriedigen war 328 . Die Frau konnte ohne die Genehmigung des Mannes unter Lebenden nicht über ihr Vermögen verfügen 329 . Nach Auflösung der Ehe hatte die überlebende Frau ursprünglich wohl allgemein, so lange sie ledig blieb, das Recht des Beisitzes 330 . Bei haftung des Frauengutes für Deliktsschulden des Mannes vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 141, N. 27. Decr. Tassil. in syn. Dingolf c. 12 (MG. Leg. III. 461). 324 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 129 ff. WARTMANN, Urk.-B. v. St. Gallen I. N r . 2 2 ( 7 5 8 ) , 2 5 (759), 701 (895). 325 Ed. Liutpr. 22. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 132 ff. und besonders ROSIN, Die Formvorschriften f. d. Veräußerungsgeschäfte der Frauen nach langob. Eecht (GIERKE, Untersuchungen VIII. 1880). Der letztere weist nach, daß die in Rede stehende Form von Liutprand nur für verheiratete Frauen eingeführt war und daß Ed. Liutpr. 29, wodurch dieselbe auch auf Mädchen und Witwen ausgedehnt wurde, nur ein auf beneventischein Gewohnheitsrecht beruhender späterer Zusatz eines Abschreibers aus der Zeit von 774 bis 832 ist. 326 Vgl. z. B. elsässische Urk. v. 742 bei BR£QUIGNY, Dipl. II. addit. Nr. 71, S. 468. 327 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 134, Nr. 35. Bei den Langobarden erfolgte die Mitwirkung der Frau später zum Teil in denselben Formen wie bei der Veräußerung ihrer unmittelbaren Vermögensobjekte, vgl. ROSIN, a. a. 0 . 81 ff. 328 Vgl. KRAUT, i. d. Gött. GA. 1864, S. 835 f. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 2,

176. 3, 2 4 3 f. 329

HEUSLER, I I . 314.

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 5, 130 ff. SANDHAAS, a. a. O. 78. Nach L. Rib. 74 stand die Geschäftsfähigkeit der Ehefrauen auf derselben Stufe wie die der Unfreien und Unmündigen. Die Anm. 325 erwähnten Formvorschriften des langobardischen Rechts galten nicht bloß bei Verkäufen, sondern schlechthin bei allen Immobiliarveräußerungen von Ehefrauen. Vgl. Pippins capit. ital. (BORETIUS, Nr. 95) c. 11. ROSIN, a. a. 0. 69 ff. Zu Verfügungen von Todes wegen bedurfte es der Zustimmung des Mannes nicht, wenn seine Rechte dabei unberührt blieben. Vgl. L. Burg. 51, 4. 330 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 143. HEUSLER, II. 298, 326, 342 f. L. Alam. 55, 1. L. Baiw. 15, 8. Erstes sal. Kapitulare c. 7 (BEHREND, S. 90).

Die fränkische Zeit.

310

den Burgundern, W e s t g o t h e n und Baiern wurde ihr für die Dauer des Witwenstandes als Ersatz des Beisitzes der gesetzlich«? Nießbrauch an einem b e s t i m m t e n Teil des Nachlasses ihres Mannes e i u g e r ä u m t 3 " . Der überlebende M a n n hatte i m allgemeinen wohl keinen Beisitz zu beanspruchen, sondern m u ß t e , soweit er nicht kraft väterlicher M u n t i m B e sitze blieb, alsbald nach dem Tode der Frau die Auseinandersetzung m i t ihren Erben v o r n e h m e n 3 3 2 . N a c h dem langobardischen R e c h t e war der M a n n als Muntwalt Alleinerbe der F r a u 3 3 3 . I m übrigen gab es außer bei den W e s t g o t h e n , bei denen die bonorum possessio unde vir et uxor zur Geltung gelangte 3 3 4 , kein gesetzliches Ehegattenerbrecht 3 3 5 . Dagegen waren Vergabungen von Todes wegen, u n d zwar in der Regel gegenseitige, unter E h e g a t t e n außerordentlich häufig 3 3 6 . Die väterliche G e w a l t 3 3 7 beruhte nicht auf der Erzeugung des Kindes, 331 Die burgundische Witwe hatte bei kinderloser, später auch bei beerbter Ehe den Nießbrauch an einem Drittel, neben mehr als einem Kinde nur an einem Viertel (L. Burg. 42, 62, 74). Der Anspruch fiel weg: bei kinderloser Ehe, wenn die Witwe elterliches Vermögen oder eine anderweitige Versorgung seitens ihres Mannes in ausreichendem Maße erhalten hatte (vgl. Anm. 266); bei beerbter Ehe, solange die Kinder ihr, wozu sie nach erlangter Volljährigkeit nicht mehr verpflichtet waren, den Beisitz gewährten (L. Burg. 59. 74, 2). Kinder des Mannes aus einer früheren Ehe waren ihrer Stiefmutter gegenüber zu nichts verpflichtet (74, 3). Das Witwendrittel wurde als Erbteil behandelt und haftete dementsprechend mit für die Schulden des Erblassers (65). Die westgothische Witwe erhielt den Nießbrauch an einem Kindesteil (Antiqua 822. L. Wis. IV. 2, 14); über die Größe des Anteils bei unbeerbter Ehe ist nichts gesagt. Das bairische Volksrecht, das sich an das Westgothenrecht anschloß, gewährte bei beerbter Ehe Nießbrauch an einem Kindesteil des Nachlasses, bei unbeerbter Ehe an der Hälfte der pecunia, d. h. des Mobiliarnachlasses (L. Baiw. XV. 7, 8, 10). Sobald die Witwe zur zweiten Ehe schritt, ging der Nießbrauch, im Gegensatze zu Wittum und Morgengabe, nach allen hier besprochenen Rechten verloren, ein unverkennbarer Beweis für seinen ursprünglichen Zusammenhang mit dem Beisitz. 832 Vgl. die Anm. 298 angeführten Formeln, betreffend das Verhältnis des Vaters zu volljährigen Söhnen. Allerdings scheint es nach dem 1. sal. Kapitulare c. 8, als sei bei den Saliern auch der Mann erst im Falle der Wiederverheiratung zur Vermögensauseinandersetzung verpflichtet gewesen. 333 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 6 f., 167. Da dies Erbrecht des Mannes auf seiner Munt beruhte, so kam es in der Ehe ohne Munt (S. 293) in Wegfall. 334 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 165, 168. L. Wis. IV. 2, 11. Bei beerbter Ehe hatte der Mann ein Drittel, die Frau einen Kindesteil des Nachlasses zu Nießbrauch (Antiqua 321 f.). 3S6 durch Beerbung der Kinder, nachdem dieselben Erben des erstverstorbenen Ehegatten geworden waren, konnte der überlebende Ehegatte dessen Vermögen erwerben. Vgl. L. Alam. 95. L . B u r g . 24, 3. 53. L. Wis. IV. 2, 18. Gesch. d. ehel. Güterr. 1. 166 N. 3. 168 N. 6. Siehe auch Anm. 271. 336 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 158 ff. Bei den Langobarden wurden derartige Zuwendungen des Mannes an die Frau durch Ed. Aist. 14, unter Festsetzung bestimmter Grenzen, gesetzlich geregelt. 337

V g l . HEUSI.ER, I I . 4 3 1 — 4 5 0 . KRAUT, V o r m u n d s c h a f t I I . 5 8 6 ff. BRONNEK b e i HOLTZENDOBPF , E n c y k l . 2 5 9 . PEKTILE, a. a . 0 . I I I . 3 2 6 ff. YOUNG. i. d . E s s a y s

in auglosaxon law 152 ff.

STOBBE, Handbuch IV. 303 ff., 34:i f., 387 ff.; Die Auf-

§ 35.

Das P r i v a t r e c h t .

311

sondern auf der eheherrlichen Munt über die Mutter. Die außer der Ehe oder in einer Ehe ohne Munt erzeugten Kinder standen daher nicht in der Munt des Vaters, sondern in derjenigen des Muntwalts ihrer Mutter 338 , während andererseits die Munt des Ehemannes auch die von einem Dritten im Ehebruche mit der Frau erzeugten Kinder umfaßte 339 . Der Inhalt der väterlichen Gewalt hatte auch in dieser Periode noch manches von der alten Strenge bewahrt: in bestimmten Fällen das Recht der Tötung 34 " oder des Verkaufes in die Knechtschaft 341 , das Recht des Heiratszwanges gegen die Töchter342, nur hier und da zum bloßen Ehebewilligungs- und Verloberrecht abgeschwächt3*3. Ihr Vermögen blieb den Kindern gewahrt, aber der Vater hatte die Verwaltung und Nutzung 344 . Einseitige Verfügungen über das Kindesgut waren dem Vater nicht gestattet, ebensowenig dem Kinde, auch nachdem es volljährig geworden war, zum Nachteil des Vaters 346 . Gemeinsame Verfügungen über dasselbe setzten Volljährigkeit des Kindes voraus346. Die zu dem Hausvermögen gehörigen Grundstücke unterlagen den Beschränkungen des Ganerbenrechts, während der Vater über das bewegliche Hausgut unter liebung der väterl. Gewalt nach dein Recht des Mittelalters, i. s. Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Rechts 1 ff. GRIMM, RA. 462. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 342 ff. KÖNIGSWARTEK, Histoire de l'organisation de la famille en France (1851), 138 ff. SCKDFI'ER, i. d. Arch. giurid. I. 156 ff. 388

V g l . S. 2 9 3 . L . A l a m . 54.

E d . L i u t p r . 126.

HEUSLER, I I . 4 3 4 .

KRAUT, I . 1 7 2 f..

291. DARGUN, Mutterreclit u. Raubehe 30ff. (der aber m i t Unrecht a n n i m m t , daß die natürlichen Kinder u n t e r der Munt ihres Erzeugers gestanden hätten). 339 Vgl. L. Alam. 51, 2, 3. 340 Vgl. Ed. Roth. 221. L. Burg. 35, 2. 3. L. Wis. I I I . 4, 5. 341 Verkauf in Notfällen, vgl. BRUNNER, RG. I. 76. DARGUN, a. a. O. 49. L. Rom. Cur. 3, 3. 18, 10. Verkauf zur Strafe: Ed. Roth. 221. 342 Vgl. Gesch. d. eliel. Güterr. I. 7, N. 35. LÖNING, Kirchenrecht der Merowinger 581, N. 3. 343 Vgl. L. B u r g . 100: voluntate sua. L. Wis. III. 3, 11 (Chindasuinth). Das ältere W e s t g o t h e n r e c h t (III. 1, 4. 3, 4) verlangte die Z u s t i m m u n g der B r a u t n u r f ü r b e s t i m m t e Fälle. C h l o t h a r s II. praeceptio c. 7 (BORETIUS 19) will n u r den königlichen H e i r a t s z w a n g beseitigen. 1J. Sax. 40 bezieht sich n u r auf die geringere Strafbarkeit des mit Z u s t i m m u n g der E n t f ü h r t e n vollzogenen Frauenraubes. Die langobardische Gesetzgebung hob den H e i r a t s z w a n g des M u n t w a l t s im allgemeinen auf (Liutpr. 120), ließ ihn a b e r f ü r Vater und B r u d e r bestehen (Roth. 195. Liutpr. 12. 119). Den Söhnen g e g e n ü b e r h a t ein H e i r a t s z w a n g nie bestanden; wie weit hier das E h e b e w i l l i g u n g s r e c h t des Vaters reichte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. 344 Vgl. I. sal. K a p i t u l a r e , c. 8 (Anm. 359). W e s t g . Antiqua 321 (L. Wis. IV. 2, 13). 345 Vgl. Ed. R o t h . 170. L. Rib. 74. L. Wis. IV. 2, 13. L. Rom. Cur. 24, 8. I. sal. Kapitulare c. 8 (Anm. 359). W a r das Hauskind v o l l j ä h r i g , so waren seine Verfügungen n u r relativ ungültig, indem der Vater das Veräußerte zurückfordern u n d den Gläubigern die L e i s t u n g verweigern konnte. Vgl. HEUSLER, I I . 444ff. Dem Vater w a r e n Veräußerungen in Notfällen jedenfalls erlaubt. Das westgothische Recht gestattete dem Haussohn die freie V e r f ü g u n g über Zweidrittel seines eigenen Verdienstes. Vgl. L. Wis. IV. 5, 5. 346 V g l . HEUSLER, I I . 449. Veräußerungen in Notfällen konnten nach E d . Liutpr. 149 auch m i t Z u s t i m m u n g m i n d e r j ä h r i g e r Kinder vollzogen w e r d e n .

Die fränkische Zeit.

312

Lebenden freie Verfügung hatte 347 und nur bei Schenkungen und in der Bevorzugung eines Kindes vor dem andern beschränkt oder an einen gewissen Höchstbetrag gebunden war348. Die gerichtliche Vertretung der Kinder stand dem Vater in derselben Weise zu, wie dem Vormunde die des Mündels 349 . Für die von ihnen verwirkten Bußen haftete er als Selbstschuldner, gegen sie verwirkte trieb er für seine Rechnung ein 360 . Neben dem Vater übte die Sippe eine gewisse Obervormundschaft aus, die teils ergänzend eingriff, teils dem Hauskilide gegen unberechtigte Übergriffe des Vaters Schutz gewährte360". Aufgehoben wurde die väterliche Gewalt durch Hingabe des Kindes in Adoption 361 . Dieselbe war zuweilen bloße Scheinadoption, indem das Kind nicht in das Haus des Wahlvaters eintrat, sondern zu seinem Vater zurückkehrte; die Annahme an Kindesstatt diente hier als Emanzipationsakt, indem die für gewöhnlich erforderliche Absonderung des Vermögens vermieden wurde 862 . Sonst endigte die väterliche Gewalt für Töchter durch Eingehung einer rechtmäßigen Ehe 363 , für Söhne durch ihre Absonderung vom Hause des Vaters, also die Entlassung aus der Were 364 . Daher bildete die Herausgabe des Kindesgutes 366 oder, wenn es an einem solchen fehlte oder dem Vater die Leibzucht an demselben eingeräumt war, die Gewährung einer Aussteuer, entsprechend dem, was 347

Vgl. S. 262 f. Vgl. S. 328. L. Eib. 59, 9. Das salische Eecht kannte eine solche Beschränkung nicht (vgl. Anm. 359), ebensowenig später das burgundische (vgl. Anm. 82), das dem Vater nur untersagte, bei der Verlobung einer Tochter schlechthin auf die Zahlung des Wittums zu verzichten, während er das Gezahlte nach Belieben zu ihrer Aussteuer verwenden konnte (L. Burg. 86, 1, 2). Die Beschränkungen des langobardischen Rechts beziehen sich vorzugsweise auf Vergabungen von Todes wegen. 849 Vgl. Anm. 365, 366, 368, 369. 848

350

Vgl. HEUSLEB, I . 123 ff., II. 450.

851

V g l . S . 6 1 ff. BBUNNER, R G . I . 7 7 .

3604

Vgl. Anm. 381, 382.

STOBBE, H a n d b . I V . 3 7 5 f .

L. Rom.

Cur.

22, 6. 24, 8. Adoption durch Speerreichung (Gairethinx) auch bei Paul. Diac., Hist. Langob. I. 15, angedeutet. 862

Vgl. S. 62 f.

BRUNNEB, i. d. Histor. Aufsätzen zum Andenken an WAITZ, 61,

und bei HOLTZENDOBFF, Encykl. 2 5 9 . WACKERNAGEL, Die Lebensalter 5 6 . STOBBE, Aufheb. d. väterl. Gew. 7 ff. 858 Unter Germanen also nur im Falle einer Muntehe. War der Mann ein Römer, so mußte er die Munt des Vaters oder sonstigen Muntwalts zwar ablösen, aber ohne dieselbe für sich zu erwerben. Hier wirkte die Trauung demnach unmittelbar als Emanzipation, während sie bei der Muntehe der Hingabe in Adoption entsprach. Vgl. Ed. Liutpr. 127. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 20. Der Übergang in eine getrennte Haushaltung war übrigens bei der heiratenden Tochter, im Gegensatze zum Sohn (vgl. L. Wis. IV. 2, 18) nicht noth wendig; der Tochtermann konnte auch zum Schwiegervater auf den Hof ziehen, ohne seine eheherrliche Gewalt dadurch zu verlieren. 854

V g l . HEDSLEE, I I . 441.

Vgl. S. 62, N. 80. L. Rom. Cur. 22, 6. 24, 8. Westg. Antiqua 321. HEUSLEB, II. 435 ff. und BRUNNER, RG. I. 76 ff. machen mit Recht darauf aufmerksam, daß die Waffenreichung an sich kein Emanzipationsakt war, sondern nur wie das Schcren der Hare (capillatwriae) häufig mit demselben verbunden wurde. Vgl. Anm. 359. 345 Vgl. HEUSLEB, I I . 4 3 8 f. Westg. Antiqua 3 2 1 .

§ 35.

Das Privatrecht.

313

die heiratende Tochter empfing, einen wesentlichen Bestandteil des Emanzipationsaktes 3 5 6 . Teilung des H a u s v e r m ö g e n s wurde wohl vielfach damit verbunden, eine rechtliche Verpflichtung des Vaters bestand aber in dieser B e z i e h u n g nicht, er konnte die T e i l u n g auch später vornehmen oder die Ganerbschaft bis zu seinem Tode fortbestehen lassen 3 5 7 . Der Eintritt der Volljährigkeit bewirkte die A u f h e b u n g der väterlichen Gewalt n i c h t 3 6 8 , es scheint aber, daß volljährige Söhne, wenigstens w e n n sie eigentümliches V e r m ö g e n besaßen, ihre Entlassung aus derselben beanspruchen k o n n t e n 3 5 9 . N a c h dem Tode des Vaters war die Kegel, daß sein nächster mündiger S c h w e r t m a g e , in erster Reihe also der älteste Sohn, die V o r m u n d s c h a f t über die Witwe, die minderjährigen Söhne und die unverheirateten Töchter übernahm360. Die W i t w e konnte unter gewissen Voraussetzungen wieder 356 Vgl. Anm. 359. S. 64, N. 88. S. 296 ff. Form. Wis. 34. STOBBE, Aufhob, der väterl. Gewalt 6. 36 ' Die Teilung des Vaters mit den Söhnen betreffen L. Baiw. 1, 1 und L. Burg. 1, 1 f. 24, 5. 51, 1. 75, 1 f. 78, 1. Vgl. S. 263. Wo die Aussteuer keine Erbabfindung war (vgl. S. 297, N. 256. SOHM, a. a. 0 . 345, N. 29), ist natürlich an eine mit der Emanzipation verbundene Teilung nicht zu denken. 358 Anderer Meinung KRAUT, II. 590 ff. und hinsichtlich der Angelsachsen YOUNG, a. a. O. 160 ff. (anders 157 hinsichtlich der festländischen Stämme). 359 So wenigstens bei den Pranken. Vgl. v. SALIS, i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 164. Erstes sal. Kapitular, c. 8 (IiEHREND, S. SL): Si tarnen adhuv fllii parooli sunt, usque ad perfectam aetatem res uxores anteriores vel dotis causa liceat iudicare, sie vero ut de has nec vendere nec donare praesummat. Daß damit nicht schlechthin der Eintritt der Volljährigkeit gemeint ist, zeigt die Gegenüberstellung des puer infra duudecim annos und des puer crinitus in L. Sal. 24: der 12 Jahre alt gewordene Knabe ist volljährig, braucht aber damit noch nicht die capillaluriae erhalten zu haben. Über die letzteren, die, zusammen mit der Wehrhaftmachung, der Emanzipation entweder vorangingen oder unmittelbar mit ihr verbunden wurden, vgl. S. 64. BRUNNER, RG. I. 78. Verbindung mit der Emanzipation zeigt II. sal. Kapitulare c. 2 (De chane ctieudo): Si quis pater aut parentis, quando filiarn suam ad rnarito donat, quantum ei in nocte illa quamlibet rem donavit, toto extra partem incontra fratres suos vindicet. Similiter quando filius suws ad capillaturias facit, quiequid ei donato fueril, extra parte hoc teneat, et reliquas res equali ordine inter se dividant. Karl der Kahle, der 823 geboren war, empfing 838, als er nach dem Recht seines Hauses volljährig geworden war, von seinem Vater Ludwig arma et coronam neenon et qnandam portionem regni und wurde darauf in den ihm überwiesenen Teil des Reiches zur Übernahme der Regierung entsendet (Nithardi hist. I. 6). Also Eintritt der Volljährigkeit, Wehrhaftmachung, Aussteuer und Absonderung vom Hause des Vaters in unmittelbarer Folge. Vgl. SOHM, a. a. 0 . 342f. Vgl. übrigens Westg. Antiqua 321 (L. Wis. IV. 2, 13) und Form. Wisig. 34. 360

Über die Vormundschaft vgl. KRAUT, a. a. 0. I. 110 ff., 166 ff., 286 ff., II. 3 ff., 266 ff. KIVE, Gesch. d. deutsch. Vormundschaft I. (a. u. d. T. Die Vormundschaft i m R e c h t e d e r G e r m a n e n ) . HEUSLER, I I . 4 8 0 ff. BRUNNER, i n HOLTZENDORFF'S E n c y k l o p ä d i e 260. PERTILE, a. a . O. I I I . 3 4 7 ff. YOUNG, a . a . 0 . 180 ff. KÖNIGSWARTER,

Organisation de la famille 143 ff. OSENBRÜGGEN, Strafrecht der Langobarden 80 ff. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterr. I. 1—10. HEISE U. CROPP, Jurist. Abhandlungen 1. 2 9 1 ff. SCHÖPFER, a . a . 0 . 1 7 0 ff. BLUHME, i. d. Z e i t s c h r . f. R G . X I . 3 7 5 ff. DAHN,

Westg. Studien 128 ff. GAÜPP, Recht u. Verf. d. alten Sachsen 150 ff. WINKLER, Die Geschlechtsvormundschaft in ihrer geschichtl. Entwickelung (Züricher Dissertation, 1868) 24 ff. WEINHOLD, Deutsche Frauen I. 193 ff., II. 39 f.

314

Die fränkische Zeit.

Vinter die Munt ihrer Blutsverwandten zurückkehren 361 . Bei den Burgundern und Gothen, die eine Geschlechtsvormundschaft über Witwen nicht mehr kannten, hatte die Mutter für die Dauer ihres Witwenstandes eine gewisse Gewalt über die Kinder, die vielleicht keine eigentliche Vormundschaft war, jedenfalls aber die Vorsteherschaft im Hause (kraft des Beisitzrechtes), sowie das Erziehungs- und Ehebewilligungsrecht umfaßte 362 . Daß dabei römischrechtliche Einflüsse mitgewirkt haben, ist allerdings wahrscheinlich, aber auch bei einigen anderen Stämmen scheint der im Beisitze befindlichen Mutter die Verwaltung und Nutzung des Hausvermögens gebührt zu haben 383 , so daß der Vormund hier im wesentlichen auf die Vertretung nach außen beschränkt war, während ihm sonst die volle Gewere am Mündelgute, also eine tutela usufructuaria, zustand 364 . Bei Vergehen des Mündels ging die Klage gegen den Vormund, er haftete für die Buße, wenn auch zunächst nur mit dem Mündelgute 366 ; ebenso galt er bei Vergehen gegen das Mündel als der Verletzte und hatte daher die Buße einzutreiben 366 ; war er selbst der Beschuldigte, so klagte die Sippe oder, wenn es daran fehlte, ein vom Richter berufener Vormund gegen ihn 367 . Dagegen machte sich in Civilsachen der Mangel einer prozessualischen Stellvertretung geltend, indem der Minderjährige weder für sich, noch durch den Vormund als seinen Vertreter klagen oder verklagt werden konnte, Prozesse für oder gegen ihn daher bis zum Eintritt der Volljährigkeit ruhen mußten 368 . Dagegen besaßen großjährige Personen, die einer Munt unterworfen waren, im Beistande ihres Vormundes die 341 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. geschäfte der Frauen 58 f. 8,2 Vgl. Anra. 378. L. Wis. III. 85, 1. Prokop. Bell. Goth. I. 2. Die Mutter an, dagegen vgl. HEUSLER, II. 363

3, N. 12. 29. 48, N. 8.

ROSIN, Veräußerungs-

1, 6, 7. IV. 2 , 13. 3, 3. L. Burg. 59. 74, 2. meisten nehmen wirkliche Vormundschaft der 433, 494, und unten Anm. 380.

V g l . G e s c h . d . e h e l . G ü t e r r . I . 5, N . 2 4 .

HEUSLER, I I . 2 9 8 f., 4 8 6 .

HÄBKRLIN,

System. Bearbeitung der inMEiCHELBECKS Hist.Fris. enthaltenen Urkundensammlung,225. 3,4 Vgl. KRAUT, II. 55 ff. HEUSLER, II. 486. L. Burg. 85, 2: proximus parens res minorum revocare debet ea conditio ne, ut, qualiter sua facultas proflcit, sie et res minorum eius utilitati proficiant. 365

V g l . KRAUT, I. 3 4 3 FF.

366

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 4. KRAUT, I. 329 ff., 363 f. Hatte man dabei früher wohl keinen weiteren Unterschied gemacht, so wies das Recht unserer Periode dem Vormunde nur noch die Bußen für Verletzungen, die sein vormundschaftliches Recht betrafen, z u , während alle anderen dem Mündel zu gute kamen. Vgl. § 3 6 , Anm. 2 8 , 3 1 , 3 2 . 367 Vgl. Anm. 382. 368

V g l . Cap.

legi Sal. add.

v.

819

c.

5 (BORETIUS 2 9 3 ) .

L.

Rib. 81.

KRAUT,

I. 362 ff., 416. Uin Mißbräuchen vorzubeugen, bestimmten Ludwigs d. Fr. Cap. legibus add. von 829 c. 4 , daß bei Eviktionsklagen gegen Unmündige der Vater oder Vormund die prozessualische Vertretung übernehmen, überhaupt die Suspension des Rechtsverfahrens gegen Unmündige auf Klagen wegen ihres ererbten elterlichen Vermögens beschränkt bleiben solle. Ed. Liutpr. 75 gestattete die Erhebung einer Klage gegen Minderjährige auf Grund einer unter Zuziehung der Sippe vorgenommenen causae cognitio des Richters.

§ 35.

Das Privatrecht.

315

369

volle Prozeßfähigkeit . Derselbe Unterschied in der Behandlung der minderjährigen und großjährigen Bevormundeten zeigte sich bei den Verfügungen über ihr Vermögen. Da der Vormund nicht einseitig über dasselbe verfügen durfte 370 , so vermochte er dies auch nicht mit der Zustimmung seines Mündels, solange dasselbe minderjährig war 371 ; bevormundete Großjährige dagegen waren nur relativ (d. h. dem Vormunde gegenüber) geschäftsunfähig, während sie unter Mitwirkung des Vormundes die volle Verfüguugsfähigkeit besaßen 372 . Über die Person des Mündels übte der Vormund eine gewisse Strafgewalt 373 , doch machte sich hier wie in anderen Dingen mehr und mehr eine Verminderung der vormundschaftlichen Befugnisse geltend 374 . Für das männliche Geschlecht endigte die Vormundschaft mit dem Eintritt der Großjährigkeit, ohne daß es wie bei der väterlichen Gewalt noch eines besonderen Entiassungsaktes bedurfte 376 . Für die Mädchen dauerte die Vormundschaft als Geschlechtsvormundschaft fort 370 , dieselbe war aber bei einzelnen Stämmen schon in dieser Periode auf das äußerste abgeschwächt 377 . Witwen unterlagen bei den Burgundern und Gothen überhaupt keiner Vormundschaft mehr 378 . Die Vormundschaft in der hier geschilderten Gestalt ist erst aus einer Umbildung der das älteste Recht beherrschenden Gesamtvormundschaft 369

V g l . KRAUT, I . 3 6 8 , 3 7 7 .

RIVE, I . 2 3 4 .

370

Vgl. L. Burg. 85, 2, 3. L. Wis. IV. 3, 3. 371 Vgl. S. 253. In Notfällen konnte der Richter dem Minderjährigen die Erlaubnis zur Veräußerung erteilen, so wenigstens nach Ed. Liutpr. 149. 372 Vgl. Anm. 20. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 5, N. 26—28. HEUSLKB, II. 510f. KRAUT , I I . 7 f. Das beneventanische Gewohnheitsrecht verlangte für die Veräußerungen von Jungfrauen und Witwen dieselben Förmlichkeiten, die Liutprand für Ehefrauen eingeführt hatte. Vgl. Anm. 325. ROSIN, a. a. 0 . 16, N. 41. 60 ff. 373

374

V g l . KRAUT, I . 2 9 3 FF., 2 9 7 .

Nur die vom Bruder geübte Vormundschaft blieb noch länger der väterlichen Gewalt gleichgestellt. Vgl. Anm. 343. Ed. Roth. 195—197. Liutpr. 12, 81. L. Burg. 66. 875 v g l . S. 253. Wenn König Gunthram seinem Neffen Childebert II., nachdem derselbe zu seinen Jahren gekommen w a r , einen Speer übergab (Greg. Tur., Hist. Franc. 7, 33), so bezog sich dies nicht auf die erreichte Mündigkeit, sondern auf die Übertragung der Herrschaft. Vgl. S. 109. Für gerichtliche Angelegenheiten konnte sich der zu seinen Jahren gekommene Jüngling noch unter einen Defensor stellen. Vgl. Anm. 15. MG. lieg. IV. 593, § 27. 376 Es ist nicht richtig, mit RIVE einen prinzipiellen Unterschied zwischen Alters- und Geschlechtsvormundschaft zu machen, die Gegensätze beruhten vielmehr einzig auf dem Umstände, daß die erstere eine Munt über Minderjährige, die letztere eine solche übur Volljährige war. Durch die Eingehung einer rechtmäßigen Ehe trat die Frau in die Munt ihres Mannes und nach seinem Tode in die seiner Familie über, während ihre Blutsfreunde die Obervormundschaft behielten. Bei einer Ehe ohne Munt blieb die ursprüngliche Vormundschaft des geborenen Vormundes unberührt. Vgl. S. 293. Ed. Roth. 188. 377 Über die Aufhebung des Heiratszwanges vgl. Anm. 343. Bei den Westgotken war die Geschlechtsvormundschaft zum bloßen Verloberrecht (S. 287 f.) zusammengeschrumpft. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 4, 7. 378 L. Burg. 52, 3. L. Wis. I I I . 4, 2, 7. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 2.

316

Die fränkische Zeit.

der Sippe hervorgegangen, indem das von dieser mit der Verwaltung betraute Mitglied allmählich aus einem Organ der Sippe zum geborenen Vormunde geworden ist 379 . Die Gesamtvormundschaft findet sich noch bei den Angelsachsen, bedeutende Spuren derselben lassen sich aber auch in dem norwegischen und dänischen Rechte und ganz besonders bei den salischen Franken nachweisen, bei denen die verschiedenen vormundschaftlichen Funktionen teils verschiedenen einzelnen Organen überwiesen, teils der Gesamtheit der Sippe vorbehalten waren 380 . Bei den übrigen Stämmen war die ehemalige Gesamtvormundschaft zu einer Obervormundschaft zusammengeschrumpft, kraft deren die Verwandten nicht nur bei besonders wichtigen Angelegenheiten, wie Familiengerichten, Eheschließungen, Immobiliarveräußerungen, dem Vormunde zur Seite traten 381 , sondern auch dem Mündel einen Schutz gegen Übergriffe des Vormundes gewährten, unter IJmständen sogar die Absetzung desselben als „Balmunt" erzwingen konnten 382 . Hatte der geborene Vormund die Übernahme der Vormundschaft abgelehnt, wozu er berechtigt war383, so trat die Sippe statt seiner ergänzend ein. Mit der zunehmenden Lockerung des Sippeverbandes trat die königliche Obervormundschaft in den Vordergrund. Witwen und Waisen wurde allgemein ein höherer Schutz, auch gegen den eigenen Vormund, eingeräumt 384 , familienlosen Personen die Aufnahme in die Königsmunt ermöglicht 386 . Auch finden sich bereits einige Ansätze, solchen Schutzbedürftigen, die keinen geborenen Vormund hatten, einen vom Richter gekorenen Vormund zu bestimmen 386 . Im allgemeinen ist es dazu aber 3,9

V g l . BRUNNER, D R G .

I.

8 9 f.

HEUSLEE, I I .

485.

GIERKE,

Genossenschafts-

recht I. 22. AMIBA, Erbenfolge 84, 207 f, 880 Über die Pranken vgl. besonders PICKER in der Anm. 239 angeführten Abhandlung 49 ff. (Mitteil. d. Inst. f. österr. Gesch.-Forsch. Erg.-Bd. II. 503 ff.). Vielleicht wird sich von diesem Gesichtspunkte aus ein besseres Verständnis für Reipus und Achasius (S. 291) erschließen. Auch der vormundschaftliche Beisitz der Witwe (S. 314) ist wohl als ein Rest der ehemaligen Gesamtvormundschaft anzusehen. 381 Vgl. Anm. 325, 372. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 3. KRAUT, I. 295 f. ROSIN, a. a. 0 . 45, 58, 67 f. LAMPRECHT, Wirtschaftsgeschichte I. 1, 31 ff. Decr. Compendiense v. 757, c. 6 (BORETIÜS 38). L. Burg. 66. Ed. Roth. 160, 161. Liutpr. 75. Vielleicht war das exenium in Ed. Roth. 184 ebenso wie sonst das Hochzeitsmahl der Lohn für die Zustimmung der Sippe. 892 Vgl. L. Sax. 43. Ed. Roth. 182, 195—197, 202. Grim. 6. Liutpr. 120 KRAUT, I. 39 ff., 364, 397 if. Über die Bezeichnung des ungetreuen Vormundes als Balmunt

(ahd.

palemunt)

vgl.

GBIMM, R A .

466.

KRAUT,

I.

397,

N.

5.

LEXER,

Mhd.

WB.

I. 116. RICHTHOFEN, Altfries. WB. 617. Die Zulässigkeit der Absetzung des Vormundes wird von HEUSLER, II. 495 auf Grund seiner ungerechtfertigten Auffassung der Munt als eines einseitigen Herrschaftsverhältnisses bezweifelt. 383 YGJ HEUSLER, II. 486. Siehe auch die Anm. 386 angeführte Bestimmung. 384

V g l . KRAUT, I . 6 9 , 77 ff.

WAITZ, I I I . 3 1 9 f.

HEUSLER, I. 1 1 9 .

Über die acht

Bannfälle vgl. § 36. 385 Vgl. WAITZ, VG. II. 1, 330. IV. 236 f. WAITZ, Über die Bedeutung des Mundium im deutsch. Recht (s. § 11, N. 9) 378 f. Siehe auch oben S. 118. 386 v g l . Pippins Capit. Ital. v. 7 8 2 - 7 8 6 , c. 5 (BORETIUS 192).

§ 35.

317

Das Privatrecht.

noch nicht gekommen; immer hat es zahlreiche Schutzbedürftige, Minderjährige beider Geschlechter und volljährige Weiber, gegeben, um die sich, wenn sie keinen geborenen Vormund hatten und auch bei ihrer Sippe keinen Schutz fanden, niemand bekümmerte 387 . Freilich konnten solche Personen weder Veräußerungen vornehmen, noch Prozesse führen; aber wenn sie in die Lage kamen, dies tliun zu müssen, so stand ihnen der Eintritt in die Königsmunt frei 388 . Das Erbrecht 389 war nicht mehr so ausschließlich gesetzliches Erbrecht wie in der vorigen Periode, da sich neben dem der Blutsfreunde eine durch Adoption vermittelte vertragsmäßige Erbfolge ausgebildet hatte. Das gesetzliche Erbrecht hat seinen Ausgang von der unter den Hausgenossen bestehenden Vermögensgemeinschaft genommen, deren Träger und alleiniger Vertreter nach außen der Hausvater war. Der Erbe erwarb nicht ein neues Vermögen, das bis dahin dem Erblasser gehört hatte, sondern das bisher von diesem ausgeübte Verfügungs- und Vertretungsrecht ging auf den Erben über 300 . Wer durch Heirat oder Emanzipation aus der väterlichen Hausgenossenschaft geschieden war, galt als abgefunden 391, die Tochter auch dann, wenn sie eine Ehe ohne die Genehmigung ihres Muntwalts eingegangen und infolge dessen nicht in die Munt ihres Ehemannes übergetreten war 393 . Kehrte die verheiratete Tochter durch •I8' Vgl. HEUSLER, I. 119. II. 484, 486ff. Derselbe macht darauf aufmerksam, (laß auch L. Eib. 81 (Anm. 15) und die Cap. legi Sal. add. von 819 c. 5 sowie verschiedene Bestimmungen des langobardischen Edikts keineswegs ausschließlich bevormundete, sondern vielmehr in erster Reihe unbevormundete Schutzbedürftige im Auge haben. 389 Eine weitergehende Bedeutung hat auch Ed. Roth. 204 (Anm. 20) nicht gehabt.

V g l . HEUSLER, I . 118. I I . 4 8 3 f., 5 0 8 f. 389

V g l . HEUSLER, I I . 5 2 1 ff. STOBBE, H a n d b u c h V . 62 ff. GRIMM, R A . 4 6 6 FF. WALTER, D R G . I I . 2 2 9 f f . BRUNNER, R G . I . 7 9 f . , 8 3 f . ; in HOLTZENDORFF'S E n c y -

klopädie 261. GLASSON, Le droit de succession dans les lois barbares, Nouv. Revue hist. de droit franf. et etr. IX. 585 ff. KÖNIGSWARTER , Organisation de la famille 147 ff. v. AMIRA, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung nach den alt-niederdeutschen Rechten, 1874. PERTILE, a. a. O. IV. 3 ff. KAYSER, Das Erbrecht nach den Edikten der langob. Könige, Zeitschr. f. RG. VIII. 466 ff. MILLER, Das langob. Erbrecht, ebd. XIII. 38—104. GIERKE, Erbrecht und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, ebd. XII. 430 ff. PARDESSUS, Loi Salique 691 ff. (Diss. Sur la legislation des successions chez les Francs). WAITZ, Das alte Recht der salischen Franken 107 ff. LAMPRECHT, D e u t s c h e s W i r t s c h a f t s l e b e n

1. 1 ,

14—45.

ROSIN, C o m m e n t a t i o

ad

ti-

tulum Leg. Salicae 59 „De alodis", Breslauer Diss., 1875. DARGÜN, Mutterrecht und Raubehe 60 ff. YOUNG, i. d. Essays of anglosaxon law 127 ff. GAUPP, Recht und Verfassung der alten Sachsen 159 ff. GAUPP, Das alte Gesetz der Thüringer 339 ff. DAHN, Westgoth. Studien 131 ff. WEINHOLD, Deutsche Frauen I. 209 ff. LABOULAYE, C o n d i t i o n d e s f e m m e s 86 ff. EICHHORN, S t . u. R G . I . 3 7 1 ff. ZÖPFL, R G . § § GRIESINGER b e i DANZ, H a n d b . d . d e u t s c h . P r i v . - R . X . 1 8 2 3 . 390

391

V g l . HEUSLER, I I . 528.

112 ff.

AMIRA, a . a. 0 . 186, 2 0 1 .

Vgl. L. Burg. 1, 2. Ed. Roth. 181. Liutpr. 4. 392 Vgl. Ed. Liutpr. 5 (Gesch. d. ehel. Güter. I. 5, N. 25 misverstanden), 119. L. Angl, et Wer. 47. L. Wis. III. 2, 8. 4, 7. Die Burgunder verhängten die gleiche Strafe über die wider den Willen ihrer Eltern mit einem Burgunder vermählte

318

Die fränkische Zeit.

Rückkauf (mundii liberatio) oder aus anderen Gründen in ihre angeborene Munt zurück, so lebte ihr Erbrecht wieder auf, sie war aber kollationspflichtig 393 . Die Ausbildung des Hauserbrechts zu einem Erbrecht der Sippe hat sich im allgemeinen noch vor der Aufzeichnung der Volksrechte vollzogen. Der ältere Zustand tritt noch im friesischen Rechte hervor: die Lex Prisionum kennt nur ein Erbrecht der engeren Familie ; fehlt es an dieser, so tritt der Fiskus ein 394 ; das friesische Recht des Mittelalters gesteht zwar auch den Magen ein Erbrecht zu, die Quellen sprechen hier aber von unwena lawa (inopinata her éditas), auch muß die Erbschaft durch eine Abgabe an den Asega, also wohl eine ursprünglich fiskalische Abgabe, erkauft werden 396 . Auch das salische Recht läßt die schrittweise erfolgte Entwickelung des Erbrechts noch deutlich erkennen 396 . Während die übrigen Yolksrechte zwischen Mobiliar- und Immobiliarerbrecht nur insofern unterschieden, als sie bei dem letzteren vorzugsweise die männliche Verwandtschaft berücksichtigten, kannte die Lex Salica nur ein Mobiliarerbrecht, der Grundbesitz ging nur auf die Söhne über und unterlag, wenn es an solchen fehlte, bei Sal- oder Herrengütern dem Heimfallsrecht des Königs, bei Bauergiitern dem der Gemeinde 397 . Auch nachdem Chilperich die bäuerliche Erbfolge auf Töchter, Brüder und Schwestern ausgedehnt hatte, muß es immerhin noch längere Zeit gedauert haben, bis die seit dem achten Jahrhundert bezeugte Unterwerfung des bäuerlichen Besitzes unter das gemeine Erbrecht zur Anerkennung gelangte 398 . Für Römerin (L. Burg. 12, 5) und können daher ihre Volksgenossinnen jedenfalls nicht milder behandelt haben. Dieselben Grundsätze wurden von den Nordgermanen und den deutschen Rechten des Mittelalters befolgt. Vgl. K r a u t , Vormundschaft I. 320 ff. W i l d a , ötrafr. d. Germ. 801, Weinhold, Deutsche Frauen I. 307. Lehmann, Verlobung und Hochzeit 47. Amira, a. a. 0. 70 f. 39 -' Vgl. Ed. Roth. 195, 196, 199, 200. Grim. 6. Liutpr. 130. 394 Vgl. L. Fris. 19, 2: Si quis frai-rem suum occident, solval eurn proximo heredi: sive filiurn aut filiam habuerit, aut si neuter horum fuerit, solval patri suu vel malri suae, vel fratri, vel eliam sorori sitae, quod si nec una de his personis fuerit, solvat eurn ad partem regis. 395 Vgl. Amika, a. a. 0. 166 ff. 399 L. Sal. 59, § 1: Si quis mortuus fuerit et ßlios non dimiserit, si mater sua superfuerit, ipsa in hereditatem succédât. § 2. Si mater non fuerit, et fratrem aut sororem dimiserit, ipsi in hereditatem succédant. § 3. Tune si ipsi non fiierint, soror matris in hereditatem succédât. § 4. Et inde de Ulis generaikmibus, quicumque proximior fuerit, ille in hereditatem succédai. § 5. De terra vero nulla in muliere hereditas non perlinebit, sed ad virilem sexum, qui fratres fuerint, tota terra perteneat. 397 Vgl. S. 201. Siehe auch Anm. 419. 398 Vgl. Ed. Chilper. 3: ut quicwmque vicinos hahens aut ßlios aut filias posl obitum suum mperstitutus fuerit, quamdin ßlii advixerint, terra haheant, si eut et lex Salica habet, et si subito ßlios defuneti fuerint, filia simili modo aeeipiant terrae ipsas, sicut et ßlii, si vivi fuissent, aut hahuissent. et si moritur, frater alter superstitutus fuerit, jrater terras aeeipiant, non vicini. et subito frater moriens frater non dereliquerit superstilem, tunc soror ad terra ipsa accédai possidenda. Der Vater wird unter den Erben nur (leshalb nicht erwähnt, weil (1er Gesetzgeber

§ 35.

Das Privatrecht.

319

Salgüter kam zwar, wie die jüngeren Textesklassen des Volksrechts erkennen lassen, die Beschränkung auf die Descendentenerbfolge noch in der merovingischen Zeit außer Gebrauch, aber dem weiblichen Geschlecht blieben gleich den burgundischen Krongutschenkungen u n d den Edelgütern (edel) der Angelsachsen und Friesen auch die Herrengüter der Salier dauernd verschlossen 399 . Den übrigen Volksrechten war die völlige Ausschließung des weiblichen Geschlechts von der Erbfolge in den Grundbesitz von vorn herein unbekannt; nur einen relativen Vorzug der Schwertseite vor der Spindelseite ließen sie eintreten. Am weitesten ging hierin das thüringische Recht, das über die Immobiliarerbfolge bestimmte: Usque fid quintam ¡jenerationem paterna gerieratio xuccedat. post quintam autem filia ex tnto, sine de patris sine matrls parte, in hereditatem xuccedat, et tiinc demurn hereditas ad fiisum a lancea transeat*00. Ähnliche Grundsätze m u ß das alamannische und friesische Recht befolgt haben 4 0 1 , während die Ribuarier nur bei Stammgütern die gleiche Strenge beobachteten 4 0 2 . Alle anderen Stämme ließen sich daran genügen, unter gleich nahen Erben dem männlichen Geschlecht, sei es überhaupt sei es in Betreff des Grundbesitzes, den Vorzug vor dem weiblichen zu gewähren 4 0 3 . Eine Ausnahme machte die der weiblichen Verwandtschaft vor behaltene Gerade, der das nur im Mannsstamme vererbliche Heergewäte gegenüberstand 4 0 4 . Die Hausgenossenschaft des ursprünglichen Erbenkreises war auf die in derselben Munt vereinigten Personen beschränkt. Sie umfaßte außer den Kindern insbesondere die unverheiratet im Hause verbliebenen oder als Witwen in dasselbe zurückgekehrten Familienangehörigen weiblichen Geschlechts, Töchter und Schwestern 4 0 5 , die Mutter 40 " 5 , hier und da auch die Schwestern des Vaters oder der M u t t e r 4 0 ' . Wenn die Söhne nach ihn bereits als verstorben voraussetzt, da der Erblasser im gewöhnlichen Laufe der Ding-e nur durch die Beerbung seines Vaters zu eigenem Grundbesitz kommen konnte. 4110 Vgl. Anm. 122. § 28, N". 63, N. 81. S. 210, N. 12. L. Angl, et Wer. 34. 401

V g l . STOBBE,

V . 8!» f .

A M I R A , a. a . . 1 5 2 .

HUBER, a. a. O . ( A n m . 2 4 5 ) 29, 4 0 .

402

Ii. Rib. 56, 4. Als Stammgut galt der bereits auf die zweite Generation vererbte Besitz, terra aviatica. 40:1 Ganz aufgehoben ist der Unterschied der Geschlechter in der L. Wis. I V . 2, 1. 5. 404 Vgl. S. 297 f. 405 Wenn das langobardische Recht die unverheirateten Schwestern den 'Kontern im Erbrecht gleichstellte (Roth. 160. Liutpr. 4, 145), so kann sich dies nur von den nach des Vaters Tode in die Munt der Brüder getretenen Schwestern verstehen (vgl. Liutpr. 5). Darum waren verheiratete Schwestern von diesem Toclitererbrecht ausgeschlossen (Liutpr. 3). Das Tochtererbrecht der Schwestern entsprach dem Muntwalterbrecht des Bruders (Roth. 187 f., 215), das erst durch Liutpr. 14 zu Gunsten der Schwestern abgeändert wurde. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. I. 5 f. MILLER, a. a. (). 6 4 f. 400

18."> f . 407

Vgl. L. Sax. 42.

MG. Leg. IV. 605.

K R A U T , a. a . . 1. 1 8 7 f .

GRIMM,

RA.

Gesell, d. ehel. Giiterr. I. 2 , N . 11, ^52.

Bei den salischen Franken, die noch in gewissem Grade an der Gesamtvormundsebaft der Sippe (S. 316) und zur Zeit der Lex Salica auch noch an gewissen lleminiscenzen des Mutterrechts festhielten (vgl. Anm. 414), wurde die (unverheiratete)

320

Die fränkische Zeit.

ihrer Verheiratung in der Were des Vaters blieben, so erstreckte sich die Hausgenossenschaft auch auf die von ihnen begründete Familie 408 . Auch nach dem Tode des Vaters wurde die Hausgemeinschaft unter den Brüdern, selbst wenn sie verheiratet waren, nicht selten fortgesetzt 409 . Man erkennt unschwer in diesen Ganerbenverhältnissen den Ausgangspunkt für die Ausbildung eines die Grenzen der Familie überschreitenden Magenerbrechts, das damit zunächst notwendig auf die Schwertmdlgen beschränkt war, da die verheirateten Töchter, auch wenn ihr Ehemann den Haushalt des Schwiegervaters teilte, nicht unter der Munt des Vaters standen und darum mit ihren Kindern nicht mehr zu der engeren Familie gerechnet wurden 410 . Der nächste Schritt zur Ausbildung eines wahren Erbrechts bestand darin, daß man das Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft aufgab und auch die aus der Were geschiedenen Familienangehörigen teils unbedingt, teils wenigstens subsidiär zur Erbschaft gelangen ließ 411 . Die natürliche Folge dieser Ausgestaltung des deutschen Erbrechts war die Sonderung der Erben in den aus der Hausgemeinschaft hervorgegangenen engeren Erbenkreis und den weiteren Kreis der zur Erbschaft berufenen Magen 412 . Der engere Erbenkreis umfaßte die an sieh gleich Mutterschwester noch zur engeren Familie gerechnet (vgl. Anm. 396), während ihr die Vaterschwester erst durch L. Rib. 56, 3 und die späteren Texte der Lex Salica zur Seite gestellt wurde. Bei den Langobarden war für die unverheiratete Vaterschwester ursprünglich sehr schlecht gesorgt, bis Ed. Aist. 10 sie im wesentlichen den Schwestern gleichstellte. 408 Vgl. S. 312. BBÜNNER, RG. I. 78, N. 57. Ed. Grim. 5 gedenkt des in sinu avi verbliebenen Enkels von einem in sinu avi gestorbenen Sohne. 409 Vgl. Anm. 82. Ed. Roth. 167. Liutpr. 70. Lothars Capit. Glonn, von 825, c. 6 (BOBETIÜS 3 3 0 ) . Cap. legib. add. von 818, c. 6, c. 11 (ebd. 282 f.). MEICHELBECK, Hist. Fris. I. 2, 291, Nr. 555 (831), BBUNNEB, RG. I. 78. 410 Vgl. Anm. 353. 411 So hob Liutprand für Töchter unter sich und Schwestern unter sich den Unterschied zwischen verheirateten und unverheirateten vollständig auf (Liutpr. 2, 3, 14), während zur Konkurrenz mit (verheirateten oder ledigen) Töchtern nur unverheiratete Schwestern (sorores in capillo) zugelassen wurden (Liutpr. 3, 4). Den Vortritt des Haussohns vor dem emancipatus hielt noch Lib. Pap. Roth. 153, Glosse § 1 (MG. Leg. IV. 318) aufrecht. Bei den Franken unterlagen die aus der /Were geschiedenen Söhne und Töchter bei Ausübung ihres Erbrechts nicht 'einmal einer Kollationspflicht. Vgl. IL sal. Kapitular c. 2 (Anm. 359). 4,2 Das Verdienst, diese Sonderung mit besonderer Schärfe hervorgehoben und begründet zu haben, gebührt AMIBA, a. a. O., und BBUNNEB, Sippe und Wergeid nach niederdeutschen Rechten, Zeitschr. f. RG. XVI. 1—87. Im übrigen ist über die höchst bestrittene Frage der altdeutschen Erbfolgeordnung außer der Anm. 389 angegebenen Litteratur zu vergleichen: SIEGEL, RG. 319 f., 383; Die germanische Verwandtschaftsberechnung, 1853. WASSEBSCHLEBEN, Das Prinzip der Successionsordnung, 1860; Die germanische Verwandtschaftsberechnung und das Prinzip der Erbenfolge, 1864; Das Prinzip der Erbenfolge nach den älteren deutschen und verwandten Rechten, 1 8 7 0 . L E W I S , i. d. Krit. Viertelj.-Schr. f. RW. IX. 2 3 — 6 7 , XIV. 1 — 4 4 , XVII. 4 0 0 ff. R I V E , i. d. Jahrb. d. gem. deutsch. Rechts VI. 1 9 7 ff. BLÜHME, Omnis parentilla, i. d. Bonner Festgruß für HOMEYER, 1 8 7 1 , S. 3 — 1 8 . PAPPENHEIM, Launegild u. Gairethinx (GIERKE, Untersuchungen XIV.) 54 ff. Den Nachweis der

§ 35.

321

Das Privatrecht.

nahen Verwandten des ersten Gliedes, im allgemeinen in folgender Rangordnung: 1. Söhne, 2. Töchter, 3. Vater, 4. Mutter, 5. Bruder, 6. Schwester 413 . Im einzelnen bestehen hier freilich manche Dunkelheiten und Verschiedenheiten, auf die aber kein großes Gewicht zu legen ist 414 . Sehr beParentelenordnung im anglo-normannischen und altfranzösischen Recht haben geführt BRUNNER, Das anglonormannische Erbfolgesystem, 1869, und KOHLER, Zur Lehre von der Parentelenordnung (Gesammelte Abhandlungen aus dem Civilrecht, 1883, S. 341 ff., zuerst abgedruckt i. d. Zeitschr. f. franz. Civilrecht VI. 171 ff.). Vgl. AMIBA, a. a. O. 95 ff. Für die Parentelenordnung des Sachsenspiegels: HOMEYER, Die Stellung des Sachsenspiegels zur Parentelenordnung, 1860. 413 Vgl. L. Sal. 58, 59 (Anm. 396). L. Kib. 56. I. sal. Kapifc. c. 7. L. Alain. 57, 95. L. FriB. 19 (Anm. 394). L. Sax. 41 f., 44—46. L. Angl, et Wer. 26—34. L. Burg. 14, 1, 2. 24, 3. 51, 2. 53. 75. 78. Eine sehr wertvolle Arbeit eines langobardischen Juristen au3 dem Anfange des 11. Jahrhunderts, Quaestiones ac monita (MG. Leg. IV. 590 ff.), behandelt § 4 die Successio lege Salica, § 31 die Successio ex lege Langobarda. Außerdem ist von hervorragendem Wert der Glossen- und Formelapparat nebst der Expositio in Lib. Pap. Roth. 153 (MG. Leg. IV. 317—323), sowie ein Tractatus de ordine successionü ah intestato secundum ins Langobardicum (MG. Leg. IV. 605). Hinsichtlich des nordgermanischen Rechts vgl. u. a. MAURER, Island 329 ff. KOLDERUP-ROSENVINGE, Dan. RG. (übers, v. HOMEYEB) 30, Note b. 414 Bestritten ist namentlich die Erbenreihe der Lex Salica (Anm. 396), deren älteste Textforro als Mobiliarerben die Kinder (fiIii), sodann Mutter, Bruder, Schwester und Mutterschwester, als einzige Immobinarerben aber die Söhne nennt. Während die meisten Ausleger einen bloßen Redaktionsfehler annehmen und in Übereinstimmung mit den jüngeren Texten des Volksrechts, sowie L. Rib. 56, 2, 3 den Vater (vgl. auch Gesch. d. ehel. Güterr. I. 169, N. 6) und die Vaterschwester einfach ergänzen, nehmen insbesondere DARGUN, a. a. O. 62 ff. und HEUSLER, II. 521 ff. das Gesetz wörtlich und erkennen darin einen deutlichen Rest des ehemaligen Mutterrechts. Das letztere (vgl. S. 59 f.) faßte den Oheim und nicht den Vater als das Haupt der Familie auf.' Neuerdings hat OSTHOFF (Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache u. Litteratur, her. v. PADL und BRAUNE, XIII. 447 ff.) festgestellt, daß Oheim in sämtlichen arischen Sprachen die Bedeutung Großvater hat. Hätte die Lex Salica statt oder neben der Mutterschwester den Mutterbruder genannt, so wäre das Mutterrecht unverkennbar; seine Nichterwähnung bricht der Sache die Spitze ab. Ich kann eine Spur des Mutterrechts nur darin erkennen, daß außer der Vaterschwester auch die Mutterschwester zur engeren Familie gerechnet wurde (vgl. Anm. 407), im übrigen schließe ich mich der Auffassung an, daß Vater und Vaterschwester nur aus Versehen oder als selbstverständlich ausgelassen sind. Bestärkt werde ich in dieser Auffassung durch L. Angl, et Wer. 28, 29, wo ebenfalls nur Schwester und Mutter genannt, Bruder und Vater zu ergänzen sind. Eine ähnliche Vernachlässigung ist der Mutter im langobardischen Edikt widerfahren. Da sie hier nirgends ausdrücklich als Erbin genannt wird (wohl aber in Liutprands Notitia de actoribus regis c. 3), so hat eine am Buchstaben haftende Jurisprudenz ihr vielfach das Erbrecht absprechen wollen, erst im 11. Jahrhundert stand das mütterliche Erbrecht in der lombardischen Rechtsschule fest. Die Nichtberücksichtigung der Mutter müßte im langobardischen Recht ganz besonders auffallen, da dieses den Schwestern den Rang neben den Töchtern, später selbst der Vaterschwester den Rang neben der Schwester einräumte (vgl. Anm. 405, 407). Eine andere Eigentümlichkeit des langobardischen R«chts, die es mit dem westgothischen und den nordgermanischen Rechten teilte, war die Erbberechtigung der Kebskinder (filii naturales). Vgl. S. 293 f. Eine Eigenheit des burgundischen Rechts war es, daß der überlebende Elternteil an dem Nachlaß des Kindes nur die Leibzucht erhielt, vgl. L. Burg. 24, 3. 51, 2. 78 (nach R. SCHBÖDSB, Deutsche ßeehtsgeschichte.

21

322

Die fränkische Zeit.

stritten ist die Stellung der Enkel, überhaupt der entfernteren Descendenten. Fest steht nur, daß Enkel von vorverstorbenen Kindern im allgemeinen durch die lebenden Kinder ausgeschlossen wurden; nur bei den austrasischen Franken seit Childebert II., den Westgothen und in beschränktem Maße bei den Burgundern und Langobarden war das Repräsentationsrecht der Enkel zu gesetzlicher Anerkennung gelangt415. Es fragt sich daher nur, ob in Ermangelung von Kindern zunächst die Enkel zur Succession gelangten, wie die meisten annehmen, oder ob dieselben von dem engeren Erbenkreise ursprünglich ganz ausgeschlossen gewesen sind416. Zunächst ist es zweifellos, daß die in der Were des Großvaters (in sinu am) geborenen Sohnessöhne, da sie zu der Hausgenossenschaft gerechnet wurden, auch zu dem engeren Erbenkreise gehört haben müssen417. Indem der Langobardenkönig Grimowald für diese das Repräsentationsrecht einführte, verlieh er ihnen nicht erst das Erbrecht des Busens, das sie an sich schon besaßen, sondern erhöhte es nur zur Konkurrenzfähigkeit neben den Söhnen. Derselbe geschichtliche Entwickelungsgang ist überall, wo das Repräsentationsrecht eingeführt wurde, anzunehmen; dasselbe hatte immer ein schon bestehendes Descendentenerbrecht zur Voraussetzung, und es heißt die Dinge auf den Kopf stellen, wenn man die Ausbildung des Descendentenerbrechts als eine Konsequenz des Repräsentationsrechtes betrachtet418. Insbesondere stand das Descendentenerbrecht bei den Sachsen und salischen Franken, die erst in der folgenden Periode zur Annahme des Repräsentationsrechtes gelangt sind, fest419. Nachweisen läßt sich dasselbe 53, 1—3 statt der Leibzucht der Mutter am Ganzen Halbteilung mit den Schwertmagen des verstorbenen Sohnes). 415 Vgl. L. Burg. 75, 78 (nur für Sohnessöhne und nur bei der Konkurrenz mit Töchtern). Ed. Grim. 5 (nur für den Sohnessohn in sinu avi). Westg. Antiqua 327 (L. Wis. IV. 2, 18). Westg. Fragment 1 (7). Decr. Childeberti II. von 595, c. 1 (BOBBTIUS 15). Man übersieht gewöhnlich, daß dies Gesetz ein austrasisches Territorialgesetz war und für die Salier in Neustrien keine Bedeutung hatte. Es kann daher nicht auffallen, daß die salischen Franken während unserer Periode von einem Repräsentationsrecht der Enkel noch nichts gewußt haben. Vgl. Form. Marc. II. 10, Tur. 22, Merkel. 24, St. Amandi s. sal. Lindenbr. 12 (ROZIÈBE, Nr. 131—134). 416 Dies ist namentlich die Ansicht von AMIRA, dem PAPPENHEIM, a. a. O. 55 f. zustimmt. 4,7 418 Vgl. HEÜSLEB, II. 5 7 9 . Vgl. GIEBKE i. d. Zeitschr. f. R G . XII. 445. 419 Vgl. L. Sai. 46. Für die salischen Franken sprechen außer der Lesart des heroldischen Textes am Schlüsse von L. Sal. 5 9 (BEHREND, Lex Salica S. 78. MEBKEL, Lex Salica, Novelle 168) vor allem die Anm. 413 angeführten „Quaestiones ac monita" § 4: Si homo decesserit et reliquerit filium et filiam, equaliter succédant, et si reliquerit filium et filiam, et nepotem, filium de suo filio, equaliter succédant. Wie aus dieser Stelle, die bereits Bekanntschaft mit dem Repräsentationsrecht zeigt, folgen soll, daß Enkel allein nicht vor den Eltern successionsberechtigt gewesen seien (vgl. HEÜSLEB, II. 583.

AMIBA, a. a. O. 37 ff.), ist mir unklar.

Aus dem Mehr,

welches die Enkel von vorverstorbenen Söhnen gegenüber den lebenden Kindern konkurrenzfähig machte, folgt mit logischer Notwendigkeit auch das Geringere, ihr Vorrecht vor allen den Kindern nachstehenden Erben. Daß übrigens schon die Lex Salica das Descendentenerbrecht kannte, dürfte sich auch aus der eigentümlichen

$ 35.

Das Privatreoht.

323

420

weiter bei den Langobarden und Westgothen , vermuten m u ß man es bei den Burgundern und ribuarischen Pranken i n . W i e es bei den übrigen Stämmen gehalten ist, m u ß dahingestellt bleiben, die Wahrscheinlichkeit dürfte aber auch bei diesen dafür sprechen, daß mit der Fortbildung der Hausgenossenschaft zu einem engeren Erbenkreise gleich den verheirateten Kindern auch deren Kinder zur Berücksichtigung gelangt sind 4 8 2 . Die gleiche Entwickelung m u ß hinsichtlich der Geschwister, zumal der Brüder, und ihrer Descendenten stattgefunden haben. Lebten die Brüder in ungeteilter Gemeinschaft, so rückten, wenn ;einer von ihnen starb, dessen Kinder oder Enkel ohne weiteres an seine Stelle. Seit die Gemeinderschaft des Hauses aufgehört hatte, die alleinige Grundlage des Erbrechts zu bilden, war es von selbst gegeben, daß sich die Kinder der Geschwister als die nächsten erbberechtigten Magen unmittelbar an den engeren Erbenkreis anschlössen und allen übrigen Magen vorgingen 4 2 3 . Sie und ihre Descendenten gehörten noch derselben Generation wie der Erblasser a n , dem Knie seiner Eltern. Die ganze Sippe war ein organischer Aufbau von engeren und weiteren Familien, die m a n nach den einzelnen aufeinander folgenden Häuptern i n ihrer jeweiligen Gesamtheit als Generationen, Knie oder Parentelen zusammenfaßte 4 2 4 . D e n Beweis Wendung ad virilem sexum qui fratres faerint in L. Sal. 59, 5 (Anm. 396) ergeben. Warum genügte es dem Gesetzgeber nicht, hier wie im § 1 einfach filios zu sagen? Er wählte jene, allerdings recht ungeschickte Ausdrucksweise, um die Beschränkung der Immobiliarberfolge auf die Descendenten des ersten Gliedes anzudeuten. Vgl. Gierke, a. a. O. 442, 574. Stobbe, Handb. V. 73 f. 420 vgl. Westg. Antiqua 336 (L. Wis. IV. 2, 2j. Westg. Fragment 1 (7). Für das langobardische Recht ist Ed. Liutpr. 3 (si ipse frater neque ftlios negue filias rcliquerit, aut si habuerit et ante eum mortui aut mortuae fuerunt absque filiis filiabus, tunc sorores eins — — — succedant) entscheidend. Der Einwand von Pappenhbim, daß es sich hier nur um einen Anwendungsfall des von Grimowald eingeführten Repräsentationsrechts handle, übersieht die Beschränkung des letzteren auf die Enkel in sinu avi. Die langobardische Doktrin hat die Descendenten stets und mit voller Einstimmigkeit als die erste Erbenklasse behandelt. Vgl. Milleb, a. a. 0. 59. Gierke, bei Pappenheim, a. a. 0. 78 ff. 421 Vgl. Anm. 415. L. Rib. 12, 2. 422 Daß Ausdrücke wie filii und liberi in der Rechtssprache unserer Periode auch die entfernteren Descendenten einschließen konnten, ist unbestritten. Für das Descendentenerbrecht bei den Baiern spricht L. Baiw. 8, 20. 15, 10. 423 Vgl. 1. sal. Kapitular. c. 7 (Behbend 90): si pater aut mater desunt, frater defuncti aut certe nepos, fratris senioris ßlius. Nach Ed. Roth. 163 sollte das Vermögen eines Verwandtenmörders schon bei dessen Lebzeiten an dessen parentes proxvmi et legetimi fallen, was durch Liutpr. 17 dahin abgeändert wurde: quod nos proximos fratris appellamus, d. h. daß als proximi, unter Beseitigung der Kinder und Eltern, fortan die Brüder verstanden werden sollten; in Ermangelung von Brüdern sollten die Bruderssöhne berufen werden. Vgl. Ssp. I. 3, 3: Dit is de irste sibbe tale, die man to magen rehenet: bruder hindere unde suster hindere. 424 Am häufigsten begegnet Knie (genu, genueulum, geniculum, ags. cneow, cneoris) und generatio, bei den Sachsen Glied, (Ssp. I. 3, 3). Vgl. S. 61. Heuslek, II. 587. Amiba, a. a. O. 45, 68, 79 ff., 139. Wenn generatio zuweilen untechnisch für Sippe oder Magschaft überhaupt gebraucht wurde (vgl. L. Sal. 59, 4 und L. Angl. 21*

324

Die fränkische Zeit.

für einen derartigen Aufbau der Sippe liefert der U m s t a n d , daß man in den meisten, ursprünglich wohl in allen Stammesrechten den engeren Erbenkreis oder „ B u s e n " in die Kniezählung nicht einbegrifl', sondern als „binnen Knies" befindlich ansah 4 3 5 . Für die größere oder geringere Nähe der Verwandtschaft war demnach die Aufeinanderfolge der von dem Erblasser aufsteigenden Generationen maßgebend. Auf die noch der ersten Generation angehörigen Descendenten der Geschwister folgte die Generation der Großeltern, dann die der Urgroßeltern und so weiter bis zu der allgemein angenommenen Grenze des fünften oder sechsten Knies (jenachdem man in germanischer Weise mit den Großeltern oder in der Art des kanonischen Rechtes mit den Eltern zu zählen begann) in der aufsteigenden Linie 4 2 6 . Da aber dieselbe Verwandtschaftsgrenze auch für et Wer. 34, wo neben dem technischen ad quintam generationein untechnisch paterna generatio), so war dies in noch höherem Maße bei parentela oder parentiUa der Fall, worunter meistens die Gesamtheit der parentes (ags. maegri, cynn, alts. m&gscepi) verstanden ist (vgl. u. a. Amfra, 20 ff., 74, 101, 113). Neuerdings hat man dem Worte die technische Bedeutung in der älteren Rechtssprache ganz absprechen wollen und ist dadurch zu gewaltsamen Erklärungen gekommen. Vgl. L. Sal. 44, 9, wo den vorher in fester Rangordnung aufgezählten Reipusempfängern aus der Familie der Frau die eventuell berufenen Verwandten des Mannes in folgender Weise angereiht werden: Et si nee ipse frater fuerit, qui proximior fuerit, extra superiores nominatos singillatim dictim, secundum parentilla usque ad sextum genuculum — — aeeipiat. Wie das Wort „Heerschild" bald rein objektiv die Lehnsfähigkeit, bald subjektiv eine bestimmte Heerschildsstufe bezeichnet, so ist hier parentilla = Verwandtschaftsstufe. Dem stellt sich nun die berühmte Bestimmung Ed. Roth. 153 De gradibus cognationum zur Seite: Omnis parentilla usque in septimwm geniculum nomeretur, ut parens parenti per gradum et parentillam keres succedat; sie tarnen, ut ille qui succedere vult nominatim unieuique nomina parentum antecessorum morum dicat. Das kann nur heißen: „Alle Verwandtschaft wird (nur) bis zum siebenten Knie gezählt, so daß ein Verwandter dem andern nach Maßgabe des Grades und der Verwandtschaftsstufe als Erbe folgt, so jedoch daß der Erbprätendent für jeden (d. h. für sich und den Erblasser) die Namen seiner Vorfahren angibt." Weiterhin heißt es dann noch von dem speziellen Fall einer gegen das fiskalische Erbrecht gerichteten Erbschaftsklage, daß der Erbprätendent dicat per ordinem, quod parentilla nostra sie fuit, et illi sie nobis fuerunt parentes, quomodo nos dieimus, d. h. „daß die Stufe unserer Verwandtschaft die und die gewesen ist, und die und die unsere Vorfahren gewesen sind, wie wir angegeben haben." 426 Vgl. Amiba, a. a. O. 46 ff., 61, 80 ff., 132, 209. Gaupp, Gesetz der Thüringer 352 f. K. Maubeb, Island 327 f.; Die Berechnung der Verwandtschaft nach altnorwegischem Recht, Sitz. Ber. d. Münch. Akademie 1877, S. 235 ff. Siehe auch Anm. 426. 424 Das kanonische Recht, das statt der römischen die germanische Verwandtschaftsberechnung angenommen hatte (die Verwandtschaftsknie bezeichnete es dabei häufig mit gradus, eine Ausdrucksweise, die dann zum Teil auch in die germanischen Rechtsquellen eingedrungen ist, vgl. Stobbe, Handb. V. 66 f.), betrachtete anfangs die sechste, seit Gregor III. aber die siebente Generation, diese eingeschlossen, als die Grenze der ehehindernden Verwandtschaft. Vgl. Gregor III. an Bonifatius i. J. 732: Progeniem vero suarn quemque usque ad septimam observare decernimus generationem (Jamé, Monum. Moguntina 93). c. 1, c. 7. C. XXXV. qu. 2 u. 3. Löning, KR. d. Merovinger 555 ff. Dadurch beeinflusst erscheint die Ausdehnung der Erbberechtigung bis zur siebenten Generation in L. Baiw. 15, 10 (usque ad septimum gradum) und 5, 20 (posteri sui — — usque in septimam propinquitatemj, sowie bei den Sachsen

§ 35. Das Privatrecht.

325

die von den einzelnen Knien nach abwärts gehenden Seitenlinien maßgebend war, so muß innerhalb der letzteren wieder die größere Nähe zu dem gemeinschaftlichen Stammvater den Vorzug gegeben haben. Die deutsche Erbfolgeordnung beruhte demnach auf dem System der Parentelen- oder Linealgradualordnung* 27 . (Ssp. I. 3, 2 f.), nur daß diese, da sie die Magenzählung erst mit den Großeltern begannen, den siebenten Grad kanonischer Komputation als das sechste Glied bezeichneten. Die gemeingermanische Verwandtschaftsgrenze war aber nicht die siebente, sondern die sechste oder, nach germanischer Komputation, fünfte Generation. So ist das sechste Knie der L. Sal. 44, 9 (Anm. 424) und das fünfte Knie der L. ßib. 56, 3 und L. Angl, et Wer. 34 zu verstehen. Die Verwandtschaft umfaßte also die Generationen pater, avus, proavus, abavus, atavus, tritavus, während das kanonische, bairische und sächsische Recht auch den Vater des letzteren noch mitrechneten. Daß die Skandinavier nicht die kanonische, sondern die germanische Berechnung hatten, ist von MAURER (Anm. 425) festgestellt. Vgl. auch KOLDERUP-ROSENVINSE, Grundriß der dän. EG. (übers, v. HOMEYER) 7 3 , Note g. Die Langobarden zählten zwar usque in septimum geniculum (Roth. 153, Anm. 424), rechneten aber dabei, wie sich aus den Schriften der lombardischen Rechtsschule ergibt (vgl. Anm. 427 und MG. Leg. IV. 317) auch den Erblasser beziehentlich den Erbprätendenten mit, so daß sie thatsächlich ebenfalls nicht über das sechste Knie der Salier und das fünfte der übrigen Stämme hinausgingen. Wahrscheinlich ist gerade die inkorrekte Rechnungsweise der Langobarden der Anlaß für die Ausdehnung der kirchlichen Ehehindernisse auf den 7. Grad geworden. Die Verwandtschaftsberechnung und im wesentlichen auch die Erfolgeordnung der Lex Wisigothorum war durchaus die des römischen Rechts. 421 Die Parentelordnung wurde zuerst von MAJER, Gemeinrechtliche Erbfolgeordnung in sogenannte Stammlehen (a. u. d. T. Teutsche Erbfolge, 1. Portsetzung, 1805) S. 14 ff., und zwar aus rein inneren Gründen der sogenannten Koneanguinität, aufgestellt und hatte dann seit EICHHORN die allgemeine Zustimmung der Rechtshistoriker gefunden, bis sie von S I E G E L , WASSERSCHLEBEN und AMIBA als historisch unbegründet bekämpft wurde. Zustimmung fanden die Gegner namentlich bei GERBER, BORETIUS, K. MAURER (Krit. Viertelj.-Schr. X I . 4 1 5 f., X I I . 3 1 0 ) , MILLER, während STOBBE und L E W I S wenigstens einräumten, daß die Parentelenordnung keine allgemeine Bedeutung gehabt habe. Daß die nordgermanische Erbfolgeordnung sie nicht kennt (vgl. MAURER i. d. Krit. Viertelj.-Schr. X I . 4 1 2 ff.), beweist nichts, da die Ausbildung des Magenerbrechts erst nach der Trennung der Nord- und Südgermanen erfolgt ist; daß aber die ersteren die Struktur der Sippe nach Parentclen überhaupt gekannt haben, scheint doch fest zu stehen. Der arische Charakter dieser Ordnung erhellt u. a. aus der bei den Indern nachgewiesenen Erbfolge nach Parentelen (vgl. KOHLER, Zeitschr. f. vergl. BW. VII. 2 0 1 f.). Die entschiedensten Kämpfer für die Parentelenordnung sind BBUNNER, GIERKE, HEUSLER, HOMEYER, RIVE, BLUHME, KOHLER, v. WYSS (Über die Intestaterbrechte der östlichen Schweiz, Zeitschr. f. Schweiz. Recht IV. V.), BESELER. Entscheidend sind namentlich die Nachweise aus deutschen und französischen Quellen des Mittelalters, namentlich auch aus Kreisen, denen das Lehnswesen völlig fremd geblieben ist, so daß die Annahme von MAURER und AMIRA, daß man es hier mit lehnrechtlichen Gestaltungen zu thun habe, ungerechtfertigt erscheint. Die Gegner der Parentelenordnung stützen sich fast ausschließlich auf die namentlich in den langobardischen Quellen häufige Bezeichnung der Knie mit gradut (vgl. Anm. 426). Die proximi parentes per gradus (vgl. Ed. Liutpr. 17) sollen den Beweis liefern, daß man unter den einzelnen Knien nicht ganze Generationen oder Linien, sondern nur wie im römischen Recht Verwandtschaftsgrade verstanden habe; man habe die Zahl der Grade von dem gemeinschaftlichen Stammvater bis zum Erblasser einerseits und dem Erben andererseits in Betracht gezogen, aber nur die Grade

826

Die fränkische Zeit.

Der Unterschied der Geschlechter, von dessen Bedeutung für die Immobiliarerbfolge schon S. 318 f. gehandelt ist, war bei den Westgothen überhaupt aufgehoben, bei den ribuarischen Franken wenigstens, soweit es sich nicht um Stammgüter handelte428. Die Langobarden setzten die Tochter nur gegen den Sohn zurück, gestanden dagegen der Schwester gewisse Vorzüge vor dem Bruder; in dem weiteren Erbenkreise machten sie keinen Unterschied mehr429. Bei den übrigen Stämmen wurde, der weitere Erbenkreis durchaus von dem agnatischen Prinzip beherrscht, so daß die Spindelmagen entweder überhaupt nicht oder doch erst bei vollständigem Ausfall der Schwertmagen zur Succession gelangten, während der engere Erbenkreis bei den Saliern überhaupt keine, bei den übrigen Stämmen doch nur eine relative Zurücksetzung des weiblichen Geschlechts innerhalb der einzelnen Gruppen kannte430. In Ermangelung erbberechtigter Verwandten trat das Heimfallsrecht des Fiskus (curtis regia) ein 431 . Daß es für den Erben keiner Erbesantretung bedurfte, sondern der Satz „Der Tote erbt den Lebendigen" platzgriff, ergibt sich aus den Quellen der folgenden Periode, nicht minder, daß die Erbteilung erst nach dem „Dreißigsten" erfolgte und bei derselben der Grundsatz „Der ältere soll teilen, der jüngere kiesen" beobachtet wurde. Über den Umfang der Schuldenhaftung des Erben herrscht Streit. Daß eine solche überhaupt der einen Linie gezählt. Bei ungleichen Linien soll nach SIESEL stets die längere Linie, nach WASSEBBCHLEBEN (der außerdem den unbedingten Vorzug der Ascendenten vor den Seitenverwandten behauptet) die Linie des Erbprätendenten gezählt worden sein, während AMIBA für diesen Fall ein Zusammenzählen beider Linien, also im wesentlichen die römische Berechnungsweise annimmt. Die Theorien von SIEGEL und WASSEBSCHLEBEN führen unter Umständen zu undenkbaren Konsequenzen, haben ihre Widerlegung auch schon bei AMIBA 49 ff. gefunden. Die einzige Stelle, auf die sich WABSEBSOHLEBEN (Verwandtschaftsberechnung 8 f.) mit einigem Schein berufen konnte, beruht auf einer falschen Konjektur von BOHETIUS (vgl. MG. Leg. IV. pg. XCI, n. 80) zu der Formel in § 10 der Expositio Lib. Pap. Roth. 153 (ebd. IV. 322 f.), wo zu den Worten euius proavus matris mee fuit das Wort avus zu ergänzen ist; BOBETIUS setzt dies Wort aber h i n t e r proavus, während es d a v o r gehört. Richtig gelesen (cuAus avus proavus matris mee fuit et ideo in quinto graclu suecedere debeo) liefert die Stelle einen vollständigen Beleg für die Parentelenordnung (vgl. BLDHMB, a. a. O. 17), denn beide Erbprätendenten gehören der Parentel des Großvaters an, zu dem der eine im sechsten, der andere im fünften Grade langobardischer Komputation (d. h. im fünften resp. vierten Grade kanonischer Rechnung, vgl. Anm. 426) steht. Die Succession erfolgt, wie das Gesetz (Anm. 424) vorschreibt, per gradum et parentillam. 488 Vgl. L. Wis. IV. 2, 1. 9. L. Rib. 56. 429 Vgl. Ed. Roth. 154, 158 ff., 225. Liutpr. 1 ff., 14, 145. In Betreff des weiteren Erbenkreises ist die Anm. 427 am Schluß besprochene Formel zu vergleichen. 430 Vgl. L. Sal. 59. L. Cham. 4 2 . L . Angl, et Wer. 2 6 — 3 4 . L. Sax. 4 1 , 4 4 . I,. Alara. 57, 91, 95. L. Burg. 14, 1 f. 24, 3. 53, 1. AMIBA, a. a. O. 16 f., 91, 94 f., 217. HUBEB, Histor. Grundlage des ehel. Güterrechts der Berner Handfeste 29. 4,1 Vgl. S. 189, 259. L. Sal. 44, 10. 60, 2. 62. L. Fris. 19, 2. L. Baiw. 15, 10. Ed. Roth. 158 ff., 223 f. Liutpr. 18, 32, 34. Siehe auch Anm. 438.

§ 35.

Das Privatrecht.

327

432

bestand, ist zweifellos , ebenso daß der Erbe sich durch Abtretung des Nachlasses . an die Gläubiger von jeder persönlichen H a f t u n g befreien k o n n t e 4 3 3 . Andererseits enthält aber das ribuarische Volksrecht schon eine B e s t i m m u n g , die an das bekannte Sprichwort anklingt: „ W e r einen Schilling erbt, soll auch ein P f u n d bezahlen 4 3 1 ." Daraus auf einen persönlichen Eintritt des Erben in die Schulden des Erblassers zu schließen 4 3 S , würde dem Charakter des deutschen Schuldrechts ebenso sehr wie dem des mittelalterlichen Erbrechts, nach welchem die Schulden des Erblassers ausschließlich aus dem Nachlasse zu zahlen waren, widersprechen. Der Gläubiger galt aber als der nächste Erbe 4 3 6 , und w e n n daher der gesetzliche Erbe es unterlassen hatte, durch rechtzeitige Liquidation für die Befriedigung der Gläubiger oder, falls es nötig war, für die Ausschüttung der Masse zu sorgen, so war er den Gläubigern schadensersatzpflichtig 4 3 7 . D e m K ö n i g e , der kraft Heimfallsrechts in den Besitz eines Nachlasses g e k o m m e n war, lag nach langobardischem R e c h t keine Liquidationspflicht ob, er bezahlte keine Nachlaßschulden 4 3 8 , doch m u ß dies durch die fränkische

432

Vgl. L. Rib. 79. L. Wis. V. 1, 2. 2, 6 (Antiqua 308). Ed. Roth. 2. 365. 385. Liutpr. 16. 18. 19. 114. Cap. Aregisi 10. Form. Marc. II. 25. 433 Vgl. L. Wis. V. 6, 6. VII. 2, 19. 5, 8. L. Burg. 65, 1. 434 L. Rib. 67, 1: Si quis moriens debitosus aut testamenta vel venditionis seu. tradicionis aliquid fecerit, si filios aut filias non relinquerit, quicu/nque de parentibus suis quantwm unus solidus valet in hereditatem reciperit, vel cui weregildum eius, si interfectus fuisset, legitimi obvenibat, omnem debitum culpabilii iudieetur, et omnem factum, eius idmiiare studeat, aut eulpam incurreret. Vgl. STOBBE, Handbuch V . 5 2 , N . 13. G R A F U. D I E T H E R R , Rechtssprichwörter 2 2 3 , N . 2 9 7 , 2 9 8 . 435 Dies ist namentlich die Auffassung von L E W I S , Die Succession des Erben in die Obligationen des Erblassers 178 ff. Vgl. dagegen S T O B B E , i. d. Jahrbuch d. gem. deutsch. Rechts V. 295 ff.; Handbuch V. 4 9 , N . 3 . P E R N I C E , i. d. Krit. Viertelj.-Schr. IX. 85—92. A M I R A , Zweck u. Mittel d. germ. RG. 51 f. H E U S L E R , II. 544ff. PAFPENHEIM, a. a. 0 .

69

ff.

MILLER, a. a. O. 4 2

436

ff.

KAYSER, a . a . O . 4 8 7 f.

Vgl. Zeitschr. f. RG. V. 35. STOBBE, Handb. V. 50 f. 437 Vgl. Burg. 65, § 1: Si qua mulier vidua filios habens, si et illa et filii sui eessionem de bonis mariti qui defunctus est fecerint, nullam ex debito ipsius reparativem aut calumpniam patiantur. §. 2: Si certe praeswmpserint hereditatem, debitum pat&rnum simul solvant. Daß die Anm. 434 angeführte Bestimmung der Lex Ribuaria eine Verschuldung des Erben voraussetzt, deutet das Wort debitosus an: er hat leichtsinnig den Nachlaß eines überschuldeten Verwandten angenommen, ohne zu liquidieren, nun mag er die Folgen tragen. Aus Ed. Liutpr. 57 hat man mit Unrecht den Schluß ziehen wollen, daß der Erbe noch nachträglich sich auf Insufficienz des Nachlasses habe berufen können; die Stelle bezieht sich nicht auf den Erben, sondern auf den verheirateten, in der Were des Vaters verbliebenen Haussohn. Vgl. P A P P E N HEIM, a. a. 0 . 70. Eine persönliche Ehrenschuld für die Söhne, die ihren Vater beerbt haben, setzt Ed. Roth. 362 fest: wenn der Vater eine Schuld geleugnet und die Ableistung des Eides durch Wadia und Bürgen versprochen hatte, so sollten die Söhne, wenn er vor dem Termin gestorben war, entweder den Eid leisten oder die Schuld, auch wenn sie den Nachlaß überstieg, bezahlen. Eine ähnliche Ausnahmeregel L. Baiw. 5, 20 und L. Rib. 12, 2. 438

Vgl. Ed. Roth. 223. 231.

Die fränkische Zeit.

328

Gesetzgebung, die den Grafen selbst bei der Einziehung des Vermögens eines Verbrechers zur Liquidation verpflichtete, abgeändert sein439. Das Erbrecht des engeren Erbenkreises war, weil aus der Gemeinschaft des Hausvermögens hervorgegangen, ursprünglich durchaus unentziehbar. Es konnte weder durch Verfügungen von Todes wegen, noch durch Schenkungen unter Lebenden beeinträchtigt werden410. Selbst der feierliche Austritt aus der Familie, die „Entsippung", scheint in der ältesten Zeit nur das Erbrecht des Ausgetretenen gegen seine Verwandten, nicht aber das der letzteren gegen ihn aufgehoben zu haben 441 . Dagegen erlangte man durch Abteilung mit den berechtigten Familiengliedern freie Verfügung über den eigenen Anteil 443 , hinsichtlich des Grundbesitzes freilich nur, wenn die Teilung mit einem rechtsförmlichen gegenseitigen Verzicht, also mit einer Auflassung verbunden war443. Je häufiger solche Abteilungen unter Miterben wurden und je mehr sich das Accrescenzrecht der Hausgenossenschaft zu einem eigentlichen Erbrecht umbildete, desto mehr verengerte sich der Kreis der unbedingt geschützten Erben, bis schließlich nur noch die Kinder übrig blieben444; und selbst diesen wurde wenigstens gegen Verfügungen zu Gunsten der Enkel von vorverstorbenen Kindern im achten Jahrhundert kein Schutz mehr gewährt44®. Wer keine Erben hatte, konnte sich wohl schon in alter Zeit mit Bewilligung der Landesgemeinde oder des Königs, als der Heimfallsberechtigten, einen Erben setzen. Gelegentliche Quellenzeugnisse lassen darauf schließen, daß das auf diese Weise ausgebildete Erbschaftsgedinge Gemeingut der germanischen Stämme gewesen ist. In greifbarer Gestalt liegt es uns in dem fränkischen adjatimus und dem langobardischen gairethinx (thinx, thingatio) vor 448 . . Das Erbschaftsgedinge war eine adoptio in 489

Vgl. Capit. legi addita v. 816, c. 5 (BOBETIUS 286).

Lib. P a p . L u d o r . P i i 16.

Ansegisi Cap. IV. 23.

LEWIS, a. a. 0 . 181, N . 8.

440 V g l . AMIBA, E r b e n f o l g e 5 1 ff., 105 ff., 1 7 9 , 181 f., 2 0 1 , 2 1 1 ff. PAPPENHEIM, a. a. O. 5 8 ff. EICHHOBN, St. u . RG. I. 331 ff. MILLER, a. a. O. 4 1 , 4 8 ff., 55 f., 60,

63. HUBEB, Histor. Grundlage d. ehel. Giiterr. der Berner Handfeste 16 ff. K. MAUBEB, Island 365 f.; Über den Hauptzehnt einiger nordgerm. Rechte (Abh. d. München. Akad. 1874) 221 f., 242 f., 288 f. SCHÖPFER, i. d. Arch. giuridico I. 21 ff. LÖNING, KR. d. Merov. 681 ff. 441 Vgl. S. 70. BBUNNEB, RG. I. 92. Erst die jüngeren Texte der Lex Salica lassen den Ausgetretenen durch den Fiskus beerben. Vgl. AMIRA, 52. 442

V g l . AMIBA, 57 f., 104.

PAPPENHEIM, 6 0 f .

L

B a i w . 1 , 1.

L. B u r g . 2 4 , 5.

51, l f . Durch ein jüngeres Gesetz (L. Burg. 1, 1) wurde das Erbenrecht der unabgeteilten Kinder auf die Sors, das Landlos, beschränkt. Aus L. Burg. 75, 1 und 78, 1 geht hervor, daß die Abteilung häufig eine bloße Ausweisung war, bei welcher der Vater bis zu seinem Tode im Besitz blieb. Im langobardischen Recht war, vielleicht unter römisch-rechtlichem Einfluß, die Aufhebung des geschützten Erbenrechts im Falle erheblicher Undankbarkeit vorgesehen. Vgl. Ed. Roth. 168—170. Liutpr. 5, 119. In Notfallen, wenn der Erbe trotz geschehener Aufforderung die Beihilfe verweigerte, war die Übertragung des Vermögens auf Dritte, um von diesen den Lebensunterhalt zu gewinnen, gestattet. Vgl. Roth. 173. L. Sax. 62. 448

448 446

V g l . S. 2 6 3 .

444

V g l . AMIBA, 5 3 f.

Vgl. ROZI£BE, Recueil des formules Nr. 131 ff. V g l . L . Sal. 46.

L . Rib. 4», 49.

Cap. ad l e g . Sal. v o n 819, c. 10 (BORBTICS

§ 35.

329

Das Privatrecht.

hereditatem und daher nur demjenigen gestattet, der keinen warteberechtigten Erben hatte; durch nachträgliche Geburt eines solchen wurde das Gedinge gebrochen 417 . Der Gedingserbe gehörte zum Busen 448 , er hatte ein ebenso unentziehbares Erbrecht, als wenn er im Busen geboren wäre 449 . Am reinsten hat sich das Verhältnis im Edikt des Rothari erhalten, nach welchem sich der Gedingserbe nach dem Tode des Erblassers wie ein geborener Erbe des Nachlasses unterwand und die Schulden übernahm 460 . Die Form des Gedinges war noch die der altgermauischen Wehrhaftmachung, Emanzipation und Adoption: Übergabe des Speers seitens des Erblassers an den Gedingserben durch die Hand eines Dritten, der Speerbürge (gisel) genannt wurde, unter Ausspruch einer altertümlichen Formel, alles öffentlich vor den Freien, also doch wohl vor versammeltem Gericht 461 . Bedeutend abgeschwächt nach Form und Inhalt war die Sache bei den Franken schon zur Zeit der Lex Salica. Zwar wurde die Auffassung des ganzen Aktes als einer adoptio in hereditatem traditionell bis in das neunte Jahrhundert festgehalten, aber die ideale Seite der Erbensetzung trat gegenüber der materiellen Seite der Vermögenszuwendung in den Hintergrund. Der ursprünglich einheitliche Akt hatte sich in drei Akte, jeder vor drei zugezogenen Zeugen, aufgelöst. Der erste Akt spielte sich im gebotenen Gericht zwischen dem Erblasser und dem an die Stelle des alten Speerbürgen getretenen Salbürgen oder Salmann ab; statt des Speeres wurde diesem die Festuca überreicht, unter Bezeichnung der Person des Gedingserben und des diesem zugedachten Vermögens; denn die Lex Salica kannte bereits die Beschränkung auf einzelne Vermögensmassen. Der zweite Akt war die sessio triduana des Salmannes im Hause des Erblassers, um jenem die Gewere zu übertragen 452 . Der dritte Akt, der binnen Jahresfrist erfolgen mußte, bestand aus der Übergabe der Festuca seitens des Salmannes an den Gedings293). Cap. ad leg. Rib. von 803, c. 8 (ebd. 118). ROZI&BE, Recueil des formules Nr. 115—118, 130—137, 216. Ed. Roth. 168—174. Ausgezeichnet wird die ganze Lehre behandelt bei HEUSLEB, II. 621—629 und hinsichtlich des langobardischen Rechts bei PAPPENHEIM, a. a. O. 4 5 — 7 6 , auf die wegen aller Einzelheiten zu verweisen ist. I m übrigen vgl. BESELER, Erbverträge I. 96—131, 161—183. WAITZ, Das

alte Recht der sal. F r a n k e n

HOLTZENDORFF, a . a . O . 2 6 3 .

147

ff.

WALTER, D R G .

STOBBE, H a n d b . V . 1 7 0

ff.

II. 2 4 1 — 2 4 7 .

BRUNNEB,

GRIMM, R A . 1 2 1 f .

bei

MILLER,

a. a. O. 90 ff. KAYSER, a. a. O. 476 ff. Gesch. d. ehel. Güterrechts I. 157 ff. SCHUPFER, a. a. 0 . XXXI. 507 ff. SCHERBER, Zeitschr. f. RG. XIII. 274 ff. DENMAN ROSS, Early history of the landholding 69 ff. 447

Vgl. Ed. Roth. 171. Auf entferntere Erben brauchte keine Rücksicht genommen zu werden, doch galt die völlige Ausschließung eines solchen als ein Akt der Feindschaft. Vgl. Roth. 360. 448 Vgl. S. 6 1 , Anin. 71. In den Urkunden wird auch von affratare und af-

filiare gesprochen. 449

45n Vgl. Ed. Roth. 173 f. Vgl. ebd. 174. Dieser früher allgemein mißverstandene Akt hat Zeitschr. f. RG. X X . 56 f. seine Aufklärung gefunden. Vgl. oben S. 51, 61 ff., 257. Die Formel, die bei dem Erbschaftsgedinge gesprochen wurde, ergibt sich aus Roth. 173. 452 Vgl. S. 275. 451

330

Die fränkische Zeit.

erben, und zwar vor dem König oder im echten Ding4,63. Die folgende Zeit hat dann bei den Franken wie bei den Langobarden eine immer zunehmende Verflüchtigung der Form und des derselben ursprünglich zu Grunde liegenden Rechtsgedankens gebracht. Das ganze Geschäft nimmt mehr und mehr einen sachenrechtlichen Charakter an, traditio cartae und Auflassung werden wie bei Grund eigentumsübertragungen die vorherrschende Form, und der alte Speerbürge, schon in der Lex Salica so verändert, wird zu dem durch dinglichen Vertrag bevollmächtigten Salmann, der nach dem Tode des Erblassers die Übertragung an den Bedachten zu bewirken hat 454 . Das Erbschaftsgedinge verschmilzt mit der Vergabung von Todes wegen (S. 275 f.) und bewahrt nur so viel von seinem ursprünglichen Charakter, daß es auch die Übertragung eines ganzen gegenwärtigen und zukünftigen Vermögens, namentlich auch in fahrender Habe, zum Gegenstande haben kann. § 36. Das S t r a f r e c h t 1 . Wir haben das öffentliche Strafrecht des germanischen Altertums als ein sakrales Strafrecht kennen gelernt: die einzige öffentliche Strafe war der Opfertod. Alle nicht mit dem Opfertode bedrohten Verbrechen gehörten dem Bereiche des Privatstrafrechts an; erst auf die Klage des Verletzten schritt die Staatsgewalt ein, ihre Strafe war die sühnbare Acht. Unter dem Einfluß des Christentums mußte das öffentliche Strafrecht seinen heidnischen Charakter verlieren2; die sakralen Todesstrafen wurden bis auf geringe Reste, die sich hier und da erhielten2", beseitigt, an ihre Stelle trat bei den Nordgermanen die unsühnbare Friedlosigkeit, bei den Südgermanen meistens der Tod durch den Strang oder Enthauptung 3 , oder als Surrogat der Todesstrafe die Lösung des Halses durch Zahlung des eigenen Wergeides. Aber während sich bei den Nordgermanen und im allgemeinen auch bei den Sachsen 453 Ohne Grund nimmt HEUSLER an, daß dies erst nach dem Tode des Erblassers geschehen sei. 464 V g l . S. 2 6 9 . BESBLEB, a. a. O. 2 6 1 — 2 8 4 . ALBBECHT, G e w e r e 2 3 1 ff., 2 4 5 ff. STOBBE i. d. Z e i t s c h r . f. R G . V I I . 4 0 5 ff. MERKEL e b d . I I . 146 ff.

1 Vgl. § 12 und die daselbst Anm. 1 angeführte Litteratur. WAITZ II. 2, 358 ff. IV. 434ff., 505—525. A. B. SCHMIDT, Schadensersatz in den Volksrechten 1—16. THONISSEN, L'organisation judiciaire, le droit penai et la procedure pénale de la Loi Saliqne, 2. édition, 1882. GAUDENZI, La legge Salica e gli altri diritti germanici 36 ff. OsEHBBiiasEN, Das alamannische Strafrecht, 1 8 6 0 ; Das Strafrecht der Langobarden, 1863. K. MAUBEB, Über angelsächs. Rechtsverhältnisse, i. d. Krit. Überschau III. 26 ff. DAHN, Westgothische Studien 1 4 1 - 2 4 2 . PERTILE, Stor. del dir. ital. V.

LAUOHIJN, i. d. E s s a y s i n a n g l . sax. l a w

262—283.

' Von besonderer Bedeutung wurde das kirchliche Asylrecht, kraft dessen die Auslieferung des in eine Kirche geflohenen Verbrechers nicht anders als gegen das eidliche Versprechen des Verfolgers, ihn am Leben zu lassen, verlangt werden durfte. V g l . LÖNING, K i r c h e n r e c h t der M e r o v i n g e r 5 3 6 ff.

WAITZ II. 2, 3 6 0 . I V . 5 0 4 .

WII.DA,

537 ff. WEINHOLD, Über die deutschen Fried- u. Freistätten (Kieler Universit. Progv. v. 1864) 14 f. !a 3

MADBEB, a. a. 0 . 5 3 .

Vgl. S. 72, Anm. 5. L. Burg. 34. 1. V g l . WAITZ I V . 5 0 6 .

WAITZ IV. 499, Note 2.

§ 36. Das Strafrecht.

331

nur eine Änderung des Strafsystems vollzog und der Kreis der todeswürdigen Verbrechen wesentlich der alte blieb 4 , hielten die übrigen germanischen Volksrechte den Begriff des Kapitalverbrechens in der Hauptsache nur bei den verschiedenen Fällen des Hoch- und Landesverrats, dem die erstarkte monarchische Gewalt den Treubruch gegen den König und, in Anlehnung an das römische Recht, auch das Majestätsverbrechen beigesellte, fest und überließen das übrige größtenteils dem Privatstrafrecht und dem Satze „Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter" 6 . Diesem Rückschritt auf dem Gebiete des öffentlichen Strafrechts stand ein Fortschritt auf dem des Privatstrafrechts gegenüber. Wenn das alte Recht hier nur die sühnbare Acht kannte, wobei der Richter sich um die Strafvollstreckung nicht zu kümmern und nur auf Anrufen des Geächteten die Sühne zu vermitteln hatte, so bestanden jetzt für die meisten Rechtsverletzungon feste Bußansätze, deren gesetzliche Fixierung und Erhöhung den Hauptgegenstand der volksrechtlichen Gesetzgebung und das ausgesprochene Mittel zur Bekämpfung der Fehde bildeten®. Wenn der Verletzte, unter Verzicht auf die Fehde, die Klage anstellte, so lautete das Urteil nicht mehr, wie in der germanischen Zeit, auf Ächtung, sondern auf Buße; die Ächtung trat nur subsidiär ein, wenn der Angeklagte Rechtens weigerte, aus einer Strafe war sie zu einem prozessualischen Zwangsmittel geworden 7 . Durch die Zahlung der ihm auferlegten Buße (compositio, bot, culpa, schuld, causa, saka, faida, faidus)6 gewann der An4 Über das sächsische Recht vgl. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 2—10, 204 bis 211, 218—330. Über das friesische vgl. Anm. 15. 5 Vgl. L. Baiwar. II. 1: IJt nullus Uber Baiuuarius alodem aut vitam sine Kapitale crimine perdat; id est si in necem ducis consiliatus fuerit, aut inimicos in provinciam invitaverit, aut civitatem capere ab extraneis machinaverit et exinde prohatus inventus fuerit. tunc in ducis sit potestate vita ipsius et omnes res eius in Patrimonium,. ceteras vero quascumque commiserit peccatas, usque habet substantiam, conponat secundum legem. Ii. Alam. 24, 25. L. Rib. 60, 6. 69, 1. Ed. Rothar. 1, 3—7.

V g l . WAITZ I I . 1 , 195 f. I I I . 3 0 7 - 3 1 3 .

I V . 507.

ROTH, Gesch. d. B e n e f i c i a l w e s e n s

128 ff., 388 ff. Als todeswürdiger Treubruch gegen den König wurde auch die Beamtenuntreue, namentlich die Justizverweigerung seitens der Grafen, aufgefaßt. Vgl. COHN, Justizverweigerung im altdeutschen Recht 5, 63 ff., 73, 84 ff., 130 f. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 147, 415. H. 0 . LEHMANN, Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach fränk. Recht 104 ff. Über andere Kapitalverbrechen vgl. Anm. 15. 0 Vgl. Ed. Roth. 74: ideo maiorem conpositionem. posuimus quam antiqui nostri, ut faida, quod est inimicitia, post aceepta suprascripta conpositione postponatur, et amplius non requiratur, nec dolus teneatur, sed sit sibi causa finita, amicitia manente. DAHN, Fehdegang und Rechtsgang (Bausteine II. 79 f.), macht mit Recht darauf aufmerksam, daß ein geregeltes Bußensystem sich zunächst innerhalb der Sippe ausgebildet haben dürfte, da der Sippefrieden die Fehde unter Verwandten ausschloß. Ein lehrreiches Beispiel für die Lückenhaftigkeit des Bußensystems der Volksrechte gewährt die Behandlung der Anstiftung zu einem Verbrechen (Anm. 91). 7

8

V g l . S. 7 5 f.

K . MAUREE, a . a . O . 4 0 .

Über diese Bezeichnungen vgl. § 19, Anm. 6, 11. GRIMM, RA. 649. SOHM, R.- u. Ger.-Verf. 88 ff., 93 f., 107, Note 16. MÖLLENHOFF bei WAITZ, Recht d. sal.

Die fränkische Zeit.

332 geklagte

dem Kläger

den Frieden

a b , der R i c h t e r

erwirkte i h m

diesen

Frieden, i n d e m er d e m K l ä g e r die L e i s t u n g der U r f e h d e auferlegte", u n d hierfür, n i c h t m e h r w i e e h e d e m f ü r die W i e d e r e i n s e t z u n g des G e ä c h t e t e n in d e n g e m e i n e n F r i e d e n , e m p f i n g er das F r i e d e n s g e l d 1 0 , von

dem

nach

d e m R e c h t e des f r ä n k i s c h e n R e i c h e s der K ö n i g (oder der I m m u n i t ä t s h e r r ) zwei D r i t t e l u n d

der R i c h t e r

ein

Drittel

z e i c h n u n g des F r i e d e n s g e l d e s w a r freda

erhielt.

Die

oder fredus11.

technische

Be-

Bei den Franken

u n d L a n g o b a r d e n war der Fredus, e b e n s o wie i n d e n nordischen R e c h t e n , n o c h i n alter W e i s e pars

muletae

(vgl. S. 7 1 , 7G), die i n i h r e n

r e c h t e n e n t h a l t e n e n B u ß s ä t z e w a r e n inter fredo

et faido

Volks-

( A n m . 8) g e m e i n t ,

i n d e m die L a n g o b a r d e n auf B u ß e u n d F r e d u s je die H ä l f t e , die F r a n k e n auf die B u ß e zwei Drittel, auf d e n F r e d u s e i n D r i t t e l des rechneten12. wie f ü r

Die

übrigen

die B u ß e n

Stämme

feste A n s ä t z e 1 3 ,

Gesamtbetrages

h a t t e n für das F r i e d e n s g e l d

ebenso

ihre B ü ß - u n d W e r g e i d t a x e n

sind

Fr. 282. NISSL, Gerichtsstand des Clerus 184ff. AMIBA, Obligationenrecht I. 37. SCHMID, Ges. d. Angels. 541. BRUNNER, EG. I. 165. Das dem lang, faida entsprechende fränk. faidus (Fehdegeld) begegnet wiederholt in der allitterierenden Formel inter freto et faido (vgl. U. a. L. Sai. 35, 7). • Vgl. Anm. 73. S. 77, Anm 27. Ed. Roth. 74 (Anm. 6), 143. Liutpr. 42. BRUNNER, R G . I. 161. THONISSEN, a. a. O. 156 f. ROZIÈBE, R e c u e i l N r . 4 6 5 — 4 7 0 . SIEGEL, G e s c h . d. G e r . - V e r f a h r e n s 25.

des

formules

10 Vgl. SIEGEL, a. a. 0 . 26 f. Die Streitfrage, ob der Fredus der Preis für die Rückgewähr des allgemeinen Friedens, oder eine Strafe für den Friedensbruch, oder eine Gebühr für die Sühnevermittelung gewesen (vgl. v. BAB, Handbuch I. 55) ist also dahin zu entscheiden, daß das erste dem Rechte der Urzeit, das letzte dem der fränkischen Zeit entsprach. Der strafrechtliche Charakter tritt aber zuweilen ebenfalls hervor. Vgl. Anm. 11, 15. Ein eigentümliches Übergangsstadium haben wir S. 76, Anm. 20 kennen gelernt. Dem Wesen des Fredus als einer Gebühr entsprach es, daß er bei den Saliern im Wege der Verwaltungsexekution ohne gerichtliches Verfahren eingetrieben wurde. Vgl. SOHM, a. a. (). 92. Neben öffentlichen Strafen gab es kein Friedensgeld. Vgl. auch Anm. 85. 11

V g l . MÖLLENHOFF, a. a. O. 283.

GBIMM, R A . 656.

Bei

den

Angelsachsen

entsprach ivite, das sonst Strafe bedeutete. Vgl. S. 71. GRIMM, a. a. 0. 657. SCHMID, Ges. d. Angelsachsen 679. K. MAUBEB, a. a. 0 . 45 f. Auch die Burgunder müssen dieselbe Bezeichnung gehabt haben, wie sich aus der lateinischen Übersetzung multa und der Benennung der wittiscalci (Ii. Burg. 76) ergibt. Vgl. WILDA, Strafrecht 456. V g l . BRUNNER, R G . I. 164 f.

THONISSEN, a. a. O. 2 0 5 ff. WILDA, a. a. < ).

464 ff. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 107 f., 170 f. OSENBRÜGGEN, Langob. Strafr. 25 f. Daß die Kompositionen der Lex Salica den Fredus mitumfaßten, ergibt sich zuverlässig aus L. Sai. 50, 4, ebenso für das chamavische Recht (in welchem das fränkische System nur bei Wergeldzahlungen aufrechterhalten war, während bei anderen Bußen ein fester Fredus von 4 Solidi bestand) aus L. Cham. 3—6. Vgl. SOHM, Mon. Germ. Leg. V. 271, Note 3. Vgl. Anm. 17, 68. 18 Vgl. WILDA, a. a. O. 454—464. Dem Gegensatze gegen den fränkischen Fredus entspricht die Verschiedenheit der Strafklauseln in den alamannischen und bairischen Urkunden und Formeln gegenüber den fränkischen. In den letzteren wird regelmäßig dem Destinatär cum socio fisci (oder in ähnlicher Form) eine Strafsumme ausgesetzt, in den ersteren dagegen fast immer ein besonderer Betrag für den Fiskus. Die wenigen Abweichungen beruhen auf dem Einfluß fränkischer Formeln. Vgl. Anm. 71.

§ 36.

Das Strafrecht.

333

d e m n a c h ohne Fredus verstanden, doch enthalten die Capitula legibus addita Karls des Großen u n d L u d w i g s des F r o m m e n Beispiele vereinzelter Ü b e r g ä n g e des fränkischen Prinzips in die übrigen Volksrechte 1 4 . Wo das Wergeid des Schuldigen als Fredus angesetzt war, handelte es sich u m die Lösung des Halses als ein Surrogat der Todesstrafe: der Schuldige hatte sein Leben verwirkt, konnte dasselbe aber durch Zahlung des e i g e n e n W e r g e i d e s lösen 1 6 . Die wichtigsten B u ß e n waren die für T ö t u n g e n u n d Körperverletzungen von Menschen. Sie richteten sich nach dem Stammesrecht u n d dem Stande des Verletzten oder Getöteten. Das weibliche Geschlecht 1 6 genoß bei den Alainannen u n d Baiern durchweg, bei den Sachsen nur i m jungfräulichen S t a n d e , den doppelten Rechtsschutz seines Geburtsstandes; die Franken und Thüringer gewährten den Frauen i m gebärfähigen Alter den dreifachen A n s a t z ; von diesen A u s n a h m e n abgesehen, wurden die beiden Geschlechter überall auf g l e i c h e m F u ß e behandelt. Das Freienwergeld betrug bei den F r a n k e n 200, bei den übrigen i m Frankenreiche vereinigten S t ä m m e n 1 6 0 Solidi 1 7 . Aber während das fränkische Wergeid auch den 14

Vgl. (Jap. legibus add. v. 803 c. 7 (BORETIUS I. 114).

Cap. legibus add. v.

8 1 8 / 1 9 c. 10 ( e b d . 2 8 3 ) . 15 Am häufigsten im friesischen Recht: bei Diebstahl (vgl. RICHTHOFEN, MG. Leg. V. 660, Note 39), Haus- oder Landfrieuensbruch im KumploU (L. Fris. XVII. 4), Verkauf eines Knechts in die Heidenschaft (XVII. 5), Entführung mit Notzucht an einer Jungfrau (IX. 8), Entführung einer Ehefrau (add. sap. III. 76); außerdem noch nach ostfriesischem Recht bei Raub (VIII, Zusatz. IX. 14 ff., später bei allen Friesen: add. sap. IX.), Brandstiftung (VII. 1, 2), Verkauf eines Freien in die Fremde (XXI, Zusatz). Vgl. WILDA, 103 f., 458 f. Andere Beispiele L. Alam. 34, L. Baiw.

I I . 4.

WILDA, 464 f.

OSENBEÜOQEN, S t r a f r e c h t d e r L a n g o b a r d e n 1 7 , 1 5 6 f.

COHN,

Justizverweigerung 63 f., 75. MAUREE, a. a. (). 51, 53, 56 f. Ähnlich war es, wenn der Verbrecher sein eigenes Wergeid als Buße zahlen mußte, vgl. Anm. 32, 38 bis 41, 4 9 , 5 0 . 16

Über das Folgende vgl. GRIMM, RA. 404 ff. OSENBBÜGGEN, Strafr. d. Langob. 17 f. Für die Gleichstellung der Geschlechter nach langobardischem Recht ist Ed. Roth. 129 u. 876 entscheidend. Das Wergeid der freien Langobardin betrug 150 Sol., mit Einrechnung des Friedensgeldes 300 Sol., dazu traten aber in der Regel noch weitere 900 Sol. als besondere Buße für jede schwerere, einem wehrlosen Weibe zugefügte iniuria. Vgl. Roth. 26, 200, 378. WILDA 424 f., 571. 17 Vgl. BRUNNER, DRG. I. 225 ff., der durch die Aufdeckung des verschiedenen Verhältnisses der Wergeidsbeträge zum Fredus erst vollkommene Klarheit in die Sachlage gebracht, namentlich auch das Schwanken des thüringischen Volksrechts zwischen 160 und 200 Sol. erklärt hat. Die Hauptstelle ist L. Rib. 36, 1—4 (in c. 4 mit den karolingischen Interpolationen seu Fresionum und Saxonum, vgl. BBUNNER, 304, Anm. 5), dazu L. Sal. 41, 1. L. Chamav. 4. L. Baiw. IV. 28. Über das alamannische Wergeid vgl. oben S. 210, Anm. 13, über das sächsische meine Gesch. d. ehel. Güterr. I. 18, Anm. 53. Da das sächsische Wergeid in 240 kleinen Schillingen zu 8 Den. gezahlt wurde (L. Sax. 66), so war es thatsächlich gleich 160 fränkischen Schillingen. Das friesische Wergeid betrug anfangs nur 53V8 Sol., wurde aber unter Karl d. Gr. auf das Dreifache erhöht (der alte Betrag behielt aber die Bezeichnung als Wergeldssimplum bei, so daß ein neunfaches Wergeid der Karolingerzeit nur ein dreifaches Vollwergeid bedeutete). Vgl. RICHTHOFEN, MG. Leg. III. 650 f. BRUNNER a. a. O. 225 f. bezweifelt eine reelle Erhöhung ties friesischen Wergeides und möchte

334

Die fränkische Zeit.

Fredus einschloß, erhöhte sich der Gesamtbetrag bei den übrigen Stämmen noch durch das Friedensgeld, das sich bei Wergeidszahlungen nach dem Rechte der Alamannen, Baiern und Thüringer auf 40 Sol., der Friesen auf 30 Sol., der Sachsen auf 24 Sol. belief18. Außer dem Friedensgelde hatte der Thäter nach dem Rechte der Angelsachsen ein regelmäßig auf ein Zehntel des Wergeides berechnetem Präcipuum an die nächsten Angehörigen des Getöteten zu entrichten; dasselbe hieß Halsfang und scheint eine Gebühr für die durch Umhalsung und Friedenskuß vollzogene Aufnahme in den Frieden des von ihm gekränkten Hauses gewesen zu sein19. Ein Seitenstück des Halsfanges war wohl das rätselhafte praemium von 120 Sol., das neben dem Wergeide des sächsischen Edeling gezahlt werden mußte 20 . Das Wergeid des Adels belief sich auf ein Mehrfaches, in der Regel das Doppelte, des Freienwergeldes21. Königsdienst brachte eine Verdreifachung des angeborenen Wergeides mit sich, auch der Kirchendienst erhöhte den Betrag in verschiedenen Abstufungen21®. Bei Tötung unter erschwerenden Umständen fand zuweilen eine Verdreifachung oder selbst Verneunfachung des Wergeides statt22, namentlich im Falle des Mordes, worunter Meuchelmord, zumal heimliche Tötung mit Verbergung des Leichnams, verstanden wurde28. Römer und Hörige hatten das halbe nur eine durch die Umrechnung aus der Gold- in die Silberwährung entstandene Verdreifachung annehmen. Dem widerspricht, daß eine solche Umrechnung auch bei den Franken, Alamannen, Baiern und Burgundern nicht stattgefunden hat. Vgl. oben 8. 184. Das Freienwergeld der Burgunder zur Zeit ihrer Selbständigkeit betrug 150 Goldsolidi (vgl. S. 210, Anm. 13), ebenso hoch war das der Langobarden (Ed. Liutpr. 62) und ursprünglich auch der Westgothen (WILDA 424 f., 427 ff. DAHN, Westgoth. Studien 174). Über die Angelsachsen vgl. K. MAUBEB, a. a. O. 48. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 675. Über die Ausdrücke zur Bezeichnung des Wergeides vgl. oben S. 77. Über die langobardiscben BLUHME, MG. Leg. IV. 679. 18 Die Nach Weisungen bei BBUNNEB, a. a. 0 . 226 f. Über den sächsischen Fredus (12 Sol. pro wargida und 12 pro districtione) vgl. § 12, Anm. 20. " Vgl. BBUNNEB, Zeitschr. f. RG. XVI. 15 ff. und die bei diesem angeführte Litteratur. K. MADBEB, a. a. O. 49. Nach isländischem Recht beanspruchte der klagende Verwandte außer dem Wergeide (nictgjöld) noch eine besondere Totschlagsbuße (vigsbcetr•). Vgl. MADBEB, Island 368 f. 80 Die von BBUNNEB, Zeitschr. f. RG. XVI. 5 ff. zur Erklärung herangezogene „Vorsühne" zur Belohnung solcher Verwandten, die sich um die Aussöhnung besonders verdient gemacht, trägt doch für diese Zeit einen zu modernen Charakter. Eher könnte man an den Fredus, besonders den pro districtione gegebenen Teil (Anm. 18) desselben, denken. Jedenfalls beruhen die sinnstörenden Worte ruoda dicitur apud, Saxones 120 solidi in L. Sax. 14 auf einem Glossem. Vgl. Zeitschr. f. RG. XX. 28. 81 Vgl. S. 209, Anm. 2. Die Alamannen und Burgunder kannten auch eine Wergeldserhöliung für Mittelfreie. Vgl. S. 210, Anm. 13. 21 » Vgl. LÖNING, Kirchenrecht der Merovinger 272 f., 296 ff. 22 Vgl. L. Fris. VII. 2. XVII. 1 - 3 . XX. 1. L. Alam. 29. 23 Verdreifachung bei den Franken, Verneunfachung bei Alamannen, Baiern, Friesen und Sachsen, bei Langobarden 900 Sol., das Sechsfache des Freienwergeldes. Vgl. L. Sal. 41, 2 ff. L. Rib. 15. Karol. Hofgerichtsurteil bei BOBETIUS, Capitularía 257. Pact. Alam. II. 42. L. Alam. 49. L. Baiw. 19, 2 f. L. Fris. 20, 2. L. Sax. 19. E d . R o t h . 14. V g l . WILDA, 7 0 6 ff. GBIMM, R A . 625. MEBKEL U. RICHTHOFEN i. d . M G . L e g .

III. 37, Note 67. 672, Note 47. DIEFENBACH, Vergleichendes WB. d. goth. Sprache II. 38 ff.

§ 36.

Das Strafrecht.

335

23

Freienwergeld ". Für die Tötung von Unfreien galt zum Teil noch die alte Auffassung als Sachvernichtung, einzelne Volksrechte ließen aber auch den Unfreien bereits einen festen Ansatz, den man als Wergeld betrachten muß, zukommen 24 . An der altgermanischen Einteilung des Wergeides in die von dem Thäter an die engere Familie des Getöteten zu zahlende Erbsühne und die von den Verwandten des Thäters an die Sippe des Getöteten zu entrichtende Magsühne hielten, in Übereinstimmung mit den nordischen Rechten, die Rechte der Angelsachsen, Sachsen und Friesen durchaus fest 24 ". Auch die Salier wiesen einen Teil des Wergeides, und zwar die Hälfte, der Familie zu, einen anderen Teil je zur Hälfte den nächsten Gesippten von der Vater- und Mutterseite, wahrscheinlich bis zum dritten Gliede; fiel eine der berechtigten Gruppen aus, so kam ihr Teil an den Fiskus 26 . Bedeutender war die Abweichung des salischen Rechts hinsichtlich der Wergeidhaftung. Für die zweite Hälfte des Wergeides, also die Magsiihne, hafteten die Verwandten bis zum dritten Gliede zwar auch hier, aber erst subsidiär hinter dem in erster Reihe für das Ganze verpflichteten Thäter, und auch nur unter der Voraussetzung, daß dieser dem für die Zahlung in Anspruch genommenen Verwandten zuvor alle seine Rechte an dem Familiengute abgetreten hatte; kamen die nötigen Mittel nicht zusammen, so wurde der Thäter an vier aufeinander folgenden Gerichtstagen zu freiwilliger Lösung aufgeboten, dann aber, wenn auch dies erfolglos war, dem Gegner zur Vollstreckung der Rache überwiesen 28 . Die übrigen Volksrechte haben die gesetzliche Teilnahme der Verwandten an Fehde und Wergeld auf beiden Seiten aufgegeben; die Wergeldschuld war zu einer rein persönlichen Schuld des Thäters, die Wergeidforderung zu einer Nachlaßforderung des Getöteten geworden; sie stand ausschließlich dem zur Blutrache berufenen Erben, subsidiär aber dem Fiskus 23 \ Vgl. L. Sal. 42, 4. Rib. 36, 3. Chamav. 5. Alam. 17. Angl, et Wer. 45. Sax. 16. Über das ribuarische Recht vgl. S. 214, Anm. 34, über das friesische unten Anm. 30. Der langobardische Aldius hatte nur 60 Sol. (Ed. Eoth. 129, 376), der bairische frilaz 40 Sol. (L. Baiw. V. 9). Der römische Kolone (tributarius) hatte bei den Franken ursprünglich ein geringeres Wergeld (L. Sal. 41, 7. Rib. 62, 1), wurde aber schon durch Capitulare VI. ad leg. Sal. c. 1 (BEHBEND, Lex Salica §. 110) den übrigen Römern gleichgestellt. " Vgl. JASTBOW, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angelsachsen (GIEBKE, Untersuchungen II.). Die pueri regis und die im militärischen oder Schergendienst verwendeten milites (vgl. S. 155, 162 Anm. 11, 213) standen bei den Saliern den Hörigen und Römern gleich. Vgl. L. Sal. 42, 4. Capitulare I. ad

l e g . S a l . c. 11 § 9 . 24 a

C a p . V I . a d l e g . S a l . c. 1 (BEBBEND, 9 2 ,

110).

Vgl. S. 77 und die daselbst Anm. 23 angeführte Litteratur, namentlich BRUNNER, Sippe und Wergeld. 25 L. Sal. 62. Vgl. BRUNNEB, Sippe und Wergeld 31 ff. v. AMIBA, Erbenfolge 27 f. 28 Über den berühmten Titel 58 De chrenecruda der Lex Salica vgl. besonders BKUNNER, a. a. 0. 37 ff. AMIBA, a. a. 0 . 22 ff. Die Zusätze der karolingischen Handschriften zeigen, daß jener Titel im achten Jahrhundert bereits veraltet war.

Die fränkische Zeit.

336

zu 2 7 . Die familienrechtliche Munt als solche ist, wie die historische Entwickelung ergibt, nie mit einem ausschließlichen Recht auf das Wergeid des Mündlings ausgestattet gewesen 2 8 . Anders die Munt des öffentlichen Rechts: das Wergeid der Königsmuntleute und aller Schutzhörigen stand dem Muntherrn zu 2 9 . Aber wenigstens bei den Friesen und Sachsen hatten die Verwandten des Liten die Magsühne zu beziehen, während der Herr auf die Erbsühne beschränkt blieb 30 . Den Abstufungen der Wergeidsätze entsprachen im allgemeinen die zum Teil höchst kasuistischen Bußtaxen zur Wahrung der persönlichen Integrität, namentlich für Körperverletzungen. Die Buße erhielt der Verletzte oder, wenn dieser unter einer Munthörigkeit stand, der Träger der Munt. Die familienrechtliche Munt unterschied sich von der des öffentlichen Rechts auch hier dadurch, daß der Muntwalt die Buße zwar einzutreiben hatte, aber für Rechnung des Mündels 3 1 . Nur wenn die buß" Vgl. L. Burg. II. 6. L. Eib. XII. 1, 2. L. Baiw. IV. 28. L. Alam. 46, 2 und 69, 1. 2 (mit der Auslegung von BRUNNEB, DRG. I. 226, Anm. 12). L. Angl, et Wer. 31. Ed. Roth. 163. Liutpr. 13, 20. LOEBSCH U. SCHBÖDEB, Urkunden I N r . 32. W I L D A , a. a. 0. 397. BBÜNNER, Sippe und Wergeid 4, 46 f. MEYER, Entsteh, d. Lex Ribuariorum 89—99. SALVIOLI, La responsabilitä dell' erede e della famiglia pel delitto del defunto (1886) 19 ff. 29 Auf der älteren Entwickelungsstufe kam der Muntträger nur als Verwandter neben anderen Veiwandten, auf der jüngeren nur als nächster wehrfähiger Erbe in Betracht. Nach Ed. Liutpr. 13 erhielten unter Umständen selbst die Töchter des Getödteten einen Anteil am Wergeide. Vgl. KRAUT, Vormundschaft I . 3 3 6 . R I V B , Vormundschaft I . 1 3 5 , 1 4 5 , 2 3 7 . Anderer Meinung HEUSLEB, Institutionen I . 1 2 6 , der sich auf Ed. Roth. 201 beruft, aber die Stelle beweist nichts, da der Muntwalt das Wergeid hier nicht als solcher, sondern als Erbe bezieht. Vgl. meine Gesch. d. ehel. Güterrechts I. 5 f., 167. 29 Vgl. L. Baiw. IV. 28. V. 9. L. Chamav. 9. Über die richtige Interpunktion von L. Chamav. 3 vgl. Z Ö P F L , Die euua Chamavorum 18. SOHM, MG. Leg. V . 271, Nr. 2. 80 Die aktive Teilnahme der Verwandten des Liten an der Fehde bezeugt L. Fris. II. 5, 8, ihre passive Teilnahme L. Sax. 18. Der letzteren muß nach L. Sax. 19 eine Haftung derselben für ein Drittel des Wergeides als Magsühne entsprochen haben, während umgekehrt L. Fris. XV. 3 bezeugt, daß von dem ostfriesischen Litenwergelde (der Hälfte eines Freienwergeldes wie bei den Westfriesen) der Herr zwei Drittel, die Verwandtschaft ein Drittel erhielt. Bei den Mittelfriesen (L. Fris. I. 4. 7. 10) belief sich das Litenwergeld auf zwei Drittel eines Freienwergeldes, der Herr bekam davon drei, die Verwandtschaft ein Viertel. Vgl. B R U N N E R , DRG. I. 288 f. Bei den Langobarden wurde erst unter Liutprand den Verwandten der Königsaldien, und nur diesen, ein Anteil (die Hälfte) an dem Wergeide zugestanden. Vgl. Liutpr. notitia de actoribus c. 3, 4. 31

Vgl. RIVE, Vormundschaft I. 45 f., 71 f., 89, 112, 136, 145, 204, 236 ff., 272 f.

Strafr. d. Langobarden 115, 117, und meine Gesch. d. ehel. Güterrechts I. 4, 142. Dagegen sind KRAUT, a. a. 0. I. 331 ff', und HEUSLEB, a. a. 0. 1. 124 f. der Ansicht, daß die familienrechtliche Munt ursprünglich mit dem vollen Rechte des Muntwalts auf die Bußen ausgestattet gewesen und die Berechtigung des Mündels erst einer späteren Entwickelung zuzuschreiben sei. Allein die einzige Stelle, die sich hierfür anführen ließe (Ed. Liutpr. 31), bezieht sich, wie schon R I V E bemerkt hat, auf einen Frauenraub, also auf eine Handlung, die zugleich eine Verletzung der Muntrechte enthält. OBENBBÜGGEN,

§ 36.

Das Strafrecht.

337

-

würdige Handlung eine Verletzung seiner Muntrechte enthielt, hatte er hierfür persönlich eine besondere Buße zu beanspruchen32. Auf dem Gebiete der Eigentumsverbrechen tritt gegenüber dem altgermanischen Rechte die allgemeine Gleichstellung von Diebstahl und Raub als eine eigentümliche Neuerung hervor33. Neben dem Friedensgelde und der Rückgabe oder dem Ersatz des Entwendeten (capitale, houbitgeld, ags. ceäpgild) war regelmäßig eine Diebstahlsbuße zu entrichten, außerdem nach den drei fränkischen Volksrechten und dem der Thüringer eine Nebenbuße (delalura, dilatura, ahd. wirdria, cham. wirdira), deren sehr bestrittene Bedeutung wahrscheinlich die einer Verzugsstrafe für die dem Bestohlenen auferlegte Entbehrung war34. Die Diebstahlsbuße bestand bei den außerfränkischen Stämmen und den chamavischen Franken aus dem Zweifachen, Dreifachen oder Neunfachen des entwendeten Wertes, wobei dieser miteingereclinet, zuweilen aber noch besonders zu ersetzen war35. Im Gegen32

Die Volksrechte sind insbesondere reich an Bußebestimmungen zur Wahrung der weiblichen Geschlechtsehre und der Muntrechte über Weiber. In ersterer Beziehung kommt zuweilen eine besondere Buße vor, die in den langobardischen Quellen als anagrip (d. h. Angriff), in den kirchlichen Bußbüchern als -pretium pudicitiae s. humiliationis bezeichnet wird. In den schwereren Fällen der Verletzung der Geschlechtsvormundschaft, wie Entführung u. dgl., wurde regelmäßig eine dem gesetzlichen Brautkaufe entsprechende Muntbrüche erhoben; eine jüngere Rechtsentwickelung ersetzte dieselbe durch das Wergeid des Weibes, indem der Fall als eine Art Tödtung behandelt wurde, oder das Wergeid des Thäters, der eigentlich gegenüber der gegnerischen Partei sein Leben verwirkt hatte und dasselbe durch Zahlung des eigenen Wergeides lösen mußte. Vgl. meine Geschichte des ehel. Güterrechts I. l l i f . SOHM i. d . Z e i t s c h r . f. R G . V . 3 9 8 .

RICHTHOFEN, Z u r L e x S a x o n u m 2 8 5 — 3 0 5 .

Siehe

auch Anm. 50. 33 Die altfränkische und altalamannische Bezeichnung für Diebstahl und Diebesbuße (taxaea, texaea, texaga) hängt mit ahd. zascon (rapei-ej zusammen, bezieht sich also ebensowol auf die diebliche wie auf die raubliche Entwendung. Vgl. GRIMM bei MERKEL, Lex Salica, Vorrede S. VIII. KERN bei HESSELS, Lex Salica, Noten § 21. SOHM, MG. Leg. V. 287. Zeitschr. f. RG. XX. 18. Ebenso gebrauchen die Quellen für, latro, furtum, latrocinium, involare u. dgl. m., ohne die Art der Entwendung zu unterscheiden. Uber einzelne Reste des alten Unterschiedes vgl. Anm. 15. WILDA 914. L. Alam. Karol. V. 1, 2. Über das chamavische Recht vgl. Anm. 35. 34

V g l . GRIMM b e i MERKEL, L e x S a l i c a , V o r r e d e S. L X X X V

ff.

v . RICHTHOFEN u n d

SOHM i. d. MG. Leg. V. 140, Note 71. 274, Note 25. GAUPP, Lex Francorum Chamavorum 77 ff. BEHREND, Lex Salica 144. WAITZ, Recht der sal. Franken 197 ff. DCJ CANGE, Glossar, s. v. clelatura. SALVIOLI, Responsabilitä dell' erede 3 0 . Eine früher verbreitete Annahme, daß die delatura eine Prämie gleich dem meldfeoh der Angelsachsen gewesen sei, ist unhaltbar. Vgl. Anm. 45. Über eine altalamannische Nebenbuße vgl. Anm. 3 5 . 33 Vgl. WILDA 897 ff. Poena dupli bei Friesen (L. Fris. III. 2 - 4 . VIII. 1. add. sap. 9. L. Cham. 28), Chamaven (L. Cham. 26, 27), vielleicht auch den diesen zunächst gesessenen Sachsen (L. Cham. 29. Vgl. SOHM, MG. Leg. V. 274, Note 30), Angelsachsen (Aethelred I. 1, § 5). Poena tripli bei Thüringern (L. Angl, et Wer. 35—38), Burgundern (L. Burg. 4, 3. 70, 1) und in Kent (Aethelbirht 9). Strafe des Neunfachen bei Alamannen (L. Alam. 70, 2. 71, 1. 74, 1; nach Pact. Alam. IV., MG. Leg. III. 83, anscheinend noch poena dupli mit einer Nebenbuße), Baiern (L. Baiw. I. 3, IX. 1, 6), Langobarden (Ed. Roth. 253, 260, 263) und Westgothen (L. Wis. R. SCHRÖDER, D e u t s c h e R e c h t s g e s c h i c h t d .

22

Die fränkische Zeit.

338

satze zu den übrigen Volksrechten hatte die Lex Salica ein höchst kasuistisch ausgestattetes System fester Diebstahlsbußen3S, das aber schon unter den Söhnen Chlodovechs der durch die Reichsgesetzgebung vertretenen Auffassung des Diebstahls und Raubes als eines öffentlichen Verbrechens weichen mußte: an die Stelle der Diebstahlsbuße, die nur bei ganz geringen Objekten beibehalten wurde 37 , trat jetzt die Lösung des Halses durch Zahlung des eigenen Wergeides, im Nichtzahlungsfalle die Todesstrafe 3S . Mit diesen Grundsätzen stimmte die Lex Ribuaria und die austrasische Territorialgesetzgebung Childeberts II. durchaus überein 39 , wogegen die chamayischen Franken die Todesstrafe erst bei dem sechsten Rückfall eintreten ließen 40 . Bei großem Diebstahl hatten auch die Baiern und Friesen die Todesstrafe mit Halslösung 41 , während das burgundische Recht den großen Diebstahl, sowie den Diebstahl mit Einbruch, das sächsische den nächtlichen Diebstahl schlechthin mit dem Tode bedrohte 42 , das langobardische Recht aber die Todesstrafe subsidiär, wenn die gesetzliche Diebstahlsbuße nicht geleistet wurde, eintreten ließ 43 . Die in dieser Entwickelung ausgesprochene Auffassung des Diebstahls und Raubes als eines öffentlichen VII. 2, 13f., 23). Eine Erhöhung auf das dreimal Neunfache trat nach alamannischem Rechte bei Sachen des Herzogs oder der Kirche, nach bairischem bei Diebstahl im Hofe des Herzogs, in einer Kirche, Schmiede oder Mühle ein, quia publice sunt et Semper patentes (L. Alam. 7, 1. 32. L. Baiw. I. 3. II. 12. IV. 2). Bei Diebstahl mit Einschleichen trat eine Erhöhung der Buße um 3 Sol. ein (L. Baiw. IX. 12). Das chamavische Eecht strafte das involare, wahrscheinlich hier Diebstahl mit Einbruch, vielleicht aber auch Kaub, mit dem Neunfachen (L. Cham. 24). ae Nur ein Zusatz der Wolfenbütteler Handschrift (L. Sal. 40, § 12), der römischen Ursprungs zu sein scheint, gedenkt der poena dupli und quadrupli. Vgl. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 226, Anm. 36. Für gewisse Diebstahlsobjekte hatte auch L. Wis. VII. 2, 12 und nach ihr L. Baiw. IX. 11 fest bestimmte Bußen. 87

88

V g l . SOHM i . d . Z e i t s c h r . f . R G . V . 4 1 5 .

Vgl. SOHM i. d. Zeitschr. f. RG. V. 413 ff. MEYEB, Entsteh, d. Lex Ribuariorum 116 ff. Landfriedensgesetz Childeberts I. und Chlothars II. (BOHETIUS, Capitularía Nr. 3) c. 1, 2, 8, 10. Edikt Chlothars II. von 614 (ebd. Nr. 9) c, 22. WASSER8CHLEBEN, Bußordnungen 419, c. 8. Gregor. Tur. libri miraculorum I. c. 72. II. c. 16. III. c. 21. VI. c. 53. VIII. c. 99 (MG. Ser. rer. Merov. I. 536, 571, 599, 811). Form. Andec. 3. Das sechste Kapitulare zur Lex Salica (BEHBEND 110, c. 3) hält noch an dem alten System der Diebstahlsbußen fest, ist demnach wahrscheinlich älter als das Landfriedensgesetz. Vgl. BRUNNEB, RG. I. 302, Anm. 48. Über Lösung des Halses vgl. S. 333. 38 Vgl. SOHM, MG. Leg. V. 254, Note 51 und i. d. Zeitschr. f. RG. V. 411 f. Decr. Childeb. II. von 595 c. 7 f. (BORETIÜS, Capitularía 16). L. Rib. 79 (Strafe des Galgens, nebst capitale und delatura). Ebd. 18, 63 (dreifaches Wergeid unter den erschwerenden Umständen des Heerdendiebstahls oder des Diebstahls im Komplott oder im Heere). Ebd. 42, 76 (feste Buße für Holz- oder Tierdiebstahl). 40 L. Chamav. 48. Vgl. Anm. 49. 41 Vgl. L. Baiw. IX. 8 (in Verbindung mit IX. 3). L. Fris. add. sap. I. 3. Siehe auch Anm. 15. Bei Diebstahl im Heere Lösung der Hand (L. Baiw. II. 6). 42 L. Burg. 4, 1. 29, 3. 47, 1. L. Sax. 32—35. 43 Vgl. Ed. Roth. 253. Nach Ed. Liutpr. 80 trat Gefängnisstrafe und Brandmarkung zu der Diebstahlsbuße hinzu.

§ 36.

Das Strafrecht.

339

Verbrechens zeigte sich auch in den Anstalten, die bei Franken und Angelsachsen zur Verfolgung dieser Verbrechen getroffen wurden 41 , in den für die Verfolger ausgesetzten Prämien 45 und der Gleichstellung der Beihilfe mit der That selbst 46 , namentlich aber in dem Verbote jedes außergerichtlichen Vergleiches des Bestohlenen mit dem Thäter 47 . Die karolingische Reichsgesetzgebung bewegte sich auf demselben Boden 48 , ließ aber zunächst Verstümmelungsstrafen und erst im zweiten Rückfalle Todesstrafe oder Lösung des Halses eintreten 49 . Auch bei Incest und Entführung führte die merovingische Gesetzgebung, die sich hier im Einklänge mit der volksrechtlichen Entwickelung befand, die Todesstrafe ein, die aber von Pippin und Karl nur für die schwersten Fälle beibehalten, im übrigen durch mildere Strafen ersetzt wurde 50 . Dieselbe Entwickelung zeigte sich in der Behandlung der vorsätzlichen Tödtung 51 . Gegenüber dem Wergeidsystem der Volksrechte, aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Lex Burgundionum (II. 1) und Lex Wisigothorum (VI. 4, 11. 5, 14 f.) bestimmte Childebert II. (Decretio von 595 c. 5): ut quicumque ausu temerario alium sine causa occiderit, vitae periculum feriatur, nam non de precio redemptionis se redimat aut componat, also Todesstrafe, ohne Recht der Lösung, für jede 44

Vgl. S. 123 f. Allgemeine Anzeigepflicht L. Cham. 30 f. Nach dem Landfriedensgesetz Childeberts I. und Chlothars I. c. 9 erhielt die verfolgende Trustis, wenn sie den Dieb ertappte, die Hälfte des Wergeides. Eine ähnliche Prämie war das angelsächsische meldfeoh (vgl. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 632), das man früher vielfach ungehörigerweise mit der fränkischen delatura zusammengestellt hat. Vgl. Anm. 34. W I L D A 900 ff. 46 Vgl. L. Baiw. IX. 7, 15. Ed. Roth. 232. L. Wis. VII. 2, 7. 9. L. Eib. 78. 47 L. Burg. 71. L. Rib. 73, 1. L. Baiw. IX. 16. Landfriedensgesetz Childeberts I. und Chlothars I. c. 3, 13. Nach Decr. Childeb. II. c. 8 hatte der Richter von Amts wegen einzuschreiten. 49 Vgl. W A I T Z , IV. 4 3 8 f. Capitulatio de part. Saxoniae c. 2 4 (BORETIÜS 7 0 ) . Capitulare Italicum v. 801 c. 4, c. 7 (ebd. 205). 49 Capit. Haristallense v. 7 7 9 (BOBETIUS Nr. 2 0 ) c. 2 3 . Vgl. Anm. 40. 50 Auf Incest setzte die Decretio Childeberts II. von 595 c. 2 und das Edikt Chlothars II. von 614 c. 18 die Todesstrafe, dagegen Pippins Kapitulare von 754/55 c. 1 (BORETIÜS 31) und Karls Capitulatio de part. Saxoniae c. 20 (ebd. 69) nur Geldstrafe, im Nichtzahlungsfalle Gefängnis, für Freigelassene und Knechte Prügel. Karls Capit. missorum v. 802 c. 33 (BORETIÜS 97) überwies den Incest der kirchlichen Bestrafung; wer sich dieser nicht fügen wollte, verfiel dem arbitrium regis. Die Lex Alam. 39 strafte den Incest mit Vermögenseinziehung, die Lex Fris. add. sap. III. 78 den Incest im Rückfall mit der Halslösung. Die Entführung wurde nach L. Salica 13, 4 noch mit der Muntbrüche gebüßt, seit dem ersten Zusatzkapitulare c. 6 (BEHREND, Lex Salica 90) mit dem Tode oder Lösung des Halses (vgl. Decr. Childeberts II. von 595 c. 4. L. Rib. 34. Form. Marc. II. 16. Form. Turon. 16. Form. Sal. Lindenbrog. 16), was nach Ludwigs Capitula legib. add. von 818/19 c. 4 und c. 9 (BORETIÜS 281 f.) nur bei der Entführung der Braut eines anderen und gewaltsamer Entführung einer Witwe vor dem Dreißigsten aufrechterhalten blieb. Vgl. Lex Chamav. 47. Siehe auch Anm. 32 und meine Gesch. d. ehel. Güterrechts I. 18. 51 Vgl. v. BAR, Geschichte des Strafrechts 64 ff. 45

22*

Die fränkische Zeit.

340

vermessentliche, d. h. nicht durch Fehde, Richterspruch oder gesetzliche Erlaubnis freigegebene Tötung 62 . Während das Kapitulare von Heristal von 779 (BOBETIUS 48, c. 8) anscheinend hieran noch festhielt, kehrten Ludwigs Capitula legibus addenda von 818/19 (BOBETIUS 282, c. 7) -wieder zu dem System der Yolksrechte zurück; nur für Tötung in einer Kirche wurde die Todesstrafe aufrechterhalten (c. 1), in allen anderen Fällen sollte der Thäter den Verwandten des Getöteten das Wergeid zahlen und auf eine dem Ermessen des Königs überlassene Frist in die Verbannung gehen. Die Fortbildung des Strafrechts durch den König beruhte auf der Berechtigung desselben, von seinen Unterthanen Gehorsam gegen seine Befehle und das von ihm gesetzte oder gehandhabte Recht zu beanspruchen, diesen Gehorsam, wo er verweigert wurde, mit allen Mitteln zu erzwingen, den Ungehorsamen als einen Ungetreuen zu strafen 53 . Am schärfsten trat dies in den Fällen hervor, wo der Schuldige an den Hof gebracht wurde, um nach freiem Ermessen des Königs seine Strafe zu empfangen: ein solcher stand mit Leib und Gut in der Gnade des Königs, und es war diesem überlassen zu bestimmen, wie die verlorene Gnade wiedergewonnen werden sollte61. Statt sich die Festsetzung der Strafe in jedem einzelnen Falle vorzubehalten, konnte der König auch ein- für allemal bestimmte Strafen anordnen, zumal da ihm in allen Fällen kraft des Majestätsrechtes der Gnade das Recht des Straferlasses oder der Umwandlung in eine mildere Strafe verblieb 55 . 62

Die außergerichtliche Söhne wurde nicht untersagt, aber dadurch erschwert, daß den Verwandten des Thäters bei Strafe der Halslösung verboten wurde, diesem zur Zahlung des Wergeides behilflich zu sein. Vgl. BRUNNEH i. d. Zeitschr. f. EG. XVI. 47 f. 53

V g l . v . BAR, a. a. 0 . 65. WAITZ, I I . 196, 199, 2 1 2 f.

I I I . 3 0 3 f., 3 1 4 ff. v. SYBEL,

Entstehung des Königtums 352, 367. 54 Schon Childebert I. hatte verfügt, daß alle, die Götterbilder auf ihren Besitzungen duldeten und die Zerstörung derselben weigerten, in nostris obtutebus (st. nostro obtuitu) praesententur (BOHETIUS 2). In demselben Sinne ist es zu verstehen, wenn Guntchram 585 allgemein verordnete-, dislringat legalis ultio iudicum quos non corrigit eanonica praedicatio sacerdotum (ebd. 12). Nach Karls Capitulare missorum von 802 (BOBETIUS Nr. 33) sollten omnes gui bannum vel praeneptum nostrum transgredere praesumunt an den Hof gebracht werden (ad palalium perducatur), dort ihre Strafe zu empfangen (c. 34). Im Falle eines Incestes sollten die Schuldigen sich dem Gerichte des Bischofs unterwerfen; würden sie sich dessen weigern, tunc ad nostra presentia perducantur, memores exemplo quod de incestis factum est quod Fricco perpetravit in sanctimoniali Dei (c. 33). Ganz allgemein bestimmten Ludwigs Capitula legibus addenda von 818, c. 16 (BOBETIUS 284): Qui epistolam nostram quocumque modo dispexerit, iussu nostro ad palatium veniat et iuxta voluntatem nostram congruam stulticiae suae castigationem accipiat. Vgl. Anm. 76. WAITZ, II. 197. III. 326. BBUNNEB, Entstehung der Schwurgerichte 77. OSENBBÜGGEN, Strafr. d. Langobarden 51 f. Im allgemeinen tritt übrigens bei der Handhabung der königlichen Strafgewalt der disziplinarische Charakter in den Vordergrund; es kommt dem Könige weniger darauf an, den Ungehorsam zu bestrafen, als vielmehr den Gehorsam zu erzwingen; sobald dies Ziel erreicht ist, pflegt Begnadigung einzutreten. 55

V g l . WAITZ, I V . 4 9 9 ff., 5 0 5 , 5 1 1 f.

MAUKEB 5 4 f., 57

ff.

Auch

die

Beamten

§ 36.

Das Strafrecht.

341

Die Strafen des Königsrechtes waren n a m e n t l i c h : Tod durch Strang oder Schwert 6 6 , V e r s t ü m m e l u n g 5 7 , V e r b a n n u n g 6 8 , Verstrickung oder Gefängnis 59 , Vermögenseinziehung oder B e s c h l a g n a h m e einzelner Vermögensstücke 6 0 , Verlust des A m t e s oder L e h e n s 6 1 , Strafeinquartierung 6 2 , P r ü g e l 6 3 , schimpfliche Strafen 6 4 , Geldbußen von verschiedener H ö h e 6 5 , namentlich die Strafe des Königsbannes von 6 0 Solidi 6 6 , die in den verschiedensten Fällen verhängt wurde u n d unter Karl d e m Großen für die sogenannten acht Bannfälle auch E i n g a n g in die Volksrechte gefunden hat 6 7 . besaßen ein gewisses Begnadigungsrecht, WAITZ, IV. 503. Die Ablösung der Todesstrafe durch Zahlung des Wergeides ist ursprünglich ein Erzeugnis der königlichen Gnade gewesen. Daß die VerhänguDg die Todesurteils über freie Franken dem Kenige persönlich vorbehalten wurde (vgl. W A I T Z II. 2, 360), hängt wohl mit der fiskalischen Bedeutung dieser Ablösung zusammen. 56 Außer den bereits angeführten Fällen ist namentlich des Schlußkapitels des Edikts Chlothars II. von 614 zu gedenken, wodurch die Verletzung dieses Reichsgrundgesetzes mit dem Tode bedroht wurde. Nach Ed. Eoth. 2 und Lex Baiw. II. 8 sollte, wer auf Befehl des Königs oder Herzogs einen Menschen getötet hatte, von der Fehde sowie von jeder gerichtlichen Verfolgung befreit sein. Daraus ergibt sich zugleich, daß es gegen den König selbst keine Strafverfolgung gab. 57

Vgl. WAITZ, I V . 422, 511 f.

H. O. LEHMANN, R e c h t s s c h u t z g e g e n ü b e r

Ein-

griffen von Staatsbeamten 106 f. Abhauen der Hand besonders bei Münzverbrecher, Meineid und falschem Zeugnis. Vgl. Capit. Haristall. v. 779 c. 10 (BORETIUS 49). Cap. missorum v. 802 c. 36 (ebd. 98). Cap. in Theodonis villa v. 805, II. c. 5 (ebd. 123). Cap. legib. add. v. 818 c. 19 (ebd. 285). Const. Hloth. v. 832 c. 10 (MG. Leg. I. 361). Vgl. auch BORETIUS, Capitularia 139 c. 4, 160 c. 6. L. Rib. 59, 3. L. Cham. 20, 32. L. Fris. III. 8, 9. X. L. Sax. 22. Ed. Roth. 242 f. MAUBEH, a. a. 0., 58. GRIMM, R A .

706.

59

V g l . WAITZ I I . 2, 292, 360.

69

Vgl. ebd. IV. 519 f.

00

V g l . WAITZ,

II.

IV.

514.

OSENBRÜGGFN. Strafr. d. Langob. 29.

2, 2 9 0 ff., 3 6 0 .

I I I . 307.

I V . 515

ff.

SOHM,

Reichs-

u.

Ge-

richtsverfassung 118 ff. MAURER, a. a. 0 . 59. OSENBRÜGGBN, Strafr. d. Langob. 28. 61 So u. a. stets bei Nichtachtung einer epistola regia. Vgl. Cap. legib. add. v. 8 1 8 c . 1 6 (BORETIUS 2 8 4 ) . 02

Cap. Haristall. v.

779,

c.

21

(BORETIUS 5 1 ) .

Cap. legib. add. v.

818,

c.

16.

Vgl. COHN, J u s t i z v e r w e i g e r u n g 81 ff., 94, 140. 63

WAITZ I V .

513.

64

Dahin gehörte auch die harmiscara. Vgl. W A I T Z IV. 523. GRIMM, RA. 681. 65 So hatten Karl Martell und Karlmann Rückfälle ins Heidentum mit einer Buße von 15 Sol. belegt (BORETIUS 28 c. 4); Karl der Große erhöhte dieselbe bei den Sachsen auf das Doppelte bei Freien, das Vierfache bei Edeln (ebd. 69 c. 21). Die Entheiligung des Sonntags war nach der Deel-. Childeb. II. von 595, c. 14 ebenfalls mit 15 Sol. zu büßen. Andere Bestimmungen über Sonntagsheiligung L. Fris. 18. L. Alam. 38. 60

Vgl. S. 117 f.

W . SICKEL, Zur G e s c h i c h t e des B a n n e s . 1886.

WAITZ, I I . 2,

286 ff. III. 318 ff. IV. 521. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 104—113, 171 ff. WILDA 4 6 9 ff. v. B A R , a. a. O . 67 f. Eine dem fränkischen Königsbann durchaus entsprechende Buße war die angelsächsische overseunessa oder cyninges oferhyrnes von 120 Sol. und das norwegische brefabrot, in gewissem Sinne auch das Vierzigund Fünfzehnmarkstrafgeld der drei skandinavischen Königreiche. Vgl. MAURER, a. a. O. 52. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 638f., 641. K. LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen 51ff„ 132 ff., 195 ff., 216 ff. 87 Vgl. W A I T Z III. 3 1 9 f. SOHM 1 1 0 f. Die acht Bannfälle waren: Heerbann,

342

Die fränkische Zeit.

E i n e n geringeren B a n n besaßen auch die B e a m t e n , insofern sie innerhalb ihres Wirkungskreises das B e c h t des Gebotes und Verbotes bei einer je nach ihrem S t a m m e s r e c h t verschiedenen Geldbuße ausübten 6 8 . A u c h die P ö n a l b e s t i m m u n g e n dispositiver U r k u n d e n , durch welche der Aussteller demjenigen, der seine Disposition anfechten würde, eine teils an den Gegner, teils an den F i s k u s zu entrichtende B u ß e aufzuerlegen pflegte, m a g als eine Art Privatbann aufgefaßt worden s e i n 8 9 . Diese Strafklauseln, die in dieser W e i s e nur in fränkischen, alamannischen u n d bairischen U r k u n d e n vorkommen, bezogen sich teils auf das eigenmächtige U n t e r w i n d e n des übertragenen Gegenstandes, teils auf die materiell ungerechtfertigte A n f e c h t u n g . D a aber nicht bloß die rechtswidrige Eigenm a c h t , sondern auch die unbegründete A n s t r e n g u n g eines Prozesses schon an sich strafbar war 7 0 , so stellte die Privatwillkür in j e n e n K l a u s e l n nicht neue Straffälle auf, sondern bestimmte nur die H ö h e der Strafe 7 1 . Frevel gegen Kirchen, gegen Witwen, gegen Waisen, gegen verteidigungsunfähige Hilfsbedürftige, Entführung, Brandstiftung, Heimsuche (harizhut, fortia). Da sieben dieser Bannfàlle schon nach Volksrecht mit Buße und Friedensgeld bestraft wurden, so trat der Bann an die Stelle des letzteren, wodurch die Verschmelzung von Bann und Friedensgeld zu dem späteren Gewette angebahnt wurde. 68 Capitulare missorum (von 802?) c. 57 (BORETIUS 104): üt bannus, quem fer semetipsum dominus imperator bannivit, 60 solidos solvatur. caeteri vero banni, quos comités et iudices faciunt, secundum legem, uniuscuiusque componantur. Vgl. ebd. c. 48. SOHM, a. a. O. 168—178; MG. Leg. V. 274, Note 32. 275, Note 35. Nach dem salischen Becht betrug die Prozeßbuße im volksrechtlichen Verfahren 3 Soi. oder 15 Soi., wovon der Gegner 2 oder 10 Soi. erhielt, 1 oder 5 Soi. dagegen als Gerichtsgewette galten. Vgl. COHN, Justizverweigerung 53 ff. Der regelmäßige Grafenbann betrug 15 Soi., derselbe konnte unter Umständen auf das Doppelte und Dreifache erhöht werden. Insbesondere konnten die Grafen seit Karl dem Großen über gewisse Verbrechen die Verfestung (forbannus) aussprechen, wobei die Aufnahme des Vérfesteten jedermann bei Strafe von 15 Soi. verboten wurde (vgl. SOHM, a. a. 0 . 162. WAITZ IV. 518). Der Grafenbann bei den Chamaven betrug 4 Soi. (L. Cham. 31, 34—41), bei den Alamannen wohl 6 Sol. (L. Alam. 23, 2 f.). In einzelnen Fällen erhielten die Grafen das Recht, bei Königsbann zu gebieten (SOHM, a. a. O. 176 f.). Den sächsischen Grafen gab Karl der Große allgemein den Bann von 60 Soi. für causae maiores, von 15 Soi. für causae minores (Capitulatio de part. Saxoniae c. 31). Im Laufe des 9. Jahrhunderts scheinen auch die fränkischen und alamannischen Grafen allgemein das Becht, bei Königsbann zu gebieten, erlangt zu haben (SOHM 177 f.). 89 Vgl. E. LÖNINO, Der Vertragsbruch im deutschen Recht, Anhang (S. 534—600), Über Ursprung und rechtliche Bedeutung der in den altdeutschen Urkunden enthaltenen Strafklauseln (auch als besondere Schrift erschienen). BLUHME i. d. Jahrbuch des gemeinen deutschen Kechts III. 207 ff. Vgl. LÖNING, a. a. 0 . 566—579. 71 Capitulare legibus additum von 803, c. 7 (BORETIUS 114): Si quis per cartam ingenuitatis a domino suo legitime libertatem est consecutus, liber permaneat. si vero aliquis eum iniuste inservire temptaverit — — —, ille qui hoc temptavit multam quae in carta scripta est solvere cogatur. Vgl. BORETIUS 215, c. 7. L. Alam. 1, 2: Si aliqua persona, aut ipse qui dedit vel aliquis de heredibus eius, post haec de ipsas res de illa ecclesia abstrahere voluerit, vel aliquis homo qualiscumque persona hoc praesumpserit facere, effectum quod inchoavit non obtineat, et midta illa qui in carta

§ 36.

343

Das Strafrecht.

Eine Hauptaufgabe der königlichen Fürsorge bildete die möglichste Beseitigung der Fehde 72 . Im allgemeinen war das Fehderecht zwar im Laufe der Zeit erheblich beschränkt worden, es fand nur noch bei gewissen Hauptfreveln (wie Tötung, Entführung, Ehebruch, vereinzelt auch Verwundungen und Diebstahl) Anwendung, erstreckte sich nicht mehr auf die ganze Sippe, sondern nur noch auf den Übelthäter selbst und allenfalls dessen nächste Angehörigen und fand in dem Schutze des Hausfriedens und des kirchlichen Asylrechts (Anm. 2) erhebliche Schranken. Aber zu einer völligen Aufhebung des Fehderechts war es nur bei den Westgothen gekommen72". Die langobardische Gesetzgebung beschränkte sich darauf, für bestimmte Fälle die Fehde zu verbieten 73 , im übrigen dem Verletzten durch Erhöhung der Bußtaxen und dem Gegner durch Sicherung der ihm zu leistenden Urfehde die Sühne möglichst annehmbar zu machen73". Bei den Angelsachsen wurde die Fehde nur für den Fall, daß das Wergeid nicht zu erlangen war, zugelassen 74 . Noch kräftiger gingen die Karolinger gegen die in ihrem Reiche bis dahin noch allgemein zu Recht bestehende Fehde vor 75 . Volksrechtlich blieb dieselbe anerkannt, aber die Beamten wurden angewiesen, die Sühne zu vermitteln und denjenigen, der die Zahlung des Wergeides oder die Annahme der Zahlung verweigerte, vor den König zu bringen, der die Bestrafung des Widerstrebenden seinem Ermessen vorbehielt 78 . contenti persolvat, et res illas ex integro reddat et frido in puplico solvat, sicut lex habet. Vgl. ebd. 2, 2. L. Alam. Karol. 1, 2 (MG. Leg. III. 126, vgl. dazu MEBKEL'S Note 8 und 11), MERKEL, MG. Leg. III. 126, Note 8. 127, Note 11. 377, Note 11. Vgl. Anm. 13. 72

Vgl.

S. 72

THONISSEN, a.

a.

ff. 0.

B B U N N E R , R G . 1 5 6 ff. u n d i n HOLTZENDORFF'S E n c y k l o p ä d i e 2 0 3 . 153—197.

WAITZ, I V .

507

SIEGEL, Geschichte des Gerichtsverfahrens 8—35. der G e r m a n e n

16—28,

ff.

PARDESSUS, L o i

Salique

6 5 4 ff.

DAHN, Fehdegang und Eechtsgang

3 7 ff. ( B a u s t e i n e I I . 9 0 — 1 0 2 ,

111

ff).

RICHTHOFEN,

Zur

Lex

Saxonum 240—271. DEL GIUDICE, La vendetta nel diritto langobardico (Archivio storico lombardo II. 217 ff. III. 137). SALVIOLI, La responsabilità dell' erede 15 ff. OSENBRÜGGEN, Strafrecht der Langobarden 3 ff. KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 157—162, 171; Nachwort zu Shakespeare 17 f. MONOD, Les aventures de Sichaire, bei MONOD et THÉVENIN, A la memoire de G. Waitz. 1886. 72a Ein eigentümlicher Rest L. Wis. VI. 5, 16. Vgl. KOHLER, Shakespeare 161 f. 73 So bei allen Verwundungen. Vgl. Ed. Roth. 45. Siehe auch S. 344 f. 73

» Vgl.

OSENBRÜGGEN, a . a . O . 5

ff.

KOHLER, a . a . O . 1 6 1 .

Ed. Roth.

74,

143.

Liutpr. 42, 135. 74

Vgl.

MAURER, a . a . 0 .

4 1 ff.

75

Die Ansicht, daß schon die Mero vinger den in schlag für strafbar erklärt hätten (vgl. SOHM, ReichsBETHMANN-HOLLWEG, Roman.-germ. Civilprozeß I. 464 Gesch. Westdeutschlands IV. 270 f. WILDA 195), findet stützung. 76

der Fehde begangenen Todu. Gerichtsverfassung 104 f. f. SICHEL, i. d. Zeitschr. f. in den Quellen keine Unter-

V g l . WAITZ, II. 2, 359.

Cap. Harist. v. 779 c. 22 (BORETIUS 51). Cap. missor. v. 802 e. Cap. missor. in Theod. villa v. 805 II. c. 5 (ebd. 123). Cap. legib. add. (ebd. 284). Dem Ungehorsamen wurde insbesondere Verbannung (bis der Nachgibigkeit), dem die Zahlung weigernden Totschläger auch einziehung angedroht. Bei den Sachsen hatte schon die Capitulatio

32 (ebd. 97). v. 818 c. 13 zum Eintritt Vermögensde partibus

344

Die fränkische Zeit.

Büß- und straflos, und daher auch nicht zur Fehde berechtigend, war die Tötung des auf handhafter That ertappten Diebes oder Räubers, sei es allgemein, oder nur bei nächtlicher Weile, oder bloß wenn der Dieb •sich der Festnahme erwehrte77. In derselben Weise wurde die Tötung der im Ehebruche betroffenen Frau und ihres Buhlen durch den verletzten Ehemann behandelt, nach manchen Rechten unter der ausdrücklichen Bedingung, daß beide, nicht der Ehebrecher allein, getötet sein müßten78. Das friesische Recht erlaubte die Tötung bei handhafter That auch gegen den Brandstifter und Tempelräuber79, das westgothische gegen den, der gewaltsam in ein Haus eindrang, um die Bewohner zu töten 80 . In allen diesen Bestimmungen, obwohl sie in erster Reihe als Ausflüsse des altgermanischen Fehderechts oder der Hausjustiz erscheinen, gibt sich doch auch schon der erste Schritt zur Anerkennung der Notwehr und zur Bestrafung des Versuches zu erkennen81. Einen weiteren Fortschritt zeigt die mehr und mehr hervortretende Beachtung des verbrecherischen Willens. Zwar wurde auch jetzt noch, wie in allen jugendlichen Rechten, das Hauptgewicht auf die objektive Verletzung gelegt und in vielen Fällen, die uns als reiner Zufall erscheinen, eine schuldbare Fahrlässigkeit angenommen82, aber während das alte Recht zwischen' absichtlichen und fahrlässigen Verletzungen keinen prinzipiellen Unterschied machte8S, ließen die Quellen unserer Periode die Saxoniae c. 31 (ebd. 70) den Grafen das Recht eingeräumt, bei Königsbann Frieden zu gebieten; dem König selbst wurde durch Cap. Saxon. von 797 c. 9 (ebd. 72) das Recht, einen noch höheren Bann bis zu 1000 Sol. zu verhängen, vorbehalten. Über das Verhältnis dieser Bestimmungen zu der volksrechtlichen Anerkennung des Fehderechts vgl. SOHM, a. a. O. 105, Anm. 6 (gegen USINQER, Forsch, z. Lex Saxonum 17 ff.). RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 265 ff.

" L. Burg. 27, 9. 29, 2. L. Wis. VII. 2, 15f. L. Baiw. 9, 5. Decret. Tassil. Synod. Niuhing. 3 (MG. Leg. III. 464). L. Sax. 32. Ed. Roth. 32 f. L. Rib. 77. L. Fris. 5, 1. L. Angl, et Wer. 39. Form. Turon. 30. Chlothars II. Edict v. 614, c. 22. BORETIUS, Capitularia 217, c. 7. V g l . WAIZ, I V . 511. Saxonum 269, Anm. 2. THONISSEN, a. a. 0 . 183 ff. 78

RICHTHOFEN, Zur Lex

L. Burg. 68. L. Rib. 77. L. Wis. III. 4, 3 f. Ed. Roth. 212. L. Baiw. 8, 1.

Ii. Fris, 5, 1.

V g l . MAUKER, a. a. O. 41.

THONISSEN, 178 f.

WALTER, RG. II. 399.

ROSENTHAL, Die Rechtsfolgen des Ehebruchs 43 ff. Das bairische Volksrecht gestattete dem Ehemanne, unter Verzicht auf sein Tötungsrecht, von dem Ehebrecher die Zahlung seines Wergeides zu verlangen. Vgl. ROSENTHAL 60. 80 " L. Fris. 5, 1. L. Wis. VI. 4 , 2. 81 Notwehr besonders Ed. Roth. 280. 330, Form. Tur 30, L. Wis. VI, 4, 2; Versuch der Brandstiftung L. Fris. 5, 1, des Diebstahls Decr. Tassil. Syn. Niuh. 3, 1. 82

V g l , S. 59, 285.

WILDA, 552 ff. v. BAR, a. a. 0 . 62 f.

SCHMIDT, Schadenersatz

33 ff., 36 ff., 50. AMIBA, Altschwed. Obligationenrecbt 377. Nur die Burgunder (L. Burg. 18) hatten die scharfe Unterscheidung von culpa und casus aus dem römischen Recht entnommen. Vgl. KOHLER, a. a. O. 161. Siehe auch Ed. Roth. 323 f., 326. 83 Ich habe S. 78 einen solchen Unterschied mit Unrecht schon für die Urzeit angenommen. Thatsächlich wird die verletzte Partei, wenn sie die Unabsichtlichkeit des Gegners erkannt hatte, eher zur Versöhnung und zum Verzicht auf die Fehde geneigt gewesen sein, rechtlich aber wurde das subjektive Element bei den Germanen

§ 36.

Das Strafrecht.

345

vollen strafrechtlichen F o l g e n nur dann eintreten, w e n n die H a n d l u n g in verbrecherischer Absicht g e s c h e h e n war 841 . W o diese fehlte, blieb nach einigen Gesetzen die F e h d e ausgeschlossen, nach anderen kam, was thatsächlich dasselbe besagte, das Friedensgeld i n W e g f a l l 8 5 . Die klägerische Partei erhielt demnach in der Regel nur das einfache Wergeid oder die einfache B u ß e , bei Sachbeschädigungen den einfachen Schadensersatz 8 6 , die Verletzung hatte ihren strafrechtlichen Charakter abgestreift u n d nur noch privatrechtliche F o l g e n 8 7 . I n der angegebenen W e i s e behandelten die Yolksrechte die Übelthaten U n m ü n d i g e r 8 8 , die unabsichtliche T ö t u n g 8 9 u n d alle B e s c h ä d i g u n g e n durch fremde Tiere 9 0 . I n derselben Weise wie für Tierschäden haftete der Herr bei Delikten seiner K n e c h t e 9 1 , sobald seine eigene U n s c h u l d erwiesen war, nur noch ebenso wenig wie bei anderen Naturvölkern in Betracht gezogen. Vgl. v. BÄK, a. a. 0. 62 ff. IHEEING, Das Schuldmoment im römischen Privatrecht (Vermischte Schriften, 1879, S. 155 ff.). 84 Vgl. über das Folgende WiLDa 546 ff., 578 ff. THONISSEN, a. a. 0 . 207. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 108, Note 18. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 241 ff. KOHLEB, Shakespeare 161. OSENBRÜGGEN, Strafrecht der Langobarden 8, 32 ff. Die langobardische Bezeichnung für die böse Absicht war asto fst. hasto), asto animo, dem mnd. haste mod (animus iratus), lang, haistan i. e. irato animo (Ed. Roth. 277), alam. haistera hanti (L. Alam. 9 ) verwandt. Vgl. GRIMM, RA. 4 . OSENBRÜGGEN, a. a. 0 . 32. M E Y E R , Sprache der Langobarden 290 f. M E R K E L , M G . Leg. III. 49, Note 18. DIEFENBACH, WB. d. goth. Sprache II. 506 f. SCHILLER u. LÜBBEN, Mittelnd. WB. II. 215. Über noch andere Bezeichnungen W I L D A , 559 ff. AMIRA, Altschwed. Obligationenrecht 373 f., 377. 95 Die in den folgenden Anmerkungen angeführten Belege lassen über den Zusammenhang zwischen Fehde und Fredus nicht den mindesten Zweifel. Wo die Fehde ausgeschlossen war, hatte der Verletzer auch keinen Fredus zu zahlen. Dadurch wird bestätigt, daß der Fredus der Lohn für die Sühnevermittelung war. Vgl. Anm. 10. 99 Vgl. L. Fris. add. sap. III. 69 f. L. Angl, et Wer. 51 f. L. Rib. 46, 2. Zuweilen wurde auch nur ein Teil geleistet. Vgl. L. Sal. 36. L. Rib. 46, 1. L. Fris. add. sap. III. 68. Ed. Roth. 138. Liutpr. 136. 87

V g l . AMIRA, a . a . 0 . 3 7 0 f., 3 8 9 .

98

L. Sal. 24, 5: Si vero puer infra 12 annos aliqua culpa commitiat, fretus ei nullatenus requiratur. Vgl. L . Fris. add. sap. I I I . 7 0 . W I L D A , 6 4 0 FF. 89 Wegfall der Fehde: L. Sax. 59. Ed. Roth. 75, 138, 387. Liutpr. 136. Wegfall des Fredus: L. Rib. 70, 1. Vgl. L. Fris. add. sap. III. 69. 90 Wegfall der Fehde: L. Sax. 57. Ed. Roth. 326. Wegfall des Fredus: L. Rib. 46, 1. Vgl. L. Sal. 36. L. Fris. add. sap. III. 68. 91 Über das Folgende vgl. JASTROW, a. a. 0 . (Anm. 24), 5, 10 f.. 13, 17 f., 21 f., 25, 28. WILDA, 652 ff. SCHMIDT, Schadenersatz 43 ff. War der Knecht von einem Dritten zu der Unthat angestiftet, so sollte nach L. Baiw. IX. 6 der Herr keinen Schaden leiden, der Knecht mit einer Prügelstrafe abgefunden, als der eigentlich Schuldige aber der Anstifter behandelt werden. Vgl. SCHMIDT, Schadenersatz 54. Wer dagegen einen Freien zu einer Übelthat anstiftete, war gesetzlich straflos, höchstens konnte er subsidiär zu Buße oder Wergeid herangezogen werden; aber der Fehde war auch der Anstifter ausgesetzt und es war seine Sache, wie er den Frieden wiedergewinnen mochte. Vgl. L. Fris. II. 2 f., 5 f., 7 f., 11. BRUNNER, RG. I. 162, Note 33, 164. v. BAR, a. a. O. 63, Note 268. SIEGEL, Gerichtsverfahren 12 f. RICHTHOFEN, Zur Lex S a x o n u m 240, N o t e 1. 244 ff. WILDA, 627 ff.

346

Die fränkische Zeit.

für den Schadensersatz ; für Bußen galten durchweg geringere Taxen. Andererseits aber war die eigene strafrechtliche Verantwortlichkeit der Unfreien in einem eigenen System von Leibes- und Lebensstrafen, das ganz besonders zur Ausbildung eines öffentlichen Strafrechts beigetragen hat 9 2 , zur Anerkennung gelangt. Nach außen hin hatte der Herr diese Verantwortlichkeit zu vertreten: die Klage ging gegen ihn, aber durch die Auslieferung des Übelthäters wurde er von jeder strafrechtlichen Verfolgung befreit. § 37. D a s G e r i c h t s v e r f a h r e n 1 . Die Fortbildung des in seinen Grundzügen noch in der germanischen Urzeit zu einem gewissen Abschluß gekommenen Verfahrens 2 gehört teils dem Volksrecht, teils der Königsgesetzgebung an, teils ist sie durch die Handhabung der Rechtspflege im Königsgericht, als einem Billigkeitsgericht, vor sich gegangen. Dem Volksrecht ist die Klage um Gut oder fahrende Habe zuzuschreiben. Eine bürgerliche Klage zur Wiedererlangung einer beweglichen Sache gab es nicht. Das Recht kannte nur die strafrechtliche Verfolgung wegen rechtswidriger Vermögensvorenthaltung oder dieblicher Entwendung, wobei der Kläger neben der Bestrafung des Gegners auch die Rückgabe oder den Ersatz der Sache erreichen konnte 3 . Hatte der Eigentümer seine Sache verliehen oder sonst freiwillig aus der Hand gegeben, so hatte ihm der Empfänger für die Rückgabe oder den Ersatz einzustehen, was das Sprichwort mit dem Satze Hand muß Hand wahren ausdrückte »2 Vgl. v. BAR, a. a. O. 68 f. 1 Außer der § 13, N. 1 angeführten Litteratur vgl. BRUNNER, Entstehung der Schwurgerichte, 1872, S. 43—126, 397 ff., 438 ff., 458 ff., 469; Zeugen- und Inquisitionsbeweis der karoling. Zeit (Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. LI. 1866); Wort u. Form im altfranzösischen Prozeß (ebd. LVH. 1868); Das Gerichtszeugnis und die fränkische K ö n i g s u r k u n d e (i. d. F e s t g a b e n f ü r HEFFTER, 1 8 7 3 ) ; i n HOLTZENDORFF'S

Encyklopädie

2 0 0 f., 2 1 6 f.

deutsch.

BETHMANN-HOLLWEG, a. a.

O. I.

II.

SIEGEL, G e s c h .

d.

Ge-

richtsverfahrens, I. 1857. KOGGE, Gerichtswesen der Germanen, 1820. L. v. MAURER, Geschichte des altgerman. Gerichtsverfahrens, 1824. FICKER, Forschungen z. Reichsund Rechtsgeschichte Italiens I. 21—62. PERTILE, Storia del diritto ital. VI. 205 ff. SALVIOLI, La giuridizioni speciali nella storia del diritto italiano I. 1884. WACH, Der italienische Arrestprozeß 1—33. VAL DE LIÈVRE, Launegild u. Wadia 134 ff., 1 6 0 ff., 1 9 6 bis 418.

ff.

DAHN, W e s t g o t h .

WALTER, D R G . § §

Studien

656—697.

G e r i c h t s v e r f a s s u n g 1 1 3 ff, 1 2 3 — 1 3 7 ,

243—286. ZÖPFL,

EICHHORN,

DRG.

1 4 0 ff., 3 5 5 ff., 5 8 1

§. ff.

125a.

St.-

u.

RG.

I.

SOHM, R e i c h s -

406 u.

W A I T Z , I I . 2 , 1 7 0 ff., 3 6 2 .

IV. 409 f., 422—431, 438, 484 f. COHN, Justizverweigerung im altdeutschen Recht, 1876. H. 0 . LEHMANN, Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht, 1883. E. MAYER, Zur Entstehung der Lex Ribuariorum 128 ff. R. LÖNING , Der Reinigungseid bei Ungerichtsklagen, 1880; Der Vertragsbruch u. seine Rechtsfolgen, 1876. E. LÖNING, KR. d. Merovinger 496 ff., 755 ff. A. SCHMIDT, Echte Not, 1888, S. 148 ff. SACHSSE, Das Beweisverfahren, 1855. 2

V g l . § 13.

BRUNNER, D R G . I . 1 7 7

ff.

DAHN. F e h d e g a n g

u . R e c h t s g a n g 4 1 ff.

(Bausteine II. 116 ff.). 3 Auch die eigentliche Diebstahlsklage ging neben der Strafe zugleich auf Rückgabe oder Ersatz. Vgl. S. 337. * Vgl. Anm. 7. Über die Anwendung des Satzes H. m. H. w. im altdänischen

§ 37.

Das Gerichtsverfahren.

347

Auf Grund dieses Satzes stand dem Eigentümer, nachdem er den Empfänger durch mehrfache rechtsförmliche Mahnung in Verzug gesetzt hatte, gegen diesen das S. 86 geschilderte Betreibungsverfahren wegen rechtswidriger Arermögensvorenthaltung zu 5 . Eine Klage gegen den Dritten, der die Sache von dem ersten Empfänger erhalten oder diesem entwendet hatte, konnte der Eigentümer nicht geltend machen, es war ausschließlich die Aufgabe der „wahrenden Hand", ihm die Sache wiederzuschaffen oder zu ersetzen. War eine Sache dieblich entwendet, so hatte der Bestohlene das Dritthandverfahren gegen denjenigen, bei dem die Sache auf der Spurfolge (vestigii minatio) gefunden wurde 6 . Als Bestohlener galt nicht der Eigentümer, sondern derjenige, gegen den der Diebstahl vollführt worden war. Bei der Entwendung einer anvertrauten Sache war demnach einzig der Vertrauensmann, aus dessen Gewahrsam sie gestohlen war, als wahund altschwedischen Recht vgl. MAUHER, K r i t . VJSchr. X. 268. AMIRA, Obligationenrecht I. 655 f. Die ursprüngliche Bedeutung des Kechtssprichwortes findet sich in altschwedischen Quellen und dem altfriesischen: Hond scel hond wera, d. h. die H a n d des Empfängers soll der Hand des Gebers Gewähr leisten (für Rückgabe oder Ersatz einstehen). Vgl. RICHTHOFEN, Altfries. WB. 1136. BESELER, Privatrecht L 4 . 336, N. 2. TELTING, Skets van het oudfriesche privaatregt, i. d. T h e n n s , 1873, Stück 2, Sonderabdruck S. 68 f. 6

Vgl. L. Sal. 52. L. Rib. 52.

6

Vgl. L. Sal. 37, 47. L. Rib. 33, 47, 72. Ed. Roth. 231, 232, nebst den dazu gehörigen Formeln u n d Glossen des Lib. Papiensis. Angels. Gesetze von Hloth. u. Eadr. 7. 16. Ine 25, 47, 53, 75. Aethelstan I I . 9. Äthelred II. 8. 9. Cnut I I . 23 f. Wilhelm d. Erob. I. 21. Die überaus reichhaltige Litteratur, zum Teil allerdings n u r das Mittelalter berücksichtigend, ist bei STOBBE, Handbuch II. § 146 fast vollständig a n g e f ü h r t . Vgl. noch besonders LONDON, Die Anefangsklage in ihrer ursprünglichen Bedeutung, her. v. PAPPENHEIM, 1886. JOBBÉ-DUVAL, Etude historique sur la revendication des meubles en droit français et étranger, Nouv. Revue hist. de droit fr. et étr. 1880, S. 463 if., 535 ff. HERMANN, Die Grundelemente der altgermanischen Mobiliarvindikation (GIERKE, Untersuchungen XX. 1886). DE VECCHIO, Rivendicazione dei beni mobili, 1878. KERN, Entwickelung des Grundsatzes „Hand m u ß H a n d w a h r e n " , Bresl. Diss. 1881. WAITZ, Recht der sal. Franken 156 ff. SCHERRER, i. d. Zeitschr. f. R G .

XIII.

267

ff.

DARGDN, e b d . X I X .

212

ff.

MERKEL, e b d . I I .

1 1 4 f.

NISSL,

Ge.

richtsstand des Clerus 187 f. DAHN, Westgothische Studien 92 f., 257 f. HEUSLER, Inst. H . 6 f., 209—218. ZÖPFL, RG. § 102; Die euua Chamavorum 73 ff. BRUNNER, b e i v . HOLTZENDORFF 2 5 1 .

GENGLER, G r u n d r i ß d e r D R G .

3 4 1 f.

R . LÖNING,

Vertrags-

bruch 103 ff. BESELER, Deutsch. P r i v a t r . § 85. TELTING, a. a. O., Themis, 1872, 4. Stück, Sonderabdruck 11 ff.; 1873, 2. Stück, Sonderabdruck S. 45 ff. FRANKEN, Gesch. d. franz. Pfandrechts 270 ff. REYSCHER, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht V. 198

ff.

CROPP, i. d. J u r i s t . A b h a n d l u n g e n

von

H E I S E U. C R O P P , I I . 2 8 5

ff.

HOMBYER,

Richtsteig Landrechts 439 ff. ZORN, Beweisverfahren 58 ff. ALBRECHT, De probationibus (Königsb. P r o g r a m m v. 1827) I I . 4 ff. PLANCK, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter I. 824 ff. Von den Anm. 1 und § 13, Anm. 1 angeführten W e r k e n s i n d h i e r h e r v o r z u h e b e n FERTILE, LAUGHLIN, GAUDENZI (S. 19 ff.), THONISSEN (S. 5 3 1

ff.),

SIEGEL

( 4 2 ff., 8 6 ff., 2 5 2

ff.),

BETHMANN-HOLLWEG

(I.

1 4 f.,

4 0 ff., 2 3 4 f . ,

385 f., 479 ff., I I . 129 f.) und SOHM ( 5 5 - 1 2 1 , 195, auch R e i c h s - u n d Gerichtsverfassung 301 f., und Zeitschr. f. RG. V. 449 f.). Über das altnordische Recht vgl. AMIRA, Vollstreckungsverfahren 208 ff.; Zweck u. Mittel 54.

348

Die fränkische Zeit.

rende Hand zur Dritthandsklage legitimiert 7 . Schon hieraus ergibt sich, daß die Klage keine bürgerliche, sondern eine strafrechtliche war. Die Quellen erwähnen das Dritthandverfahren nur bei dem Diebstahl, lassen aber keinen Zweifel darüber, daß Raub, Fundunterschlagung u. dgl. ebenso behandelt wurden 8 . Als regelmäßige Gegenstände des Dritthandverfahrens werden nur Sklaven und Vieh angeführt, doch fand dasselbe auch auf leblose Gegenstände, wenn sie nur genügend gezeichnet waren, Anwendung 9 . Die Verfolgung der entwendeten Sache eröffnete der Bestohlene durch Erhebung des Gerüftes 10 , dem bei Strafe jeder, der es hörte, nacheilen mußte. Die auf diese Weise zusammengerufene Verfolgerschaar (trustis) diente dem Bestohlenen ebensowohl zur Unterstützung wie als Zeugenschaft n . Führte die Spur zu einem Hause, so durfte der Herr desselben bei Strafe des Diebstahls dem Verlangen einer Haussuchung nichts in den Weg legen, hatte aber, wenn dieselbe erfolglos blieb, eine Buße zu beanspruchen 12. Die Haussuchung vollzog sich in altertümlicher Form, deren Anklänge an griechische und römische Gebräuche ihren alt-arischen Ursprung verraten 13 . Wurde die Sache gefunden und von dem Inhaber sofort herausgegeben, so war damit, wenn kein Verdacht des Diebstahls gegen diesen vorlag, alles weitere erledigt 14 . Bestritt er dagegen den dieblichen Charakter der Sache, indem er einen eigenen Erwerbsgrund für sich geltend machte, so leitete der Verfolger das Rechtsverfahren ein, indem er Hand an die Sache legte und die Herausgabe derselben zu Händen eines Dritten, um sie bis zum Austrage des Streites zu verwahren, forderte. Von der Handl Vgl. Ed. Liutpr. 131. Westg. Antiqua 280 (L. Wis. V. 5, 3). L. Baiw. XV. 3 f. Über die Verantwortlichkeit des Verwahrers einer fremden Sache für Entwendung derselben vgl. Stobbe, Gesch. d. deutsch. Vertragsrechts 217. Eben auf dieser Verantwortlichkeit beruhte das Recht und die Pflicht des Verwahrers zur Verfolgung des Diebes. Nach dem schwäbischen Eecht (L.'Al. Hloth. 6, L. Alam. Karol. 5, 1 f., MG. Leg. III. 47, 130 f.) scheint die Kirche für Sachen, die ihr anvertraut waren, im Falle einer von ihr nicht verschuldeten Entwendung nicht verantwortlich gewesen zu sein; die Verfolgung des Diebes war hier Sache des Eigentümers, der auch die Diebstahlsbuße erhielt, während die Kirche sich mit einer Nebenbuße für die Verletzung des Kirchenfriedens begnügen mußte. 8 Vgl. L. Rib. 75. L. Fris. add. sap. 8. Ed. Roth. 260, 262, 343. L. Wis. VIII. 5, 6. W i l d a , Strafr. d. Germ. 918 f. Das alamannische Recht bestrafte die Fundunterschlagung "\it 12 ß. und 40 ß. (L. Alam. 88, 90), behandelte die Sache also nicht als Diebstahl. 10 11 9 Vgl. L. Rib. 72, 9. Vgl. S. 30, N. 4. Vgl. S. 85. 12 Vgl. L. Rib. 47, 2 f. L. Sal. 66. L. Burg. 16, 1. L. Rom. Burg. 12, 1. Decr. Tassil. IV. (synod. Niuhing.) c. 12. L. Baiw. 11, 1—4. Pact. Alam. 5, 3 (L. AI. Hloth. 100, 2 f.). Sohm, Prozeß d. Lex Salica 66 f. 13 Vgl. Grimm , RA. 639 ff. Telting , a. a. 0., Themis 1873, Stück 2, Abdruck 5 3 ff. WILDA, Strafr. d. Germ. 9 0 3 f. Amira, Vollstreckungsverfahren 3 0 9 ; Zweck u. Mittel 54. Die Haussuchung (scrutinium) hieß ahd. hussuocha, selisuoclia (vgl. MG. Leg. III. 466. V. 277), altnord. rannsokn fv. rannr, Haus). u Vgl. L. Burg. 83, 1. Greg. Tur., Liber in gloria confessorum c. 80.

§ 37. Das Gerichtsverfahren.

349

16

a n l e g u n g hatte das Verfahren den N a m e n Anfang , von der Forderung der Herausgabe an einen Dritten wurde es als intertiatio oder Dritthandverfahren bezeichnet 1 6 . I n der ältesten Gestalt, m i t der Übergabe an einen Dritten zu treuer Hand, erscheint das Verfahren nur noch bei den A n g e l s a c h s e n 1 7 . Bei den übrigen S t ä m m e n konnte der Besitzer die Sache von dem B e s t o h l e n e n , der handangelegt hatte, vorläufig zurückfordern, u m sie zu seiner eigenen Rechtfertigung an seinen Gewährsmann zu übergeben. Hier war also der Gewährsmann als die Dritthand zu betrachten. E i n e n Mittelstandpunkt n a h m die Lex Salica ein. Dieselbe unterschied, je n a c h d e m die Sache binnen drei Nächten n a c h dem Diebstahl oder erst später aufgefunden war. Ersterenfalls wurde die Sache e i n e m Treuhänder übergeben, letzterenfalls durfte der Besitzer sie wieder an sich n e h m e n 1 8 . D a g e g e n schnitt die Lex Eibuaria dem Besitzer einer frisch gestohlenen Sache die V e r t e i d i g u n g i m Dritthandverfahren überhaupt ab u n d verpflichtete ihn zu sofortiger Herausgabe an den B e stohlenen 1 9 , indem sie offenbar von der E r w ä g u n g a u s g i n g , daß der Erwerber einer erst seit drei N ä c h t e n gestohlenen Sache sich m i n d e s t e n s einer groben Fahrlässigkeit bei dem Erwerbe schuldig gemacht h a b e 2 0 . 15 Die ursprüngliche Bedeutung von „anfangen" ( = anfahen) ist: anfassen, ergreifen. In der Wissenschaft hat man sich gewöhnt, die Klage mit „Anfang" dem Sachsenspiegel zu Liebe als Anefang zu bezeichnen, eine Abweichung von dem heutigen Sprachgebrauche, für die nicht der geringste Grund vorliegt. Die Bezeichnung des Dritthandverfahrens als „Anfang" ist schon durch eipe Glosse des ribuarischen Volksrechts, die interciavit mit anafangeda wiedergibt (MG. Leg. V. 277), bezeugt. Angelsächsisch entsprach mtfon und befon (vgl. S C H M I D , Ges. d. Angels. 526). Bairisch begegnet manum immissio quod hantalod dicunt (Decr. Tass. IV. c. 13), was ein ahd. hantalon ergibt. Da auch einzelne Nachlaßgrundstücke seitens des Erben durch Handlegung in Anspruch genommen zu werden pflegten, so wurde auch hier von Anfang gesprochen. Vgl. B E H R E N D , Anevang und Erbengewere, 1885. Die Bezeichnung der im Dritthandverfahren befindlichen Sache als flltortum (L. Sal. 47. II. sal. Kapitul. c. 1) scheint anzudeuten, daß die Sache zum Zeichen ihrer Gebundenheit als res litigiosa mit einem Faden umwunden wurde. Vgl. G R I M M in M E R K E L ' S Lex Salica, Vorrede S. VIII. 19 Vgl. S T E I N M E Y E R U. S I E V E R S II. 732, wo tertiäre mit dritte hanton wiedergegeben ist. Die Bezeichnungen intertiare und intertiatio waren zunächst bei den Franken, dann auch bei der lombardischen Rechtsschule und in der lateinischen Übersetzung der angelsächsischen Gesetze üblich. Vgl. altfranz. entercier. 17

18

Vgl.

SCHMID, a . a . 0 .

526.

Die vielbestrittenen Worte L. Sal. 37: res suas per tercia mane agramire bedeuten weder mit S O H M „die Dritthand geloben", noch „sich selbdritt zu der Sache ziehen", wie viele annehmen, sondern: „die -Sache zur dritten Hand (der des Treuhänders) wegnehmen". Ebenso beziehen sich die Worte ipse liceat agramire auf die Zurücknahme der von dem Gegner ergriffenen Sache seitens des bisherigen Inhabers. Vgl. S. 5 7 , N. 4 6 und T H £ V E N I N , Contributions ä l'histoire du droit germanique, 1879, S. 14 ff. 19 Vgl. L. Rib. 47, 1. 20 Die Annahme, daß dem Erwerber einer gestohlenen Sache oder doch eines gestohlenen Haustiers in der Regel eine Fahrlässigkeit beim Erwerbe zur Last falle, tritt bei den verschiedensten Stämmen in der Vorschrift hervor, daß bei Strafe

350

Die fränkische Zeit.

Das Dritthand verfahren wurde mit einem Gefährdeeid eröffnet, den beide Parteien zu schwören hatten, indem sie die linke Hand auf die streitige Sache legten. Der Kläger beschwor, daß er sich so zu der Sache ziehe, wie sie aus seiner Gewere gekommen sei; der Beklagte, daß er sich auf seinen rechten Gewährsmann [ford.ro, d. h. Vordermann) ziehe, oder daß er die Sache in der und der Weise unmittelbar erworben habe 21 . Durch Wettvertrag verpflichtete sich sodann der Beklagte, im nächsten Gerichtstermin seinen Beweis zu führen, der Kläger, die Sache zu verfolgen und jenen Beweis anzunehmen 22 . Handelte es sich um Stellung des Gewährsmannes, so war die Frist je nach der Entfernung desselben vom Beschlagnahmeorte eine verschiedene 23 . Die Regel war, daß der Gewährsmann am Gericht des Beklagten gestellt werden mußte 24 . Nur bei den Langobarden und Sachsen, anfangs, wie es scheint, auch bei den Angelsachsen, hatte der Kläger dem Beklagten zu seinem Vordermann zu folgen 26 . Bekannte sich der Vordermann zu der Gewährschaft, so hatte er dem bisherigen Beklagten gegen Aushändigung der Sache, sofern sich dieselbe nicht in dem Gewahrsam eines Treuhänders befand, den von diesem empfangenen Preis zurückzugeben, worauf sich die Klage ganz in der bisherigen Weise gegen ihn wandte 26 . Und so ging der Zug mit der Sache weiter von einem zum andern, bis man den Dieb erreichte oder zum einem Gewährsmann kam, der originären Erwerb nachwies und niemand von einem Unbekannten kaufen, oder doch wenigstens glaubwürdige Zeugen bei dem Handel zuziehen solle. Vgl. L. Wis. VII. 2, 8. L. Baiw. 9, 13. Ed. Liutpr. 79. Cap. missorum v. 803—813 (BORETIUS, Nr. 67) c. 3. Am ängstlichsten waren in dieser Beziehung die Angelsachsen. Vgl. Hloth. u. Eadric 16. Ine 25. Alfreds u. Guthrums Friede c. 4. Eadward I. 1. Äthelstan II. 10, 12. VI. 10. Eadgar I. 4. IV. 2, § § 6 - 1 1 . Äthelred I. 3. III. 5. Eadmund III. 5. Cnut II. 23. Wilhelm I. 45. Besonders verordneten Cnut II. 24, § 3 und Wilhelm I. 46, daß vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Diebstahl sich niemand auf Eigentumserwerb an der Sache berufen dürfe. Also dieselbe Tendenz wie in der Lex Ribuaria. 81 Vgl. L. Rib. 33, 1. Äthelstan II. 9. Verordn. betr. die Dunseten, c. 8 *• Vgl. Sachs. Lehnr. 63, 1. Anct. Vet. I. 130.

§ 42.

Die Stände.

423

ämtern (Marschall, Truchseß, Kämmerer, Schenk) wurde gewöhnlich noch ein fünftes, das aber sehr verschiedenen Charakter hatte, von den Ministerialen versehen. Häufig fanden die Ministerialen auch andere Verwendung im Dienste des H e r r n , namentlich als B u r g g r a f e n , Vögte, Meier u. dgl., seit ihrem Eintritt in das öffentliche Gerichtswesen auch als Grafen. Zu dem Hofdienst kam der Gerichtsdienst im Dienstmannengericht. Während die Hofdienste durchaus gemessene w a r e n , richtete sich die Kriegsdienstpflicht der Ministerialen, namentlich bei Verteidigungskriegen, ganz nach dem Bedürfnis des Herrn. Der Kriegsdienst war teils Burghut, teils Heeresfolge. Die mit der B u r g h u t betrauten Ministerialen hießen B u r g m a n n e n , sie bildeten häufig eine besondere Genossenschaft. Der Heerdienst war als Kitterdienst zu leisten, aber nicht bloß, wie seitens der freien Vassailen, bei der Reichsheerfahrt, sondern auch in den Privatfehden des H e r r n , der Dienstmann war demnach ein Ledigmann (homo liffius)13. Unentgeltliche Dienste hatte dar Herr nicht zu beanspruchen. Die Ministerialen erhielten von ihm Kleidung, Rüstung, am Hofe den standesmäßigen U n t e r h a l t , auf Heereszügen auch wohl L ö h n u n g , vor allem aber konnte jeder Ministerial, der ein gewisses Alter erreicht hatte, die Belehnung mit einem Beneficium verlangen. Indem die Ministerialen auf diese Weise unter den Einfluß des Lehnswesens kamen, wurde ihre Annäherung an den freien Ritterstand wesentlich gefördert. Die mit der Ministerialität verbundenen materiellen Vorteile waren so groß, daß Freie es mehr und mehr als eine Beförderung ansahen, wenn sie sich einem Herrn zu Ministerialenrecht ergaben. Wir werden sehen, daß dies seit Mitte des 12. J a h r h u n d e r t s selbst bei vielen. Edeln der Fall war, deren Übertritt wesentlich zur Hebung des Standes beitragen mußte. W u r d e n Eigenleute oder Hörige zu Ministerialen befördert, was nach verschiedenen Dienstrechten n u r mit Zustimmung der Dienstmannschaft, seit der vollen Ausbildung des Standes zum Teil n u r mit königlicher Genehmigung geschehen konnte 1 3 ", so bedurfte es einer besonderen Freilassung zu Ministerialenrecht, obwohl auch die Dienstmannen zur familia gehörten. Die Dienstmannen unterlagen der Disziplinargewalt ihres Herrn. Ihren Gerichtsstand bei Streitigkeiten untereinander hatten sie ausschließlich vor dem H e r r n , in seinem Dienstmannen- oder Hofgericht. ¡Bei Streitigkeiten mit Dritten hatte der Herr sie vor dem öffentlichen Gericht zu vertreten. Die Dienstmannen konnten eigenes Vermögen erwerben und darüber verfügen, über unbewegliche Sachen aber n u r innerhalb des Kreises der Genossen, Dritten gegenüber n u r durch die H a n d des H e r r n 1 4 . Innerhalb der Genossenschaft hatten sie ein unbeschränktes 13 Zuweilen allerdings mit der Beschränkung auf Verteidigungskriege, oder so daß die Dienstmannen bei einem Angriffskriege nur dann mitzuwirken hatten, wenn derselbe von ihnen als gerecht anerkannt war. 13a

14

Vgl. S

432.

FÜRTH, a. a. 0 . 143, 162.

Vgl. Schwsp. Laßb. 158.

Kl. Kaiserrecht I I I . c. 6.

Das Mittelalter.

424

Erbrecht; waren keine Erben aus diesem Kreise vorhanden, so hatte der Herr das Heimfallsrecht 16 . Eine dem Sterbfall der Eigenleute entsprechende Erbschaftsabgabe an den Herrn bestand für die Ministerialen nur hier und da. Das Recht des Herrn auf die Kriegsrüstung (herffewcete) eines ohne männliche Erben verstorbenen Mannes bestand vielfach auch freien Vassalien gegenüber und stützte sich auf den Umstand, daß die Mannen ihre Rüstung von dem Herrn zu empfangen pflegten 1 6 . Zu ihrer Verheiratung innerhalb der Genossenschaft bedurften die Ministerialen keiner Genehmigung des Herrn, ebensowenig zu Ehen mit freien Trauen, da solche dem Herrn nur Vorteil bringen konnten. Dagegen hatte der Herr das Ehebewilligungsrecht, wenn es sich um Heiraten mit Ministerialen oder Hörigen eines andern Herrn handelte, doch waren solche Wechselheiraten unter den Dienstgenossenschaften verschiedener Herren vielfach ein- für allemal durch Verträge der Herren, denen es dabei namentlich auf das Eigentum an den Kindern ankam, freigegeben. Ministerialinnen bedurften auch bei der Verheiratung mit Freien der Genehmigung des Herrn, zuweilen hatte der Herr ihnen gegenüber auch das Eecht des Ehegebotes. Seit dem 12. Jahrhundert trat das Ehebewilligungsrecht des Herrn mehr in den Hintergrund. Am schärfsten trat die Unfreiheit der Dienstmannen in der Befugnis der Herren, ihre Herrschaft auf andere zu übertragen, hervor. Zwar war jede derartige Übertragung an die Voraussetzung, daß die Lage des Mannes dadurch nicht verschlechtert wurde, gebunden, auch durfte der Mann in der Eegel nicht ohne sein Lehn veräußert werden, aber während ein freier Vassall, dem sein neuer Herr nicht genehm war, sich durch Verzicht auf das Lehn sofort frei machen konnte 17 , stand dem Ministerialen das Recht, sich von seinem Herrn einseitig loszusagen, nicht zu. Nur wenn der Herr sich grober Pflichtverletzungen gegen den Mann schuldig gemacht, z. B. ihm seinen Schutz oder den schuldigen Lohn verweigert oder das Lehn, das ihm zukam, vorenthalten hatte, konnte der Dienstmann für seine Person dem Herrn jeden ferneren Dienst verweigern und fremde Dienste aufsuchen, aber ohne daß das Band, das ihn und seine Nachkommen an den Herrn knüpfte, dadurch völlig zerschnitten wurde 1 8 . U m einem Ministerialen die Freiheit zu geben, bedurfte es stets einer ausdrücklichen Freilassung durch den Herrn. Erwähnt werden solche Freilassungen nur in Fällen, wo es sich um die Ehe mit Personen aus dem Herrenstande oder um die Nobilitierung von Kindern aus einer solchen Ehe oder um die Beförderung eines Ministerialen zu einem nur freien Herren zugänglichen Amte handelte 1 9 . 15

V g l . Ssp. I. 38, § 2.

19

V g l . S . 2 6 , N . 41. 3 8 8 , N . 24. 3 9 7 , N . 72. Dsp. 27. WAITZ, V. 3 1 5 f. FÜRTH, 3 6 6 FF-

17 18

I I I . 81, § 2.

FÜRTH, a. a. 0 . 3 5 7 ff.

Vgl. S. 394, N. 59.

Vgl. FÜRTH, 456 ff. Das Verhältnis läßt sich etwa der Trennung der Ehe-

gatten von Tisch und Bett vergleichen. 19

Vgl. WAITZ, V. 314.

KRAUT, Grundriß des deutsch. Privatrechts, 6. Aufl.

§ 42. Die Stände.

425

Den höchsten Rang unter den Ministerialen hatten die Reichsdienstmannen. Zu denselben gehörten nicht bloß die Dienstmannen des Königs, sondern auch die der geistlichen Fürsten, die als Zubehör, sozusagen als eiserner Bestand des Fürstentums galten und daher von ihrem Herrn nicht anders als mit Genehmigung des Königs veräußert werden durften 2 0 . Geringeren Ranges waren die Dienstmannen der weltlichen Fürsten 2 1 , doch hatten die Könige einigen Fürsten das Zugeständnis gemacht, daß ihre Mannen als Reichsministerialen gelten sollten 2 2 . Die nicht gefürsteten Prälaten und die freien Herren, deren Hofhaltung ohnehin erheblich einfacher organisiert war und die vier Hofämter nicht aufzuweisen hatte, besaßen keine Ministerialen 2 3 , wohl aber fanden sich auch in ihren Diensten regelmäßig eigene Leute von Rittersart, die den fürstlichen Dienstmannen an Rang nachstanden, bei denen auch die persönliche Unfreiheit stärker hervortrat, die aber im übrigen noch durchaus zu den Rittern zählten, wenn sie auch als einschildige Ritter die unterste Stufe in

§ 41, Nr. 32—37. F Ü R T H , a. a. 0. 90 ff., 468-472. P I C K E R , Heerschild 151 f., 208. Wurde der Dienstmann nur einfach von seinem Herrn freigelassen, ohne daß dieser ihm seinen bisherigen Grundbesitz beließ oder ihn neu mit solchem ausstattete, so erhielt jener nur das Recht der besitzlosen Freien, er trat in die Klasse der freien Landsassen über. Erhielt er Grundbesitz, so zählte er zu den freien Grundbesitzern, von denen weiter unten zu reden sein wird. Die Erhebung in den hohen Adel konnte ihm nur durch den König, und zwar seit dem 13. Jahrhundert nur auf Beschluß des Beichshofgerichts oder des Reichstags, zu teil werden. Vgl. die Beispiele bei KRAUT, a. a. O. Nr. 34—37 und FÜRTH, 90 ff. Von diesem Gesichtspunkte aus sind die neuerdings von ZALLINQER, Schöffenbarfreie 238 ff. lebhaft angegriffenen Aussprüche des Sachsenspiegels (Ssp. III, 80, § 2. 81, § 1) zu verstehen: Let diekoning oder en ander herre sinen diensiman oder sinen egenen man vri, die behalt vrier lantseten recht. Togat aver die scepenen binnen ener grafscap, die Jconing mut wol des rikes dienstman mit ordelen vri laten unde to scepenen dar mähen — —. he sal aver des rikes gudes also vele to egen in geven, dat sie scepenen dar af viesen mögen, ir iewelkeme dri hoven oder mer. Unrichtig ist nur, daß der Spiegier die Erhebung in den Stand der Schöffenbarfreien und nicht die in den Stand der Herren, aus dem seine Schöffenbarfreien eben ausgetreten waren, vor Augen hat. 20 Vgl. Schwsp. Laßb. 1 5 8 , 3 0 8 , I . ZALLÍNGER, Ministeriales und milites 57. 21 Der Verfasser des Kl. Kaiserrechts, wahrscheinlich selbst ein Reichsdienstraann, suchte den fürstlichen Dienstmaunen allgemein die Eigenschaft als Ministerialen abzustreiten. Vgl. Kl. Kaiserr. III. c. 6. Reichsdienstmannen durften nicht ohne ihre Zustimmung zu fürstlichen Dienstmannen degradiert werden. Vgl. Schwsp. Laßb. 158. 22 In dem Diplom Friedrichs II. über die Errichtung des Herzogtums Braunschweig (vgl. S. 389, N. 25) heißt es von den Dienstmannen Ottos: ministeriales suos in ministeriales imperii assumentes, eidem concessimus, eosdem ministeriales iuribus Ulis uti, quibus imperii ministeriales utuntur. Auf ähnliche Weise müssen die bairischen und österreichischen Ministerialen die Stellung der Reichsministerialen erlangt haben. Vgl. ZALLINGER, a. a. 0. 58 ff. SIEGEL, a. a. 0. 238 ff. Übrigens gab es in Baiern neben den Reichsdienstmannen auch solche, die bloß dem Herzoge zugehörten. 83 Vgl. Schwsp. Laßb. 70, 158, 308. Dagegen kommen Dienstmannen von Grafen vor.

V g l . SIEGEL, a . a . 0 .

237.

426

Das Mittelalter.

der Heerschildsordnung einnahmen 2 i . Eben solche Ritter kommen dann auch namentlich in Süd- und Westdeutschland im Eigentum von Dienstmannen vor, die Quellen bezeichnen sie im Gegensatze zu diesen schlechtweg als milites oder Ritter25. Später erscheinen dann diese Ritter neben den Dienstmannen, immer aber als eine geringere Klasse, auch im Dienste der Fürsten; in Österreich und Steiermark wurden diese landesherrlichen Ritter als provinciales Austriae et Stiriae, milites terrae Stiriae, auch als Landleute oder Landmänner, vor ihren übrigen Standesgenossen besonders ausgezeichnet. I m Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts fanden die merkwürdigsten Verschiebungen innerhalb des gesamten Ritterstandes statt. In Österreich und Steiermark gelang es den herzoglichen Dienstmannen (nur diesen, nicht denen der geistlichen Fürsten) in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch straffes Zusammenhalten und kluge Benutzung der politischen Lage nicht nur alle Spuren der Unfreiheit abzustreifen, sondern sich sogar zu dem Stande der bis dahin im Lande wenig zahlreichen Edeln emporzuschwingen 2e . Während die Ministerialen so aus unfreien Dienstmannen zu edeln „Dienstherren" oder „Landherren" wurden 268 , stiegen zwar die eigenen Ritter zu dem Range, den anderwärts die Dienstmannen einnahmen, empor, allein ihr Bestreben, dies zu einer erheblichen Aufbesserung ihrer Lage zu benutzen, scheiterte an dem Widerstande der Dienstherren, die unbeschadet der sozialen Stellung ihrer Ritter streng darauf hielten, daß die persönliche Unfreiheit, namentlich das volle militärische Verfügungsrecht des Herrn über seinen Mann, aufrecht erhalten wurde 27 . Die Bezeichnung „Eigenmann" wurde geradezu typisch für die 24 Vgl. S. 385. Schwsp. Laßt). 18: ist ein eigenman ritter (nachdem vorher von den dienstman der fursten die Rede gewesen ist). Vgl. ebd. 70: git ein vrier herre sin eigen liute an ein fursten ampt, die sint nit dienstman, si sint des fursten eigen, si hant dienstmanne reht nit. FÜRTH, 67. v. ZALLINGER, Die ritterl. Klassen des steirischen Landrechts 427, Note. 25 Vgl. § 40, N. 10. Diese Klasse wurde bereits von FÜRTH 68, FICKER, Heerschild 188 und HASENÖHRL, a. a. 0. 70 ff. erkannt, genauer festgestellt wurden ihre Verhältnisse aber erst durch ZALLINGER, Ministeriales u. milites. Der letztere macht darauf aufmerksam, daß die Ministerialen Hof- und Kriegsdienste, dagegen die „Ritter" oder „Ritter und Knechte" im wesentlichen nur die letzteren, namentlich wohl Besatzungsdienste, zu leisten hatten. 26 Hierüber sind namentlich die Anm. 1 angeführten Schriften von HASENÖHRL,

LUSCHIN, SIEGEL u n d ZALLINGER zu v e r g l e i c h e n .

A u f der H e e r f a h r t h a t t e n die D i e n s t -

mannen an der Spitze ihrer Ritter schon immer gleich den Edeln die Stellung von Bannerherren eingenommen. 26a Diese Bezeichnungen begegnen seit dem 14. Jh., aber nur in der Mehrheit, während der einzelne auch fernerhin „Dienstmann" genannt wurde. Vgl. SIEGEL, a. a. 0 . 238. 27 Eine anschauliche Schilderung dieser Kämpfe bei dem sogenannten Seifried Helbling (§ 40, N. I I a ) IV. Vers 46 ff., 64 ff., 759 ff., 766 ff., 791 ff. VI. Vers 161 ff. VIII. Vers 30 ff., 142 ff., 347 ff., 392 ff, 472 ff., 577 ff., 894 ff. XV. Vers 139 ff., 151 ff., 1 7 4 f., 191 ff.

§ 42.

Die Stände.

427

eigenen ßitter, im Gegensatze zu den Bauern, die doch nur zu gemessenen Diensten verpflichtet waren 28 . Erheblich anders waren die Verhältnisse in Norddeutschland, wo seit der Mitte des 12. Jahrhunderts gerade umgekehrt ein massenhafter Übertritt von Edeln in den Stand der Ministerialen, dessen Lage dann eben dadurch bedeutend gehoben wurde, stattfand. Während es in Süddeutschland, abgesehen von den Grafen, im allgemeinen nur wenig edele Geschlechter gab, waren dieselben in Norddeutschland überaus zahlreich. Zum Teil ist dies jedenfalls auf den zahlreichen sächsischen und friesischen Volksadel zurückzuführen, noch maßgebender aber dürften die militärischen Bedürfnisse der Elbemarken gewesen sein. Hier machte der Grenzdienst gegen die Obotriten, Wenden und Sorben schon zu einer Zeit, wo der Schwerpunkt der deutschen Heere im allgemeinen noch auf den Fußtruppen, also der Landesmiliz, beruhte 29 , die Ansiedlung ganzer Reiterscharen zur Notwendigkeit. Es kann doch kein Zufall gewesen sein, daß längs der Elbe, von Thüringen bis zum östlichen Holstein, die freien Herren ebenso dicht nebeneinander saßen, wie später die märkischen Ritter an der polnischen Grenze 30 . Kein Wunder, daß hier nur wenige Geschlechter imstande waren, ihren allodialen Grundbesitz so zu erweitern, wie es das Standesbedürfnis eines adelichen Hauses verlangte. Denn die ökonomische Lage der Grundherren hatte sich im 12. und 13. Jahrhundert überaus verschlechtert. Die Auswanderung in die Städte und die iiberelbischen Kolonialländer, letztere für Sachsen und Thüringen besonders empfindlich, hatte den Bauernstand bedeutend gelichtet und die Arbeitskräfte rar gemacht, Arbeitslöhne und Preise waren außerordentlich gestiegen, aber die Steigerung der Bodenrente kam nur den Bauern und nicht den Grundherren zu statten, denn diese hatten längst auf jede Eigenwirtschaft verzichtet und die Zinse, die sie von den Bauern bezogen, waren seit alter Zeit fixiert und hatten mit dem Wachstum der Bodenrente nicht Schritt gehalten 31 . Der friesische Adel scheint unter diesen Verhältnissen kaum gelitten zu haben, er hatte sich noch im Anfange des 16. Jahrhunderts im Besitze seiner angestammten Edelgüter erhalten und sich standhaft geweigert, dieselben dem Fürsten zu Lehn aufzutragen 32 . Bei der gesicherten Lage seiner Heimat drückten ihn die militärischen Pflichten nur wenig und Dienstmannen gab es, im Gegen28

Vgl. ZALLINGEK, Die ritterlichen Klassen 428 f. »9 Vgl. S. 382. 30 Vgl. S. 418. Siehe auch Zeitschr. f. EG. XX. 15 f. In Österreich, wo die militärische Lage die gleiche wie in den Elbmarken war, hat sich das Verhältnis nur dadurch anders gestaltet, daß dem Bedürfnis von vornherein durch die eigenen Bitter genügt wurde, offenbar weil man nicht wie in Sachsen einen zahlreichen Adel zur Verfügung hatte. Vgl. SIEGEL, a. a. 0 . 242, 249 f., der darauf aufmerksam macht, daß gegen Ende des 13. Jh. die Dienstmannen mit ihren Bannern von Bittern und Knechten zwei Drittel der ganzen österreichischen Streitmacht stellten. 31 Vgl. LAMPHECHT, Deutsches Wirtschaftsleben I. 862 ff., 1506 ff. 38 Vgl. BICHTHOFEN, Untersuchungen II. 1041 ff. Ausnahmen ebd. 1118.

428

Das Mittelalter.

satze zu dem benachbarten Holland, in Friesland nicht 33 . Dagegen wurde der thüringische, ostfälische und holsteinische Adel von den verschlechterten wirtschaftlichen Verhältnissen um so härter betroffen, als er nicht nur bei seiner großen Zahl sich von vornherein mit geringem Besitz hatte begnügen müssen 34 , sondern sich außerdem noch eine überaus starke Konkurrenz der Dienstmannen gefallen lassen mußte. Wir haben schon darauf aufmerksam gemacht, daß ein stattliches Dienstgefolge für die Herren weit vorteilhafter war, als eine entsprechende Anzahl freier Yassallen. Es war daher nur natürlich, wenn die Fürsten die ihnen zu Gebote stehenden Lehen ausschließlich für ihre Dienstmannen verwendeten und zur Belehnung freier Leute nicht leicht etwas übrig hatten 34 ". Den Reichskirchen war es geradezu verboten, andere als ihre eigenen Ministerialen zu belehnen 86 . So blieb für diejenigen Edeln, die darauf angewiesen waren, sich um Lehen zu bewerben, nichts übrig, als die Ergebung in die Ministerialität 36 . Diese Bewegung beginnt um die Mitte des 12. Jahrhunderts, nimmt dann aber bald einen solchen Umfang an, daß in dem ostfälischen Sachsen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die meisten edelen Geschlechter den Schritt vollzogen hatten. Dabei wahrten sich aber die Übergetretenen die Erinnerung an ihre edelfreie Abstammung, den Zusammenhang mit dem Stammgute ihres Geschlechts 37 , das freie Verfügungsrecht über ihr Eigen und vor allem ihren Gerichtsstand und ihre Schöffenbarkeit im gräflichen Landgericht. Solange den geborenen Dienstmannen diese Rechte noch abgingen, fühlten sich die zu ihnen übergetretenen Edeln noch als ihre tTbergenossen und so darf es nicht Wunder nehmen, wenn der Verfasser des Sachsenspiegels, der selbst ein aus dem Stande der freien Herren hervorgegangener Dienstmann war, seiner Neigung zu juristischen Kombinationen nachgebend für sich und seine Genossen einen besonderen Stand konstruierte, für den er die nicht unpassende Bezeichnung „SchöfFenbarfreie" erfand 38 . Diese SchöfFenbar33

Vgl. ebd. II. 1127 f. III. 86 ff. Aus Ssp. II. 54, § 2 und III. 81, § 1 mag man schließen, daß viele der Standesgenossen des Verfassers nur eben drei Hufen Eigen oder Lehn besaßen. 34a Man denke an Walther von der Vogelweide, der doch dem Stande der Edeln angehörte, und seinen endlichen Jubelruf: Ich h&n min lehen, al die werlt, ich han min lehen! 35 Vgl. F I C K E B , Eigentümer des Reichskirchengutes 1 4 1 . W A I T Z , V. 3 3 2 . VI. 7 5 f. BÖHMER, Acta imperii selecta 78, Nr. 85 ( 1 1 3 5 ) . Ältere Beispiele solcher Ergebungen u. a. W A I T Z , V. 333, N. 1. 37 Ssp. I. 51 § 4: Svelk scepenbare vri man enen sinen genot to hampe anspriht, die bedarf to wetene sine vier anen unde sin hantgemal, unde die to benomene, oder jene weigeret ime hampes mit rechte. III. 29 § 1: Die man mut sik ml to sime hantgemale mit sinern eide tien, al ne hebbe he's under ime nicht. Vgl. Anm. 7. 38 Es ist das nicht hoch genug zu schätzende Verdienst v. RICHTHOFEN'S (Untersuchungen II. 1124 ff.) und ganz besonders v. ZALLINGER'S (in seiner Untersuchung über die Schöffenbarfreien), über diesen Gegenstand, der vorher völlig im dunkeln lag, aufgeklärt zu haben. Die ständischen Verhältnisse des Mittelalters sind erst hierdurch für die Wissenschaft erschlossen. Vgl. Zeitschr. f. KG. XXII. 60 ff. 34

§ 42.

429

Die Stände.

freien des Eike von Repgau, in denen man früher den Kern der altfreien Bevölkerung oder den altfreien Ritterstand zu finden meinte, gehörten demnach thatsächlich nur einem Übergangsstadium an, aber ihre Aufnahme in den Stand der Ministerialen hat alsbald befreiend auf die Stellung der letzteren eingewirkt, da man diesen auf die Dauer doch nicht versagen konnte, was die zu ihnen übergetretenen Edeln von altersher besessen und sich trotz ihrer Standesminderung bewahrt hatten. So erwarben die Dienstmannen seit Mitte des 12. Jahrhunderts allgemein die passive Lehnsfähigkeit, so daß sie auch von anderen als ihrem Herrn Lehen empfangen konnten 39 ; die aktive Lehnsfähigkeit hatten sie wenigstens da, wo es eigene Ritter gab, schon früher besessen40. Der Gerichtsstand vor dem Grafengericht und damit die Befähigung zum Schöffen- und selbst zum Grafenamte wurde den Dienstmannen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts überall zugestanden 41 . Damit hatten sie auch die Fähigkeit zum Erwerbe von landrechtlichem Eigen erlangt 43 ; die Berechtigung, über solches auch ohne den Herrn beliebig zu verfügen, war nur eine weitere Konsequenz dieser Entwickelung 43 . Als Ritterbürtige wurden die Dienstmannen und selbst die eigenen Ritter seit dem 12. Jahrhundert mehr und mehr zum Adel gerechnet 44 . Wie dies zunächst nur in Bezug auf die soziale Stellung eine Berechtigung hatte, so auch die seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zuweilen vorkommende Bezeichnung der Dienstmannen als freier Leute 48 . Technisch wurden auch weiterhin nur die Angehörigen des hohen Adels als „Freie" bezeichnet, weil man sich der rechtlichen Unfreiheit der Dienstmannen immer noch bewußt blieb 46 . Im Laufe des 14. Jahrhunderts aber ist überall die letzte Erinnerung an die ursprüngliche Unfreiheit des Standes verschwunden, nur hei den eigenen Rittern haben sich Spuren derselben noch bis in das 15. Jahrhundert fortgesetzt. Was sich von besonderen Machtbefugnissen der Herren gegenüber ihren Mannen erhalten hatte, wurde nicht mehr auf persönliche Abhängigkeit, sondern Übrigens werden zu den Dienstmannen übergetretene Freie auch im Schwsp. Laßb. 69 (wo aber hinter dienstman das Wort behoben fehlt) erwähnt. 39 Vgl. S. 383. Die Dienstmannenlehen vom Herrn waren keine rechten Lehen, weil sie nach Hofrecht und ohne „Mannschaft" geliehen wurden. Vgl. HOMEYER, System des Lehnrechts 272. 40 41 Vgl. FICKEB, Heerschild 187 f. Vgl. § 49. 42 Vorher vermochten sie dies nur durch die Hand eines Salmannes. Vgl. LOERSCH u . SCHRÖDER, U r k u n d e n I . N r . 1 0 7 ( 8 1 ) .

FÜRTH, a. a. O. 2 8 2 f . , 4 8 3 f.

43

V g l . FÜRTH 2 8 8 , 4 8 4 f.

44

V g l . FICKER, H e e r s c h i l d 1 4 3 f.

45

Vgl. v. D. BERGH, Oorkondenboek van Holland en Zeeland I. 98, Nr. 154. 117,

Nr. 191. 46

FÜRTH,

FÜRTH, 5 9 f., 7 5 ,

80.

61.

Vgl. FICKEB, Heerschild 142 f. Ungemein verbreitet war die Formel: gruven, vrien, dienestman. Vgl. u. a. Dietrichs Flucht (her. v. MARTIN) Vers 239, 702 f., 1846 f., 8003. Ortnit (her. v. AMELUNG u. JÄNICKE) Vers 35: fürsten, gruven, frien und edele dienstman. Vgl. FÜRTH 94. Seifried Helbling VIII. Vers 347 ff., 958 f. Zeitschr. f. deutsch. Alt. XIII. 159.

430

Das Mittelalter.

auf eine größere Strenge des lehnrechtlichen Verhältnisses zurückgeführt 47 . Aus belehnten Eigenleuten hatte sich ein freier Lehnsadel entwickelt. Die Ritterschaft hatte sich, im Gegensatze zu der bäuerlichen Bevölkerung und dem erst später zu besprechenden Bürgertum der Städte (§ 51), zu einer einheitlichen Gesellschaftsklasse mit eigenen Gesetzen und besonderen Begriffen von Standesehre und Berufspflichten ausgebildet 48 . Die Abschließung dieser Entwickelung fällt in die Hohenstaufenzeit 49 . Die Ritterschaft umfaßte zwei landrechtlich geschiedene Stände, die Edeln und die Dienstmannen oder den Lehnsadel, schon in einer Urkunde Lothars I I I . von 1134 als ordo equestris maior et minor auseinandergehalten60. Eine andere Unterscheidung innerhalb der Ritterschaft machte sich seit dem 13. Jahrhundert geltend, nachdem sich in Anknüpfung an die geistlichen Ritterorden die Idee eines allgemeinen weltlichen Ritterordens von internationalem Charakter verbreitet hatte. Wenn man früher jedes Mitglied der Ritterschaft als Ritter oder miles bezeichnete, so unterschied man dieselben jetzt in Ritter (milites, Chevaliers) und Knechte (Knaben, Knappen, famuli, pueri, servientes, armigeri, scutiferi, frz. escujer, engl, squire), im Gegensatze zu den nichtritterbürtigen Knappen auch „Edelknechte" genannt. „ R i t t e r " hieß jetzt nur noch, wer sich nach abgelegtem Rittergelübde (professio) in den Ritterorden hatte aufnehmen lassen; nur ein solcher durfte die ritterlichen Insignien (vergoldete Sporen, Scharlachmantel) anlegen und das früher den Edeln vorbehaltene Prädikat „ H e r r " führen. Der Unterschied zwischen Rittern und Knechten war ein rein sozialer, rechtlich standen sie sich völlig gleich 61 . Die Aufnahme in den Ritterorden erfolgte durch den

47 So die Stellung des homo ligius, der jedem Aufgebote seines Herrn Folge leisten mußte (vgl. HOMEYER, a. a. 0 . 377 f.), auch wohl die in der Mark Brandenburg und später in Preußen wiederholt amtlich betonte Pflicht des einheimischen Adels als solchen, sich dem Dienste im Offizierstande des Heeres nicht zu entziehen. 49 Vgl. LÖHER, Über Bitterschaft und Adel im späteren Mittelalter, i. d. Sitz.Ber. d. Münch. Akad. 1861, I. 365—416. ROTH VON SCHEECKENSTEIN, Die Ritterwürde und der Ritterstand, 1886. BÜSCHING, Ritterzeit und Ritterwesen (war mir nicht zugänglich). KOPP, Über den Geburtsadel (Bilder und Schriften der Vorzeit, I . 1—42). PITTINO, Das castrensische Peculium 503 ff. ALW. SCHOLZ, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, I. (1879), Kap. 2. WAITZ, V . 398 ff. EICHHORN, St.- u. RG. I I . 147 ff., 548 f. I I I . 374 ff. WALTER, DRG. § § 218, 444 f. GÖHRUM, a. a. 0 . I. 190 ff. Der von KOPP, a. a. ()., auszugsweise mitgeteilte „Ritterspiegel", Gedicht a. d. Anfange des 15. Jahrhunderts, jetzt vollständig bei BARTSCH, Mitteldeutsche Gedichte (i. d. Bibl. d. Stuttg. litter. Vereins L I I I . ) 98—201. 50 BÖHMER, Acta imperii selecta 74, Nr. 80. V g l . S. 382. Eine ganz andere, rein militärische Bedeutung hatte es, wenn man gegen Ende des Mittelalters diejenigen, die ihrem Lehnsherrn ein Fähnlein oder eine Gleve, d. h. ein berittenes Gefolge von mehreren Knappen und einem Buben, zuführten, als „ R i t t e r " (bacellarii, frz. bacheliers, von baculus, d. i. Lanze), dagegen die einspännigen Rittersleute ohne oder nur mit einem kleineren Gefolge als „ K n a p p e n " oder einfache „Edelleute" bezeichnete. Auf diesem Spracligebrauche beruhte u. a. der Unterschied der Ritter- und Knappenlehen in der Mark Brandenburg. V g l . S. 418. 49

51

§ 42.

431

Die Stände. 52

Kitterschlag, den im Felde jeder Ritter erteilen konnte . Die Ceremonie war kirchlichen Ursprungs, sie bedeutete einen Akt der Demütigung, wie der Backenstreich bei der Firmung. Hatte es noch im 13. Jahrhundert zum guten Ton gehört, den Stand der Knechte nur als Übergang zur Ritterwürde zu behandeln 63 , so begnügten sich seit dem 14. Jahrhundert viele Ritterbürtige, selbst Fürsten und angesehene Kriegsmänner, zeitlebens mit der geringeren Würde oder schoben ihre Promotion doch bis in ein höheres Lebensalter auf. Während sich der Ritterschlag nur auf den Eintritt in den Ritterorden bezog, hatte die altgermanische Waffenreichung für den Eintritt in die Ritterschaft überhaupt ihren Platz bewahrt 51 . Sie bestand in der Überreichung des ritterlichen Scluvertgehänges (Rittergurt, cingulum militare), des eigentlichen Wahrzeichens der Ritterschaft, und hieß darum Schwertleite; durch die sofortige Anlegung der ritterlichen Waffen (das „Schwert nehmen") gab der junge Mann zu erkennen, daß er den ritterlichen Beruf erwählt habe. Von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, wurde die Schwertleite stets massenweise rollzogen, regelmäßig im Anschluß an größere Hoffestlichkeiten, bei denen ein Turnier den jungen Rittersleuten sofort Gelegenheit zu geben pflegte, sich in dem neuen Berufe zu erproben. Die Ritterschaft beruhte auf einem eigentümlichen Gemisch von Berufs- und Geburtsstand. Nur wer die Schwertleite empfangen und damit die ritterliche Lebensweise zu seinem Berufe erkoren hatte, galt als ein Maun von Rittersart 65 . Aber erst wenn dieser Beruf auf Kind und Kindeskind übergegangen war, galt die Familie als ritterbürtig. Um die Lehnsfähigkeit, die Ebenbürtigkeit zum gerichtlichen Zweikampf und zur Teilnahme an den Ritterspielen oder Turnieren, die Befähigung zum Eintritt in einen Ritterorden oder ein adeliches Stift zu besitzen, genügte es nicht, daß man selbst ein Rittersmann war, man mußte auch ritterbürtig („zum Schilde geboren"), d. h. Sohn und Enkel von Rittersleuten seinB6. Immerhin war dabei noch den Söhnen von Bürgern oder Bauern 52 Über die verschiedenen Falle des Ritterschlages vgl. Aeneas Silvius, Historia rerum Friderici III. (ed. BOECI.ER, 1685) S. 81. 53 Vgl. Seifr. Helbl. VIII. Vers 657 ff. 54

V g l . WAITZ V . 3 9 9 f.

LÖHER, a. a. 0 . 3 8 8 ff.

55

Hinterher kam es weniger darauf an, daß gerade die kriegerische Lebensweise fortgesetzt, als darauf, daß keine mit dem Standesbegriffe unvereinbare Beschäftigung, wie Handwerk oder Kaufmannschaft, betrieben wurde. Betrieb der Landwirtschaft war gestattet. Vgl. Ritterspiegel Vers 2175—2220. 56

V g l . WAITZ,

V. 4 0 2 f .

HOMEYER, S y s t .

d. L e h n r .

2 9 9 f.

GÖHBÜM, a. a. O.

I. 190 ff. SCHRÖDER, Ebenbürtigkeit 462. Während eine mildere Richtung sich an dem Stande des Vaters und Großvaters genügen ließ (vgl. Richtst. Lehnr. 28 § 3, Statut des Baseler Domkapitels von 1337, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XXI. 309), legten andere auch Gewicht auf die Ritterbürtigkeit der Mutter (vgl. Gl. z. Ssp. I. 5; Statut des Halberst. Domkapitels von 1401, bei KRADT, Grundriß § 37, Nr. 3) oder verlangten geradezu vier ritterliche Almen (beide Großelternpaare), so Kl. Kaiserr. H L c. 5 und wohl auch schon Regensburger Landfriede von 1156, c. 10 (MG. Leg. II. 103). Wahrscheinlich ist auch Sachs. Lehnr. 2, § 1 und 21 § 1 in diesem Sinne

Das Mittelalter.

432

die Möglichkeit eröffnet, wenn auch erst in der dritten Generation, durch Wahl des ritterlichen Berufes das Aufrücken ihrer Familie in den Stand der Ritterbürtigen zu erzielen67. Aber ebendiese Berufswahl wurde Bauernsöhnen schon von den Hohenstaufen verschlossen oder doch an königliche Genehmigung gebunden88, während die Söhne von Bürgern oder gemeinen Knappen freie Hand behielten59. Den Durchgangspunkt bildete regelmäßig die Ministerialität, indem Freie sich in dieselbe ergaben, Unfreie zu Ministerialenrecht freigelassen wurden; nach der Umbildung der Ministerialität zu einem freien Lehnsadel war der Erwerb eines Mannlehns das Mittel, um den Nachkommen den Eintritt in denselben zu verschaffen 6 9 Außerdem übten die Könige schon im 12. Jahrhundert das Recht aus, auch Nichtritterbürtigen die Schwertleite zu erteilen80. Dazu kam seit Karl IY. nach französischem Muster die Erteilung des Briefadels, d. h. die Erhebung in den Adelsstand (selbst in den der Edeln) durch königliches Diplom, ohne Rücksicht auf ritterlichen Lebensberuf81. Auch die Ordensverleihungen, die seit Sigismund aufkamen, waren, wenn sie einem Nichtadelichen zu teil wurden, wohl stets mit der Erhebung in den Adel verbunden62. Endlich gewährte die Promotion zum doctor legum seitens einer mit dem Promotionsrecht ausgestatteten Juristenfakultät die persönliche Gleichstellung mit dem Adel63. Damit war der Adel zu einem reinen Geburtsstande geworden, der von der realen Lebensstellung unabhängig war und weder durch eine bestimmte Berufswahl erworben, noch durch unritterliches Leben verloren werden konnte64. zu verstehen. Vgl. Ssp. I. 51, § 4. III. 29, § 1. II. F. 10, § 2. Gegen Ende des Mittelalters verlangten viele geistliche Stifter und die Turnierregeln acht, selbst sechzehn Ahnen, wodurch sich der Begriff des stift- oder turniermäßigen Adels bildete. Vgl. u. a. LOEBSCH und SCHRÖDEB, Urkunden I . Nr. 2 8 0 ( 2 5 8 ) . 57 Vgl. Seifried Helbl. VIII. Vers 180 ff., 241 ff., 257—272, 277 ff., 336 ff. 69 Vgl. Regensb. Landfriede von 1156, c. 12 (II. F. 27, § 13). Constitutio contra incendiarios von 1187 (MG. Leg. II. 163 f.). 68 Vgl. Ritterspiegel Vers 409—432. Nur Pfaffensöhnen war der Ritterstand ebenso wie den Bauern verschlossen. 58

* V g l . EICHHOBN, I I . 5 6 6 . I E . 3 7 5 f.

80

Vgl. Otto Frising., gesta Friderici II., c. 17. GÖHBUM, a. a. O. I. 190, N. 10. WALTEB § 218, N. 14. FICKEB, Forsch, z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens II. 103 ff. III. 430 f. Die Frage, ob die Erhebung durch den König schon die Ritterbürtigkeit gewähre, oder ob diese erst für die Enkel eintrete, wird von der Glosse zu Ssp. I. 27 und Sachs. Lehnr. 2 in letzterem Sinne entschieden. Vgl. Goasum, I. 375 f. Daß der König, wenn er dies ausdrücklich erklärte, auch die Ritterbürtigkeit sofort gewähren konnte, ist wohl nicht zu bezweifeln. 61 Vgl. EICHHOBN, a. a. 0 . III. 378. Ein Beispiel in Windecke's Leben Sigmunds, h e r . v o n v . HAGEN, C. 3 2 1 . 62 Vgl. LÖHEB, a. a. O. 409. Über den Lindwurmorden Sigmunds vgl. Windecke's Leben Sigmunds, c. 136. 63 Vgl. EICHHOBN, I I I . 3 7 9 . FITTING, a. a. 0 . 5 4 8 . KKAUT, Grundriß; § 3 7 , Nr. 1—5. Aeneas Silvius, a. a. 0. (Anm. 52) tadelt die Einführung des Brief- und Doktorenadels. 64 So schon das Görlitzer Landrecht 45, § 3 (HOMEYEB, Des Sachsenspiegels 2. Teil, II. 211 f.).

433

§ 42." Die Stände.

Der ritterliche Beruf hatte die Grenze zwischen Edeln und unfreien Dienstmannen verwischt, die letzteren schließlich zu Freiheit und Adel erhoben, andererseits zwischen ritterlichen und unritterlichen Freien eine tiefe Kluft begründet. Eine gewisse Übergangszeit lassen die Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts in den Gegenden, wo das Schöffenamt nicht wie in Ostfalen zu einem ausschließlichen Rechte des Herrenstandes geworden war, erkennen. Das später für die Edeln technisch gewordene liberi erscheint hier noch zuweilen als auszeichnendes Prädikat für die gemeinfreien Schöffen, die dadurch ebensowohl von ihren Amtsgenossen aus dem Herrenstande wie von den noch nicht zum Schöffenamte zugelassenen Ministerialen und der Gesamtheit der freien Dinggenossen unterschieden werden 65 . Zuweilen werden auch die freien Bauern noch als liberi, friman, fri gebur zusammengefaßt 66 . In der Hauptsache zerfiel die freie Landbevölkerung nichtritterlichen Standes in drei Klassen: die im Vollbesitz ihrer Freiheit und ihres Eigens gebliebenen Bauern, die Nichtgrundbesitzer und die Vogteileute. Die erste Klasse unterschied sich von den Edeln weder durch das Maß ihres Grundbesitzes, denn es gab Bauern, deren Besitz es mit dem der geringeren Edeln reichlich aufnahm, noch durch ihre landwirtschaftliche Beschäftigung, die keineswegs als unedel angesehen wurde 67 , sondern einzig dadurch, daß sie wegen ihrer unritterlichen Lebensweise seit der veränderten Heeresverfassung für die Heerfahrt nicht mehr tauglich erschien und daher von ihrem Grundbesitz eine Heersteuer zu entrichten hatte, die sich allmählich zu einer festen Schoß- oder Grafenschatzpflicht umbildete, von der die Ritter durchaus frei waren 68 . Eine solche Belastung, obwohl rein 66

Vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels (Zeitschr. f. RG. XVIII.) 39, 41 f., 44. PICKER, Heerschild 167 f. Unrichtig war es, wenn man diese gemeinfreien Schöffen früher mit den Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels gleichstellte. V g l . LINDNEB, Verne 3 9 2 f. •6 Vgl.

WAITZ,

V.

285.

RICHTHOFEN, U n t e r s u c h u n g e n

ZALLINQER,

Schöffenbarfreie

20

I I I . 8 0 ff. LINDNER, Verne 399.

ff.,

134

N.

3.

257.

SCHRÖDER, Gerichts-

verfassung 36, 60 f. Schwsp. Laßb. 310. Meier Helmbrecht, Vers 711, 743, 1727 heißt die Mutter des Helden friwip, der Vater und selbst dessen Knecht friman. Ein mittelhochdeutsches Sprichwort lautet: Ein fri gebur ist herren genoz (ZINGERLE, Deutsche Sprichwörter im Mittelalter S. 17). In dem „Armen Heinrich" Hartmanns von der Aue sagt der Held, ein freier Herr (und wol den fürsten gelich, Vers 43), von der Tochter seines Meiers: nu ist si fri, als ich da bin.• nu r&i mir aller min sin, daz ich si ze wibe neme (Vers 1497 ff.); ihr Vater ist ein frier human, ein gebure (Vers 269, 276). Der Schwabenspiegel bezeichnet die freien Bauern einmal als Mittelfreie (Laßb. 70 b), ebenso Dsp. 62. Vgl. FICKEB, Heerschild 148 f. ZÖPFL, Altert. II. 217 ff. 6 ' Vgl. Anm. 55. Bis zum 12. Jahrhundert wurde seitens der Grundherren noch vielfach Eigenwirtschaft betrieben. *8 Vgl. ZALLINOER, Schöffenbarfreie 11 ff., 258. SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht 49 ff. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 35 f. RICHTHOFEN, Untersuchungen III. 53 f., 83 f. LINDNER, Verne 364—390. Der Ritterspiegel unterscheidet die Güter der Bauern, die nicht frei sind und verzinst werden müssen (Vers 413 f.), R. SCHRÖDER. Deutsche Beektsgesclrichte. 28

434

Das Mittelalter.

offen tlichrechtlicher N a t u r , erschien einer Zeit, die zwischen P r i v a t - und öffentlichem R e c h t nicht scharf zu unterscheiden vermochte, als eine Minderung der Freiheit 6 9 . W e g e n ihrer Abgabenpflicht wurden die freien Bauern in Norddeutschland auch Pfleghafte70, in Holland scotbaere man genannt71. Die alte Bezeichnung als Bargilden (Bergeiden, Biergelden) erhielt sich in den verschiedensten Gegenden' 2 , wurde aber schon i m 14. Jahrhundert nicht mehr verstanden 7 3 . Eine andere, nur i n W e s t falen bezeugte B e n e n n u n g (mabnan) scheint sich auf die allgemeine D i n g pflicht bezogen zu h a b e n , i m Gegensatze zu den E d e l n , die allmählich überall zu einem eximierten Gerichtsstande g e l a n g t e n 7 4 . Zu der Klasse der freien Grundeigentümer m ü s s e n auch die von dem Sachsenspiegel nur beiläufig (III. 7 9 , § 1) berührten vogteifreien Erbzinsleute gerechnet werden, wie die Besitzer der W a l d - und Marschhufen in den altländischen Gebieten 7 6 , die Bauern der nach der Loi de B e a u m o n t gefreiten Orte i m W e s t e n 7 0 und die große Masse der deutschen die städtischen Besitzungen, die sich städtischer Freiheit erfreuen, aber verschoßt werden (Vers 418 f.), und die Freigüter der Ritter (Vers 426, 579 ff.). 09 Ebendarum galten die Bauern als landsässig, die Eitter als edelfrei. Damit war der Gedanke an landsässige freie Ritter von vornherein ausgeschlossen. 70 Vgl. Ssp. I. 2, 8§ 1, 3. III. 45, §§ 4, 5. Gl. z. Ssp. I. 2, § 3: plechfiaften sin, di in dem lande eigen hebben, dar si wat sin plichtig af to gevene oder to dunde. Daß die Pfleghaften auch in Thüringen bekannt waren, bezeugt eine Walkenrieder Urk. von 1214, Urk.-B. d. hist. Ver. f. Niedersachsen II. Nr. 83 (vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 52, N. 2). Die Sachsenspiegelglosse hat das Wort an einigen Stellen auf die zinspflichtigen Vogteileute bezogen. Vgl. die von HOMEYER mitgeteilte altm ä r k i s c h e Gl. z. Ssp. I I I . 45, § 4. SCHILLER U. LÜBBEN, M i t t e l n d . W ß . I I I . 341. 71 V g l . RICHTHOFEN, U n t e r s u c h u n g e n I I I . 53 f., 83. n Vgl. S. 212. WAITZ. V. 2S7 f. HENNER, Herzogl. Gewalt der Bischöfe von Wirzburg, 8 4 ff. B R E S S L A U , i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. X I I I . 100, N. 1. TELTING, a. a. O . 8 . L I N D N E R , Verne 1 6 9 . SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 4 1 ff., 5 1 . Z Ö P F L , Altertümer I I . . 1 5 9 ff. P E T Z , GRAUERT u. MAYERHOFER, Drei bayerische Traditionsbücher aus dem 12. Jh., 166 ff. 73 Während der Sachsenspiegel (III. 45, § 4. 64, § 8. 73, t? 1. 80, § 1) und Gl. z. Ssp. III. 64, § 8 (biergelden dat sin plechaften, di egen in deme lande hebben, dar si plege af dun) Biergelden und Pfleghafte durchaus als identisch behandelt, zeigt die Glosse zu Ssp. I. 2, § 4 und III. 45, § 4, daß ihr das Verständnis der Sache abhanden gekommen ist. Dasselbe möchte man von den Bildern zum Sachsenspiegel annehmen, die den Biergelden mit einem Bierkruge ausstatten und dadurch zu der merkwürdigerweise von GRIMM, RA. 313 f., geteilten falschen Erklärung des Wortes Anlaß gegeben haben. 74 Vgl. WAITZ, V. 286. Man kann dabei an die späteren „Stuhlfreien" in Westfalen denken. Vgl. LINDNER, Verne 395ff. Die von dem letzteren in demselben Sinne gedeuteten ligii (a. a. O. 381 ff., 396) könnten diese Bezeichnung daher erhalten haben, weil sie gleich dem homo ligius jedes Rufes gewärtig sein mußten, wie jener zum Kriege, so sie zum Ding, doch lassen die Quellenstellen auch zu, dabei an Ministerialen zu denken. 75 Vgl. S. 414. 78 Vgl. BÖNVALOT, I*e tiers état d'après la charte de Beaumont, 1884, und meinen Bericht über diese gründliche Arbeit i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 119 ff. Die Loi de Beaumont (auch Lex Bellimontis, Börner Recht) war ein Privileg des Erzbischofs Wilhelm von Reims, Grafen von Champagne, für das zu einer Stadt erhobene Dorf

§ 42.

Die Stände.

435

Landbevölkerung in den Kolonisationsgebieten des Ostens, in den eigentlichen Kolonistendörfern mit ihren flämischen und fränkischen Hufen ebensowohl wie in den zu deutschem Recht angelegten früher slavischen Dörfern 7 7 . Alle diese hatten zwar einen Obereigentümer über sich, waren aber in ihrem vererblichen und veräußerlichen Besitzrecht so selbständig gestellt, daß die Theorie zwischen den grafenschatzpflichtigen Eigentümern und diesen erbzinspflichtigen Grundbesitzern keinen erheblichen Unterschied machte, obwohl jene in einem staats-, diese in einem privatrechtlichen Verhältnis standen 7 8 . Eine verbreitete Bezeichnung für die freien Zinsleute, die zugleich die einfachen Pächter mitumfaßte, war Landsiedel, auch Landsasse oder Gast (hospes)79. In charakteristischer Weise weicht der Sachsenspiegel von dieser Terminologie ab. I h m ist „Landsasse" oder „Gast" der Freie, der weniger als eine halbe H u f e oder gar kein Eigen i m Lande besitzt, also entweder eine Ackerwirtschaft als bloßer Pächter (auf Zeit oder Lebenszeit) betreibt, oder gar keine selbständige Ackernahrung hat, sondern als Häusler, Krüger, Handwerker oder freier Arbeiter seinem Erwerbe nachgeht 8 0 . D e m Landsassen stellt er den zu dem Gute geborenen ZinsBeaumont, mit dem im Laufe des Mittelalters über 500 Dörfer und Städte in den Flußgebieten der Maas und Mosel, namentlich in den Grafschaften Bar, Luxemburg, Chiny, Aspermont-Dun, dem Bistum Verdun und der Champagne, bewidmet wurden. Außer der genauen Regelung der den Unterthanen obliegenden Leistungen enthielt das Beaumontrecht auch wichtige Bestimmungen aus dem Gebiete kommunaler Freiheit und Selbstregierung. " Vgl. S. 415 ff. Daß die märkischen Bauern als Pfleghafte angesehen wurden, ergibt sich aus der von HOMEYER mitgeteilten Glosse zu Ssp. I I I . 3 2 , § 1. 78 Später (seit dem 14. Jh.) gestaltete sich auch das Verhältnis der grafenschatzpflichtigen Freien teilweise zu einem privatrechtlichen oder doch patrimonialen, seit die Landesherren anfingen, ihre Einnahmen von einzelnen Höfen oder ganzen Dörfern zu veräußern, zu verpfänden oder als Lehn wegzugeben. Die Leistung des Bauern blieb auch so eine öffentlichrechtliche, aber der Bezugsberechtigte gründete seinen Anspruch auf einen privatrechtlichen Titel, den er in der Regel zu einem Obereigentum und zu voller Gutsherrlichkeit zu erweitern wußte. Man hat dies Verhältnis „Vogtei" und die davon Betroffenen „Vogtleute" genannt, doch empfiehlt es sich, diese Bezeichnungen möglichst zu vermeiden, um einer Verwechselung mit der älteren (niederen) Vogtei und den eigentlichen Vogtleuten ("homines advocaticiij vorzubeugen. 79

V g l . HEUSLER, I . 132 ff., 169.

STEINMEYER U. SIEVEBS,

V g l . ebd. I. 312. I I . 425, 609. 136.

LUXER,

Glossen

Mittelhd. WB. I. 1829.

HOFEN, Altfries. W B . 912.

I. 40

f.: lanisidileo, der framada

HALTAÜS, G l o s s a r i u m 1 1 8 2 f .

Du

WAITZ, V . 282.

GANGE,

erda niuzzit.

GRIMM, D W B . V I . 1 3 0 ,

Glossarium s. v. hospes.

RICHT-

GAUPP, A n s i e d l u n g e n u n d L a n d t e i l u n g e n

579 f. Schwsp. Laßb. 70, 114. Landsiedelleihe nannte man besonders die Pacht auf Lebenszeit.

V g l . LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n I . 959.

ARNOLD, a. a. 0 . 573 f.

80

Vgl. Ssp. I. 2, § 4 und III. 45, § 6 mit den Glossen dazu. SCHILLER und LÜBBEN, Mittelnd. WB. II. 625. GAUPP, a. a. 0. 577 f. Über Kossäten (cotarii), Gärtner, Häusler u. s. w. vgl. S. 410, N. 6 und BÜHLAU, Leibeigenschaft in Mecklenburg 373 f. Siehe auch Anm. 66 über den Freimann des Meier Helmbrecht. Uber die Stellung des freien Gesindes, die wir fast nur aus stadtrechtlichen Quellen kennen, vgl. HERTZ, Die Rechtsverhältnisse des freien Gesindes nach den deutschen Rechtsquelleri des Mittelalters (GIERKE, Untersuchungen, VI.). LAMPRECHT, I. 1157. 28*

436

Das Mittelalter.

mann oder Zinsgelten, also den Erbzinsmann, gegenüber, verstellt unter dieser Klasse nicht die freien Erbzinsleute, wie sie in der vorkamen, sondern die Liten (latelude)81, und die Glosse bestätigt Auffassung: We in Sassen tu tinsgude geboren is, dat is en late, di des gudes äne sinis herren orlof nicht variiert82.

aber Mark diese mach

Während die Pfleghaften und Landsassen bei aller Verschiedenheit ihrer ökonomischen und sozialen Lage immer noch demselben Stande angehörten, dasselbe Wergeid, dieselbe Buße und den gleichen Gerichtsstand hatten 8 3 , bildeten sie einen entschiedenen Gegensatz zu den früheren freien Hintersassen, die ihren Gerichtsstand vor dem öffentlichen Gericht nicht bewahrt hatten, sondern vor das grundherrliche Gericht gehörten und in den öffentlichen Gerichten durch den Yogtherrn oder seinen Beamten vertreten wurden. Diese standen als Vogtleute (homines advocalicii) den freien Bauern gegenüber 91 , namentlich seit dem Aufkommen freierer Leiheformen (wie Bauerlehen, Erbpacht, Vitalpacht, Zeitpacht), welche die persönliche Freiheit des Beliehenen nicht berührten, Zinsen und Dienste ihm nur als dingliche Lasten aufbürdeten, keine Veränderung seines persönlichen Gerichtsstandes herbeiführten und selbst das zwischen dem Leiheherrn und dem Beliehenen bestehende Verhältnis den öffentlichen Gerichten, mit Ausschließung des gutsherrlichen Baudinges, anheimstellten 86 . Ihren Ausgang haben diese freien Leiheformen wie in den Städten von der Hausleihe, so auf dem Lande von der Leihe zu Waldrecht genommen; wie dort der Beliehene das Haus erst zu bauen hatte, so mußte die verliehene Waldhufe erst dem Walde abgewonnen werden, in beiden Fällen verdiente der Beliehene den verliehenen Gegen-

W. SICKEL, Bestrafung des Vertragsbruches 96 ff. Freigelassene, die der bisherige, Herr nicht mit Grundbesitz ausgestattet hatte, gehörten nach Ssp. I. 16, § 1 und III. 80, § 2 zu den freien Landsassen. Daß mindestens der Besitz einer halben Hufe eigenen Landes erforderlich war, um zu den Pfleghaften zu gehören, ergibt sich aus Ssp. I. 34, § 1. HI. 45, § 5. 61, § 3. 81 Vgl. Sachs. Lehnr. 73, §§ 1, 2, wo sich gegenüberstehen en gut, dar die tinsgelden to geboren sin, und en vri gut, dar nieman tinsrecht an ne hevet, noch dar to geboren is, das der Eigentümer eneme gaste bestadet. Des grundherrlichen Gerichtes für Zinsgenossen gedenkt Sachs. Lehnr. 68, § 5. Den Unterschied zwischen dem kündbaren Zinsmann, d. h. dem freien Pächter aus dem Stande der Landsassen, und dem zu dem Gute geborenen Zinsmann zeigt Ssp. II. 59, §§ 1, 2. Am klarsten wird die Auffassung des Rechtsbuchea durch die Standestafel (Ssp. III. 45), in welcher der Verfasser, indem er von den Dienstmannen absichtlich Abstand nimmt (III. 42, § 2), von den Pfleghaften und Landsassen sofort zu den Laten übergeht, eben weil die Vogtleute für ihn nichts anderes als Laten sind. 88 Gl. z. Ssp. H. 59, § 1. 83 Vgl. Ssp. III. 45, §§ 4, 6. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 58 ff. Mit Unrecht hält HEUSLER, I. 165 die Landsassen für Vogtleute. 84 Vgl. v. WYSS, Beitr. z. Schweiz. RG. II. (i. d. Zeitschr. f. Schweiz. Recht, XVIII. I. 1 1 5 0 85

19—184),

besonders

106 ff.,

125 ff.,

178 ff.

LAMPRECHT,

Wirtschaftsleben

ff., 1 1 5 9 f., 1 1 7 7 , 1519 f. Vgl. LAMBRECHT, Wirtschaftsleben I. 137 f., 860 ff., 888 ff., 924 ff'. WAITZ, V. 271.

§ 42.

437

Die Stände.

stand mehr durch seine eigene Arbeit als durch das ihm übertragene Recht des Leiheherrn, der letztere mußte sich ebenso um ihn bewerben, wie er um die Leihe, er erschien fast wie der Eigentümer selbst und konnte nicht wie ein abhängiger Zinsmann behandelt werden 86 . Nicht anders war es bei den Marschhufen und den Leiheverhältnissen nach flämischem, kulmischem, fränkischem oder deutschem Recht in den Kolonisationsgebieten und im Westen nach dem Rechte von Beaumont (Anm. 76). J e mehr die grundherrliche Eigenwirtschaft zurückging, desto mehr sahen sich die Gutsherren, um ihre Felder nicht brach liegen zu lassen, zu der Anwendung jener freieren Leiheformen genötigt. Die Freien, welche in ein solches Verhältnis neu eintraten, oder die Hörigen, die sich zu demselben emporschwangen, betrachteten die abhängigen Erbzinsleute, auch wenn sie freier Herkunft waren, nicht mehr als ihre Genossen. Das 13. Jahrhundert bezeichnete den Höhepunkt dieser Entwickelung, ihren Abschluß zeigt ein Reichsweistum von 1282. An das Gericht war die F r a g e gestellt: si rustici vel rustice, qui liberi diciintur, cum hominibus advocatiliis vel aliarum superiorum aut inferiorum condit'tonum contraxerint, quam conditionem. sequi debeat partus ex huiusmodi commixcione susceptus ? D a s U r t e i l erging d a h i n : quod partum conditionem semper sequi debeat

viliorem87. Damit war die Scheidewand zwischen den freien Bauern (Pfleghaften und Landsassen) einerseits und den Vogtleuten andererseits und die Zugehörigkeit der letzteren zu den Grundhörigen reichsgesetzlich festgestellt. Die Grundhörigen, in den Quellen des früheren Mittelalters gewöhnlich als Zinsleute (censuales) zusammengefaßt 88 , zerfielen nach dem Reichsweistum von 1282 in verschiedene Gruppen höheren und niederen Grades 89 . Zu den ersteren gehörten, außer den Vogtleuten, in den weinbautreibenden Gegenden auch die Weinbauern 90 , auf den beim Reiche gebliebenen oder in geistlichen Besitz gekommenen Krongütern die Fiskalinen 91 , ferner die Wachszinsigen 92 . Zu der geringeren Gruppe darf man

die

alten

Hörigen

(Liten,

Loten,

Lassen,

Aldien,

Barleute,

Bar-

schalken) rechnen 93 , mit denen die angesiedelten Eigenleute (servi casati, mansuarii) vollständig verschmolzen waren 94 . 86

Vgl. Vgl. I. 1 3 4 — 1 4 4 , 89 Vgl. 83

90 92

87 ARNOLD, A n s i e d e l u n g e n 5 4 4 ff. M G . L e g . II. 4 3 9 . A n m . 81. Ü b e r die g a n z e K l a s s e v g l . WAITZ, V . 2 0 1 — 2 6 8 . HEUSLER, 1 8 5 — 1 9 0 . LAMPBECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n I . 9 9 2 f., 1 1 7 7 — 1 2 2 3 . HEUSLEB, I . 178.

91 V g l . LAMPRECHT, a. a. O. I . 9 0 3 ff. V g l . "WAITZ, V. 2 0 7 ff. V g l . WAITZ, V . 2 3 2 f. LAMPBECHT, I . 1 2 1 3 ff.

93 Der Sachsenspiegel und die Glosse bezeichnen, wie wir schon bemerkten, die ganze Gruppe der Censualen als „Laien", Vgl. Ssp. I. 6, § 2. III. 44, § 3. 45, § 7. Die langobardisch-bairische Bezeichnung als „Aldien" begegnet noch in einigen bairischen Urkunden des Mittelalters. „Barschalken" und „Barleute" kommen vor-

n e h m l i c h in B a i e r n v o r ( v g l . WAITZ, I I . 1 , 2 4 0 . I V . 3 4 1 , N o t e . V . 262. KREMER. O r i g i n u m N a s s o i c a r u m pars I I . a p p e n d i x , p g . II. PETZ, GRAUEBT U. MAYEBHOFER,

Drei bayer. Traditionsbücher 164 ff.), aber auch eine Quedlinburger Urkunde von 1447 (JANICKE, Quedl. Urk.-B. I. Nr. 389) nennt •parlude. 94 Daher hatte die frühere Unterscheidung der mansi ingenuiles, litiles, serviles

Das Mittelalter.

438

Die Grundhörigen waren durchweg gutsherrliche Hintersasse», und zwar derart mit ihrem Gute verbunden (glebae adscripti), daß es weder ihnen vom Herrn ohne bestimmten gesetzlichen Grund entzogen, noch auch von ihnen ohne Genehmigung des Herrn geräumt werden durfte 95 . Sie hatten also das Recht der Freizügigkeit nicht, nur zuweilen wurde es ihnen unter der Bedingung zugestanden, daß sie dem Herrn ein bestimmtes Lösegeld zahlten und für die gehörige Besetzung ihres Hofes mit einem andern Manne sorgten. Einem Heiratszwange unterlagen die Hörigen im späteren Mittelalter nicht mehr, dagegen hatten sie dem Herrn eine Heiratssteuer (beddemund, bumede, maritagium) zu entrichten, meistens freilich nur die Braut, nach manchen Hofrechten auch nur bei Verheiratung mit einer nicht zu der Hofgenossenschaft gehörigen Person 96 . Derartige Ungenossenehen, wenn sie nicht durch Freizügigkeitsverträge der Herren ein- für allemal erlaubt waren 97 , bedurften der ausdrücklichen Genehmigung des Herrn, der Mangel derselben machte die Ehe zwar nicht ungültig, zog aber die Bestrafung der Ungehorsamen, in der Regel durch Vermögenseinziehung oder Verlust des Erbrechts, nach sich. Alle Hörigen hatten dem Herrn einen Kopfzins und eine Erbschaftssteuer zu entrichten. Schon in der vorigen Periode hatte der Herr gegen seine Hörigen im allgemeinen kein eigentliches Erbrecht mehr, sondern nur ein Heimfallsrecht für den Fall, daß keine der Hofgenossenschaft angehörigen Erben vorhanden waren 98 . In der Hauptsache war dies auch der Standpunkt des Mittelalters, nur vereinzelt hatte das grundherrliche Heimfallsrecht dem des Fiskus Platz gemacht. Aber als Rest eines wirklichen Erbrechts war die Erbschaftssteuer übrig geblieben. Die strengere Form (S. 206 f.) ganz aufgehört. Freilassungen zu Litenrecht kamen in der Regel nicht mehr vor, da die Ansiedlung den Leibeigenen von selbst zum Liten machte. Vgl. W A I T Z , V. 2 0 6 . Bei den Friesen scheinen Eigenleute bald durch Freilassung, bald durch Ansiedlung zu Liten geworden zu sein. Vgl. RICHTHOFEN, Untersuchungen I I . 1090 f. TELTING, a. a. O., Sonderabdruck 17 f. Über Freilassungen zum Rechte der Wachszinsigen bis zum 13. Jh. vgl. L A M P R E C B T , I . 1220 f. 85 Vgl. S. 436 und unten Anm. 110. Urk.-B. d. hist. Ver. f. Niedersachsen II. Nr. 399 (1268). 86

LAMPRECHT, I . 1 1 8 9 FF.

Vgl. W A I T Z , V. 236 ff. HEUSLER, I . 143. LAMPRECHT, I . 1204. Die Heiratssteuer hing mit dem alten Muntschatze (Wittum) zusammen, der sich ebenso in dem Lösegelde der Hirigen erhalten hatte. Vgl. S. 215, N. 44. Von dem Abkaufe eines dem Herrn zustehenden ius primae noctis konnte schon darum keine Rede sein, weil ein solches dem deutschen Rechte fremd gewesen ist. Vgl. G I E B K E , Humor im Recht, 2. Aufl. 35 f. und die dort angeführte Litteratur. W A I T Z , V. 239. 87 Solche Konkordate über die Zulassung von Wechselheiraten unter verschiedenen Hofgenossenschaften (freier Zug, Unterzug, Genossami) waren namentlich im Westen und Süden verbreitet. Vgl. LAMPRECHT, I . 1205 ff. HEÜBLEB, 1 . 1 4 4 . Manche Gotteshäuser gestatteten ihren Grundhörigen schlechthin die Verheiratung mit Hörigen geistlicher Fürsten, woraus sich das erst neuerdings erklärte Rechtssprichwort herschreibt: Wir sollent auch aller (beschämen) fürsten genoss sin und mögent wiben und mannen, on eigenlüt, wo wir wollent. Vgl. H E U S L E B , Der Bauer als Fürstengenoß, i. d. Zeitschr. f. RG. XX. 235. 88 Vgl. S. 258.

§ 42.

Die Stände.

439

derselben, der „Buteil", hatte noch am meisten von dem ursprünglichen Charakter bewahrt, indem der Herr entweder einen Anteil (die Hälfte, ein Drittel, zwei Drittel) des ganzen Mobiliarnachlasses 99 , oder doch des Viehbestandes, nebst dem Heergewäte des verstorbenen Mannes oder der Gerade der verstorbenen Frau, beanspruchte; die mildere Form war die des „Falles" (Sterbfall, Todfall) oder der „Kurmede", wobei der Herr nur das beste Stück Yieh (als Besthaupt) und das beste Kleid (als Gewandfall) erhob 10°. Im Laufe der Zeit hatte diese Abgabe meistens den Charakter eines bloßen Ehrschatzes für die Verleihung der Hufe an den Erben angenommen, wie dergleichen als „Handlohn", „Empfängnis", „Vorhure" oder „Weinkauf" auch bei den freien Leiheverhältnissen üblich war 101 . Der „Fall" erschien demnach nur noch als eine dingliche Belastung, er war radiziert, wie die Zinsen und Frondienste, die vom Gute geleistet wurden und freien Bauern ebenso gut wie den Grundhörigen auferlegt werden konnten 102 . Selbst der Kopfzins wurde zuweilen aus einer persönlichen Last in eine dingliche, als Rauch- oder Heerdzins, umgewandelt 103 . Diese Radizierungen wirkten auf die Verhältnisse der Grundhörigen ebenso befreiend, wie die Stellung unter das Lehnrecht auf die Ministerialen. Selbst die einzige Veräußerungsbeschränkung, der die durchaus als Herren ihres Vermögens anerkannten Grundholden unterlagen, das Zustimmungsrecht des Herrn bei Immobiliarveräußerungen, machte mehr und mehr einem bloßen Vorkaufsrechte Platz 104 oder wurde auch wohl, soweit es sich nicht um grundherrliches Leihegut handelte, ganz aufgehoben 105 . Unter dem Einflüsse der oben erwähnten grundherrlichen Konkordate über Wechselheiraten entwickelte sich vielfach zwischen den beteiligten Hofgenossenschaften eine wahre Freizügigkeit, bei der nur vorausgesetzt wurde, daß der Ankömmling sich bei seinem früheren Herrn gehörig abgemeldet oder doch seinen alten Wohnsitz in offenkundiger Weise verlassen hatte und aus seiner früheren Stellung niemand mehr etwas schuldig war 106 . In allen übrigen Fällen konnte der Entwichene von seinem „nachfolgenden Herrn" binnen J a h r und Tag zurückgefordert werden 107 . Die unterste Stufe der Bevölkerung nahmen die Eigenen oder Eigenleute, auch xervi oder Sklaven,os, d. h. die nicht mit Grund und Boden 99 100 101 102 103

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Gl. z. S s p . I I I . 44, § 3. WAITZ, V. 2 4 0 f., 2 4 7 . HEUSLEE, I. 137 ff. LAMPBECHT, I . 9 2 6 , 1 1 8 2 ff. WAITZ, V . 2 4 1 ff. LAMPBECHT, I. 1187 f . WAITZ, V . 277 f. LAMPBECHT, I . 7 7 8 ff., 8 1 6 f., 9 2 2 f. WAITZ, V . 2 7 9 f.

V g l . LAMPBECHT, I . 1180 f.

104

Vgl. ebd. 1193 f. und die Anm. 95 angeführte Urkunde v. 1268. Vgl. ein Braunschweiger Hofgerichtsweistum von 1314, SUDBNDOBF, Urk.-B. z. Gesch. d. Herz. Braunschw. I. Nr. 236. 106

108 107

V g l . LAMPBECHT, I. 1 2 0 8 ff. GRIMM, W e i s t ü m e r V I I . 2 4 8 , 375. V g l . LAMPBECHT, I . 8 7 2 ,

1212.

GBIMM, W e i s t ü m e r

VII.

328.

U r k . - B . d.

Stadt Lübeck II. Nr. 1020, Requisition an den Stadtrat: quatenus Ijudolphum,

litonem, iubeatis presentari. 108

964.

So erst von den kriegsgefangenen Slaven. d. roman. Spr. I . s. v. sckiavo.

DIEZ, W B .

nostrum

Vgl. LEXEB, Mittelhd. WB. II.

440

Das Mittelalter.

ausgestatteten Hausdiener, die ehemaligen mancipia, ein 109 . Während die Gutsunterthänigkeit der Grundhörigen auf dem ihnen vom Herrn verliehenen Grundbesitz beruhte 110 , gehörten jene dem Herrn mit ihrer Person zu Eigen, sie waren LeibeigeneU1. Sie standen im reinen Sacheigentum des Herrn, konnten aber in der Regel nur wie unbewegliche Sachen veräußert werden, da sie einem bestimmten Fronhofe als Inventar zugeteilt zu sein pflegten 112 . Nur wenige hatten Haus und Garten 113 , selbständige Ackerwirtschaft betrieben sie nicht. Sie hatten demgemäß in der Regel auch keinen Zins zu zahlen, sondern nur Dienste zu leisten, diese aber nicht mit Beschränkung auf bestimmte Tage (als gemessene Dienste), wie die Grundhörigen, sondern Tag für Tag (servitia cotidiana), weshalb sie auch die Bezeichnung Tagwerker oder Tagknechte (dagescalci, dagewardi, tagewerker, nd. dagewerchten, servi cotidiani) führten. Ihre Dienste bezogen sich teils auf das Haus (daher camerlingi, camerarii), teils auf die Fronfelder, während die herrschaftlichen Beunden vorwiegend durch die Frondienste der Grundhörigen bestellt wurden. Für die Dienste erhielten sie ihren Unterhalt vom Hofe (daher praebendarii, provendarii, stipendiarii). Eigenen Vermögens waren sie nicht fähig; was sie etwa besaßen, beruhte auf Herrengunst und fiel, wenn sie keine zum Hofe gehörigen Leibeserben hinterließen, bei ihrem Tode an den Herrn zurück 114 . 109 V g l . WAITZ, V . 1 9 0 — 2 0 0 .

HEUSLER, I . 186.

LAMPBECHT, I . 1196, 1 2 2 3 FF.

110

Das frühere Mittelalter kannte auch Censualen, die keinen Hof hatten, sondern nur mit ihrer Person abhängig waren (vgl. WAITZ, V. 260, 281), seit dem 13. Jahrhundert waren sie aber durchweg an die Scholle gebunden, also grundhörig. Die Bezeichnung servi verloren sie erst seit dieser Umwandlung. Am längsten hat sich die rein persönliche Unterthänigkeit bei den Wachszinsigen erhalten. Vgl. LAMFBECHT, I . 1 2 1 4 . 111

Zuerst in einer Urkunde von 1289 (BÖHMER, Urk.-B. v. F r a n k f u r t , 244) proprius de corpore, deutsch zuerst im 14. Jh. eigen von dem libe, dann auch bald lipeigen (zuerst 1388 bezeugt), was seit dem 15. und 16. J h . die alte Bezeichnung eigen völlig verdrängt. Vgl. LEXER, Mittelhd. WB. I. 518, 1931 f. GRIMM, DWB. V I . 592 f.

HALTAUS,

kommt der gesetz von parentelam per curiam,

Gegensatz der proprii de corpore zu den Grundhörigen in einem Reichs1222 (MG. Leg. II. 249) zum Ausdruck: quod servi per stipitem et ex parte matris provenientem sint retinendi; homines advocaciarum autem cui sunt censuales, sunt retinendi.

lia

Glossarium

1239.

V g l . S s p . I . 20, § 1. 52, § 1.

LAMPRECHT, I .

1228,

LAMPEECHT, I . 1 2 2 5 .

N . 3.

Vortrefflich

WAITZ, V . 197.

Glebae

adscriptus war der Leibeigene aber darum noch nicht, da er selbst kein Recht darauf hatte, bei dem Hofe zu bleiben. Veräußerungen von Eigenleuten ohne den Fronhof kamen' oft genug vor, ebenso Veräußerungen von Höfen ohne die dazu gehörigen Leute. Vgl. LAMPRECHT, I. 1226 ff. Es empfiehlt sich daher aach nicht, mit dem letzteren die Leibeigenen als „Hofhörige" (im Gegensatze zu den „Grundhörigen") zu bezeichnen. Die Immobilisierung der Leibeigenen, die wahrscheinlich keineswegs allgemein bestand, bezog sich nur auf das Interesse der Erben des Herrn an der möglichst ungeschmälerten Erhaltung des Fronhofinventars. 111 Diese waren es wohl vorzugsweise, die in der alten Rechtssprache als haistaldi, hagastaldi (mhd. hagestalt) bezeichnet wurden. Vgl. WAITZ, IV. 342, N. 2. V. 261. 114

LAMPRECHT, I . 1173, N . 3. 1 2 2 3 f .

Vgl. Ssp. I I I . 32, § 8. Reichshofgerichtsentscheidung v. 1231, MG. Leg. I L 284.

§ 42.

441

Die Stände.

Der Herr hatte eine ausgedehnte Disziplinargewalt über sie, namentlich das Recht der körperlichen Züchtigung, aber nicht der Tötung 118 . Strafrechtlich standen die Leibeigenen unter dem Schutze des Landrechts 118 , ihre standesmäßige Buße war aber gering und zum Teil nur Spott, ein Wergeid besaßen sie, wenigstens nach dem Sachsenspiegel, überhaupt nicht 117 . Gerichtlich hatte der Herr sie zu vertreten U 8 . Beendigt wurde die Leibeigenschaft durch Freilassung zu Landsassenrecht (Anm. 80), die durch Zustellung eines Freibriefes erfolgte 119 ; bis zum 11. Jahrhundert blieb auch die Freilassung durch Schatzwurf vor dem König noch in Gebrauch 120 . Außerdem gab es eine Freilassung zu Ministerialenrecht und zu dem Rechte der Wachszinsigen. Eine Freilassung zu Litenrecht kam im allgemeinen nicht mehr vor, da der Leibeigene, sobald er vom Herrn mit einem Hofe beliehen wurde, von selbst in den Stand der Grundhörigen übertrat 121 . Die wohl nie sehr zahlreich gewesene Klasse des unfreien Haus- und Hofgesindes schmolz im Laufe der Zeit immer mehr zusammen. Nachdem die Ministerialen ausgeschieden waren, entwickelte sich an manchen Höfen abermals eine höhere Hausdienerschaft, die es durch genossenschaftliches Zusammenhalten ebenfalls zu erheblichen Vorrechten brachte und sich zu einer Art niederer Ministerialität entwickelte 122 . Viele Leibeigene gelangten zu einem gutsherrlichen Amte oder kamen als Krüger, kleine Ackerwirte, Gärtner oder Handwerker in die Lage selbständiger Gewerbetreibenden, die entweder ganz dienstfrei wurden oder nur noch gemessene Dienste zu leisten hatten, dafür aber Leibzins und Erbsteuer nach Art der Grundhörigen übernehmen mußten 123 . Endlich fanden durch den Ausbau der Almenden und den Rückgang der grundherrlichen Eigenwirtschaft zahllose Eigenleute Gelegenheit, von ihrem Herrn einen Hof zu erwerben und damit in die Klasse der Grundhörigen emporzusteigen. Diesen bedeutenden Abgängen gegenüber kann der Nachwuchs nur ein sehr geringer gewesen sein. Da Ehen nur mit Erlaubnis des Herrn geschlossen werden konnten, vielen auch schon durch ihre ökonomische 1,5

Vgl. Dsp. 65. Schwsp. Laßb. 73 a. Vgl. v. BAH, Gesch. d. deutsch. Strafr. 95. 117 Vgl. Ssp. III. 45, §§ 8, 9. Das ungeheure Wergeid, das hier ausgesetzt ist, war nur als Spott gemeint. Vgl. GRIMM, RA. 675 f. GIBRKE, Humor, 2. Aufl. 56. 118 Vgl. Ssp. II. 19, § 2. III. 32, § 9. TELTING, a. a. O., Sonderabdruck 10 ff. 119 Vgl. Arch. f. K . österr. Gesch. VI. 1 3 2 ( 1 2 7 3 ) . TELTING, a. a. O . 1 8 . RICHTHOFEN, Untersuchungen II. 1 0 9 2 . 116

120

V g l . WAITZ, V . 2 2 5 .

122

V g l . LAMPRECHT, I . 8 2 0

121

ff.

Vgl.

WAITZ, V .

Anm. 198.

94. GÖHROM, I . 3 2 2 f.

123 Vgl. L A M P R E C H T , I. 1225 f., der hier nur zu sehr verallgemeinert. In der Anm. 111 angeführten Urkunde von 1289 erteilt ein bereits zum Amte eines Schulzen vorgeschrittener Leibeigener, der Frankfurter Bürger werden will, seinem Herrn einen Revers, durch den er sich verpflichtet, seine Leibeigenschaft auch als Stadtbürger fortdauernd anzuerkenneu und Besthaupt, Kopfzins et omnia alia iura et servicia treu zu erfüllen.

442

Das Mittelalter.

Lage die Eingehung einer Ehe unmöglich war, so mußte der eheliche Nachwuchs sich in bescheidenen Grenzen halten 134 , wenn auch durch außereheliche Nachkommen, die der Mutter folgten, einiger Ersatz geschaffen wurde. Das alte Kriegsrecht, das den Kriegsgefangenen zum Eigenen machte, kam nur noch gegenüber nichtchristlichen Völkern, namentlich den Slaven, in Anwendung 125 . Was vom Auslande im Wege des Sklavenhandels nach Deutschland kam, kann nur unbedeutend gewesen sein, auch Verkäufe in die Knechtschaft zur Strafe kamen nur noch sehr vereinzelt vor 126 . Schuldknechtschaft gab es nicht mehr, an ihre Stelle war teils die Schuldhaft, teils Überweisung des Schuldners an den Gläubiger zur Abarbeitung der Schuld getreten 127 . Freiwillige Ergebung in die Leibeigenschaft kam vor12S, aber doch wohl nur bei völlig heruntergekommenen Personen, denen es nur um eine Brotstelle zu thun war 129 . Nur bei den durch den Anerben von dem Hofe des Vaters ausgeschlossenen Kindern von Grundhörigen mögen derartige Ergebungen häufiger gewesen sein 130 . Auch kam es vor, daß Grundhörige, die ihre Pflichten gegen den Herrn nicht erfüllten, zur Strafe zu Eigenen degradiert wurden 131 . In den Kolonisationsländern des nordöstlichen Deutschlands gab es im allgemeinen weder Hörige, noch Leibeigene 132 . Die deutschen Kolonisten waren durchweg Freie und die Bedingungen ihrer Ansiedlung derartige, daß ihre persönliche Freiheit und ihr öffentlicher Gerichtsstand dadurch nicht berührt wurden. Auch die im Lande verbliebenen Slaven kamen in kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, nur in Pommern lassen sich Grundhörige wendischen Stammes nachweisen 133 , auch scheinen die hier und da, z. B. in Schlesien und zwischen Elbe und Saale, erwähnten Smurden oder Smarden slavische Hörige gewesen zu sein 134 . In den Deutschordenslanden wurde anfangs selbst die Freiheit der Preußen und 124 Hat doch die Bezeichnung hagastalt schon im Mittelalter die Nebenbedeutung eines Junggesellen, die später allein geblieben ist, angenommen! Vgl. GRIMM, DWB. IV. 2, 154. 125

Vgl. Anm.

108.

126

V g l . WAITZ, V .

192.

187

Vgl. KORN, De iure creditoris in personam debitoris, qui solvendo non est, secundum ius aevi medii Germanorum, Bresl. Habilitationsschrift, ohne Jahr. KOHLER, Shakespeare 22 f., 38 ff., 55; Nachwort zu Shakespeare 10 f. STOBBE, Gesch. d. Konkursprozesses 98 ff. LOEBSCH U. SCHBÖDER, Urk. I . Nr. 269 (250). 188 Der Sachsenspiegel unterscheidet die „eingeborenen" Eigenen und die sich in Eigenschaft gegeben haben. Vgl. Ssp. III. 32, §§ 2, 3, 8. 42, § 3. 128 Nach Ssp. III. 45, § 9 standen diejenigen, de sik to egene geven, in derselben Verachtung wie das fahrende Volk. Sie waren bußelos. 130

131

Vgl.

LAMPRECHT, I . 1 2 2 3 f .

Vgl. Ssp. III. 44, § 3: Von den laten, die sik verwarchten an irme rechte, sint komen dagewerchten. W A I T Z , V. 2 3 6 . 13S

Über das Folgende sind besonders die Anm. 1 angeführten Arbeiten von v. BRÜNNECK, KORN, HANSSEN, 1 0 ff. und SÜGENHEIM, 3 5 0 ff. zu vergleichen. LAS Y G I BRÜNNECK, Leibeigenschaft in Pommern 1 1 1 ff. 134 Vgl. W A I T Z , V . 2 0 2 . TZSCHOPPE U. STENZBL, Urkundensammlung 6 6 . Du CANOE, S. V. smurdus. HALTAUS, Glossar. 1638. Vgl. Ssp. III. 73, § 3. BÖHLAU,

S 42.

Die Strinde.

443

Letten geschont; erst als sie sich des Abfalls von ihren neuen Herren und dem christlichen Glauben schuldig gemacht hatten, wurden sie einem milderen Hörigkeitsverhältnis unterworfen 138 . In ganz Deutschland hatte sich im 12. und 13. Jahrhundert die Lage des Bauernstandes überaus günstig gestaltet. Während die Grundherren durch den Aufwand, der ihnen durch ihre Ministerialen entstand, durch ihr Streben nach Landeshoheit uud die dadurch bedingte Vernachlässigung der Eigenwirtschaft größtenteils verarmt waren und den früher jederzeit nutzbaren Reservefonds der jetzt durch Rodungen erschöpften Almenden und Urwälder verloren hatten, erfreuten sich die Bauern überall einer behaglichen Vermögenslage, die auch den Hörigen und Leibeigenen zu vielfacher Aufbesserung ihrer persönlichen Stellung verhalf 138 . Der im Mittelalter mehr und mehr verbreitete, die Unterschiede der Geburtsstände erheblich ausgleichende Grundsatz, daß die Luft das Recht gebe. d. h. der Stand der Person sich nach dem Rechte ihrer Niederlassung richte 136a , hatte sich in den Städten zu dem bekannten Grundsatz „Luft macht frei" ausgebildet, kraft dessen alle, die Jahr und Tag ohne gerichtliche Ansprache seitens eines nachfolgenden Herrn in einer Stadt gewohnt hatten, in ihrer Freiheit nicht mehr angefochten werden konnten. Wenn aber Eigenleute mit Genehmigung ihres Herrn in die Stadt zogen, so gelangten sie damit, wie oben gezeigt wurde, in eine den Hörigen entsprechende Stellung, die es ihnen ermöglichte, sich später aus eigenen Mitteln frei zu kaufen. Nach beiden Richtungen hin wurde die Zahl der Landbevölkerung durch die Anziehungskraft der Städte sehr gemindert, und es hätte nicht erst der massenhaften Auswanderung in die Kolonisationsgebiete bedurft, um den Grundherren im eigenen Interesse die Sorge für Verbesserung der Lage ihrer Hintersassen ans Herz zu legen 137 . Auch die Loi de Beaumont war nur ein Zeichen ihrer Zeit. Das 13. Jahrhundert bezeichnet den Höhepunkt der freiheitlichen Entwickelung des Bauernstandes 138 . Nicht bloß in den Kolonisationslanden, sondern vielfach auch im inneren Deutschland gab es nur noch freie Leute, Leibeigenschaft und Hörigkeit waren überall im Schwinden begriffen. Erst im 15. Jahrhundert trat ein entschiedener Rückschlag ein 139 . Der Ausbau des Landes, die Auswanderung nach dem Osten und die Städtegründungen hatten aufgehört, die ländlichen Arbeitskräfte sanken im BRÜNNECK, Leibeigensch, in Ostpreußen 4 1 ff. Vgl. S . 4 2 7 , 4 3 7 . LAMPRECHT, Wirtschaftsleben!. 862ff., 9 2 4 f f . , 9 7 2 , 1238ff., 1 5 1 1 . las« Vgl. WAITZ, V. 281 f. LAMPRECHT, I. 1154. 137 Ein lehrreiches Beispiel gewährt die von B E S E L E R , a. a. O . (Anm. 1 ) besprochene Soester Urkunde. 138 Man denke nur an die Schilderungen bäuerlichen Lebens im Meier Helmbrecht, bei Neidhart von Eeuenthal, dem angeblichen Seifried Helbling u. a. m. 139 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben I . 1 2 3 6 ff., 1 5 1 2 und die S. 4 0 7 N . 1 angeführten Schriften von LAMPRECHT und GOTHEIN über die Lage des Bauernstandes. 135 Y G I 136

444

Das Mittelalter.

Preise. Das natürliche Wachstum der Landbevölkerung hatte schon früher zu Hufenteilungen genötigt, die bald das Maß des wirtschaftlich Erlaubten überschritten. Es bildete sich ein neues ländliches Proletariat, das oft genug froh war, durch Ergebung in Leibeigenschaft oder Hörigkeit der Sorge um das tägliche Brot enthoben zu werden. Besonders empfindlich war der Gegensatz gegen die Städte. Brachte hier die aufkeimende Geldwirtschaft den Einzelnen zum Wohlstande, die Gesamtheit zu Bildung und politischer Machtstellung, so war die Fortdauer der Naturalwirtschaft auf dem Lande am wenigsten geeignet, die bedrängte Vermögenslage der Bevölkerung zu heben, ihre Kultur zu fördern. Politisch mundtot, vom Handwerk durch die städtischen Zünfte fast ausgeschlossen, durch Zwangsund Bannrechte eingeengt, erfuhr das Landvolk nicht sowohl den Segen, als vielmehr den Druck der erstarkenden Landeshoheit. Beden und andere öffentliche Lasten wurden vorzugsweise auf die in den Landständen nicht vertretenen Bauern gelegt. Dazu kam das System der Anweisungen, d. h. der Gebrauch der Landesherren, sich durch Verleihung, Verkauf oder Verpfändung staatlicher Gefälle Geld zu verschaffen, unbekümmert darum, daß auf diese Weise zahllose freie Gemeinden in die Unterthänigkeit privater Gutsherren gerieten 139a . Jagd und Fischerei wurden, auch soweit sie nicht als Regal dem Landesherren vorbehalten blieben, mehr und mehr den Bauern entzogen und als Reservatrecht der Gutsherren behandelt. Besonders ausgebeutet wurde hierfür und in anderen Richtungen das Obereigentum an den Almenden, das die Obermärker mit zunehmendem Erfolge sich anzumaßen wußten, so daß die Markhörigkeit freier Markgenossen vielfach in eine Art Grundhörigkeit umgewandelt wurde 140 . Überall wurden die Zügel straffer angezogen, Leibeigene und Hörige gerieten in strengere Abhängigkeit und die Freien vermochten ihre Freiheit immer weniger zu bewahren, selbst in den Kolonisationslanden gewann die Hörigkeit, vorher bei den Eingewanderten völlig unbekannt, seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts zusehends an Boden. Überall bereiteten sich die Verhältnisse vor, die dann, durch andere Umstände unterstützt, im Beginn der folgenden Periode die allgemeine Erhebung der Bauern gegen ihre Unterdrücker hervorriefen. Die Gliederung der Stände, obwohl nur noch vereinzelt nach alter Weise in bestimmten Büß- und Wergeidstaxen hervortretend 141 , hatte eine 189a Vgl. S. 418. Die mit öffentlichen Gerichten beliehenen Grundherren erweiterten nicht selten einfach ihre Fronhöfe zu Patrimonialgerichten, wodurch die hörigen und freien Gerichtsleute gleichgestellt wurden. Vgl. LAMPRECHT, I. 1260 ff. 140 Vgl. S. 411 f. LAMPKECHT, Wirtschaftsleben I. 797 ff., 1010 ff., 1075 ff., 1158, 1519 f. Sehr bezeichnend sind die berühmten Verse des Freidank (her. v. W. GBIMM), 76, 5 ff.: Die fürsten tmngent mit gewalt velt steine wazzer unde walt, dar zuo teilt unde zam: dem lüfte tcetens gerne alsam; der muoz uns noch gemeine sin. möhtens uns der sunnen sehin verbieten, wint ouch unde regen, man müese in zins mit golde wegen. 141 Vgl. R I C H T H O F E N , Untersuchungen I I . 1103 ff. Der Sachsenspiegel ( D I . 45) gibt den Fürsten und Edeln die doppelte Buße der Gemeinfreien (30 ß: 15ß), aber

§ 42.

Die Stände.

445

besondere Bedeutung für alle durch Ebenbürtigkeit bedingten Verhältnisse142. Denn das Mittelalter kannte eine Reihe von rechtlichen Beziehungen, in die man nur mit Standesgenossen oder Tieferstehenden (Untergenossen) treten konnte, während man von den Übergenossen als unebenbürtig ausgeschlossen wurde. Soweit solche Gegensätze auf dem Gebiete des Lehnrechts hervortraten, haben wir ihrer schon bei der Besprechung der Heerschilde und der Ritterbürtigkeit gedacht U 3 . Die landrechtliche Bedeutung der Ebenbürtigkeit bezog sich teils auf das Gerichtswesen, teils auf das Privatrecht. In Kriminalsachen brauchte sich niemand einen Untergenossen als Richter oder Urteiler, Zeugen oder Eideshelfer gefallen zu lassen. Um ein Urteil schelten zu können, mußte man Genosse oder Übergenosse der Urteilsfinder sein. Die öffentliche Pflicht, einer darum nachsuchenden Partei als Fürsprecher beizustehen, galt nicht gegenüber dem Untergenossen; nur einen Ebenbürtigen brauchte man sich als Fürsprecher des Prozeßgegners gefallen zu lassen. Das Recht des kämpf liehen Grußes hatte man nur gegen Genossen oder Untergenossen; die Herausforderung seitens eines Höheren durfte man nicht zurückweisen, obwohl man ihn selbst nicht fordern konnte. In privatrechtlicher Beziehung galt das Prinzip der Ebenbürtigkeit auf dem Gebiete des Vormundschaftsrechts und des .Erbrechts: nur der Ebenbürtige, d. h. der Standesgenosse oder Übergenosse, konnte geborener Vormund und gesetzlicher Erbe sein, der Untergenosse hatte kein Recht. Anders stand es hinsichtlich der Ehe, indem diese Gleichbürtigkeit beider Ehegatten verlangte, also nicht bloß den Untergenossen ausschloß144. Allerdings bildete die Standesverschiedenheit als solche kein Ehehindernis mehr 146 , aber die vollen Wirkungen der Ehe traten nur unter Standesgenossen ein; war einer der Ehegatten geringeren Standes als der andere, so war die Ehe eine Mißheirat. Bei der standesgleichen Ehe teilte die Frau für die Dauer der Ehe unbedingt das Recht des Mannes 148 ; nach Auflösung der Ehe kehrte sie zu ihrem angeborenen Rechte zurück 147 ; nicht ganz das doppelte Wergeid (18 P f . : 10 Pf.); die Laten haben das halbe Wergeid der Edeln (9 Pf.), aber auffallenderweise eine unverhältnismäßig hohe Buße. 142 Vgl. über das Folgende namentlich die Anm. 1 angeführten Schriften von GÖHRUM, SCHRÖDER, V. MARTITZ, f e r n e r H E U S L E R , 1 . 1 5 5 f f . , 1 6 2 ff. SIEGEL, a . a . 0 . 2 7 9 ff.

. 1 4 3 Vgl. S. 383 f., 431. 144 Vgl. SCHRÖDER, Ebenbürtigkeit 464 ff., 469; Zeitschr. f. EG. VII. 147, N. 2. HEUSLER, I. 157 f. In der Litteratur wird die Ebenbürtigkeit in der Regel als Gleichbürtigkeit aufgefaßt, was eben nur für die Ehe zutrifft. i4r, j j u r ¿ e r i rr t;um des einen Ehegatten über den geringeren Stand des andern kam, wenigstens wenn es sich um Freiheit und Unfreiheit handelte, als trennendes Ehehindernis in Betracht. Vgl. Schwsp. Laßb. 319, I. LOERSCH U. SCHRÖDER, Urkunden I. Nr. 108 (82). c. 4, 5 C. XXIX. qu. 2. c. 2, 4 X. de coniugio servorum (4, 9). 146 Vgl. Ssp. I. 45, § 1. III. 45, §§ 2, 3. 147 Daß dies der Fall war, wenn die Ehe durch den Tod des Mannes aufgelöst wurde, ist in den eben angeführten Bestimmungen des Sachsenspiegels klar ausgesprochen (vgl. auch I. 33). Daß es auch im Falle einer Ehescheidung oder Nichtigkeitserklärung nicht anders eewesen sein kann, läßt sich nicht bezweifeln. Aus

446

Das Mittelalter.

die Kinder erhielten den Stand des Vaters 148 . Bei der Mißheirat wurde die Frau Standesgenossin des Mannes nur, wenn sie einen Ungenossen genommen hatte, dessen Stand sie für die Dauer der Ehe teilte 149 ; dagegen behielt die Frau, wenn der Mann ihr Übergenoß war, ihren geringeren Stand, wurde also nicht von ihm emporgezogen160. Wo sich die Leibeigenschaft in voller Strenge erhalten hatte, kam es hin und wieder noch vor, daß der freie Mann, der eine fremde Leibeigene heiratete, dadurch selbst der Knechtschaft verfiel 161 . Die in einer ungleichen Ehe erzeugten Kinder folgten regelmäßig der ärgeren Hand 162 . Der Sachsenspiegel drückte dies dahin aus, daß das Kind bei der Ehe zwischen Freien uud Ministerialen den Stand erhalte, in welchem es geboren sei, d. h. also der Mutter folge 163 . Ob damit angedeutet sein sollte, daß das nach dem Tode des Vaters geborene Kind an der Rückkehr der übergenössischen Mutter zu ihrem Geburtsstande teilnehme, mag dahingestellt bleiben 154 . Eine friesische Rechtsquelle des 14. Jahrhunderts gestattete einer solchen Mutter, unter Beobachtung gewisser Formalitäten, auch die während der Ehe geborenen Kinder an ihrem Standeswechsel teilnehmen zu lassen 166 . Endlich aber machte sich vielfach eine Rechtsentwickelung in der Richtung geltend, daß die mit einem Hörigen oder Unfreien verheiratete Freie über-

Ssp. III. 72, 73, § 1 läßt sich aber weiter entnehmen, daß die Mutter, wenn sie starb, nicht nach dem Rechte des Mannes, sondern nach Maßgabe ihres Geburtsstandes beerbt wurde. Vgl. SCHRÖDER, a. a. O. 471, N. 14. HEÜSLER, I. 159, N. 13. 148 Vgl. das Rechtssprichwort: Svar't, leint is vri unde echt, Aar behalt it sines voder recht, Ssp. I. 16, § 2. Eine Variation desselben III. 72. u» Vgl. Dsp. 59 (Schwsp. Laßb. 67 b): Ist ein man seinem teeibe niht ebenbürtich, er ist doch ir vormunt und ir vogt; und ist si vrei, si muoz doch, sein sein genözzinne, als si an sein pette gat. und gewinnent si chint, deu Itorcnt ze der ergern hant. swenne aver dm• man stirbet, so ist si ledich von seinem rechte und behaltet recht nach ir gepurt; und nimt si man darnach der vrei ist als si, so gewinnent si leint als si selbe ist. Schwsp. Laßb. 325. GBIMM, Weistümer IV. 485, § 18. RICHTHOFEN,

Unters.

II.

1093.

TELTING,

a. a . O.

19.

LOERSCH U. SCHRÖDER,

Urk.

I.

Nr. 89 (63). 180

V g l . SCHRÖDER, a. a. O. 4 7 1 .

151

Vgl. u. a. Weist, des Ober-Breisgau von 1461, S 39 (GRIMM, Weistümer

III. 740). 152

GÖHRUM, a . a. O. I .

KRADT, G r u n d r i ß § 4 1 , N r .

34—37.

313.

V g l . S. 4 3 7 u n d A n m . 149, 159, 160, 1 6 3 — 1 6 5 .

GÖHRUM, a. a. 0 . 1 . 3 1 3 f.,

321.

GRIMM, Weist. I. 155, § 15. 184. 354, § 59. 735. III. 18. 212f. IV. 387. 485, § 18. 493, § 55.

LOERSCH U. SCHRÖDER, U r k . I . N r . 1 0 8 ( 8 2 ) . S t a d t r e c h t s b .

d. R u p r e c h t v.

Preising, c. 104. c. 15 C. XXXII. qu. 4. 153 Ssp. I. 16, § 2. 154

Vgl.

SCHRÖDER, a.

a. O . 4 7 2 ff.

HEDSLER, I .

159.

Der

Umstand, daß

der

Beweis der freien Geburt durch je drei Zeugen von Vater- und Mutterseite geführt werden mußte (Ssp. III. 32, § 5), spricht eher dafür, daß der Stand, dem die Mutter während der Ehe angehört hatte, unbedingt maßgebend war, was thatsächlich die Folge nach der ärgeren Hand bedeutete. Vgl. Stadtr. v. Herford (Arch. f. Gesch. W e s t f a l e n s I I . ) , S. 1 4 — 1 9 ,

22.

155 VG] RICHTHOFEN, Fries. Rechtsquellen 539, § 21; Untersuchungen II. 1093. TELTING, a. a. 0 .

19.

§ 42.

Die Stände.

447

haupt in ihrem Geburtsstande belassen, der Stand der Kinder aber immer nach dem der Mutter geregelt wurde 168 . Fürsten und Edle bildeten einen einheitlichen, durch das Ebenbürtigkeitsprinzip nicht berührten Geburtsstand, nur in prozessualischer Beziehung genossen die ersteren seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Privileg, in Sachen, die Leben, Ehre oder Reichslehen betrafen, nur von Ihresgleichen abgeurteilt zu werden 157 . Zwischen dem hohen Adel und den Gemeinfreien stand das Ebenbürtigkeitsprinzip im allgemeinen schon zur Zeit des Sachsenspiegels fest, nur in betreff der Eheschließung galt noch Standesgleichheit 153 . Erst nachdem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auch in dieser Beziehung die entscheidende Wendung eingetreten, war die heute, zu Recht bestehende Abgeschlossenheit des hohen Adels gegen die übrigen Stände vollendet 159 . Daß zwischen Edeln und Dienstmannen ungeachtet der gemeinsamen ritterlichen und lehnrechtlichen Beziehungen keine Ebenbürtigkeit bestand, namentlich bei Mischehen die Kinder der ärgeren Hand folgten, wurde, um widerstrebenden Richtungen zu begegnen, wiederholt durch reichsgerichtliche Entscheidungen festgestellt 16°. Dasselbe Verhältnis bestand ursprünglich auch 158

Vgl.

ZÖPFL, A l t e r t ü m e r

II. 2 2 8 - 2 5 8 .

GRIMM, W e i s t ü m e r

I . 648.

III.

65,

f., 6 3 8 , 6 7 5 , 7 2 2 , § 11. 7 2 3 , 7 3 5 , § 6 . IV. 186, 3 4 8 , 4 4 8 , § 2 6 . 4 5 3 , § 2 2 . 7 4 3 , $ 10. V. 668, § 6. 672, § 11. VI. 724, § 5. Urk.-B. d. Landes ob der Enns I. 377, Nr. 175. 379, Nr. 179. Reichshofgesetz von 1222 (Anm. 111). Sachs. Weichb.-Recht 3, § 3. Der Grund dieser Rechtsbildung war ein sehr verschiedener, bald Begünstigung der Freiheit, bald der Wunsch des Herrn oder der Hofgenossenschaft, die hofhörigen Güter nicht an Personen außerhalb der Genossenschaft gelangen zu lassen. 157 Vgl. FRANKLIN, Reichshofgericht II. 134—157. Über lehnrechtliche Tendenzen, die auf eine weitere Scheidung von Fürsten und Edeln gerichtet waren, aber ohne Erfolg, vgl. Zeitschr. f. deutsch. Altert. XIII. 150 f., 155. Zeitschr. f. deutsch. Philologie I. 268 f. § 27

158 V g l . SCHRÖDER, a . a . O . 4 6 4 , 4 6 8 f.

HEUSLER, I . 1 6 7 f.

WEINHOLD, D e u t s c h e

Frauen I. 351 f. Zu Ssp. I. 16, § 2 (Anm. 148), wo allein auf die Freiheit der Eltern Gewicht gelegt wird, stimmt der „Arme Heinrich" Hartmanns von Aue aus dem Anfange des 13. Jh. Der Held, obwohl von hohem Adel und „wol den fürsten gelich" (Vers 43), erklärt seinen Mannen, daß er die Tochter seines Meiers, eines freien Baumannes, zu ehelichen entschlossen sei: Nu ist si fri, als ich da bin; nw r/zt mir aller min sin, daz ich si ze wibe neme (1496 ff.), Einspruch wird von niemand erhoben und da waren f f offen gnuoge, die gäben si ime ze wibe (1512 f.). Aus dem in verschiedenen Weistümern vorkommenden Ausspruche, daß die Bauern Fürstengenossen seien, ist für unsere Frage nichts zu gewinnen, da er eine ganz andere Bedeutung hat. Vgl. Dsp. 62. Schwsp. Laßb. 70 b, 123 a. Belege aus dem 15. Jh. bei KRAUT, Grundriß § 41, Nr. 30. 31. Das holländische Recht bezeichnete die aus der Ehe eines Edeln mit einer Freien entsprossenen Kinder als Halbedele, die zwar hinter den voll- oder wohlgeborenen Leuten zurückstanden, aber doch den Vorzug vor den freien Hausleuten hatten. Vgl. RICHTHOFEN, Unters. II. 1093 ff. III. 54 f., 60 ff. 180 Zuerst auf Antrag des Bischofs von Verden durch Reichsweistum Heinrichs VI. von 1190 (MG. Leg. II. 187). Die Mitwirkung des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg bei diesem Spruche, und daß derselbe durch das Streben der Ministerialen, die Folge nach der Mutter durchzusetzen, hervorgerufen war, ist noch dem Verfasser der sächsischen Weltchronik (her. v. WEILAND), C. 336, bekannt, und auch Ssp. III.

448

Das Mittelalter.

zwischen Gemeinfreien und Dienstmannen161. Seit ihrem Eintritt in die öffentlichen Gerichte müssen aber die letzteren in prozessualischer Beziehung sofort die Ebenbürtigkeit erlangt haben, ja der Mainzer Landfriede von 1235 zeigt die Bauern hier sogar schon als Untergenossen der Dienstmannen162. Wie es sodann mit den Mischehen beider Klassen gehalten worden ist, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Daß die Dienstmannen noch als ärgere Hand hätten angesehen werden können, nachdem für die Ritterbürtigkeit bereits das Erfordernis der vier Ahnen feststand, ist undenkbar; ebensowenig aber kann in landrechtlicher Beziehung eine Unebenbürtigkeit der Gemeinfreien angenommen werden. Wahrscheinlich galten in der zweiten Hälfte des Mittelalters Ehen zwischen dem niederen Adel und dem freien Bürger- und Bauernstande als gleiche Ehen, bei denen die Kinder, unbeschadet der Frage der Ritterbürtigkeit, dem Stande des Vaters folgten163. Zwischen Gemeinfreien oder Dienstmannen einerseits und Vogtleuten oder Grundhörigen andererseits konnten nur ungleiche Ehen stattfinden, bei denen die Kinder der ärgeren Hand 73 § 2 findet sich noch eine freilich sehr unbestimmte Erinnerung daran. Ein zweites Reichsweistum von 1192 (ebd. II. 195) zeigt, daß das erste noch nicht ganz durchgedrungen w a r , es bedurfte noch eines dritten, von Otto IV. von 1209 (ebd. II. 216), welches mit voller Schärfe erklärte, daß die in der Ehe eines Reichsministerialen mit einer Freien erzeugten Kinder Ministerialen seien: alias enirn omnes ministerielles omnium ecclesiarum imperii deperirent. Daß eine Anm. 111 angeführte Bestimmung Heinrichs VII. von 1222, welche die Nachfolge nach der Mutter anordnete, falls sie sich auf Ministerialen bezog, nur in dem S. 446 erörterten Sinne von Ssp. I. 16, § 2 zu verstehen ist, wird von der Glosse zu der letzteren Stelle bestätigt: Dit is na keiserrechte, aver de Lantberdere unde wi Sassen slan na den snoderen elderen. dit recht brachte up bischop Wichman von Meideburg. In Osterreich wurde einer domina Offemia de Potendorf nata de ministeriali terre, quamvis de matre libera et nobili, in einer Urkunde von 1267 (Arch. f. Kunde österr. Gesch.Qu. XXVII. 271, Nr. 20) als commune ius in Austria ab antiquis temporibus obsevvatum entgegengehalten: quod, cum filii seu filie progeniti de Stirpe nobilium et liberorum copulati fuerint aliquibus non paris condicionis, sed inferioris, ut puta miitisterialium — —, filii seu filie progeniti de talibus copulatis, ut puta existentes deterioris condicionis, eciam non habent nec debent habere ius vel accionem in prediis seu proprietatibus que ab antiquo respiciebant solummodo homines libere condicionis, h. e. quod vulgo vocatur vreizaigen. Vgl. noch K R A U T , Grundriß § 41, Nr. 80—37. 161 Daß die in der vorigen Anmerkung besprochenen Stellen im allgemeinen von Freien und nicht von Edeln sprechen, kann hier nicht zum Beweise dienen, da unter den „Freien" wohl nur Edle verstanden waren. Aber auf Ssp. I. 16, § 2 kann man allerdings bezagnehmen, da hier auch die Pfleghaften und Landsassen noch zu den Freien gezählt werden. i6i Vgl. Landfrieden von 1235, c. 11. Zur Bestätigung mag auch der Umstand dienen, daß die Ministerialen im Laufe des 13. J h . zu der Stellang gelangten, die der Sachsenspiegel noch als ein Vorrecht seiner Schöffenbarfreien betrachtete. 193 Vgl. ßichtst. Lehnr. 28, § 3. Gl. z. Ssp. I. 5, § 1-. Wo, eft ein ridder neme eines buren dochter, weren die hindere erven edder nicht? seghe ja tu landrechte, aver nicht tu Unrechte. Nach den Rechten des Landes Blankenberg von 1457 wurden die Kinder von blankenbergischen Ministerialen oder Ministerialinnen, auch wenn sie von einem freien Vater oder einer freien Mutter herrührten, immer wieder Ministerialen. GRIMM, Weist. III. 18.

§ 42.

Die Stände.

449

ie

folgten *. Dasselbe Verhältnis bestand zwischen Hörigen und Leibeigenen 166. Alle durch Ebenbürtigkeit bedingten Verhältnisse setzten die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stande voraus. Es gab aber Personen, die nicht „vollkommen an ihrem Rechte" waren, überhaupt kein „Recht", d. h. keinen Stand, hatten 1 6 8 . Dies waren die „Rechtlosen", die entweder durch Verbrechen (Ungericht) ihr Recht ein- für allemal verwirkt hatten 1 6 7 , oder durch uneheliche Geburt oder unehrliches Gewerbe der Standesrechte für ihre Person verlustig gegangen waren 168 . Außerdem gab es eine vorübergehende, auf einen einzelnen Fall beschränkte Rechtlosigkeit, in die man verfiel, wenn man sich unbefugterweise einen höheren Stand angemaßt hatte 1 6 0 . Die Rechtlosigkeit bedeutete nicht wie die Echtlosigkeit oder Friedlosigkeit der Reichsächter den Verlust der Mannheiligkeit, die Ausstoßung aus der unter dem allgemeinen Rechtsschutze stehenden bürgerlichen Gesellschaft, sondern nur den Verlust aller durch die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stande bedingten Rechte. Obwohl unter dem Schutze des Strafrechts stehend, hatte der Rechtlose doch kein Wergeid und keine Buße, oder nur eine zum Hohn aufgestellte Scheinbuße. Obwohl durchaus fähig, eine rechtsgiltige Ehe einzugehen, war er doch nicht in der Lage, eine ebenbürtige Ehe zu schließen, weil er niemand ebenbürtig war. Aus demselben Grunde konnte er weder gesetzlicher Erbe, noch gesetzlicher Vormund seiner Verwandten werden, konnte niemand zum gerichtlichen Zweikampfe fordern, war unfähig zum Richteramt und konnte in Strafsachen gegen keinen, der nicht gleich ihm rechtlos war, als Urteiler, Zeuge oder Fürsprecher auftreten. Die rechtliche Stellung der Juden war in der ersten Hälfte des Mittelalters im wesentlichen dieselbe wie in der vorigen Periode 17°. Sie bildeten Vgl. S. 437. Stadtrechtsb. d. Ruprecht v. F r e i s i n g , c. 104: Simbt ein zinsär, der nur ein pfennig geit auf ein gotzhatis, oder wem er in geil, ein freie frauen, so zeucht die ring hant der zinser die leint nach im. Über Ehen der Ministerialen mit Censualen vgl. Kl. Kaiserr. III. c. 5, 7. Göhrum, a. a. O. I. 325 f. i»5 Vg]_ Hofrecht des Bischofs Burchard von Worms, c. 16: Jus erit, si fisgilinus homo dageuuardam aeeepit, ut filii qui inde nascantur secundem peiorem manum vivant. similiter, si dageuuardus fisgilinam mulierem aeeepit. Stadtrecht v. Herford (Anm. 154), S. 14 f. 166 Vgl. die Anm. 1 angeführten Werke von Budde und B e h e x e , ferner H i l i e b r a n d , Über die gänzliche und teilweise Entziehung der bürgerlichen Ehre n. d. deutschen Rechtsbüchern des Mittelalters, 1844. H ä l s c h n e r , Das Preußische Strafrecht III. 204 ff. K b a u t , Grundriß § 49. 187 Die Verurteilung zum Tode oder Verlust der Hand hatte Rechtlosigkeit auch dann zur Folge, wenn die Strafe abgekauft wurde. Auch der Dieb oder Räuber, der sich außergerichtlich mit seinem Gegner ausgesöhnt hatte und dessen überführt wurde, galt als rechtlos. 168 Als unehrlich galt namentlich das Gewerbe des fahrenden Volkes. Die Unehrlichkeit der Lohnkämpfer ging auch auf ihre Kinder über. 189 Vgl. Ssp. I. 16, § 1. 1,0 Vgl. S. 218 f. Außer den Anm. 1 angeführten Schriften von Stobbe und Höniger sind Waitz, V. 370ff., Roscher, Die Juden im Mittelalter (Ansichten der R. Schhödeb, Deutsche Rechtsgeschichte. 29

450

Das Mittelalter.

einen wesentlichen Bestandteil der Städte; der Warenhandel, namentlich das Levantegeschäft, ruhte fast ausschließlich in ihren Händen. Daß sie auch Geldgeschäfte betriehen, läßt sich nicht bezweifeln, jedenfalls aber war dies nur in beschränktem Maße der Fall, da sich in erster Reihe die Klöster mit Darlehnsgeschäften befaßten. Die Juden konnten unter denselben Bedingungen wie die Christen Grundbesitz erwerben, waren denselben Gerichten wie diese unterworfen und hatten sich in manchen Städten, namentlich Köln, der christlichen Bevölkerung bereits so weit angenähert, daß einzelne von ihnen selbst in den Gemeindevertretungen zu angesehenen Stellungen gelangten. Erst das 12. Jahrhundert, namentlich die Judenverfolgung von 1146 und 1147, brachte einen völligen Umschwung. Der Grund lag nur zum Teil in den durch die Kreuzzüge verschärften nationalen und religiösen Gegensätzen. Wichtiger war die mit dem Aufschwünge der Städte verbundene Reaktion des deutschen Handelsgewerbes gegen die auf diesem Gebiete bis dahin bestehende Alleinherrschaft der Juden. Durch die Konkurrenz der Kaufmannsgilden mehr und mehr, wenn auch keineswegs so vollständig wie gewöhnlich angenommen wird, aus dem Warenhandel verdrängt, warfen sich die Juden mit verstärktem Eifer auf die Geldgeschäfte, die seit der von den Cluniacensern angebahnten Reform der geistlichen Orden den Klöstern verboten waren. Hatten die letzteren prinzipiell nur unentgeltliche Darlehnsgeschäfte betrieben und sich nur in ihrer Entartung auch wucherlichen Unternehmungen hingegeben, so wurde das Geschäft von den Juden, für die die kanonischen Zinsverhote nicht maßgebend waren, von vornherein nur gegen Zinsen betrieben. Die Verachtung, in der dies Gewerbe trotz seiner Unentbehrlichkeit bei den Christen stand, und der Druck, den die maßlose Ausbeutung des Wucherprivilegs, nur wenig gemildert durch die Konkurrenz der christlichen Lombarden und Kawerzen 171 , auf die kreditbedürftige Bevölkerung ausübte, war der Hauptanlaß für den Umschwung der öffentlichen Meinung und die Verfolgungen und Rechtsverletzungen, denen sich die Regierenden wie die Regierten gegen die Juden schuldig gemacht haben. Ein erst neuerdings aufgefundenes Privileg Friedrichs I. für die Wormser Juden, in der Hauptsache die Bestätigung eines Privilegs

Volkswirtschaft I I 3 . 311 ff.), und ROSENTHAL, Zur Geschichte des Eigentums in Wirzburg 17 ff., zu vergleichen. 171 Die „Lombarden" waren italienische Geldwechsler, die sich fast in allen größeren Städten Deutschlands niedergelassen hatten und durch ihre heimatlichen Geschäftsverbindungen für die modernen Wechselgeschäfte (cambia cum litteris) vorzüglich' geeignet waren. Daneben betrieben sie das noch heute nach ihnen benannte Lombardgeschäft (Darlehn gegen Faustpfand). Der Zinswucher war ihnen vielfach durch persönliche Privilegien freigegeben, wurde aber auch unerlaubt vielfach von ihnen betrieben. Ihre Konkurrenten, die sogenannten Kawerzen, waren Südfranzosen, die nach der Stadt Cahors (Cadurcum) anfangs Cadurcini genannt wurden, sich dann aber die merkwürdigsten Entstellungen dieses Namens gefallen lassen mußten. Eine Geschichte der Lombarden und Kawerzen und ihres Geschäftsbetriebes in Deutschland wäre dringend zu wünschen.

§ 42.

451

Die Stände.

Heinrichs IV., durch Friedrich II. 1236 zu einem Privileg der gesamten deutschen Judenschaft erhoben, gewährt einen authentischen Einblick in die allmählich eingetretenen Veränderungen172, die sich außerdem durch die Einträge in verschiedenen Stadtbüchern, namentlich den Kölner Schreinsbüchern, genauer verfolgen lassen173. Der Landfriede Heinrichs IV. von 1103 sprach zuerst den für die rechtliche Stellung der Juden später maßgebend gewordenen Satz aus, daß alle Juden im Reiche unter dem Frieden des Königs ständen171. Vorher hatten wohl in alter Weise und in den aus der Karolingerzeit bekannten Formen einzelne angesehene Juden königliche Schutzbriefe und Handelsprivilegien ausgewirkt178, die übrigen aber standen einfach unter den lokalen Obrigkeiten. In dem Sinne jenes Landfriedens nahm sich Konrad III. zur Zeit der Judenverfolgung von 1146 der Bedrängten an 173 . Eine eigentliche Organisation des Judenschutzes scheint aber nicht vor Friedrich I. erfolgt zu sein, dessen Wormser Judenprivileg von 1157 zuerst den Satz aussprach, daß alle Juden ad cameram nostram attineant; ihnen war also schon damals für die ihnen gewährten Privilegien eine bestimmte Abgabe an des Königs Kammer auferlegt177. Man erkennt die stufenweise Verschlechterung in der Stellung der Juden, wenn Friedrich II. sie in seinem allgemeinen Privileg von 1236 schon als Kammerknechte (servi camere nostre) bezeichnet, Heinrich VII. aber gar von „camere nostre servis, et quorum res et persone ad nos et imperium spectant immediate", spricht178. Nach den Privilegien Friedrichs I. und Friedrichs II. standen die einzelnen Judengemeinden unter einem selbstgewählten, aber vom König ernannten Bischof, dem zugleich die Vertretung der Gemeinde nach außen oblag179. Von den öffentlichen Gerichten wurden die Juden eximiert; ihren 1,2

V g l . HÖNIGER, a . a. O. I I . 136 ff., u n d BRESSLAU, D i p l o m a t i s c h e E r l ä u t e r u n g e n

zu den Judenprivilegien Heinrichs IV., Zeitschr. f. d. Gesch. d. Judentums II. 152 ff. 173 In Köln wurden bezeichnenderweise die Immobiliarrechtsgeschäfte der Juden bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts ungesondert mit denen der Christen in den Schreinskarten, namentlich der Laurenzpfarre, deren Sprengel die meisten Juden atgehörten, verzeichnet, während später ein eigenes Judenschreinsbuch angelegt wurde: von dem ein Bruchstück aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts erhalten ist. Vgl. HÖNIGER, Das Judenschreinsbuch der Laurenzpfarre zu Köln (Quellen zur Geschichte der Juden, I. 1888). " 4 Vgl. STOBBE 10, der die Veranlassung mit Recht in den Verfolgungen seitens der Kreuzfahrer bei Beginn des ersten Kreuzzuges findet, während WAITZ, V. 371 f. geneigt ist, die Entstehung des allgemeinen Judenschutzes des Königs bis in die Karolingerzeit zurückzuverlegen. 175 Nur in diesem Sinne ist, wie BRESSLAU nachgewiesen hat, das Speierer Privileg Heinrichs IV. von 1090 zu verstehen, das man früher teils auf die gesamte Judenschaft von Speier bezog (STOBBE, 9 f.), teils sogar für ein allgemeines deutsches Judenprivileg hielt (vgl. BESELER, i. d. Zeitschr. f. RG. II. 374). 176 Vgl. Otto Frisingensis, gesta Friderici I. c. 37. 177 Dadurch erledigen sich die von STOBBE, 11 f. erhobenen Bedenken. 179 179

BÖHMER, A c t a imperii 451, N r . 6 1 4 (1312). V g l . LOERSCH u. SCHRÖDER, U r k u n d e n I. N r . 153 (127).

29*

Das Mittelalter.

452

ordentlichen Gerichtsstand sollten sie vor ihrem Bischof haben, für alle wichtigeren Angelegenheiten (si de magna causa inculpati fuerint) wurde ihnen das Evokationsrecht an den König bewilligt180. Für ihr bewegliches und unbewegliches Vermögen wurde ihnen Sicherheit versprochen, über Friedensbrüche gegen sie eine erhebliche, an den König zu entrichtende Geldstrafe verhängt, der Geldwechsel außerhalb der Münzstätten und privilegierten Wechselbänke ihnen freigegeben, ihr Warenhandel mit wichtigen Freiheiten ausgestattet, auch von verschiedenen öffentlichen Lasten ihnen Befreiung gewährt. Sie durften heidnische Sklaven und freies christliches Gesinde halten. Die günstige Stellung, welche den Juden durch die hohenstaufischen Privilegien eingeräumt war, blieb nicht lange bestehen. Wiederholte Ausbrüche des religiösen Fanatismus der Menge, namentlich zur Zeit des schwarzen Todes, und immer wiederkehrende in ihrem sittlichen Grunde berechtigte, aber Maß und Ziel überschreitende Reaktionen der durch den Wucher der Juden bedrückten oder zu Grunde gerichteten Schuldner machten es den Trägern der Staatsgewalt vielfach unmöglich, den versprochenen Rechtsschutz zu gewähren. Auch betrachtete man das Privileg des Wuchers nur als auf Widerruf erteilt, weil es in der Auffassung des Mittelalters den guten Sitten widersprach; daher hielten sich die Könige berechtigt, Forderungen der Juden einfach zu kassieren, und zwar nicht bloß in einzelnen Fällen, sondern zuweilen selbst durch ganz allgemeine Maßregeln. Vor allem aber führte die feudalistische Auffassungsweise des Mittelalters dahin, das Judenregal gleich anderen Hoheitsrechten nicht von dem Gesichtspunkte staatlicher Pflichten, sondern von dem einer Finanzquelle aufzufassen. Verleihungen des Judenregals über ganze Städte oder Territorien waren bald an der Tagesordnung, aber selbst die einzelnen Juden wurden mit Rücksicht auf ihre Abgaben an des Königs Kammer als Vermögensobjekte behandelt und verliehen. Durch derartige Verleihungen kamen die von den königlichen Privilegien getroffenen Einrichtungen mehr und mehr in Verwirrung, so daß sich die Lage der Juden in den einzelnen Gebieten höchst verschieden gestaltete, vor allem aber wurde ihre persönliche Freiheit, die sie trotz der Bezeichnung als königliche Kammerknechte behauptet hatten, vielfach angetastet, indem ihnen das Recht der Freizügigkeit benommen191 oder ein Judenleibzoll auferlegt wurde182. 180

Daß dies Recht nicht bloß auf dem Papier stand, zeigt die berühmte, urkundlich erst jetzt beglaubigte Reichshofgerichtsentscheidung Friedrichs II. von 1236 über die gegen die Juden erhobene Anschuldigung des ritualen Kindermordes. Vgl. HÖNIGER, a. a. O. I I . 1 4 2 f . 181

V g l . STOBBE, 2 6 .

STOBBE, 1 8 4 , 2 8 1 . 182

V g l . ebd. 41.

§ 43.

453

Der König.

Zweites Kapitel. Die Verfassung des deutschen Reiches und seiner Teile.

§ 43. Der König 1 . Der Titel des deutschen Königs im zehnten Jahrhundert war einfach „Rex" oder, wenn er zugleich die Kaiserwürde bekleidete, „Imperator", nur ausnahmsweise begegnet unter Otto I. „rex Lothariensium et Francigenum" (946) und „rex Francorum et Langobardorum" (951), ein Titel der auch unter Heinrich II. und III. vereinzelt wiederkehrt2. Seit der Kaiserkrönung Ottos III. wurde „Romanorum imperator augustus" üblich, während der noch nicht zum Kaiser gekrönte deutsche König nach wie vor schlechtweg „Rex", seit Heinrich V. aber, um sein Anrecht an Rom anzudeuten, regelmäßig „Romarum rex" genannt wurde3. Beide Titel, in deutscher Form „Römischer keiser" und „Römischer chunig", haben sich dann bis zum Ende des Mittelalters erhalten, nur daß zuweilen eine Bezugnahme auf den Hausbesitz hinzugefügt wurde, zuerst unter den späteren Staufern „Jerusalem et Sicilie rex", dann unter Karl IY. und Wenzel „kunig zu Beheim", unter Sigismund und Friedrich III. „zu Hungern, zu Behem, Dalmacien, Croacien etc. kunig." Die „Reichskleinodien", d. h. die Wahrzeichen des Königtums (insignia regni, regalia) blieben im wesentlichen dieselben wie in der vorigen Periode4. Zu Scepter, Richterstab, Schwert und Kreuz, dem Speer (mit oder ohne Fahne) und der goldenen Krone5 waren insbesondere noch Purpurmantel, Armspangen, Siegelring, Reichsapfel und Thron getreten6. Zwischen königlichen und kaiserlichen Insignien wurde nicht unterschieden. Einen besonderen Aufbewahrungsort für die Reichskleinodien gab es in der ersten Hälfte des Mittelalters nicht, der König pflegte sie bei sich zu 1

V g l . WAITZ, V I . 1 0 1 — 2 5 6 .

HORN, I I . § § 2 8 7 f.

DORFF'S E n c y k l o p ä d i e 2 3 1 f . 2

SIEGEL, R G . 1 7 1 — 1 8 3 .

WALTER, § § 2 5 1 — 2 5 3 .

SCHULTE, E G . § 7 0 .

ZÖPFL, § § 4 4 - 4 7 .

KÖPKE, W i d u k i n d

von Korvei

EICH-

BRDNNER i n HOLTZEN-

128—168.

Die unter Heinrich II. und V. vereinzelt vorkommende Bezeichnung „rex Teutonicorum, imperator augustus Romanorum" oder „imperator Alamannorum et Romanorum Burgundionumque atque Provincialium" beruhte nur auf der Laune eines Kanzleibeamten. Dagegen muß es bestimmte Gründe gehabt haben, daß Otto I. sich 966, aber nur in diesem Jahre, in einer Reihe von Urkunden „imperator augustus Romanorum ac Francorum" nannte. 3 Über eine diesen Titel bereits enthaltende Urkunde Heinrichs II. vgl. FICKER, i. d. Mitteil. d. Instit. f. österr. Gesch. VI. 225 ff. v. BORCH, Über die Entstehung des Titels Romanorum rex, 1885. 4 Vgl. S. 109f. WAITZ, VI. 133, 164, 166, 193, 2 2 3 - 2 4 0 . BOCK, Die Kleinodien des heil, römischen Reiches deutscher Nation, 1864. GBIMM, DWB. V. 1126. 5 Von dem in der Krone angebrachten Edelstein wurde dieselbe auch ,,der Weise" genannt. Vgl. LEXER, Mittelhd. WB. III. 746. Die eiserne lombardische Krone ist nicht vor dem 13. Jh. bezeugt. Vgl. WAITZ, VI. 172. 8 Die Gl. z. Ssp. III. 60, § 1 nennt fünf Icleinot, so zum reich gehören: die Krone, statt des Kreuzes das Banner mit dem Bilde eines Adlers und dem Kreuzeszeichen, die Fahne (rot und gelb), den Apfel und das Scepter.

454

Das Mittelalter.

führen; später befanden sie sich an festen Orten, eine Zeit lang in Hagenau, dann namentlich in Nürnberg. Das Reichswappen war ein Adler 7 . Der Stab diente besonders bei Gerichtsverhandlungen8, Schwert und Fahne, später auch das Scepter, bei Belehnungen 9 . Seine Vollmachten erteilte der König durch Überreichung von Stab oder Handschuh 10 . Auch sonst diente der letztere ebenso wie der auf einen Stab gepflanzte Hut oder Strohwisch häufig dazu, die Anwesenheit des Königs symbolisch anzudeuten 11 . Der Gebrauch, in dieser Weise oder durch Fahne, Kreuz oder Schwert den König, seinen Bann oder Frieden zu versinnbildlichen, dauerte das ganze Mittelalter hindurch fort und hat sich zum Teil bis zur Gegenwart erhalten 12 . Das Königtum beruhte auf einer eigentümlichen Verbindung von Erblichkeit und Wahl. Der vollste Ausdruck reiner Erblichkeit, die Reichsteilung, hat zuletzt unter den Söhnen Ludwigs des Deutschen Bestätigung gefunden, seitdem galt die Unteilbarkeit des Reiches als unantastbar. Der Versuch Heinrichs VI., die Erblichkeit der Krone in seinem Hause zu verfassungsmäßiger Anerkennung zu bringen, hat keinen Erfolg gehabt 13 . Selbst ein naher Verwandter des hohenstaufischen Hauses bezeichnete es bei der Wahl Friedrichs I. als eine „singularis praerogativa" der Krone, non per sanguinis propaginem descendere, sed per principum electionem reges creareu. Im wesentlichen aber gingen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts Wahl- und Erbrecht Hand in Hand, auf das sächsische Königshaus folgte das demselben in der weiblichen Linie nahe verwandte Haus der Salier, ebenso diesem, nach der Unterbrechung durch Lothar III., das der Staufer. Erst dann wurde die freie Wahl, die bis dahin die Ausnahme gewesen, zur Regel, aber immer wieder mit der Neigung, bei demselben Geschlecht zn beharren, was endlich seit Sigismund, zu Gunsten des luxemburgischhabsburgischen Hauses, dauernder Grundsatz wurde. Von Otto I. bis auf Heinrich IV. und ebenso zur Zeit der Staufer wußten die Kaiser regel-

7

Vgl. Anm. 6.

s

V g l . WAITZ, VI.

9

Vgl. S. 387 f.

10

11

WAITZ, VI. 240.

V g l . GRIMM, R A .

Ritterspiegel, Vers 681 ff.

231. 154.

Vgl. S. 110, N. 28. Über den Handschuh als Wahrzeichen der Fronung oder des Marktfriedens vgl. SCHRÖDER, Weichbild (i. d. IJistor. Aufsätzen zum Andenken an WAITZ, 1886) 306 f., 319. Die eisernen Hände, die in den Gerichten auf den Tisch gelegt wurden, waren nur eine Variation des Handschuhes und bedeuteten die Hand des Königs. Vgl. mein Weichbild 319, N. 2. 12 Zahlreiche Beispiele in meiner angeführten Abhandlung über Weichbild. Fahne und Kreuz als Zeichen des Marktfriedens in dem Gedicht Ortnit (Deutsches Heldenbuch HI. 34 f.), Vers 256 f. 13 Vgl. FICKER, De Henrici VI. conatu, electiciam regum in imperio RomanoGermanico succes^ionem in hereditariam mutandi, Bonner Inaug.-Diss. 1849. Über ähnliche Bestrebungen späterer Zeit vgl. BUSSON, Die Idee des deutschen Erbreichs und die ersten Habsburger, 1878. 14 Vgl. Otto Frisingensis, gesta Friderici II. c. 1.

§ 43.

Der König.

455

mäßig schon bei ihren Lebzeiten die Wahl und Krönung des Sohnes zum römischen König zu erlangen 16 . Dasselbe erreichte Karl IV. Für die Wahl selbst fehlte es bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts an festen Regeln. Der Wahlort sollte nach alter Tradition immer auf fränkischer Erde liegen, doch kamen Abweichungen vor. Die häufigsten Wahlorte waren Forchheim, später Mainz, unter den Staufern tritt Frankfurt in den Vordergrund, das seit der Wahl von 1257 regelmäßiger Wahlort geblieben ist 15 ". Die erste allgemeine Wahlversammlung trat 1024 bei der Wahl Konrads II. zusammen 16 . Bis zum Ausgange des salischen Hauses betrachteten die Quellen noch das Volk als den eigentlichen Wahlkörper oder hielten es doch für notwendig, der Akklamation des Volkes zu der von den Fürsten getroffenen Wahl ausdrücklich zu gedenken. Später ist nur noch von den Fürsten, in deren Händen von Anfang an allein die Entscheidung gelegen hatte, die Rede. Die einflußreichste Stellung unter den Wählern besaß der Erzbischof von Mainz, dem es, jedenfalls schon seit dem 11. Jahrhundert, auch zukam, die Fürsten zur Wahlversammlung zu berufen 17 . Der eigentliche Schwerpunkt der Wahlen, lag immer in den Vorverhandlungen 18 ; die Wahl oder Kur selbst vollzog sich in feierlicher Weise, indem ein Wähler nach dem andern seinen Erwählten nannte und diesen „zu einem Herrn und König, zum Richter und Vogt des Reiches" erkor 19 . Eine Stimmenzählung fand nicht statt, die Kur erfolgte im wesentlichen immer einstimmig, indem die Gegner, sobald sie ihre bevorstehende Niederlage erkannt hatten, sich von der Wahl fernhielten (unter Umständen freilich nur, um dann ihrerseits in einer gesonderten Wahl einen Gegenkönig aufzustellen). Bei dieser Sachlage mußten, wenn nicht schon der Verlauf der Vorverhandlungen eine sichere Entscheidung in Aussicht stellte, die zuerst abgegebenen Stimmen von hervorragender Bedeutung sein. Indem sich, was anfangs bloßer Ehrenvorzug gewesen war, allmählich zu einem festen Gewohnheitsrecht 15

Immer aber vermochte dies nur ein römischer Kaiser, dagegen kein König, der nicht Kaiser war. Es konnte also nur Kaiser und König, nicht aber zwei Könige nebeneinander geben. Zwei Kaiser nebeneinander waren nicht ausgeschlossen, wie das Beispiel Ottos I. und II. ergibt. Vgl. BÖHMER, Regesten Rudolfs I., 1278, 25. März. 15 A YG] HARNACK, i. d. Hist. Aufsätzen z. Andenken an WAITZ, 369 f. 16 Vgl. W. ARNDT, Die Wahl Conrads II., Göttinger Inaug.-Diss., 1861. 17 Vgl. Otto Fris., gesta Frider. I. c. 16. An Stelle des Mainzers übten zuweilen die beiden anderen rheinischen Erzbischöfe gemeinsam das Recht aus. Vgl. HAKNACK, Kurfürstenkollegium 16. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde auch dem Pfalzgrafen bei Rhein das Berufungsrecht zugestanden, dasselbe hat sich aber wieder verloren. Vgl. HAKNACK, i. d. Hist. Aufsätzen z. And. an WAITZ, 370 f. 18 Die Vorverhandlungen waren durchaus formlos. Daß im allgemeinen nur Wahlberechtigte daran teilnahmen, war natürlich, aber auch nach Ausbildung des ausschließlichen Wahlrechts der Kurfürsten haben noch oft genug Fürsten und selbst Edle und Geistliche sich mit Erfolg als Vermittler beteiligt. 19 Die lateinische Formel war: in dominum, et regem atque rectorem et defensorem patriae. Das Küren wurde als loben, laudare bezeichnet. Vgl. WAITZ, VI. 153 f.

456

Das Mittelalter.

gestaltete, kam es im Laufe der Zeit zu einem geschlossenen Kreise von Vorwählern, aus dem dann, nachdem die übrigen Fürsten mehr und mehr zurückgedrängt und endlich ganz ausgeschlossen waren, das Kurfürstenkollegium hervorgegangen ist 20 . Das Recht der ersten Stimmabgabe stand schon seit der Wahl Konrads II. fest, es gebührte dem Erzbischof von Mainz als Erzkanzler des Reiches21. Ihm folgten zunächst die übrigen geistlichen Fürsten22, an ihrer Spitze seit dem 12. Jahrhundert regelmäßig die Erzbischöfe von Köln und Trier23. Unter den Laienfürsten, die nach Stämmen geordnet waren, hatten naturgemäß die Stammesherzöge den ersten Platz; unter den lothringischen Fürsten trat bald der Pfalzgraf bei Rhein in die erste Reihe. Solange das mächtige Stammesherzogtum bestand, dem auch die geistlichen Fürsten sich mehr oder weniger fügen mußten, und sämtliche Grafen des Reiches als wahlberechtigte Fürsten in Betracht kamen, hatte der Vortritt der Geistlichkeit bei der Stimmabgabe keine großen Bedenken. Nach dem Untergange des Stammesherzogtums und der Umwandlung in dem Begriffe des Reichsfürstenstandes, die eine außerordentliche Reduktion des weltlichen Wahlkörpers herbeiführte, wurde das anders. Schon die zwiespältige Wahl von 1198 ließ deutlich erkennen, daß der bisherige Wahlmodus nicht mehr ausreichte24. Auch Papst Innocenz III., indem ••¡0 YG] PHILLIPS, Die deutsche Königswahl bis zur goldenen Bulle, i. d. Sitz.Ber. d. Wiener Akademie XXIV. (1857) 365—403, XXVI. (1858) 41—186 (auch i. d. Vermischt. Schriften, III.). HABNACK, Das Kurfürstenkollegium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 1883; Über das Alter einiger bei der deutschen Königswahl beobachteten Normen, i. d. Hist. Aufsätzen z. And. an WAITZ, 367 ff. GEMEINER, Auflösung der bisherigen Zweifel über den Ursprung der Kurfürstenwürde, 1793. HoMEYER, D i e S t e l l u n g

des Sachsenspiegels

zum

Schwabenspiegel, 93—104.

PICKER,

Uber die Entstehungszeit des Sachsenspiegels 99—130; ferner i. d. Mitteil. d. Instit. f. österr. Gesch.-Forschung III, 59 f. HÄDICKE, Kurrecht und Erzamt der Laienfürsten, Programm von Schul-Pforta, 1872. WILMANS, Die Reorganisation des Kurfürstenkollegiums, 1873. SCHIRRMACHER, Entstehung des Kurfürstenkollegiums, 1874. WEILAND, Über die deutschen Königswahlen im 12. und 13. Jahrhundert, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XX. 305—338. TANNERT, Entwicklung des Vorstimmrechts unter den Staufen und die Wahltheorie des Sachsenspiegels, 1884; ferner i. d. Mitteil. d. österr. ¡Instit. V. 629—650. QTJIBDE, Entstehung des Kurfürstenkollegiums, 1884, und i. d. Hist. Zeitschr. NF. XVII. 127 ff. WAITZ, i. d. Gött. gel. Anz. 1857, S. 609 bis 620; 1859, S. 641—669; i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIII. 199—218. E. METER, i. d. Mitteil. a. d. hist. Litteratur III. 129—180. JASTROW, ebd. XIII. 331 ff.; i. d. Jahresberichten der Geschichtswissenschaft II. 400 ff. WINKELMANN, i. d. Hist. Zeitschr. XXXII. 76 ff. BRESSLAU, i. d. Deutsch. Litter.-Zeit. 1883, Sp. 1657 ff. v. BORCH, Die gesetzlichen Eigenschaften eines deutsch-römischen Königs und seiner Wähler, 1885. ROSPATT, Die deutache Königswahl bis auf ihre Feststellung durch die goldene Bulle, 1839. LANGHANS, Die Fabel von der Einsetz. d. Kurfürstenkollegiums durch Gregor V. und Otto III., Iglauer Programm, 1875. v. DANIELS, St.- und R.-G. JV. 431—461. HARTTUNG, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XVIII. 129 ff. 21

V g l . ARNDT, a . a . O . 15.

23

V g l . A n m . 17.

24

22

V g l . e b d . 16.

HARNACK, a. a. 0 . 1 3 , 1 5 f.

HARNACK, 16 f .

Darüber, daß bei dieser Wahl schon einige weltliche Fürsten den Vorrang vor der Mehrzahl der geistlichen eingenommen haben dürften, vgl. HARNACK, 17ff.

§ 43.

Der König.

457

er sich anmaßte, zur Entscheidung des Wahlstreites berufen zu sein, verschloß sich der Erkenntnis, daß man die Stimmen wägen und nicht zählen müsse, keineswegs. Er erklärte sich für Otto, der zwar weniger Stimmen als Philipp erhalten habe, aber doch ebenso viele oder mehr von denjenigen, „ad quos principaliter spectat electio imperatoris" 2 6 . Daß dem Papste hierbei zum Teil das Vorbild des Kardinalkollegiums vorgeschwebt hat, ist mindestens wahrscheinlich 26 . Jedenfalls hat seine Entscheidung den Anstoß dazu gegeben, daß von den verschiedensten Parteien Wahltheorien aufgestellt wurden, die bei der Unhaltbarkeit des bisherigen Rechtszustandes allmählich zu einer praktischen Reform führen mußten. Die älteste und einflußreichste unter diesen Wahltheorien hat der um 1230 verfaßte Sachsenspiegel ( I I I . 57, § 2) entwickelt. Sie lautete: In des heiseres höre sal die erste sin die bischop von Megenze, die andere die von Trere, die dridde die von Kolne. Under den leiern is die erste an 'me höre die palenzgreve von 'me Rine, des rikes druzte; die andere die hertoge van Sassen, die marschalh; die dridde die marcgreve von Brandeburch, die hemerere. Die schenhe des rikes, die koning von Behemen, die ne hevet neuen kore, umme dat he nicht düdesch n'is. Sint kiesen des rikes vorsten alle, papen unde leien. Die to 'wie ersten an 'me kore genant sin, die ne solen nicht kiesen na iren muticiüen, wenne sven die vorsten alle to koninge irwelt, den solen sie aller erst bi namen kiesen. Der Sachsenspiegel behandelt noch die sämtlichen Fürsten als wahlberechtigt, sie nehmen nicht bloß an den "Vorverhandlungen, sondern auch an der feierlichen K u r teil, aber sechs Fürsten sind „die ersten an des Reiches K u r " , sie geben in einer bestimmten Reihenfolge zuerst ihre Stimme ab und sind die berufenen Boten, die nach vollzogener K u r dem Papste authentische Mitteilung von dem Wahlergebnis überbringen 27 . Die drei an erster Stelle genannten Vorwähler waren als solche längst anerkannt, ebenso mindestens seit mehreren Dezennien auch der Pfalzgraf 8 8 . Daß eine alte Überlieferung von einem Vorwahlrecht, welches die Inhaber der Erzämter übten, bestanden hat, wissen wir aus einem anderen Zeugnis 29 . Auch der Mainzer und Kölner Bischof und der Pfalzgraf bekleideten Hofämter und in alter Zeit hatten dieselben den Stammesherzögen zugestanden, für die jetzt in erster Reihe Ersatz beschafft werden mußte. Gründe genug für den Spiegier, seine Wahltheorie auf die vier weltlichen Hofämter zu gründen. Auch die Siebenzahl, die sich dann ergab, mochte schon früher von den Kardinalbischöfen her einen gewissen Anhalt für

25

Vgl. die berühmte Dekretale Venerabilem, c. 34 X. de electione 1 , 6 , ferner

PHILLIPS,

a . a. 0 . X X V I .

89 f f .

In dem III. lateran. Konzil von 1179 (c. 6 X. 1. c.) hatte Alexander III. das Erfordernis der Einstimmigkeit bei der Papstwahl aufgehoben und eine Zweidrittelsmehrheit für genügend erklärt. 27 Vgl. Auetor vetus I. c. 14. Sachs. Lehnr. 4, § 2. 26

WEILAND,

28

Vgl.

29

V g l . WEILAND, 323, 327 f.

a. a. O .

327 f.

Q U I D D E , a. a . 0 .

Siehe auch A n m . 50.

10.

458

Das Mittelalter.

die Zahl der Vorwähler abgegeben haben 30 . Nur die Abneigung der Sachsen gegen den Böhmenkönig, namentlich soweit sie, wie Eike von Repgau, mit den Höfen von Anhalt und Meißen in Beziehung standen, machte dem Verfasser Schwierigkeiten, dem Böhmen mußte aus politischen Gründen das Recht des Vorwählers vorenthalten werden, ein nichtiger Vorwand half dazu, ihn zu beseitigen und zugleich einen erwünschten weiteren Anwendungsfall für die im Sachsenspiegel eine so große Rolle spielende Siebenzahl, die eigentlich eine Sechs bedeutete, zu gewinnen 31 . Man hat die Wahltheorie des Sachsenspiegels nicht mit Unrecht als eine „litterarische That" bezeichnet. Eine Reihe zeitgenössischer Aufzeichnungen, von deren Aufzählung hier abgesehen werden' kann, muß auf sie zurückgeführt werden. Auch der Dichter Reinmar von Zweier 32 steht unter einem gewissen Einfluß des Sachsenspiegels, mit dem er vielleicht bei seinem Aufenthalt am Meißner Hofe näher bekannt geworden war 33 , aber sein Kurfürstenspruch 3 4 enthält doch zugleich eine entschiedene Polemik gegen Eike, indem er nach den drei „Pfaffenfürsten" ausdrücklich vier Laienfürsten nennt und an der Spitze derselben den Böhmen, den er geradezu auffordert, seine Würde zu wahren: her künec von Beheim, dran sult ir gedenken, daq man iuch nent des riches werden schenken! Auch die Verwahrung am Schluß: daq sint diu wären mcere! zeigt die polemische Absicht. Reinmar hatte jahrelang an König Wenzels Hofe gelebt und kannte dessen Beteiligung an den Wahlverhandlungen von 1237 und 1239. Sein jedenfalls nach 1241 abgefaßter Spruch bezieht sich wahrscheinlich auf die Nachwahl von 1252. Mehrere Städte hatten der 1247 nur von den Pfaffenfürsten vollzogenen Wahl Wilhelms die Anerkennung versagt, dicentes, quod — — Wilhelmo non debebant intendere tanquam regi, pro eo quod nobiles principes dux Saxonie et marchio JBrandenburgensis, qui vocem habent in electione predicta, electioni non consenserant36. Es kam daher 1252 in Braunschweig zu einer Nachwahl, bei welcher außer dem Sachsen und Brandenburger auch der Böhme, dieser aber, wie immer, nur durch seine Gesandten, seine Zustimmung zu Wilhelms Wahl aussprach 36 . Die entscheidende Wendung zeigt aber erst die Doppelwahl von 1257, 30

31

V g l . HABNACK, a. a . O . 2 5 .

Vgl. WEILAND, 305 ff. Zeitschr. f. RG. XXII. 61. Eine andere Auffassung bei SCHUSTER, i. d. Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichte II. 392 ff. 32 ROTHE, Die Gedichte Reinmars von Zweter, 1887. 33 Vgl. ROTHE, 76 ff. Die Sprüche 213 und 214 (ROTHE, S. 516) beschäftigen sich mit der Zwei-Schwerter-Theorie (vgl. Ssp. I. 1). 34 Spruch 240. Vgl. ROTHE, 134—141, 529. 35 Wahlbericht des Kardinallegaten Hugo, der bei der Nachwahl selbst gegenwärtig gewesen war, an die Bischöfe von Schwerin und Lübeck, BÖHMEB, Regesten, zu 1252, 25. März. 36 Die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Kurfürstenspruch auf die Wahl von 1252 bezieht, würde auch dann bleiben, wenn der Spruch nicht von Reinmar herrühren sollte. Innere Gründe gegen die Urheberschaft Reinmars liegen aber nicht vor.

§ 43.

Der König.

459

bei welcher die Erzbischöfe von Mainz und Köln und der Pfalzgraf Ludwig nebst seinem Bruder Heinrich, Herzog von Baiern, für Eichard stimmten, dagegen der Erzbischof von Trier, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg für Alfons, der König von Böhmen für beide nacheinander. Der Teilnahme der übrigen Fürsten bei den Vorverhandlungen wird ausdrücklich gedacht, teilweise auch ihrer Anwesenheit bei der Kur, auch hielt die Partei Richards es für notwendig, in ihrem Berichte an den Papst hervorzuheben, daß sie „cum praelatis, ducibus et aliis ibidem praesentibus deliberatione habita" und „de ipsorum communi consilio et assensu" zur Wahl geschritten seien, aber von einer Beteiligung dieser Fürsten bei der Kur selbst war keine Rede mehr, sie hatten nur den Umstand gebildet, und der angezogene Bericht forderte den Papst ausdrücklich auf, „quasdam consuetudines circa electionem novi regis Romanorum apud principes vocem huiusmodi in electione habentes, qui sunt septem numero, pro iure servari". Indem Papst Urban IV. in zwei an König Richard gerichteten Schreiben vom 31. August 1263 ohne Widerspruch über die Ausführungen dieses Berichts referierte, war die erste Phase in der Entwickelung des Kurfürstenkollegiums zum Abschluß gelangt 37 . Bestätigt wird dieselbe durch die Statuen der sieben Kurfürsten an der Stirnmauer des älteren Rathauses zu Aachen, die nachweislich im ersten Jahrzehnt der Regierung Richards, also zwischen 1257 und 1266, entstanden sind 38 . Eine weitere Bestätigung liefert eine Ausführung des Heinrich von Segusia, Kardinals von Ostia, zu der Dekretale „Venerabilem" 39 . Es ergibt sich mit Sicherheit aus den angegebenen Quellen, daß die herrschende Meinung sieben Kurstimmen annahm und eine derselben dem König von Böhmen zugestand 40 . Ganz unbestritten war diese Auffassung jedoch, wie auch Heinrich von Segusia bemerkt, nicht, da neben dem Pfalzgrafen Ludwig, Herzog von Oberbaiern, auch dessen Bruder Heinrich, Herzog von Niederbaiern, ein Stimmrecht beanspruchte, das er jedenfalls weniger auf ganerbschaftliche Rechte an der pfälzischen " Die beiden Briefe Urbans IV. bei Raynaldus, Annal. eccl. 1263 §§ 46—60. POTTHAST, Eegesta pontifleum Romanorum, Nr. 18634 f. 38 Vgl. LOEBSCH, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIII. 379. 39 Lectura sive apparatus domini Hostiensis super quinque libris Decretalium, zu c. 36 X. de electionibus 1, 6: In qua ponitur recognitio pape, quod ad principes spectat electio regis in imperatorem promovendi — —; Ulis scilicet; Moguntino, Coloniensi, Treverensi archiepiscopis, comiti Rheni, duci Saxonie, marchioni Brandeburgensi, et septimus est dux Bohemie, qui modo est rex. sed iste secundum quosdam nee istud ins habuit ab antiquo, sed non est necessarius, nisi quando alii discordant, de facto hoc hodie tenet. Da Heinrich am 25. Okt. 1271 gestorben ist (vgl. SCHULTE, Geschichte der Quell, u. Lit. des kan. Rechts II. 124), so kann seine Äußerung nur auf die Wahl von 1257 bezogen werden. 40 Darauf deutet auch ein wahrscheinlich 1262 verfaßter Brief des Markgrafen Otto III. von Brandenburg an König Ottokar von Böhmen, worin sich der erstere verpflichtete, bei der nächsten Wahl (es handelte sich wohl um den Plan der Erhebung Konradins) unbedingt mit Ottokar zu stimmen. Vgl. BUSSON, i. d. Mitteil. d. österr. Instituts VII. 636 ff.

Das Mittelalter.

460

Kur, als auf ein vermeintliches eigenes Kurrecht des Herzogtums Baiern stützte. Da die Partei Richards der böhmischen Stimme nicht sicher war, so ließ sie Heinrich an der Wahl teilnehmen, würdigte seine Ansprüche aber keiner Berücksichtigung mehr, als die böhmische Stimme nachträglich gewonnen war. Der Vorgang wiederholte sich 1273 bei der Wahl Rudolfs. Böhmens Gegnerschaft stand fest, und so erschien die Stimme Heinrichs, die gegen den böhmischen Protest zugelassen wurde, als eine erwünschte Unterstützung. Diesmal wandte sich Heinrich nicht nur an den Papst mit der Bitte, um Bestätigung40", sondern klagte auch bei König Rudolf gegen Ottokar auf Anerkennung der bairischen Kur. Es kam aber nur zu einer hofgerichtlichen Beweisverhandlung (15. Mai 1275) über die Besitzfrage (questione super quasipossessione iuris eligendi Romanorum regem), wobei Pfalzgraf Ludwig aussagte, daß er und sein Bruder „ratione ducatus", also unabhängig von Ludwigs Pfälzer Stimme, gemeinschaftlich eine der sieben Kurstimmen abgegeben hätten, was der König als wahr bestätigte41. Die bairische Pärtei, als deren litterarische Vertreter der Schwabenspiegel und das Gedicht Lohengrin erscheinen, nahm hierauf nicht nur die siebente Kurstimme, sondern auch das Erzschenkenamt für Baiern in Anspruch42, aber auch diesmal hatten die bairischen 40

41

• V g l . HABNACK, a . a. 0 .

265.

Die auf dem Reichstage zu Augsburg ausgestellte Hofgerichtsur künde nach dem Original (aber mit zwei von HABNACK, a. a. O. 262 verbesserten falschen Lesarten) bei WITTMANN, Monum. Wittelsbac. I. (Quellen u. Erörterungen z. bayer. u. deutsch. Geschichte Y.) 278, Nr. 116. Über die Bedeutung der bairischen Stimme bei den Wahlen von 1267 und 1273 und den Sinn der Urkunde von 1275 ist außer der Anm. 20 angeführten allgemeinen Litteratur zu vergleichen: SCHEFFER-BOIC HÖRST, Zur Geschichte d. bair. u. pfälz. Kur, i. d. Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1884, S. 462 ff. MUFFAT, Gesch. d. bair. u. pfälz. Kur, Abh. d. Münch. Akad. 1869, S. 247 ff. BÜSSON, Die Doppelwahl des Jahres 1257 (1866). TANNERT, Die Beteiligung des Herzogs Heinrich von Baiern an der Wahl des Jahres 1257, i. d. Histor. Aufsätzen z. And. a n WAITZ, 3 3 6 ff. LORENZ, i. d . S i t z . - B e r . d . W i e n e r A k a d . X V I I . 1 7 5 ff. BIBWALD,

ebdr XXI. 3 ff. RIEZLER, Geschichte Bayerns II. 109, 139 f. FRENSDORFF, i. d. Gott, gel. Anz. 1 8 6 2 , S. 2 6 0 ff. 42 Vgl. FICKER, Über die Entstehungszeit des Schwabenspiegels (Sitz.-Ber. der Wiener Akad. LXXVII.), 828—845, wo der Nachweis geführt wird, daß die ältesten Textformen des Schwabenspiegels im Landrecht und Schwab. Lehnr. 8 noch den Böhmen, Lehnrecht 41 dagegen bereits den Baiern als Kurfürsten und Schenken nennen, während fast alle späteren Texte überall den Baiern haben. Der zu Augsburg entstandene Schwabenspiegel war demnach am 15. Mai 1275 erst zum Teil vollendet, der Abschluß des Werkes ist erst später erfolgt. Über den Lohengrin vgl. Zeitschr. f. deutsch, Altert. XIH. 156 f. Übrigens hat erst die zweite Handschriftenklasse des Schwabenspiegels, der sich der Lohengrin anschließt, auch die Kur würde der Erzbischöfe von Köln und Trier an das Erzkanzleramt derselben geknüpft. Vgl. Zeitschr. f. deutsch. Philol. I. 274. Dagegen hat Herzog Heinrich von Baiern zunächst nicht das Hofamt, sondern nur die Kurstimme in Anspruch genommen, was auf einer Erinnerung an ein altes Vorwählerrecht der Stammesherzöge beruhen mochte, zumal auch der Herzog von Lauenburg in viel späterer Zeit seinen Anspruch auf die Kurwürde ebenfalls durch seine herzogliche Stellung begründete. Vgl. WAITZ, Gött. gel. Anz. 1859, S. 6 6 4 .

§ 43.

Der König.

461

Bestrebungen keinen dauernden Erfolg. Der König von Böhmen befand sich schon zehn Jahr später wieder im Vollbesitz seiner Kurwürde, und 1289 und 1290 erhielt er von König Rudolf die ausdrückliche Anerkennung seines Erzschenkenamtes, ohne daß der bairischen Ansprüche jemals wieder gedacht wäre 43 . Damit war das Recht der Königswahl zu einem endgiltigen Abschluß gekommen, nachdem es eine Reihe von Stufen durchlaufen hatte, denen die schrittweise erfolgte Ausscheidung früher wahlberechtigter Elemente entsprach. Nachdem das Folge- oder Akklamationsrecht des Volkes aufgehört hatte, waren zunächst alle nicht zu dem neueren Reichsfürstenstande gehörigen Grafen aus dem Wahlkörper geschieden und ihrerseits auf das bloße Recht der Folge beschränkt, während sich unter den Reichsfürsten ein zu immer größerer Geschlossenheit gelangendes Kollegium von Vorwählern ausbildete, das die übrigen zunächst in die zweite Reihe drängte, dann auch ihr Stimmrecht zu einem bloßen Folgerecht (applausus) herabdrückte, endlich ihre gänzliche Ausschließung bewirkte. Schließlich war auch der Streit über die Träger der sieben Kurstimmen zur Erledigung gelangt, die Hofämtertheorie hatte über die letzten Regungen des Stammesherzogtums gesiegt. An dem Erfordernis der Einstimmigkeit der Wähler wurde prinzipiell noch festgehalten, vielfach selbst in der zuerst bei Rudolfs Wahl bezeugten, aber schon in dem Schreiben Urbans IV. angedeuteten Form der Stimmübertragung auf einen der Wähler. Durch Dissens auch nur einer Stimme wurde die Wahl verhindert4*, daher die Neigung der Dissentierenden, sich zu einer Gegenwahl zu vereinigen. Ein weiterer Übelstand ergab sich aus den seit dem 13. Jahrhundert bei den weltlichen Fürstentümern einreißenden Erbteilungen, die in dem pfälzischen wie in dem sächsischen Kurhause auch zu einer Teilung der Kurstimme führten und dadurch Anlaß zu Doppelwahlen gaben 46 . Nach beiden Richtungen schuf die Goldene Bulle von 1356 Abhilfe. Sie setzte fest, daß die Kurstimmen untrennbar mit den Kurlanden verbunden, diese aber unteilbar sein und, soweit es sich um die weltlichen Kurfürsten handelte, nach dem Erstgeburtsrecht im Mannsstamme vererbt werden sollten. Im Falle der Unmündigkeit eines Kurfürsten (unter 18 Jahren) sollte der nächste Agnat als Regierungsvormund stimmen. Entsprechend einem Beschlüsse des Kurvereins zu Rense von 1338 sollte Stimmenmehrheit bei den Wahlen entscheiden48. Der Mainzer sollte die Stimmen

4 3

V g l . HAKNACK, a . a .

0.

60.

Darum kam es bei der Wahl von 1273 darauf an, die böhmische Stimme durch die Anerkennung der bairischen auszuschließen. 44

4 5

Vgl.

HARNACK,

a. a.

0.

67,

7 7 ff., 8 5 ff.

Vgl. HARNACK, a. a. 0 . 62, 66 f., 147. F ü r die Genehmigung königlicher Verfügungen über Reichsgüter durch die Kurfürsten hatte schon ein Eeichsweistum von 1281 (MG. Leg. II. 435) das der Reichsverfassung früher unbekannte Majoritätsprinzip aufgestellt. 46

462

Das Mittelalter.

abnehmen, selbst aber zuletzt stimmen. Stimmabgabe durch besondere Bevollmächtigte blieb auch ferner gestattet, Übertragung der Stimme auf einen Mitwähler wurde ausgeschlossen. Unvertreten Ausgebliebene wurden nicht gezählt, wenn wenigstens vier erschienen oder vertreten waren. Sich selbst die Stimme zu geben sollte erlaubt sein. Die Wahl sollte binnen vier Monaten, nachdem die Thronerledigung bekannt geworden, stattfinden, die Einberufung dazu unter Ansetzung des Wahltermins innerhalb des ersten Monats durch den Erzbischof von Mainz erfolgen; mangels einer solchen Einberufung sollten die Wähler sich von selbst einfinden. Als ständiger Wahlort wurde die Bartholomäuskirehe in Frankfurt festgesetzt. Für die Hin- und Rückreise wurde den Wählern und ihren Gesandten Frieden und bestimmtes Geleite gewährt. An die Stelle der altgermanischen Schilderhebung war die Erhebung des Erwählten auf den Altar getreten. Zum vollen Erwerbe der königlichen Rechte genügte aber die Wahl allein noch nicht, es bedurfte noch der Krönung, die durch die feierliche Übergabe der Reichsinsignien den Charakter einer formellen Investitur in das Königtum erhielt47. Schon im 10. und 11. Jahrhundert erfolgten die Krönungen überwiegend in Aachen, was seit Lothar III. zur festen, nur durch ganz vereinzelte Ausnahmen unterbrochenen Regel, seit der Goldenen Bulle aber zum Gesetze wurde48. Die Vollziehung der Krönung galt anfangs als Sache des Erzbischofs von Mainz, wurde dann aber, je mehr die Krönung in Aachen zur Regel wurde, besonderes Vorrecht des Erzbischofs von Köln als des Diözesanbischofs, später unter Assistenz der Erzbischöfe von Mainz und Trier. Am Schluß des nach feierlichem Ritual vollzogenen Aktes wurde der König durch die Bischöfe zum Thron geführt 49 . Durch das darauf folgende Krönungsmahl bethätigte sich der König zum ersten Male als Wirt des Reiches, während die Inhaber der Erzämter die Dienste leisteten60. Mit der Krönung in Aachen hatte der deutsche König zugleich die königlichen Rechte in Italien und Burgund, nachdem diese Länder mit dem Reiche in Verbindung gebracht worden, erworben. Eine besondere lombardische Krönung, die schon unter Heinrich II. und Konrad II. stattgefunden hatte, kam seit Friedrich I. in Übung, obwohl auch ferner daran festgehalten wurde, daß eine rechtliche Notwendigkeit für dieselbe 47 Ludwig der Deutsche und seine Söhne, Arnulf und Heinrich I. haben sich nicht krönen lassen, während Ludwig das Kind und Konrad I. die Krönung empfingen. Seit Otto I. wurde sie feste Regel, bei Doppelwahlen galt sie mehr oder weniger als ausschlaggebend, bei Heinrich II. hat sie sogar den Mangel einer allgemeinen Wahl ersetzt. Vgl. WAITZ, VI. 159 f. SCHUSTER, i. d. Mitteil. d. österr. Instit. IV. 192 ff. 48

49

V g l . G B . c. 2 9 .

WAITZ, V I . 1 6 0 f.

Vgl. Ssp. III. 72, § 1. Über das Krönungsritual vgl. MG. Leg. II. 384—392. WAITZ, VI. 163 ff.; ferner: Die Formeln der deutschen Königs- u. römischen Kaiserkrönung vom 10. bis 12. Jahrhundert, Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1873. 30 BBUNNEB, a. a. 0 . 231 bemerkt, daß gerade die mit dem Krönungsakte verbundenen Funktionen nicht bloß für die dabei beteiligten Erzbischöfe, sondern auch

§ 43.

Der König.

463

nicht vorlag 51 . Der deutsche König war demnach schon als solcher berechtigt, sich auch als römischen König zu bezeichnen. Anders war es mit der Kaiserwürde, die der vom Papst zu Rom vollzogenen Krönung unbedingt bedurfte52. Yon der vielumstrittenen politischen Bedeutung, welche die durch Otto I. bewirkte Verbindung mit dem römischen Kaisertum für Deutschland gehabt hat, ist hier nicht zu reden. Zweifellos ist, daß sie die deutsche Kulturentwickelung in hohem Grade gefördert, die deutsche Rechtsbildung dagegen mindestens ebenso sehr geschädigt hat. Für die deutsche Rechtsgeschichte kommt vor allem in Betracht, daß die in der Theorie von den zwei Schwertern gipfelnde ungesunde Verquickung von Staat und Kirche dem Papste Gelegenheit gab, sich in einer für beide Teile gleich unheilvollen Weise in die deutschen Thronfolgefragen zu mischen53. Seit dem 12. Jahrhundert war es ständiger Brauch geworden, dem Papste nach jeder Königswahl amtliche Anzeige von dem Ergebnis derselben zu machen54. Bei zwiespältigen Wahlen war es natürlich, daß beide Parteien den Papst umwarben und für die Kaiserkrönung zu gewinnen suchten, woraus sich von selbst eine namentlich von Inncenz I I I . und Urban IV. geltend gemachte schiedsrichterliche Stellung des Papstes entwickelte45. Die Ansicht, daß der Kaiser sein weltliches Schwert vom Papste zu Lehn trage und dafür Lehnseid und Lehnspflicht schulde, kam auf kurialistischer Seite im Laufe des 13. Jahrhunderts zu immer entschiedenerem Ausdruck, aber erst Bonifacius V I I I . wagte es bei Gelegenheit der Wahl Albrechts I. den Anspruch zu erheben, daß der Kurie auch bei einfachen Wahlen die Prüfung nicht bloß des Wahlvorganges, sondern selbst der persönlichen Würdigkeit des Erwählten zustehe. Die von staatlicher Seite gegen diese maßlosen Übergriffe erhobene Reaktion, die in den Beschlüssen des Kurvereins von Rense von 1338 positiv und in der Goldenen Bulle negativ hervortrat68, hatte kein dauerndes Ergebnis, die Verhältnisse bei der Wahl für die Träger der weltlichen Hofamter dazu geführt haben dürften, ihnen schon bei der Wahl den Vorrang einzuräumen. 91

V g l . WAITZ, V I .

169—195.

Vgl. ebd. V I . 173 ff. SCHWABZEB, Die Ordines der Kaiserkrönung, i, d. Forsch, z. deutsch. Gesch. X X I I . 159 ff. Siehe auch Anm. 49. 53 Gregor V I I . erhob seine Ansprüche sogar unmittelbar gegenüber dein deutschen Königtum, während die späteren Päpste sich, wenigstens in der Theorie, nur auf die kirchliche Bedeutung des Kaisertums beriefen. 54 Vgl. MUTH, Beurkundung und Publikation der deutschen Königs wählen, Göttinger Inaug.-Diss., 1881. Der Sachsenspiegel (Auct. vet. I I . § 12, Sachs. Lehnr. 4, § 2) gedenkt der Anzeige nur in der Weise, daß die Vorwähler den König bei der Romfahrt begleiten sollen, ut pateat Apostolico regis iusta electio. 55 Hierüber wie über das Folgende vgl. für die frühere Zeit WAITZ, V I . 183 ff., für die spätere HARNACK, a. a. 0 . 124 ff. DEUSSEN, Die päpstliche Approbation der deutschen Königswahl, 1879. ENGELMANN, Die Ansprüche der Päpste auf Konfirmation und Approbation bei den deutschen Königswahlen, 1886. WEIZSÄCKER, Die Urkunden der Approbation König Ruprechts, i. d. Abh. d. Berl. Akad. 1888. 56 Die unbedingte Pflicht des Papstes, dem deutschen Könige die Kaiserkrone 52

Das Mittelalter.

464

Ruprechts ermöglichten es der Kurie sogar, ihre Ansprüche noch höher zu steigern87, und selbst Sigismund glaubte der päpstlichen Approbation nicht entraten zu können68. Nach dem Sachsenspiegel konnte an sich jeder ehelich geborene freie Mann, der sich im Vollbesitz seiner bürgerlichen und kirchlichen Rechte befand und von schweren körperlichen Gebrechen frei war, zum König gewählt werden88. Thatsächlich fiel aber die Wahl fast immer auf Mitglieder des Reichsfürstenstandes, nur Wilhelm von Holland, Rudolf I., Adolf und Heinrich VII. gehörten dem einfachen Grafenstande, also der höheren Klasse der freien Herren, an 60 . Das Erfordernis, daß der Gewählte sich nicht im Kirchenbann befinden dürfe61, gab den Päpsten die Gelegenheit zur Ausbildung eines indirekten Absetzungsrechtes durch Bannung des Königs, das zwar der Reichsverfassung selbst fremd blieb, aber in der mittelalterlichen Doktrin zur Anerkennung gelangte und thatsächlich oft genug den beabsichtigten Erfolg gehabt hat 92 . Nach der Absetzung Wenzels hat man selbst eine amtliche Unwahrheit nicht gescheut, um das Verfahren als von der Kurie ausgegangen darzustellen und so zu Gunsten eines unmittelbaren päpstlichen Absetzungsrechtes ein Präjudiz zu schaffen83. An sich war die Absetzung Wenzels (1400) ebenso wie die Adolfs 1298 und der 1456 gemachte Versuch einer Absetzung Friedrichs III. nichts weiter als ein revolutionärer Akt der Kurfürsten mit erborgter rechtlicher Form®3". Ob die Reichsverfassung, falls die Parteiverhältnisse zu erteilen, wird schon in dem Gedicht Lohengrin (her. v. RÜCKEST), V. 6549ff. betont. Die auf dem Frankfurter Reichstage von 1338 zum Reichsgesetz erhobene Erklärung des Kurvereins ging dahin: quod, postquam aliquis ß principibus electo. ribus imperii vel a maiori parte nwmero eorundem principum etiam in diseordia pro rege Romanorum est electus, non indiget nominatione, approbatione, confirmatione, assensu vel auctoritate tedis apostolice super administratione bonorum et iurium imperii sive titulo regis assumendis, et quod super hiis merito talis electus non habet recurrere sedem ad eandem. Die Goldene Bulle gedenkt des Papstes überhaupt an keiner Stelle. Vgl. FICKEB, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. XI. 673 ff. HABNACK, a. a. O. 1 1 9 f., 135 f., 154, 268. " V g l . WEIZSÄCKEB, a. a. O. 9 4 f.

53

V g l . ebd. 104.

«• Ssp. III. 54, § 3. Vgl. FICKEB, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. LXXVII. 53 ff. Die Schwsp. Laßb. 123 zusammengestellte Kasuistik über die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften enthält kein allgemeines Reichsrecht, sondern ist auf die Person Rudolfs I. zugeschnitten, um die Wahl desselben zu rechtfertigen. 81 Um Mißbräuchen vorzubeugen, schließt der Sachsenspiegel nur den mit rechte Gebannten aus, Schwsp. Laßb. 122 läßt diese Beschränkung fallen. 6a Vgl. FBIEDBEBG, De finium inter ecclesiam et civitatem regundorum iudicio 86 f. Ssp. III. 57, § 1 (im Gegensatze zu Schwsp. 128) war auch hier bemüht, der Willkür Grenzen zu ziehen. Rudolf I. hat von den Privilegien Friedrichs II. nur die ante latam in eum papalis excommunicationis et depositionis sententiam erlassenen bestätigt. Vgl. BÖHMES, Reg. Rudolfs I., S. 54. 63

63

V g l . WEIZSÄCKER, a. a. O. 7 2 f.

• Ob Karl der Dicke 887 förmlich abgesetzt worden ist, oder ob bloß ein allgemeiner Abfall stattgefunden hat, ist nicht deutlich.

§ 43. Der König!

465

bei den genannten Vorgängen andere gewesen wären, ein wirkliches Rechtsverfahren gegen den König im Sinne der Rechtsbücher zugelassen haben würde, ist bestritten84. Daß Prozesse zwischen dem König und den Pürsten um Reichsgüter zur Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen (als stellvertretenden Vorsitzenden des Reichshofgerichts) gehörten, wurde durch Reichsweistum von 1274 ausdrücklich festgestellt85 und auch durch den Schwabenspiegel bezeugt86. Aber die Rechtsbücher gingen noch weiter, indem sie dem Fürstengericht unter Vorsitz des Pfalzgrafen auch die Gerichtsbarkeit über Krone und Leben des Königs einräumteil87. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß der Verfasser des Sachsenspiegels diesen Satz nicht dem Reichsrecht seiner Zeit entnommen, sondern aus der Civilgerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König und dem Reichsvikariatsrecht desselben abgeleitet hat; dazu kam, daß ihm das Verhältnis des Reichsvikars zum König in demselben Lichte wie das des ostfölischen Schultheißen zum Grafen erschien, er sich also für berechtigt halten mochte, auch die Gerichtsbarkeit des Schultheißen über den Grafen in entsprechender Weise auf Pfalzgrafen und König zu übertragen68. Wie bei seiner Wahltheorie, so knüpfte er auch bei der Pfalzgrafentheorie an Rechtsanschauungen seiner Zeit an, sein konstruktives Talent kam dabei zu neuen Rechtssätzen, aber willkürlich erfunden hat er sie nicht. Wie die Wahltheorie, so hat auch die Pfalzgrafentheorie des Sachsenspiegels einen bedeutenden Einfluß auf die fernere Rechtsgestaltung im Reiche ausgeübt. Sieht man auch von den unmittelbar aus dem Sachsenspiegel M Vgl. WEIZSÄCKER, Der Pfalzgraf als Richter über den König, Abh. d. Gotting. Ges. d. Wiss. XXXIII. (1886). HABNACK, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XXVI. 146 ff. LÖHER, Das Rechtsverfahren bei Wenzels Absetzung, Münchener Histor. Jahrbuch 1865, S. 3 ff. MERKEL, Ludovico Wilhelmo Antonio Fernice gratulatur (Hallische

Festschrift, 1861).

H. EHRENBEBG, Der deutsche Reichstag, 52 f., 73 ff. H. SCHULZE,

De iurisdictione principum, praesertim comitis palatini, in imperatorem exercita, Jenaer Inaug.-Diss. 1847. Während die beiden znerst genannten die Angaben der Rechtsbücher für doktrinäre Erfindungen halten, erklärt R. LÖNING. i. d. Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft VII. 674 f. aus gewichtigen Bedenken, denen ich Zeitschr. f. RG. XXII. 59 beigetreten bin, diese Frage (im Gegensätze zu der Sachlage im 14. und 15. Jahrhundert) für noch nicht spruchreif. Die gegen die Rechtsbücher vorgebrachten Beweise sind nicht entscheidend, während es andererseits ebenso an positiven Belegen aus dem 13. Jahrhundert, die für die Rechtsbücher sprächen, vollkommen fehlt. 65

MG.

Leg.

II.

399.

Vgl.

FRANKLIN,

Reichshofgericht

I.

166

ff.

MEBKEI,

a. a. 0. 2. Allerdings behandelt das Weistum nur den Fall einer Klage des Königs gegen einen Fürsten, aber nur weil es sich um die konkrete Frage des Vorgehens Rudolfs I. gegen Ottokar von Böhmen und außer bonis imperialibus et ad fiscum pertinentibus auch um Beschwerden super aliis iniuriis regno vel regi irrogatis handelte. Es unterliegt daher nicht den mindesten Bedenken, den Spruch, soweit es sich um Reichsgut handelte, auch auf den Fall der Klage eines Fürsten gegen den König anzuwenden. 68 Vgl. Schwsp. Laßb. 124. " Vgl. Ssp. I. 58, § 2. III. 52, § 3. 54, § 4. Schwsp. Laßb. 121c, 122 b, 124, 128, 130 c, Lehnr. 41c, 147 i. f. 48 Vgl. Zeitschr. f. RG. XVIII. 48. XX. 2—6. R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte.

30

Das Mittelalter.

466

geflossenen Quellen und den weiteren Ausführungen des Schwabenspiegels ab, so dürfte doch die wunderliche Bemerkung über die schiedsrichterliche Stellung des Pfalzgrafen bei zwiespältigen Königswahlen, die sich in dem erwähnten Briefe Urbans IV. von 1263 findet68®, ebenso auf den Sachsenspiegel zurückzuführen sein, wie die Berufung der Kurfürsten auf „quaedam consuetudo" bei den Absetzungsbestrebungen gegenüber Albrecht I. im Jahre 1300 6 9 . Gesetzliche Sanktion erhielt das „ex consuetudine introductum" durch die Goldene Bulle von 1 3 5 6 7 0 . Daß dieselbe das Recht, über den König abzuurteilen, nur dem unter dem Vorsitze des Pfalzgrafen versammelten Reichstage einräumte und damit die Zuständigkeit eines nach Belieben des Pfalzgrafen zu berufenden Reichsvikariatsgerichts ablehnte, beruhte sicher nicht auf besonderem Kompromiß, sondern entsprach der bisherigen, auch im Schwabenspiegel durchblickenden Rechtsauffassung71. Nur die Ausschließung des KontumazialVerfahrens gegen den König scheint ein vön Karl IV. verlangtes Zugeständnis der Fürsten gewesen zu sein. Daß die Bestimmung der Goldenen Bulle noch im 15. Jahrhundert in Kraft stand, wird durch eine Urkunde Friedrichs III. von 1442 für die Schweizer Eidgenossen bezeugt 72 . Bei der Krönung legte der König das Gelübde ab, das Recht zu stärken und das Unrecht zu kränken, allezeit ein Mehrer des Reiches (semper augustus) zu sein und es nicht ärmer zu machen' 3 . Sein Versprechen bei der Kaiserkrönung ging vornehmlich dahin, ein Schirmer der Kirche und des wahren Glaubens zu sein 7 3 8 . Einen Eid hatte der König in beiden Fällen nicht zu leisten' 4 . Dagegen fand regelmäßig eine allgemeine Vereidigung, wenn auch nicht des ganzen Volkes, so doch aller hervorragenden Elemente desselben statt 7 6 . Die Reichsvassallen bedurften einer ausdrücklichen Lehnserneuerung 76 \ Die Fortsetzung des fränkischen Reiches im deutschen wurde traditionell darin festgehalten, daß der König, ohne Rücksicht auf seine Abstammung, als Franke galt und in seinen persönlichen Rechtsverhältnissen nach fränkischem Recht beurteilt wurde. 76 Darum mußten Königswahl und Königskrönung auf fränkischem Boden erfolgen, und man darf vermuten, daß für das Absetzungsverfahren dasselbe galt. Das fränkische Recht mußte namentlich bei der Frage des Mündigkeitstermines von Bedeutung werden, V g l . RAYNALDUB, a . a . 0 . •• V g l . M E R K E L , a . a . 0 .

5.

§

54. 70

G B . c. 5, §

2.

Während WEIZSÄCKER 36 ff. einen Kompromiß annimmt, versteht LÖNING, a. a. O., unter „imperialis curia" nicht den Reichstag, sondern das am Königshofe versammelte Reichshofgericht. Allein das Wort begegnet stets in dem Sinne von „curia solemnis", es bezeichnet zweifellos den vollenBeichstag, an den auchSch wsp. Laßb. 122b und 124 denkt. 71

"

Vgl. FRANKLIN, Reichshofgericht II. 101, N. 1.

78 7 9

Vgl. Ssp. HI. 54, § 2.

Schwsp. Laßb. 122 a.

WAITZ, VI. 165 ff.

' V g l . W A I T Z , V I . 1 7 9 ff. SCHWARZER, a . a . 0 . 1 7 9 ff.

WALTER, RG. § 2 5 2 ,

N . 4.

Gl. z. Sachs. Lehnr. 4. 14

7

V g l . WAITZ, V I . 3 7 7 f.

» Vgl. Ssp. III. 54, § 4.

75

Vgl. WAITZ,

V I . 3 8 2 ff.

7 6 a

V g l . S. 386, N . 17. 3 8 8 .

v. BORCH, i. d. Arch. f. Strafr. 1888, S. 98 ff.

§ 43.

Der König.

467

wenn ein Unmündiger den Thron bestiegen hatte: der König erreichte die Mündigkeit, dem ribuarischen Recht entsprechend, mit fünfzehn Jahren 77 . Über die Regierungsvormundschaft bestanden keine festep Regeln, doch traten in erster Reihe die Ansprüche des nächsten Schwertmagen und der Königin-Mutter auf die Führung derselben hervor 78 . War der König auf längere Zeit an der Führung der Regierung verhindert, namentlich wenn er sich zu längerem Aufenthalte nach Italien begab, so pflegte er einen Reichsverweser zu ernennen. Stand dem Kaiser ein Sohn als römischer König zur Seite, so war dieser der von selbst gegebene Vertreter, in anderen Fällen hatte der König denselben frei zu bestimmen 79 . Die Übertragung der Vollmacht geschah vor versammeltem Reichstage 80 . Von Karl IV. erwirkte der Pfalzgraf 1375 für sich und seine Nachfolger die Anerkennung des Reichsvikariates in den Fällen der Romfahrt 80 a . J m Jahre 1394, als König Wenzel von den Böhmen gefangen und dadurch verhindert war, selbst Vorsorge zu treffen, proklamierte sich der Pfalzgraf bei Rhein als Reichsverweser81. Sonst beschränkte sich das Reichsvikariatsrecht des Pfalzgrafen auf die Zeit der wirklichen Thronerledigung 82 . Die Entstehung desselben ist unklar 83 , ebenso das konkurrierende Recht des Herzogs von Sachsen 84 , das sich vielleicht auf den Besitz der sächsischen Pfalzgrafschaft gründete 86 . Durch die Goldene Bulle wurde eine bestimmte Gebietsabgrenzung für beide angeordnet, indem das Reich in zwei Gebiete, das des fränkischen und das des sächsischen Rechts, eingeteilt und das erste dem Pfalzgrafen, das zweite dem Sachsen als Reichsvikar überwiesen wurde 88 . 77

Vgl.

78

V g l . WAITZ, V I . 2 1 7

WAITZ,

VI. 215.

KBAÜT, ff.

Vormundschaft III.

115

f.

KBAÜT, a . a . O . I I I . 1 2 1 ff.

79 Vgl. WAITZ, VI. 2 2 1 f. KRAUT, a. a. 0 . 1 2 7 . FICKEB, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. LXXVII. 832 ff. Im 12. Jahrhundert betrachtete man den Erzbischof von Mainz, im 13. aber den Pfalzgrafen bei Rhein und die Herzöge von Sachsen und Baiern als diejenigen, die vor anderen Berücksichtigung zu beanspruchen hätten, aber immer unbeschadet der Entscheidung des Königs selbst. Vgl. JAFFE, Mon. Corb. 1 9 0 f. Schwsp. Laßb. 125, Lehnr. 41. 30 Vgl. Schwsp. Laßb. 125. BÖHMER, Acta imperii Nr. 622. 30 * BÖHMER, a. a. 0. Nr. 872. Vgl. Windeckes Leben Sigmunds, c. 174 ff. 81 Vgl. JANSSEN, Frankfurts Reichskorrespondenz I. Nr. 96 f. 82 Vgl. M E R K E L , a. a. 0 . 6ff. H A R N A C K , Kurfürstenkollegium 8 2 , 1 3 3 , 1 3 9 .

EICHHORN, S t . - u . R G . I I I . 4 1

ff.

FICKBR, a . a . 0 .

861.

83

Die ältere Zeit weiß noch nichts davon. Vgl. W A I T Z , VII. 177 f. Das in dem Briefe Urbans IV. von 1263 und Schwsp. Laßb. 130 a erwähnte Recht des Pfalzgrafen, neben dem Mainzer zur Königswahl zu berufen (vgl.Anm. 17 und SCHEFFERBOICHOBST i. d. Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1884, S. 487 ff.), dürfte mit dem Reichsvikariat zusammenhängen. Deutlich tritt das letztere zuerst 1267 (Mon. Zoller. II. N r . l l l ) , dann Schwab. Lehnr. 41 c, 147, weiter in einer Urkunde Rudolfs I. von 1276 (MERKEL, a. a. 0 . 7) hervor. Vgl. WITTMANN, Mon. Wittelsb. I. Nr. 56 (1254). 94 Die erste unsichere Spur Schwäb. Lehnr. 4 1 c (vgl. F I C K E B , a. a. O . 8 3 2 ff.). 85 Weiter vgl. H A B N A C K , 89. Vgl. § 45, N. 68. 86 GB. c. 5. Eine Urkunde von 1325 scheint anzudeuten, daß eine derartige Abgrenzung schon früher bestanden hat, vgl. MERKEL, a. a. 0. 8. Ähnliche Gedanken liegen schon Schwäb. Lehnr. 41 c (vgl. FICKER, a. a. 0. 832 ff.) zu Grunde. 30*

468

Das Mittelalter.

Unter den Königspfalzen87 nahmen Aachen und Frankfurt, jene zugleich als Krönungs-, diese als Wahlort, dauernd die erste Stelle ein 88 . Außerdem hielten sich die letzten Karolinger mit Vorliebe in Regensbürg und Forchheim, die ersten Könige aus dem sächsischen Hause in Quedlinburg und Magdeburg auf, weiterhin traten besonders Ingelheim, Trebur, Nimwegen, Gelnhausen, Speier, namentlich aber Goslar, Mainz, Köln und Nürnberg in den Vordergrund. In zahlreichen Bischofstädten besaßen die Könige eigene Pfalzen. Seit Wenzel traten die über das Reich zerstreuten Pfalzen in den Hintergrund, da die Könige dem Aufenthalt in ihren Erblanden den Vorzug gaben. Friedrich III. hat sich nur noch selten im Reiche sehen lassen. Zwischen der Herrschergewalt des Kaisers und des Königs wurde nicht unterschieden. Das einzige Vorrecht des Kaisers bestand darin, daß er noch einen römischen König als Gehilfen und gekrönten Nachfolger neben sich haben konnte, was dem bloßen Könige versagt war 8 9 . In der Stellung des Königs trat gegenüber dem fränkischen Reiche das persönliche Element stark in den Hintergrund, indem der Übergang von der Erbmonarchie zum Wahlreiche wenigstens den Vorteil gehabt hatte, den Reichsgedanken zu entwickeln: das Reich nahm die erste Stelle ein, der König war nur der Vogt des Reiches 9 0 . Anfangs erstreckte sich die königliche Regierungsgewalt auch auf die kirchlichen Angelegenheiten, selbst auf den römischen Stuhl. Erst nachdem die Emanzipation der Kirche vollzogen war, seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, kam die Lehre von den zwei Schwertern, dem geistlichen und weltlichen, die Gott auf Erden gestiftet habe, auf 91 . Der König war nur noch der Schirmherr der Kirche, der er seinen weltlichen Arm zu leihen hatte. Wer dem Kirchenbann hartnäckigen Widerstand entgegensetzte, sollte in die Reichsacht, umgekehrt aber auch der Reichsächter in den Kirchenbann verfallen 92 . Auch anderen Schutzbedürftigen, Witwen, Waisen, Fremden gegenüber wurde an der Idee festgehalten, daß der König ihr allgemeiner Schutzherr sei. Von dem Judenschutze ist schon früher die Rede gewesen93. Eine Hauptaufgabe des Königs war die Sorge für Recht und Gericht und für den Landfrieden, von beiden ist erst an anderer Stelle zu handeln. Das Recht des Königs, bei Strafe des Königsbannes Gebote und Ver87

V g l . WAITZ, V I . 2 4 0 ff.

Vgl. SCHELLHASS, Das Königslager vor Aachen und Prankfurt in seiner rechtsgeschichtl. Bedeutung, Berl. Inaug.-Diss. 1885. 89

•• V g l . A n m . 1 5 . 91

V g l . WAITZ, V I . 3 7 7 .

90

V g l . WAITZ, V I . 3 6 6 ff.

FRIEDBEBG, a. a. O. 2 0 f., 4 6 ff. Ssp. L

1 und die v o n

HOMEYER dazu angeführte Litteratur. Dsp. 1; Sohwsp. Laßb., Vorrede d; Reinmar von Zweter, Strophe 213 f. 9 2 Vgl. Ssp. I. 1. III. 63, § 1. Schwsp. Laßb., Vorrede e, f, 106 b, 246. Constit. v. 1187 (MG. Leg. II. 184), v. 1220, § 7 (ebd. 236). Seifrid Helbling, Gedichte VIII. 9 5 1 ff. FBANKLIN, Sent. c u r . N r . 2 1 , 2 2 , 7 9 . 98

Vgl. S. 451 f.

WALTEB, R G . § 2 5 2 , N . 8, 9 .

§ 44.

469

Der königliche Hof.

böte zu erlassen, wurde aufrechterhalten, der Betrag der Strafsumme sogar wesentlich erhöht M . Im übrigen war der König bei jeder Veränderung der Rechtsordnung und bei allen wichtigeren Regierungshandlungen mehr oder weniger an die Mitwirkung der Großen gebunden. Die Vertretung des Reiches nach außen blieb Sache des Königs 94 ", thatsächlich haben aber die Großen auch hier oft entscheidend auf seine Entschlüsse eingewirkt. Die kriegsherrliche Stellung des Königs blieb ebenfalls bestehen, wurde aber durch die Umwandlung des Volksheeres in eine Feudalmiliz lahm gelegt. Dasselbe war hinsichtlich des Beamtentums der Fall, das ebenfalls fast durchweg einen feudalen Charakter erhalten hatte. Als Spitze der Lehnshierarchie des Reiches war der König der Inhaber des ersten Heerschildes. An sich war es damit unvereinbar, daß der König Lehnsmann eines anderen hätte sein sollen. Den Laien gegenüber wurde dies auch entschieden festgehalten, dagegen suchten die Könige vielfach bei der Kirche gemachte Zwangsanleihen durch die lehnrechtliche Form zu mildern, sie nahmen Lehen von geistlichen Fürsten an, leisteten aber dafür weder Mannschaft noch eigentliche Lehnsdienste 95 , § 44. Der k ö n i g l i c h e H o f 1 . Zu den vier mit Laien besetzten Hofämtern des Truchsessen, Marschalls, Kämmeiers und Schenken 2 ) traten im Laufe des Mittelalters noch vier oder fünf weitere Ämter: unter Philipp das von dem Truchseßamte abgezweigte, später aber thatsächlich wieder mit diesem verbundene Amt des Küchenmeisters 3 , sodann 1235 das Amt des Hofrichters4, seit Heinrich VII. das für die Aufsicht über die Haushaltung bestimmte Hofmeisteramt (magister curiae), das seit Ruprecht in ein Haushofmeisteramt und ein mit dem Vorsitz im Hofrat betrautes Obersthofmeisteramt geschieden wurde 6 , endlich seit Karl IV. der Hofpfalzgraf 5a . Der tägliche Dienst in den älteren Ämtern war Sache der Reichsministerialen 6 , aber auch die Vorsteher gehörten in der Regel ebenfalls dem Ministerialenstände und nur ausnahmsweise dem der freien Herren an. Der Reichsmarschall, Reichstruchseß, Reichskämmerer, Reichsschenk und 94

Das Nähere darüber unten bei der Gerichtsverfassung. Vgl. MICHAEL, Formen des unmittelbaren Verkehrs zwischen den deutschen Kaisern und souveränen Fürsten vom 10. bis 12. Jahrhundert, 1888. 94 a

95

1

Vgl. FICKER, H e e r s c h i l d 37 ff.

Außer der § 43 N. 20 angeführten Litteratur vgl. WAITZ , VI. 257 ff. L. v.

MAURER, F r o n h ö f e II. 1 9 6 — 2 2 0 .

WALTER, E G . § § 2 5 4 f.

FICKER, D i e

Reichshof-

beamten der staufischen Periode, i. d. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. XL. (1862) S. 447—549. v. FÜRTH, Ministerialen 188 ff. KÖPKE, Widukind von Korvei 126 f. 2 Vgl. S. 136, 139. 3 Vgl. FICKER, 473, 483 ff. Auch Eumolt der Küchenmeister, Nibel. (h. v. LACHMANN) Str. 10, 720, 1405, gehört der Zeit Philipps an. Später versahen die Beichsküchenmeister auch den Truchsessendienst, doch behielt der Titel des Reichstruchseß seine selbständige Bedeutung, bis 1594 beide Ämter wieder ganz vereinigt wurden. V g l . MAURER, a . a . O . 2 1 7 f . 4

Näheres über diesen bei der Gerichtsverfassung (§ 49). Vgl. S. 476. SEELIGER, Das deutsche Hofmeisteramt im späteren Mittelalter, 1885. 6 " Vgl. § 45, N. 71. Vgl. S. 422. 5

470

Das Mittelalter.

Reichsküchenmeister wurden anfangs frei von dem Könige ernannt und verloren ihre Stellung beim Thronwechsel, wenn der Thronfolger sie nicht freiwillig in derselben beließ. Seit dem 13. Jahrhundert galten diese Ämter dagegen durchweg als erbliche Reichslehen7. Ursprünglich war jedes Amt nur einfach besetzt; wo mehrere Träger desselben Titels nebeneinander begegnen, handelt es sich entweder um Nebenbeamte, oder um Hofbeamte der königlichen Erblande. Erst im 13. Jahrhundert kommt zuweilen mehrfache Besetzung eines Hofamtes vor 8 . Die vier älteren Hofämter wurden bei feierlichen Gelegenheiten, namentlich beim Krönungsmahl, nicht von den gewöhnlichen Hofbeamt*en, sondern von den höchsten weltlichen Würdenträgern des Reiches versehen. Anfangs war dies Sache, der Stammesherzöge, doch ohne daß den einzelnen schon von vornherein bestimmte Ämter zugestanden hätten. Aber schon seit Otto III. erschien der Herzog von Sachsen ständig im Besitze des Erzmarschallamtes, während der Herzog von Schwaben das Kämmereramt bekleidete, das dann unter Konrad III. oder Friedrich I. Albrecht dem Bären als Entschädigung für den Verzicht auf das Herzogtum Sachsen eingeräumt sein dürfte 9 . Das Schenkenamt übte der Herzog von Baiern, der,6s aber unter Heinrich V. an den Herzog von Böhmen verlor 10 . Auf das Amt des Truchseß, als das vornehmte von allen, scheint das jeweilige Haupt des fränkischen Stammes einen gewissen Anspruch gehabt zu haben: unter Otto I. bekleidete es der Herzog von Franken, unter Otto III. der Herzog Konrad von Kärnthen, der angesehenste unter den Fürsten fränkischer Herkunft, später beständig der Pfalzgraf bei Rhein, den seine auf die Aachener Kaiserpfalz begründete Pfalzgrafschaft zum Ersten der Franken machte. Auf diese Weise wurde die seit dem Anfange des 13. Jahrhunderts feststehende territoriale Verbindung der Erzämter mit der Rheinpfalz, Sachsen, Brandenburg und Böhmen vorbereitet, nur der alte Streit zwischen Böhmen und Baiern führte unter Rudolf von Habsburg noch einmal einen schwankenden Zustand herbei, der 1290 endgültig zu Gunsten Böhmens entschieden wurde 11 . Das Amt des Schwertträgers, das früher bei jeder Gelegenheit besonders vergeben 7

8

V g l . FICKEK, 5 4 0 ff.

Vgl. ebd. 521—536. Dies erklärt sich aus dem Übergange zur Erblichkeit. Der erblich Berechtigte nimmt das Amt für sich in Anspruch, während der König das freie Ernennungsrecht noch nicht ganz aufgeben will. 9 Vgl. GÜNDIING, Erläuterung der Güldenen Bulle 748 f. WAITZ, VI. 266 und Gött. gel. Anz. 1859, S. 666. WEILAND, Königswahlen 323, denkt, vielleicht mit noch größerer Wahrscheinlichkeit, statt einer Übertragung im Jahre 1142 an eine solche bei Gelegenheit der Rückgabe Baierns an Heinrich den Löwen (1156). 10

11

V g l . WAITZ, V I . 2 6 6 f.

Vgl. S. 461. Der Sachsenspiegel (III. 57, § 2) bestritt dem Böhmen nur das Vorstimmrecht, das Reichsschenken amt gestand er ihin aber ausdrücklich zu. Die zu Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene Kudrun (her. v. MARTIN), Str. 206, 1612 f., scheint mit ihrem König Horant als Erzschenken auf den erst kurz vorher (1198) zur Königswürde gelangten Böhmenherzog anzuspielen. Vgl. Zeitschr. f. deutsche Philologie I. 259 f.

§ 44.

471

Der königliche Hof.

zu werden pflegte, wurde erst im Laufe des 13. Jahrhunderts dauernd mit dem Marschallamt verbunden 12 , ja bildete sogar noch im 14. Jahrhundert den Gegenstand eines Streites zwischen Sachsen und Brabant. Indem die Goldene Bulle das Erztruchseßamt dem Pfalzgrafen bei Rhein, das Erzmarschallamt dem Herzog von Sachsen, das Erzkämmereramt dem Markgrafen von Brandenburg und das Erzschenkenamt dem König von Böhmen zusprach, erteilte sie nur einem mehrhundertjährigen Gewohnheitsrecht die gesetzliche Anerkennung 13 . Die Verwaltung der Erzämter war mit gewissen Einkünften verbunden 14 , im übrigen galten dieselben als reine Ehrenämter, die aber durch die aus ihnen erwachsene kurfürstliche Würde für ihre Träger von der höchsten Wichtigkeit waren 16 . Eine Einrichtung von hoher politischer Bedeutung war die aus der gesamten Hofgeistlichkeit bestehende Kapelle, die aus einer Hofschule zu einer Schule für den Dienst in der Kanzlei und Diplomatie erwachsen war l e . Aus ihren Mitgliedern pflegten die Bischofsstühle des Reiches besetzt zu werden. In engster Verbindung stand sie mit der Reichskanzlei, deren Beamte sämtlich der Kapelle angehörten, während das Haupt derselben jetzt regelmäßig zugleich der Kapelle als Erzkapellan vorgesetzt war 17 . An der Spitze der Reichskanzlei 18 stand der Erzkanzler (archicancellarius, archicapellanus), unter den ersten Königen in der Regel der Erzbischof von Salzburg, seit Heinrich I. mit geringen Unterbrechungen der Erzbischof von Mainz 19 . Für Italien wurde 962 eine eigene Kanzlei 12 Vgl. W A I T Z , VI. 267 f. K O P P , Bilder u. Schriften der Vorzeit I. 109 f. Schwsp. Laßb. 130 a. 13 Vgl. GB. c. 4, § 5. c. 22, § 1. c. 27, §§ 1—8. u Im Jahre 1355 bezeugte der Ffalzgraf, daß die von den Fürsten bei dem Empfange ihrer Reichslehen gerittenen Pferde dem Herzog von Sachsen als Erzmarschall zufielen (vgl. HAKNACK, Kurfürstenkollegium 251), was durch GB. c. 29, § 4 bestätigt wurde.

"

Vgl.

18

S . 4 5 7 ff.

Vgl.

WAITZ, V I . 2 6 9 ff.

17

Ausnahmen bei STEINDORFF, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., I. 358. 16 Vgl. W A I T Z , VI. 2 7 6 — 2 9 0 . LORENZ, Reichskanzler und Reichskanzlei in Deutschland, i. d. Preuß. Jahrbüchern X X I X . 4 7 4 ff. T H . S I C K E L , i. d. MG. Dipl. reg.

I.

S. 1 ,

3 7 f.,

8 0 ff. I I . S .

1

ff.

STEINDOBFF,

a. a. O.

I.

342—360.

BRESSLAU,

Die Kanzlei Kaiser Konrads II., 1 8 6 9 . P H I L I P P I , Zur Geschichte der Reichskanzlei unter den letzten Staufern, 1 8 8 5 . HERZBERG-FRANKEL, Geschichte der deutschen Reichskanzlei von 1 2 4 6 — 1 3 0 8 , i. d. Mitteil. d. Instit. f. österr. Gesch.-Forsch., Erg.-Bd. I. 2 5 4 f f . S E E L I G E B , Kanzleistudien, ebd. VIII. 1 ff. L I N D N E B , Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger ( 1 3 4 6 — 1 4 3 7 ) , 1 8 8 2 . F I C K E R , Beiträge zur Urkundenlehre II. ( 1 8 7 8 ) . v. MALLINCKROT, De archicancellariis Romani imperii ac cancellariis imperialis aulae, 1 6 4 1 und öfter. HUBER, bei BÖHMES, Regesten Karls IV., S. XXXVI ff. 19 Brun, der Bruder Ottos I., hielt auch als Erzbischof von Köln das früher von ihm bekleidete Amt eines Reichskanzlers und Erzkapellans fest, so daß der Erzbischof von Mainz erst nach Bruns Tode (965) wieder in den Besitz seiner Würde kam. Unter Otto III. war Erzbischof Heribert von Köln eine" Zeit lang beiden Kanzleien vorgesetzt. Vgl. GIESEBRECHT, Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit, 4. Aufl. I. 436, 488, 718.

472

Das Mittelalter.

errichtet, der zunächst italienische Bischöfe (Modena, Parma, Pavia) als Erzkanzlef vorstanden, bis diese Stellung unter Konrad II. dauernd mit, dem Kölner Erzbistum, aber ohne Erzkapellanat, verbunden wurde 20 . Burgund war anfangs der italienischen Kanzlei unterstellt, erhielt aber unter Heinrich III. eine eigene Kanzlei unter dem Erzbischof von Besançon, später dem von Vienne, als Erzkanzler21. Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, als das deutsche Reich den realen Zusammenhang mit dem arelatischen Königreiche fast ganz verloren hatte, denselben aber umsomehr in leeren Titeln festzuhalten suchte, kam für den Erzbischof von Trier der Titel eines Erzkanzlers „per Galliam et regnum. Arelatense" in Gebrauch, der in der Goldenen Bulle offizielle Anerkennung erhielt 22 . Dabei mag neben der Ansicht, daß die Kurwürde wie bei den übrigen Inhabern derselben, so auch bei Trier ein Erzamt voraussetzte, auch eine gewisse Erinnerung an die frühere lothringische Kanzlei, die unter Trier gestanden hatte, mitgewirkt haben 23 . Das Erzkanzleramt war kein administratives Amt wie das der karolingischen Kanzler, sondern ein politisches. Nur bei Haupt- und Staatsaktionen, wie Reichs- und großen Hoftagen oder wichtigen internationalen Ausfertigungen traten die Erzkanzler persönlich in Funktion, während alle laufenden Geschäfte den ordentlichen Kanzleibeamten in Vertretung des Erzkanzlers, der aber stets ausdrücklich genannt wurde, oblagen 24 . Der ordentliche Vorsteher der Kanzlei war der vom König ernannte Kanzler (cancellarius, auch notarius), seit Friedrich I. „Hofkanzler" (imperialis s. regalis aulae s. curiae cancellarius) genannt. Je mehr sich der reichsständische Charakter des Erzkanzleramtes entwickelte, desto stärker mußte ihm gegenüber das monarchische Element in der Kanzlei ins Gewicht fallen 26 . Sie war die ausführende Behörde, die sich nicht darum zu kümmern brauchte, ob etwa ein königlicher Erlaß der verfassungsmäßigen Zustimmung des Reichstags oder der Kurfürsten bedurft hätte 2Sa . 80 Vorübergehend wurde das Erzkanzleramt unter Lothar III. von Köln auf Magdeburg übertragen. Vgl. GIESEBRECHT, a. a. O. IV. 87. 173. 21

V g l . BÖHMER, A c t a i m p e r i i N r . 1 0 2 ( 1 1 5 7 ) , 1 2 4

(1166).

22

Vgl. S. 460, N. 42. GB. c. 1, § 12. HÄDICKE, Kurrecht und Erzamt 57 f. Das erste Zeugnis enthält die zweite Handschriftenklasse des Schwabenspiegels, das Gedicht Lohengrin und der ungefähr gleichzeitige Geschichtschreiber Martin von Troppau. Der erste urkundliche Beleg ist von 1308. 28 Lothringen hatte unter Zwentebulch eine eigene Kanzlei mit dem Erzbischof von Trier alsKanzler erhalten, was nach Otto I. wieder in Wegfall kam. Vgl. WAITZ, VI. 284f. 21

V g l . LOBEHZ, a. a. O . 4 8 3 .

25

Häufig wurde das ganze Kanzleipersonal unverändert von dem neuen Herrscher übernommen, zuweilen traten aber radikale Veränderungen infolge des Thronwechsels ein. Unter Otto I. traten gegen seinen Bruder als Kanzler die Erzkanzler völlig In den Hintergrund. Dagegen hatte Lothar III. keinen Kanzler, die Erzkanzler wurden unter seiner Herrschaft durch die verschiedenen Unterbeamten der Kanzlei vertreten; Konrad III. stellte den normalen Zustand wieder her. Vgl. FICKEK, II. 173 f'. GIESEBRECHT, a. a . O. I V . 5 0 .

173.

25a Yg[ jedoch Windeckes Leben Sigmunds, c. 139.

§ 44.

473

Der königliche Hof.

Der Hofkanzler war ein hoher Geistlicher, häufig zugleich Bischof. Als beständiger Begleiter des Königs und Siegelbewahrer nahm er thatsächlich vielfach die Stellung eines leitenden Ministers ein. An ihn ergingen die königlichen Beurkundungsbefehle, er hatte die Konzeption der Urkunden anzuordnen und zu überwachen, nach Genehmigung des Konzepts die Reinschrift zu verfügen und diese mit seinem Rekognitionsvermerk und dem Siegel zu versehen 26 . Die Konzeption (dictatio) der Urkunden, mit der sich der Kanzler nur in den seltensten Fällen selbst befaßte, war Sache der Notare (magistri notarii dictatores), deren regelmäßig mehrere in der Kanzlei angestellt waren. Die Reinschriften wurden gewöhnlich nicht von den Notaren, sondern von dem untergeordneten Kanzleipersonal angefertigt. Bei Verhinderung des Kanzlers wurden die ihm obliegenden. Funktionen seitens eines der Notare übernommen, was ursprünglich unter besonderer Namhaftmachung des Vertreters, seit 953 aber durch mehrere Jahrhunderte einfach unter dem Namen des Kanzlers, ohne jede Andeutung des Vertretungsverhältnisses, zu geschehen pflegte27, so daß der Rekognitionsvermerk zu einer bedeutungslosen Form herabsank 28 . Die Zuständigkeit der verschiedenen Kanzleien hatte sich ursprünglich nach dem Gegenstande, bei rein persönlichen Angelegenheiten nach dem Empfänger gerichtet; seit Heinrich V. galt in allen Fällen der Ausstellungsort als maßgebend. Wo ein Bedürfnis vorlag, halfen die Kanzleien sich gegenseitig aus. Bis zum Ausgange des salischen Hauses hatte, von seltenen Unterbrechungen abgesehen, jede Kanzlei ihren eigenen Kanzler gehabt. Nachdem Lothar III. sich während seiner Regierungszeit ganz ohne Kanzler beholfen hatte, stellte Konrad III. zwar das frühere Verhältnis wieder her, aber schon unter Friedrich I. wurde eine radikale Änderung dadurch herbeigeführt, daß die drei Kanzleien einem einzigen Hofkanzler unterstellt, also thatsächlich zu einer großen Hofkanzlei vereinigt wurden 29 . Dem Kanzler wurde zu seiner Entlastung ein ständiger Vertreter als Protonotar oder Unterkanzler (subcancellarius) zur Seite gestellt 30 , der bald, da die Hofkanzler unter den Hohenstaufen fast beständig durch politische Geschäfte und Missionen in Anspruch genommen waren, der alleinige Leiter der Kanzlei wurde; im Laufe des 13. Jahrhunderts nahm der 26 2

Vgl.

F I C K E R , I I . 2 0 ff., 3 9 ff., 1 6 0 .

' V g l . SICKEL, a. a. O.

I. 8 4 .

FICKER,

II.

1 6 1 f.,

175

ff.

Selbst

die

in

Ab-

wesenheit des Kanzlers ausgefertigten Urkunden wurden „vice archicancellarii" mit einem den Namen des Kanzlers tragenden Rekognitionsvermerk versehen. 2 8 Um so wichtiger wurde die Untersiegelung, die nur von dem Kanzler selbst oder einem solchen Notar, dem er das Siegel anvertraut hatte, vorgenommen werden konnte. Später suchte man für die bedeutungslos gewordene Eekognitionsklausel einen Ersatz in der Aushändigungsklausel zu gewinnen, in welcher sich der Kanzleibeamte, der die Aushändigung (das „Datum") vollzog, mit Namen zu nennen hatte. Vgl. FICKER, I L 2 3 1 ff., 3 4 2 ff. 28

V g l . LORENZ, a . a . 0 .

486.

Während es sonst nur einen Protonotar gegeben hatte, lassen sich unter Karl IV. und Wenzel drei nebeneinander nachweisen. Vgl. LINDNER, 18. 80

474

Das Mittelalter.

Kanzler zwar etwas häufiger an den Geschäften teil, aber erst unter Karl IV. erscheint er wieder als der eigentliche Leiter derselben31. Die Aushändigungsvermerke (Anm. 28) trugen meistens den Namen des Protonotars, die Rekognitionsvermerke nur, wenn das Kanzleramt unbesetzt war. Seit der Mitte des IB. Jahrhunderts unterblieben die Rekognitionen fast ganz, bis sie unter Karl IV. wieder mehr in Gebrauch kamen 32 . Durch die Centralisation der Kanzlei wurde diese dem Einflüsse der drei Erzkanzler völlig entzogen, sie hatte, abgesehen von der leeren Form der Rekognitionsklausel, in welcher das „vice archicancellarii" unter Benennung des betreffenden Erzkanzlers fortgeführt wurde, den reichsständischen Charakter ganz abgestreift und war zu einer reinen Hofkanzlei geworden, die selbst für die gar nicht zum Reiche gehörenden sizilischen Lande mitfungierte. Das Bestreben der Erzkanzler, nach dem Interregnum die Kanzlei wo möglich ganz unter ihre Botmäßigkeit zu bringen, hatte erst unter Albrecht I. und Heinrich VII. Erfolg. Der letztere bewilligte dem Erzbischof von Mainz geradezu die Ernennung des gesamten höheren Kanzleipersonals und machte den beiden anderen Erzkanzlern das gleiche Zugeständnis für den Fall, daß sich der Hof innerhalb ihres Amtsbereiches befinden würde. Aber diese Zugeständnisse sind, obwohl sie zum Teil noch von Karl IV. wiederholt wurden, ohne dauernden Erfolg gewesen, die Goldene Bulle hat dieselben nicht aufgenommen, und die Besetzung der Kanzlei ist von da an bis auf Friedrich III. ein Recht des Königs geblieben 38 . Das berühmte Beispiel des Kanzlers Kaspar Schlick zeigt, daß unter Sigismund auch Laien zu der Kanzlerwürde gelangen konnten 3 *. Auf den Reichstagen kam die Beziehung der drei Erzkanzler zu der Hofkanzlei in gewissen s y m b o l i s c h e n Handlungen, die in der Goldenen Bulle genau geregelt wurden, zum Ausdruck36. Bei dem feierlichen Eröffnungszuge trug der Erzkanzler, in dessen Amtsbereich der Reichstag abgehalten wurde, an einem silbernen Stabe sämtliche Siegel und Stempel des Reiches, die ihm zu dem Zweck vorher von dem Hofkanzler übergeben waren, vor dem König einher. Bei der Tafel wurden dieselben von den drei Erzkanzlern mit gesamter Hand feierlich dem Könige überreicht und alsbald ebenso von ihnen aus der Hand des Königs zurückempfangen. Nach der Feier nahm der Hofkanzler alles wieder in seine Verwahrung. Unter Kaiser Friedrich III. kam es vor, daß dem Hofkanzler Ulrich, Bischof von Passau, die Verwaltung und Nutzung der Kanzlei und des Kammergerichts pachtweise überlassen wurde 3e . Noch eigentümlicher war 31

Vgl.

F I C K E B , I I . 2 1 . 1 8 8 ff, 2 3 1 ff., 4 0 6 .

32

Vgl. LINDNEB, a. a. 0 . 98 ff. wieder eigenhändig ausgestellt. 33

Vgl.

LINDNEB, a. a. 0 .

Die Rekognitionen wurden jetzt in der Eegel

1 4 f., 2 1 4 .

LORENZ, a . a . O . 4 9 2 f.

34

Vgl. Windeckes Leben König Sigmunds (her. von v. HAGEN) C. 321. wurde bei seiner Ernennung zum Kanzler in den Freiherrnstand erhoben. war er Unterkanzler, also Protonotar, gewesen. 35

Vgl.

GB.

c. 2 6 ,

§

2 . c. 2 7 , § 3 .

36

Vgl.

SEELIGER, a. a . 0 .

Schlick Vorher 11.

§ 44.

Der königliche Hof.

475

die' Lage von 1470 bis 1475, wo der Erzbischof Adolf von Mainz in ähnlicher Weise gegen eine jährliche Pachtsumme von 1 0 0 0 0 Gulden beide Ämter verwaltete, allerdings gegen einen Revers, in welchem er anerkannte, daß den Rechten des Reiches gegenüber den Ansprüchen des Erzkanzleramtes damit nichts vergeben sein solle 37 . Adolf erhielt das Recht vollster Selbständigkeit und freier Beamtenernennung, mußte sich aber für die Dauer seiner Verwaltung ständig am Hofe aufhalten. Von einer Preisgabe der kaiserlichen Hoheitsrechte konnte demnach keine Rede sein, viel eher hatte der Vertrag die Wirkung, den Erzkanzler zu einem kaiserlichen Hofbeamten herabzudrücken, und dies umsomehr, als unter Friedrich III. die Einrichtung der Sekretierung getroffen wurde, auf Grund deren alle feierlichen kaiserlichen Diplome neben dem hängenden Siegel noch besonders mit dem geheimen kaiserlichen Handsekret gesiegelt werden mußten, so daß ein unmittelbares persönliches Eingreifen des Kaisers bei allen wichtigeren Sachen von selbst gegeben war 38 . Die unter den Karolingern errichtete Hofgerichtskanzlei unter den Pfalzgrafen war mit der Veränderung, die sich in dem Amte des letzteren vollzogen hatte, eingegangen. Eine neue Hofgerichtskanzlei mit eigenem Siegel wurde im Jahre 1235 errichtet, dieselbe beschränkte aber ihre Thätigkeit auf die Fälle, wo der Hofrichter den Vorsitz führte, während alle Verhandlungen unter dem Vorsitz des Königs nach wie vor zur Zuständigkeit der Hofkanzlei gehörten 39 . An der Spitze der Hofgerichtskanzlei stand ein weltlicher Beamter , der den Titel Hofgerichtsschreiber (notarius curiae, iudicii protonotarius), auch Hofschreiber oder Kammerschreiber, führte. Häufig wird der Räte (consiliarii) des Königs gedacht, unter denen dann wohl wieder einzelne als geheime oder heimliche Räte (secretarii, a secretis) bezeichnet werden, aber bis zum 14. Jahrhundert trägt noch alles einen rein persönlichen, mehr oder weniger zufälligen Charakter 40 . Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts ist es zur Bildung eines fest organisierten, unseren Staatsministerien einigermaßen entsprechenden Hofrates gekommen, einer ständigen Regierungsbehörde mit vereidigten Mitgliedern, die als besoldete Räte von den unbesoldeten Räten im außerordentlichen Dienst durchaus unterschieden wurden 41 . Die Mitglieder des Hofrats hatten dem König über alle Einlaufe, namentlich auch die zahlreichen Bittgesuche, regelmäßig zu referieren, den König bei seinen Entschließungen zu be3 7 Von den durch diesen Vertrag begründeten Verhältnissen handelt die Anm. 18 angeführte Schrift von SEELIGER. 39

Vgl. SEELIGEB,

39

Vgl. HERZBERG-FRANKEL,

10. a. a. 0 .

2 9 0 f.

LINDNEB, a. a. O. 2 6 .

SEELIGEB,

19.

FRANKLIN, Reichshofgericht II. 89, 120 ff., 198 f. Windeckes Leben Sigmunds, c. 205. 4 0 Vgl. WAITZ, VI. 290 ff. Friedrich II. hatte 1221 und 1237 für seine unmündigen Söhne Heinrich und Eonrad als römische Könige eigene Hofräte eingesetzt, die aber mehr den Charakter von Vormundschaftsräten trugen. Vgl. ISAACSOHN, De consilio regis a Friderico I I . in Germania instituto, Berl. Inaug.-Diss. 1874. 41

Vgl. SEELIGER,

Hofmeisteramt

8 9 ff.

476

Das Mittelalter.

raten, viele Angelegenheiten auch in seinem Auftrage zu erledigen und die dazu erforderlichen Urkunden auf ihre Relation hin von der Kanzlei ausfertigen zu lassen 42 . Vorsitzender des Hofrats war seit König Ruprecht der Obersthofmeister (später „Reichshofmeister"), der den abwesenden König auch auf Reichstagen, bei Belehnungen und richterlichen Funktionen vertreten konnte4S- Solange der Hofrat noch den Charakter eines bloßen Beirates des Königs ohne besondere Organisation besaß, nahmen die Bischöfe, die sich oft lange Zeit am Hofe aufhielten, die erste Stelle in demselben ein, zuweilen wurde auch einer aus ihrer Mitte amtlich als der Vorsteher des Hofes, der zugleich der gegebene Stellvertreter des Königs war, bezeichnet. Während des 11. Jahrhunderts hatte dies Vorsteheramt einen dauernden Charakter angenommen; für den Träger desselben (der berühmteste war Bischof Adelbert von Hamburg) wurde der alte Titel „Majordomus" oder „Vicedominus" verwendet44. Heinrich V. ließ dies Amt wieder eingehen. Seitdem trat der Hofkanzler an die Spitze, bis er durch den Obersthofmeister, wenigstens teilweise, verdrängt wurde. § 45. D i e P ü r s t e n und R e i c h s b e a m t e n 1 . In dem Begriffe des Reichsfürstenstandes hat sich während der Regierung Friedrichs I. ein Wandel vollzogen, der uns nötigt, streng zwischen älterem und neuerem Reichsfürstenstande zu unterscheiden. Man kann den älteren als ein Erzeugnis des Beamtenstaates, den jüngeren als Erzeugnis des Lehnsstaates bezeichnen: dort entscheidet die Beamtenqualität, hier die Stellung innerhalb der Lehnshierarchie oder Heerschildsordnung. Der ältere Reichsfürstenstand deckte sich im wesentlichen mit dem Begriffe des karolingischen Beamtenadels (S. 210 f.). Von den Geistlichen zählten zu den principes imperii sämtliche Bischöfe, die Reichsäbte und Reichsäbtissinnen, d. h. die Vorstände der Reichsklöster, ferner der Reichskanzler, wahrscheinlich auch der Dompropst von Aachen, sonst aber keine Pröpste 2 , von den Laien die Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Grafen und Burggrafen, gleichviel ob sie unmittelbar unter dem König standen oder einem andern Fürsten untergeordnet waren 3 . Die erste Stellung unter den Fürsten nahmen die Stammesherzöge ein (S. 376), da ihrer Oberhoheit nicht nur sämtliche Grafen, sondern zum Teil auch die Bischöfe, Reichsabteien und Markgrafen ihrer Provinz unterstellt waren 4 . 42

Der Relator pflegte auch das Konzept der Urkunde, soweit es auf den Inhalt ankam, herzustellen und der Kanzlei nur das Formale zu überlassen. Vgl. SEELIGER, a . a . 0 . 9 7 ff. FICKEB, a. a. O . I I . 15 ff. LINDNER, 1 0 4 FF. 43 1

V g l . SEELIGER, 5 7 ff., 6 4 , 86, 1 1 0 ff. Vgl. FICKER, V o m R e i c h s f ü r s t e n s t a n d e , I.

44 V g l . WAITZ, V I . 3 0 0 ff. 1861; Vom Heerschilde 51—124,

1 9 6 ff. WAITZ, V . 6 8 ff., 4 1 6 ff., V I I . 1 — 1 8 2 , 2 5 5 — 2 9 8 ; G ö t t . g e l . A n z . 1 8 6 2 , S . 1 0 1 ff.

KÖPKE, Widukind von Korvei 108—128. HOMEYER, System des Lehnrechts 547 ff. 3 ' Vgl. FICKER, Reichsf. 70 f. Eine scheinbare Ausnahme s. Anm. 6, 7. 4 Vgl. S. 480. WAITZ, V. 65, 69. VII. 93, 131 f., 134 f. Helmoldi chronicon Slavorum I. c. 69, c. 86. II. c. 9. Der Herzog von Baiern war nicht nur Lehnsherr

§ 45.

Die Fürsten und ßeichsbeamten.

477

Reichsunmittelbar wie sie waren nur die Pfalzgrafen von Lothringen und Sachsen, die Markgrafen der drei wendischen Marken, die Grafen der keinem Stammesherzogtum einverleibten Gebiete (Thüringen, Friesland, Elsaß, Curwalchen), der Herzog von Böhmen und die von der Unterordnung unter eine Herzogsgewalt frei gebliebenen geistlichen Fürsten5. Durch die aus dem Zertrümmerungsprozeß der Stammesherzogtümer hervorgegangenen Territorialherzogtümer (S. 377 f.) wurde die Zahl der unmittelbaren Reichsfürsten vermehrt, ohne daß die Stellung der denselben untergeordneten Grafen dadurch beeinträchtigt wäre; man war daran gewöhnt, die Grafen, die einen Herzog über sich hatten, nichtsdestoweniger als Fürsten zu betrachten. Nicht anders stand es mit den zahlreichen Grafschaften, die nach einer von den Ottonen eingeleiteten Reichspolitik an Reichskirchen übertragen wurden. Da die geistlichen Fürsten wegen des mit dem Grafenamte verbundenen Blutbannes desselben nicht persönlich walten durften, so mußten jene Grafschaften mit eigenen Grafen besetzt werden, aber auch diese galten als Reichsbeamte und demgemäß, soweit sie nicht dem Ministerialenstande angehörten6, als Reichsfürsten8", da der ihnen vorgesetzte Bischof selbst nur Reichsbeamter und Verwalter des im Eigentume des Reiches befindlichen Reichskirchengutes war. Völlig verschieden war die Lage, wenn es weltlichen Fürsten (Pfalzgrafcn, Markgrafen oder Grafen) gelang, eine größere Zahl von Grafschaften in ihrer Hand zu vereinigen: hier war immer der Landesherr der einzige Graf, seine Vassailen konnten nur den Rang van Vicegrafen bekleiden und daher auf Zugehörigkeit zum Fürstenstande keinen Anspruch machen, auch wenn ihnen die Führung des Grafentitels zugestanden wurde7. Die Anschauungen mußten sich ändern, seit es der zielbewußten Politik Friedrichs I. gelungen war, die geistlichen Fürsten dem Reichslehnsverbande einzufügen8. Indem diese damit den Reichsbeamtencharakter des Markgrafen der Ostmark (bis 1 1 5 6 ) , sondern wahrscheinlich auch des Pfalzgrafen in Baiern. Vgl. FICKEB, 8 4 . W A I T Z , VII. 1 7 2 . 5 Vgl. S. 376. In Sachsen waren die Grafen von Arnsberg, Bavensberg, Winzenburg, Nordheim, Stade und Ballenstedt reichsunmittelbar. Vgl. F I C K E B , 86. 9 Denn nur edle Grafen wurden zu den Fürsten gerechnet. Grafen oder Burggrafen aus dem Stande der Ministerialen führten den Titel in der Regel nur bei ihren Dienstverrichtungen, immerhin ist aber durch sie zuerst der Grafentitel auch in den niederen Adel eingedrungen. Vgl. FICKEB, Reichsf. 79 f. Vgl. Anm. 7. 9a Vgl. WEILAND, Das sächs. Herzogtum unter Lothar u. Heinrich d. Löwen 4 2 . 7 Über diese neugräflichen Geschlechter, die teils dem Herren-, teils dem Ministerialenstande angehörten, Tgl. F I C K E B , Reichsf. 80 f., 86 f., 90 ff. W E I L A N D , a. a. 0 . 43 ff. R I E D E L , Mark Brandenburg II. 139 ff. SCHEÖDEK, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 47 f. Wenn die Grafen von Sayn und Molbach, obwohl rheinpfälzische Vassailen, zu den Fürsten gerechnet wurden (vgl. F I C K E B , 84 f.), so mochte dies entweder auf einer weniger strengen Auffassung in Lothringen, gegenüber Sachsen, oder auch darauf beruhen, daß der Pfalzgraf bei Rhein in Lothringen einen Rang einnahm, wie er sonst nur den Herzögen zukam. Vgl. S. 456, 470. 8 Vgl. S. 387 f., 403.

Das Mittelalter.

478

verloren und zu Vassailen des Reiches wurden, erschienen ihre Grafen nur noch als Reichsaftervassallen gleich den Yicegrafen weltlicher Fürsten 9 . Dieser Umstand und die durch den Höhepunkt des Lehnswesens bedingte strengere Scheidung der verschiedenen Heerschildstufen 10 führte nach der Mitte des 12. Jahrhunderts zunächst zu einem eigentümlichen Schwanken in dem Begriffe des Reichsfürstenstandes. Zum Abschluß kam die neue Entwickelung durch den Sturz Heinrichs des Löwen, durch den die sämtlichen bisher dem Herzog unterstellten sächsischen und verschiedene bairische Fürsten zu reichsunmittelbarer Stellung gelangten. Wie man von jeher zwischen landsässigen und königlichen Klöstern unterschieden hatte und nur die Vorstände der letzteren, die ihr Scepterlehn unmittelbar aus der Hand des Königs empfingen, den geistlichen Fürsten beizählt3, so wurden seit 1180 von den bisherigen Laienfürsten nur noch diejenigen, welche ihr Fürstentum unmittelbar vom Reiche zu Lehn trugen, als Reichsfürsten betrachtet. Der Besitz eines Fahnlehns aus der Hand des Königs war das Kriterium des weltlichen Fürsten standes geworden 11 . War die Grundlage desselben bisher eine staatsrechtliche, des Grafenamt, gewesen, so war die neue eine lehnrechtliche, das Fahnlehn, und eine territoriale, das Reichsfürstentum. Indem zugleich der Begriff des letzteren genau festgestellt wurde 12 , ergab sich gegenüber den früheren Zuständen eine außerordentliche Verminderung in der Zahl der weltlichen Fürsten. Unmittelbar nach 1180 gab es nur sechzehn weltliche Reichsfürstentümer: die Herzogtümer Baiern, Schwaben, Sachsen, Lothringen, Brabant, Kärnthen, Böhmen, Österreich, Steier, die Pfalzgrafschaft bei Rhein, die Pfalzgrafschaft Sachsen, die Markgrafschaften Brandenburg, Meißen und Lausitz, die Landgrafschaft Thüringen und die Grafschaft Anhalt 13 . Der Herzog von Burgund und der Graf von Flandern, die dem französischen Fürstenstande angehörten, wurden auch in ihren deutschen Lehnsverbindungen, obgleich sie hier kein Fürstentum besaßen, zu den Reichsfürsten gerechnet 14 . Rein persönlich, ohne territoriale Grundlage, war die reichsfürstliche Stellung des Herzogs Weif, der Herzöge von Rotenburg, Zähringen, Meran und der Pfalzgrafen von Burgund, doch waren diese Häuser schon vor Mitte des 13. Jahrhunderts sämtlich erloschen16. Wie hier wegen Mangels eines territorialen Fürstentums, so fand auch bei dem Aussterben der Staufer (1268) keine Übertragung ihrer reichsfürstlichen Stellung auf ein anderes Haus statt, das Herzogtum Schwaben erlosch mit dem Tode Konradins. 8 Vgl. WEILAND, 42 f. Allerdings blieb vorerst noch der wesentliche Unterschied, daß die bischöflichen Grafen den Königsbann vom Reiche empfangen mußten. 10 Vgl. S. 382, 384, 447 N. 157. 11 Vgl. Ssp. III. 58. Sachs. Lehnr. 71, § 21: Vorste het dar umme vorste des rikes, dat sin vanlen, dar he vorste van wesen wel, nieman vor ime untvan ne sal. Sven it en ander vor ime untveit, die' t ime liet, so n'is he die vorderste an der lenunge nicht; dar v/mme ne mach he von deme lene neu vorste wesen. ,J 14

S s p . D I . 6 2 , § 2. V g l . FICKEB, 206, 2 2 3 , 235.

13

V g l . FICKER, 234. 16 V g l . ebd. 187 f., 2 2 2 , 2 3 4 f., 252.

§ 45.

Die Fürsten und Reichsbeamten.

479

Sonst galt die Regel, daß der König ein heimgefallenes Fahnlehn längstens binnen Jahr und Tag anderweitig verleihen mußte 18 . Die Erhebung in den weltlichen Reichsfürstenstand konnte seit 1180 nur durch den König im Wege der Belehnung mit einem Fahnlehn erfolgen 17 . Handelte es sich da zuweilen um ein heimgefallenes oder dem bisherigen Inhaber entzogenes Fahnlehn 18 , so war es doch weit häufiger der Fall, daß ein dem Reiche gehöriges oder zu Lehn aufgetragenes nichtfürstliches Territorium vom König mit Genehmigung der Fürsten zu einem Reichsfürstentum erhoben und sodann mit der Fahne verliehen wurde 19 . Dies war zuerst der Fall bei den Markgrafschaften Mähren (1182) und Namur (1188), daun bei den Herzogtümern Braunschweig (1235) und Breslau (vor 1276), der Landgrafschaft Hessen (1292), im 14. Jahrhundert u. a. bei den Herzogtümern Pommern, Jülich, Geldern, Mecklenburg, Schlesien, Luxemburg, Berg, der Burggrafschaft Nürnberg und der später zum Herzogtum erhobenen Grafschaft Savoyen, ferner bei den Herzogtümern Kleve (1417), Holstein (1474) und Würtemberg (1495). Bei der Markgrafschaft Baden hat sich die Aufnahme unter die Reichsfürstentümer rein gewohnheitsrechtlich, ohne positiven Erhebungsakt, vollzogen 30 . Durch die vielfachen Erhebungen in den Reichsfürstenstand, ganz besonders aber durch die seit der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich gewordenen Erbteilungen in den Fürstenhäusern, bei denen jeder Teilinhaber den Charakter als Reichsfürst behalten durfte20®, wurde das seit 1180 bestehende bedeutende Übergewicht der geistlichen Fürsten einigermaßen vermindert, wenigstens belief sich die Zahl der Laienfürsten im 14. Jahrhundert auf 38 bis 44 21 , denen allerdings mehr als 60 geistliche Fürsten gegenüberstanden22. Unsere Vermutung, daß die Veränderung in dem Begriffe des Reichsfürstenstandes von dem Eintritt der geistlichen Fürsten in den Reichslehnsverband ihren Ausgang genommen habe, wird durch die Stellung der Bischöfe bestätigt, indem schon vor 1180 nur diejenigen Bischöfe, welche die Investitur mit den Regalien vom Reiche empfingen, also nur die Träger von Scepterlehen, zu den Reichsbischöfen gezählt wurden. Die 16 Vgl. Ssp. I I I . 53, § 3. 60, § 1. Sachs. Lehnr. 71, § 3. SchwBp. Laflb. 121 c. Der Grund lag darin, daß kein Gericht länger als Jahr und Tag ohne Richter bleiben durfte. 17 Vgl. das um 1200 verfaßte Gedicht Biterolf und Dietleib, V. 11549—11603 (Deutsches Heldenbuch, I. 169 f.). Der Graf von Holland bot dem Kaiser 1191 ohne Erfolg eine bedeutende Summe, „si prineeps fieret". Vgl. FICKER, 112. 18 So 1282 bei der Belehnung der Söhne Rudolfs von Habsburg mit Österreich und Steiermark und 1310 bei der Belehnung des Grafen Johann von Luxemburg mit Böhmen. Vgl. FICKER, 112 f. 19 Vgl. FICKER, 106—118, 218 ff., 234 20 Vgl. FICKER, 195. ff. 21 Vgl. FICKER, 264. so. v g l . FICKER, 262 ff. " Vgl. FICKER, 372 ff. Die Zahl war an sich noch erheblich größer, aber nur etwa 60 machten von ihrer fürstlichen Stellung thatsächlichen Gebrauch.

480

Das Mittelalter.

Bischöfe von Lübeck, Schwerin und Ratzeburg galten als Reichsfürsten erst, nachdem sie durch den Sturz Heinrichs des Löwen reichsunmittelbar geworden waren23, während die Bischöfe von Prag und Olmütz, nachdem ihre Investitur seit Ende des 12. Jahrhunderts vom Reiche auf den König von Böhmen übergegangen war, nicht mehr als Reichsfürsten betrachtet wurden24. Die Bischöfe von Gurk, Chiemsee, Seckau und Lavant waren keine Reichsfürsten, weil sie die Investitur mit den Regalien von dem Erzbischof von Salzburg empfingen26; der Bischof von Kammin* nicht, weil er unmittelbar unter dem Papste stand2e. Im übrigen war es durchaus die Regel, daß alle Bischöfe des Reiches nur vom König mit den Regalien belehnt wurden und demgemäß zu den Reichsfürsten zählten27. Dasselbe Kriterium, Investitur durch das Reich, war auch für die Reichsabteien maßgebend28. Während die königlichen Abteien älterer Gründung im allgemeinen ihre Stellung als Reichsfürstentümer bewahrt hatten und seit Beendigung des Investiturstreites zu Scepterlehen geworden waren, gehörten die hinsichtlich der Temporalien unter den Papst gestellten abbatiae liberae ebenso wenig wie die landsässigen Klöster zu den Reichsfürstentümern. Die Pröpste der Kollegiatkirchen wurden nicht zu den Reichsfürsten gerechnet, auch da nicht, wo diese Kirchen sich im Eigentum des Reiches befanden und die Pröpste die Investitur vom König empfingen29. Sie standen eben nicht wie die Reichsäbte unter dem Lehnrecht, sie waren lehnsunfähig und die Investitur, die sie empfingen, war keine Belehnung, weil sie ohne Mannschaft erteilt wurde30. Nur die Propstei Berchtesgaden gelangte 1386 zuerst zu einer Reichsbelehnung und galt seitdem als Reichsfürstentum, während die 1459 in eine Propstei umgewandelte Reichsabtei Elwangen im Reichslehnsverbande verblieb und dadurch ihren fürstlichen Rang behauptete81. Der Reichskanzler gehörte seit 1180 als solcher nicht mehr zum Reichsfürstenstande, weil es an einem Reichslehn für ihn fehlte32. Die reichsfürstliche Stellung des Hochmeisters des deutschen Ordens und des Deutschmeisters gehört erst der folgenden Periode an38. Die geistlichen Fürsten ersetzten dem Reiche während der ersten zwei Jahrhunderte den ihm durch das Lehnswesen mehr oder weniger entzogenen weltlichen Beamtenstand. Die Reichsabteien wurden von den Königen einfach als Eigentum des Reiches behandelt34, und wenn sich über die bischöflichen Kirchen wegen der gesamten kirchlichen Organisation 29

V g l . PLCKEB, 2 7 4 ff.

24

Ebenso wenig wie die Bischöfe von Breslau und Lebus, die in ähnlicher Lage

waren. 26

V g l . FICKEE, 271 f., 2 8 0 , 282 ff. V g l . F I C K E R , 271, 285 FF.

26 Vgl. FICKER , 277 ff. Gegen Ende des Mittelalters gehörte der Kamminer Bischof allerdings zu den Reichsfürsten. 27

V g l . FICKER, 99 ff., 2 7 0

"

V g l . FICKER, 363

81

V g l . FICKER, 367 .

93

V g l . F I C K E R , 369

ff. ff. ff.

29

V g l . FICKER, 320 FF.

30

V g l . S. 386, N . 17.

32

V g l . FICKER,

34

Vgl. §

48.

369.

FICKER, 366.

§ 45. Die Fürsten und Reichsbeamten.

481

nicht, in gleicher Weise willkürlich verfügen ließ, so haben doch die Könige wiederholt aus eigener Machtvollkommenheit in diese Organisation eingegriffen, neue Bistümer errichtet und bestehende eingehen lassen oder verlegt 36 ; die bairischen Bistümer wurden dem Herzog, das Bistum Gurk dem Erzbischof von Salzburg unterstellt 36 . Die reiche Ausstattung der Reichskirchen mit Gütern und Hoheitsrechten, seit Otto III. namentlich mit ganzen Grafschaften 37 , bedeutete keine Entfremdung für das Reich, weil das Eigentum des Reiches an dem gesamten Reichskirchengute bestehen blieb 38 und die einer Reichskirche übertragenen Grafschaften den Amtscharakter bewahrten, den sie als Lehen weltlicher Fürsten alsbald hätten verlieren müssen. Die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien erfolgte einzig nach dem Willen des Königs, der entweder das unmittelbare Ernennungsrecht ausübte oder, wo das Recht freier Bischofs- oder Abtswahl durch königliches Privileg bewilligt war, durch entschiedene Kundgebung seines Willens die Wahl zu einer bloßen Form herabdrückte 3fl . Fast immer war die Hofkapelle die Pflanzschule, der die geistlichen Fürsten entnommen wurden 40 . Die Investitur erfolgte, ohne Unterscheidung zwischen dem geistlichen Amt und den mit der Kirche verbundenen weltlichen Gütern und Höheitsrechteu, durch den König (nur in Baiern im 10. Jahrhundert durch den Herzog, in Gurk durch den Salzburger Krzbischof) mit Ring und Stab als Investitursymbolen 41 , oft genug nur gegen erhebliche Gegenleistungen, die dem Kandidaten auferlegt wurden 42 . Dem Einsetzungsrecht entsprechend behaupteten die Könige auch das Recht freier Absetzung 43 . Daß die Kirche, sobald sie zum Bewußtsein ihrer selbst gekommen war, sich gegen diese Zustände auflehnen mußte, war selbstverständlich. Der Kampf Gregors VII., soweit er sich gegen die Simonie, das Ernennungsrecht des Königs und die auf das geistliche Amt hindeutenden Investitursymbole wandte, war gerechtfertigt, aber der von ihm und seinen Nachfolgern erhobene weitere Anspruch, daß auch die weltlichen Besitzungen und Hoheitsrechte, die man mit den Kirchen uur wegen ihres staatlichen Charakters verbunden hatte, einfach dem geistlichen Amte folgen und jedem Einflüsse der Staatsgewalt entzogen und demgemäß alle Investituren durch Laien unzulässig sein sollten, war ein maßloser Übergriff in die berechtigte Machtsphäre des Staates. Erst durch das Wörmser Konkordat von 1122 44 kam es zu einem billigen Ausgleich, der beiden 33

Vgl. Waitz, VII. 297 f.

36

Vgl. ebd. VII. 285 f.

38 " Vgl. ebd. Vn. 2 5 7 ff. Vgl. § 48, N. 6. 39 Vgl. Waitz, VII. 2 6 5 - 2 7 8 . Wo an einer bischöflichen Kirche ein Wahlrecht bestand, wurde dasselbe von den Geistlichen der Kirche, aber unter einer gewissen Mitwirkung des Laienelementes, ausgeübt.

40

42 44

41 Vgl. Waitz, VII. 291. Vgl. S. 387. 43 Vgl. Waitz, VII. 291 ff. Vgl. ebd. VII. 267 f., 297. MG. Leg. II. 75. Vgl. Bkesslau und Th. Sickel, i. d. Mitteil. d. österr.

Instituts VI. 105 ff.

U. Schböukb, Deutsche Keehtsgesohlchte.

31

482

Das Mittelalter.

Teilen gerecht wurde, für das Reich aber den dauernden Verlust der unter ganz anderen Voraussetzungen von den Königen ins Werk gesetzten Dotationen der Reichskirchen zur Folge hatte 45 . Die verkehrte Vermischung der Temporalien und Spiritualien des geistlichen Amtes wurde durch das Konkordat beseitigt. Indem der Papst dem Könige für das ganze Gebiet des Reiches die Investitur der geistlichen Fürsten mit den „Regalien", d. h. den zu der Kirche gehörigen weltlichen Besitzungen und Hoheitsrechten, zugestand, erkannte er an, daß das geistliche Amt als solches nur die Kirche und das unmittelbare Kirchengut zu beanspruchen habe 46 . Andererseits erkannte der König durch den Verzicht auf die Investitur mit Ring und Stab an, daß ihm über die Spiritualien des Amtes, sowie über die Kirche und das unmittelbare Kirchengut keine Verfügung zustehe47. Die Investitur mit den Regalien sollte unter dem Symbol des Scepters vor sich gehen 48 , ohne Simonie (absque omni exactione), aber unter Aufrechterhaltung der dem Investierten gesetzlich oder herkömmlich obliegenden Leistungen (et, quae ex his iure tibi debet, faciat). Der König verzichtete auf jedes Ernennungsrecht; die Besetzung der Bistümer und Reichsabteien sollte ausschließlich durch „canonica electio" und freie kirchliche Konsekration erfolgen. Als Wahlkörper fungierten regelmäßig die Kapitel, unter Mitwirkung der gesamten höheren Geistlichkeit der Diözese und der Stiftsministerialen, während dem niederen Klerus und der Bürgerschaft der Stadt das Recht der Folge (Akklamation) zustand. Die Investitur mit den Regalien durfte dem dazu Berechtigten nicht verweigert werden. I m einzelnen wurde zwischen dem Deutschen Reiche (Teutonicum regnum) einerseits, Italien und Burgund andererseits (ex aliis partibus imperii) unterschieden. In den beiden letztgenannten Reichen sollte die Investitur sich an die kirchliche Konsekration anschließen und dieser binnen sechs Monaten folgen; die Legitimation dem Reiche gegenüber war also durch die Konsekration begründet, eine Prüfung des AVahlaktes stand dem Könige nicht zu. Dagegen sollten innerhalb des Deutschen Reiches alle Wahlen von Bischöfen oder Reichsäbten in Gegenwart des Königs voll-

45 Von der zahlreichen Litteratur über das Wormser Konkordat und seine Folgen v g l . WAITZ, YIII. 461 ff. HINSCHIUS, Kirchenrecht I I . 551—577. GIESEBRECHT, Kaiserzeit, 4. Aufl. I I I . 939 ff., 954 ff., 1224. I V . 45 f., 65, 84 f., 436. V . 12 f., 371 f., 453, 501, 632 f., 636, 638, 707, 720. BEBNHEIM, Lothar I I I . und das Wormser Konkordat, Straßb. Inaug.-Diss. 1874; Zur Geschichte des Wormser Konkordats, 1878; Zur Geschichte der kirchl. Wahlen, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. X X I V . 361 ff. FRIEDBERG, ebd. V I I I . 75 ff. VOLKMAR,' ebd. X X V I . 435 ff. WITTE, Forschungen z. Geschichte des Wormser Konkordats, Gott. Inaug.-Diss. 1877. WOLFRAM, Friedrich 1. und das Wormser Konkordat, 1883.

V g l . § 48, N . 12, 14. Von der königlichen Machtvollkommenheit wurde außerdem alles, was zu dem päpstlichen Stuhle selbst gehörte (quae ad Romanam. ecclesiam pertinere noscantur, — — — possessionis et regalia s. l'etri), ausgenommen. 49 V g l . S. 387 f. 46

47

§ 45.

483

Die Fürsten und Reichsbeamten.

zogen werden, d. h. dem Könige sollte durch rechtzeitige Anzeige von der bevorstehenden Wahl Gelegenheit gegeben werden, durch persönliche Anwesenheit oder Entsendung von Stellvertretern oder durch sonstige Äußerung seiner Wünsche auf die Wahl einzuwirken. Bei zwiespältigen Wahlen sollte der König unter Mitwirkung des Metropoliten und der Suffraganbischöfe der betreffenden Provinz das Recht der Entscheidung ausüben 49 . Immer aber sollte auf die Wahl zunächst die Investitur und erst nach dieser die Konsekration erfolgen. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl wurde also in Deutschland als Sache des die Investitur erteilenden Königs, in Italien und Burgund als Sache der die Konsekration erteilenden kirchlichen Behörde hingestellt 50 . Während die Kirche die Zugeständnisse des Königs als dauernde, jeden Nachfolger bindende auffaßte, suchte sie denen des Papstes später wiederholt den Charakter einer bloß persönlichen Konnivenz gegen Heinrich V. beizulegen. Lothar III. hatte Mühe, bis es ihm gelang, die Bestätigung des Konkordates auszuwirken 61 . Unter den stauiischen Kaisern hat die Kirche mehrfach den Versuch gemacht, sich über das Konkordat, das nicht wieder ausdrücklich erneuert wurde, hinwegzusetzen63, wie umgekehrt Friedrich I. und Heinrich VI. ihrerseits mehrfach in die frühere Willkür gegenüber den geistlichen Pürsten zurückfielen. Im großen und ganzen hat aber das Wormser Konkordat die dauernde Grundlage für das spätere Mittelalter abgegeben. Von der Anwesenheit des Königs bei den Wahlen und von einer Entscheidung desselben bei zwiespältigen Wahlen ist zwar seit Philipp und Otto IV. keine Rede mehr gewesen, die Könige beschränkten sich darauf, den Kapiteln ihre Wünsche mitzuteilen und überließen die Entscheidung bei Wahlstreitigkeiten dem Papste. Aber daran, daß die deutschen Bischöfe die Investitur vor der Konsekration zu empfangen hätten, wurde auch später seitens des Reiches festgehalten 53 . Die durch Friedrich I. herbeigeführte Einordnung der Stellung der geistlichen Fürsten in den Rahmen des Reichslehnrechts hatte den Zweck, die aus dem Investiturstreit noch übrig gebliebenen Rechte des Reiches wenigstens in dieser Form zu festigen und nach Möglichkeit zu erweitern 61 . 49

Der Wortlaut des Konkordates läßt es zweifelhaft, ob die Bischöfe dabei bloß eine beratende oder entscheidende Stimme haben sollten. 50 Die der Konsekration vorangehende Investitur hatte also weder die ihr gewöhnlich beigelegte Bedeutung eines liberum veto gegen mißliebige Wahlen, noch war sie, wie WOLFRAM w i l l , eine Anerkennung des Obereigentums des Reiches an dem Reichskirchengute. Die letztere lag schon in der Notwendigkeit der Investitur ausgesprochen, mochte dieselbe, wie in Deutschland, vor oder, wie in Burgund und Italien, nach der Konsekration stattfinden. 61 Die Bestätigung erfolgte 1133. Vgl. JAFF£, Bibliotlieca rerum üermanicaium V. 522. 52

Vgl.

53

Vgl. Ssp.

u . a . HINSCHIUS, a . a . O . III.

59,

§

1.

571.

HIXSCHIUS, a.

a. O. 5 7 6 .

RODENBERG,

i.

d.

Aufsätzen zum Andenken an WAITZ, 233. 54 Vgl. S. 383, 386 N. 17, 388, 403 f., ferner § 48 zu den Noten 13—17. 31*

Histor.

Das Mittelalter.

484

Unter den weltlichen Fürsten nahmen die Stammesherzöge, Markgrafen,

Pfalzgrafen

und

Landgrafen

Von den beiden erstgenannten

eine

eigentümliche

Stellung

ein.

wird bei der Darstellung der Territorial-

verfassung (§ 50) zu reden sein. Die Herkunft und Bedeutung des deutschen Pfalzgrafenamtes 6 5 wird am besten

verstanden,

Vergleichung

wenn man

heranzieht.

die italienischen Einrichtungen

I n Italien

hat sich das

karolingische

zur

Pfalz-

grafenamt bis auf Heinrich I I . in wenig veränderter Gestalt erhalten 6 ". Es gab immer nur einen einzigen Pfalzgrafen für Italien, der bei Anwesenheit des Königs als Gehilfe desselben im Hofgericht, namentlich als stellvertretender Richter für den König, in Punktion trat.

Seine Stellung

war wesentlich dieselbe geblieben, namentlich war er ausschließlich Hofbeamter.

Bei Abwesenheit des Königs ruhte sein Dienst; was von Pfalz-

grafengerichten bei Abwesenheit des Königs berichtet wird, ist von der eigenen Gerichtsbarkeit der regelmäßig mit Grafschaften belehnten Pfalzgrafen zu verstehen 67 .

Dagegen übten vom 10. bis zum 13. Jahrhundert

die ständigen Königsboten, die wohl in Anknüpfung an das in Verfall geratene Königsbotenamt der Karolinger von Otto I . in Italien eingeführt worden sind, eine regelmäßige reichsgerichtliche Thätigkeit innerhalb des ihnen überwiesenen Sprengeis, sie waren delegierte Richter, die wie die alten Königsboten

den

abwesenden

König

in allen

diesem

nicht

aus-

drücklich vorbehaltenen Fällen der streitigen wie der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu vertreten hatten 68 .

I n den Diplomen der Ottonenzeit

wurde

ihre Thätigkeit als eine gleichsam „pfalzgräfliche" bezeichnet 69 . Auch

die

beiden

Kammerboten

(camerae

nuntii)

Erchanger

und

Berchtold, die als die letzten Reste des Königsbotenamtes in Deutschland unter Konrad I . in Schwaben erscheinen 60 , begegnen urkundlich der Bezeichnung

als Pfalzgrafen 6 1 .

Das

Amt

unter

des Hofpfalzgrafen

hat

sich in Deutschland nicht erhalten ; der Pfalzgraf von Metz war wohl ein Burggraf mit dem bloßen Pfalzgrafentitel 6 2 , während die seit Otto I . vorkommenden vier Pfalzgrafen (comités palatini) von Lothringen, Sachsen, Baiern

65 Vgl. WAITZ, V. 77. VII. 167 ff. PF ÄFF, Geschichte des Pfalzgrafenamtes, 1847. so Vgl. FICKKR, Forschungen z. Reichs- u. Rechtsgeschichte Italiens 1. 312 ff. 57 Vgl. FICKKR, a. a. O. 318 f. Auch zu Pavia hat es kein ständiges Pfalzgericht gegeben. Die zahlreichen Zeugnisse pfalzgräflicher Gerichtsbarkeit in Pavia beziehen sich sämtlich auf Fälle, wo die Könige in dieser besonders beliebten Pfalz Aufenthalt genommen hatten. 59 Vgl. FICKEB, Forschungen II. 12 ff. Die ältesten Beispiele sind von 962. 68 MG. Dipl. reg. Otto I. Nr. 347 (967): Mandamus tibi, quatenus, si inter homines in comitatu Mediolanensis aliqua intentio orta fuerit de qiäbuscumqiie causis, uoster inde missus existas ita diffinihendum, tamquam si ante nostrum vel nostri comitis palatii presentiam factum fuisset. Vgl. ebd. Nr. 239 (962). 248 (962). 374

(969). 416 (972). 60 61 62

FICKEB, I I . 316.

Ekkehard, casus St. Galli c. 11 f. Vgl. WAITZ, VII. 167, N. 2, 3. 176. MG. Dipl. reg. Konr. I. Nr. 11 (912). V g l . WAITZ, V I I . 167 f.

§ 45.

Die Fürsten und Reichsbeamten.

485

und Schwaben, die übrigens außerdem noch mit verschiedenen Grafschaften belehnt waren, den von demselben Kaiser in Italien eingeführten ständigen Königsboten entsprochen zu haben scheinen. Das Amt wurde wohl als ein gewisses Gegengewicht gegen das Stammesherzogtum errichtet und hatte den Zweck, für die Wahrnehmung der königlichen Interessen in den Herzogtümern, namentlich in betreff der Krongüter und der Rechtspflege, zu sorgen. Die Pfalzgrafen von Schwaben (später Pfalzgrafen von Tübingen) haben es nie zu einer hervorragenden Stellung gebracht 8 ", ebensowenig die von Baiern, die in die Abhängigkeit vom Herzog gerieten, bis sie 1180 selbst das Herzogtum erwarben 61 ; seitdem hatte Pfalzbaiern (Regensburg) überhaupt keine selbständige Bedeutung mehr, während die später begegnenden Pfalzgrafen von Kärnthen, Ortenburg und Kraiburg nur den Titel führten 86 . Die sächsische Pfalzgrafschaft scheint schon früh eine Teilung erfahren zu haben. Während der territoriale Besitz den Namen der Pfalzgrafschaft Sachsen behielt und als selbständiges Reichsfürstentum 1190 mit der Landgrafschaft Thüringen, dann samt dieser 1247 mit der Markgrafschaft Meißen unter den Wettinern und endlich 1422, nach dem Aussterben des Sachsen-Wittenbergischen Hauses, auch mit dem Herzogtum Sachsen verbunden wurde 68 , bestand schon unter Heinrich II. ein pfaizgräfiiches Gericht, wie es scheint, zu Magdeburg 67 , das später in die Hände des Erzbischofs und von diesem 1269 mit der Burggrafschaft von Magdeburg an den Herzog von Sachsen kam; der letztere führte seitdem das pfalzgräfliche Wappen und wurde 1356 auf dem Reichstage zu Metz seitens Karls IV. durch die sogenannte sächsische Goldene Bulle ausdrücklich als Inhaber der Pfalzgrafschaft Sachsen anerkannt 88 . Man darf vermuten, daß sich das 0:1

Vgl. L. SCHMID, Pfalzgrafen von Tübingen, 1853. C. P. STALIN, Wivtemberg. Geschichte II. 653. P. F. STALIN, Geschichte Würtembergs I. 226 f., 421 f. 94 Vgl. WITTMANN, Die Pfalzgrafen von Baiern, 1877. RIEZI.BR, Geschichte Baierns I. 747 f. 85

V g l . FICKER, R e i c h s f ü r s t e n s t a n d 198 f.

6

* Vgl. GERVAIS, Geschichte der Pfalzgrafen von Sachsen, i. d. Neuen Mitteilungen des thür. sächs. Vereins, IV.—VI. Heinrich II. verlieh 1009 dem Erzstift zu Magdeburg nostrum regcdem. bannum super omnes eiusdem episcopi proprietates in Duringia seu in caeteris quibtiscunque regionibu* sitas, — — ea quoque ratione, ut omnium comitum contradictione remota, praescriptae aecclesiae advocatus inibi placitum ad legen et iustitias facienda\s habeat, et st, quod absit, indem advocatus aliquid ibi iniuste aut praesumptuose contra legem fecerit, in nostro palatino colloquio id deducatur ibique iusto examine diffiniaturVgl. Zeitschr. f. Archivkunde I. 159. Daß sich das Pfalzgericht schon damals in Magdeburg befand, geht aus dieser Urkunde allerdings nicht hervor, wird aber wenigstens für die spätere Zeit durch die bereits sagenhaft gestalteten Bemerkungen des Sächs. Weichbildrechts c. 12—15 (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung c. 7 — 9) bezeugt. Daß übrigens der Pfalzgraf nicht bloß dem Pfalzgericht, sondern auch der Kronguts Verwaltung vorgesetzt w a r , wird .durch eine Urkunde Heinrichs II. von 1012 für die Merseburger Kirche (a. a. (). 161 f.) bestätigt. • 8 Vgl. EICHHORN, St.- u. RG. II. 369. III. 70. Histor. Zeitschrift, N. F. I. 356. BÖHMER, Regesten Karls IV., her. von HUBER, 1356, 27. Dezember.

Das Mittelalter.

486

Reichsvikariatsrecht des Herzogs von Sachsen (S. 467) auf diese Pfalzgrafschaft gründete, während die territoriale Pfnlzgrafschaft nur mit den gräflichen Rechten ausgestattet war. Weitaus den ersten Platz unter den vier Pfalzgrafen nahm der von Lothringen ein, dessen Amt schon durch die Anknüpfung an die Kaiserpfalz zu Aachen als das vornehmste erscheinen mußte 8 9 . Die außerordentlich häufige urkundliche Erwähnung desselben unter den Begleitern des Königs bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus legt die Vermutung nahe, daß seine Stellung ursprünglich einen hofamtlichen Charakter getragen hat und wohl als eine Fortsetzung des alten Hofpfalzgrafenamtes anzusehen ist. Auch nachdem sich die Pfalzgrafschaft, die später in der Regel als die rheinische oder Pfalzgrafschaft bei Rhein bezeichnet wurde, zu einer bedeutenden territorialen Macht (namentlich seit 1156) entwickelt und infolgedessen ihren Mittelpunkt! von dem ursprünglichen Amtssitze Aachen nach Heidelberg verlegt hatte, blieb ihr doch der Charakter eines hervorragenden Reichsamtes gewahrt. Wieviel davon auf das frühere Hofamt oder die missatische Gewalt der Pfalzgrafen zurückzuführen und wieviel auf späterer Entwickelung, namentlich seit dem Interregnum, beruht, läßt sich nicht mehr feststellen. Am frühesten ist das Erztruchseßamt des Pfalzgrafen (S. 4 7 0 ) bezeugt, aus dem dann, wie wir gesehen haben (S. 4 5 7 ) , die kurfürstliche Würde desselben hervorgegangen ist. Die Stellung des Hofpfalzgrafen im königlichen Hofgericht, verbunden mit der delegierten Gerichtsbarkeit eines ständigen Königsboten, ließ ihn als den gegebenen Richter in fiskalischen Prozessen, später selbst als den verfassungsmäßigen Richter über den König und als Reichsvikariatsrichter bei Thronerledigung erscheinen, nur die Konkurrenz des sächsischen Pfalzgrafen mag ihm hier schon früh eine Grenze gezogen haben. Von dem Reichsvikariatsgericht zu dem vollen Reichsvikariat war nur ein Schritt. Kein Wunder, daß der verfassungsmäßige Reichsvikar dann auch bei vorübergehender Abwesenheit oder Verhinderung des Königs in erster Reihe die Übertragung der Reichsverweserschaft beanspruchte oder dieselbe doch als sein natürliches Recht in allen Fällen, wo kein besonderer Reichsverweser bestellt worden war, betrachtete 7 0 . Während das bisher erörterte Pfalzgrafenamt in seinen Anfängen noch durchaus in karolingischen Einrichtungen wurzelte, war das spätere Hofamt des Hofpfalzgrafen (comes sacri palatii, s. sacri palatii Lateranensis) im wesentlichen eine Neuerung Karls IV., und zwar,, zunächst" für Italien, wo an gewisse Reste der Pfalzgrafschaft und des ständigen Königsbotenamtes angeknüpft wurde 7 1 . Karl hat das Amt dann auch in Deutsch-

69

1878.

Vgl. SCHMITZ, Geschichte der lothringischen Pfalzgrafen, Bonn. Inaug.-Diss.

HÄTTSSER, Geschichte der rheinischen Pfalz I. 38 ff., 110 ff. 70

Über alle diese Dinge vgl. S. 465 ff.

"

Vgl.

FICKEB, F o r s c h u n g e n

IL

66—118.

PFEFFINQER, Vitriarins illustratus I I I . 113 ff., 260.

EICHHORN,

St.

u.

RG. I I I . 3 8 7 f.

§ 45.

Die Fürsten und Reichsbeamten.

487

land eingeführt, wo dasselbe in seiner vorwiegenden Beziehung auf italienische und römischrechtliche Einrichtungen zwar zunächst keinen rechten Boden fand, sich dann aber gleichwohl fest eingebürgert und der Aufnahme des römischen Rechts nicht wenig vorgearbeitet hat. Zu den in seiner Vollmacht (comitiva) enthaltenen Amtsobliegenheiten des Hofpfalzgrafen gehörten gewisse Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (legitimatio per rescriptum principis, restitutio famae, Adoptionen, Emanzipationen, Vormundschaften, Testamente), ferner verschiedene königliche Gnadenakte (Adels-und Wappenbriefe, Gewährung des Rechts zur Erteilung akademischer Würden, Ernennung zum poeta laureatus u. dgl.), endlich die Ernennung königlicher Notarien 72 . Die rechtliche Bedeutung der Landgrafschaften läßt sich nur erkennen, wenn man sich auf die zuerst unter Lothar III. bezeugten, wahrscheinlich aber auch schon unter Heinrich V. vorhanden gewesenen Landgrafschaften von Thüringen und dem Ober- und Unterelsaß beschränkt und von den auf späterer Entwickelung oder bloßem Titel beruhenden jüngeren Landgrafschaften ganz absieht 73 . So führten die Landgrafen von Hessen den Titel als Erben der 1247 ausgestorbenen Thüringer Landgrafen 734 , obwohl die Landgrafschaft Thüringen an die Markgrafen von Meißeil aus dem Wettiner Hause gekommen war 71 . Ebenso haben nach dem Ausgange der Herzöge von Schwaben und Zähringen verschiedene schwäbische Grafen (z. B. die Landgrafen von Thurgau) den Landgrafentitel angenommen 75 . Nur die Landgrafen im bairischen Nordgau (als Reichsaftervassallen die Landgrafen von Leuchtenberg) können vielleicht noch als wahre Landgrafen angesehen werden, haben aber später nur noch die Bedeutung einer territorialen Gewalt. Die Landgrafen (comités provinciales) waren Grafen, die unabhängig von ihrer Grafschaft in einem größeren Sprengel mit der Wahrung des Landfriedens, dem Vorsitz in den Landfriedensgerichten und der Handhabung des Geleitsrechtes betraut 72 Die letztgenannte Befugnis stammte aus dem Pfalzgrafenamt und war auch nach dem Untergange des letzteren in dem Hause des letzten Pfalzgrafen mitsamt dem Pfalzgrafentitel (Pfalzgrafen von Lomello) bestehen geblieben. Später wurde in den Händen der Vögte von Lucca und der Grafen von Lavagna beides mit der missatischen Gewalt verbunden. Vgl. übrigens MG. Dipl. reg. Otto I. Nr. 239. 73

V g l . WAITZ, V I I . 56 ff. SCHENK ZU SCHWEINSBERG, B e i t r ä g e zur F r a g e

nach

der Landgrafschaft, Forsch, z. deutschen Geschichte XVI. 525 ff. FRANCK, Die Landgrafschaften des heil. röm. Eeiches, 1873. 731 Dieselben hatten die Grafschaft Hessen 1122 durch Erbgang erworben. 7i Ahnlich verhielt es sich mit den Herzögen von Zähringen, Teck und Limburg und den Markgrafen von Baden (als Nachkommen des Markgrafen Hermann von Verona). 75 Hier handelte es sich vornehmlich um Grafen, welche die gräfliche Gerichtsbarkeit noch in ihrem ehemaligen Umfange behauptet hatten, obwohl die Landeshoheit zum Teil von anderen erworben war. Mit Unrecht glauben WAITZ und FBANCK gerade in diesen Entartungen das wahre Wesen der Landgrafschaften zu erkennen.

488

Das Mittelalter.

waren 76 . Da alles dies in den Stammesherzogtümern Aufgabe der Herzöge war, so kamen Landgrafen nur in den keiner Herzogsgewalt unterworfenen Gebieten vor. Die Landgrafschaft im Nordgau, falls sie eine wahre Landgrafschaft war, würde sich dann aus einer Loslösung des Nordgaues von dem Herzogtum Baiern erklären. Eine der landgräflichen ähnliche Stellung scheint der Würzburger Bischof in Ostfranken eingenommen und darin später den Rechtstitel für sein angebliches Herzogtum gefunden zu haben. Die von Karl dem Großen für die Krongüter eingeführte Verwaltungsorganisation 77 befand sich in vollem Verfall, da die Gutsbestände der Domänenämter (fisci) durch Schenkungen, Verpfändungen, Verleihungen und widerrechtliche Entziehungen so geschmälert waren, daß ihre Trümmer den früheren Beamtenorganismus nicht mehr ertrugen 78 . Dazu kam, daß seit dem 12. Jahrhundert der eigene Wirtschaftsbetrieb fast ganz aufhörte, wodurch die Beamten vorwiegend auf Rechnungs- und Einnehmergeschäfte beschränkt, die eigentlichen Wirtschaftsbeamten aber überflüssig wurden. Die den Domänenämtern (fisci) von Karl dem Großen zur Aufsicht und zugleich zur Handhabung der niederen Gerichtsbarkeit vorgesetzten Amtmänner (iudices), jetzt meistens „Schultheißen" oder „Vögte" genannt, erhielten sich nur, wo sich ihr Amtssitz zu einer Stadt erweitert hatte, während auf dem platten Lande ihre Befugnisse in die Hände der Meier übergingen, die durch die allmähliche Erweiterung der einzelnen Höfe zu Dörfern aus bloßen Hofvorstehern zu Dorfschultheißen mit Centgerichtsbarkeit geworden waren. Die Reichswälder standen unter Förstern, denen Forstmeister oder Forstgrafen (meistens vom Reiche mit ihrem Amte belehnt) vorgesetzt waren. Die Einsetzung einer höheren Verwaltungsinstanz nach Art der karolingischen Amtmänner wurde erst wieder üblich, als die Umbildung der Immunitäten zu grundherrlichen Grafschaften aufkam 79 . Nun wurde überall, wo größere Krongutsbestände in der Nähe vereinigt waren, oder wo der König das Recht besaß, für die Besitzungen einer Kirche den Vogt zu ernennen, zu der Einrichtung von Reichsvogteien geschritten, am frühesten in Zürich, wo die dortigen Pfalzgüter mit den ausgedehnten Besitzungen der Reichsabtei Fraumünster und der Reichspropstei Großmünster (St. Felix und Regula) schon in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts zu einer bedeutenden Reichsvogtei, seit dem zehnten Jahrhundert auch die freien Leute vom Zürichberge umfassend, vereinigt wurden 80 . Die Reichsvögte waren mit der

78

Von diesen Landfriedensgerichten, die regelmäßig auch mit einer gewissen Civilgerichtsbarkeit verbunden waren, wird bei der Darstellung der Gerichtsverfassung zu handeln sein. " Vgl. S. 191. " Über das Folgende vgl. u. a. LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben I. 726 ff. MAUBBB, Fronhöfe I I . 439 ff. LOEESCH, Ingelheimer Oberhof, S. L X X I I I F F . " Vgl. S. 379. ,0 Vgl. v. W Y S S , Die Reichsvogtei Zürich, i. d. Zeitschr. f. Schweiz. Becht XVII. 3 ff. Die Stiftsvogtei von St. Gallen wurde durch Friedrich I. für das Reich

§ 45.

489

Die Fürsten und Reichsbeamten.

Oberverwaltung der Krongüter und der Handhabung der gräflichen Gerichtsbarkeit, auf Reichsgütern überhaupt mit der Wahrnehmung der Grafschaftsrechte, betraut. Soweit dieselben dem Herrenstande angehörten und mit ihrem Amte belehnt waren, zählten sie als „Burggrafen" zu dem älteren Reichsfürstenstande 81 . In der Regel wurden aber die Reichsvögte nur auf Widerruf und ohne Verbindlichkeit finden Thronfolger angestellt, meistens auch nur Ministerialen bedacht, so daß der Amtscharakter gewahrt blieb. Die Ausbildung des Städtewesens hatte dann vielfach die Trennung der Reichsvogteien in Stadt- und Landvogteien zur Folge 82 . Während die Reichsvogteien in den Städten vielfach verschwanden, indem die Gemeinden die Vogtei selbst erwarben, nahmen die Reichslandvogteien seit dem Ende des 13. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung 83 . Die von Rudolf I. ins Werk gesetzte, von seinen Nachfolgern weiter geförderte Revindikation der seit 1245 abhanden gekommenen Reichsgüter uud Reichslehen ließ eine feste Ordnung der Verwaltung und Aufsicht als dringendstes Bedürfnis erscheinen. So kam es, namentlich unter Albrecht I., zu der Errichtung der großen Landvogteien von Oberund Niederschwaben, Ober- und Niederelsaß, Wetterau, Nürnberg und Rotenburg a. d. Tauber. In Norddeutschland, wo der Krongüterbestand zu gering war, sah man von der Bildung eigener Landvogteien ab; die wenigen hier vorhandenen Reichsgüter wurden der Aufsicht und Verwaltung einzelner Fürsten anvertraut. Den Landvögten (iudices s. advocati provinciales) wurden nicht nur die Reichsgüter und Einnahmen, sondern auch die Reichslehen und die von der Auflösung der Gauverfassung übrig gebliebenen Trümmer ehemaliger Grafschaften unterstellt. Hier walteten sie als Grafen, aber nur kraft ihrer Bestallung als Reichsbeamte, nicht kraft eigenen Rechts. Vielfach wurden die Landvögte auch zu Landfriedenshauptleuten ernannt, doch scheint dies, entgegen der herrschenden Ansicht, zu dem Amte der Landvögte nicht notwendig gehört zu haben 94 . Im Laufe des 15. Jahrhunderts lösten sich die Landvogteien, nachdem sie ihren Boden völlig verloren hatten, wieder auf. erworben und hieß seitdem Reichsvogtei, obgleich sie sich nur auf stiftisclic Güter bezog. Vgl. v. WYSS, Zeitschr. f. Schweiz. Recht XVIII. 168. 81

V g l . FICKEB, R e i c h s f ü r s t e n s t a n d 82.

82

So u. a. bei der Reichsvogtei in Zürich, von der unter Friedrich II. verschiedene, zum Teil später von der Stadt erworbene Landvogteien abgezweigt wurden. Die Landvogtei Uri befand sich vorübergehend im Besitz des Grafen Rudolf von Habsburg, später wurde sie von Beamten verwaltet. 8;l Vgl. TEÜSCH, Die Reichslandvogteien in Schwaben und Elsaß zu Anfang des 13. Jahrhunderts, Bonn. Inaug.-Diss. 1880. KÜSTER, Das Reichsgut in den Jahren 1271—1313,

Leipz. Inaug.-Diss.

1883,

S. 17 ff., 7 3 — 8 5 .

BÖHMER, D i e

Reichsland-

vögte in der Wetterau, i. d. Archiv f. hess. Gesch. I. 337 ff. EICHHORN, St. u. RG. II.

401.

a. a. 0 .

P.

F.

STALIN,

Gesch.

Württembergs

I.

720.

SCHENK

ZU

SCHWEINSBERG,

WIPPERMANN, Zeitschr. f. deutsch. R. XVI. 68 f. 81 Vgl. WYNEKEN, Die Landfrieden in Deutschland von Rudolf I. bis Heinrich VII., Gött. Inaug.-Diss. S, 64 ff. TEÜSCH, a. a. O. 29 f., 56 ff. Als Landfriedenshauptleute wurden die Landvögte zuweilen auch Landgrafen genannt.

Das Mittelalter.

490 §. 46. mit

Der

Reichstag1.

Die

alte Verbindung

der allgemeinen Heeresversammlung

des Lehnsstaates und der Feudalmiliz

des

Reichstages

(S. 145) war mit dem Wesen

unvereinbar.

Nur noch zuweilen,

wenn es sich um Kriegszüge handelte, welche die Einsetzung der gesamten Volkskraft notwendig machten, wähnenswert,

gesprochen habe 2 . mehr.

hielten die Geschichtschreiber es für er-

daß auch das versammelte Heer

seine Zustimmung aus-

Seit Ende des 10. Jahrhunderts ist davon keine Rede

Der Reichstag des Mittelalters ist aus der Notabelnversammlung

hervorgegangen, die schon unter den Karolingern den eigentlichen Schwerpunkt des Reichstages gebildet hatte.

Von den gewöhnlichen Hoftagen,

wie sie die Könige zu den vier hohen Jahresfesten oder Hochzeiten (Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Marien Geburt) regelmäßig

um

sich

ver-

sammelten 3 , sind die eigentlichen Reichstage, obwohl auch sie zunächst nur der erweiterte königliche Hof waren,

zu unterscheiden.

Geschäfte

von geringerer Bedeutung oder bloß provinzieller Natur wurden auch auf den kleineren Hoftagen erledigt, wo es sich aber um des ganzen Reiches Nutz und Frommen handelte, erging die Ladung an die Gesamtheit der Fürsten aus allen Teilen des Reiches.

Darum hieß der Reichstag generalis

oder universalis conventus, generale colhquium fmhd. spräche), später curia generalis, universalis, regalis, sollemniscolloquium

curiale. Zuweilen wur-

den auch die italienischen Fürsten zu deutschen, die deutschen zu italienischen Reichstagen geladen, um dort über Angelegenheiten ihrer Heimat zu verhandeln 5 ,

im allgemeinen

wurde

aber die Trennung der beiden

Reiche auch hinsichtlich der Reichstage festgehalten tage

wurden

5a .

Auch die Reichs-

mit Vorliebe an die großen Jahresfeste angeknüpft, docli

lag hier alles im Belieben des Königs. Ursprünglich 1

WAITZ, VI.

war es diesem überhaupt anheimgegeben, 312—354.

GIESEBRECHT, I .

283.

I I . 69 f.

ob er mit

GÜBA, D e r

deutsche

Reichstag i. d. Jahren 911—1125, Hist. Studien XII. 1884. WACKER, Der Reichstag unter den Hohenstaufen, ebd. VI. 1882. H. EHRENBERG, Der deutsche Reichstag i. d. Jahren 1273—1378, ebd. IX. 1883. W. SICKEL, Zur Geschichte des deutschen Reichstags im Zeitalter des Königtums, i. d. Mitteil. d. österr. Instituts, Ergänzungsband I. FICKEB, Fürstliche Willebriefe und Mitbesiegelungen ebd. III. 1—62. LAMPRECHT, Die Entstehung der Willebriefe und die Revindikatiou des Reichsgutes unter Rudolf I., i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XXI. 1 ff. WEIZSÄCKER, Deutsche Reichstagsakten (von 1376—1431), 9 Bände. 2

V g l . GÜBA, 44 f .

Es galt als eine selbstverständliche Pflicht aller Fürsten der Provinz, in welcher der König gerade Hof hielt, die Feste in Gemeinschaft mit dem Könige zu begehen. Einer Einladung dazu bedurfte es nicht. 4 Mit „curia sollemnis" wurden gelegentlich auch bloße Hoftage, wenn sie unter besonderen Feierlichkeiten stattfanden, bezeichnet. Vgl. WACKER, 3 f. 5 Vgl. den bekannten Ausspruch Friedrichs II.: cum ibi dt Alemanie curia, tibi persona nostra et principes impei'ii nostri consistunt (HDII.LARD-BR£HOLIJES , Historie dipl. Friderici secundi II. 630). 6a Die Rechtsbücher heben hervor, daß die deutschen Fürsten nur zum Besuche der Reichstage innerhalb des Reiches verpflichtet seien. Ssp. III. 64, § 1. Schwsp. Laßb. 138. Vgl. dagegen WACKER, 27 f. s

§ 46.

491

Der Reichstag.

oder ohne Reichstag regieren wollte, kraftvolle Herrscher haben den Reichstag seltener, schwächere ziemlich regelmäßig berufen. Aber schon Heinrich I I . erklärte es für eine Pflicht des Königs, sich des Beirates der Fürsten zu bedienen, Heinrich IV. und Heinrich V. gaben ausdrückliche Versprechungen in dieser Richtung ab und seit Lothar I I I . galt es geradezu als ein Verfassungssatz, daß allgemeine Staatsangelegenheiten nicht ohne Mitwirkung des Reichstages erledigt werden konnten. Nicht selten kam es dann auch vor, daß Zeit und Ort des nächsten Reichstages durch Reichstagsbeschluß festgestellt wurden, doch war dies für den König nicht bindend. Die Berufung des Reichstages blieb immer das freie Recht des Königs, nur mußte er sich, solange er keinen Reichstag berief, nach dem späteren Reichsrecht aller Regierungshandlungen, die der Mitwirkung desselben bedurften, enthalten. Es kam vor, daß der König einen von ihm selbst anberaumten Reichstag im Stiche ließ, was allerdings als eine schwere Kränkung der Fürsten angesehen wurde und diese zum Ungehorsam reizte 6 . Unter Umständen sandte der an persönlichem Erscheinen verhinderte König einen Bevollmächtigten, der statt seiner mit dem Reichstage verhandelte 6a . Für die Fürsten galt die königliche Einladung als Befehl; unentschuldigtes Ausbleiben wurde als ein Bruch der Lehnspflicht (Hoffahrtspflicht) und der Treue angesehen und zog Verlust der Gnade des Königs nach sich, falls der König nicht eine bestimmte Geldstrafe auf den Ungehorsam gesetzt hatte 7 . Unter schwachen Herrschern hielt es oft schwer, einen vollständigen Reichstag zusammenzubringen oder die Ausgebliebenen zur Verantwortung zu ziehen 8 . Immer hatte der König das Dispensation srecht; einzelne Fürsten erhielten sogar das Privileg, nur bestimmte Reichstage besuchen, von allen übrigen sich fernhalten zu dürfen 9 . Zuweilen entschuldigten sich die Ausgebliebenen wegen fehlenden Geleites 10 . Weisem Ausbleiben entschuldigt hatte, konnte sich im späteren Mittelalter durch einen bevollmächtigten Boten oder einen seiner Mitstände vertreten lassen. Die staufische Zeit kannte eine derartige Vertretung noch nicht, sondern behandelte die Ausgebliebenen als nicht vorhanden. Die Berufung des Reichstages konnte nur durch den König oder den Reichsverweser geschehen u . Die Berufungsschreiben enthielten die Mit-

6 Über wiederholtes Ausbleiben Heinrichs IV. vgl. GUBA, 23 f. Am rücksichtslosesten war Sigismund, dessen UnZuverlässigkeit das Reich auf das schwerste geschädigt hat. Vgl. Windeckes Leben Sigmunds, c. 104, 140, 220, 252. Vgl. Anm. 8. 0 a Vgl. Windecke, c. 220.

'

V g l . W A I T Z , 3 3 8 f.

WACKER,

20, 22

ff.

SICKEL, 2 2

ff.

FRANKLIN, S e n t .

cur.

reg. Nr. 30 f. Ssp. III. 64, § § 1, 2, Schwsp. Laßb. 138. 8 So wiederholt unter Sigismund. Vgl. Windecke, c. 157, 199, 210, 252, 311, 313, 323. 9

10 11

V g l . WAITZ, 3 4 0 .

WACKER,

18,

26.

Vgl. Anm. 21. Windecke, c. 210. Ssp. III. 64, § 1 spricht nur von den „mit ordelen", d. h. auf Beschluß eines

492

Das Mittelalter.

teilung vun Zeit, Ort und Zweck der Versammlung. Die Angabe der Rechtsbücher, daß zwischen der Berufung und dem Gestellungstage eine sechswöchentliche Frist liegen müsse, entsprach dem thatsächlichen Gebrauche, der durchaus unregelmäßig war, nicht l ä . Einladungen ergingen in dringenden Fällen an die weitesten Kreise, im 15. Jahrhundert auch an die Edeln und Ministerialen, sowie die Reichsstädte 1S. Sonst war es die Regel, daß nur die hervorragenderen Fürsten persönlich berufen wurden, andere Personen nur, wenn ihr Erscheinen besonders erwünscht w a r u . Dies galt namentlich auch von den Reichsstädten, die schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wiederholt zu den Verhandlungen über den Landfrieden, seit dem 14. Jahrhundert vielfach auch zu anderen Reichstagsgeschäften zugezogen wurden, aber eine anerkannte, dem guten Willen des Königs und der Fürsten entzogene Reichsstandschaft, wie sie sie in Anspruch nahmen, während des Mittelalters noch nicht besaßen 15 . Da die Verhandlungen der Reichstage in der Regel öffentlich waren, so konnten sich auch Vertreter der Städte auf denselben einfinden, eine aktive Teilnahme stand ihnen aber, wenn sie nicht besonders geladen waren, ebensowenig wie den regelmäßig anwesenden Reichsministerialen zu. Welche Stellung die Mitglieder des Herrenstandes (Grafen und Herren) in dieser Beziehung eingenommen haben, bedarf noch genauerer Untersuchung. Daß an den Reichstagsverhandlungen regelmäßig auch Edele teilnahmen, dürfte ebenso zweifellos sein, wie sich andererseits von selbst versteht, daß dieselben in einer Versammlung, wo die Stimmen nicht gezählt, sondern gewogen wurden, gegenüber den Fürsten nie eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Im wesentlichen war doch der Reichstag eben die Versammlung der Reichsfürsten 15 , von denen auch diejenigen, die keine Einladung erhalten hatten und daher nicht zu erscheinen verpflichtet waren, jederzeit das Recht der aktiven Beteiligung besaßen. Dies Recht stand ihnen persönlich in ihrer Eigenschaft als Reichsfürsten zu, die Verbindung der Reichsstandschaft mit bestimmten Territorien war dem Mittelalter noch unbekannt. Hof- oder Beichstages, ergangenen Berufungen, doch bedurfte es dessen nicht, der König konnte dieselben auch aus eigener Machtvollkommenheit ergehen lassen. 12 Vgl. § 47, Nr. 17 a. Über den Gebrauch zurZeit des Sachsenspiegels, an den dieser anknüpfen mochte, vgl. WACKER, 18. 13 Vgl. Windecke, c. 253, 322. u Über die Berufung von Personen, welche die Reichsstandschaft nicht besaßen, aus besonderem königlichen Vertrauen vgl. SICKEL, a. a. 0 . 18 ff. Selbstverständlich konnten dieselben immer nur als Berater in Betracht kommen, aber kein eigentliches Stimmrecht beanspruchen. 15 Über diese vielbestrittene Frage vgl. BEÜLCKE, Die Entwicklung der Reichsstandschaft der Städte, 1Ö81. KEUSSEN, Die politische Stellung der Reichsstädte, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Reichsstandschaft unter Friedrich III., Bonn. I n a u g . - D i s s . 1885.

EHRENBEBG, a. a. O. 4 4 — 5 1 .

GOTHEIN, Der g e m e i n e P f e n n i g auf

dem Reichstage von Worms, Bresl. Inaug.-Diss. 1877. Auf den italienischen Reichstagen nahmen die lombardischen Städte eine hervorragende Stellung ein. ,6 ' Vgl. Anm. 5.

§ 46.

Der Reichstag.

493

Die Bestimmung des Ortes, au dem sich der Reichstag zu versammeln hatte, war dem Belieben des Königs anheimgegeben. Selbst di« Anordnung der Goldenen Bulle (c. 28), daß jeder neue König seinen ersten Reichstag zu Nürnberg halten solle (anknüpfend an das Reichsherkommen seit Rudolf I.), war nicht unbedingt verbindlich ,6 . In Italien war es üblich, daß der König, sobald er gelegentlich seiner Romfahrt mit dem Heere über die Berge gekommen war, auf den ronkalischen Feldern bei Piacenza einen Reichstag abhielt 17 . In Deutschland fanden die Reichstage ursprünglich mit Vorliebe in den Bischofsstädten, später regelmäßig in den Reichsstädten, wegen der damit für den König verbundenen finanziellen Vorteile, statt 18 . Tür die Unterbringung der Gäste und ihres Gefolges hatten der Reichsmarschall und der Reichskämmerer zu sorgen. Die Pflicht, allen die erforderliche Herberge zu gewähren, lastete auf der Reichsstadt, in der man sich versammelte, in bischöflichen Städten in erster Reihe auf dem Fürsten, dem die Stadt gehörte 19. Seinen Unterhalt hatte jeder selbst zu bestreiten; die Fürsten erhoben dafür in der Regel besondere Abgaben von ihren Unterthanen. Der König mit seinem Gefolge erhielt den Unterhalt von der Stadt oder dem Bischof 20 . Für das Ceremoniell bei der Eröffnung der Reichstage enthielt die Goldene Bulle von 1356 (c. 26—28) bestimmte Vorschriften. Der Friede während der Dauer der Versammlung, sowie auf der Reise zu und von den Reichstagen war durch erhebliche Strafandrohungen für jeden Friedensbruch geschützt 20,a. Wo es erforderlich war, hatte der König den Gästen das nötige Geleite zu gewähren 21 . Den Vorsitz in den Versammlungen nahm der König ein, wenn er nicht ausnahmsweise einen Stellvertreter damit beauftragt hatte. Der König pflegte die Verhandlungen einzuleiten und weiterhin persönlich in dieselben einzugreifen. Die Verhandlungen bewegten sich überwiegend in den gerichtlichen Formen von Frage, Urteil und Folge. Gesetzgeberische Akte kleidete mau gern in die Form von Urteilen, so daß sie als Weistümer erschienen. Zuweilen trugen die Beschlüsse des Reichstages auch den Charakter von Verträgen, namentlich bei den Landfriedensgesetzen. Die in der folgenden Periode hervortretende Sonderung der Reichsstände bei den Verhandlungen und Abstimmungen war dem Mittelalter noch unbekannt Vi . Bei den Abstimmungen galt wohl erst seit Ende des 13. Jahrhunderts das Majoritätsprinzip, doch wurden zunächst nur die Stimmen der angesehensten Fürsten berücksichtigt. Waren 16

Vgl. Windecke, c. 351 f., 360. Vgl. Otto Frisingensis, gesta Friderici II. c. 12. WAITZ, 336. 18 Vgl. § 48, N. 19. 19 Dabei gab es vielfache Befreiungen von der Einquartierungslast auf Grund königlicher Privilegien. 17

20

Vgl.

§ 48, N . 20.

WAITZ, V I I I . 2 2 7 ff.

GDBA,

20» V g l . FRANKLIN, S e n t . cur. reg. N r . 3 4 . 21

Vgl.

22

Anderer Meinung EHBENBERG, 59.

Anm.

10.

GÜBA, 2 4 f .

W A C K E R , 3 0 f.

36.

Das Mittelalter.

494

diese einig, so kam es auf den Dissens der geringeren Reichstagsmitglieder, auch wenn sie an Zahl überwogen, nicht mehr an. Soweit der Reichstag als Hofgericht fungierte, wird seine Thätigkeit erst bei der Darstellung der Gerichtsverfassung zu erörtern sein. Im übrigen waren seine Aufgaben überaus mannigfaltig, auch nachdem der Reichstag aufgehört hatte, ein bloßer Beirat des schließlich nach selbständigem Ermessen entscheidenden Königs zu sein. Im späteren Mittelalter war zwischen dem, was dem Konsensrecht des Reichstages unterlag, und dem, was ihm bloß zur Begutachtung oder Bezeugung oder gerichtlichen Bestätigung vorgelegt oder um der höheren Feierlichkeit willen im Reichstage vorgenommen wurde, zu unterscheiden. Da es an jeder festen verfassungsmäßigen Grenzlinie fehlte und die augenblicklichen Machtverhältnisse immer in erster Reihe maßgebend waren, so ist das konkrete Reichsrecht in dieser Beziehung schwer zu ermitteln, zumal die königlichen Diplome die erfolgte Zustimmung der Fürsten auch da, wo es sich nur um eine bloße Begutachtung handelte, unterschiedslos hervorzuheben pflegen. Im allgemeinen ist ein wirkliches Konsensrecht des Reichstages anzunehmen: bei der Reichsgesetzgebung 23 , der Reichsheerfahrt 2 4 , der Romfahrt 26 , bei Reichsstfeuern26, Veränderungen in dem Bestände der Reichsfürstentümer 87 und allen bedeutenderen Verträgen mit auswärtigen Staaten oder dem Papst 28 . Die Neuverleihung heimgefallener Reichslehen, die Erteilung von Privilegien und die Verfügung über Reichsgüter gehörte an sich in den eigenen Machtbereich des Königs 20 , da dieser aber die wohlerworbenen Rechte Dritter nicht beeinträchtigen durfte, so waren derartige königliche Verfügungen unter Umständen der Anfechtung ausgesetzt. Dem zu entgehen, bedienten sich die Könige auch hier in der Regel des Reichstages, indem sie sich durch Reichstagsurteil die Berechtigung zu der beabsichtigten Verfügung erteilen ließen; ein derartiges Urteil hatte, wenn nicht sofort Widerspruch erhoben wurde, allen Anfechtungsberechtigten gegenüber die Wirkung eines Kontumazialurteils, machte also die Verfügung unanfechtbar. Im übrigen bedurften solche Verfügungen der Zustimmung des Reichstages zu ihrer Gültigkeit nicht, der Konsens hatte also nur eine materielle, keine formelle Bedeutung. Die Zustimmung der Fürsten wurde in dem Text der königlichen Diplome seit dem 12. Jahrhundert nur noch summarisch hervorgehoben, die einzelnen Zustimmenden wurden dann 23 26 27

24

Vgl. § 53. Vgl. § 48. V g l . WACKER,

7 8 f.

Vgl. § 47.

EHNENBERG, 8 3 .

25

Vgl. Windecke, c. 266, 311.

FRANKLIN,

Sent.

cur. reg. Nr.

58—61.

Hierher gehörte namentlich die Erhebung nichtfürstlicher Territorien zu Reichsfürstentümern (S. 479) und die Errichtung neuer Reichskirchen. 28 Vgl. WACKER, 68 ff. Siehe jedoch Windecke, c. 139. 29

V g l . WACKER, 7 8 f., 8 1 , EHRENBERG, 71 u n d f ü r a l l e s F o l g e n d e

angeführte Untersuchung von FICKER. 43, 48,

56.

die A n m . 1

Siehe auch FRANKLIN, Sent. cur. reg. Nr. 38 f.,

§ 47.

Das Reichsheerwesen.

495

aber in der Zeugenreihe n a m h a f t gemacht. Häutig wurden auch besondere Verbriefungen seitens der Zustimmenden erteilt, sei es in Form von Gesamtwillebriefen, oder durch Ausstellung einzelner Willebriefe. Auf diese Weise konnten auch solche F ü r s t e n , die dem Reichstage nicht angewohnt hatten, ihre Zustimmung aussprechen, was seit dem 13. J a h r hundert, wo allgemeine Reichstage n u r noch selten vorkamen, von besonderer Bedeutung wurde. I n der zweiten Hälfte des 13. J a h r h u n d e r t s kamen diese Willebriefe der einzelnen Fürsten wieder außer Gebrauch, dagegen wurde es üblich, die Diplome von den Zustimmenden mitbesiegeln zu lassen. Dabei traten zunächst die drei geistlichen Kurfürsten in den Vordergrund, bis unter Rudolf I. das ausschließliche Zustimmungsrecht der sämtlichen Kurfürsten, und zwar als altes Gewohnheitsrecht, reichsgesetzlich anerkannt wurde 3 0 . Seitdem bildeten die Willebriefe der Kurfürsten eine verfassungsmäßige Voraussetzung f ü r alle derartigen Verfügungen des Königs, während von einer Mitwirkung des Reichstages dabei keine Rede mehr war. Nach der Goldenen Bulle von 1356 (c. 12) sollten die Kurfürsten alljährlich vier Wochen nach Ostern in einer jedesmal von dem Könige zu bezeichnenden Reichsstadt ad tractandum de ipsius irnperii orbisque salute zusammenkommen, als solche qui solidae basss imperii et columnue immobiles, quemadmodum per longinquas ad invicem terrarum consistunt distantias, ita de incumbeiitibus regionum sibi cognitarum defectibus referre simul et conferre noverunt sunisque providentiae saae comiliis non ignorant, aevommodatis talium reformationibus salubriter qperam dare. Offenbar handelte es sich um ein von den K u r f ü r s t e n in Erinnerung an den K u r verein von Rense von 1338 verlangtes Zugeständnis, das der König aber ausdrücklich n u r auf Widerruf machte (hac nostra ordinatione ad nostrum ac ipsorum duntaxat beneplacitum duratura). Thatsächlich ins Leben getreten sind diese regelmäßigen Kurfürstentage nicht, n u r in eigenen Angelegenheiten, zur Bekräftigung und Erweiterung der Einung von 1338, sind die Kurfürsten auch fernerhin noch wiederholt zusammengetreten 3 1 . § 47. D a s R e i c h s h e e r w e s e n 1 . Die Heeresverfassung des deutschen Reiches im Mittelalter hat drei E n t w i c k l u n g s s t u f e n durchgemacht. Bis zum 12. J a h r h u n d e r t hat der König noch das unbeschränkte Aufgebots30

V g l . R e i c h s w e i s t u m v o n 1281, MG. L e g . II. 435.

31

Vgl.

1

Vgl.

EICHHORN, S t . - u . R G . I I I . §

40.

WAITZ,

VIII.

FRANKLIN, a. a. O. N r . 43.

3 1 2 f.

95—215.

EICHHORN,

St.-

u.

RG.

§§

294,

437.

HOMEYER, System des Lehnrechts 376 ff. BALTZER, Zur Geschichte des deutschen Kriegswesens in der Zeit von den letzten Karolingern bis auf Friedrich II., Straßb. Inaug.-Diss. 1877. SPANNAGEL, Zur Geschichte des deutschen Heerwesens vom 10. bis 12. Jahrhundert, Leipz. Inaug.-Diss. 1885. ROSENHAGEN, Die Reichsheerfahrt von Heinrich VI. bis Rudolf I., 1885. WEILAND, Die Reichsheerfahrt von Heinrich V. bis Heinrich VI. nach ihrer staatsrechtlichen Seite, Forsch, z. deutsch. Gesch. VII. 113—174. LINDT, Beiträge zur Geschichte des deutschen Kriegswesens in der staufischen Zeit, Tüb. Inaug.-Diss. 1881. KÖPKE, Widukind von Korvei 101 ff. v. FÜRTH,

496

Daa Mittelalter.

recht; er bestimmt in alter Weise die Stärke der Kontingente 2 ; neben den Reitertruppen finden sich noch, namentlich im Osten, bedeutende Massen von Fußtruppen. Das Heer trägt bis zu einem gewissen Grade noch den Charakter des Volksheeres. Auch die eidliche Verpflichtung, die namentlich unter Heinrich I V . den einzelnen Kriegern auferlegt wird, entspricht uralter germanischer Sitte 8 . Seit Heinrich V. hat der König das Aufgebotsrecht nur noch unter der Mitwirkung des Reichstages, mit dessen Zustimmung die Stärke des Heeres, die Verteilung der Kontingente, Ort und Zeit des Zusammentrittes festgestellt wird 4 . Das Heer besteht nur nocli aus Reitern, es trägt den Charakter einer Feudalmiliz 6 . I m 15. Jahrhundert dringt das Söldnerwesen in das Heer ein". Neben den Reitern gelangen die Landsknechte zu einer hervorragenden Bedeutung. Die der folgenden Periode angehörige Umbildung der Heeresverfassung bereitet sich vor. Das Aufgebot erging nur an die Reichsministerialen und Reichslehnsmannen persönlich. Für beide Klassen beruhte die Heeresfolge auf ihrer persönlichen Dienstpflicht. I m übrigen wurden nur die Fürsten aufgeboten; die ihnen vorgeschriebenen Kontingente zu stellen war ihre Sache. Die Verpflichtung der Fürsten war eine staatsrechtliche, sie beruhte weder auf dem Lehnsbande, noch auf dem eidlichen Versprechen, das während des 12. Jahrhunderts (später seltener), sobald der Reichstag die Heerfahrt beschlossen hatte, den einzelnen Kontingentsherren abgenommen zu werden pflegte 7 . Die Verpflichtung der Fürsten beruhte auf ihrer Stellung als Grafen. Hatten die Grafen früher nur die Pflicht gehabt, die Wehrpflichtigen der Grafschaft, soweit dieselben nicht unter Senioren standen, aufzubieten, so hatte das karolingische Stellvertretungssystem (S. 151) allmählich dahin geführt, daß die freien Bauern dem Ministerialen 215 ff. BALDAMUS, Das Heerwesen unter den späteren Karolingern (GIERKE, Untersuchungen I V . 1879). JAHNS, Zur Geschichte der Kriegsverfassung des deutschen Reiches, Preußische Jahrbücher X X X I X . 1—28. MAUKER, Gesch. d. Fronhöfe i n . 390 ff. 5 Nur nicht mehr, wie früher (S. 150 f.), nach VermögenBkategorien. 3 Vgl. S. 30. - WAITZ, 99 f. Eidliche Verpflichtung der in Schlachtordnung aufgestellten Holsteiner in Helmoldi chronica Slavorum I. c. 68. * Vgl. WACKEB, Reichstag 63, 66 f. WEILAND, 116. Nur darf man sich nicht auf Sachs. Lehnr. 4, § 1: mit ordelen, beziehen, da hier nicht von dem Aufgebot der Fürsten, sondern von dem ihrer Mannen die Rede ist. Üblich -war übrigens die Zuziehung der Fürsten zur Beratung einer beabsichtigten Reichsheerfahrt schon im 10. und 11. Jahrhundert. V g l . WAITZ, V I . 349. V I I I . 98. 5 Die althochdeutschen Glossen geben ebensowohl Belege für das alte Volkslieer wie für die Feudalmiliz, wenn sie falanx mit fendeo multitudu und cuncus mit folch oder heriganozcaf (STEINMEYER U. SIEVERS, I. 143. II. 439, 758), dagegen aciein mit wassi, wassum (ebd. II. 592) wiedergeben. 8 Der „Ritterspiegel" (s. § 42, N . 48) hält es V. 2221—2248 für nötig, die Vorzüge der „Mannschaft" vor den Söldnern hervorzuheben. 7 Es war charakteristisch, daß der Eid nicht mehr von allen, wie noch unter Heinrich IV., sondern nur noch von den Kontingentsherren verlangt wurde.

§ 47.

Das Reichsheerwesen.

497

Grafen eine Beisteuer zahlten, wofür er es übernahm, die militärische Vertretung zu beschaffen. Je mehr das Yolksheer dem Ritterheere wich, desto größer wurde die Zahl der grafenschatzpflichtigen Freien, die gegen eine feste Abgabe an ihren Grafen von jeder Teilnahme an der Reichsheerfahrt entbunden waren8. Andererseits haben sich solche Freie, denen ihre Verhältnisse die Ableistung des vom König verlangten Rossedienstes aus eigenen Mitteln gestatteten, durchaus grafenschatzfrei erhalten. Sie galten daher im Gegensatze zu den Pfleghaften als freie Herren und wurden, da die Übung des Rossedienstes sie zu Rittern machte, den Edelu beigezählt. Soweit sie nicht als große Grundherren Seniorenrechte übten, nahmen sie in alter Weise in dem Aufgebote ihres Grafen oder Reichsvogtes an der Heerfahrt teil9. Durch die Vorteile, welche das Lehnswesen bot, mußten diese letzten Reste der karolingischen Heeresverfassung mehr und mehr verschwinden; die meisten dieser Edeln zogen es vor, sich ihres Allodialbesitzes zu entäußern und in die Reihen der mit Lehen bezahlten Soldritter überzutreten10, nur die friesischen Ethelinge hielten zum Teil noch im 16. Jahrhundert ihre ursprüngliche, durch keinen Lehnsdienst beeinflußte Stellung im Heere fest11. Wie bei diesen Edeln, so trug auch bei den Städten die Wehrpflicht noch einen staatsrechtlichen Charakter, nur daß sie als Korporationen aufgeboten wurden und es ihnen anheimgegeben war, die ihnen auferlegte Mannschaft herbeizuschaffen. Die Mannschaften der Reichsstädte standen unter den Reichsvögten, die der fürstlichen Städte unter ihrem Fürsten. Über das Schicksal der ehemaligen Senioren sind wir wenig unterrichtet. Die große Mehrzahl derselben muß schon in der karolingischen Zeit in Lehnsverhältnisse getreten sein; wir haben sie unter den Reichslehenbesitzern und den Vassailen der Fürsten zu suchen. Allein ganz ausgegangen sind die allodialen Grundherren nicht12. Wir wissen, daß sie unmittelbar von Reichs wegen aufgeboten wurden13,. also mit ihrem eigenen Banner im Felde erschienen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ihnen ebenso wie den Fürsten und Städten ein bestimmtes Kontingent aufgegeben wurde, für dessen Beschaffung sie selbst zu sorgen hatten. Daß die Heerfolgepflicht der Fürsten ebenso wie die der Senioren und Städte auf rein staatsrechtlicher Grundlage beruhte, ergibt sich mit Bestimmtheit aus der Behandlung der Dienstverweigerung. Denn während der Lehnsmann, der seinem Herrn den Dienst weigerte, sich einer Felonie schuldig machte und mit Entziehung des Lehns bestraft wurde14, galt 9 Vgl. ANM. 11. 10 Vgl. S. 427 f. Vgl. S. 433 f. MAUBEB, Fronhöfe III. 395. Vgl. S. 427. RICHTHOFEN, Untersuchungen II. 1041 ff., 1046, 1058 f. Daher wurden die friesischen Edeln noch im 15. Jh. als herlinge oder Harlinge, entsprechend dem alten exercitalis öder langob. hariman, bezeichnet. Vgl. a. a. 0. 1040 f. 18 Vgl. S. 421, N. 9. 8

11

,3

Vgl.

SPANNAGEL, a. a. O. 18.

WEILAND,

136.

MADBEB, F r o n h ö f e I I I . 391.

Auch der Schwabenspiegel (Lehnr. 8) kennt Personen, die keine Lehen vom Reiche haben und doch von diesem zur Heerfahrt entboten werden. 14 Vgl. S. 406. Otto Fris. gesta Friderici II. c. 12. II. F. 24, § 7. HOMEYBB, 506, B. SCHBÖDIB, Deutsche Bechtegeschlohto.

32

Das Mittelalter.

498

der Reichsfürst, der dem König die Heeresfolge versagte, als reus maiestatis und verfiel der Acht 16 . Ob der König sich im einzelnen Falle eine Ablösung des Dienstes durch Zahlung einer Heersteuer gefallen lassen wollte, war seinem Ermessen anheimgegeben, die Fürsten hatten kein Recht darauf16. Andererseits konnte der König jederzeit Dispensationen von der Heeresfolge erteilen. Einzelne Reichsfürsten besaßen Privilegien, kraft deren sie ein- für allemal nur an bestimmten Heerfahrten teilzunehmen brauchten17. Die Angabe der Rechtsbücher, daß zwischen der Zustellung des Aufgebotes und dem Gestellungstermin eine bestimmte Frist liegen müsse, entsprach den thatsächlichen Verhältnissen nicht17". Die einzelnen Kontingente des Reichsheeres trugen, von den wenigen ritterlichen Allodialbesitzern und den Mannschaften der Städte abgesehen, seit dem 12. Jahrhundert durchaus den Charakter der Feudalmiliz. Dies zeigte sich schon in der Festsetzung der einzelnen Kontingente nach Gleven (Speeren, Ritterpferden), worunter man einen Ritter mit Marsclipferd und Streitroß und zwei bis drei leichtbewaffneten, ebenfalls berittenen Knechten verstand18. Jeder Fürst stellte die ihm obliegende Mannschaft durch Aufgebot seiner Vassailen und Ministerialen, die ihrerseits wieder in derselben Weise ihre Mannen aufzubieten hatten19. Wieviel Ritterpferde von jedem verlangt werden konnten, richtete sich nach Lehnsvertrag oder Herkommen. Die einschildigen Ritter (S. 385) stellten nur eins, wobei das spätere Mittelalter je nach der Größe des den Herrn begleitenden Gefolges zwischen „Rittern" und „Knappen" unterschied20. Wer nicht die genügende Anzahl von Mannen in seinem Dienst hatte, mußte Soldritter werben, um seiner Pflicht zu genügen. Wenn ein Lehnsmann mehrere Herren hatte, so brauchte er nur dem, der ihn zuerst aufgeboten hatte, zu folgen, indem er dem anderen, zur Entschädigung 15 So der Erzbischof Hartwich von Bremen nach Helmoldi chron. Slavorum I. c. 82, vor allem "aber Heinrich der Löwe. Die richtige Auffassung über das Vergehen des letzteren, das zu seinem Sturz fährte, in der Anm. 1 angeführten Untersuchung von WEILAND, 175 — 188. Vgl. auch WAITZ, 146, der freilich das Prinzip nicht anerkennen will. Über die wesentlich stärkere Heranziehung der geistlichen Fürsten zu den Kriegsleistungen vgl. FICKEB, Sitz.-Ber. d. Wien. Ak. 1872, 404 ff. 19 Nur dem König von Böhmen machte Friedrich II. das Zugeständnis, zwischen Heeresfolge und einer bestimmten Geldeutschädigung wählen zu dürfen. 17 Die Marken hatten nur nach bestimmten Richtungen Heeresfolge zu leisten, da ihre eigentliche Aufgabe der Grenzschutz war. Vgl. Sachs. Lehnr. 4, § 1. Auct. Vet. I. § 10. Daraus erklärt sich das gleiche Privileg für die zum Herzogtum Österreich erhobene bairische Ostmark. Vgl. BEBCHTOLD, Landeshoheit Österreichs 121 f. Volle Befreiung bestand für die Beiohsabteien Werden und Benedictbeuern; für St. Maximin und Stablo hatten die mit Klostergütern belehnten Stiftsvögte den DieDst zu leisten. Auch Städte wurden nicht selten gegen eine Heersteuer von der Heerfolgepflicht befreit, so daß sie nur landwehrpilichtig blieben. 17 • Es verhielt sich damit ebenso wie bei den Reichstagen. Vgl. S. 492.

V g l . B A L T Z E B , a . a. 0 . 7 8

ff.

S C H I L L E B U. L Ü B B E S , M i t t e l n d . W B .

I I . 119 f.

Das Aufgebot der Lehnsmannen mußte nach Rücksprache mit den Mannen im Lehnshof (sententialiter, mit ordelen) verkündigt werden. Vgl. Auct. Vet. I. § 9. 20 Vgl. S. 430, N. 51. Sachs. Lehnr. 4, § 1. 19

§ 47.

Das Reichsheerwesen.

499

eine Heersteuer (hostenditium, adoha) zahlte 21 . Dieselbe Art der Ablösung stand ihm zu, wenn er aus anderen Gründen verhindert war, seine Pflicht persönlich zu erfüllen 22 . Wer sich ohne Grund dem Lehnsdienst entzog, verwirkte sein Lehn 2 3 . Nach den Rechtsbüchern beanspruchten die Vassalien, nur innerhalb der Grenzen des Eeiches oder bei der Romfahrt, d. h. einer Heerfahrt „über den Berg" nach Italien, verwendet zu werden 24 . Daß dieser Anspruch eine reale Grundlage gehabt haben sollte, ist nicht anzunehmen; ein Zugeständnis in dieser Richtung würde das Reich zu Angriffskriegen gegen das Ausland unfähig gemacht haben. Jeder Yassall hatte sich mit seiner Ausrüstung und für die ersten sechs Wochen auch mit dem nötigen Proviant zu versehen. Weiterhin lag die Unterhaltspflicht den einzelnen Kontingentsherren ob. Das Futter (fodrum) wurde in der Regel im Wege der Requisition beschafft; in Italien bestanden besondere Futtermärkte. Die das Heer mit einem ungeheuern Troß belastende Mitschleppung des Proviants hörte seit Heinrich IV. auf. Seitdem wurde auch hierfür das Requisitionssystem eingeführt; in den rheinischen Gegenden richtete man Proviantmärkte ein. Die vom Kriegsdienst befreiten Kirchen und Klöster waren zu Naturallieferungen an das Heer verpflichtet. Wasser, Gras (Heu) und Holz mußte dem durchziehenden Heere überall unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden24®. Einquartierungen kamen äußerst selten vor, die Unterbringung der Truppen in Lagern bildete durchaus die Regel. Seit dem 13. Jahrhundert wurde es mehr und mehr üblich, den Fürsten von Reichs wegen eine Geldbeihilfe zu gewähren. Ebenso wurden Geldunterstützungen an die Vassalien und Ministerialen immer mehr zu einem feststehenden Gebrauche. Die Ordnung des Heeres nach Stämmen wurde beibehalten25. Solange die Stammesherzogtümer bestanden, hatte jeder Herzog die Führung über sämtliche Truppen seines Stammes. Später zerfiel das Heer nur in die einzelnen Kontingente, deren Herren als Bannerherren ein eigenes, von dem Reichsbanner verschiedenes Banner führten. Ob die unter den Reichsvögten stehenden Reichsdienstmanngn, Reichslehenbesitzer und reichsstädtischen Kontingente noch einem Oberkommando, etwa dem des Pfalzgrafen, unterstanden, läßt sich nicht mehr ermitteln. Der Reichs2 1 Sie bestand in einem bestimmten Teil der Lehnserträge eines Jahres. Vgl. Sachs. Lehnr. 46, § 2. II. F. 40, § 2. HOMEYER, 381. 2 2 Ein Recht darauf hatten belehnte Frauen (Sachs. Lehnr. 34, Schwab. Lehnr. 63), Geistliche, die nicht Fürsten waren (Schwab. Lehnr. 63), und alle zur Romfahrt Entbotenen (Sachs. Lehnr. 4, § 3). In allen anderen Fällen kam es auf die besondere Sachlage an. Der Herr seinerseits hatte ein Recht auf Heersteuer immer nur, wenn der zur Heerfahrt aufgebotene Mann nicht Folge leistete. Ein Wahlrecht zwischen Heeresfolge und Heersteuer stand dem Herrn an sich nur gegenüber seinen Ministerialen, nicht aber gegen die freien Vassalien, zu. Vgl. BALTZER, 43 f. 23

Vgl. Anm. 14.

24

V g l . HOMEYER, 3 7 9 f.

» Vgl. MAURER, Fronhöfe III. 399 f. 2 5 Das von den Schwaben beanspruchte Recht des Vorstritts war nicht durch24

w e g anerkannt.

V g l . BALTZER, 1 0 5 f.

32*

Das Mittelalter.

500

marschall war Quartiermeister und hatte die Aufsicht über den inneren Dienst des Heeres. Die Führung des Heeres war Saclie des Königs oder des von diesem ernannten Anführers. Grenzkriege wurden in der Regel unter Führung eines Markgrafen oder Herzogs unternommen. Über das versammelte Heer hatte der König freie Verfügung, er konnte es nach seinem Ermessen bei den Fahnen behalten26 oder entlassen2'; er war in den ersten Jahrhunderten selbst berechtigt, es auch gegen einen andern Feind, als gegen den es ursprünglich mit Rat der Fürsten bestimmt war, zu führen28, doch hörte diese Befugnis selbstverständlich auf, seit der Reichstag das volle Konsensrecht in betreff der Reichsheerfahrt erlangt hatte. Zur unmittelbaren Landesverteidigung, auf erhobenes Landgeschrei oder Gerücht29, mußte auch ferijerhin jeder, der eine Waffe zu führen vermochte, mitwirken30. Die Befreiung von der Heerfahrt bedeutete keine Befreiung von dieser allgemeinen Unterthanenpflicht. Eine festere Organisation hat die Landwehr nur in der schweizerischen Eidgenossenschaft und in Ditmarschen erhalten. Für das Befestigungswesen wurde seit Heinrich I. in größerem Maße Sorge getragen, die Befestigung größerer Wohnplätze überhaupt erst von diesem eingeführt30®. Das Recht, von Reichs wegen Burgen anzulegen, stand dem Könige ursprünglich im ganze Reiche, später nur noch auf Reichsboden und in den geistlichen Fürstentümern, seit dem Statutum in favorem principum von 1231 aber nur noch auf Reichsboden zu. Die Verpflichtung zu dem sogenannten Burgwerk, d. h. zu den Arbeiten bei dem Bau und der Unterhaltung der Burgen, galt noch als eine Unterthanenpflicht der Umwohner. Die Kommandanten waren in der Regel belehnte Burggrafen. Den Besatzungsdienst versahen Burgmannen, gewöhnlich aus dem Stande der Ministerialen, die gegen Empfang eines Burglehns zu dieser Art von Diensten verpflichtet waren31. Wurden ganze Burgen verliehen, so konnte sich der Lehnsherr das öffnungsrecht, d. h. das Benutzungsrecht im Kriegsfälle, vorbehalten. Eine entscheidende Veränderung im Reichskriegswesen wurde durch die Hussitenkriege herbeigeführt. Schon vorher hatte der Sieg der schweizerischen Volkswehr über den Herzog von Österreich in der Schlacht bei Sempach (1386) und so manches andere Ereignis das Vertrauen auf die Feudalmiliz erschüttert. Neben den Lehnsmannen zählte das Reichsheer 86 Die beschränkenden Aussprüche der Rechtsbücher, wonach die Mannen überhaupt nur sechs Wochen zu dienen brauchten (vgl. HOMEYER, 3 7 9 ) , können höchstens den Sinn gehabt haben, daß über diese Zeit hinaus besondere Belohnungen für den fortgesetzten Dienst erwartet wurden. 27 Ein bezeichnendes Beispiel in Windeckes Leben Sigmunds, c. 139. 28

30

V g l . W A I T Z , 1 0 6 f.

!

» V g l . S. 29, N .

4.

Vgl. WAITZ, 108 ff. Ssp. II. 71, §§ 3, 4. Schwsp. Laßb. 253. 30a Über Reichsburgen vgl. MAURER, Fronhöfe I I . 1 5 1 — 1 9 2 . F R F Y , Schicksale des königl. Hausguts 285 if. 81 Vgl. S. 394, N. 56.

§ 47.

Das Reichsheerwesen.

501

schon seit Friedrich I. zahlreiche Soldritter, namentlich aber um Sold geworbene Schützen (soldarii, brabanciones, sariandi, d. h. servientes)32, deren Wert nunmehr, nach Erfindung des Feuerrohrs, doppelt in die Augen fallen mußte. Dazu kam, daß es seit dem 13. Jahrhundert immer mehr üblich geworden war, die Abneigung der Fürsten und ihrer Vassailen gegen alle Reichskriege durch Geldbeisteuern von Reichs wegen zu bekämpfen. Es war daher nur ein weiterer Schritt auf dem schon eingeschlagenen Wege, wenn der Nürnberger Reichstag von 1422 von einem Aufgebot zur Reichsheerfahrt in dem bisherigen Sinne ganz Abstand zu nehmen beschloß, dafür aber eine direkte Vermögenssteuer (den hundertsten Pfennig) ausschrieb, die zur Aufstellung eines Söldnerheeres verwendet werden sollte; für diejenigen Reichsstände, die den gemeinen Pfennig ablehnten (es waren dies namentlich die Städte), wurde zum erstenmal eine gesetzliche Heeresmatrikel, als Grundlage für die Bestimmung ihres Kontingents, aufgestellt33. Was 1422 nur teilweise zur Ausführung kam, hatte einen ziemlich allgemeinen Erfolg auf dem Frankfurter Reichstage von 1427 und dem die Beschlüsse desselben ausführenden Nürnberger Tage von 14293*. Auch diesmal wurde ein gemeiner Pfennig ausgeschrieben36, dessen Ertrag zur Beschaffung eines Reichssöldnerheeres zur Bekämpfung der Hussiten diente. Von dem gewöhnlichen Aufgebot wurde ganz abgesehen, nur die Kurfürsten wurden verpflichtet, eine bestimmte Zahl von Schützen und in Gemeinschaft mit einigen anderen Fürsten und Reichsstädten Kanonen und anderes Kriegsmaterial zu stellen, auch den übrigen Reichsständen wurde empfohlen, nach Möglichkeit für Feuergewehre und Schützen zu sorgen. Für das Reichssöldnerheer wurde eine Reihe von Artikeln aufgestellt, die sich teils auf das Dienstverhältnis, teils auf die innere Disziplin bezogen36. Den im Felde Befindlichen wurde von Reichs wegen vollster Friede in ihrer Heimat zugesichert. Jeder Mann sollte auf eigene Kosten und in eigener Verpflegung leben, nur ein mäßiger Bedarf von Heu oder Stroh durfte unentgeltlich genommen werden, im übrigen sollten Requisitionen von Futter und Proviant zwar in Notfällen gestattet sein, aber nur gegen eine von den Hauptleuten festzusetzende Entschädigung. Immer sollten je zehn Gewappnete unter einem Hauptmann, je 100 wieder unter einem höheren Hauptmann stehen, und so fort bis zu den beiden vom König ernannten obersten Haupt-

38

Vgl.

SPANNAGEL,

a. a. O. 7 1 ff.

DU CANOE,

Glossarium

s. v .

Brabanciones,

Serviens, Solidata. 33 Vgl. Windeckes Leben Sigmunds, c. 157. 31 Vgl. ebd. c. 223, 224, 227, 233, 252. 255. Jede Person geistlichen Standes sollte eine Vermögenssteuer von 5°/0 bezahlen, alle übrigen Klassen eine Kopfsteuer (der Graf 25 fl., der Freie 15 ii., der Eitter 5 fl., der Edelknecht 3 fl., der Jude 1 fi., jeder über 15 Jahre alte Christ 1 böhmischen. Groschen, bei einem Vermögen von mehr als 200 fl. aber '/»—1 fl.). 36 Windecke, c. 223.

502

Das Mittelalter.

leuten. Die Mannschaft sollte in der Weise zusammengesetzt sein, daß immer auf drei Gewappnete (Ritter) ein gerüsteter Schütze kam. Jeder vierte oder fünfte Gewappnete sollte von Adel sein. Die Hauptleute waren zugleich als Unternehmer gedacht, in der Weise, daß jeder, der neun Gewappnete (und drei Schützen) mitbrachte, der geborene Hauptmann derselben war und für sie den Gesamtsold nebst einem Unternehmergewinn ausgezahlt erhielt. Die Soldverhältnisse wurden gesetzlich geregelt. Das Lösegeld für die Gefangenen sollte den auf eigene Kosten und Verpflegung ausgezogenen Söldnern persönlich zufallen, während die von ihrem Herrn ausgerüsteten und unterhaltenen Mannen dasselbe dem Herrn zu überlassen hatten. Die hier geschilderten Reichstagsbeschlüsse von 1422 und 1427/2& hatten zunächst nur eine vorübergehende Bedeutung. Eine prinzipielle Veränderung der Heeresverfassung haben sie weder bezweckt, noch auch zunächst zur Folge gehabt. Aber sie sind bereits vollständig von den Reformideen des 16. Jahrhunderts erfüllt und waren deshalb hier genauer ins Auge zu fassen, als dies ihnen bei ihrem sonstigen Charakter zukommen würde. § 48. Das F i n a n z w e s e n 1 . Die der fränkischen Periode noch durchaus anhaftende Unfähigkeit der Unterscheidung zwischen dem Staatsvermögen und dem Privatvermögen des Staatsoberhauptes war zwar auch im Mittelalter noch vorherrschend, nach manchen Richtungen hin sah man sich aber infolge der veränderten Verfassung des Reiches und seiner Teile bereits zu Unterscheidungen veranlaßt. Vor allem bei dem Übergange des Reiches auf ein neues Königshaus erkannte man die Notwendigkeit, die Hausgüter des letzten Königs von dem, was er an Reichsgütern und sonstigen Einnahmequellen des Reiches besessen hatte, zu trennen 2 . Verfügungen des Königs über Reichsgut erfolgten nach einem von den Königen wiederholt beobachteten Gebrauche meistens unter der Zustimmung des Reichstags oder der Kurfürsten 3 , während ihm Verfügungen über sein Hausgut freistanden, soweit dieselben nicht der Mitwirkung der Erben oder der Genehmigung der Landstände unterlagen 4 . Durchaus entsprechend unterschied man bei den weltlichen Fürsten ihren 1

Vgl. S. 1 8 1 ff. W A I T Z , VIII. 2 1 6 — 4 1 4 . EICHHORN, St. u. RG. II. 4 0 1 - 4 1 « . RG. §§ 2 6 9 — 2 7 2 . G I E R K B , Genossenschaftsrecht II. 5 6 9 ff. 2 Vgl. WAITZ, VIII: 239ff., 244, 254. Keichsurteil Lothars III. von LL?5 (Annal. S. Disib. MG. Scr. XVII. 23) über die Frage, wem die eingezogenen Güter der Reichsächter oder die gegen Reichsgüter eingetauschten Besitzungen gehörten: potius regiminis svbiacere ditioni, quam regis proprietati. Vgl. Dipl. Friedrichs II. v. 1235 (§ 40, Anm. 25). 3 Vgl. S. 494 f. WAITZ, VIII. 243. FRANKLIN, Sententiae curiae regiae Nr. 48. LAMPRECHT, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XXI. 11 ff. Die Notwendigkeit der kurfürstlichen Zustimmung stand seit Ende des 13. Jahrhunderts fest. 4 Der Reichslehenbesitz des königlichen Hauses wurde, wenn er un verliehen blieb, zu unmittelbarem Reichsgut. "WALTER,

§ 48.

Das Finanzwesen.

503

Reichslehenbesitz von den allodialen Gütern und den nicht vom Reiche herrührenden Lehen. Anders war es hei den geistlichen Fürstentümern. Hatte in der fränkischen Zeit der Gedanke, daß alles Eeichskirchengut Eigentum des Reiches sei6, nur hinsichtlich der Klöster seine volle Anerkennung gefunden, während sich hei den noch aus der römischen Zeit herrührenden bischöflichen Kirchen die römisch-rechtliche Auffassung von der juristischen Persönlichkeit der Kirche im wesentlichen zu erhalten vermochte, so war dem deutschen Mittelalter jede derartige Unterscheidung fremd. Ihm galten die Besitzungen der Reichskirchen, der bischöflichen Kirchen ebenso wie der Klöster, schlechthin als Eigentum des Reiches 6 , und ein Unterschied wurde nur insofern gemacht, als dem Könige keine Verfügung über die Bistümer zustand 7 , während er die Klöster wie unmittelbares Reichsgut veräußern, verpfänden, verleihen und sich die bedeutendsten Eingriffe in ihr Vermögen erlauben, namentlich ihre Güter zur Förderung des Reichskriegsdienstes an Laien zu Lehen geben konnte 8 . Erst unter Friedrich II. kam aus lehnrechtlichen Gesichtspunkten 9 auch hinsichtlich der Reichsabteien der Satz zur G e l t u n g : quod non liceat ulli successorum nostrorum Romanorum regi seu imperatori, principatum aliquem — ab imperio aliquo modo alienare, sed omnes imperii principatus in suo iure et

honore illesos observare10. Ursprünglich galt die Kirche selbst, d. h. der fundus ecclesiae, als im Eigentume des Reiches befindlich, alle übrigen Güter und Rechte waren Zubehör der Kirche; auf diese bezog sich die königliche Investitur, durch die dem investierten Kirchenfürsten das lebenslängliche Eigentum übertragen wurde 11 . Dagegen unterschied man seit dem Wormser Konkordat von 1122 die Kirche samt den dazu gehörigen Spiritualien von den ihr zustehenden weltlichen Gütern und Rechten. Während die Übertragung der ersteren zu einem kirchlichen Internum wurde n , nahm die dem Reiche vorbehaltene Investitur mit den weltlichen 5

Ygl. S. 204 f., 207. Das ist gegen alle entgegenstehenden Ansichten, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, nachgewiesen von F I C K E R , Das Eigentum am Beichskirchengute, Sitz.-Her. der Wiener Akademie, 1872, 8. 55—146, 381—450. Nur teilweise zustimmend W A I T Z , VII. 189 ff., VIII. 244 f. 6

'

V g l . FRANKLIN, a . a. 0 .

Nr.

5 8 f.

WAITZ, V I I .

1 9 9 f.

FICKER, a. a. 0 .

105.

8

Vgl. W A I T Z , VI. 7 6 , 7 8 , 8 1 . VII. 1 8 9 f f . VIII. 2 4 5 . F I C K E R , a. a. 0 . 8 8 f . , 411 ff. Seit dem 12. Jh. begegnen derartige Eingriffe nicht mehr, dagegen wurden die Äbte in zahlreichen Fällen genötigt, auf Befehl des Königs Kirchengut zu Lehen zu geben, namentlich auch an Laienfürsten oder an den König selbst. Vgl. F I C K E B , 4 1 4 f. 9 Vgl. S. 394. 10 Beichsurteil von 1 2 1 6 (MG. Leg. II. 2ü7). Vgl. F R A N K L I N , Nr. 6 0 , 6 1 . F I C K E R , a. a. ( ) . 8 9 f. Über gewisse Beschränkungen des älteren Eechts vgl. W A I T Z , VII. 1 9 2 f. 11

12

Vgl.

FICKER, 79

ff,

420.

Dies bezog sich jedenfalls auch auf den Kirchenzehnten, den schon Karl d. Gr. für eine allgemeine Pflicht erklärt hatte (Syn. Francof. v. 794, c. 25, Capit. de part. Sax. c. 17, B O B E T I U S , I. 76, 69), aber ohne damit vollständig durchzudringen. In unserer Periode haben die Bischöfe den Zehnten überall durchgesetzt, auch wo

504

Das Mittelalter.

Gütern mehr und mehr einen lehnrechtlichen Charakter an13. Das Recht des Reiches am Reichskirchengute wurde zu einem lehnsherrlichen Obereigentum, wobei aber daran festgehalten wurde, daß schlechthin aller weltliche Besitz der Kirchen, auch wenn er nicht vom Reiche herrührte, als reichslehnbar zu gelten habe14. Yor empfangener Investitur hatte der Erwählte sich jeder Verfügung, selbst der Erteilung von Lehnserneuerungen, zu enthalten16. Aber auch nach der Investitur bedurfte er zu jeder Veräußerung, Verpfändung oder Lehnserrichtung, sowie zur Kontrahierung von Schulden, die auch den Nachfolger binden sollten, der Genehmigung des Königs16. In Fällen der Felonie trat bei den geistlichen Fürsten statt der Privation, die den weltlichen Lehnsmann und seine Descendenten traf, die Regaliensperre ein, die den ganzen weltlichen Besitz der Kirche,, ohne Unterschied der Erwerbstitel, bis zur Begnadigung des Schuldigen oder bis zur Investitur seines Nachfolgers in die Hand des Königs brachte17. Diese Verhältnisse blieben während des ganzen Mittelalters dieselben, nur in den finanziellen Leistungen der Reichskirchen ließ Friedrich II. durch Beseitigung des Spolienrechts und Beschränkung des Regalienrechts auf die eigentlichen Hoheitsrechte eine Herabminderung eintreten18. Das dem Könige ursprünglich an allen Orten des Reiches, wo er gerade Hof hielt, für die Dauer seines Aufenthaltes zustehende Recht, die verliehenen Hoheitsrechte (namentlich Gericht, Münze, Zoll, Geleitsrecht u. dgl.) auf er bisher gar nicht anerkannt oder durch eine feste Abgabe ersetzt gewesen war. Nur die neubekehrten Wenden waren nicht dafür zu gewinnen. Um so größer war das Interesse der Kirche an der deutschen Kolonisation, da die Kolonisten sofort zehntpflichtig waren. Überhaupt spielte der von allem neu in Anbau genommenen Lande zu entrichtende Rott- oder Neubruchzehnt eine hervorragende Rolle. Die königlichen Ginnahmen blieben zehntfrei, soweit sie nicht durch besonderes Privileg zehntpflichtig gemacht waren. Die zwischen den Bischöfen und Klöstern entstandenen Streitigkeiten um den Zehnten wurden teils durch Richterspruch, teils durch gütliche Vermittelung der Könige in der verschiedensten Weise beglichen, vielfach in der Art, daß die Klöster neben der Zehntfreiheit ihrer eigenen Hofgüter den Zehnten von den Herrenhöfen (Salzehni'•) erhielten. Der auf den karolingischen Kirchenlehen lastende zweite Zehnt fnonaj war in Abgang gekommen (vgl. S. 159). Häufig fanden Verleihungen, Verpfandungen, selbst Veräußerungen von Kirchenzehnten an Laien seitens der Bischöfe und Klöster statt. Der dagegen von Päpsten und Konzilien erhobene Kampf hatte nur einen beschränkten Erfolg und vermochte namentlich die verliehenen Zehntrechte nicht zu beeinträchtigen. Über alles dies vgl. WAITZ, VIII. 347—371. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben I. 113—122, 608 ff. 13

16

14

V g l . S . 3 8 7 f., 4 8 3 .

V g l . FICKER, a. a . O. 139.

Vgl. FICKER, 134. Ssp. 111.59, § 1. Otto Fris. gest. Frid. II. c. 28. FRANKLIN, Nr. 110. 16

V g l . FICKER, a . a . O . 137 ff. FRANKLIN, a . a . O . N r . 9 8 — 1 0 8 , 1 1 1 - 1 1 3 ,

115,

116, 120. Besonders bemerkenswert eine Entscheidung Albrechts I. von 1300 (Forsch, z. deutsch. Gesch. XII. 456. FICKER, 138), weil sie ausdrücklich auch die bona allodialta miteinschließt. Da der König an den in seinem Schutze befindlichen Cisterzienser- und Prämonstratenserklöstern derartige Rechte nicht besaß, so können diese Rechte ihren Ausgang nicht von der Schirmvogtei des Königs genommen haben. V g l . FICKER, a. a. O . 1 4 4 . » V g l . FICKER, 3 9 0

ff.

18

V g l . S. 4 0 3 ff.

§ 48.

Das Finanzwesen.

505

eigene Rechnung in Verwaltung zu nehmen, wurde von Friedrich II. auf die eigentlichen Reichstage, und zwar für die Dauer derselben und je eine Woche vor Beginn und nach dem Schlüsse, beschränkt 19 . Dazu kam die Verpflichtung der Bischöfe, den König nicht nur bei den Reichstagen, sondern überhaupt, wann und so oft er bei ihnen Hof halten wollte, in ihren Städten aufzunehmen 20 . Dafür waren sie dann, abgesehen von der Verpflichtung zu gelegentlicher Darbringung von Ehrengeschenken, von den den Reichsabteien obliegenden Jahresabgaben in Geld oder Naturalien befreit; diese Abgaben, die zuweilen nur dann zu entrichten waren, wenn der König sich gerade im Lande oder in einem bestimmten Orte aufhielt, waren von verschiedener Höhe je nach der Leistungsfähigkeit der Verpflichteten, die höchsten bis zum Betrage von 100 Pfd. Silbers21. Für die Erteilung der Investitur hatten die geistlichen Fürsten ohne Ausnahme eine hohe Abgabe zu zahlen 22 . Ferner hatten sie sich jederzeit auf Befehl des Königs zur Hoffahrt und zu Gesandtschaftsreisen auf ihre Kosten bereit zu halten 23 . Alle am Hofe lebenden Kleriker, namentlich auch der Reichskanzler und der Protonotar, 19 Thatsächlich hatte es sich, da der König an den weltlichen Höfen nie längeren Aufenthalt zu nehmen pflegte, immer nur um die bischöflichen Städte und unmittelbaren Reichsstädte gehandelt. Vgl. Ssp. III. 60 § 2 (Schwsp. L. 133): In svelke stat (des rikes) de koning kumt binnen deme rike, dar is ime ledich monie um.de toln; unde in svelke lant he kumt, dar is ime ledich dalgerichte, dat he wol richten . mut alle die klage, die vor gerichte nicht begunt, noch nicht gelent ne sin. Der in Klammern stehende spätere Zusatz sollte wohl die ausschließliche Beziehung auf die Reichsstädte feststellen. Über die Verpflichtung der nicht bischöflichen Städte vgl. FICKER, a. a. O. 396. Die Confoederatio c. princ. eccl. von 1220, c. 10, bestimmte: ne quis officialium nostrorum in civitatibus eorumdem principum iurisdictionem aliquant sive in teloneis sive in monetis seu in aliis qfficiis qualibuscunqui sibi vendicet, nisi per octo dies ante curiam nostram ibidem publice indictam, et per octo dies post eamfinitam; nec etiam per eosdem dies in aliquo excedere presumant iurisdictionem principis et consuetudines civitatis, quotiescunque autem ad aliquam civitatem eorum accesserimus sine nomine publice curie, nichil in illa iuris habeant, se.d princeps et dominus eius plena in ea gaudeat potestate. Vgl. BKRCHTOLD, Entstehung der Landeshoheit 149 ff. W E I L A N D , i. d. Histor. Aufsätzen »um Andenken an W A I T Z , 273 f. FICKER, a. a. O. 394 ff. Siehe auch Reichsurteil von 1238 (MG. Leg. II. 329. FRANKLIN, Sententiae curiae regiae Nr. 13): Obtentum, quod teloneum, moneta, officium sculteti et iudicium seculare, nec non et similia, que principes ecclesiastici recipiunt et tenent de manu imperiali et predecessorum nostrorum, sine consensu nostro infeodari non possint, cumque quilibet Imperator in indicta curia percipere debet integraliter et vacantibus ecclesiis omnia usque ad concordem electionem habere, donec electus ab eo regalia recipiat. Das Urteil bezieht sich gleichzeitig auf das Regalienrecht während des Reichstags (in indicta curia) und bei Stuhlerledigung. Magdeburg hatte 1216 Befreiung von dem ersteren erhalten. Vgl. B E B C H T O L D , a. a. O. 151. Über die erheblich weitergehenden Rechte des Königs in Italien vgl. Otto Frising., gesta Friderici II. c. 13. ao Vgl. W A I T Z , VIII. 228 ff. F I C K E R , Über die Entstehungszeit des Schwabenspiegels (Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. LXXVII, 1874, S. 795 ff.), 816 ff. ai Vgl. FICKER, Reichskirchengut 4 0 3 . WAITZ, VIII. 3 7 8 ff.

"

V g l . FICKEB, a. a. 0 .

403.

23

V g l . FICKER, a . a . a . O .

403.

Das Mittelalter.

506

waren mit Pfründen von Reichskirchen, namentlich königlichen Kollegiatstiftern, ausgestattet, meistens in der Weise, daß der König aus jedem Domkapitel ein Mitglied für den ständigen Dienst am Hofe in Ausspruch nehmen und zu dem Zweck von vornherein gewisse Pfründen selbst zu vergeben hatte 2 4 . Endlich hatte der König in dringenden Fällen das Recht, die sämtlichen Reichskirchen mit einer außerordentlichen Reichssteuer (Bede) zu belegen, die nach Verhältnis der Leistungsfähigkeit auf die einzelnen Kirchen verteilt wurde 26 . Zieht man zu allen diesen Lasten, die als servitium regis zusammengefaßt zu werden pflegten 26 , noch in Betracht, daß die Reichskirchen teils unmittelbar, teils mittelbar durch Verleihungen ihrer Güter ungleich stärker als die weltlichen Gewalten zu den Kriegsleistungen herangezogen wurden 27 , so kann man sich der Wahrheit der Bemerkung nicht verschließen, daß die ungeheuern Vergabungen der Könige an die Bistümer und Klöster im allgemeinen nicht sowohl als Freigebigkeiten, sondern zugleich als möglichst nutzbringende Anlegung von Reichsgütern in der Hand der kirchlichen Beamten gemeint waren, nachdem die Verleihungen an Weltliche wegen der durch das Lehnserbrecht herbeigeführten Gefahr der dauernden Entfremdung bedenklich geworden waren 28 . Sehr viel bedeutender für das wirtschaftliche Leben des Reiches gegenüber der vorigen Periode war das Münzwesen 29 . Zwar hat sich der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft selbst in den Städten erst im Laufe des 14. Jahrhunderts vollzogen 2Btt , aber während in der fränkischen Zeit fast nur im Westen des Rheines geprägt wurde (sonst nur noch in Regensburg, Corvey, vielleicht auch Eßlingen), kennen wir Würzburger Münzen schon von Ludwig dem Kinde, außerdem haben die späteren Kaiser aus dem sächsichen Hause und die Stammesherzöge an verschiedenen Orten des Reiches Münzstätten besessen; das 11. Jahrhundert zeigt einen starken Nachlaß, das 13. Jahrhundert dagegen schon eine Furcht

24 28

26 V g l . FICKEB, 404. V g l . FICKEB, 4 0 3 , 4 0 8 . V g l . FICKEE, 3 9 3 ff. WAITZ, V I I I . 2 2 7 .

WAITZ, V I I I . 4 0 0 f. 27 V g l . S. 4 9 8 , N . 15.

28 Vgl. FICKER, a. a. 0. 397 ff., der darauf hinweist, daß diese Vergabungen seit Friedrich II. fast ganz aufgehört haben, weil die geistlichen Fürsten mit wachsendem Erfolge bestrebt waren, ihre Lage ganz den Grundsätzen des ßeichslehenrechts anzupassen und so ihre volle Gleichstellung mit den weltlichen Fürsten herbeizuführen. 29 Vgl. S. 182 ff. Über das mittelalterliche Münzwesen vgl. WAITZ, VIII. 317 ff. EHEBEBG, Über das ältere deutsche Münzwesen und die Hausgenossen, 1879. BERCH-

TOLD, E n t w i c k e l u n g der L a n d e s h o h e i t 97 ff. EICHHORN, St.- u. R G . I I . 4 0 5 ff. DANNEN-

BERG, Die deutschen Münzen der sächs. u. fränk. Kaiserzeit, 1876. MONE, Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. II. 385 ff. III. 309 ff. VI. 257 ff. XI. 385 ff. XVIII. 175 ff. HANAUER, Etudes économiques sur l'Alsace. I. Les monnaies. 1876. ARNOLD, Verf.Gesch. d. deutsch. Städte II. 248 ff. LUSCHIN V. EBENGREUTH, Das Münzwesen in Österreich zur Zeit Rudolfs I. (i. d. Festschrift zur 600jährigen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg, 1882). 29a Vgl. ABNOLD, Gesch. d. Eigentums i. d. deutsch. Städten 206 ff. ROSCHER, Grundlagen der Nationalökonomie, 13. Aufl., § 117, Anm. 10.

§ 48.

Das Finanzwesen.

507

vor der Konkurrenz zu vieler Prägeanstalten 29b . Der Ertrag der königlichen Münzen, mit Ausnahme derjenigen am Hofe und in den Pfalzen, gehörte wohl allgemein zu den Amtseinkünften der Grafen 30 , wodurch die seit dem 11. Jahrhundert beginnenden Münzverleihungen an weltliche Große, neben den bisher allein üblich gewesenen an kirchliche Stifter, vorbereitet wurden. Die Stammesherzöge übten das Münzrecht aus, ohne daß, wie es scheint, eine besondere Verleihung stattgefunden hatte. Verleihungen an Städte kamen erst seit dem 13. Jahrhundert vor. Aber die Münzverleihungen hatten schon im 10. Jahrhundert eine viel weitergehende Bedeutung als früher, sie übertrugen nicht bloß das nutzbare Recht des Schlagschatzes, sondern das Recht der selbständigen Prägung, mit eigenem Stempel, seit dem 12. Jahrhundert sogar nach eigenem Münzfuß, wobei von Reichs wegen nur darauf gehalten wurde, wenigstens den schlimmsten Auswüchsen und willkürlichem Abweichen vom Hergebrachten entgegenzutreten 31 . Denn die Oberaufsicht über das Münzwesen war dem Reiche verblieben 33 ; auch daran wurde festgehalten, daß prinzipiell nur der König das Münzrecht besitze, jeder andere nur auf Grund königlicher Verleihung 33 , und daß die Münzen an den Reichstagsorten während der Dauer des Reichstags, diejenigen der geistlichen Fürsten auch während der Sedisvakanz, dem königlichen Regalienrecht unterworfen seien 34 . Aber schon Friedrich II. mußte den fürstlichen Münzherren das Zugeständnis machen, innerhalb ihrer Territorien keine neuen Münzstätten ohne ihre Einwilligung zu errichten 35, so daß der König in dieser Beziehung nur noch in den unmittelbaren Reichslanden freie Hand behielt. Andererseits räumte die Goldene Bulle von 1356 den Kurfürsten das Recht ein, in ihren Ländern nach Belieben Münzstätten anzulegen 36 . Der Münzfuß folgte bis zum 12. Jahrhundert im wesentlichen dem 29

b Vgl. Anm. 35, 43. Ssp. II. 26, §§ 4, 5. V g l . WAITZ, V I I . 28 ff. V I I I . 323.

81

Schwsp. L. 192 c. klagt, daß die Könige hier ihre Pflicht versäumten. Erst ein Reichsurteil Rudolfs I. von 1283 (MG. Leg. II. 443. FRANKLIN, Sententiae curiae Nr. 189) bestimmt, daß quilibet princeps imperii ecclesiasticus vel secularis, ab ipso imperio monetam tenens in feodum, ipsam monetam potius debet cudere vel cudi faciei secundum ins et consaetudinem, quibus ab antiquis temporibus de iure hactenus est gavisus, quam iuxta •voluntalem consorcium qui vulgariter huessgenoz appellantur. Vgl. LORENZ, Deutsche Geschichte II. 2, 362 f. 32 Vgl. FRANKLIN, a. a. 0 . Nr. 187—190, 192—194. 33 Vgl. Ssp. II. 26, § 4. Schwsp. L. 192 b. 364. Mainzer Landfriede von 1235 c. 7 (MG. Leg. II. 315). EHEBEBG, a. a. O. 27 f. Die Münz Verleihungen erfolgten in der Regel mit Zustimmung des Reichstags. Vgl. Reichsurteil von 1234 (MG. Leg. 11. 3 0 4 . 34 85

FRANKLIN, N r .

185).

Vgl. S. 403 ff.. 504 f. Conf. c. princ. eccl. von 1220 c. 2. Stat. in fav. principum von 1231/32 c. 6

( M G . L e g . II. 2 8 2 , 292).

R e i c h s u r t e i l e v o n 1 2 2 0 u n d 1 2 2 3 (ebd. 2 3 7 , 2 5 2 .

Nr. 179—181). Ssp. II. 26, § 4. 36 Aur. Bulla c. 10 §§ 1, 3. zugestanden worden.

FRANKLIN,

Einzelnen Fürsten war dasselbe Recht schon früher

508

Das Mittelalter.

karolingischen System. Man prägte im allgemeinen nur Silbermünzen oder versilberte Kupfermünzen 37 , neben ganzen Denarien oder Pfennigen auch halbe (Haßlinge, Heller, oboli) und viertel (Vierlinge, Vierdunge, fertones). In alter Weise wurden noch 240 Pfennige oder 20 Schillinge zu 12 Pf. (in Baiern 8 Sch. zu 30 Pf.) auf das Pfund gerechnet. Das letztere (lalentum, pondus, zuweilen auch Mark, während dies Wort in der Regel nur für das halbe Pfund verwendet wurde) war im Laufe der Zeit von 367 auf 350 Gr. gesunken. . Statt desselben gewann im späteren Mittelalter das um ein Drittel erhöhte Kölnische Pfund (zu 467 Gr.), namentlich aber das halbe Pfund, die Kölnische Mark, die Vorherrschaft. Die Kölnische Mark wurde anfangs in 160 Pf., später in 144 Pf. oder 12 Sch. ausgeprägt 38 . Goldmünzen wurden in der ersten Hälfte des Mittelalters fast gar nicht, später meistens im Anschluß an den florentinischen Goldgulden geprägt 89 . In den Münzverleihungen war das Eecht der Goldprägung nicht enthalten. Dasselbe blieb ein ausschließliches Recht des Königs und konnte nur durch ausdrückliche Verleihung auf andere übertragen werden 40 . Die Kurfürsten erhielten das Recht der Goldprägung allgemein durch die Goldene Bulle, nachdem es vorher müdem König von Böhmen zugestanden hatte 41 . Die Münzherren übten das Recht des Münzbannes aus 42 . Derselbe äußerte sich in territorialer Beziehung darin, daß der Gebrauch auswärtigen Geldes unbedingt untersagt und die Umwechselung desselben, sowie der Eintausch ungeprägter Edelmetalle nur an der Münze gestattet wurde 43 . Die Münzstätten wurden dadurch zu privilegierten Wechselbanken, die nicht nur den Zufluß neuen Prägematerials sicherstellten, sondern auch durch den bei jedem Wechselgeschäft erhobenen Schlagschatz eine bedeutende Einnahme gewährten. Für die im Besitze mehrerer Münzstätten befindlichen Münzherren war diese Einnahme vielfach der Grund, selbst innerhalb ihres Landes den einzelnen Münzen einen begrenzten Bannbezirk zu überweisen. Dem gleichen Interesse diente der Münzverruf, durch den alle älteren Münzen außer Kurs gesetzt und die Inhaber derselben an die Wechselbank verwiesen wurden 44 . War dies ursprünglich 37

Vgl. Ssp. praef. rythm. 250 ff. Schwsp. L. 192 c. Die Kölnische Mark zu 233, 85 Gr. oder 16 Loth hat bis 1857 die Grundlage des deutschen Münzsystems gebildet. Da dieselbe zu 14 Thlr. preußisch ausgeprägt wurde, so ergibt sich für den auf Grund der Köln. M. ausgeprägten Schilling ein Metallwert von ungefähr 1 •/« Thlr. 89 Vgl. Ehebkhg, a. a. 0 . 44 f. Die Wertrelation von Silber zu Gold war 1 : 8 , später 1 : 1 0 . Der Sachsenspiegel (III. 45, § I) erwähnt Goldpfennige, die das Gewicht von 3 Pf. Silbers und einen Wert von 30 Pf. Silbers hatten. In einer Urkunde von 1144 (Wirtemb. Urk.-B. II. 32, Nr. 320) wird der Wert eines Goldpfennigs zu 12 Würzburger Pfennigen angegeben. 89

40

48

48 44

Vgl. Ehebebg, a. a. 0. 44 f.

41

Aur. Bulla c. 10, § 1, § 3.

Eheberg, a. a. 0 . 5 1 — 7 7 . Vgl. Fbanklin, a. a. 0. Nr. 181, 182, 184, 186. Über das Folgende vgl.

Vgl. Ssp. II. 26, § 6.

Schwsp. I>. 192 b.

§ 48.

Das Finanzwesen.

509

nur bei einem Wechsel in der Person des Münzherrn üblich gewesen 46 , so wurde der Münzverruf allmählich zu einer fiskalischen Erpressungsmaßregel, die sich in einzelnen Territorien von Jahr zu Jahr oder noch öfter wiederholte. Nur durch das Überwiegen des Tauschhandels war eine derartige Handhabung des Münzbannes ohne vollständigen Ruin des Landes möglich. Unerträglich wurde sie mit der fortschreitenden Entwickelung der Geldwirtschaft, zunächst in den Städten. Das Reich, dessen Münzen dem landesherrlichen Münzbann nicht unterlagen und daher überall, soweit nicht spezielle Privilegien entgegenstanden, freien Umlauf hatten, hätte durch massenhafte Ausprägungen dem Übel einigermaßen abhelfen können. Da aber von dieser Seite, ebenso sehr aus Mangel an Mitteln wie an Interesse und Verständnis, nichts geschah, so blieben die Städte auf die Selbsthilfe angewiesen 48 . Zuweilen gelang es ihnen nur, den Münzherrn durch Bewilligung einer regelmäßigen Abgabe zum Verzicht auf den Münzverruf zu bewegen; in dieser Weise ist das „Münzgeld" der schlesischen und das „Ungeld" (eine Schanksteuer) der österreichischen Städte entstanden 47 . Vielfach setzten die Städte auch durch, daß ihnen ein Mitaufsichtsrecht über die Handhabung des Münzwesens eingeräumt wurde, namentlich aber gelang es seit dem 13. Jahrhundert einer großen Zahl von Städten, teils durch königliche Verleihung, teils durch Verkauf oder Verpfändung der Münzherren selbst in Besitz des Münzrechtes zu kommen. In ihrem eigenen Interesse mußten die Städte darauf halten, nur gutes Geld zu prägen und demselben ein möglichst großes Umlaufsgebiet zu sichern. Dazu dienten die Münzvereine, an denen außer den Städten mehr und mehr auch die Fürsten teilnahmen; sie begründeten einheitliche Münzsysteme unter Vereinsaufsicht und mit gleichem Umlaufsrecht für alle Vereinsmünzen. Die städtischen Münzen standen infolgedessen schon im 14. Jahrhundert in solchem Ansehen, daß die königlichen Münzprivilegien wiederholt auf dieselben als Muster verwiesen4" und die landesherrlichen Münzen nicht selten durch städtische aus dem Verkehr gedrängt wurden. Die Münzprägungen erfolgten regelmäßig nicht unmittelbar auf Rechnung der Münzherren, sondern wurden besonderen Unternehmern überwiesen, welche die Beschaffung des Prägematerials, die Herstellung und endlich auch den Vertrieb der Münzen, also das Wechselgeschäft, auf eigene Rechnung ins Werk setzten, mit dem Münzherrn aber in regelmäßiger Wiederkehr wegen der Einnahmen aus dem Schlagschatz, sowie

48

Vgl. Ssp. II. 26, § 1. Schwsp. L. 192 a.

46

V g l . EHEBEBG, a. a . 0 . 8 0 ff.

47

Zuweilen haben auch solche Städte, die selbst im Besitze des Münzrechts waren, eine feste Steuer statt der ihnen bis dahin aus dem Münzverruf zugeflossenen Einnahmen eintreten lassen. 48

V g l . EHEBEBG, a . a . O . 9 5 f.

510

Das Mittelalter.

ihrer Auslagen und Provisionen Abrechnung hielten 49 . Wo die Beschaffung des erforderlichen Silbers durch den Bergbau erleichtert wurde oder ein geringerer Handelsverkehr nur mäßige Ansprüche an die Münze machte, finden wir durchweg den mit der technischen Leitung betrauten Münzmeister zugleich als Münzunternehmer, während das regelmäßig von ihm gedungene Hilfspersonal von der geschäftlichen Beteiligung ausgeschlossen ist. Dagegen bestanden überall, wo die größere Schwierigkeit der Silberbeschaffung oder der gesteigerte Anspruch eines regeren Verkehrs die Kräfte eines Einzelunternehmers überstieg, besondere Münzergenossenschaften, seit dem 13. Jahrhundert nach dem Münzhause regelmäßig als Hausgenossenschaften bezeichnet 60 . An der Spitze derselben stand auch hier der mit der Aufsicht und Leitung beauftragte Münzmeister. Die Hausgenossenschaften sind zweifellos durch die korporative Organisation des ursprünglichen Münzerpersonals entstanden; da dasselbe an den königlichen Münzen aus Fiskalinen bestand, die bei einer Verleihung der Münze regelmäßig mitübertragen wurden, so haben die Hausgenossen vermöge der Bedeutung ihrer Stellung an dem allgemeinen Emporsteigen der Ministerialen teilgenommen; im Laufe des 13. Jahrhunderts waren die Hausgenossen überall durch Vermischung mit den altbürgerlichen Geschlechtern in dem städtischen Patriziat aufgegangen 61 . Ernannt wurden die Münzmeister und Hausgenossen in der Kegel durch den Münzherrn, oft aber nur auf Grund eines Vorschlagsrechtes der Hausgenossen. Das Amt wurde zu Lehn gegeben, gegen bedeutende Aufnahmezahlungen an den Münzherrn und die Korporationskasse. An den technischen PrägungsaTbeiten nahmen die Hausgenossen meistens nur als Leiter oder Aufseher teil, die mechanischen Arbeiten ließen sie von gedungenen Münzknechten verrichten. Zur Beschaffung des Silbers hatten sie das Wechselmonopol und ein Vorkaufsrecht bei allen Silberverkäufen. Die Gerichtsbarkeit in allen Münzangelegenheiten oder, wo diese den ordentlichen Gerichten überwiesen waien, doch die Münzpolizei, verbunden mit einer gewissen Aufsicht über das Marktwesen, Maße und Gewichte, stand dem Münzmeister zu 62 . Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts haben die Hausgenossenschaften ihre maßgebende Stellung im Münzwesen verloren, teils weil sie 49 Über das Folgende vgl. besonders EHEBERG, a. a. O. 97—176 und i. d. Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins XXXII. 444—490, sowie die bei diesem angeführte reichhaltige Litteratur. WAITZ, VIII. 339—346. ARNOLD, Verfass.-Gesch. d. deutsch. Freistädte I. 269—280. HANAUEB, a. a. O. 114—166. GIEBKE, Genossenschaftsrecht

I. 188 ff. LUSCHIN V. EBENGREUTH, a. a. O. 47 ff. MAURER, S t ä d t e v e r f a s s u n g I. 297 ff. 50

So in Augsburg, Bamberg, Basel, Erfurt, Frankfurt, Köln, Öhringen, Speier, Straßburg, Weißenburg, Wien, Worms, Würzburg. 61 In Basel gehörten die Hausgenossen nicht zu den Geschlechtern, sondern zu der Goldschmiedezunft, aus der Bie hier hervorgegangen waren. 62 Vgl. Ssp. II. 26, § 6. Schwsp. L. 192 b. Häufig war auch das Aichamt und die Verwaltung der Stadtwage mit dem Amte des Münzmeisters verbunden. Die niedere Gerichtsbarkeit über die Hausgenossen wurde von der Korporation selbst unter Vorsitz des Münzmeisters ausgeübt.

§ 48.

Das Finanzwesen.

511

jn den Sturz des Geschlechterregimentes in den Städten mithineingerissen wurden, teils weil die zunehmende Bedeutung des einheimischen Silberbergbaues die Beschaffung des Prägematerials erleichterte, so daß die Münzherren, zumal die münzberechtigten Städte, es mehr und mehr vorzogen, die Verwaltung ihres Münzwesens in eigene Hand zu nehmen. Die Zolleinrichtungen waren im wesentlichen dieselben wie in der vorigen Periode 6 3 . Die Zollverleihungen nahmen immer mehr zu, namentlich waren die Zollstätten vielfach mit den Grafschaften verbunden, so daß die Fürsten mehr und mehr anfingen, die Zölle einfach als ihre Angelegenheit zu betrachten und nach Belieben selbst Zollerhöhungen eintreten zu lassen 54 , was dann allerdings durch den Mainzer Landfrieden von 1235 c. 6 verboten wurde. Nur daran wurde festgehalten, daß die Errichtung neuer Zollstätten nicht anders als durch das Reich erfolgen dürfe 66 . Aber auch dem Reiche wurden in dieser Beziehung seit dem 13. Jahrhundert enge Schranken gezogen. Daß wohlerworbene Rechte Dritter durch die Errichtung neuer Zölle nicht beeinträchtigt werden durften, versteht sich von selbst; aber auf Grund dieses Satzes mußte sich Friedrich I I . infolge eines Reichsurteils von 1220 auch dazu verstehen, gewisse dem Grafen von Geldern in seinem eigenen Lande verliehene Rheinzölle auf Beschwerde der benachbarten Fürsten wiederaufzuheben 66 . Den geistlichen Fürsten machte die Confoederatio cum principibus ecclesiasticis von 1220 (Art. 2) das Zugeständnis, daß in ihren Territorien ohne ihre Genehmigung von seiten des Reiches keine neuen Zölle errichtet werden dürften 67 , was gegenüber den weltlichen Fürsten schon vorher gewohnheitsrechtlich festgestanden haben muß 6 8 . Außerdem versprach der König, die in den Händen 9 ff. 14

V g l . WAITZ,

LAMPRBCHT, a . a . 0 . '5

VII.

312

ff.

MAURER, a. a. O. II. 2 3 3

I . 7 3 3 ff., 8 2 4 ,

V g l . ISAACSOHN, a . a . 0 .

ff.

RIEZLER, a . a . O .

172 f.

1 4 3 5 f.

4 1 f . , 9 3 ff., 1 2 5

ff.

BOBNHAK, a. a. 0 .

154

ff.

KÜHNS,

a. a. O. I. 153 ff. Zum Teil kommen die Landvögte schon im 14. Jahrhundert vor, doch war das Bedürfnis besonderer Aufsichtsbeamten für die Vögte weniger dringend, solange die Markgrafen das Land nicht von festen Residenzen aus regierten, sondern sich abwechselnd auf ihren über das ganze Land zerstreuten Burgen aufhielten und so in alter Weise das Land persönlich bereisend die Regierung führten. Vgl. MAURER.

§ 50.

Die Territorien.

585

Von der größten Bedeutung für die Territorialverfässung war die Ausbildung der Landstände, weil sie die Einheit des Staates, zumal in Angelegenheiten der Besteuerung, der Gesetzgebung und der Rechtspflege, ganz besonders beförderten und zugleich, wenn auch zunächst im Gewände des Feudalwesens, die beschränkte Monarchie des modernen Staates vorbereiteten7fl. Das Recht, die gesamten Großen ihrer Provinz, geistlichen und weltlichen Standes, zu Hof- und Landtagen zu entbieten, übten schon die Stammesherzöge aus". An einen Zusammenhang mit den Landtagen der Stammesherzöge des fränkischen Reiches (S. 132) ist dabei nicht zu denken, wohl aber sind jene Landtage teils als die unmittelbare Fortsetzung der von den Königsboten abgehaltenen Beamtentage (S. 134), teils als Landfriedensversammlungen zu betrachten. Wie diese hatten sie die Fürsorge für den Landfrieden als ihre vornehmste Aufgabe anzusehen, daran knüpfte sich die Ausübung einer gewissen Gerichtsbarkeit, die sich bald zur höchsten Gerichtsbarkeit der Provinz erweiterte, die Beschlußfassung über Geldbeiträge und sonstige Landesleistungen zu Landfriedenszwecken, endlich die Thätigkeit einer gesetzgebenden Versammlung, ¡infangs auf Landfriedensangelegenheiten beschränkt, dann darüber a. a. O. 136 ff., 156 ff. Das Amt der Landeshauptleute war ursprünglich ein Ehrenamt, nur Ersatz ihrer Auslagen und Schäden wurde ihnen gegen jährliche Rechnungslegung gewährt. Erst im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde eine feste Besoldung eingeführt. Unter den Landeshauptleuten standen die Heidereiter (die späteren Oberförster) mit ihren Holz- oder Heideknechten (den Förstern), zeitweise auch besondere Jägermeister für die sonst mit der Porstverwaltung verbundenen markgräflichen Jagden. Vgl. ISAACSOHN, a. a. ü . 132—138. Zur Begleitung der unter landesherrlichem Geleite Reisenden waren den Landeshauptleuten Geleitsmänner untergeben. Vgl. ebd. 151 ff. 76

Vgl.

WAITZ, V I I . 3 0 9

ff.

E I C H H O R N , S t . - u . R G . I I . 4 6 6 ff. H I . 2 2 3

ff.

WALTER,

RG. I. 339 ff. S C H U L T E , RG. § 77. U N S E R , Geschichte der deutschen Landstände, 1844. K. M A U B E R , bei BLUNTSCHLI und B R A T E R , Staatswörterbuch VI. 251 ff. G I E R K E , Genossenschaftsrecht I. 534 ff. HEÜSLEB, Stadtverfassung 163 ff. F Ü R T H , Ministerialen 157—166. R O C K I N G E R , in der Einleitung zu L E R C H B N F E L D , Die altbairischen landständischen Freibriefe, 1853. R I E Z L E R , Geschichte Bayerns I. 374 f., 730 f. n . 10 ff., 167 f., 507 ff. H E S E L , Geschichte der mecklenburgischen Landstände, 1856. F A L C K , Schlesw. holst. Privatrecht II. 204 ff., 218 ff. R I E D E L , Mark Brandenburg II. 78 ff.. 1 1 2 f. K Ü H N S , Gerichtsverfassung der Mark Brandenburg II. 3 3 4 ff. S I E G E L , in den Sitz.-Ber. der Wiener Akademie C I L ( 1 8 8 2 ) S. 2 5 1 ff. L U S C H I N , Die steirischen Landhandfesten, i. d. Beiträgen z. Kunde steiermärk. Geschichtsquellen IX. F R I E S S , Herzog Albrecht I. und die Dienstherren von Österreich, i. d. Festschrift der Wiener histor. Vereine zur 600jährigen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg, 1882. J Ä G E B , Geschichte der landständischen Verfassung Tirols, 1 8 8 1 — 1 8 8 2 . BODMANN, Rheing. Altertümer 4 9 3 ff. S C H U M , Stellung des Kapitels und der Laienbevölkerung zu den Wahlen und der Verwaltungsthätigkeit der Magdeburger Erzbischöfe, i. d. Histor. Aufsätzen z. Andenken an W A I T Z , 3 8 9 ff. v. B E L O W , Die landständische Verfassung in Jülich und Berg, 1885—1886. W O H L W I L L , Anfänge der landständischen Verfassung im Bistum Lüttich, 1867. T O M A S C H E K , Recht u. Verfassung der Markgrafschaft Mähren im 15. Jahrhundert, 79 f 77

V g l . S. 537,

574.

G R A C E R T . a . a . (>. 1 1

ff.

Das Mittelalter.

586

hinausgreifend, die Provinzialgesetzgebung überhaupt umfassend. Mit der Auflösung der Stammesherzogtümer hörten die Provinziallandtage im alten Sinne auf, sie setzten sich aber in beschränkterer Weise in den Territorialherzogtümern fort, nur daß die in keiner territorialen Abhängigkeit von dem Herzog stehenden Großen ausschieden 78 . Hatten früher alle geistlichen und weltlichen Fürsten, Prälaten, Grafen, Edelherren und Ministerialen den Landtag des Herzogs besucht, so fanden sich jetzt im wesentlichen nur die vier letztgenannten Kategorien ein, die Fürsten nur, soweit sie innerhalb des Herzogtums noch Städte oder Burgen besaßen 79 . In derselben Weise wie in den Herzogtümern gab es wohl auch in den Markgrafschaften von jeher allgemeine ßotdinge zu Landfriedenszwecken, die sich dann ebenso zu wahren Landtagen entwickelten. Unter den übrigen Laienfürsten besaßen anfangs nur die Landgrafen das gleiche Recht (S. 537), während in den -geistlichen Fürstentümern die Kapitel mit der übrigen höheren Geistlichkeit und den Stiftsministerialen seit dem Wormser Konkordat das Recht der Fürstenwahl ausübten (S. 482), ein Recht, das sich im Laufe der Zeit von selbst zu einem Mitwirkungsrecht bei Revindikationen von Stiftsgütern, die der Vorgänger veräußert hatte, und schließlich zu einem Zustimmungsrecht bei derartigen Veräußerungen erweitern mußte. Daß dann mit der Ausbildung der Landeshoheit auch die übrigen Fürsten das Recht in Anspruch nahmen, die Großen ihres Landes, unabhängig von der etwaigen Lehnspflicht, zu Landtagen zu entbieten, war nur eine Konsequenz der gesamten voraufgegangenen Entwickelung, die einen Übergang der früheren herzoglichen Rechte auf die Reichsfürsten bedeutete 90 . Gegenüber dem Recht der Fürsten, die ihren Territorien durch Wohnsitz oder herrschaftlichen Grundbesitz angehörende höhere Geistlichkeit (namentlich die Vorstände der Klöster und _ Kollegiatstifter) samt den Grafen, Edelherren und Ministerialen zu ihren Landtagen zu entbieten, entwickelte sich allmählich, ganz wie im Reiche, das Recht dieser Stände, bei allen wichtigeren Landesangelegenheiten befragt zu werden, sie wurden zu Landständen. Wenn es sich dabei zunächst nur um eine beratende Stellung handelte, so wurde doch in einer Reihe von Fällen, namentlich bei jeder neuen Belastung des Landes, bei Verfügungen über Teile des Landes oder des Landesvermögens, bei Akten der Landesgesetzgebung', sowie bei Successionsfragen in betreff des landesherrlichen Hauses, den Ständen wiederholt ein wirkliches Zustimmungsrecht zugesprochen 91 . • 78 19

Vgl. Ribzlbb, Gesch. Bayerns II. 10 ff., 507.

Vgl. Schwsp. Laßb. 139. Bloß ländlicher Grundbesiiz kam für den Landfrieden und darum auch für die Landtage weniger in Betracht. 80 Die in der vorigen Anmerkung angeführte Schwabenspiegelstelle betrachtet das Recht, Hof zu gebieten, noch nicht als ein solches, das allen Pürsten gleichmäßig zustand. Über die besondere Tendenz des Rechtsbuches in dieser Beziehung vgl. Fickeb, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. LXXVII. 854 ff. 81 Vgl. F ü b t h , a. a. 0. 162 ff. MG. Leg. II. 227, 248, 250, 254, 373, 412. Reichsurteil von 1231 (ebd. 283): ut neque princijoes ueque alii quilihet constitutiones vel

§ 50.

Die Territorien.

587

Ursprünglich setzten sich die Landtage nur aus der höheren Geistlichkeit, den Grafen und Herren und den Ministerialen zusammen. Mit der vollen Ausbildung des Städtewesens gelangten auch die Städte zur Anerkennung ihrer Landstandschaft, während die Reichsstädte die Reichsstandschaft noch entbehren mußten 82 . Die eigenen Ritter oder einfachen „Edelleute" erlangten den Zutritt nicht vor dem 14. Jahrhundert 8 3 . Die bäuerlichen Gemeinden waren, von wenigen vereinzelten Ausnahmen abgesehen, von der Teilnahme ausgeschlossen. Gehoben wurde die Macht der Stände teils durch das Einungswesen, teils durch das immer wiederkehrende Geldbedürfnis der Landesherren. Das Einungswesen war namentlich von der größten Bedeutung für Ritterschaft und Städte, deren eidgenössische Bünde von der Reichsgesetzgebung unter den Hohenstaufen ohne Erfolg bekämpft wurden 84 . Indem die so Verbundenen in allen ständischen Fragen fest zusammenhielten, wußten sie die Geldnot der Fürsten, zum Teil auch politische Wirren, wie sie L. B. während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Österreich herrschten, klug zu benutzen. Die regelmäßigen Landeslasten, wie der Grafenschatz, die Lieferungen für Zwecke des Heeres (namentlich die sogenannten Heerwagen), das Burgwerk und die Verpflichtung, dem Fürsten mit seinem Gefulge und den Beamten erforderlichenfalls Herberge und Unterhalt zu gewähren, reichten trotz den von der Krone auf die Fürsten übergegangenen nutzbaren Hoheitsrechten zur Bestreitung der landesherrlichen Bedürfnisse nicht aus. Zu den regelmäßig gewordenen ordentlichen Beden, die nur auf den Städten und dem bäuerlichen Grundbesitz lasteten, gesellten sich wiederholte Notbeden, bei denen die Stände das Bedürfnis zu prüfen und die Bewilligung auszusprechen hatten 85 . Unter Umständen wurden auch solche Notbeden, wenn das Bedürfnis ein wiederkehrendes war, als regelmäßiger Zuschlag zu den ordentlichen Beden angenommen, in dringenden Fällen auch wohl von der sonst befreiten Ritterschaft mitübernommen (wie z. B. die brandenburgische Lehnbede). Jede neue Steuerbewilligung nova iura facere possint, nisi meliorum et maiorum terre consensus primitus habeatur. Landfriede Rudolfs I. von 1287, § 4 4 (ebd. 452): Swaz ouch die furste oder die lantherren in irme lande mit der herren rate sezzent und machent disem lantfriden zu bezzerwnge und zu vestenunge, daz mugen si wol tun, und damitte brechen si des lantfridis niht. Ssp. III. 90, § 3 •. Se ne mut ok nen gebot, noch herberge, noch bede, noch denest, noch nen recht wppet land setten, it ne willekore dat land. Uber Successionsangelegenheiten vgl. SCHULZE, Kecht der Erstgeburt 113 ff., 122 ff. Nach der Gold. Bulle von 1356, c. 7 , § 5 hatten die böhmischen Stände von alters her das Kecht, beim Aussterben ihres Königshauses einen neuen König zu wählen. Über das gleiche Kecht der schleswig-holsteinischen Stände MICHELSEN, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht III. 84 ff. 82 33 Vgl. S. 492. Vgl. ZALLINGER, Ministeriales und milites 64. 84 Vgl. MG. Leg. II. 254 (1224). 86 Vgl. S. 525 f. und die Anm. 76 verzeichnete Litteratur. WAITZ, VIII. 394 ff. BOENHAK, a . a . O .

9 9 ff., 2 1 8 ff. RIEDEL, a . a . 0 . I I . 1 0 8 ff. RIEZLEB, G e s c h . B a y e r n s I I .

507 ff'. BAASCH, Die Steuer im Herzogtum Baiern, Marburg. Inaug.-Diss. 1888.

Das Mittelalter.

588

aber wurde benutzt, u m weitere ständische Freiheiten zu erwerben, unter denen die vielfach ausdrücklich zugestandene Befugnis der Stände, von dem das Landesrecht verletzenden Herrn ohne weiteres abzufallen oder gar i h m mit Gewalt zu widerstehen, den Gipfelpunkt der ständischen Macht bezeichnete. In einigen Territorien, z. B. in der Mark Brandenburg, gab es neben den allgemeinen Landtagen auch Provinziallandtage, die vornehmlich zur Beratung der höheren Provinzialbeamten dienten 8 6 . §51. Die Städte1. Unter Städten sind befestigte, mit Marktrecht. Immunität und korporativer Selbstverwaltung ausgestattete Orte zu verstehen. Die deutschen wie die französischen Städte sind eine Schöpfung 86

1

V g l . ISAACSOHN, a. a . O. 110 ff.

Vgl. ARNOLD, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte, I. II. 1854; NITZSCH, Ministerialität und Bürgertum, 1859. G. L. v. MAURER, Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, I.—IV. 1869—1871. HEGEL, Geschichte der Städteverfassung von Italien II. (1847) 379—465; Historische Zeitschr. XXIV. 1—21. HECSLEB, Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1872. v. BELOW, Entstehung der deutschen Stadtverfassung, Hist. Zeitschr. NF. XXII. XXIII. ; Entstehung der deutschen Stadtgemeinde, 1889. RATHGEN, Entstehung der Märkte in Deutschland, Straßb. Inaug.-Diss. 1881. GAUPP, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters mit rechtsgesctiicbtlichen Erläuterungen, I. II. 1851—1852; Über deutsche Städtegründung, Stadtverfassung und Weichbild, 1824. HÜLLMANN, Städtewesen des Mittelalters, I.—IV. 1826 bis 1829. v. LANCIZOLLE, Grundzüge der Geschichte des deutschen Städtewesens, 1829. WILDA, De libertate Romana, qua urbes Germaniae ab imperatoribus sunt exornatae, Hall. Diss. 1831. EICHHORN, Ursprung der städtischen Verfassung in Deutschland, i. d. Zeitschr. f. gesch. RW. I. 147 ff. II. 165 ff. BARTHOLD, Geschichte der deutschen Städte und des deutschen Bürgertums, I.—IV. 1850—1853. LAMBERT, Entwickelung der deutschen Städte Verfassungen im Mittelalter, I. II. 1865. WATJTEBS, Les libertés communales, 1878. — WAITZ, V. 350ff. VII. 41 ff., 374 ff. VHI. 77ff., 282 ff. Gotting, gelehrte Anzeig. 1854, S. 41 ff. EICHHORN, St.- u. RG. II. 76 ff., 468 ff. I I I . 2 8 4 ff. WALTER, R G . § § 2 3 0 - 2 4 6 , 2 9 7 , 3 1 2 , 623 f. ZÖPFL, R G . I I 4 . § 5 5 . SCHULTE, R G . 5. A u f l . § § 8 0 , 81. SIEGEL, R G . § § 1 9 , 94. BRDNNER, in HOLTZENDOBFF'S E n c y k l o p ä d i e 236 f. GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t I . 2 4 9 — 2 8 4 . I I . 5 7 3 ff.

PLANCK, Deutsch. Gerichtsverfahren I. 21 ff. HÖNIGER, i. d. Jahrbüchern f. Nationalökonomie u. Statistik XLII. 568 ff. — GENGLER, Codex iuris municipalis Germaniae medii aevi, 1863; Deutsche Stadtrechtsaltertümer, 1863. LIEBE, Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele in den deutschen Städten, Berl. Inaug.-Diss. 1885. ROTH VON SCHRECKENSTEIN, Das Patriciat i. d. deutsch. Städten, 1857. ZEUMEB, Städtesteuern (s. § 48, N. 149). v. D. NAHMER, Wehrverfassungen der deutsch. Städte. Marburg. Inaug.-Diss. 1888. OSENBRÜGGEN, Die Gastgerichte (Studien z. deutsch, u. schweizer. RG., 1868, S. 19 ff.). — VANDERKINDERE, Notice sur l'origine des magistrats communaux et sur l'organisation de la Marke dans nos contrées, Bulletin de l'académie de Belgique XXXIII. (1874) 236 ff. BLOK, Eene bollandsche stad in de middeleeuwen, 1883. RICHTHOFEN, Untersuchungen über friesische Rechtsgeschichte I. 157FF, 173 ff., 186 ff. WENZELBUBGER, G e s c h i c h t e d e r N i e d e r l a n d e I . ( 1 8 7 9 ) 147 ff. LÖVINSON,

Beiträge zur Verfassungsgeschichte der westfälischen Reichsstiftsstädte, 1889. SEIBEBTZ. Landes- u. Rechtsgeschichte Westfalens III. 162 ff. FALCK, Handbuch des schlesw.holst. Privatrechts I. 260 ff. RIEDEL, Mark Brandenburg II. 289—357. RÖHNS, Gerichtsverfassung der Mark Brandenburg I. 175 ff. 11.181—261. ISAACSOHN, Geschichte des preuß. Beamtentums I. 175 ff., 196 ff. BORNHAK, Geschichte des preuß. Verwal-

§ 51.

Die Städte.

589

des Mittelalters; dem fränkischen Staatsrecht waren sie ebenso unbekannt wie dem altgermanischen, ein organischer Zusammenhang mit dem römischen Städtewesen hat nicht bestanden (S. 124 f.). Unstichhaltig ist auch die Ableitung der Städteverfassung aus der Fronhofverfassung und tungsrechts I. 39 (f., 139 ff. ZIMMERMANN, Versuch einer histor. Entwickelung der märkischen Stadtverfassungen I. 1837. FOCK, Rügensch-Pommersche Geschichten, II. 1862. B A B O N , De iudiciorum constitutione in veteris Saxoniae urbibus, Berl. Inaug.-Diss. 1855. T Z S C H O P P E U. S T E N Z E L , Urk.-Sammlung zur Geschichte des Ursprungs der Städte in Schlesien und der Oberlausitz (1832) 178—265. W U T T K E , Städtebuch des Landes Posen, 1864. L A M P R E C H T , Wirtschaftsleben I. 1342ff. R I E Z L E R , Geschichte Bayerns I . 7 7 4 ff. I I . 196 ff. S T A L I N , Wirtemberg. Geschichte I I . 661 ff. LDSCHIN VON E B E N G B E U T H , Geschichte des älteren Gerichtswesens in Osterreich 199 ff. B A D MANN, Geschichte des Allgäus I. 321 ff. Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins XX. 1—60. — Die kaum übersehbare Speziallitteratur über die Verfassung einzelner Städte mag hier in alphabetischer Reihenfolge nach den Städten kurz zusammengestellt werden. A a c h e n : H A A G E N , 1874. A u g s b u r g : F R E N S D O B F F , i. d. Chroniken der deutschen Städte IV. pg. XIff.; B E B N E B , in G I E B K E ' S Untersuchungen V. 1879. B a s e l : H B U S L E B , 1860. B e r l i n : S E L L O , Märk. Forschungen XVI. 1—129. XVII. 57 ff. B r a u n s c h w e i g : D Ü R B E , 1875; HANSELMANN, i. d. Chroniken d. deutsch. Städte VI. pg. X l l l f f . B r e m e n : DONANDT, 1830. B r e s l a u : M A R K G R A F u. F B E N Z E L , i. d. Cod. dipl. Siles. XI. 1882. D o r t m u n d : F R E N S D O R F F , 1882 (Hansische Gesch.-Quellen III.). E l b i n g : T Ö P P E N , 1871—73. E r f u r t : L A M B E B T , 1868; M I C H E L S E N , Jenaer Univ.-Progr. 1855. F r a n k f u r t a. M.: E U L E B , 1872; Archiv f. Frankf. Gesch. VIII. 162ff., Mitteil, d. Vereins f. Gesch. z. Frankf. I. 277 ff. F I C H A B D , 1819; R Ö M E B - B Ü C H N E B , 1855; KRIEGE:, 1871; Frankfurter Bürgerzwiste und Zustände im Mittelalter, 1862; Deutsches Bürgertum im Mittelalter, 1868; B Ü C H E R , Bevölkerung von Frankfurt im 14. 15. Jh., 1886. F r e i b u r g i. B r e i s g . : H. M A U B E R , Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins, N F . I. 170ff.

G o s l a r : W O L F S T I E G , 1885; W E I L A N D , i. d. Hansisch. Gesch.-Bl. X I I I . 3ff. ff. G Ö S C H E N , Gosl. Statuten, 1840. H a m b u r g : L A P P E N B E R G , Hamburg. Kechtsaltertümer I . (1845) pg. I I ff.; K O P P M A N N , Kleine Beiträge z. Gesch. d. Stadt H. II. 1 8 6 8 . H a n n o v e r : F R E N S D O R F F , i. d. Hans. Gesch.-Bl. XI. 3 ff. H i l d e s h e i m : D Ö B N E B , i. d. Hans. Gesch.-Bl. IX. 1 3 ff. H ö x t e r : W I G A N D , Denkwürdige Beiträge ( 1 8 5 8 ) 1 1 3 ff. I g l a u : T O M A S C H E K , Deutsch. Recht in Österreich, 1 8 5 9 . Koblenz-, B Ä R , Der Koblenzer Mauerbau ( 1 8 8 8 ) 2 — 2 1 . K ö l n : E N N E N , I. 1 8 6 3 . II. 1 8 6 5 ; H E G E L , i. d. Chroniken d. deutsch. Städte XII. pg. Iff. XIV. pg. I f f . ; i. d. Hans. Gesch.-Bl. VII. 1 1 5 ff.; H Ö N I G E B , i. d. Westdeutsch. Zeitschr. II.; L I E S E G A N G , Sondergemeinden Kölns, 1 8 8 5 ; K R U S E , i. d. Zeitschr. f. RG. XXII. 1 5 2 ff. L a n d s h u t : R O S E N T H A L , Beitr. z. deutsch. Stadt-Rechtsgeschichte I. 1 8 8 3 . L ü b e c k : F R E N S D O B F F , 1 8 6 1 ; P A U L I , Liib. Zustände I. 1 8 4 7 ; W E H B M A N N , i. d. Hans. Gesch.-Bl. II. 9 3 ff. XIII. 5 1 ff. M a g i d e b u r g : H A G E D O R N , 1 8 8 1 . M a i n z : H E G E L , i. d. Chroniken d. deutsch. Städte XVIII. ( 1 8 8 2 ) , 2 . Abt. 3 ff.; B O C K E N H E I M E R , 1 8 7 4 . M e t z : K L I P F F E L . 1 8 6 7 ; D Ö R I N G , Beiträge z. ältesten Gesch. d. Bist. Metz ( 1 8 8 6 ) 5 2 ff. M ü h l h a u s e n i. T h ü r . : STEPHAN, 1 8 8 6 . M ü n c h e n : W E H N E R , 1 8 7 6 . N ü r n b e r g : H B G E L , i. d. Chroniken d. deutsch. Städte I. pg. XIIIff. O s n a b r ü c k : S T Ü V E , i. d. Mitteil. d. hist. Ver. zu Osnabrück VIII. R e g e n s b u r g : G F R Ö R E R , i. d. Verh. d. hist. Ver. f. Oberpfalz u. liegensburg XXXVII. 1 8 8 3 . R o s t o c k : K O P P M A N N , 1 8 8 7 . S i e g b u r g : DORNBUSCH, i. d. Annal. d. hist. Ver. f. d. Niederrh. XXIII. 6 0 ff. S p e i e r : R A U , 1 8 4 4 — 4 5 ; HARSTER, i. d. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XXXVIII. XLII. S t r a ß b u r g : HEGEL, i. d. Chroniken d. deutsch. Städte VIII. 1 — 4 7 . IX. 9 5 1 ff.; W I N T E R , 1 8 7 8 ( G I E R K E , Untersuchungen L, bespr. v. S C H R Ö D E R , Zeitschr. f. RG. XIX. 2 2 2 ff.); H O R N , 1868; KRUSE, 1884 (1. Ergänzungsheft der Westdeutsch. Zeitschr.); S C H M O L L E R , 1875 (Quellen u. Forschungen XI.); B A L T Z E R , Ministerialrat und Stadtregiment in Str., XIV.

11

590

Das Mittelalter.

die Auffassung des Stadtrechts als ein gemildertes Hofrecht2, denn gerade von den freien Elementen der städtischen Einwohnerschaft, im Gegensatze zu den Hofgenossenschaften, ist die Bildung der Stadtgemeinden ausgegangen3. Ebenso unstichhaltig ist aber auch die Ableitung von den Ottonischen Privilegien und dem durch sie in die Städte eingeführten öffentlichen Beamtentum4, denn die Exemtion vom Grafengericht gehörte nicht zum Wesen der Stadt, die bloße Exemtion vom Schultheißengericht aber konnte ein Dorf noch nicht zur Stadt machen, sonst hätte es in der zweiten Hälfte des Mittelalters, wo die meisten Dorfgerichte die niedere Gerichtsbarkeit erworben hatten (S. 558 f.), fast nur noch Städte gegeben. Alle Städte waren in erster Reihe Märkte, nur im Marktrecht ist der Ausgangspunkt für die Entwickelung des Stadtrechts zu suchen6. Dasselbe Wahrzeichen, das schon in der fränkischen Periode den unter Königsbann stehenden Marktfrieden angedeutet hatte, das Marktkreuz (S. 186), wurde im Mittelalter zum Wahrzeichen der Städte. Während die offenen Märkte oder Marktflecken, d. h. Dörfer mit Jahrmarktsgerechtigkeit, das Marktkreuz nur während der Jahrmärkte aufzupflanzen pflegten6, finden wir seit dem 12. Jahrhundert in den meisten deutschen und vielen französischen Städten den Gebrauch, auf dem Marktplatz oder an verschiedenen Punkten der Stadtgrenze ein monumentales Stadtkreuz zu errichten, an dessen Stelle in norddeutschen Städten seit dem 14. Jahrhundert vielfach die sogenannten Rolandsbilder traten7. Das Stadtkreuz, häufig mit einem i. d. Straßb. Stadien II. 53ff. S t r a u b i n g : ROSENTHAL, Beitr. z. deutsch. StadtEechtsgeschichte II. 1883. T r i e r : SCHOOP, 1884 (1. Erg.-Heft der Westd. Zeitschr.). U l m : J A G E R , Schwab. Städtewesen dea Mittelalters, 1831. Wesel: R E I N H O I D , in GIBBKE'S Untersuchungen XXIII. W i e n : TOMASCHEK, 1 8 7 7 . W o r m s : SCHAUBE, i. d. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. NF. III. 257ff. W ü r z b u r g : GBAMICH, 1882. Z ü r i c h : v. WYSS, Zeitschr. f. Schweiz. Recht XVII. 3—56, 65 f. 2 Hauptvertreter dieser Ansicht NITZSCH, zum Teil auch EICHHORN und H E G E L . * Besonders energisch ausgeführt von v. BELOW. 4 Hauptvertreter ARNOLD und HEUSLER. Beide nehmen eine freie Gemeinde in den Städten an, die durch die Errichtung öffentlicher Stadtgerichte die Anregung zu korporativer Organisation empfangen habe. 6 So schon W A I T Z , VII. 377 ff., 407, 411. Vgl. RICHTHOFEN, Altfries. W B . 925. R I E Z L E R , a. a. 0. I. 776. BAUMANN, a. a. O. 321 ff. v. B E L O W , Entstehung der Stadtverfassung I. 195 ff. 8 Erst im späteren Mittelalter haben auch einzelne Marktflecken in Nachahmung des städtischen Gebrauches sich mit ständigen Marktkreuzen oder Rolandsbildern geschmückt. 7 Vgl. meine Abhandlung Weichbild, i. d. Histor. Aufsätzen zum Andenken an W A I T Z , 306 ff. Ebd. 322 f. ist der Nachweis versucht, daß die Rolandsbilder, mit denen unwissenschaftliche Forschung so vielen Unfug getrieben hat, bloße Variationen der älteren Stadtkreuze gewesen sind. Reiches Material enthält die im übrigen wertlose Arbeit von Z Ö P F L , Die Rulandssäule (Altertümer d. deutsch. Reichs und Rechts III. 1861). Vgl. KÜHNS, a. ä. 0. II. 203—213. Nachdem die Marktkreuze zu ständigen Stadtkreuzen geworden waren, pflegte man in den Städten während der Dauer der Märkte andere Wahrzeichen des Königs bannes (Fahne, Hut, Strohwisch, Schwert) alB besonderes Marktzeichen aufzustecken, eine Sitte, die sich in manchen Städten bis auf die neueste Zeit erhalten hat.

§51.

Die Städte.

591

daran angebrachten Handschuh, dem speziellen Symbol des königlichen Marktbannes, wurde als „Kreuz der Freiheit" (franche croix) oder „Freiheit", in Nord- und Mitteldeutschland aber als „Weichbild" (vnkbelde, wichbilde), d. h. Stadtbild, bezeichnet8. Daß ebendies Wort dann in abgeleiteter Bedeutung zur technischen Bezeichnung für das Stadtgebiet und den städtischen Jurisdiktionsbezirk werden konnte, dürfte den vollgültigen Beweis dafür liefern, daß die Städte im Mittelalter als eine bloße Fortbildung der Märkte aufgefaßt wurden. Zu Städten haben sich allmählich alle diejenigen Marktorte entwickelt, in denen neben den Jahrmärkten auch Wochen- und endlich tägliche Märkte abgehalten wurden9. Hier bedurfte es einer Münze und Wage, dauernder Befestigungsanlagen zum Schutze des Marktfriedens und der angehäuften Werte, hier siedelten sich Kaufleute in wachsender Anzahl, unter ihnen namentlich Juden ein hervorragendes Element bildend, dauernd an, es kam zu korporativen Bildungen der Kaufmannschaft, vor allem aber zur Bildung besonderer Stadt- und Marktgerichte 10 . Die königlichen Marktprivilegien waren seit dem 10. Jahrhundert regelmäßig mit dem Marktbann verbunden u . Während des Marktes übte der Marktherr den vollen Königsbann nach allen Richtungen, namentlich die volle Gerichtsbarkeit über alle Marktstreitigkeiten und Verletzungen des Marktfriedens, für die Dauer des Marktes erfreute sich der Marktort vollster Exemtion von den ordentlichen Gerichten 12 . Indem die Märkte ständig wurden, verwandelte sich der Marktbann unwillkürlich in den Burgbann (urbalis bannus)13, der Marktort wurde zu einem eximierten Stadtgerichtsbezirk14, dem regelmäßig ein eigenes Schultheißengericht, häufig sogar ein eigenes Grafengericht zukam 16 . Die Städte wären aus Märkten zu Stadthundertschaften, zum Teil sogar zu Stadtgrafschaften geworden 16 . Die Erhebung eines Ortes zu einer Stadt bildete bis zum 13. Jahrhundert ein ausschließliches Recht des Königs, weil Marktrecht, Befestigungsrecht und gerichtliche Exemtionen nur von ihm erteilt werden konnten 17 . Nachdem Friedrich II. den Fürsten für ihre Territorien das

8

Über die vielbestrittene Deutung des Wortes vgl. mein Weichbild 316 ff.

8

V g l . RATHGEN, a . a. O . 6 2

ff.

WAITZ, V I I . 3 8 4 f.

10

V g l . RATHGEN, 3 3 .

WAITZ, V I I . 3 9 0 f.

11

V g l . RATHGEN, 2 4

18

Vgl. Reichsweistum Friedrichs II. von 1218, MG. Leg. II. 229.

18

V g l . MG. Dipl. O t t o I . N r . 2 7 ( 9 4 0 ) , O t t o I I . N r . 2 1 4 ( 9 8 0 ) .

ff.

WAITZ, V I I . 3 7 8

ff.

OSENBBÜGGEN, a . a . 0 .

32.

WAITZ, V I I I . 8 f.

HEUSLEB, S t a d t v e r f a s s u n g 1 2 5 f.

Vgl. Ssp. III. 25, § 2. Das Reichsweistum von 1218 (Anm. 12) behielt den Grafen bei Todesurteilen der Marktgerichte wenigstens die Vollstreckung und damit wohl auch das Recht des letzten Urteils (§ 49, N. 191) vor. 16 Man hat früher das Wesen der Städte zu sehr in der Stadtgrafschaft gesucht. Die meisten Städte waren zunächst nur Stadthnndertschaften nach Art der niederen Vogteien und blieben in Ansehung des Blutbannes den Landgerichten untergeordnet. 17 Vgl. S. 500, 512, 542. 14 16

592

Das Mittelalter.

Befestigungsrecht eingeräumt und sich verpflichtet hatte, den bestehenden Märkten derselben ohne ihre Einwilligung keine Konkurrenz durch Errichtung neuer Märkte zu machen 18 , haben die Fürsten mehr und mehr angefangen, auf eigene Hand unter stillschweigender Konnivenz des Reiches Stadt- und Marktprivilegien zu erteilen19. Allen Nichtfürsten gegenüber wurde das königliche Regal auch fernerhin aufrechterhalten20. Die Errichtung der Städte geschah anfangs in der Regel so, daß einem größeren Dorfe oder Marktflecken das Stadtrecht, gewöhnlich nach dem Muster einer andern Stadt, erteilt wurde. Seit dem 12. Jahrhundert kamen die Städtegründungen „von wilder Wurzel", wenn auch meistens im Anschluß an schon vorhandene Dörfer, auf, wobei den heranzuziehenden Kolonisten der zu ihrer Ansiedlung erforderliche Grund und Boden zugemessen wurde. In den Kolonisationsgebieten des nordöstlichen Deutschlands spielte diese Art der Städtegründung eine besonders hervorragende Rolle21. Freie Städte, die ganz ihre eigenen Herren gewesen wären, gab es von vornherein nicht. Jede Stadt hatte ihren Herrn, je nach der Zugehörigkeit des Bodens, auf dem sie stand. Wo dieser dem Reiche gehörte oder sich doch unter der Vogtei des Reiches befand (S. 488), war die Stadt eine königliche oder Reichsstadt. Die ältesten unter denselben waren die aus den Königspfalzen hervorgegangenen Pfalzstädte. In Norddeutschland, wo der Krongüterbesitz nur gering war, gab es nur eine kleine Zahl (Aachen, Dortmund, Goslar, Nordhausen, Mühlhausen und seit dem Sturze Heinrichs des Löwen Lübeck), während Süddeutschland von vornherein eine Menge königlicher Städte zählte, die durch den Heimfall der zähringischen-und staufischen Lehen im 13. Jahrhundert noch bedeutend vermehrt wurde. Den königlichen Städten zunächst standen die Städte der geistlichen Fürsten, die man zusammenfassend als Bischofsstädte zu bezeichnen pflegt. Ihr Zusammenhang mit dem Reiche beruhte teils auf der längeren Fortdauer der königlichen Bannleihe in den geistlichen Fürstentümern, teils und vornehmlich auf dem nie ganz aufgegebenen Gedanken des Reichsobereigentums an den Reichskirchengütern22. Eine dritte Kategorie bildeten die Territorialstädte der weltlichen Fürsten, später auch diejenigen Bischofsstädte, bei denen es (wie z. B. bei Würzburg) dem Fürsten gelungen war, seine Territorialgewalt zu voller Geltung zu bringen und den Zusammenhang der Stadt mit dem Reiche zu lösen. Die Städte der nichtfürstlichen Landesherren gehörten ebenfalls zu deii Territorialstädten. Endlich gab es auch Mediatstädte patrimonialen 18

Vgl. Ö. 578.

Über den Übergang des Exemtionsrechts auf die Fürsten vgl.

§ 4 9 , N . 93. 19

Vgl. Sehwsp. Laßb. 143. In manchen Fällen der älteren Zeit hat man wohl anzunehmen, daß die königliche Genehmigung noch nachgeholt wurde. Vgl. WAITZ, VII. 387 f. 20

V g l . BÖHMER, A c t a i m p e r i i s e i . N r . 6 4 3 (1312). 7 2 1 (1323).

21

Vgl. S. 417.

" Vgl. S. 503 f., 556.

WAITZ, Gött. gel. Anz. 1854, S. 54 ff.

§51.

593

Die Städte.

Charakters, bei denen die Stadtherrschaft oder doch die Gerichtsherrlichkeit über die Stadt auf einen bloßen Grundherrn übergegangen war. Das Organ des Stadtherrn für das Stadtregiment war der dem ländlichen Schultheißen (Zent- oder Gografen) entsprechende Ammann oder Stadtschultheiß 23 , in der Regel ein von dem Stadtherrn aus der Reihe seiner Ministerialen ernannter Beamter. Wie bei dem ländlichen Beamten, so war auch hier die Ernennung vielfach an eine der Gemeinde zustehende Wahl gebunden. Zuweilen wurde das Amt zu Lehn oder Pfand gegeben. Die amtliche Stellung des Schultheißen umfaßte dieselben Aufgaben in gerichtlicher, administrativer, finanzieller und militärischer Richtung wie bei dem Zentgrafen. Sein Gericht war das gebotene Ding, seine Gerichtsbarkeit beschränkte sich aber nicht auf Klagen um Schuld und fahrende Habe, sondern umfaßte auch den städtischen Grundbesitz, so daß ihm nur das Gericht über Hals und Hand entzogen blieb. In den meisten Städten hatte der Schultheiß ein aus den besseren Gemeindegliedern gebildetes Schöifenkollegium neben sich; wo dies nicht der Fall war, fand entweder die versammelte Gerichtsgemeinde oder ein jedesmal neugebildeter Ausschuß das Urteil. Die in der Stadt bestehenden Vogteien wurden von c'.em Stadtgericht nichS berührt, nur die dem Stadtherrn selbst gehörigen Yogteien wurden im Laufe des Mittelalters großenteils mit dem öffentlichen Stadtgericht verschmolzen. Ihren bisherigen Landgerichtsverband behielten die- Städte anfangs wohl allgemein bei, wenn es auch in den größeren Königs- und Bischöfsstädten mehr 'die Regel wurde, daß der Graf oder Reichsvogt seinen Wohnsitz in der Stadt selbst nahm, was sich namentlich in den Bischofsstädten von selbst machte, seit die Politik der Ottonen den geistlichen Fürsten ganze Grafschaften, namentlich aber die Grafenrechte über die von ihnen bewohnten Städte, zugewendet hatte. Die Grafen, welche auf diese Weise ihren Sitz in einer Bischofsstadt aufgeschlagen hatten, führten in der Regel den Titel Burggrafen 2 4 . Unter einem Burggrafen (praefectus urbis) verstand man ursprünglich einen Grafen, der zugleich Burgvogt, d. h. Stadtkommandant, war 2 6 . Wenn später auch Burggrafen vorkamen, die im wesentlichen nur Kommandantur-, aber keine Grafengeschäfte zu versehen hatten, so handelte es sich teils um bloße Titel 28 , teils um eine Entartung oder Abschwächung 23 Nur ausnahmsweise „Vogt". Der Schultheiß der sächsischen Städte entsprach dem Gografen, nicht aber dem Schultheißen des Landrechts. Nur der Goslarer Schultheiß hatte mehr von dem letzteren, während der Stadtschultheiß hier als der kleine Vogt erscheint. Vgl. SCHRÖDER, Schultheiß 5 f.; Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 57 f. 24 Der in Metz vorkommende „Pfalzgraf'' war Stiftsvogt für die Hintersassen des Bischofs. Einen Burggrafen hatte die Stadt nicht. Vgl. DÖRING, Metz 14 f., 17 f., 65 f. Anderer Meinung WAITZ, VII. 44. 25

Über das B u r g g r a f e n a m t

v g l . W A I T Z , V I I . 4 2 ff.

ARNOLD, I . 1 2 1

Stadt Verfassung 52 ff. NITZSCH, 144 FF. 26

R.

Vgl.

MAURER, S t ä d t e v e r f a s s u n g

SCHEÖDKR,

Deutsche Rechtsjesebichte.

I. 4 7 2 f.

HEUSLER, a. a. 0 .

6 2 f.

38

ff.

HEUSLER,

Das Mittelalter.

594

des ursprünglichen Amtes 27 . Eigentliche Burggrafen scheinen nur solche Bischofsstädte erhalten zu haben, die für das Reich zugleich als Festungen von Bedeutung waren," während andere einfach dem bisherigen Grafen unterstellt blieben 28 . Von den Königsstädten standen nur Regensburg und Nürnberg, vorübergehend auch Goslar, unter Burggrafen 29 , in allen übrigen wurde die gräfliche Gerichtsbarkeit durch Reichsvögte, also durch königliche Beamte, verwaltet, während die Burggrafen (regelmäßig Fürsten oder freie Herren) ihre Burggrafschaft vom Reiche oder dem Bischof der Stadt zu Lehn trugen 30 . An sich hatte die Errichtung einer Burggrafschaft keineswegs die Bedeutung einer Exemtion der Stadt vom Gau. Der Burggraf als solcher war nicht notwendig bloßer Stadtgraf 31 , vielmehr scheint die Burggrafschaft sich von der Grafschaft überwiegend nur durch die Verbindung mit der Burgvogtei unterschieden zu haben 32 . Eigene höhere Stadtgerichte 27

So in A u g s b u r g und K t r a ß b u r g , wo der Burggraf die gräfliche Gerichtsbarkeit an den Vogt verloren hatte und seinerseits im wesentlichen auf die W a h r u n g des Burgfriedens, die Aufsicht über die P e s t u n g s w e r k e , über Handel und Wandel und über die Zünfte beschränkt wurde; wenn er in Augsburg auch noch eine gewisse Gerichtsbarkeit, wie sie auf dem Lande den Bauermeistern zustand (vgl. S. 558, 570), ausübte, so m a g dies ebenfalls mit den Kommandanturgeschäften in Verbindung gestanden haben. Vgl. HEGEL, Straßburg 19. FRENSDORFF, A u g s b u r g pg. XX f., XXIX f. HEÜSLER, a. a. 0 . 73, 75. Schwsp. Laßb. 1. 174. In der Stadt . N ü r n b e r g blieb dem B u r g g r a f e n , von gewissen Einnahmen abgesehen, n u r die Aufsicht über die wichtigsten Festungswerke und das Recht, einen Mitvorsitzenden des Stadtgerichts neben dem Schultheißen zu ernennen. Vgl. HEGEL, Nürnberg pg. XIX. Die Burggrafen in den Marken Brandenburg und Meißen hatten wohl von vornherein nur die militärische Aufsicht und Leitung ihres Bezirks. I n gerichtlicher Beziehung assistierten sie dem Markgrafen, den sie unter Umständen auch vertreten mochten, aber eine eigentliche Richterstellung bekleideten sie schwerlich. Vgl. S. 553. Anderer Meinung KÜHNS, Gerichtsverfassung der Mark B r a n d e n b u r g I. 94 ff., dem HEUSLER, a. a. O. 78, sich anschließt. 89

Vgl.

H E U S L E R , a . a . O . 6 0 f., 7 9 .

DÖRING, M e t z

6 5 f.

29

Über G o s l a r vgl. WAITZ, VII. 52, WOLFSTIEG, Goslar 42. R e g e n s b u r g h a t t e , obwohl Sitz eines Bischofs, einen königlichen Burggrafen und war Königsstadt, wie der größte Teil der Stadt Reichsgut war. Der Herzog von Baiern hatte n u r herzogliche Rechte, bis er seitens des Reiches mit der Burggrafschaft belehnt wurde. Die bischöflichfen Vögte hatten n u r mit den Hintersassen des Bischofs zu thun, die bis Ende des Mittelalters von der Bürgerschaft getrennt blieben. Vgl. GFRÖRER, Regensburg 14, 21 f., 30. 30 WAITZ, VII. 49 ff. Erst der U m s t a n d , daß in A u g s b u r g und S t r a ß b u r g Ministerialen als Burggrafen eingesetzt w u r d e n , machte es möglich, ihre Amtsbefugnisse in der A n m . 27 beschriebenen Weise zu beschränken. 31 In der L i t t e r a t u r wird dies vielfach angenommen. Vgl. MAURER, I. 355 ff. ARNOLD, I. 123. HEÜSLER, 55. Ob der urkundlich öfter erwähnte Wik- oder Wichgraf (vgl. HALTAUS, Glossar 2112. MAURER, I. 110) einen Stadtgrafen bedeutete, ist m i r sehr zweifelhaft. Man könnte auch an mhd. wie (Kampf) und melius (Festungsgebäude) von wigen (kämpfen) denken und in dem Wikgrafen einen rein militärischen Beamten sehen. Vgl. LBXER, Mhd. WB. I I I . 814, 816, 818, 880. 32 Über Burggrafen mit voller gräflicher Landgerichtsbarkeit vgl. WAITZ, VII. 42. HEUSLER,

57 f.

ARNOLD,

a. a. 0 .

I.

122.

MAURER,

III.

4 2 3 ff.

HEGF.L,

Nürnberg

§ 51.

Die Städte.

595

unter einem Burggrafen oder Vogt erhielten die meisten Reichs- und Bisehofsstädte erst nach und nach im Wege der Exemtion von der Grafschaft 33 . Als allgemeine Einrichtung wurde dieselbe erst 1274 durch Rudolf I. für die königlichen Städte angeordnet, aber auch da noch nicht mit durchgreifendem Erfolge 34 . Von den Landstädten sind vielfach überhaupt n u r die bedeutenderen und auch diese zum Teil sehr spät zu eigenen Stadtvögten oder Stadtrichtern gekommen, die meisten blieben den gräflichen und später den mit dem Blutbann ausgerüsteten niederen Landgerichten (Zent-, Go-, Yogtgerichten) untergeordnet 35 . Einen völlig abgeschlossenen Gerichtsbezirk bildeten aber auch die vom Landgericht eximierten Städte noch nicht, solange gewisse privilegierte Einwolmerklassen den Gerichtsstand vor dem fürstlichen Hofgericht (S. 558) behielten. Erst mit der Exemtion der Stadt vom Hofgericht wurden auch diese, teilweise selbst der in der Stadt angesiedelte Adel, dem Stadtgericht unterworfen 36 . Der ßechtszug von den Stadtgerichten au die Hofgerichte wurde vielfach durch die Einrichtung der Oberhöfe beeinträchtigt, vermöge deren die Berufungen ausschließlich oder doch in erster Reihe an bestimmte auswärtige Stadtgerichte ergingen 37 . Als Korporationen hatten die Reichsstädte ihren Gerichtsstand vor dem König, alle übrigen Städte, mit Ausnahme der Mediatstädte, vor dem fürstlichen Hofgericht. Durch die Exemtionen hatten die Städte zunächst nur als Stadthundertschaften, beziehentlich Stadtgrafschaften, den Charakter besonderer staatlicher Gerichts- und Verwaltungsbezirke erhalten. Zur Ausbildung pg. XIX. GFRÖRER, Regensburg 3 1 f., 51. IVÜHNS, a. a. O . I . 178 ff. WOLFSTIEG, Goslar 24. 3;! Vgl. WAITZ, VII. 3 9 2 f. v. W Y S S , Zeitschr. f. Schweiz. R. XVII. 50. STOBUE. i. d. Jahrb. d. gem. deutsch. Rechts I. 458 ff. Wie der Burggraf zuweilen dem Vogt •weichen mußte (vgl. Anm. 27), so machte er oder der Reichsvogt unter Umständen auch wohl dem Stadtschultheißen Platz, der dann als Reichsschultheiß die gesamte Gerichtsbarkeit in seiner Hand vereinigte. So 1 2 1 9 in F r a n k f u r t a. M . ( E U L E R , Frankfurt 12 f.) und N ü r n b e r g (HEGEL, Nürnberg'pg. XVI ff.). Die Vogtei in A u g s b u r g und B a s e l kam später wieder an das Reich zurück. Vgl. HEUSLER, a. a. O. 76 f., 8 1 . FRENSDORFF, Augsburg pg. XXVI f. 34 MG. Leg. II. 399: Volentes, dilectos cives nostros Tkuricenses ac omnes alias civitates nobis et imperio adtinentes hac gratie prerogativa gaudere, ut nullus extra huiusmodi dvitates super quacunque causa, in iudicium evocetur, sed si quis contra cives dictorum locorum aliquid habuerit actionis, coram iudice civitatis actione proposita recipiat quod est iustwrn. Denselben Grundsatz wiederholte das Kl. Kaiserrecht IV. c. 1, das darin mit Recht zugleich ein Privilegium de non evocando gegenüber dem Reichshofgericht (S. 529) erblickte. 83 Die brandenburgischen und die meisten westfälischen Städte erhielten höhere Stadtgerichte, die teils den Schultheißen mitübergeben, teils besonderen Stadtvögten anvertraut wurden, erst im Laufe des 14. Jahrhunderts, während die österreichischen Städte schon sehr früh allgemeine Exemtion erlangt haben müssen. Vgl. K U H N S , a. a. (.). I. 175 ff., 184 ff. II. 187 f. SELLO. i. d. Märk. Forsch. XVI. 5 f.. 14 ff. LUSCHIN, Gerichtswesen in Österreich 202 ff. 36

Vgl.

37

Näher ist hiervon erst § 56 zu reder,

KÜHNS, a. a. O . I.

196.

38*

Das Mittelalter.

596

des städtischen Wesens gehörte noch, daß diese Exemtionen . mit dem korporativen Element der Stadtgemeinde in Verbindung gebracht wurden. Viel gestritten hat man über die Zusammensetzung der städtischen Einwohnerschaft, während die Sache bei vorurteilsloser Betrachtung sehr einfach liegt. Es kommt eben nicht darauf an, wer in der Stadt wohnte, sondern wer zu den Bürgern (burgenses) gerechnet wurde. Wer seinen Gerichtsstand nicht vor dem Stadtgericht hatte, war nicht Bürger. Darum schieden einerseits die Vogtleute der in der Stadt befindlichen Immunitäten, gleichviel ob diese die hohe oder nur die niedere Vogtei besaßen, unbedingt aus der Bürgerschaft aus 37 ", andererseits aber ebenso die Geistlichen und die zu der fürstlichen Hofhaltung gehörigen oder vom Stadtherrn als städtische Beamte (Burggrafen, Vögte, Schultheißen, Zöllner, Münzmeister u. dgl. m.) verwendeten Ministerialen. Nur solche Personen, die kaufmännisches Gewerbe in der Stadt betrieben, standen ohne Rücksicht auf ihren Geburtsstand in Handelssachen vor dem Stadtgericht zu Recht, auf diesem Gebiete bestand also eine Annäherung, die im Laufe der Zeit zu einer Verschmelzung führen konnte 38 . Auch die Hausgenossen gehörten in der Regel zu den Ministerialen und darum nicht zur Bürgerschaft, außer in Handelssachen 39 . Die Stadtrechtsurkunde für Freiburg im Breisgau bestimmte im Einklänge mit verschiedenen anderen Stadtrechten, daß Ministerialen oder Ritter sich nur mit Zustimmung der Bürgerschaft in der Stadt niederlassen durften 40 . Schon daraus ergibt sich, daß der Betrieb kaufmännischen Gewerbes wenigstens in den ältesten Städten, die noch den Charakter der Märkte festhielten, als das wesentlichste Merkmal der Bürgerschaft angesehen wurde. Dazu stimmt es, wenn die Quellen die Bürger oft genug geradezu als Kaufleute bezeichnen und das Stadtrecht als ein Recht der Kaufleute erscheint 41 . Der Begriff der Kaufleute wurde dabei im wesentlichen 37a

Vgl. Reichsweistum von 1294, § 4 (M.G. Leg. II. 461). Siehe auch Anni. 29. Vgl. Heinrichs V. Privilegien für Liittich und Maastricht (WAITZ, Urkunden, 2. Aufl. 38) : nullum, forense iudicium sustinebit, nisi publicus mercator fuerit. Erstes Straß burger Stadtrecht § 38: scilicet in causis pertinentibus ad mercaturam, sivolunt esse mercatores. 89 Vgl S. 510. Nur in Basel ging die Hausgenossenschaft aus den Bürgern hervor. 38

40

41

Vgl. FÜRTH, M i n i s t e r i a l e n 172 ff.

MG. Dipl. Otto I. Nr. 307 (965) für B r e m e n : negoliatores eiusdem incolas loci, — — — in omnibus tali patrocinentur tutela et potiantur iure, quali reterarwm regalium institores urbium. Ebd. Nr. 300 (965) für M a g d e b u r g : Judei vel ceteri ibi manentes negotiatores. Heinrich III. für die negociätores in Q u e d l i n b u r g (STUMPF, Acta imperii Nr. 53, v. J. 1040): tali deinceps lege ac insticia vivant, quali mercatores de Goslaria et de Magdeburga — — — utuntur, et ut de omnibus que ad cibaria -pertinent intra se iudicent. Stadtrechtsurkunde für die mercatores von F r e i b u r g i. Br. (um 1140): Si qua disceptatio vel questio inter burgenses meos orla fuerit, non secundum meum arbitrìum, vel rectoris eorum discutietur, sed pro consuetudinario et legitimo iure omnium mercatorum, precipue autem Coloniensium, examinabitur iudicio. Vgl. W A I T Z , V. 351 f., 357 f. VII. 377, 382. G A U P P , Stadt-

ebensoweit

wie

heute

nach

§ 51.

Die Städte.

dem

deutschen

597 Handelsgesetzbuche

a u c h die H a n d w e r k e r w u r d e n zu d e n K a u f l e u t e n

gefaßt,

gezählt42.

W i e in E n g l a n d u n d D ä n e m a r k , so bildeten a u c h i n N o r d d e u t s c h l a n d sämtliche Kaufleute

einer S t a d t eine g e s c h w o r e n e E i n u n g

g i l d e , aus der erst i m gesonderte

Zünfte

13. J a h r h u n d e r t

oder

Zunftzwang ausschieden43.

Innungen

oder G e s a m t -

die e i n z e l n e n K l e i n g e w e r b e

(Bruderschaften,

Ämter,

officia)

M a n darf a n n e h m e n , d a ß die Verhältnisse

Süddeutschland ursprünglich dieselben

gewesen

sind44,

nur scheinen

als mit in die

Gesamtgilden dem von den Hohenstaufen unternommenen Kampfe gegen d a s V e r b i n d u n g s w e s e n i n d e n S t ä d t e n s c h o n f r ü h z u m Opfer g e f a l l e n zu s e i n , während gesetzgebung

die e i n z e l n e n Z ü n f t e sich g e g e n a u c h hier siegreich b e h a u p t e t e n 4 5 .

die A n g r i f f e der R e i c h s D a ß die G i l d e n ,

zumal

rechte II. 6. HOMEYER, Sachsenspiegel II. 2, 299. GFRÖREB, Regensburg 49. Die von OSENBRÜGGEN, a. a. 0 . 21 ff., erhobenen Einwände fallen nicht ins Gewicht. 42

V g l . WAITZ, V . 357.

KRUSE, K ö l n 158, 160.

43

Über das Gildewesen im allgemeinen vgl. WILDA, Das Gildewesen im Mittelalter, 1831, über das dänische PAPPENHEIM, Die altdänischen Schutzgilden, 1885 (namentlich S. 54 ff.), auch HASSE, Schleswiger Stadtrecht 80 ff. Als bahnbrechend für die Verhältnisse Norddeutschlands dürfen zwei Arbeiten von NITZSCH, Über die niederdeutschen Genossenschaften des 12. und 13. J a h r h u n d e r t s (Monatsberichte d. Berliner Akad. 1879, S. 4 ff.) und Über niederdeutsche Kaufgilden (ebd. 1880, S. 370 ff.) b e z e i c h n e t w e r d e n . F e r n e r v g l . WAITZ, V . 3 6 5 ff. MAURER, a . a . 0 . I I . 3 2 1 ff. GIBRKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t I. 2 2 0 — 2 4 9 , 339—409. ARNOLD, a. a. 0 . 2 4 6 f f . BRENTANO,

Arbeitergilden I. 16 ff.; Arbeitsverhältnis, 1877, S. 19 ff. BÄR, Zur deutsch. Handwerksämter, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XXIV. Zur Entstehung des deutschen Zunftwesens, 1876. Zeitschr. f. d. rheins III. 150 ff. XV. 1 ff., 277 ff. XVI. 151 ff., 327 ff. XVII. 30

Geschichte der 231 ff. STIEDA, Gesch. d. Oberff. XVIII. 12 ff.

NEUBURQ, Z u n f t g e r i c h t s b a r k e i t u n d Z u n f t v e r f a s s u n g v o m 1 3 . — 1 6 . J h . , 1880.

WINZER,

Die deutsehen Brüderschaften des Mittelalters, 1859. BÖHMERT, Beiträge z. Gesch. d. Zunftwesens, 1862. SCHÖNBERS, Zur wirtschaftl. Bedeutung des deutsch. Zunftwesens im Mittelalter, 1868. SCHMOLLER, Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe, 1870; Straßburg zur Zeit der Zunftkämpfe (Quellen u. Forschungen, XI. 1875); Die Straßburger Tucher- und Weberzunft, 1879. FRENSDORF!' , Dortmund pg. LII ff. ENNEN, Köln I. 531 ff. KRUSE, Köln 154 ff. GEERING, Handel u. Industrie der Stadt Basel, 1886. — Ein deutliches Bild der alten Gesamtgilde gewährt ein um die Mitte des 12. Jahrhunderts abgefaßtes Mitgliederverzeichnis der Kölner Gilde (vgl. HÖNIGER, i. d. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln I. 49 ff.). Nach dem Ausscheiden der einzelnen Zünfte, die wohl von jeher gesonderte Stadtteile bewohnten (vgl. SCHMOLLER, i. d. Litterar. Beilage zur Gemeindezeitung für Els.'Lothringen, 1881, Nr. 28 f.), ging die alte Gesamtgilde entweder u n t e r , oder der Kern derselben, namentlich die eigentlichen Kaufleute umfassend, behauptete als höchste Gilde (summum convivium), oder als die Gilde eines bevorzugten Heiligen, immer noch eine gewisse Suprematie über die Ausgeschiedenen. 44 Darauf scheinen u. a. die Worte quadam coniuratione im Eingange der Freiburger Stadtrechtsurkunde hinzudeuten. 45 Schon der ronkalische Landfriede Friedrichs I. von 1158 (MG. Leg. II. 112) verbot conventículas omnes et coniurationes in civitatibus et extra, etiam occasione párentele, et inter civitatem et civitatem, et inter personam et personam, seil inter civitatem et personam. Fast wörtlich wiederholt wurde diese Bestimmung in der Gold. Bulle von 1356, c. 15. Der heftigste Gegner alles städtischen Verbindungs-

598

Das Mittelalter.

wo sie mit marktpolizeilichen und marktgerichtlichen Befugnissen ausgestattet waren 46 , unter ihren Altermännern oder Gildenieistern, denen zuweilen noch ein Ausschuß der Gildegenossen zur Seite stand 4 7 , einen bedeutenden Einfluß auf die korporative Ausgestaltung der Stadtgemeinde haben mußten, ist selbstverständlich. Gleichwohl wäre es einseitig, wenn man die letztere ausschließlich auf die Gilde zurückführen wollte. Eine einheitliche Gemeinde bildete die Bürgerschaft erst seit der E i n f ü h r u n g der BatsVerfassung, vorher mochte die Gilde mehr oder weniger eine führende Stellung einnehmen 4 8 , aber sie war doch immer nur eine Sondergemeinde neben anderen. Als solche erkennen wir neben der Judenschaft 4 9 , die bei dem kirchlichen Charakter der Gilde nicht zu dieser gehören konnte, vor allem die einzelnen, nach und nach in das Weichbild der Stadt aufgenommenen Landgemeinden, die sich in allen größeren Städten finden und zum Teil noch lange nach der Ausbildung der städtischen Gesamtgemeinde in einer gewissen Selbständigkeit fortgedauert haben 50 .. Auch die Landgemeinde muß daher bei der Ausbildung der städtischen Gemeindeverfassung einen wesentlichen Faktor abgegeben haben 6 1 , die unmittelbare Quelle der letzteren kann sie aber ebensowenig wie die Gilde gewesen sein 52 . In der allgemeinen Gliederung der Stände nahmen die Bürger der Städte, gleichviel ob sie Kaufmannschaft oder Landwirtschaft betrieben, der großen Mehrzahl nach dieselbe Stellung wie die Pfleghaften des Landrechts (S. 433 f.) ein. Nur Grundbesitzer wurden zu den Bürgern gerechnet 5 2 ", die „Gäste" (S. 435), zu denen außer den Mietern auch das wesens war Friedrich II., vgl. FRANKLIN, Sent. cur. reg. Nr. 146—149, nebst dea dazu gehörigen Anmerkungen. 40 Vgl. Anna. 41. Gerichtsbarkeit und Polizei der Gilde beschränkten sich auf Streitigkeiten aus dem Bereiche des Lebensmittelmarktes, konnten aber von da aus leicht auf andere Dinge ausgedehnt werden. Vgl. WEILAND, Goslar 27 ff. In Augsburg und Straßburg gehörten die Marktsachen zur Zuständigkeit des Burggrafen. 47 Einen solchen Ausschuß scheinen die 24 „coniuratores fori" der Freiburger Stadtrechtsurkunde gebildet zu haben. Vgl. MAURER, i. d. Zeitschr. f. d. Gesch. d. oberrh. NF. I. 189. Nach dem Halberstädter Privileg von 1105 (BÖHMER, Acta imperii Nr. 1128) sollten die „cives forenses" die Gerichtsbarkeit über feilen Kauf ausüben, und zwar „ipsi vel quos huic negotio preesse voluerint". 48 Vgl. Urkunde von 1075 bei WAITZ, V. 357, N. 4, wo zwischen mercatores und denen, qui in exercendis vineis vel agris occupantur, unterschieden wird. 49 Vgl. S. 451 f. GIERKE, a. a. 0 . I. 337 f. Das Anm. 41 angeführte Magdeburger Privileg nennt die Juden neben den ceteri negotiatores. Bis zum 12. Jahrhundert wurden die Juden in manchen Städten (z. B. Köln) jedenfalls zur Bürgerschaft gerechnet, später galten sie nur als Schutzgenossen. 50 Vgl. GIERKE, I. 333 ff. Diese Sondergemeinden (Bauerschaften, Kirchspiele, Weichbilder) hatten regelmäßig ihre eigenen Bauermeister oder Heimburgen und ihre eigene Bauersprache; in manchen Städten bildeten sie den eigentlichen Schauplatz aller Immobiliarrechtsgeschäfte und des städtischen Schreinsbuchwesens. 51 Vgl. das Privileg für Halberstadt von 1105, BÖHMER, Acta imp. Nr. 1128. 52 Entstehung aus der Landgemeinde wird namentlich von MAURER und BELOW angenommen. Vgl. Freiburger Stadtrechtsurkunde § 40: Qui proprium nou obligatum sei

§ 51.

599

Die Städte. ä3

freie Gesinde und die sogenannten Muntmannen gehörten , rechneten nur zu den Einwohnern, nicht aber zu den Bürgern. Allodiale Grundbesitzer gab es unter den Bürgern freilich nur ausnahmsweise 54 . Im allgemeinen war der gesamte Grund und Boden in den Städten Eigentum der Stadtherren und der städtischen Stifter, die einzelnen Hausbesitzer hatten ihren Baugrund und etwa dazu gehöriges Garten- und Ackerland nebst dem Nutzungsrecht an der Almende nur zu Zinsrecht. Aber dies Zinsverhältnis, weil es den Zinser als den Eigentümer des auf fremdem Grund und Boden errichteten Hauses (der „Besserung") auffaßte, begründete nicht wie die Zinsleihe des Landrechts eine persönliche Abhängigkeit des Beliehenen, die zur Yogtei und weiter zur Hörigkeit führte, sondern sie bewegte sich wie die Leihe zu Wald- und Marschrecht und die Leihe in den Kolonisationsgebieten (zu deutschem, flämischem, fränkischem Recht) ausschließlich auf dinglichem Boden, ließ das persönliche Verhältnis des Beliehenen ganz unberührt und verwandelte sich seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts schrittweise überall in rentenpflichtiges Eigentum 55 . Der Zins, den der einzelne Hausbesitzer auf diese "Weise zu entrichten hatte, hieß census, pensio, canon, der von der Baustelle insbesondere census arealis, Wurtzins, dann auch, weil er nur in Städten vorkam, Weichildrecht oder Burgrecht. Neben dem Zins waren in manchen Städten auch gewisse Dienste zu leisten, aus denen man mit Unrecht auf frühere Hörigkeit der Besitzer hat schließen wollen68. Im Gegenteil hat die Freiheit der städtischen Hausleihe auch befreiend auf die Lage der in den Städten angesiedelten Hörigen eingewirkt und eine Verschmelzung derselben mit der freien Bürgerschaft angebahnt. Namentlich konnten Hörige fremder Herren durch Erwerb städtischen Grundbesitzes das liberum Valens marcham urtam in civitate habuerit, burgensis est. MAURER, Zeitßchr. f. d. Gesch. d. Oberrh. N F . I. 189. 53 Vgl. HERTZ, Rechtsverhältnisse des freien Gesindes (GIERKE, Untersuchungen VI.).

MAOREK, S t ä d t e v e r f a s s u n g

I I . 2 3 5 ff.

54

In manchen Städten, z. B. Dortmund, Duisburg und Naumburg, hatten die Stadtherren auf jeden Zins verzichtet und den Bürgern den Grund und Boden gänzlich abgetreten.

Vgl.

WAITZ,

VII.

389.

FRENSDORF?,

Dortmund

pg. XVI.,

XX.

Der

meiste allodiale Grundbesitz in den Städten kam von den nach und nach in das städtische Weichbild einverleibten Dörfern. Die große Zahl eingegangener Dörfer in der Nähe der Städte ist auf derartige Vorgänge zurückzuführen-. Die Einwohner zogen in die Stadt, behielten aber ihren Grundbesitz und ihre Almende, ebendarum blieben sie auch in der Stadt noch Sondergemeinde. 55 Vgl. S. 434—437. ARNOLD, Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861. ROSENTHAL, Zur Geschichte des Eigentums in Wirzburg, 1878. GOBBERS, Die Erbleihe im mittelalterlichen K ö l n , i. d. Zeitschr. f. RG. XVII. 130ff. JÄGER Die Rechtsverhältnisse des Grundbesitzes in Straßburg, Straßb. Inaug.-Diss. 1888 PADLI, Die sogen. Wieboldsrenten des lübischen Rechts (Abhandlungen aus dem lübi sehen Rechte, IV. 1865). NAGEL, Zur Geschichte des Grundbesitzes und des Kredits in oberhessischen Städten (Dritter Jahresbericht des oberhess. Vereins f. Lokal geschichte, 56

Vgl.

1883).

HEUSLER, B a s e l

HEUSLER, I n s t i t u t i o n e n

1 6 9 ff. I.

352.

600

Das Mittelalter.

Bürgerrecht erlangen; ihre persönliche Abhängigkeit mußte dadurch von vornherein erheblich gebckert werden, da sie als Bürger der Yogtei ihres Herrn entzogen und dem Stadtgericht unterworfen wurden. Ebendarum mußte der Herr dafür Sorge tragen, daß sein Recht an dem Manne jährlich von neuem festgestellt wurde 57 ; unterließ er dies, so war nach Jahr und Tag sein Recht erloschen, es kam der Satz zur Geltung: „Luft macht frei" (S. 443). Dies galt aber nur von den Hörigen auswärtiger Herren, während die in der Stadt selbst vorhandenen Fronhöfe die Gerichtsbarkeit über ihre Yogtleute behielten, solange dieselben nicht ausdrücklich frei gegeben wurden. Von der rein privatrechtlichen Pflicht des Wurtziuses sind die öffentlichrechtlichen Leistungen, zu denen die Bürger gegen den Stadtherrn verbunden waren, streng zu unterscheiden 53 . Es handelte sich da um dieselben Leistungen, die aufch auf dem Lande gefordert wurden, namentlich Herberge, Burgwerk, Landfolge, Heerwagen und andere Leistungen zu den Zwecken der Heer- oder Hoffahrt; in den Städten kamen dann poch gewisse Marktabgaben, wie Buden- und Wagegelder, hinzu. Ein entschiedener Gegensatz zwischen Stadt und Land bestand hinsichtlich des Reichskriegsdienstes und der Beden. Die bäuerliche Bevölkerung war durch die Zahlung des Grafenschatzes ein- für allemal vom Reichskriegsdienst befreit, während für die Städte als Korporationen (nicht mehr für den einzelnen Mann) der alte Heerbann unverändert fortbestand 69 . Der Grund lag wohl in der Festungseigenschaft der Städte, die eine kriegsgeübte Bürgerschaft zur notwendigen Voraussetzung hatte. Da aber das Interesse des städtischen Gewerbes ebenso wie das Besatzungsbedürfnis der Festung eine längere Abwesenheit der Bürger nicht ertrug, so wurde den Städten, soweit sie nicht dauernde Befreiungen durch besonderes Privileg erlangten, bei den meisten Heerfahrten die Ablösung des Dienstes durch Zahlung einer Heersteuer anheimgegeben. Wie diese Heersteuer, so galten auch die regelmäßigen Jahressteuern und die außerordentlichen Beden immer als Gemeindelast, die von der Korporation aufgebracht werden mußte, während auf dem Lande jedes einzelne Grundstück unmittelbar der Steuer unterlag 60 . Schon daraus ergab sich für Stadtherren wie Bürger die auch aus verschiedenen anderen Gründen gebotene Notwendigkeit, der Gemeinde eine organische Vertretung zu geben. Mit dem 12. Jahrhundert beginnend, gelangten im Laufe des 13. Jahrhunderts sämmtliche Städte in den Besitz eines solchen Organs, des Stadtrates (consilium, consules) mit einem oder mehreren Bürgermeistern (magistri

57 Schon die vermehrte Freiburger Stadtrechtsurkunde (2. Hälfte des 12. Jhs.) erwähnt (§ 31) einen burgensis habens -proprium dominum, cuius fatelur esse proprius. 58 Vgl. W a i t z , VIII. 157 f. Auch diese Leistungen haben manche verkehrterweise als Spuren ehemaliger Hörigkeit gedeutet.

59

Vgl. S. 497. Maurer, Städteverfassung I. 482

ff.

00

Vgl. S. 525 f.

§51.

Die Städte.

601

61

civium) an der Spitze . Erst damit war die Stadt eine öffentliche Korporation, eine Stadt im Rechtssinne geworden. Stadt und Stadtrat erschienen fortan als eine notwendige Verbindung, die in allen neueren Städteprivilegien von vornherein berücksichtigt wurde. Die Frage, wie diese Stadträte entstanden sind, hat man in der Regel zu einseitig beantwortet; sie sind ebensowenig ausschließlich auf die Schöffenkollegien, wie auf Gilde, Landgemeinde oder Stadtfriedenseinungen zurückzuführen, vielmehr ist es bald diese, bald jene Ursache gewesen, bald haben mehrere zusammengewirkt, nur das Ergebnis war überall das gleiche 62 . Wo Schöffenkollegien bestanden, haben diese wohl meistens den Ausgangspunkt abgegeben, sei es, indem die Schöffen zugleich die Punktionen des Rates übernahmen, wobei dann unter Umständen der erste unter ihnen als Schöffenmeister die Stellung eines Bürgermeisters erlangen konnte 6 3 , oder indem das Schöffenkollegium für die städtischen Angelegenheiten noch durch weitere Mitglieder verstärkt wurde. Zuweilen war die Bildung des Rates auch das Ergebnis eines Kompromisses unter den verschiedenen Elementen der Bürgerschaft, namentlich unter der Gilde und den nicht zu derselben gehörigen vermögenderen Einsassen, wie Landwirten, Weinbergs-, Bergwerks- oder Hüttenbesitzern 6 4 . Auch die in einer Stadt vereinigten Sondergemeinden mögen sich nicht selten über die Einsetzung einer gemeinsamen Vertretung verständigt lieben. Im Westen äußerte sich wiederholt der Einfluß der in Frankreich, Flandern und Italien ins Leben getretenen städtischen Eidgenossenschaften (communitates) 65 , d. h. Stadtfriedenseinungen, die nach Art der Landfriedenseinungen mit der Einsetzung von Ausschüssen zur Wahrung des Friedens verbunden waren und so allmählich zu der Bildung wahrer Gemeindevertretungen führten. Die ganze Bewegung lag seit dem 13. Jahrhundert überhaupt in der Luft, sie beschränkte sich auch keineswegs auf die Städte, sondern führte vielmehr ebenso auf dem Lande zu entsprechenden Gestaltungen 6 6 . Ebendarum war der von den Stadtherren dagegen erhobene Widerstand, obwohl unterstützt von der städtefeindlichen Politik der Staufer und einer engherzigen Reichsgesetzgebung 67 , durchaus machtlos und höchstens hier und da von vorübergehenden Erfolgen begleitet. I m Gegensatze zu den städtischen Beamten, die der Stadtherr, wenn 61

1 0 0 f.

Über Stadträte aus dem 12. J h . vgl. v. BELOW, E n t s t e h u n g der Stadtgemeinde ARNOLD,

a.

a.

Gesch.-Bl. 1885, S. 26. 82

Vgl.

WAITZ,

0.

1.

179.

v.

RICHTHOFEN,

a. a. 0 .

176.

WEILAND,

Hans.

In Straßburg ist der Rat zwischen 1198 und 1201 entstanden.

VII.

415 f.;

Gött.

gel.

Anz.

1854,

S.

61

ff.

GIEKKE, a.

a.

O.

I. 221, 250, 264 ff. 03 Vgl. u. a. DÖRING, Metz 80 f. Zwischen 1197 und 1207 erhielt M e t z dann einen eigenen, von dem Scliöffenkollegium verschiedenen Rat von 13 Geschworenen. Ebd. 96 ff. 64

06

Vgl.

WEILAND, a. a. 0 .

27

ff.

65

Vgl.

WAITZ, V I I .

396

ff.

Vgl. S. 538, 540 f. 67 FRANKLIN, Sent. cur. reg. Nr. 142—149. In der Litteratur ist die Sache SO vielfach behandelt, daß besondere A n f ü h r u n g e n überflüssig erscheinen.

Das Mittelalter.

602

auch zum Teil nur auf Wahl der Gemeinde, zu ernennen hatte, beruhte die Stellung des Rates und der Bürgermeister ausschließlich auf der Wahl, die in der Regel auf beschränkte Zeit, meistens nur auf ein Jahr, erfolgte. Dabei machte es sich allmählich von selbst, daß nur die vermögenden Klassen (Kaufleute, Großgrundbesitzer, in die Bürgerschaft aufgenommene Ministerialen) an der Wahl teilnahmen, und daß innerhalb dieses Kreises wieder diejenigen, die das Amt bereits früher bekleidet hatten, sich zu einer besonders bevorzugten G'ruppe entwickelten 68 . So kam es überall zu der Ausbildung einer besonderen Stadtaristokratie der ratsfähigen Geschlechter, die sich namentlich da, wo die ursprüngliche Wahl einem Selbstergänzungsrecht des Rates weichen mußte, zu schroffster Abgeschlossenheit entwickelte. Im einzelnen gab es vielfache Verschiedenheiten 69 und auch innerhalb der einzelnen Städte kam es zu wiederholten Verschiebungen, aber das Ergebnis war überall die Trennung der Bürgerschaft in die herrschenden Geschlechter und die von jedem Einfluß auf das Stadtregiment ausgeschlossenen übrigen Klassen. Unter den letzteren mußten die Handwerkerzünfte ihre Zurücksetzung um so schwerer empfinden, je mehr sich die Erinnerung an die frühere Gesamtgilde, die auch sie mitumfaßte, in den Gemütern erhalten hatte. Ihre geschlossene korporative Organisation, ihre Bedeutung für die städtische Wehrverfassung, die Wohlhabenheit und künstlerische Ausbildung, zu der unter dem Schutze des Zunftzwanges viele ihrer Mitglieder gelangt waren, alles dies machte sie zum Kampf gegen die Alleinherrschaft der Geschlechter ebenso geneigt wie befähigt. Das 14. und 15. Jahrhundert brachte überall den Zusammenstoß, wobei die Stadtherren bald mit den Geschlechtern, bald mit den Zünften im Bunde waren. Das Ergebnis fiel durchweg zu Gunsten der von den Zünften verlangten Reformen aus. Im einzelnen sehr verschieden, bewegten sich diese Reformen doch im allgemeinen in drei Richtungen. Einmal kam es darauf an, den Zünften einen Anteil an dem alten Rat einzuräumen, entweder durch eine rein zunftmäßige Organisation des Rates, die auch die Patrizier nur zuließ, wenn sie sich der Zunftordnung eingliederten, oder durch Schaffung weiterer Ratsstellen, deren Besetzung den Zünften vorbehalten wurde, oder in der Weise, daß man den ganzen Rat, unter Beseitigung des Selbstergänzungsrechtes, auf Wahl stellte und aktives wie passives Wahlrecht auf die Zünfte ausdehnte. Neben den alten oder engeren Rat trat dann in der Regel noch eine auf breiterer Grundlage beruhende Gemeindevertretung, deren Zuziehung für 68

Sehr lehrreich sind insbesondere die neuerdings von K R U S E i. d. Zeitschr. f. EG. XXII. 152 ff. behandelten Verhältnisse von K ö l n , doch möchte ich auch seinen Ausführungen gegenüber immer noch an einem ursprünglichen Zusammenhange der Richerzeche (d. h. Gesellschaft der Reichen) mit der Gilde festhalten. 69 In verschiedenen friesischen Städten trat die Priesterschaft teils neben, teils in dem Rate in auffallender Weise hervor. Vgl. Zeitschr. f. RG. XIX. 233. Ich vermute, daß dies auf eine Organisation, die mit dem Gottesfrieden zusammenhing, zurückzuführen ist.

§51.

6oa

Die Städte.

bestimmte Akte vorgeschrieben wurde, als neuer oder weiterer R a t Endlich wurde dem alten Rate vielfach die Exekutivgewalt ganz abgenommen und einem engeren Ausschuß, den man wohl nach der Zahl seiner Mitglieder (Fünfer, Zehner, Fünfzehner u. dgl.) bezeichnete, übertragen, so daß sich der alte Rat in ein bloßes städtisches Oberhaus verwandelte. Einen demokratischen Charakter trugen alle diese Veränderungen nur insofern, als sie den Handwerksmeistern eine Beteiligung an der Stadtlegierung gewährten; dagegen blieben Gesellen, Tagelöhner, kleine Ackerbürger und Hörige ebenso wie die J u d e n auch ferner von jeder Beteiligung ausgeschlossen. Der Rat verwaltete die sämtlichen Kommunalangelegenheiten, soweit, sie nicht an Sondergemeinden überlassen waren, er ernannte die städtischen Beamten, namentlich den Stadtschreiber und den Büttel, er vertrat die Stadt nach außen und führte das Stadtsiegel, das den Städten immer erst nach Einführung der Ratsverfassung zukam. Soweit der stadtherrliche Beamte bis dahin mit Kommunalangelegenheiten befaßt gewesen war, gingen seine Kompetenzen auf den Rat über. Der Rat übte das Recht der Autonomie. Eine Hauptaufgabe des Rates war die Aufbringung der Beden und sonstigeil öffentlichen Leistungen, die der Stadt auferlegt wurden; er erlangte auf diese Weise über die Einwohner ein Besteuerungsrecht, das dann auch zu rein städtischen Zwecken nutzbar gemacht werden konnte, dem sich aber die Kirchen und die zu ihnen gehörige Geistlichkeit gewöhnlich zu entziehen suchten 7 0 . Neben den direkten Steuern bedienten sich die Städte seit dem 13. Jahrhundert allgemein auch des Ungelts, d. h. der Lebensmittelsteuer oder Accise 70 ". Der ganze städtische Haushalt trug gegenüber dem des Reiches und der Territorien bereits einen modern staatlichen Charakter. Die Aufnahme neuer Bürger erfolgte durch den R a t , sie setzte die Ableistung eines Bürgereides voraus. Ein beliebtes, von der Reichsgesetzgebung drei Jahrhunderte hindurch ohne Erfolg bekämpftes Mittel, die Wehrkraft der Städte zu erhöhen, war die Erteilung des Bürgerrechts an Auswärtige (namentlich Ritter, aber auch andere Personen, selbst Klöster und ganze Dorfgemeinden), die, weil sie außerhalb des Weichbildes saßen, Ausbürger oder PfahlbüTger genannt wurden 7 1 . Das städtische Kriegswesen beruhte durchaus auf der allgemeinen Wehrpflicht aller Bürger. Es stand unter der Leitung des Rates. Die IO vg], Windeckes Leben Sigmunds c. 327. HEGEL, Mainz 124 ff. 70

» V g l . ARNOLD, I. 2 6 7 f.

ARNOLD, a. a. 0 . I. 269. II. 430 ff.

MAURER, I I . 8 5 S f.

III. 365.

LEXER, M i t t e l h d .

WB.

1844. 71 Vgl. MAURER, Städteverfassung II. 241 ff'. Über eine andere Bedeutung des Wortes Pfahlbürger ( = Vorstädter) ebd. 75. Über die reichsgesetzlichen Verbote der Ausbürger vgl. Anm. 45. MG. Leg. II. 112, 282, 315, 370, 372, 401, 433, 437, 449, 482, 576. Gold. Bulle v. 1356, c. 16. Neue Samml. d. Reichsabschiede I. 39, 43 f., 95, 146, 160. II.

604

Das Mittelalter.

Angehörigen der Geschlechter dienteii zu Roß; je mehr das ritterliche Leben von ihnen gepflegt wurde, desto mehr bildeten sie sich, unterstützt von den vielfach mit ihnen verschmolzenen dienstmännischen Elementen, zu einem eigenen Stadtadel aus, der sich dem Ritterstande gleichstellte. Wo die eigenen Kräfte nicht ausreichten, half man sich mit Söldnern; Ritter traten häufig dauernd in den Sold einer Staadt. Den Kern der städtischen Waffenmacht bildeten die Zünfte, deren jede unter ihrem Zunftmeister eine besondere Abteilung mit besonderer Bewaffnung und besonderen militärischen Aufgaben ausmachte. Yon dem Reiche und den Stadtherren erwarben die Städte vielfach Befreiung von der Heerfahrt, so daß sich ihre militärischen Obliegenheiten hauptsächlich auf die Landfolge und den regelmäßigen Wachdienst beschränkten. Zu den Aufgaben des Rates gehörte auch die Polizeiverwaltung, namentlich in Markt- und Gewerbeangelegenheiten, und die darauf bezügliche Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Zünfte bedurften der Genehmigung des Rates, soweit sie nicht schon vor Errichtung des letzteren entstanden waren. Der Rat hatte die Aufsicht über die Zünfte und die Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten derselben untereinander; vielfach war jeder Zunft ein besonderes Ratsmitglied übergeordnet. Im übrigen waren die Zünfte unter ihren Zunftmeistern oder Ammännern, denen häufig noch ein Ausschuß zur Seite stand, mit einem ausgedehnten Selbstverwaltungsrecht und eigenem Korporationsgericht (der Morgensprache) ausgestattete Sondergemeinden, denen auch ein weitgehendes Recht der Autonomie zustand. Die Beziehungen des Rates zur Rechtspflege waren nicht überall dieselben. Zuweilen bildete der Rat oder ein Teil des Rates zugleich das Schöffenkollegium, oder die Schöffen wurden von ihm gewählt. Auch das Amt des Richters gelangte im Laufe der Zeit in vielen Städten in die Hände des Rates, der dasselbe dann entweder von einem der Bürgermeister oder einem eigenen Stadtrichter verwalten ließ. Der Stadtschreiber, obwohl zunächst für die Ratsverhandlungen bestimmt, pflegte auch als Gerichtsschreiber zu dienen. Ebenso waren die' Büttel Stadt- und Gerichtsboten in einer Person. Der Übergang des Schultheißenamtes oder selbst der Vogtei oder Burggrafschaft auf die Stadt vollzog sich entweder durch unmittelbare Übereinkunft mit dem Stadtherrn oder durch Vertrag mit dem von diesem belehnten Inhaber unter Zustimmung des Lehnsherrn, so daß die Stadt zwar die Gerichtsherrlichkeit erwarb, dem Herrn aber das lehnsherrliche Obereigentum gewahrt blieb 72 . Auch wo die Städte den Blutbann nicht an sich zu bringen wußten, übte der Rat doch die Landfriedensgerichtsbarkeit : aus, wodurch das Burggrafen- oder Vogtgericht

72 So hatte B e r l i n 1391 das Sohulzenamt samt oberstem und niederstem Gericht erworben, mußte es aber 1442 zur Strafe für seine Unbotmäßigkeit wieder an den Markgrafen zurückgeben, so daß der Rat nur das Recht der Schöffenwahl und das Landfriedensgericht behielt. Vgl. SELLO, i. d. Mark. Forsch. XVI. 21—27.

§ 51.

Die Städte.

605

vielfach in den Hintergrund gerückt und schließlich ganz verdrängt wurde 73 . Von den königlichen Städten hatten seit Friedrich II. viele durch Veräußerung oder Verpfändung seitens des Reiches ihre Reichsunmittelbarkeit verloren und waren zu Landstädten geworden. Nachdem sich die Auffassung entwickelt hatte, daß dem Könige derartige Verfügungen mit Nichtachtung der den Städten erteilten Privilegien nicht zuständen, sprach man nicht mehr von königlichen, sondern von Reichsstädten 74 . Dieselben hatten, auch wo die hohe Gerichtsbarkeit in den Händen eines Reichsbeamten geblieben war, im Laufe der Zeit sämtlich eine der fürstlichen Landeshoheit nahe kommende Selbständigkeit erlangt. Ihren Gerichtsstand als Korporationen hatten sie vor dem König. Sie erfreuten sich seit der 2. Hälfte des IB. Jahrhunderts einer nur durch die Reichsgesetze beschränkten Autonomie, hatten die Verfügung über ihre bewaffnete Macht und das alleinige Besatzungsrecht in ihren Befestigungen, sie besaßen daher auch Bündnis- und Fehderecht, ferner das Heimfallsrecht (S. 513 f.), Juden- und Münzregal (S. 452, 509), Zölle, Geleitsrecht und andere Hoheitsrechte. Oft herrschten die Reichsstädte zugleich über ausgedehnte Territorien. Durch die Vermittelung von Lehnsträgern konnten sie auch Lehen erwerben 76 . Dem Könige schuldeten die Reichsstädte Huldigung, Heerfahrt und Steuer (S. 525), für die Dauer seines Aufenthaltes in der Stadt wurden ihm alle der letzteren gehörigen Regalien ledig 76 , ihm und seinem Hofe war Herberge und Unterhalt zu gewähren. Zu den Reichsstädten zählten seit dem 14. Jahrhundert auch verschiedene Bischofsstädte, die sich vor der Unterwerfung unter die Landeshoheit des Bischofs zu bewahren vermocht hatten und nur in einer mehr oder weniger losen Unterordnung zu demselben standen. Dies galt namentlich von Basel, Straßburg, Speier, Worms, Mainz, Köln und Regensburg, das allerdings mehr eine königliche als eine bischöfliche Stadt gewesen war, ferner von Augsburg, Konstanz und Magdeburg. Mainz büßte seine reichsunmittelbare Stellung 1462 wieder ein und wurde zu einer bloßen Landstadt, während Bremen ungefähr um dieselbe Zeit als Reichsstadt anerkannt wurde. Die Lage einiger anderen Bischofsstädte (Metz, Toul, Verdun, Osnabrück, eine Zeit lang auch Trier) war unklar oder bestritten, die übrigen waren zu reinen Landstädten geworden. Für die Mehrzahl der später zu Reichsstädten gewordenen Bischofsstädte kam im 14. Jahrhundert die Bezeichnung „Freistädte" (erst später „des Reiches freie Städte") auf, ein Ausdruck der sich ebensowohl auf ihre Lösung aus der landesherrlichen Vogtei, wie auf ihre Freiheit von gewissen Reichs7:1

Vgl. u. a. Zeitsehl', f. RG. XIX. 223 f. Vgl. LORENZ, Über den Unterschied von Reichsstädten und Landstädten, mit besonderer Berücksichtigung von Wien, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. LXXXIX. 1878. 75 Vgl. S. 390. ALBRECHT, Gewere 239, 255. HOMEYER, System des Lehnrechts 312. 76 Vgl. 504 f. Die Beschränkung auf die Zeit der Reichstage war nur ein Zugeständnis des Königs an die geistlichen Fürsten, aber nicht an die Reichsstädte.

606

Das Mittelalter.

pflichten (namentlich Heerfahrt und Jahressteuer) bezog77. Im übrigen war ihre rechtliche Lage dieselbe wie die der eigentlichen Reichsstädte. Die Landstädte standen nicht wie die Reichsstädte unmittelbar unter dem Reiche, sondern unter landesherrlicher Gewalt. Ihren Gerichtsstand hatten sie vor dem fürstlichen Hofgericht. Seit dem 14. Jahrhundert waren sie fast überall im Besitze der Landstandschaft. Der Umfang der landesherrlichen Gewalt war ihnen gegenüber ein sehr verschiedener. Manche Städte, wie das später zur Reichsstadt gewordene Hamburg (von Hause aus eine holsteinische Landstadt) und die meisten Mitglieder der Hansa, waren nahezu Freistädte, so daß sie in dem Fürsten nur einen Oberherrn, dem sie huldigen, das Besatzungsrecht einräumen und in gewissen Beziehungen Gehorsam leisten mußten, aber keinen regierenden Landesherrn sahen, während andere Städte in der Hauptsache ganz von dem landesherrlichen Regiment abhingen. Sehr dürftig sah es um die Selbständigkeit der grundherrlichen Städte aus, die wenig mehr als die offenen Marktflecken zu bedeuten hatten. Auf derselben Stufe standen die Patrimonialstädte, die durch Übertragung der stadtherrlichen Gewalt auf einen Grundherrn mittelbar geworden waren. Landstandschaft und eximierter Gerichtsstand kamen diesen städtischen Afterbildungen nicht zu. Unter den Städtebündnissen, die ganz besonders zur Hebung dtss Ansehens der Städte beigetragen und ihre Reichs- oder Landstandschaft angebahnt haben, war der große rheinische Städtebund (1254—1256) von zu kurzer Dauer, um nachhaltig wirken zu können 78 . Der schwäbische Städtebund hatte rein politische Zwecke, Schutz der Reichsunmittelbarkeit der Städte gegen die landesherrliche Gewalt der Fürsten, und sein unglücklicher Ausgang trug mehr zur Verschlechterung als zur Hebung der Lage der Städte bei 79 . Anders stand es um die Hansa 80 . Mit diesem " V g l . S. 5 2 5 f.

HEÜSLER

S t a d t v e r f a s s u n g 2 3 8 ff.; B a s e l 3 1 0 ff. ARNOLD, a. a. 0 .

pg. VIII.. II. 416 ff. HEGEL, Maisz 142, 144; Straßburg 6; Köln II. pg. C X V I I ; Allg. Monatsschrift 1854, S. 155 ff. MAURER, Städteverfassung III. 286 ff. ZEUMER, Städtesteuern 139 ff. 78 Hauptaufgabe des Bundes, dem auch viele Fürsten und Herren angehörten, war die Durchführung des Landfriedens auf der Grundlage der Mainzer Reichstagsbeschlüsse von 1235. Die Führung hatten Mainz und Worms. An der Spitze stand eine Bundesversammlung, die zugleich als Bundesschiedsgericht diente. Der Bund erhob Bundessteuern. Er erfreute sich der besonderen Begünstigung und wiederholten Bestätigung des Königs Wilhelm, nach dessen Tode er sich auflöste. Vgl. MG. Leg.

II.

368—381.

GIERKE,

a. a. O. I . 4 7 6

ff.

QÜIDDE, S t u d i e n

z. G e s c h .

d.

rhein. Landfriedensbundes von 1254, 1885. HINTZE, Das Königtum Wilhelms von Holland, 1885. WEIZSÄCKER, Der Rheinische Bund 1254, 1879. BDSSON, Zur Geschichte des großen Landfriedensbundes deutscher Städte 1254, 1874. ARNOLD, a. a. 0 . IL 66 ff. ™ Vgl. VISCHER, Geschichte des schwäbischen Städtebundes von 1376—1389, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. II. 1 ff. III. 1 ff. Der schwäbische Städtebund darf nicht mit dem 1487 von Kaiser Friedrich III. gestifteten schwäbischen Bunde verwechselt werden. 90

V g l . SARTORIBS,

Geschichte

des

hanseatischen

Bundes,

I.—III.

1802—1808.

§51.

607

Die Städte. 81

Namen, der nichts anderes als Bruderschaft oder Gilde bedeutete , wurde zuerst die Gilde der deutschen Kaufleute auf dem Stahlhofe zu London bezeichnet, die sich, aus der Verschmelzung verschiedener landsmannschaftlichen Hansen deutscher Kaufleute in England hervorgegangen, als „Hanse Alemanniens" oder „Gildhalle der Deutschen in England" auf alle Deutschen, die mit England Geschäfte betrieben, ausdehnte 82 . Ähnliche Vereinigungen des deutschen Kaufmanns waren das deutsche Haus in Venedig 83 , das deutsche Kontor in Brügge 8 4 und die deutschen Hansen in Wisby auf Gotland 86 , Schonen, Bergen, Riga und Nowgorod 86 . Der Hauptzweck dieser Hansen war die Beschaffung eines „Hauses" für die Unterbringung der Menschen und Waren, Aufrechterhaltung des Friedens unter den Hansebrüdern, Rechtsschutz, Erwerb von Handelsfreiheiten u.dgl. m. Die Hansen waren Gilden mit mehreren gewählten Altermännern an der Spitze, welche die Vertretung nach außen und die Vermögensverwaltung hatten. Die Gilde Versammlung wurde aus den zur Zeit am Orte anwesenden Hansebrüdern gebildet. Sie übte eine weitgehende Autonomie. Den Altermännern stand in Nowgorod ein Ausschuß von Ratmännern (ratgeven) zur Seite. Streitigkeiten unter den Brüdern durften bei Strafe nicht an das ausländische Gericht gebracht werden, sie gehörten vor den Hansevorstand als Gildegericht. Demselben stand auch eine ausgedehnte Strafgewalt über die Mitglieder, unter Umständen selbst das Recht über Leben und Tod zu. Eine besonders empfindliche Strafe war der HanseLAPPENBERG, Urkundl. Geschichte des Ursprungs der deutschen Hanse, 1830. BARTHOLD, Geschichte der deutsch. Hansa, 1853 f. SCHAFER, Die Hansestädte und König Waldemar,

1879.

GIERKE, a . a . O . I . 3 4 9 ff., 4 6 3

ff.

EICHHORN, S t . - u . E G . I I . 1 6 8 ff.

III. 294 ff. HÖHLBAUM, Hansisches Urk.-B. I.—III. 1876—86. Recesse der Hansetage von 1256—1430, her. v. d. Histor. Kommiss. d. bayer. Akad. d. Wiss., bearb. von KOPPMANN, seit 1870. Hanserecesse von 1431 — 1476, bearb. von v. D. ROPP, seit 1876. Dieselben, von 1477—1530, bearb. von SCHAFER, seit 1881. Hansische Geschichtsblätter, seit 1871. 81

V g l . GRIMM, D W B .

82

Vgl. LAPPENBERG, Urkundl. Geschichte des Hansischen Stahlhofes zu London,

1881.

I V . 2, 4 6 2 .

SCHILLER u n d LÜBBEN, M i t t e l n d . W B .

II. 242.

HOHLSAUM, i. d. H a n s . Gesch.-Bl. 1 8 7 5 , S. 21 ff. PAULI, ebd. 1 8 7 2 , S. 15 ff.

In den Jahren. 1266 und 1267 gab es in England noch eine eigene Hamburger, Lübecker, Kölner Hanse (HÖHLBAUM, Hans. Urk.-B. I. Nr. 633, 636), seit 1308 ist

nur noch von der deutschen Hanse (la, haunsse de j\lewi(ii(]nc, hansa domus wpfcfite»-um Alemannie) die Rede, und dieser Zustand wird 1320 als ein seit Menschengedenken bestehender bezeichnet (ebd. II. Nr. 128, 147, 358), die Verschmelzung hat also zwischen 1267 und 1308 stattgefunden. 83 Vgl. THOMAS, Capitolare ^ei visdomini del fontego dei Todeschi in Venezia, 1874. SIMONSFELD, Fondaco dei Tedeschi, I. II. 1887. HE YD. i. d. Hist. Zeitschr. XXXII. 193 ff. 81

Vgl. KOPPMANN, i. d. H a n s . Gesch.-BI.

1 8 7 2 , S. 77

ff.

ENNEN,

ebd.

1873,

S. 39 ff. HARDUNG, i. d. Hist. Zeitschr. XXVIII. 310 ff. SCHAFER, a. a. O. 65 ff. GIERKE, a. a. 0 . 356 ff. HÖHLBAUM, Hans. U r k . - B . I I I . 3 4 4 ff. 85

36

V g l . SCHAFER, a. a . 0 . 3 7 ff.

Vgl. FRENSDORFF, Das statutarische Recht der deutschen Kaufleute in Nowgorod, i. d. Abh. d. Göttinger Ges. d. Wiss. XXXIII. XXXIV. 1887. HÖHLBAUM, Hans. Urk.-B. III. 357 ff.

608

Das Mittelalter.

bann (ul der hense leggen), der außer dem Ausschluß von der Hanse (buten der Duschen, rechte ivesen) auch eine vollständige Verkehrssperre gegen«über allen Hansebrüdern zur Folge hatte 87 . Der Rechtszug von den Entscheidungen der Hanse zu Nowgorod ging ursprünglich nach Wisby, seit Ende des 13. Jahrhunderts aber an den Rat zu Lübeck, später alternativ nach Lübeck oder Wisby 89 . Mitglieder der Hansen waren nicht schlechthin alle deutschen, sondern nur die Kaufleute aus solchen Städten, deren Kaufmannschaft sich ausdrücklich oder stillschweigend angeschlossen hatte 89 . Die dadurch unter diesen Städten begründete Interessengemeinschaft führte schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wiederholt zu gemeinsamen Schritten derselben, so daß in Angelegenheiten der Hanse ein stillschweigendes Bündnis, wenn auch ohne jede ausdrückliche Sanktion, bestand 90 . Sobald dasselbe 1356—1358 in den flandrischen Händeln schärfer hervortrat, übertrug sich auch die Bezeichnung „Hanse" auf dies Bundesverhältnis, so daß nunmehr neben der Hanse des deutschen Kaufmanns eine Hanse der deutschen Städte bestand 91 . Eine feste Organisation erhielt der Hansebund durch die Greifswalder und Kölner Konföderation von 1361 und 1367, die zunächst beide nur für ein einzelnes kriegerisches Unternehmen (gegen Waldemar von Dänemark) geschlossen waren, dann aber immer wieder erneuert und zuletzt als dauernde Bünde behandelt wurden 92 . Der Hansebund, obwohl seinem Bestände nach überwiegend aus bloßen Landstädten zusammengesetzt, trat nach außen als selbständiges Rechtssubjekt, auch in internationalen Beziehungen, auf, er führte Kriege und schloß Verträge mit dem Auslande, verfügte über ein Bundesheer und eine Bundesflotte, erwarb ganze Territorien und legte Festungen an. Ein Schutz- und Trutzbündnis war er an sich nicht; Fehden der einzelnen Städte mit Dritten gingen den Bund nichts an. Die Bundeszwecke beschränkten sich im wesentlichen auf das Gebiet des Handels: Schutz des Handels, Freiheit der Handelsstraßen, Abschließung von Handelsverträgen, Gesetzgebung in Sachen des Handels und der Schiffahrt, Herstellung von Einrichtungen für dieZwecke desHancfels, u.dgl.m. Streitigkeiten unter den Bundesgliedern unterlagen der schiedsrichterlichen Entscheidung des Bundes, ebenso innere Verfassungsstreitigkeiten in einzelnen Städten, sobald eine Partei den Bund anrief. Bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Städten und ihren Landesherren pflegte der Bund die Vermittlerrolle zu übernehmen. Das Haupt der Hanse war und blieb Lübeck. Den eigentlichen Kern bildeten» die unter Lübeck vereinigten 87 88 89

Vgl. HÖHLBAUM, Hans. Urk.-B. III. Nr. 160 (1350). Vgl. FRENSDORFS a. a. 0 . XXXIII. 26 ff. XXXIV. 12. Vgl. HÖHLBAUM, Hans. Urk.-B. II. Nr. 358 (1320).

90

V g l . SCHÄFER, a . a . O . 7 1 ff., 7 7 , 8 6 ff., 1 0 6 f. FRENSDORRF, a . a . 0 . X X X I I I . 2 6 ff.

91

Vgl.

SCHÄFER,

248

ff.

HÖHLBAUM,

Hans.

Urk.-B.

III.

Nr.

354,

385 f., 389. 392 ff. 92

V g l . SCHÄFER, 2 7 « , 2 8 0 , 4 3 1 ff., 5 6 8 .

FRENSDORFF, X X X I V .

4 4 f.

356

ff.,

383,

§ 52.

Die Rechtsbildung im allgemeinen.

609

wendischen (d. h. meklenburgischen und pommerschen) Städte. Ursprünglich wurde jede niederdeutsche Stadt, die darum nachsuchte, in den Bund aufgenommen. Im 15. Jahrhundert unterschied man zwischen aktiven Mitgliedern und bloßen Schutzgenossen der Hanse. Städte der Hanse, die ihre Bundespflichten nicht erfüllten, verfielen der Strafe des Hansehannes und der damit verbundenen allgemeinen Verkehrssperre (S. 607 f.). Im übrigen stand der Austritt jedem Mitgliede jederzeit frei. Während die Hanse in dieser Beziehung den Charakter der freien Einung bewahrt hatte 83 , zeigte ihre Verfassung sonst einen bundesstaatlichen Charakter. Die Bundesgewalt wurde von den Städtetagen, Versammlungen von abgeordneten Ratsmitgliedern der einzelnen Städte, ausgeübt. Die Einladung erfolgte durch Lübeck. Die Beschlüsse wurden in Rezessen niedergelegt; sie waren, soweit sie sich innerhalb der Bundeskompetenz hielten, auch für die ausgebliebenen Städte verbindlich. Der Städtetag konnte Kriegsleistungen und Bundessteuern (gewöhnlich das sogenannte Pfundgeld) ausschreiben; ihm stand das Recht zu, allgemeine oder spezielle Handelssperren zu verhängen, deren Beobachtung für jede Stadt als Bundespflicht galt. Innerhalb des Bundes bestanden wieder Sonderbünde mit eigenen Angelegenheiten und eigenen Städtetagen. Nach mehrfachem Wechsel wurden als solche die vier Quartiere, das wendische unter Lübeck, das sächsische unter Braunschweig, das kölnische unter Köln, das preußischliefländische unter Danzig als Vorort, anerkannt.

Drittes Kapitel. Die

Rechtsquellen.

STOBBE, G e s c h i c h t e der d e u t s c h e n R e c h t s q u e l l e n . St.- u. R G . I I . 1 8 8 — 3 3 9 . I. (1871),

S. 100—201.

I . ( 1 8 6 0 ) S . 2 6 6 ff. EICHHORN,

WALTER, D R G . 2 . Aufl. § § 3 1 3 — 3 3 3 . SCHÖLTE, Ü R G . ( 1 8 8 1 )

BBÜNNEE, in HOLTZENDORFF'S E n c y k l o p ä d i e

S. 144—182.

ZÖPFL, D R G . 4 . Aufl. SIEGEL, D R G . 3 6 — 8 5 .

der R e c h t s w i s s e n s c h a f t ,

4 . Aufl.

(1882),

221-231.

§ 52. Die R e c h t s b i l d u n g im a l l g e m e i n e n . Während des 10. Jahrhunderts erhielten sich die Kapitularien und Volksrechte noch in einer gewissen Geltung, im 11. Jahrhundert aber gerieten sie vollständig in Vergessenheit. Das Mittelalter hatte nur noch eine unbestimmte Erinnerung an die grundlegende gesetzgeberische Thätigkeit Karls des Großen, auf den die Volksmeinung alles weltliche Recht ebenso zurückführte, wie man in Constantin dem Großen den Begründer des gesamten kirchlichen Rechtszustandes sah 1 . Eine ausdrückliche Aufhebung der 93

V g l . GIERKE, a. a. 0 .

Vgl. S. 616, 619, 624. Zeitschr. f. RG. XX. 28 f. 1

472.

STOBBE, 356 ff.

R. ScHBÖDLH, Deutsche ßechtsgeschichte.

Zeitschr. f. deutsch. Altert. XIII. 157. 39

§ 52.

Die Rechtsbildung im allgemeinen.

609

wendischen (d. h. meklenburgischen und pommerschen) Städte. Ursprünglich wurde jede niederdeutsche Stadt, die darum nachsuchte, in den Bund aufgenommen. Im 15. Jahrhundert unterschied man zwischen aktiven Mitgliedern und bloßen Schutzgenossen der Hanse. Städte der Hanse, die ihre Bundespflichten nicht erfüllten, verfielen der Strafe des Hansehannes und der damit verbundenen allgemeinen Verkehrssperre (S. 607 f.). Im übrigen stand der Austritt jedem Mitgliede jederzeit frei. Während die Hanse in dieser Beziehung den Charakter der freien Einung bewahrt hatte 83 , zeigte ihre Verfassung sonst einen bundesstaatlichen Charakter. Die Bundesgewalt wurde von den Städtetagen, Versammlungen von abgeordneten Ratsmitgliedern der einzelnen Städte, ausgeübt. Die Einladung erfolgte durch Lübeck. Die Beschlüsse wurden in Rezessen niedergelegt; sie waren, soweit sie sich innerhalb der Bundeskompetenz hielten, auch für die ausgebliebenen Städte verbindlich. Der Städtetag konnte Kriegsleistungen und Bundessteuern (gewöhnlich das sogenannte Pfundgeld) ausschreiben; ihm stand das Recht zu, allgemeine oder spezielle Handelssperren zu verhängen, deren Beobachtung für jede Stadt als Bundespflicht galt. Innerhalb des Bundes bestanden wieder Sonderbünde mit eigenen Angelegenheiten und eigenen Städtetagen. Nach mehrfachem Wechsel wurden als solche die vier Quartiere, das wendische unter Lübeck, das sächsische unter Braunschweig, das kölnische unter Köln, das preußischliefländische unter Danzig als Vorort, anerkannt.

Drittes Kapitel. Die

Rechtsquellen.

STOBBE, G e s c h i c h t e der d e u t s c h e n R e c h t s q u e l l e n . St.- u. R G . I I . 1 8 8 — 3 3 9 . I. (1871),

S. 100—201.

I . ( 1 8 6 0 ) S . 2 6 6 ff. EICHHORN,

WALTER, D R G . 2 . Aufl. § § 3 1 3 — 3 3 3 . SCHÖLTE, Ü R G . ( 1 8 8 1 )

BBÜNNEE, in HOLTZENDORFF'S E n c y k l o p ä d i e

S. 144—182.

ZÖPFL, D R G . 4 . Aufl. SIEGEL, D R G . 3 6 — 8 5 .

der R e c h t s w i s s e n s c h a f t ,

4 . Aufl.

(1882),

221-231.

§ 52. Die R e c h t s b i l d u n g im a l l g e m e i n e n . Während des 10. Jahrhunderts erhielten sich die Kapitularien und Volksrechte noch in einer gewissen Geltung, im 11. Jahrhundert aber gerieten sie vollständig in Vergessenheit. Das Mittelalter hatte nur noch eine unbestimmte Erinnerung an die grundlegende gesetzgeberische Thätigkeit Karls des Großen, auf den die Volksmeinung alles weltliche Recht ebenso zurückführte, wie man in Constantin dem Großen den Begründer des gesamten kirchlichen Rechtszustandes sah 1 . Eine ausdrückliche Aufhebung der 93

V g l . GIERKE, a. a. 0 .

Vgl. S. 616, 619, 624. Zeitschr. f. RG. XX. 28 f. 1

472.

STOBBE, 356 ff.

R. ScHBÖDLH, Deutsche ßechtsgeschichte.

Zeitschr. f. deutsch. Altert. XIII. 157. 39

610

Das Mittelalter.

alten Rechtsquellen hat nie stattgefunden, sie kamen von selbst außer Übung, weil die staatlichen und ständischen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Lebensbedingungen andere geworden waren. Bis zum 11. Jahrhundert hatte der Adel noch darauf gehalten, daß seine Söhne sich mit den Rechtssatzungen der Väter bekannt machten; das hörte nun auf, die alten Satzungen hatten keine Geltung mehr, und neue gab es noch nicht 2 . Anders in Italien, wo sich die professiones iuris bis tief in das Mittelalter in Gebrauch erhielten 3 ; für diejenigen, die sich zu einem deutschen Stammesrecht bekannt hatten, behielten daher die alten Volksrechte immer noch eine gewisse Geltung, die lombardische Rechtsschule beschäftigte sich noch mit ihnen wie mit den Kapitularien 4 , und wenn in Deutschland einzelne Volksrechte noch im 12. und 13. Jahrhundert abgeschrieben wurden, so dürfte dies eher auf italienische Beziehungen als auf vereinzelte Anwendungsfälle in Deutschland zu deuten sein 6 . Vom 10. bis 12. Jahrhundert ruhte die Gesetzgebung fast ganz, die Zeit war nicht dazu angethan und die Neubildung aller rechtlichen Beziehungen noch zu sehr im Fluß, als daß eine gesetzliche Feststellung möglich gewesen wäre. Es war die Zeit der Alleinherrschaft des Gewohnheitsrechts, dessen eigentliche Träger bis zum 13. Jahrhundert die Stämme blieben 8 . Dabei vollzog sich seit der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts in Deutschland wie in Frankreich eine allmähliche Umwandlung des Prinzips der persönlichen Rechte (S. 222) zu Gunsten des Territorialprinzips, wenn auch das letztere noch keineswegs zur Alleinherrschaft gelangte 7 . Aber man gewöhnte sich daran, das Recht des überwiegenden Teils der Landes* Vgl. Wipos Tetralogus von 1041 (MG. Scr. XI. 251) und die Klage des Grafen Udalrich von Ebersberg bei ÖFELE, Scriptores rer. Boic. II. 14. 3 Vgl. S. 223 und die dort angefahrte Litteratur. Aus zwei Urkunden von 1181 und 1278 hat GAUPP, Germ. Ansiedlungen 257 FF., entnommen, daß die Professionen auch in Deutschland in Gebrauch gewesen seien, dagegen vgl. K. ¡SCHULZ, Das Urteil des Königsgerichts unter Friedrich I. über die Porstendorfer Besitzung des Klosters Pforte, Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch. IX. (NF. I.) 155 ff. 4 Vgl. S. 226 N. 7, 233, 250, 292, N. 226, 321, N. 413. 5 Anderer Meinung STOBBE, 267. Die Berufung auf Otto Frisingensis, Chronic. IV. c. 32, beweist nichts, Otto hatte offenbar nicht die geringste Vorstellung von der Lex Salica, und wenn er angab, daß die nobilissimi Francorum qui Salici dicuntur noch zu seiner Zeit nach derselben lebten, so schwebte ihm wohl nur das sogenannte salische Gesetz, d. h. das die weibliche Verwandtschaft ausschließende Erbfolgerecht des fränkischen Herrenstandes, vor Augen. Vgl. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIX. 149. Was man sonst noch für die fortgesetzte Geltung der alten Leges angeführt hat (urkundliche Ausdrücke wie lege Alamannorum, secundum legem Saxonum u. dgl. in.), kann noch weniger ins Gewicht fallen, da lex hier überall das ungeschriebene Gewohnheitsrecht, nicht aber den geschriebenen und längst außer Übung gekommenen Pactus bezeichnet. 6 Vgl. WAITZ, V. 149 ff. Hist. Zeitschr. XXXIV. 403 ff. Zeitschr. f. RG. XV. 43 ff. 7 Vgl. STOBBE, i. d. Jahrb. d. gem. Rechts VI. 34ff. HOHEYER, Heimat 62 f. (Abh. d. Berl. Akad. 1852, S. 78 f.). v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 16. Für längere Dauer des alten Prinzips (bis zum 13. Jh.): WALTI-K, § 314, GAUPP, Ansiedlungen 254 ff.; Zeitschr. f. deutsch. Recht XIX. 163 f.

§ 52.

Die Kechtsbildung im allgemeinen.

611

bewohner als das Recht des Landes aufzufassen und alle Landeskinder nach demselben zu beurteilen, so daß für das persönliche Recht des Einzelnen nicht mehr das Recht seines Geschlechts, sondern das seiner Heimat maßgebend wurde; die alten Geschlechtsstämme hatten sich in Landesstämme umgewandelt, das Volksrecht war zum Landrecht geworden8. Anders nur in Italien, wo das bunte Gemisch der dort zusammenströmenden Nationen das Prinzip der persönlichen Rechte bis zum 13. Jahrhundert in alter Weise aufrecht erhielt, zum Teil auch bei den deutschen Herrengeschlechtern, die noch im 13. Jahrhundert den Stammsitz ihres Hauses (ihr Handgemal) als ihre Heimat und das Recht desselben als ihr Stammesrecht betrachteten, -auch wenn sie seit Generationen in anderen Gebieten ansässig waren 9 . Die Einwanderer in den Kolonisationsgebieten Norddeutschlands brachten ihr angestammtes Recht mit, es verwandelte sich aber, sobald sie sich dauernd angesiedelt hatten, in das Ortsrecht ihrer Niederlassung 10 . Den Sieg des Territorialprinzips bezeichnete es, wenn seit dem 13. Jahrhundert für Grundstücke nur noch das Recht der belegenen Sache in Anwendung kam 11 . Die Juden behielten für ihre rechtlichen Beziehungen untereinander, in gewissen fällen auch Christen gegenüber, ihr national-jüdisches Recht auf Grund der mosaischen Gesetze, des Talmud und verschiedener für die Juden erlassenen königlichen Privilegien 13 . Unter den deutschen Stammesrechten war das fränkische von überwiegendem Einfluß 1S . Wie es in Frankreich allmählich die sämtlichen „pays de droit coutumier" und von da aus mit der normannischen Eroberung 8

in

Vgl. HOMEYER, a. a. 0 . 50 (66).

dem

Ed. Pistense

von

Die erste Wendung zeigt sich in Frankreich

8 6 4 , c. 1 3 , 1 6 , 2 0 ( M G . L e g . I. 4 9 1 ,

493).

V g l . WAITZ,

III. 349. GAUPP, Ansiedl. 238 ff. Das älteste Zeugnis für Deutschland enthalten die Bruchstücke eines wohl dem Ende des 9. Jh. angehörigen Nachtragsgesetzes zur Lex Saxonum. 9

V g l . RICHTHOFEN, a. a. 0 . 1 — 1 8 ; MG. L e g . V . 8 f.

V g l . HOMEYER, a . a . O . 5 0 ff., 6 4

( 6 6 ff., 8 0 ) .

K . SCHULZ i n

der A n m .

3

an-

geführten Abhandlung. 10 Ausdrücke wie „deutsches Recht", „flämisches Recht", „fränkisches Recht", in Anwendung auf die Städte und Dörfer der Kolonisationslande, bezogen sich nur auf die Bedingungen, unter denen die Ansiedler den Grund und Boden besaßen, nicht auf das Recht überhaupt. 11 Vgl. Ssp. I. 30. III. 33, § 5. Dsp. 33. Schwsp. Laßb. 33. Mon. Wittelsb. I. S. 429. Gleichzeitige Berücksichtigung des Rechts der belegenen Sache und des persönlichen Rechts des Eigentümers in Urkunden des 11. und 12. Jh. bei LOERSCH u . SCHRÖDER, N r . 8 3 , 12

100.

Vgl. S. 451. HEÜSLER, Institutionen I. 150 ff. STOBBE, Juden in Deutschland 105 ff., 119 ff., 125 ff., 142 ff., 149 ff., 160f., 295 ff.; Jahrbuch VI. 36 f. 13 Vgl. SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht , Zeitschr. f. RG. XIV. Der Verfasser geht nur darin zu weit, daß er eine vollständige Überwältigung der nichtfränkischen Stammesrechte annimmt, während doch selbst im Süden sehr bedeutende Elemente derselben stehen geblieben sind, und daß er dem westfränkischen (d. h. dem salischen) Recht alles zuschreibt, während es sich thatsächlich um das ribuarisch-karolingische Recht handelte, das allerdings bedeutende salische Elemente in sich aufgenommen hatte. Vgl. HEUSLEB, a. a. O. I. 20 ff.

612

Das Mittelalter.

England, Neapel und Sizilien in Besitz genommen hatte, so drang es auch in Deutschland siegreich vor. Die Auffassung des deutschen Reiches als einer Fortsetzung des fränkischen bewirkte, daß der König persönlich fränkisches Recht hatte und Königswahl und Krönung auf fränkischem Boden, also auch nach fränkischem Recht, vorgenommen wurden14. Wichtiger war es, daß fränkische Gerichtsverfassung und fränkischer Prozeß mit allen ihren Konsequenzen in der Hauptsache im ganzen Reiche durchgeführt wurden und das aus dem fränkischen Recht entsprungene Lehnrecht überall ohne wesentliche partikularrechtliche Verschiedenheiten zu einheitlicher Entwickelung gelangte15. In den ehemals westfriesischen Provinzen Holland und Seeland wurde friesische Sprache und friesisches Recht durch fränkische Sprache und fränkisches Recht verdrängt16. In Thüringen und den Kolonisationsgebieten des nordöstlichen Deutschlands ließen sich zahlreiche Franken, namentlich Flämingen, nieder, und das von ihnen mitgebrachte Recht ihrer Heimat übte, zumal im Familiengüter- und Erbrecht, den bedeutendsten Einfluß auf die Rechtsbildung jener Gegenden17. Flämischer Einfluß reichte noch darüber hinaus bis nach Böhmen und Mähren und in das innere Österreich. In der Hauptsache haben aber die sächsischen und die ihnen angeschlossenen thüringischen Lande, sowie die Ost- und Mittelfriesen dem fränkischen Recht erfolgreich widerstanden, während die schon zum alten Austrasien gehörigen schwäbischen und bairischen Gebiete, obwohl sich die letzteren vielfach selbständiger verhielten, dem fränkischen Recht größeren Spielraum gewährten, so daß sie in der Goldenen Bulle von 1356 c. 5 zusammen mit den fränkischen Landen als in iure Franeonico belegen den locis ubi Saxonica iura servantur gegenübergestellt werden konnten19. Während des ganzen Mittelalters, abgesehen von der Zeit der sächsichen Kaiser, hatte Norddeutschland nie in so enger Verbindung mit dem Reiche gestanden, wie Süd- und Westdeutschland18". Thüringen, ursprünglich mehr unter fränkischem Einfluß, folgte später ganz dem sächsischen Herzogtum, es nahm die sächsische Gerichtsverfassung an und rezipierte den Sachsenspiegel. Dem Einfluß dieses Rechtsbuches ist es vornehmlich zuzuschreiben, daß sich das sächsische Recht gegenüber dem fränkischen behauptete; den süddeutschen Rechtsbüchern, die sich von vornherein nicht auf den Boden des Stammesrechts stellten, kam eine weit geringere Bedeutung zu. In den Kolonisationslanden wurde die Verbreitung des sächsischen Rechts durch ost- und westfälische Einwanderung gleichmäßig gefördert. Durch die Umwandlung des Volksrechts in Landrecht verschwand u

V g l . S. 372, 453, 455, 462, 4 6 6 f.

H . SCHULZE, i. d. Zeitschr. f. KG. V I I . 4 0 1 ff.

15

Vgl. FICKER, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XI. 316 f. SOHM, a. a. 0 . 26. 16 Vgl. BRUNNEB, Sippe und Wergeid (Zeitschr. f. EG. XVI.) 49 ff., 75 ff.; Zeitschr. f. EG. XVII. 2 3 7 - 2 4 1 . 17 VgL Histor. Zeitschr. XXXI. 304 ff., 310 f. 18 19a

V g l . S. 467. ROTH, Zeitschr. f. RG. I. 25 f.; F e u d a l i t ä t 9. V g l . WYNEKEN, L a n d f r i e d e n 92 ff.

HEUSLER, a. a. O. I. 20.

§ 52.

Die Rechtsbildung im allgemeinen.

613

der alte Gegensatz zwischen Amtsrecht und Volksrecht, da das erstere von jeher Landrecht gewesen war (S. 223, 242). Statt Amtsrecht und Volksrecht standen einander jetzt Reichsgesetzgebung und landschaftliche Rechtsbildung gegenüber. Als eine Fortbildung des Landrechts, der höheren wirtschaftlichen Entwickelung entsprechend, erscheint das Stadtoder Weichbildrecht. Während Landgerichte und Stadtgerichte die Träger des Land- und Stadtrechts waren, kamen für die den öffentlichen Gerichten entzogenen und den Fronhöfen, Dienstmannen- und Lehnsgerichten vorbehaltenen Materien das Hofrecht, Dienstrecht und Lehnrecht als Sonderrechte zur Ausbildung19. Für die einheitliche Gestaltung des Rechts vermochte die Reichsgesetzgebung nur wenig, das Reichshofgericht noch weniger zu leisten. Die Entwickelung der städtischen Autonomie hat die Vereinzelung der Rechte weniger befördert, als man auf den ersten Blick vermuten sollte. Die wirtschaftlichen Bedingungen waren in den Städten überall dieselben, sie führten eher zu einer größeren Gleichmäßigkeit ihrer Rechtsentwickelung; außerdem bestanden meistens ganze Städtegruppen mit gemeinsamem Recht und einem gemeinschaftlichen Oberhofe. Bei der Bildung dieser Gruppen war die Gemeinschaft des Stammesrechts vielfach entscheidend. Gefährlicher als das Städtewesen war die Territorialverfassung für die Rechtseinheit des Reiches. Landesgesetze und Landesgewohnheiten führten eine immer weitergehende Zersplitterung herbei. Mit der Auflösung der alten Gerichtsverfassung kam es dahin, daß jedes Gericht seine besonderen Gewohnheiten ausbildete. Nur der Sachsenspiegel that der übermäßigen Zerklüftung einigermaßen Einhalt. Süddeutschland, dem es an einer gleichwertigen Rechtsquelle fehlte, war im 15. Jahrhundert reif für die im Interesse der Einheit zur Notwendigkeit gewordene Aufnahme des römischen Rechts. Fremde Einflüsse machten sich bei der deutschen Rechtsbildung des Mittelalters wenig bemerkbar, nur Schleswig stand vorwiegend unter dem Einfluß des dänischen Rechts. Wendisches, polnisches und preußisches Recht vermochten sich dem deutschen Recht gegenüber nicht zu behaupten. In Böhmen und Mähren erhielt siGh das czechische Recht zum Teil als Landrecht, in den Städten wich es dem deutschen Stadtrecht. Das letztere erstreckte sich bis nach Ungarn (z. B. Ofen, Preßburg), Rußland (Nowgorod) und Gotland (Wisby) hinein. Die deutschen Kolonien im Auslande behielten durchweg ihr deutsches Recht. Selbst das ungarische Landrecht nahm vieles aus dem deutschen, und zwar dem ihm zunächst liegenden bairischen Rechte auf, wenn auch die Nachricht von der Einführung des bairischen Rechts in Ungarn auf Übertreibung beruht19". Der Einfluß des römischen Rechts auf das deutsche tritt erst 19

Vgl. HEÜSLEE, a. a. 0 . I. 24—39, der namentlich die Auffassung jener Sonderrechte als Standesrechte widerlegt. I»A VGL. STEINDOBFF, Jahrbücher des deutschen Eeiches unter Heinrich III., I. 211, 452 ff., der die Nachricht meines Erachtens zu wörtlich nimmt.

614

Das Mittelalter.

im 15. Jahrhundert hervor. Ältere Spuren beruhten auf Phrase oder einem bloßen Prunken mit Gelehrsamkeit, dem die reale Unterlage fehlte. Die Sprache der Rechtsquellen war bis zum 13. Jahrhundert ausschließlich lateinisch. Die erste größere Rechtsquelle in deutscher Sprache war der Sachsenspiegel. Die Rechtsquellen beruhten teils auf Satzung, teils auf Weisung, teils auf juristischer Bearbeitung. Die Erzeugnisse der letzteren heißen in der Wissenschaft Rechtsbücher. An unsere Darstellung des gesetzten, gewiesenen oder in Rechtsbüchem niedergelegten Rechtes schließt sich wie in der vorigen Periode eine kurze Übersicht über das Urkundenwesen. § 53. Die R e i c h s g e s e t z e 1 . Die alte volksrechtliche Gesetzgebung war in erster Reihe dem Bedürfnis entsprungen, durch Aufstellung fester Büß- und Wergeidstaxen das Fehdewesen, wenn auch nicht rechtlich so doch thatsächlich, einzuschränken (S. 331). Auch die fränkische Reichsgesetzgebung ist von Maßregeln zum Schutze des Landfriedens (S. 243) ausgegangen. Dieselbe Erscheinung wiederholte sich im Mittelalter. Die Landfriedensgesetzgebung 2 , d. h. die gesetzliche Fürsorge für die öffentliche Sicherheit, hat den Ausgangspunkt für die deutsche Reichs- wie Landesgesetzgebung gebildet; sie erscheint das ganze Mittelalter hindurch als der eigentliche Kern der Gesetzgebung, um den sich allmählich immer weitere Materien legen, die in mehr oder weniger losem Zusammenhange mit dem Landfrieden stehen, zum Teil eines solchen Zusammenhanges ganz ermangeln. Die Landfriedensgesetze waren Strafgesetze, in ihrer späteren Entwickelung zum Teil förmliche Strafgesetzbücher. Das alte Bußen- und Wergeidssystem war im Absterben begriffen; die Landfriedensgesetze hatten es fast nur mit der Aufstellung öffentlicher Strafen für alle den Land1

Vgl. STOBBE, 459 ff. BESELEK, Die deutschen Kaiserurkunden als Rechtsquellen, Zeitschr. f. RG. II. 367 ff. WEIZSÄCKER, Deutsche Reichstagsakten (von 1376—1431), bisjetzt neun Bände. Die Reichsgesetze bis 1313 herausgegeben von PERTZ, MG. Leg. II. 1837. Eine Neubearbeitung von WEILAND steht in Aussicht. Für die späteren Gesetze vgl. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, I. 1747, vielfach nach den Herausgebern SENOKENBEKO und SCHMAUSS oder dem Verleger KOCH, ungehörigerweise zuweilen auch unter dem Namen von OLENSCHLAGER angeführt. Ein unbrauchbares Machwerk ist GOLDAST, Collectio constitutionum imperialium, 1613. 2

V g l . WAITZ, V I . 4 1 9 — 4 4 0 ;

Gött. g e l . A n z .

i n EBSCH U. GRÜBER'S A l l g . E n c y k l o p ä d i e , Rechtslexikon VI.

2 3 2 ff.

KLUCKHOHN

1 8 5 9 , S. 7 6 1 ff.

2. S e k t i o n X L I .

3 4 0 ff.

H . O. LEHMANN

WILDA, i n WEISKE'S

b e i BLÜNTSCHLI U. B R A T E R ,

Staatswörterbuch

VI. 232 ff. GÖCKE, Die Anfänge der Landfriedensaufrichtungen in Deutschland, Gött. Inaug.-Diss. 1874. EGGERT, Studien zur Geschichte der Landfrieden, 1875. HEBZBERG-FRANKEL, Die ältesten Land- und Gottesfrieden in Deutschland, Forsch, z. deutsch. Gesch. XXIII. 117 ff. KÜCH, Die Landfriedensbestrebungen Friedrichs I., Marb. Inaug.-Diss. 1887. GIESEBRECHT, Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit II 5 . 71 f. III*. 610. BROCK, Die Entstehung des Fehderechts im deutschen Reiche des Mittelalters, 1887. WYNEKEN, Die Landfrieden in Deutschland von Rudolf I. bis Heinrich VI., Gött. Inaug.-Ü ; ss. 1887.

§ 53.

Die Reichsgesetze.

615

frieden gefährdenden Verbrechen zu thun. Daran reihten sich Bestimmungen über Gerichte, Gerichtsverfahren und Präventivmaßregeln, um den Ausbruch von Streitigkeiten und Fehden möglichst zu verhüten.. Denn die Bekämpfung des Fehdewesens war eine Hauptaufgabe der Landfriedensgesetzgebung 3 , zuweilen durch gänzliches Verbot, meistens nur durch Beschränkungen, namentlich indem bestimmte Sachen (Kirchen, Kirchhöfe, Wohnhäuser, Mühlen, Ackergeräte auf dem Felde, auch wohl des Königs Straße und das Innere der Dörfer und Städte) und Personen (Geistliche, Weiber, reisende Kaufleute, Judeu, Feldarbeiter, Jäger und Fischer während der Ausübung ihres Berufes, u. dgl. m.) gegen jeden gewaltsamen Angriff, auch in berechtigter Fehde, gesetzlich geschützt wurden. Darin berührten sich die Landfrieden mit dem Gottesfrieden (pax Dei, treuga Dei) 4 , nur daß jene mit zeitlicher Beschränkung aufgestellt wurden, während der Gottesfriede ewige Geltung beanspruchte. Aber der Gottesfriede begnügte sich nicht mit der unbedingten Befriedung gewisser Personen und Gegenstände, seine Hauptbedeutung lag in der Einführung bestimmter Friedetage (auch „gebundene Tage"), an denen ein- für allemal jeder Waffengebrauch (mit Ausnahme eines Krieges und der Verfolgung handhafter Verbrecher) untersagt wurde 4 ". Der Gottesfriede war eine kirchliche Einrichtung französischen Ursprungs, zuerst durch Beschluß einer französischen Synode (1039—1041) verkündigt, dann auch in Burgund verbreitet. Im deutschen Reiche fand er zuerst in der Diözese Lüttich (1081), dann auch in der Kölner und Mainzer Kirchenprovinz (1083 und 1085), und zwar unter ausdrücklicher Bestätigung Heinrichs IV., Eingang 5 . In den meisten übrigen Teilen des Reiches blieb er, soweit er nicht in die Landfriedensgesetze aufgenommen wurde, unbekannt. Auch die ersten Landfrieden gehören der Zeit Heinrichs IV. an 6 . Den Anfang machten nicht die Reichsgesetze, sondern provinzielle Landfriedenseinungen der Gegner $les Königs. Erst während seines letzten Jahrzehntes hat Heinrich IV. sich mit der Landfriedensgesetzgebung befaßt. Der älteste, uns zum Teil erhaltene Reichslandfriede ist von 1103 7 . 8 Bei BBOCK, a. a. 0 . 4 findet sich die wunderliche Ansicht, daß sich das dem deutschen Recht bis dahin völlig unbekannte Fehderecht erst aus der Landfriedensgesetzgebung entwickelt habe. 4 Vgl. KLUCKHOHN, Geschichte des Gottesfriedens, 1857. STEINDORFF, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., I, 137 ff. NITZSCH, i. d. Forsch, z. deutsch, Gesch. XXI. 269 ff. Über die Bedeutung des Wortes treuga (von ahd. triuwa, fides, foedus), vgl. DIEZ, WB. d. roman. Sprachen I. s. v. tregua. DE CANQE, Glossar, s. vv. treva, treugare, treugarius. 4a Die gebundene Zeit erstreckte sich auf alle Hauptfeste und gewisse Festwochen, außerdem in jeder Woche auf die Zeit vom Donnerstag Abend bis Montag früh, so daß nur drei Tage in jeder Woche für die Fehde frei blieben. 5 Vgl. MG. Leg. II. 55. 8 Über die Verhältnisse unter Heinrich II. und III. vgl. WAITZ, VI. 425, 429 f.

STEINDORFF, a . a. 0 . 7

I . 4 4 8 ff.

MG. Leg. II. 60. Bruchstück eines italienischen Landfriedens ebd. 53.

Zweifel-

616

Das Mittelalter.

Derselbe wurde auf vier Jahre errichtet. Die Fehde beschränkte er nur durch den Schutz des Hausfriedens. Von den Landfrieden Heinrichs V., Lothars i n . und Konrads III. ist wenig erhalten. Von Friedrich I. besitzen wir drei, die bisherige Gesetzgebung' erheblich erweiternde und nach allen Richtungen ergänzende Reichslandfrieden, einen aus den ersten Jahren seiner Regierung (um 1152)8, sodann den ronkalischen Landfrieden von 1158 für das ganze Herrschaftsgebiet des Kaisers mit Einschluß Italiens9, endlich den hauptsächlich gegen die Brandstifter gerichteten Nürnberger Landfrieden von 1186—1188 10 , in welchem der König sein früheres unbedingtes Verbot der Fehde dahin beschränkte, daß nur rechtzeitige Widersagung (mindestens drei Tage vor Eröffnung der Feindseligkeiten) vorgeschrieben wurde. Besonderes Interesse erregt der Weißenhurger Landfriede Friedrichs I. für Rheinfranken, von 1179, teils weil er die Bestimmungen des Gottesfriedens mitaufgenommen hat, teils weil er sich als eine bloße Erneuerung eines alten Friedens Karls des Großen, d. h. aus unvordenklicher Zeit, kundgibt11. Eine ähnliche königliche Erneuerung eines „alten Friedens" ist der wahrscheinlich 1223 verkündigte Frankfurter Landfriede für Sachsen, der inhaltlich durchaus denselben Charakter trägt 12 . Dasselbe gilt von einem vielleicht noch in die Zeit Heinrichs IV. fallenden Elsasser Landfrieden 13 und dem früher als „Treuga Heinrici" bezeichneten Würzburger Reichslandfrieden eines Königs Heinrich14. Alle früheren Landfriedensgesetze wurden durch den Mainzer Reichshaft, ob auch WAITZ, Urkunden Nr. 5 (2. Aufl. Nr. 12) ein Reichsgesetz oder eine provinzielle Landfriedenseinung ist. * Vgl. MG. Leg. II. 101, wo der Landfriede als Regensburger Landfriede von 1156 bezeichnet äst. Vielfach wird derselbe auf Italien bezogen (vgl. WAITZ, VI. 439 N. 8). Gegen beides vgl. KÜCH, a. a. O. 12 ff. Der Landfriede verbietet jede Tötung (also auch die in einer Fehde) infra pacem constitutam, also nur innerhalb der für den Landfrieden bestimmten Zeit, deren Angabe sich aber in dem Gesetze nicht findet. Der Form nach ist der Landfriede ein einseitiger Erlaß des Königs (die Bezeichnung als Kaiser im Gingange beruht auf späterer Änderung) an die Großen des Reiches. Den Inhalt bilden auch Bestimmungen über Lehns- undVogteisachen, sowie über Tegelmäßige Festsetzung der Getreidepreise durch die Grafen. Das erste Beispiel einer über den Landfrieden hinausgehenden Reichsgesetzgebung. V g l . KÜCH, a. a. 0 . 2 5 .

WACKEB, R e i c h s t a g

78.

• MG. Leg. II. 112. Vgl. GIESEBKECHT, a. a. 0 . V. 173 ff. Das Gesetz verweist jeden Rechtsanspruch auf den Weg Rechtens, verbietet also die Fehde. Es sucht einen ewigen Landfrieden (verarm, et perpetuam pacem) zu begründen, faßt aber doch zunächst nur einen beschränkten Zeitraum, mit Erneuerung von fünf zu fünf Jahren, ins Auge. 10 MG. Leg. II. 183. Uber die Datierung vgl. KÜCH, a. a. O. 71. 11 BÖHMES, Acta imperii Nr. 188. 12 Zuerst herausgegeben und besprochen von RRÜHNE, N. Mitteil. d. thür. sächs. Vereins XVII. 220 ff., sodann von WEILAND, Zeitschr. f. RG. XXI. 88 ff., 113 ff. Vgl. Küch, a. a. 0 . 65 ff. 1S WAITZ, Urkunden Nr. 6 (2. Aufl. Nr. 13). u Vgl. WEILAND, a. a. O. 100 ff., 116 ff., 202. Ältere Abdrücke MG. Leg. II. 266 ff. Font. rer. Bern. II. 107. Welcher König Heinrich der Gesetzgeber war, ist

§ 53.

Die Reichsgesetze.

617

landfrieden Friedrichs II. in den Hintergrund gedrängt 16 . Derselbe erschien zugleich in einer amtlichen deutschen Übersetzung 16 und besaß noch um 1400 ein solches Ansehen, daß er von Nicolaus Wurm glossiert wurde17. Die Reichslandfrieden Rudolfs I., Adolfs, Albrechts I. und Heinrichs VII. waren im wesentlichen bloße Erneuerungen des Mainzer Landfriedens, den sie nur hier und da abänderten oder ergänzten13. Den Inhalt des letzteren bildete außer strafrechtlichen Bestimmungen der verschiedensten Art die Einsetzung eines Reichshofrichters und eines Hofgerichtsschreibers, dazu kamen Vorschriften über Gerichts-, Münz-, Zollund Verkehrswesen, Geleits- und Befestigungsrecht, geistliche Gerichtsbarkeit, Vogteirechte, Verbot der Pfahlbürger und Muntmannen in den Städten, Verbot der Privatpfändung, auch ausführliche Bestimmungen über die Rechte der Väter gegen ungehorsame Söhne, in Anknüpfung an die Empörung des Königs Heinrich (VII.) gegen seinen Vater. Die Fehde wurde nur für den Fall der Rechtsverweigerung, nach vorheriger rechtzeitiger Widersagung, gestattet. Der Schwerpunkt der Fürsorge für den Landfrieden lag seit Rudolf I. nicht mehr in den Reichs-, sondern den Provinziallandfrieden, bei denen der König nur noch zuweilen mitwirkte18. Seit Ludwig dem Baiern hörte die Landfriedensgesetzgebung in der Hauptsache auf, und die freien oder durch den König vermittelten Landfriedenseinungen traten an ihre Stelle20. Von Reichslandfrieden sind nur das bedeutende Gesetz Albrechts II. von 1438, sodann die Frankfurter Reformation von 1442 und die Landfrieden von 1467 und 1474, sämtlich von Friedrich III., hervorzuheben21. nicht gesagt. Oa der Nürnberger Landfriede von 1186 benutzt erscheint, so kann man nur zwischen Heinrich VI. und König Heinrich (VII.) schwanken. Der Inhalt spricht mehr für den letzteren und das Jahr 1224 (vgl. schon FICKER, Entstehungszeit des Sachsenspiegels 8 9 ff.), während andererseits, wie mir WEILAND mündlich mitteilte, eine neuerdings aufgefundene Utrechter Handschrift nach den Schriftzügen eher in das 12. Jahrhundert gehört. 15 MG. Leg. II. 313 ff. Ebd. 301 f. ein Frankfurter Eeichslandfriede von 1234. 18 MG. Leg. II. 571 ff. Heidelb. Jahrb. 1858, S. 655 ff. Vgl. STOBBE, 462 f. 17 Vgl. BÜHLAU, Nove constitutiones domini Alberti, d. i. der Landfriede von 1235 mit der Glosse des Nie. Wurm, 1858. Der Glossator, von dem § 54 näher zu reden sein wird, hatte den Mainzer Landfrieden irrtümlich für ein Gesetz Albrechts I. 18 gehalten. Vgl. MG. Leg. II. 448, 456, 459, 481. 19 Zu erwähnen sind die Provinziallandfrieden Rudolfs I. für Österreich von 1276, für Baiern, Schwaben und Franken von 1281. Vgl. MG. Leg. II. 410, 427 (besser Mon. Wittelsb. I. 338), 430, 436. " Vgl. VIELAU, Beiträge zur Gesch. der Landfrieden Karls IV., Hall. Inaug.-Diss. 1877. FISCHER, Landfriedensverfassung unter Karl IV., Gött. Inaug.-Diss. 1884. MICHELSEN, Urkundl. Beitrag z. Gesch. d. .Landfrieden, 1863. MENDTHAL, Die Städtebünde u. Landfrieden in Westfalen, Königsb. Inaug.-Diss. 1879. Das einzige Landfriedensgesetz Karls IV. war der westfälische Landfriede von 1371. Vgl. LINDNER, Verne 442 21

ff.

MENDTHAL, a . a . 0 . 5 0

ff.

FISCHEB, a . a. O. 9 9 f.

N. Samml. d. Reichsabschiede I. 154, 164, 170, 225, 261. Ein kurzer Landfriede Ludwigs des Baiern v. 1323 ebd. 43. Der Landfriede von 1438 sollte die Kreisverfassung einführen, das Gerichtswesen verbessern und die Fehde dauernd beseitigen.

618

Das Mittelalter.

Eine Eigentümlichkeit aller Landfriedensgesetze, mochten sie die Form eines einseitigen königlichen Erlasses oder eines förmlichen Reichsgesetzes tragen, bestand darin, daß sie ebenso wie die Landfriedenseinungen nur für diejenigen verbindlich waren, die sie ausdrücklich beschworen hatten. Wer den Eid verweigerte, verfiel allerdings in schwere Strafe, die seit dem 13. Jahrhundert darin bestand, daß ihm der Schutz des Landfriedens verweigert wurde, was sich stellenweise zu einer Art Ächtung gestaltete. Die Landfriedensgesetze waren demnach nur leges imperfectae. Ihre verbindliche Kraft erhielten sie erst durch die eidliche Verpflichtung jedes einzelnen, die immer nur auf bestimmte Zeit (1 bis 10 Jahre) erfolgte, selbst da wo der Gesetzgeber dauernde Geltung seines Gesetzes beabsichtigt hatte. Damit hängt der vorwiegend provinzielle Charakter der Landfrieden zusammen; selbst die Keichslandfrieden wurden landschaftsweise beschworen und verhielten sich in hohem Grade rücksichtsvoll gegen das Partikularrecht, dem gegenüber sie vielfach nur eine ergänzende Bedeutung in Anspruch nahmen 22 . Man erkennt noch die Nachwirkungen des früheren Gegensatzes von Volksrecht und Amtsrecht: von Reichs wegen konnte der König bei Strafe befehlen, daß jedermann den Eid leiste, aber das materielle Eecht konnte nur landschaftsweise durch den Beitritt der Bevölkerung abgeändert werden 23 . Anders stand es bei denjenigen Materien der Gesetzgebung, die von alters her dem Bereiche des königlichen Amtsrechts angehörten. Hier bewegten sich die Könige, indem sie je nach der Sachlage die Form des Privilegs oder des mit Genehmigung des Reichstages erlassenen Reichsgesetzes wählten, durchaus frei. X^es gilt zunächst von den Verfassungsgesetzen. Ein einseitiger königlicher Erlaß war die ronkalische Constitutio de regalibus Friedrichs I. von 1158, die nicht wie der gleichzeitige Landfriede für das ganze Reich, sondern ausschließlich für Italien bestimmt war und erst später durch Vermittelung der Libri Feudorum auch in Deutschland zu gesetzlicher Geltung gelangt ist 21 . Inwiefern der Frankfurter Reichstag von 1220 bei Friedrichs II. Confoederatio cum principibus ecclesiasticis und der Speierer Reichstag von 1275 bei der Bestätigung derselben durch Rudolf I. mitgewirkt hat, ist aus den davon überlieferten Urkunden (S. 577) nicht zu ersehen. Das Statutum in favorem principum kam auf dem Reichstage (in generali curia) zu Worms (1231) zustande und wurde auf dem zu Sibidatum (1232) von Friedrich II. bestätigt 25 . Von der Goldenen Bulle Karls IV. („Carolina", von dem goldenen Siegel „Aurea Bulla") waren c. 1 — 23 ein Werk des Nürnberger Reichstages (10. Jan. 1356), während der Schluß (c. 24—30) auf dem

22

Vgl. § 55.

23

V g l . WAITZ, V I . 4 3 1 . 4 4 0 .

SOHM, i

d. J e n a e r L i t . - Z e i t u n g

1 8 7 6 , S. 4 6 6 f.

Hist. Zeitschr. NF. I. 351. 24

Vgl. MG.

25

Vgl. MG. Leg. II. 291.

Leg.

II.

111.

STOBBE, 4 6 9 .

GIESEBRECHT,

a. a. 0 .

V.

1 7 3 ff.

§ 53.

Die Reichs gesetze.

619 26

Reichstage zu Metz (25. Dez. 1356) zustande kam . Die Annahme, daß die Bestimmungen über die Verhältnisse der Kurfürsten mit diesen ohne Mitwirkung des Reichstages vereinbart seien, beruht auf Mißverständnis. Überwiegend waren die Bestimmungen der GB. bloße gesetzliche Sanktion des bestehenden Reichsherkommens. Ihr bedeutender staatsrechtlicher Inhalt ist bereits bei der Darstellung der Verfassung zur Sprache gekommen. Außerdem enthielt die GB. einige Bestimmungen über den Landfrieden, über verbotene Verbindungen u. dgl. m. Die Sprache des Gesetzes ist noch die lateinische. Dem Rechtsverhältnis zwischen Staat und Kirche gehörten verschiedene Konkordate mit dem Papste an: das Wormser oder Calixtinische von 1122 27 , das Konstanzer von 1418 28 , das sogenannte Fürstenkonkordat von 1447 und das Wiener Konkordat von 1448 29 . Von den das italienische Lehnrecht betreifenden Gesetzen wird erst unten (§ 57) zu reden sein. Die sogenannte Constitutio de expeditione Romana, die sich selbst für ein Gesetz Karls des Großen ausgibt und früher für eine immerhin glaubwürdige Privatarbeit über den Römerzug galt, ist eine im Kloster Reichenau im 12. Jahrhundert entstandene Fälschung, deren Zweck es war, die Rechte und Pflichten einer aufsässigen Dienstmannschaft in scheinbar authentischer Weise zu regeln 30 . Im späteren Mittelalter wurde die Fälschung für ein wirkliches Reichsgesetz gehalten. Von den zahlreichen königlichen Privilegien ist noch der S. 450 f. erwähnten für die Juden zu gedenken. Kürzere Reichsgesetze wurden meistens in der Form von Urteilen oder Weistümern des Reichshofgerichts erlassen 31 . Die Publikation der Reichsgesetze war eine sehr mangelhafte. Vielfach blieben sie ganz unbekannt. Eine' Gesetzsammlung in der Art der Kapitulariensammlung des Ansegis gab es nicht. Die Staufer und Heinrich VII. ließen verschiedene ihrer Gesetze als Authenticae in den Codex Justinianeus einreihen 32 . Die Hofgerichtsweistümer sollten nach einer Bestimmung des Mainzer Landfriedens von 1235 in ein Urteilsbuch eingetragen werden. Erhalten ist ein solches nicht 33 . 29

Die beste Ausgabe bei HARNACK, Kurfürstenkollegium 197 ff.

Ausgaben:

STOBBE, 471.

V g l . HARNACK, a. a. O. 1 4 0 f f .

Über ältere

LINDNER, i. d. Mitteil. d.

österr. Instit. V. 96 ff. BUSSON, ebd. II. 29 ff. 27 Vgl. S. 387, 481 f. MG. Leg. II. 75, die Vorverhandlungen ebd. 66 ff. 28 HÜBLER, Constanzer Reformation 164 ff. 29 Neue Samml. d. Reichsabschiede I. 174—181. 80 Vgl. SCHEFFER-BOICHORST, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. NF. III. 173 ff. STOBBE, 474. WAITZ, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIV. 31 ff.; Gött. gel. Anz. 1862, S. 1476. FICKER, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. LXXIII. 173 ff. 31 Vgl. S. 493. Eine dankenswerte Zusammenstellung des Erhaltenen bei FRANKLIN, Sententiae curiae regiae, 1870. Ein Reichsvikariatsweistum von 1254 Mon. Wittelab. I. 132 Nr. 56. 82 33 Vgl. § 66. Vgl. S. 534.

Das Mittelalter.

620

§ 54. D i e R e c h t s b ü c h e r 1 . Während sich die rechtswissenschaftliche Arbeit der fränkischen Zeit, abgesehen von den Erzeugnissen der Lombardischen Rechtsschule, auf die Herstellung von Formelsammlungen und etwaige Veränderungen beim Abschreiben der Volksrechte beschränkte, waren die Rechtsbücher des Mittelalters, in Deutschland wie in Frankreich, mehr oder weniger systematisch angelegte Bearbeitungen des in Gesetzen und Gewohnheiten vorhegenden Rechtsstoffes. Von vornherein durchaus Privatarbeiten, erwarben sich die Rechtsbücher doch in der Regel sehr bald offizielles Ansehen, wurden in den Gerichten wie in der Gesetzgebung vielfach zu Grunde gelegt und haben zum Teil erheblich zur Fortbildung des Rechts beigetragen. Die Sprache der Rechtsbücher war deutsch; sie gehören zu den ältesten und umfangreichsten Erzeugnissen der deutschen Prosa. Nach der Aufgabe, welche die Verfasser sich stellten, hat man Rechtsbücher allgemeinen Charakters (für das Reich oder einen ganzen Stamm oder doch ein größeres Gebiet) von den partikulären Stadt- und Landrechtsbüchern, von denen erst später (§§ 55, 56) die Rede sein wird, zu unterscheiden. Den Hauptinhalt der Rechtsbücher bildet das „Landrecht", worunter außer dem Privat- und Strafrecht, der Gerichtsverfassung und dem Prozeß auch das Staatsrecht verstanden wird. Von den Sonderrechten bleiben Hof- und Dienstrecht regelmäßig unberücksichtigt, während das Lehnrecht überall Gegenstand besonderer Darstellung ist 2 . Einige Rechtsbücher behandeln nur den Prozeß; man nennt sie Rechtsgangbücher oder Richtsteige. Das Stadtrecht wird nur von einem Teile der Rechtsbücher berücksichtigt. Das älteste und vorzüglichste Rechtsbuch, der Sachsenspiegel 3 , zerfällt in ein Land- und Lehnrechtsbuch. Beide waren ursprünglich in eine fortlaufende Reihe von Artikeln eingeteilt, seit dem 14. Jahrhundert ist aber bei dem Landrecht die von' dem Glossator Johann von Buch eingeführte Einteilung in drei Bücher üblich geworden4. Dem Rechts1

Vgl.

STOBBE, 2 8 6 — 4 4 6 .

HOMEYER, D i e d e u t s c h e n

Rechtsbücher des

Mittel-

alters und ihre Handschriften, 1856. Nachträge i. d. Sitz.-Ber. d. Berl. Akad. 1871 S. 61 ff., 220 ff. Zeitschr. f. EG. II. 175 ff. III. 328. IV. 178 ff., 194 ff. V. 468. VII. 3 1 9 . V I I I . 1 6 5 ff., 3 1 8 ff. I X . 4 7 6 . X . 3 0 9 .

X I . 4 4 ff. X I I . 3 1 7 .

X V . 130.

STEFFEN-

HAGEN, Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875. SPANGENBERG, Beiträge z. d. teutschen Rechten des" Mittelalters, 1822. Die Bezeichnung „Rechtsbücher" kommt schon im 13. Jahrhundert vor. Vgl. STOBBE, 287, N. 2. 2 Die Hof- und Dienstrechte entzogen sich, im Gegensatze zu dem einheitlich gestalteten Lehnrecht, wegen ihrer partikularrechtlich äußerst verschieden gearteten Entwickelung jeder zusammenfassenden Darstellung. Vgl. Ssp. III. 42, § 2. 3 Beste Ausgabe: HOMEYEB, Des Sachsenspiegels I. Teil, oder das sächsische Landrecht, 3. Aufl. 1861; Des Sachsenspiegels II. Teil, Band I. 1842. Eine Schulausgabe des Landrechts, und zwar in der obersächsischen Gestaltung, von WEISKE und HUDEBKANS. Über sonstige Ausgaben STOBBE, 290 ff. Vgl. HOMEYEB, Die Genealogie der Handschriften des Sachsenspiegels, Abh. d. Berl. Akad. 1859, S. 83 ff. 4 Man citiert das Landrecht: Ssp. III. 45, § 3, das Lehnrecht: Sachs. Lehnr. 80, § 4.

§ 54.

Die Rechtsbücher.

621 5

buche voran gehen eine gereimte Vorrede (praefatio rhythmica) , zwei prosaische Vorreden (prologus und textus prologi) und eine erst später nachgetragene genealogische Übersicht über den sächsischen hohen Adel, die sogenannte Vorrede Von der herren geburte. Über die Entstehung des Werkes sind wir teils durch die gereimte Vorrede, teils durch den gesamten Inhalt unterrichtet 1 . Verfasser war der Schöffe Eike von Repgau aus dem Gau Serimunt (zwischen Mulde, Elbe und Saale), dem auch der Stammsitz seines altedelen Geschlechts, das anhaltische Dorf Reppichau, angehörte 8 . Er hatte sein Werk ursprünglich in lateinischer Sprache verfaßt, dann nach längerem Sträuben auf Bitten des Grafen Hoyer von Falkenstein, Stiftsvogtes von Quedlinburg (urkundlich erwähnt von 1211 bis 1242), ins Deutsche übersetzt. Von der ersten Fassung ist das zweite Stück, das Lehnrecht, höchst wahrscheinlich in dem sogenannten Auetor vetus de benefleiis, wenn auch durch einige Zusätze vermehrt, erhalten 9 . Der „Auetor Vetus" ist in lateinischen Versen (oder gereimter Prosa) verfaßt und wird handschriftlich seit dem 16. Jahrhundert in drei Bücher eingeteilt, die wieder in Paragraphen zerfallen. Der Vergleich mit dem Lehnrechtsbuche des Sachsenspiegels ergibt, daß der Verfasser sich nicht mit bloßer Übersetzung begnügt, sondern eine vollständige Bearbeitung geliefert hat. Die Sprache, deren er sich dabei bediente, war die niedersächsische, doch hat es der Zufall gefügt, daß gerade die ältesten uns erhaltenen Handschriften den Text in hochdeutscher (obersächsischer) Übersetzung geben 10 . Die gereimte Vorrede war wohl von Anfang an in mittelhochdeutscher Sprache geschrieben. Hinsichtlich der Abfassungszeit steht zunächst fest, daß das Landrecht vor dem Lehnrecht entstanden ist 1 1 . Die Erwähnung des Königs von Böhmen (Ssp. III. 57, § 2) ergibt, 6 Die ursprüngliche Vorrede umfaßt v. 97—280, während sich v. 1—96 als eine zweite, erst später von dem Verfasser hinzugefügte Vorrede zu erkennen geben. • Vgl. y. ZALLINGEB, Schöffenbarfreie 180 (f. WINTER, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XIV. 305—345. XVIII. 380 ff. HOMBYER, i. d. Abh. d. Berl. Akad. 1852, S. 68 f. KOPP, Bilder und Schriften der Vorzeit I. 133 f. 7

Vgl.

HOMBYER, a. a. 0 . I. S. 1 ff. II. 1 , S. 45 ff. FICKEB, Ü b e r die E n t s t e -

hungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel, 1859. FRENSDORFF, i. d. Hans. Gesch. Bl. VI. 101 ff. STOBBE, 296 ff. 8 Über die Persönlichkeit und das Geschlecht Eikes ist noch zu vergleichen WINTER, a. a. O. v. POSEBN-KLETT, Zur Geschichte der Markgrafschaft Meißen 29 f., 108f.; WEILAND, Deutsche Chroniken (i. d. Mon. Germ.) II. 51 ff. Zeitschr. f. RG. XIV. 247. XVIII. 12. XIX. 192. Die Varianten des Geschlechtsnamens sind zahlreich : Repgowe, Repgauwe, Repegouwe, Repechowe, Repchowe, Reppekowe, Repkow, Repichowe, Ribecowe u. s. w. 9 Herausgegeben von HOMEYER, a. a. 0 . II. 2, S. 73 ff. Über die Geschichte des AV. ebd. 15 ff. 26—49, 61. Eine fast wörtliche deutsche Übersetzung des AV., das G ö r l i t z e r L e h n r e c h t (um 1300), hat HOMEYER unter dem Text des AV. abgedruckt. 10

V g l . HOMEYER, a . a . 0 . I .

14

ff.

FRENSDORFF, a . a. O . 1 1 0

ff.

WINTER, a. a. O .

XIV. 333 ff. LOERSCH, i. d. Zeitschr. f. RG. XI. 267 ff., hat als älteste datierte Handschrift eine solche in kölnischer Mundart von 1295 nachgewiesen. 11 Daß Landrecht und Lehnrecht von demselben Verfasser herrühren, ist zwar

Das Mittelalter.

622

daß der Sachsenspiegel jedenfalls nach 1198 entstanden ist, da Böhmen von 1173 bis 1198 keinen König hatte, von einer Abfassung vor 1173 aber keine Rede sein kann. Da Eike, der urkundlich von 1209 bis 1233 erwähnt wird, 1215 noch zu dem Stande der freien Herren gehörte, 1218 aber schon in die Ministerialität übergetreten war, so darf man bei dem besonderen Interesse, das er gerade den altfreien Ministerialen, seinen Schöffenbarfreien, von Beginn seines Werkes an gewidmet hat, mit Sicherheit behaupten, daß er erst nach 1215 an die Arbeit gegangen ist 12 . Stände es fest, daß Eike den sächsischen Provinziallandfrieden in Gestalt der Frankfurter Erneuerung (S. 616) benutzt hätte, so würde man noch über 1223 als Anfangstermin hinauszugehen haben, doch ist es ebenso gut möglich, daß der Verfasser einen älteren Text benutzt hat 1 3 . Auch die Berufung auf die Strafe des Feuertodes für Ketzer (Ssp. II. 13, § 7), die für die Lombardei erst 1224 durch Friedrich II. angeordnet wurde, ist nicht entscheidend, da dieselbe Strafe in Deutschland schon lange vorher in Gebrauch war 14 . Andererseits ist es sicher, daß der Sachsenspiegel vor dem Mainzer Reichstage von 1235 vollendet ist, da er den auf demselben beschlossenen Landfrieden (S. 616f.) noch nicht kennt und bei seiner Aufzählung der sächsischen Fahnlehen (III. 62, § 2) das auf jenem Tage errichtete Herzogtum Braunschweig (S. 377, 389) übergeht. Der Sachsenspiegel ist demnach zwischen 1215 und 1235 entstanden 16 . Später hat der Verfasser sein Werk noch mit Zusätzen und einer zweiten gereimten Vorrede ausgestattet 16 ; dieser zweiten oder, wenn man die lateinische mitrechnet, dritten Ausgabe gehört wohl auch die vor 1242 entstandene Vorrede „Von der herren geburt" an 17 . Später hat der Sachsenspiegel von Unberufenen noch zahlreiche Zusätze und Einnicht authentisch ausgesprochen, unterliegt aber bei der völligen inhaltlichen Übereinstimmung nicht dem geringsten Zweifel. Vgl. HOMEYER, a. a. O. II. 1, S. 45 ff. STOBBE, 3 2 1 FF. 12

V g l . S . 4 2 8 f.

v . ZALLINQEB, a. a. O . 2 0 2 ff.

• 13 Vgl. WEILAND, Zeitschr. f. EG. XXI. 99 f. Die Benutzung des Landfriedens zeigt sich besonders Ssp. II. 66, 68, 70, 72. Früher nahm man Benutzung der sogenannten Treuga Heinrici (S. 616) an. 14

15

V g l . FEENSDORI F, a. a. 0 .

1 0 4 ff.

Für die Entstehung vor 1232 spricht der Umstand, daß der Sachsenspiegel noch überall das königliche Eegiment voraussetzt und die Landeshoheit der Fürsten nicht zu kennen scheint. S. 505, N. 19 ist auf einen gewissen Widerspruch des Ssp. mit der Conf. c. princ. eccl. hingewiesen, doch fällt derselbe kaum genug ins Gewicht, um daraufhin den ersteren vor 1220 zu setzen. Ein Verwandter Eikes, der Verfasser der sächsischen Weltchronik (zwischen 1231 und 1237), der ebenfalls ein Herr von Bepgau, aber geistlichen Standes, war, hat den Sachsenspiegel bereits benutzt. Vgl. WEILAND, a. a. 0. 49 ff. Die Vorrede des um die Mitte des 13. Jh. abgefaßten Reinaert enthält auffallende Anklänge an die praefatio rhythmica. Vgl. Zeitschr. f. EG. XXII. 52. 16 Vgl. Anm. 5. 17 Das darin erwähnte Geschlecht der Herren von Altenhausen ist 1242 ausgestorben. Sämtliche in der Geschlechtstafel genannte Namen lassen sich als Zeitgenossen Eikes nachweisen.

§ 54.

Die Rechtsbücher.

623

Schaltungen erhalten, die um so störender sind, als sie großenteils erst einer jüngeren Rechtsbildung angehören 18 . Der Verfasser gab seinem Werke den Titel Spigel der Saxen (praef. rhythni. 178), weil er, ohne Berücksichtigung partikularrechtlicher Eigentümlichkeiten 19, das gemeine Sachsenrecht darstellen wollte, doch erreichte er seinen Zweck nicht ganz, weil er das Recht seiner ostfälischen Heimat eben für dies gemeine Sachsenrecht hielt und die vielfachen Abweichungen insbesondere des westfälischen Rechts überging 2 0 . Aus welchen Werken er seine historischen Notizen geschöpft hat, ist nicht mit Sicherheit festzustellen 21 . Das im Mittelalter oft benutzte Werk „Origines" des Isidor von Sevilla muß ihm vorgelegen haben, wenn er auch irrtümlich von dem Kirchenvater Origenes spricht 22 . Das römische Recht kannte er nur von Hörensagen 23 . Von Reichsgesetzen hat er, wie schon erwähnt, den sächsischen Landfrieden, sei es in ursprünglicher Gestalt, sei es in der Frankfurter Erneuerung, benutzt. In der Hauptsache aber schöpfte der Verfasser nur aus seiner genauen Kenntnis des lebenden Rechts, wobei er sich, nach seiner Angabe, auf das von den Vätern überlieferte Gewohnheitsrecht beschränkte (praef. rhythm. 36 f., 151 ff.). Allein diese Angabe hat sich der neueren Kritik gegenüber nicht ganz bestätigt. In dem geistvollen Verfasser steckten Gegensätze, die er nicht zu objektiver Ausgleichung zu bringen wußte, sein Werk trägt in mancher Beziehung einen ausgeprägt subjektiven Charakter. Auf der einen Seite hatte er eine unverkennbare Vorliebe für das Alte, auch wenn es den Rechtsanschauungen seiner Zeit nicht mehr entsprach 2 4 . Andererseits trieb es ihn mehr oder weniger unbewußt, auch solchen Rechtsbildungen, die sich noch in lebendigem Fluß befanden und zu keiner abschließenden Entwickelung gelangt waren, einen endgültigen juristischen Ausdruck zu geben und so, der Zukunft vorgreifend, manches als hergebrachtes Recht dar18 Die Zusätze (bei HOMEYER kursiv gedruckt) machen etwa ein Achtel des Gesamtinhaltes aus. Wieviel davon noch von Eike selbst herrührt, läßt sich nicht feststellen. Die in die alten Ausgaben nicht regelmäßig aufgenommenen Zusätze bei HOMEYER, Die Extravaganten des Sachsenspiegels, Abh. d. Berl. Akad. 1861, S. 223 ff. 19 Vgl. Ssp. III. 64, § 3. Nur auf das Partikularrecht der Nordschwaben (S. 93), die durch die wendische Grenznachbarschaft seiner Heimat hervorgerufenen Besonderheiten und die märkischen Verhältnisse geht der Verfasser wiederholt ein. Die letzteren waren ihm ebensowohl durch seine Berührungen mit dem askanischen Fürstenhause wie durch Beziehungen zu dem Meißener Hofe geläufig. Vgl. S. 458,

5 5 2 f.

v . POSEBN-KLETT, a . a . O . 2 9 f.

20

Gleichwohl erstand dem Sachsenspiegel im 15. Jahrhundert gerade in dem westfälischen Verfasser der I n f o r m a t i o ex s p e c u l o S a x o n u m ein feuriger Vorkämpfer gegen die abweichenden Grundsätze, welche bei den westfälischen Gerichten, namentlich den Femgerichten, beobachtet wurden. Vgl. HOMEYER, i. d. Abh. d. Berl. Akad. 1856, S. 629 ff. 21

V g l . STOBBE, 3 0 5 .

23

Vgl. Ssp. II. 63, § 1 und 1. 1 § 3 D. de postulando III. 1.

24

XXII.

Vgl. 5 5 ff.

Ssp. I. 4. I I I . 4 5 ,

22

§§8,

Vgl. Anm.

9. 6 2 ,

25.

§ 1.

ZACHER, i. d. Zeitschr. f. E G .

624

Das Mittelalter.

zustellen, was sich in seinen Augen einmal so entwickeln mußte. So kam er zu seinen Schöffenbarfreien (S. 4 2 8 f . ) , zu der Kurfürstentheorie (S. 457), der Lehre von dem Gericht des Pfalzgrafen über den König (S. 465), der Heerschildsordnung (S. 384). Mit den ersteren, die einem bloßen Durchgangsstadium angehörten, hat er offenbar wenig Anklang gefunden, dagegen haben die anderen Theorien mächtig in die Rechtsentwickelung eingegriffen, die Gedanken des Schöffen Eike sind Reichsrecht geworden. E r war eben ein konstruktives Talent ersten Ranges, und so hat ihn auch die aus Isidors Schriften überkommene Vorliebe für eine mystisch angehauchte Zahlenspielerei, namentlich mit der Sieben-, Drei- und Zweizahl, wiederholt zu den waglichsten, dem bestehenden Recht fremden oder gar widerstrebenden Konstruktionen verführt 25 . Diese Schwächen des Sachsenspiegels sind erst seit den letzten zwei Dezennien aufgedeckt worden. Die ältere Schule behandelte das Rechtsbuch ganz kritiklos, indem sie nicht nur alle Aussprüche desselben aufs.Wort annahm, sondern sie auch, gegen die eigenen Angaben des Verfassers, als Zeugnisse eines vermeintlichen gemeinen deutschen Rechtes betrachtete. Auf die frühere Überschätzung ist neuerdings zum Teil eine entschiedene Unterschätzung gefolgt 28 . Aber der einzige Vorwurf, der den Verfasser trifft, ist der eines genialen Subjektivismus. Ihm fehlte nur die geistige Disziplin, wie sie dem Juristen einzig durch das römische Recht zu teil wird. So darf sein Werk nur mit Kritik benutzt werden, dann aber wird man in ihm eine Quelle finden, die kaum überschätzt werden kann. Im Mittelalter erwarb sich der Sachsenspiegel bald das allgemeinste Ansehen. In Norddeutschland galt das Landrechtsbuch schon im 14.' Jahrhundert für ein Privileg, das Karl der Große i. J . 810 den Sachsen erteilt habe, während man das Lehnrecht für ein Gesetz Friedrichs I. hielt. Beide wurden in allen Gerichten Norddeutschlands als Gesetz rezipiert 26 *. Schön im 13. Jahrhundert wurden einzelne Handschriften des Sachsenspiegels mit-Bildern illustriert 27 . Sehr bald wurde er ins -Hochdeutsche,, noch im 13. Jahrhundert auch ins Lateinische übersetzt; später entstanden für den Gebrauch der slavischen Völker noch zwei weitere lateinische Übersetzungen und eine polnische. Im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts verfaßte der brandenburgische Hofrichter Johann von Buch, der 2 5 Vgl. Zeitschr. f. EG. X X I I . 61 ff. LÖNING, Kirchenrecht der Merowinger 554, N. 1, 558. STOBBE, 305, N. 36. HOMEYER, Abk. d. Berl. Akad. 1856, S. 631. 2 6 So bei v. ZALLINGER, a. a. O. 220 ff. infolge seiner verdienstvollen Peststellungen hinsichtlich der Schöffenbarfreien und damit zusammenhängender Aussprüche des - Sachsenspiegels. Die richtige Mitte habe ich zu halten gesucht i. d. Zeitschr. f. EG. XXII. 58 ff. Dagegen sucht E. MAYER, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. NF. XII. 149 ff. den Sachsenspiegel auch gegen die meisten ihm gemachten thatsächlichen Vorwürfe in Schutz zu nehmen, aber wesentlich ohne neue Gründe beizubringen. 2 6 a Über die Bezeichnung des Sachsenspiegels als „Kaiserreeht" vgl. STOBBE, 299. 2 7 Vgl. HOMEYER, Sachsenspiegel I. 113 ff. II. 1, S. 80 f. STOBBE, 387 ff. Zu den von diesen angeführten Abdrücken aus den Bilderhandschriften ist noch LÜBBENS Ausgabe der Oldenburger HS. (1879) hinzuzufügen.

§ 54.

Die Rechtsbücher.

625

1305 in Bologna studiert hatte, eine umfassende Glosse zum Landrecht, in niederdeutscher Sprache 2S . Die von ihm eingeführte Einteilung des Landrechts in drei Bücher hat man seitdem beibehalten. Die Tendenz der Glosse ging dahin, die Übereinstimmung des Sachsenspiegels mit dem römischen und kanonischen Recht nachzuweisen. Jünger und von geringerer Selbständigkeit ist die Glosse zum Lehnrecht, in obersächsischer Sprache, ebenfalls noch dem 14. Jahrhundert angehörig 2 9 ; der Verfasser ist unbekannt. Eine Neubearbeitung erfuhr die ganze Sachsenspiegelglosse gegen 1400 durch den ebenfalls in Bologna ausgebildeten NeuruppinexNikolaus Wurm oder Vermis, der in Diensten der Stadt Görlitz stand und auch Verfasser der Glosse zu dem Mainzer Landfrieden von 1235 (S. 617) und einiger Rechtsbücher (S. 631, 638) war. Weitere Bearbeitungen der Glosse erfolgten im 15. Jahrhundert durch Brand von Tzerstedt und den Leipziger Professor Dietrich von Boxdorf 30 . Der Verfasser des Sachsenspiegels zeigt sich überall gut kaiserlich. Einige freimütige Aussprüche desselben über das Verhältnis zum Papste bewogen in der zweiten Häufte des 14. Jahrhunderts den Augustinermönch Johann Klenkok zu heftigen Anklagen bei verschiedenen Bischöfen und zuletzt bei dem Papste, bis er endlich i. J . 1374 eine Bulle Gregors XI. auswirkte, durch die wenigstens 14 der von ihm angegriffenen Artikel als ketzerisch verdammt wurden 31 . Das Fehlen dieser „articuli reprobati" in verschiedenen Handschriften zeigt, daß die Bulle einen gewissen Erfolg gehabt hat 3 2 . Der Sachsenspiegel genoß auch in Süddeutschland das größte Ansehen, obwohl er hier zu keiner gesetzlichen Auktorität gelangte. Er wurde die Grundlage der beiden süddeutschen Rechtsbücher, des Deutschenund Schwabenspiegels 3S . Der D e u t s c h e n s p i e g e l 3 4 , oder, wie er sich selbst nennt, Spiegel allr 28

V g l . B R U N N E R , i. d . Z e i t s c h r . f . R G .

XXII.

251.

29

Über die Geschichte der Glosse vgl. STOBBE, 374 ff. HOMEYER, a. n. O. I. 32 ff., 42 ff., 112. II. 1, S. 71 ff., 343 ff. Eine kritische Ausgabe der Glosse wird vorbereitet von STEFFENHAGEN. Vgl. die Berichte desselben in den Sitz.-Ber. d. Wiener Akademie seit 1881. 30 Über diesen vgl. BÖHLAU, i. d. Zeitschr. f. RG. XIII. 514 ff. 31 Vgl. HOMEYER, Johannes Klenkok wider den Sachsenspiegel, Abh. d. Beri. Akad. 1855, S. 377 ff. FRANKLIN, Johannes Klenkok, Festschrift für BÜLOW, 1884. FRENSDORFF, i. d. Nachrichten der Gött. Ges. d. Wiss. 1888, S. 387 ff. DE GEER, i. d. Nieuwe Bijdragen voor Regtsgeleerdheid en Wetgeving, NF. VIII. 386 ff. BÖHLAU, i. d. Zeitschr. f. R G . X V I I . 118 ff. STEFFENHASEN, e b d . I V . 2 0 2 .

STOBBE, 3 7 2 f.

32

Vgl. auch Zeitschr. f. RG. XIII. 529. 33 Vgl. FICKER, Über einen Spiegel deutscher Leute und dessen Stellung zum Sachsen- u. Schwabenspiegel, 1857 (a. d. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. XXIII.); Entstehung des Sachsenspiegels (s. Aura. 7). HOMEYER, Die Stellung des Sachsenspiegels zum Schwabenspiegel, 1853; Monatsberichte der Beri. Akad. 1857, S. 622 ff. STOBBE, 327 ff. Die Untersuchungen der beiden erstgenannten wurden durch die abweichenden Ansichten, die v. DANIELS in verschiedenen Schriften ohne sonstigen Wert entwickelt hatte, hervorgerufen. 34 Ausgabe: FICKER, Der Spiegel deutscher Leute, 1859. B. SCHHÖDBB, Deutsehe ßechtspeschichte.

40

626

Das Mittelalter.

tosvtzher laute, ist eine zwischen 1235 und 1275 entstandene Bearbeitung des Sachsenspiegels mit der Tendenz, kein Stammes-, sondern gesamtdeutsches Recht darzustellen35. Soweit den Verfasser nicht diese Tendenz zu generalisierenden und darum ziemlich wertlosen Aussprüchen verführt hat, entspricht seine Darstellung, wo er selbständig ist, dem schwäbischen Recht 36 . Verschiedene Beziehungen zu Augsburg machen die Entstehung des Werkes in dieser Stadt wahrscheinlich 37 . Der Verfasser scheint ein Geistlicher gewesen zu sein. Der von ihm als Vorlage benutzte Sachsenspiegel war schon durch zahlreiche Zusätze vermehrt. Die Arbeit des Verfassers beschränkte sich zunächst auf eine möglichst wörtliche Übersetzung des Sachsenspiegels, Landrechts wie Lehnrechts, in das Hochdeutsche, wobei ihm einzelne bemerkenswerte Mißverständnisse und Auslassungen begegneten 88 . Diese Übersetzung hat der Verfasser sodann einer Bearbeitung unterzogen, bei der ihm außer seiner eigenen Rechtskenntnis ein sehr buntes Material (die Bibel, die Historia scholastica des Petrus Comestor, das Dekret Gratians und die Dekretalen Gregors IX., die gereimte Kaiserchronik, die Lex Alamannorura, das römische Recht, der Mainzer Landfriede von 1235, das Freiburger Stadtrecht) als Quelle diente, auch zwei Gedichte der Stricker (aus der Zeit zwischen 1225 und 1250) finden sich angeführt. Die Einleitung bildet ein Bruchstück des Buches der Könige alter Ehe (Anm. 40), dann folgt die praefatio rhythmica des Sachsenspiegels in umgearbeiteter Gestalt, der Prolog und der textus prologi, hierauf Landrecht und Lehnrecht, jedes mit besonderer Artikelreihe. Der Deutschenspiegel ist ein Torso geblieben, die Umarbeitung reicht nur bis Ssp. II. 12, § 13 (Dsp. 109), der Rest (Dsp. 110—353 und das ganze Lehnrecht) ist bloße Übersetzung Das im Deutschenspiegel abgebrochene Werk hat d< : sogenannte S c h w a b e n s p i e g e l zu Ende geführt 39 . Der Verfasser hat in demselben 86

Abfassung vor. dem Schwabenspiegel (1275), aber. n^ch. l: 35, wegen Benutzung des Mainzer Landfriedens. Innerhalb dieses Zeitraums ist der Deutschenspiegel eher in die zweite als in die erste Hälfte zu setzen. 39 Entscheidend für den schwäbischen Charakter sind außer D: i. 32 b und 106 (gegen Ssp. II. 12, § 4) namentlich die Bestimmungen über die Mo gen gäbe. Vgl. Ddp. 22, 68 und meine Gesch. d. ehel. Güterrechts II. 1, 26—30. 87 Das Hauptgewicht fällt hier auf die Stellung des Burggrafe (Dsp. 4) und die vielfache, zum Teil wörtliche Übereinstimmung mit dem Augsbu ger Stadtrecht von 1276. 38 Aus Ssp. I. 25, § 2 (en Teint binnen sinen jaren) machen Dsp. 2: 0 und Schwsp. Laßb. 27 durch offenbaren Lesefehler: ein Teint daz under siben jarn ist. Vgl. WACKERNAGEL, Lebensalter 48. Aus Ssp. II. 28, § 2 (-vischet Tie in diken) macht Dsp. 136: vischet er diTce in dem wazzer, was Schwsp. Laßb. 196 dahin verbessert: vischet er me danne dristunt drinne. Bei der Übersetzung von Ssp. I. 34, § 1 hat der Verfasser das ihm unverständliche ene word ausgelassen, der so verstümmelte Text ist aus Dsp. 39 unverändert in Schwsp. Laßb. 39 übergegangen. 39 Eine kritische Ausgabe des Schwabenspiegels wird vorbereitet von ROCKINGER, der darüber in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie LXXIII-—LXXVI., LXXIX., LXXX. und CVIL (1873—1884) wiederholt eingehend berichtet hat. Von

§ 54.

Die Rechtsbücher.

627

•Geiste und mit demselben Quellenmaterial wie sein Vorgänger gearbeitet. Auf den Sachsenspiegel haben erst jüngere Handschriften wieder zurückgegriffen, der Verfasser des Schwabenspiegels begnügte sich mit der ihm in dem Deutschenspiegel vorliegenden Bearbeitung und Übersetzung, wobei die Mißverständnisse und Auslassungen des Deutschenspiegels teils einfach übernommen, teils selbständig verbessert wurden. Bei Dsp. 110 nahm der Verfasser die Bearbeitung, aber in veränderter Reihenfolge, wieder auf und führte sie bis zum Schlüsse des Lehnrechts durch 39B . Als neue Quellen dienten ihm namentlich die Predigten des Berthold von Begensburg (t 1272), der seinerseits wieder den Deutschenspiegel benutzt hatte, ferner Schriften des David von Augsburg, Isidor von Sevilla, Flavius Josephus, Lex Baiwariorum, die Kapitulariensammlungen des Ansegis und Benedikt, das römische Recht in der Darstellung eines glossierten Brachylogus und der aus der Lex Romana Wisigothorum gezogenen Summa Aegidiana, endlich in größerem Umfange auch die Summa de poenitentia des Raimund von Peniafort (t 1275). Die Vorrede ist fast ganz aus Berthold und David geschöpft. Der Verfasser war ein Geistlicher von bedeutenden Rechts- und Geschichtskenntnissen. Man darf vermuten, daß eine besondere Bearbeitung des Buches der Könige alter und neuer Ehe, die handschriftlich mit dem Schwabenspiegel verbunden erscheint, ebenfalls von ihm herrührt410, da beide Werke denselben Charakter tragen und wiederholt aufeinander bezugnehmen. Das Buch der Könige in der mit dem Schwabenspiegel verbundenen Gestalt muß zwischen 1257 und 1274 entstanden sein 41 , die Vollendung des Rechtsbuches fällt wahr-

den bisherigen Ausgaben kommt die von LASSBERG (1840) der ursprünglichen Textesform am nächsten. Einen jüngeren Text in philologischer Bearbeitung enthält die auf das Landrecht beschränkte Ausgabe von WACKERNAGEL (1840). Außer der Anm. 33 angeführten Litteratur vgl. STOBBE, 333 ff., 431 ff. ROCKINQER, Zur näheren Bestimmung der Zeit der Abfassung des sogenannten Schwsp., Sitz.-Ber. der M,ünch. Akad. 1867, S. 408ff.; Berthold von Regensburg und Raimund von Peniafort im sog. Schwsp., Abh. d. Münch. Akad. XIII. 1877; Der Könige Buch und der sog. Schwsp., ebd. XVII. 1883; Über die Abfassung des kaiserlichen Land- und Lehenrechts, ebd. XVIII. (1888) 275 ff., 561 ff. FICKER, Entstehungszeit des Schwsp., i. d. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. LXXVIl. 1874; Zur Genealogie der Handschriften des Schwabenspiegels, ebd. XXXIX. 1862. MERKEL, De república Alamannorum, 1849. STROBL, Berthold von Regensburg und der Schwsp., ebd. XCI. 1878. LABAND, Beiträge zur Kunde des Schwsp., 1861. HAISER, Zur Genealogie des Schwsp., 1876. Zeitschr. f. RG., III. 125, 333. V. 303. FRENSDORFF, Gött. gel. Anz. 1862, S. 257 ff. Über eine eigentümliche Form des Rechtsbuches vgl. LINDNER, Der Schwsp. bei den Siebenbürger Sachsen, Zeitschr. f. RG. XIX. 88 ff., Ausgabe: LINDNER, Der Codex Altenberger, 1885. 39 a Die praef. rhythin. in prosaischer Bearbeitung bildet den Schluß des Lehnrechts. 40 Herausgegeben von MASSMANN, bei v. DANIELS, Land- und Lehenrechtsbuch, I . 1863. 41 Nach der Doppel wähl von 1257, weil das Werk bereits ein geschlossenes Kurfürstenkollegium kennt, vor 1274, weil es die in diesem Jahre ausdrücklich für eine Reichsstadt erklärte Stadt Rotenburg a. d. Tauber als Hauptstadt des Herzogtums Franken in Anspruch nimmt. 40*

628

Das Mittelalter.

scheinlich in die Jahre 1274—75". In den Handschriften wird das letztere meistens nur als „Land-" oder „Lehnrechtsbuch" oder als „Kaiserrecht" bezeichnet, in den ersten Drucken als „Spiegel kaiserlichen und gemeinen Landrechts". Die Bezeichnung „Schwabenspiegel" kam »erst seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch, sie beruhte auf der Erkenntnis des vorwiegend schwäbischen Charakters des Inhaltes43. Da dieser aber größtenteils aus dem Deutschenspiegel herübergenommen war, so ist neuerdings die Frage aufgeworfen worden, ob die frühere Annahme auch gegenüber dem selbständigen Inhalte des Schwabenspiegels aufrechtzuerhalten und hier nicht vielmehr auf fränkische Herkunft, sei es von Bamberg oder Würzburg, zu schließen sei44. Allein die dafür angeführten Gründe sind nicht überzeugend. Der Schwabenspiegel enthält auch in seinen selbständigen Teilen manches, was mit einer fränkischen Entstehung unvereinbar ist und mehr oder weniger auf Schwaben hinweist46. Der Verfasser mag ein Franke oder aus den an Franken grenzenden Teilen Schwabens gebürtig gewesen sein46, geschrieben aber hat er in Schwaben und wahrscheinlich 42 Ich halte die von FICKER (Anm, 39) hierfür vorgebrachten Gründe für überzeugend, auch gegenüber dei) neuesten Ausführungen ROCKINGER'S, dessen letzte Untersuchung aber nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Die Hauptgründe sind Schwsp. L. 130 über die Königswahl (S. 460) und 137a über die neuerdings (1274) erfolgte Anerkennung der den geistlichen Pürsten obliegenden Pflicht, den König bei sich aufzunehmen (S. 505). Beachtung verdient auch, daß Schwsp. L. Vorw. f., 106, 138, 246 in Übereinstimmung mit dem Königebuche (ROCKINGER, a. a. O. 31, 87) die Reichsacht schon binnen 6 Wochen und einem Tage auf den Bann folgen läßt, sich also genau an die Conf. c. princ. eccl. von 1220 anschließt, während Rudolf I. in seiner Bestätigung vom 21. März 1275 gerade diese Bestimmung ausdrücklich ausnahm. Vgl. WEILAND, i. d. Hist. Aufs. z. And. an WAITZ, 270. Daß das Königebuch vielleicht schon einige Jahre früher vollendet wurde, beweist nichts für das Rechtsbuch, da beide Werke jedenfalls eine mehrjährige Arbeit beanprucht haben. Es verhält sich damit nicht anders wie mit dem sächsischen Land- und Lehnrecht, die beide ein einheitliches Werk bilden, aber doch sicher nicht in demselben Jahre- vollendet- sind. 41 Land- und Lehnrecht zerfallen jedes in Artikel. Man citiert das Landrecht in der Ausgabe von LASSBERG: Schwsp. Laßb. 101, das Lehnrecht: Schwab. Lehnr. 159. 44

45

D i e A n s i c h t ROCKINGER'S.

Gerade die Semperfreien, die ROCKINGER im Schwsp. auffallen, weisen auf Schwaben, vgl. Dsp. 71 e, 95, 293, 299, St.. Galler Handfeste von 1272 bei ZALLINGEE, Ministeriales und milites 80. Dasselbe gilt von den Aussprüchen des Schwsp. über die Schöffenverfassung. Während diese in Franken ganz streng durchgeführt war, bestand sie in Schwaben und Baiern im 13. Jh. in vielen Gerichten nicht mehr. Dem entspricht gerade die wiederholte, in Franken unmögliche hypothetische Fassung des Schwsp. Laßb. 145, 190, 286: Swd (oder: in sweler stat) sckephenden sind, ebenso daß er (172) nur von 12 zur Urteilsflndung auserwählten Männern, aber nicht von Schöffen spricht und an anderer Stelle (156 b) die Schöffen des Dsp. 349 durch gebutel ersetzt. Entschieden schwäbisch ist ferner Schwsp. L. 20, 201 g. Vgl. meine Gesch. d. ehel. Güterr. II. 1, S. 30 ff., 82 ff., 87. 48 Darauf weist das von ROCKINGER' hervorgehobene Interesse des Königebuches für fränkische Verhältnisse, ebenso die Bezeichnung des Fronboten mit gebiutel (Schwsp. L. 1 , 93, 126, 156). Der Ausdruck ist entschieden fränkisch, gegenüber dem schwäbischen, auch in Augsburg üblichen weibel und dem bairischen, auch

§ 54.

Die Rechtsbücher.

629

in Augsburg, wo er die Vorarbeiten und wohl auch .das litterarische Material seines Vorgängers beisammen hatte, und wo vielleicht sein Werk schon ein Jahr nach seiner Vollendung (1276) der amtlichen Stadtrechtsredaktion zu Grunde gelegt wurde 47 . Den Vergleich mit dem Sachsenspiegel hält der Schwabenspiegel nicht aus. Er ist stellenweise äußerst weitschweifig, unkritisch, unklar. Kanu schon der Sachsenspiegel nicht überall aufs Wort genommen werden, so bedarf es der kritischen Sonde bei der Benutzung des Schwabenspiegels noch weit mehr. Gleichwohl ist der letztere eine Rechtsquelle von großer Bedeutung, namentlich wo es sich um die staatsrechtlichen Gegensätze der Zeiten Friedrichs II. und Rudolfs I. handelt. Während der Sachsenspiegel überall gut kaiserlich ist, räumt der Schwabenspiegel dem Papste und der Kirche die erste Stelle ein. Auch der Schwabenspiegel erwarb sich bald das größte Ansehen und weiteste Verbreitung 48 und wurde bei der Abfassung anderer Rechtsquellen wie bei gerichtlichen Entscheidungen vielfach zu Grunde gelegt 49 . Im Gegensatze zum Sachsenspiegel zeigen die überaus zahlreichen Handschriften des Schwabenspiegels eine im Laufe der Zeit immer zunehmende Neigung zur Verkürzung der Vorlage. Der Schwabenspiegel wurde ins Lateinische, Französische und zweimal ins Böhmische übersetzt. Eine Glosse hat er nicht erhalten. Ein von den drei Spiegeln im wesentlichen unabhängiges Rechtsbuch war das K l e i n e K a i s e r r e c h t 5 0 . Der Verfasser desselben wollte das Recht der gesamten Christenheit darstellen und verfiel daher in noch höherem Gradé als die Verfasser der beiden süddeutschen Spiegel der Gefahr der Phrase und unberechtigter Verallgemeinerung. Sein positiver Inhalt ergibt fränkische, insbesondere hessische Entstehung. Das Kl. Kaiserrecht würde demnach auch als Frankenspiegel bezeichnet werden können. Den Namen „Kaiserrecht" oder „Kaiser Karls Recht" hat der Verfasser seinem Werke selbst beigelegt 61 . Dasselbe handelt in 4 Büchern, die in Dsp. 4 verwendeten scherge. Aber biutel und gebiutel findet sich auch in allen dem Fränkischen zugewandten Teilen Schwabens. Vgl. Urk.-B. von Straßburg IV. 2, S. 203. GRIMM, W e i s t ü m e r I. 385, 429, 668 f., 680, 685, 689, 693 f. V . 431, 503, 523. V I . 206. 47 Vgl. MEYER, Stadtbuch von Augsburg, pg. XXVII ff. Derselbe macht S. 163 N . 2 darauf aufmerksam, daß Art. 83 des Stadtrechts in seiner Abweichung vom Dsp. und Schwsp. (Aura. 38) ein unmittelbares Zurückgreifen auf Ssp. II. 28 § 2 erkennen läßt. Früher hat man zum Teil Benutzung des Augsburger Stadtrechts durch den Verfasser des Schwsp. angenommen, was aber bei der erwiesenen Priorität des letzeren ausgeschlossen ist. Dagegen bleibt die Möglichkeit, daß beide eine gemeinsame dritte Quelle benutzt haben. Unabhängig vom Dsp. weist auch Schwsp. 174 nach Augsburg. 49 Unter Albrecht I. scheint der Schwsp. sogar reichsgesetzliche Bestätigung erhalten zu haben. Vgl. STOBBE, 347. 49

Vgl.

LOERSCH

u.

SCHRÖDER,

Urkunden

I.

Nr.

339

(298).

STOBBE,

437

v.

4 3 1 f.

ROCKINGER, Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1889, S. 119 ff. 50

Herausgegeben

von

ENDEMANN,

1846.

V g l . STOBBE,

ff.

GOSEN,

Das

Privatrecht nach deru Kl. Kaiserrecht, 1866. ROCKINGER, i. d. Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1874, S. 417 ff. K. MAURER, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. IX. 101 ff. 51 „Kleines .Kaiserrecht" im Gegensatze zu dem umfangreicheren Schwsp.

630

Das Mittelalter.

Kapitel zerfallen, von dem Gericht, „von allen Sachen" (d. h. Privat-,. Straf- und Staatsrecht), „von allen Lehen" (d. h. dem Rechte der Beichsdienstmannen) und von den Reichsstädten. Die einzelnen Bestimmungen werden als Gebote des Kaisers bezeichnet. Der Verfasser hat den Schwabenspiegel, aber in sehr freier Weise, benutzt53, ebenso das Reichsgesetz Rudolfs I. von 1274 über die Exemtion der Reichsstädte (S. 595), vielleicht auch in II. c. 8 ein Reichsweistum von 1283 63 . Die Abfassung ist demnach frühestens gegen den Schluß des 13., wahrscheinlich aber erst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfolgt. Die starke Betonung des Kaisertums gestattet vielleicht einen Schluß auf die Periode des Kurvereins zu Rense von 1338. Die große Zahl der vorhandenen Handschriften zeugt für die außerordentliche Yerbreitung des Rechtsbuches, auch in Nord- und Süddeutschland. In den Gerichten diente das Kl. Kaiserrecht ebenso wie Sachsen- und Schwabenspiegel noch im 15. Jh. unmittelbar als Quelle für die Entscheidungen64. Unter den Rechtsbüchern für engere Gebiete, aber ohne Beschränkung auf bestimmte Territorien oder Städte, sind auf Grund des Sachsenspiegels entstanden: das Görlitzer R e c h t s b u c h aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts66, der h o l l ä n d i s c h e S a c h s e n s p i e g e l 6 6 und das Meißener R e c h t s b u c h , gewöhnlich als R e c h t s b u c h nach D i s t i n k t i o n e n oder v e r m e h r t e r S a c h s e n s p i e g e l bezeichnet67. Eine Bearbeitung des Schwabenspiegels war das Land- und Stadtrechtsbuch des Ruprecht von Fr ei s i n g aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts68. »2 So z. B. Schwsp. L. 308 in II. c. 55, III. c. 6, IV. c. 8. 59 51 Vgl. MG. Leg. II. 444. Vgl. LOEBSCH, Ingelh. Oberhof 85. 55 Herausgegeben von HOMEYEB, Des Sachsenspiegels II. Teil, Band II. Vgl. STOBBE, 367 f. Das Rechtsbuch zerfällt in Land- und Lehnrecht. Das erstere beruht auf dem Sachsenspiegel, dem sächsischen Weichbildrecht und dem Magdeburg-Görlitzer Recht von 1304, während das Lehnrecht eine selbständige Bearbeitung des Auetor Vetus (S..621) ist. «6 Vgl. STOBBE, 371. " OKTLOFF, Das Kechtsbuch nach Distinktionen, 1836. Vgl. STOBBE, 411 ff. Der unbekannte Verfasser dieses in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandenen Werkes, das in Bücher, Kapitel und Distinktionen eingeteilt ist, wollte eine Darstellung des Weiehbildrechts in Vergleichung mit dem Landrecht geben. Neben dem Sachsenspiegel hat er namentlich das Goslarer Stadtrecht benutzt. Dem Inhalte nach zweifellos in der Mark Meißen entstanden, hat das Bechtsbuch doch in dem ganzen östlichen Mitteldeutschland, namentlich Thüringen und Schlesien, starke Verbreitung erlangt. . Seine Bedeutung für Böhmen erhellt aus der Veranstaltung einer eigenen böhmischen Übersetzung. Für Eisenach wurde es im 15. Jh. zu einem besonderen Eisenacher Rechtsbuche umgearbeitet. Früher hielt man das Meißner KB. irrtümlich für ein schlesisches Landrecht, eine Bezeichnung, auf welche höchstens das B r e s l a u e r L a n d r e c h t , 1356 für Stadt und Landschaft Breslau von einer amtlichen Kommission auf Grund des Sachsenspiegels unter Beifügung von 13 selbständigen Kapiteln verfaßt, Anspruch erheben könnte. Vgl. GAUPP, Das schlesische Landrecht oder Landrecht des Fürstentums Breslau, 1828. STOBBE, 369 f. 58 L. v. MAUREE, Das Stadt- und Landrechtsbuch Ruprechts von Freising, 1839. Vgl. STOBBE, 435 ff. Andere Rechtsbücher auf Grundlage des Schwabenspiegels bei STEFFENHAGEN, Rechtsquellen 118FF. und ROCKINGEB, Sitz.-Ber. d.Münch.Akad. 1869, S. 161 FF.

§ 55.

631

Die Landrechte und Landesgesetze.

Für den Gebrauch in der Praxis, besonders für die Darstellung des Verfahrens, wurde das Sachsenspiegelrecht zu der B l u m e d e s S a c h s e n s p i e g e l s von Nikolaus Wurm bearbeitet 59 . Reine Rechtsgangbücher auf Grund des Sachsenspiegels waren der R i c h t s t e i g L a n d r e c h t s des Johann von Buch aus der Mitte des 14. Jahrhunderts 6 0 und der um einige Dezennien jüngere R i c h t s t e i g L e h n r e c h t s 6 1 , sowie einige kleinere Arbeiten desselben Charakters 62 . Daran schließt sich eine Reihe von F e m r e c h t s b ü c h e r n des 15. Jahrhunderts, teils privaten, teils halbamtlichen Charakters, in denen das Verfahren der Femgerichte, zum Teil in Anlehnung an den Sachsenspiegel, zur Darstellung kommt 6 3 . Von besonderem Wert für die Erkenntnis des mittelalterlichen Prozesses sind die G e r i c h t s f o r m e l n (in Holland „Dingtaalen"), in denen nach Art der Formeln des Papienser Rechtsbuches (S. 250) das Verfahren dramatisch dargestellt wird 64 . Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts entstanden zahlreiche a l p h a b e t i s c h e R e p e r t o r i e n , auch Remissorien, Schlüssel oder Abecedarien, über den Inhalt der Rechtsbücher und Glossen65. § 55. D i e L a n d r e c h t e u n d L a n d e s g e s e t z e 1 . Während des 10. Jahrhunderts zeigte die Provinzialgesetzgebung noch eine gewisse Regsamkeit. Aus dem Anfange desselben besitzen wir ein fränkisches Sendrecht, das wahrscheinlich für die Main- und Rednitzwenden der Würzburger Diözese erlassen wurde und besonderes Interesse durch die Gegenüberstellung der „Sclavi" und verwandter Nationen mit den Franken, „qui pacto et lege Salica utuntur", erregt 2 . Während wir es hier viel59

V g l . S. 625.

STOBBE, 4 1 8 f.

60

Vgl. S. 6 2 4 f . HOMEYER, Der Richtsteig Landrechts, 1857. STOBBE, 390ff. Das Werk ist von hervorragendem Wert. Die Sprache ist niedersächsisch. 61 Ausgabe von HOMEYER, Des Sachsenspiegels II. Teil, Band I. 369ff. Vgl. STOBBE, 396 f. Die ursprüngliche Sprache des Eechtsbuches war niederdeutsch. 62 So die C a u t e l a u n d P r e m i s des Hermann von Ösfeld aus der Mitte des 14,, die W e i s e d e s L e h n r e c h t s aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Beide herausgegeben von HOMEYER, Eichtsteig 390ff.; Des Sachsenspiegels II. Teil, Band I. 543ff. V g l . STOBBE.

398.

63

V g l . A n m . 2 0 und S. 5 6 5 . X V I I I . 116 ff. STOBBE, 399 ff.

LINDNER, Verne 247 ff. DDNCKER, Zeitschr. f. R G .

64 Vgl. BÜHLAU, Theoderich von Bocksdorffs Gerichtsformeln, i. d. Zeitschr. f. RG. I. 415 ff. Die Dingtalen von Dordrecht und Südholland bei FRDIN, De oudste rechten der stad Dordrecht (1882) I. 357 ff. II. 291 ff. Vgl. BRUNNER, Zeitschr. f. RG. XVII. 237. Rheinische Gerichtsformeln bei HOMEYER, Richtsteig 327 ff. und Zeitschr. f. RG. X. 191 ff., 206 ff., 229 ff. Westfriesische Dingtalen bei POLS, Westfriesche

stadrechten 65

1

I.

143—74.

V g l . STOBBE, 4 4 3 f.

V g l . S. 585.

STOBBE, I. 5 5 2 — 7 6 .

KRAUT,

Grundriß

d.

deutsch.

Privatr.

6. Aufl. § 7. Sorgfältige Angaben über die niederländischen Rechtsquellen bei FOCKEMA-ANDREA, Overzicht van oudnederlandsche rechtsbronnen, 1881. 2 Vgl. DOVE, Zeitschr. f. Kirchenrecht IV. 157 ff.; Zeitschr. f. deutsch. R. XIX. 382 ff. MERKEL, der Mon. Germ. Leg. III. 486 f. einen nicht ganz korrekten Abdruck

Das Mittelalter.

632

leicht mit einem königlichen Provinzialgesetze zu thun haben 3 , sind die dem Ende des 10. Jahrhunderts angehörenden Kanshofer Gesetze Erzeugnisse der bairischen Landesgesetzgebung Herzog Heinrichs II 4 . Mit dem Verfalle der Stammesherzogtümer hörte diese Art der Gesetzgebung auf. An ihre Stelle trat allmählich die Territorialgesetzgebung, die in derselben Weise wie die des Reiches ihren Ausgang yon der L a n d f r i e d e n s g e s e t z g e b u n g genommen und diese fortdauernd als ihren eigentlichen Mittelpunkt betrachtet hat 6 . Gerade die ältesten uns erhaltenen Landfriedensgesetze beruhten auf territorialen Einungen, auch die königlichen Landfrieden hatten vielfach nur provinzielle Bedeutung (S. 616 £f.), der Landesgesetzgebung wurde die Ergänzung der Reichslandfrieden wiederholt ausdrücklich vorbehalten 8 , seit dem 14. Jahrhundert lag der Schwerpunkt des Landfriedensrechts überhaupt in der Landesgesetzgebung. Besonders bemerkenswert sind die zu Upstallsbom getroffenen Landfriedenseinungen der o s t - u n d m i t t e l f r i e s i s c h e n L a n d s c h a f t e n 7 , aus dem Ende des 12. Jahrhunderts (1161?) die 17 Küren (petitiones)8 und (1165?) die 24 Landrechte (constitutiones) 9 samt den Bußtaxen 10 , aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts die Überküren (novae constitutiones) in friesischer Sprache11, sodann die von den Westergoern ausgegangenen lateinischen leges Upstalsbomicae von 1323 1 2 und das Groninger Statut von gab, nahm bairischen Ursprung an. RIEZLEB, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. XVI. 397 ff., vermutet Entstehung in der Diözese Eichstädt und bezieht „pactus" auf die Lex Baiwariorum. Unzweifelhaft ist aber „pactus" auf das geschriebene, „lex" auf das ungeschriebene salische Recht zu beziehen, was ganz auf die nach salischem Rechte lebenden Mainfranken paßt. Die Erwähnung des „dux" spricht für die Entstehung vor 939. 3

V g l . WAITZ, V G . I V . (1861) 439, N . 6.

E b e n s o RIEZLER, a . a .

4

0.

MG. Leg. III. 484. Vgl. RIEZIER, Geschichte Baierns I. 374. 5 Vgl. S. 614 f. ROCKINGER, Zur äußeren Geschichte der älteren bairischen Landfrieden (Abhandl. d. Münch. Akad. X. Bd. II. 1866) 423 f. 6 Vgl. u. a. Rudolfs I. Würzburger Landfrieden von 1287, am Schluß (MG. Leg. II. 452). WYNEKEN, Landfrieden (Gött. Inaug.-Diss. 1887) 15 f. 7 Vgl. KÜCH, Landfriedensbestrebungen (Marb. Inaug.-Diss. 1 8 8 7 ) 39 ff. R I C H T HOFEN, Untersuchungen über friesche Rechtsgeschichte I. 20—290. J. TELTING, Schets van het oud-friesche privaatregt (Sonderabdruck aus der Themis, 1867, 4. Stück)'S. 3—21. 8 RICHTHOFEN, Unters. I. 33—39, handschriftliche Zusätze 40 f. Die 17 Küren, die ihren Ursprung selbst auf Karl den Großen zurückführen, sind in lateinischer Sprache abgefaßt, haben aber schon früh friesische Bearbeitungen, zum Teil mit erheblichen Vermehrungen, erfahren. Abgedruckt sind dieselben bei RICHTHOFEN, Friesische Rechtsquellen 2—39, 538 f. 9 Die 24 Landrechte scheinen mit kaiserlicher Bestätigung erlassen zu sein. Der ursprüngliche lateinische Text bei RICHTHOFEN, Untersuchungen I . 4 2 — 5 1 , handschriftliche Zusätze 51 f., die zum Teil sehr vermehrten friesischen und niederdeutschen B e a r b e i t u n g e n bei RICHTHOFEN, R e c h t s q u e l l e n 40—81, 540. 10 11 12

Untersuchungen I. 52—60. Rechtsquellen 82—97. Untersuchungen I. 236—41. Rechtsquellen 98—101. Untersuchungen I. 2 5 0 - 6 9 . Rechtsquellen 102 ff., 531 f.

§ 55.

Die Landrechte und Landesgesetze.

633

1S

1361 . Zahlreich sind die b a i r i s c h e n Landfrieden, wir besitzen solche von 1205. 1213. 1244, 1256 (in deutscher Sprache), 1293, 1300 und 1352 u . Von sonstigen Territoriallandfrieden heben wir einen t h ü r i n g i s c h e n von 1338 15 . einen W e t t e r a u e r von 1337 16, einen S a l z b u r g e r von 1287 17 und einige m e c k l e n b u r g i s c h e aus dem 14. Jahrhundert hervor 17 ". Das Verfahren war überall dasselbe wie bei den Reichslandfrieden : auch hier bald Gesetz, bald Einung, als die Hauptsache aber erscheint immer die Anordnung der allgemeinen Beeidigung des Landfriedens durch die Unterthanen (vgl. S. 618). Von anderen Gegenständen der Landesgesetzgebung sind Judenprivilegien, Bergrechte und Landesfreiheiten oder Landhandfesten zu erwähnen. Die letzteren, die besonders zahlreich in Baiern waren, verfolgten nicht bloß den Zweck, die landständischen Rechte zu heben (S. 585ff'.), sondern auch die für die Dienstmannen bestehenden Freiheitsbeschränkungen zu beseitigen und die Umwandlung dieses Standes in einen freien Landesadel herbeizuführen 18 . Die weitaus bedeutendsten territorialen Rechtsquellen waren die L a n d r e c h t e . Soweit sich dieselben auf die bloße Aufzeichnung des Gewohnheitsrechts beschränkten, bedurften sie der landständischen Genehmigung nicht. Auch Landreclitsbücher rein privater Entstehung kamen vor. Viele Landrechte dagegen waren Werke förmlicher Gesetzgebung, bestimmt, das bisherige Recht nicht nur zu verzeichnen, sondern zu reformieren, wobei die ständische Mitwirkung nicht entbehrt werden konnte. Ein bloßer landständischer Entwurf, der die landesherrliche Genehmigung nicht erhalten hat, ist das in einer kürzeren und einer längeren Fassung vorliegende ö s t e r r e i c h i s c h e L a n d r e c h t 1 9 . 13

Untersuchungen I. 291 ff. Rechtsquellen 109 f. Vgl. ROCKINGER, a. a. O. 427 ff. ZÖPFL, Altertümer II. 302 ff. (auch Heidelb. JBB. 1858, S. 481 ff.). WYNEKEN, a. a. 0 . 45 ff. Abgedruckt sind die Landfrieden Mon. Wittelsbac. (Quellen z. baier. u. deutsch. Gesch. V. VI.) I. 7 f., 17 f., 77 ff.. 140 ff. II. 22 ff., 110 ff., 420 ff. Der daselbst I. 338 ff. mitgeteilte Landfriede von 1281 ist ein unter König Rudolfs Auktorität erlassener bairischer Provinziallandfriede, von dem der in den MG. Leg. II. 427 ff', irrtümlich als Reichslandfriede von 1281 abgedruckte ein Vorläufer gewesen zu sein scheint. 15 MICHELSEN, Urkundl. Beitrag z. Gesch. d. Landfrieden, 23 ff. BÖHMEB, Urkb. d. Stadt Frankfurt 543 ff. 11 RÖSSLER, Bedeutung u. Behandlung der Geschichte des Rechts in Österreich, Urkundl. Beiträge S. VI sq. I7a Vgl. R. LÖNING, Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissensch. I. 571. 13 Dies zeigt sich namentlich in Steiermark. Vgl. LUSCHIN, Die steirischen Landhandfesten, i. d. Beiträgen zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen IX. 119 ff'. 19 Ausg. von HASENÖHRL, Österreichisches Landesrecht, 1867. MEILLEE, Archiv f. K. österr. Geschichtsquellen X. 148ff. Vgl. LUSCHIN, Entstehungszeit des österr. Landesrechts, 1872. SIEGEL, i. d. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. XXXV. 109 ff. LV. 5 ff. MEILLER, ebd. XXI. 137 ff. RÖSSLER, ebd. XI. 549. Der kürzere Text (wahrscheinlich von 1236—37) scheint eine mit Benutzung des Mainzer Landfliedens von 1235 entstandene Privatarbeit zu sein, der längere ein 1298 dem König Albrecht von seinen 14

634

Das Mittelalter.

Die k u l m i s c h e H a n d f e s t e wurde 1232 von dem Großmeister Hermann von Salza erlassen; eine Neuausfertigung erfolgte 1251, und zwar in der ursprünglichen lateinischen Fassung und einer anscheinend amtlichen deutschen Übersetzung19". Ein hervorragendes Werk ist das oh er bairis che Land recht Konig Ludwigs des Baiern von 1346, dessen ältere, später umgearbeitete Fassung erst neuerdings aufgefunden ist 20 . Dasselbe enthält überwiegend Gewohnheitsrecht und schöpft vielfach aus dem Schwabenspiegel und dem Rechtsbuche des Ruprecht von Freising. In Böhmen entstand unter Karl IV. die Maiestas Carolina, die zwar die landständische Genehmigung nicht erhielt, im Laufe des 15. Jahrhunderts aber gewohnheitsrechtlich rezipiert wurde21. Der zweiten Hälfte des 14. oder der ersten des 15. Jahrhunderts gehört das s t e i e r m ä r kische Landrecht an 22 . Das Erzstift Salzburg erhielt 1328 eine Landesordnung von Erzbischof Friedlich III. 23 . Eine amtliche Bearbeitung des Sachsenspiegels mit einigen bemerkenswerten Zusätzen war das für das Fürstentum Breslau auf Anlaß des Königs Johann von Böhmen verfaßte s c h l e s i s c h e L a n d r e c h t von 1356 24 . Durch Vertrag des Bischofs von Würzburg und seines Kapitels mit den Grafen und der Ritterschaft des Stiftes wurde 1435 das Würzburger L a n d r e c h t festgestellt25. Ein eigentümliches Schicksal hat das D r e n t h e r L a n d r e c h t von 1412 gehabt26. Dasselbe muß später mit einer höchst wertvollen südholländischen Rechtsquelle, von der wir weiter nichts wissen, in einer Kompilation verbunden worden sein, die dann in die Hände eines Süddeutschen geriet und von diesem zu dem leider nur bruchstücksweise erhaltenen R h e i n g a u e r Landrecht verarbeitet wurde2'. Andere niederDienstmannen vorgelegter, aber weder von ihm noch von seinen Nachfolgern bestätigter Gesetzentwurf. 19 • Preußisches Urk. B. I. Nr. 1, 252. 24 Ausgabe von F R E Y B E R G , Samml. histor. Schriften und Urkunden IV. 383 ff. H E U M A N N , Opusculä 54 ff. Ygl. R Ö C £ I N Q E B , Zur äußeret! Geschichte v"on 'Körnig' Ludwigs oberbaierischem Land- und Stadtrechte, 'Oberbaierisches Archiv XXIII. 216ff.; Vorarbeiten zur Textesausgabe 1868; Krit. Viertelj.-Schr. XVII. 460ff. v. D. PFORDTEN, Studien zu Kaiser Ludwigs Stadt- und Landrechten, 1^75. P F E I F F E R , Germania XII. 71 ff. RIEZIER, Geschichte Baierns II. 540. 21 JIRECEK, Codex iuris Bohemici II. 2, 104 ff. Vgl. WERUNSKY, i. d. Zeitschr. f. EG. XXII. 64 ff. Bei der Abfassung wurde ein wahrscheinlich gegen die Mitte des 14. Jh. entstandenes Rechtsgangbuch, der Ordo i u d i c i i t e r r e B o e m i e (JIRECEK, a. a. O. II. 2, 245 ff.), benutzt. Dasselbe war eine ursprünglich in tschechischer Sprache verfaßte, dann in lateinischer Sprache bearbeitete Privataufzeichnung. Vgl. W E R U N S K Y , Zeitschr. f. EG. XXIII. 98 ff. Ebenso war das älteste böhmische Eechtsbuch in tschechischer Sprache, die Kniha Eozmberska ( E o s e n b e r g e r B u c h ) , her. von B R A N D L , 1882, eine bloße Privatarbeit. 22 23 Ausg. von BISCHOFF, 1 8 7 5 . BÖSSLER, a. a. O . pg. Iff. 24 25 Vgl. § 54, N. 57. SCHEIDT, Thesaurus iur. Franc. II. 2, 329 ff. 26 BICHTHOFEN, Fries. Eechtsquellen 5 2 2 ff. MAGNIN, Overzicht van de besturen in Drenthe, II. 2, 229 ff. 27 BODMANN, Bheing. Altertümer 624 ff. GRIMM, Weistümer I. 539 ff. Vgl. BRÜNNER, Zeitschr. f. EG. XVI. 87 ff.

§ 56.

635

Die Stadtrechte.

ländische Laudrechte waren: das von S e e l a n d , von 1258 und 1290 28 , K e n n e m e r l a n d von 1292 29 , W e s t f r i e s l a n d von 1299 30 , das alte Landrecht von Stift T h o r n , angeblich von 1295 31 , das Landrecht des Stifts U t r e c h t 3 3 u. a. m. 33 . Daran reihen sich die Landrechte der einzelnen f r i e s i s c h e n L a n d s c h a f t e n , vom 13. bis 15. Jahrhundert, sämtlich in altfriesischer Sprache und von hoher Altertümlichkeit 34 , ebenso die Gesetze der N o r d f r i e s e n aus dem 15. Jahrhundert 3 8 und das d i t h m a r s i s c h e Landrecht von 144 7 36. Yon anderen Landrechten sind noch hervorzuheben das von S a a r b r ü c k e n , angeblich von 132 1 37, das Ritter- und Landrecht der G r a f s c h a f t B e r g 3 8 , das Landrecht von B u r g 3 9 und die Landbücher von G l a r u s 4 0 , S c h w y z 4 1 und A p p e n z e l l 4 2 . Wir reihen noch daran das Recht der Sachsen in dem Z i p s in Ungarn 43 , ein in deutscher Sprache und deutschem Sinne abgefaßtes p o l n i s c h e s Rechtsdenkmal aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts 44 , und die ebenfalls in deutscher Sprache verfaßten J u r a P r u t e n o r u m aus dem 14. Jahrhundert 45 . Im weiteren Sinne sind auch die Sammlungen landgerichtlicher Entscheidungen als Landrechtsquellen anzusehen. Wir nennen die äußerst wertvollen Entscheidungen des I n g e l h e i m e r O b e r h o f e s von 1375—90 und 1437—64 und die des Eidstuhls zu D r e n t k e von 1399—151S 46 . Zaklreiche Entscheidungen des Rheingauer Landgerichts zu E l t v i l l e finden sich, offenbar aus einer älteren Sammlung herausgerissen, zerstreut in BODMANN'S rheingauischen Altertümern. § 56. Die S t a d t r e c h t e 1 . Die ältesten städtischen Rechtsquellen waren die den Stadtherren erteilten Immunitätsprivilegien, sodann seit dem Anfange des 12. Jakrkunderts die von den Königen oder Stadtkerren 28

v. D. BEEGH, Oorkondenboek van Holland en Zeeland II. 19 ff., 330 ff., 345 ff. 30 31 Ebd. 374 ff. Ebd. 505 ff. Ausg. von SIVR£, 1871. 32 MÜLLER, De middeleeuwsche rechtsbronnen der stad Utrecht II. 409 ff. 33 Siehe auch die Keuren von Südholland bei F R u m , De oudste rechten der stad Dordrecht en van liet baljuwschap van Zuidholland, II. 225 ff. Anderes wird bei 29

FOCKEMA ANDREA, a . a . 0 . ,

angeführt.

31

RICHTHOFEN, F r i e s i s c h e R e c h t s q u e l l e n 113 ff. V g l . J. TELTING, a. a. O. 2 2 ff.

35

RICHTHOFEN, a . a . O . 5 6 1

36

ff.

Ausg.

v o n MICHELSEN,

1842.

87

KREMER, Genealogische Geschichte des alten ardenn. Geschlechtes, Cod. dipl. 551 ff. v. D. NAHMER, Handbuch d. rhein. Partik. Rechte II. 938 ff. 38

LACOMBLET, A r c h i v I. 79 ff.

39

Neue Mitteilungen hist. antiqu. Forsch. XI. 159 ff. Zeitschr. f. Schweiz. Recht V. 130 ff. VI. 3 ff.

40 41

A u s g . v . KOTHING, 1850.

43

MICHNAY U. LICHNER, Ofner Stadtrecht, Anhang.

42

44

A u s g . v o n VOLCKMANN, 1869.

A u s g . v. RUSCH, 1869.

V g l . S. 556.

45

Ausg. von LABAND, Königsb. Programm, 1866. 46 LOERSCH, Der Ingelheimer Oberhof, 1885. FEITH, Oordelboek van den etstoel van Drenthe, 1870. Supplement dazu von GRAT&MA, i. d. Verhandelingen der genootschap pro .excolendo iure patrio X. 2. 1

V g l . § 5 1 , N . 1.

STOBBE, I. 4 8 2 — 5 5 1 .

GENGLER, C o d e x

iuris

municipalis

636

Das Mittelalter.

ausgehenden eigentlichen Stadtprivilegien für das Gemeinwesen und die Bewohner, weiter Entscheidungen der Könige oder Stadtherren über innere Zwistigkeiten. Während die älteren Städte, deren Recht nur allmählich zur Ausbildung gelangte, oft eine ganze Reihe solcher Handfesten besaßen, erhielten die neu errichteten Städte von vornherein mit dem Gründungsprivileg ein ausführliches Stadtrecht oder wurden deswegen auf das Recht einer andern Stadt verwiesen, die dann als Mutterstadt wieder Rechtsmitteilungen und, wenn sie sich zum Oberhofe entwickelte, auch gerichtliche Entscheidungen an die Tochterstadt ergehen ließ 2 . In manchen bedeutenden Mutterstädten besaß man nicht einmal eine Aufzeichnung des eigenen Rechts, sondern begnügte sich mit Abschriften der an die Tochterstädte ergangenen Weistiimer. Vielfach kam es auch in den Städten zu eigenen Aufzeichnungen ihres Gewohnheitsrechtes, wozu sich seit der Ausbildung der städtischen Autonomie, die vielfach den Stadtherren erst mühsam abgerungen werden mußte, die städtischen Küren (Willküren, Einungen, Statuten, Schraen) gesellten 3 . Der Gegenstand der autonomen Gesetzgebung der Städte war, ihren vielfach wechselnden wirtschaftlichen Beziehungen entsprechend, ungleich mannigfaltiger als in den Territorien. Insbesondere kam der weite Begriff der Polizeiordnungen, der später für Reichs- und Landesgesetzgebung so bedeutsam wurde, zuerst in den Städten zur Ausbildung. Neben zahlreichen Einzelstatuten kam es in vielen Städten zu ausführlichen Stadt- oder Polizeiordnungen, die nicht selten, um sich dem Gedächtnisse einzuprägen, alljährlich an bestimmter Stelle öffentlich vorgelesen wurden 4 . Germaniae medii aevi, I. 1863; Deutsche Stadtreckte des Mittelalters, 1852. KRAUT, Grundriß des deutschen Privatrechts, 6. Aufl. her. v. FRENSDOKFF, § 8. GAUPP, Deutsche Stadtrechte des Mittelalters I. II. 1851—52. BISCHOFF, Osterreichische Stadtrechte und Privilegien, 1857. FOCKEMA ANDREAE, Overzicht van oudnederlandsche rechtsbronnen, 1881. FRENSDORFF i. d. Neuen Archiv f. ältere deutsch. Gesch." K.' II: 9 ff. IV. '43 ff. Y. 31 ff. L. v. MAURER; Geschichte der'StädteVerfassnng IV. 1—62. MICHELSEN , Eechtsdenkmale aus Thüringen, 1863. WALCH, Vermischte Beiträge z. d. deutschen Recht, 8 Bde., 1771—93. PUFENDORF, Observationes iuris (appendix), 4 Bde. 1757—70.

TSCHOPPE u. STENZEL, U r k . - S a m m l u n g z u r G e s c h i c h t e

des Ursprungs der Städte in Schlesien u. d. Oberlausitz, 1832. CELAKOVSKY, Codex iuris municipalis regni Bohemiae, I. 1886. BÜHLAU, Mecklenb. Landrecht I. 64—79. A. TELTING, Het oud-friesche stadrecht, 1882; De friesche stadrechten, 1883. GIERKE, Badische Stadtrechte und Eeformpläne des 15. Jh., Zeitschr. f. d. Gesch. d. OberTheins N F . III. 129 ff. FRENSDORFF, AUS belgischen Städten und Stadtrechten, Hansische Geschichtsblätter VIII. 37 ff. Bèi der ungeheuern Fülle des Stoffes mußte in der Anführung der einzelnen Quellen wie der Quellenausgaben die äußerste Sparsamkeit beobachtet werden. Alles, was man hier vermißt, wird man in den eben angeführten Werken finden. 2

Vgl. A. S. SCHULTZE, Privatrecht und Prozeß 127 ff. Uber shra, schra, schrägen vgl. FRENSDORFF, Das statutar. Eecht der deutschen Kaufleute in Nowgorod I. 2 ff. (Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. XXXIII. 1887). Das Wort, das ursprünglich Pergament bedeutete, war besonders im Norden verbreitet, während es in Deutschland seltener verwendet wurde. 4 Von der Bürgerversammlung (buersprake), in der die Verlesungen erfolgten, 3

§ 56.

Die Stadtrechte.

637

Das gesamte Material städtischer Rechtsquellen pflegte man in eigene Stadtbücher einzutragen, die zugleich für die Aufnahme späterer Statuten,. Rechtsmitteilungen und Handfesten, sowie für die präjudiziellen stadtgerichtlichen Entscheidungen, häufig auch für Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit offen gehalten wurden 5 . Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts begannen dann die amtlichen Verarbeitungen des Stadtbuchinhaltes und des städtischen Gewohnheitsrechtes zu ausführlichen Stadtrechten, die man nicht selten vom Könige und dem Stadtherrn bestätigen, von den Bürgern beeidigen ließ; auch alljährliche Verlesuug solcher Stadtrechte wurde zuweilen angeordnet. Da das Stadtrecht nichts anderes als das in Gemäßheit der fortgeschrittenen wirtschaftlichen Verhältnisse fortgebildete Landrecht war, so dienten bei der Abfassung auch die Landrechtsaufzeichnungen und namentlich die Rechtsbücher als Quelle. Vielfach fanden wiederholte Neuredaktionen statt, bei denen dann die inzwischen ergangenen Novellen mit verarbeitet wurden. Neben den amtlichen Stadtrechten begegneten auch Stadtrechtsbücher privaten Ursprungs, die oft ebenso wie die Rechtsbücher bei den Gerichten zur Rezeption gelangten. Auch auswärtige Stadtrechte, selbst wenn sonst keine Beziehungen vorlagen, wurden nicht selten rezipiert. Die Sprache der Stadtrechte war bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts fast ausschließlich lateinisch; dann trat die deutsche Sprache mehr und mehr in den Vordergrund, bis sie im 14. Jahrhundert so ziemlich die Alleinherrschaft erlangte 8 . Dies war auch in den Städten der böhmischen Krone der Fall, in denen erst seit den Hussitenkriegen die tschechische Sprache stärker hervortrat. In den polnischen Städten bediente man sich vorwiegend des Lateinischen. Wie 'unter den deutschen Rechtsbüchern der Sachsenspiegel hervorragte, so nahm auch unter den Stadtrechten eben dasjenige, in welchem die stadtrechtliche Umbildung des Sachsenspiegels zum reinsten Ausdruck gelangte, das von M a g d e b u r g , weitaus den ersten Rang ein 7 . Die eigenen Rechtsaufzeichnungen für Magdeburg waren gering, sie beschränkten sich auf Privilegien, unter denen namentlich das des Erzbischofs. erhielten diese Stadtordnungen selbst den Namen „Bauersprachen". Vgl. FRENSDORFF, Dortmunder Statuten pg. CLXXIX. 3 Über Stadtbücher vgl. STOBBE, I. 494, N. 29. HOMEYER, Stadtbücher des MA., insbesondere das Stadtbuch von Quedlinburg, Abh. d. Berl. Akad. 1860. 6 Vgl. FRENSDORFF, i. d. Hans. Gesch.-BL. VI. 116 ff. Sehr viel länger hat sich die lateinische Sprache in dem Gebrauche mancher Stadtbücher erhalten. Vgl. ebd. 132 ff. 7 Vgl. LABAND, Magdeburger Rechtsquellen, 1869. FRANKLIN, Magdeburger Weistümer für Breslau, 1856. — BÜHLAU, Aus der Praxis des Magd. Schöffenstuhls, Zeitschr. f. RG. IX. 1 ff. BEHREND, Die Magdeburger Fragen, 1865 (besonders die Einleitung). LABAND, Magdeburg-Breslauer systematisches Schöffenrecht, 1863 (besonders die Einleitung), v. MARTITZ, Eheliches Güterrecht des Ssp. (1867), 11—69; Die Magdeburger Fragen, kritisch beleuchtet, Zeitschr. f. RG. XI. 401 ff. WASSERSCHLEBEN. Sammlung deutscher Rechtsquellen, 1860. STOBBE, Beiträge zur Geschichte des deutschen Rechts (1865)

91—159.

638

Das Mittelalter.

Wichmann von 1188 von Bedeutung war, und einzelne Ratsstatuten. Um so bedeutender waren die an die Tochterstädte ergangenen Rechtsmitteilungen und die Oberhofsentscheidungen des Magdeburger Schöffenstuhls. Von den ersteren sind zu nennen: Rechtsmitteilung für Herzog Heinrich I. von Schlesien (1201—38), für Breslau (1261 und 1295), Culm (1338), Schweidnitz (1363) und Halle (1364); dazu die Rechtsmitteilung der Magdeburger Tochterstadt Halle für Neumarkt (1235). Privatarbeiten, aus deren Verbindung später das sogenannte s ä c h s i s c h e W e i c h b i l d r e c h t hervorgegangen ist, waren das „Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung" (Mitte des 13. Jahrhunderts), ursprünglich Art. 6 — 1 8 der Weichbildvulgata umfassend, dann durch Zusätze aus dem Sachsenspiegel und verschiedenen Magdeburger Rechtsaufzeichnungen vermehrt {Art. 1 — 5 , 1 9 — 2 7 , 2 8 — 4 1 ) 8 , und das Magdeburger „Schöffenrecht", das in verschiedenen, mehr oder weniger selbständigen Rezensionen vorliegt, aber auf einer in einem Breslauer Codex enthaltenen gemeinsamen Grundlage (zum Teil dem Magdeburg-Breslauer Rechte von 1261 entnommen) beruht 9 . Durch Verarbeitung des Schöffenrechtes mit dem erweiterten Rechtsbuche von der Gerichtsverfassung entstand die Vulgata des sächsischen Weichbildrechtes, das sich bald der größten Verbreitung erfreute, mit einer Glosse versehen und in das Polnische, Böhmische und Lateinische übersetzt wurde 10 . Die Weichbildglosse erfuhr eine Überarbeitung durch Nie. Wurm (S. 625), der außerdem als Vorarbeit zu seiner Blume des Sachsenspiegels eine „Blume von Magdeburg", und zwar hauptsächlich auf Grundlage des Sachsenspiegels, des Weichbildrechtes, des Richtsteiges und des römisch-kanonischen Rechtes, verfaßte 11 . Um seinem Werke eine größere Verbreitung zu geben, kleidete er es in die Form einer von den Magdeburger Schöffen ausgehenden Rechtsbelehrung. Mit dem Rechte von Magdeburg waren die meisten Städte Ostfalens, der Marken Brandenburg und Meißen, der Lausitz, Schlesiens, der preU; ßischen Ordenslande und des Königreichs Polen bewidmet. Es galt außerdem in Stettin (eine Zeit lang auch in Stargard in Pommern) und verschiedenen mährischen Städten, übte einen bedeutenden Einfluß auf die böhmisch-mährischen Stadtrechte überhaupt aus und bildete die Grund8

V g l . LABAND, R e c h t s q u e l l e n

32—69.

Vgl. ebd. 70—132. Zu den Verarbeitungen des Schöffenrechts gehört auch das sog. Magdeburg-Görlitzer Recht von 1304. Vgl. ebd. 133 ff. 9

10

V g l . STOBBE, I . 4 0 3

ff.

S T E F F E N H A G E N , Z e i t s c h r . f. R G : X I I .

1

ff.

BISCHOFF,

Beiträge z. Gesch. d. Magdeb. Rechts, Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. L. 1865. Die gereimte Vorrede des Weichbildrechts ist in Wirklichkeit ein Epilog zum Sachsenspiegel. WEILAND, i. d. N. Arch. d. Ges. f. ältere deutsche Gesch.-K. I. 205 f. macht es wahrscheinlich, daß derselbe von dem Verfasser des Rechtsbuches von der Gerichtsverfassung herrührt, der sein Werk samt jenem Epilog einem von Eike von Repgau selbst erworbenen Exemplare des Sachsenspiegels anhängte. Über die sog. Weichbildchronik vgl. -ebd. 201 ff. 11

A u s g . v . BÖHLAU,

1868.

§ 56.

Die Stadtrechte.

639

läge des im Anfange des 15. Jahrhunderts in deutscher Sprache verfaßten Ofener Rechtsbuches 12 . Dabei zeigte sich die eigentümliche Erscheinung, daß das magdeburgische Familiengüterrecht und das mit diesem zusammenhängende Erbrecht in vielen Städten Magdeburger Rechtes ausgeschlossen blieb 13 , teils weil die hauptsächlich aus Flandern und den Niederlanden stammende Einwohnerschaft der Städte des Kolonisationsgebietes in dieser Beziehung an ihrem angestammten Rechte festhielt, teils wohl auch weil die flämisch-niederländische Gütergemeinschaft den wirtschaftlichen Verhältnissen der Städte weit besser als das sächsisch-magdeburgische Geraderecht entsprach. Mit der Ausbreitung des Magdeburger Rechtes war zugleich die Stellung Magdeburgs als Oberhof gegeben. Fast -.3116 mit Magdeburger Recht bewidmeten Städte gingen in Magdeburg „zu Haupte". Dabei gab es wieder •eine Reihe von Tochterstädten Magdeburgs, die selbst als angesehene Oberhöfe ein engeres Gebiet beherrschten. Die hervorragendsten unter diesen Tochter-Oberhöfen waren die Schöffenstühle zu Breslau, Krakau 14 . Thorn, Culm, Halle, Leipzig, Dresden, Naumburg, Brandenburg 140 , Stendal 15 , Spandau, Neumarkt, Liegnitz, Ratibor, Schweidnitz, Olmütz, Lemberg. Yielfach wurden in diesen Städten Sammlungen von Magdeburger Oberhofsentscheidungen veranstaltet 16 , zum Teil unter Tilgung aller individuellen Beziehungen, so daß nur der präjudizielle Inhalt bestehen blieb. Solche Sammlungen sind namentlich im Laufe des 14. Jahrhunderts in Breslau und Krakau entstanden 17 . Eine systematische Sammlung war das um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfaßte Magdeburg-Breslauer systematische Schöffenrecht ls . Indem dasselbe später in Breslau und Preußen eine Reihe von Zusätzen, zum Teil aus dem Schwabenspiegel, erhielt und die Breslauer Beziehungen in solche auf Culm umgeändert wurden, entstand der sogenannte „alte Culm". Ebenfalls preußischen Ursprungs waren die Magdeburger Fragen (zwischen 1386 und 1400), eine systematische, zum Teil doktrinäre Verarbeitung des in den älteren Sammlungen enthaltenen Materials, das der Verfasser mehrfach durch selbsterfundene Rechtsfälle vermehrte 19 . Die Magdeburger 12

Ausg.

v . MICHNAY U. LICHNER,

1845.

18

V g l . SCHBÖDER, Geschichte des ehelichen Güterrechts II. 3 , 53 ff., 61—68, 80 ff., 135 ff., 360. v. MARTITZ, Ehel. Güterrecht 49 f., 320 ff. ROTH, Deutsch. Privatrecht II. 188. 14

V g l . BOBRZYNSKI, Zeitschr. f. R G . X I I . 219 ff.

n a V g ] g K L L o , Brandenburgische Stadtrechtsquellen, Mark. Forsch. XVIII. 1 ff. 15 Vgl. BEHBEND, Ein Stendaler Urtheilsbuch, 1868. 16

V g l . STOBBE, I . 2 7 8 ff., 4 2 1 ff.

17

Vier Breslauer Sammlungen aus einem Cod. Bregensis bei BÖHME, Diplom. Beiträge II. 2, 90 ff. Eine Krakauer Sammlung bei WASSEBSCHLEBEN, a. a. O. 80—120. 18

19

Ausgabe

v o n LABAND,

1863.

Ausgabe von BEHBEND, 1865. Vgl. Anm. 7. Außer der systematischen Rezension gibt es auch eine mit alphabetischer Ordnung und eine aus Krakau stammende ältere unsystematische Form.

640

Das Mittelalter.

Fragen erhielten die weiteste Verbreitung und wurden handschriftlich, vielfach dem Sachsenspiegel angehängt. Nächst dem Magdeburger Rechte stand das von L ü b e c k im höchsten Ansehen. Die Stadt war von ihrem Gründer, Herzog Heinrich dem Löwen, mit Rücksicht auf die westfälische Herkunft der Kolonisten in und um Lübeck mit dem Rechte von Soest bewidmet worden 20 . Die Thatsache unterliegt keinem Zweifel, obwohl die Stiftungsurkunde verloren gegangen ist 2 1 . Bestätigt und zum Teil erheblich erweitert wurden die Freiheiten der Stadt durch die Privilegien Friedrichs I. von 1188 und Friedrichs IL. von 1226. Die älteste Gestalt des lübischen Stadtrechts 22 ist in einem Fragment von 1226—27 überliefert, daran schließt sich der Text einer Breslauer Handschrift aus der Zeit von 1227—1243, der noch eines über Lübeck stehenden Oberhofes (jedenfalls Soest) gedenkt. Andere Texte wurden 1243 für Tondern, 1257 für Reval und 1263 für Danzig ausgefertigt 23 . Während diese Texte sämtlich lateinisch sind, gehen die deutschen Rezensionen auf eine zwischen 1263 und 1267 für Elbing ausgefertigte Handschrift zurück. Eine die inzwischen ergangenen Novellen einreihende Neuredaktion fand 1294 statt. Gegen Ende des Mittelalters wurde das Lübecker Stadtrecht regelmäßig mit dem Hamburger von 1270 verbunden, endlich mit diesem zu einem Ganzen verarbeitet. Lübeck war Öberhof für Tondern, die meisten holsteinischen Städte, Rostock, Wismar und zahlreiche andere mecklenburgische Städte 24 , für die pomnierischen Städte mit Ausnahme Stettins, ferner für Elbing, Braunsberg, Frauenburg, Heia, Memel (wo es aber im späteren Mittelalter mit dem MagdeburgCulmischen Rechte vertauscht wurde), Reval, Narva und Wesenberg 26 . Seit 1295 wurde Lübeck an Stelle Wisbys Oberhof für den deutschen Kaufmann in Nowgorod, auch bildete das lübische Recht die Hauptgrundlage 20 Vgl. NITZSCH , Übertragung des Soester Rechts auf Lübeck, Hans. Gesch.-Bl. X. 1 ff.. Arnoldi. chron, Slavorum II. c. 21 (MG. Script. XXI. 141). Vgl. Helmoldi chron. Slav. I. c. 57 (ebd. 56). 21 Das angebliche Privileg Heinrichs von 1163 in deutscher Sprache ist ein Ratsstatut aus dem Ende des 1 4 . Jahrhunderts. Vgl. FRENSDORFS, Hans. Gesch.-Bl. VI. 1 3 8 ff. 22 Vgl. FRENSDORFF, Das lübische Recht und seine ältesten Formen, 1883. Eine kritische Ausgabe wird von FRENSDORFF vorbereitet. 28 Danzig lebte, obwohl es sich eine Handschrift des lübischen Rechtes kommen ließ, nach dem Rechte von Magdeburg. 24 Vgl. B Ü H L A U , Mecklenb. Landrecht I. 30 ff., 66 ff., 75, 78. Besondere Kreise bildeten in Mecklenburg die mit S c h w e r i n e r und P a r c h i m e r Recht bewidmeten Städte. Vgl. BÖHL AU, ebd. I. 26, 32 f., 65 f., 69. Zeitschr. f. RG. IX. 261 ff. HoMEYER, Historiae iuris Pomeranici capita quaedam (Berl. Inaug.-Diss. 1821) 30 ff. Die Städte des Landes Stargard (Mecklenburg-Strelitz), wo märkisches Recht galt, waren teils mit dem Rechte von Stendal, teils mit dem von Brandenburg bewidmet, gingen also in Magdeburg zu Haupte. Vgl. BÜHLAU, Meckl. Landr. I. 70. 25 Vgl. M I C H E L S E N , Der Oberhof zu Lübeck, 1 8 F 9 . STEFFENHAGEN, Deutsche Rechtsquellen in Preußen 230 ff. Entscheidungen für Elbing bei STOBBE, Beiträge z. Gesch. d. deutsch. Rechts 160 ff.

§ 56.

641

Die Stadtrechte. 26

der zweiten Nowgoroder Skra von 1296 . Ebenso beruhte das Stadtrecht von I i i p e n von 1269 hauptsächlich auf dem lübischen Rechte, obwohl die »Stadt im übrigen dem dänischen Rechtskreise angehörte 27 . Das H a m b u r g e r Recht, 1270 auf Grund des lübischen Rechts und des Sachsenspiegels in deutscher Sprache verfaßt (das sog. Ordelbok) und 1292 revidiert (dem Jahre 1292 gehörte auch das Hamburger Schiffsrecht au),' galt auch in Stade und einigen kleineren Nachbarstädten, namentlich aber in R i g a , durch dessen Yermittelung es in sämtlichen kur-, livund estländischen Städten, soweit sie nicht nach Lübeck gehörten, zur Geltung gelangte 28 . Eine Oberhofsthätigkeit scheint Hamburg nicht geübt zu haben. Gewisse Bestimmungen des H a m b u r g e r R e c h t e s waren auch in das Stadtrecht von B r e m e n (von 1304—1305, 1428, 1433), das zugleich in Oldenburg und Verden galt, übergegangen 29 . Ein ausführliches Stadtrecht von 1401 besaß L ü n e b u r g , mit dessen Recht verschiedene Städte in der Umgebung bewidmet waren. H i l d e s h e i m hatte ein lateinisches Stadtrecht aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und ein 176 Artikel zählendes, um 1300 entstandenes deutsches Stadtrecht 30 . Das B r a u n s c h w e i g e r S t a d t r e c h t 3 d a s auch in Celle, Einbeck und Duderstadt Geltung hatte, wurde zuerst 1227 in lateinischer Fassung aufgezeichnet, dagegen ist das demselben Jahre zugeschriebene deutsche 26 Vgl. S. 608. FRENSDORFF, Statutarrecht der deutsch. Kaufi. in Nowgorod (Abh. d. Gött. Ges. d. W. XXXIII. XXXIV. 1887). Die dritte Skra (um 1325) beruhte wesentlich auf der zweiten. Aus der zweiten Skra schöpften die umgearbeiteten Statuten von Riga (Anfang des 14. Jh.). 27 Vgl. HASSE, Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883. PAPPENHEIM, Krit. Viertelj.-Schr. NF. VII. 579 ff. FRENSDORFF, Hans. Gesch.-Bl. XII. 89'ff. Der letztere macht auf die bemerkenswerte Thatsache aufmerksam, daß Ripen das lübische Familiengüter- und Erbrecht ausgeschlossen hat, was sonst, im Gegensatze zu den Städten des magdeburgischen Rechtes, in dem Bereiche des lübischen Rechtes nicht vorkam. Im Gegenteil wurde das lübische Familiengüterrecht zuweilen selbst an Orten, wo im übrigen kein lübisches Recht galt, rezipiert. Vgl. a. a. 0. 104. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterr. II. 3, 35. 28 Vgl. NAPIEBSKY, Quellen des rigischen Stadtrechts, 1876. BUNGE, Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849. FRENSDORFF, Hans. Geseh.Bl. V. 177 ff. Die älteste Rigaer Rechtsaufzeichnüng erfolgte zwischen 1227 und 1238 für Reval, das später in Lübeck zu Haupte ging, sodann bald nach 1279 (erneuert 1294) für Hapsal. Während bis dahin nur eine innere Verwandtschaft mit dem Hamburger Rechte hervortritt, erfolgte zwischen 1279 und 1285 die vollständige Rezeption des letzteren. Eine Umarbeitung des Hamburg-Rigischen Rechts, zum Teil auf Grund der 2. Nowgoroder Skra, fand im Anfange des 14. Jh. statt. Vgl. Anm. 26. Eine letzte Überarbeitung, bei der zum Teil auch auf das RigaHapsaler Recht zurückgegangen wurde, gehört der Mitte des 14. Jh. an; sie wurde früher irrtümlich dem Jahre 1542 zugeschrieben. 89 Die Privilegien von 1111, 1252 und 1396 sind Fälschungen aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Vgl. LINDNER und v. BIPPEN, Brem. Jahrbuch XIII. 1886. 30 Beide Stadtrechte bei DÖBNER, Urk.-B. d. St. Hildesheim I. (1881) Nr. 209, 548. Vgl. FRENSDORFF, Gött. gel. Anz. 1883, S. 328 ff. 31 Ausg. von HÄNSELMANN, i. d. Urk.-B. d. St. Braunschweig, I. 1862. Vgl. FRENSDORFF, Gött. gel. Anz. 1862, S. 785 ff.

Ii. SCHHÖDUK Deutsche Rechtegeschichte.

41

G42

Das Mittelalter.

sogenannte ottonische Stadtrecht zwischen 1250 und 1279 zu setzen 3 2 ; ein sehr ausführliches Stadtrecht kam 1401 zustande, das dann im Laufe des 15. Jahrhunderts noch durch verschiedene Zusätze vermehrt wurde. Eine eigentümliche Stellung unter den ostfälischen Städten nahm G o s l a r ein 3 3 , indem es, jedenfalls infolge der fränkisch-thüringischen Abstammung seiner bergmännischen Bevölkerung, ebenso wie die meisten übrigen Harzstädte in seinem Familiengüterrecht durchaus fränkisch - thüringischen Charakter zeigte 34 . Das Goslarer Stadtrecht, das Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts aufgezeichnet wurde, galt in Wernigerode, Halberstadt, mittelbar auch in Aschersleben, Osterwik und Groningen und zum Teil in Quedlinburg. Besonders charakteristisch ist es aber, daß Goslar nicht bloß Oberhof für Aschersleben und Halberstadt, sondern auch für Altenburg und N o r d h a u s e n war 3 5 , das selbst wieder unter den thüringischen Städten die bedeutendste Oberhofstellung einnahm 3 6 . Neben Nordhausen kam hier besonders E i s e n a c h als der Oberhof für sämtliche Städte des Landgrafen von Thüringen in Betracht 3 7 . Unter den westfälischen Städten nahmen Soest und Dortmund die erste Stelle ein. Das D o r t m u n d e r Stadtrecht 3 8 beruhte auf den Privilegien Friedrichs II. von 1220 und Ludwigs des Baiern von 1332 und 1340. Die älteste Stadtrechtsaufzeichnung entstand bald nach 1250, und zwar als Rechtsmitteilung für die Tochterstädte, namentlich Hemel (Neudortmund), wo aber sehr bald das lübische Recht eingeführt wurde, und Höxter. Dem ersten lateinischen Stadtrechte wurden in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts verschiedene Novellen in deutscher Sprache an3 2 Vgl. FRENSDORF*1, Hans. Gesch.-BL. VI. 117ff. Derselbe weist nach, daß die sog. J u r a Indaginis nicht bloß dem Weichbilde Hagen, sondern der ganzen Stadt angehörten. 3 3 Vgl. GÖSCHEN, Goslarische Statuten, 1840. ORTLOFF, Samml. deutsch. R.-Qu.

I . p g . X X I I I sq.

HXNEL. Z e i t s c h r . f. R G . I . 2 7 4 f.

KRAUT, G r u n d r i ß S .

29.

Vgl. HÄNEL, Die eheliche Gütergemeinschaft in Ostfalen. Zeitschr.-f. RG/ I. • 273 ff. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterr. I I . 3, 69 ff.. 187 ff., 299. 3 6 Goslarer Oberhofsentscheidungen bei BRUNS, Beiträge z. d. deutsch. Rechten 178 ff. FÖRSTEMANN, N. Mitteil. a. d. Geb. hist. antiqu. Forsch. I . 3. 13 ff. und bei HOLZMANN, Hercynisehes Archiv ] . 3 , 441 ff. Über Altenburg vgl. GAUPP. Stadtr. I. 205 ff. 3 6 Die Stadtreclitsquellen von Nordhausen bei FÖRSTEMANN, Die alten Gesetze der Stadt Nordhausen, 1836; Die Gesetzsammlungen der Stadt Noithausen im 15. und 16. J h . , 1843 (Abdrücke a. d. N. Mitteil. d. thür.-sächs. Vereins III. V—VII). Nordhäuser Entscheidungen bei FÖRSTEMANN, N. Mitteil. a. d. Geb. hist.-antiqu. Forsch. 34

I. 3, 13 ff. Unter den Städten, die in Nordhausen zu Haupte gingen, ragte besonders M ü h l h a u s e n durch sein um 1250 verfaßtes wertvolles deutsches Stadtrecht hervor. Beste Ausgabe bei HERQUET, Urk.-B. von Mühlhausen (1874) 607 ff. 37

Vgl.

GENGLER,

Stadtr.

100ff.

GAUPP,

Stadtr.

I.

195ff.

ORTLOFF,

Samml.

deutscher Rechtsquellen I. pg. L I I . sqq. Von den Tochterstädten Eisenachs war G o t h a die bedeutendste. Vgl. ORTLOFF, Sammlung deutscher Rechtsquellen I I . 3 1 9 — 3 7 7 . Andere thüringische Stadtrechte in den Anm. 1 angeführten Werken von MICHELBEN u n d W A L C H . 98

Vgl. a u c h

A u s g . v o n :FRENSDORFF,

1882.

KIRCHHOF, E r f u r t e r W e i s t u m e r ,

1870.

§ r>6.

643

Die Stadtrechte.

gehängt, bis das große Stadtbuch angelegt wurde, in das während des 14. und 15. Jahrhunderts alle Statuten ohne bestimmte Ordnung eingetragen wurden. Das in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts entstandene Urteilsbuch enthielt Dortmunder Oberhofsentscheidungen und Weistümer, die wohl sämtlich für Wesel bestimmt waren. Denn Dortmund war nicht nur Oberhof für die meisten westfälischen Städte (Höxter, Paderborn, Minden, Osnabrück, Lüdenscheid, Schwerte, Essen, Dorsten), sondern auch für Wesel, das selbst wieder Oberhof für verschiedene kleinere rlieinfränkische Städte war. Das Dortmunder Familiengüterrecht war nicht mehr das altwestfälische, sondern hatte ganz den flämisch -niederfränkischen Charakter angenommen, worin es sich mit Hamburg und Riga, die unter Dortmunder Einfluß gestanden zu haben scheinen, bis zu einem gewissen Grade auch mit Bremen berührte 3 ". Dagegen hat S o e s t , dessen Recht durch seine Übertragung auf Lübeck zu weltgeschichtlicher Bedeutung gelangte, an dem Grundgedanken des altwestfälischen Familiengüterrechtes, der Unterscheidung zwischen beerbter und unbeerbter Ehe, streng festgehalten 40 . Während die Oberhofstellung der Mutterstadt dem Haupte der Hanse gegenüber schon früh in Wegfall kommen mußte 41 , blieb Soest, der Oberhof zahlreicher westfälischer Städte 42 , unter denen insbesondere Rüden, Attendorn und Lippstadt selbst wieder Oberhofstellung in engeren Kreisen einnahmen 43 . Eine durchaus selbständige Gruppe bildeten die im 13. Jahrhundert auf Grundlage des jütischen Low entstandenen Stadtrechte von S c h l e s w i g , F l e n s b u r g , A p e n r a d e und H a d e r s l e b e n 4 4 , die übrigens in ihrem Familiengüterrecht eine gewisse Verwandtschaft mit Hamburg zeigen. Außerordentliche Fortschritte auf dem Gebiete der Quellenpublikationen sind in neuester Zeit seitens der Niederländer gemacht. Es ist dies um so dankenswerter, als die eigentümliche Verbindung salischer, chamavischer und friesischer Elemente den holländischen Rechtsquellen 39 Vgl. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güten-, II. 8, 303, 312 f. pg. CLXXIVsq. 4U

V g l . SCHRÖDER, a . a . 0 .

II. 3. 119

ff.

41

Vgl. S.

FRENSDORFF. a. a. 0 . 640.

42

Soester ßechtsbelehruDgen bei. WIGAND, Westfäl. Arch. VII. 1, 57 ff. Das älteste Soester Stadtrecht wurde in der 2. Hälfte des 12. Jh. in lateinischer Sprache aufgezeichnet, eine neue Redaktion entstand Mitte des 13. Jh.. eine niederdeutsche Bearbeitung (auch Schrae) aus dem 14. Jh. wurde bis zum 15. Jh. durch Zusätze vermehrt. Vgl. Forsch, z. deutsch. Gesch. VII. 620 ff. 43 Wie sich Dortmunds Oberhofstellung auch auf rheinfränkische Städte erstreckte, so griff Soest in das hessische Gebiet über, indem S i e g e n , obwohl eine Stadt mit hessischer Bevölkerung. Soester Recht hatte. Vgl. ACHENBACH, De veteri civium Siegenensium statuto, Bonn. Inaug.-Diss. 1855. Inhaltlich stimmte das Stadtrecht von M ü n s t e r mit dem von Soest überein, während Minden, das in Soest zu Haupte gegangen sein soll, mit Hannover, Hildesheim, Hameln und Münden in betreff des ehelichen Güterrechts eine eigene Gruppe bildete. 44 Ausg. von THORSEN, Die dem jütischen Low verwandten Stadtrechte, 1855. Vgl. FALCK, Schlesw.-holst. Privatrecht I. 375 ff. HASSE, Das schleswigsche Stadtrecht, 1880.

41*

644

Das Mittelalter.

ein besonderes Interesse verleiht. Zahlreich sind die Stadtiechte aus dem chamavischen Gebiete (Gelderland, Overijssel)45. An diese reiht sich das Stadtbuch von G r o n i n g e n von 142 5 46. Die älteste Stadtrechtsaufzeichnung für Friesland ist das Privileg Heinrichs V. von 1108 für S t a veren 4 7 . Dem 15. Jahrhundert gehören die vielfach untereinander verwandten Stadtrechte von Franeker, Bolsward, Sneek, Leeuwarden und Staveren an 48 . Unter den w e s t f r i e s i s c h e n Stadtrechten ist das vön M e d e m b l i k von 1289, in lateinischer Sprache, das älteste 49 . Ebenfalls dem friesischen Gebiete gehören die Stadtrechte des K e n n e m e r l a n d e s , sowie die s e e l ä n d i s c h e n Stadtrechte oder Keuren, sämtlich noch aus dem 13. Jahrhundert, an 60 , während die beiden Stadtrechte von G e e r t r u i d e n b e r g in Nordbrabant (1213 und 1275) salfränkisch sind 61 . Das größte Interesse erregen die Stadtrechte aus den Provinzen Utrecht und Südholland, weil sich hier in bemerkenswertester Weise salisches und friesisches Recht miteinander vermischt hatten. Eine ansehnliche Reihe von Rechtsbüchern aus dem 14. und 15. Jahrhundert besaß die Stadt U t r e c h t : den Liber albus, Liber hirsutus, das rote Buch, die Roese, das Schöffenbuch (eine Sammlung von Urteilen) und das Schöffenrecht von 145 6 62. Aus Südholland ist zunächst das wertvolle Rechtsbuch von B r i e l l e (van den Briel), zu Anfang des 15. Jahrhunderts von dem Stadtschreiber Jan Matthijssen verfaßt, hervorzuheben 63 , ferner die verschiedenen Rechtsaufzeichnungen von Leiden 6 4 , die Stadtrechte von D e l f t (1246), G r a v e z a n d e (1246) und S c h i e d a m (1275)66, die beiden letzteren in deutscher Sprache. Von besonderem Werte ist sodann eine neuerdings erschienene Ausgabe der D o r d r e c h t e r Rechtsquellen, welche 45 Wir heben hervor: Z u t p h e n (Ausg. v. PIJNACKER-HORDIJK, 1881), bei dem zahlreiche Städte'Geldern« zu Haupte gingen, ferner die Z u t p h e n - E m i n e r i c l i e r Rechtsmitteilungen, Zeitschr. f. EG. X. 189 ff., 194 ff., 222 f.), / w o l l e (Ausg. v. DOZY, Groninger Inaug.-Diss. 1867), K a m p e n (Overijsselsche stad-, dijk- eh markeregten I. 1. 1875), G o o r (ebd. I. 3. 1883), H a s s e l t (ebd. I. 4. 1883), V o l l e n h o v e (her. v. FOCKKMA-ANDREAE, ebd. I. 5. 6. 1885), O o t m a r s u m und Ü m i n e n (her. v.

A. TELTING, e b d . I . 7. 8. 1887). 46 Ausg. V. A. TELTING, 1886. Eiu jüngeres Stadtbuch von 1446 her. v. d. Gesellschaft pro excolendo iure patrio, ohne Jahreszahl. 47

WAITZ, U r k u n d e n N r . 9 (17).

48

Ausg. v. A. TELTING, De friesche stadrechten, 1883. Vgl. Zeitschr. f. EG. XIX. 232 ff. , 4 9 POLS, Westfriesche stadtrechten, 2 Bde., 1885—88. Das Stadtrecht von Medemblik auch bei v. D. BERGH, Oorkondenb. van Holland en Zeeland II. 289. 50 Sämtlich bei v. D. BERGH, a. a. < >., und zwar I. 219, 316 und II. 478 die Rechte von H a a r l e m , A l k m a a r und B e v e r w i . j k . I. 150, 310, 16c, 164, 245, die von M i d d e l b u r g (1217 und 1254, letzteres deutsch), W e s t k a p p e l (1223), l i o m b u r g (1223) und Z i e r i k z e e (1248, deutsch). 61

v . D. B E R G H , I . 1 3 8 . I I .

62

123.

Ausg.

v . MÜLLER, 2 B d e . ,

1883.

83

Ausg. von

54

BLOK, Leidsche rechtsbronnen, 1884. HAMAKER, Keurboeken van Leiden, 1873.

56

v . D. B E R G H , a . a . (>. I . 2 2 6 , 2 3 0 . I I .

FKUIN u n d POLS,

1880. 125.

§ 56.

Die Stadtrechte.

645

außer dem „Keurboek" von 1401 und zahlreichen Einzelstatuten eine höchst schätzenswerte Sammlung gerichtlicher Entscheidungen enthält 6 6 . Unter den rheinischen Städten zeichnete sich A a c h e n durch eine sehr bedeutende Oberhofsthätigkeit, sie sich bis tief in Belgien hinein erstreckte, aus 57 . Oberhof der clevischen Städte war C l e v e , das sein Recht selbst von C a l k a r empfangen hatte 5 8 . Auf das Recht der K ö l n e r Kaufleute wurde, wie dies auch in betreff Magdeburgs, Goslars und anderer Städte geschah (S. 596), im 12. Jahrhundert vielfach in Städteprivilegien, namentlich in denen der Zähringer, als Muster verwiesen, und man hat deshalb schon im Mittelalter irrtümlicherweise angenommen, daß die zähringischen Städte mit dem Kölner Stadtrecht bewidmet worden seien; erst neuere Untersuchungen haben ergeben, daß dies nicht der Fall gewesen ist 59 . In Wahrheit hatte das Kölner Recht nur eine sehr geringe Verbreitung, und auch die eigenen Rechtsaufzeichnungen standen in keinem Verhältnisse zu der Bedeutung der Stadt 6 0 . Möglich, daß die ausgedehnte Wirksamkeit von Aachen, Cleve, Dortmund, rheinaufwärts aber die Oberhöfe von Ingelheim und Eltvill (S. 635) und ganz besonders der F r a n k f u r t e r Oberhof einer größeren Entwickelung auf kölnischer Seite im Wege gestanden haben 6 1 . In den Mosellanden diente das Recht von B e a u m o n t von 1182 (S. 434) zahlreichen Städten als Muster; von einer damit zusammenhängenden Oberhofstellung ist nichts bekannt. Von anderen fränkischen Stadtrechten ist nur noch das von B a m b e r g zu nennen, das 1306 abgefaßt und um die Mitte des 14. Jahrhunderts durch Zusätze vermehrt wurde 62 . Andere Städte scheinen mit Bamberger Recht nicht bewidmet gewesen zu sein. Ungemein reich an Rechtsquellen war S t r a ß b u r g . Das älteste Stadtrecht wurde nach 1129, das zweite um 1200, das dritte zwischen 54

Ausg. v. FRUIN, 2 Bde., 1882.

Ein Privileg des Königs Wilhelm vor. 1252

bei v . D. BBRQH, I . 2 9 2 . 57 Vgl. LOEBSCH, Aachener Rechtsdenkmäler, 1871; Über den Aachener Schöffenstuhl als Oberhof, bei HAAGEN, Geschichte Aachens L (1873) 347—81; Ein verschollenes Aachener Stadtrechtsbuch, Annal. d. histor. Ver. f. d. Niederrh. XXXII. 109 ff. 58 YG] SCHRÖDER, Mitteilungen über clevische Rechtsquellen, Zeitschr. f. RG. IX. 421 ff. X. 188 ff.; Liber sententiarum Cliviensis, Bonn. Univ.-Progr. 1870. BLUHME, SCHRÖDER, LOERSCH, Drei Abhandlungen z. Gesch. d. deutsch. Rechts (1871) 19 ff. s9 Vgl. Anm. 68. 60 Der angebliche Kölner Schied von 1169 ist eine Fälschung von 1226, ebenso wie das Wormser Privileg von 1156 eine Fälschung aus der Zeit von 1198—1208. Vgl. STUMPF, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. XXXII. 603 ff. 61 Vgl. THOMAS, Der Oberhof zu Frankfurt, her. v. EULER, 1841. Das daselbst S. 119—162 aufgestellte Verzeichnis nennt 290 Orte als mit Frankfurter Recht bewidmet. Muß man davon auch manche abziehen, die bloß Marktrecht nach Frankfurter Muster besaßen, so bleiben immer noch gegen 200 übrig, die in Frankfurt zu Haupte gingen. Davon waren Eltvill, Friedberg, Gelnhausen, Heilbronn, Oppenheim, Wetzlar und Wimpfen selbst wieder Oberhöfe für engere Kreise. Gegen die Ansicht, daß hannoverisch Münden in Friedberg zu Haupte gegangen sei, vgl. EULER, i. d. Mitteil. d. Ver. f. Frankf. Gesch. VII. Nr. 6. 9a

Ausgabe von ZÖPFL, 1839.

646

Das Mittelalter.

1245 und 1260 aufgezeichnet. Von den deutschen Stadtrechten entstand das erste 1270 und wurde dann noch bis 1282 erweitert; das zweite war eine von 1300—1322 reichende Statutensammlung; das dritte deutsche Stadtrecht wurde 1322 verfaßt und 1441 einer Revision unterworfen; seine Bestimmungen sind im wesentlichen bis zum Untergänge der reichsstädtischeri Freiheit in Geltung gehlieben63. Trotz der reichen Entwickelung seines Stadtrechts hat Straßburg auf andere Städte keinen unmittelbaren Einfluß gehabt. Dasselbe galt von Augsburg und Basel. Das A u g s b u r g e r Stadtrecht ging auf ein Privileg Heinrichs IV. von 1104, das 1156 von Friedrich I. erneuert war, zurück 64 . Die Stadtrechtsredaktion erfolgte zwischen 1276 und 1281 durch eine vom Rate eingesetzte Kommission, und zwar mit ausdrücklicher Genehmigung Rudolfs I. Das Stadtrecht ist in deutscher Sprache verfaßt und ausgezeichnet durch seine Reichhaltigkeit. Vielfach tritt eine enge Verwandtschaft mit dem Schwabenspiegel hervor, die vielleicht auf die gemeinsame Benutzung einer älteren Augsburger Rechtsaufzeichnung zurückzuführen ist (vgl. S. 629). Im Laufe der Zeit wurde das Stadtrecht durch zahlreiche, an den verschiedensten Stellen eingeschobene Novellen erweitert. Unter den B a s e l e r Stadtrechtsquellen 86 nimmt das deutsche Bischofs- und Dienstmannenrecht, das nach 1250, vielleicht zwischen 1260 und 1262 auf Anlaß des Koadjutors Heinrich von Neuenburg, aufgezeichnet wurde 66 , die erste Stelle ein. Daran schließt sich der erste Stadtfriede Rudolfs I. von 1286, der zweite von 1342—65 (der sog. Einungsbrief) und die umfangreiche Gerichtsordnung von 1457. Dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts gehört das Stadtrecht von L u z e r n an 9 7 . Das bedeutendste Mutterrecht am Oberrhein war das Stadtrecht von F r e i b u r g im B r e i s g a u 6 8 . Die Stadt war 1120 von den Herzögen Berthold III. und Konrad von Zähringen gegründet. Die nur in einer Abschrift von 1341 überlieferte Stadtrechtsurkunde zeigt bereits eine erweiterte Fassung von 55 Artikeln, deren ursprüngliche Bestandteile nur durch Vergleich mit dem Freiburger Stadtrodel und den Tochterrechten 63

Die drei ersten Stadtrechte herausgegeben von WIEGAN n, Urk.-B. d. St. Straß-

burg I. (1879) 4 6 7 — 7 6 , ebd.

IV.

2.

(1888)

S.

4 7 ^ ff., 4 8 2 ff., d i e 3

ff.,

drei

1 5 ff., 4 7 — 1 8 5 .

letzten

Zahlreiche

v o n SCHULTE u n d

WOLFRAM,

Rechtsaufzeichnungen

und

Weistümer über Einzelheiten ebd. 189 ff. 64 Ausg. von CHB. MEYEB, 1872. Über die Privilegien von 1104 u n d 1156 vgK STUMPF, K a i s e r u r k u n d e n , 65

Regest

2968,

8747.

Rechtsquellen von Basel, I. 1856. 66 Ausg. von WACKEBNAGEL, 1852, und Rechtsqu. I. 6 ff., w o dasselbe um 1270 g e s e t z t wird. " Ausg. von SEGESSER, 1855. Von selbständigen schweizerischen Stadtrechten sind noch anzuführen der S c h a f f h a u s e r Richtebrief von 1291 (her. v. J. MEYER, 1857) und der Z ü r i c h e r Richtebrief (14. Jli.), i. d. Helvet. Bibliothek 11. 1735. 68 V g l . H. MAUBER, Kritische U n t e r s u c h u n g der ältesten Verfassungsurkunden der Stadt Freiburg i. B., Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins N P . I. 170 ff. Durch diese ausgezeichnete U n t e r s u c h u n g sind die meisten früheren Arbeiten über das Frei-

§ 56. Die Stadtrechte.

647

69

festgestellt werden können . Den Kern bildet das u m 1 1 4 0 (nicht 1120, wie gewöhnlich angenommen wird) erlassene Privileg des Herzogs Konrad (Art. 1 — 1 5 und der Schlußsatz), das noch in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts uni die Art. 1 6 — 4 9 vermehrt wurde. In dieser Gestalt diente das Stadtrecht dem sogenannten Stadtrodel, der wahrscheinlich unter Herzog Berthold V. bei der Übertragung des Freiburger Rechtes auf Bern ( 1 1 8 7 — 9 0 ) aufgezeichnet wurde, als Grundlage 7 0 , dagegen ergeben sich die von dem Rodel noch nicht benutzten Art. 5 0 — 5 5 als jüngere Zusätze. Ein deutsches Stadtrecht, dessen Grundlage eine 1275 entstandene Bearbeitung des Stadtrodels bildete, kam 1 2 9 8 unter Graf Egon von Freiburg zustande 7 1 . Die letzte Stadtrechtsredaktion erfolgte 1368 unter den Herzögen Albrecht und Leopold von Österreich 7 2 . Auf das Freiburger Stadtrecht gingen, direkt oder indirekt, die meisten oberrheinischen und schweizerischen Stadtrechte zurück 7 3 . Die bedeutendsten Tochterrechte, die ihrerseits wieder Mutterrechte für ausgedehnte Gebiete wurden, waren die Stadtrechte von B e r n 7 4 , M u r t e n 7 5 , F r e i b u r g i m Ü c h t l a n d e ( 1 2 4 9 ) 7 6 und C o l m a r (1278, 129 3) 77 . Alle diese Städte entwickelten eine bedeutende Oberhofsteilung. In Freiburg i. Br. gingen noch nach einer Urkunde von 1403 über 3 0 Städte und Dörfer, burgev Stadtrecht antiquiert. Über das Verhältnis Freiburgs zu Kolli vgl. S. 645 und HUBER, Das kölnische Recht in den zähringischeu St&dten. 1881 (auch i. d. Zeitsehr. f. Schweiz. R. XXII.). Siehe auch HEGEL, Städteverfassung Italiens IL. 407 und i. d. Kieler Monatsschrift 1854, S. 703 ff. WAITZ, VG. VII. 405 f. 69 Vgl. die kritische Ausgabe bei MAURER, a. a. (>. 193 ff. 70 Abgedruckt bei GAUI-P, Stadtr. II. 28 ff. 11 SCHREIBER, Urk.-B. . II. 1. $ 23) entbehren der Bestimmtheit und Klarheit.

686

Das Mittelalter.

Die M o b i l i a r - und E r r u n g e n s c h a f t s g e m e i n s c h a f t war das .vorherrschende System des fränkischen Rechts 136 , das auch in Thüringen und den sächsischen Harzstädten, sowie in dem größten Theile Schwabens, Baiems und Österreichs rezipiert wurde. Während hier zwischen kinderloser und bekindeter Ehe nicht unterschieden wurde, kannte das friesische Recht die Mobiliar- und Errungenschaftsgemeinschaft nur bei bekindeter Ehe, der aber einzelne Rechte die überjährige kinderlose Ehe gleichstellten 137 . Die Yerfügungsrechte der Frau waren dieselben wie bei der Verwaltungsgemeinschaft. Der Mann hatte die freie Verfügung über die fahrende Habe, während über Liegenschaften, auch wenn sie Sondergut des Mannes waren, nur mit gesamter Hand verfügt werden konnte 13 ". Samtgutsschulden waren alle Schulden des Mannes und diejenigen Schulden der Frau, die entweder vor der Ehe oder mit Genehmigung des Mannes oder innerhalb der gesetzlichen Zuständigkeit der Frau während der Ehe entstanden waren. Der Mann haftete für die Samtgutsschulden zugleich persönlich, während die Frau, wenn sie den Mann überlebte, sich durch Verzicht auf das Samtgut von der weiteren Haftung für die nicht von ihr herrührenden Schulden befreien konnte 139 . Bei Auflösung einer kinderlosen Ehe wurde das Sondergut des verstorbenen Ehegatten hinterfällig, das Samtgut aber entweder in altfränkischer Weise nach Schwert- und Spindelteil (S. 305) oder halb und halb geteilt. Die meisten Rechte gewährten aber dem überlebenden Ehegatten die gesetzliche Leibzucht an den Sondergütern und dem Errungenschaftsanteile und volles Erbrecht an dem Fahrnisanteile des Verstorbenen. Manche Rechte gingen noch weiter, indem sie auch den Errungenschaftsanteil des letzteren ganz auf den überlebenden Ehegatten übergehen ließen, so daß dieser Eigentümer des ganzen Samtgutes wurde. 136 Über die altfränkische Errungenschaftsgemeinschaft vgl. S. 305 f. ' >" Vgl. Gesch. a. ehel. Güterr. II. 3, 390 ff. Das friesische Recht Ist zweifellos• von denselben Grundlagen wie das angelsächsische und altwestfälische Recht (S. 301 f.) ausgegangen. Das Landrecht der chamavischen D r e n t h e hatte bei kinderloser Ehe Mobiliar- und Errungenschafts-, bei bekindeter allgemeine Gütergemeinschaft. Vgl.

LOERSCH U. SCHRÖDER, K r . 2 9 8 , 3 4 5 .

PELINCK, a . a . O . 5 8 ff., 80 ff.

In D i t m a r s c h e n

galt in jeder Ehe Gemeinschaft des „Baugutes", d. h. der fahrenden Habe mit Ausnahme des Heergewätes und der Gerade; wahrscheinlich wurde auch die Immobiliarerrungenschaf't zum Baugute gerechnet. Das ditmarsische Recht stand unter dem Einflüsse des jütischen Low, ging aber im späteren Mittelalter zur Verwaltungsgemeinschaft über. Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 3, 407 if. LAS Vgl. S. 309. Ob bei gemeinschaftlichen Verfügungen der Ehegatten auch die Kinder zugezogen werden mußten, richtete sich ganz nach der größeren oder geringeren Strenge der Erbenwarterechts. Teilweise hat die letztere gerade gegenüber den Gesamthandverfügungen der Ehegatten zuerst nachgelassen, indem man die Interessen der Kinder durch das gemeinschaftliche Handeln der Eltern genügend gesichert glaubte. Vgl. S. 673. Gesch. d. ehel. Güterrechts II. 1, 127 ff. 2, 31 ff. 3, 2 3 3 f. 139 Das sogenannte Schlüssel- oder Mantelrecht der Witwe. Vgl. a. a. O. II. 1, 2 3 1 f. 2, 166 f. 3, 291.

§61.

Das Privatrecht.

687

Während das friesische Recht nur bei beerbter Ehe den angegebenen Prinzipien folgte, wurde das friinkisch-thüringisch-süddeutsclie System, abgesehen von wenigen Ausnahmen, im Falle der beerbten Ehe von den Grundsätzen des V e r f a n g e n s c l i a f t s r e c h t s beherrscht 1 4 0 . Hiernach zeriiel das gesamte Vermögen der Ehegatten, ohne Rücksicht auf seine Herkunft, in zwei Massen, die freien Güter und die verfangenen Güter. Die freien Güter umfaßten das bewegliche Vermögen und alles, was der überlebende Ehegatte nach Auflösung der Ehe erwarb; dagegen war das gesamte unbewegliche Vermögen, das die Ehegatten bis zu diesem Augeilblicke besessen hatten, Samtgut wie Sondergüter, den Kindern verfangen. Die freien Güter waren Eigentum des überlebenden Ehegatten, die verfangenen Güter dagegen Eigentum der Kinder und nur der gesetzlichen Leibzucht des überlebenden Ehegatten unterworfen. Der letztere verfügte über die freien Güter unbeschränkt, über die verfangenen nur unter der Mitwirkung der Kinder, die, solange er ledig blieb, in Notfällen gerichtlich ergänzt werden konnte. I m Falle einer Wiederverheiratung beschränkte sich das Kindeserbrecht des ersten Bettes auf die verfangenen, das des zweiten auf die freien Güter. Eben darum kann die Entstehung des Verfangenschaftsrechts nicht auf das in dem Erbenwarterechte ausgedrückte Gesamteigentum der Familie zurückgeführt werden 141 , um so weniger als sich das Verfangenschaftsrecht auch in solchen Rechten findet, die das Erben warterecht nur noch in abgeschwächter Form oder überhaupt nicht mehr kannten. Es ist vielmehr auf die Sitte der gegenseitigen, das ganze Vermögen umfassenden Lei bzuchtsvertrage zurückzuführen, durch die dem überlebenden Ehegatten die Leibzucht, den Kindern aber das Eigentum ausgemacht wurde 142 . Was anfangs in Eheverträgen vereinbart wurde, verwandelte sich allmählich in ein feststehendes Gewohnheitsrecht, das überall, wo nicht durch einen besonderen Wittumsvertrag anders bestimmt war, Anwendung fand. Der Hauptübelstand des Verfangenschaftsrechts beruhte in der ungleichmäßigen Behandlung der Kinder erster und zweiter Ehe. Indem mau dem nicht selten durch freiwillige Teilungsverträge zwischen dem wiederheiratenden Ehegatten und seinen Vorkindern vorzubeugen suchte, wurde das gesetzliche T e i l r e c h t angebahnt, das seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in zunehmendem Maße als eine heilsame Reform des Verfangenschaftsrechtes erkannt wurde. Das Teilrecht notigte den über1411 Ich schließe mich hier ganz an die Ausführungen in meiner Geschichte des ehelichen Güterrechts an. Die entgegenstehende Auffassung von HEUSLER und Hu HER ist unhaltbar, muß aber an anderer Stelle ihre Widerlegung finden. 141 Das Erben warterecht an dem Grundbesitze des gemeinsamen Elternteils hätte den Kindern aus beiden Ehen gleichmaßig zustehen müssen. Die Beschränkung der einen auf die verfangenen und der anderen auf die später erworbenen Güter wäre damit unvereinbar. 14ä Vgl. S. 804. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 2, 192 ff. Besonders charakteristisch ist ein dem 11. J a h r h u n d e r t angehöriger Bericht in dem Stiftungsbriefe von St. Georgen im Schwarzwalde, c. 3 (Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. IX. 196).

688

Das Mittelalter.

lebenden Ehegatten, der sich wieder verheiraten wollte143, zu einer Auseinandersetzung mit den Vorkindern, indem er diesen eineii Teil der freien wie der verfangenen Güter, gegen Verzicht auf den Rest, sofort herausgab. Die Teilung hatte die Wirkung einer Totteilung. Die Kinder erhielten ihren Anteil zu freiem Eigen turne, verloren dafür aber ihr Kindeserbrecht an dem Anteile des parens binubus, der denselben als freies, den Kindern zweiter Ehe vorbehaltenes Gut in die zweite Ehe übertrug. Die Teilung erfolgte nach Hälften oder nach Schwert- und Spindelteil, in manchen Gegenden nach Köpfen. Ehen, in denen sämtliche Kinder vor den Eltern mit Tode abgegangen waren, wurden den von Anfang an kinderlosen Ehen gleichgestellt, das Recht der Kinder muß demnach ein erbrechtliches, erst durch den Tod des einen Ehegatten begründetes gewesen sein. Anders in Thüringen, vereinzelt auch in Süddeutschland, wo das Vorabsterben der Kinder allgemeine Gütergemeinschaft zwischen den Ehegatten begründete, also schon während der Ehe ein ganerbschaftliches Verhältnis zwischen jedem Ehegatten und den Kindern bestanden haben muss 144 . Das System der a l l g e m e i n e n G ü t e r g e m e i n s c h a f t ist größtenteils auf eine Erweiterung der altfränkischen, altwestfälischen und altfriesischen Errungenschaftsgemeinschaft zurückzuführen. Während das von Soest ausgehende westfälisch-lübische Recht die Unterscheidung zwischen kinderloser und beerbter Ehe festhielt und die allgemeine Gütergemeinschaft nur eintreten ließ, wenn und solange Kinder vorhanden waren 146 , hat im allgemeinen der fränkische Gesichtspunkt, der zwischen beerbten und unbeerbten Ehen keinen Unterschied machte, den Sieg davon getragen. In der oberrheinischen Tiefebene von Basel bis Mainz herrschte mehrfach die allgemeine Gütergemeinschaft mit Teilung nach Schwert- und Spindelteil, deren Herkunft aus der altfränkischen Errungenschaftsgemeinschaft auf der Hand liegt 148 . In Flandern, den Niederlanden sowie in einigen Teilen des • Niederrheins (Grafschaft Cleve) und Westfalens (Dortmunder Stadtrechtsgruppe) entwickelte sich ein System der allgemeinen Gütergemeinschaft, welches in der Gleichstellung der beerbten und unbeerbten Ehe altfränkische, in der Halbteilung altfriesische und altwestfälische Einflüsse zu erkennen gibt 147 . Dasselbe wurde auch von Hamburg und 143

Anfangs iiur die mater binuba. Für den Vater hat sich das Teilrecht erst später entwickelt. Vgl. a. a. 0 . II. 2, 199. 144 Vgl. a. a. O. II. 2, 190. 3, 300 ff. 145 Vgl. S. 685 und a. a. O. 3, 305 ff. Auch in Drenthe, Lüneburg, Goslar und einigen thüringischen Städten, ferner in Brünn und dem niederbairischen Landshut trat die allgemeine Gütergemeinschaft erst mit der Geburt eines Kindes ein, doch stellte Landshut der bekindeten Ehe die überjährige gleich. Vgl. Anm. 133, 137 und a. a. 0 . 3, 301 f. 148

V g l . a. a. 0 . I I . 1 , 1 8 0 . 1 8 9 .

2 , 56. 116. 123. 180.

SANDHAAS, a. a. 0 .

178.

KREMER, Origines Nass., Cod. dipl. S. 294, Nr. 159. 147

Vgl.

a. a. 0 .

II.

2,

6 1 ff., 1 1 3 ,

180.

3 , 4 3 ff., 1 2 7 ff., 3 1 1

ff.

WARNKÖNIG.

Flandr. RG. II. Urk.-B. Nr. 34, § 40; Nr. 69. § 11; Nr. 222. $ 24. In Brabant galt

§61.

689

Das Privatrecht.

seinen Tochterstädten sowie von Schleswig und Flensburg angenommen und gelangte durch Yermittelung der niederländischen Kolonien zu weitester Verbreitung in den Weser- und Elbeniederungen, der Mark Brandenburg, Preußen, Schlesien und der Lausitz. Zahlreiche mit Magdeburger Recht bewidmete Städte nahmen statt des sächsischen Geraderechtes das niederländische System an. Eine Modifikation erfuhr das letztere in einigen Gegenden Westfalens, welche die Halbteilung nur bei beerbter Ehe festhielten, bei kinderloser Ehe aber Alleinerbrecht des überlebenden Ehegatten eintreten ließen 148 . Die meisten engerischen Stadtrechte, welche die allgemeine Gütergemeinschaft teils unter westfälischen, teils unter thüringischen Einflüssen ausbildeten, hatten ebenfalls Alleinerbrecht bei kinderloser Ehe, bei beerbter Ehe dagegen Halbteilung für den Vater, Kopfteilung für die Mutter 14 ' 9 . In den Gebieten des sogenannten Drittteilsrechtes (Böhmen, Mähren, Mark Meißen, zum Theil auch Schlesien), wo flämische, bairische und tschechische Elemente zusammenflössen, erhielt die Witwe stets nur ein Drittel des Samtgutes, während der Witwer das Ganze oder zwei Drittel bekam 150 . In allen diesen Gebieten folgte die allgemeine Gütergemeinschaft durchaus den noch heute bestehenden Grundsätzen. Das gesamte Vermögen befand sich im Gesamteigentume der Ehegatten. Dem Manne stand freie Verfügung über die fahrende Habe zu; hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens war in der Regel Verfügung mit gesamter Hand erforderlich, nur in dem Gebiete des Dritteiisrechts, sowie in Hamburg, Bremen und der Grafschaft Cleve hatte der Mann auch über den Grundbesitz freie Verfügung. Die Verfügungsrechte der Frau waren in der gewöhnlichen Weise beschränkt. Alle Schulden des Mannes, sowie die vorehelichen und die während der Ehe innerhalb ihrer Zuständigkeit entstandenen Schulden der Frau waren gemeinschaftlich. Der Mann haftete persönlich, die Frau, soweit die Schulden nicht von ihr herrührten, nur mit dem Samtgute, so daß sie sich wie bei der Mobiliar- und Errungenschaftsgemeinschaft durch Verzicht auf das Samtgut von jeder ferneren Haftung frei machen konnte 151 . Bei Auflösung der Ehe erfolgte, wenn keine Kinder vorhanden waren, die Vermögensteilung sofort oder' doch nach dem Dreißigsten; sie unterblieb nur, wo Alleinerbrecht des über-

das allgemeine fränkische System der Mobiliar- und Errungenschaftsgemeinschaft (mit Halbteilung) und Verfangenschaftsrecht. 149 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 37 f., 124 f. Denselben Standpunkt nahmen Braunschweig und Salzwedel ein. Vgl. ebd. 41 f., 126 f. 149 Vgl. ebd. 38, 41, 125 f., 142. E u l e r , i. d. Mitteil. d. Frankf. Gesch.-Ver. VII. Nr. 6. Bremen stimmte bei beerbter Ehe mit den übrigen engerischen Stadtrechten überein; bei kinderloser Ehe hatte es ursprünglich Halbteilung, erst später Alleinerbrecht. Vgl. a. a. 0 . 46 ff., 132 f. 150 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 80 ff., 137 ff. 151 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 284, 287 ff. Genqler, Privatrecht 968. Mitterham», Privatrecht I I ' . § 402, N. 49. R.

Schbödbb, Deutsche

Rechtsgeschlchte.

44

690

Das Mittelalter.

lebenden Ehegatten galt. Bei beerbter Ehe fand regelmäßig fortgesetzte Gütergemeinschaft statt, nur in dem Gebiete des Dritteiisrechts war der überlebende Ehemann in der Eegel der alleinige Erbe, so daß die Kinder auf ein mehr oder weniger gesichertes Erbrecht gegen den Vater beschränkt blieben. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft wurde regelmäßig im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten durch Schichtung beendigt; war dieselbe unterblieben, so setzte sich die Gütergemeinschaft auch iu zweiter Ehe fort, so daß nur das Eingebrachte des zweiten Ehegatten davon befreit blieb. Manche Rechte ließen auch in einigen anderen Fällen Schichtung eintreten. In einzelnen Gebieten des fränkisch-süddeutschen Rechtes, namentlich in der Freiburger Stadtrechtsgruppe, kam eine eigentümliche Form der allgemeinen Gütergemeinschaft vor, die ihren Ausgang nicht von der Errungenschaftsgemeinschaft, sondern von der Ausbildung gegenseitigen Alleinerbrechts der Ehegatten genommen hat 152 . Charakteristisch war für dies System das Alleinerbrecht bei kinderloser, das Verfangenschaftsrecht bei beerbter Ehe. Während der Ehe hatte der Mann nach dem Stadtrecht von Freiburg im Breisgau und den meisten Tochterrechten die unbeschränkte Verfügung über das Samtgut, mit Einschluß der unbeweglichen Sachen 153 . Das gesetzliche eheliche Güterrecht hatte im allgemeinen einen dispositiven Charakter, indem es durch E h e v e r t r ä g e (gedinge, egerate, eteiding, gemechede, hilichs beredungen, brutlaufsbriefe)

ausgeschlossen oder

ergänzt werden konnte: „Gedinge bricht Landrecht" m . Doch galt dieser Satz vielfach nur für die kinderlose Ehe, während bei beerbter Ehe das gesetzliche Recht unbedingt zur Anwendung kam: „Kinderzeugen bricht Ehestiftung" 165 . Die Abschließung der Eheverträge erfolgte regelmäßig gerichtlich oder vor Zeugen; einzelne jüngere Rechte ließen sich an schriftlicher Abfassung genügen; soweit es sich um Liegenschaften handelte, war die gerichtliche Form meistens unumgänglich. Die A-bsehließung der Eheverträge war in der Regel ebensowohl nach wie vor der Eheschließung möglich. Der Inhalt der Eheverträge war außerordentlich mannigfaltig; häufig hatten sie zugleich den Charakter von Erb Verträgen. Die einfachen wirtschaftlichen Verhältnisse, die dem Rechte des Sachsenspiegels zu Grunde lagen, ließen sich noch an wenigen Vertrags-, mäßigen Vereinbarungen genügen. Die eine bezog sich auf die wohl aus dem alten Muntschatze entstandene L e i b z u c h t , welche wohl in jeder Ehe seitens des Mannes für seine Frau bestellt wurde 1650 . Ihren regel152

153 154

Vgl. a . a . O . II. 1, 179 f., 182, 195 ff. 2, 75 ff., 91 ff., 101, 108 f., 146 ff., 178 f.

Vgl. ebd. II. 2, 13 ff. Hübbr, a. a. 0. 6 ff. Vgl. Gbaf u. Dietherb, Rechtssprichwörter 24 f.

Mit Unrecht ist der dis-

positive Charakter des Sachsenspiegels von einigen Seiten angezweifelt worden. Vgl. a. a. 0 . n . 3, 329 ff. 185 Vgl. a. a. 0 . II. 1, 63, 138 ff., 155, 192, 203, 224. 2, 193, 214. 3, 235 f., 331, 341 ff., 355, 386. Vgl. a. a. 0 . II. 3, 349 ff.

§ 61.

691

Das Privatrecht.

mäßigen Gegenstand bildeten Grundstücke, später auch Kapitalien, in Satzungs- oder Rentenform in Grund und Boden angelegt. Außerdem erhielt die Frau in alter Weise eine Morgen gäbe 1 6 6 . Zur Sicherung von Frauengeldern, die durch das sächsische Geraderecht Eigentum des Mannes werden mußten, diente die U r s a l e , d. h. die gerichtliche Übertragung von Grundstücken des Mannes zu Händen eines Neben Vormundes der Frau zu Eigentum oder Satzungsrecht 167 . Ein anderes, im Stadtrecht entwickeltes Mittel, der Frau das Eigentum an ihren Kapitalien zu sichern, bestand in der vertragsmäßigen Errichtung eines Y o r b e h a l t s g u t e s , das aber, um wirksam zu sein, gar nicht in die Hände des Mannes kommen durfte, sondern einem Dritten zu treuer Hand für die Frau übergeben werden mußte 158 . S c h e n k u n g e n unter Ehegatten waren, wie bei allen Stämmen, auch bei den Sachsen durchaus zulässig, wegen des Geraderechtes aber nur bei unbeweglichen Sachen durchführbar 169 . Wie bei den Sachsen, so hatte sich auch bei den Schwaben die alte Morgengabe selbständig neben dem Muntschatze, der hier Wittum hieß, erhalten 160 , obwohl sich das AVittum allmählich ganz nach dem Vorbilde des fränkischen und bairischen Rechtes umgestaltet hatte. Das fränkische W i t t u m (widern, dos, dotalitium, donatio propter nuptias, duwarium, eduwarium) war identisch mit der M o r g e n g a b e (dos, dotalitium) des bairisch-österreichischen Rechtes, von der es sich nur dadurch unterschied, daß es die alte Morgengabe nicht völlig in sich aufgenommen, sondern den aus beweglichen Sachen bestehenden Teil derselben abgestoßen und zu einer selbständigen Gabe unter dem alten Namen gestaltet hatte 161 . Die Eigentümlichkeit des fränkisch-schwäbischen Wittums- und des bairisch-österreichischen Morgengabevertrages bestand darin, daß nicht bloß der Frau gewisse Grundstücke oder in Grundstücken angelegte Kapitalien des Mannes als Witwenversorgung (zu Leibzucht oder zu Eigentum) überwiesen, sondern zugleich alle Konsequenzen des gesetzlichen Güterstandes der allgemeinen oder partikulären Gütergemeinschaft sowie des Verfangenschaftsrechtes ausgeschlossen wurden 162 . In der Wittumsehe ise Ygj ebd. 332 ff. Im Ritterstande entwickelte sich seit dem 13. Jahrhundert eine gesetzliche Morgengabe, die der Witwe kraft Erbrechts zukam, entweder als Surrogat für die ihr nicht gewährte vertragsmäßige Gabe, oder als gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlicher Zuschlag zu derselben. >« Vgl. ebd. 356 ff. 159 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 359 ff. Siehe auch ebd. II. 2, 253. 188 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 348, 371 ff. Schenkungen beweglicher Sachen wurden erst seit Einführung des Vorbehaltsgutes teilweise möglich. Über Schenkungen unter Ehegatten nach süddeutschem Rechte vgl. a. a. 0 . II. 1, 137 ff. 160 Vgl. a. a. 0 . II. 1, 24 ff. 161 Vgl. S. 306 f. und a. a. O. II. 1, 37 ff., 48 ff., 59 ff., 71 ff., 93. 2, 214 ff., 242 ff. 3, 354 ff. 162 Vgl. a. a. O. II. 2, 227, 229 ff. 3, 341 N. 42, 354 f. Wie strenge darauf gehalten wurde, daß die Witwe nichts anderes mitnahm, als was ihr der Wittumsvertrag zuwies, ergibt sich u. a. aus einer Erklärung der Witwe des Grafel) Wilhelm von Holland von 1345 (WILLEMS, Gestes des ducs de Brabant I. 834, Cod. dipl. 194). 44*

692

Das Mittelalter.

galt weder Gütergemeinschaft, noch gesamte Hand oder Verfangenschaftsrecht, sondern reine Verwaltuiigsgemeinschaft. Ebendarum erwies es sich als notwendig, nicht nur der überlebenden Frau an dem Wittum oder der Morgengabe, sondern auch dem überlebenden Manne an der M i t g i f t oder H e i m s t e u e r der Frau (Ehesteuer, Heisteuer, Heiratsteuer, Heiratgut, Hilichsgeld, Haussteuer, Zubringung, Zugift, Zugeid, Brautschatz, üzstiurunge, dos, dotalitium, maritagium) gewisse Leibzuchtsrechte oder sonstige erbrechtliche Vorteile zuzusichern. Man konnte daher von einer gegenseitigen Bewidmung der Ehegatten reden, und so kam es, daß auch die Heimsteuer zuweilen als ein dem Manne von der Frau bestimmtes „Wittum", in bairisch-österreichischen Quellen als „Morgengabe", umgekehrt aber das vom Manne bestellte Wittum als „Heimsteuer" oder „Heiratgut" bezeichnet wurde163. Dabei lag es nahe, die Höhe des Wittums nach derjenigen der Heimsteuer zu bemessen; in diesem Falle wurde das Wittum zur W i d e r l e g u n g (augmentum dotis) 164 . Sonst verstand man unter „Widerlegung" auch die für die Heimsteuerkapitalien in Satzungsoder Rentenform seitens des Mannes bestellte Sicherheit 165 . Die böhmisch-mährische Morgengabe hat von Schlesien aus auch ihren Einfluß auf das sächsische Recht ausgeübt. Auf sie ist die g e l o b t e M o r g e n g a b e der sächsischen Stadtrechte, die später auch in das Landrecht Eingang fand, zurückzuführen 166 . So kam es auch in den Städten magdeburgischen Rechts, die das flämische Familiengüterrecht angenommen hatten, zu gegenseitigen Morgengabeverträgen, durch welche die gesetzliche Gütergemeinschaft ausgeschlossen wurde 167 . In Braunschweig und der Mark Brandenburg, wo die gelobte Morgengabe keinen Eingang fand, legte man später dem Leibzuchtsvertrage die gleiche ausschließende Wirkung bei 168 . In Westfalen gab es einen Ehevertrag, der Unterschied, differentia oder Wiederkehr genannt wurde und direkt auf die Ausschließung der gesetzlichen Gütergemeinschaft für den Fall der

Das einfache Leibgedinge wurde nur als vertragsmäßige Ergänzung des gesetzlichen Güterstandes behandelt. Vgl. a. a. O. II. 1, 75. 2, 274. 163 Vgl. a. a. 0. II. 1, 20, 65 f., 67 (f., 83 f., 88 ff. 2, '236, 239, 243, 260. 3, 340 ff. Trienter Statuten c. 60 (Arch. f. österr. Gesch. XXVI. 135). 164 Ygi a a o n . 1, 38f., 65, 81 ff. 2, 236f. In Wien und den böhmischmährischen Stadt- und Landrechten war es üblich, daß die Morgengabe (tschech. veno) um die Hälfte höher als die Heimsteuer war. Vgl. CZYHLABZ, a. a. 0 . 40—44. 166 Vgl. a. a. 0 . II. 1, 76ff., 140. 2, 235. Neben „Widerlegung" begegnet auch das an die sächsische Ursale anklingende ursasse. Vgl. Urk. v. 1305, Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. XX. 313 f. 164 Vgl. a. a. O. II. 3, 337—345. ALBRECHT, in SCHNEIDER'« Krit. Jahrbüchern XI. 330. v . MAUTITZ, a. a. 0 . 345 ff. 3 9 5 ff. BESELEB, E r b v e r t r ä g e I. 157 ff.

AGBICOLA, 5 2 3 ff. LABAND,

Verm.

Klagen

167 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 340, 344 f. Über ähnliche Erscheinungen in Westfalen, wo die Morgengabe teils die statutarische Erbportion, teils die allgemeine Gütergemeinschaft ausschloß, vgl. ebd. 346 ff. 168 Vgl. a. a. 0 . II. 3, 353 f.

§ 61.

Das Privatrecht.

693

169

Kinderlosigkeit gerichtet war . Auch während der Ehe konnte die Gütergemeinschaft durch Vertrag aufgehoben werden 170 . Umgekehrt kam in den Gebieten der Verwaltungsgemeinschaft nicht selten die vertragsmäßige Errichtung allgemeiner Gütergemeinschaft vor 171 . In Magdeburg war dieselbe im 14. Jahrhundert so häufig, daß eigene statutarische Normen dafür erlassen wurden. Sehr gewöhnlich waren auch Vereinbarungen, welche die Erweiterung oder Beschränkung der Dispositionsbefugnisse der Ehegatten, zumal des Mannes, bezweckten. Dem französischen ameublissement déterminé und indéterminé entsprach es, wenn die Frau ihren Grundbesitz like varende oder lihe kopschatte einbrachte 172 . Umgekehrt begegnet in einem westfälischen Ehe vertrage die Abrede: dat all alsulke geredt

goed sali

erfgoed

sin173. In Ditmarschen war es üblich, daß die Frau ihren gesamten Brautschatz, Fahrendes wie Liegendes, dem Manne gegen eine Taxe zu Eigentum übertrug („Belassung auf Markzahl") 173s . Die v ä t e r l i c h e G e w a l t 1 7 4 behauptete sich als ein Schutz- und Gewaltverhältnis, obwohl von Tötung, Verkauf und Heiratszwang keine Rede mehr sein konnte 175 . Daß das Erziehungsrecht auch erwachsenen Kindern gegenüber mit dem Züchtigungsrechte ausgestattet war, wurde selbst in gerichtlichen Entscheidungen ausgesprochen176. Den Eechtsgrund dér väterlichen Gewalt bildete jetzt nur noch die eheliche Abstammung vom Vater 177 . Adoptionen kamen noch vor, es ist aber zweifelhaft, ob durch dieselben die väterliche Gewalt begründet wurde 178 . Der Vater hatte an dem Vermögen der Kinder die Verwaltung und Nutzung 179 , war aber für Schmälerungen oder Verschlechterungen, die nicht auf Zufall beruhten, 188

170 Ebd. 385 ff. Ebd. 387 f. 172 Vgl. a. a. 0 . II. 2, 258. 3, 380 ff. Vgl. a. a. O. II. 2, 254. 3, 231. 173 FAHNE, Geschichte des Geschl. von Bocholtz, Urk.-B. Nr. 56. l73a Vgl. a. a. 0 . II. 3, 410. 417. 174 Vgl. S. 310 ff. und die daselbst Anm. 337 angeführte Litteratur. RIVE, Vor1,1

m u n d s c h a f t I I . 1, 1 7 4 ff. I I . 2 , 1 4 9

ff.

EICHHORN, § § 3 5 2 , 3 7 1 .

TELTINQ, a. a. O., Themis XXXII. (1871), Stück 4. KRAUT, G r u n d r i ß § §

184,

1 8 6 f., 1 8 9 .

ZÖPFL, R G . I I I . § 9 2 .

GÖSCHEN, Gosl. Statuten 280 ff.

v . GOSEN, a . a . 0 .

9 8 ff.

178

Nur Schwsp. L. 357 und eine Stelle des Geiler von Kaisersberg (GRIMM, RA. 461 f.) gedenken noch des Verkaufes eines Kindes in echter Not. Ich zweifle nicht, daß Geiler aus dem Schwabenspiegel, dieser aber kritiklos aus seinem bunt zusammengewürfelten Quellenmaterial geschöpft hat. Solange die Nachricht nicht anderweitig bestätigt ist, verdient sie keinen Glauben. 176

V g l . LOERSCH U. SCHRÖDER, N r .

177

V g l . KRAUT, I I .

178

V g l . STOBBE, I V . 3 7 6 f.

341

(300).

Dagegen

Kl. Kaiserr.

II.

6.

5 8 6 f. KRAUT, G r u n d r i ß §

186, Nr.

s c h a f t als A d o p t i o n : LOERSCH U. SCHRÖDER, 1. Aufl. N r . 116.

14—17.

Taufpathen-

LISCH, U r k . - S a m m l . d.

Geschlechts v. Maltzan I. Nr. 12, 14, 71. 1,9 Eine Ausnahme machte ein Statut der Stadt Höxter. Vgl. KRAUT, II. 613. Zu Verfügungen über Liegenschaften war der Vater nur in echter Not berechtigt. Andere Verfügungen wurden gültig, wenn die Kinder, nachdem sie zu ihren Jahren gekommen waren, Jahr und Tag ohne Anfechtung verstreichen ließen. Vgl. HEUSLER, II. 4 3 7 , 4 4 8 .

694

Das Mittelalter.

ersatzpflichtig, wie er für seine Aufwendungen Ersatz verlangen konnte 180 . Es galt das Sprichwort: „Kindergut ist eisern Gut" 181 . Hauskinder, die zu ihren Jahren gekommen waren, besaßen die volle Handlungsfähigkeit, aber keine Disposition über ihr vom Vater verwaltetes Vermögen 183 . Die Haftung des Vaters für Deliktsschulden der Hauskinder bestand fort, zum Teil aber nur noch in abgeschwächter Gestalt 183 . Die gerichtliche Vertretung der Kinder stand dem Vater zu. Die Aufhebung der väterlichen Gewalt durch förmliche Emanzipation kam wohl nur noch selten vor. Der regelmäßige Fall der Aufhebung war Verheiratung der Töchter, Vermögensabsonderung der Söhne. Der Vater hatte dem aus der Were scheidenden Kinde sein Vermögen herauszugeben oder, wenn solches nicht vorhanden war, eine Aussteuer zu gewähren 184 . Volljährige Söhne konnten die Absonderung vom Vater verlangen 185 . Wurden die Kinder durch die Vermögensverwaltung des Vaters gefährdet, so konnte diesem auf Veranlassung der Sippe oder des Richters die väterliche Gewalt entzogen werden 186 . Eine L e g i t i m a t i o n unehelicher Kinder war dem Mittelalter zunächst unbekannt. Erst seit dem 13. Jahrhundert kam die Legitimation durch nachfolgende Ehe (Mantelkinderl und, nach römischem Vorbilde, durch königlichen oder landesherrlichen Erlaß in Übung 187 . Uneheliche Kinder waren rechtlos, sie konnten daher weder eine Vormundschaft bekleiden, noch einen Vormund haben, auch hatten sie kein gesetzliches Erbrecht, weder aktiv, noch passiv, nicht einmal gegen die Mutter 188 . Gegen ihren Erzeuger hatten sie einen gewissen Anspruch auf Unterhalt 189 . Auf dem Gebiete des V o r m u n d s c h a f t s r e c h t s 1 9 0 hatte die Ge180

V g l . Ssp. I. 11.

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 3 3 0

l a i V g l . GRAF U. DIETHERR, 182

5,

15. § 188

Vgl. 187,

(290).

172.

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 3 4 1 ( 3 0 0 ) .

KRAUT, G r u n d r i ß § 1 8 4 , N r . 4 ,

Nr. 3, 4.

V g l . HEUSLER, I I .

450.

184

Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 1, 12 ff., 167 f. 2, 234. LOERSCH U.-SCHRÖDER, Nr. 154, 208, 285, 314, 324, 329, 331. 185 Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 1, 222. 2 , 140 f. 3, 159. HEDSLER, II. 440. LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 3 3 0 ( 2 9 0 ) .

W e n n S c h w s p . L. 61,

186 d a s R e c h t a u f A b -

sonderung erst mit 25 Jahren eintreten läßt, so hat er sich wohl durch das römische Recht bestimmen lassen, was schon Dsp. 56 durchblickt. 188 Vgl. Kl. Kaiserr. II. 5. Gesch. d. ehel. Güterr. II. 1, 186, N. 64. 2, 140. 3, 159. Auch die Ehefrau konnte in ähnlichen Fällen Aufhebung der Gütergemeinschaft verlangen. 187

V g l . e b d . 1, 1 4 9 ff. LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 2 0 6 ( 1 8 4 ) ,

V g l . STOBBE, I V . 3 6 6

ff.

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 1 8 2 ,

en Zeeland I. Nr. 395 (1243).

EICHHORN, § 4 4 9 . 281, 3 2 9 , 342.

346.

KRAUT, G r u n d r i ß § 1 8 6 N r . 1 — 8 .

v . D. BERGH, O o r k o n d e n b .

v.

Holl,

BÖHMEB, Acta imperii Nr. 730, 731.

188

V g l . S. 4 4 9 .

190

Vgl. S. 313 ff., 662 und die S. 313 N. 360 angeführte Litteratur. EICHHORN,

§ § 353, 372.

BUDDE, R e c h t l o s i g k e i t 4 8 f.

WALTER, R G . § § 5 1 3 - 1 6 .

189

V g l . STOBBE,.IV.

ZÖPFL, R G . I I I . § 9 3 .

KRAUT,

411.

Vormund-

schaft I. 132—150, 1 8 6 - 2 3 4 , 286 ff., 393 ff. II. 3—94, 191 ff., 266 ff.; Grundriß §§ 162, 191—195a. HEUSLER, II. 498ff., 511 ff. STOBBE, IV. §§ 263—68, 2 7 4 - 7 6 . RIVE, Vormundschaft II. 1, 13 ff., 69 ff., 167 ff. 2, 1 ff., 73 ff., 174 ff. v. AMIRA, Krit. Viertelj.-Schr. XVII. 421 ff. AGRICOLA, Gewere zu rechter Vormundschaft 77 ff.

§ 61.

Das Privatrecht.

695

schlechte Vormundschaft, abgesehen von dem friesischen Rechte, die größte Veränderung erfahren, indem sie im allgemeinen zu einer Vertreterschaft in gerichtlichen Angelegenheiten, bei Prozessen wie Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zusammengeschrumpft war. Die Altersvormundschaft wurde von dem frühzeitigen Mündigkeitstermine des altdeutschen Rechtes nicht mehr in gleichem Maße wie ehedem berührt, indem sie entweder noch über den Eintritt der Mündigkeit hinaus während einer gewissen Zeit fortgesetzt oder doch dem zu seinen Jahren gekommenen Mündel die Wahl eines Pflegers oder gerichtlichen Vertreters anheimgegeben wurde. Inhaltlich bewegte sich die Altersvormundschaft auf demselben Boden wie diejenige über Geisteskranke und Gebrechliche. Eine eigentliche Pflegschaft für Verschwender und Verschollene gab es noch nicht. Die prozessualischen Vertretungsbefugnisse des Vormundes waren gegenüber der vorigen Periode wesentlich erweitert. Neben der alten nießbräuchlichen Vormundschaft, die in dem friesisch-holländischen Rechte fortdauerte, auch den Sachsenspiegel und das sächsische Weichbildrecht samt den beiden Glossen noch beherrschte und im fränkischen Rechte sich wenigstens noch in einzelnen Spuren zeigte i e i , trat in Süddeutschland die bloß fürsorgliche Vormundschaft mit Abrechnungspflicht in den Vordergrund, um allmählich auch Morddeutschland zu erobern. Hand in Hand mit dieser jüngeren Form der Vormundschaft ging die weitere Ausbildung der staatlichen Obervormundschaft, durch die der geborene Vormund des älteren Rechts und die Obervormundschaft der Sippe in den Hintergrund gedrängt wurde. Neben den geborenen Vormund trat zunächst der vom Vater gekorene, dann der vom Richter gesetzte 192 . Es gehörte zu den Aufgaben des Richters, hilfsbedürftigen Personen, die keinen Vormund hatten, einen solchen zu geben. Die Vormundschaftsführung stand unter der Aufsicht des Richters, der den Vormund gegebenenfalls als Balemund absetzen konnte. Auch Erteilung der venia aetatis durch den König kam seit dem 13. Jahrhundert vor 193 . Vormund konnte nur eine Person sein, die dem Mündel ebenbürtig war. Rechtlose konnten weder Vormund werden, noch einen Vormund haben 1 9 4 . Eigentliche Vormundschaft der Mutter über ihre Kinder kam noch nicht vor, dagegen wurde ihr nicht selten die persönliche Fürsorge übertragen, so daß der Vormund auf die Vermögensverwaltung beschränkt blieb. Das E r b r e c h t 1 9 5 hatte den Zusammenhang mit der alten HausV. MARTITZ, E h e l . Güten-echt 83 ff. PLANCK, G e r i c h t s v e r f a h r e n I. 177 ff. WINKLER,

a. a. 0. 54 ff. TELTING, a. a. 0., Themis XXXII. (1871), Stück 4. Statuten

244

ff.

H . SCHULZE , E r b -

S. 2 5 6 f.

v . GOSEN, a . a . O . 1 0 1 ff.

u.

Familienrecht

109

ff.

GÖSCHEN, Gosl.

LOERSCH

U. SCHRÖDER,

191 Vgl. AMIRA, a. a. 0. 427. Lothringische Urkunde v. 1207 bei BEYER, Mittelrhein. Urk.-B. II. S. 267. 192 Vgl. KRAUT, Grundriß § 162, Nr. 21—23, § 191, Nr. 17—21, 34. 103

195

KRAUT, V o r m u n d s c h a f t II. 86

ff.

191

BUDDE, R e c h t l o s i g k e i t 3 3 ff.

Vgl. S. 317 ff. und die daselbst Anm. 389, 412 und 435 angeführte Litteratur. STOBBE, Handb. V.§§281, 283, 285—88, 290—91, 293, 299—301, 308, 310, 313; Beitr.

Das Mittelalter.

696 genossenschaft

im

allgemeinen

verloren.

Die

im

Sachsenspiegel

noch

d u r c h b l i c k e n d e U n t e r s c h e i d u n g des e n g e r e n E r b e n k r e i s e s v o n d e m w e i t e r e n der „ S i p p e " oder der „ M a g e n " w u r d e v o n d e n j ü n g e r e n nicht mehr verstanden198.

Das Verwandtschaftsbild

alter W e i s e a n den Gliedern

Rechtsbüchern

suchte m a n

sich

in

des m e n s c h l i c h e n Körpers klar z u m a c h e n ;

der V e r g l e i c h der Sippe m i t d e m B a u m e u n d seinen Ä s t e n u n d Z w e i g e n (arbor c o n s a n g u i n i t a t i s ) w u r d e erst i m späteren M i t t e l a l t e r a u s d e m k a n o nischen Rechte übernommen als

selbstverständlich

D i e E r b f o l g e o r d n u n g , die von d e n Q u e l l e n

vorausgesetzt

und

daher

nur

selten

ausdrücklich

d a r g e s t e l l t w u r d e , war die v o n u n s s c h o n f ü r die vorige Periode a n g e nommene

Parentelen-

oder

Linealgradualordnung198.

Den

ersten

Erb-

37 ff. EICHHORN, §§ 373—75, 454—56. ZÖPFL, RG. III. §§ 1 1 7 - 2 1 . KBAUT, Grundriß §§ 146, 148, 155—61. LOEBSCH U. SCHRÖDER, S. 273f. G E N G L E R , Lehrb. d. deutsch. Priv.-R. 1305 ff. SIESEL, D a s deutsche Erbrecht des Mittelalters, 1853. FISCHEB, Versuch über die Gesch. d. teutsch. Erbfolge, 2 Bde., 1778. TELTING, a. a. 0., Themis XL. (1879), XLI. (1880), XLIII. (1882). PAULI, Erbrecht der Blutsfreunde und die Testamente (Abh. a. d. lüb. R. III. 1841). GÖSCHEN, Gosl. Stat. 128 ff. V.GOSEN, a . a . O . 155 ff. FRANKLIN, Freie Herren von Zimmern 57 ff. HUBER, Die Schweiz. Erbrechte, Zürich. Inaug.-Diss. 1872. KOTHING, Erbrechte des Kantons Schwiz, Zeitschr. f. Schweiz. Recht V. HASENÖHRL, Österreich. Landesrecht 132 ff. . ZÖPFL, Bamberger Recht 210 ff. v. SYDOW, Darstellung des Erbrechts n. d. Sachsenspiegel, 1828. SCHILLING, Lehn- u. erbrechtl. Satzungen des waldemar-erichschen Rechts, 1879. H. SCHULZE, Erb- u. Familienrechte 32ff. LAMPBECHT, Wirtschaftsleben I. 628 ff. GAUPP, Germ. Abhandl. 62 ff.; Miscellen 75 ff. ALBBECHT, Gewere 188—222; Krit. Jahrbücher f. deutsche Rechtswissensch. (V.RICHTER u. SCHNEIDEB) XI. 321—53; (Berliner) Jahrbücher f. wiss. Kritik 1830, Nr. 63—65. BESELER, Erbverträge, I. I I . 1. 2. 1835—40. v. WYSS, Letztw. Verfügungen n. d. Schweiz. Rechten der früheren Zeit, Zeitschr. f. Schweiz. R. XIX. 68 ff. EULER, Beitrag z. Gesch. d. Testamente, Arch. f. Frankf. Gesch. V. 1852. BEHBEND, Anevang und Erbengewere, Bresl. Festschr. f. BESELER, 1885. KBOM, Oudnederlandsch erfhuisrecht, 1878. COSACK, Besitz des Erben, 1877. ROSIN, Begriff der Schwertmagen, 1877. SCHRÄDER, Bezeichnung der Spindelmagen in der älteren deutschen Rechtssprache, Zeitschr. f. RG. XVII. 1 ff. 194

Vgl. Ssp. I 3 § 3 und Dsp. 6 mit Schwsp. L. 3 a.

1.7

V g l . STOBBE, V . 6 4 .

1.8

Zu der bereits angeführten Litteratur vgl. noch SCHANZ, Erbfolgeprinzip des Sachsenspiegels und Magdeburger Rechts, 1883, der die unrichtige Ansicht vertritt. Die Angaben des Ssp. I. 3 § 3, 17 § 1 können bei unbefangener Auffassung nur von der Parentelenordnung verstanden werden. Vgl. HEUSLER, II. 594, 600 f. Nach dem Landbuche von Nidwaiden c. 157 (Zeitschr. f. Schweiz. R. VI. 2, 157) soll derjenige Erbe w e r d e n , der sin fründschaft aller nächst gerechnen mag an des toten rechten, vater, d. h. der von dem nächsten Vater (Vorfahren) des Erblassers abstammt. Das Saarbrücker Landrecht I. c. 4 (KBEMER, Gesch. d. Grafen v. Saarbr. 558) bestimmt, daß, wenn weder Descendenten, noch Ascendenten oder Geschwister vorhanden sind, das nachgelassen erb und gut gehet und folget an die nechste erben in der rechten vfsteigenden linien, da es den ersten grad zur Seiten absteigen findet. Kaum weniger deutlich ergibt sich die Parentelenordnuug aus der Summa legum von Wiener-Neustadt (TOMASCHEK, i. d. Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. CV. 2, 291 f.) und dem schon von HOMEYEB angezogenen Sprichworte: Geen good klimt gaarne, dem man die bei G B A F u. DIETHEBB, Rechtssprichwörter 193 mitgeteilten und das schweizerische Sprichwort: ain erbschaft soll für sich gan und nit hinder sich (FOFFA, Das bündnerische Münsterthal 114; KRAUT, § 146, Nr. 81) anreihen mag.

§61.

Das Privatrecht.

697

ansprach hatte der Busen, d. h. die eheliche Nachkommenschaft des Erblassers, und zwar anfangs die Kinder durchaus vor den Enkeln und diese vor den Urenkeln; nur schrittweise gelangte das Repräsentationsrecht der entfernteren Descendenten zur Anerkennung, bis es 1498 reichsgesetzlich festgestellt wurde 199 . Auf den Busen folgten die Eltern (Schoßfall), sodann die Geschwister und deren Nachkommen, gleich nahe nach Köpfen, die näheren vor den entfernteren, bis 1521 auch hier das Repräsentationsrecht reichsgesetzlich eingeführt wurde 2 0 0 . Auf die elterliche Parentel folgte die der Großeltern, und zwar ebenfalls die letzteren vor ihren Nachkommen 2 0 1 . Die dem germanischen Rechte eigentümlichen Grenzen der Sippe in auf- und absteigender Linie (S. 324) wurden zum Teil auch im Mittelalter noch beobachtet, verloren aber allmählich ihre Bedeutung 2 0 2 . Von dieser Erbfolgeordnung gab es zahllose Abweichungen, die teils durch ganerbschaftliche Verhältnisse, teils durch Einwirkungen des ehelichen Güterrechts, teils durch partikularrechtliche Willkür herbeigeführt waren. Insbesondere wurde das Erbrecht der Eltern vielfach auf die entfernteren Vorfahren ausgedehnt, andererseits nicht selten die Erbberechtigung der Geschwister neben oder selbst vor den Eltern anerkannt. Eine in den verschiedensten Rechtsgebieten beobachtete Eigentümlichkeit war das Fallrecht (ius recadentiae s. revolutionis), welches nach dem Grundsatze „paterna paternis, materna maternis" eine getrennte Beerbung eintreten ließ, indem die Verwandten von väterlicher Seite das von dieser herrührende Vermögen oder auch die Hälfte des ganzen Nachlasses, diejenigen von mütterlicher Seite das von daher gekommene oder die andere Hälfte erbten 2 0 3 . Überaus mannigfaltig waren die Unterschiede in der Erbberechtigung des männlichen und weiblichen Geschlechts, der Schwert- und Spindelmagen, der voll- und halbbürtigen Verwandtschaft 2 0 1 . Gleich nahe Erben teilten in der Regel nach dem Sprichwort: „Der ältere soll teilen, der jüngere kiesen" (Kürrecht) 206, doch kam auch Teilung 199 Vgj_ g 87 N. 7. Bei den Sachsen wurde das Repräsentationsrecht zuerst durch Gottesurteil (gerichtlichen Zweikampf) im Hofgericht Ottos I. zur Anerkennung gebracht (vgl. Widukinds res gestae Saxonicae II. 10), aber selbst Ssp. I. 5 § 1 gesteht dasselbe nur erst den Sohnes- und nicht auch den Tochterkindern zu. Vgl. BÖHMER, A c t a i m p e r i i

sei. N r . 341.

HEÜSLER, II. 5 7 9 ff.

STOBBE, V. 9 4 f.

Wenn

Enkel allein erbten, wurde häufig nicht nach Linien, sondern nach Köpfen geteilt. Vgl.

STOBBE, V .

9 6 f.

200 Vgl. § 87 N. 7. Kinder von Geschwistern unter sich erbten nach Köpfen (RA. von Speier 1529 § 31), nach dem Saarbrücker Landrecht I. 4 und einem Frankfurter Urteil von 1399 (LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 231) nach Linien. 201

Vgl. Stadtr. v. Wesel § 25.

Willkür der Sachsen im Zips von 1370, § 63

(MICHNAY U. LICHNER, O f n e r S t a d t r e c h t S. 231). 202 Pestgehalten wird die Grenze u. a. noch Ssp. I. 3 §§ 2, 3. 2OA VGL. STOBBE, V. 104 f. Vererbung nach Hälften auch nach Saarbrücker Landrecht I. 4. 204

Vgl.

STOBBE, V .

102,

1 0 6 f . , 1 1 6 ff.

205 VGL. GRAF U. DIETHERR, 2 1 5 .

WACKERNAGEL, Zeitschr. f. d e u t s c h . Altert. I I .

698

Das Mittelalter.

durch das Los, zumal bei mehr als zwei Miterben, vor; bei Grundstücken begegnete zuweilen das Setzrecht, kraft dessen ein Miterbe dem andern die Wahl zwischen Übernahme oder Überlassung des Grundstückes zu einem von dem Setzenden gemachten Anschlage anheimstellte 206 . Abgesonderte Kinder, soweit sie nicht völlig abgefunden waren, hatten das bei der Absonderung Empfangene einzuwerfen 207. Neben dem Erbteilungssystem begegnete bei Stammgütern und Familienfideikommissen nicht selten das Prinzip der Individualsuccession nach dem Altersvorzuge, als Seniorat, Primogenitur, Majorat und Minorat 208 . Die Erbschaft ging ipso iure durch den Tod des Erblassers auf den Erben über: „Der Tote erbt den Lebendigen" 209 . Auch die Gewere des Nachlasses ging von Rechts wegen auf den Erben über (S. 669). Gleichwohl war es üblich und für den Erben von Vorteil, daß dieser ausdrücklich Besitz von dem Sterbe- oder Erbhause ergriff oder sich gerichtlich in den Besitz einweisen ließ 210 . Hatte der Verstorbene einen Ehegatten hinterlassen, so brauchte dieser dem Erben den Besitz erst nach dem Dreißigsten (nach Ablauf des für die Totenfeier bestimmten Sterbemonats) zu räumen 211 . In den Niederlanden bedeutete diese Frist eine Deliberationsfrist wegen etwaigen Verzichts auf die Erbschaft 212 . Erbfolgeunfähig waren Rechtlose, Aussätzige, geborene Krüppel und Klostergeistliche, relativ unfähig solche, die den Tod des Erblassers verschuldet hatten oder demselben unebenbürtig waren 213 . Erbloses Gut unterlag dem fiskalischen Heimfallsrechte, das auch bei den einer besonderen Erbfolge unterworfenen Vermögenskomplexen 542 ff. Das Kürrecht kam schon 839 unter den Söhnen Ludwigs des Frommen zur Anwendung. Vgl. Nithardi histor. I. c. 7. In der Iveure von iDcourt von 1226 (WILLEM, Gestes des ducs de Brabant I. 628) erhält der Altere das Kürrecht, während der Jüngere die Teile macht. '

206

STOBBE, V .

208

Ebd. 103 f.

2

41.

"

E b d . 4 4 f.

LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 110, 146, 175, 2 4 8 f.

Arch.- f. K u n d e

Österreich. Gesch. I. 29. Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrh. IX. 291. SCHULZE, Recht der Erstgeburt 196 ff.; Erb- u. Familienrecht 54 ff. WIPPERMANX, Ganerbschaften (Kleine Schriften, I. 1873) 21 f. HOMEYER, Abh. d. Berl. Akad. 1852, S. 58 f. E. MEYER, Beiträge z. Gesch. d. Familienfideikommisse, Bonn. Inaug.-Diss. 1878. 209 -Y^GI

STOBBE, V . 2 1 ,

N.

2.

GRAF

U.

DIETHERR, 2 0 5 .

HILLEBRAND,

Rechts-

sprichwörter 134 ff. RENAÜD. Die franz. Rechtsregel „Le mort saisit le vif", Zeitschr. f. Rechtsw. u. Gesetzg. d. Ausl. XIX. XX. Im wesentlichen den gleichen Sinn hatte wohl das Sprichwort: Es gehet ein lebendiger aus und ein lebendiger in (GRIMM, Weistümer I. 618). 210

V g l . HEUSLEE, II. 5 6 3 ff. STOBBE, V. 23, 26 f.

W u r d e die E r b e n e i g e n s c h a f t

seitens eines Dritten bestritten, so trat nach niederländischem Rechte ein eigentümliches Verfahren mit anevang ein. 211 Vgl. STOBBE, V. 23 f. HOMEYER, Der Dreißigste, Abh. d. Berl. Akad. 1864, S. 87 ff. SIEGEL, Der Dreißigste, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. VII. 275 ff. GRIMM, Weistümer VII. 231. 212

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r .

HEUSLER, I I .

336.

568.

213 Vgl. S. 445, 449. STOBBE, V. 14 f., 19, 146 ff. Über die passive Erbunfähigkeit der Rechtlosen vgl. ERHARD, Urk.-B. z. G. Westf. I. Nr. 117 (1030).

§ 61. Das Privatrecht.

699

214

der Gerade und des Heergewätes Platz griff . Die Einziehung wirkte endgültig, wenn der Berechtigte ohne echte Not Jahr und Tag verstreichen ließ, ohne sich zu melden 2 1 5 . Sehr bestritten ist das Verhältnis des Erben zu den Schulden des Erblassers 2 1 6 . Deliktsschulden waren rein persönlicher Natur, sie erloschen m i t dem Tode des Schuldners; nur die bereits durch Urteil oder Sühne festgesetzten Forderungen gingen auch gegen den Erben 2 1 7 . Von den vertragsmäßigen Verbindlichkeiten waren alle reinen Liberalitäten ebenfalls ausschließlich persönlich 2 1 8 . Dasselbe galt von Verträgen über unbewegliche Sachen 2 1 9 , die dem Erben warterechte unterlagen, ferner von Spielschulden, soweit diese überhaupt klagbar waren, von Verpflichtungen aus wucherlichen Geschäften (z. B. Zinsversprechen) und nach dem älteren Rechte auch von Bürgschaften, deren Erblichkeit erst seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vereinzelt anerkannt wurde 220 . Alle übrigen Schulden mußte der Erbe als solcher übernehmen, die Erbschaft war eine wirkliche Universalsuccession 2 2 1 . D e m stand nicht entgegen, daß der Erbe unter dem Einflüsse des Erbenwarterechts ursprünglich nur mit der fahrenden Habe haftete, eine Beschränkung, die schon früh fast allgemein aufgegeben

214

V g l . S. 5 1 3 f., 684.

TOMASCHEK,

Heimfallsrecht,

1882.

STOBBE, V . 1 6 1 ff.

Die besondere Vererbung von Gerade und Heergewäte findet sich vereinzelt auch in außersächsischen Rechten. 215

V g l . STOBBE, V . 25.

-'I6 Vgl. S. 326 f. Ssp. I. 6, § 2. II. 17 § 1. III. 10 § 2. 31, § 2. Dsp. 9—12. Schwsp. L. 5, 7, 8, 178, 289. 21! Vgl. PLANCK, Gerichtsverfahren I. 406 ff. und HAMMER, Lehre vom Schadensersatz 78f., die aber zu weit gehen, wenn sie die Nichthaftung des Erben nach Landrecht auch auf die durch Urteil festgesetzte Schuld erstrecken. Die Bereicherungsklage und die Rückforderung der durch ein Delikt des Erblassers in den Nachlab gekommenen Sachen Dritter ging stets gegen den Erben. Siehe auch GÖSCHEN, a. a. 0. 149. 21S Der Ssp. I. 6, § 2 drückt dies ungeschickt aus, indem er zur Begründung der Erbenhaftung verlangt, daß der E r b e wederstadinge empfangen haben müsse. Da der Erbe auch den Gesindelohn bezahlen mußte (Ssp. I. 22, § 1. LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 328), obwohl die Dienste nicht i h m , sondern dem E r b l a s s e r geleistet waren, so ergibt sich, daß der Verfasser unter wederstadinge jede dem letzteren zu teil gewordene Leistung verstanden hat, auch wenn diese dem Erben nur sehr indirekt (als Bereicherung durch Zurückhaltung der schuldigen Gegenleistung) zu gute kommen mochte. älB Vgl. Ssp. I. 9, § 6. III. 77, § 1. 220 Zuerst, und zwar ersichtlich unter römischrechtlichem Einflüsse, Dsp. 11, Schwsp. L. 7, 289. Vgl. STOBBE, Handbuch III. 309 f. Vertragsrecht 132 ff. GKNGLER, Lehrb. d. Privatr. 760ff. BESELER, Privatr. I 4 . 524. ALBRECHT, Gewere, Note 521. Daß Ssp. I. 6, § 2 nicht mit EICHHORN (Privatrecht 329) auf Erblichkeit der Bürgschaft gedeutet werden darf, ergibt sich aus der Glosse dazu, ferner aus ft{agd.-Görlitzer Recht v. 1261, § 52, Meißener RB. III. 12, Dist. 1. War Bürge erst nach der Klaganstellung, oder nachdem er sich selbst schon einen Zahlungstermin gesetzt hatte, gestorben, so haftete der Erbe. Meißner RP. III. 12, Dist. 4. GÖSCHEN, a. a. 0. 71. 221

V g l . HEUSLER, I I . 5 3 8 — 5 5 4 .

Das Mittelalter.

700

wurde 222 ; oder daß er nach den jüngeren Rechten nicht über den Bestand des Nachlasses hinaus in Anspruch genommen werden konnte 223 . Die Erbenhaftung war immer nur eine beschränkte Haftung mit dem Rechte des Abandons 224 . Hatte daher der Erbe deu Nachlaß vorbehaltlos in seinen Besitz genommen, so haftete er mit seinem ganzen Vermögen 226 . Als Auskunftsmittel diente zuweilen, wie es scheint, die gerichtliche Einweisung des Erben in den Nachlaß 22S , insofern diese mit einem Aufgebote der Gläubiger und der Präklusion derjenigen, die sich nicht rechtzeitig meldeten, verbunden war. Das alte Erbschaftsgedinge (S. 328 ff.) hatte schon in der vorigen Periode einen vorwiegend sachenrechtlichen Charakter angenommen, doch blieben Vergabungen eines ganzen Vermögens oder bestimmter Vermögensanteile fortwährend in Gebrauch. Vollzogen wurden diese „Gemachte", „Geschäfte" oder „Gelübde" im Wege gerichtlicher Auflassung mit richterlicher Friedewirkung, und zwar im späteren Mittelalter mit den Rechtsfolgen der rechten Gewere (S. 671 f.), auch wenn der Bedachte thatsächlich den Besitz gar nicht ergriffen hatte 227 . Soweit die Erben zugestimmt oder trotz ihrer Anwesenheit im Gerichte geschwiegen hatten, war ihr Widerspruch erloschen; die abwesenden Erben verschwiegen sich binnen Jahr und Tag. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden diese Gemächte auch bei Geldsummen und einzelnen Fahrnisstücken zugelassen, vorausgesetzt, daß die Erben zustimmten oder präkludiert wurden 228. In Süddeutschland kamen auch außergerichtliche Gemachte unter Brief und Siegel vor 229 . Von der sachenrechtlichen Auffassung behielten die Gemächte die Unwiderruflichkeit und den Übergang auf die Erben des 222 Vgl. S T O B B E , V. 50; Jahrb. d. gem. E. V. 303 ff. Die Beschränkung auf die fahrende Habe (Ssp. I. 6, § 2) ist Dsp. 9, Schwsp. L. 5b, 289, Kl. Kaiserr. II. 49 und Bair. Landr. 95 bereits weggefallen. Lübeck erstreckte die Haftung ebenfalls auf den ganzen Nachlaß, ließ aber die Erbgüter, für deren Rechnung Schulden bezahlt waren, insoweit als Kaufgüter gelten. Vgl. P A U L I , a. a. O . 1 4 7 f. • LOEBSCH" u. SCHEÖDEE, Nr. 205. Länger erhielt sich die alte Beschränkung in Prankreich und Belgien. Vgl. HEUSLER. II. 553. 228 Vgl. Dsp. 12, 23. Schwsp. L. 8, 20. Bair. Landr. 98. 224 Vgl. S . 6 8 6 , 6 8 9 . EHRENBERG, Beschränkte Haftung 1 4 ff. P A U L I , Abh. II.

2 3 0 ff. I I I .

148

ff.

STOBBE, V . 5 1 .

HEDSLER, I I . 5 7 0 ff.

228

II. 139

Vgl. Kl. Kaiserr. II. 4 9 . Ditmars. Landr. v. 1 4 4 7 , § 89. GRIMM, Weist. 3 3 , 4 1 f. Rügian. Landgebrauch Tit. 7 0 , 7 5 . HILLEBRAND, Rechtssprichwörter ff. GRAJ? U. DIETHERR, 2 2 1 ff. Zeitschr. f. RG. V. 3 5 . 226

V g l . LOERSCH U. SCHRÖDER, N r .

221

259.

Vgl. H E U S L E R , I I . 122 f., 630 ff. ALBRECHT, Gewere 188 ff. v. MARTITZ, Ehel. Güterr. 245. LABAND, Vermög. Klagen 315—21. LOERSCH U. SCHRÖDER, Nr. 324. Ssp. I I . 30. 228 Sonst galt bei der Fahrhabe Verbot der Vergabungen auf dem Siechbette und der Satz „Donner et retenir ne vaut". Vgl. HEUSLER, II. 197 ff. Die erste Ausnahme im Bereiche des sächsischen Rechts machte die gelobte Morgengabe (S. 692). Vgl. ALBRECHT, Krit. Jahrb. XI. "330. HEUSLER, H . 633. 22fl Vgl. Dsp. 2 5 . Schwsp. 2 2 . Bair. Landr. 1 1 6 . H E U S L E R , I I . 1 2 4 , 6 3 5 FF. ALBRECHT, a . a . O . X I .

330.

§ 61.

701

Das Privatrecht. 230

Bedachten, wenn dieser den Anfall nicht erlebte , andererseits zeigte sich die erbrechtliche Auffassung darin, daß der Bedachte den Nachlaßgläubigern nachstehen mußte 231 , auch wurde nicht selten Widerruf und freie Verfügung unter Lebenden für den Yergabenden vorbehalten und die Bedingung, daß Bedachter den Anfall erleben müsse, gestellt 23 ' 8 . So befanden sich die Gemächte in voller, aber noch nicht ganz abgeschlossener Entwickelung zu wahren Erb vertragen 232 . Ihre Hauptanwendung fanden die Gemächte in Ehe vertragen, Erbverbrüderungen 233 und Einkindschaftsvertrügen 234 . Neben den Anfängen des Erbeinsetzungsvertrages begegnete im Mittelalter auch schon der Erbverzicht, obschon auch dieser sich noch vorzugsweise auf sachenrechtlichem Gebiete und in den Formen der Auflassung bewegte 235 . Verfügungen zum Heile der Seele (Seelgeräte) wurden unter dem Einflüsse der Kirche auch als einseitige und, soweit sie sich in billigen Grenzen hielten, von der Genehmigung der Erben freie Akte zugelassen. Gerichtlichkeit war dabei nicht erforderlich, es genügte die Bekundung vor Zeugen 236 . Eigentliche Testamente, wenn auch meistens ohne Erbeseinsetzung, begegneten während des ganzen Mittelalters unter der Geistlichkeit, welche die Befugnis dazu dem römischen Rechte entlehnte, in der Form sich aber an die deutschen Gewohnheiten anschloß 237 . Die Abfassung geschah bald mündlich vor Zeugen, bald zu Protokoll vor dem Offizial, bald durch Privaturkunde, häufig wie bei den Gemachten durch Vermittelung eines Treuhänders, der an die Stelle des alten Salmannes getreten war, und aus dem sich im Laufe des Mittelalters das Institut des Testamentsvollstreckers entwickelte238. Mit den Laientestamenten fand sich das weltliche Recht im allgemeinen nur unter der Voraussetzung ab, daß die für das Gemächt gebräuchlichen Formen beobachtet wurden. So entstanden seit dem 13. Jahrhundert neben den zweiseitigen unwiderruflichen auch einseitige widerrufliche Gemächte, die vor Gericht oder Bat oder in der Wohnung des Testierenden vor einer Gerichts- oder Ratsdeputation verlautbart wurden 239 . 230

V g l . HEUSLEB, I I . 6 3 4 ,

231

V g l . ebd. 635, 639. ALBRECHT, a. a. 0 .

233 YGJ 234

639.

ALBRECHT, a. a. 0 . X I .

HEUSLER, I . 2 3 4 .

327. 282

X I . 3 2 9 , 3 3 1 f.

V g l . HEUSLEB, I I . 6 3 8 ff.

LÖNING, E r b v e r b r ü d e r u n g e n ,

V g l . HEUSLER, I I . 4 7 6 f.

1867.

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 1 7 8 , 2 2 3 , 2 2 5 , 2 2 9 .

Hin-

sichtlich der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Einkindschaftsverträge verweise ich auf die Ausführungen in meiner Geschichte d. ehel. Güterrechts H. 2, 2 6 6 ff. 3 , 3 8 8 . 235

Vgl.

II. 2, 2 1 5

ff.

STOBBE,

V.

9 7 ff, 3 0 2

238

HEUSLER, I I . 6 4 2 FF.

237

Vgl. HEUSLER, II. 645ff.

238

V g l . S . 3 2 9 f.

VII. 421—27. 239

ff.

HEUSLER, I I .

570

ff.

BESELER,

Erbverträge

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 1 2 6 , 1 5 4 , 1 8 9 , 2 1 1 .

MOSER, Osnabr. Gesch. II. Docum. Nr. 76 (1184).

HEUSLER, I I . 6 4 8 , 6 5 2

ff.

STOBBE, V . 2 6 0 ff.; Z e i t s c h r . f . E G .

LOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 2 1 8 , 2 5 8 , 2 7 4 ,

V g l . HEUSLER,

II. 649

ff.

300.

LOERSCH U. SCHBÖDEB, N r .

167,

209,

218,

245,

Das Mittelalter.

702

Das Strafrecht1.

§62.

D i e d u r c h die karolingische R e i c l i s g e s e t z -

g e b u n g a n g e b a h n t e A u s b i l d u n g eines öffentlichen Strafrechts h a t t e d e m E i n f l ü s s e der L a n d f r i e d e n s g e s e t z e liche

Fortschritte

gemacht2.

Zwar

und Landfriedenseinungen

galt

auch

m e i s t e n S t r a f f ä l l e n n o c h der alte Satz „ W o

im

Mittelalter

unter erheb-

von

den

kein K l ä g e r i s t , da ist k e i n

R i c h t e r " , aber das zuerst in der kirchlichen Gerichtsbarkeit a n g e n o m m e n e Rügeverfahren von Amts wegen

hatte

doch

in

d e m Gebiete

des

welt-

l i c h e n R e c h t s eine u n g l e i c h größere V e r b r e i t u n g als in der vorigen P e r i o d e gewonnen3.

D a s W e r g e i d s s y s t e m h a t t e n u r in den friesischen u n d nieder-

l ä n d i s c h e n R e c h t e n seine alte B e d e u t u n g v o l l s t ä n d i g b e w a h r t ; i m S a c h s e n spiegel e r s c h e i n t es bereits wie eine halbe A n t i q u i t ä t u n d der S c h w a b e n spiegel b e h a n d e l t deutung

es als

eine

bloße historische R e m i n i s c e n z 4 .

des W e r g e i d e s beschränkte

sich

auf

die F ä l l e

Die

Be-

unabsichtlicher

T ö t u n g u n d der T ö t u n g i n N o t w e h r , aber a u c h i n diesen F ä l l e n k a m es m e i s t e n s zu freien S ü h n e Verhandlungen, durch die das g e s e t z l i c h e W e r g e i d 248 f., 258, 274, 323. Auch die Testamentsvollstrecker wurden jetzt einseitig ernannt, nicht wie bei den älteren Gemachten als Kontrahenten zugezogen. 1

V g l . S . 3 3 0 ff.

GRIMM, R A . 6 2 2 — 7 4 4 ;

Weistümer

V I I . 2 2 4 ff.. 2 4 8 f . ,

2 7 3 f.,

365 ff. v. BAB, Gesch. d. deutsch. Strafrechts 87 ff. KÖSTLIN, Gesch. d. deutsch. Strafrechts 114ff.; Zeitschr. f. deutsch. E. XII. XIV. XV.; Krit. Überschau f. RW. I I I . 1 4 9 f f . , 3 3 4 f f . BRÜNNEB, i n HOLTZNDORFF'S E n c y k l o p ä d i e 2 3 9 f . EICHHORN, I I . § § 3 7 8 ff. I I I . § 459. W A I T Z , V G . V I . 4 4 2 ff., 4 6 4 — 9 8 . HÄLSCHNEB, G e s c h . d. b r a n d .

preuß. Strafrechts, 1855. JOHN, Da s Strafrecht in Norddeutschland z. Z. der Rechtsbücher, 1858. H. MEYER, Lehrb. d. deutsch. Strafr. 4. Aufl. 77 ff. OSENBRÜGGEN, Alamann. Strafrecht, 1860; Studien z. deutsch, u. Schweiz. Rechtsgeschichte, 1868; Altdeutsches u. neudeutsches Strafrecht, Zeitschr. f. RG. I. 373 ff. ZÖPFL, Das alte Bamberger Recht als Quelle der Carolina, 104 ff.; RG. § 130. GÖSCHEN, Goslar. Statuten 291—365. HASENÖHRL , Österreich. Landesrecht 147 ff. ABEGG, Zeitschr. f. deutsch. R. XV. XVI. X V I I I . ; Zeitschr. f. RG. IV. V. VII. WÄCHTER, Beiträge z. deutsch. Geschichte, 1845; Beilagen z. Vöries, über d. deutsch. Strafrecht, 1877. BÖHLAD, Über die Entwicklung der Strafrechtsidee bis 1235 (Nove constitutiones domini Alberti, Beilage VI). FRANKLIN, Freie Herren von Zimmern 123 ff. .ALLFEID, . Entwicklung des Begriffs von Mord bis zur Carolina, 1877. FRAÜENSTÄDT, Blutrache Q. Totschlagsühne im deutschen Mittelalter, 1881. BRÜNNER, Sippe u. Wergeid, Zeitschr. f. R G . X V I .

TELTING, i. d. T h e m i s X V I . (1869) S t ü c k 1.

R . LÖNING, Ver-

tragsbruch, 1876. W. SICKEL, Bestrafung des Vertragsbruches, 1876. HAMMER, Zur Lehre vom Schadensersatz n. d. Ssp. (GIERKE, Untersuchungen XIX. 1885), besprochen von LÖNING, Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtsw. VII. 683 f. CBOPP, Über den Diebstahl nach älterem Recht, i. d. Kriminalist. Beiträgen II. PLANCK, Waffenverbot und Reichsacht im Ssp., Sitz.-Ber. der Münch. Akad. 1884, I. 102 ff. FRENSDORF*', Recht und Rede, i. d, Histor. Aufsätzen z. Andenken an WAITZ (1886) 433 ff.; Einleitung zu FBANCKE, Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875. BÜDDE, Über Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842. v. WALLENEODT, Injurienklagen auf Abbitte, Widerruf und Ehrenerklärung, Zeitschr. f. RG. III. 238 ff. ROSENTHAL, Die Rechtsfolgen des Ehebruches, 1880. BENNECKE, Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, I. 1884. WBINHOLD, Über die deutschen Fried- und Freistätten, Kieler Univ.Progr. 1864. SCHIERLINGER, Die Friedensbürgschaft, 1877. s

V g l . S . 6 1 4 ff., 6 3 2 f.

8

Vgl. Ssp. I. 2 § 4. III. 86, § 1. 91, § 1. Schwsp. L. 170 c. Vgl. Ssp. III. 45. Schwsp. L. 310.

4

GIERKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t I . 5 0 1 ff.

§ 62.

703

Das Strafrecht.

endlich ganz beseitigt wurde8. Alle anderen Tötungen unterlagen peinlicher Strafe. Das mittelalterliche Strafrecht war, abgesehen von der völligen Preisgebung der Friedlosen und dem Privileg der Geistlichen auf Umwandlung der von ihnen verwirkten peinlichen Strafen8, für alle Stände prinzipiell das gleiche. Der frühere Gegensatz von Freien und Unfreien bestand für das Strafrecht nicht mehr 7 . Auch die Rechtlosen, obwohl ohne gesetzliches Wergeid, waren des vollen Schutzes des gemeinen Strafrechts teilhaftig8. Die Delikte wurden eingeteilt in Ungerichte (Halsgerichte, hohe Wrogen), die an Hals oder Hand gingen, und die an Haut und Haar oder nur mit Buße und Wette bestraften Frevel. Als dritte Kategorie kann man diejenigen betrachten, welche keiner bestimmten Strafe unterlagen, aber den Verlust der Gnade des Königs oder Landesherrn nach sich zogen und lediglich nach dessen Ermessen bestraft wurden9. Die Ungerichte unterlagen der peinlichen Strafe des Todes oder der Verstümmelung. Die Todesstrafe wurde in der Regel durch Enthauptung mit dem Schwerte oder durch den Strang vollzogen; die Enthauptung galt als die ehrenvollere und mildere Strafe. Andere Todesstrafen waren Verbrennen, Lebendigbegraben, Ertränken, Rädern, Vierteilen, Pfählen. Die regelmäßige Verstümmelungsstrafe bestand im Abhauen einer Hand oder eines Daumens, doch kam auch Blendung, Abschneiden der Nase oder Ohren, Ausreißen der Zunge vor. Häufig wurde Vermögenseinziehung mit der peinlichen Strafe verbunden oder als selbständige Strafe verhängt10. Nur allmählich brach sich dabei die Auffassung Bahn, daß die Erben des Ubelthäters zu verschonen seien. Demnach behielten diese das Recht, binnen Jahr und Tag die Herausgabe des eingezogenen Grundbesitzes auf Grund ihres Erbenwarterechts zu verlangen. Wo Gütergemeinschaft unter Ehegatten bestand, wurde der Anteil des unschuldigen Ehegatten frei gegeben. Hin und wieder begegnet auch im Mittelalter noch die Strafe des Niederbrennens oder Niederreißens des Hauses, während Abdecken des Daches und massenhaftes Durchlaufen durch das Haus nur dem Bereiche der Volksjustiz angehörten. Vermögenseinziehung und Zerstörung des Hauses standen vielfach in Zusammenhang mit der Acht. Die letztere war wie in der vorigen Periode auch jetzt noch in erster Reihe nicht Strafe, sondern 5 Die hier einschlagenden Bestimmungen des Ssp. (II. 14 § 1, 38, 40 § 1, 65 § 1) kehren zwar größtenteils im Schwsp. wieder, aber unter Beseitigung aller Bezugnahmen auf das Wergeid. 6 Statt Todesstrafe Absetzung, statt Verstümmelung Suspension, Pasten, körperliche Züchtigung. Vgl. WAITZ, VI. 446 f. 7 Nach Schwsp. L. 73 unterlag auch der Herr, der seinen Eigenmann getötet hatte, der peinlichen Strafe. 8

10

V g l . Ssp. I I I . 4 5 § 11.

Vgl. S. 514.

9

V g l . S. 3 4 0 .

MG. Leg. II. 102, c. 1, 3.

WAITZ, V I . 4 6 4 ff.

704

Das Mittelalter.

prozessualisches Zwangsmittel, namentlich in der begrenzten Gestalt der von einem Richter für seinen Bezirk ausgesprochenen Verfestung, deren Erweiterung zur Reichsacht erst auf Antrag des Richters durch das Reichshofgericht auszusprechen war. Zunächst enthielten Acht und Yerfestung nur das allgemeine Verbot der Beherbergung oder Unterstützung des Verfolgten, und zwar bei Vermeidung der Acht, aber indirekt konnte beides zur Strafe werden: einmal durch den Satz, daß der ergriffene und gewaltsam vor Gericht gebrachte Verfestete oder Ächter nach seiner Überführung stets der Todesstrafe verfiel11, namentlich aber durch die Umwandlung der Acht (nicht schon der Verfestung) in die Oberacht, d. h. volle Friedlosigkeit, wenn der Geächtete Jahr und Tag verstreichen ließ, ohne sich durch freiwillige Gestellung aus der Acht zu lösen 13 . Ausnahmsweise wurde die Acht auch unmittelbar als Strafe verhängt 13 , so namentlich über alle, die durch Jahr und Tag mit dem Kirchenbanne belegt waren 14 . Die Strafe der Verbannung, Landes- oder Stadtverweisung stand mit der Acht oder Verfestung in keinem Zusammenhange, obwohl man die Stadtverweisung als Verfestung zu bezeichnen pflegte 15JV Diese Strafe kam ursprünglich nur in Strafumwandlungsfällen im Wege der Begnadigung oder Sühne und als arbiträre Strafe bei Verlust der Gnade vor. Zu einer selbständigen Strafe wurde sie zuerst in den Städten ausgebildet. Auch die Gefängnisstrafe stand nur als Gnadenstrafe, später vereinzelt als Strafe für Polizeidelikte in Gebrauch; sonst kannte auch das Mittelalter die Haft nur als Untersuchungshaft 16 . Die Strafen an Haut und Haar bestanden in Ausstäupung, schimpflichem Scheren der Haare, Brandmarkung, Ohrenschlitzen u. dgl. m. Dazu traten häufig andere beschimpfende Strafen, wie Schupfen, Pranger, Eselreiten, Schwemmen, Hunde- und Steinetragen u. a. m., Strafen, die als Verschärfungsmittel auch mit peinlichen Strafen verbunden werden konnten. Geldbußen waren stets von einer an den Richter zu zahlenden Wette^ dem alten Friedensgelde, begleitet. Daneben bestanden zahlreiche unmittelbare Geldstrafen, die aus den alten Bannbüßen entstanden waren und ebenfalls als Wette bezeichnet wurden. Jede Verurteilung zu einer peinlichen Strafe oder einer Strafe an Haut und Haar machte den Schuldigen, auch wenn dieser die Strafe 11

Vgl. Ssp. I. 66. III. 63 § 3. Vgl. S. 533. PERTHES, De proscriptione et banno regio, Bonn. Diss. 1834. Ssp. I. 38 §§ 2, 3. III. 34. Dsp. 43. Schwsp. L. 45, 285. MG. Leg. II. 184, 316 f. Das frühere Mittelalter kannte die Abstufung von Acht und Oberacht noch nicht. 12

V g l . WAITZ, V I . 4 9 2 — 9 5 .

Vgl. S. 498, 567. Ssp. II. 71 § 2. III. 60 § 3. MG. Leg. II. 184. Vgl. S. 468. BÖHMER, Acta imperii Nr. 231. FRANKLIN, Reichshofgericht II. 378 ff. Über die kürzere Frist von 6 Wochen 3 Tagen vgl. S. 628, N. 42. 15 Die Ausgewiesenen wurden in eigene Verfestungsbucher eingetragen. 13

14

16

V g l . WAITZ, V I . 4 7 4 ff.

§ 62.

Das Strafrecht.

705

abkaufte, rechtlos und, wenn eine ehrlose Handlung vorlag, zugleich ehrlos17. Mit der Oberacht war die Recht- und Ehrlosigkeit von Rechts wegen verbunden. Von den Folgen der Rechtlosigkeit ist schon anderweitig (S. 449) die Rede gewesen. Die Ehrlosigkeit machte unfähig zu allen Stellungen, die ein besonderes Vertrauen erforderten, wie öffentliche Ämter, Vormundschaften. Lehnsverhältnisse u. dgl. m. 18 . Ein Ehrloser hatte, selbst wenn er eines sonst nur an Haut und Haar gestraften geringen Diebstahls schuldig befunden wurde, die peinliche Strafe zu erleiden 19 . Eine bedeutende Minderung der bürgerlichen Rechtsfähigkeit war auch mit dem Kirchenbanne verbunden; Gebannte galten als lehnsunfähig und durften weder im Königsgericht noch in Land- oder Lehnsgerichten als Richter, Urteiler, Zeugen, Fürsprecher oder Kläger auftreten 20 . Bei den Ungerichten wurde durchaus auf den verbrecherischen Willen gesehen. Kulpose Handlungen unterlagen keiner peinlichen Strafe. Durch die Landfriedensgesetzgebung wurde die öffentlichrechtliche Auffassung der Verbrechen wesentlich gefördert, indem dieselben als Auflehnungen gegen die öffentliche Rechtsordnung, also als Friedensbrüche, erschienen. Einen besonderen Begriff verband man mit den Landfriedensbrüchen, worunter alle Fälle unerlaubter Fehde verstanden wurden. Das alte Fehderecht war nur noch bei Tötungen, als eigentliche Blutrache, zugelassen. Dagegen hatte sich ein dem älteren Rechte in dieser Weise unbekanntes subsidiäres Fehderecht ausgebildet, welches überall zugelassen wurde, wo der Kläger im Wege der ordentlichen Rechtshilfe nicht zu seinem Rechte gekommen war. Das Fehderecht stand nur Personen zu, die das Waffenrecht besaßen. Es durfte nur nach förmlicher, mindestens drei Tage vorher erfolgter Widersagung in Ausübung gebracht werden. Gegen befriedete Personen oder Sachen, an befriedeten Orten oder innerhalb befriedeter Tage mußte jede Fehde ruhen. Der Landfriedensbruch gehörte zu den LT n g e richten. Ein besonderer Friedensbegriff entstand in den Burgen und Städten und wurde von da aus allmählich auch auf das Innere der Dörfer ausgedehnt, indem Gewaltthaten gegen Genossen oder innerhalb des Burg-, Stadt- und Dorffriedens als Friedbrüche mit Todesstrafe belegt wurden. Dagegen galt der Bruch des gelobten Friedens oder des Handfriedens nicht als selbständiges Delikt, wohl aber in Verbindung mit einem anderen Vergehen als erschwerender Umstand. Ähnlich war es mit dem Verrate, der als selbständiges Ungericht nur dann galt, wenn er gegen das gemeine Wesen gerichtet war, in privaten Beziehungen aber qualifizierend wirkte, wenn der Verbrecher gerade die Schutz- oder Sorglosigkeit des Verletzten zur Ausübung seiner That benutzt hatte. Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag (manslaht) wurde nicht mehr 17

V g l . B U D D E , 56 ff., 91

ff.

GÖSCHEN, 347 ff., 355 ff., 363 f.

D i e b e und

Rauber

wurden nach Ssp. I. 38 § 1 selbst dann rechtlos, wenn sie einer außergerichtlichen Aussöhnung mit dem Bestohlenen oder Beraubten überführt wurden. 18

V g l . BÜDDE, 102

20

V g l . W E I L A N D , i. d . H i s t . A u f s ä t z e n z . A n d . a n W A I T Z , 267 ff.

ff.

B. SCHHÖDBB, Deutaehe Bechugesehiohte.

19

V g l . GÖSCHEN, 309, 349.

45

706

Das Mittelalter.

in der Heimlichkeit des erstereu, sondern in der dabei ^u Tage tretenden verräterischen oder niedrigen Handlungsweise gefunden 21 . Dagegen gehörte die Heimlichkeit nach wie vor zu dem Thatbestande des Diebstahls, im Gegensatze zum Raube. Wahrer Diebstahl war nur der hei Nacht, Diebstahl bei Tage stand dem Raube gleich. Zu dem Begriffe des Diebstahls gehörte weiter die Entwendung, also die Entfernung vom Orte. Peinlich (mit dem Strange) wurde nur der große Diebstahl bestraft, geringer Diebstahl nur an Haut und Haar, es sei denn, daß der Thäter bereits wegen früherer Vergehen ehrlos geworden war (>S. 705). Die Höhe des Objektes als Kriterium für großen und kleinen Diebstahl war verschieden. Zu den Ungerichten gehörte ferner namentlich Zauberei und Ketzerei 22 , Raub, Notzucht, Brandstiftung, Landzwang, Hausfriedensbruch, Münzfälschung, Ehebruch mit der Frau eines anderen, Bigamie, widernatürliche Unzucht u. dgl. m. Die Goldene Bulle (c. 24) beschäftigte sich, im Anschlüsse an das crimen laesae maiestatis der Römer, ganz besonders mit den auf das Leben eines Kurfürsten abgesehenen Unternehmungen, die als Majestätsverbrechen behandelt und mit Enthauptung und Vermögenseinziehung (lisco nostro) bestraft werden sollten. Schon die verbrecherische Gesinnung, auch wenn sie keinen Erfolg gehabt hatte, sollte hier bestraft werden, Mitwisser und Helfer sollten der gleichen Strafe wie der Thäter unterliegen, die. Söhne desselben völlig erbunfähig und von der infamia paterna mitbetroffen, demnach auch zu Ämtern und Eiden unfähig sein, die Töchter nur den Pflichtteil erhalten. Der vor der Entdeckung verstorbene Übelthäter sollte selbst nach dem Tode noch bestraft werden. Derartige Bestimmungen lieferten ein würdiges Vorbild für die Entartung des Strafrechts in den Land- und Stadtrechtsquellen des späteren Mittelalters 23 . Während die Grausamkeit des Strafens,ystems immer mehr verschärft wurde, dehnte mau den Begriff der todeswürdigen Verbrechen ins Ungemessene aus. Verletzungen des vom Richter über ein Grundstück gewirkten Friedens wurden, während sie bloße Bannbrüche waren, als Eriedbrüche aufgefaßt 24 . Dasselbe galt von geringen Gewalttaten an befriedeten Orten oder gegen befriedete Personen oder Sachen oder zu befriedeten Zeiten, auch verborgenes Messertragen, Grenz-, Mark- und -Jagdfrevel, selbst Übertretungen polizeilicher Gebote wurden zum Teil auf das 21 Vgl. v. BAR, 93 f. Der Vorbedacht (vursale, vorsetze), auf den wir heute das Gewiçlit legen, kam uur hei Körperverletzungen, Hausfriedensbruch und einigen anderen Verbrechen als erschwerender Unistand in Hetraclit. Vgl. JOHN, 67 FF. 22 Über den Feuertod für Ketzer vgl. >S. 622. Rlckek, i. d. Mittoil. d. österr. bist. I. 1.77 ff. II. 470 ff. HAVJST, Bibliothèque de l'école des chartes XL. 188 ff., 570 ff. WINKELMANN, Mitteil. d. österr. Inst. IX. 136 f. Außer der Ketzerei gehörten auch noch andere delicta eeclesiastica, wie Schisma, Apostasie und Simonie, nachdem sie von dem geistlichen Kichter abgeurteilt waren, zur Strafvollstreckung vor das weltliche Forum. 23 Das Strafsysteni des Ssp. II. 13 erscheint trotz seiner Strenge noch maßvoll liegen Sehwsp. L. 174, der wieder von der späteren E n t w i c k l u n g weit überholt wurde. 24 Vgl. Ssp. 111. 20, S 3.

§ 62.

Das Strafrecht.

707

grausamste an Leib und Leben gestraft. Wer ungeachtet seiner Verweisung am Orte betroffen wurde, verfiel gleich dem eingebrachten Verfesteten dem Tude, ohne Rücksicht auf die Größe seines Vergehens 25 . Fremde, die sich einer noch so geringen Übelthat schuldig machten, wurden als außer dem Gesetze stehend behandelt. Unter dem Einflüsse des mosaischen Rechts kam man vielfach zur Talion 2,i . Andererseits verführte die aufdämmernde Erkenntnis, daß der Richter vor allem den verbrecherischen AVillen zu berücksichtigen habe 2 7 , unter Umständen zu argen Ungerechtigkeiten, indem man die Strafe nicht nach der That, sondern ausschließlich nach der ihr zu Grunde liegenden Gesinnung beinaß 2 8 . Einen allgemeinen Begriff des strafbaren Versuches gab es noch nicht, doch wurden einzelne Fälle, wie Schwertzücken, Messerwerfen, Wegelagerung u. dgl. m., als selbständige Verbrechen aufgefaßt. Über die Strafbarkeit der Teilnahme gelangte man trotz einzelnen Ansätzen noch nicht zu festen Begriffen 2 9 . Ein wesentliches Korrektiv für die Mängel des mittelalterlichen Strafrechts lag in dem allerdings vorwiegend nur den vermögenderen Klassen zugänglichen Strafumwandlungssysteme der Sühne oder Gnade 30 . Wenn Kläger und Richter einverstanden waren, konnte jede Strafe durch eine milden: ersetzt, werden. In der Regel handelte es sich dabei um die Umwandlung in eine Vermögensstrafe (Lösung der Hand oder des Halses), bei welcher der Kläger seine Buße und der Richter seine Wette erhielt. Daneben gingen in der Regel noch andere Auflagen, wie feierliche Abbitte, Pilgerfahrten u. dgl. m. Die Sühne wurde von beiden Teilen beschworen (Urfehde). Wo das Gericht von Amts wegen eingeschritten war, übte der Richter das alleinige Recht der Strafumwandlung oder des Straferlasses im Wege der Gnade aus. Vielfach stand auch dem Fronboten ein beschränktes Begnadigungsrecht zu 3 1 . Wo handhafte That vorlag, kam es nur in Ausnahmefällen zur Lösung des Halses, dagegen bildete diese die Regel, wenn der Verbrecher erst später ergriffen wurde oder sich freiwillig stellte. Besonders förderlich wirkten in dieser Beziehung die zahlreichen Freistätten, deren Bedeutung nicht darin lag, daß sie dem Verfolgten ein dauerndes Asyl gewährten, sondern darin, daß ihm Gelegenheit gegeben wurde, mit seinen Verfolgern zu verhandeln 3 2 . 26 Vgl. Ssp. III. 63, § 3. PLANCK, Gerichtsverfahren II. 300. Der auf handhafter That ertappte Friedbrecher konnte ungestraft erschlagen werden. Vgl. Ssp. II. 69.

26 VGL

( .ISENBRÜGGEN, S t u d i e n

150

ff.

v. BAR,

1 0 0 f.

HASENÖHRL,

147.

V g l . GÖSCHEN, 2 9 6 f., 3 0 0 , 3 0 2 f. 28

Vgl. a. u. Brünner Schöffenb. c. 539 und S. 706 über die Goldene Bulle.

20

V g l . Zöi'FL,

80

V g l . J O H N , 3 4 4 ff.

1 2 9 f.

GÖSCHEN,

297.

HÄLSCHNER, 4 4 f.

KOHLER, S h a k e s p e a r e

vor

dem

Forum

der Jurisprudenz 115. FRAUENSTÄDT, 105 ff. BÖHMER, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Alt. VI. 2 1 ff. 31 Vgl. SCHRÖDER, Zeitschr. f. deutsche Philol. II. 303 f. HAUPT, Zeitschr. f. deutsch. Alt. IV. 579. OSENBRÜGGEN, Alam. Strafr. 192 f. 32 Vgl. WEINHOLD, Fried- u.Freistätten, Kiel. Univ.-Progr. 1864. FRAÜENSTÄDT, 51 ff. 45*

708

Das Mittelalter.

Eine wichtige Ergänzung erfuhr das weltliche Strafrecht durch das der Kirche, deren Strafen zum Teil mit denen des weltlichen Rechts kumuliert wurden, zum Teil da eintraten, wo das letztere Straflosigkeit annahm, zumal wo es an einem Kläger fehlte. Das kirchliche Strafrecht hat durch die verständige Berücksichtigung der subjektiven Seite der Vergehen sowie durch geklärtere Auffassung von Versuch und Teilnahme die in der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. vollzogene Strafrechtsreform vorbereitet. § 63. Das Gerichtsverfahren1. Der mittelalterliche Prozeß überließ die Prozeßleitung ganz dem Richter, der aber nichts aus eigener Entschließung verfügen konnte, sondern bei allem an die von ihm zu 1 Vgl. S. 346 ff. BRUNNEB, in HOLTZENDORFF'S Encyklopädie 240 ff.; Wort und Form im altfranz. Prozeß, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. 1868; Die Zulässigkeit der Anwaltschaft im franz., normann. u. engl. R. des MA., Zeitschr. f. vergleich. EW. I. P L A N C K , Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 2 Bde., 1879; Lehre vom Beweisurteil, 1848; Zeitschr. f. deutsch. R. X. HOMEYEE, Sachsenspiegel II. 2 (1844), S. 581—626; Richtsteig Landrechts (1857) 430—520. GÖSCHEN, Gosl. Statuten 366 bis 512. ZÖPFL, RG. §§ 126, 131; Das alte Bamberger Recht 131 IT., 226 if. SIEGEL, RG. 433 ff.; Erholung und Wandelung, Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. XLII. (1863); Die Gefahr vor Gericht u. im Rechtsgang, ebd. LI. (1865). FRANKLIN, Reichshofgericht II. 189—384. VOGEL, Beiträge z. Gesch. d. Reichshofgerichts, Zeitschr. f. RG. XV. K C H N S , Gesch. d. Gerichtsverfassung u. d. Prozesses i. d. Mark Brandenburg, II. 337—553. DONANDT, im Bremer Jahrbuch V. 1870. ROSENTHAL, Beitrag z. deutsch. Stadtrechtsgeschichte 107 ff., 277 ff. TOMASCHEK, Deutsches Iiecht in Österreich 144 ff., 174 ff. W I G A N D , Das Femgericht Westfalens, 356—473. W Ä C H T E R , Beiträge z. deutsch. Geschichte 59—80, 183—218, 220 ff., 259 ff. v. BUNGE, Geschichte d. Gerichtswesens in Liv-, Est- u. Kurland, 1874. W A I T Z , VG. VIII. 82ff. GRIMM, RA. 839—937; Weistümer VII. 279 f. LOEBSCH, Der Prozeß in der Mörin des Hermann von Sachsenheim (i. d. Drei Abhandlungen z. Gesch. d. deutsch. Rechts, von BLUHME, SCHRÖDER, LOERSCH, 1871). BENNECKE, Zur Gesch. d. deutsch. Strafprozesses, 1886 (besprochen von R. LÖNING, i. d. Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtsw. VII. 685 f.). LABAND, .Vermögensrecht!. Klagen, 1869. BEHBHND, Observationes de actione simplici (schlichte Klage), Berl. Inaug.-Diss. 1861; Anevang und Erbengewere, 1885; Ein Stendaler Urteilsbuch, 1868. B U D D E , De vindicatione rerum mobilium, Bonn. Inaug.-Diss. 1837. FBUIN, De anfang en de slichte klage umme varende have, Amsterdam 1871. HEUSLER, Zur Geschichte des Exekutivprozesses in Deutschland, Zeitschr. f. RG. VI.; Die Bildung des Konkursprozesses nach Schweiz. Rechten, Zeitschr. f. schw. R. VII. W Y S S , Gesch. d. Konkursprozesses in Zürich, 1845. STOBBE, Zur Geschichte des älteren deutsch. Konkursprozesses, 1888; Vertragsrecht 56 ff. v. MEIBOM, Deutsch. Pfandrecht 39—177. ALBRECHT, Commentatio iuris Germanici doctrinam de probationibus adumbrans, 2 Königsb. Programme, 1825—27. v. BAR, Beweisurteil, 1866; Zeitschr. f. RG. X. 92 ff.; Gesch. d. deutsch. Strafrechts 96 ff. J O L L Y , Beweisverfahren n. d. R. des Ssp., Heidelb. Inaug.-Diss. 1846. HÄNEL, Beweissystem des Ssp., 1858. DELBRÜCK, Zeitschr. f. deutsch. R. XIV. 213 ff. XIX. 98 ff. v. D. PFORDTEN, Die Beweisführung n. d. oberbair. Landrecht, Zeitschr. f. RG. XII. v. K R I E S , Der Beweis im Strafprozeß des Mittelalters, 1878. R. LÖNING, Reinigungseid bei Ungerichtsklagen, 1880; Vertragsbruch, 1876. DEUTSCHMANN, Klagengewere, 1873. GÜNDEB, Das Institut der laudatio uxoris, Straßb. Inaug.-Diss. 1883. A. SCHMIDT, Echte Not, 1888. LUSCHIN, Berufen von Brief und Siegel, Zeitschr. f. RG. XII. OSENBBÜGGEN, Die Gastgerichte (Studien 19 ff); Prozeß gegen einen abwesenden Totschläger (ebd.

§ 63.

Das Gerichtsverfahren.

709

erfragende Entscheidung der Urteiler gebunden war. Alle einzelnen Stufen des Prozesses vollzogen sich mit Frage und Urteil. Die Anträge der Parteien, in Form von Urteilsfragen und daher selbst „Urteile" genannt, wurden an den Richter gestellt und durch Frage des Richters den Urteilern vorgelegt. Der Formalismus des Rechtsganges war wo möglich gegen früher noch verschärft. Der geringste Form verstoß brachte die Gefahr, den Prozeß zu verlieren. Man bezeichnete daher den Formalismus selbst als „Gefahr" (vare, verborum insidia). Den niederländischen Kolonisten wurde in der Regel das Privileg erteilt, „sine vara" schwören oder wohl überhaupt prozessieren zu dürfen. Das mag den ersten Anstoß gegeben haben, im späteren Mittelalter die Gefahr im Rechtsgange überhaupt zu beseitigen. Solange die „Gefahr" bestand, fanden die Parteien ein Auskunftsmittel in der Verwendung von Fürsprechern, die sie für sich reden ließen. Machte der Fürsprecher dabei einen Fehler, so konnte die Partei seiner Erklärung die Genehmigung versagen und Restitution (Erholung, Wandelung) genießen. Im Königsgericht, später allgemein, konnten die Parteien sich außerdem mit Beratern (Horchern, Warnern) umgeben und mit diesen und dem Fürsprecher zeitweise zwecks „Gespräches" abtreten 2 . Die Übernahme des Fürsprecheramtes war eine öffentliche Pflicht, der sich kein von dem Richter auf Verlangen einer Partei aufgeforderter Dingpflichtiger entziehen konnte 3 . Der Fürsprecher war nur der Mund der anwesenden Partei, die nach jeder von ihm abgegebenen Erklärung um ihre Bestätigung gefragt wurde. Vertreter der Partei war der Fürsprecher nicht. Eine prozessualische Vertretung fand nur bei juristischen Personen, Unfreien und Hörigen (durch den Herrn) und Bevormundeten (durch Vater, Ehemann oder Vormuud) statt. Es war schon ein Fortschritt, daß volljährigen Weibern, Greisen und jungen Männern, die zwar zu ihren Jahren gekommen waren, sich aber noch in schutzbedürftigem Alter befanden (S. 662), gestattet wurde, sich für gerichtliche Geschäfte einen Vormund zu wählen. Im übrigen gab es im Mittelalter ebensowenig wie in der vorigen Periode eine Vertretung durch Bevollmächtigte, nur das Königsgericht ließ dieselbe unter Umständen zu, und einige Stadtrechte schlössen sich der hier befolgten Praxis allmählich an, während die Landrechte ihre ablehnende Haltung größtenteils bis über das Mittelalter hinaus festhielten 4 . 311 ff.). NIETZSCHE, Commentatio iuris Germanici de prolocutoribus, Leipz. Habil.Progr. 1831. KOHLER, Zur Geschichte des Rechts in Alemannien (Beiträge zur german. Privatrechts-Geschichte III. 1888). A. S. SCHÜLTZE, Privatrecht u. Prozeß in ihrer Wechselbeziehung, I. 1883. 2

V g l . Z e i t s c h r . f. R G . X X . 1 1 8 f.

NIETZSCHE, a. a . O . 6 3 ff.

:1

Vgl. MERKEL, Zeitschr. f. RG. I. 152 ff. Der Fürsprecher konnte von seiner Partei einen Lohn beanspruchen. Es gab auch gewerbemäßige Fürsprecher. 4

V g l . PLANCK, G e r i c h t s v e r f a h r e n

I. 1 8 5 f f .

FRANKLIN, I I . 1 6 4 ff.

LOEBSCH U.

SCHRÖDER, Nr. 214. Die Vollmacht mußte ursprünglich vor Gericht erteilt werden, später waren auch außergerichtliche Vollmachten unter Brief und Siegel zulässig. Die Bevollmächtigungsformel lautete: „zu Gewinn und Verlust und zu allen Rechten."

710

Das Mittelalter.

Während in der fränkischen Zeit der bürgerliche Prozeß noch ganz in den Banden des Strafprozesses lag, unterschied das Mittelalter bürgerliche, peinliche und gemischte Klagen 6 . Die bürgerlichen Klagen wurden ohne Berücksichtigung des Rechtsgrundes, lediglich nach der Verschieheit des Klagebegehrens und der Exekution, in Klagen um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe eingeteilt. K l a g e u m S c h u l d war jede bürgerliche Klage auf eine Geldleistung, gleichviel worauf sich der Anspruch stützte. Die schlichte Klage bestand in dem einfachen Antrage auf Verurteilung des Schuldners zur Zahlung, doch konnte der Beklagte wenigstens eine summarische Angabe des Schuldgrundes verlangen 6 . Der Beklagte mußte entweder den klägerischen Anspruch zugestehen oder, falls er sich nicht durch prozeßhindernde Einreden der Antwort erwehrte, schwören, daß er nichts schuldig sei. Durch diesen Unschuldseid wurde die Klage abgewiesen. Wenn der Kläger sich nicht mit der schlichten Klage begnügte, sondern seinen Anspruch durch Anführung bestimmter Thatsachen, die er unter Beweis stellte, begründete, so durfte der Gegner sich nicht auf bloße Ableugnung beschränken, sondern hatte positive Thatsachen zur Entkräftung der klägerischen Behauptung oder Begründung seiner Einreden vorzubringen und Beweis dafür anzutreten. Auch die schlichte Klage konnte in dieser Weise umgewandelt werden, indem der Kläger dem Beklagten den Unschuldseid dureh eine motivierte Replik verlegte 7 . Das Gericht hatte zu prüfen, von welcher der behaupteten Thatsachen die Entscheidung abhinge, und diese im Beweisurteil als thema probandum aufzustellen. Standen sich hier Behauptung und Gegenbehauptung gegenüber, so wurde derjenigen Partei, die das bessere Beweismittel hatte, der Vorzug gegeben, sie war „näher zum Beweise" 8 . Ausnahmsweise stand es bei gewissen privilegierten Klagen dem Kläger zu, seinen Anspruch zu beschwören: so dem Wirte, der wegen Garkost klagte und bewiesen hatte, daß der Beklagte überhaupt sein Kostgänger gewesen sei,-ferner dem Dienstboten bei der Klage auf seinen Lidlohn, wenn er bewies, daß er sich in dem Dienstverhältnisse befunden habe, endlich dem Zinslierni oder Vermieter bei der Klage auf rückständigen Zins, wenn er bewies, daß der Beklagte das Zinsgut von ihm besaß 9 . Gewann der Kläger, so wurde der Beklagte zur Zahlung verurteilt. 5 Einen Rest der alten Auffassung mag' man in der gleichmäßigen Verwendung des Wortes vorderwnge für alle Arten von Klagen erblicken. Vgl. LABAND, 55 f. 6

V g l . LABAND,'11 f.

' Vgl. ebd. 41 f. Zulässig war dies nur, bevor der Unschuldseid angenommen und die Prozeßgewere (Anm. 14) geleistet war. s Nach dem sächsischen Landrechte war nur das Gerichtszeugnis als Beweismittel zugelassen, während die Stadt- und jüngeren Landrechte auch Urkunden und außergerichtliche Zeugen zuließen, dem Gerichtszeugnis aber den Vorzug gaben. Vgl. Ssp. I. 7. 9

LABAND, 4 3 FF.

V g l . LABAND, 2 6 FF.

§ 63.

711

Das Gerichtsverfahren.

Ein Urteilserfüllungsgelöbnis war dem mittelalterlichen ßechtsgange im allgemeinen nicht mehr geläufig. Leistete der Verurteilte nicht, so erfolgte die Zwangsvollstreckung zunächst in sein bewegliches Vermögen, indem die abgepfändeten Gegenstände, wenn er sie nicht binnen gegebener Frist auslöste, verkauft oder dem Schuldner an Zalilungs statt übereignet wurden. Reichte das bewegliche Vermögen nicht hin, so erfolgte die Fronung (Anleite, Insatz) des Grundbesitzes und nach Jahr und Tag (nach manchen Rechten schon nach 3 x 1 4 Nächten), wenn keine Lösung erfolgt war, ebenfalls Verkauf oder Übereignung. Reichte auch das nicht hin, so konnte der Kläger die Person des Schuldners pfänden, indem er ihn, unter Vorbehalt der Lösung, in Schuldgefangenschaft oder Zwangsdienst nahm 10 . Eine Buße wurde weder dem verurteilten Beklagten, noch dem abgewiesenen Kläger auferlegt. Bei der K l a g e u m G u t , d. h. auf Herausgabe einer beweglichen Sache, gleichgültig aus welchem Rechtsgrunde, gestaltete sich das Verfahren durchaus entsprechend. Der Kläger konnte sich auch hier ohne jede Begründung seines Anspruches „zu der Sache ziehen". Der Unterschied zwischen der schlichten Klage um Gut und derjenigen um Schuld bestand nur darin, daß sich der Unschuldseid des Beklagten bei der ersteren auf die Ableugnung des Besitzes, also Ablehnung seiner Passivlegitimation, beschränkte 11 . Gestand er den Besitz zu oder wurde derselbe durch den Kläger bewiesen, so hatte der letztere auf die sein Recht negierende Antwort des Beklagten seinen Anspruch zu begründen, worauf sich das weitere Verfahren durchaus so wie bei der motivierten Klage um Schuld gestaltete. Die ihm zuerkannte Sache konnte der Kläger, nötigenfalls mit Hilfe des Gerichts, in seinen Besitz nehmen. Eine Buße wurde auch bei dieser Klage weder über den verurteilten Beklagten, noch über den abgewiesenen Kläger verhängt. Hatte der Verklagte den Besitz der Sache verloren, so verwandelte sich der Anspruch des Klägers ohne weiteres in eine Schadensersatzklage, d. h. eine Klage um Schuld. Die K l a g e u m E i g e n u n d E r b e bezog sich auf alle unbeweglichen Sachen, Eigen wie Lehen. Haudelte es sich um eine Klage gegen den Veräußerer auf Vollziehung der Auflassung, so gestaltete sich das Verfahren ähnlich wie bei der Klage um Schuld, nur mußte der Kläger auch bei der schlichten Klage sofort den Rechtsgrund angeben. Während der Beklagte die schlichte Klage mit seinem Unschuldseide zurückweisen konnte, bedurfte es gegenüber einer mit Thatsaclien belegten und unter Beweis gestellten Klage einer ebenso begründeten Antwort, worauf das Beweisurteil ganz nach den S. 710 geschilderten Grundsätzen erfolgte. *" V g l . S . 4 4 2 .

2 5 8 ff.

IJOERSCH U. SCHRÖDER, N r . 2 6 9 ( 2 5 0 ) .

PLANCK,

Gerichtsverfahren

STOBBB, K o n k u r s p r o z e ß 55 f., 98 ff.

11 Hatte Beklagter die Sache nur fiir einen Dritten inne, so konnte er sich von der Antwort befreien, indem er entweder jenen zur Antwort vorladen ließ, oder ihm in Gegenwart des Klägers die Sache zurückgab. Vgl. LABAN», 58.

712

Das Mittelalter.

Gründete sich der Anspruch gegen den Veräußerer nicht bloß auf das Veräußerungsgeschäft, sondern auf die von ihm bereits vollzogene Auflassung, so trug das Verfahren auf Grund der richterlichen Friedewirkung (S. 671) einen rein exekutorischen Charakter, da der Veräußerer nur noch als Stellvertreter des Klägers die Gewere ausübte. Bei der Klage auf Rückgabe eines dem Beklagten seitens des Klägers nur zeitweilig eingeräumten Grundstückes mußte sich der Beklagte auch einer schlichten Klage gegenüber sofort positiv verteidigen, widrigenfalls dem Kläger gestattet wurde, seinen Klagegrund mit zwei Zeugen zu beweisen. Entsprechend wurde bei jeder einfachen Vindikation verfahren, wenn der Besitz des Beklagten feststand. Auch bei der schlichten Klage konnte der Kläger verlangen, daß der Beklagte sein besseres Besitzrecht positiv begründe, worauf letzterer seine Behauptungen mit sechs oder sieben Zeugen zu beweisen hatte. Anders, wenn Kläger durch den Beweis der Entwerung oder älteren Gewere dem Gegner den Besitz abgewann und so das Recht erlangte, nun seinerseits sein besseres Recht mit Zeugen zu beweisen12. Behaupteten beide Teile gleiche Gewere, so kam es im allgemeinen nicht darauf an, wer den besseren Besitztitel für sich anführte, sondern es kam zum Inquisitionsbeweise durch Nachbarzeugnis, wobei die Aussage der Zeugenmehrheit entschied. War auf diesem Wege nichts zu ermitteln, so hatten beide Teile an Ort und Stelle ihr Recht an dem streitigen Grundstücke zu beschwören, worauf dasselbe, wenn nicht eine der Parteien gerichtlichen Zweikampf forderte, von Gerichts wegen unter die Streitenden geteilt wurde. Privationsklagen des Lehn- oder Zinsherrn waren von vornherein durch Angabe der Verschuldung zu begründen. Der Beklagte hatte das Recht des Unschuldseides, falls ihm derselbe nicht durch Erbieten des Klägers zum Beweise verlegt wurde. Enthielt die Antwort des Beklagten positive Gegenbehauptungen, so entschied das Beweisurteil nach den oben dargelegten Normen. • • Richtete sich die Klage -gegen die Veräußerungsbefugnis des Gewährsmannes des Beklagten, so hatte Kläger, falls der Beklagte seine Aktivlegitimation bestritt, zunächst diese zu beweisen. Im übrigen hatte sich der Beklagte, wenn er sich nicht durch den Nachweis der rechten Gewere (S. 672) frei machen konnte, auf seinen Gewährsmann zu ziehen und diesen an dem Gerichte der belegenen Sache zu stellen. Bekannte sich der Gewährsmann zu der Gewährschaft, so kamen in betreff des nun von ihm übernommenen Prozesses die gewöhnlichen Grundsätze zur Anwendung. Erlitt dagegen der Beklagte Bruch an seinem Gewähren, so gelangte der 12 Vgl. Mon. Wittelsb. I. 331 (1280): ut dominus Heinricus dux per duos testes probet, quod sibi competat probatio iuris de ponte in Rosenheim, que per septem viros idoneos, qui ex 21 elecli fuerint et assumpti, fieri debet in termino ad hoc specialiter deputato. W I L M A N S , Additamenta zu E R H A R D ' S Reg. Westf. II. 66, Nr. 78 (1131): Eid septima manu, quod eiusdem mansi prior fuit in possessione; deinde tercia manu, quod proprietor iure sue pertineret ecclesie.

§ 63.

Das Gerichtsverfahren.

713

Kläger zum Beweise, wenn nicht der Beklagte die klägerischen Behauptungen zugestand, so daß er sofort zur Herausgabe verurteilt werden konnte. E r b s c h a f t s k l a g e n auf bewegliche oder unbewegliche Sachen im Besitze des Beklagten wurden vielfach mit Handanlegung („Anfang") eröffnet 13 , ohne dadurch ihren rein bürgerlichen Charakter zu verlieren. Kläger hatte seine Erbeslegitimation, falls sie bestritten wurde, darzulegen und, in der Regel mit Zeugen, zu beschwören. Machte der Beklagte ein besseres Erbrecht geltend, so nahm der Prozeß den Charakter eines iudicium duplex an, indem auch der Beklagte seine Erbeslegitimation zu führen hatte, worauf das Gericht entschied, wer der bessere Erbe sei. Erhob der Beklagte positive Einwendungen gegen das Recht des Klägers, so wurde je nach Lage der Sache dem einen oder dem anderen die Beweisrolle zugeteilt. Erhob der Beklagte keine Einwendungen, so konnte er doch vor der Herausgabe Sicherheitsleistung gegen die etwaigen Anspräche des wahren Erben verlangen; bei unbeweglichen Sachen war dieselbe durch Pfand oder Bürgen zu leisten, während bei fahrender Habe die eidliche Kaution der gelobten Gewere genügte 14 . Abgewiesen wurde die Erbschaftsklage, wenn der Beklagte sich auf Verjährung berufen konnte 16 ; zur Zeit abgewiesen, wenn die Klage vor dem Dreißigsten angestellt war 16 . P e i n l i c h e K l a g e n waren im allgemeinen alle Strafklagen, doch konnte der Kläger, wo es sich bloß um eine Buße handelte, sich auch der bürgerlichen Klage bedienen, um im Falle einer Abweisung nicht selbst einer Buße zu verfallen. In der Regel wurde die peinliche Klage mit Gerüft begonnen. War der Verbrecher auf handhafter That beschrien und auf der That, oder der Flucht von der That in Gegenwart von Schreimannen ergriffen. so fand das schon für die ältere Zeit geschilderte abgekürzte Verfahren (S. 85, 357) statt. Die Klage mußte mit leiblicher Beweisung, und bevor die That übernächtig wurde, angestellt werden. Hatte man den Thäter zwar mit Gerüft verfolgt, aber nicht oder doch erst 13

Vgl. S. 349 N. 15, S. 698 N. 210. Eine solche eidliche Kaution (gelovede gewere) konnte der Beklagte in allen Fällen verlangen, wo er besorgen durfte, nach der Befriedigung des Klägers noch von dritten Personen in Anspruch genommen zu werden. Außerdem konnte jeder peinlich Beklagte oder kainpflich Gegrüßte von seinem Gegner in gleicher Weise das Gelübde, die Sache durchzuführen, beanpruchen. Wurde die Sache dann nicht durchgeführt, oder wurde der Beklagte ungeachtet der Gewere noch von Dritten angesprochen, so hatte sein Gegner für den Bruch der Gewere Buße und Wette zu bezahlen. Die Gewerebuße bestand nach dem Sachsenspiegel in dem Verluste der rechten Hand oder Lösung derselben mit einem halben Wergeide. (Vgl. Ssp. I. 63 § 2. II. 15, 16 § 1. III. 14 § 2). Nachdem Kläger die Gewere gelobt hatte, durfte er seine Klage nicht mehr abändern. Hatte der Kläger keinen Grundbesitz, so genügte die eidliche Kaution nicht, er hatte vielmehr Sicherheit durch Pfand oder Bürgen zu leisten und konnte, wenn er dies nicht vermochte, persönlich in Sicherheitshaft genommen werden. 14

15

Vgl. S. 352 f., 672, 699, 703.

16

V g l . S. 6 9 8 .

LOERSCH U. SCHRÖDER, U r k u n d e n N r . 3 3 6 (296).

714

Das Mittelalter.

später ergriffen, so konnte der Kläger ihn mit kämpflichem Gruße ansprechen. In allen anderen Fällen konnte die Klage zwar ebenfalls mit Erhebung des Gerüftes begonnen werden, der Angeklagte hatte aber das Recht, sich durch Eid mit Eideshelfern zu reinigen. Blieb der Angeklagte auf wiederholte Ladung aus, so wurde er verfestet und auf Requisition des Yerfestungsgerichts durch das Kölligsgericht in die Reiclisacht gethan 1 7 . Wurde der Verfestete ergriffen, so wurde er wie ein auf handhafter That ertappter Verbrecher behandelt 18 . Zu den g e m i s c h t e n K l a g e n gehörte namentlich die Klage mit „Anfang", die zur Rückforderung entwendeter beweglicher Sachen diente und durchaus denselben Charakter wie in der vorigen Periode (S. 3 4 8 ff'.) behalten hatte. Ferner zählten dahin die Klagen wegen trockener Schläge oder Hautwunden, unter gewissen Voraussetzungen auch diejenigen wegen Bruches eines Versprechens, sodann die Klage gegen denjenigen, der sich auf fremdem Acker der Pfändung erwehrte. Ferner nahm die peinliche Klage den Charakter einer gemischten Klage an, wenn sich ergab, daß die That unfreiwillig oder von einem Unzurechnungsfähigen begangen war. Das gemeinsame Merkmal aller gemischten Klagen bestand darin, daß sie für den abgewiesenen Kläger ebenso wie für den verurteilten Beklagten die Verfällung in Buße und Wette und für den Ungehorsamen Verfestung oder Acht nach sich zogen. Auf dem Gebiete des B e w e i s r e c h t s hatten das Gerichtszeugnis und der Inquisitionszeugenbeweis (S. 369) allgemein Eingang gefunden. Der letztere kam teils als bloßes Nachbarzeugnis, teils in weiterem Umfange als „Kundschaft" oder „Landfrage" zur Anwendung. Eine außerordentliche Bedeutung hatte das Gerichtszeugnis erlangt, das entweder als eigentliches Dingzeugnis des Richters und der Urteiler, oder als bloßes Dingmannenzeugnis vorkam, indem die Partei zur Bekräftigung ihrer Aussage einige Gerichtspersonen als Zeugen zuzog. Das nordfriesische Recht kannte eigene „Dinghörer", die als amtliche Zeugen bei außer-gerichtlichen Akten zugezogen wurden 19 . Die Unscheltbarkeit des Dingzeugnisses war ein Hauptbeweggrund für die Ausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zumal seit der Einführung der Stadtbücher, Landtafeln und Gerichtsbücher. Das sächsiche Landrecht verlangte die Gerichtlichkeit zwar nur bei Immobiliarrechtsgeschäften unbedingt, ließ aber auch bei anderen Rechtsgeschäften kein anderes Beweismittel als das Dingzeugnis 1 7 In einer von VOGEL, Zeitschr. f. RG. X V . 190 f. veröffentlichten Auskunft über das Ungehorsamsverfahren im Königsgericht wird unterschieden zwischen „causa personalis" und „causa realis". Die erstere (die peinliche Klage) führt zur Acht, die zweite (bürgerliche Klage) zur Anleite. Bei der Klage um Eigen und Erbe wurde häufig nur auf das Gut und alle, die dasselbe vertreten würden, geklagt.

Vgl. ebd. 183, 187, 189.

LOERSCU U. SCHRÖDER, N r . 3 3 4

(294).

Vgl. S. 704, 713. Der Verfestete konnte, soweit weder Klagen erheben, noch sonst vor Gericht auftreten. 1 9 Vgl. BRUNNER, Zeitschr. f. RG. X X I I I . 243. 18

die Verfestung

reichte,

§ 63.

Das Gerichtsverfahren.

715

zu, während die übrigen Landrechte und die sächsischen Stadtrechte auch den Beweis durch außergerichtliche Zeugen gestatteten. Einen außerordentlichen Fortschritt machte das mittelalterliche Beweisrecht durch die Erweiterung des Urkundenbeweises (S. 655 ff.). Der in der vorigen Periode noch die Ausnahme bildende Eineid spielte im mittelalterlichen Verfahren eine bedeutende Rolle. Der Eid mit Eideshelfern erhielt sich im allgemeinen n u r im Strafprozesse, während sich die Eideshelfer bei bürgerlichen Klagen allmählich ganz zu Zeugen, die aus eigener Wissenschaft aussagten, umgestalteten. Das Beweismittel des gerichtlichen Zweikampfes behauptete sich, trotz allen Angriffen von Seiten der Kirche, während des ganzen Mittelalters, nur in den Städten wurde dasselbe allgemein beseitigt. Kampfunfähige Personen konnten sich eines Kampfvormundes bedienen. Gegen Rechtlose kämpfte man nur durch Lohnkämpfer. Die einseitigen Gottesurteile des wallenden Kessels u n d des glühenden Eisens kamen im Mittelalter noch in beschränkter Anwendung vor, verschwanden aber, nachdem die Kirche im J a h r e 1215 die Gottesurteile allgemein verboten hatte. Die U r t e i l s s c h e l t e hatte im Mittelalter den Charakter einer wahren B e r u f u n g angenommen 2 0 . Dieselbe konnte von jedem Dingpflichtigen eingelegt werden, nur Rechtlose, Verfestete und auf handhafter That Ergriffen«! waren dazu nicht berechtigt. Die Schelte m u ß t e vor vollendeter Abstimmung über den Urteils Vorschlag, und zwar unter F i n d u n g eines Gegenurteils, eingelegt werden. Sie führte zu einer materiellen E n t scheidung des Berufungsgerichtes. N u r die Sachsen kannten auch eine Schelte der Hofgerichtsurteile; in diesem Falle entschied ein gerichtlicher Kampf von Sieben gegen Sieben. Der schon dem älteren Rechte bekannte Betreibungsprozeß in Schuldsachen (S. 86, 352) wurde in den Stadtrechten des Mittelalters vielfach fortgebildet. Er fand namentlich Anwendung, wenn ein gerichtliches Schuldbekenntniß oder eine Schuldurkunde mit Vollstreckungsklausel vorlag. Von großer Bedeutung wurde die allmähliche Ausbildung des K o n k u r s p r o z e s s e s in den Städten. Anfangs kannte m a n eine Beschlagnahme des ganzen Vermögens n u r in dem Falle der „Vorflucht", wenn der Schuldner sich aus dem Staube gemacht h a t t e , sodann bei überschuldetem Nachlasse, f ü r den sich kein Erbe 'fand. Erst spät gelangte man dazu, das gleiche Mittel auch dem anwesenden Schuldner gegenüber anzuwenden. Anfangs hatte die Priorität der Beschlagnahme für die Rangordnung der Gläubiger entschieden, allmählich kam man aber dabin, die sämtlichen Gläubiger als eine Genossenschaft zu behandeln, was ihre Befriedigung „nach Markzahl" oder „nach Advenante", d. h. nach Verhältnis, zur Folge hatte. Vgl. S* 364, 529, 548, 557 f., 569, 636. Neben der Urteilsschelte erhielten sich noch einzelne Spuren des alten Reklamationsrechtes als „Ausheischen vor allem Urteil". V g l . S. 173, 3 6 9 .

LOERSCH, I n g e l h e i m e r O b e r h o f C L X s q q . C L X L 1 V s q q .

716

Das Mittelalter.

Das R ü g e v e r f a h r e n (S. 356, 369) gelangte in den westfälischen Femgerichten (S. 561 ff.) zu besonderer Entwickelung. Aber auch sonst zeigte der Strafprozeß seit dem 14. Jahrhundert mehr und mehr die Neigung zu amtlichem Einschreiten. Wo es an einem Kläger fehlte, half man sich mit einer Rüge oder Einsetzung eines Anklägers von Amts wegen21. Besonders entwickelt wurde das Verfahren auf Leumund 22 und die dem älteren Verfahren noch unbekannte Einnahme des gerichtlichen Augenscheins an Ort und Stelle durch Gerichtsdeputierte, woraus sich bei unnatürlichen Todesfällen die gerichtliche Todtenschau („Fahrrecht") entwickelte 23 . 21

V g l . BENNECKE,

22

V g l . W E I L A N D , Z e i t s c h r . f. R G . X X I . 1 0 7 ff. WÄCHTER, a . a . ö . 2 6 9 ff. v . K R I E S ,

36.

a. a. O. 205 ff. 23

Vgl. Anm.

19.

v. K R I E S ,

128

ff.

BENNECKE,

7 6 f.

Urk.-B.

d.

Stadt

Lübeck

II. Nr. 1099 (1347). HACH, Das alte lübische Recht, S. 144. PETERSEN, i. d. Forsch, z. deutsch. Gesch. VI. 264 ff. SCHILLER U. LÜBBEN, Mittelnd. WB. V. 207.

Vierte Periode. Die Neuzeit. E I C H H O R N , St.- u. RG. IV. 1844. v. D A N I E L S , Handbuch II. 2, S. 281 ff. 3, S. 1—256, 520 ff. R A N K E , Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, 6 Bände. 1882; Zur deutschen Geschichte, vom Religionsfrieden bis zum 30jährigen Kriege, 2. Aufl. 1874. JANSSEN, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgange des Mittelalters, I.—VI. 1879—88. v. KRAUS, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters, im Erscheinen. ULLMANN, Kaiser Maximilian I., I. 1884. A D L E R , Die Organisation der Central Verwaltung unter Maximilian I., 1886. C O R N E L I U S , Uber die deutschen Einheitsbestrebungen im 16. Jh., 1862. G O T H E I N , Politische und religiöse Volksbewegungen vor der Reformation, 1878. BADMGARTEN, Geschichte Karls V., 2 Rande, 1885—88. E U E L H Ä A F , Deutsche Geschichte im 16. Jh., im Erscheinen. R I T T E R , Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des 30 jähr. Krieges, im Erscheinen. ERDMANNSDÖRFFER , Deutsche Geschichte von 1648 bis 1740, im Erscheinen. v. Z W I E D I N E C K - S Ü D E N H O R S T , Deutsche Geschichte im Zeitraum der Gründung des preußischen Königtums, im Erscheinen. O N C K E N , Das Zeitalter Friedrichs des Großen, I. II. 1880—82; Das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs und der Befreiungskriege, I. II. 1884/87. H Ä U S S E E , Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, I.—IV. 3. Aufl. 1861—63. G I E R K E , Gehossen schaftsrecht I. 638 ff. P Ü T T E R , Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des teutschen Reichs, 3 Bde., 3 . Aufl. 1798—99. v. B U C H W A L D , Gesellschaftsleben im endenden Mittelalter, I. II. 1886—87. B E R G H A U S , Deutschland vor hundert Jahren, I. II. 1859—60; Deutschland vor fünfzig Jahren, I.—III. 1861—62. B Ü S C H I N G , Erdbeschreibung, V.—IX. 7. Aufl. 1789—92. P E R T H E S , Das deutsche Staatsleben vor der Revolution, 1845; Politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der franz. Herrschaft, I. II. 1861—69. S C H M O L L E R , Zur Geschichte der nationalökonomischen Ansichten in Deutschland während der Reformationsperiode, Zeitschr. f. Staatswissensch. XVI. 461 ff. H A N S E R , Deutschland nach dem 3 0 jährigen Kriege, 1862. v. I N A M A - S T E R N E G G , Die volkswirtschaftl. Folgen des 30 jährigen Krieges, Historisches Taschenbuch 1864.

Erstes Kapitel. Die allgemeinen Verhältnisse. § 64. Das R e i c h s g e b i e t 1 . Die Schweizer Eidgenossenschaft, die dem Reichskammergericht die Anerkennung verweigerte und sich seit 1 Vgl. H. CONRING, De finibus imperii Germanici, 1 6 5 4 . S P R U N E R - M E N K E , Handatlas, Blatt 4 3 — 1 7 . Vorbemerkungen S . 1 7 , 2 7 , 3 0 ff. v. L A N C I Z O L L E , Übersicht der deutschen Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830.

718

Die Neuzeit.

1495 thatsächlich nicht mehr als zum Reiche gehörig betrachtete, schied durch den westfälischen Frieden auchreclitlich aus dem Reichsverbande aus 2 . Frankreich erwarb durch den westfälischen Frieden die schon 1552 in Besitz genommenen Bistümer Metz, Toul und Verdun nebst der Reichsstadt Metz, sodann den habsburgischen Besitz im Elsaß und die Landvogtei über zehn im Elsaß belegene Reichsstädte 3 . Die auf Grund gewaltsamer Interpretation an diese Abtretungen geknüpften Reunionen Ludwigs XIV. brachten das ganze Elsaß an Frankreich, das sich 1681 ohne jeden Rechtstitel auch in den Besitz der Reichsstadt Straßburg setzte und durch den Ryswiker Frieden von 1697 die Anerkennung seines Raubes erhielt 4 . Die Herzogtümer Bar und Lothringen wurden 1735 an Frankreich abgetreten und gelangten 1766 endgültig in dessen Besitz 6 . Der gesamte burgundische Kreis kam nach dem Tode Karls V. an die spanische Linie des habsburgischen Hauses, wodurch seine Verbindung mit dem Reiche wesentlich gelöst wurde. Durch die Losreißung der sieben nördlichen niederländischen Provinzen von Spanien entstand 1581 die Republik der Vereinigten Niederlande (die sog. Generalstaaten), die sich nicht mehr als Teil des Reiches betrachtete und durch den westfälischen Frieden in ihrer internationalen Selbständigkeit anerkannt wurde, während die spanischen Niederlande nach dem Aussterben der spanischen Linie durch den Rastadter Frieden (1714) an das Haus Österreich zurückkehrten, das aber auf wichtige Teile derselben und auf die Freigrafschaft zu Gunsten Frankreichs verzichten mußte 6 . Schweden erhielt durch den westfälischen Frieden Vorpommern und Rügen, Wismar und die Bistümer Bremen und Verden, doch schieden die schwedischen Abtretungen nicht aus dem Reichsverbande, vielmehr hatte die Krone Schweden dieselben vom Kaiser als Reichslehn zu empfangen, wofür sie als Reichsstand Sitz und Stimme im Reichstage erhielt 7 . Die französischen Erwerbungen waren ausdrücklich unter Vorbehalt der in den abgetretenen Gebieten bestehenden Rechte deutscher Reicl^sstände erfolgt, doch sahen sich die letzteren, soweit sie von den Reunionen verschont geblieben waren, im Laufe der Zeit sämtlich genötigt, für ihre in dem Machtbereiche Frankreichs belegenen Besitzungen die Oberlehnsherrlichkeit des französischen Königs anzuerkennen, wofür ihnen seitens des letzteren die ungestörte Ausübung ihrer Herrschaftsrechte ausdrücklich 2

JPO. Art. 6. Vgl. ULLMANN, a. a. 0 . I. 649—803. JP. Munster. §§ 73 f., 87. 4 Pax Ryswic. Art. 4, 16 f. (N. Samml. d. Reichsabschiede IV. 165, 167). Unangerührt blieb noch die Reichsstadt Mülhausen, die seit 1515 im Bunde mit der Eidgenossenschaft stand und erst 1798 von Frankreich einverleibt wurde. 5 N. Samml. IV. 420. 6 Die ehemals burgundische Grafschaft Mömpelgard blieb bis zur französischen Revolution in reichsfreier Stellung, seit 1723 unter dem Herzog von Würtemberg. 7 JPG. Art. 10. Durch den Stockholmer Frieden von 1720 wurde Vorpommern bis zur Peeue (sog. Altvorpommern) an Preußen abgetreten, so daß Schweden hier auf Neuvorpommern und Rügen beschränkt blieb. 3

§ 64.

Das Reichsgebiet.

719

8

zugesichert wurde . Nachdem die französische Revolutionsgesetzgebung (1789—90) rücksichtslos über diese Rechte hinweggegangen war und die Einverleibung der fraglichen Gebiete in Frankreich dekretiert hatte, kam es 1792 zu dem Revolutionskriege, dessen kläglichen Ausgang der Luneviller Friede (9. Februar 1801) bildete. Durch denselben wurde das gesamte linke Rheinufer an Frankreich abgetreten, den dadurch benachteiligten Dynastien aber eine Entschädigung durch die Mediatisierung nichterblicher Territorien und Städte in Aussicht gestellt, zu deren Ausführung der Reichstag eine außerordentliche Deputation einsetzte. Der von dieser verfaßte Entwurf oder „Hauptschluß" wurde dem Reichstage am 23. Dezember 1802 seitens des Kaisers zur Beschlußfassung unterbreitet und nach einigen Veränderungen seitens des ersteren am 24. März 1803 zum Reichsgutachten erhoben. Die kaiserliche Bestätigung erfolgte am 27. April, nur gegen die Beschlüsse über die neue Stimmenverteilung im Reichstage hatte der Kaiser sein Veto eingelegt. Das Gesetz behielt die Bezeichnung „Reichsdeputationshauptschluß" (RDHSchl.); es hat die dauernde Grundlage für die weitere Territorialgestaltung innerhalb des Reiches abgegeben. Die wenigen oberhoheitlichen und lehnsherrlichen Rechte, die dem Kaiser bis dahin noch über Italien verblieben waren, wurden durch Art. 11 —13 des Luneviller Friedens zu Gunsten der von Napoleon errichteten italienischen Freistaaten vollends aufgehoben. Den ungeheuern Gebietsverlusten des Reiches im Westen standen gewisse Gebietserweiterungen, wenn auch nicht des Reiches, so doch der beiden bedeutendsten Reichsstände im Osten gegenüber. Der deutsche Orden hatte in den mit Polen abgeschlossenen Friedensverträgen von Thorn (1411) und Nessau (1466) nur seine altpreußischen Eroberungen im Osten der Weichsel, und auch diese nur unter Anerkennung der polnischen Lehnshoheit, zu behaupten vermocht, während das ganze übrige Ordensland (Culmer-, Marienburger- und Ermland, das Danziger Gebiet und alle Gebiete links der Weichsei) als Polnisch-Preußen in unmittelbar polnischen Besitz gelaugte. Nachdem der Ordensmeister Albrecht von Brandenburg sich der evangelischen Lehre angeschlossen hatte, verwandelte er den bisherigen Ordensstaat mit Zustimmung seines Lehnsherrn und der meisten Ordensritter in ein weltliches, von Polen lehnrühriges Herzogtum Preußen (1525), das nach dem Aussterben des herzoglichen Hauses (1618) auf das Kurhaus Brandenburg kraft der diesem schon 1569 erteilten Mitbelehnung 8 Wiirtemberg besaß die Grafschaften Mömpelgard und Horburg, Pfalz-Zweibrüoken die Grafschaften Rappoltstein und Liitzelstein nebst den Ämtern Bischweiler und Sulz, Hessen-Üarmstadt die Grafschaft Hanau-Lichtenberg und die Herrschaft Ochsenstein, Baden das Amt Bcmhchn und die luxemburgische Herrschaft Rodemachern, Wied die Grafschaft Kriechingen, Nassau seinen Teil der Grafschaft Saarwerden und die Vogtei Drillingen. Dazu kamen die Grafschaft Salm mit der Herrschaft Dieineringen, die Abteien Weißenburg und Münster, die Stifter Murbach und Romainnioutier, die Deutschordensballeieu Elsaß und Lothringen, endlich Besitzungen und Gerechtsame der Bischöfe von Straßburg, Speier und Basel.

720

Die Neuzeit.

überging®. Durch den Wehlauer Vertrag von 1657 mußte der König von Polen auf seine Lehnsherrlichkeit verzichten und den Kurfürsten von Brandenburg als unumschränkten Herrn des souveränen Herzogtums Preußen anerkennen10. Noch in demselben Jahre erhielt der große Kurfürst die Herrschaften Lauenburg und Bütow von Polen zu Lehn und die Starostei Draheim zu Pfandrecht. Auf Grund seines souveränen preußischen Besitzes nahm Kurfürst Friedrich III. den Titel „König in Preußen" an. Die Krönung wurde am 18. Jan. 1701 zu Königsberg vollzogen. Als Teil der oranischen Erbschaft gelangte 1707 die Grafschaft Neuenburg (Neuchätel) samt Herrschaft Valengin in preußischen Besitz. Die schlesischen Herzogtümer, die mit dem Reiche bis dahin nur mittelbar in ihrer Eigenschaft als Lehn der Krone Böhmen verbunden gewesen und später kraft dieser Lehnsherrlichkeit seitens des österreichischen Hauses den preußischen Erbansprüchen gegenüber als heimgefallene Lehen behandelt worden waren, wurden nach dem ersten schlesischen Kriege durch den Berliner Frieden (1742) bis auf das Fürstentum Teschen nebst Troppau (österreichisch Schlesien) mit Preußen verbunden. Ebenso die Grafschaft Glatz. Alle lehnsherrlichen Rechte, die der Krone Böhmen von alters her an diesen und einigen anderen preußischen Landestheilen zugestanden hatten, wurden durch denselben Vertrag aufgehoben. Durch die erste Teilung Polens (1772) erwarb Preußen die sämtlichen 1411 und 1466 an Polen verloren gegangenen preußischen Ordenslande (Westpreußen, Ermland, Culmerland, Elbing) und den Netzedistrikt (Teile der Woywodschaften Posen, Gnesen und Inowraclaw). Danzig und Thorn blieben noch bei Polen. Die Lehnsherrlichkeit der polnischen Krone über Lauenburg und Bütow, ihr Pfandlösungsrecht an der Herrschaft Draheim und ihr eventuelles Heimfallsrecht an dem Herzogtume Preußen wurden aufgehoben. Der König nahm nach Ratifikation der Abtretungen durch den polnischen Reichstag statt des bisherigen Titels „König in Preußen" den Titel „König von Preußen" an. Die zweite Teilung Polens (1793) brachte die Städte Thorn und Danzig und den größten Teil von Großpolen in preußischen Besitz. Die so erworbenen Gebiete erhielten den Namen „Südpreußen". Die dritte polnische Teilung (1795—1797) fügte Warschau und die Gebiete Neu-Ostpreußen und Neu-Schlesien hinzu, doch gingen diese Erwerbungen samt'einem Teile von Südpreußen durch den Tilsiter Frieden (1807) wieder verloren. Österreich hatte durch die erste polnische Teilung ganz Galizien und Lodomerien erworben, sich aber von der zweiten Teilung fern gehalten. 9 Die innerhalb des Reiches belegenen Besitzungen des Ordens wurden dem katholisch verbliebenen Teile der Ordensritter unter einem neuen Oberhaupt, dem Hoch- und Deutschmeister, der seinen Sitz zu Mergentheim aufschlug, vorbehalten. 10 Polen behielt sich jedoch den Wiederanfall für den Fall des Aussterbens des herzoglichen Hauses vor. Bestätigt wurde der Wehlauer Vertrag durch den Frieden zu Oliva (1660).

§ 65.

Die Reichsreform.

721

Bei der dritten Teilung nahm es das sog. Neugalizien bis zum Bug, hat davon aber nur das Krakauer Gebiet behalten, während das übrige später an Rußland verloren ging. Das Fürstentum Bukowina gelangte 1775 in österreichischen Besitz. § 65. Die R e i c h s r e f o r m 1 . Das elende Regiment eines Sigismund hatte es im Reiche jedem klar gemacht, daß es so nicht weiter gehen konnte. Der kräftige Reformanlauf in dem Nürnberger Landfrieden Albrechts II. von 1438 2 , der bereits auf der Kreisverfassung beruhte, eine allseitige Verbesserung der Rechtspflege anstrebte und die Fehde dauernd zu beseitigen suchte, hatte wegen des frühen Todes des vielversprechenden jungen Königs keinen Erfolg. Von einem schwachen und indolenten Herscher wie Friedrich III. war nichts zu hoffen. Reformvorschläge kamen von den verschiedensten Seiten, so von dem späteren Kardinal Nicolaus Cusanus in seiner 1433 vollendeten Schrift „De concordantia catholica", dem elsässischen Canonicus Peter von Andlau in seinem Werke „De imperio Romano-Germanico" (1460) und Herzog Ludwig dem Reichen von Baiern (+ 1479) durch die Feder des Dr. Martin Meier3. Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg erklärte die Reform des Friedens, des Gerichts und des Münzwesens für eine Lebensfrage des Reiches. Die ersten Reformversuche wurden auf den Reichstagen von 1486 und 1487 gemacht, brennend wurde die Sache aber erst nach dem Regierungswechsel (1493). Die Persönlichkeit und staatsmännische Richtung Maximilians I. bot den Ständen keine Gewähr einer Reform von oben herab. Es kam darauf an, kühn mit der von der geschichtlichen Entwickelung beseitigten Idee des monarchischen Einheitsstaates zu brechen und sich ganz auf den ständischen Boden eines aristokratischen Bundesstaates zu stellen. Die Seele dieser Bestrebungen, welche die Verhandlungen des Wormser Reichstages vom 26. März bis 7. Aug. 1495 erfüllten, war Berthold von Henneberg, Kurfürst von Mainz, dem mit Ausnahme der Herzöge von Baiern fast alle Reichsstände zur Seite traten, während der König sich nur widerstrebend um der ihm notwendigen Reichssteuern willen eine Reform nach der andern abdringen ließ. Was auf dem Reichstage zustande kam, war die Einsetzung des Reichskammergerichts und das Verbot jeglicher Fehde und Eigenmacht auf ewige Zeiten. Wer einen Rechtsanspruch zu haben vermeinte, sollte denselben fortan bei Strafe der Reichsacht nur im Wege Rechtens verfolgen 4 . Der Plan, die gesamte unmittelbare Reichsverwaltung dem Könige zu entwinden und in die Hände eines ständischen Reichsrates von 17 Mitgliedern, von denen der König nur den Vorsitzenden ernennen sollte, zu legen, mußte wegen 1 Ygl. ULLMANN, a. a. O. I. 292—403. HÖFLER, Über die politische Reformbewegung in Deutschland im 15. Jahrhundert und den Anteil Baierns an derselben, 1850. 2 3 N. Sammlung I. 154 ff., 164 ff. Bei HÖFLER, a. a. O. 37 ff. 4 Wiederholt JPO. Art. 17, § 7.

R. ScnBoj>&H, Deutsche Reuhtagcschichlc.

46

Die Neuzeit.

722

Widerspruches des Königs aufgegeben werden. Statt dieser „Ordnung" beschränkte man sich auf die Festsetzung einer bloßen „Handhabung" des Landfriedens, durch die Bestimmung, daß der gesamte Reichstag alljährlich zu Ostern in Frankfurt zusammentreten solle, um in Verbindung mit dem Reichskammergericht die Durchführung des Landfriedens und die Verwendung der bewilligten Reichssteuern zu überwachen und für die Vollstreckung der Kammergerichtsurteile zu sorgen5. Diese periodische Reichsversammlung ist nie ins Leben getreten, statt ihrer begnügte sich die schließliche Reform mit der Einrichtung der Kreisverfassung, nachdem sich das Reichsregiment auf die Dauer nicht als durchführbar erwiesen hatte. Davon sowie von der Fürsorge der Reichsgesetzgebung für das Münz- und Verkehrswesen und die Maßregeln zur Hebung der Wehrkraft des Reiches wird bei der Darstellung der Reichsverfassung zu reden sein. § 66. Die R e z e p t i o n der f r e m d e n Rechte 1 . Die Aufnahme der fremden Rechte in den deutschen Gerichten hat sich ähnlich wie die der Rechtsbücher im Wege gewohnheitsrechtlicher Entwickelung vollzogen, nur ist nicht wie dort das Volk, sondern ausschließlich der Juristenstand Träger dieser Entwickelung gewesen. Die Wissenschaft unterscheidet die theoretische Rezeption, d. h. die allmähliche Ausbildung der Überzeugung, daß dem römischen Rechte subsidiäre Geltung zukomme, und die praktische Rezeption oder die wirkliche Durchführung dieser Überzeugung 5

N. Samml. I I . 11 f. Vgl. STOBBE, Rechtsqu. 1.609—655, II. 1—142, bei dem die ältere Litteratur vollständig angegeben ist; Krit. Viertelj.-Schr. f. RW. XI. 1 ff. REYSCHER, i. d. Zeitschr. f. DR. IX. 337 ff. LASFEYREB, ebd. VI. 1 ff. C. A. SCHMIDT, Die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, 1868. MODDERHANN, Die Rezeption des römischen Rechts, aus dem Holländischen übersetzt und mit Zusätzen versehen von K. SCHULZ, 1875. FRANKLIN, Beiträge z. G. d. Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, 1863. v. DÜHN, Deutschrechtliche Arbeiten (1877), Abh. 2. STÖLZEL, Die Entwicklung de? gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, I. II. 1872. STINTZING, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. f. RW. VI. 557 ff.; Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft I. 1880; Gesch. d. populären Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des 15. und Anfang des 16. Jh., 1867; Ulrich Zasius, 1857; Hugo Donellus in Altdorf (Erlanger Festschr. f. WÄCHTER, 1869); Zur Geschichte des römischen Rechts in Deutschland, Hist. Zeitschr. XXIX. 408 ff. BÖHLAU, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. N F . IV. 525 ff. VII. 1 ff. MUTHER, Zur Gesch. d. röm.-kanonischen Prozesses in Deutschland, 1872 (Rostocker Festschrift f ü r WÄCHTER); Römisches u. kaDon. Recht im deutschen Mittelalter, 1871; Zur Quellengeschichte des deutschen Rechts, Zeitschr. f. RG. IV. 380 ff. OTT, Beitr. z. Rezeptionsgeschichte des röm.-kanon. Prozesses in den böhmischen Ländern, 1879. KABLOW A, Über die Rezeption des römischen Rechts in Deutschland, mit besonderer Rücksicht auf Kurpfalz (Heidelb. Rektoratsrede, 1878). LABAND, Über die Bedeutung der Rezeption des röm. R. für das deutsche Staatsrecht (Straßb. Rektoratsrede, 1880). SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht (Zeitschr. f. RG. XIV.) 70ff.; Die deutsche Rechtsentwickelung und die Kodifikationsfrage, i. d. Zeitschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht I. 245 ff. KAUFMANN, Geschichte der deutschen Universitäten I. 75 ff. Über das römische Recht im Mittelalter vgl. SAVIGNY, Gesch. d. röm. R. im Mittelalter, I . - V I I . 2. Aufl. 1834—51. 1

§ 66.

Die Rezeption der fremden Rechte.

723

im praktischen Rechtsleben. Die theoretische Rezeption war vornehmlich staatsrechtlicher Natur. Sie reicht in ihren Anfängen bis auf die Zeit Ottos III. zurück, unter dem sich zuerst die später zu einem festen Dogma gewordene Auffassung geltend machte, daß das mittelalterliche Kaisertum lediglich eine Fortsetzung des alten römischen Reiches sei. Die deutschen Könige, auch solche, die, wie Rudolf I., die Kaiserwürde nicht erworben hatten, betrachteten sich als die Rechtsnachfolger der römischen Imperatoren und trugen kein Bedenken, sich in ihren italienischen Händeln und hofgerichtlichen Entscheidungen auf das römische Recht zu berufen. Als „Kaiserrecht" oder „der Kaiser geschriebenes Recht" bezeichnete die Terminologie des Mittelalters nicht bloß die deutschen Reichsgesetze und was man, wie die Rechtsbücher, dafür hielt, sondern auch das Corpus iuris Justinians. Friedrich I. ließ zwei seiner Gesetze durch die Universität Bologna als Authenticae in den Codex aufnehmen 2 , dasselbe geschah seitens Friedrichs II. in betreif seines römischen Gesetzes von 1220 3 und Heinrichs VII. hinsichtlich seines Ketzergesetzes von 1312 4 . Es beruhte auf demselben Gedanken, wenn man sich in Italien seit dem 13. Jahrhundert nach dem Vorgange des Hugolinus de Presbyteris mehr und mehr daran gewöhnte, das lombardische Lehnrechtsbuch wegen der darin enthaltenen Reichsgesetze als einen Nachtrag zu den justinianischen Novellen (decima collatio Novellarum) zu behandeln 5 und wenn die dazu verfaßte Glossa ordinaria des Jacobus Columbi 8 von demselben Accursius, der die Glosse des Corpus iuris zum Abschluß brachte, einer Bearbeitung unterzogen wurde 7 . Auch ihm war das Lehnrechtsbuch ein integrierender Teil des Corpus iuris und die Lehnrechtsglosse ein notwendiger Bestandteil des litterarischen Apparates zu den justinianischen Rechtsbüchern. Am schärfsten trat die romanisierende Richtung bei Karl IV hervor: er gründete die Universität Prag, sein Entwurf eines böhmischen Landrechts (Maiestas Carolina) war reich an römischrechtlichen Ausdrücken und Redewendungen, in der Goldenen Bulle übertrug er die römischen Bestimmungen von der Majestätsbeleidigung auf die Kurfürsten (S. 706), das überwiegend für römischrechtliche Verfügungen des Herrschers be" Das eine, eins der ronkalischen Gesetze von 1158, gelangte als Auth. ad 1. 5 C. ne filius pro patre IV. 13 zur Aufnahme. Vgl. MG. Leg. II. 114. Cod. Justin, recogn. KBDGER (Weidmann'sche Stereotypausgabe) pg. 511. Auch der Reichslanäfriede von 1186—88,(S. 616) enthält die Bestimmung: Ut aiitem haec — — ordiuatio omni tempore rata permaneat — —, eam legibus praedecessorum nostrorum Imperator um atque regurn iussimus interserí, doch scheint diese Verfügung keine Folge gehabt zu haben. 3

4

MG. Leg. II. 243

ff.

KRÜOER, a . a . 0 . p g . 5 1 0 ff.

MG. Leg. II. 535 f.: Et hane itaque nostre serenitatis constitutionem in corpore iuris sub debita rubrica volumus inserí et mandamus. Auch diese Bestimmung scheint keine Folge gehabt zu haben. 6 Vgl. LASPEYRES, Entstehung der Libri feudorum 326 ff. 7 » Vgl. ebd. 359 ff. Vgl. ebd. 396 ff. 46*

724

Die Neuzeit.

stimmte Amt des Hofpfalzgrafen (S. 486 f.) wurde unter ihm von Italien nach Deutschland verpflanzt. Mit der Neigung der deutschen Könige, sich auf das römische Recht zu stützen, hing ihr lebhaftes Interesse für die Universitäten zusammen 8 . War früher die Hofkapelle die eigentliche Pflanzschule für die Diplomatie gewesen (S. 471), so ging diese Aufgabe seit der Gründung Bolognas auf die italienischen, seit dem 14. Jahrhundert in zunehmendem Maße auch auf die deutschen Universitäten über 9 . Es war selbstverständlich, daß die Rechtsgelehrten, neben der Idee des Kaiserrechtes auch von der humanistischen Begeisterung für das klassische Altertum erfüllt, nach Kräften für das römische Recht, das ihnen als das Idealrecht erschien, Propaganda zu machen suchten. In dieser Richtung bewegte sich, ohne das deutsche Recht materiell anzutasten, die litterarische Thätigkeit der Sachsenspiegelglossatoren Johann von Buch (S. 624 f., 631), Nikolaus Wurm (S. 617, 625, 631, 638), Theoderich von Boxdorf (S. 625) und des Brünner Stadtschreibers Johannes (S. 650). Die Notare brachten ihre Rechtsgelehrsamkeit in unschuldigen Phrasen und römischrechtlichen Ausdrücken zur Geltung. Größeren Einfluß gewannen die civilistisch geschulten Kleriker, teils durch ihre Thätigkeit in den tief in die bürgerliche Rechtssphäre eingreifenden geistlichen Gerichten, teils durch ihre Stellung als Vertrauenspersonen der Bevölkerung, aus der sich vielfach geradezu eine romanisierende Beichtstuhljurisprudenz entwickelte 10 . Alle diese Umstände reichten aber nicht hin, um die praktische Rezeption durchzuführen. Erst gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts war die Zeit dazu reif geworden, als die Rechtsgelehrten nicht nur in der Beratung des Königs, sondern auch an den Fürstenhöfen zu maßgebendem Einflüsse gelangt waren. Wie die Könige sich der Juristen bedient hatten, um dem Papste und den italienischen Städten, dann auch den deutschen Reichsständen gegenüber ihre Majestätsrechte zu verteidigen, so war das römische Recht mit der wachsenden Landeshoheit mehr und mehr eine Waffe geworden, die den Fürsten im Kampfe gegen Feudalund ständisches Wesen zur Ausbildung einer wahren Staatsgewalt dienen sollte. In der rechtsgelehrten Bureaukratie erkannten sie das beste Mittel zur Bekämpfung des auf seine ständischen Rechte pochenden Adels. Auch die Städte, zumal die Reichsstädte, konnten des juristischen Beirates in allen publizistischen Fragen nicht mehr entbehren. Die Stadtschreiber wurden mehr und mehr aus dem Stande der Rechtsgelehrten entnommen, 8 Vgl. G. KAUFMANN, Geschichte der deutschen Universitäten, I. 1888; Die Universitätsprivilegien der Kaiser, Deutsche Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft I. 118 ff. 8 Vgl. Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis, her. v. FRIEDLÄNDBB

u . MALAGOLA, 1 8 8 7 .

BRUNNER, i. d . Z e i t s c h r .

f. E G . I X .

2 5 0 f.

Von

den

deutschen

Universitäten des 14. J h . wurde P r a g 1347, Wien 1365, Heidelberg 1386, Köln 1389 gegründet. Übrigens begann der Unterricht im römischen Civilrecht in Deutschland erst nach Mitte des 15. Jahrhunderts. Vgl. KABLOWA, a. a. O. 8 f. STOBBE, I. 630 f. I I . 9, 16 ff. 10

Vgl. KARLOWA, a. a. O. 7.

STINTZING, Gesch. d. populären Litteratur 489 if.

§ 66.

725

Die Rezeption der fremden Rechte.

sie wurden zu juristischen Beigeordneten der Stadträte (Syndici). Selbst die Verwaltung der Vogteien und Ämter gelangte in zunehmendem Maße in die Hände von Juristen, und wo man den adelichen Amtmann nicht zu verdrängen wagte, da setzte man ihm doch wohl einen rechtskundigen Amtsschreiber oder Kastner zur Seite, der ihm allmählich ganz von selbst die Geschäfte aus der Hand nahm. Wo solche Männer, wie dies im 15. Jahrhundert schon vielfach geschah, mit der Redaktion von Land- oder Stadtrechten oder der Aufzeichnung der Rechtsgebräuche betraut wurden, da wußten sie regelmäßig ihrer römischen Überzeugung auf Kosten des nationalen Rechtes mehr oder weniger Geltung zu verschaffen. Den entscheidenden Wendepunkt aber bildete ihr Eintritt in die unmittelbare Rechtspflege. Man hat vielfach geglaubt, daß dies im Reichshofgericht schon unter Ludwig dem Baiern der Fall gewesen sei, aber der in diesem Sinne gedeutete Erlaß dieses Königs vom Jahre 1842 hatte nur die Bedeutung, das Hofgericht unter Ausschließung des ungeschriebenen Rechts auf die Reichsgesetze und andere geschriebene Rechtsnormen zu beschränken n , eine Einschränkung, die übrigens später auch nicht mehr beobachtet wurde. Thatsächlich hat das Reichshofgericht während seines Bestehens immer nur nach deutschem Rechte geurteilt, und dasselbe war bei den fürstlichen Hofgerichten, solange sie Adelsgerichte waren, der Fall. Dagegen athmen die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Königs oder einzelner Fürsten schon im Laufe des 15. Jahrhunderts vielfach römisch-rechtlichen Geist, weil sie von den rechtsgelehrten Räten ausgearbeitet wurden 12 . Ganz besonders war dies aber bei den Rechtssprüchen des königlichen Kammergerichts (S. 536) und ebenso bei denjenigen Entscheidungen der Fürsten, die diese persönlich nach Benehmung mit ihren Räten abgaben (S. 558), der Fall. Dabei war es von entscheidender Bedeutung, daß das römische Recht seit dem 13. Jahrhundert in Italien wie Deutschland unter dem Einflüsse der sogenannten Kommentatorenschule eines Bartolus und Baldus nach einer wesentlich anderen Methode wie zur Zeit der klassischen Glossatorenschule gelehrt wurde 13 . Die letztere stand, ebenso wie später die französische Juristenschule unter Cujacius und Donellus und bei uns neuerdings die historische Rechtsschule seit Savigny, auf dem Boden vollkommenster Renaissance. Sie suchte, unbekümmert um die praktische Anwendbarkeit, das reine römische Recht in seiner antiken Gestaltung zu erforschen und zur Darstellung zu bringen. Ebendarum blieb das wiedergeborene römische Recht in dem von römischem Vulgarrechte, langobardischem und kanonischem Rechte beherrschten Italien des 12. Jahrhunderts ein totes Recht, das nur der Wissenschaft, aber nicht dem lieben angehörte. Jener 11 12

V g l . FRANKLIN, a. a. 0 . 1 0 9 — 1 8 6 . V g l . FRANKLIN, a. a. 0 . 179 ff.; D a s K a m m e r g e r i c h t

von

1 4 9 5 , S. 4 5 — 9 0 .

STOBBE, I. 623 f. DIECK, De tempore quo ius feudale Langobardorum receptum (Hall. Univ.-Programm 1843) S. 18 LF., 27 f. 13 Über das Folgende vgl. SOHM, Frank. Recht u. löm. Recht 74 f.

Die Neuzeit.

726

humanistischen Methode gegenüber stellte sich die Kommentatorenschule auf einen scholastischen Standpunkt14. Ihr kam es nicht darauf an, das römische Recht in seiner ursprünglichen Reinheit zu erfassen, für sie existierte dasselbe nur in der Umformung, die es teils durch die kanonische Gesetzgebung, Doktrin und Praxis, teils durch das Vulgarrecht und die Einflüsse des lombardischen Gewohnheitsrechtes und der städtischen Statuten erhalten hatte. Das Corpus iuris canonici erschien ihr als eine verbesserte Auflage des justinianischen Corpus iuris civilis. Das römische Sklaven- und Kolonatrecht wurde als unpraktisch verworfen. Auch die hauptsächlichste Vertragsform des römischen Rechts, die Stipulation, war der gemeinrechtlichen Doktrin unverständlich; die germanischen Formen waren ihr zwar geläufig, aber sie stellte sich auf den von der Kirche bei dem Ehevertrage von jeher vertretenen Standpunkt, daß die Vertragsformen nur um des eventuellen Beweises willen nötig seien, während der Vertrag selbst schon durch den formlosen Ausdruck der Willensübereinstimmung perfekt werde. So gelangte sie in gleichmäßigem Gegensatze gegen römisches und deutsches Recht zu der Theorie von der Formlosigkeit aller Verträge 16 . Wo sich die Übereignung von Grundstücken durch die Übergabe der Veräußerungsurkunde entwickelt hatte, bewirkte jene Theorie, daß man nun den Eigentumsübergang schlechthin durch den Veräußerungsvertrag eintreten ließ 16 . Mit dem germanischen Rechtssatze, daß der Ehemann kraft eigenen Rechtes das gesamte Vermögen der Frau, soweit es nicht durch Vertrag vorbehalten war, in seine Hand zu nehmen habe, fand man sich zum Teil in der Weise ab, daß man einen das ganze Vermögen der Frau umfassenden Dotalvertrag präsumierte: was die Frau nicht ausdrücklich vorbehalten hatte, wurde als Dos angesehen. Der Unterschied zwischen römischem Dotalrecht und deutscher Verwaltungsgemeinschaft beschränkte sich dann darauf, daß die Frau nach jenem zu einseitigen, nach deutschem Recht nur zu vertragsmäßigen Vorbehalten berechtigt war. Die dem deutschen Recht unbekannte Universalsuccession des Erben wurde von der gemeinrechtlichen Doktrin aufrechterhalten, aber sie ließ, unter Verwerfung des Satzes „Nemo pro parte testatus pro parte intestatus decedere potest", neben der Erbfolge auf Grund letztwilliger Verfügung die gesetzliche Erbfolge ergänzend eintreten. In Deutschland gelangte die Doktrin, wenn auch erst nach mannigfachen Kämpfen, schließlich sogar zur Anerkennung der Erbeinsetzungsverträge und Erbverzichte. Wie in den angeführten, so kam auch in anderen Richtungen die Doktrin des römischen Rechts den praktischen Rechtsanschauungen des Mittelalters entgegen, so daß, was sie lehrte, den fremdartigen Charakter verlor. 14 15

Vgl. Stobbe, II. 23 ff.

Vgl. S. 680. L. Seuffebt, Zur Geschichte der obligatorischen Verträge, 1881. Vgl. S. 266. In Deutschland, wo Auflassung und Fertigung iiu Grundbuch entgegenstanden, fand diese Theori« keinen Eingang. 19

§ 66.

Die Rezeption der fremden Rechte.

727

In dieser Beziehung war es namentlich von Wichtigkeit, daß die romanistische Doktrin sich in der Hauptsache auf das römische Civilrecht beschränkte, während sie sich auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, obwohl zunächst gerade durch die staatsrechtlichen Bedürfnisse der Könige und Fürsten zu so großem Ansehen gelangt, eine verständige Zurückhaltung auferlegte. Auf dem Gebiete der Staatsverfassung lagen die Verschiedenheiten zwischen dem antiken Rom und dem mittelalterlichen Deutschland so auf der Hand, daß von einer Anwendung der römischen Grundsätze auf die deutschen Verhältnisse ernstlich keine Rede sein konnte; die Publizistik begnügte sich damit, die Gewalt des Princeps im allgemeinen, dem Papste wie den Unterthanen gegenüber, aus dem römischen Rechte zu begründen. Einen größeren Einfluß übte das letztere auf die Elitwickelung des Strafrechts, aber auch hier gelangte es nur zu beschränkter Bedeutung, weil ihm die umfassende Gesetzgebung, die das Reich auf diesem Gebiete entwickelt hatte und noch ferner entwickelte, gegenüberstand. Von besonderer Bedeutung für Deutschland mußten die prozessualischen Doktrinen werden, weil bei der zerrütteten Gerichtsverfassung und dem heillosen Gerichtsverfahren hier die helfende Hand am meisten not that. Die italienische Doktrin, deren bedeutendster Vertreter der Gerichtsspiegel (Speculum iudiciale) des Durantis (1271) war, gründete sich ganz auf den kanonischen Prozeß, wie ihn die päpstliche Gesetzgebung und der Gerichtsgebrauch aus dem römischen Verfahren heraus, jedoch nicht ohne merkliche Einwirkungen des germanischen Rechts, für die geistlichen Gerichte ausgebildet hatte. Indem die Doktriu der Legisten die Grundsätze dieses kanonischen Prozesses unter Berücksichtigung der italienischen Statuten mit den Elementen des justinianischen Prozesses verarbeitete, entstand ein dem kanonischen sehr nahe verwandter, aber doch in manchem von ihm verschiedener römisch-kanonischer Prozeß, der in den weltlichen Gerichten Italiens schon im 13. Jahrhundert überall zur Herrschaft gelangte 17 . Die entscheidende Wendung in der Rezeptionsgeschichte vollzog sicli für Deutschland mit der Reichskammergerichtsordnung von 1495 18 , nach welcher Richter und Beisitzer schwören mußten, zu richten „nach des Reichs gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern und leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewonheiten der Fürstenthumb, Herrschaften und Gericht, die für sie bracht werden" 1 ". Die 16 Beisitzer sollten zur einen Hälfte „der Recht gelert und gewirdigt", zur anderen „auf das ge ringest aus der Ritterschaft geboren" sein, nacli der zweiten RKGO. 17

Vgl. v. BETHMANN-HOLLWEG, Germ.-roman. Civilprozeß, III. 1874. N. Samml. II. 6 ff. 19 Hierin wie in den Vorschriften für die Beisitzer stimmte schon der Entwurf von 1487 mit der ersten RKGO. überein. Vgl. STOBBE, II. 191. Bei den Wormser Verhandlungen (1495) weigerte sich der Kaiser anfangs, altes Herkommen und Gewohnheiten als Rechtsnormen zuzulassen, er verlangte also offenbar wie der Erlaß Ludwigs des Baiern von 1342 geschriebenes Recht. Vgl. ITI.LMANN, a. a. O. 362 f. 18

Die Neuzeit.

728

von 1521 sollten aber die letzteren womöglich „auch der Recht gelehrt" sein, „so fern man die haben kan, vor andern" 20 . Hinsichtlich des Verfahrens wurde 1495 (§ 14) nur vorgeschrieben, daß es jeder Partei gestattet sein solle, ihre Sachen „in Schriften fürzubringen". Die beiden Prozeßordnungen von 1500 und 1507 schlössen sich bereits vollständig an das römisch-kanonische Verfahren an 21 . Mit der Einsetzung des Reichskammergerichts war die Rezeption gemeinrechtlich entschieden. In der Schweiz und Schleswig, wo die Zuständigkeit desselben ausgeschlossen war, hat keine Rezeption stattgefunden. Die Nachwirkung des RKGO. von 1495 äußerte sich alsbald in den einzelnen Territorien durch allgemeine Reorganisation der Obergerichte auf den gleichen Grundlagen, während in den Städten statt des Rechtszuges an die Oberhöfe die Aktenversendung an die juristischen Fakultäten üblich wurde 32 . Es war selbstverständlich, daß diese ebenso wie die mit Rechtsgelehrten besetzten oberen Landesgerichte sich an das gemeine Recht hielten, auch wo dies nicht, wie vielfach geschah, ausdrücklich landesgesetzlich vorgeschrieben wurde2S. Langsamer vollzog sich die Umwandlung bei den Untergerichten, aber selbst da, wo sich die Schöffenverfassung noch erhielt, erschienen die ungelehrten Urteiler gegenüber dem rechtskundigen Richter oder Gerichtsschreiber mehr oder weniger nur noch als gewohnheitsmäßiges Beiwerk ohne selbständige Bedeutung. Den Gegenstand der Rezeption bildete auf dem Gebiete des Civilreehts das Corpus iuris civilis und das Corpus iuris canonici, und zwar letzteres als das neuere Gesetz dem ersteren derogierend, auf dem Gebiete des Lehnrechts das als decima collatio Novellarum mitrezipierte lombardische Lehnrechtsbuch, auf dem Gebiete des Gerichtsverfahrens der Prozeß des Corpus iuris canonici und der italienischen Doktrin. Da aber die Rezeption erst durch die Vermittelung der Doktrin erfolgt war, so kamen die genannten Rechtsbücher nur in der Weise, wie die römisch-kanonische Doktrin sie benutzt und ausgelegt hatte, zur Anwendung, also nur mitden vielfältigen Umdeutungen, die in der gemeinrechtlichen Doktrin stattgefunden hatten oder im Laufe der Entwickelung noch ferner stattfanden, und nur in der von der Doktrin ausschließlich benutzten glossierten Form. Was die Glossa ordinaria, die sich im Gegensatze zu der Glossatorenschule des 12. Jahrhunderts schon ganz auf dem scholastischen Stand20 N. Samml. II. 180. Schon der Landfriede Albrechts II. von 1438 (N. Samml. I. 157) versprach Besetzung des königlichen „Obergerichts" mit „weisen, verstendigen, fürsichtigen Rittern und Gelehrten", die „nach gemeinen Rechten" und „guter Gewohnheit" urteilen sollten. 21 N. Samml. II. 75 ff., 123 ff. 22 Vgl. STOBBE, II. 63 ff. A. S. SHULTZE, Privatrecht und Prozeß I. 203 ff. Bedeutend war auch die schiedsrichterliche Thätigkeit der Juristenfakultäten. In dem pfälzischen Hofgericht zu Heidelberg wie in dem Leipziger Schöffenstuhl hatten in der 2. Hälfte des 15. Jh. Mitglieder der Juristenfakultäten Sitz und Stimme. Vgl. KABLOWA, a. a. O. 20. DISTEL, Leipziger Schöffenstuhl, Zeitschr. f. RG. XX. 95 ff. 23

V g l . STOBBE, I I . 1 2 5 ff.

§ 66.

Die Rezeption der fremden Hechte.

729

punkte bewegte, als unpraktisch beiseite gelassen hatte, wurde auch von der Doktrin als nicht vorhanden betrachtet. Dasselbe galt von den erst im 16. Jahrhundert aufgefundenen, der Glosse unbekannt gebliebenen Gesetzesstellen („leges restitutae"). So entstand der Satz: „Quicquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia" 24 . Mit den angegebenen Beschränkungen waren aber die drei Rechtsbücher als Ganzes, als leges scriptae, aufgenommen, sie hatten die volle Geltung wirklicher Reichsgesetze erhalten, bildeten mit den Reichsgesetzen zusammen „des Reiches gemeines Recht". Wie die Reichsgesetze auf dem Gebiete des materiellen Rechts nur da, wo sie dies ausdrücklich in Anspruch nahmen, prinzipale Geltung gegenüber den Partikularrrechten besaßen 26 , im übrigen aber sich mit subsidiärer Geltung begnügten, so galt auch für die rezipierten fremden Rechte der Satz: „Stadtrecht bricht Landrecht, Landrecht bricht gemein Recht" 26 . In erster Reihe behaupteten die einheimischen geschriebenen und ungeschriebenen Rechte, die letzteren aber nur, soweit sie im Gericht nachgewiesen wurden, das Feld. Demgemäß hatte das römische Recht in Norddeutschland, wo das lübische und magdeburgische Stadtrecht und namentlich das auf Grundlage des Sachsenspiegels erwachsene gemeine Sachsenrecht einen festen Damm bildeten, von vornherein eine erheblich geringere Bedeutung, als in den staatlich und partikularrechtlich überaus zerklüfteten süddeutschen Gebieten. Materiell aber machte sich bemerklich, daß das deutsche Recht auf dem Gebiete des Immobiliarsachenrechts und namentlich des Familienrechts am meisten ausgeprägte Normep besaß. Selbst die dürftigsten Rechtsquellen pflegten wenigstens in diesen Beziehungen einige Bestimmungen zu enthalten. So kam es, daß das römische Recht hier am wenigsten Boden gewann. Nur das unpraktische Verfangenschafts- und Teilrecht mußte sich mannigfache Umbildungen gefallen lassen, die eheliche Errungenschaftsgemeinschaft wurde zum Teil mißverstanden und auf eine bloße Gemeinschaft der Ersparnisse für den Fall der Auflösung der Ehe beschränkt, vereinzelt auch die allgemeine Gütergemeinschaft als eine bloße Gütergemeinschaft von Todes wegen (d. h. bei bestehender Ehe 24

Vgl. LÄNDSBERG , Über die Entstehung der Regel Qu. n. a. gl., n. a. curia, Bonner Inaug.-Diss. 1880. SAVXGNY, Syst. d. heut. röm. Rechts I. 66 ff. 26 So in den bekannten erbrechtlichen Bestimmungen der Reichsabschiede von Freiburg 1498 § 37 (N. Samml. II. 46), Worms 1521 §§ 1 8 - 2 0 (ebd. 206) und Speier 1529, § 31 (ebd. 299). 26 Vgl. Reichshofratsordnung von 1654, Tit. 1, § 15 (N. Samml. IV., Zugabe S. 50). Lüneburger Statut v. J. 1401 (KRAUT, Das alte Stadtrecht von Lüneburg, S. 2): wes me in dessem boke edder in den Privilegien nicht eri vind, dar willet de rad und borghere in allen sahen — — — sik mer richten an mene sassesch lantrecht, unde wes me dar nicht ane vind, dar schal me sik denne — — — holden an dat leiserrecht. Bair. Landr. von 1756, I. c. 2, § 17: „so soll man am ersten auf die wohl hergebrachte besondere Freiheiten, sodann auf jedes Orts löbliche Gewohnheiten, Satz- und Ordnungen, hier nächst auf die General-Landes-Statuta und endlich auf das gemeine Recht sehen." Vgl. ebd. §§ 9—10. Würtemberg. Hofgerichtsordnung von 1514 (KEYSCHEE, Samml. d. würt. Gesetze IV. 108, Nr. 84).

730

Die Neuzeit.

Gütertrennung, dagegen bei Auflösung der Ehe Berechtigung des überlebenden Ehegatten, unter Einwerfung seines Vermögens die Hälfte des Samtgutes zu nehmen), die fortgesetzte Gütergemeinschaft als bloße communio incidens, die eheliche Verwaltungsgemeinschaft als ususfructus maritalis aufgefaßt, aber im großen und ganzen hat sich das deutsche Familienrecht überall intakt erhalten. Schwieriger gestaltete sich die Lage auf dem Gebiete des Immobiliarsachenrechts. Das deutsche Grundbuchsystem vermochte sich nur teilweise zu halten. Mehr und mehr drangen die römischrechtlichen Auffassungen von dem Eigentumsübergange durch Tradition und namentlich die unbrauchbaren Grundsätze des römischen Hypothekenrechts vor, bis sich infolge der furchtbaren Geld- und Kreditkrisis nach dem 30 jährigen Kriege ein allgemeiner Rückschlag bemerkbar machte. Allmählich kehrte man im Interesse des Realkredits fast überall zu den in einigen bevorzugten Teilen Deutschlands stehen gebliebenen Einrichtungen des Grundbuch- oder wenigstens des Hypothekenbuchsystems zurück. Bahnbrechend haben namentlich die preußische Allgemeine Hypothekenordnung von 1783, das preußische Allgemeine Land recht von 1794 und die österreichische Gesetzgebung gewirkt. Stärker trat das römische Recht auf dem Gebiete des Mobiliarsachen und des Erbrechts, am stärksten auf dem des Obligationenrechts, das im deutschen Recht die geringste Entwickelung erfahren hatte, hervor, doch wurden auch hier vielfache nationale Eigentümlichkeiten teils durch partikulare Rechtsquellen, teils durch die gemeinrechtliche Doktrin vor dem Untergange bewahrt. Die Rezeption der fremden Rechte hatte zunächst eine segensreiche Wirkung. Sie gab dem deutschen Privatrecht und dem Gerichtsverfahren ungefähr zu derselben Zeit, wo sich über den Dialekten die gemeinsame neuhochdeutsche Schriftsprache erhob, die fehlende einheitliche Grundlage, die im Wege der Reichsgesetzgebung nie hätte erreicht werden können.Sie brachte die deutsche Rechtsentwickelung in die engste Fühlung mit derjenigen Italiens und Frankreichs. Sie diente auch, trotz der Schwerfälligkeit des gemeinen Prozesses, gegenüber den bisherigen Zuständen zur Förderung der Rechtssicherheit. Durch das geschulte Beamtentum, das sie ja zu ihrer Voraussetzung hatte, diente sie der Entwickelung des modernen Rechtsstaates auf Kosten der ständischen und feudalen Elemente. Aber auch die Kehrseite fehlte nicht. Unter den gelehrten und halbgelehrten Juristen waren viele von völliger Mißachtung gegen das nationale Recht erfüllt. Gewohnheitsrechte suchten sie so viel wie möglich beiseite zu schieben, indem sie den Beweis erschwerten oder die Verjährungsgrundsätze auf dieselben anwendeten. Vielfach mit gesetzgeberischen Arbeiten, namentlich Neuredaktionen oder Reformationen von Land- oder Stadtrechten, betraut, wußten sie das einheimische Recht zu Gunsten des römischen zu unterdrücken, so daß aus manchen Partikularrechten, z. B. dem würtembergischen Landrecht., das deutsche Recht, fast

§ 67.

Der Niedergang und die Auflösung des Reiches.

731

27

ganz eliminiert wurde . Daß es gegenüber derartigen Versündigungen an dem nationalen Geiste nicht an lebhafter Opposition fehlte, war erklärlich. Dieselbe ging zum Teil von den Städten aus 28 , auch der Adel brachte vielfache Beschwerden vor 29 , namentlich aber drangen die Bauern, die sich durch die Auffassung ihrer Erbzinsverhältnisse als römische Emphyteuse oder bloße Zeitpacht seitens der Juristen bitter benachteiligt fühlten, in ihren Beschwerdeschriften zur Zeit der Bauernkriege auf die Entfernung aller Doktoren aus den Gerichten 30 . Erfolg haben diese Bestrebungen nicht gehabt. Die Geschichte ist über sie hinweggegangen, und erst unser Jahrhundert sieht sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, den durch die Rezeption herbeigeführten Dualismus des einheimischen und fremden Rechts, unter möglichster Wahrung des durch Halbwisser und blinde Fanatiker vergeudeten nationalen Gutes, im Wege einheitlicher Kodifikation zu überwinden. §67. D e r N i e d e r g a n g u n d die A u f l ö s u n g des Reiches. Unter Maximilian I. hatte man noch einmal den Versuch gemacht, den unverkennbaren Verfall des Reiches teils durch innere Reformen, teils durch die Einverleibung der Deutschordenslande zu hemmen 1 . Aber die einem widerstrebenden Kaiser mit Mühe abgerungenen Reformen waren ohne dauernden Erfolg, und von den Besitzungen des deutschen Ordens blieb nur, was innerhalb der alten Reichsgrenzen lag, beim Reiche, während alles übrige noch im Laufe des 16. Jahrhunderts verloren ging 2 . Indem dann die Kaiser es unternahmen, die reformatorische Bewegung, die den größten Teil des Reiches ergriffen hatte, mit Gewalt zu unterdrücken, gaben sie den Anlaß zu den verheerenden Kämpfen des schmalkaldischen und 30 jährigen Krieges, wo Spanien, Frankreich und Schweden in deutschen Dingen den Ausschlag gaben und deutsche Gebiete die Beute des Auslandes wurden. Aus dem westfälischen Frieden gingen die deutschen Territorien im wesentlichen als souveräne Staaten hervor, deren Unterordnung unter das Reich nur noch geringe Bedeutung hatte. Der Schwerpunkt der kaiserlichen Erblande lag schon seit Sigismund 27 Der reiche Schatz nationalen Eechtes, den gerade die Vorarbeiten zu dem würtembergischen Landrecht zusammengebracht hatten, blieb bei der Abfassung des Gesetzes gänzlich unberücksichtigt. 28 Vgl. KRAUT, Grundriß § 13, Nr. 28. MUTHER, Zeitschr. f. EG. IV. 434. 29

V g l . STOBBE, I I . 5 0 .

KRAUT, a. a. O . N r . 2 3 , 2 4 , 2 6 ,

27.

30

Vgl. die früher fälschlich Kaiser Friedrich III. zugeschriebene Reformation des Miltenbergers Waygand von 1525, bei LOBENZ FRIES, Gesch. d. Bauernkrieges in O s t f r a n k e n , h e r . v . SCHÄPFIER u n d HENNER, I. 4 3 5 . 1

Vgl. Augsburger Reichsabschied von 1500, N. Samml. II. 83. Über Preußen vgl. S. 719. Der Orden der Schwertbrüder in Kurland, Liefland und Estland, seit 1513 unter einem selbstgewählten Heer- oder Herrenmeister, löste sich, von Rußland bekriegt und vom Reiche im Stiche gelassen, i. J. 1561 auf. Rußland behielt das eroberte Dorpat, Estland kam an Schweden, die Insel Osel an Dänemark, Lief'land mit der Stadt Riga an Polen und Kurland mit Samogitien nahm der letzte Heermeister als erbliches Herzogtum von der Krone Polen zu Lehn. 2

732

Die Neuzeit.

außerhalb des Reiches 3 . Dasselbe war jetzt auch bei verschiedenen anderen Reichsständen der Fall. Unter der Krone Schweden standen Vorpommern und Wismar, bis 1719 auch das Herzogtum Bremen und das Fürstentum Verden, die dann auf Hannover übergingen; unter dem Könige von Dänemark das Herzogtum Holstein (Holstein-Gottorp von 1762 bis 1773 unter Rußland), von 1675 bis 1773 auch die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst; unter dem Könige von England seit 1713 das Kurfürstentum Hannover (Braunschweig-Lüneburg), samt dem Herzogtum Lauenburg (seit 1689 braunschweigisch) und den Fürstentümern Bremen und Verden; unter dem Erbstatthalter der vereinigten Niederlande die fürstlichen Lande von Nassau-Diez. Selbst der brandenburgisch-preußische. Staat gründete sein souveränes Königtum auf einen nicht zum Reiche gehörigen Landestheil 4 . Der Kurfürst von Sachsen war von 1697 bis 1763 zugleich König von Polen. Der westfälische Friede hatte den deutschen Territorien die völkerrechtliche Persönlichkeit nur unbeschadet der Rechte des Reiches bewilligt. Kriege unter den deutschen Staaten blieben untersagt. An einem Reichskriege hatten sich alle zu beteiligen. Gleichwohl stand Baiern in dem spanischen Erbfolgekriege auf französischer Seite. Das Verbot der Fehde vermochte weder den österreichischen Erbfolgekrieg, noch die beiden schlesischen Kriege und den siebenjährigen Krieg zu verhindern. Von dem französischen Revolutionskriege zog sich Preußen einseitig 1795 durch den Frieden von Basel, ebenso 1797 der Kaiser durch den Frieden von Campo Formio zurück, während der Reichskrieg, an dem sich Österreich seit 1799 wieder beteiligte, erst 1801 durch den Luneviller Frieden beendigt wurde. Der heillosen Zerrüttung des Reiches gegenüber war von preußischer Seite in den letzten Regierungsjahren Friedrichs des Großen zum ersten male der bemerkenswerte Versuch einer reichsverfassungsmäßigen Verbindung der deutschen Reichsfürsten ohne den Kaiser gemacht worden. Der Fürstenbund, dem die Kurfürsten von Mainz, Sachsenund Hannover und zahlreiche kleinere Staaten beitraten, bezweckte ausschließlich die Aufrechterhaltung der bestehenden Reichsverfassung gegenüber den beständigen Übergriffen und Arrondierungsversuchen Josephs II. 6 Mit dem Anlaß, der ihn ins Leben gerufen hatte, kam auch der Fürstenbund nach wenigen Jahren seines Bestehens wieder in Wegfall. Als Napoleon im Mai 1803 auf Anlaß des englischen Krieges Hannover besetzte, regte sich das Reich in keiner Weise, dagegen nahm es sich der von Baiern und einigen anderen Staaten bedrängten Reichsritter3 Die böhmische Krone war 1526, die ungarische 1527 an das Haus Osterreich gekommen. 4 Die Einverleibung des Deutschen Ordens in das Reich i. J. 1500 konnte sich nicht mehr auf das 1466 von Polen lehnbar gewordene Preußen beziehen. 6 Vgl. RANKE, Die deutschen Mächte und der Pürstenbund 1780—90, I. II. 1880. W . A. SCHMIDT, Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen seit der Zeit Friedrichs des Großen, 1851.

§ 67.

Der Niedergang und die Auflösung des Reiches.

733

schaft noch einmal mit einigem Erfolge an. Nachdem Napoleon in Frankreich das erbliche Kaisertum proklamiert hatte (Mai 1804), geschah seitens des deutschen Kaisers, unbeschadet der Fortdauer seiner Stellung zum Reiche, dasselbe hinsichtlich seiner österreichischen Erblande (14. Aug. 1804). Der Koalitionskrieg von 1805 sah Baiern, "Wurtemberg und Baden bereits auf französischer Seite gegen Österreich, während das Reich neutral blieb. Der Presburger Friede (26. Dez. 1805) brachte den drei Verbündeten Napoleons die Anerkennung der vollen Souveränität und aller daraus fließenden Rechte, unbeschadet ihrer Zugehörigkeit zu der „confédération germanique", und reichen Zuwachs durch österreichische Gebietsabtretungen. Die Reichsstadt Augsburg wurde zu Gunsten Baierns, eine Besitzung des Johanniterordens zu Gunsten Würtembergs mediatisiert, das Amt des Hochund Deutschmeisters in eine österreichische Sekundogenitur verwandelt. Baiera und Wurtemberg wurden zu Königreichen erhoben. Das deutsche Reich wurde bei diesen Abmachungen nicht gefragt, selbst der Kaiser handelte nur als österreichischer, nicht als deutscher Kaiser. Der Reichstag erhielt erst nach Monaten die amtliche Anzeige des Geschehenen. Der erste Gebrauch, den die neuen Souveräne von ihrer Selbstherrlichkeit machten, war die gewaltsame Mediatisierung der Reichsritterschaft innerhalb ihrer Gebiete. Im März 1806 erhielt der Reichstag die Anzeige, daß der Prinz Murat auf Anordnung Napoleons als Herzog von Cleve und Berg in die Reihe der Reichsstände getreten sei. Der Kurerzkanzler Dalberg erhob einseitig, ohne Kapitelswahl, den Kardinal Fesch, einen Verwandten Napoleons, zu seinem Koadjutor mit dem Rechte der Nachfolge als Erzkanzler des Reiches. Am 1. Aug. 1806 sagten sich vierzehn im Rheinbunde unter Napoleons Protektorat vereinigte Fürsten durch Erklärung an den Reichstag „von ihrer bisherigen Verbindung mit dem deutschen Reichskörper" los. Eine gleichzeitige Erklärung Napoleons besagte, daß er das Dasein der deutschen Verfassung nicht mehr anerkenne, sondern nur die volle und absolute Souveränität eines jeden der Fürsten, deren Staaten das heutige Deutschland bildeten. Zehn Tage später übergab der kaiserliche Gesandte den bei dem Reichstage beglaubigten Gesandten der einzelnen Reichsstände (nicht dem Reichstage selbst) eine vom6. Aug. 1806 datierte Akte des Kaisers, wodurch dieser, bei der Unmöglichkeit seine Pflichten als Reichsoberhaupt ferner zu erfüllen, erklärte: „daß Wir das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des Deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen, daß Wir das Reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderierten rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von allen übernommenen Pflichten gegen das Deutsche Reich losgezählt betrachten und die von wegen Desselben bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen." Zugleich entband der Kaiser alle Reichsangehörigen, namentlich die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte und alle übrigen Reichsbeamten, von ihren Verpflichtungen gegen das Reichsoberhaupt. Seine „sämtlichen deutschen Provinzen und Reichsländer"

734

Die Neuzeit.

sagte er ebenfalls von allen bisherigen Verpflichtungen los und stellte ihnen „in ihrer Vereinigung mit dem ganzen österreichischen Staatskörper" eine neue glückliche Zukunft in Aussicht 6 . Ein Reichstagsbeschluß über die Auflösung des Reiches ist nicht mehr gefaßt worden, aber die späteren weltgeschichtlichen Ereignisse haben dem von Hause aus völlig ungesetzlichen Akte nachträglich die stillschweigende Genehmigung der Mitlebenden und der Nachwelt zu teil werden lassen. § 6 8 . D a s L e h n s w e s e n u n d das G r u n d e i g e n t u m 1 . Durch die Rezeption hatte das lombardische Lehnrechtsbuch die Bedeutung eines gemeinen subsidiären Lehnrechts erhalten 2 . Vor ihm behielten die einheimischen Quellen, wie das sächsische Lehnrecht, der 16. Titel des bairischen Landrechts von 1346, verschiedene in dieser Periode zur Aufzeichnung gelangte partikulare Lehnsgesetze (Lehnsmandate, Lehnsedikte) und die Lehnsgebräuche ihre Geltung 3 . Der Unterschied zwischen dem lombardischen Lehnrecht und der Entwickelungsstufe, die das deutsche Lehnrecht gegen Ende des Mittelalters erreicht hatte, war nicht bedeutend. Fortgebildet wurde das Lehnrecht vornehmlich durch die Doktrin. Das dingliche Rechtsverhältnis am Lehn wurde seitens der letzteren als dominium directum (Obereigentum) auf seiten des Herrn, dominium utile (Untereigentum) auf seiten des Mannes aufgefaßt. Das Successionrecht erstreckte sich auf sämtliche lehnsfähige, dem Mannsstamme angehörige Nachkommen des ersten Erwerbers. Die gemeinrechtliche Successionsordnung war bestritten, indem manche für die Gradual-, andere für die Lineal-, wieder andere (seit Hartmann Pistoris) für die dem Geiste des lombardischen Lehnrechts wie den Quellen allein entsprechende LinealGradual-Ordnung eintraten 4 . Mit Ausnahme der Fürstentümer waren die meisten Lehen Majorate, so daß unter an sich gleichberechtigten Lehns® Die drei Erklärungen vom 1. und 6. August 1806 bei BERGHAMS, Deutsehland vor fünfzig Jahren II. 63—70. 1 Vgl. §§ 40, 41. ' Aber wie bei dem Corp. iur. civ. unter Beobachtung des Satzes: „Quicquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia." Die nicht glossierten Stellen haben als bloße Extravaganten nur wissenschaftlichen Wert. Während man die Libri Feudodorum nach der Legalordnung in zwei Büchern citiert, pflegt man die Extravaganten nach der Stellung, die sie in der Ausgabe des Cujacius einnehmen (IV. P. 73—109 und V. F.) anzuführen. ® Vgl. LÜNIQ, Corpus iuris feudalis Germanici, 3 Bände, 1727. Unter den jüngsten Lehnsgesetzen sind zu nennen: das kursächsische von 1764, das altenburgische von 1795, das gothaische von 1800, das badische von 1807, das bairische von 1808 und das preußische ALR. I. Tit. 18, §§ 13—679, letzteres ohne Anerkennung der Subsidiarität des lombardischen Rechts. 4 Vgl. EICHHORN, IV. 443 f. Die maßgebenden Stellen sind 1. F. 19 § 1. II. F. 11 pr. 37 pr. 50. Uber den Gegensatz der Agnaten und Dcscendenten in der Lehnssuccession vgl. § 40 N. 87. SCHRÖDER, Die rechtliche Natur der Lehnsfolge im langobardischen Lehnrecht, Zeitschr. f. RG. V. 285 ff.

§ 68.

Das Lehnswesen und das Grundeigentum.

735

erben der ältere vorging. Bei Weiberlehen galt die weibliche Linie im Zweifel nur als eine subsidiär berechtigte; sie trat erst nach dem Aussterben des Mannsstammes ein und hatte diesem wieder zu weichen, sobald das Lehn wieder in männliche Hände gekommen war. Streitig war, ob das Recht der Erbtochter oder das der Regredienterbin vorgehe; Wissenschaft und Praxis haben mit Recht zu Gunsten der ersteren entschieden 5 . Bei Veräußerungen hatte der nächste Agnat den im deutschen Lehnrecht unbekannten Lehnsretrakt, während alle übrigen Agnaten auf das Revokationsrecht beschränkt waren, nachdem der Successionsfall für sie eingetreten war 6 . Die Descendenten des Veräußerers hatten weder Retrakt, noch Revokationsrecht, sondern mußten die Handlungen ihrer Vorfahren anerkennen. Gegenüber dem Herrn erhielt sich, im Gegensatze zu der größeren Strenge des lombardischen Lehnrechts, im allgemeinen die Regel, daß er einem lehnsfähigen Erwerber die Belehnung nicht versagen dürfe 7 . Durch die Doktrin wurde die Lehre von den Lehnsschulden ausgebildet 8 . Ebenso verdankt die Eventualbelehnung eines adelichen Hauses für den Fall des Aussterbens des besitzenden Hauses und die Lehnsanwartschaft (Versprechen späterer Belehnung für den gleichen Fall) der Lehnrechtsdoktrin ihre Ausbildung 9 . Eine besondere Lehnsvormundschaft war dem gemeinen Lehnrecht unbekannt 1 0 . Das Lehnsband zwischen dem Reiche und den Fürsten hatte mit der Abschwächung der kaiserlichen Gewalt erheblich von seiner früheren Bedeutung verloren. Belehnungen und Lehnserneuerungen erfolgten nur ausnahmsweise noch mit der alten Feierlichkeit. In der Regel entsandten die Fürsten Bevollmächtigte, die in ihrem Namen dem Kaiser Lehnseid und Mannschaft leisteten und die Belehnung von ihm empfingen 11 . Veräußerungen von Landesteilen unter den Reichsständen geschahen nicht mehr durch die Hand des Kaisers; man hielt es für genügend, wenn dieser um die Belehnung des Erwerbers ersucht wurde, was oft erst nach Jahren geschah. Die Verpflichtung der Fürsten zur Hoffahrt verlor sich von selbst, seit die Kaiser aufgehört hatten das Reich zu bereisen und in den verschiedenen Teilen desselben Hof zu halten. Seit 1663 hörte selbst der persönliche Besuch der Reichstage seitens der Fürsten auf. Innerhalb der Territorien verlor das Lehnswesen seinen öffentlichrechtlichen Charakter seit der Einführung der Söldnerheere und des Vgl. I. F. 6 § 1. 8 § 2. II. F. 13. 17 pr. 18. 30 pr. 51 § 3. Vgl. ineine Anm. 4 angefühlte Abhandlung. I. F . 8 § 1. II. F. 9 § 1. 26 § 13, § 17. 31. 39 pr. 52 § 2. 5

6

7

V g l . EICHHORN, I V .

440.

Vgl. GIERKE, De debitis feudalibus, Berl. Inaug.-Diss. 1860. 9 Vgl. S. 390 f. F ü r die deutsche Territorialgeschichte sind die Eventualbelehnung und Lehnsanwartschaft von großer Bedeutung gewesen. 10 Vgl. Art. 11 der ständigen Wahlkapitulation (N. Samml. IV. 240). 11 Fahne und Scepter wurden nicht mehr überreicht. Die Belehnung erfolgte unter Darreichung eines Schwertes zum Kusse auf den Knauf. 8

Die Neuzeit.

736

öffentlichen Beamtentums. Das Lehnrecht gehörte seitdem überwiegend nur noch dem Privatrecht an. In Kriegsfällen wurde den Vassailen regelmäßig die Wahl gestellt, ob sie persönlich Heeresfolge leisten oder die entsprechende Summe von Ritterpferdsgeldern (Heersteuer nach Maßgabe der dem Manne obliegenden Ritterpferde) zahlen wollten. Mit der Entwöhnung der Rittergutsbesitzer vom ritterlichen Leben verlor sich die erste Alternative allmählich ganz, nur die Ritterpferdsgelder blieben übrig. In Preußen erfolgte im Laufe des 18. Jahrhunderts die Allodifikation sämtlicher Staatslehen gegen Umwandlung der unregelmäßigen Ritterpferdsgelder in einen festen von den Rittergütern übernommenen Kanon ; die agnatischen Rechte wurden aufrecht erhalten. Nur Vorpommern entzog sich dieser Reform. In Holstein vollzog sich die Allodifikation um dieselbe Zeit im Wege der Verjährung 13 . In dem größten Teile Westpreußens war das Lehnswesen schon im 15. Jahrhundert durch die polnische Gesetzgebung aufgehoben worden. In den mit Frankreich vereinigten Landesteilen kam der Beschluß der französischen Nationalversammlung vom 4. August 1789 über die Aufhebung des régime féodal zur Geltung; die Gesetzgebung des Königreichs Westfalen und des Großherzogtums Berg schloß sich dem an. In Schwedisch-Pommern erfolgte die Allodifikation im W e g e der Ablösung in den Jahren 1810 und 1811. In der Rheinbundsakte verzichteten die einzelnen Staaten gegenseitig auf ihre Lehnsherrlichkeit über Besitzungen in den Gebieten der anderen. Dadurch wurden innerhalb des Rheinbundes die sogenannten Außenlehen (feuda extra curtem) beseitigt. Durch die Auflösung des Reiches wurden von den bisher reichslehnbaren Territorien alle zur Souveränität gelangten ehemaligen Reichsfürstentümer und Reichsgrafschaften allodial, während die mediatisierten den Charakter von lehnbaren Standesherrschaften behielten und zu Thronlehen wurden 13 . I m Laufe unseres Jahrhunderts hat die Landesgesetzgebung der ein-, zelnen deutschen Staaten das Lehnswesen größtenteils beseitigt, nur in Mecklenburg besteht dasselbe noch vollständig zu Recht. Aufrecht erhalten sind im allgemeinen die Thronlehen 14 , in einigen Staaten auch gewisse lehnbare Hofamter und landesherrliche Dotations- oder Gnadenlehen. I m übrigen sind die lehnsherrlichen Rechte fast überall aufgehoben oder für ablösbar erklärt. Die bisherigen Vassallen sind Eigentümer ge-

Vgl, FALCK, Schlesw.-holst. Privatrecht I I I . 347. Ebenso das dem Fürsten von Thum und Taxis zustehende Reichspostregal, das in Preußen durch die Herrschaft Krotoschin abgelöst wurde. 14 In Preußen erhielt der Fürst von T h u m und Taxis als Entschädigung für sein Postregal (Anm. 13) die Herrschaft Krotoschin als Thronlehn. Dagegen übernahm Preußen die letzten Bestände der fürstlichen Post durch den Vertrag vom 16. Februar 1867 gegen eine Geldentschädigung. In Baiern wurden durch das Ablösungsgesetz vom 4. Juni 1848 auch die lehnbaren Standesherrschaften für ablösbar erklärt, während die Hofämter und Dotationslehen ausgenommen blieben. 12

13

§ 68.

737

Das LehnBwesen und das Grundeigentum.

worden. Die agnatischen Rechte sind zum Teil ebenfalls aufgehoben, zum Teil für ablösbar erklärt, zum Teil noch aufrecht erhalten. In Preußen und verschiedenen anderen Staaten ist die Ablösung derselben durch Umwandlung der Lehen in Familienfideikommisse vor sich gegangen. Die Umgestaltung der Heeresverfassung hat nicht bloß auf das LehnsAvesen, sondern auch auf die Grundeigentumsverhältnisse einen maßgebenden Einfluß ausgeübt, indem die Vassallen sich aus Kriegsmännern mehr und mehr in Landwirte verwandelten. In Süd- und Westdeutschland, wo die große Zersplitterung des herrschaftlichen Grundbesitzes weniger zur Eigenwirtschaft einlud, war dies allerdings nicht so bald der Fall. Hier zogen die Herren es noch lange Zeit vor, ihre Güter in alter Weise zu Zinsrecht auszuthun oder zu verpachten, während sie selbst dem ritterlichen Leben nachgingen und in Raub und Fehde, unbekümmert um den ewigen Landfrieden, ihren Lebensberuf fanden. Anders in Böhmen und Mähren und den Ländern östlich der Elbe, wo schon das Mittelalter den Grund zu der Ausbildung großer Grundherrschaften gelegt hatte (S. 417 f.). Hier verwandelte sich der Rittersmann schon im 16. Jahrhundert ganz allgemein in einen friedlichen Rittergutsbesitzer. Allerdings konnte dies, da der ritterschaftliche Grundbesitz dazu im allgemeinen zu gering war, nur auf Kosten der bäuerlichen Bevölkerung geschehen, allein die Landesherren hatten in jener Zeit im Interesse der staatlichen Ordnung ein zu lebhaftes Bedürfnis, den rauf- und fehdelustigen Adel an ein ruhiges Leben zu gewöhnen, als daß sie dem etwas hätten in den Weg legen' sollen. Den zahlreichen Klagen der Bauern über Bedrückungen ihrer Herren mußten die fürstlichen Hofgerichte das Gehör verweigern, indem sie sie mit ihren Beschwerden an die grundherrlichen Gerichte verwiesen. So entwickelte sich im nordöstlichen Deutschland ein dem älteren Recht unbekanntes gutsherrlich-bäuerliches Verhältnis 16 . Als Freibauern 16 Vgl. KNAPP, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren Teilen Preußens, I. II. 1887. MEITZE», Der Boden und die landwirtschaft-

lichen Verhältnisse des preußischen Staates, I. (1868) Kap. 11—14.

LETTE U. RÖNNE,

Landeskulturgesetzgebung des preußischen Staates, I. (1853) Einleitung. STADELHAM», Preußens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landeskultur, I. (Friedrich Wilhelm I.) 1878. II. (Friedrich II.) 1882. KORN, Geschichte der bäuerl. Rechtsverhältnisse in der Mark Brandenburg, Zeitschr. f. RG. XI. 1 ff. v. BRÜNNECK, Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ebd. XXI. 38 ff.; Die Leibeigenschaft in Pommern, ebd. XXII. 104 ff.; Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung Friedrichs des Großen und das allgemeine Landrecht, ebd. XXIII. 24 ff. BÖHLAU, Ursprung und Wesen der Leibeigenschaft in Mecklenburg, ebd. X. 357 ff. HAUSSEN, Agrarhistor. Abhandlungen I. 388 ff. II. 504 ff.; Die Aufhebung der Leibeigenschaft u. d. Umgestaltung der gutsherrl. bäuerl. Verhältnisse in Schleswig-Holstein, 1861. SUGENHEIM, Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit in Europa (1861), S. 350—499. PADBERG, Die ländliche Verfassung in der Provinz Pommern, 1861. FUCHS, Der Untergang des Bauernstandes und das Aufkommen der Gutsherrschaften in Neuvorpommern und Rügen (i. d. Abhandl. d. staatswiss. Seminars in Straßburg, her. v. KNAPP, VI. 1888). R. SCHKÖDHB, Deutsche llechtBgeschicMe.

47

738

Die Neuzeit.

behaupteten sich die nach Kulmer Recht angesiedelten sogenannten Kölmer in Preußen, sowie die Lehn- oder Freischulzen, namentlich in Schlesien und Pommern. Dieselben wurden, da alle übrigen Bauern in Abhängigkeit von den Gutsherren gerieten, gar nicht mehr zu den Bauern gerechnet, sondern bildeten ein Mittelglied zwischen diesen und den Gutsbesitzern. Die Ansiedler in den Kolonisationslanden des nordöstlichen Deutschlands hatten ihren Grundbesitz ohne Ausnahme zu einem sehr günstigen Erbzinsrecht erhalten 16 . Dasselbe gewährte ihnen gegen einen in der Regel geringen Zins ein ausgedehntes, vererbliches und veräußerliches Nutzungsrecht, das von der Theorie ebenso wie das der Vassalien am Lehn als Untereigentum (dominium utile) aufgefaßt wurde. Zum Teil blieb dies günstige Verhältnis, seit der Rezeption des römischen Rechts vielfach als römische Erbpacht behandelt, bestehen, nur erwarben die Gutsherren gegenüber den Veräußerungen das Recht des Retrakts, auch wurden die Zinsleute genötigt, zu dem Zins noch allerlei Dienste und Leistungen zu übernehmen, die man als eine dem Gute auferlegte Reallast behandelte. Erheblich schlechter war die Lage der sogenannten Lassiten oder Laßbauern 17 . Auch sie hatten zwar häufig ein erbliches Recht 18 , aber ihr Nutzungsrecht war nur ein beschränktes, das Veräußerungsrecht besaßen sie nicht, und bei der Wahl des Gutserben hatte der Herr mitzureden, so daß dem Bauern auch keine letztwillige Verfügung über das Gut zustand. Für die gewährte Nutzung hatte der Laßbauer bedeutende Dienste und Abgaben zu leisten. Oft war das Recht nicht einmal erblich, sondern nur lebenslänglich, im Laufe der Zeit wurde das nichterbliche Recht selbst zu reiner widerruflicher Herrengunst herabgedrückt. Das lassitische Recht scheint zuerst bei Neu- oder ödländereien, die erst in dieser Zeit von der Herrschaft an Bauern ausgethan wurden, aufgekommen zu sein. Dann aber ist es zweifellos in vielen Fällen auch durch rechtswidrige Umgestaltung des Erbzinsrechts, durch rohe Gewalt der Guts-, herren, gegen die es keinen Rechtsschutz gab, herbeigeführt worden. Die dritte, durch das römische Recht besonders beförderte Art der bäuerlichen Leihe war die Zeitpacht, regelmäßig auf Grund eines schriftlichen Vertrags (während bei den beiden anderen Leiheformen in der Regel das Herkommen maßgebend war) und so gestaltet, daß die Hauptleistung des Pächters nicht in dem Pachtzins, sondern in Diensten bestand. Selbständige Gutsbezirke gab es noch nicht. Die herrschaftlichen Äcker lagen, soweit es sich nicht um Dörfer mit Reihenhufen handelte E. BOLL, Geschichte Mecklenburgs, II. (1856) 139 ff., 463 ff. Schriften des Vereins f. Sozialpolitik XXII—XXIV. (Bäuerliche Zustände in Deutschland), 1883. 19 Vgl. S. 4 1 7 . 17 Der Sprachgebrauch in betreff der bäuerlichen Verhältnisse ist ein überaus schwankender und untechnischer. Wir schließen uns an die Bezeichnungsweise von KNAPP a n . 18

Das preußische ALR. spricht hier von „erblichem Kulturbau".

§ 68.

Das LehDswesen und das Grundeigentum.

739

(S. 416), in Gemenglage mit denen der Bauern. Die größeren Güter hatten meistens Vorwerke (abgezweigte Gutshöfe), die entweder auf dem Gemeindelande als geschlossene Güter angelegt waren, oder sich in einer benachbarten Gemeinde in Gewannlage befanden. Auf den adelichen Gütern pflegte der Herr selbst seiner Wirtschaft vorzustehen, während Domänen, Stadt-, Stiftungs-, Kloster-, Universitäts- und ähnliche Korporationsgüter regelmäßig einen Pächter hatten. Bewirtschaftet wurde das Herrengut ausschließlich durch die Frondienste (Scharwerke, Robote) der Bauern. Dieselben waren teils Hand-, teils Spanndienste, teils Baufronen, Burgwerk und Forstdienste 19 . Die Dienste konnten durch Vertreter geleistet werden. Die meisten Fronen waren gemessene Dienste, mit Beschränkung auf ein bestimmtes Feld, bestimmte Wochentage oder bestimmte Zeiten im Jahre. In manchen Gegenden überwogen die ungemessenen Dienste. Auf den brandenburgisch-preußischen Domänen wurden die letzteren beseitigt; die Pächter durften nur solche Dienste fordern, die in den TJrbarien verzeichnet waren. Der von der preußischen Regierung gemachte Versuch, auch auf den Privatgütern feste Urbarien einzuführen, erwies sich als unausführbar. Die ungemessenen Dienste waren besonders dadurch bedrückend, daß sie mit jeder Vergrößerung des Gutes erhöht wurden. Fiir den Herrn brachten die Frondienste oft die erwünschte Gelegenheit, einen Bauer wegen Versäumung seiner Dienstpflichten vom Gute zu entfernen. Der Wunsch der Vergrößerung und besseren Abrundung der Güter führte zu dem System der Bauernlegung, d. h. der Einziehung von Bauerngütern, die man entweder dem Besitzer wegen wirklicher oder vorgeblicher Verschlechterung oder wegen Versäumung der Dienstpflicht abnahm (sog. Relegation, Abmeierung), oder durch Kündigung bei widerruflichen Laßgütern, durch Nichterneuerung der Pacht bei Zeitpachtgütern in die eigene Hand brachte. Dazu kam das vielfach anerkannte Recht der Zwangsenteignung gegen volle Entschädigung, sobald der Herr das Bauerngut zu eigenen Zwecken gebrauchte, und die Einziehung verlassener Stellen, die insbesondere nach dem 30 jährigen Kriege so zahlreich vorhanden waren, daß die Gutsherren, um sich die notwendigen Arbeitskräfte zu sichern, vielfach auf die Einziehung verzichteten und die ödländereien mit bisherigen Büdnern oder sonstigen armen Leuten, denen sie die Bedingungen vorschreiben konnten, besetzten. In Holstein, dem südlichen Schleswig, Mecklenburg und Schwedisch-Pommern wurde das System der Bauernlegung bis zu vollständiger Abrundung der herrschaftlichen Güter durchgeführt 20 . Die Bauerngüter wurden hier größtenteils beseitigt 21 .

19 Seit dem 16. Jh. tritt überall eine Herabminderung der Zinse gegen eine Steigerung der Dienste ein. 20 Weniger gewaltsam war das Verfahren im nördlichen Schleswig, wo sich die Herren auf die Einziehung wüster Strecken und vertragsmäßigen Erwerb beschränkten. 21 Dafür wurden in Schleswig-Holstein in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts 47*

740

Die Neuzeit.

Dagegen wurde in Preußen schon unter Friedrich Wilhelm I. und dann wiederholt unter Friedrich dem Großen für alle heimgefallenen oder verlassenen Bauerngüter der Leihezwang eingeführt und die Einziehung seitens der Herren untersagt. Diese 1816 für die wüsten Stellen wiederaufgehobene Maßregel, die übrigens in Ostpreußen nicht zur Durchführung gelangt war, hatte nur den polizeilichen Zweck, dem Staate einen lebensfähigen Bauernstand zu erhalten, dagegen keineswegs die Bestimmung, auch den einzelnen Bauern priyatrechtlich in seinem Besitze zu schützen. In Österreich wurde dieselbe Maßregel von Joseph II. getroffen. Noch weiter ging die preußische Bauernschutzgesetzgebung gegenüber den Domänenbauern, denen unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich dem Großen durchweg erblicher Besitz eingeräumt wurde. Die dabei aufrecht erhaltenen bäuerlichen Leistungen wurden seit 1799 für ablösbar erklärt, mit der Maßgabe, daß die Ablösung den vollen Eigentumsübergang auf den Bauern nach sich zog. Infolgedessen war das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis auf den preußischen Domänen schon vor der allgemeinen Regulierungsgesetzgebung in angemessener Weise beseitigt. Bis zum siebenjährigen Kriege wurde die Landwirtschaft in Norddeutschland noch sehr unvollkommen betrieben. Nur die zu jedem Hofe gehörigen Gärten und Feldgärten (Wurten) und die nach dem System der Dreifelderwirtschaft benutzten Binnenländer in der Nähe des Dorfes erfreuten sich größerer Pflege, während die längs der Flurgrenze gelegenen sogenannten Außenländer wegen mangelnder Düngung nur etwa alle sechs oder neun Jahre zum Roggenbau benutzt werden konnten. Ganz verwahrlost waren die Gemeindeweiden, stellenweise auöh die Gemeindewaldungen. Meistens wurde das Gemeindeland als Eigentum der Herren, mit bloßem Nutzungsrecht der Bauern, aufgefaßt. Seit 1763 strebten die Gutsherren, unter dem Einfluß der entwickelteren Land Wirtschaftswissenschaft, aus diesen Zuständen herauszukommen. Gemeinheitsteilung (d. h. einerseits Teilung des Gemeinde-, landes, andererseits Aufhebung des Flurzwanges und der mit diesem verbundenen wechselseitigen Brach- und Stoppelweide) und Zusammenlegung der herrschaftlichen Äcker wurde das von allen erstrebte Ziel, das in Preußen im Wege freiwilligen Austausches, durch Vermittelung der vom Staat für die verschiedenen Landesteile eingesetzten Auseinandersetzungskommissarien (seit 1769), schon im 18. Jahrhundert von den meisten Großgrundbesitzern erreicht wurde, namentlich seit die schlesische Gemeinheitsteilung von 1771 und das ALR. (I. Tit. 17, §§ 311 ff.) auf begründeten Antrag die Auseinandersetzung von Amts wegen angeordnet hatten. Das quantitative Verhältnis des herrschaftlichen Besitzes zu dem der Bauern war in den verschiedenen Gemarkungen ein sehr verschiedenes. Die Auseinandersetzung geschah, da die Bauern für sich durchweg an den herkömmlichen Einrichtungen zahlreiche neue Bauerndörfer durch Parzellierung von'Domänen und adelichen Gütern geschaffen. Vgl. HANSSEN, Agrarh. Abh. II. 508.

§ 68.

Das LehnsweBen und das Grundeigentum.

741

festhielten, überall in der Weise, daß der Gutsherr in einem der drei Felder einen zusammenhängenden Besitz erhielt und für die dadurch in Anspruch genommenen bäuerlichen Ackerparzellen die seinigen in den anderen Feldern in Tausch gab. Nach dem Ausscheiden des Gutes wurde dann die bäuerliche Feldmark einer neuen Einteilung in drei Felder unterzogen. Auf diese Weise sind die meisten großen geschlossenen Güter in Preußen, zum Teil auch in dem übrigen nordöstlichen Deutschland, entstanden. Mit der Zusammenlegung des herrschaftlichen Besitzes ging vielfach eine Teilung des Gemeindelandes Hand in Hand, so daß den Bauern ein Teil desselben als Almende belassen, das übrige freies Eigentum des Gutsherrn wurde. Auch in Süd- und Westdeutschland war die Lage der Bauern im 16. Jahrhundert eine erheblich schlechtere als in den früheren Jahrhunderten 2 ', und der Ausgang der Bauernkriege konnte nur dazu beitragen, sie noch weiter zu verschlechtern 23 . Die Almenden, namentlich die Waldungen, waren überwiegend kraft des von den Landesherren in Anspruch genommenen Obermärkerrechts, zum Teil auch auf Grund des Forstregals, fiskalisch geworden, und die Bauern hatten nur ein als Servitut aufgefaßtes Nutzungsrecht behalten. Die Besitzrechte der Bauern hatten sich in ähnlicher Weise wie in Norddeutschland abgestuft 24 , und wenn die Felddienste im allgemeinen weniger drückend waren, weil die Herren meistens keine Eigenwirtschaft betrieben, so waren die Forst- und Baufronen vielfach um so umfangreicher, namentlich aber machte sich, im Gegensatze zum Nordosten, eine Steigerung der Zinse und häufiger Ersatz der Frondienste durch Geldzins bemerkbar. Durch das Dekret der französischen Nationalversammlung vom 4. August 1789 über die Aufhebung des régime féodal wurden in allen mit Frank22 Außer den Anm. LÖ angefahrten Werken vgl. SOMMBB, Handbuch über die bäuerlichen Rechtsverhältnisse in Rheinland-Westfalen, 1880. (v. KAMPTZ), Zusammenstellung der in den ostrheinischen Teilen des Regierungsbezirks Coblenz geltenden Provinzial- und Partikularrechte, 1837. WIGAND, Provinzialrechte des Fürstentums Minden u. s. w., I. II. 1834; Provinzialrechte von Paderborn und Cor-

vey, I. II. 1832.

GBEFE, Hannovers Recht, I. II. 1860—61.

STÖVE, Wesen und Ver-

fassung der Landgemeinden und des ländlichen Grundbesitzes in Niedersachsen und Westfalen, 1851. HANSSEN, Die Ackerflur der Dörfer, Agrarhistor. Abhandlungen II. 179 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht I. 658 ff. THDDICHDM, Rechtsgeschichte der

Wetterau, 1867; Zur RG. der Wetterau, I. 1874, II. 1885; Gau- u. Markverfassung 277 ff. L. v. HAUBEB, Geschichte der Markenverfassung, 1856.

SCHNAPPEB-ABNDT,

Fünf Dorfgemeinden auf dem Hohen Taunus (SCHMOLLEB'S Staats- u. sozialwiss. Forsch. IV. 2) 1883. 23 Vgl. S. 443 f. SABTOBIUS, Geschichte des deutschen Bauernkrieges, 1795. ZIMMEBMANN, Geschichte des großen Bauernkrieges, I. II. 2. Aufl. 1856. LORENZ FBIES, Geschichte des Bauernkrieges in Ostfranken, her. v. SOHÄFFLEB U. HENNEB,

1883 (reich an Urkunden). 24 Der Sprachgebrauch ist auch hier ein durchaus unsicherer. Die von uns als Laßgüter bezeichneten Güter heißen vielfach Kolonate, auch die Meiergüter gehören einer verwandten Klasse an.

Die Neuzeit.

742

reich vereinigten Landesteilen die Bauern, soweit sie ein erbliches Recht besaßen, in Eigentümer verwandelt und von sämtlichen Lasten befreit; eine Entschädigung der Herren wurde erst später angeordnet. Im Laufe unseres Jahrhunderts ist die gutsherrlich-bäuerliche Regulierung fast in sämtlichen deutschen Staaten in der Weise erfolgt, daß die Bauern bei erblichen und allen dem Leihezwange unterliegenden nichterblichen Stellen gegen Entschädigung der Herren durch Kapital oder Rente für die den Bauern bis dahin obliegenden Leistungen das volle Eigentum erworben haben 26 . Zur Erleichterung der Ablösung wurden vielfach staatliche Rentenbanken gegründet, die gegen Abtretung der Ablösungsrente das Kapital in Gestalt von Rentenbriefen vorschossen29. Eine zweite Aufgabe der neueren Landeskulturgesetzgebung war die Zusammenlegung (Verkoppelung) der Grundstücke im Wege des Zwangsumtausches der in Streulage befindlichen Ackerparzellen, womit zugleich der Flurzwang und die gegenseitige Brach- und Stoppelweide beseitigt wurde 87 . In Schleswig-Holstein, Lauenburg, Nassau-Oranien und NassauSaarbrücken wurden die Yerkoppelungen großenteils schon im Laufe des 18. Jahrhunderts durchgeführt 28 . In Preußen wurde das Verkoppelungsverfahren in mustergültiger Weise durch die Gemeinheitsteilsordnung von 1821 geregelt, nachdem schon das ALR. (I. Tit. 17, §§ 311 ff.) gewisse Grundzüge aufgestellt hatte 29 . Für die süd- und westdeutschen Verhältnisse ist namentlich das nassauische Konsolidationsgesetz von 1829 vorbildlich geworden30. Gegenwärtig befinden sich die meisten deutschen Staaten im Besitze einer verständigen Verkoppelungsgesetzgebung31. Das Verfahren geschieht nur auf Antrag eines Teils der Interessenten und wird durch die staatlichen Auseinandersetzungsbehürden (in Preußen die Generalkommissionen) durchgeführt. Es verfolgt den Zweck, jedem Be85 Sorgfältige Zusammenstellungen bei JUDEICH, Die Grundentlastung in Deutschland, 1863. Zu vergleichen auch die angeführten Werke von KNAPP und MEITZE». 26 Der Überschuß der Rente über den zur Verzinsung der Rentenbriefe nötigen Betrag wurde zur Amortisation der Rentenschuld bestimmt, so daß der Bauer durch die während einer bestimmten Reihe von Jahren fortgesetzte Rentenzahlung von selbst befreit wurde. 27 Vgl. SCHENCK, Die bessere Einteilung der Felder und die Zusammenlegung der Grundstücke mit besonderer Rücksicht auf das südwestliche Deutschland, 1867 SCHUTTE, Die Zusammenlegung der Grundstücke in ihrer volkswirtschaftlichen Be^ deutung und Durchführung, 1886. Auch hier sind die Werke von KNAPP und

MEITZEN z u 28

19

vergleichen.

V g l . SCHENCK, a . a . 0 .

2 3 ff.

HAUSSEN,

Agrarhistor.

Abh.

I I . 5 1 4 f.

Dazu Gesetz vom 2. April 1872 und die provinziellen Verkoppelungsgesetz« für Hessen-Nassau vom 13. Mai und 2. September 1867, Schleswig-Holstein vorn 17. August 1876, Hannover vom 17. Juni 1883, Hohenzollern vom 23. Mai 1885 Rheinprovinz vom 24. Mai 1885 und 5. April 1869, Landesgesetz für Waldeck und Pyr mont vom 25. Januar 1869. 30 Davon handelt namentlich das angeführte Werk von SCHENCK. 31 In Baiern ist das unbrauchbare Gesetz von 1861 jetzt ersetzt durch Flur bereinigungsgesetz vom 29. Mai 1886.

§ 69.

Die Stände und die Eonfessionen.

743

teiligten statt des in Streulage befindlichen Parzellenbesitzes einen möglichst abgerundeten Besitz zu verschaffen. Das Verfahren führt vielfach zugleich zu einer Aufteilung der Gemeindeweiden, während die Gemeindewälder in der Regel ungeteilt erhalten bleiben. Weitere Aufgaben der Landeskulturgesetzgebung unseres Jahrhunderts waren die Beseitigung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden 38 , die Aufhebung, Ablösung oder Beschränkung kulturschädlicher Servituten (namentlich der Weidegerechtigkeiten), Ablösung der Zehnten und sonstigen kirchlichen Reallasten, die Waldschutzgesetzgebung, das Wasserrecht, insbesondere die Verhältnisse der Deich-, Bewässerungs- und Entwässerungsgenossenschaften u. dgl. m. Die früheren Beschränkungen des Eigentumserwerbes für gewisse Klassen, wonach Nichtadeliche in der Regel keine Rittergüter, Adeliche keine Bauerngüter erwerben durften, wurden schon im Beginn des 19. Jahrhunderts allgemein aufgehoben. Ebenso wurden die aus früherer Zeit überlieferten partikularrechtlichen Beschränkungen der Teilbarkeit der Grundstücke größtenteils beseitigt. Dagegen hat sich die nur dem fränkischen Recht völlig unbekannt gebliebene ungeteilte Vererbung der Bauerngüter (das Anerbenrecht) meistens nach den Grundsätzen des Minorates, in den verschiedensten Teilen Deutschlands erhalten 33 . Die neueren Höferechte oder Landgüterordnungen suchen diese Richtung zu befördern. Auf dem Gebiete des Großgrundbesitzes wurde, im Anschluß an die Ganerbschaften des Mittelalters, die ungeteilte Vererbung durch das Institut der Familienfideikommisse aufrechterhalten, das sich, obwohl durch das französische Recht und die Gesetzgebung der Jahre 1848 und 1849 bekämpft, durchaus als lebensfähig und für die Erhaltung einer gesunden Aristokratie unentbehrlich erwiesen hat. Ebenso erscheint die durch die neuere Gesetzgebung zum Teil verbotene Erbpacht als ein für gewisse Verhältnisse unentbehrliches Institut, das seiner allgemeinen gesetzlichen Anerkennung, sei es in der alten Form oder in der des Rentengutes, demnächst entgegensieht. § 69. Die S t ä n d e u n d die K o n f e s s i o n e n . Der erste unter den Ständen 1 war der hohe Adel, der sich in alter Weise aus den Fürsten und Herren zusammensetzte. Die letzteren hatten jetzt größtenteils den Grafentitel angenommen 2 , während dieser aus dem Kreise der Fürsten verschwunden war. Mau sprach deshalb auch von Reichsfürsten und 3!

Auf dem linken Rheinufer schon durch die französische Gesetzgebung, im übrigen größtenteils erst seit 1848. 3:1 Vgl. v. MIASKOWSKI, Das Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im Deutschen Reiche, I. II. 1882—84 (Schriften des Vereins für Sozialpolitik XX. XXV.). 1

V g l . EICHHORN, § § 5 4 4 , 5 4 5 , 5 6 3 .

WALTER, D R G .

§§

459—465.

GÖHRUM,

Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, II. 1846. 2 Über einzelne Herrengeschlechter, die den freiherrlichen Titel beibehielten, vgl. WALTBB, a . a. 0 . I I . 9 8 .

744

Die Neuzeit

Reichsgrafen. Unter den ersteren kam der Titel „Fürst", der früher nur allgemeine Standesbezeichnung gewesen war, jetzt auch als besonderer Titel neben den älteren Fürstentiteln in Gebrauch. Das entscheidende Kriterium für die Zugehörigkeit zum hohen Adel war die Reichsstandschaft (§ 73). Dieselbe kam im allgemeinen nur landesherrlichen Häusern, die sich im Besitze der Landeshoheit über ein Territorium befanden, zu. Wer nur eine Grundherrschaft unter fremder Landeshoheit besaß, konnte nicht zum hohen Adel gehören, doch gab es von alters her gewisse Ausnahmen für solche Herrengeschlechter, die sich (wie die Grafen von Stolberg) ungeachtet des Verlustes ihrer reichsunmittelbaren Stellung im Besitze der Reichsstandschaft erhalten hatten. Die Erhebung in den hohen Adel stand zwar dem Kaiser zu, aber seit 1654 nur wenn der davon Betroffene ein reichsunmittelbares Territorium besaß oder mit einem solchen beliehen wurde; seit der Verbindung der Reichsstandschaft mit bestimmten Territorien bedurfte es eines solchen, der Besitz einer nicht mit Reichsstandschaft verbundenen reichsunmittelbaren Herrschaft war nicht mehr genügend. Ohne den Besitz des erforderlichen Territoriums, der dem Reichstage nachgewiesen werden mußte, vermochte der kaiserliche Akt nicht die Eigenschaften, sondern nur die Titel des hohen Adels zu übertragen3. Die Auflösung des Reiches und die Mediatisierung zahlreicher Reichsfürsten und Grafen hat den Begriff des "hohen Adels nicht beeinflußt. Den mediatisierten Standesherren wurde die Zugehörigkeit zum hohen Adel und die Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern ausdrücklich gewährleistet 4 . Seitdem besteht der hohe Adel aus den regierenden und den mediatisierten standesherrlichen Häusern6. Eine Erhebung in den hohen Adel ist seit der Auflösung des Reiches ausgeschlossen6. Die Titel des hohen Adels kann nunmehr jeder Landesherr verleihen. Die Zugehörigkeit zum hohen Adel setzte die Abstammung aus einer ebenbürtigen Ehe voraus. Eine solche bestand im allgemeinen nur zwischen Personen des hohen Adels, doch machte sich seit dem 16. Jahrhundert vielfach die Ansicht geltend, daß Männer des hohen Adels mit Frauen aus dem niederen Adel eine ebenbürtige Ehe eingehen könnten. Durchgedrungen ist diese Auffassung nur bei den gräflichen Häusern, doch hat sich auch in einzelnen Fürstenhäusern eine entsprechende Observanz ausgebildet7, während sich die meisten fürstlichen Hausgesetze um so entschiedener dagegen verwahrt haben. Innerhalb des niederen Adels vollzog sich durch die Ausbildung der 3 Vgl. Augsb. RA. von 1548, § 66 (N. Samml. II. 539). Seit dem JRA. von 1654 § 197 (ebd. III. 678) und der Wahlkapitulation von 1637 bedurfte es ausdrücklicher Zustimmung des Reichstages. * Vgl. DBA. von 1815, Art. 14. 5 Das fürstliche Haus Hohenzollern gilt auf Grund besonderer Abmachung als Zweig des preußischen Königshauses, zählt also zu den regierenden Häusern. 6 Sie wäre nur möglich im Wege allgemeiner hausgesetzlicher Rezeption. 7 So in dem schleswig-holsteinischen Herzogshause.

§ 69.

Die Stände und die Konfessionen.

745

Reichsritterschaft die Scheidung in den Reichs- und Landesadel. Die Mitglieder des ersteren (§81) übten landesherrliche Gewalt auf ihren Besitzungen aus und hatten als Reichsunmittelbare den persönlichen Gerichtsstand vor den höchsten Reichsgerichten. Sie besaßen das Recht der Hausgesetzgebung, dfe jedoch kaiserlicher Bestätigung bedurfte. Als Korporation wurden sie unmittelbar zu gewissen Reichslasten herangezogen und hatten den Anspruch auf direkte Mitteilung aller Reichsgesetze. Da sie aber keine Reichsstandschaft besaßen, so zählten sie nur zu dem niederen Adel, obwohl sie sich zum Teil durch das Verlangen einer bestimmten reichsritterlichen Ahnenzahl bei Kanonikaten, Turnieren und Stammgütern von dem Landesadel abzuschließen suchten. Nach ihrer Mediatisierung haben die reichsritterschaftlichen Familien gleichwohl ein beschränktes Recht der Autonomie behalten 8 . Durch die Umgestaltung der Heeresverfassung und die Einführung des Briefadels hatte der niedere Adel, zu dem jetzt auch der Stadtadel gerechnet wurde, seinen Charakter als Berufsstand ganz verloren und war zu einem privilegierten Geburtsstande geworden, wenn er auch zum Teil, namentlich in Süd- und Westdeutschland, die ritterliche Lebensweise noch bis zum 17. Jahrhundert fortsetzte. Unter den berittenen Söldnern, den sogenannten Reisigen, befanden sich viele vom Adel. In Preußen galt der Offizierdienst im Heere als eine gesetzliche Pflicht des Landesadels. Der persönliche Adel der Doctores iuris kam allmählich außer Übung, aus ihm entwickelte sich aber vielfach die Gleichstellung des höheren Beamtenstandes mit dem Adel. Beiden wurde der eximierte Gerichtsstand und zum Teil auch die Siegelmäßigkeit, d. h. die Gleichstellung des Privatsiegels mit den öffentlichen Siegeln, zugestanden. Mit dem eximierten Gerichtsstande hing die Exemtion von den bloß lokalen Statutarrechten in Ansehung des Familien- und Erbrechts zusammen; die Eximierten lebten in dieser Beziehung ausschließlich nach Provinzial- oder Landesrecht. Das Recht, den Adel zu verleihen, war ursprünglich ein kaiserliches Reservatrecht. In den späteren Jahrhunderten wurde es auch von den Fürsten, zumal solchen, die, wie der König von Preußen, zugleich Gebiete außerhalb des Reiches besaßen, ausgeübt8®. Durch Strafurteil konnte der Verlust des Adels ausgesprochen werden. Zu den Vorrechten des Adels gehörte das Recht auf sein Familienwappen und die passive Lehnsfähigkeit. Aus der letzteren entsprang der Satz, daß Rittergüter ohne besondere landesherrliche Genehmigung nur von Adelichen erworben werden durften; die Freigebung für die übrigen Stände ist erst durch die Landeskulturgesetzgebung des 19. Jahrhunderts erfolgt. Ein anderes, in manchen Partikularrechten hervortretendes Vorrecht des Adels bezog sich auf die 8

Vgl. DBA. Art. 14. Vgl. preuß. ALR. II. Tit. 9, §§ 9—13, Anh. § 118. Mehrfach kam es vor, daß der Kaiser einzelne Reichsstände zu Hofpfalzgrafen mit der großen Comitive ernannte, wodurch sie das Recht zur Erteilung von Standeserhöhungen erwarben. Vgl. PÜTTER, Histor. Entwicklung III. 263. 8a

Die Neuzeit.

746

Fähigkeit zu Familienfideikommissen. Auch wo dies Vorrecht nicht anerkannt war, verlangten die Stiftungsbriefe nicht selten eine bestimmte Ahnenzahl. Auch bei Kanonikaten und Turnieren wurde vielfach eine gewisse Ahnenzahl verlangt, so daß sich der Begriff des stifts- oder turniermäßigen Adels von acht oder gar sechzehn Ahnen bildete. Abgesehen von derartigen Beschränkungen wurden Ehen zwischen Adelichen und Nichtadelichen freien Standes allgemein als ebenbürtige Ehen behandelt 9 , erst im Laufe des 18. Jahrhunderts machte sich in Doktrin und Praxis eine Richtung geltend, welche Ehen eines adelichen Mannes mit einer „vilis et turpis persona" als ungebührlich bezeichnete und der Ehefrau wie den aus einer solchen Ehe entsprossenen Kindern die besonderen Standesvorrechte des Vaters versagte 10 . Diese Auffassung fand hier und da auch Eingang in die Gesetzgebung, namentlich in ein preußisches Edikt v. J . 1739 und von da in das ALR., nach welchem ein Mann von Adel mit Frauen aus dem Bauern- oder geringeren Bürgerstande ohne einen auf Bewilligung seiner drei nächsten Verwandten erteilten gerichtlichen Dispens keine Ehe zur rechten Hand eingehen konnte 11 , eine Bestimmung, die erst durch Gesetz vom 22. Februar 1865 aufgehoben wurde 12 . Abgesehen von der hier hervortretenden Unterscheidung zwischen höherem und niederem Bürgerstande hatte der letztere, der die gesamte freie Einwohnerschaft der Städte umfaßte, nichts Eigentümliches. Der Zustand der bäuerlichen Bevölkerung hatte sich seit den letzten Jahrhunderten des Mittelalters ungemein verschlechtert. Von den nur in einzelnen Gegenden in größerer Zahl erhaltenen Freibauern abgesehen, die ebendarum nicht mehr zu den Bauern gerechnet, sondern als kleine Gutsbesitzer betrachtet wurden 13 , war der gesamte Bauernstand aus der freieren Lage, die er im 13. Jahrhundert eingenommen hatte, wieder in die Hörigkeit (Erbunterthänigkeit, Leibeigenschaft) zurückversunken 16 . Auch im nordöstlichen Deutschland, wo bisher fast allgemein Freiheit der Person bestanden hatte (S. 442), gerieten die Bauern seit dem 17. Jahr; hundert allgemein in zum Teil sehr strenge Hörigkeit 1S . Der Grund lag teils in der verkehrten Auffassung der deutschrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse durch die Romanisten, teils in der natürlichen Reaktion nach den Bauernkriegen, teils in dem Bedürfnis der zur Eigenwirtschaft übergegangenen Großgrundbesitzer, sich mit allen erlaubten wie unerlaubten Mitteln der für ihre Wirtschaften erforderlichen Arbeitskräfte zu ver9 11

Vgl. Göhrum, a. a. O. II. 174 ff.

10

Vgl. ebd. 198 ff.

ALR. II. Tit. 1, §§ 30 ff. 18 Die Bestimmung war schon durch die preußische Verfassungsurkunde aufgehoben, was aber die Praxis des preuß. Obertribunals verneinte. 13 Vgl. S . 738. 14 Vgl. S. 443 f. Der dritte der 12 Artikel der Bauern protestierte gegen die Auffassung aller Bauern als Eigenleute. 15 Vgl. die § 68 N. 15 angeführte Litteratur. G o t h e i n , Die Hofverfassung auf dem Schwarzwalde, Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. NF. I. 257 ff.

§ 69.

Die Stände und die Konfessionen.

747

sichern, was nach den Verheerungen des 30 jährigen Krieges zur Lebensfrage für den gesamten Großgrundbesitz geworden war und darum auch, trotz der Gewaltsamkeit der angewandten Mittel, keinem Widerstande auf seiten der Staatsregierungen begegnete. In den an Polen grenzenden Gebieten machte sich außerdem der Einfluß der polnischen Gesetzgebung geltend, die im 16. Jahrhundert die Leibeigenschaft im schroffsten Sinne eingeführt hatte. In den durch die Teilung Polens an Preußen gekommenen Gebieten wurde diese Leibeigenschaft durch Friedrich den Großen aufgehoben und dafür die mildere deutsche Hörigkeit eingeführt 16 . Die Hörigen besaßen keine Freizügigkeit. Sie bildeten ein Zubehör des Hofes, den sie nicht einseitig verlassen, von dem sie aber auch nicht verjagt und ohne den sie nicht veräußert werden durften. Wenn sie ohne Erlaubnis des Herrn vom Hofe abgezogen waren, so konnte dieser sie vindizieren. Den vom Herrn ihnen verliehenen Hof durften sie nicht ohne seine Zustimmung aufgeben, einen ihnen vom Herrn unter den herkömmlichen Bedingungen" angebotenen Hof konnten diejenigen, die noch keinen besaßen, nicht ablehnen. Die Hörigkeit pflanzte sich in der Regel durch die Mutter fort, sie entstand außerdem durch Annahme eines eigenbehörigen Gutes, durch Einheiratung auf ein solches, endlich durch Verjährung. Die Kinder einer hörigen Mutter waren verpflichtet, eine gewisse Zeit gegen bloße Gewährung des Unterhaltes dem Herrn als Gesinde zu dienen. Die Zeit war verschieden bemessen, ein halbes Jahr, drei, selbst neun Jahre kamen vor. Von dem Nachlaß der Hörigen war entweder ein Sterbfall (gewöhnlich die Hälfte des Mobiliarnachlasses) oder nur das Besthaupt zu entrichten. Bei jedem Besitzwechsel war eine Besitzveränderungsgebühr (Ehrschatz, Weinkauf, Handlohn, Lehnware, Gewinngeld, laudemium) zu entrichten. Im übrigen waren die Hörigen Herren ihres Vermögens und konnten in der Regel unter Lebenden und, wo kein Sterbfall galt, auch von Todes .wegen darüber verfügen. Die Geschwister des Anerben hatten vielfach das Recht, sich frei zu kaufen. Zur Verheiratung hedurften die Hörigen in manchen Gegenden der Genehmigung des Herrn, in anderen nicht. Der letztere war verpflichtet, in Erkrankungsfällen die Kurkosten zu tragen und bei Hochzeiten, Kindtaufen und Beerdigungen die nötigen Fuhren zu leisten. Ihm lag auch die Armenpflege ob. Die Aufhebung der Hörigkeit der preußischen Domänenbauern wurde schon unter Friedrich Wilhelm I. angebahnt, unter Friedrich dem Großen vollzogen. Für den ganzen Staat erfolgte die Befreiung des Bauernstandes durch Edikt vom 9. Oktober 1807. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren Baden, Hohenzollern-Hechingen und Isenburg in der gleichen Richtung vorgegangen, in Schleswig-Holstein erfolgte die Befreiung von 1797 bis 1805. Nachdem die französische Revolutionsgesetzgebung auch auf diesem Gebiete in heilsamer Weise vorangegangen war, folgten Westfalen "

V g l . A L E . I I . T i t . 7, § 1 4 8 .

v . BBÜNNBCK, Z e i t s c h r . f. E G . X X I I I . 2 4 ff.

748

Die Neuzeit.

1807, Baiern 1808, Oldenburg 1811, Würtemberg 1817, Baden (soweit die Aufhebung nicht schon 1783 erfolgt war), Großherzogtum Hessen und Mecklenburg 1820, das letztere aber nur in der Weise, daß den Bauern zwar das Recht des Abzuges, aber nicht das notwendige Korrelat desselben, das Recht, sich beliebig im Lande niederzulassen, gewährt wurde, ein Mangel, der erst durch den Eintritt Mecklenburgs in den Norddeutschen Bund beseitigt wurde. Erst unter dem Einflüsse der französischen Julirevolution erfolgte die Bauernbefreiung in Hannover und Kurhessen (1831), Sachsen (1832), wo aber thatsächlich die meisten Bauern schon lange vorher die Freiheit erlangt hatten, und Hohenzollern-Sigmaringen (1833). In Österreich, wo die humanen Bestrebungen Josephs H. erfolglos gewesen waren, wurden die letzten Reste der Erbunterthänigkeit erst 1848 beseitigt. Mit der Durchführung der Bauernbefreiung war ein Jahrhunderte altes Unrecht, ein Schandfleck der deutschen Geschichte, gesühnt. Die Befreiung erfolgte durchweg ohne Entschädigung der Herren, dagegen wurden die Leistungen, zu denen die Bauern verpflichtet gewesen waren, auf das gutsherrlich-bäuerliche Verhältnis übertragen, so daß sie erst mit diesem zur Ablösung gelangten. Der durchschnittliche Geldwert der den Gutsherrschaften obliegenden Gegenleistungen wurde bei der Feststellung der Entschädigung in Abzug gebracht. Der ausschließlich katholische Charakter des Reiches wurde durch den Religionsfrieden von 1555 zu Gunsten der augsburgischen Konfession im Sinne der Parität abgeändert17. Die volle Parität wurde aber nur in den freien Reichsstädten durchgeführt, während sie im übrigen nur den Reichsständen und der Reichsritterschaft, aber nicht den Unterthanen zu gute kam. Die Landesherren erhielten das Recht des Religionsbannes (ius reformandi), kraft dessen sie für ihr Gebiet nach ihrem Ermessen beide Konfessionen oder nur eine derselben zulassen konnten; den Anhängern der verbotenen Konfession mußte freier Abzug mit ihrem Ver ; mögen gestattet werden. Der westfälische Friede dehnte die Parität auch auf die Reformierten als augsburgische Konfessionsverwandte aus und beschränkte die fernere Ausübung des Religionsbannes durch die Festsetzung des Jahres 1624 als Normaljahr, so daß alle, die während dieses Jahres das Recht der öffentlichen oder privaten Ausübung ihrer Religion (publicum seu privatum suae religionis exercitium) durch ausdrückliches Zugeständnis oder „longus usus" besessen hatten, dabei erhalten bleiben sollten, während gegenüber den durch das Normaljahr nicht Geschützten die Landesherren zwischen Duldung und Ausweisung, unbeschadet des Vermögens der Ausgewiesenen, wählen konnten18. Die Reichsstädte wurden durch den westfälischen Frieden (Art. V. § 29) hinsichtlich des Religionsbannes den übrigen Reichsständen und der Reichsritterschaft gleichgestellt. 17 18

Augsb. Rel. Fr. §§ 15—17, 20, 24, 26, 27 (N. Samml. III. 17 ff.). JPO. Art. V. §§ 1, 28, 3 0 - 3 7 , 48, Art. VII. § 1 (ebd. HL 581, 584ff„ 589).

§ 69.

Die Stände uiid die Konfessionen.

749

I n betreff der Besetzung des ßeichskammergerichts und der höchsten Befehlshaberstellen im Heere wurde die Parität in kleinlichster Weise durchgeführt. Bei Abstimmungen des Reichstages über Angelegenheiten, welche konfessionelle Fragen berührten, wurde itio in partes zugelassen. Die deutsche Bundesakte von 1815 erklärte den Genuß der „bürgerlichen und politischen Rechte" für unabhängig von der „Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien" 19 . Damit war das Recht des Religionsbannes aufgehoben, dagegen blieb es der Landesgesetzgebung überlassen, inwiefern den Andersgläubigen auch die öffentliche Religionsübung zu gestatten sei. Auch die rechtliche Stellung der Dissidenten, auf die sich die DBA. nicht bezog, wurde der Landesgesetzgebung anheimgestellt. In Ansehung der Juden hielt noch die Reichspolizeiordnung von 1577 (Tit. 20, § 1) daran fest, daß nur diejenigen, denen das Reich das Regal übertragen habe, Juden aufnehmen dürften. Das Wucherprivileg der Juden wurde an den reichsgesetzlichen Maximalsatz von 5°/ 0 gebunden 2 0 ; das Judenprivileg, kraft dessen sie in gutem Glauben erworbene Sachen nur gegen Ersatz herauszugeben brauchten, wurde aufgehoben 21 . Den Reichsständen blieb vorbehalten, andere Bestimmungen über die Juden zu treffen 22 . In Preußen wurden die Juden 1787 vom Leibzoll befreit, und durch Gesetz vom 11. März 1812 erlangten sie die bürgerliche Gleichstellung mit den Christen. Die DBA. Art. 16 beschränkte sich darauf, die den Juden von den einzelnen Bundesstaaten eingeräumten Rechte zu gewährleisten. Durch die Landesgesetzgebung des 19. Jahrhunderts und, wo diese es noch hatte fehlen lassen, durch die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes wurde die volle Gewissensfreiheit für alle die bürgerlichen Pflichten nicht beeinträchtigenden Religionsbekenntnisse durchgeführt.

Zweites Kapitel. Die Verfassung des Reiches und seiner Teile. GERSTLACHEB, Handbuch der teutschen Reichsgesetze in systematischer Ordnung, 11 Bände, 1786—93. J. J. MOSEB, Teutsches Staatsrecht, 50 Bände, 1 7 3 7 - 5 4 ; Erläuterung des westfälischen Friedens, 2 Bände, 1775—76. HÄBERLIN, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 3 Bände, 2. Aufl. 1797. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus, seu institutiones iuris publici Romano-Germanici, 4 Bände, 1731. HIPPOLITHOS A LAPIDE, Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico, 1640 (im Auftrage der schwedischen Regierung von B. PH. VON CHEMNITZ verfaßt, vgl. GOLDSCHLAG, Beiträge zur polit. u. publizist. Thätigkeit Hermann Conrings, Gött. Inaug.-Diss.

1884,

S. 1 3 ,

7 3 f.).

SEVERINUS

DE

MONZAMBANO ( S A M . P U F E N D O R F ) ,

19

DBA. 16. Vgl. RPO. von 1 5 7 7 , Tit. 20, § »' RPO. von 1 5 7 7 , Tit. 20, § 2. 20

6.

" RPO. von 1577, Tit. 20, § 7.

De

§ 69.

Die Stände uiid die Konfessionen.

749

I n betreff der Besetzung des ßeichskammergerichts und der höchsten Befehlshaberstellen im Heere wurde die Parität in kleinlichster Weise durchgeführt. Bei Abstimmungen des Reichstages über Angelegenheiten, welche konfessionelle Fragen berührten, wurde itio in partes zugelassen. Die deutsche Bundesakte von 1815 erklärte den Genuß der „bürgerlichen und politischen Rechte" für unabhängig von der „Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien" 19 . Damit war das Recht des Religionsbannes aufgehoben, dagegen blieb es der Landesgesetzgebung überlassen, inwiefern den Andersgläubigen auch die öffentliche Religionsübung zu gestatten sei. Auch die rechtliche Stellung der Dissidenten, auf die sich die DBA. nicht bezog, wurde der Landesgesetzgebung anheimgestellt. In Ansehung der Juden hielt noch die Reichspolizeiordnung von 1577 (Tit. 20, § 1) daran fest, daß nur diejenigen, denen das Reich das Regal übertragen habe, Juden aufnehmen dürften. Das Wucherprivileg der Juden wurde an den reichsgesetzlichen Maximalsatz von 5°/ 0 gebunden 2 0 ; das Judenprivileg, kraft dessen sie in gutem Glauben erworbene Sachen nur gegen Ersatz herauszugeben brauchten, wurde aufgehoben 21 . Den Reichsständen blieb vorbehalten, andere Bestimmungen über die Juden zu treffen 22 . In Preußen wurden die Juden 1787 vom Leibzoll befreit, und durch Gesetz vom 11. März 1812 erlangten sie die bürgerliche Gleichstellung mit den Christen. Die DBA. Art. 16 beschränkte sich darauf, die den Juden von den einzelnen Bundesstaaten eingeräumten Rechte zu gewährleisten. Durch die Landesgesetzgebung des 19. Jahrhunderts und, wo diese es noch hatte fehlen lassen, durch die Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes wurde die volle Gewissensfreiheit für alle die bürgerlichen Pflichten nicht beeinträchtigenden Religionsbekenntnisse durchgeführt.

Zweites Kapitel. Die Verfassung des Reiches und seiner Teile. GERSTLACHEB, Handbuch der teutschen Reichsgesetze in systematischer Ordnung, 11 Bände, 1786—93. J. J. MOSEB, Teutsches Staatsrecht, 50 Bände, 1 7 3 7 - 5 4 ; Erläuterung des westfälischen Friedens, 2 Bände, 1775—76. HÄBERLIN, Handbuch des deutschen Staatsrechts, 3 Bände, 2. Aufl. 1797. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus, seu institutiones iuris publici Romano-Germanici, 4 Bände, 1731. HIPPOLITHOS A LAPIDE, Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico, 1640 (im Auftrage der schwedischen Regierung von B. PH. VON CHEMNITZ verfaßt, vgl. GOLDSCHLAG, Beiträge zur polit. u. publizist. Thätigkeit Hermann Conrings, Gött. Inaug.-Diss.

1884,

S. 1 3 ,

7 3 f.).

SEVERINUS

DE

MONZAMBANO ( S A M . P U F E N D O R F ) ,

19

DBA. 16. Vgl. RPO. von 1 5 7 7 , Tit. 20, § »' RPO. von 1 5 7 7 , Tit. 20, § 2. 20

6.

" RPO. von 1577, Tit. 20, § 7.

De

750

Die Neuzeit.

statu imperii Germanici, 1 6 6 7 (deutsche Übersetzung von BBESSLAU, 1 8 7 0 ; vgl. DBOYSEN, Zur Kritik Pufendorfs, i. d. Berichten der sächs. Gesellschaft d. Wiss. 1 8 6 4 ; FRANKLIN, Das deutsche Reich nach Monzambano, 1 8 7 2 ; JASTROW, Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung, 1882). J . S. PÜTTEB, Geist des westfäl. Friedens, 1 7 9 5 . H E L D , Staat und Gesellschaft, II. 1864; System des Verfassungsrechts der monarchischen Staaten Deutschlands, I. 1856.

§ 70. D e r K a i s e r . Karl V. war der letzte deutsche König, der sich in Rom zum Kaiser krönen ließ. Seit Ferdinand I. führte der deutsche König als solcher den Titel „erwählter römischer Kaiser" (electus Romanorum imperator semper augustus, Germaniae rex), wozu dann noch der von der Hausmacht entlehnte weitere Titel hinzutrat 1 . Die Wahl erfolgte, abgesehen von den Veränderungen im Kurfürstenkollegium, bis zur Auflösung des Reiches nach den Vorschriften der Goldenen Bulle. Die Kurfürsten nahmen an der Wahl vielfach nur noch durch Gesandte teil. Auch die Krönung wurde seit Ferdinand I. regelmäßig zu Frankfurt vollzogen. Die früheren Beziehungen des Papstes zu den Wahlvorgängen waren seit dem Wegfall der römischen Krönung von selbst beseitigt. Die Wähler hielten seit Albrecht II. ohne Unterbrechung an dem habsburgischen Hause bis zu dessen Aussterben mit Karl VI. (1740) fest, auch Karl VII. (1742-—45) verdankte die Wahl nicht seiner Stellung als Kurfürst von Baiern, sondern als habsburgischer Regredienterbe. Nach seinem Tode fiel die Wahl auf den Herzog von Lothringen, Franz I. (1745—65), als Gemahl der habsburgischen Erbtochter Maria Theresia. An dem lothringisch-habsburgischen Hause (Joseph II. 1765—90, Leopold II. 1790—92, Franz II. 1792—1806) wurde dann bis zur Auflösung des Reiches festgehalten. Als Termin der Regierungsmündigkeit wurde seit der Wahl Josephs I. statt des früher festgehaltenen ribuarischen Termins von 15 Jahren das vollendete 18. Lebensjahr angesehen 2 . Für eine Thätigkeit der Reichsvikarien war, abgesehen von dem Interregnum vom 20. Oktober 1740 bis 24. Januar 1742, nur selten Gelegenheit, da die. Kaiser fast- regelmäßig schon bei ihren Lebzeiten die Wahl und Krönung des Sohnes zum „Römischen König" durchzusetzen wußten 3 , unmündige Kaiser aber in dieser Periode nicht vorkamen. Auch die seit der Wahlkapitulation von 1711 vorgesehene Vertretung in sonstigen Verhinderungsfällen ist nicht praktisch geworden 4 . Das pfälzische Vikariatsrecht war seit dem westfälischen Frieden zwischen Pfalz und Baiern streitig, bis im Jahre 1752 durch Vergleich die abwechselnde Ausübung festgestellt wurde6. Die Rechte des Kaisers waren durch die neuere Verfassungsent1

Vgl. Rundschreiben Maximilians I. an die Reichsstände, vom 8. Februar 1508

(GERSTLACHEB, I I I . 3 7 9 f.). 2

Vgl. S. 467.

8

Über die diese Frage betreffenden Verhandlungen vgl. EICHHORN, IV. 308,

KRAUT, V o r m u n d s c h a f t I I I . 1 1 7 f .

Note d. 4

V g l . KRAUT, a . a. O . i n .

5

V g l . EICHHORN, I V . 3 0 8 , A n m .

1 1 9 , 1 2 6 , 1 2 9 f. c.

§ 70.

Der Kaiser.

751

wickelung, zumal durch die Wahlkapitulationen, auf das äußerste eingeschränkt. Die letzteren legten dem Kaiser die Pflicht der Residenz im Reiche auf; allen Reichsständen und ihren Gesandten sowie den Angehörigen der Reichsritterschaft mußte er auf Ansuchen Audienz gewähren; die Hofsprache sollte entweder deutsch oder lateinisch sein. Die meisten Rechte übte der Kaiser nur noch in Gemeinschaft mit dem Reichstage oder den Kurfürsten aus. Zu den ausschließlich kaiserlichen Rechten gehörte die Vertretung des Reiches nach außen (abgesehen von Kriegserklärungen und Verträgen), die Berufung des Reichstages, solange derselbe periodisch zusammentrat, die Einbringung von Initiativanträgen beim Reichstage, das Veto gegen alle Reichstagsbeschlüsse, die Sanktion und Publikation der Reichsgesetze. Das persönliche Recht des Kaisers auf die Ausübung der höchsten Gerichtsbarkeit wird bei der Darstellung des Gerichtswesens besprochen werden. Bei dem Reichskammergericht hatte der Kaiser gewisse Stellen zu besetzen. Privilegia de non appellando gegen die Reichsgerichte konnten nur von ihm erteilt werden 6 . Als oberster Lehnsherr vollzog der Kaiser die Verleihung der Reichslehen; die Wiederverleihung heimgefallener Reichslehen erforderte die Mitwirkung der Kurfürsten, sobald die Lehen „etwas merkliches ertrugen." Die Investitur der Reichspröpste war Sache des Kaisers. Bei manchen Kirchenämtern hatte derselbe auch das ius primarum precum. Zu den Reservatrechten, die der Kaiser auch innerhalb der Territorien ausübte, gehörte die Verleihung von Zoll-, Stapel- und Münzgerechtigkeiten, die aber der Mitwirkung des Kurfürstenkollegiums bedurfte, die Ernennung von Notarien mit öffentlichem Glauben für das ganze Reich (notarii publici imperii), die Verleihung des ius doctorandi an Universitäten 7 , die Erteilung von Titeln und Standeserhöhungen. In letzterer Beziehung konkurrierte der Kaiser in der letzten Zeit des Reiches mit den Landesregierungen, nur daß die von diesen erteilten Standeserhöhungen sich auf den Kreis ihrer Unterthanen beschränkten. Dieselbe Konkurrenz zwischen Kaiser und Landesherren bestand hinsichtlich des Begnadigungsrechtes, der Gewährung von Legitimationen und Großjährigkeitserklärungen und der Erteilung von Stadt- und Marktrechten. Im Anfang unserer Periode wurde noch häufig die kaiserliche Bestätigung landesherrlicher Gesetze nachgesucht 8 , weil dieselbe den Vorteil hatte, den Reichsgerichten gegenüber die NichtVerletzung reichsgesetzlicher Prohibitivbestimmungen festzustellen. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen derartige Bestätigungen außer Übung, dagegen wurde, solange das Reich bestand, an der Notwendigkeit der kaiserlichen 6

Nach dem JRA. von 1654, § 116 (N. Samml. IV. 661) sollte der Kaiser neue Privilegien dieser Art nur in den dringendsten Fällen erteilen. 7 Vgl. KAUFMANN, Universitätsprivilegien der Kaiser, i. d. Deutschen Zeitschr. f. Geschichtswissenschaft I. 118 ff. 8

Vgl.

EICHHORN, I V . 2 9 2 ff.

752

Die Neuzeit.

Bestätigung für die Hausgesetze der Reichsstände und Reichsritterschaft festgehalten. § 7 1 . Die R e i c h s h o f b e a m t e n 1 . Durch die Reichsreform wurden ganze Kategorieen von reichsständischen Beamten, wie die Beamten des Reichskammergerichts, die Schatzmeister, die Reichsgeneräle, geschaffen, während es im Reiche funktionierende königliche Beamte kaum noch gab. Der persönliche Charakter des früheren Regimentes trat nur noch bei den Hofbeamten hervor. Die Erzämter wurden durch den westfälischen Frieden noch um ein Erzschatzmeisteramt vermehrt, das der Pfalzgraf für das auf Baiern übertragene Erztruchseßamt erhielt, während es nach der Vereinigung Baierns und der Pfalz an den Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg (Hannover) kam. In Funktion traten die Erzämter nur bei der Krönung, unter Umständen auch bei Reichstagen oder sonstigen außerordentlichen Gelegenheiten. Sie waren im wesentlichen bloße Dignitäten ohne eine reale Bedeutung. Dasselbe galt im allgemeinen auch von den Reichserbämtern, nur daß diese mit gewissen Einnahmen verbunden waren 2 . Eine hervorragende Bedeutung hatte nur das Erzkanzleramt für Deutschland, das durch den RDHSchl. von 1803 von Kur-Mainz auf das neugeschaffene Kur-Regensburg übertragen wurde. Im übrigen traten gegenüber den Erbbeamten die persönlich vom Kaiser ernannten Hofbeamten, namentlich der Obersthofmeister, der Oberstmarschall und der Generalschatzmeister, als besondere Yertrauenspersonen in den Vordergrund 3 . Als Beamter für die Erteilung kaiserlicher Gnadenerweisungen, namentlich Standeserhöhungen und die Ernennung öffentlicher Notare, erhielt sich der von Karl IV. eingeführte Hofpfalzgraf, und zwar in der Weise, daß der Kaiser für die einzelnen Territorien besondere Hofpfalzgrafen ernannte oder den Landesherren diese Würde erteilte 4 . Hinsichtlich der Hofkanzlei traten unter Friedrich III. die alten Ansprüche des Erzkanzlers auf die Ernennung des Vizekanzlers (S. 474)" 1

Vgl. ADLER, Organisation der Centraiverwaltung unter Maximilian I., 1886. ROSENTHAL, Behördenorganisation Ferdinands I., 1887. ULLMANN, Maximilian, I. 804 ff. G. MEIE», i. d. Krit. Viertelj.-Schr. f. BW. XXIX. 569 ff. LORENZ, Reichskanzler und Reichskanzlei (Drei Bücher Geschichte und Politik 52 ff., auch i. d. Preuß. Jahrbüchern XXIX. 474 ff.). 2 Das Erbmarschallamt hatten die Grafen von Pappenheim inne, das Erbschenkenamt (bis 1714) die Schenken von Limburg, seit 1714 die Grafen von Althann, das Erbtruchseßamt die Grafen von Waldburg, das Erbkämmereramt die Fürsten von Hohenzollern, das Erbschatzmeisteramt die Grafen von Sinzendorf. Über die Bedeutung des Marschall- und des Schenkenamtes vgl. GERSTLACHER. V. 784—812. 3 In den Wahlkapitulationen mußten die Kaiser versprechen, nur Männer von guter Herkunft (wo möglich aus dem hohen Adel) und nur Deutsche oder solche Ausländer, die Lehen vom Reiche hätten, zu Hofämtern zu berufen. 4 Vgl. S. 486. PÜTTER, Histor. Entwickelung d. Staatsverfassung d. deutsch. Reiches III. 263. Soweit , der Kaiser einzelne Reichsstände zu Hofpfalzgrafen mit der großen Komitive ernannt hatte, übten diese das Recht selbständig aus.

§ 71.

753

Die Reichshofbeamten.

wieder hervor. In den letzten Regierungsjahren Maximilians I. und unter Karl Y. besorgte die erbländische Hofkanzlei unter dem vom Kaiser ernannten Hofkanzler, in einer besonderen für das Reich bestimmten Abteilung unter einem eigenen Sekretär, auch die Reichsangelegenheiten 5 . Dagegen bestand unter Friedrich III. und in der ersten Zeit Maximilians I. und dann wieder seit der Thronbesteigung Ferdinands I. strenge Trennung der „römischen Kanzlei" von der erbländischen. Die erstere, gewöhnlich „Reichshofkanzlei" genannt, stand unter dem vom Erzkanzler ernannten Vizekanzler, dem später noch der Reichsreferendarius zur Seite trat. Weitere Beamte der Kanzlei waren die Sekretarien, der Registrator, der Taxator, die Schreiber und Diener. Später wurden sämtliche Kanzleibeamte vom Erzkanzler ernannt, die Kaiser mußten in den Wahlkapitulationen ausdrücklich versprechen, sich dabei jedes Eingriffs zu enthalten. Alle Kanzleibeamten hatten dem Kaiser und dem Erzkanzler Treue und Gehorsam zu schwören. Ihre Besoldung empfingen sie vom Erzkanzler, der dafür ein Bauschquantum vom Reiche erhielt. Demgemäß wurden auch die Kanzleitaxen von dem Erzkanzler festgesetzt 6 . Die Reichshofkanzlei hatte keinen festen Sitz, sondern befand sich immer am Hofe des Kaisers. Alle Einlaufe aus dem Reiche, die nicht ausdrücklich an die Person des Kaisers gerichtet waren, gingen an die Reichshofkanzlei. Der Vizekanzler oder der ihn vertretende Referendar oder Sekretär hatte dem Kaiser oder der von diesem bezeichneten Stelle über die Einlaufe zu berichten. Alle Verfügungen des Kaisers in Reichsangelegenheiten mußten von der Reichshofkanzlei ausgefertigt, beglaubigt und besiegelt werden, anderenfalls waren sie null und nichtig. Die Kanzlei war demnach die einzige expedierende Behörde , und als solche dafür verantwortlich, daß keine ungehörigen Beurkundungen erfolgten. Die Verantwortlichkeit bestand zunächst nur dem Kaiser gegenüber, doch wird man die Stellung des Erzkanzlers zur Kanzlei dahin auffassen müssen, daß die Kanzlei auch ihm und durch ihn den Reichsständen für die Wahrung der reichsverfassungsmäßigen Vorschriften verantwortlich war. Da zu der expedierenden Thätigkeit noch der mündliche Vortrag des Vizekanzlers über alle Einlaufe hinzukam, so war sein Amt ein höchst einflußreiches, aber eine leitende Stellung und selbständige Entscheidung kam ihm nicht zu, und es ist übertrieben, wenn man ihn geradezu als den eigentlichen Reichsminister bezeichnet hat 7 . Dagegen muß der 1497/98 von Maximilian I. ins Leben gerufene 5 Die österreichischen Erblande standen zwar nicht unter Karl V., sondern unter seinem Bruder Ferdinand, da dieser aber zum Statthalter des Reiches ernannt war und den Kaiser meistens zu vertreten hatte, so wurden die erbländischen Einrichtungen durch ihn auch für das Reich von Bedeutung. 8 Vgl. die Hofkanzleiordnung Maximilians II. von 1570 nebst den einschlagenden Bestimmungen der Wahlkapitulationen und anderen Ergänzungen bei GERSTLACHER, V. 732—784. 7

V g l . ROSENTHAL, a. a. 0 . 4 8 f.

R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte-

48

Die Neuzeit.

754

„Hofrat" in seiner ersten Anlage als eine Art Reichsministerium betrachtet werden. Derselbe führte auch die Bezeichnung „Hofregiment" und war bestimmt, „für alle Händel, Sachen und Geschäfte, die künftig vom heiL Reiche deutscher Nation, gemeiner Christenheit oder von unsern erblichen Fürstentümern und Landen herfließen, ferner für Sachen, welche den Hof und dessen Verwandte betreffen". Er war die oberste Justiz- und Regierungsbehörde für das Reich und die kaiserlichen Erblande, entzogen war ihm nur die Verwaltung der Finanzen, für welche Maximilian schon 1491 einen „Generalschatzmeister" eingesetzt hatte, während er 1498 auch hierfür eine kollegialische Zentralbehörde, die „Hofkammer", bestellte. Die letztere vereinigte den gesamten Einnahmen- und Ausgabendienst; sie bestand aus fünf Statthaltern, von denen einer als „Reichsschatzmeister" für die Reichsfinanzen bestimmt war. Durch die Hofratsordnung von 1497, die Hofkammerordnung von 1498 und die wahrscheinlich gleichzeitige Hofkanzleiordnung suchte der Kaiser, indem er die Beamtenverfassung seiner Erblande nach burgundisch-niederländischem Muster organisierte, einen festen Rückhalt für das monarchische Prinzip gegenüber den auf eine aristokratische Republik hinzielenden Reformbestrebungen der Reichsstände zu gewinnen. Durch die Einsetzung des Reichsregimentes wurden die Pläne des Kaisers aber vorerst durchkreuzt, Hofrat und Hofkammer gelangten nicht zu der beabsichtigten Entwickelung, und die in dem Innsbrucker Landtagsabschied von 1518 in Aussicht genommene Reorganisation kam wegen des bald darauf erfolgten Todes des Kaisers nicht zur Ausführung. Dagegen nahm Ferdinand die von seinem Großvater begonnenen Reformen mit Erfolg wieder auf, und durch seine Stellung zum Reiche als Statthalter seines Bruders kamen dieselben, wenigstens teilweise, auch jenem zu gute. Die wiederhergestellte Hofkammer beschränkte sich allerdings auf die erbländischen Finanzen, aber der durch die Hofratsordnungen von 1527, 1541 und 1549 reorganisierte Hofrat wurde, entsprechend dem französischen conseil und dem continual council Eduards I., mehr und mehr zu eiaer. eigentlichen Reichsbehörde. Infolge des Passauer Vertrages von 1552, der gegenüber den spanischen und sonstigen nichtdeutschen Räten Karls V. festsetzte, daß deutsche Sachen nur mit deutschen Räten behandelt werden dürften8, wurden alle rein erbländischen Sachen von dem Hofrate abgezweigt und dieser zu einem Reichshofrat umgestaltet. Wahrscheinlich hat sich diese Umwandlung nach der Thronbesteigung Ferdinands I. (1558) vollzogen. In der RHRO. von 1559 erscheint zum erstenmale der Reichsvizekanzler als Mitglied, während vorher stets der vom Kaiser ernannte Hofkanzler genannt wird. Die Zusammensetzung und Mitgliederzahl des Hofrats hat häufig gewechselt; die RHRO. von 1654 setzte die Zahl auf 18 fest. An der Spitze stand ein Präsident (vorher der oberste Hofmarschall), der aber, wenn ein Fürst Mitglied war, diesem den Vorsitz abtreten mußte. Über die Einlaufe hatte zunächst der Vizekanzler (vorher

8

Pass. Vertr. § 14, N. Samml. III. 6.

§ 72.

Die Kurfürsten.

755

der Hofkanzler) zu berichten. Die Mitglieder waren teils aus dem Reiche, teils aus den deutschen Erblanden, die letzteren überwogen. Sie mußten teils dem Adel, teils dem Doktorenstande angehören. Seit dem westfälischen Frieden mußte eine bestimmte Zahl der Hofräte evangelisch sein. Soweit der Hofrat die persönlich an den Kaiser gebrachten Rechtshändel zu entscheiden hatte, wird erst später (S. 768 f.) von ihm zu reden sein. Ursprünglich war er außerdem das oberste Regierungskollegium, das geringere Sachen durch eigene Mehrheitsbeschlüsse erledigen konnte, in allen wichtigeren Angelegenheiten aber den Staatsrat des Kaisers bildete. In dieser Beziehung that ihm aber der Geheime Rat mehr und mehr Abbruch. Seit 1559 hatte der Reichshofrat außer seinen gerichtlichen Aufgaben nur noch die Begutachtung der Reichslehnssachen und kaiserlichen Privilegien. Zu den ersteren wurde auch die Bestätigung der Hausgesetze gerechnet. Alle Lehnserneuerungen von Reichslehen und die Vollmachten der zur Entgegennahme derselben erschienenen Gesandten mußten zuvor vom Reichshofrat begutachtet werden, der dafür, unabhängig von den der Reichshofkanzlei zufallenden Kanzleitaxen, sehr hohe Gebühren zur Verteilung unter die Mitglieder erhob. Die Verleihung der nichtfürstlichen Reichslehen geschah im Reichshofrate selbst, während die Fürstentümer vom Throne aus verliehen wurden. Einen engeren Kreis von „geheimen Räten" besaßen schon Friedrich III. und Maximilian I. Der letztere hatte sich in dem Innsbrucker Landtagsabschiede von 1518 die „eigenen geheimen großen Sachen" ausdrücklich zu besonderer Behandlung vorbehalten. Als ein festes Kollegium erscheint der „Geheime Rat" erst seit 1527. Er nahm die Stellung eines Staatsrates mit begutachtender Stimme ein. Anfangs wohl wesentlich nur mit auswärtigen Angelegenheiten befaßt, zog der Geheime Rat mehr und mehr auch die früher vor den Hofrat gehörigen Regierungsangelegenheiten an sich, bis dieser nur die Lehnssachen und Privilegien behielt. Vorsitzender war der Kaiser oder statt seiner der oberste Hofmeister. Weitere Mitglieder waren der Vizekanzler, dem der erste Bericht über alle Einlaufe oblag, der oberste Hofmarschall, der böhmische Kanzler, die Söhne des Kaisers und wen dieser aus persönlichem Vertrauen berufen hatte. Die geheimen Räte hatten unter allen Hofbeamten den ersten Rang vor den Hofräten. Bis zur Hofratsordnung von 1654 stand ihnen das Recht zu, den Sitzungen des Reichshofrats beizuwohnen. § 72. Die K u r f ü r s t e n 1 . Bis zum westfälischen Frieden blieb der Bestand des Kurfürstenkollegiums derselbe, wie ihn die Goldene Bulle von 1356 in bestimmter Reihenfolge festgestellt hatte: Mainz, Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen und Brandenburg. Die sächsische Kurwürde ging 1552 von der (älteren) ernestinischen auf die albertinische Linie über. Die pfälzische Kurwiirde samt dem Erztruchseßamt wurde nach der 1

Vgl. S. 456 ff., 470 ff., 495. 48*

756

Die Neuzeit.

Ächtung des Pfalzgrafen Friedrich V. seitens des Kaisers an den Herzog von Baiern verliehen (1623), was der westfälische Friede (JPO. Art. IV. §§ 3 , 5, 9) in der Weise bestätigte, daß dem Pfalzgrafen für sich und seine Nachkommen das eventuelle Successionsrecht in die jetzt bairische Kur im Wege der Gesamtbelehnung vorbehalten wurde. Zugleich wurde für das pfälzische Haus eine achte Kur mit dem neuerrichteten Erzschatzmeisteramte geschaffen. Eine neunte Kur erhielt Braunschweig-Lüneburg (Hannover) i. J . 1708, während gleichzeitig die Wiedereinführung des seit Jahrhunderten vom Kurfürstenkollegium fern gebliebenen Königreichs Böhmen beschlossen wurde 2 . Die neunte Kurstimme wurde aber schon 1778 wieder beseitigt, indem der Pfalzgraf nach dem Aussterben des bairischen Hauses (1777) und der Vereinigung Baierns mit Kurpfalz wieder die fünfte Kurstimme mit dem Erztruchseßamt übernahm, während die achte Stimme mit dem Erzschatzmeisteramt nunmehr auf Braunschweig-Lüneburg überging 3 . Durch den RDHSchl. von 1803 wurden die Kurfürstentümer Trier und Köln aufgehoben, an Stelle von Mainz wurde ein neues geistliches Kurfürstentum Regensburg mit der Erzkanzlerwürde errichtet; außerdem wurden vier neue weltliche Kurfürstentümer (Salzburg, Baden, Würtemberg, Hessen-Kassel) geschaffen. Aus ihrem Wahlrecht leiteten die Kurfürsten seit der Wahl Karls V. das Recht her, den Thronkandidaten zuvor eine von ihnen vorgelegte Wahlkapitulation beschwören zu lassen, die den Charakter eines mit ihnen über die Art der Regierungsführung abgeschlossenen Vertrages hatte 4 . Die Verpflichtungen, die der Kaiser darin übernehmen mußte, bezogen sich teils auf das ganze Reich, teils auf die besonderen Rechte der Kurfürsten. Da diese sich hinsichtlich der letzteren durchaus an das Hergebrachte hielten (Zustimmung der Kurfürsten zu Bündnissen und kriegerischen Unternehmungen, Erhebung von Steuern, Erteilung von Münzund Zollprivilegien, Veräußerung von Reichsgütern und Reichsgefallen, Wiederverleihung heimgefallener Lehen, die etwas merkliches ertrügen,. Ausschreibung von Reichstagen, Zuziehung der Kurfürsten zur Beratung in allen wichtigen Reichsangelegenheiten, Berechtigung der Kurfürstentage, Anerkennung der Reichsvikariatsrechte) und sich im übrigen darauf beschränkten, das Interesse der Reichsstände überhaupt wahrzunehmen, so wurde ihnen die Feststellung der Wahlkapitulation seitens der übrigen Reichsstände nicht bestritten, obwohl dieselbe allmählich zu einem der der wichtigsten Reichsgrundgesetze geworden war. Erst durch den westfälischen Frieden, der ohnehin in den meisten bisher der kurfürstlichen Bewilligung unterworfenen Fällen die Zustimmung des Reichstages verN. Samml. IV. 224 ff. Vorübergehend, wegen der AchtuDg des Baiern, hatte dieselbe Verschiebung schon von 1708 bis 1714 stattgefunden. 4 Vgl. EICHHOHN, IV. 11 ff., 282 f., 517 f. STOBBE, Rechtsquellen I I . 188. PÜTTER. Histor. Entwickelung I. 350 f. I L 2, 3 2 , 118 f., 372. PFEFFINGEN Vitriarius illustratus I. 834 ff. 3

3

§ 73.

757

Die Reichsstände und der Reichstag.

langte, wurde der reichsgesetzliche Erlaß einer ständigen Wahlkapitulation in Aussicht genommen 5 . Der infolgedessen aufgestellte Entwurf v. J . 1711 erlangte zwar keine Gesetzeskraft, da die Kurfürsten nicht darauf verzichten wollten, in jedem einzelnen Wahlfalle Zusätze einzufügen, hat aber thatsächlich die Grundlage aller späteren Wahlkapitulationen gebildet 6 . § 73. Die R e i c h s s t ä n d e u n d d e r R e i c h s t a g 1 . Die den Kurfürsten in Anknüpfung an den Kurverein von 1338 schon in der Goldenen Bulle von Reichs wegen zugestandene und in den Wahlkapitulationen regelmäßig bestätigte Befugnis, nach eigenem Ermessen auch ohne Beteiligung des Kaisers oder eines kaiserlichen Gesandten Zusammenkünfte zu halten und feste Kurvereine abzuschließen 3 , führte von selbst dahin, daß sie auf den Reichstagen ein eigenes für sich verhandelndes Kollegium („einen sondern Rat") bildeten, was durch den Speierer Reichsabschied von 1544, § 25, ausdrücklich als altes Herkommen bestätigt wurde 3 . Infolge dessen machte es sich seit der Rezeption der Städte ganz von selbst, daß der Reichstag in drei Kollegien zerfiel, indem die den Reichsfürstenrat bildenden Fürsten, Grafen und Herren das zweite, die Städte das dritte Kollegium ausmachten. Im Reichsfürstenrate bestand ursprünglich keine feste Stimmordnung, indem die Stimmen weniger gezählt als gewogen wurden 4 . Das Stimmrecht der einzelnen haftete nicht an den Territorien, sondern trug einen rein persönlichen Charakter. Teilungen innerhalb eines Hauses vermehrten die Stimmenzahl, während die Stimmen eingegangener Linien oder ganzer Häuser erloschen und nicht auf den Erwerber des von denselben besessenen Landes übergingen. Dagegen ergibt sich aus der westfälischen Friedensurkunde von i648, daß damals bei den Reichstagsbeschlüssen Stimmenmehrheit entschied, und daß die Stimmen von den einzelnen Fürsten nicht als solchen, sondern in Vertretung ihrer stimmberechtigten Länder abgegeben wurden 5 . Diese Territorialisierung der Stimmen führte man früher auf den Augsburger Reichstag von 1582 zurück, der für alle späteren Reichstage die Norm abgegeben habe 8 . Es hat sich aber gezeigt, daß das alte System des persönlichen Stimmrechts im Falle von Erbteilungen 5

Vgl. JPO. Art. 8, § 3. Die Wahlkapitulation des Kaisers Franz I. von 1745, N. Samml. IV. Zugabe 2 ff., der Entwurf von 1711 ebd. IV. 233 ff. Die Wahlkapitulation Karls VI. von 1711 bei PFEFFINGER, Vitr. illustr. I. appendix. 6

1

V g l . S. 4 9 0

549—56.

ff.

EICHHORN, I I I . 3 0 8 ff. I V . 2 8 4

LANCIZOLLE, Übersicht der deutschen

verhältnisse,

1830.

ff.

v . DANIELS, H a n d b u c h

IV.

Reichsstandschafts- u. Territorial-

FICKER, R e i c h s f ü r s t e n s t a n d 2 6 4 — 7 0 . 3 7 1 — 7 6 .

MOSER, V o n d e n e n

teutschen Reichsständen, 1767. 2 Der letzte Kurverein war vom Jahre 1558, GERSTLACHEB, V. 511 FF. 3

4

V g l . GERSTLACHEB, V . 5 0 8 .

N. S a m m l . II. 500.

Über das Folgende vgl. DOMKE, Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von 1495—1654 (GIERKE, Untersuchungen XI. 1882). 5 Vgl. JPO. Art. 5, § 52; Art. 10, §§ 9, 11; Art. 11, §§ 1, 4. 6 Begründet ist diese Lehre von MOSER, zuletzt verteidigt von FICKER, a. a. O. 265 ff_

Die Neuzeit.

758

auch noch im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts beobachtet wurde, während es umgekehrt schon vor 1582 mehrfach vorkam, daß Stimmen ausgegangener Häuser nicht als erloschen behandelt wurden, sondern mit dem Territorium auf den neuen Erwerber übergingen. Das Territorialitätsprinzip wurde zuerst seitens der geistlichen Fürsten geltend gemacht, die bei der Vereinigung mehrerer Stifter in derselben Hand für jedes derselben ihre Stimme abzugeben pflegten. Dem gegenüber hatten namentlich die evangelischen Reichsstände ein Interesse daran, dem Erlöschen weltlicher Stimmen möglichst vorzubeugen, zumal das frühere Mittel, die eigene Stimmenzahl durch Erbteilungen zu vermehren, durch die zunehmende Einführung der Individualsuccession immer weniger anwendbar wurde. Das von den geistlichen Fürsten beobachtete Territorialitätsprinzip mußte deshalb auch den weltlichen Fürsten mehr und mehr als das ihren Interessen entsprechendere erscheinen. Dazu kam das fiskalische Interesse, welches das Reich daran hatte, daß einmal in die Anschläge aufgenommene Territorien nicht durch ihre Vereinigung mit anderen von der Beitragspflicht befreit würden 7 . Zu einer Notwendigkeit wurde die Fixierung der Stimmen, als es sich im westfälischen Frieden um die Aufnahme Schwedens als Reichsstand und die Entschädigung Brandenburgs für die Abtretung Vorpommerns handelte. An die Aufstellung einer gesetzlichen Norm für die altfürstlichen Häuser wurde dabei nicht gedacht. Schon seit dem 16. Jahrhundert hatte der Reichstag das Recht in Anspruch genommen, nicht bloß bei der Erhebung neufürstlicher Häuser durch den Kaiser (also einem eigentlichen Pairsschub), sondern auch bei Stimmteilungen und der Fortführung erloschener Stimmen über die Zulassung zu beschließen8. Die dabei regelmäßig von ihm beobachtete Praxis führte zu einer gewohnheitsrechtlichen Entwickelung, die sich schließlich zu einer anerkannten Grundlage der Reichsverfassung gestaltete. Das früher ganz ungeregelte Stimmrecht der Grafen und Herren und der nicht gefürsteten Prälaten hatte sich allmählich dahin ausgebildet, daß seit 1653 die ersteren vier Kuriatstimmen hatten (in älterer Zeit nur zwei, seit 1641 drei), die Prälaten zwei (vorher nur eine)9. Jede Kuriatstimme, über die innerhalb der betreffenden Kurie zuvor gesondert abgestimmt werden mußte, galt so viel wie eine Fürstenstimme. Übrigens gab es auch Fürstenstimmen, die mehreren Häusern gemeinschaftlich zustanden, sogenannte Kollektivstimmen. Vor Beginn der französischen Revolutionskriege bestand der Reichsfürstenrat aus 100 Stimmen, 35 geistlichen und 65 weltlichen. Die geistlichen Stimmen gehörten zwei Erzbistümern (Salzburg, Besançon), dem Hoch- und Deutschmeister 10 , 22 Bistümern (darunter das mit einem evan-

7 8 9

10

Vgl. Regensburger RA. von 1576, § 21 (N. Samml. III. 357). Über die Erfordernisse für den Erwerb der Reichsstandschaft vgl. S. 744. V g l . PFEFFINGEN I I . 7 2 3 f. I V . 3 6 7 .

Der Deutschmeister war seit der Säkularisation Preußens (1526) Reichsfürst

§ 73.

Die Reichsstände und der Reichstag.

759

gelischen Fürsten besetzte Bistum Lübeck und das alternierend katholisch oder evangelisch besetzte Osnabrück), 7 Reichsabteien und Propsteien (die Stimme der Reichsabtei Prüm stand Kurtrier zu), endlich dem Johannitermeister für Deutschland (seit 1546); dazu kamen die beiden Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank (mit 22 und 18 Beteiligten), auf der letzteren auch die Landkomthure der Deutschordensballeyen Koblenz, Elsaß und Burgund und die evangelischen Stifter Gandersheim, Herford und Quedlinburg. Unter den weltlichen Stimmen befanden sich 39 altfürstliche, 9 von säkularisierten ehemals geistlichen Fürstentümern und 13 neufürstliche, erst nach dem westfälischen Frieden mit Reichstagsgenehmigung erhobene Häuser. Österreich hatte im Fürstenrate nur drei Stimmen. Von den weltlichen Kurfürsten besaß Brandenburg (Preußen) 8 fürstliche Stimmen, Kurpfalz (mit Baiern) und Hannover je 6, Kursachsen nur einen Anteil an der Henneberger Stimme. Yon den übrigen Fürsten hatten Baden und Meklenburg-Schwerin je drei, fünf andere je zwei, 17 je eine Stimme 11 . Dazu kamen 5 Kollektivstimmen, die sich auf zwölf Fürsten verteilten, und die 4 gräflichen Kuriatstimmen (das wetterauische Grafenkollegium mit 27, das schwäbische mit 26, das fränkische mit 16, das westfälische mit 34 Beteiligten). An der schwäbischen Grafenkurie waren auch Kurpfalz und Österreich, an der westfälischen Preußen und Hannover beteiligt. Die geistlichen Mitglieder des Reichsfürstenrates und Österreich saßen auf der geistlichen, die übrigen auf der weltlichen Bank 1 2 . Die freien und Reichsstädte erschienen als geschlossenes Kollegium zuerst auf dem Frankfurter Reichstage von 1489 13 . Die erste amtliche Anerkennung ihrer Reichsstandschaft erfolgte durch § 4 der Regimentsordnung von 1 5 0 0 u . Ihre volle Gleichstellung mit den übrigen Reichsständen geschah durch den westfälischen Frieden (JPO. Art. 8, § 4): Tarn in universalibas quam, pariicularibus diaetis liberis imperii civitatibus non minus quam caeteris statibus imperii competat votum decisivum. Das Städtekollegium zerfiel in eine rheinische und eine schwäbische Städtebank, die erstere aus 14, die letztere aus 37 Mitgliedern bestehend. Zu der rheinischen Bank gehörten auch Dortmund, Hamburg, Lübeck, Bremen, Mühlhausen i. Thür., Nordhausen und Goslar. Yon den bedeutenden Veränderungen, die durch den RDHSchl. von 1803 in der Zusammensetzung des gesamten Reichstags vor sich gingen, ist schon S. 719 die Rede gewesen. Die durch denselben vorgeschlagene geworden. Er galt zugleich als Administrator des Hoclimeistertums und führte daher den Titel Hoch- und Deutschmeister. 11 Darunter das dem Könige von Sardinien gehörige Herzogtum Savoyen, das sich aber nie bei den Verhandlungen beteiligte. Meklenburg-Strelitz hatte als solches keine Stimme, führte aber die des säkularisierten Bistums Ratzeburg. 12 Österreich hatte seit Maximilian I. den Sitz auf der geistlichen Bank, um den Rangstreitigkeiten mit Baiern aus dem Wege zu gehen. 13 14 Vgl. ULLMANN, Maximilian, I. 307. N. Samml. I. 57 f.

Die Neuzeit.

760

Neuverteilung der Stimmen im Reichsfürstenrate, die von dem Grundsatze ausging, daß jeder Reichsstand die Stimmen der ihm zugefallenen Entschädigungslande fortführen sollte, hat die kaiserliche Genehmigung nicht erhalten16. Die Bestimmung des Wormser RA. von 1495, daß der Reichstag sich alljährlich versammeln sollte (S. 722), ist nicht ins Leben getreten. Umgekehrt mußten die Kaiser später in den Wahlkapitulationen versprechen, die Reichsstände nicht mit Reichstagen zu belästigen, was thatsächlich bedeutete, daß der Kaiser den Reichstag nur noch mit Zustimmung der Kurfürsten berufen sollte. Bis zu dem am 17. Mai 1654 verabschiedeten Regenshurger Reichstage pflegte der Kaiser und ein größerer Teil der Fürsten sich noch persönlich auf den Reichstagen einzufinden. Das Zeremoniell war das alte, nur fanden, abgesehen von der Eröffnungsund Entlassungsfeier, keine gemeinschaftlichen Sitzungen mehr statt. Die vom Kaiser genehmigten Beschlüsse des Reichstages pflegten bei der Entlassung desselben als Reichstagsabschied (recessus imperii) publiziert zu werden. Da nach 1654 kein Reichstag mehr verabschiedet wurde, so hat der Regensburger RA. von 1654 die Bezeichnung „jüngster Reichsabschied" (JRA.) erhalten. Der nächstfolgende, 1663 zu Regensburg zusammengetretene Reichstag wurde nicht wieder entlassen, der Reichstag verwandelte sich seitdem in einen ständigen Gesandtenkongreß, auf dem der Kaiser durch einen Prinzipalkommissarius, der dem Fürstenstande angehören mußte, und einen rechtskundigen Konkommissarius vertreten wurde. Das allgemeine Direktorium hatte der Erzkanzler. Außerdem hatte jedes der drei Kollegien sein eigenes Direktorium (im Kurfürstenkollegium Kurmainz, im Reichsfürstenrate abwechselnd Salzburg und Österreich, im Städtekollegium die Stadt, in welcher der Reichstag abgehalten wurde); auch die vier Grafenkurien und die beiden Prälatenbänke hatten je ihr besonderes Direktorium. Die kaiserlichen Vorlagen gingen direkt (durch den Vizekanzler) oder indirekt (durch den Prinzipalkommissarius) an den Erzkanzler, der die- " selben zunächst gleichzeitig dem Kurfürstenkollegium und dem Reichsfürstenrate mitteilte. Beide Kollegien verhandelten gesondert, setzten sich aber mit einander in Relation. Kam ein übereinstimmender Beschluß der beiden ersten Kollegien zustande, so ging dieser an das Direktorium zurück, um nunmehr dem Städtekollegium vorgelegt zu werden, während dasselbe nicht mehr mit der Sache befaßt wurde, wenn diese schon an der Nichtübereinstimmung der beiden ersten Kollegien gescheitert war. Wenn die Städte die ihnen gemachte Vorlage ablehnten, so war dieselbe damit erledigt, wenn es nicht im Wege der Relation gelang, die beiden ersten Kollegien noch nachträglich für die von den Städten gewünschten Änderungen zu gewinnen. Traten die Städte dagegen dem Beschlüsse der Kurfürsten und Fürsten bei, so lag nunmehr ein „Reichsgutachten" vor, das 15

V g l . AEGIDI, Der Pürstenrat nach dem Luneviller Frieden, 1853.

§ 73.

Die Eeichsstände und der Reichstag.

761

durch Yermittelung des Erzkanzlers dem Kaiser zugestellt wurde. Der Kaiser hatte ein unbedingtes Veto, er konnte nach freier Entscheidung das Reichsgutachten ablehnen oder seine Sanktion erteilen. Geschah letzteres, so wurde das Gesetz, falls nicht eine besondere Publikation beliebt wurde, im Reichsabschiede, seit 1663 aber als „Reichsschluß" (conclusum imperii) publiziert. Eine formelle Abstimmung fand in älterer Zeit vielfach nicht statt. Eben darum pflegte man die gefaßten Beschlüsse nachträglich noch von den ausgebliebenen Reichsständen durch Unterschrift genehmigen zu lassen. Seit dem westfälischen Frieden dagegen galt innerhalb der einzelnen Kollegien das Stimmenmehrheitsprinzip, während jedes der drei Kollegien als Ganzes ein Dezisivvotum hatte. Nur in Fragen, die das konfessionelle Interesse berührten, sollte die Überstimmung der einen Konfession durch die andere ausgeschlossen sein; es fand daher itio in partes statt, indem sich der Reichstag in einen katholischen Reichstag unter dem Direktorium des Erzkanzlers (sog. corpus catholicorum) und einen evangelischen (corpus evangelicorum) unter Kursachsen auflöste, so daß ein übereinstimmendes Votum der beiden corpora oder der in ihnen vereinigten sechs Kollegien notwendig wurde 16 . War ein Reichsstand nicht persönlich erschienen, sondern durch Bevollmächtigte vertreten, so hatten diese nach ihrer Instruktion zu stimmen. Dasselbe war, seit der Reichstag ein ständiger Gesandtenkongreß geworden, bei sämtlichen Mitgliedern der Fall. Infolgedessen mußten die Abstimmungen vielfach verschoben werden, weil einzelne Gesandten noch keine Instruktion erhalten hatten. Die ohnehin äußerst schwerfällige Geschäftsordnung wurde dadurch noch unbrauchbarer. Die Hauptbeschäftigung des permanenten Reichstages wurden die Rangstreitigkeiten der Gesandten. In besonders schwierigen oder verwickelten oder der Geheimhaltung bedürftigen Angelegenheiten pflegte der Reichstag besondere Ausschüsse, sogenannte außerordentliche Reichsdeputationen, mit der Vorbereitung zu beauftragen 17 . Außerdem bestand seit 1548 eine sogenannte ordentliche Reichsdeputation, d. h. ein permanenter Reichstagsausschuß, der außer dem ganzen Kurfürstenkollegium eine gewisse Anzahl von Deputierten der anderen Kollegien umfaßte und in dringenden Fällen, wenn die Einberufung des Reichstages selbst nicht möglich war oder dieser nicht länger beisammen bleiben konnte, zu einem sogenannten Reichsdeputationstage, als einem engeren Reichstage, berufen wurde 18 . Seit der Reichstag selbst permanent geworden war, kam die ordentliche Reichsdeputation in Wegfall, wenn sie auch theoretisch in den Wahlkapitulationen noch festgehalten 16

Nur in diesem Sinne kann die „amicabilis compositio" des JPO. Art. 5, § 52 verstanden werden. 17 Ebenso wenn es sich um Begrüßungs- oder sonstige Höflichkeitsdeputationen handelte. 18

V g l . PÜTTER, a. a. 0 . II. 124 ff, 254, 259, 299. I I I . 247.

Die Neuzeit.

762

wurde. Für sämtliche Reichsdeputationen verordnete der westfälische Friede die gleichmäßige Zusammensetzung nach den beiden Bekenntnissen 10 . Über die Zuständigkeit des Reichstages bestimmte der westfälische Friede (JPO. Art. 8, § 2): Gaudeant sine contradictione iure suffragii in omnibus deliberationibus super negotiis imperii, praesertim ubi leges ferendae vel interpretandae, bellum decernendum, tributa indicenda, delectus aut liospitationes mililum instituendae, nova munimenta intra statuum ditiones e.vstruenda nomine publico veterave firmanda praesidiis, nec non ubi pax aut foedera facienda aliave eiusmodi negotia peragenda fuerint, nihil horum mit quicquam simile posthac unquam fiat vel admittatur, nid de comitiali liberoque omnium imperii statuum suffragio et consensu.

§ 74. D i e R e i c h s k r e i s e u n d das R e i c h s r e g i m e n t 1 . Im Anschluß an die alten Landvogteien (S. 489) und Landfriedensbezirke (S. 538) hatte schon Albrecht II. die Einteilung des Reiches in Kreise mit einer bestimmten Kreisverfassung unternommen 2 . Was infolge seines frühen Todes nicht zur Ausführung gekommen war, wurde durch die Reichsreformgesetzgebung unter Maximilian I. wiederaufgenommen und unter Karl V. zum Abschluß gebracht. Die Regimentsordnung von 1500 teilte das Reich in sechs Kreise oder Provinzen, ließ aber die kaiserlichen Erbund die kurfürstlichen Lande noch uneingekreist. Dieselben wurden 1512 in Gestalt von vier neuen Kreisen hinzugefügt, nur Böhmen (mit Mähren und Schlesien) blieb außerhalb der Kreisordnung. Durch die Wormser Ordnung von 1521 3 erfolgte eine bessere Abrundung der zehn Kreise, indem jeder der vier neuen um einige Gebiete der sechs alten Kreise vergrößert wurde. Die Kreiseinteilung von 1521 hat sich im wesentlichen bis 1803 erhalten4. 18

JPO. Art. 5, § 51; Art. 8, § 3. JRA. von 1654, §§ 191, 194. Vgl. v. Kraus, Das Nürnberger Reichsregiment, 1883. Wyneken, Die Regimentsordnung von 1521, Forsch, z. deutsch. Gesch. VIII. 563 ff. Moser, Von d e r . teutschen Kreisverfassung, 1 7 7 3 . Lancizolle, a. a. O . 1 2 — 3 2 . Berohaus, Deutschland vor 1 0 0 Jahren I. II. 1 8 5 9 — 6 0 . v. Daniels, Handbuch IV. 5 5 6 ff. 2 3 Vgl. S. 721. N. Samml. II. 211 ff. 4 Vgl. unsere Karte, Tafel III. Zu jedem der 10 Kreise gehörte eine größere oder geringere Zahl von Prälaten, Grafen und Herren. Im übrigen war die Kreiseinteilung folgende. 1. Der ö s t e r r e i c h i s c h e Kreis: das Erzherzogtum, Innerösterreich (Steiermark, Kärnten, Krain, Priaul mit Triest), Oberösterreich (Tirol), Vorderösterreich (die Landgrafschaften im Elsaß und Breisgau, Vorarlberg, schwäbisch Österreich), die Hochstifter Trient und Brixen, später auch Chur. 2. Der b u r g u n d i s c h e Kreis: Preigrafschaft, Luxemburg, Niederlande. 3. Der k u r r h e i n i s c h e Kreis: Kurmainz (nebst Erfurt und Eichsfeld), Kurtrier, Kurköln (nebst Herzogtum Westfalen), Kurpfalz. 4. Der o b e r s ä c h s i s c h e Kreis: Kursachsen, Kurbrandenburg, die Hochstifter Meißen, Merseburg, Naumburg, Brandenburg, Havelberg, Lebus, die thüringisch-sächsischen Herzogtümer, Pommern, Anhalt, Schwarzburg, Reuß. 5. Der f r ä n k i s c h e Kreis: Hochstifter Bamberg, Würzburg und Eichstädt, Burggrafschaft Nürnberg (Fürstentum Onolzbach oder Ansbach, Fürstentum Kulmbach oder Baireuth), Hoch-und Deutschmeister, fünf Städte (darunter Nürnberg). 6. D e r b a i r i s c h e Kreis: Baiern, Erzstift Salzburg, die Hochstifter Passau, Freising und Regensburg, 1

g 74.

Die Reichskreise und das Reichsregiment.

763

Die Kreise hatten ursprünglich nur die Bestimmung, als Wahlbezirke für die Besetzung des Reichsregiments zu dienen. Die 1495 auf dem Reichstage gescheiterte Einsetzung eines Reichsrates kam, nachdem der Druck der auswärtigen Verhältnisse den Widerstand Maximilians gebrochen hatte, auf dem Augsburger Reichstage i. J. 1500 als Ersatz der 1495 beschlossenen jährlichen Reichsversammlung zustande 5 . Zur obersten Leitung des Reiches wurde ein Reichsregiment („Unseres und des heil. Reiches Rat". ..Unser und des Reichs Regenten") mit dem ständigen Sitze zu Nürnberg eingesetzt. Dasselbe bestand aus einem Kollegium von 20 Mitgliedern unter dem Vorsitze des Kaisers oder eines von diesem ernannten Stellvertreters. Von den sechs Kurfürsten (Böhmen blieb unbeteiligt) sollte immer einer mit je dreimonatlicher Abwechselung persönlich dem Kollegium angehören, während die übrigen durch fünf Deputierte vertreten wurden. Fernere Mitglieder waren: ein geistlicher Fürst als Deputierter der sechs bedeutendsten, im Gesetze bezeichneten geistlichen Reichsfürsten, ein in derselben Weise deputierter weltlicher Fürst, ein Deputierter der sämtlichen Grafen und Herren, ein Prälat als Deputierter der vier bedeutendsten Prälaten, zwei Deputierte von acht im Gesetze aufgezählten Reichsstädten und sechs Deputierte der sechs Kreise, endlich zwei Vertreter der kaiserlichen Erblande (einer für Österreich, einer für Burgund). Abgesehen von den sechs kurfürstlichen Stellen hatte das Reichsregiment das Selbstergänzungsrecht, jedoch mit Beschränkung auf den Kreis, der das ausgefallene Mitglied deputiert hatte. Sämtliche Mitglieder, mit Ausnahme der Kurfürsten und Fürsten, erhielten eine Besoldung vom Reiche. Die Reichsregimentskanzlei stand unter dem Erzkanzler. Die Ausfertigung aller Regimentserlasse geschah mit dem Vermerk „ad mandatum domini regis in consilio iniperii"; sie bedurften der Gegenzeichnung des kurfürstlichen Mitgliedes. Alle Beschlüsse des Reichsregiments wurden mit Stimmenmehrheit gefaßt 6 ; abwesende Mitglieder Propstei Berchtesgaden, Fürstentum Neuburg, Landgrafschaft Leuchtenberg, freie Stadt Regensburg. 7. Der s c h w ä b i s c h e Kreis-, Hochstifter Augsburg, Konstanz und Chur (später zum österreichischen Kreise), Abteien Kempten, St. Gallen, Reichenau, Ellwangen, Herzogtum Wurtemberg, Markgrafschaft Baden, 85 Städte (darunter Augsburg). 8. Der o b e r r h e i n i s c h e Kreis: Hochstifter Basel, Besançon, Genf, Lausanne, Sitten, Metz, Toul, Verdun, Straßburg, Speier, Worms, Fulda, Herzogtum Savoyen, Lothringen, Pfalz-Zweibrücken, Nassau-Saarbrücken, Nassau-Weilburg, Waldeck, Landgrafschaft Hessen, 24 Städte (darunter Basel, Mülhausen, Straßburg, Metz, Toul, Verdun, Frankfurt, Speier, Worms, Wetzlar). 9. Der n i e d e r r h e i n i s c h - w e s t f ä l i s c h e Kreis: Hochstifter Paderborn, Lüttich, Utrecht, Münster, Osnabrück, Minden, Verden, Stifter Essen, Werden, Echternach, Stablo, Cornelimünster, Herford, Corvey, Herzogtümer Jülich, Cleve, Berg, Mark, Geldern, Nassau-Diez, Ostfriesland, Oldenburg, Pyrmont, Lippe, 13 Städte (darunter Köln, Aachen, Dortmund). 10. Der n i e d e r s ä c h s i s c h e Kreis: Erzstifter :Magdeburg und Bremen, Hochstifter Hildesheim, Halberstadt, Lübeck, Ratzeburg, Schwerin, Herzogtümer Braunschweig, SachsenLauenburg, Meklenburg, Holstein, die Städte Lübeck, Hamburg, Bremen, Goslai Mühlhausen, Nordhausen. 5 6

Vgl. Regimentsordnung und Augsburger RA. von 1500, N. Samml. II. 56 ff., 63 ff. Da das Reichsregiment 20, das verstärkte Reichsregiment 30 Mitglieder zählte,

764

Die Neuzeit.

wurden nicht gerechnet, auch die Abwesenheit des Kaisers oder seines Vertreters war kein Hindernis. Die Zuständigkeit des ßeichsregimentes erstreckte sich auf alle inneren und äußeren Angelegenheiten des Reiches, die sonst dem Kaiser allein oder mit dem Kuifürstenkollegium oblagen. Der Kaiser war auf den Vorsitz im Reichsregiment und auf die ihm als Reichsstand zukommenden Befugnisse beschränkt. Die Monarchie war beseitigt, der aristokratische Bundesstaat durchgeführt. Dem Reiche gegenüber war das Reichsregiment verpflichtet, sich in besonders wichtigen Angelegenheiten durch die Einberufung sämtlicher Kurfürsten (an Stelle ihrer Deputierten) und der übrigen zur Vertretung im Reichsregiment berufenen Fürsten zu verstärken. Auch dies verstärkte Reichsregiment faßte seine Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. So oft es erforderlich war, hatte das Regiment einen Reichstag zu berufen; alle Reichsstände waren verpflichtet, der Berufung Folge zu leisten. Das Reichsregiment war von vornherein nur auf die Dauer von sechs Jahren vereinbart worden. Aber schon 1502 war es zu unlöslichen Konflikten mit dem Kaiser gekommen. Am 21. März 1502 erklärte Maximilian das Reichsregiment für aufgelöst und forderte dem Erzkanzler das Regimentssiegel ab. Der Versuch des Kaisers, ein von ihm eingesetztes Reichsregiment mit dem Sitze zu Regensburg zu organisieren, hatte keinen Erfolg. Die Opposition der Kurfürsten beschränkte sich auf die Errichtung eines neuen Kurvereins mit der Abrede jährlicher kollegialer Zusammenkünfte; später setzten sie in die Wahlkapitulation das Versprechen, ein Reichsregiment wieder aufzurichten. Diesem Versprechen gemäß vereinbarte Karl V. mit dem Wormser Reichstage von 1521 ein neues Reichsregiment 7 , ebenfalls mit dem Sitze in Nürnberg und genau nach dem Muster des vorigen, nur daß der Kaiser als solcher ebenfalls zwei Mitglieder zu deputieren hatte, so daß die Gesamtzahl auf 22 erhöht wurde 8 . Zu seinem Statthalter im Vorsitz ernannte Karl seinen Bruder Ferdinand.. Die Befugnisse des Reichsregiments wurden genau nach der Regimentsordnung von 1500 festgesetzt, auch hinsichtlich des Selbstergänzungsrechts und des verstärkten Reichsregimentes, nur Verleihung und Entziehung von Reichslehen und die Abschließung von Bündnissen behielt sich der Kaiser vor. Die wichtigste Beschränkung aber war die, daß das Reichsregiment nur als ein Statthaltereirat für die Dauer der Abwesenheit des Kaisers eingesetzt wurde, so daß es mit der Rückkehr desselben in das Reich seine Vollmacht verlor. In dieser Gestalt hat sich das Reichsregiment bis 1530, wo Ferdinand zum römischen Könige gewählt wurde, erhalten. so hatte der Kaiser oder sein Stellvertreter im Vorsitz wohl das Recht des Stichentscheides. ' N. Samml. II. 172 ff. 3 Das System der vierteljährlichen Abwechselung wurde auch auf die Fürsten, Prälaten und Städte ausgedehnt.

§ 75.

Die Reichsgerichte.

765

Schon durch den Trierer EA. von 1512 wurde der von der späteren Gesetzgebung weiter verfolgte Weg betreten, statt des als unausführbar erkannten Versuches einer rein ständischen Zentralregierung durch das Reichsregiment, die Kreise zu lebenskräftigen Yerfassungskörpern auf ständischer Grundlage zu entwickeln 9 . Man kehrte damit zu dem Gedanken zurück, der schon die Kreisverfassung Albrechts II. von 1438 beherrscht hatte. An die Spitze jedes Kreises wurde einer der demselben angehörenden Fürsten, Grafen oder Herren als Kreisdirektor, Kreishauptmann oder kreisausschreibender Fürst zur Leitung der Kreisangelegenheiten gestellt 10 , nur für Kreismilitärsachen wurde zuweilen ein besonderer Kreisoberst eingesetzt. Ihm zur Seite standen vier von den Kreisständen gewählte „zugeordnete Räte". Zu den Kreisangelegenheiten gehörten die Wahlen zum Reichskammergericht, vorübergehend auch die zum Reichsregiment, die Verteilung der dem Kreise auferlegten Reichsanschläge und Truppenkontingente auf die einzelnen Kreisstände und die Sorge für die Aufbringung derselben, die Beschaffung der unmittelbaren Kreismilitärlasten, die Exekution reichsgerichtlicher Urteile gegen Kreisstände, die Wahrung des Landfriedens, Kreispolizei, Aufsicht über das Münzwesen. Die dem Kreise angehörigen Reichsstände waren zugleich die Kreisstände. Der Kreisdirektor hatte sie in den Kreisangelegenheiten zu Kreistagen zu berufen, die durchaus den Charakter eines Reichstages im kleinen trugen. Ein wirklich kommunales Leben vermochte sich aber nur in den wenigen Kreisen, wo sich ausschließlich kleine Staatsgebilde gegenüberstanden, zu entfalten. Während diese überhaupt erst durch die Zusammenfassung zu einem größeren Organismus für staatliche Zwecke verwendbar wurden, hatte die Kreisverfassung in der Mehrzahl der Kreise wenigstens den Vorteil, den mächtigeren Kreisständen einen gewissen Einfluß auf die kleinen zu verschaffen. § 75. Die R e i c h s g e r i c h t e 1 . Das 1495 errichtete Reichskammergericht hatte von dem alten kaiserlichen Kammergerichte (S. 536) zwar den Namen entlehnt, unterschied sich aber von diesem durch den festen Sitz, die reichsgesetzliche Grundlage und die größtenteils den Reichsständen überlassene Besetzung. Der Sitz des Reichskammergerichts befand sich zunächst in Frank9

Vgl. N. Samml. U. 138, 148, 230 ff., 449, 493 f. III. 25—32. Der Kreisdirektor wurde von dem Kreistage gewählt, nötigenfalls vom Kaiser ernannt. 10

1

V g l . EICHHORN, I I I . 1 2 2 . I V . 5 f., 2 6 6 ff., 2 9 4 ff., 3 7 3 ff., 5 7 4 ff.

HARPPRECHT,

Staatsarchiv des Reichskammergerichts, 6 Bände, 1757—85. PFEFFINGER, Vitriarius illustr. IV, 499—705. MALBLANK, Anleitung zur Kenntnis der deutschen Reichs- u. Provinzial-Gerichts- und Kanzleiverfassung, 3 Bände, 1791. THUDICHUM, Das vormalige Reichskammergericht und seine Schicksale, Zeitschr. f. deutsch. Recht XX. 148 ff. STÖLZEL, Ein ältester RKG.-Prozeß, Zeitschr. f. RG. XII. 257 ff. STOBBE, Reichshofgericht und Reichskammergericht, Leipz. Rektoratsrede, 1878. FRANKLIN, Die freien Herren von Zimmern, 112 ff. BERQHAUS, Deutschland vor 50 Jahren II. 125 f., 142 ff.

766

Die Neuzeit.

furt a. M., unterlag dann mehrfachem Wechsel, bis er 1527 nach Speier und von da, infolge der Pfalzverwüstung durch die Franzosen, 1693 nach Wetzlar verlegt wurde, wo das Gericht bis zu seiner Auflösung i. J . 1806 geblieben ist. Die erste gesetzliche Grundlage 2 bildete die RKGO. von 1495 3 , die sich großenteils an die für das alte kaiserliche Kammergericht i. J . 1487 entworfene Ordnung anschloß. Nach verschiedenen Veränderungen 4 kam auf dem Wormser Reichstage von 1521 die zweite RKGO. zustande 6 , auf dem Augsburger Reichstage von 1548 die dritte, die mit geringen Änderungen 1555 von neuem publiziert wurde 6 . Eine vierte RKGO. Avurde auf Grund erheblicher, i. J . 1600 beschlossener Veränderungen i. J . 1603 entworfen und dem nächsten Reichstage vorgelegt; obwohl die politischen Verhältnisse den Entwurf von 1603 nicht zum Reichsgesetze werden ließen, hat das RKG. selbst ihn als maßgebende Norm behandelt 7 . Weitere Veränderungen erfolgten durch den westfälischen Frieden und den JRA. von 1654 8 . An der Spitze des RKG. stand der Kammerrichter, dem seit 1521 zwei Senatspräsidenten zur Seite traten. Alle drei mußten dem hohen Adel angehören und wurden vom Kaiser ernannt. Die Zahl der Beisitzer betrug ursprünglich 16, später 22, nach dem westfälischen Frieden, der auch vier Senatspräsidenten verlangte, sollten es 50 Beisitzer sein, thatsächlich stieg die Zahl aber nicht über 18, erst unter Joseph II. wurde sie auf 25 gebracht. Von den Beisitzern hatte der Kaiser eine gewisse Zahl für sich, eine andere für seine Erblande zu präsentieren ; die übrigen wurden teils von den Kurfürsten, teils von den sechs alten Kreisen präsentiert. Die Ernennung erfolgte durch das Gericht selbst. Die eine Hälfte der Beisitzer muste den juristischen Doktorgrad, die andere den Adel besitzen. Seit 1521 mußten auch die adelichen Beisitzer möglichst, seit 1555 unbedingt aus dem Stande der Rechtsgelehrten genommen werden, doch brauchten sie nicht graduiert zu sein. Seit dem westfälischen Frieden mußte das ganze Gericht und jeder Senat halb mit katholischen, halb mit evangelischen Richtein besetzt sein. Sämtliche Mitglieder des Gerichts galten als reichsunmittelbar und konnten nur durch Urteil des Gerichts oder der Reichsvisitationsdeputation abgesetzt werden. Für die prozessualische Vertretung aller fiskalischen Sachen ernannte der Kaiser einen General-Fiskal, dem ein Fiskaladvokat beigegeben wurde. Alle übrigen bei dem Gerichte thätigen Prokuratoreu und Advokaten wurden 2

Vgl. STOBBE, Rechtsquellen II. 192 ff. Corpus iuris cameralis, 1717. N. Samml. II. 6 ff. 4 Vgl. ebd. II. 43 ff., 67 ff., 113 ff., 119 ff., 123 ff, 166 ff. 3 Ebd. II. 179—194. 6 Ebd. III. 43—136. Über die in der Zwischenzeit (1521—48) vorgenommenen Änderungen ebd. II. 247 ff., 289 ff., 317 ff, 345 ff, 356 ff, 403 ff. 7 Vgl. N. Samml. III. 472—498. Der Entwurf von 1603 bei SCHMAUSS, Corp. iur. publ. (1770) pg. 330 ff. 8 JPO. Art. 5, §§ 53 f. JRA. §§ 7 ff. N. Samml. IV. 588, 643 ff. 3

§ 75.

Die Reichsgerichte.

767

von dem Gerichte, nach vorausgegangener Prüfung, angestellt. Die Kanzlei des RKG. stand unter dem Erzkanzler. Für den Unterhalt des RKG. sollten in erster Reihe die eigenen Einnahmen desselben dienen, im übrigen versuchte man es anfangs teils mit dem gemeinen Pfennig, teils mit außerordentlichen Beiträgen des Kaisers und der Reichsstände, bis 1548 durch eine feste Reichssteuer, die sogen. Kammerzieler, die unentbehrliche finanzielle Grundlage gewonnen und weiteren Suspensionen des Gerichts, wie sie bis dahin wiederholt nötig geworden waren, vorgebeugt wurde 9 . Aber auch diese Steuer wurde so lässig gezahlt, daß der gesetzliche Personalbestand aus Mangel an Mitteln nie aufrechterhalten werden konnte, wodurch eine unglaubliche Verschleppung der Prozesse veranlaßt wurde. Das RKG. war das ordentliche Gericht für Landfriedensbrüche, eigenmächtige Pfändungen und Gefangennehmungen 10 , ferner für alle fiskalischen Klagen, auch wegen der durch Übertretung kaiserlicher Gebote oder der Reichsgesetze verwirkten Strafen 11 , sodann für Besitzstreitigkeiten zwischen Reichsunmittelbaren oder den Unterthanen verschiedener Herren 12 , endlich für alle Klagen gegen Reichsunmittelbare 13 , mit Ausnahme eigentlicher Kriminalklagen und der Reichslehnssachen, so daß auch die Unterthanen gegen ihren Landesherrn wegen Rechtsverletzungen im Gebiete des öffentlichen Rechts beim RKG. klagen konnten. Nur bei Klagen gegen Fürsten und Fürstengenossen, gleichviel wer der Kläger war, hatte in erster Instanz ein vom Gesetze genau geregelter Austrag, als kaiserliche Kommission, zu entscheiden, wogegen jeder Partei die Berufung an das RKG. offen stand 11 . Auf Klagen gegen Grafen, Prälaten und andere Reichsunmittelbare fand das Austragverfahren nur dann Anwendung, wenn der Kläger demselben Stande angehörte 16 . Einen weiteren Grund für die Zuständigkeit des RKG. bildeten die Fälle der Rechtsverweigerung 16 . Endlich war dasselbe in bürgerlichen Sachen oberstes Appellationsgericht für sämtliche Landesgerichte 17 , während 9 Vgl. Augsb. RA. von 1548, § 30 (N. Samml. II. 533). Die Usualmatrikel über die Verteilung des Anschlages N. Samml. IV. Zugabe 100 ff. Über spätere Veränderungen des ursprünglichen Anschlages ebd. III. 2 2 5 , 644. IV. 260, 346, 3 5 8 f . r 362, 371. Über Fälle der A n w e i s u n g auf den gemeinen Pfennig vgl. ebd. II. 25, 3 0 , 35 f., 43, 68, über Anschläge auf beschränkte Zeit II. 8 9 , 103, 115, 171, 205 f., 246, 435, 466. Über den Namen „Kammerzieler" vgl. GRIMM, D W B . V. 132. 10 RKGO. v. 1555, Teil II. Tit. 9, 12—19, 22. Hier konkurrierte das RKG. mit den Landesgerichten, doch konnten die letzteren nicht auf die Reichsacht erkennen. 11 12 18 Ebd. Tit. 20. Ebd. Tit. 21. RKG. von 1495, § 16. 14

V g l . S. 535.

EICHHOEN, I I I . 1 2 2 . I V . 3 7 3 f. R K G O . v o n 1 4 9 5 , § § 1 5 ,

28-30,

von 1555, Teil II. Tit. 2 — 6 , 8, 2 8 , § 1. Bei Besitzstreitigkeiten und im JVIaDdatsprozeß fanden die Austräge keine Anwendung. 15 RKGO. von 1555, Teil II. Tit. 5. 16 Ebd. Teil II. Tit. 1, § 2, Tit. 26. RKGO. von 1495, § 16. 17 RKGO. von 1555, Teil II. Tit. Die Appellationssumme wurde im Laufe der Zeit von 50 fl. auf 400 fl., für manche Länder noch weiter erhöht.

Die Neuzeit.

768

es in peinlichen Sachen auf die Fälle der Rechtsverweigerung beschränkt blieb 18 . Mit dieser oberinstanzlichen Stellung war zugleich ein gewisses Aufsichtsrecht des RKG. über die Landesgerichte verbunden 19 . Wo kaiserliche privilegia de non appellando erteilt waren, fiel beides weg, nur die Zuständigkeit bei Rechtsverweigerung blieb auch hier unberührt 20 . Seit 1507 bestand am Reichstage eine eigene Visitationsdeputation für das RKG., an welcher der Reihe nach sämtliche Reichsstände beteiligt wurden. Dieselbe entwickelte sich zugleich zu einer Revisionsinstanz über dem RKG. (auch mit Zuständigkeit für Syndikatsklagen gegen das letztere), und zwar seit 1555 mit Suspensivwirkung der eingelegten Revision. Seit 1588 kam die ordentliche Visitationsdeputation außer Gebrauch, die dafür von Zeit zu Zeit eingesetzten außerordentlichen Deputationen vermochten aber nur den geringsten Teil der eingelegten Revisionen zu erledigen, so daß die meisten mit dem Rechtsmittel der Revision angefochtenen Urteile des RKG. unvollstreckbar blieben, bis der JRA. von 1654, § 124, die Suspensivwirkung der Revisionen wieder aufhob. Erst 1767 wurde auf Antrieb Josephs II. eine neue ordentliche Visitationsdeputation eingesetzt. Die Vollstreckung der RKG.-Urteile gegen Reichsunmittelbare wurde dem betreffenden Kreise, die gegen Landsässige dagegen der Obrigkeit desselben und nur, wenn diese versagte, ebenfalls dem Kreise befohlen 21 . Das Recht des Kaisers zu persönlicher Entscheidung der an ihn gekommenen Rechtssachen wurde durch die Einsetzung des RKG. nicht beeinträchtigt. Er übte dasselbe entweder in der Weise des alten Reichshofgerichts mit den Reichsständen, d. h. dem Reichstage, oder in der des alten kaiserlichen Kammergerichts mit seinen Räten, d. h. dem Reichshofrat 22. Der letztere, der ursprünglich Justiz- und Verwaltungskollegium gewesen war, entwickelte sich seit der Ausbildung des Geheimen Rates zu einem reinen Justizkollegium, das als oberstes kaiserliches Gericht dem RKG. Konkurrenz machte. Der Reichshofrat hatte die alleinige Zuständigkeit in Reichslehnssachen 23 , Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare (mit Ausnahme der Landfriedensbrüche), Streitigkeiten über kaiserliche Privilegien und andere auf Grund des kaiserlichen Reservatrechts geübte Akte 24 , endlich über 18

Ebd. Tit. 28, § 5.

19

V g l . EICHHOHN, I V . 3 7 5 .

21

50

V g l . ebd. 376.

Vgl. EKGO. von 1555, Teil III. Tit. 48, §§ 6—10, Tit. 49. Rechtskräftig gewordene Urteile der Austräge bedurften der Bestätigung durch eins der höchsten Reichsgerichte, um vollstreckbar zu werden. 22 Vgl. S. 754 f. HERCHENHAHN, Geschichte des kaiserl. EHR., 2 Bände, 1792. BEBGMANN, i. d. Sitz.-Ber. d. Wien. Akad. XXVI. (1858) S. 187 ff. 23 Dieselben hatte der Kaiser schon in der R,gg. Ordn. von 1521, § 7 (N. Samml. II. 173) seiner persönlichen Entscheidung vorbehalten. Vgl. RKGO. von 1555, Teil II., Tit. 7 (ebd. III. 90). Streitig war, ob sich das Vorrecht des RHR. auch auf geringere Reichslehen bezöge. Vgl. PÜTTEB, Hist. Entwickelung II. l l l f . 24 Daher auch alle Prozesse über Hausgesetze von Reichsunmittelbaren, da diese

769

§ 75. Die Eeichsgerichte.

italienische Angelegenheiten, da die in Italien bestehende kaiserliche „Pienipotenz" nur als delegiertes Gericht galt, von dem die Berufung an die Person des Kaisers erging 2B . In allem übrigen konkurrierte der Reichshofrat mit dem RKG. 26 , was nach langem Widerstreben der Reichsstände durch den westfälischen Frieden in der Weise anerkannt wurde, daß das zuerst mit einer Sache befaßte Gericht dieselbe behalten sollte27. Da der Reichshofrat nicht bloß Gericht, sondern zugleich juristischer Beirat des Kaisers war und als solcher in allen Reichslehn- und Gnadensachen ein Gutachten abzugeben hatte, so lag die Gefahr einer persönlichen Einmischung des Kaisers in die gerichtlichen Entscheidungen nahe, zumal der Unterhalt des Reichshofrats Sache des Kaisers war und sämtliche Mitglieder von ihm und nur für die Dauer seiner Regierungszeit ernannt wurden. Nur die Stellung der Reichskanzlei (S. 752 f.) bot eine gewisse Gewähr gegen kaiserliche Kabinetsjustiz. Der westfälische Friede traf eine Reihe von Maßregeln im Interesse unparteiischer Rechtspflege, vermochte aber doch das votum ad imperatorem, durch das der Reichshofrat dem Kaiser die persönliche Entscheidung überlassen konnte, nicht gänzlich zu beseitigen28. Nach den Bestimmungen des westfälischen Friedens 29 sollte sich das Verfahren nach den für das RKG. bestehenden Normen richten, die Besetzung mit Präsidenten, Vizepräsidenten und Räten sollte fest geordnet und jede nicht dazu gehörige Person, namentlich auch jedes Mitglied des geheimen Rats, von der Teilnahme an der Rechtsprechung ausgeschlossen sein; unter den Räten sollte sich eine bestimmte Zahl Evangelischer befinden. Der Reichshofrat wurde der Visitation des Erzkanzlers unterstellt. Von den Urteilen des Reichshofrats sollte das Rechtsmittel der Revision (mit Suspensivwirkung) bei dem Kaiser eingelegt werden können; die Entscheidung über die Revision sollte ausschließlich durch Räte, die bei dem angefochtenen Urteil nicht beteiligt gewesen waren, in wichtigen Fällen unter Zuziehung von Kurfürsten und Fürsten, aber unter Aufrechterhaltung des konfessionellen Gleichgewichts, erfolgen. Das in Aussicht genommene Reichsgesetz zur Ordnung des Reichshofrats ist nicht zustande gekommen, dagegen trat die von Ferdinand III. erlassene RHRO. von 1654 in Gebrauch 30 . Die Zuständigkeit in Achtprozessen wurde beiden höchsten Reichsgerichten durch die ständige Wahlkapitulation, Art. 20, entzogen. Sie sollten nur die Instruktion des Prozesses behalten und die Akten sodann an den Reichstag einschicken. Das Urteil sollte, auf das Gutachten einer vom Kaiser bestätigt sein mußten. Übrigens war die ausschließliche Zuständigkeit des RHR. in betreif der Reservatrechte bestritten. Vgl. PÜTTER, a. a. 0 . III. 167 f. "

V g l . EICHHORN, I V .

300.

26

Dies wurde namentlich in Zeiten, wo das RKG. stillstand, von Bedeutung. Vgl. ROSENTHAL Behördenorganisation Ferdinands 1., 25. 27 JPO. Art. 5, § 56. 28

30

Vgl. ROSENTHAL, a. a. 0 . 22 f.

29

Vgl. J P O . Art. 5, § § 5 4 - 5 6 .

N. Samml. IV. Zugabe 44 ff.

K. ScujiÖDjiB, Deutticke Rechtageschiohte.



Die Neuzeit.

770

aus den drei Kollegien unter Wahrung der konfessionellen Parität besetzten Reichsdeputation, von dem Kaiser mit dem gesamten Reichstage gefällt werden. Seit der Ächtung des Kurfürsten von Baiern (1706) ist die Reichsacht nicht mehr verhängt worden 3 0 ". Durch die Einsetzung des RKG. und die völlig neue Regelung des Strafverfahrens durch die PHGO. Karls Y . verloren die westfälischen Gerichte den letzten Boden, den sie noch im Reiche hatten 3 1 . Als Landesgerichte ohne größere Bedeutung haben sie sich noch längere Zeit, in gewissen Resten bis in das gegenwärtige Jahrhundert erhalten. Auch die kaiserlichen Landgerichte in Süddeutschland waren ganz bedeutungslos geworden. Zu ihrer von dem westfälischen Frieden angeregten reichsgesetzlichen Aufhebung ist es nicht mehr gekommen. § 76. D a s R e i c h s h e e r w e s e n 1 . Zu der Einrichtung eines stehenden Heeres hat es das Reich nie gebracht; den nach dem 30jährigen Kriege wiederholt gestellten Anträgen auf Einführung eines „miles perpetuus" wurde keine Folge gegeben. Erst angesichts eines bevorstehenden oder bereits ausgebrochenen Krieges wurde das von Reichs wegen aufzustellende Heer zwischen Kaiser und Reichstag vereinbart. Unter Maximilian I. hielt man noch an den zuerst im Hussitenkriege (S. 501) gemachten Versuchen der Aufstellung eines Reichssöldnerheeres mit Hilfe einer direkten Reichssteuer, des gemeinen Pfennigs, fest 8 . Seit Karl V. beobachtete man das System der Anschläge auf Grund der von dem Reichstage zu Worms von 1521 beschlossenen Matrikel, welche die Gesamtheeresstärke auf 4 0 0 0 Reisige (d. h. Reiter) und 2 0 0 0 0 Fußknechte festsetzte und die Verteilung derselben auf die Kontingente der einzelnen Reichsstände ordnete 3 . Jeder Reichsstand hatte das ihm auferlegte Kontingent zu stellen, eine Ablösung in Geld war ihm nicht gestattet. Wer Vassailen hatte, stellte seine Reiter im Laufe des 16. Jahrhunderts in der Regel noch 30 a

V g l . EICHHOBN, I V . 5 4 8 f.

Vgl. ebd. III. 222. Schon die vom Wormser Reichstage von 1495 beschlossene Reformation (N. Samml. II. 18 f.) trat den Freigerichten mit Entschiedenheit entgegen. 1 JAHNS, Zur Geschichte der Kriegsverfassung des deutschen Reiches, Preuß. Jahrbücher XXXIX. 1 ff., 113 ff., 443 ff. FESTEB, Die armierten Stände und die Reichskriegsverfassung 1681—97, Straßb. Inaug.-Diss. 1886. PÜTTER, Hist. Entwickelung 31

I I . 2 8 3 ff., 293 ff. I I . 9 8 ff.

EICHHOBN, I I I . 3 1 5 ff. I V . 3 0 0 ff., 546.

LÜNIG,

Corpus

iuris militaris. * Vgl. ULLMANN, Maximilian I. 320 ff., 390 ff., 847 ff. N. Samml. II. 14 ff. Ein interessantes Experiment war der von der Regimentsordnung von 1500, §§ 24 ff. (ebd. II. 60 f.) vorgeschriebene 400. Mann, offenbar eine Art Aushebung. 8 N. Samml. II. 208, 216 ff. Böhmen stellte 400 zu Roß und 600 zu Fuß, die sechs übrigen Kurfürsten sowie Salzburg, Baiern, Würtemberg und Savoyen je 60 zu Roß und 277 zu Fuß, Österreich und Burgund je 120 und 600, Jülich-Cleve-Berg 90 und 540; von den Städten stellten die größten Kontingente Nürnberg, Metz (je 40 und 250) und Köln (30 und 322). Die kleinsten Kontingente beliefen sich auf 4 Fußknechte.

§ 76.

Das Reichsheerwesen.

771

mit Hilfe des Lehnsaufgebotes; später wurde denselben gewöhnlich die Wahl zwischen Dienst und Zahlung von Ritterpferdsgeldern eingeräumt. Im übrigen half man sich mit Söldnern. Die Lehnsmannen erhielten Verpflegung, aber keinen Sold; die Söldner hatten ihre Verpflegung selbst zu bestreiten, doch mußte der Kontingentsherr ihnen den nötigen Proviant gegen Bezahlung zur Verfügung stellen. Jedes Kontingent war demnach von einer eigenen Proviantkolonne begleitet, so daß die Schlagfertigkeit des Heeres durch einen ungeheuem Troß beeinträchtigt wurde. Der monatliche Sold wurde in den Wormser Beschlüssen auf 10 rhein. Gulden für einen Reisigen mit Pferd und 4 Gulden für einen Fußknecht festgesetzt. Der hiernach für das einzelne Kontingent im ganzen erforderliche Monatssold wurde, in Erinnerung an die alten Römerzüge, ein „Römermonat" genannt. Wie die von der Wormser Matrikel festgesetzte Stärke des Gesamtheeres und der einzelnen Kontingente bei der jedesmaligen Vereinbarung mit dem Reichstage als „Simplum" behandelt wurde, so berechnete man auch die den einzelnen Reichsständen neben der Gestellung ihres Kontingentes aufzuerlegende Kriegs- oder Matrikularsteuer nach den Römermonaten der Wormser Matrikel 4 . Diese Steuer floß in die Reichsoperationskasse und diente teils zur Beschaffung des „Zeuges" oder Artilleriematerials, teils zur Besoldung der Reichsgeneralität und der vom Reiche zu stellenden technischen Truppen. Ein Hauptfehler des Reichsheeres bestand darin, daß es ohne jede weitere Organisation ausschließlich in die einzelnen, nach Anzahl, Zusammensetzung und Bewaffnung überaus verschiedenen Kontingente zerfiel, deren Vereinigung zu größeren taktischen Körpern erst nach dem Zusammentritt des Heeres möglich wurde. In dieser Richtung schuf die sogenannte Reichsdefensionalverfassung von 168 L eine wesentliche Verbesserung, indem sie, unter gleichzeitiger Erhöhung des Simplums auf 12 000 Reiter und 28 000 Fußknechte, die Verteilung der Kontingente auf die Reichsstände aufgab und dafür die Verteilung auf die zehn Kreise nach einen bestimmten Maßstabe anordnete 5 . Den Kreisen blieb die Unterverteilung auf die einzelnen Kreisstände (nach der Wormser Matrikel) und die Vereinigung der von diesen gestellten Kontingente zu Regimentern überlassen. Ablösung durch Geld (Reluition) war nicht gestattet, dagegen durften die nichtgerüsteten Reichsstände mit ausreichend gerüsteten (armierten) Mitständen Subsidienverträge abschließen. Die Erfüllung der den einzelnen Ständen obliegenden Leistungen konnte im Wege der Kreisexekution erzwungen werden. Die gesamte Mannschaft eines Kreises bildete ein geschlossenes Corps unter einer eigenen Kreis-

4 Wenn also zwei Simpla und ein Römermonat bewilligt waren, so stellte Nürnberg 80 Reisige und 500 Fußknechte und zahlte eine Steuer von 1400 Gulden. 5 Vgl. u. a. GERSTLACHER, VI. 853. Die größeren Reichsstände, welche mit . ihren Territorien verschiedenen Kreisen angehörten, waren genötigt, ihre Kontingente dem entsprechend zu zerreißen.

4'J *

772

Die Neuzeit.

generalität. Außerdem hatte jeder Kreis einige technische Truppen und ein gewisses Artilleriematerial zu beschaffen. Als Kreiskriegsminister fungierte der Kreisoberst. Für die dem Kreise obliegenden Ausgaben wurde eine Kreisoperationskasse gebildet, so daß die Stände außer der Reichsnoch eine Kreiskriegssteuer zu zahlen hatten. Für beide Arten der Kriegssteuer blieben die Römermonate der Wormser Matrikel im Gebrauch. Die Beschaffung des Proviantes blieb Sache der einzelnen Kontingentsherren. Die Mitglieder der Reichsritterschaft waren dem Reiche nicht direkt kriegspflichtig. Da sie sich größtenteils im Lehnsbande befanden, so dienten sie entweder in den betreffenden Lehnsaufgeboten oder zahlten Ritterpferdsgelder. Außerdem war es von alters her üblich, daß der Kaiser sie in Kriegsfällen zu einer freiwilligen Beisteuer aufforderte, die allmählich zu einem observanzmäßigen „subsidium caritativum" wurde. Über die Ernennung der Reichsgeneräle hatte sich der Kaiser mit dem Reichstage zu verständigen. Der Reichsgeneralfeldmarschall wurde erst im Kriegsfälle ernannt, die übrigen Generäle wenigstens in der späteren Zeit schon im Frieden designiert. Seit dem westfälischen Frieden mußte jede Generalsstelle mit einem Katholiken und einem Protestanten besetzt sein. Die Aufsicht über die Heeresführung stand dem von den Reichsständen gewählten, paritätisch zusammengesetzten Reichskriegsrate zu. Für die innere Disziplin des Heeres und die rechtliche Stellung der Söldner waren die bei der Musterung von den Truppen zu beschwörenden Artikel, der „Artikulsbrief" für die Fußknechte und die „Reuterbestallung" für die Reisigen, maßgebend 8 . Überaus schwerfällig und hier nicht weiter zu erörtern waren die dem Reiche zu Gebote stehenden Mittel, die Reichsstände und Unterthanen durch Dehortatorien, Avocatorien und Excitatorien zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Zur Anordnung von Einquartierungen, Musterplätzen und Durchzügen war nach der Wahlkapitulation die Einwilligung der Reichsstände erforderlich. Die Residenzen der Reichsstände und der Sitz des Reichskammergerichts waren von jeder Quartierlast befreit. Einige Reichsfestungen waren seitens des Kaisers während des 30 jährigen Krieges angelegt. Nach dem westfälischen Frieden durfte dies nur noch mit Reichstagsgenehmigung geschehen. Die Wahlkapitulation erklärte das Festungswesen für Landessache, doch war das Reich durch französische Abtretungen in den Besitz der Festungen Kehl und Philippsburg gekommen 7 . § 77. D a s R e i c h s f i n a n z w e s e n . Die früheren unmittelbaren Finanzquellen waren fast sämtlich versiegt oder durch Übertragung oder unvordenklichen Besitz auf die Reichsstände, zum Teil auch auf Private

Beide zuerst aufgestellt von Maximilian I., unter Maximilian II. 1570 einer Neuredaktion unterworfen. Vgl. N. Samml. III. 321 ff. * V g l . PÜTTER, a. a. 0 . II. 2 9 0 , 300.

§ 77.

Das Geichsfinanzwesen.

773

1

personell übergegangen . Erhalten hatten sich u. a. die Jahressteuern einzelner Reichsstädte, z. B. Frankfurt a. M. a , und der Opferpfennig der Juden von Worms und Mainz. Die Wiedereinlösung der an Reichsstände gegebenen Reichspfandschaften wurde durch den westfälischen Frieden an die Zustimmung des Reichstages gebunden 3 . Die Bestimmung der Wahlkapitulationen, daß einträgliche heimgefallene Reichslehen im Interesse des Reiches eingezogen werden sollten, hatte thatsächlich nur die Bedeutung, daß Kurfürstentümer nur mit Zustimmung des Kurfürstenkollegiums, alle anderen Reichslehen nur mit Einwilligung des Reichstages wiederverliehen werden sollten 4 . Die einzige stehende Reichssteuer bildeten die 1548 als Matrikularsteuer eingeführten sogenannten Kammerzieler zum Unterhalte des Reichskammergerichts 5. Im übrigen kamen nur außerordentliche Reichssteuern, namentlich aus Anlaß von Reichskriegen, vor 6 . Die ältere Form war der gemeine Pfennig, der als direkte Reichssteuer von landsässigen Personen ebenso wie von Reichsunmittelbaren erhoben wurde und in der Regel für die Vermögenderen den Charakter einer Kapitals- und Rentensteuer, für die übrigen den einer Kopfsteuer trug 7 . Den gemeinen Pfennig hatten auch die Geistlichkeit und die Klöster zu zahlen. Allmählich wurde der gemeine Pfennig durch den dem staatsrechtlichen Charakter des Reiches mehr entsprechenden „Anschlag", eine der alten Städtesteuer nachgebildete lteichsmatrikularsteuer auf Grund der Wormser Matrikel von 1521, verdrängt 8 . Die Beibehaltung der 1521 erfolgten Veranlagung brachte, da die seitdem eingetretenen Territorialveränderungen unberücksichtigt blieben, vielfache Ungerechtigkeiten mit sich. Die wiederholt beantragte 1

2

V g l . EICHHOBN, I V . 2 9 1 f.

Vgl. S. 525. PÜTTER, Histor. Entwickelung II. 211. ZEUMER, Städtesteuern 153. LANG, Histor. Entwickelung der deutschen Steuerverfassung (1793) 157 f. 3 Vgl. JPO. Art. 5, § 26. PÜTTER, a. a. 0 . II. 84. Was die Kaiser an andere als an ßeichsstände verpfändet oder verschrieben hatten, mußten sie in den Wahlkapitulationen versprechen, thunlichst an das Reich zurückzubringen. 4 Vgl. ständige Wahlkapitulation von 1711, Art. 11 (N. Samml. IV. 241). 6 8 Vgl. § 75, N. 9. Vgl. S. 770. 7 Auf dem Wormser Reichstage von 1495 (N. Samml. II. 15) wurde der gemeine Pfennig für ein Vermögen von 500—1000 Guld., dem eine Rente von 25—50 Gld. gleichgeachtet sein sollte, auf 0,1% festgesetzt, während alle, die weniger als 500 Gld. besaßen, mit einer Kopfsteuer von l l 2 i Gld. belegt wurden. Wer mehr als 1000 Gld. besaß, sollte von dem Überschusse nach seiner „Andacht", d. h. seinem Ermessen, geben. Die Kopfsteuer sollte für jeden mit dem vollendeten 15. Lebensjahre beginnen, was man auf das ribnarische Recht zurückführen möchte, wenn nicht in dem Trier-Kölnischen RA. von 1512 (ebd. II. 138 f.) der Beginn der Steuerpflicht auf das vollendete 12. Jahr gesetzt wäre. Der gemeine Pfennig wurde ursprünglich nicht bloß für das Reichsheer, sondern auch für den Unterhalt des Reichskammergerichts (vgl. S. 767, N. 9) und des Reichsregimentes (N. Samml. II. 82) bestimmt. 8 Vgl. ZEUMER, Städtesteuern,153ff. Über ältere Anschläge für das Reichskammergericht vgl. S. 767, N. 9. Die Anschläge wurden eine Zeit lang neben ihren militärischen Zwecken auch für das Reichsregiment bestimmt. Vgl. N. Samml. II. 205. 246.

Die Neuzeit.

774

Neuveranlagung kam nicht zustande. Seit dem westfälischen Frieden wurde es überhaupt streitig, oh der Reichstag berechtigt sei, Reichssteuern mit Stimmenmehrheit zu beschließen 9 . Zur Vereinnahmung der Reichssteuern wurden jedesmal besondere Legestätten angeordnet und Reichsschatz- oder Reichspfennigmeister eingesetzt. Das Reichskammergericht hatte einen eigenen Pfennigmeister als Rendanten. Die Verausgabung der Gelder stand stellenweise unter strenger reichsständischer Kontrolle 10 . Die von Maximilian I. eingesetzte Hofkammer ist für das Reich nur von vorübergehender Bedeutung gewesen. Das R e i c h s p o l i z e i w e s e n 1 . Eine dem mittelalterlichen § 78. Staate im wesentlichen noch unbekannte Aufgabe, die Fürsorge für das allgemeine Wohl, wurde nach dem Vorgange verschiedener dem 15. Jahrhundert angehörenden „Landesordnungen" seit dem Worms er Reichstage von 1 4 9 5 als eins der wesentlichsten Objekte der Reichsgesetzgebung angesehen. Man faßte alles dahin Gehörige unter dem weiten Begriffe der Polizeiordnung zusammen 2 und verstand darunter namentlich Vorschriften über Kleidertrachten und Gastereien, Maßregeln gegen die Ausschreitungen des fahrenden Volkes, Unzucht und Kuppelei, Gotteslästerungen und andere Störungen des kirchlichen Friedens, Mißbräuche in Handel und Wandel, gegen den Wucher; auch Lehrlings- und Gesellenwesen, Bücherzensur, betrüglicher Bankerutt, Apotheken- und Vormundschaftswesen wurden allmählich mit in den Bereich der Polizeiordnungen gezogen. Eine Hauptaufgabe derselben bildete aber die Regelung des Münzwesens3. Die Prägungen von Reichs wegen hatten längst aufgehört. Jetzt handelte es sich darum, die Münzherren an die Beobachtung eines bestimmten Münzfußes zu binden und ihre Prägungen unter die Aufsicht des Reiches zu nehmen. Zur Ausübung der letzteren bediente man sich der Kreisverfassung. Die Reichskreise wurden angewiesen, jährliche Münzprobationstage abzuhalten, auch wurden besondere Kreismünzstätten eingerichtet, an denen die nicht im Besitze eigener Bergwerke befindlichen 9

10 1

V g l . PÜTTER, a . a . O. 7 8 ,

122.

Vgl. die ständige Wahlkapitulation von 1711, Art. 5 (N. Samml. IV. 236). V g l . EICHHORN, I V . 2 7 1 ff., 5 4 4 f.

R A . von W o r m s 1 4 9 5 , § § 3 6 — 4 4 (N. S a m m l .

I I . 2 5 f., v g l . e b d . 2 8 f . ) , v o n L i n d a u 1 4 9 7

§§ 8—28, 3 3 - 4 6

b u r g 1 4 9 8 , § § 3 8 — 5 1 ( e b d . 4 6 ff.), v o n A u g s b u r g

von

( e b d . 3 1 ff.), v o n

1500, §§

22-34

Frei-

(ebd. 7 7 ff.,

vgl. 54ff.), von Trier und Köln 1512, Tit. 4 , §§ 1—20 (ebd. 141 ff.), von Nürnberg 1524, §§ 25—28 (ebd. 257 f.), von Speier 1529, § 9 (ebd. 294). Die erste vollständige Polizeiordnuiig kam 1530 auf dem Augsburger Reichstage zustande (ebd. 332 ff.), die zweite ebenda 1548 (ebd. 587 ff.), die dritte 1577 zu Frankfurt (ebd. III. 379 ff.). Der Landesgesetzgebung wurde gestattet, die RPO. zu ermäßigen, also Ausnahmen zu machen, dagegen wurde verboten, sie landesgesetzlich zu vermehren. 2 Über den Sprachgebrauch vgl. EICHHORN, IV. 272 N. a. 3 Vgl. v. PRAÜN, Gründl. Nachricht von dem Münzwesen, 1784. GERSTLACHER, IX. 1475—1697. ZACHARIÄ, Deutsches Staats- u. Bundesrecht, 3. Aufl. II. 372 ff.

§ 78.

Das Reichspolizeiwesen.

775

Reichsstände unter Aufsicht besonderer Kreisbeamten ihre Prägungen vorzunehmen hatten. Nach der Münzordnung von 1559 4 , durch welche die älteren Münzordnungen aufgehoben wurden 5 , bildete die kölnische Mark (S. 508) die Grundlage für alle Gold- und Silbermünzen. Aus der Mark zu 14 Lot 16 Grän reinen Silbers und 1 Lot 2 Grän Kupferzusatz wurden 9 1 / 2 Reichsgulden (auch Speziesgulden) zu 6 0 und 19 halbe Reichsgulden zu 30 Kreuzern geprägt. An Goldgulden sollten auf die Mark zu 18 Karat 6 Grän 72 Stück ausgebracht werden, außerdem wurde die mehrfach übliche Ausprägung von Dukaten, 67 Stück auf die Mark zu 23 Karat 8 Grän, gestattet. Das Wertverhältnis von Gold zu Silber wurde nur im Maximum festgesetzt, indem ein Dukaten höchstens zu 104, ein Goldgulden höchstens zu 75 Kreuzern gerechnet werden sollte. Die Münzen trugen auf der einen Seite das Reichs-, auf der andern das Landesmünzzeichen6. Andere als die im Gesetze aufgeführten Münzen durften nicht geprägt werden, nur Heller nnd Pfennige blieben Landessache. Für alle Münzen bestand innerhalb des ganzen Reiches Annahmezwang, für Scheidemünzen (bis zu 5 Krzr.-Stücken) aber nur bis zum Betrage von 2 5 Gld. Die Ausfuhr inländischer Münzen ins Ausland wurde verboten, ebenso die Verwendung ausländischer Münzen innerhalb des Reiches. Die älteren inländischen Münzen wurden gesetzlich tarifiert. Verstöße gegen die Reichsmüuzordnung wurden mit Suspension, unter Umständen selbst mit Entziehung des Münzrechts bestraft. Der Augsburger RA. von 1 5 6 6 7 gestattete für den Binnenverkehr der einzelnen Territorien auch „ihre sonderbare Landmünzen" und verlaugte nur, daß dieselben auf den Gehalt und Wert der Reichsmünzen reguliert und geordnet und der Aufsicht der Münzprobationstage unterstellt würden. Damit war den Münzeinungen, zu denen die Kreise ohnehin neigten, Raum gegeben. Die folgenreichste Münzeinung war die 1690 zu Leipzig zwischen Kurbrandenburg, Kursachsen und Braunschweig abgeschlossene8, durch welche der sogenannte Leipziger Münzfuß begründet wurde. Derselbe knüpfte an den alten 1566 ausdrücklich zugelassenen „Thaler" (auch Reichs- oder Speziesthaler) zu 68 Krz., von dem neun auf die Mark feinen Silbers ausgebracht wurden, an und teilte denselben in 2 Gulden zu je 60 Krz.; die Neugulden beruhten also auf dem 18 Gulden-Fuße. Neben den Gulden wurden auch Thaler zu 90 Krz., 12 auf die Mark fein, geprägt. Dieser Münzfuß wurde 1738 zum Reichsmünzfuß erklärt 9 , gelangte aber als solcher nicht zur Durchführung. DaN. Samml. I I I . 186 ff. Vgl. Goldmünzordnung von 1495, ebd. II. 27, und die Reichsmünzordnungen von 1524 und 1548/51 (ebd. II. 261 ff., 616 ff., 634 f.). 7 GERSTLACHER, I X . 1489. " So schon nach der Ordnung von 1495. 9 Dieselbe knüpfte an den 1667 zwischen Brandenburg und Sachsen vereinbarten Zinnaer Münzfuß an. 4

5

9

GKRSTLACHER, I X .

1 5 1 1 ff.

776

Die Neuzeit.

gegen kam es 1753 zu einer Münzkonvention zwischen Österreich und Baiern auf Grundlage des 20 Guldenfußes (sogenannter Ivonventionsmünzfuß), während Preußen 1764 den 21 Guldenfuß, auch Graumannscher Münzfuß genannt, einführte 10 . Eine Nebenart des Konventionsmünzfußes war der 24 Guldenfuß, der erst 1838 durch eine Münzkonvention der südwestdeutschen Staaten in einen 24 1 / 3 Guldenfuß, den sogenannten rheinischen Münzfuß, umgewandelt wurde. Eine ebenfalls unter den Begriff der Reichspolizei fallende Neuerung war das Postwesen 11 . Dasselbe war niederländischen Ursprungs und zunächst nur zur Verbindung der burgundisch-habsburgischen Länder mit der österreichischen Hauptstadt bestimmt. Unter der Leitung der Herren von Taxis, die anfangs burgundische Beamte waren, 1595 aber die Bestallung als Reichsgeneralpostmeister erhielten, wurde das Postwesen allmählich auf das ganze Reich ausgedehnt. Die Kurfürsten hatten die Post schon 1570 als kaiserliches Regal anerkannt, doch wurde dem Kaiser das ausschließliche Recht zur Einrichtung neuer Posten schon im 17. Jahrhundert seitens der Reichsstände bestritten. Seit 1615 waren die Grafen von Taxis (seit 1754 Fürsten von Thum und Taxis) erblich mit 'dem Reichsgeneralpostamt als Reichsregal belehnt, doch kam dasselbe nur teilweise zur Durchführung, da in Österreich, Kurbrandenburg, Kursachsen und einigen anderen Ländern eigene Landesposten errichtet wurden. § 79. Die T e r r i t o r i e n 1 . Der noch in der zweiten Hälfte des Mittelalters in den Landvogteien zusammengefaßte Besitz des Reiches an unmittelbaren Reichslanden war durch Verleihung, Verpfändung oder Ver10

Aus der 12 lötigen Mark Silbers wurden 14 Thaler geprägt, der Thaler zerfiel in 24 Groschen, dieser in 12 Pfennige. Gleichzeitig wurde als preußische Goldmünze der Priedrichsd'or im Werte von 5 Thalern Gold eingeführt, ohne das Wertverhältnis desselben zu dem Thaler Silber gesetzlich festzustellen. Gold- und Silberwährung' bestanden demnach selbständig nebeneinander, die erstere nur für solche Fälle, wo die Zahlung vertragsmäßig oder gesetzlich in Gold geleistet werden mußte. Wo Silber zu leisten war, konnte die Annahme von Gold nicht verlangt werden. Vgl. SOETBEER, D e u t s c h e M ü n z v e r f a s s u n g ( 1 8 7 4 ) 1 f. 11

V g l . EICHHORN, I V . 2 7 6 f.

GERSTLACHER, I X . 1697 ff. PÜTTER, V o m R e i c h s -

postwesen, 1790. EILBEK, Das Postwesen in Deutschland, 1811. FLEGLEK, Zur Geschichte der Posten, 1858. HARTMANN, Entwicklungsgeschichte der Posten, 1867, 1

Vgl.

S. 5 7 3

ff.

EICHHORN, I I I . 2 2 3 — 2 8 4 .

I V . 2 5 1 - 6 1 , 2 9 0 f., 3 1 6 — 8 0 , 549

bis 565. v. DANIELS, Handbuch IV. 547 ff. v. SECKENDORF, Deutscher Fürstenstaat. 1656. C a e s a r i n u s F u e r s t e n e r i u s (J. G. LEIBNIZ), De iure suprematus et legationis principum Germaniae, 1677. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus III. 1052—1520. IV. 1—228.

PÜTTEB, H i s t . E n t w i c k e l u n g

I . 3 2 4 ff., II. 8 2 ff., 156 ff., 1 6 7 — 2 0 6 .

III.

258—95. MOSER, Von der Landeshoheit in Regierungssachen, 1772; Von der deutschen Reichsstände Landen, 1769; Von der deutschen Unterthanen Rechten und Pflichten, 1744. K. S. ZACHARIÄ, Geist der deutschen Territorialverfassung, 1800. v. ROTH, Staatsrecht deutscher Reichslande, 2 Bände, 1790—92. HELD, Staat und Gesellschaft II. 3 9 3 ff. WALTER, D R G . § § 3 6 2 — 7 4 , 642.

ZÖPFL, D R G . I I 4 . 4 1 3 ff. SCHULTE, D R G .

§ 102. v. BELOW, Die Neuorganisation der Verwaltung in den deutschen Territorien deB 16. Jahrhunderts, Histor. Taschenbuch, 6. Folge, VI. 305 ff. BERGHAUS, Deutsch-

§ 79. jährung dahingeschwunden.

Die Territorien.

777

D e r Kaiser übte i m R e i c h e n u r n o c h ober-

herrliche R e c h t e aus, w ä h r e n d die unmittelbare Landesherrschaft in deren H ä n d e n ruhte.

an-

Selbst in den w e n i g e n als T r ü m m e r der L a n d v o g t e i e n

übrig g e b l i e b e n e n Reichsdörfern (§ 81) gab es kein unmittelbares kaiserliches R e g i m e n t mehr.

Zu der Klasse der R e i c h s u n m i t t e l b a r e n

gehörten,

a b g e s e h e n von den R e i c h s b e a m t e n , j e t z t nur n o c h die H e r r s c h e n d e n ; alle übrigen

waren landsässig, d. h. einer Landesherrschaft unterworfen

d e m Reiche n i c h t „ohne Mittel

und

unterthan"2.

D e n H a u p t b e s t a n d t e i l des R e i c h e s bildeten die reichsständischen Territorien, deren Inhaber Sitz u n d S t i m m e auf d e m R e i c h s t a g e hatten. k a m e n die reichsunmittelbaren H e r r s c h a f t e n ohne R e i c h s s t a n d s c h a f t

Dazu und

die s o g e n a n n t e n Rezeßherrschaften. D i e reichsständischen Territorien h a t t e n städte

und

der

zu

archische V e r f a s s u n g 3 . tage,

diesen

mit Ausnahme

Landgebiete

der Reichs-

ausschließlich

mon-

Sie zerfielen, je nach d e m S t i m m r e c h t i m Reichs-

in Kurfürstentümer,

der P r ä l a t e n ,

gehörigen Fürstentümer

Grafen u n d H e r r e n .

nichtfürstliche

Territorien

Mit A u s n a h m e B ö h m e n s

und

und seiner

land vor 100 Jahren, I. II. PERTHES, Das deutsche Staatsleben vor der Revolution, 1845. HAUSSER, Deutsche Geschichte P . 91 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht I. 642ff., 781 f., 801 ff., 839 f. II. 855 ff. SCHRÜTTER, Abhandlungen aus dem österreichischen Staatsrechte, 1762 ff. ADLER, Die Organisation der Centraiverwaltung unter Maximilian I., 1886. ROSENTHAL, Die Behördenorganisation Ferdinands I., 1887. WOLF, Die Hofkammer Leopolds I., Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. 1853. BKIDTEL, ebd. 1851, 1 8 5 2 ff. v . HOCK u . BIDERMANN, D e r ö s t e r r e i c h i s c h e S t a a t s r a t , 1 8 6 8 — 7 9 .

H.SCHULZE,

Das preußische Staatsrecht, 2. Aufl. I. II. 1. 1888 (daselbst I. 225, Note * ausführliche Litteraturangaben). BORNHAK, Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, 3 Bände, 1884—86. ISAACSOHN, Geschichte des preußischen Beamtentums. 3 Bände, 1874—84. STÖLZBL, Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, 2 Bände, 1888. E. MEIER, Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg, 1881. SCHMOLLER, Studien über die wirtschaftliche PolitikPreußens 1680—1786; Die innere Verwaltung des preuß. Staates unter Friedrich Wilhelm I., Preußische Jahrbücher 1870; Das Städtewesen unter Friedrich Wilhelm I., Zoitschr. f. preuß. Gesch. XI. v. FREYBKRG, Pragmat. Geschichte d. bayer. Gesetzgebung und Staatsverwaltung seit Maximilian I., 4 Bände, 1836—39, PÖZL, Bayerisches Verfassungsrecht, 4. Aufl. (1870) 3 ff. HOFFMANN, Geschichte der direkten Steuern in Baiern (SCHMOLLEB'S staats- u. sozialwiss. Forsch. IV. 5). WALTER, Das alte Erzstift und die Reichsstadt Köln, 1866. RITTER, Zur Geschichte deutscher Finanzverwaltung im 16. Jh., Zeitschr. d. Berg. Gesch.-Vereins XX. 0 . F. v. STALIN, Wirtembergische Geschichte IV. 710 ff. BÜHLAU, Mecklenburgisches Landrecht, I. 90—172; Fiskus, landesherrliches und Landes - Vermögen in Mecklenburg 1877 (Rostocker Rektoratsprogramm, 1875). FALCK, Schlesw.-holst, Privatrecht IL III. 1831—38. 2

MAURER, F r o n h ö f e I I .

242—61.

Die nicht zur Regierung gelangten ebenbürtigen Familienglieder der landesherrlichen Häuser galten nicht als Unterthanen, sondern blieben reichsunmittelbar. Vgl. SCHULZE, Erstgeburtsrecht 381. 8 In Ostfriesland hatten die früher begründeten Anfänge freistaatlicher Entw i c k l u n g (S. 540) keine Dauer gehabt. Seit 1454 war das Land eine Reichsgraf'schaft, seit 1667 ein Reichsfürstentum. Nach dem Aussterben des ostfriesischen Fürstenhauses (1744) kam es auf Grund einer älteren Lehnsanwartschaft an die Krone Preußen.

778

Die Neuzeit.

Nebenländer waren sämtliche Territorien auf die zehn Reichskreise verteilt und in der Reichsmatrikel veranschlagt. Sie waren die ordentlichen Teilnehmer an der Reichsregierung und den Reichslasten. In entsprechender Weise nahmen sie durch die Kreisstandschaft an der Kreisregierung und den Kreislasten teil. Neben einfachen Territorien gab es zusammengesetzte unter demselben Landesherrn. Umgekehrt gab es auch Territorien, die mehreren Herren gemeinschaftlich gehörten (vgl. S. 758 f.). Wo die Hoheitsrechte über ein Territorium geteilt waren, galt im Zweifel der Inhaber der Gerichtsbarkeit als der eigentliche Landesherr 4 . Die meisten Territorien waren lehnbar: die Fürstentümer waren Reichslehen, die nichtfürstlichen Territorien größtenteils Reichsafterlehen, doch kamen unter ihnen auch Allode und unmittelbare Reichslehen vor. Der frühere formelle Unterschied zwischen Scepter- und Fahnlehen bestand nicht mehr, seit die Belehnungsform für beide die gleiche geworden war 5 . Hinsichtlich der Entwickelung der landesherrlichen Gewalt standen sich alle reichsständischen Territorien gleich, der frühere Gegensatz der kurfürstlichen, fürstlichen und gräflichen Territorien hatte sich verloren 6 . Die reichsunmittelbaren Herrschaften ohne Reichsstandschaft 7 gehörten größtenteils der Korporation der Reichsritterschaft ( § 8 1 ) an. Außerdem gab es noch etwa dreißig derartige Herrschaften, von denen die meisten mit reichsständischen Territorien verbunden oder im Besitze von reichsständischen Nebenlinien waren; andere gehörten reichsunmittelbaren Stiftern oder weltlichen Herren, die ihre Reichsstandschaft wieder verloren hatten oder überhaupt nicht zu derselben gelangt waren 8 . Alle diese Herrschaften befanden sich außerhalb der Kreise, hatten also auch keine Kreisstandschaft. Ein reichsmatrikularmäßiger Anschlag bestand nur für wenige von ihnen; auch zu den Kammerzielern wurden die meisten nicht herangezogen. Rezeßherrschaften waren solche Gebiete, bei denen der ursprüngliche Landesherr seine Landeshoheit unter Vorbehalt bestimmter Hoheitsrechteund unter Wahrung seiner persönlichen Reichsunmittelbarkeit an einen benachbarten Fürsten abgetreten hatte 9 . Von den geistlichen Territorien und Herrschaften wurde infolge der 4 Vgl. S. 574. EICHHORN, IV. 253. Die Strafgerichtsbarkeit allein war dafür nicht ausreichend. Vgl. JPG. V. § 44: Sola criminalis iurisdictio, centgericlit, solumque ius gladii et relentionis, patronatus, ßlialitatis neque coniunctim neque divisim ius reformandi tribuunt. 6 Vgl. S. 735. Unter Karl V. standen noch die alten Formen in Gebrauch. Vgl. RA. von 1521, § 4 (N. Samml. II. 173). 9 Vgl. JPO. VIII. §§ 1, 2, 4. 7 Auch unter den reichsständischen Territorien der Grafenkurien führten verschiedene bloß den Titel „Herrschaft". 8 Vgl. BERGHAUS, Deutschland von hundert Jahren II. 205 ff. 9 Eine solche teilweise Mediatisierung hatte bei der stolbergischen Grafschaft Wernigerode gegenüber Preußen und den schönburgischen Herrschaften gegenüber Sachsen stattgefunden. Vgl. v. DANIELS, a. a. O. IV. 61G.

§ 79.

779

Die Territorien. 10

Reformation eine große Zahl säkularisiert . Die darüber entstandenen Streitigkeiten wurden durch den westfälischen Frieden auf Grund des Besitzstandes vom 1. Januar 1624 entschieden 11 . Durch den EDHSchl. von 1803 wurden sämtliche geistliche Gebiete bis auf das neugeschaffene Kurfürstentum Regensburg und den Deutsch- und Johanniterorden der Säkularisation unterworfen 12 . In den weltlichen Territorien brach sich mehr und mehr die staatsrechtliche Auffassung Bahn; mit dem privatrechtlichen Systeme der Erbteilungen wurde gebrochen und die Primogeniturordnung eingeführt 13 . Für die Kurfürstentümer (aber nicht die mit ihnen verbundenen Nebenländer) war dies schon durch die Goldene Bulle von 1356 (S. 576), also durch Reichsgesetz, für Würtemberg durch kaiserliches Privileg, gleichzeitig mit der Erhebung der Grafschaft zum Herzogtum (1495), geschehen. Im übrigen erfolgte die Änderung überall im Wege der Hausgesetzgebung, nachdem sich die Autonomie der regierenden Häuser gegenüber dem Widerstande einer rom;uiisierenden Jurisprudenz mühsam zu allgemeiner Anerkennung durchgerungen hatte 14 . Die anfangs für notwendig, später nur noch für zweckmäßig erachtete kaiserliche Bestätigung wurde ausnahmelos eingeholt 15 . Die Gesuche gingen an den Reichshofrat, der die rechtliche Zulässigkeit zu begutachten und die Interessen der ungeborenen Familienglieder wahrzunehmen hatte. Die Entscheidung über eingelegte Widersprüche erfolgte durch den Kaiser persönlich. Die heute üblichen Kodifikationen der Hausgesetze waren vor 1806 unbekannt, man begnügte sich mit einzelnen Dispositionen in Haus-, Ehe-, Erbverträgen oder letztwilligen Verfügungen. Hauptsächlich handelte es sich um die Regelung der Successionsordnung, Apanagen und Sekundogenitureu für die jüngeren Linien (in den katholischen Häusern gewährten die Kanonikate eine erwünschte Versorgung), Vormundschaft über die unmündigen

10 Vgl. DOVE, i. d. Realencyklopädie f. protest. Theologie u. Kirche, 2. Aufl. X I V . 47 f. 11 Vgl. S. 748. JPO. V. §§ 14 f., 21 f., 25 f. Über den sogenannten geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens vgl. RA. von 1555, § 18 (N. Samml. III. 18). Derselbe kam nach dem westfälischen Frieden nur noch für Glaubensänderungen, die dem Besitzstande des Normaljahres 1624 entgegen waren, in Betracht. 12

V g l . S. 719.

DOVE, a . a . 0 .

51 f., 5 4 f.

19

Vgl. S. 576 f. SCHULZE, Recht der Erstgeburt 344 ff. 14 Vgl. H. SCHULZE, a. a. 0 . 358—69, Hausgesetze der regierenden Pürstenhäuser, 3 Bände, 1862 —83, und bei STOBBE, Rechtsquellen II. 498 ff. MOSEK, Familienstaatsrecht derer teutschen Reichsstände, 2 Bände, 1775. IIEFFTER, Sonderrechte der vormals reichsständischen Häuser Deutschlands, 1871. BESELEB, Erbverträge II. 2,

17

ff.

GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t

I.

413

ff.

MEJER, BESELER,

GIEBKE,

i.

d.

Zeitschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht V. 229 ff., 540 ff., 557 ff. WILDA in WEISKE'S Rechtslexikon 15

I. 5 5 5

ff.

K . MAUBEB b e i BLUNTSCHLI U. BBATEB, S t a a t s - W . B .

I . 6 1 1 FF.

Die Romanisten verlangten eine lex specialis in der Form eines kaiserlichen Privilegs. Seit PÜTTEK und MOSEB galt die Einholung der kaiserlichen Bestätigung nur noch für zweckmäßig, aber nicht mehr für unentbehrlich.

780

Die Neuzeit.

Familienglieder *e, Mißheiraten 17 , Wittum und Heimsteuer für die Frauen und Töchter. Von besonderer Bedeutung für die Territorialverhältnisse waren die Erbverbrüderungen , durch die sich die vertragschließenden Häuser gegenseitig für den Fall des Aussterbens zu Erben einsetzten 18 . Soweit die Rechte der Agnaten durch ein Hausgesetz berührt wurden, war ihre Zustimmung erforderlich; auch die männlichen Descendenten mußten gehört werden, wenn auch prinzipielle Widersprüche derselben (z. B. gegen das Prinzip des Erstgeburtsrechts) unberücksichtigt blieben. Unmündigen Familiengliedern wurden seitens des Reichshofrates oder Reichskammergerichts für die erforderlichen Verhandlungen Spezialvormünder gesetzt. Der Zustimmung der Landstände bedurfte es nur, wo diese überhaupt das Mitwirkungsrecht bei wichtigeren Landesakten besaßen; aus Zweckmäßigkeitsgründen wurde sie nicht selten auch ohne rechtliche Verpflichtung eingeholt. Das Recht der Erstgeburt, das sich in der Regel zugleich auf die Stammgüter des Hauses („Hausfideikommiß") miterstreckte und nur das freie (Schatull-)Vermögen unberührt ließ, wurde hausgesetzlich zuerst für die gesamten brandenburgischen Länder durch das Familienstatut des Kurfürsten Albrecht Achilles (die sogenannte „Achillea") vom 22. Februar 1473 (vom Kaiser bestätigt 24. Mai d. J.) festgesetzt 19 . Dies Familienstatut, dessen Grundsätze in der Folgezeit (1598, 1603, 1664, 1688) wiederholt bestätigt wurden, ist die Grundlage der mächtigen Entwickelung des brandenburgisch-preußischen Staates geworden. Dem brandenburgischen Beispiele folgte Sachsen (albert. Linie) 1499, Baiern 1578, Österreich 1584 20 . Die zahlreichsten Übergänge zu der Primogeniturordnung vollzogen sich während des 17. Jahrhunderts 21 , so daß für das 18. Jahrhundert nur noch wenige übrig blieben8Z. Am längsten wurde 16

19

V g l . KRAUT, V o r m u n d s c h a f t III. 140 ff.

17

V g l . S. 744.

Vgl. BESELER, Erbverträge II. 2, 90 ff. E. LÖNINQ, Erbverbriiderungen zwischen Sachsen, Hessen, Brandenburg, 1867. 19 Vgl. § 50, N. 23. Die fränkischen Lande (Markgrafschaft Ansbach und Markgrafschaft Kulmbach oder Baireuth, oder „auf dem Gebirge") sollten eine Sekundound Tertiogenitur bilden, während alle übrigen Besitzungen des Hauses unteilbar mit der Kurmark verbunden blieben. Durch Vertrag mit dem unbeerbten letzten Sprossen der fränkischen Linie, dem Markgrafen Christian Friedrich Karl Alexander, wurden die beiden fränkischen-Fürstentümer noch bei dessen Lebzeiten (1791) mit dem preußischen Staate vereinigt. Der fränkische rote Adlerorden wurde infolge dessen zum zweiten preußischen Hausorden (nach dem schwarzen Adlerorden) erklärt. 20 Weitere Bestätigungen erfolgten 1621, 1703 und durch die pragmatische Sanktion Karls VI. von 1713, durch welche der Ubergang auf die weibliche (lothringische) Linie begründet wurde. 21 Darunter Holstein 1608/1650, Hessen-Darm stadt 1606, Hessen - Kassel 1627, Baden 1615, Braunschweig-Wolfenbüttel 1636, Braunschweig-Lüneburg 1680, Oldenburg 1691, Sachsen-Eisenach, Sachsen-Gotha und Waldeck 1685. In Kurpfalz wurde die Primogenitur im Anschluß an die Bestimmungen des westfälischen Friedens stillschweigend angenommen. 22 Darunter beide Mecklenburg (1701), Anhalt (1702, 1727), Sachsen - Weimar (1716/24), Hildburghausen (1703), Koburg (1746), Nassau (1761).

§ 79.

Die Territorien.

781

die privatrechtliche Erbteilung in Sachsen-Meiningen festgehalten, das erst 1802 dem allgemeinen Beispiele folgte; das meiningische Hausgesetz ist das letzte gewesen, das der Kaiser zu bestätigen hatte. Der Inhalt der landesherrlichen Gewalt beschränkte sich nicht mehr auf einen gewissen Inbegriff von Lehen, Hoheitsrechten und Vogteirechten. Was die Goldene Bulle von 1356 den Kurfürsten für ihre kurfürstlichen Lande eingeräumt hatte, war im Laufe der Zeit teils durch Verleihung, teils durch unvordenklichen Besitz Gemeingut sämtlicher Reichsstände geworden; nur die alten Exemtionsprivilegien gegenüber dem Reichshofgericht wurden mit dem Wegfall des letzteren gegenstandslos, während die Kurfürsten daran festhielten, daß die Bestimmungen der Goldenen Bulle zu ihren Gunsten auch gegenüber den neuen Reichsgerichten Anwendung (finden müßten. War hiernach auf einem besonderen Gebiete ein gewisser Rückschlag eingetreten, so hatten andererseits die Reformation und der 30 jährige Krieg umsomehr zur Hebung der landesherrlichen Gewalt beigetragen, so daß es sich im westfälischen Frieden zunächst nur darum handelte, den hergebrachten Rechten der Reichsstände ganz allgemein die reichsgesetzliche Bestätigung zu verschaffen. Dieselbe erfolgte durch JPO. VIII. § 1. Eine genauere Aufzählung wurde nur in betreff der Reichsstädte (liberi imperii civitates) beliebt, indem diesen der westfälische Friede die volle Gleichstellung mit den übrigen Reichsständen g e w ä h r l e i s t e t e : iisque rata et iniacta maneant regalia, vectigalia, reditus annui, libertates, privilegia confiscandi, collectandi et inde dependenlia, aliaque iura ab imperatore et imperio legitime impetrata vel longo usu ante hos motus obtenta possessa et exercita, cum omnimoda iurisdictione intra muros

et in territorio (VIII. § 4). Insbesondere wurde sämtlichen Reichsständen das während des Krieges schon in großem Maßstabe von ihnen geübte Bündnisrecht zugestanden und nur der Vorbehalt gemacht, daß die Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet sein dürften 23 . Ebenso wurde der Religionsbann (ins reformandi) als ein althergebrachtes, in dem „ius territorii et superioritatis" liegendes Recht aller Reichsstände bestätigt und nur in seiner Ausübung durch die Gewährleistung des konfessionellen Besitzstandes in dem Normaljahre 1624 beschränkt 24 . Durch die Festsetzung des Normaljahres wurde das seit der Reformation von protestantischen wie katholischen Reichsständen geübte und in dem Augsburger Religionsfrieden bestätigte Recht der Einziehung geistlicher Güter für 23 JPO. VIII. § 2: Cumprimis vero ius faciendi inier te et cum exteris foedera pro sua cuiusque consercatione ac securilate, singulis statibus perpetuo liberum est», ita tarnen, ne eiusmodi foedera sint contra imperatorem. et imperium pacemque eius publicum vel hanc imprimis transactionem, ßantque salvo per omnia iuramento, quo quisque imperatori et imperio obstrictus est. 24 Vgl. JPO. V. § 30: cum eiusmodi statibus immediatis cum iure territorii et superioritatis ex communi per totum imperium hactenus usitata praxi etiam ius reformandi exereitium religionis competat. Uber die Bedeutung des Religionsbannes sowie des Normaljahres vgl. ebd. §§ 30—37 und oben S. 748.

Die Neuzeit.

782

die Zukunft aufgehoben26. Erst nach der Auflösung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. (1773) ergab sich eine neue Gelegenheit zu Säkularisationen, indem die Besitzungen des aufgelösten Ordens seitens der Staatsregierungen als bona vacantia eingezogen wurden2e. Überhaupt aber machte sich in der staatsrechtlichen Theorie des 18. Jahrhunderts die Auffassung geltend, daß die Staatsgewalt kraft ihres dominium eminens zum gemeinen Besten die Aufhebung von Stiftern und Klöstern und Einziehung ihrer Güter anzuordnen berechtigt sei. Während die protestantischen Fürsten durch den westfälischen Frieden verhindert waren, von dieser Theorie praktischen Gebrauch zu machen, fand sie in den katholischen Ländern, selbst denen der geistlichen Fürsten, nach dem Vorgange Josephs II. und des Kurfürsten von Mainz die ausgedehnteste Anwendung 27 . Auf diese Weise wurde die allgemeine Säkularisation des RDHSchl. von 1803 vorbereitet28. Der letztere beschränkte sich aber nicht auf die Mediatisierung der geistlichen Reichsstände (S. 779), sondern gab schlechthin „alle Güter der fundierten Kapitel, Abteien und Klöster" im ganzen Reiche „der freien und vollen Verfügung der betreffenden Landesfürsten" preis, „sei es zur Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes, des Unterrichts und anderer Anstalten zum gemeinen Besten, sei es zur Erleichterung ihrer Finanzen" 29 . Die daraufhin von den meisten Staatsregierungen ergriffenen Maßnahmen trafen zwar auch einige protestantische Stiftungen, hauptsächlich gereichten sie aber der katholischen Kirche zum Nachteil, der fast ihr ganzes Vermögen zu Gunsten staatlicher Omnipotenz entzogen wurde30. Es war erst der Zeit nach den Befreiungskriegen vorbehalten, dies Unrecht wieder gut zu machen. Die landesherrliche Gewalt hatte sich zu einer wahren monarchischen Staatsgewalt umgebildet. Der französische Entwurf der westfälischen Friedensurkunde bezeichnete sie bereits als souverainite, was die Urkunde selbst mit ins territorii et superioritatis (Anm. 24) wiedergab. Eine ältere Be-zeichnung war „landesfürstliche Obrigkeit" und für die nicht fürstlichen Reichsstände „Landes- oder hohe Obrigkeit". Die Theorie faßte sie in Anlehnung an den kirchlichen Sprachgebrauch mit Vorliebe als Jurisdiktion auf, wobei außer der Gerichtsbarkeit auch die gesetzgebende Gewalt und die Vertretung der Unterthanen gegenüber dem Reiche unter 25 Vgl. Augsb. RA. von 1555, § 19 (N. Samml. III. 18). JPO. V. §§ 31 f. DOVK, a. a. O. 43 ff., 56 f. 26

27

V g l . DOVE, 4 8 .

Vgl. ebd. 50. HÜBLEB, Eigentümer des Kirchenguts 49 ff. 28 Über das Folgende vgl. DOVE, a. a. O. 52ff, 57, 59f. BEBGHAUS, Deutschland vor fünfzig Jahren I. 363 f. 29 RDHSchl. §§ 34—36. Eine Ausnahme machte § 42 zu Gunsten der Frauenklöster, die nur im Einvernehmen mit dem Diözesanbischof aufgehoben werden sollten. 80 Der Vorbehalt, daß die Domstifter, soweit sie bestehen blieben, ausreichend dotiert werden müßten, überließ doch die Hauptsache dem guten Willen des Staates.

§ 79.

Die Territorien.

783

diesem Begriffe zusammengefaßt wurden. Durch das Bündnisrecht traten die deutschen Staaten, wie ehedem die Hanse, aus den Bahnen des Reiches heraus und wurden zu europäischen Mächten mit eigener völkerrechtlicher Persönlichkeit 31 . Lagen die Sachen hier klar und einfach, so waren die Beziehungen der Einzelstaaten zu dem Reiche um so schwieriger juristisch zu erfassen und über ihre rechtliche Natur bestanden unter den Theoretikern wie den einander gegenüberstehenden staatlichen Parteien die verschiedensten Ansichten 82 , nachdem es bei den westfälischen Friedensverhandlungen nicht gelungen war, eine die verschiedenen Ansprüche vermittelnde Formel zu finden. Die kaiserliche Partei hielt an der historischen Souveränität des Kaisers fest und wollte den Reichsständen nur die ihnen erweislich gebührenden Rechte zugestehen, so daß also im Zweifel die Vermutung für den Kaiser Platz greifen sollte. Einen praktischen Erfolg hatte diese Auffassung noch im 16. Jahrhundert mit dem Postregal, während wenig später auch landesherrliche Posten ohne oder selbst gegen den Willen des Kaisers in Aufnahme kamen 33 . Den entschiedensten Gegensatz gegen die kaiserliche Theorie bildete die des Hippolithus a Lapide (v. CHEMNITZ), der das Reich für eine souveräne Fürstenaristokratie und die Gesamtheit der Reichsstände für den wahren Träger der Staatsgewalt erklärte; dem Kaiser war nach ihm nur eine gewisse Oberleitung der Geschäftsführung und die Ausführung der Reichstagsbeschlüsse übertragen, außerdem waren ihm bestimmte unwesentliche Reservatrechte zu alleiniger Ausübung anheimgegeben. Die historische Auffassung, daß man es mit einer entarteten Monarchie zu thun habe, deren eigentliche Lebenskräfte auf die einzelnen Glieder übergegangen waren, ohne daß eine endgültige Abgrenzung zwischen ihnen und der früheren Zentralgewalt stattgefunden hatte, wurde von dem Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, 84 H E R M A N N CONBING , namentlich aber von P U F E N D O B F (Monzambano), und zwar unter Verzicht auf jede Möglichkeit einer juristischen Konstruktion (irreguläre aliquod corpus et monstro simile), vertreten. Während P Ü F E N D O B F die Auffassung des Reiches als beschränkte Monarchie ebenso entschieden wie die Idee eines Staatenbundes (systema plurium civitatum foedere nexarum) zurückwies, entgjng ihm wie seinen Zeitgenossen die von L U D O L P H H U G O (De statu regionum Germaniae, 1661) ausgegangene Hindeutung auf den Bundesstaat, weil die Bundesstaatstheorie der damaligen Zeit noch zu fremd war, um dieselbe für das Ver31 32

33

V g l . PÜTTER, a. a. O. I I I . 2 7 4 f. V g l . ERDMANNSDÖRFFER, a. a. 0 . 5 2 ff.

Vgl. S. 776. STEPHAN, Geschichte der preußischen Post, 1859. Über das Leben und die Werke CONRING'S (1606—81), namentlich sein bahnbrechendes Werk ,,De origine iuris Germanici" (1643), vgl. STOBBE, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Eechtsgeschichte, Bresl. Eektoratsrede, 1869 (besonders abgedruckt Berlin 1870); Geschichte der deutschen Rechtsquellen II. 418 ff. Speziell mit der Beichsverfassung beschäftigte sich die Schrift „De Germanorum Imperio Romano." 34

784

Die Neuzeit.

ständnis und die korporative Ausgestaltung der Reichsverfassung fruchtbar zu machen 36 . Die Territorialgewalt war eine wirkliche Staatsgewalt, ein Imperium, wie es ehedem dem Kaiser zugestanden hatte. Daher der Spruch: „Jeder Herr (Fürst) ist Kaiser in seinem Lande", „Quilibet status tantum potest in suo territorio, quantum imperator in imperio" 3 6 . Aber dies Imperium war ein vom Reiche abgeleitetes, lehnbares, unter Umständen entziehbares; darin lag der eine wesentliche Unterschied gegenüber dem Bundesstaate, bei welchem die Staatsgewalt der Bundesglieder das ursprüngliche, die Zentralgewalt das übertragene Element bildet; der zweite, verhängnisvollere Unterschied lag darin, daß „ d e m Zeitbewußtsein der Staatsgedanke ganz allein in seiner Verkörperung als Obrigkeit faßlich war", man nicht „aus der Reichsgemeinde den Staat in sich selbst zu verlegen vermochte", daher „alles, was der Reichsgenossenschaft an staatlicher Bedeutung verloren g i n g , ausschließlich der Landeshoheit zuwachsen mußte" 3 6 ®. I m übrigen war das Imperium der Reichsstände in derselben Weise der Reichsgewalt untergeordnet, wie dies in Bundesstaaten seitens der Bundesglieder gegenüber der Bundesgewalt der Fall ist. Die Reichsstände hatten für die Steueranschläge des Reiches wie der Kreise aufzukommen, mußten sich im Falle des gemeinen Pfennigs selbst eine direkte Besteuerung von Reichs wegen gefallen lassen, an Reichskriegen und Kreisexekutionen hatten sie teilzunehmen und durften nicht neutral bleiben 37 , ihre Bündnisverträge durften nicht gegen Kaiser und Reich oder den gemeinen Frieden gerichtet sein. Sie waren zur Beobachtung der Reichsgesetze verpflichtet und durften sich landesgesetzliche Abweichungen nur gestatten, wo die Reichsgesetze sich keine absolute Geltung beilegten. Die höchsten Reichsgerichte waren oberste Berufungsinstanz und Aufsichtsbehörde für die Landesgerichte. I n den eximierten Territorien nahmen sie diese Stellung wenigstens in Fällen der Rechtsverweigerung ein. I n allen Territorien mußte für einen geordneten Instanzen-, zug, in den eximierten für drei Instanzgerichte gesorgt werden. Gegen Misbräuche der Gewalt konnten die Unterthanen bei den Reichsgerichten gegen ihre Landesherren klagbar werden, während umgekehrt die letzteren den Schutz des Reiches gegen ungehorsame Unterthanen zu beanspruchen hatten 37 ". Eine

weitere Beschränkung

durch

das Reich

ergab sich aus

den

Reservatrechten, die überall im Reiche nur durch den Kaiser allein oder •5 Erst PÜTTER, a. a. O. I I . 159 ff., verglich das Reich mit den Vereinigten Niederlanden, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. 36

Vgl. GRAF U. DIETHERR, Rechtssprichwörter 487, 492.

Anzeiger f. Kunde d.

deutsch. Vorzeit, 1866, S. 141. 38

* V g l . GIERKE, a. a. 0 . I . 839. I I . 831, 854.

Wie wenig dies in Wirklichkeit beachtet wurde, zeigen Basel und Campo Pormio. 37 » Vgl. S. 767. Bestand. Wahlkapitulation Art. 15 (N. Samml. IV. 243). 37

§ 79.

785

Die Territorien.

unter Zustimmung der Kurfürsten ausgeübt wurden (S. 751). Dahin gehörte u. a. die Errichtung neuer und die Erhöhung bestehender Zölle, die nur von Kurbrandenburg auf Grund einer Verleihung Friedrichs III. als landesherrliches Recht in Anspruch genommen wurde?8. Für kaiserliche Gnadensachen, Standeserhöhungen, Bestätigung kaiserlicher Notarien u. dgl. pflegten die Kaiser in den einzelnen Territorien besondere Hofpfalzgrafen einzusetzen, wobei die Landesherren in der Regel mitzusprechen hatten 39 ; zuweilen wurden die Landesherren selbst zu Hofpfalzgrafen mit der comitiva maior ernannt, so daß sie, wenn auch nur im Namen des Kaisers, jene Akte auf eigene Hand vornehmen konnten (S. 752). Zunft-, Markt- und Stadtprivilegien wurden als ausschließliche Landessache behandelt, während bedeutendere Meßprivilegien vom Kaiser ausgehen mußten39®. Moratorien zu bewilligen, war im allgemeinen Sache der Landesherren, der Kaiser sollte es nur nach eingeholten Berichten der Landesobrigkeiten thun 40 . Bei Begnadigungen, Volljährigkeitserklärungen, Legitimationen unehelicher Kinder konkurrierten die Landesherren mit dem Kaiser41, zuweilen war dies auch bei der Verleihung des niederen Adels der Fall 42 . Auf die Erteilung von Monopolen und demgemäß auch auf die von Patenten mußte der Kaiser, wenigstens in späterer Zeit, durch die Wahlkapitulation verzichten 43 ; landesherrliche Patente wurden seit Ende des 18. Jahrhunderts häufiger 44 . Der Schutz des schriftstellerischen Urheberrechtes durch Bücherprivilegien wurde in Deutschland seit dem Anfange des 16. Jahrhunderts, und zwar ebensowohl durch die Kaiser wie die Landesherren, geübt 45 , doch hatten die kaiserlichen Privilegien schließlich nur noch Bedeutung für den Bücherhandel auf den kaiserlichen Messen, namentlich in Frankfurt, während der regelmäßige Schutz nur noch durch landesherrliche Privilegien erworben werden konnte 48 . Im allgemeinen sprach sich die Theorie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dahin aus: „Alles dasjenige, dessen rechtliche Wirkung sich nur innerhalb der Grenzen eines Landes äußert, ist in eines jeden 88

Vgl. RA. von 1576, §§ 118—120 (N. Samml. III. 372).

Tit. 15, A b s c h n . 3.

Preuß. ALR. IL.

PÜTTER. a. a. O. I I I . 2 6 4 .

39 Vgl. PÜTTEE, II. 164. III. 263. Die kaiserlichen Notarien mußten sich in manchen Ländern einer besonderen Landesprüfung unterziehen.

3». v g l . 41

40

PÜTTER, I I I . 2 6 6 .

V g l . PÜTTER, III. 271.

Vgl. JRA. §

EICHHORN, IV. 2 9 1 f.

175.

P Ü T T E R , I I I . 2 6 9 ff.

Das kaiserliche Begnadigungs-

recht beschränkte sich auf die von den Reichsgerichten verhängten Strafen. 42 Vgl. S. 745, 751. Das Preuß. ALR. II. Tit. 9, § § 2, 9, 10, 13, 14, Anh. § 113. verbietet den Unterthanen, sich im Inlande einer ihnen von „fremden Staaten" verliehenen Standeserhöhung ohne landesherrliche Erlaubnis zu bedienen. An eine Ausschließung der kaiserlichen Standeserhöhung kann dabei aber nicht gedacht sein. 43 Vgl. beständige Wahlkapitulation Art. 7 (N. Samml. IV. 237). 44 Vgl. KLOSTEEMANN, Geistiges Eigentum II. (1869), S. 195. 4ä

V g l . KLOSTERMANN, a. a. O. I. 42.

WIGAND, W e t z l a r s c h e B e i t r ä g e I. 227 ff.

46

Vgl. N . Samml. IV. Zugabe S. 114 ff. PÜTTEE, a. a. O. III. 272 f. Einen gesetzlichen Autorschutz für alle Landesangehörigen kennt bereits ALR. II. Tit. 20,_ § § 1 2 9 4 ff. R. SCHHÖDEB, Deutliche Rech tagf schichte.

50

786

Die Neuzeit.

Reichsstandes Landeshoheit begriffen. Alles, was seit der Zeit, als die Landeshoheit zu ihrer Vollkommenheit gediehen, erst neu in Gang gekommen ist oder künftig noch erdacht werden mag, gehört ohnehin für die Landeshoheit. Und alle Rechte der Landeshoheit sind ausschließlich zu verstehen, daß sie nur ein jeder Reichsstand in seinem Lande auszuüben hat, ohne daß der Kaiser darin vorgreifen darf" 47 . Die auf die Emanzipation vom Reiche gerichtete Politik der Reichsstände verfolgte zugleich im Inneren die Befreiung der landesfürstlichen Obrigkeit von den Landständen 48. Allerdings war die Stellung der letzteren nicht überall die gleiche. Während es in den kleinsten Territorien und Herrschaften überhaupt an den Elementen, aus denen sich eine landständische Verfassung hätte entwickeln können, fehlte, war in den geistlichen Territorien durch die Wahlkapitulationen, welche den Kandidaten seitens der Kapitel vorgelegt zu werden pflegten, die Macht der Stände außerordentlich gewachsen, so daß an eine erfolgreiche Bekämpfung derselben nicht gedacht werden konnte. Wenn hier die Prälaten den wichtigsten Bestandteil der Landstände bildeten, so traten dieselben in den protestantischen Ländern stark in den Hintergrund oder fehlten gänzlich. Andererseits fehlte in den südwestdeutschen Territorien der landsässige Adel, da der niedere Adel hier größtenteils seine Reichsunmittelbarkeit bewahrt hatte. Der Kampf der Landesherren gegen die Landstände ging nicht aus den Bestrebungen fürstlicher Willkürherrschaft hervor, er entbrannte vielmehr in den zusammengesetzten Territorien, für die es geradezu ein Lebensbedürfnis war, daß die Stände der einzelnen Landesteile verschwanden, um im Interesse der Staatseinheit entweder einem gemeinsamen Landtage oder dem absoluten Regimente des Landesherrn Platz zu machen. Ein Widerstand der Bevölkerung war dabei nicht zu besorgen, da die Stände nur ihre eigenen Interessen, aber nicht die des gesamten Volkes, am wenigsten die der Bauern, vertraten 49 . Eine gewisse Stütze fanden die* gegen die Stände gerichteten Bestrebungen schon in der Reichsgesetzgebung, indem die den einzelnen Reichsständen auferlegten Reichs- und 47

Vgl. PÜTTER, a. a. 0. III. 274. Beständige Wahlkapitulation Art. t (N. Samml. IV. 234). Preuß. ALR. II. Tit. 13, §§ 1—15. 48 Vgl. S . 585 ff. und die dort angeführte Litteratur. W I L D A in W E I S K E ' S Rechtslexikon VI. 791 ff. STRUV, Diskurs vom Ursprung der Landstände, 1741. HÄBERLIN, Grundlinien und Geschichte der teutschen Landstände (in SCHLÖZER'S Staatsanzeigen LXVII.). S T R U B E N , Nebenstunden II. (1769) Abh. 10. W I N T E R , Die märkischen Stände zur Zeit ihrer höchsten Blüte 1540—50, Zeitschr. f. preuß. Gesch. XIX. XX. v. W E E C H , Die badischen Landtagsabschiede, 1877. GOTHEIN, Die Landstände der Kurpfalz, Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrh. NF. III. 1 ff. *' Auch die Städte kamen schlecht weg, da die Ritterschaft unter Berufung auf die Ritterdienste regelmäßig Steuerfreiheit für sich beanspruchte und sich nur dazu herbeiließ, ihre Hintersassen (Bauern und Mediatstädte) zur Landessteuer heranzuziehen. Vielfach kam es zwischen den Städten und der Ritterschaft zu Prozessen wegen ungleicher Besteuerung. Vgl. EICHHORN, I V . 3 6 0 , Note m.

§ 79.

Die Territorien.

787

Kreislasten unbedingt beschafft werden mußten und von den Landständen nicht verweigert werden konnten 80 . Die Reichsgesetze bestimmten dabei ausdrücklich, daß selbst vertragsmäßige Steuerbefreiungen einzelner Unterthanen und ganzer Korporationen (Kapitel, Klöster) dem gegenüber unwirksam sein sollten. Säumnis in der Entrichtung der Steuer sollte mit poena dupli bestraft werden und den Landesherren deswegen gestattet sein, gegen die ungehorsamen Unterthanen bei einem der höchsten Reichsgerichte zu klagen. Nur wurde verlangt, daß die Steuern gleichmäßig umgelegt und auch die Kammergüter der Landesherren mit herangezogen, die Armen aber möglichst verschont würden 61 . Durch Reichsschluß von 1670 wurde noch besonders festgesetzt, daß die Reichsstände auch berechtigt seien, von ihren Unterthanen „zu Reichs-, Deputations- und Kreiskonventen die nötigen Legationskosten zu erheben" 53 . Von besonderer Bedeutung wurden die Bestimmungen der Reichsexekutionsordnung von 1555 über die Kreishilfe „zu Vollziehung des hievor gesetzten Friedstands, Exekution und Handhabung des Landfriedens, zu Erhaltung gemeiner Sicherheit und Ruhe", wonach sich jeder Kreisstand in ständiger Bereitschaft halten und für genügende Befestigungen zum Schutze gegen unvermutete Überfälle sorgen sollte, auch „daß derwegen eine jede Obrigkeit Macht haben soll, ihre Unterthanen, geistlich und weltlich, sie seien exempt, gefreiet oder nicht gefreiet", bis zum Betrage ihres reiclismatrikularmäßigen Anschlages „mit Steuer zu belegen" 63 . In weiterer Ausführung dieser Bestimmung setzte der JRA. von 1654 § 180 fest, daß die Unterthanen „zu Besetz- und Erhaltung der einem oder andern Reichsstand zugehörigen nötigen Yestungen, Plätzen und Guarnisonen ihren Landsfürsten, Herrschaften und Obern mit hilflichem Beitrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig seien" M . Ein Reichsgutachten von 1670 wollte diese Bestimmung dahin ausgelegt haben, daß die Unterthanen „nicht allein zur Lands-Defensions-Verfassung, sondern auch zu Handhab- und Erfüllung der gedachtem Instrumento Pacis nicht zuwiderlaufenden Bündnüssen, wie auch nicht nur zu Erhalt- und Besetzungen der nötigen, sondern indefinite der Vestungen, Orte und Plätze, auch zu Verpflegung der Völker und andern hierzu gehörigen Notwendigkeiten ihren Landsfürsten, Herrschaften und Oberen die jedesmals erforderte Mittel und folgentlich alles, was an sie und so oft es begehrt wird, gehorsam- und unweigerlich darzugeben schuldig sein und daß einige Klage der Unterthanen weder bei dem kaiserlichen Reichshofrat noch Cammer-

50 Vgl. die Reichsabschiede von 1507 § 8 (N. Samml. II. 112), 1510 § 6 (133). 1530 § 118 (324), 1542 § 53 (454), 1543 § 24 f. (487), 1544 § 10 f. (498), 1548 § 102 (545), 1566 §§ 42—45 (III. 220), 1576 §§ 11—15 (355 f.), 1582 §§ 1 0 - 1 4 (401), 1594 §§ 11—15 (429), 1598 §§ 1 1 - 1 5 (454), 1613 §§ 7—9 (524), 1654 § 14 (645), Reichsschluß von 1719, Art. 4 (IV. 346). 51 82 Vgl. E I C H H O B N , IV. 306 f. N . Samml. IV. 80. 53 RA. von 1555, §§ 54, 82 (N. Samml. III. 24, 30). 64 N. Samml. III. 674. 50*

788

Die Neuzeit.

gericht hierwider nicht angenommen (werden), auch denen Landständen, Landsassen und Unterthanen einige privilegia und exemptiones nicht zu statten kommen sollen". Dieser Versuch, eine reichsgesetzliche Aufhebung des gesamten Steuerbewilligungsrechtes der Landstände herbeizuführen, hatte zwar nicht den erwünschten Erfolg, da der Kaiser dem ßeichsgutachten die Genehmigung versagte, es wurde aber doch erreicht, daß diejenigen Eeichsstände, „so ein mehrers, als in vorangezogenem Paragraph begriffen, gegen Ihre Unterthanen und Landsassen rechtmäßig hergebracht", darin reichsgesetzlich bestätigt und die Unterthanen demgemäß „dem Herkommen und erheischender Notdurft nach" „zu contribuiren" angewiesen wurden 65 . Ein derartiges Herkommen war in einer Zeit, wo wiederholt bewilligte außerordentliche Steuern schon als herkömmlich behandelt zu werden pflegten, unschwer zu erreichen. In Baiern bestand es zu militärischen Zwecken schon vor dem 30 jährigen Kriege6B, und in Brandenburg wurde es in derselben Richtung durch den großen Kurfürsten zur Geltung gebracht 66 ". Nur in Sachsen, Braunschweig, Hessen, Würtemberg und Mecklenburg erhielten sich die Landstände in alter Weise (in Mecklenburg gemeinsam für Schwerin und Strelitz), während ihr Einfluß in den übrigen Territorien mehr und mehr abgeschwächt wurde, indem die landesherrliche Gewalt ihnen nur noch die als hergebracht erwiesenen Rechte zugestand. In Österreich, Preußen und Baiern wurden die Landstände zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgedrückt 68 b, während die absolute Monarchie mit unbeschränktem Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht des Landesherrn durchgeführt wurde. Der Hauptgrund für diesen Rückgang der landständischen Verfassung lag in der durch den westfälischen Frieden zugestandenen internationalen Stellung der deutschen Reichsstände. Besaßen diese das Bündnisrecht, so war es selbstverständlich, daß ihnen auch das Gesandtschaftsrecht und das Recht über Krieg und Frieden zukam. Hatte das Reich ihnen diese Rechte gewährt, so wollten sie sich dieselben durch ihre eigenen Stände* nicht verkümmern lassen. Die Erträge der Kammergüter und der mit kriegführenden Staaten abgeschlossenen Subsidienverträge genügten nicht für die Bedürfnisse der vielfach nach Versailler Muster eingerichteten Hofhaltungen, die Gesandtschaftskosten und den Sold für die Truppen. Landessteuern waren unentbehrlich, und es erschien nicht gerechtfertigt, wenn diese vorwiegend von solchen bewilligt werden mußten, die für ihre

55 Vgl. kaiserliche Resolution vom 12. Februar 1671 (N. Samml. IV. 84). auch GEHSTLACHEB, VII. 989, 993. 56

56a

Vgl.

ERDMANNSDÖRFFER, a . a . 0 .

Siehe

57.

In Brandenburg war der Landtagsrezeß von 1653 entscheidend, der gegen die Konzession einer Verstärkung der gutsobrigkeitlichen Rechte des Adels die vom Kurfürsten geforderten Steuern auf 6 Jahre bewilligte. 56b Gleichwohl vermochten im Jahre 1813 die ostpreußischen Stände von sich aus die Reorganisation des Heeres und die Wiedergeburt des Vaterlandes vorzubereiten.

§ 79.

Die Territorien.

789

Person nichts bezahlten und jede Steuerbewilligung nur benutzten, um neue Freiheiten für sich herauszuschlagen. Das Heerwesen beruhte fast ausschließlich auf dem Söldnersystem 67 . Man unterschied die Reisigen (zu Roß) und die Knechte oder Landsknechte. Bei der Reiterei sollte sich unter je zehn, mindestens aber unter zwanzig Pferden ein rittermäßig ausgerüsteter „Kürisser" befinden. Als Regel wurde betrachtet, daß immer einzelne adeliche „Junker" mit einer größeren oder geringeren Zahl von ihnen geworbener Reisigen, für die sie den Sold mitempfingen, in den Dienst traten; unter keinem Junker stehende „herrenlose Einspännige" sollten nur ausnahmsweise angeworben werden. Durch diese Anknüpfung an das Rittertum wurde der Reiterei ein mehr aristokratischer und lokaler Charakter gewahrt, während sich beim Fußvolk die Landsknechte aus aller Herren Ländern und aus allen Ständen zusammenfanden; doch hielt man darauf, daß jedes Fähnlein von 300 bis 400 Mann mehrere berittene Führer der Schützenzüge, vom Adel oder erfahrene Kriegsmänner, hatte. Die Anwerbung wurde regelmäßig einem „Obristen" übertragen, dem die Hauptleute der 8 bis 10 Fähnlein seines Regimentes, bei der Reiterei die Rittmeister, als Unterwerber dienten 57 ". Oberst, Hauptleute und Rittmeister waren nicht bloß Offiziere, sondern zugleich Unternehmer, die geworbenen Truppen standen zunächst nur zu ihnen im Vertragsverhältnis und empfingen von ihnen den Sold 68 . Die Errichtung des Regimentes geschah mit der „Musterung" vor den Musterungskommissaren des Kriegsherrn. Die Einzelnen wurden in die Musterrolle eingetragen. Mit der Verlesung des Artikelsbriefes (S. 772) und der Vereidigung der Truppen auf denselben wurde die Musterung geschlossen. Die Offiziere wurden vom Oberst oder den Hauptleuten ernannt, die Unteroffiziere zum Teil von den „Knechten" gewählt. Seine kriegerische Ausrüstung und seinen Unterhalt hatte jeder Mann selbst zu bestreiten, nur bei der Artillerie stellte der Kriegsherr das gesamte Artilleriematerial („Zeug"), zu dessen Aufbewahrung im Frieden die Zeughäuser dienten. Außer dem Solde, der durch die Hände der Obersten und Hauptleute ging, erhielten die Truppen Handgeld und für die Zeit, wo man ihrer Dienste nicht bedurfte, Wartegeld. Außerdem stand ihnen ein bestimmtes Beuterecht und bei Erstürmung von Festungen ein Sturmsold zu. Das Gerichtswesen war korporativ geordnet, jedes Regiment hatte einen Schultheißen, dem 12 Gerichtsleute als Urteiler zur Seite standen. Bei „Malefizsachen" wurden die Offiziere, Fähnriche und Feldwaibel neben

57

Vgl. S. 770 f. MOSER, Landeshoheit in Militärsachen. Die Reiterregimenter bestanden aus vier Schwadronen zu je 250 bis 300 Pferden, jede unter einem Rittmeister, je 50 Pferde bildeten eine Rotte unter einem Rottmeister. 59 Auch Generälen konnte die Anwerbung einer ganzen Armee in Entreprise gegeben werden. Der General oder Oberst, welcher ein solches Geschäft übernahm, war seinem Kriegsherrn nur durch seinen Vertrag (Kapitulation) und nur, soweit dieser reichte, zu Diensten verpflichtet. 87,1

Die Neuzeit.

790

den Gerichtsleuten zugezogen, öffentlicher Ankläger war der Profoß. Bei dem sogenannten Spießrecht hatte das versammelte Regiment als Gerichtsgemeinde das Urteil zu fällen und es demnächst auch durch Vorhalten der Spieße beim Gassenlaufen zu vollstrecken. Durch die Einführung der stehenden Heere in Österreich, Brandenburg und einigen anderen Territorien wurde seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der privatrechtliche Charakter des Heerwesens beseitigt und das letztere auf staatsrechtlicher Grundlage neu aufgebaut Die Werbungen wurden jetzt von den Regierungen unmittelbar in die Hand genommen, die Obersten, Hauptleute und Rittmeister hörten auf Spekulanten zu sein und wurden zu Beamten. Das herren- und vaterlandslose Söldnertum der Truppen hörte auf, da dieselben auch im Frieden unter militärischer Zucht zusammengehalten wurden und eine militärische Tradition erhielten. An die Stelle der Artikelbriefe, die rechtlich doch nur Vertragsurkunden gewesen waren, traten die vom Staate erlassenen Kriegsartikel. Kleidung, Bewaffnung und Verpflegung der Truppen wurde Sache des Staates, die Besoldung nach festen Grundsätzen geregelt. Erst jetzt kam die Bezeichnung „Soldaten" auf. Eine Hauptsache war die Fürsorge für eine regelmäßige Ergänzung des Heeres. Das alte Recht der Landfolge oder „Reis' und Folge" war in gesetzlicher Anerkennung geblieben58", aber nur selten und mit geringem Erfolge hatte man davon Gebrauch gemacht. Nur in den österreichischen Grenzprovinzen gegen die Türkei gab es organisierte Landesaufgebote. In Preußen versuchten Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., geregelte Landesmilizen ins Leben zu rufen; auch Friedrich der Große hat in der Not des siebenjährigen Krieges seine Zuflucht zu denselben genommen59. Militärisch spielten die Landmilizen immer eine untergeordnete Rolle, aber der ihnen zu Grunde liegende Gedanke der Wehrpflicht als einer allgemeinen Unterthanenpflicht wurde von entscheidender Bedeutung. In Preußen sprach, nach manchen Wandelungen, das Kantonreglement von 1733 zum erstenmal wieder das Prinzip aus, daß jeder TJnterthan der Wehrpflicht unterliege. Jedem Regimente wurde ein besonderer Aushebungsbezirk (Kanton) überwiesen und für die Wehrpflichtigen jedes Kantons (Kantonisten) wurden Stammrollen angelegt, wie sie seit den Tagen Karls des Großen (S. 151) nicht mehr vorgekommen waren60. Zwar blieb nöch während des ganzen 18. Jahrhunderts neben der inländischen Konskription die ausländische Werbung bestehen, auch enthielten 58a

Vgl. RA. von 1555, § 54 (N. Samml. III. 24). Vgl. SCHWARTZ, Organisation und Verpflegung der preußischen Landmilizen im siebenjähr. Kriege (SCHMOLLER's Staats- und sozialwiss. Forschungen VII. 4) 1888. 00 Vgl. EICHHORN, IV. 550 f. RIBBENTROP, Verfassung des preußischen Kantonwesens, 1798. M. LEHMANN, Preußen und die allgemeine Wehrpflicht i. J. 1809, Hist. Zeitschr. LXI. 97 ff. SCHMOLLER, Entstehung des preuß. Heeres, Deutsche Rundschau XII. 248 ff. G . MEYER, Lehrb. d. Verwaltungsrechts § 193. v. CBOVSAZ, Organisation des brandenb. preuß. Heeres seit 1640, 2. Aufl. 1873. 59

§ 79. Die Territorien.

791

die Kantonsreglements so zahlreiche Ausnahmen, daß thatsächlich sich die Kantonspflicht auf die untersten Klassen der Bevölkerung beschränkte, während die übrigen befreit waren, aber die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht war doch damit angebahnt 61 , und wenigstens dem Adel wurde es ungeachtet seiner Befreiung vom Enrollement schon von Friedrich Wilhelm I. zur unbedingten Pflicht gemacht, sich dem Dienste im Offizierkorps nicht ohne zwingende Gründe zu entziehen 62 . Die auf allen Gebieten des staatlichen Lebens eingetretenen Veränderungen forderten eine völlige Umgestaltung der Behördenorganisation in den Territorien. Vor allem galt dies von der Gerichtsverfassung 63 . Die Rezeption des römischen Rechts und die Umwandlung der Volksgerichte in gelehrte Gerichte bedingten sich gegenseitig; die erstere trat ins Leben durch die Errichtung des Reichskammergerichts mit seinen gelehrten Beisitzern und machte dann ihrerseits die entsprechenden Gerichtsreformen in den Territorien notwendig. Die Thätigkeit der Urteiler verlor ihre rechterzeugende Kraft und wurde zu einer bloßen Anwendung gegebener Normen, zur juristischen Kunst 64 . Dabei war die Entwickelung bei den Obergerichten eine andere als bei den Untergerichten. Die ersteren blieben Kollegialgerichte, indem Rechtsgelehrte in das Urteilerkollegium aufgenommen wurden; der Richter behielt den Vorsitz, blieb aber nicht auf die Prozeßleitung beschränkt, sondern nahm auch an der Urteilsfindung teil. In den Untergerichten starben die Urteilerkollegien allmählich ab, um einem rechtsgelehrten Einzelrichter zu weichen. 61 Das alle bisherigen Instruktionen zusammenfassende Kantonsgesetz Friedrich Wilhelms II. von 1792 bestimmte bereits: „Die Verbindlichkeit, den Staat zu verteidigen, liegt jedem schutzgenießenden Unterthan auf, wenn ihm nicht besondere Ausnahmen zur Erhaltung und Beförderung der Wohlfahrt desselben zu statten kommen." Die zahlreichen Befreiungen beruhten auf dem Grundgedanken, daß nur solche Personen, die dem Staate oder dem gemeinen Wohle durch ihre sonstige Stellung nichts zu nützen vermöchten, der Kantonspflicht unterliegen sollten. Die letztere wurde bedingt durch die Geburt in einer kantonspflichtigen Familie und konnte durch einseitige Änderuug des persönlichen Berufes nicht beseitigt werden. Vgl. ALE. II. Tit. 10, § 51. Die jährlichen Kantonsrevisionen erstreckten sich auf die Kantonspflichtigen vom 16. bis zum vollendeten 45. Jahre. Die für tauglich Befundenen waren persönlich dienstpflichtig und konnten sich nicht vertreten lassen. Die Dienstzeit dauerte 20, bei Artillerie und Train 12 Jahre, Kriegsjahre doppelt gerechnet. Gewisse Landesteile waren teils wegen vermeintlich mangelnder militärischer Eigenschaften, teils aus Gründen ihrer Verkehrsverhältnisse befreit. Unabhängig von der Kantonspflicht bestand die Landmiliz. Vgl. ALR. II. Tit. 10, § 14. 62 Vgl. ALR. II. Tit. 9, § 1. 83 Vgl. STÖLZEL, Entwickelung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien, 2 Bde., 1872. STINTZING, Zur Geschichte des röm. Recht in Deutschland, Histor. Zeitschr. XXIX. 408 (f. BORNHAK , Der Einfluß der fremden Rechte auf die Umgestaltung der deutschen Gerichtsverfassung, Forsch, z. deutsch. Gesch. XXVI. 417 ff. WETZELL, System des Civilprozesses, 3. Aufl. 385 ff. A. S. SCHULTZE, Privatrecht und Prozeß I. 193-215. STOBBE, Rechtsquellen I. 642 ff. 11.63—110. GBÜPEN, Observationes (1763), 409 ff. DISTEL, Beiträge zur älteren Verfassungsgeschichte des Leipziger Schöffenstuhls, Zeitschr. f. RG. XX. 89 ff. XXIII. 63 ff. 64

V g l . STINTZING, a . a . 0 .

413.

792

Die Neuzeit.

Die Obergerichte (Hof- oder Kammergerichte) in den Territorien (S. 558) folgten durchaus dem Vorbilde des Reichskammergerichts. Die verschiedenen Hof- oder Kammergerichtsordnungen stimmten großenteils wörtlich mit der RKGO. überein. Den Vorsitz behielt nominell der Landesherr, dessen ständiger Vertreter ein adelicher Hofrichter oder der Hofmeister oder Kanzler war. Die Urteiler wurden teils von dem Landesherrn, teils den Ständen ernannt und mußten teils dem Adel, teils dem Gelehrtenstande angehören. In den zusammengesetzten Territorien wurden in der Regel für die einzelnen Provinzen besondere Obergerichte gebildet. Die Obergerichte waren die ordentlichen Gerichte erster Instanz für die Eximierten, die Appellationsinstanz für die niederen Stadt- und Landgerichte 66 . Wie dem Reichskammergericht aus dem Reichshofrat, so erwuchs den Hofgerichten aus dem Geheimen Rat (Hofrat, Kanzlei, Kammer, Regierung) in allen größeren Territorien ein nur von dem Landesherrn abhängiges Konkurrenzgericht, durch welches das ständische Gericht zum Teil ganz beiseite geschoben wurde. Anders in denjenigen Territorien, die ein Privilegium de non appellando besaßen 69 und infolgedessen, zur Wahrung der drei Instanzen, genötigt waren, ein eigenes Landes-Oberappellationsgericht einzusetzen67, das naturgemäß fast überall aus dem Geheimen Rate hervorging. In Österreich versah anfangs der Reichshofrat diese Funktion, bis derselbe auf die Reichssachen beschränkt und für die erbländischen Sachen ein eigener Hofrat eingerichtet wurde; Böhmen behielt seinen eigenen Hofrat. Dritte Instanz in Kurbrandenbürg war der Geheime Rat, seit 1658 eine besondere Abteilung desselben („Geheimer Rat zu den Verhören"), die sich bald zu einem selbständigen obersten Gerichtshofe, dem „Geheimen Justizrat", ausgestaltete; für die nicht zur Kurmark gehörigen reichsländischen Gebiete wurde 1703 ein eigenes Oberappellationsgericht („Tribunal") errichtet, dem in gewissen Beziehungen auch der oberste preußische Gerichtshof, das seit 1657 bestehende Tribunal in Königsberg, untergeordnet wurde. Der Geheime Justizrat und das Tribunal hatten ihren Sitz zu Berlin, wurden 1748 zu dem „Tribunal" als (selbständiger vierter Senat des Kammergerichts) vereinigt und 1774 durch

8 5 Zwei Instanzen waren für jedes Territorium reichsgesetzlich vorgeschrieben. Vgl. R. Dep. Absch. von 1600, § 15 (N. Samml. III. 476). 6 6 Die Kurfürstentümer beanspruchten ein solches schon auf Grund der Goldenen Bulle, nur Kurköln verzichtete wegen der Kosten eines eigenen Oberappellationsgerichtes. Außer den Kurfürstentümern besaßen das Privileg Osterreich, Baiern, Würtemberg und Schweden. Vgl. EICHHORN, IV. 376, Note k. Für ihre nicht zur Kurmark gehörigen Besitzungen erlangte die Krone Preußen ein unbedingtes Privileg erst 1746 und 1750, während die früheren Privilegien, auch das von 1702, nur bis zu bestimmten Beträgen der Appellationssumme gingen. Vgl. BORNHAK, a. a. O. I. 3 6 2 . II. 1 9 9 . 67 Vgl. JPO. X. § 12. Braunschweig-Lüneburg errichtete das Tribunal in Celle unmittelbar nach dem Erwerbe der Kurwürde, die das Privileg von selbst mit sich brachte. Vgl. EICHHORN, IV. 560.

§ 79.

Die Territorien.

793

Ausdehnung auf die allein noch fehlenden ostpreußischen Sachen zum Obertribunal für die ganze Monarchie erhoben. Die Berufungen an die alten Oberhöfe kamen seit dem 16. Jahrhundert in Abnahme. Teils schritten die Landesherren gegen dieselben ein 6 8 , teils erwiesen sie sich dem neuen Rechte nicht gewachsen und verloren das Vertrauen. Nur wenige, wie Lübeck, haben ihr Ansehen noch im 17. oder selbst bis zum 18. Jahrhundert behauptet; namentlich solche, bei denen die Schöffenstühle rechtzeitig mit Doktoren besetzt wurden, erhielten sich nicht nur, sondern wurden vielfach auch von anderen Seiten um Rechtsbelehrungen angegangen 69 . Dasselbe war bei einigen Hofgerichten, z. B . dem von Wittenberg, der Fall, namentlich aber sind die juristischen Fakultäten, besonders begünstigt durch die Halsgerichtsordnung Karls Y. (Art. 219), die Erben der alten Oberhöfe geworden. Das in den kleineren deutschen Staaten erst 1879 beseitigte Institut der Aktenversendung (auf Antrag einer Partei oder selbständigen Gerichtsbeschluß) hatte anfangs nur die Bedeutung eines Gesuches um Rechtsbelehrung; allmählich aber wurde es üblich, daß die um Belehrung angegangene Fakultät ihr Gutachten in der Form eines unmittelbaren Gerichtserkenntnisses erteilte, welches von dem nachsuchenden Gerichte als eigenes Urteil, wenn auch mit dem Zusatz „auf eingeholtes Erachten auswärtiger Rechtsgelehrten", unverändert publiziert wurde. Die Juristenfakultäten wurden auf diese Weise zu wahren Spruchkollegien, die den Rechtsinhalt des Urteils auktoritativ feststellten, während das Rechtsgebot dem nachsuchenden Gerichte verblieb 70 . Erheblich später als bei den Obergerichten hat sich die Umgestaltung bei den niederen Land- und Stadtgerichten vollzogen. Am frühesten verlor die Schöffenverfassung ihre Bedeutung für die Civilrechtspflege, während sie sich auf dem Gebiete des Strafrechts zum Teil noch bis in das 18., bei Rügegerichten selbst bis in unser Jahrhundert erhalten hat. Wo ein rechtsgelehrter Amtmann oder Stadtrichter den Vorsitz im Gericht hatte, war es natürlich, daß er sich nicht wie der altdeutsche Richter auf die bloße Leitung der Verhandlungen beschränkte, sondern bald der allein maßgebende Faktor bei der Urteilsfindung wurde. Die Schöffen erschienen neben ihm als überflüssiges Beiwerk, dessen man sich möglichst bald entledigte, so daß der Richter als selbsturteilender Einzelrichter übrig blieb und das Gericht nur noch aus Richter und Schreiber bestand. Länger erhielt sich die alte Verfassung, wo der Amtmann nicht landesherrlicher, sondern landständischer Beamter, also ein ohne Rücksicht auf vorhandene 8 8 Für Kursachsen wurde 1432 der Rechtszug nach Magdeburg aufgehoben und dafür der nach Leipzig eingeführt. 6 9 Ganz besonders war dies bei dem berühmten Leipziger Schöffenstuhl der Fall, dem schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts einzelne Mitglieder der Leipziger Juristenfakultäfc angehörten. Auch die Schöffenstühle von Halle, Brandenburg, Stettin und Koburg standen lange in Ansehen. 70

V g l . A . S . SCHULTZE, a . a . O .

211.

794

Die Neuzeit.

Rechtskenntnis gewählter Adelicher, war, oder wo sich der Amtmann auf Verwaltungsgeschäfte beschränkte, während ein ungelehrter Schulze oder Dingvogt den Vorsitz im Gericht führte. In solcher Lage half man sich mit Aktenversendungen oder mit einem rechtskundigen Gerichtsschreiber oder einem Amtsschreiber, der zugleich die fiskalischen Geschäfte (als Kastner) und die Gerichtsschreiberei besorgte, oder mit gelehrten Rechtskonsulenten, auf deren Rat das Gericht in Bedürfnisfällen verwiesen wurde. Hier kam es, namentlich in Civilsachen, mehr und mehr in Gebrauch, auf den Schiedsspruch eines Rechtskundigen, zumal des Amtmannes, zu kompromittieren, woraus sich in manchen Gegenden eine regelrechte Austraginstanz vor dem Amtmann entwickelte, die dann ebenfalls zum Einzelrichtertum hinüberführte. Unterstützt wurde diese Umwandlung der Gerichte überall durch die bureaukratische Richtung des landesherrlichen Regimentes. Auch die Gutsobrigkeiten mußten sich dem unterwerfen; wollten sie ihre Gerichtsbarkeit festhalten, so durften sie dieselbe nicht mehr durch ihre Meier oder Schulzen verwalten lassen, sondern rechtskundige Gerichtshalter oder Justitiarien anstellen. Die Gerichtsbarkeit schied damit aus dem Zusammenhange mit der allgemeinen Gutsobrigkeit aus und wurde zur Patrimonialjustiz, die sich mehr und mehr zu einem bloßen Patronatsrecht gestaltete: der Gerichtsherr hatte den Unterhalt des Gerichtes zu tragen und dafür die Gerichtseinnahmen zu beziehen, aber hinsichtlich des Justitiars hatte er ein bloßes Präsentationsrecht, die Anstellung erfolgte durch den Staat, der auch durch Anordnung richterlicher Prüfungen dafür sorgte, daß keine ungeeigneten Personen zu dem Amte gelangten. In der Regel entwickelte sich die Sache dahin, daß die staatlichen Stadt- oder Landrichter (Amtmänner, Justizamtmänner) auch zu Justitiarien der benachbarten Gutsbezirke ernannt wurden. Das Steuerbewilligungsrecht der Landstände hatte in sämtlichen Territorien zu einem Dualismus in der Finanzverwaltung geführt, indem die in erster Reihe zur Bestreitung der landesherrlichen und Landes-Bedürf-. nisse bestimmten Erträge der Kammergüter und nutzbaren Regalien zu freier Disposition des Landesherrn blieben, während die von den Ständen bewilligten Steuern in die landständische Kasse (Landkasten) flössen und in Einnahme und Ausgabe unter strenger ständischer Aufsicht, ursprünglich sogar mit gänzlicher Ausschließung des Landesherrn, gehalten wurden. In Brandenburg wurde, obwohl es hier ebenso wie in Österreich und Baiern gelungen war, das landständische Steuerbewilligungsrecht zu brechen71, die getrennte Verwaltung noch geraume Zeit beibehalten; selbst 71 Nach Ablauf der letzten von den Ständen bewilligten Kriegskontribution (1653) verlangte der große Kurfürst die dauernde Bewilligung einer regelmäßigen Jahreskontribution für das Heer. Nachdem er dies von 1662 an durchgesetzt hatte, war von einem Steuerbewilligungsrecht der Stände keine Rede mehr. Die Kontribution war eine ausschließlich auf dem bäuerlichen Besitz lastende Grundsteuer, während in den Städten die seit 1667 eingeführte Accise erhoben wurde. Die Bitterschaft war kontributionsfrei (aber nicht die Bauern derselben), mußte aber, da alle bürger-

§ 79.

Die Territorien.

795

nach der Vereinigung der verwaltenden Behörden blieben wenigstens die Kassen (Domänen- und Kriegskasse) getrennt. In materieller Beziehung wurde in Preußen der Dualismus des fiskalischen Vermögens durch ein Hausgesetz Friedrich Wilhelms I. von 1713 beseitigt, welches sämtliche Domänen für Staatseigentum erklärte und den bisherigen Unterschied zwischen Schatull- und gewöhnlichen Dömänengütern aufhob 72 . Für die persönlichen Bedürfnisse des Königs wurde diesem eine bestimmte Summe aus den Jahreserträgen der Domänen ausgesetzt (die sogenannte Handgelderreichung), aus welcher sich später der Kronfideikommisfonds entwickelt hat. Ein wesentliches Bedürfnis der Territorialverfassung war die Organisation einer staatlichen Zentralverwaltung. Der mittelalterliche Staat hatte nur lokale Verwaltungen und landesherrliche Hofverwaltung gekannt, allgemeine staatliche Aufgaben hatte es nicht gegeben. Dagegen traten jetzt die großen Ansprüche der Heeresverwaltung an den Staat heran, die Gerichte und das gesamte Beamtentum beruhten auf neuen Grundlagen, es bedurfte der regelmäßigen Aufstellung eines Staatshaushaltes, überhaupt einer geregelten Finanz fer waltung, da das dem Mittelalter eigentümliche Anweisungssystem außer Gebrauch gekommen war, dazu kamen die kirchlichen Verhältnisse, Polizei- und Verkehrswesen, die staatliche Fürsorge für das gemeine "Wohl u. dgl. m. Nach dem Vorgange der burgundisch-niederländischen Organisation sind die österreichischen Einrichtungen unter Maximilian I. und Ferdinand I. für ganz Deutschland vorbildlich geworden 73 . Als Zentralbehörden wurden der Hofrat (für Verwaltung und Rechtspflege) und die Hofkammer (für die Finanzen und Jurisdiktion in Finanzsachen), außerdem 1556 der Hofkriegsrat eingesetzt. Die Hofkanzlei erhielt eine neue Organisation. Für besonders vertrauliche Sachen wurde der Geheime Rat als ständige Kollegialbehörde eingerichtet. Als Mittelbehörden für die einzelnen Länder fungierten die Regierungen oder Regimente in Justiz- und allgemeinen Landesverwaltungssachen, die Raitkammern (auch Schatzkammern, Kammerkollegien) in Finanzsachen. Die fiskalische Verliehen Gewerbe in den Städten konzentriert wurden, indirekt durch ihre Einkäufe zu der Accise beitragen. Die Accise diente ebenso wie die Kontribution und die von der Ritterschaft erhobenen Ritterpferdsgelder, an deren Stelle im 18. Jahrhundert der Lehnskanon trat, ausschließlich den Heereszwecken, ihr Ertrag floß daher in die Kriegskasse. ,a Vgl. BOENHAK, a. a. O. II. 97. ALR. II. 14, §§ 11 ff. Über die sonstige Behandlung der Kammergüter vgl. REYSCHEB, Rechte des Staats an den Domänen, 1863. VOLLERT, Entstehung und rechtliche Natur des Kammervermögens, 1857. ZACHARIÄ, Eigentumsrecht am deutschen Kammergut, 1864; Das rechtliche Verhältnis der fürstlichen Kammergüter 1861. 78 Vgl. S. 753 if. und die dort angeführte Litteratur. Uber die Geheimeratskollegien in Baiern, Kurpfalz, Würtemberg und Sachsen vgl. ROSENTHAL, a. a. O. 37 ff. Siehe auch LÖBE, Die oberste Finanzkontrolle des Königreichs Sachsen, bei SCHANZ, Finanzarchiv II. 2 (1885).

796

Die Neuzeit.

tretung vor Gericht war Sache der Kammerprokuratoren. Die lokalen Behörden behielten noch ihre mittelalterliche Verfassung und wurden erst im 18. Jahrhundert reorganisiert. Die brandenburgisch-preußische Verwaltungsorganisation beruhte bis 1806 auf den Einrichtungen Friedrich Wilhelms I. Als Zentralbehörden errichtete derselbe drei Ministerien, deren Geschäftsordnung auf dem Prinzip rein kollegialischer Behandlung, mit Ausschluß aller ständigen Dezernenten, beruhte; alles mußte entweder in einem Kollegium von Bäten unter dem Vorsitz des Ressortministers, oder in einer gemeinschaftlichen Sitzung der Minister selbst erledigt werden. Die auswärtigen und Reichsangelegenheiten sowie Zensur und Presse wurden dem Kabinetsministerium überwiesen. Während dies nur einen einzigen Minister als Chef hatte, bestand das Generaldirektorium (für Inneres und Finanzen) aus fünf, später neun Ministern, die gewisse Angelegenheiten (Generaldepartement) gemeinschaftlich behandelten, im übrigen aber einzelnen, nach Sachen oder Provinzen verteilten Departements vorstanden. Schlesien hatte einen eigenen, von dem Generaldirektorium unabhängigen Provinzialminister. Das Generaldirektorium beruhte auf der Vereinigung des von dem großen Kurfürsten errichteten Generalkriegskommissariates mit dem Oberdomänendirektorium, der Hofkammer, Schatullverwaltung, dem Generalpostmeisteramt und mehreren anderen höchsten Behörden. Jedem Provinzialbezirke stand als Organ des Generaldirektoriums eine Kriegs- und Domänenkammer, hervorgegangen aus einer Verschmelzung der früheren Kriegskommissariate und Amtskammern, und als Verwaltungsgericht eine Kammerjustizdeputation vor. Innerhalb einiger Provinzen bestanden schon seit dem 16. Jahrhundert in Anlehnung an die alten Beritte (S. 584) und andere territoriale Gliederungen die Kreise, ursprünglich bloße Wahlbezirke für die Wahl der Landtagsausschüsse, allmählich aber zu eigenen ständischen Körpern mit Kreistagen entwickelt. An der Spitze derselben standen seit dem 17. Jahrhundert die vom Kurfürsten auf Vorschlag der^ Kreisstände ernannten Landkommissare oder Kreisdirektoren; da man dies Amt vielfach mit Vorliebe den für den Landtagsausschuß gewählten Kreisdeputierten oder „Landräten" übertrug, so wurde der Titel „Landrat" mehr und mehr zum Amtstitel des Kreisdirektors. Als organische Einrichtung für die Landesverwaltung wurde die Kreiseinteilung unter dem großen Kurfürsten in mehreren Provinzen durchgeführt, im Laufe des 18. Jahrhunderts aber auf den ganzen Staat ausgedehnt. Nach der Landesorganisation Friedrich Wilhelms I. waren die Landräte oder Kreisdirektoren mit den ihnen zugeordneten Kreiseinnehmern und Ausreitern die ausführenden Organe der Kriegs- und Domänenkammern innerhalb der einzelnen Kreise; zu ihrer Beratung dienten die Kreistage. Die Kreisverfassung bezog sich nur auf das Land; die Städte wurden zu eigenen Inspektionsdepartements vereinigt und den Kriegs- und Steuerräten als Aufsichtsorganen unterstellt. Die Ortspolizei auf dem Laude blieb in den Händen der königlichen Domänenamtmänner (jetzt regelmäßig zugleich

§ 80.

Die Städte.

797

Domänenpächter) und der Gutsherrschaften, als deren Organe die Ortsschulzen und Dorfgerichte fungierten. Das dritte Ministerium in der Organisation Friedrich Wilhelms I. bildete das Justizdepartement unter dem Großkanzler und mehreren Ministein, denen teils gewisse Provinzen, teils bestimmte sachliche Ressorts überwiesen waren. Die obersten Gerichtshöfe waren auf die Rechtspflege beschränkt, während die Appellationsgerichte (Provinziallandesjustizkollegien oder Regierungen) zugleich die Justizverwaltung in den Provinzen besorgten. Militärsachen wurden teils von dem direkt unter dem Könige stehenden Oberkriegskollegium, teils von dem Militärdepartement des Generaldirektoriums behandelt. Die Kultussachen waren den beiden geistlichen Departements des Justizdepartements überwiesen. Unter denselben stand auch aas Oberkonsistorium und das Oberschulkollegium, denen die Provinzialkonsistorien und Provinzialschulkollegien untergeordnet waren. Verwaltungsgerichte zweiter und dritter Instanz waren das Oberrevisionskollegium und die Oberrevionsdeputation; beide waren dem Generaldirektorium und Justizdepartement gemeinsam unterstellt. Direkt unter dem Könige standen noch die Generalkontrolle der Finanzen, die Oberrechnungskammer und das Generalfiskalat, das die Beobachtung der Gesetze seitens der Beamten zu beaufsichtigen hatte. Der 1604 zuerst als Kollegium organisierte, 1651 mit einer neuen Geschäftsordnung versehene Geheime Rat führte seit Friedrich Wilhelm I. den Titel Geheimer Staatsrat oder Geheimes Staatsministerium. Er bestand aus sämtlichen Ministern, hatte aber keinen bestimmten Geschäftskreis und war daher ziemlich bedeutungslos. § 80. Die S t ä d t e 1 . Die Reichsstädte oder, wie sie seit dem Wegfall der früheren Unterscheidung zwischen freien und Reichsstädten bezeichnet wurden, die freien Reichsstädte (liberi imperii civitates), standen den übrigen Reichsständen jetzt wesentlich gleich. Die Reichsvogtei hatten die meisten abgelöst oder als Reichspfandschaft erworben, gegen deren Wiedereinlösung seitens des Kaisers sie durch den westfälischen Frieden (S. 773) geschützt wurden, aber in Schweinfurt und Augsburg gab es noch Reichsvögte, die freilich von dem Stadtrate selbst gewählt wurden, in Aachen und Wetzlar, bis 1715 auch in Nordhausen, hatten sich benachbarte Fürsten im Besitze der Reichsvogtei erhalten, Köln und Worms standen in einer gewissen Abhängigkeit von dem Erzund Hochstift, Friedberg von dem dortigen Burggrafen, Goslar vom Herzog von Braunschweig, Bremen eine Zeit lang von Schweden. Der Streit zwischen Hamburg und Dänemark-Holstein wurde 1618 durch das Reichs1 Vgl. S. 588 und die dort angeführte Litteratur. PÜTTER, Histor. Entwickelung II. 207 FF. MOSER, Reichsstädtische Regimentsverfassung, 1772. BARTHOLD, Geschichte der deutschen Städte, IV. 311 ff. HÄUSSER, Deutsche Geschichte I 3 . 123 ff. BERQHAUS, Deutschland vor hundert Jahren I. 203 ff., 230, 284 ff., 353 ff., 442 ff. II. 187 ff. L. T. MAURER. Gesch. d. Städteverfassung IV. 1871.

798

Die Neuzeit.

kammergericht zu Gunsten der Stadt entschieden. Doch ungeachtet dieser teilweisen Abhängigkeit wurden sämtliche Reichstädte im westfälischen Frieden hinsichtlich der Reichsstandschaft, der Landeshoheit über ihr Stadt- und Landgebiet und des Religionsbannes den übrigen Reichsständen vollständig gleichgestellt3. In sämtlichen Reichsstädten hatte der Rat, zum Teil auch die Bürgerschaft, dem Kaiser den Huldigungseid zu leisten. Alle Reichsstädte hatten die Pflicht, auf Verlangen den Kaiser und den Reichstag bei sich aufzunehmen. Yon einem Ledig werden der Regalien zu Gunsten des Kaisers für die Dauer des Reichstages war keine Rede mehr. Hier und da übte der Kaiser noch gewisse Regierungsrechte aus, z. B. in betreif der Frankfurter Messe (S. 756). Einige Städte verfügten über ein eigenes Territorium (wie Nürnberg, Rotenburg, Ulm, Rottweil, Frankfurt, Aachen, Dortmund, Lübeck, Hamburg, Bremen, Mühlhausen), während andere (wie Regensburg, Augsburg, Köln, Goslar, Nordhausen) im wesentlichen auf die Stadtmark beschränkt waren. Die Verfassung beruhte überall in alter Weise auf den Bürgermeistern und dem Stadtrat, war aber im einzelnen ungemein verschieden gestaltet. Dem streng patrizischen Regimente in Nürnberg, dem die Verfassung von Augsburg, Rotenburg a. d. Tauber, Heilbronn, Lindau, Frankfurt, Bremen, Nordhausen, Mühlhausen zunächst kam, standen andere mit wesentlich demokratischer Grundlage und einzelne demokratische Oligarchien gegenüber. Auf einer gesunden Vermittelung der Gegensätze beruhte namentlich die Verfassung von Hamburg. In gerichtlicher Beziehung bildete der Stadtrat meistens das Appellationsgericht für das Stadtgericht. Nur das mächtige Nürnberg besaß ein eigenes Appellationsgericht und wie Köln eine eigene Universität (Altdorf). Unter den Bürgermeistern und Stadträten fanden sich jetzt regelmäßig mehrere rechtskundige Mitglieder. Die kleinsten Reichsstädte sorgten wenigstens für einen rechtskundigen Stadtschreiber, der zugleich das Amt des Syndikus oder Beigeordneten versah. Die meisten Reichsstädte waren seit dem 30jährigen Kriege teils' durch Überschuldung, teils durch innere Streitigkeiten und solche mit benachbarten Reichsständen sowie kostspielige kaiserliche Kommissionen zur Begleichung derselben in die tiefste Zerrüttung geraten und wurden von vielen Landstädten, namentlich den fürstlichen Residenzen, an materiellem Vermögen weit übertroffen. Die durch den RDHSchl. von 1803 ausgesprochene Mediatisierung sämtlicher Reichsstädte bis auf sechs, von denen Augsburg infolge des Preßburger Friedens von 1805 ebenfalls seine Selbständigkeit verlor, brachte nur eine zweihundertjährige Entwickelung zu dem unausbleiblichen Abschluß. Übrig blieben nur Lübeck, Hamburg, Bremen, Frankfurt und Nürnberg. Noch weniger als die Reichsstädte vermochten die Landstädte der aufstrebenden Staatsgewalt der Landesherren zu widerstehen3. Der Hanse2 3

Vgl. S. 759, 781. JPG. V. § 29. VIII. § 4. Vgl. GIKRKE, Genossenschaftsreclit I. 697 ff. STRUUEN, Nebenstunden I. Band,

§ 80.

Die Städte.

799

bund stand noch im 16. Jahrhundert in Ansehen, er wurde gelegentlich noch zu Beisteuern für das Reich angegangen 4 und traf in den Rezessen von 1591 und 1614 umfassende seerechtliche Bestimmungen, die sich zum Teil bis zum deutschen Handelsgesetzbuche erhalten haben 6 , aber eine Stadt nach der andern wurde durch ihren Landesherrn zum Austritt genötigt, und der Hansetag von 1630 sah nur noch die drei Städte Lübeck, Hamburg und Bremen, die als freie Reichs- und Hansestädte den Bund allein aufrechterhielten 8. Nur wenige Landstädte, wie Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald, vermochten sich der Landesgewalt gegenüber eine größere Selbständigkeit zu erhalten. Alle übrigen kamen nach und nach zu Fall und wurden sogar in ihren berechtigten Ansprüchen auf Selbstverwaltung durch ein bureaukratisches Bevormundungssystem immer mehr verkümmert. In geringerem Maße war dies in denjenigen Territorien der Fall, in denen die Landstände ihre alte Bedeutung behaupteten, weil die Städte durch die Landstandschaft einigermaßen für sich zu sorgen vermochten. Aber wo die Landstände zu bloßen Provinzial- und Kreisständen mit beschränkter Selbstverwaltung herabgedrückt wurden, wie in Österreich, Preußen und Baiern, sanken die Städte zu bloßen staatlichen Verwaltungsbezirken herab 7 . Die städtische Autonomie verschwand ganz oder wurde auf geringe Polizeisachen beschränkt. Das Befestigungsrecht verlor seine Bedeutung für die Städte, weil ihre Mittel nicht gestatteten, die neueren Befestigungsarten anzuwenden. Einige Städte wurden zu Landesfestungen, die meisten ließen ihre Werke verfallen oder erhielten sie nur zu steuerpolizeilichen Zwecken. Die Stadträte oder Magistrate wurden zwar meistens noch von der Bürgerschaft oder einer Vertretung derselben gewählt oder durch Selbstergänzung berufen, bedurften aber obrigkeitlicher Bestätigung. Ihre Geschäftsführung war namentlich in Preußen durch die staatlichen Aufsichtsorgane so beschränkt, daß sie den Charakter von Gemeindeorganen ganz verloren und als indirekte Staatsbeamte erschienen. Eine Eigentümlichkeit der Stadtgemeinden blieb nur, abgesehen von ihren etwaigen ständischen Befugnissen, die besondere Art der Besteuerung (Accise), das Zunftwesen und die Beschränkung der meisten bürgerlichen Gewerbe auf den Betrieb in den Städten. Der Unterschied zwischen Land- und Mediatstädten wurde durch das Herabsinken der städtischen Freiheit in den ersteren erheblich ausgeglichen 8 . Abh. 5. SCHULZE, Preußisches Staatsrecht P . 459 ff. E.MEIER, Die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg 70 ff. 4 Vgl. RA. von 1544, § 33 und 1576 § 22, 1582 § 21, 1594 § 8 (N. Samml. II. 501, III. 357, 402, 421). S PARDESSUS, Collection de lois maritimes II. 507 ff., 528 ff. 6

7

V g l . EICHHORN, I V . 2 7 7

ff.

PÜTTER, a. a. 0 .

II. 1 9 5 f.

Die erste preußische Städteordnung (ALR. II. Tit. 8, Abschn. 2) kam gegenüber den zahllosen, überaus verschiedenen Stadtrechten wegen ihrer bloß subsidiären Bedeutung nur wenig zur Geltung. 8 Vgl. ALR. II. 8, §§ 166 ff.

800

Die Neuzeit.

Schließlich beschränkte er sich darauf, daß die ersteren Städte landesherrlichen, die anderen gutsherrlichen Patronates waren. § 81. Die. R e i c h s r i t t e r s c h a f t und die R e i c h s d ö r f e r 1 . In Süd- und Westdeutschland hatte sich der niedere Adel nebst den nicht zur Reichsstandschaft gelangten freien Herren im Laufe des 15. Jahrhunderts zu verschiedenen Ritterbünden vereinigt, die unter dem Schutze des 1487 errichteten großen schwäbischen Bundes 2 derartig erstarkten, daß ihre Mitglieder den auf Erweiterung ihrer Landeshoheit bedachten Fürsten und Herren erfolgreich widerstanden und für sich und ihre Besitzungen die volle Reichsfreiheit bewahrten. Seit 1500 unterschied man die drei „Ritterschaften" zu Schwaben, Franken und am Rhein. Dieselben traten 1577 zu einem Gesamtbunde, der Reichsritterschaft (libera et immediata imperii nobilitas), zusammen, der sich mit seiner 1650 reorganisierten Verfassung bis 1806 erhalten hat. Die mehrfach erstrebte und vom Kaiser befürwortete Reichsstandschaft ist der Reichsritterschaft nicht zu teil geworden, ebenso blieb sie von der Kreis Verfassung ausgeschlossen. Dagegen wurde die unmittelbare Stellung der Reichsritterschaft von Reichs wegen dadurch anerkannt, daß ihr die Reichsgesetze besonders mitgeteilt, bei Reichssteuerbewilligungen aber regelmäßig direkte Verhandlungen mit ihr angeknüpft wurden, um sie ebenfalls zu einer Beisteuer (subsidium caritativum) zu veranlassen 3 . Zur Heeresfolge war die Reichsritterschaft an sich dem Reiche nicht verpflichtet, doch wurde in dringenden Fällen auch hierüber besonders mit ihr verhandelt 4 ; im übrigen richtete sich alles nach den Lehnsverhältnissen der einzelnen Mitglieder. In den späteren Wahlkapitulationen mußten die Kaiser die Aufrechterhaltung der reichsritterschaftlichen Rechte ausdrücklich versprechen. Die Reichsritterschaft zerfiel in die drei Ritterkreise Schwaben, Franken 1

Vgl. PFEFFINGEN

V i t r i a r i u s i l l u s t r a t u s I I I : 1 1 3 4 If.

IV. 229—270,

302—S35._

ROTH VON SCHRECKENSTEIN, Geschichte der Rcichsritterschaft, 2 Bände, 1859—71. KERNE», Staatsrecht der Reichsritterschaft, 1786—89. MOSER, Vermischte Nachrichten von reichsritterschaftlichen Sachen, 1772; Neueste Geschichte der Reichsritterschaft, 1775—76. PERTHES, Staatsleben 83 ff. PÜTTER, Hist. Entwicklung I. 457. III.

7 4 ff.

GIERKE, Genossenschaftsrecht

SCHULTE, R G .

§ 104.

ZÖPFL, R G .

II.

I.

§ 72.

836.

EICHHORN, I I I .

BEROHAUS,

Jahren II. 226 ff. HÄUSSER, Deutsche Geschichte I 3 . 114 ff. 2

V g l . GIERKE, a. a. O. I . 5 1 2 ff.

3

V g l . S. 7 7 2 .

N. Samml. II. 2 4 , § § 8 , 9 ,

19-28

3 2 1 if.

Deutschland

(RA.

IV.

vor

von 1 4 9 5 ) .

3 0 9 ff. hundert

84, §

48.

III. 1 4 4 , § 5 3 . 2 2 1 , § 4 9 . 3 5 7 , § 2 3 . 4 0 2 , § 2 2 . 4 2 1 , § 8 . 5 5 8 , § 33. IV. 7, 68. Die Verhandlungen über das subs. carit. beruhten nicht, wie man gewöhnlich annimmt, auf der von Steuern befreienden Ritterdienstpflicht, sondern auf der Anschauung, daß ein Steueranschlag nur solchen auferlegt werden könnte, die ihn bewilligt hätten, die vom Reichstage beschlossene Steuer also nur für die Reichsstände und ihre durch sie vertretenen Unterthanen verbindlich wäre. Zu den Kammerzielern trug die Reichsritterschaft nicht bei. 488, § 28. 501, § 33.

4

(1664).

Vgl. RA. von 1564, § 23, und von 1566 (N. Samml. III. 206, 217). Ebd. IV. 5

8 81.

801

Die Reichsritterschaft und die Reichsdörfer.

und Rheiu, die Kreise wieder in Kantone oder Orte. An der Spitze des Kantons stand ein Ritterhauptmann mit einigen Ritterräten und einem Kantonsausschuß. Jeder Ritterkreis hatte seine Kreisversammlung und sein Direktorium. Die Versammlungen der drei Kreise wurden Korrespondenztage genannt. In dem Direktorium lösten die Kreise einander ab. Die Mitglieder wurden mit ihren Besitzungen in eine Matrikel eingetragen. Die Besitzungen mußten eine gewisse Minimalgröße haben und durften nicht iandsässig sein; dagegen machte es keinen Unterschied, ob sie Allode oder Lehen waren. Ein Reichsritter konnte neben seinen unmittelbaren Gütern auch landsässigen Besitz haben. Durch Verlust des reichsritterschaftlichen Besitzes ging die persönliche Reichsfreiheit an sich nicht verloren 5 . Ebenso behielten die reichsritterschaftlichen Güter ihren Charakter, auch wenn sie in andere Hände übergingen. Die Aufnahme neuer Mitglieder oder Besitzungen in die Matrikel verlangte einen Mehrheitsbeschluß der betreffenden Kantons- und Kreisversammlung und die Zustimmung der beiden anderen Kreise. Die Reichsritterschaft als Korporation besaß das Recht der Besteuerung und der Autonomie 8 . Dagegen hatten die einzelnen Mitglieder ein Besteuerungsrecht nur, soweit es sich um Reichs- oder Korporationslasten handelte, nicht zu eigenen Zwecken. Ein Gesetzgebungsrecht besaßen sie nicht, wohl aber das Recht der Hausgesetzgebung, im einzelnen Falle unter kaiserlicher Bestätigung. Ihr wichtigstes Recht bildete der Religionsbann 7 . Die meisten besaßen auch die hohe Gerichtsbarkeit, die sie jedoch in der Regel jedesmal neu vom Reiche empfangen mußten 8 . Welche Hoheitsrechte sie außerdem auf ihren Besitzungen ausüben durften, richtete sich nach besonderer kaiserlicher Verleihung oder nachweisbarem Herkommen. Im übrigen hatte die beschränkte Landeshoheit nur die negative Bedeutung, daß alle etwaigen Hoheitsrechte, die einzelnen Reichsständen auf reichsritterschaftlichen Besitzungen zustanden, nur als öffentlichrechtliche Servituten, nicht aber als Ausflüsse landesherrlicher Gewalt galten. Die Mitglieder der Reichsritterschaft besaßen für sich und ihre Güter den privilegierten Gerichtsstand der Reichsunmittelbaren. Ihre Austragsinstanz bildete das Kantonsdirektorium. Außer der Reichsritterschaft gab es im Reiche noch verschiedene unmittelbare adeliche Ganerbschaften, deren Rechtsverhältnisse, abgesehen von dem korporativen Elemente der ersteren, im wesentlichen dieselben waren 9 . 5

Bei Veräußerungen an Fremde hatte die Genossenschaft das Retraktrecht. Über das sog. Geislinger Statut vgl. REYSCHEK, Zeitschr. f. deutsch. Recht VI. 297 ff. ' Augsb. Rel. Friede von 1555, § 26 (N. Samml. III. 20). JPO. IV. § 17. V. § 28. • Als Appellationsinstanz hatten dann im Zweifel die kaiserlichen Landgerichte einzutreten. 6

9

V g l . S. 778.

BEKGHAÜS, a. a . 0 .

B. SCHRÖDJIK, Deutiche Reehtegesohichte.

I I . 2 9 4 f. 51

802

Die Neuzeit.

Endlich waren von der Auflösung der Reichslandvogteien noch einige Dörfer übrig gehlieben, die keiner landesherrlichen Gewalt unterworfen waren 10 . Sie hießen „Reichsdörfer" und befanden sich im Besitze einer ausgedehnten Selbstverwaltung, zum Teil der hohen Gerichtsbarkeit. Die protestantischen Reichsdörfer hatten eine gewisse Kirchenhoheit. Eine eigentliche Landeshoheit, kam ihnen nicht zu. Durch den RDHSchl. von 1803 wurden sämtliche Reichsdörfer mediatisiert.

Viertes Kapitel. Die Zeit des Deutschen Bundes. J. H e l d , System des Verfassungsrechts der monarchischen Staaten Deutschlands, I. 1856. H. A. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl. I. II. 1865—67. H. Schulze, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, 1865; Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, I. 1881. Hausses, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, 3. Aufl. II.—IV. 1862.

§ 82. Die Zeit des R h e i n b u n d e s 1 . Durch die Rheinbundsakte vom 12./17. Juli 1806 („Acte de la Confédération du Rhin") traten sechzehn deutsche Staaten, indem sie sich gleichzeitig vom Reiche lossagten, zu einem Staatenbunde unter dem Namen „Etats confédérés du Rhin" unter Napoleon als „Protecteur de la Confédération" zusammen. Ursprüngliche Mitglieder waren der Kurerzkanzler von Regensburg, später Großherzog von Frankfurt, die durch den Preßburger Frieden von 1805 zu Königen erhobenen Herrscher von Baiern und "Wurtemberg, der Kurfürst (jetzt Großherzog) von Baden, der Landgraf (jetzt Großherzog) von Hessen-Darmstadt, der Herzog von Kleve-Berg (jetzt Großherzog von Berg), die Fürsten von Nassau-Usingen u. N.-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen und H.-Sigmaringen, Lichtenstein, Salm-Salm und S.-Kirburg, der Herzog . von Aremberg und der Graf (jetzt Fürst) von der Leyen. Während die gleichzeitig von Preußen unternommene Gründung eines norddeutschen Bundesstaates durch den unglücklichen Ausgang des Krieges von 1806—7 vereitelt wurde 2 , traten dem Rheinbunde nach und nach, bis auf ÖsterVgl. L . Y. Mauber, Geschichte der Dorfverfassung II. 3 6 4 — 4 1 2 . Berghaus, a. a. O. II. 296 ff. 1 Vgl. S. 733, 736. Klüber, Staatsrecht des Rheinischen Bundes, 1808. K. S. Zaohabiä, Staatsrecht der Eheinischen Bundesstaaten, 1810. H. A. Zachabiï, 10

a. a. O. I. 149 ff. H. Schulze, Einleitung 281 ff.; Lehrbuch I. 8t ff. Held, a. a. O.

I. 460 ff. Häussee, a. a. O. II. 691 ff. III. 222ff.,498 ff. Berghaus, Deutschland vor 50 Jahren, II. 178 ff. Lancizolle, Beichsstandschafts- und Territorialverhältnisse 94—107. Winkopp, Der Rheinische Bund, Zeitschrift, 23 Bände, 1807—13. Eich-

hobn, IV. 599 ff.

a Vgl. A. W. Schmidt, Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen, 1851; Preußens deutsche Politik, 1867. v. Witzleben, Die Verhandlungen über den norddeutschen Bund, Arch. f. sächs. Gesch. VI. 1868.

802

Die Neuzeit.

Endlich waren von der Auflösung der Reichslandvogteien noch einige Dörfer übrig gehlieben, die keiner landesherrlichen Gewalt unterworfen waren 10 . Sie hießen „Reichsdörfer" und befanden sich im Besitze einer ausgedehnten Selbstverwaltung, zum Teil der hohen Gerichtsbarkeit. Die protestantischen Reichsdörfer hatten eine gewisse Kirchenhoheit. Eine eigentliche Landeshoheit, kam ihnen nicht zu. Durch den RDHSchl. von 1803 wurden sämtliche Reichsdörfer mediatisiert.

Viertes Kapitel. Die Zeit des Deutschen Bundes. J. H e l d , System des Verfassungsrechts der monarchischen Staaten Deutschlands, I. 1856. H. A. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl. I. II. 1865—67. H. Schulze, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, 1865; Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, I. 1881. Hausses, Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes, 3. Aufl. II.—IV. 1862.

§ 82. Die Zeit des R h e i n b u n d e s 1 . Durch die Rheinbundsakte vom 12./17. Juli 1806 („Acte de la Confédération du Rhin") traten sechzehn deutsche Staaten, indem sie sich gleichzeitig vom Reiche lossagten, zu einem Staatenbunde unter dem Namen „Etats confédérés du Rhin" unter Napoleon als „Protecteur de la Confédération" zusammen. Ursprüngliche Mitglieder waren der Kurerzkanzler von Regensburg, später Großherzog von Frankfurt, die durch den Preßburger Frieden von 1805 zu Königen erhobenen Herrscher von Baiern und "Wurtemberg, der Kurfürst (jetzt Großherzog) von Baden, der Landgraf (jetzt Großherzog) von Hessen-Darmstadt, der Herzog von Kleve-Berg (jetzt Großherzog von Berg), die Fürsten von Nassau-Usingen u. N.-Weilburg, Hohenzollern-Hechingen und H.-Sigmaringen, Lichtenstein, Salm-Salm und S.-Kirburg, der Herzog . von Aremberg und der Graf (jetzt Fürst) von der Leyen. Während die gleichzeitig von Preußen unternommene Gründung eines norddeutschen Bundesstaates durch den unglücklichen Ausgang des Krieges von 1806—7 vereitelt wurde 2 , traten dem Rheinbunde nach und nach, bis auf ÖsterVgl. L . Y. Mauber, Geschichte der Dorfverfassung II. 3 6 4 — 4 1 2 . Berghaus, a. a. O. II. 296 ff. 1 Vgl. S. 733, 736. Klüber, Staatsrecht des Rheinischen Bundes, 1808. K. S. Zaohabiä, Staatsrecht der Eheinischen Bundesstaaten, 1810. H. A. Zachabiï, 10

a. a. O. I. 149 ff. H. Schulze, Einleitung 281 ff.; Lehrbuch I. 8t ff. Held, a. a. O.

I. 460 ff. Häussee, a. a. O. II. 691 ff. III. 222ff.,498 ff. Berghaus, Deutschland vor 50 Jahren, II. 178 ff. Lancizolle, Beichsstandschafts- und Territorialverhältnisse 94—107. Winkopp, Der Rheinische Bund, Zeitschrift, 23 Bände, 1807—13. Eich-

hobn, IV. 599 ff.

a Vgl. A. W. Schmidt, Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen, 1851; Preußens deutsche Politik, 1867. v. Witzleben, Die Verhandlungen über den norddeutschen Bund, Arch. f. sächs. Gesch. VI. 1868.

§ W2.

803

Die Zeit des Rheinbundes.

reich, das durch den Tilsiter Frieden von 1807 verkleinerte Preußen, Schweden und Holstein-Dänemark, sämtliche im Besitze gebliebene deutsche Regierungen bei. Die bedeutendsten unter den neuen Mitgliedern waren das zum Königreiche erhobene Kursachsen, das neu errichtete Königreich Westfalen und das zum Großherzogtum erhobene Kurfürstentum Wiirzburg. Der alleinige Zweck des Rheinbundes war das Schutz- und Trutzbftndnis mit Frankreich, ostensibler Zweck die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Süddeutschlands. Sämtliche Mitglieder wurden als souveräne Staaten bezeichnet, als Souveränitätsrechte die Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit, hohe Polizei, Militäraushebung und Besteuerung. Organ des Bundes sollte eine zu Frankfurt tagende Bundesversammlung (Diète de Francfort), geteilt in ein auch die Großherzogtümer umfassendes königliches und ein fürstliches Kollegium, sein, Vorsitzender derselben der bisherige Reichserzkanzler als Fürst Primas (Prince-Primat) oder dessen von dem Kaiser-Protektor zu bezeichnender Nachfolger. Ins Leben getreten ist die Bundesversammlung nicht, auch das Grundgesetz des Bundes, dessen Ausarbeitung vorbehalten wurde, ist nicht zustande gekommen. Dagegen übte der Rheinbund nach zwei anderen Richtungen hin eine für die spätere Entwickelung des Reiches höchst folgenreiche Wirkung aus. Einmal durch die Mediatisierung der Reichsritterschaft, des Deutschund Johanniterordens, sowie sämtlicher nicht in den Rheinbund aufgenommenen Fürsten, Grafen und Herren, die der Souveränität der Rheinbundstaaten unterworfen wurden und außer ihren Kammergütern und ihren guts- und lehnsherrlichen Rechten nur gewisse untergeordnete Hoheitsrechte behielten, im übrigen aber zu privilegierten Unterthanen wurden. Von den Reichsstädten wurden Nürnberg und Frankfurt, später auch die drei Hansestädte ebenfalls mediatisiert. Durch gegenseitigen Gebietsaustausch wurden die Grenzen der einzelnen Rheinbundstaaten abgerundet. Eine weitere Wirkung bestand in der vollständigen Neuorganisation der einzelnen Rheinbundstaaten kraft der ihnen eingeräumten Souveränitätsrechte. Während Sachsen und Mecklenburg die alten ständischen Verhältnisse fortbestehen ließen, das würtembergische Königtum dagegen sich zu einer asiatischen Despotie gestaltete, kam es in den meisten übrigen Rheinbundstaaten mehr oder weniger zu einer Nachahmung französischer Einrichtungen mit ihren guten, aber auch ihren bedenklichen Seiten. Die landständischen Rechte wurden beseitigt und teils schlechthin durch ein absolutes Regiment, teils durch einen elenden Scheinkonstitutionalismus ersetzt. Nach dem Vorbilde der französischen Departementsverfassung wurden die Staatsgebiete ohne Rücksicht auf die historische Gliederung nach rein geographischen oder mechanischen Gesichtspunkten in Bezirke oder Kreise unter Präfekten oder Generalkommissaren eingeteilt. Das Lehnswesen wurde großenteils aufgehoben, die Befreiung des Bauernstandes durchgeführt. Von den Prinzipien einer eng begrenzten Parität auf konfessionellem Gebiete schritt man zur Anerkennung der Religionsfreiheit vor, aber die Kirchen selbst wurden nur als Staatsanstalten behandelt. 51*

804

Die Neuzeit.

Die Trennung von Justiz und Verwaltung wurde durchgeführt. Die Justizorganisation erfolgte vielfach im Anschlüsse an die der Franzosen, Schwurgerichte wurden eingerichtet, die Einführung des Code angeordnet oder vorbereitet. Der staatsrechtliche Charakter der Wehrpflicht kam in der Konskription zum Ausdruck; indem aber den Vermögenderen das Recht der Stellvertretung eingeräumt und den gebildeten Klassen Freiheit von der Aushebung gewährt wurde, blieb man von den Prinzipien der allgemeinen Wehrpflicht noch ebenso weit entfernt, wie dies in Preußen während des 18. Jahrhunderts der Fall gewesen war. Während die Rheinbundstaaten sich dem Kaiser-Protektor gegenüber in dem Zustande vollkommenster Rechtlosigkeit befanden 3 , ihren Unterthanen gegenüber aber das System eines aufgeklärten Despotismus nach napoleonischem Muster zur Anwendung brachten, vollzog der preußische Staat in den Jahren seiner tiefsten Demütigung seine vollständige Reorganisation von innen heraus, ohne fremdes Vorbild. Sie bildete die Aufgabe der großen Stein-Hardenbergischen Gesetzgebung 4 . Von der Bauernbefreiung und Landeskulturgesetzgebung ist schon S. 743, 747 die Rede gewesen. Die vollste Gewerbefreiheit wurde durch das Edikt über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer, vom 2. November 1810, begründet. Allgemeine Religionsfreiheit hatte schon das ALR. (II. 11, §§ 1 ff.) eingeführt; die bürgerliche Gleichstellung der inländischen Juden mit den Christen wurde durch Edikt vom 11. März 1812 begründet. Das völlig verkümmerte städtische Gemeindewesen wurde durch die Städteordnung vom 19. November 1808 auf den Grundlagen einer gesunden Selbstverwaltung geregelt. Die Zentralverwaltung wurde durch die Verordnung vom 24. November und das Publikandum vom 16. Dezember 1808 nebst den Verordnungen vom 26. Dezember 1808 und 27. Oktober 1810 einer völligen Umgestaltung unterzogen. An die Spitze der Verwaltung trat ein Kabinet von fünf Staatsministern (für Inneres, Finanzen, auswärtige Angelegenheiten, Krieg und Justiz), dessen Haupt, der Staatskanzler, als oberster Rat der Krone die Oberaufsicht über die gesamte Verwaltung zu führen hatte; das Nebeneinanderbestehen von Fach- uud Provinzialministern und das ungeeignete Kollegialsystem in den Ministerien wurde beseitigt. Nur für Sachen der Gesetzgebung wurde ein Staatsrat bestimmt, der außer den Staatsministern auch alle übrigen hervorragenden Kräfte des Staates umfassen sollte, zunächst aber noch nicht ins Leben trat. Die bisherigen Kriegs- und Domänenkammern, deren Geschäftskreis auf die gesamte Verwaltung ausgedehnt wurde, erhielten die Bezeichnung 3 Beispiele: die von Napoleon befohlene Ermordung des Herzogs von Enghien und des Buchhändlers Palm, sowie die französischen Einverleibungsdekrete über Gebietsteile von Rheinbundfürsten oder selbst ganzen Rheinbundstaaten (Oldenburg, Aremberg, beide Salm). 4 Vgl. E. MEIEB, Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg, 1881. H. SCHULZE, Preuß. Staatsrecht I 2 . 84 ff"., 234 ff. II. 195 ff. HÄUSSBR, a. a. 0 . III. 1 2 8 - 1 6 4 , 488 ff.

§ 82.

Die Zeit des Rheinbundes.

805

Regierungen, während die bisher mit diesem Namen bezeichneten Appellationsgerichte zu Oberlandesgerichten wurden. J e d e Regierung erhielt einen Präsidenten und als Vorsteher der einzelnen Abteilungen Direktoren. Das Kollegialsystem wurde bei den Regierungen beibehalten, der n a t ü r lichen Schwerfälligkeit desselben aber durch Verteilung der verschiedenen (Geschäftszweige unter ständige Referenten vorgebeugt. Als oberste Provinzialbeamten wurden die Oberpräsidenten eingesetzt, nicht als Zwischeninstanz, sondern als ständige Aufsichtsorgane des Kabinets gegenüber der gesamten Provinzialverwaltung. Die Gerichtsbarkeit der Kammerjustizdeputationen ging auf die Civilgerichte über. Tiefgreifende Reformen auf dem Gebiete des Finanzwesens, namentlich auf die A u f h e b u n g der Exemtionen und D u r c h f ü h r u n g einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung gerichtet, wurden durch das Edikt vom 27. Oktober 1810 angebahnt, kamen aber vorerst n u r teilweise zur Ausführung. Die zur Zeit wichtigste Reform war die des Heerwesens. Wie Österreich sich 1808 durch Errichtung einer allgemeinen Landwehr auf den neuen französischen Krieg vorbereitete B , so hatte auch Scharnhorst 1807 und 1808 in wiederholten Denkschriften die Bildung einer Nationalmiliz oder Landwehr ans den von der Ivantonpflicht befreiten Klassen angeregt. Durchgesetzt wurde zunächst n u r die Abschaffung der Werbungen im Auslande, die Eröffnung der Offizierlaufbahn für alle Stände, die Beseitigung der f ü r die ausländischen Söldner berechneten entehrenden Strafen in den neurevidierten Kriegsartikeln und die Bildung einer Armeereserve aus Kanton Pflichtigen, die nach n u r mehrmonatlichem Dienst wieder von den F a h n e n entlassen wurden (sog. Krümpersystem). Erst die von den ostpreußischen Ständen bei Beginn der Erhebung im F e b r u a r 1813 beschlossene E r r i c h t u n g der ostpreußischen Landwehr und des Landsturms brachte die Pläne Scharnhorsts zur Verwirklichung 6 . Zu derselben Zeit erging eine königliche Verordnung (vom 9. Februar 1813), die f ü r die Dauer des Krieges alle Militärbefreiungen aufhob und den bisher Eximierten vom vollendeten 17. bis zum 24. Lebensjahre n u r das Vorrecht einräumte, sich bei den freiwilligen J ä g e r n oder der Artillerie zu stellen. Am 17. März 1813 erging dann die Verordnung über die Organisation der Landwehr, durch welche ebenfalls f ü r den bevorstehenden Krieg im ganzen Staate die E r r i c h t u n g der Landwehr und des Landsturms angeordnet wurde. Nachdem diese Einrichtungen im ersten Kriegsjahre die Probe bestanden hatten, wurden sie durch das Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 3. September 1814 dauernd eingeführt. F ü r alle Landeskinder, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten, wurde die Wehrpflicht festgestellt. Die Organisation des preußischen Heeres beruhte auf denselben Grundlagen, die heute f ü r das deutsche Heer maßgebend sind.

6

Vgl. HÄUSSEE, a. a. O. III. 258 f. österreichische Maßregel nicht. 0

Eine dauernde Einrichtung bezweckte die

V g l . HXUSSER, a. a. O. I V . 3 3 ff., 4 8 ff.

806

Die Neuzeit.

§ 83. Die V e r f a s s u n g des D e u t s c h e n B u n d e s 1 . Schon das erste Jahr der Befreiungskriege hatte die Auflösung des Rheinbundes und der napoleonischen Territorialschöpfungen (Königreich Westfalen, Großherzogtum Berg, Großherzogtum Frankfurt), sowie die Wiederherstellung von Hannover, Braunschweig, Kurhessen, Oldenburg, Nassau - Oranien, Frankfurt und den drei Hansestädten gebracht. Nachdem Deutschland durch den ersten Pariser Frieden (80. Mai 1814) von Frankreich die Gebietsgrenzen vom 1. Januar 1792 wiedererlangt hatte, die durch den zweiten Pariser Frieden (20. November 1815) auf die Grenzen von 1790 ausgedehnt wurden, erfolgte die Gebietsregulierung zwischen den deutschen Staaten durch die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815. Die durch die letztere und den Rezeß der Territorialkommission vom 20. Juli 1819 begründeten Territorialverhältnisse haben sich im wesentlichen bis 1866 erhalten. Abgesehen von den erwähnten Restitutionen im Jahre 1813, denen 1815 noch die der Landgrafschaft Hessen-Homburg folgte, wurden die Mediatisierungen der Rheinbundsakte von 1806 und die späteren napoleonischen Mediatisierungen (Aremberg, beide Salm, Bentink) aufrechterhalten; die Rheinbundsfürsten Isenburg und von der Leyen wurden erst jetzt ihrer Souveränität entkleidet. Das Großherzogtum Würzburg wurde beseitigt. Schweden schied aus Deutschland aus, indem Neu-Vorpommern und Rügen mit Preußen vereinigt wurden; Stadt und Herrschaft Wismar befanden sich schon seit 1803 in mecklenburgischem Pfandbesitze. Durch die auf dem Wiener Kongreß vereinbarte Deutsche Bundesakte (DBA.) vom 8./10. Juni 1815, deren 11 erste Artikel zugleich einen Teil der Wiener Kongreßakte bildeten, vereinigten sich „die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands" zur „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten" zu einem „beständigen Bunde", der den Namen „der Deutsche Bund" erhielt. Die Mitglieder desselben waren: Österreich und Preußen mit ihren früher zum deutschen Reiche gehörigen Besitzungen 2 , die Königreiche Baiern, Sachsen, Hannover 3 und 1 H. A. ZACHABIÄ, Staats- und Bundesrecht, 3. Aufl. I. 172 ff. II. 611 ff. ZÖPFL, Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts, 5. Aufl. 2 Bde., 1863. KLÜBEB, Öffentliches Recht des Deutschen Bundes und der Bundesstaaten, 4. Aufl. 1841; Quellensammlung zu dem öffentl. Rechte des Deutsch. Bundes, 3. Aufl. 1830 bis 1883; Wichtige Urkunden f. d. Rechtszustand d. deutsch. Nation, 1844. H.SCHULZE, Lehrb. d. deutsch. Staatsrechts I. 91 ff. G. MEYEB, Lehrb. d. deutsch. Staatsrechts

§§

36—52.

HELD, Syst.

d. V e r f a s s u n g s r e c h t s

I.

4 6 8 ff.

AEGIDI,

b e i BLUNTSCHLI

U.

BBATER, Staatswörterbuch III. 1 ff. EICHHORN, Betrachtungen über die Verfassung des Deutschen Bandes, 1833. ILSE, Geschichte der deutsch. Bundesversammlung, 3 Bde., 1 8 6 0 - 62. HIÜSSER, Deutsche Geschichte I V a . 671 ff. v. MEYEB, Corpus iuris confoederationis Germanicae, 3. Aufl., fortges. v. ZÖPFL, 3 Bde., 1855—69. v. LANCIZOLLE, Übersicht 108—136. 2 Von Preußen blieben die Provinzen Preußen und Posen, sowie das Fürstentum Neuen bürg außerhalb des Bundes. 3 Der König von England hatte während des Wiener Kongresses für seine deutschen Lande den Titel „König von Hannover" angenommen.

§ 83.

Die Verfassung des Deutschen Bundes.

807

Würtemberg, Großherzogtum Baden, Kurfürstentum Hessen, Großherzogtum Hessen, Herzogtum Holstein 4 , Großherzogtum Luxemburg 6 , Herzogtum Braunschweig, Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Herzogtum Nassau, Großherzogtum Sachsen - Weimar, die sächsischen Herzogtümer Gotha, Koburg, Meiningen und Hildburghausen 6 , Großherzogtümer MecklenburgStrelitz und Oldenburg, Herzogtümer Anhalt-Dessau, -Bernburg und -Kothen 7 , Fürstentümer Schwarzburg - Sondershausen und -Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen und -Sigmaringen 8 , Lichtenstein, Waldeck, Reuß älterer und jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe und die freien Städte Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg. Durch die Aufnahme von Hessen-Homburg (1817) wurde die Mitgliederzahl auf 39 erhöht, sank dann aber im Laufe der Zeit durch den Abgang verschiedener Häuser auf 33 herab 9 . Der Aufruf von Kaiisch vom 25. März 1813 hatte dem deutschen Volke die Wiedergeburt des Reiches in Aussicht gestellt, nachdem aber Baiern und Würtemberg durch die Verträge zu Ried und Fulda (8. Oktober, 2. November 1813) die Wahrung ihrer vollen Souveränität zugesichert erhalten hatten, scheiterten alle auf eine bundesstaatliche Organisation gerichteten Versuche an ihrem Widerstande. Der Deutsche Bund trat als bloßer Staatenbund, als ein ,,völkerrechtlicher Verein der deutschen souveränen Fürsten und freien Städte", ins Leben. Als Subjekt desselben wurde ausschließlich die in der Bundesversammlung vertretene Gesamtheit der Bundesregierungen hingestellt; die Versuche, auch dem deutschen Volke eine Beteiligung an der Bundesvertretung zu verschaffen, waren erfolglos, selbst die in der deutschen Bundesakte angeregte Heranziehung der mediatisierten ehemaligen Reichsstände unterblieb. Das zweite Bundesgrundgesetz, die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820, ging in der ausschließlichen Berücksichtigung der Regierungen und der Ablehnung aller volkstümlichen Elemente noch erheblich über die Bundesakte hinaus 10 . Das verfassungsmäßige Organ des Bundes war die Bundesversammlung (gewöhnlich „Bundestag"), ein dem Regensburger Reichstage nachgebildeter 4 Das 18X6 mit Dänemark vereinigte Herzogtum Lauenburg wurde ebenfalls in den Bund aufgenommen, aber ohne eigene Stimme. s Luxemburg erhielt der König der Niederlande als Entschädigung der nassauoranischen Linie für die Abtretung der Stammländer an Preußen. Nachdem die Losreißung der belgischen Provinzen von Holland auch die westliche Hälfte von Luxemburg mit dem neuen Königreich Belgien vereinigt hatte, überwies der König der Niederlande dem Deutschen Bunde als Ersatz dafür das Herzogtum Limburg (1839), was aber, da dasselbe als Provinz in dem holländischen Staatsverbande verblieb und nicht mit Luxemburg verbunden wurde, eine bloße Scheinabtretung war. 6 Dafür nach dem Aussterben von S.-Gotha (1825) die Herzogtümer KoburgGotha, Meiningen-Hildburghausen und Altenburg. 7 Die anhaltischen Länder wurden 1863 nach dem Aussterben der Bernburger Linie unter Dessau vereinigt. Kothen war schon 1847 erloschen. 8 Durch Staatsvertrag von 1849 wurden beide Hohenzollern mit Preußen vereinigt. 9 Hessen-Homburg starb 1866, kurz vor der Krisis des Bundes, aus. 10 Vgl. AEGIDI, Die Schlußakte der Wiener Ministerialkonferenzen, 1860—69.

808

Die Neuzeit.

beständiger Gesandtenkongreß mit dem Sitze zu Frankfurt am Main. Die Bundesversammlung bestand ausschließlich aus bevollmächtigten Gesandten der verschiedenen Bundesstaaten. Den Vorsitz hatte der Gesandte Österreichs als der Präsidialmacht. Die Bundesversammlung hatte das Recht, sich bis zu der Dauer von vier Monaten zu vertagen. Da die Bundesverfassung auf der Gleichberechtigung aller Bundesglieder beruhte, so bildete die Bundesversammlung einen einheitlichen Körper ohne Einteilung in Kollegien. Alle Verhandlungen fanden in dem sogenannten „engeren Bäte" statt, in welchem die 11 ersten Bundesstaaaten je eine Stimme führten, während sich die übrigen in 6 Gesamtstimmen teilten 11 . Über Abfassung und Abänderung von Grundgesetzen des Bundes, Beschlüsse, welche die Bundesakte selbst betrafen, organische Einrichtungen und gemeinnützige Anordnungen, Aufnahme neuer Mitglieder, ferner über Kriegserklärungen und Friedensschlüsse hatte der engere Rat nur zu verhandeln, aber nicht abzustimmen. Die Abstimmung über solche Gegenstände mußte im „Plenum" erfolgen, in welchem Österreich und die fünf Königreiche je 4, die fünf nächsten Bundesstaaten je 3, die drei folgenden je 2 Stimmen, alle übrigen je eine Stimme hatten 12 . Im engeren Rate entschied die absolute Stimmenmehrheit, im Plenum Zweidrittelsmehrheit. Bei Stimmengleichheit gab der Vorsitzende den Ausschlag. Einstimmigkeit war bei der Annahme oder Abänderung von Grundgesetzen, bei Beschlüssen über organische Bundeseinrichtungen, Aufnahme neuer Mitglieder und Religionsangelegenheiten erforderlich; handelte es sich um iura singulorum, so war die Zustimmung der Berechtigten unumgänglich. Abwesende konnten ihre Stimme durch den Gesandten eines andern Bundesstaates abgeben oder sich das Protokoll binnen einer gewissen Zeit zu nachträglicher Stimmabgabe offen halten lassen, widrigenfalls die nicht abgegebene Stimme als bejahend behandelt wurde 13 . Jeder Bevollmächtigte hatte nach Maßgabe der von seiner Regierung erhaltenen Anweisung zu stimmen; für den Bund selbst kam aber die Stimme so, wie sie abgegeben war, in Betracht. Die Verhandlungen der Bundesversammlung

1 1 Braunschweig und Nassau teilten sich in eine Gesamtstimme, ebenso beide Mecklenburg, ferner Sachsen-Weimar und die sächsischen Herzogtümer, ebenso Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg, die fünfte Gesamtstimme gehörte den übrigen Fürstentümern (Hessen-Homburg erst seit 1838), die sechste den vier freien Städten. 1 2 Das „Plenum" war an sich keine von dem engeren Eate verschiedene Versammlung, sondern bedeutete nur einen besondern Abstimmungsmodus. Im Plenum konnte über nichts verhandelt, sondern nur abgestimmt werden. Die Gesamtstimmenzahl im Plenum betrug 69, seit dem Zutritt von Hessen-Homburg 7 0 , zuletzt aber nur noch 6 4 , da die Stimmen der sechs erloschenen Bundesstaaten nur durch besonderen Bundesbeschluß auf die Rechtsnachfolger hätten übertragen werden können, was nicht geschehen ist. Die Stimmverteilung im Bundesplenum ist auf den Bundesrat des Norddeutschen Bundes und Deutschen Reiches übergegangen, nur wurde die bairische Stimmenzahl auf 6 , die preußische unter Hinzurechnung von Hannover (4), Kurhessen (3), Holstein (3), Nassau (2) und Frankfurt (1) auf 17 erhöht. 13

Vgl. Geschäftsordnung des DB. vom 14. November 1816, Art. 1.

§ 83.

Die Verfassung' des Deutscheu Bundes.

809

waren geheim. Die Protokolle derselben wurden anfangs auszugsweise veröffentlicht, was später unterblieb Für gewisse Geschäfte des Bundes waren ständige Bundestagsausschüsse eingesetzt. Wo ein Bedürfnis vorlag, konnten außerordentliche Ausschüsse bestellt werden. Die innerhalb ihrer Zuständigkeit in gesetzmäßiger Weise gefaßten Beschlüsse der Bundesversammlung waren für die sämtlichen Bundesregierungen unmittelbar verpflichtend, während es für die einzelnen Bundesstaaten einer besonderen landesgesetzlichen Publikation bedurfte. In den konstitutionellen Bundesstaaten war dazu im allgemeinen die Mitwirkung der Landesvertretung erforderlich, die aber bei allen für Bundeszwecke beschlossenen Leistungen nur formelle Bedeutung hatte, da die Mittel nicht verweigert werden durften. Die Verteilung solcher Bundesleistungen auf die einzelnen Staaten erfolgte bei einmaligen oder außerordentlichen Auflagen durch besonderen Bundesbeschluß. Die regelmäßigen Beiträge für die Bundesmatrikularkasse richteten sich nach der in der jedesmaligen Bundesmatrikel verzeichneten Bevölkerungsziffer, diejenigen für die Bundeskanzleikasse nach den 17 Stimmen des engeren Rates. Als völkerrechtliche Persönlichkeit hatte der Bund das Gesandten-, Kriegs- und Vertragsrecht. Fremde Mächte hatten zum Teil ständige Gesandten bei dein Bunde beglaubigt, während dieser nur in außerordentlichen Fällen eigene Gesandten abordnete. Das Bundeskriegsreelit hing mit der gegenseitigen Gebietsgarantie der Bundesstaaten zusammen. Die letztere setzte voraus, daß keine einzelne Bundesregierung durch rechtswidriges Verhalten gegen das Ausland eine Kriegsgefahr hervorrufe. Lay ein solcher Fall vor, so hatte der Bund auf Beschwerde des Verletzten das Recht, die davon betroffene Regierung zur Abstellung des Beschwerdegrundes aufzufordern, nötigenfalls zu zwingen. Bündnisverträge mit dem Auslande waren jedem Bundesgliede unbenommen, soweit die Sicherheit des Bundes und der einzelnen Bundesstaaten dadurch nicht gefährdet wurde. Bei Gefährdung des Bundesgebietes seitens einer auswärtigen Macht konnte, bei unmittelbarer Verletzung desselben mußte der Buhdeskrieg erklärt werden. Derselbe verpflichtete sämtliche Bundesglieder zu bundesgemäßer Teilnahme und entzog ihnen bis zum Bundesfriedensschlusse das Recht einseitiger Verhandlungen mit dem Feinde. Alle Beschlüsse der Bundesversammlung über Krieg und Frieden verlangten eine Zweidrittelsmehrheit des Plenum14"1. Zu anderen Zwecken, als der Verteidigung des Bundesgebietes, konnte die Bundesversammlung keinen Krieg beschließen15. Auswärtige Händel, auch wenn einzelne Bundesglieder daran beteiligt waren, konnten dem Bunde höchstens Anlaß zu gütlicher Vermittelung geben; selbst wenn nicht zum Bunde gehörige Gebietsteile

u Vgl. Protokolle der deutsehen Bundesversammlung, 1816—28. Die Verhandlungen der Bundesversammlung, 1846—48. v. MEYER, Repertorium z. d. Verhandlungen der deutsch. BV., 1822. u 16 » Vgl. WdchlA. 1-', 40, 4«. Vgl. WSchlA. 35, 39.

810

Die Neuzeit.

eines Bundesstaates feindlich besetzt wurden, lag an sich kein Anlaß zu einem Bundeskriege vor16. Die Kriegsverfassung des Bundes beruhte hauptsächlich auf den Bundesbeschlüssen vom 9. und 21. April 1821 und 11. Juni 1822, sowie vom 4. Januar 1855. Das Bundesheer bestand aus sieben von Österreich (3), Preußen (3) und Baiern (1) gestellten ungemischten und drei gemischten Armeekorps nebst einer Reserve-Infanteriedivision aus den nach Maßgabe der Bundesmatrikel gestellten Kontingenten der übrigen Bundesstaaten. Das Bundesheer als solches bestand erst im Falle des Bundeskrieges, doch war auch im Frieden eine gewisse Präsenzstärke vorgeschrieben, über deren Aufrechterhaltung der Bund zu wachen hatte. Bei den gemischten Armeekorps und der Reserve-Infanteriedivision konnten Bundesinspektionen abgehalten werden. Die Heeresverfassung der einzelnen Bundesstaaten beruhte jetzt allgemein auf dem Aushebungssystem mit Zulassung der Stellvertretung; die gebildeten Klassen unterlagen der Aushebung nur für den Kriegsfall. Die allgemeine Wehrpflicht bestand nur in Preußen (S. 805). Das Bundesheer trat zusammen, sobald der Bundestag die Mobilmachung beschlossen hatte. Die Bundesversammlung hatte sodann den Oberfeldherrn und den Generallieutenant des Bundes zu wählen und in Pflicht zu nehmen. Die übrigen Befehlshaberstellen wurden von den Kontingentsherren besetzt. Aus den matrikularmäßigen Beiträgen der Bundesstaaten wurde eine Bundeskriegskasse gebildet. Die beste Seite der Bundeskriegsverfassung bildete das Festungswesen. Die Bundesfestungen Mainz, Luxemburg und Landau, zu denen später noch Ulm und Rastatt kamen, standen, unbeschadet ihrer sonstigen staatlichen Beziehungen, in militärischen Angelegenheiten ausschließlich unter der Bundesversammlung. Die Besatzungs- und Kommandanturverhältnisse waren durch Bundesbeschlüsse geregelt. Die Festungswerke waren Eigentum des Bundes. Als technischer Beirat in allen Heeresangelegenheiten stand dem Bunde eine Bundesmilitärkommission zur Seite. • Selbsthilfe und Krieg von Bundesstaaten untereinander waren verboten. Nachdem die Einsetzung eines Bundesgerichts an dem Widerspruche der Mittelstaaten gescheitert war, begnügte man sich für die Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesstaaten mit der Anordnung eines bundesgesetzlich geregelten Austragverfahrens17. Die einzelnen Regierungen wurden verpflichtet, ihre gegenseitigen Streitigkeiten bei der Bundesversammlung anzubringen, damit die letztere zunächst durch einen Ausschuß die gütliche Vermittelung versuche, bei Erfolglosigkeit derselben aber den obersten Gerichtshof eines von den Parteien zu wählenden unbeteiligten 16 Vgl. ebd. 37, 43, 46, 47. Vorläufige Verteidigungsmaßregeln und bewaffnete Neutralität konnten allen ausländischen Verwickelungen gegenüber vom engeren Kate beschlossen werden. Vgl. WSchlA. 38, 45. 17 Vgl. DBA. 11. WSchlA. 18—24. Austrägalordnung vom 16. Juni 1817 und 3. August 1820. v. LEONHABDI, Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, 1838—45. ZÖPFL, i. d. Archiv f. civil. Praxis XXVII. 388 ff.

§ 83.

Die Verfassung des Deutschen Bundes.

811

Bundesstaates als „Austrägalinstanz" mit der Entscheidung „im Namen und anstatt der Bundesversammlung" beauftrage. Die Übernahme eines solchen Auftrages und der Gehorsam gegen die Entscheidung des Austraggerichtes galt als Bundespflicht. Das letztere war auch der Fall, wenn der Streit unter Gewährleistung des Bundes, mit Umgehung der Austrägalinstanz, einem Kompromißgerichte oder einem älteren Familienoder Vertragsaustrage zum Schiedssprüche übergeben war. Vorbeugende Maßregeln und ein beschleunigtes Verfahren fanden Anwendung, wenn Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern stattgefunden hatten oder zu besorgen waren oder eine Besitzstörung vorlag 18 . Ein Austragverfahren sollte u. a. auch bei Privatforderungen gegen mehrere Bundesregierungen stattfinden können, wenn es unter diesen streitig war, wer von ihnen zu leisten habe 19 . Im Falle einer Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen ihre Regierung, sowie bei offenem Aufruhr oder gefährlichen Bewegungen in mehreren Bundesstaaten, sollte der Bund auf Ansuchen der beteiligten Regierung, unter Umständen selbst ungerufen, zur Herstellung der Ordnung einschreiten 20 . Dagegen wurden Streitigkeiten zwischen den Landesherren und ihren Ständen ausdrücklich von der Zuständigkeit des Bundes ausgeschlossen21. In der Fürsorge für den Rechtsschutz der Unterthanen beschränkte sich die Bundesverfassung auf die Bestimmung, daß in jedem Bundesstaate von einer gewissen Größe ein oberstes Gericht dritter Instanz bestehen müsse, während sich die kleineren Staaten über die Errichtung gemeinsamer oberster Gerichte, an denen dann auch die Aktenversendung (S. 793) zugelassen werden sollte, zu verständigen hatten 22 . Bei Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege sollte der Bund die davon betroffene Regierung zur Gewährung der Rechtshilfe nötigen 23 . Um die einzelnen Bundesregierungen zur Erfüllung ihrer Bundespflichten, zum Gehorsam gegen die Bundesbeschlüsse und die unter der Auktorität oder Gewähr des Bundes ergangenen Austrag-Urteile oder Schiedssprüche, sowie zur Aufrechterhaltung der vom Bunde vermittelten Vergleiche anzuhalten, stand der Bundesversammlung nach Erschöpfung aller anderen bundesverfassungsmäßigen Mittel das Zwangsmittel der Bundesexekution zur Verfügung 24 . War dieselbe in der Regel nur gegen die Regierungen gerichtet, so konnte bei Widersetzlichkeit oder aufrührerischen Bewegungen der Unterthanen auch eine Exekution gegen die 18 Bei Besitzstörungeu sollte ein bei der Sache unbeteiligtes Bundesglied in der Nähe des zu schützenden Gebietes die Tliatsache des jüngsten Besitzstandes und die angezeigte Störung desselben durch seinen obersten Gerichtshof summarisch untersuchen und darüber einen rechtlichen Bescheid abfassen lassen, dessen Befolgung für die verurteilte Partei Bundespfiicht war. Vgl. WSchlA. 20. Die vorbeugenden Maßregeln gegen eine etwaige Selbsthilfe sollten seitens des Bundes vor allem in der Sorge für Aufrechterhaltung des Besitzstandes bestehen. Vgl. ebd. 19. 19 22 24

WSchl. A. 30. DBA. 12. WSchlA. 3 1 - 3 4 .

20

21 Ebd. 26—28. Ebd. 61. WSchlA. 29. Exekutionsordnung vom 3. August 1820. 23

812

Die Neuzeit.

letzteren erfolgen, die aber aufhören mußte, sobald die beteiligte Regierung dies verlangte 26 . § 84. Die R e f o r m b e s t r e b u n g e n im B u n d e u n d d e n B u n d e s s t a a t e n bis 1848 1 . Der Deutsche Bund vermochte dem deutschen Yolke nach den von diesem in den Befreiungskriegen gebrachten ungeheuern Opfern keine Befriedigung zu gewähren. Nach außen hin erwies er sich als kraftlos 2 , während er sich nach innen, zumal seit den sogenannten demagogischen Umtrieben, mehr und mehr zu einer allen volkstümlichen Regungen feindlichen, die höchsten Güter der Nation in gehässigster Weise verfolgenden Polizeianstalt verwandelte 3 . Während die Bundesakte von 1815 und die ersten Verhandlungen der am 5. November 1816 eröffneten Bundesversammlung noch von nationalem Geiste erfüllt waren und eine gewisse Fürsorge für die Interessen und Bedürfnisse der Nation zu erkennen gaben 4 , griff schon nach wenigen Jahren die entgegengesetzte Auffassung Platz. Alles, was auch nur entfernt auf nationale Einheitsbestrebungen hindeutete, machte des Hochverrats verdächtig. Die unantastbare Souveränität und Gleichheit der in dem Bunde vereinigten Staaten und Scheinstaaten machte, bei der erforderlichen Einstimmigkeit, von vornherein jede verfassungsmäßige Bundesreform sowie jede organische Einrichtung oder gemeinnützige Maßregel des Bundes so gut wie unmöglich. Berücksichtigt aber wurde diese Unantastbarkeit der Einzelstaaten nur, wo es sich darum handelte, nationale Portschritte zu verhindern. Wo dagegen die letzteren von einer Bundesregierung begünstigt wurden, betrachtete sich die Bundesversammlung als den wahren Souverän, indem " WSchlA. 32. 1

Vgl.

H.

SCHULZE,

Lehrb.

d.

deutsch.

Staatsrechts

I.

107—123.

ZACHARIA.

Staats- und Bundesrecht I 8 . 190 ff. v. TBEITSCHKE, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 3. Aufl., 3 Bde., 1889; Preußische Jahrbücher XXIX. 313ff., 409 ff. XXX. 397 ff., 479 ff., 648 ff. v. KALTENBORN, Geschichte der deutschen Bundesverhältnisseund Einheitsbestrebungen 2

yon 1806—1856,

2 Bde.,

1857.

Dies zeigte sich besonders bei der Luxemburger Angelegenheit.

Vgl. § 83, .N. 5.

ZACHARIÄ, a. a. 0 . I 8 . 1 9 3 f. 3 Den Anfang machten die berüchtigten Karlsbader und Wiener Konferenzen von 1819, deren Ergebnis die in verfassungswidriger Weise von der Bundesversammlung angenommenen Karlsbader Beschlüsse von 1819 und die WSchlA. von 1819 waren. Vgl. AEGIDI, Aus dem Jahre 1819, 1861. Später folgten, nach den durch die Julirevolution hervorgerufenen B e w e g u n g e n , die Wiener Konferenzen von 1834. Die Ausnahmegesetze von 1819, die Zentraluntersuchungskommission zu Mainz, die, Demagogenverfolgungen und andere Maßregeln lassen die ehemalige deutsche Bundesversammlung als eine der unnützesten und schädlichsten Einrichtungen der deutschen Geschichte erkennen. 4 Förderung der Religionsfreiheit (DBA. 16), Freigabe des Grundeigentumserwerbs für alle Deutschen, Auswanderungsfreiheit für alle, die nicht durch ihre Wehrpflicht gebunden waren, Aufhebung von Abschoß und Nachsteuer (ius detractus, gabella emigrationis) unter den deutschen Bundesstaaten (ebd. 18), Verheißung landständischer Verfassungen (ebd. 13), Gewährung gesetzlicher Privilegien für die mediatisierten Reichsstände und die Reichsritterschaft (ebd. 14, 17).

§ 84.

Die Reformbestrebungen im Bunde u. den Bundesstaaten bis 1848.

813

sie sich die offenbarsten Eingriffe in die Selbständigkeit der Einzelstaaten erlaubte. Das Volk galt nur als die zum Gehorsam verpflichtete blöde Masse, als bloßes Objekt für die Regierenden. Die Lehrfreiheit der Universitäten wurde beschnitten, die Spruchthätigkeit der Juristenfakultäten in Strafsachen aufgehoben, die Preßfreiheit, soweit sie landesgesetzlich anerkannt war, mußte der Zensur weichen, die Versammlungsfreiheit wurde beseitigt, die Redefreiheit der Parlamente auf das äußerste herabgedrückt 5 . Die Bekämpfung und möglichste Beseitigung aller konstitutionellen Verfassungen galt als eine der wesentlichsten Aufgaben der Bundesversammlung 6 . Man konstruierte deshalb in willkürlichster .Weise ein sogenanntes monarchisches Prinzip unveräußerlicher Souveränitätsrechte 7 und suchte die einzelnen Bundesregierungen, soweit sie eine konstitutionelle Verfassung eingeführt hatten, zu Verfassungsbrüchen oder mindestens Verfassungsrevisionen im Sinne jenes Prinzipes zu nötigen 8 . Selbst die Magistrate der freien Städte wurden mit dem monarchischen Prinzip beglückt 9 . Für die Beschwerden der Unterthanen und Stände über Rechtsverletzungen seitens der Regierenden war die Bundesversammlung taub l 0 . Für die Beförderung des Handels und Verkehrs geschah von Bundes wegen nichts. Die einzigen Lichtseiten in der Thätigkeit des letzteren waren die Beschlüsse über die Monumenta Germaniae histórica und die in ihrer Art epochemachenden Bundesbeschlüsse vom 6. September 1832, 2. April und 5. November 1835, 9. November 1837, 22. April 1841 und 19. Juni 1845 über den Schutz des geistigen Eigentums 11 . Erfreulicher als auf dem Gebiete des Deutschen Bundes waren die Verhältnisse in den Einzelstaaten. Von den durch die Befreiungskriege zurückgewonnenen Gebieten deutscher Bundesstaaten wurde in denjenigen des linken Rheinufers die bisherige französische Gesetzgebung aufrechterhalten, dasselbe geschah zum Teil auch in den rechtsrheinischen Gebieten der preußischen Rheinprovinz. Im übrigen fand überall die Aufhebung der französischen Gesetze im Wege der Landesgesetzgebung statt. Während dies im allgemeinen mit schonender Hand und unter Aufrechterhaltung manches Guten, das dem Zwischenreiche der Fremden zu ver5

Hiermit beschäftigten sich namentlich die sogenannten Ausnahmegesetze vom 20. April 1819, die erst durch die Bundesbeschlüsse vom 3. März und 2. April 1848 wiederaufgehoben wurden, und die Bundesbeschlüsse vom 28. Juni und 5. Juli 1832, sowie das Schlußprotokoll der Wiener Ministerialkonferenzen vom 12. Juni 1834. 6 Diesem Zweck diente schon, wenn auch in verschämter Weise, die Auslegung von DBA. 13 in WSchlA. 54—58. ' WSchl. A. 57. 8 Hauptaufgabe der Beschlüsse vom 28. Juni 1832 und des Wiener Schlußprotokolls vom 12. Juni 1834. 9 10 WSchlA. 62. Vgl. Anm. 15. 11 Vgl. S. 785. KLOSTERMANN, Das geistige Eigentum I. (1867) 51 if. Schon DBA. 19 hatte eine Nachdrucksgesetzgebung in Aussicht gestellt. Eine wichtige Ergänzung der angeführten Bundesgesetzgebung bildeten die Bundesbeschlüsse vom 6. November 1856 und 12. März 1857.

814

Die Neu ¡seit.

danken war, geschah, wurde in Hannover und Kurhessen eine vollständige, die französisch-westfälische Zwischenherrschaft aus der Geschichte ausstreichende Reaktion unternommen und mit der größten Härte ohne Schonung wohlerworbener Rechte durchgeführt12. — Eine dringende Aufgabe sämtlicher Bundesstaaten mit katholischer Bevölkerung war die durch RDHSchl. 62 in Aussicht gestellte Neuregelung der katholischen Kirchenverfassung (S. 782). Dieselbe erfolgte durch Konkordate mit dem päpstlichen Stuhle, deren Inhalt für die Kirche durch die sogenannten Cirkumskriptionsbullen, für die Staaten im Wege der Landesgesetzgebung, aber unter Wahrung der staatlichen Hoheitsrechte und der Gleichberechtigung der anerkannten Konfessionen, zum Gesetz erhoben wurde13. Die bei der Bundesverfassung zurückgewiesene Beteiligung des Volkes an der Regierung sollte nach DBA. 13 wenigstens innerhalb der einzelnen Landesverfassungen Platz greifen. Die Bestimmung: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden", die in erster Reihe eine wahre Volksvertretung im Auge hatte, wurde aber durch WSchlA. 55 in dem Sinne ausgelegt, daß der Landesherr nach seiner Wahl entweder eine altständische oder eine Repräsentativverfassung einführen könne. Die den Ständen einzuräumenden Rechte wurden außerdem durch das sogenannte monarchische Prinzip auf das äußerste begrenzt14 und die Bundesgarantie für die Landesverfassungen (WSchlA. 56, 60) thatsächlich nur zum Schutze altständischer Verfassungen ausgeübt15. Repräsentativverfassungen kamen, teils im Wege der Vereinbarung mit den alten Ständen, teils durch einseitigen landesherrlichen Erlaß, zunächst nur in Sachsen-Weimar (1816), Hildburghausen (1818), Meiningen (1824), Baiern und Baden (1818), Würtemberg (1819) und Hessen-Darmstadt (1820) zustande. In den vier letztgenannten Staaten hatte die Rheinbundszeit mit der Vergangenheit so radikal gebrochen, daß es, namentlich mit Rücksicht auf die zahlreichen neuerworbenen Gebiete, vollständiger staatsrechtlicher Kodifikation bedurfte. Die zum Teil an die. Charte constitutionelle Ludwigs XVIII. von 1814 anknüpfenden Verfassungsurkunden dieser Staaten entsprachen den Anforderungen der Zeit so gut, daß sie alle folgenden Stürme überdauert und sich im wesent12

13

V g l . HÄÜSSBB, a. a. O. I V . 4 6 0 ff.

Die nach ihren Eingängen benannten Bullen waren: für Preußen „De salute animarum" (1821), für Hannover „Impensa Romanorum pontificum" (1824), für die oberrheinische Kirchenprovinz „Provida solersque" (1821) und „Ad dominici gregis custodiam" (1827'). In Baiern wurden die Ergebnisse des Konkordats vom 5. Juni 1817 mit einigen durch die staatsrechtlichen Verhältnisse gebotenen Abänderungen durch das als 2. Beilage der Verfassungsurkunde von 1818 erlassene Religionsedikt landesgesetzlich eingeführt. u Vgl. S. 813. WSchlA. 57—59. " Die altständische Verfassung Braunschweigs wurde gegen den Absolutismus des Herzogs geschützt (1830), während der hannoversche Verfassungsbruch und die Vertreibung der sieben Göttinger Professoren (1837) von Bundes wegen ungeahndet blieben.

§ 84.

Die Reformbcstrobun^en im Bunde u. den Bundesstaaten bis 1848.

815

liehen bis zur Gegenwart erhalten haben. Einen neuen Anstoß für die konstitutionelle Entwickelung Deutschlands gab die französische Julirevolution. Repräsentativverfassungen erhielten 1831 Kurhessen, Sachsen Altenburg und das Königreich Sachsen, das bis dahin strenge an den altständischen Einrichtungen festgehalten hatte, 1832 Braunschweig, 1833 Hannover. Die hannoversche Verfassung wurde, nachdem die Verbindung des Landes mit England durch den Tod des Königs Wilhelm III. gelöst war (1837), von König Emst August unter dem nichtigen Vorwande, daß er als Agnat seine Zustimmung nicht erteilt habe, umgestoßen und 1840 durch eine neue, mit einer ungesetzlichen Ständeversammlung vereinbarte Verfassung ersetzt. Die altständische Verfassung bestand jetzt nur noch in beiden Mecklenburg, Holstein-Lauenburg, Oldenburg und den kleinsten Bundesstaaten. Österreich beharrte in einem verknöcherten Absolutismus, der sämtliche habsburgische Länder zusammenfaßte und den deutschen Charakter des Kaiserstaates infolgedessen stark in den Hintergrund treten ließ; in einzelnen Provinzen bestanden Provinziallandtage, aber mit ganz untergeordneten Befugnissen. In Preußen wurde noch 1820 das Versprechen einer „reichsständischen Verfassung" seitens des Königs wiederholt, aber es kam nur zu der Einrichtung von Provinzialständen (1823—24) auf vorwiegend altständischer Grundlage und mit sehr beschränkten Kompetenzen. Im übrigen wurde in landesväterlicher Fürsorge mit einem streng gewissenhaften Beamtentume an dem Ausbau des Staates auf Grundlage der SteinHardenbergischen Reformen gearbeitet. Die Heeres-, Civil- und Finanzverwaltung wurde weiter vervollkommnet. Seit 1829 wurde die regelmäßige Veröffentlichung des Staatshaushalts eingeführt. Die konstitutionelle Entwickelung. kam erst unter Friedrich Wilhelm IV. mehr in Bewegung. Den Anfang machten die vereinigten ständischen Ausschüsse (1842), denen 1847 der vereinigte preußische Landtag, eine in Herrenkurie und Ständekurie geteilte Vereinigung der acht Provinziallandtage, folgte. Den von dem vereinigten Landtage gestellten Anträgen auf Einführung einer Repräsentativverfassung wurde keine Folge gegeben. Einer der wichtigsten preußischen Staatsakte war das Gesetz vom 26. Mai 1818 über den Zoll und die Gebrauchssteuer von ausländischen Waren und über den Verkehr zwischen den Provinzen des Staates. Durch dasselbe wurden sämtliche Binnenzölle aufgehoben und die Zollgrenze an die Landesgrenzen verlegt. Die von preußischem Gebiete eingeschlossenen Enklaven der übrigen deutschen Staaten wurden nach und nach durch besondere Verträge sämtlich mit dem preußischen Zollgebiete vereinigt; dasselbe geschah seitens der drei anhaltischen Herzogtümer, der Fürstentümer Waldeck-Pyrmont und Lippe und des Großherzogtums Luxemburg, das in diesem Verhältnisse bis zur Gegenwart geblieben ist 18 . Nachdem " Der Anschluß erfolgte zuerst 1842, zunächst auf 6, später auf je 12 Jahre. Die letzte Erneuerung (1865) wurde durch § 14 des Staatsvertrages vom 11. Juni

816

Die Neuzeit.

eine Reihe von Einzeiverträgen vorausgegangen war, traten in den Verträgen vom 22. und 30. März 1833 Preußen, beide Hessen, Baiern, Würtemberg und Sachsen zu einem Gesamtverein („Zoll- und Handelsverein") zusammen, der zugleich die Anschlußstaaten des preußischen Zollgebietes mitumfaßte. Noch in demselben Jahre trat der thüringische Zollverein, dem Preußen und Kurhessen ebenfalls mit einigen Landesteilen angehörten, dem „Gesamt-Zoll- und Handelsverein" bei 17 . Frankfurt a. M. schloß sich 1836 an. Braunschweig, das früher dem 1834—36 errichteten Steuerverein angehört hatte, folgte 1841, während Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe den Steuerverein fortsetzten, bis dieser 1854 ebenfalls mit dem Zollverein verbunden wurde. Schließlich umfaßte der Zollverein ganz Deutschland mit Ausnahme von Österreich, Holstein-Lauenburg, beiden Mecklenburg und den drei Hansestädten. Der Zollverein war ein völkerrechtlicher Verein, der immer nur auf bestimmte Zeit (12 Jahre) abgeschlossen, aber regelmäßig, wenn auch zuweilen erst nach schweren Krisen, wieder erneuert wurde. Das Organ des Vereins war die jährlich an einem vorher vereinbarten Orte zusammentretende Zollkonferenz, aus Bevollmächtigten der Vereinsstaaten bestehend; ein Majoritätsprinzip bestand für dieselbe nicht, die Beschlüsse mußten einstimmig gefaßt werden. Preußen vertrat zugleich seine Zollanschlüsse, hatte aber im übrigen kein Vorrecht, wenn ihm auch thatsächlich auf diesem Gebiete der materiellen Interessen die Führerschaft nicht entgehen konnte. Der Zollverein bildete ein einheitliches Verkehrsgebiet mit gemeinsamem Zoll- und Handelssystem, einheitlichem Zollgesetz und Zolltarif, einheitlicher Zollordnung. Auch über gleichmäßige Besteuerung innerer Erzeugnisse wurde eine Reihe von Vereinbarungen innerhalb des Vereins getroffen; eine derartige, den ganzen Zollverein umfassende Steuer war die Rübenzuckersteuer. Gemeinsame Grundsätze wurden hinsichtlich des Münz- und Gewichtssystems aufgestellt. Während die Münzkonvention von 1838 noch die kölnische Mark zu Grunde legte 18 ,, ging der Münzverein von 1857, dem auch Österreich und Liechtenstein beitraten, bereits von dem als Gewichtseinheit angenommenen Zollpfunde zu 500 Gr. aus 19 . Noch auf einem zweiten Gebiete hat der Zollverein

1872 über die Übernahme der Luxemburger Eisenbahnen in die Verwaltung des Deutschen Reiches in der Weise unkündbar gemacht, daß der Zollanschluß bestehen bleibt, solange das Reich die Eisenbahnverwaltung behält. 17 Vgl. Aeqidi, Aus der Vorgeschichte des Zollvereins, 1865. Weber, Der deutsche Zollverein, 1869. Nebeniüs, Der deutsche Zollverein, 1835. G. Meyer, Lehrb. d. deutsch. Staatsrechts ,§ 58. 18 Vgl. S. 775 f. Die süddeutschen Staaten gingen von dem 2t Gulden-Puße zum 24'/, Guldenfuße über, so daß der 14 Thaler-Puß und der reformierte rheinische Münzfuß in dem Thaler (= l s / 4 PI.) und dem 2 Thalerstück ( = 31/, Fl.) eine beiden Systemen angepaßte Münze erhielten. 19 Aus dem Pfunde feinen Silbers wurden 30 Thaler oder 45 Fl. österreichisch oder 52'/j PI. rheinisch geprägt. Vereinsmünze wurde der dem früheren Thaler gleichwertige Vereinsthaler zu l l / 9 Fl. österr. und 1 °/4 Fl. rheinisch.

§ 85.

Der Deutsehe Bund von 1848 bis 1866.

817

für ganz Deutschland eine gewaltige Förderung gebracht, indem Preußen am 31. August 1847 auf Beschluß der Zollvereinskonferenz die sämtlichen deutschen Bundesregierungen zur Beschickung der Leipziger Wechselkonferenz einlud. Das Ergebnis derselben war der am 9. Dezember 1847 vollendete Entwurf der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung. § 8 5 . Der D e u t s c h e B u n d von 1848 bis 1 - 8 6 6 D i e ungeheure Bewegung, von der das ganze deutsche Volk nach der französischen Februarrevolution durchzuckt wurde, war in erster Reihe gegen den Deutschen Bund und auf eine angemessene Beteiligung der Nation an der Regierung des Bundes und der Einzelstaaten, daneben auf innere Reformen (Redeund Preßfreiheit, Versammlungsfreiheit, Beseitigung der Patrimionialgerichte, Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden u. dgl. m.) gerichtet. Die Bundesversammlung überstürzte sich seit dem März 1848 in patriotischen Beschlüssen, die zum Teil ohne die erforderlichen Instruktionen der Regierungen gefaßt wurden. Die früheren freiheitsfeindlichen Bundesbeschlüsse und Ausnahmegesetze wurden aufgehoben, die früher als hochverräterisch betrachteten Reichsfarben wurden als Bundesfarben und der Reichsadler als Bundeswappen angenommen, die Revisionsbedürftigkeit der Bundesverfassung und die Notwendigkeit einer National Vertretung ausgesprochen. Während auf Einladung der Bundesversammlung ein Ausschuß von 17 Männern des allgemeinen Vertrauens (nach den 17 Stimmen des engeren Rates) den Entwurf eines deutschen Reichsgrundgesetzes ausarbeitete, dessen Grundgedanken vollständig in die heutige Reichsverfassung übergegangen sind 3 , erwuchs den Reformbestrebungen der Bundesversammlung eine volkstümliche Konkurrenz in dem sog. Vorparlament, einer aus freiem Antriebe zu Frankfurt zusammengetretenen Notabelnversammlung, zu der sich zahlreiche in Staats- oder Gemeindevertretungen hervorragende Männer eingefunden hatten. Obschon dieser Versammlung jede amtliche Auktorität fehlte, erhielt das Vorparlament und der von demselben eingesetzte Fünfzigerausschuß bei der Ratlosigkeit der Bundesversammlung gleichwohl einen großen Einfluß auf das Reformwerk. Bei den auf Bundesbeschluß vom 30. März 1848 von sämtlichen Bundesregierungen angeordneten Wahlen einer Nationalvertretung zur Vereinbarung einer Reichsverfassung wurden die von dem Vorparlament entworfenen Grundzüge eines Wahlgesetzes maßgebend. Am 18. Mai 1848 trat die „konstituierende deutsche Nationalversammlung" 1 Vgl. ZACHARIÄ, Staats- u. Bundesrecht I 3 . 200 ff'. SCHULZE, Lehrh. d. deutsch Staatsrechts I. 123 ff. G. MEYER, Lehrb. d. deutsch. Staatsrechts §§ 58—61. KLÜPEEL, Geschichte der deutschen Einheitsbestrebungen, 2 Bde., 1872—73. WEIL, Quellen u. Aktenstücke zur deutschen Verfassungsgeschichte, 1850. ROTH U. MEBK, Quellen Sammlung des deutschen öffentlichen Rechts seit 1848, 2 Bde., 1850—52. VoGEt., Studien zur Geschichte des Frankfurter Parlaments, 1881. 8 Verfasser des Entwurfes, dem zunächst keine weitere Folge gegeben wurde, war Dahlmann. Ii. ScHKüujtu, Deutgehe Keclus^eschiuhte. 52

818

Die Neuzeit.

in der Paulskirche zu Frankfurt zusammen. Nachdem dieselbe zunächst ein Gesetz über die provisorische Zentralgewalt beschlossen und daraufhin den Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt hatte, übertrug die Bundesversammlung am 12. Juli 1848 „namens der deutschen Regierungen" die Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse und Verpflichtungen an die provisorische Zentralgewalt und legte dieselben feierlich in die Hände des Reichsverwesers, indem sie erklärte, daß sie „ihre bisherige Thätigkeit als beendet" ansehe. Damit war die bisherige Bundesverfassung rechtlich aufgehoben und die Vollendung des Reformwerkes der provisorischen Zentralgewalt und der Nationalversammlungübertragen. Eine Verständigung mit den Einzelregierungen war rechtlich nicht mehr erforderlich, wohl aber durch die Staatsklugheit geboten. Das Reformwerk scheiterte, weil die Nationalversammlung in Überschätzung ihrer Macht von einer solchen Verständigung glaubte absehen zu können. Unter dem 26. November 1848 wurde der von der Nationalversammlung als Reichsgesetz angenommene Entwurf der Leipziger Wechselkonferenz, die Allgemeine Deutsche Wechselordnung, im Reichsgesetzblatte publiziert, ebenso am 27. Dezember die als Teil der Reichsverfassung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes" und am 12. April 1849 das Reichswahlgesetz 3 . Die am 27. März 1849 beschlossene „Verfassung des Deutschen Reiches" erhielt die Unterschrift des Reichsverwesers nicht; sie wurde ohne dieselbe, als „beschlossen und verkündigt von der Nationalversammlung zu Frankfurt", durch die Präsidenten und Schriftführer des Parlamentes unter dem 28. März 1849 im Reichsgesetzblatte bekannt gemacht. Nach der „Verfassung des Deutschen Reiches" sollte das bisherige Bundesgebiet einen konstitutionellen Bundesstaat bilden, mit einem erblichen „Kaiser der Deutschen" und verantwortlichen Reichsministern, sowie einem aus Staaten- und Volkshaus bestehenden Reichstage; das Staatenhaus sollte zur einen Hälfte aus Vertretern der Regierungen, zur andern aus Abgeordneten der Einzellandtage bestehen, das Volkshaue ausunmittelbaren, geheimen Volkswahlen hervorgehen 3 . Die bereits am 28. März von der Nationalversammlung vollzogene Kaiserwahl fiel auf Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der die Wahl am 3. April bedingt, am 28. April endgültig ablehnte, weil die Nationalversammlung die von dem Könige gestellte Bedingung der freien Zustimmung der Einzelstaaten zu der Reichsverfassung verwarf. Es folgte die Abberufung der preußischen Abgeordneten zur Nationalversammlung von seiten der preußischen Regierung, deren Beispiel von den meisten übrigen Regierungen ebenfalls befolgt wurde. Damit war das Reformwerk der Bewegungsjahre 1848—49 gescheitert. Die konstituierende Nationalversammlung löste sich auf. Die ohnmächtigen Versuche des in Frankfurt verbliebenen, dann nach Stutt3 Das am 27. März beschlossene Wahlgesetz wurde unter dem 12. April 1849 seitens des Reichsverwesers publiziert. Auf Grund dieses Gesetzes erfolgte später die Wahl des konstituierenden Reichstages für den Norddeutschen Bund.

§ 85.

Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.

819

gart übergesiedelten Restes der Versammlung, des sogenannten Rumpfparlamentes, zur Aufrichtung der Volkssouveränität und der Republik, gehören nicht in die Rechtsgeschichte. Die ehemalige Bundesverfassung war seit dem 12. Juli 1848 aufgehoben, und das Gesetz über die provisorische Zentralgewalt vom 28. Juni 1848 enthielt keine Bestimmung, wie der gesetzlich unauflösbare Bund in dem nun eingetretenen Falle zu einer verfassungsmäßigen Organisation hätte kommen können. Der Vertragsweg blieb das einzige Auskunftsmittel, das sogleich von der preußischen Regierung ergriffen wurde. Das am 26. Mai 1849 von Preußen, Hannover und Sachsen abgeschlossene Dreikönigsbündnis bezweckte, unbeschadet der Fortdauer des noch genauer zu regelnden Bundesverhältnisses mit Österreich, die Errichtung eines die übrigen deutschen Staaten umfassenden Bundesstaates unter dem Namen „Deutsches Reich". Der gleichzeitig vereinbarte Verfassungsentwurf schloß sich auf das engste an den Frankfurter Entwurf an, beseitigte aber die Übertreibungen des parlamentarischen Systems, trug der Selbständigkeit der Einzelstaaten etwas mehr Rechnung, ersetzte den Titel „Kaiser der Deutschen" durch „Reichsvorstand" und stellte dem Reichsvorstande, dessen Würde mit der Krone von Preußen verbunden wurde, für Akte der Gesetzgebung ein Fürstenkollegium zur Seite. Den) Dreiköuigsbündnis traten 28 Bundesregierungen bei, während Baiern und Würtemberg die Verfassung ablehnten, Österreich gegen den Versuch eines engeren Bundes überhaupt protestierte. Nachdem auch Hannover sich wieder von dem Bündnisse losgesagt hatte, wurde der Verfassungsentwurf durch Additionalakte vom 25. Februar 1850 dahin geändert, daß der Bund den Namen „Deutsche Union" erhalten sollte. Der am 20. März 1849 zu Erfurt eröffnete Reichstag nahm die Verfassung unverändert an. Aber die preußische Regierung hatte nicht die Kraft und bald auch nicht mehr den Willen, dem um sich greifenden Abfalle der Verbündeten zu steuern. Die Deutsche Union blieb ein totgeborenes Kind. Die Erfurter Verfassung ist nie ins Leben getreten. Ebensowenig hatte der von den süddeutschen Regierungen aufgestellte Münchener Gegenentwurf einen Erfolg. Österreich und Preußen hatten sich nach der Auflösung der Nationalversammlung, da die von Preußen nicht mehr anerkannte provisorische Zentralgewalt des Reichsverwesers nur noch ein schattenhaftes Dasein führte, über eine gemeinsam zu übernehmende provisorische Bundesleitung verständigt. Noch bevor diese ins Leben trat, berief Österreich als Präsidialmacht auf den 11. Mai 1850 eine außerordentliche Bundesplenarversammlung nach Frankfurt. Obwohl nur elf Regierungen vertreten waren, erklärte sich die Versammlung für beschlußfähig und verfügte sofort die Bundesexekution gegen das schleswig-holsteinische und das kurhessische Volk, die für ihr Festhalten an Recht und Verfassung von dem Bunde gezüchtigt werden sollten. Nachdem Preußen sich in dem 01mützer Vertrage vom 29. November 1850 unterworfen hatte, wurde die 52*

820

Die Neuzeit.

Bundesversammlung nach und nach wieder von sämtlichen deutschen Regierungen anerkannt. Der Deutsche Bund hatte in den Jahren der Prüfung nichts gelernt und nichts vergessen. Die schmachvollste Reaktion im Bunde wie in den Einzelstaaten nahm ihren Anfang. In den Bewegungsjahren hatten sämtliche Staaten, die noch keine Reprfisentativverfassung besaßen, eine solche erhalten; in anderen waren die bestehenden Verfassungen zum Teil neugestaltet worden. Die Verfassungsgesetze waren größtenteils im Wege der Vereinbarung zustande gekommen, der geringere Teil beruhte auf einseitigem Regierungserlaß. Überall hatte, ein erfreulicher Fortschritt stattgefunden. Die Patrimonialgerichte waren größtenteils beseitigt, die Gerichtsverfassungen überhaupt in einer den modernen Anschauungen entsprechenden Weise reformiert, Strafrecht und Prozeß in derselben Richtung umgestaltet, Religions-, Gewerbe-, Preßund Versammlungsfreiheit durchgeführt, die verschiedene Berechtigung der Standesklassen aufgehoben, das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden beseitigt u. dgl. m. An Auswüchsen der Volksfreiheit und des parlamentarischen Systems fehlte es freilich nicht, und eine auf diese beschränkte maßvolle Reaktion würde sich den Dank der Nation erworben haben. Das genügte aber der Bundesversammlung und vielen Einzelregierungen nicht. In Österreich, Holstein und beiden Mecklenburg wurden die neuen Verfassungen ohne weiteres wieder aufgehoben und die früheren Zustände hergestellt. Am schroffsten waren die Verfassungsbrüche in Hannover und Kurhessen, beide von der Bundesversammlung gutgeheißen und unter deren Schutz genommen. Das „monarchische Prinzip" der Wiener Ministerialkonfferenzen kam wieder zu Ehren und wurde seitens der Bundesversammlung in willkürlichster Weise benutzt, um die Einzelregierungen zu mehr oder weniger gewaltsamen Verfassungsrevisionen zu veranlassen oder darin zu bestärken 4 . Erst der Eintritt der Regentschaft des Prinzen von Preußen (1858) führte einen Umschlag herbei. Seit Preußen, von männlicher Hand regiert, sich wieder in verfassungsmäßigen Bahnen bewegte und einem gemäßigten Fortschritte huldigte, hatte die Reaktion auch in der Bundesversammlung allen Boden verloren. Die Bundesreform trat wieder in den Vordergrund. Ein von der sächsischen Regierung aufgestellter Entwurf hatte keine weiteren Folgen. Ein anderer, 1862 von neun Mittelstaaten in einer .Konferenz zu Würzburg vereinbarter Entwurf, welcher der Bundesversammlung für gewisse Akte der Gesetzgebung eine aus Abgeordneten der Landesvertretungen gebildete Delegiertenversammlung zur Seite stellen wollte, wurde vom Bundestage abgelehnt. Ein neues Projekt einer sehr komplizierten Bundesverfassung wurde 1863 von Österreich einem auf seine Einladung in Frankfurt zusammengetretenen Fürstentage vorgelegt, 4

Die einzige verdienstvolle Leistung der Bundesversammlung aus dieser Zeit war der am 18. Dezember 1856 gefaßte Bundesbeschluß, durch den die Bundesstaaten zur Beschickung der Nürnberger Kommission behufs Ausarbeitung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches eingeladen wurden.

§ 85.

Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.

821

dasselbe scheiterte aber an dem Widerspruche des Königs von Preußen, der jede Beteiligung an den Verhandlungen ablehnte, wenn nicht eine wahre Nationalvertretung auf Grund allgemeiner Wahlen und die volle Gleichstellung beider Großmächte in betreff des Präsidiums in Aussicht genommen würde; außerdem verlangte Preußen für jede der beiden Großmächte ein Veto gegen alle nicht den unmittelbaren Schutz des Bundesgebietes betreffenden Bundeskriege. Der Gegensatz der beiden Großmächte trat noch einmal in den Hintergrund infolge des von beiden gemeinsam unternommenen deutschdänischen Krieges 5 , aber der den Krieg beendigende Wiener Friede (.'50. Oktober 1864), in welchem Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zur Verfügung der beiden Verbündeten abtrat, brachte neuen Zündstoff. Zwar wurde die lauenburgische Frage durch den Gasteiner Vertrag (14. August 1865) endgültig beigelegt, indem Osterreich gegen eine Geldentschädigung seine Ansprüche an Preußen abtrat, aber im übrigen kam es nur zu einem bedenklichen Provisorium, indem Preußen die alleinige Verwaltung Schleswigs, Österreich diejenige Holsteins übernahm, die Hoheitsrechte über beide aber bis zu einer definitiven Entscheidung über das Schicksal der Herzogtümer gemeinsam blieben. Nachdem Österreich einseitig diese Entscheidung in die Hände der Bundesversammlung gelegt und die holsteinischen Stände einberufen hatte, sah Preußen in dieser Handlungsweise eine Kündigung des Gasteiner Vertrages und rückte zur Wahrung seines Mitbesitzes wieder in Holstein ein. Osterreich wich einer Begegnung aus, beantragte aber bei der Bundesversammlung die Mobilmachung gegen Preußen. Das Bundesrecht bot dafür keine Handhabe, nur die Einleitung eines Austrägalverfahrens wegen Besitzstörung (S. 811) würde der Bundesverfassung entsprochen haben. Indem der österreichische Antrag am 14. Juni 1866 zum Bundesbeschluß erhoben wurde, machte sich die Bundesversammlung eines Verfassungsbruches schuldig, der für Preußen der Anlaß wurde, noch an demselben

5

In Dänemark hatte nach dem Tode Friedrichs VII. (15. November 1863) auf Grund des Londoner Vertrages vom 8. Mai 1852 und des dänischen Thronfolgegesetzes vom 31. Juli 1853 König Christian IX. den Thron bestiegen, während die Succession in Schleswig-Holstein, wo die Stände der Änderung des Thronfolgegesetzes nicht zugestimmt hatten, an sich dem Hause Augustenburg zustand. Da aber das Haupt des letzteren, Herzog Christian, dem Londoner Vertrage zugestimmt hatte, so war damit nach lehnrechtlichen Grundsätzen für ihn und seine Nachkommen das Successionsrecht beseitigt. Wenn gleichwohl sein Sohn, der Erbprinz Friedrich, als Prätendent auftrat und darin von der Bundesversammlung wie von der öffentlichen Meinung in Deutschland unterstützt wurde, so geschah dies ohne eigentlichen Rechtstitel. Es war daher durchaus gerechtfertigt, wenn Österreich und Preußen, zumal selbst durch den Londoner Vertrag gebunden, Christian IX. auch als Herzog von Schleswig-Holstein anerkannten und nur verlangten, daß die seit dem 15. Jahrhundert gewährleistete verfassungsmäßige Verbindung beider Herzogtümer (S. 373) aufrechterhalten und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark rückgängig gemacht werde. Erst als dies verweigert wurde, schritten sie zum Kriege.

822

Die Neuzeit.

T a g e seinen Austritt aus dem Bunde zu erklären. norddeutschen Staaten. einigten eines

Ihm folgten die meisten

Die ausgetretenen bisherigen Bundesglieder ver-

sich zu einem Schutz- und Trutzbündnis und zur Errichtung

norddeutschen

Bundesstaates in Anlehnung

an die von Preußen

kurz vor seinem Austritte in der Bundesversammlung vorgelegten „Grundzüge einer Bundesreform". des neuen Bundesstaates.

Der Verlauf des Krieges entschied zu Gunsten In

dem Nikolsburger Präliminarvertrage

vom

26. Juli und dem Prager Frieden vom 23. August 1866 erkannte Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes an, trat seine Ansprüche auf Schleswig-Holstein

an Preußen ab und erklärte seine Einwillung zu der

Errichtung eines Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung, sowie der Herstellung einer „nationalen Verbindung" desselben mit den süddeutschen Staaten.

Nachdem die Verbündeten des Kaiserstaates in Einzel-

verträgen ebenfalls zugestimmt hatten, war die Bahn für die Neugestaltung des Deutschen Reiches

geebnet.

Am

24. August

1866 löste

sich

der

Best der zuletzt nach Augsburg übergesiedelten Bundesversammlung auf.

Viertes Kapitel. Die

Rechtsquellen.

STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II. 1864. § 86.

Die

juristische

Litteratur1.

Nach

der Rezeption

der

fremden Rechte war es die nächste Aufgabe der Wissenschaft, dieselben dem Volke zugänglich und verständlich zu machen. Teil durch deutsche Rechtsbücher, in

Dies geschah zum

denen neben den benutzten ein-

heimischen Quellen auch römisches und kanonisches Recht herangezogen wurden.

Dies war schon in der Glosse zum Sachsenspiegel und Sachs.

Weichbilde geschehen. 16. Jahrhunderts

Zu nennen sind hier noch das zu Anfang des

entstandene Rechtsbuch

des J o h a n n e s

Purgoldt2,

die Bearbeitungen des Sachsenspiegels von M e l c h i o r K l i n g (1542), die Erbrechtsregeln und die Schriften des L o r e n z F r i e s über würzburgisches Gerichtswesen, namentlich

sein Zentbuch 3 .

wiegend rein deutschrechtliches W e r k ist der

Ein

sehr wertvolles, über-

Wendisch-Rügianische

1 Vgl. STOBBE, II. 40ff., 143 — 182, 414—26. STINTZING, Geschichte der populären Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867; Ulrich Zasius, 1857; Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2 Bde., 1880—84. BÖHLATJ, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. f. RW. NF. IV. 525 ff. VII. 1 ff. 8 OBTLOFF, Sammlung deutscher Rechtsquellen II. 1860. Erwähnung verdient auch die „Summa der rechte w e g gnant", vgl. BÖHLATJ, i. d. Zeitschr. f. RG.

V I I I . 165 ff., 325. 3 Vgl. ROCKINGER, Magister Lorenz Fries, Abh. d. Münchener Akad. XI. (1871) 149 ff.; Über fränkisch-wirzb. Zentbücher, Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1872.

822

Die Neuzeit.

T a g e seinen Austritt aus dem Bunde zu erklären. norddeutschen Staaten. einigten eines

Ihm folgten die meisten

Die ausgetretenen bisherigen Bundesglieder ver-

sich zu einem Schutz- und Trutzbündnis und zur Errichtung

norddeutschen

Bundesstaates in Anlehnung

an die von Preußen

kurz vor seinem Austritte in der Bundesversammlung vorgelegten „Grundzüge einer Bundesreform". des neuen Bundesstaates.

Der Verlauf des Krieges entschied zu Gunsten In

dem Nikolsburger Präliminarvertrage

vom

26. Juli und dem Prager Frieden vom 23. August 1866 erkannte Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes an, trat seine Ansprüche auf Schleswig-Holstein

an Preußen ab und erklärte seine Einwillung zu der

Errichtung eines Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung, sowie der Herstellung einer „nationalen Verbindung" desselben mit den süddeutschen Staaten.

Nachdem die Verbündeten des Kaiserstaates in Einzel-

verträgen ebenfalls zugestimmt hatten, war die Bahn für die Neugestaltung des Deutschen Reiches

geebnet.

Am

24. August

1866 löste

sich

der

Best der zuletzt nach Augsburg übergesiedelten Bundesversammlung auf.

Viertes Kapitel. Die

Rechtsquellen.

STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, II. 1864. § 86.

Die

juristische

Litteratur1.

Nach

der Rezeption

der

fremden Rechte war es die nächste Aufgabe der Wissenschaft, dieselben dem Volke zugänglich und verständlich zu machen. Teil durch deutsche Rechtsbücher, in

Dies geschah zum

denen neben den benutzten ein-

heimischen Quellen auch römisches und kanonisches Recht herangezogen wurden.

Dies war schon in der Glosse zum Sachsenspiegel und Sachs.

Weichbilde geschehen. 16. Jahrhunderts

Zu nennen sind hier noch das zu Anfang des

entstandene Rechtsbuch

des J o h a n n e s

Purgoldt2,

die Bearbeitungen des Sachsenspiegels von M e l c h i o r K l i n g (1542), die Erbrechtsregeln und die Schriften des L o r e n z F r i e s über würzburgisches Gerichtswesen, namentlich

sein Zentbuch 3 .

wiegend rein deutschrechtliches W e r k ist der

Ein

sehr wertvolles, über-

Wendisch-Rügianische

1 Vgl. STOBBE, II. 40ff., 143 — 182, 414—26. STINTZING, Geschichte der populären Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867; Ulrich Zasius, 1857; Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, 2 Bde., 1880—84. BÖHLATJ, i. d. Krit. Viertelj.-Schr. f. RW. NF. IV. 525 ff. VII. 1 ff. 8 OBTLOFF, Sammlung deutscher Rechtsquellen II. 1860. Erwähnung verdient auch die „Summa der rechte w e g gnant", vgl. BÖHLATJ, i. d. Zeitschr. f. RG.

V I I I . 165 ff., 325. 3 Vgl. ROCKINGER, Magister Lorenz Fries, Abh. d. Münchener Akad. XI. (1871) 149 ff.; Über fränkisch-wirzb. Zentbücher, Sitz.-Ber. d. Münch. Akad. 1872.

§ 86.

Die juristische Litteratur.

823

4

L a n d g e b r a u c h des Matthäus von Normann . Mechanische Zusammenstellungen der Abweichungen des heimischen Rechts von dem römischen enthielten die sogenannten D i f f e r e n t i a e , während Werke aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie der Usus modernus pandectarum von S t r y k und S c h i l t e r ' s Praxis iurisRomani in foro Germanico das deutsche Recht in systematischem Zusammenhange mit dem römischen Rechte behandelten . Den Notaren dienten verschiedeneF o r m el b ü c h er oder Rhetoriken. Das römische Recht suchte man teils durch deutsche Übersetzungen, teils durch populäre Darstellungen zugänglich zu machen. Die älteste und ausführlichste Darstellung des römischen Rechts in deutscher Sprache ist der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wahrscheinlich in Schwäbischhall verfaßte „ K l a g s p i e g e l " , später „Richterlich Klagspiegel" genannt. Das Werk behandelt das bürgerliche Recht, Strafrecht und Strafverfahren. Der Verfasser ist unbekannt. Irrtümlicherweise wurde später Sebastian Brant für den Verfasser gehalten, weil der Klagspiegel seit der 6. Auflage (1516) von ihm, und zwar als zweiter Teil des Laienspiegels, herausgegeben wurde. Der L a i e n s p i e g e l war ein Werk des Ulrich Tenngler, Landvogtes zu Hochstedt, früher Stadtschreibers zu Nördlingen. Der Laienspiegel erschien zuerst 1509. Er schöpfte neben dem römischen und kanonischen Recht auch aus dem unmittelbaren Rechtsleben. Außer den gemeinrechtlichen Quellen benutzte der Verfasser die italienische Jurisprudenz, besonders das Speculum des Durantis, ferner die Magdeburger Fragen, den Schwabenspiegel, den Klagspiegel und andere populäre Werke, die Bamberger Halsgerichtsordnung und die wichtigsten Reichsgesetze seiner Zeit. Der Laienspiegel sollte den bei der Rechtspflege beteiligten Laien als Handbuch dienen. Er umfaßte Privatrecht, Strafrecht und Prozeß, man hat ihn nicht mit Unrecht als eine „Realencyklopädie des gesamten weltlichen Rechtes" bezeichnet. Er verdrängte alsbald die gesamte übrige Litteratur dieser Richtung 5 , nur der ihm von Seb. Brant als Anhang angefügte Klagspiegel vermochte sich neben ihm zu halten. Beider Ansehen verschwand erst, als der Laienstand gänzlich aus den Gerichten geschieden war. Die von den Italienern überkommene Neigung, den Prozeß in dramatischer Form, als Prozeß des Teufels gegen Christus oder Maria, zu behandeln, begegnet schon bei Tenngler. Bemerkenswert in dieser Richtung sind die Schriften des bekannten ältesten deutschen Dramatikers J a c o b A y r e r (f 1605), auch die F a s t n a c h t spiele waren zum Teil nichts anderes als dramatische und oft recht unflätige Darstellungen geistlicher Gerichtsverhandlungen. 4

Abgefaßt 1. Hälfte des 16. Jh., herausg. von GADEBUSCH, 1777, und DBEYER, Monumenta anecdota I. 1760. Vgl. HOMEYER, Historiae iuris Pomeranici capita quaedam, Berl. Inaug.-Diss. 1821. 5 Hervorzuheben sind noch die Schriften von P e r n e d e r und G o b i e r (Mitte des 16. Jh.). Das „Statutenbuch" des letzteren ist eine bloße Kompilation aus seinen sonstigen Schriften und den Werken Perneders. Besondere Berücksichtigung der Partikularrechte zeichnet die Werke von M e u r e r aus.

Die Neuzeit.

824

An den deutschen Universitäten wurde bis Mitte des 15. Jahrhunderts ausschließlich kanonisches Recht, sodann bis zum 17. Jahrhundert römisches und kanonisches Recht und lombardisches Lehnrecht gelesen. Die einheimische Gesetzgebung wurde nur beim Strafrecht berücksichtigt. Als Schriftsteller auf dem Gebiete des Strafrechts ragten seit Mitte des 17. Jahrhunderts B e r l i c h und C a r p z o v hervor. Der erste Lehrstuhl für Naturrecht wurde 1661 in Heidelberg errichtet und mit Pufendorf besetzt. An derselben Universität war schon 1604 angeregt worden, die Professur des ius canonicum durch eine solche des ius Germanicum antiquum zu ersetzen, der Vorschlag wurde aber von der Fakultät abgelehnt. Ausgaben der Volksrechte und Kapitularien wurden bereits im 16. und 17. Jahrhundert von Sichard, Herold und Goldast veranstaltet, dieselben verfolgten aber noch ausschließlich antiquarische Zwecke. Der Begründer einer wissenschaftlichen deutschen Rechtsgeschichte war erst H e r m a n n C o n r i n g zu Helmstedt (1606—81), dem wir außer seinem bahnbrechenden Werke „De origine iuris Germanici" (zuerst 1643) noch verschiedene andere Arbeiten über deutsche Verfassungsgeschichte und Staatsrecht verdanken (S. 783). Die rechtsgeschichtliche Forschung bewegte sich dann zunächst auf dem Gebiete des Staatsrechts8. Für die Wissenschaft des deutschen Privatrechts wirkten namentlich Schilter und Thomasius (1655—1728). Von einem Schüler des letzteren, Beyer, wurde 1707 die erste Vorlesung über deutsches Privatrecht an der Wittenberger Universität gehalten. U m dieselbe Zeit erhielten verschiedene Universitäten eigene Lehrstühle für Partikularrechte. § 87. D i e R e i c h s g e s e t z e 1 . Seit Maximilian 1. hatte die Reichsgesetzgebung einen außerordentlichen Aufschwung genommen, der trotz der Unterbrechung durch die Religionskriege bis zum Jahre 1654 anhielt. Der permanent gewordene Reichstag hat nichts Erhebliches mehr geleistet. Während die Reichsreformgesetze meistens nur vorübergehende Bedeutung behielten, kann man den ewigen Landfrieden von 1495 und den Augsburger Religionsfrieden von 1555 3 gewissermaßen als Reichsgrundgesetze bezeichnen. Ein wahres Reichsgrundgesetz war das westfälische Friedensinstrument, das sich auch selbst als solches bezeichnete und die Aufnahme seiner Bestimmungen in den nächsten Reichsabschied und die Wahlkapitulation vorschrieb: „sit haec transactio perpetua lex et pragmatica imperii sanctio, imposterum aeque ac aliae leges et constitutiones fundamentales imperii nominatim proximo imperii recessui ipsique capitulationi caesareae inserenda, obligans non minus absentes quam praesentes, ecclesiasticos aeque ac políticos, sive status imperii sint sive

8 Vgl. die S. 783 f. angeführten Werke. Hauptvertreter des deutschen Staatsrechts waren P u f e n d o r f , C h e m n i t z , M o s e r , H ä b e r l i n , P ü t t e r u. a. m. 1

V g l . STOBBE, I I . 183—205.

2

Aufgenommen in den Augsb. EA. von 1555, § § T—30 (N. Samml. I I I . 16 ff.).

§ 87.

Die Reichsgesetze.

825

3

non" . Bestätigt wurde diese -Bestimmung durch den JRA. von 1654, der die Friedensurkunden von Osnabrück und Münster seinem Texte einfügte und sie feierlich „vor ein gegebenes Fundamentalgesetz des heil. Reichs und immerwährende Richtschnur und ewige norma iudicandi" erklärte 4 . Das zweite Reichsgrundgesetz dieser Periode war die Wahlkapitulation, obwohl sie nach der Art ihres Zustandekommens überhaupt kein Reichsgesetz war 6 . Sehr umfassend war die Reichsgesetzgebung über die Verfassung und das Verfahren des Reichskammergerichts (S. 766), über Münzwesen (S. 775), Kreisverfassung (S. 762, 765) und Heerwesen (S. 770f.), obwohl es zu einer dauernden Regelung des letzteren nicht kommen wollte. Die Reichspolizeiordnungen (S. 774) zogen auch einige privatrechtliche Verhältnisse in ihren Bereich, und dasselbe war bei der Notariatsordnung von 1512 der Fall 6 . Im übrigen beschränkte sich die Reichsgesetzgebung auf privatrechtlichem Gebiete auf einige Bestimmungen über die gesetzliche Erbfolgeordnung, und zwar hier in einer jede partikularrechtliche Abweichung ausschließenden Form 7 , während der Landesgesetzgebung bei anderen das materielle Recht betreffenden Reichsgesetzen freier Spielraum gelassen zu werden pflegte 8 . Ausführliche civilprozessualische Bestimmungen, namentlich die Abkürzung des Verfahrens bezweckend, wurden in den auch sonst sehr inhaltsreichen JRA. von 1654 aufgenommen 9 . Weitaus das bedeutendste Reichsgesetz war die sogenannte Karolina (CCC., d. h. Constitutio Carolina Criminalis), die peinliche Halsgerichtsordnung (PHGO.) Karls V. von 1532 10 . Wie auf dem Gebiete des Pro3

JPO. XVIII. § 2. JPMunster. § 112. N. Samml. III. 602, 619. 5 JRA. §§ 4—6, N. Samml. III. 642. Vgl. S. 756. • Vgl. N. Samml. II. 151 ff. Art. 1 der Not.-O. handelt von Testamenten, Art. 3 von Prozeßvollmachten. Auf das Vormundschaftsrecht beziehen sich RPO von 1548, Art. 31, und von 1577, Art. 32 (N. Samml. II. 602. III. 394), sowie RA. von 1570 (ebd. III. 317 f.). 7 Vgl. RA. von 1498 § 37 (N. Samml. II. 46) über das Repräsentationsrecht der Enkel, RA. von 1521 § 19 (ebd. II. 206) über das der Kinder vorverstorbener Geschwister, RA. von 1529 § 31 (ebd. II. 299) über die successio in capita für die Kinder der Geschwister unter sich. Vgl. STOBBE, II. 203 f. 4

8

V g l . S. 729, 784.

9

STOBBE, I I .

186.

JRA. §§ 34—103, 107 (N. Samml. III. 647—60). Diese Bestimmungen sollten auch bei den Landesgerichten zur Anwendung kommen, während durch § 137 der Wunsch ausgesprochen wurde, daß auch das reichskammergerichtliche Verfahren möglichst bei den Landesgerichten eingeführt werde. Über den JRA. vgl. STINTZING, Gesch. d. Rechtsw. II. 10 Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. nebst der Bamberger und Brandenburger HGO., her. v. ZÖPFL, 1842; eine synoptische Ausgabe der Texte von demselben ist 1876 erschienen. Vgl. GÜTERBOCK, Entstehungsgeschichte der Karolina, 1876. BRUNNENMEISTER, Quellen der Bambergensis, 1879. HÄLSCHKER, Preußisches Strafrecht I. 78 ff. v. BAR, Geschichte d. deutsch. Strafrechts §§ 40—45. STOBBE, II.

241—56.

826

Die Neuzeit.

zesses, so hatte auch auf dem des Strafrechts die Rezeption des römischen Rechts lediglich die Bedeutung einer Rezeption der italienischen Jurisprudenz gehabt. Diese hatte schon geraume Zeit vorher die volle Herrschaft über die italienische Praxis erlangt; in Deutschland wurden ihre Erzeugnisse selbst von Schwarzenberg als „die keiserlichen recht" bezeichnet. Die italienischen Juristen, von denen für Deutschland besonders Gandinus, Angelus Aretinus und Bartolus in Betracht kamen, entnahmen aus dem römischen Rechte die Hervorhebung des im deutschen Strafrecht viel zu wenig berücksichtigten Schuldmomentes, die Unterscheidung zwischen dolus und culpa, die Lehre von der Notwehr und dem Versuche. Sie betonten das öffentliche Prinzip des peinlichen Rechts und verlangten Unabhängigkeit der Bestrafung von dem Willen des Verletzten. Im übrigen beließen sie es bei der germanischen Einteilung der Delikte und dem germanischen Strafensystem. Neben dem römischen Recht betrachteten sie die Statutarrechte und die consuetudo generalis als vollgültige Rechtsquellen und nahmen nichts aus den römischen Satzungen auf, was dem Rechtsbewußtsein ihrer Zeit widersprach. In Deutschland wurde die italienische Strafrechtsdoktrin hauptsächlich durch den Klagspiegel populär gemacht, weiter ging sie über in die Wormser Reformation von 1498 und die beiden Halsgerichtsordnungen Maximilians I. für Tirol (1499) und Radolfzell (1506) n . Hauptsächlich auf diesen Quellen beruhte die von Johann von Schwarzenberg 18 verfaßte Halsgerichtsordnung des Bischofs Georg von Bamberg, die sog. Bambergensis, von 1507, die gleichzeitig ebensowohl den Charakter eines Gesetzbuches wie den eines von Amts wegen zusammengestellten Lehrbuches des italienischen Strafrechts trug. Vermöge ihres hohen inneren Wertes, durch den sie ihre Vorgänger weit überragte, wurde die Bambergensis bald auch in verschiedenen Gerichten außerhalb des Bamberger Gebietes rezipiert, sie fand Eingang in den Laienspiegel und wurde der brandenburgisch-fränkischen HGO. von 1516 zu Grunde gelegt. Auch der auf Beschluß des Wormser Reichstages von 1521 noch in demselben Jahre verfaßte erste Entwurf der Karolina beruhte durchaus auf der Bambergensis, daneben auf dem „Correctorium in der Bamberg. HGO.", einer Sammlung bambergischer Entscheidungen und Verordnungen von 1507—1515. Die drei weiteren Entwürfe, der Nürnberger von 1524, der Speierer von 1529 und der dem Augsburger Reichstage von 1530 vorgelegte, auf dem Nürnberger Reichstage von 1532 endlich angenommene vierte Entwurf rühren von Schwarzenberg selbst her. Die lange Verzögerung der gesetzgeberischen Arbeit wurde durch den einer

11

Vgl. W A H L B E B G , Die maxirailianischen Halsgerichtsordnungen, in HAIMERL'S Viertelj.-Schrift IV. 131 ff. 12 Schwarzenberg (geb. 1463, + 1528) gehörte einem alten fränkischen Rittergeschlechte an. Er war bambergischer Hofmeister und als solcher Vorsitzender des fürstlichen Hofgerichts. Vgl. H E R R M A N N , Johann Frh. von Schwarzenberg, 1841, SEITZ, Das Bamberger Hofgerichtsbuch mit den Urteilen Schwarzenbergs, Zeitschr. f. RG. IL 435 ff.

§ 88.

Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert.

827

einheitlichen Strafgesetzgebung widerstrebenden Partikularismus der Reichsstände veranlaßt, bis der Kaiser sich entschloß, dem Gesetze die sog. salvatorische Klausel beizufügen, wonach den „alten wolherbrachten und billichen gebreuchen nichts benommen" sein, das Gesetz also gegenüber den bestehenden Partikularrechten nur subsidiäre Geltung haben sollte13. Aber in dieser Eigenschaft trat die Karolina in die Stelle des bisherigen gemeinen Rechtes, sie war die erste und einzige von Reichs wegen ergangene Kodifikation und hat das deutsche Strafrecht und den Strafprozeß mehrere Jahrhunderte lang beherrscht. Die Karolina war eine vielfach verbesserte Bearbeitung der Bambergensis und gleich dieser und den älteren Vorarbeiten zunächst eine Strafprozeßordnung, in welche die Bestimmungen über das materielle Strafrecht (Art. 1 0 4 — 1 8 0 ) an gelegener Stelle eingeschoben wurden. § 88. Die L a n d e s g e s e t z g e b u n g b i s z u m 18. J a h r h u n d e r t 1 . Die Rezeption der fremden Rechte und die Ausbildung der Landeshoheit zu einer wahren Staatsgewalt gab im 16. Jahrhundert den Anlaß zu einer außerordentlich lebhaften Landesgesetzgebung, die überall, wo die Reichsgesetzgebung keine absoluten Bestimmungen getroffen hatte, den Vortritt vor der letzteren hatte-2. Es handelte sich hauptsächlich darum, den bei der Rechtspflege beteiligten Laien gewissermaßen durch amtliche Lehrbücher die für sie unentbehrlichen Kenntnisse zu übermitteln, andererseits aber auch das einheimische Recht vor den Übergriffen der gelehrten Juristen zu schützen, die nur das geschriebene Recht als eigentliche Rechtsnorm behandelten und das Gewohnheitsrecht nur berücksichtigten, wenn es von der sich darauf berufenden Partei nachgewiesen wurde. Dazu kam, daß die Rechtsanschauungen unter dem Einflüsse der Rezeption vielfach andere geworden waren und eine Revision der bestehenden Ordnungen verlangten, daß die zahllosen Kontroversen unter den Rechtsgelehrten nur im Wege der Gesetzgebung abzuschneiden waren, und daß der neu aufgekommene Begriff der „Polizei" ein bis dahin unbekanntes Gebiet staatlicher und gesetzgeberischer Fürsorge aufgeschlossen hatte. Während es in manchen Territorien nur zu Einzelgesetzen oder einer dürftigen Aufzeichnung einzelner Gewohnheitsrechte kam, wurde in anderen eine gewissenhafte Thätigkeit in der Abfassung ausführlicher Landrechte oder Landrechtsreformationen entwickelt. Vielfach wurden dabei fremde Landrechte oder Stadtrechte zu Grunde gelegt oder ohne Änderung einfach übernommen. Immer beschränkte man sich auf die wichtigsten Gegenstände. Eine erschöpfende Behandlung wurde nicht beabsichtigt, subsidiär hatte der Richter sich an das gemeine Recht oder bei einheimischen

18

Soweit spruchten. 1 2

nicht einzelne Bestimmungen

ausdrücklich

absolute Geltung bean-

V g l . STOBBE, I I . 206 ff., 237 ff., 2 5 6 — 7 8 . V g l . S. 8 2 5 . EICHHORN, I V . 2 9 2 ff. PFEFFINGEN V i t r . illustr. I I I . 1149.

828

Die Neuzeit.

Rechtsinstituten an das Gewohnheitsrecht zu halten, soweit das letztere nicht, wie in manchen Landrechten geschah, ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Den Hauptinhalt bildeten Gerichtsordnungen (Gerichtsverfassung und Civilprozeß) und Privatrecht; weniger geschah, wenigstens seit 1532, für Strafrecht und Strafprozeß, wo durch die Karolina ausreichend gesorgt war. In manchen Territorien übte der Landesherr das Gesetzgebungsrecht durchaus einseitig, ohne Mitwirkung der Stände, aus, in anderen wenigstens bei solchen Gesetzen, die dem Lande keine Lasten auferlegten; andererseits gab es Territorien, in denen nichts ohne die Stände geschehen durfte. Zuweilen zogen sich die Stände bei der Abfassung von Landrechten freiwillig, unter Berufung auf ihre mangelnde Rechtskenntnis, von der Mitwirkung zurück, was dann regelmäßig dahin führte, daß die rein romanistischen Anschauungen der mit der Abfassung betrauten Juristen der Arbeit ein völlig römischrechtliches Gepräge gaben und das deutsche Recht ganz verdrängten. Bei der Abfassung des würtembergischen Landrechts (1555) wurde das ausgezeichnete germanistische Material, das man mit größter Sorgfalt durch Anfragen bei den Gerichten zusammengebracht hatte, als unbrauchbarer Wust beiseite geschoben und keiner Berücksichtigung gewürdigt 3 . Höchst mangelhaft waren die Einrichtungen für die Publikation der Gesetze. Man begnügte sich mit dem Druck oder der Verlesung von den Kanzeln, in Rathäusern oder a,uf den Märkten. Zuweilen wurde, wie u. a. am Schluß des Solmser Landrechts, nach dem Vorbilde der Weistümer jährliche Verlesung in den Gerichten vorgeschrieben. Im 16. Jahrhundert überwogen die Landrechte und Landesordnungen, die letzteren in der Regel mehr polizeilichen Inhaltes und an die Reichspolizeiordnungen anknüpfend oder deren Bestimmungen wiederholend. Daneben ergingen zahlreiche Einzelgesetze über die verschiedensten Gegenstände. Das 17. Jahrhundert und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts waren an größeren gesetzgeberischen Erzeugnissen sehr arm, dagegen überwucherte, wenn auch ohne jeden fruchtbaren Gedanken, die Einzelgesetz-^ gebung. Innerhalb der Territorien wurde auch seitens einzelner Gerichtsherren eine gewisse Gesetzgebung in Aufstellung von Gerichtsordnungen, Dorfordnungen u. dgl. ausgeübt. Unter den Einzelgesetzen treten namentlich Gerichtsordnungen4, Halsgerichtsordnungen (S. 826), Lehnsmandate (-Edikte, -Konstitutionen), Wechselordnungen, Deichrechte, Bergrechte und in den protestantischen Territorien Kirchenordnungen hervor. Eine Art Kodifikation des Verfassungsrechtes war die bairische Landesfreiheitserklärung von 1553. Von der großen Zahl der Landrechte sind hier nur die wichtigsten 3 Benutzt sind die Materialien namentlich von WÄCHTER in seinem würtembergischen Privatrecht. Mitteilungen aus den Materialien bei FISCHER, Versuch über die Geschichte der teutschen Erbfolge, II. 1778. REYSCHER, Samml. altwürtembergischer Statutarrechte, 1834. 4 Darunter von besonderer Bedeutung die sächsischen Prozeßordnungen. Vgl.

S T O B B E , I I . 2 6 2 FF.

§ 89.

Die Stadtrechte.

829

6

anzuführen . Durch ihren rein deutschrechtlichen Charakter zeichnen sich aus die Landrechte von Jülich (1537), Kedingen, Hadeln (1588), das Wurster Landrecht (1611), das Bremische Ritterrecht (1577), die Neumünsterschen Kirchspiels- und Bordesholmer Amtsgebräuche 6 . Im übrigen heben wir hervor: die bairische Landrechtsreformation (1518) und das bairische Landrecht (1616), beide noch an den Grundlagen des Landrechts von 1346 festhaltend; die gut deutsche Tiroler Landesordnung (1526/73); die niederösterreichische Landtafel (1573); das Solmser Landrecht. (Gerichts- und Landesordnung der Grafschaft Solms), 1571 von dem Frankfurter Syndikus Fichard verfaßt, Gesetz- und amtliches Lehrbuch zugleich, wegen seiner Tüchtigkeit auch in vielen anderen fränkischen Gebieten als Gesetz angenommen 7 ; das Würtemberger Landrecht von 1555 (revidiert 1567, zuletzt 1610), hauptsächlich von dem Tübinger Professor Sichard, dem Herausgeber verschiedener Volksrechte, verfaßt, aber durchaus romanisierend, das deutsche Recht nur wenig berücksichtigend, übrigens vielfach bei anderen Landrechten als Vorlage benutzt; das Kurpfälzer Landrecht von 1582/1610; die badische Erbrechts- und Vormundschaftsordnung von 1511, verfaßt von Ulrich Zasius, fast ganz römisch, die ausführliche badisclie Landesordnung und die aus dem würtembergischen und pfälzischen Rechte geschöpften Landrechte von Baden-Baden (1588) und HadenDurlach (1654); die Landgerichtsordnung des Herzogtums Franken (Würzburger Landrecht) von 1570 (revidiert 1580 und 1618); die kurkölnischü Reformation (1538) und das Land recht (Rechtsordnung) von 1B63, samt Erläuterungen von 1767; das Landrecht von Jülich-Berg (1555/64), überwiegend römisch; das ostfriesische Landrecht von 1515, das dithmarsische von 1567; das Landrecht des Herzogtums (Königreichs) Preußen von 1620, revidiert 1684 und 1721 (dazu das preußische Seerecht von 1727); die brandenburgische Erbrechtskonstitution Joachims I. (Joachimica) von 1527 8 . Von hervorragender Bedeutung für die Fortbildung des auf dem Sachsenspiegel beruhenden „gemeinen Sachsenrechts" waren die in ganz Norddeutschland zu großem Ansehen gelangten sächsischen Konstitutionen des Kurfürsten August von 1572 und die Decisiones electorales Saxonicae von 1661®. Die jüngsten der hier zu erwähnenden Laudrechte waren das Bamberger (1769), das Mainzer (1755), sowie das auf dem kölnischen Landrecht beruhende Trierer (1668/1714), das gleich dem Mainzer alle Statutar- und Gewohnheitsrechte für aufgehoben erklärte. § 89. D i e S t a d t r e c h t e 1 . Der Unterschied zwischen Reichs- und Landstädten machte sich auf dem Gebiete der Gesetzgebung ganz be5

Eine erschöpfende Übersicht giebt STOBBE, II. 336—413.

6

H e r a u s g e g e b e n v o n SEESTERN-PAULY, 1824.

' Vgl. FOCHS, Zur Geschichte der Solmser Gerichts- und Landordnung, Zeitschr. f. RG. VIII. 270 ff. 8 Vgl. HEYDEMANN, Elemente der Joachimischen Konstitution, 1841. 9 Vgl. MUTHEB, Beitrag z. Gesch. d. sächsischen Konstitutionen und des Sachsen1 spiegels, Zeitschr. f. RG. IV. 168 ff. Vgl. SXOBUE, II. 224 ff., 279 ff.

830

Die Neuzeit.

sonders bemerklich. Während die ersteren zu voller Landeshoheit gelangten und das Recht der Gesetzgebung in derselben Weise wie die Landesherren besaßen, wurde die Autonomie der Landstädte durch die aufstrebende Staatsgewalt mehr und mehr beschränkt und durch die Landesgesetzgebung verdrängt. Nur wo es zu keinen umfassenden Landrechtsaufzeichnungen kam, wurde den Städten eine freiere Bewegung gelassen, viele brachten es mit landesherrlicher Genehmigung zu amtlichen Aufzeichnungen ihrer Gewohnheitsrechte, Braunschweig (1532), Lüneburg (1577—83) und Rostock (1597) sogar zu umfangreichen Stadtrechtsreformationen. Im allgemeinen bewegte sich die städtische Gesetzgebung durchaus in denselben Richtungen wie in den Territorien. Der Begriff der Reformationen, worunter man gänzliche Umarbeitungen älterer Rechtsquellen oder vollständige Neuredaktionen verstand, kam, wahrscheinlich aus Italien eingeführt, zuerst in den Städten zur Anwendung. Die älteste, noch fast ganz deutschrechtliche Stadtrechtsreformation war die Kölner von 1437, der später (1570) noch eine Prozeßordnung beigefügt wurde. Die bedeutendste unter allen, zugleich das älteste gedruckte Stadtrecht, war die Nürnberger Reformation von 1479 (revidiert 1522, neubearbeitet 1564), die erste vollständige Verarbeitung des gemeinen und einheimischen Rechts auf dem Gebiete des Privatrechts und Prozesses, während die Wormser Reformation von 1498 durchaus den Charakter eines amtlichen Lehrbuches des gemeinen Rechts ohne deutschrechtliche Beimischung hatte. Wenig rücksichtsvoll gegen das ältere Recht erwies sich das Frankfurter Stadtrecht von 1509, das auch in Wetzlar rezipiert wurde; da dasselbe wenig genügte, so wurde Fichard mit der Abfassung eines neuen Stadtrechts betraut, das 1578 zustande kam (revidiert 1611) und namentlich Fichards Solmser Landrecht sowie die Nürnberger und Wormser Reformation als Quelle benutzte. Das Stadtrecht von Freiburg i. Breisg. von 1520 war ein Werk des Ulrich Zasius, verhielt sich aber gegenüber dem heimischen Rechte erheblich rücksichtsvoller als die von demselben verfaßte badische Erbrechts- und Vormundschaftsordnung (S. 829). Ausschließlich deutschrechtlich und nur eine Neuredaktion der älteren Statuten war das Lübecker Stadtrecht von 1586, das auch in den meisten mit lübischem Rechte bewidmeten Städten angenommen wurde. Auch das Hamburger Stadtrecht von 1497, zu dem der Bürgermeister Langenbeck einen Kommentar schrieb, schloß sich noch ganz an das alte Hamburger Recht an; eine Verarbeitung desselben und der späteren Stadtrechtsnovellen oder „Rezesse", unter Benutzung verschiedener anderer Quellen, namentlich der Nürnberger Reformation, war das noch heute geltende Stadtrecht von 1603/5. § 90. gebung1. 1

Die K o d i f i k a t i o n e n und die n e u e r e L a n d e s g e s e t z Die peinliche HGO. Karls V. war die erste wirkliche Kodi-

Vgl. STOBBE, II. 426 ff.

Eine Übersicht über die Gebiete der Privatrechts-

§ 90.

Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung.

831

fikation, durch die auf dem Gebiete des Strafrechts und Strafprozesses der Dualismus des einheimischen und fremden Rechts überwunden wurde. Sie hatte durch zwei Jahrhunderte ausgereicht, aber mit den Anschauungen des 18. Jahrhunderts war sie unvereinbar. Ihr grausames Strafensystem war unzeitgemäß geworden, seit man den Zweck der Strafe nicht mehr in der Abschreckung, sondern in der sühnenden Gerechtigkeit erkannte. Man verlangte eine größere Abstufung der Strafbarkeit, Abschaffung der Tortur. Auf dem Gebiete des Civilprozesses und des Privatrechts fehlte es noch an jeder Kodifikation, obwohl der Gedanke derselben seit dem 16. Jahrhundert die Geister beschäftigte 2 . Die Kodifikationsarbeiten begannen zuerst in P r e u ß e n , unmittelbar nach dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen, der selbst die Grundzüge für dieselben entwarf. Aber zunächst kam es nur zu dem wenig brauchbaren, von Cocceji verfaßten Projekt des Corporis iuris Fridericiani (1749—51), dann wurden die Arbeiten erst in dem letzten Jahrzehnt der Regierung Friedrichs unter dem Minister von Carmer wiederaufgenommen. Für jetzt erlangte B a i e r n den Vorsprung. Unter Kurfürst Maximilian III. wurden drei umfangreiche Gesetzbücher, deren Verfasser und Kommentator der Vizekanzler von Kreitmayr war, zustande gebracht. Wirkliche Kodifikationen waren der Codex iuris Bavarici criminalis (Strafrecht und Strafprozeß) von 1751 und der Codex iuris Bavarici iudiciarii (Civilprozeß) von 1753, während das kurbairische Landrecht (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis) von 1756 noch an der Subsidiarität des gemeinen Rechts festhielt. In P r e u ß e n kam es unter Friedrich dem Großen nur zu einer Civilprozeßordnung (dem ersten Buche des „Corpus iuris Fridericiani") von 1781 und der Allgemeinen Hypothekenordnung von 1783. Die erstere wurde schon nach wenigen Jahren, unbeschadet ihres eigentümlichen, die Verhandlungsmaxime verdrängenden Inquisitionsprinzipes, einer Revision unterzogen. So entstand die Allgemeine Gerichtsordnung von 1793, nebst Anhang von 1815. Den Strafprozeß regelte die Kriminalordnung von 1805. Für die Kodifikation des gesamten materiellen Rechts wurde von Friedrich dem Großen eine Gesetzeskommission eingesetzt, deren Seele der Rat Suarez war 3 . Der Entwurf wurde 1784—88 veröffentlicht und der Kritik übergeben. Die Publikation erfolgte 1791 unter dem Titel „Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen Staaten". Das Gesetzbuch wurde aber kodifikationen gibt unsere Tafel IV. Vgl. meine deutsche Rechtskarte, in PETEBMANN'S geographischen Mitteilungen, 1870. 2 Vgl. BARON, Franz Hotmanns Antitribonian, ein Beitrag zu den Kodifikationsbetrebungen vom 16. bis 18. Jh., Berner Festschrift für Bologna, 1888. MOLLAT, Zur Würdigung Leibnizens, Zeitschr. f. EG. XX. 71 ff. 3 Dieselbe wurde zu einer ständigen Behörde mit der Aufgabe, dem Könige Auslegungs- und Ergänzungsvorschläge zu machen, da den Richtern untersagt wurde, Dunkelheiten oder Lücken des Gesetzbuches aus eigener Thätigkeit auszulegen oder zu ergänzen.

832

Die Neuzeit.

noch vor Eintritt der Rechtskraft wieder zurückgezogen, um erst nach einer oberflächlichen Revision 1794 unter dem Titel „Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten" \Von neuem publiziert zu werden. Die Publikation erfolgte für das ganze damalige Staatsgebiet, mit Ausschluß des Fürstentums Neuenburg und Yaleugin. Mit Rücksicht auf die Gebietsverän^erungen des RDHSchl. erfolgte 1803 eine abermalige Publikation, bei welcher die inzwischen ergangenen Novellen als Anhangsparagraphen an den entsprechenden Stellen eingefügt wurden. Nach den Befreiungskriegen wurde das ALR. auch in die neuerworbenen Gebiete eingeführt; nur Neuvorpommern und Rügen sowie der rechtsrheinische Teil des Regierungsbezirks Koblenz (Bezirk des Justizsenats Ehrenbreitstein) behielten gemeines, das gesamte linke Rheinufer und ein Teil des rechten Rheinufers der Rheinprovinz französisches Recht. Von den durch die französischen Kriege von Preußen abgetrennten Gebieten wurden die bairischen Markgrafschaften Ansbach und Baireuth, das hannoversche Ostfriesland, die niedere Grafschaft Lingen und das Eichsfeld sowie ein Teil von Sachsen-Weimar im Besitze des ALR. belassen. Das ALR. zerfällt in zwei Teile, die Teile in Titel, die Titel in Paragraphen. Die Hauptbestandteile bilden das Privatrecht (Teil I. und Teil II. Tit. 1—6), das Kirchenrecht (Teil II. Tit. 11) und das Strafrecht (Teil II. Tit. 20). Die Titel 7—10 des II. Teils behandeln das Ständerecht: Bauernstand (Tit. 7), Bürgerstand (Tit. 8), Adel (Tit. 9), Beamtenschaft (Tit. 10). Bei dem Bauernstande werden auch die Dorfgemeinden, bei dem Bürgerstande die Städte (§§ 8 6 - 1 7 8 ) , Zünfte und Gewerbe (§§ 179—474), Handelsrecht (§§ 475—712, 1250—1388, 2452—64), Wechselrecht (§§ 713—1249), Seerecht (§§ 1389—1933, 2359—2451) und Versicherungsrecht (§§ 1934 bis 2358) abgehandelt. Teil II. Tit. 12—19 enthalten Bestimmungen aus dem Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechts, mit Einschluß der Regalien und des völlig bureaukratisch aufgefaßten Vormundschaftsrechts (Tit. 18). Das ALR. trat an die Stelle der sämtlichen Quellen des gemeinen Rechts und gemeinen Sachsenrechts und nahm daher für sich nur subsidiäre Geltung hinter den Statuten und Provinzialrechten, deren Kodifikation ebenfalls ins Auge gefaßt wurde, in Anspruch 4 ; dem Gewohnheitsrecht wurde subsidiäre Geltung hinter dem ALR. zugebilligt. Alle übrigen Privatrechtskodifikationen haben Prinzipalgeltung und lassen das Gewohnheitsrecht nur da zu, wo das Gesetz ausdrücklich darauf verweist. In Ö s t e r r e i c h beschränkten sich die Kodifikationsarbeiten auf Strafund Privatrecht. Sie begannen unter Maria Theresia, von welcher der Strafkodex (Constitutio criminalis Theresiana) 1768 noch selbst publiziert wurde. Von dem Privatrecht gelangte 1786 unter Joseph II. der das 4 Die das Familien- und Intestaterbrecht enthaltenden Titel 1—3 des II. Teils wurden anfangs noch suspendiert, doch wurde diese Maßregel später nur noch in der Mark Brandenburg, einigen poinmerschen Kreisen uud dem ehemaligen Herzogtum Westfalen aufrecht erhalten.

§ 90.

Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung.

833

Familienrecht enthaltende erste Teil des „Josephinischen Gesetzbuches" zur Publikation, aber erst 1811 konnte das vollständige „Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das Kaisertum Österreich" verkündigt werden. Dasselbe umfaßt in drei Teilen, die wieder in Hauptstücke zerfallen, 1502 durchgezählte Paragraphen. Das System ist ähnlich wie in den privatrechtlichen Teilen des A L R . Form und Ausdrucks weise des österreichischen BGB. sind gefälliger, weil die Verfasser von Maria Theresia die Anweisung erhalten hatten, sich auf die Prinzipien zu beschränken und auf keine Kasuistik einzulassen, während Friedrich der Große wo möglich für jeden Fall eine besoudere Bestimmung haben wollte. Die übergroße Kasuistik ist der Hauptfehler des ALR., das im übrigen sich durch Klarheit der Ausdrucksweise, gesunde Auffassung und außerordentliche Gründlichkeit vorteilhaft von allen anderen Kodifikationen unterscheidet. Beide Gesetzbücher enthalten neben dem unmittelbar übernommenen heimischen Rechte, das immerhin gegenüber dem römischen stark in den Hintergrund tritt, viel unbewußt hineingetragenes, indem die Redaktoren vielfach von dem römischen Rechte nur darum abwichen, weil sie etwas anderes für ein Gebot der Vernunft oder der Natur der Sache hielten, während sie sich thatsächlich in deutschen Rechtsanschauungen bewegten. Mehr deutsches Recht als das A L R . und das österreichische BGB. enthält das 1804 als Code civil des Français veröffentlichte, dann nach dem Staatsstreiche revidierte und 1807 als C o d e N a p o l é o n von neuem publizierte französische Civilgesetzbuch, bei dessen Abfassung das in Nordfrankreich herrschende, rein germanische droit coutumier vielfach ausschlaggebend wurde 6 . Die weiteren französischen Kodifikationen waren der Code de procédure civile von 1806, Code de commerce von 1807, Code d'instruction criminelle von 1808 und Code pénal von 1810. I n B a d e n wurde das französische Civilgesetzbuch nebst dem Code de commerce in amtlicher deutscher Bearbeitung mit einigen wesentlichen Zusätzen 1808/9 als Badisches Landrecht mit einem Anhang „Von den Handelsgesetzen" publiziert. Die französischen Gesetzbücher erhielten in Deutschland während der napoleonischen Zeit eine weite Verbreitung. Infolge der Restauration wurde ihr Geltungsgebiet in der aus unserer Tafel I V ersichtlichen Weise eingeschränkt. I m Laufe unseres Jahrhunderts erhielten verschiedene schweizerische Kantone eigene Privatrechtskodifikationen, unter denen das von Bluntschli verfaßte privatrechtliche Gesetzbuch des Kantons Zürich (1853—56) die erste Stelle einnimmt. Das BGB. für das Königreich Sachsen wurde 1863 erlassen. Die in Hessen-Darmstadt und Bayern verfaßten Entwürfe und die späteren preußischen Kodifikationsarbeiten haben keinen Erfolg gehabt. Über die Frage einer allgemeinen Kodifikation für Deutschland bestand eine Zeit lang ein lebhafter Streit zwischen Savigny und Thibaut, den beiden Häuptern der historischen und der philosophischen Rechtsschule8. Durch 5 6

V g l . ZÖPPI, i. d. Zeitschr. f. deutsch. Recht V . 110 ff. Vgl. SAVIGNY, Vom Berufe unserer Zeit zur Gesetzgebung, 1814; Zeitschr. f .

E. SCHBÖDBB, Deutsche Bechtsgesohlotite.

53

834

Die Neuzeit.

den Zollverein kam die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (S. 818), durch den Bundestag das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (S. 820) zustande. Die in den letzten Jahren des Deutschen Bundes hervorgetretenen Bestrebungen für ein allgemeines deutsches Obligationenrecht und eine allgemeine deutsche Civilprozeßordnung haben vortreffliche Vorarbeiten zu Tage gefördert; zu einer Gesetzgebung ist es nicht gekommen, weil Preußen es ablehnte, sich ohne eine Reform der Bundesverfassung auf eine gemeinsame Gesetzgebung einzulassen. Unter den Strafrechtskodifikationen unseres Jahrhunderts ragten die beiden bairischen Strafgesetzbücher von 1813 (verfaßt von Feuerbach) und 1861, das preußische von 1850, das österreichische von 1852/53 hervor. Unter den Civilprozeßordnungen nahmen die von Baiern (1869) und Hannover (1850) den ersten Rang ein. Während diese sich wesentlich an das französische Verfahren anschlössen, begnügte man sich iu Preußen mit einer Verbesserung derAGO. von 1793 durch die Verorduungen vom 1. Juni 1833 und 21. Juli 1846; die Gerichtsverfassung wurde durch Verordnung vom 2. Januar 1849 völlig umgestaltet. Die Verordnung vom 3. Januar 1849 (nebst Gesetz vom 3. Mai 1852) brachte endlich auch für Preußen die Reform des Strafprozesses mit öffentlichem und mündlichem Verfahren und Geschworenengerichten, in Anlehnung an das seit der napoleonischen Zeit von den süddeutschen Staaten angenommene französische Verfahren. gesch. Rechtswissenschaft I. 373 ff. THIBAUT, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, 1814. ZÖPFL, i. d. Zeitschr. f. deutsch. R. IY. 91 ff. BEKKEE, Über den Streit der hist. u. philos. Rechtsschule, Heldelb. Rektoratsrede, 1886.

Wort- und Sachregister. (Die Zahlen beziehen sich auf die Seiten, der Zusatz n auf die Anmerkungen.) Aachen 112. 192. 459. 462. 467. 470. 476. 486. 522. 589 n. 592. 645. 763 n. 797 f. Reichstag 220. 221 n. 223 n. 236—39. Abcdarien 631. Abendmahlsprobe 361. Abmeierung 739. absacire 265. Abschoß 812 n. Absolute Monarchie 788. 803. 815. Absonderung, Abteilung der Kinder oder Erben 254. 263. 270. 312 f. 328. 694. 698. Abt, Äbtissin, Abtei 140. 157 n. 383. 387. 480 f. 503 n. 574; vgl. Eeichsabteien. Abtriebsrecht 201. 262. Accise 603. 794 n. 799; vgl. Ungeld. achasius 291. 304. 316 n. Achillea 780. achramire 57. 282. Acht, Oberacht 72. 74. 76. 81. 84. 85 n. 118 n. 173. 331. 367. 383. 406. 449. 468. 498. 503 n. 514. 530. 534. 544. 557 n. 561. 567. 618. 628 n. 703 f. 705. 714. 721. 756 n. 769 f. A.-Register 534. A.-Schatz 533. A. und Bann 468. 704. heimliche A. 562. 567. Acker, Ackerbau 10. 44. 198. 409 f. 413 n. 416. 418. 435. 440. 599. 615. A.-Verlosung 11. 20. 23. 41 f. 44. 48 f. 196. 412. A.-Gelder 187.192. 204. Vgl. Agrarverhältnisse, additio sapientum 236. Adel 18. 37. 42 f. 48. 60. 69 n. 106 f. 167. 209—11. 294 f. 300. 334. 341. 383. 394 n. 416. 418—34. 444 f. 448 n. 455 n. 492. 497. 514. 533 n. 538. 540. 545. 551 f. 553. 557. 561 f. 564. 566. 572 f. 580 n. 581 f. 595. 604. 610. 633. 727 f. 743. 755. 766. 788 f. 791 f. 794. hoher A. 421. 425 n. 447. 546 f. 552. 566. 621. 743 f. 779 f. niederer 421. 448. 566. 744 ff. 785 f. 800. Brief-A. 432. 487.

745. atifts- u. turniermäßiger A. 745 f. Aberkennung 745. Vgl. Reichsritterschaft, Reichsstände. Adelchis 232. adfatimus 61. 63 n. 265 n. 328. adiutorium 151. 159. admallare 80. admonitio 86. 279. adoha 499. Adoption 27 f. 51. 56. 61—65. 67 f. 70. 156. 256 n. 282. 300. 312. 317. 328 f. 487. 693. advocaticii 435 n. 436. advocatus 193. 489. 539. 549. provincialis 538. Advokaten 766. aeneum 361 n. aerarium 192. Afterding 36 f. 165 n. 543. Aftersend 572. Agnaten, agnatische Rechte 60. 326. 397 n. 398 n. 401 n. 461. 734 f. 737. 780; vgl. Schwertmagen, agraria 187. Agrarverhältnisse 22. 43—50. 196 ff. 407 ff. 738 ff.; vgl. Acker. Ahnen 324. 397 n. 398. 431 n. 432 n. 448. 745 f. aicis 123. Aistulf 232. Aktenversendung 728. 793 f. 811. 813. Alaisiagae 36. Alamannen 9. 89 f. 92 f. 98 f. 102. Recht 21. 23 n. 28. 38 n. 39 f. 107 f. 113. 121 n. 132. 162 n. 168 f. 171. 183 n. 186 n. 188 n. 201 n. 209 ff. 217. 221 f. 234. 246. 250. 252 f. 266 f. 277 n. 283. 287. 287. 291. 296 f. 307. 319. 332 ff. 337 ff. 342. 348 n. 355. 364. 542. Formeln 249. Vgl. Schwaben. Albertus 234 n. Albrecht I. 463. 466. 489. 504 n. 515. 617. 53*

836

Wort- und Sachregister.

629 n. 633 n. II. 535. 721. 762. 765. der Bär 375. 470. 474. aldii, aldiones 40. 214 ff. 218. 257 f. 286 n. 335 f. 437. Alfred d. Gr. 94. 239. Allode, Allodifikation 382. 417. 420 f. 427. 497 f. 503f. 563. 576. 599. 736f. 778. 801. Almende 48. 196. 199 f. 206. 408 ff. 412 ff. 441. 443 f. 515 f. 570. 599. 740 f. 743. A.-Felder, Gärten 412 n. alodis 200 n. 201 n. 213. 260 n. Altar 217 f. 257 n. 264. 266 ff. 462. Altersstufen 62. 253. 662. 697 f. 709. 750. altvil 252 n. Amt, Amtmann 488. 548.550. 558 f. 581. 583 f. 725. 793 f. 796. A.-Schreiber 584. 725. 794. A.-Unfähigkeit 705 f. A.Vergehen 130. 161 n. 173. 189 f. 331 n. A.-Verlust 341. Amtsrecht 116. 134. 170. 217. 223. 242. 271. 368 f. 613. 618. amund 62 n. 217 f. anagrip 337 n. andelang 51 f. 264. Anerbe 263 n. 442. 743. Anerkennungszins 276. 669 n. Anfang (anevanc), Klage mit 349 ff. 663 f. 714. A. von Nachlaßgegenständen 349 n. 698 n. 713. Anfechtung von Urkunden und Urteilen 117 n. 118 n. 245. 342. 494. angariae 190. Angefälle 402 f. 578 (vgl. 672). Angeln 89. 92. 94. 238. Angelsachsen 5. 89 f. 94. 102. Recht 14 n. 21. 22 n. 23 n. 25. 34 n. 38 n. 39 f. 42 n. 69 n. 107 f. 114 n. 119. 121 n. 124. 129. 143.185 n. 186 n. 196 n. 205. 209 f. 217 n. 221 ff. 239 f. 245 f. 253 n. 254 n. 259. 266 f. 274. 286 f. 291. 302. 306. 313 n. 316. 319. 332 n. 334 f. 337 n. 339. 343. 349 f. 366. 656. 686 n. Anglonormannisches Eecht 5. 63 n. 271 n. 321 n. Anhalt 377. 458. 478. 621. 807 f. Anleite 469. 561. 711. 714 n. Anschlag 770. 773. 787. Ansegis 243 f. 619. 627. Ansbach und Baireuth 560. 780 n. 832. Anstiftung 345 n. antefactum 302. Antiqua, westgothische 229 f. 235. Antyustionen 26. 136. 156. 159. 211. 358 n. 361 n. Antwort 77. 154 n. 356. Anvertrautes Gut 260. 347 ff. 663. Anwachsungsrecht 328. 890. 399 f. Anwandäcker 198 n. Anwartung (anwardinge) 391. 394. Anweisungssystem 444. 527. 795. Apanage 779. apocrisiarius 172 n. Apostasie 706 n. appennis 246.

Aquileja 374. 377. 379 n. Aquitanien 99. 101. 120 f. 132. 381. araticum 187. Arbeiten, öffentliche 129. 131. archicancellarius 471. 473 f. archicapellanus 138. 471. archidiaconus 141 f. 572 f. archipresbyter 141. Archiv, Reichs- 138. Aregis 232. Arelate 372. 374. 472. Ärgere Hand 294. 446 ff. Arier, arisches Recht 1. 8. 235 n. 348. 360 ff. arimanni 27 n. 41 n. Ariovist 21. 32. 39 f. 102. Ariprand 234 n. Arme, Armenpflege 513 n. 747. 787. armiger 110 n. 430. Arno 247 ff. Arnsberg, Arnsberger Reformation 477. 565 n. 568 n. Arnulf 372. 462 n. Arnulfinger 99. l l l f . 138. 145. 149. 152. 156. 170 ff. 188. 192. 204. 243. arrha 53. 260 n. 285. 290 f. 303 n. Artikelsbrief 772. 789 f. asega 25. 35. 168. 236. 318. 539 f. 572. asto animo 345 n. Athalarich 230. Athanarich 21 n. Äthelbirht 94. 239. Äthelred 239. Äthelstan 239. Attila 90 ff. auctoritas 34. 82. 114. 161 n. Auetor vetus de benefieiis 621. 630 n. Aufgebot 16. 29. 113. 129 ff. 134 n. 149. 151 f. 495—98. 501. 526. 575. 578. 666. 671 f. 700. Auflassung 52. 97 n. 265—72. 277. 330. 353. 388. 406. 542 n. 559. 569. 669—73. 678. 700 f. 712. 726 n. Aufsicht (Kontrolle) 768. 774. 784. 794. 797. 804 f. Auftrag zu Lehn- oder Zinsrecht 275. 408. 669. Augenschein, gerichtlicher 716. Augsburg 122 n. 460 n. 510 n. 589 n. 594 f. 598 n. 605. 626 f. 629. 646. 730. 757. 763. 797 f. 822. Konfession 778. Religionsfriede 748. 779 n. 824. Ausbürger 603. Aushebung 770 n. 790. 804. 810. Ausmärker 53. 199 n. 262. 570. Aussätzige 253 n. 698. Aussetzen von Kindern 61. Aussteuer 67. 296 ff. 312 f. 438. 692. 694. 780. Austräge 79. 535. 767. 794. 801. 810 f. Austrasien 99. l l l f . 117. 119 ff. 127 n. 132. 137. 145. 147. 151. 154. 158 n. 171. 183. 195. 205 f. 257 n. 322. 338. 372. 376. 612.

Wort- und Sachregister. Außenlehen 581. 736. Authenticae 513 n. 516 n. 619. 723. Autonomie 603 ff. 607. 613. 636. 745. 799. 801. 830; vgl. Hausgesetze, aviatica terTa 319 n. avunculus 60. 69 f. 321 n. Ayrer, Jakob 823. Backöfen 199 n. 417. 520. bacellarius (bachelier) 430 n. Baden 479. 487 n. 733. 756. 759. 763 n. 802. 807. 814. 829. 833. Baiern, bairisches Recht 9 n. 40.89. 91. 99. bis 102.120. 132.168f. 172n. 183n. 186 n. 209. 221. 234 f. 242 n. 248 f. 253 n. 255. 264 n. 266 f. 272 f. 276 n. 281 n. 283. 285 n. 287. 307. 310. 323 n. 325 n. 332—35. 337 f. 342. 344 f. 349 n. 353 n. 359. 363 n. 366. 374—78. 387 n. 425 n. 437 n. 459 ff. 470. 476 n. 478. 481. 484 f. 508. 515. 542. 547. 555 n. 559. 575. 584. 594 n. 612 f. 617 n. 628 n. 633 f. 648. 686. 691 f. 738. 750. 752. 756. 759. 762 n. 770 n. 776. 780. 788. 792 n. 794. 795 n. 799. 802. 806 f. 814. 819. 828 f. 831. 833 f. Baldus 725. ballivus 539. balmunt 316. Bamberg 375. 510 n. 560. 628. 645. 762 n. Dienstrecht 651. Halsgerichtsordnung 823. 826 f. Bänke, im Reichstage 759. Baun (vgl. Grafen-, Hanse-, Herzogs-, Kirchen-, Königsbann) 17. 31. 34. 36. 110. 115—18. 130. 166 n. 168. 189. 194. 342 n. 344 n. 354 n. 367 f. 512. 514. 520. 540. 554 n. 608. 706. B.-Fälle, die acht 316 n. 341. B.-Gewässer 189. 520 f. B.-Leihe 539. 554 ff. 558 n. 563 f. 578. 592. 801. B.-Meile 520. B.-Mühle 520. B.-Rechte 520. B.-Wald 189. 304 n. 518. 520 f. B.-Wein 520. B.-Zaun 409. Banner 31. 36. 110. 115. 497.499. 582 n. der B. (Büttel) 539. bannitio 149. 354. Bar, Herzogtum 435 n. 718. Bargilden, Bergilden, Biergelden 212. 434. Barleute 214. 258. 437. baro 40. 42. 126 n. 419. barragania 293 f. barschalk 40. 2H. 258. 437. Bartolus 725. Barverträge 54. 168. 283 ff. Basel 510 n. 589. 595 f. 605. 646. 763 n. Dienstrecht 646. 651. Bataver 49 n. 95 f. 104 n. 106. 121 n. Bauding 436. 569 f. Bauern 10. 206. 211 f. 383. 407 ff. 416. 418. 427. 431—35. 444. 448. 496 f. 515 n. 545. 562. 564. 569 f. 737-43. 746 ff. 786. 794 n. B.-Gemeinde, -Gericht, -Sprache, -Meister 395 n. 410. 558. 570.

837

587. 594 n. 598. 637. B.-Gut 201. 208 n. 318. 408—18. 557. 559. B.-Krieg 444. 741. 746. B.-Befreiung 747 f. 803 f. Baugut 686 n. Beamtentum 118 f. 126 ff. 210 f. 379. 476 f. 484. 488 f. 533. 539. 546 f. 549. 552. 555 ff. 559. 581—84. 593 f. 596. 603. 730. 745. 751. 753 f. 766. 769. 790. 794 ff. 803 ff. 815. Beaumont, loi de 434 f. 437. 443. 645. Beddemund 438. Bede 189. 418. 444. 506. 525 f. 584. 587. 600. 603; vgl. Kontribution, Steuer, bedellus 584. Befestigung 32. 48. 125. 500. 575. 579 f. 588. 591 f. 594. 600. 605. 608. 617. 762. 772. 787. 799. 810; vgl. Burg. Befronung 110. 367 f. 454 n. 671. 676. 711. Beihilfe 339. Beilager 69. 290 n. 292 f. 682. Beisitz 229 n. 309 f. 314. 316 n. 684. Beisitzer im Gericht 532. 536. 538. 547. 558. Benedictus Levita 178. 244. 287. 627. Beneflzien 118. 130. 152. 157—60. 173. 188. 191—95. 205 f. 208. 246. 273. 275 bis 277. 370. 382. 423. Benevent 100. 132 f. 185. 219 n. 232. 308 f. 315. Berg 479. 635. 733. 736. 802. 806. Bergbau, Bergregal 190. 204. 262 n. 510. 521—24. 580. 601. Bergelohn 516. Bergrechte 633. 828. Beritt 584. 796. Berlin 589 n. 604 n. Bern 647. Berthold von Henneberg 721 ; von Regensburg 627. Berufung 173. 180 f. 529. 533 n. 535. 558. 567. 569. 595. 715. 767. 792. 798. 801 n. Besançon 879 n. 472. 758. 763 n. Besatzungsdienste, B.-Recht 426. 605 f. Besitz s. Gewere. B.-Streit 767. 811. Besserung 599. 677 n. Besthaupt 439. 441 n. 747. Betreibungsverfahren 76. 79. 85 f. 281. 347. 365 ff. 715. Betrug 571. beunde 413. 415. 440. Beute 20. 27 f. 113. 144. 189. 192 n. 664. Beweis 55 f. 82 ff. 303. 307 f. 354 f. 446 n. 655 ff. 710—15. B.-(Jrteil 82. 357. 710 ff. B.-Vertrag 357. leibliche Beweisung 713. Biergelden s. Bargilden, bifang 47 f. 199 f. 412 f. Bigamie 69. 571. 706. Billigkeitsgerichc 114. 170 n. 173 f. 346. 369 f. Birsch, freie 561. Bischöfe, Bistümer 100. 125. 139—43. 145 ff. 149 n. 157 n. 177—81. 210. 240. 340 n. 378 f. 387 f. 462. 473. 476 f. 479. 481 f. 493. 503—6. 525. 537 f. 565 f.

838

Wort- und Sachregister.

571—75. 582. 594. 605. 625. 657. evangelische 758 f. Bischofsstädte 493. 525 f. 529. 592 jf. 605. Bissen, geweihter 361. Bitte, erste 751. blasphemare 363 n. Blasphemie 571. Blume des Sachsenspiegels 631. 638. von Magdeburg 638. Blutbann 380 n. 477. 551 f. 557. 559 f. 562. 570. 578 n. 591 n. 595. 604 n. Blutrache 73. 335. 705; vgl. Fehde. Blutsbruderschaft 65 n. böcland 205. Bodenregal 181. 189. 203 ff. 207. 411. 416. 515 f. 519 ff. 579. 671. bodthing 36. 540; vgl. Botding. Böhmen 10. 91. 374 ff. 387 n. 453. 458 ff. 467. 470 f. 477 f. 480. 498 n. 508. 555 n. 564. 577. 579 n. 587 n. 612 f. 621 f. 629 f. 634. 637 f. 649 f. 660. 689. 692 n. 720. 732 n. 737. 755 f. 762 f. 770 n. 777. 792. Bologna 233. 625. 724. Bonifatius 140. 157. 205 n. 235. 324 n. Bonifatius VIII. 468. 556. Bonusfilius 233 n. Borgarthingslög 220 n. Bornheimer Berg 541 n. 560. Botding 165 n. 536. 540. 544 f. 578. 586; vgl. bodthing. Bote, B.-Dienst 420. 491. 536. 544. Boxdorf, von 625. 724. Brabant 377. 471. 478. Brabanciones 501. Brandenburg (vgl. Preußen) 373. 379 n. 392 n. 427. 430 n. 435 f. 457 ff. 470 f. 478. 517 n. 551 ff. 556 ff. 577 n. 580 f. 683 f. 587 f. 594 f. 628 f. 638 ff. 689. 692. 71.9 f. 755. 758 f. 762 n. 775 f. 780. 785. 788. 790. 794. Halsgerichtsordnung 826. Brandmarkung 338 n. 704. Brandstiftung 237 n. 333 n. 342 n. 344. 616. 706. Brant, Sebastian 823. B. von Tzerstedt 025. Brauerei 520. Braunschweig (vgl. Hannover) 377. 388 n. 399. 425 n. 479. 589 n. 609. 622. 641. 689. 692. 763 n. 775. 780 n. 788. 792 n. 806. 815. 880. Braut, B.-Kauf 66 ff. 215. 286 ff. 300 f. 303. 681. B.-Lauf 66 n. B.-Baub s. Frauenraub. B.-Schatz s. Aussteuer. B.-Wer. ber 66. Bremen 379 ff. 417 n. 498 n. 589 n. 596 n. 605. 641. 689. 759. 763 n. 797 ff. 807. Breslau 479 f. 589 n. 634. 638 ff. breve 245. Breviarium Alaricianum 22.7 f. 231. 248. Briefe 247. 250. B.-Adel 432. 487. 745. B.-Land 205. 207 f. 210. B. und Siegel vgl. Urkunden. Brückenbau 151. 190. 194. 517. 527. Brückengelder 186.

Bruder 286 f. 297. 311 n. 315 n. 319 ff. 323. 397 f. B.-Kinder 323 n. 697. Bruderschaft 597. 607. Brun, Erzbischof 377. 471 f. Brunichildis 119. 307 n. Brünn 650. 685 n. 688 n. Buch vgl. Stadtbuch. —B. der Könige alter und neuer Ehe 626 ff. B.-Land 210 f. 266. —Johann von B. 620. 624. 631. 724. budellus 546. 584. Budengelder 510. 600. Büdner 410. Bukowina 375. 721. bumede 438. Bundesrat 808 n. Bundestag vgl. Deutscher Bund. Bundesstaat 609. 783 f. Bündnisse, Bündnisrecht 113. 535. 605. 762. 764. 781. 783 f. 787 f. 808. . Burg (vgl. Befestigung) 13 n. 394 n. 400. 427. 575. 580. 584 n. 586. B.-Bann 591. B.-Frieden 594 n. 705. B.-Graf 420 n. 476 f. 484 f. 489. 500. 553. 593—596. 598 n. 604. 626 n. B.-Hauptmann 583 n. B.-Hut 394. 423. B.-Lehn 383. 394 f. 407 n. 500. B.-Mannen, burgenses 423. 500. 596. B.-Recht 599. B.-Vogt 593. B.-Werk 190. 194. 500. 580. 587. 600. 739. Bürge, Bürgschaft 56 ff. 65 n. 257. 269. 278—83. 289. 808 n. 327 n. 365 f. 545. 567. 680. 699. 718. Bürger, Bürgerschaft 383. 432. 441 n. 448. 482. 596. 598 ff. B.-Eid 603. B.Meister 600 f. 798. B.-Stand 746. B.Versammlung 636 n. Burgund, burgundisches Recht 9. 19 n. 25. 85. 38 f. 89 f. 92 f. 102 f. 111. 125. 128 n. 167 f. 195. 200 n. 206 n. 209 ff. 214. 230 f. 250. 252 ff. 263 f. 267 n. 272 f. 279. 285 ff. 292. 295 ff. 299.301. 308 n. 310. 312. 314f. 317. 319. 321—24. 332 n. 334 n. 337 ff. 844 n. 3631". 366. 873 f. 379 n. 382. 453 n. 462. 472. 478. 482 f. 615. 718. 762 f. 770 n. 776. 795. Busen 61. 220. 322. 324. 829. 697. Bußen 41 f. 70. 76 ff. 80 f. 85. 104. 117 f. 135. 156 n. 189. 209—18. 236. 292 n. 312. 314. 331—39. 341 ff. 345 f. 354 f. 363 n. 365. 436. 441 f. 444 n. 449. 614. 704. 707. 711. 713 f. BuQtaxen, friesische 632. büteil 439. 569. buticularius 136. Büttel 167 n. 171. 512. 539. 544. 584. 603 f. 707; vgl. Fronbote. Camera cerrada 301. 306. camerlingus 440. campipars 187. Campo Formio 732. campus madius 145. 147. 149. 144 f. 147. 149. 251 n.

c. martius

Wort- und Sachregister.

839

capillatoriae 64. 312 f. 210. 222. 242 f. 257 n. 311 n. 338 f. capitale 337. 341 n. 357 n. — IV. 234. capitaneus 384. 419. 553. 584. Chorbischof 141. 572. capitula, capitularía 147. 240—44. 609 f. chrenecruda 52. 201 n. 264 f. 335. 627. 824. generalia233. inbrevi 231. legi- Churrätien, Churwalchen 121. 123. 239. bus addenda 148. 240 f. per se scri374. 376. 477. benda 240. 242. missorum 134. 240. cingulum 431. 550 n. 251 n. Italica 233. 242. ad leg. Baiw. Circumskriptionsbullen 814. 235. 242 n. ad. leg. Sal. 126. 225 f. Cisterzienser 375. 415. 504 n. 240 f. ad. leg. Rib. 227. 240. 259. Saxo- Civilprozeß 793. 825. 830 f. 833 f. nicum 76. 117 n. 130 n. 237. 240 f. 255 n. civitas 8. 12. 108 n. 122 f. 140. de villis 190 n. Remedii 239. capi- Cleve 479. 645. 688 f. 733. 763 n. 770 n. tulare (Italicum) 232. clientes 153—56. 276. 421 n. Carolina 516 n. 618. 793. 825 ff. 830 f. Cluniacenser 450. Carpzov 824. Cnut von Dänemark 239. carta 245. 266. 283. 355. 656. c. partita Cocceji 831. 656. traditio cartae 266 ff. 277. 304. Code Napoleon, les cinq codes 804. 833. 330. 726. cartam levare 246. 267. 284 n. Codex Justinianeus 619. Theodosianus cartularium Langobardicum 250. 292 n. 228 n. Maximilianeus 831. causae maiores, minores 130. 167. 176 n. coheredes 263. 270 n. 410 n. 342 n. 362 n. 452. 532. 534. 552 f. per- coinvestitura 389. sonales et reales 180. 714 n. collaboratio 307. causidicus 127 n. 195. collaudatio testium 354. cautio 277. 283 f. collectae 525. ceäpgild 337. collocatio solis 80 n. cellarinsis 167. colloquium 490. 537 n. cellerarius 191. -Colmar 647. censuales 437 ff. 440 n. 449 n. comes civitatis 128. marchae 133. pacensus 276. 522. 599. c. perpetuus 678. latii, palatinus 136. 484. 486. patriCent, centena, centenarius, Zentgericht, monii 129. provincialis 487. stabuli Zentgraf, Zentrichter21.34.113.123—27. 136. comitatus 26. 122. 132 n. comi145. 149. 152. 161 f. 166—69. 176 f. 195. tiva 487. 752 n. 785. 380. 410. 488. 539. 541 n. 543. 546 bis commendare 154. 549. 551. 558 f. 565 n. 584. 593. 595. communia 199 n. 778. C.-Schar 124. 127. 162 n. cen- communitas (Almende) 410 n. civitatis 601. turio 127. 547. 550. compagenses 121. ceorl 42. 209 n. compositio 74—77. 255 n. 331. cerarii, cerocensuales 218. concilium 15. 35. 146. 164. mixtum 146. Chamaven, chamavischesRecht 96 ff. 121 n. conclusum imperii 761. 131 n. 211 n. 220 f. 238 f. 257. 332 n. Concordia 232. 337 f 342 n. condita 123. Chatten 17 n. 25 n. 29 ff. 44. 64. 90. 94 f. conductus s. Geleite. 98. 107 f. 115 n. 121. 142 n. 151 n. 188 n. confoederatio cum principibus ecclesiasti220. 226. 253 n. cis 405 n. 500. 505 n. 507. 511. 529. Chattuarier 95 f. 577 f. 618. 622 n. 628 n. Chauken 93. 121 n. Conring, Hermann 783. 824. Cherusker 20. 90. consacramentales 83. Childerich 98. 104 n. 108 n. 183 n. 224. conservator pacis 538. Childebert I. 98. 123. 162 n. 225. 243. constitutio ae regalibus 381 n. 513 n. 247. 338 ff. 363 n. — II. 63 n. 97 f. 517 n. 520 n. 522. 524. 618. de expe112 n. 117. 124. 178 n. 243. 251. 307 n. ditione Romana 619. Theresiana 832. 315 n. 322. 338 f. 341. 352 f. 357 n. consules 380 n. 540. 600. Chilperich 99. 115 n. 117. 119. 142. 144. contubernium 152. 187. 201. 208 n. 225. 304 f. 307 n. 318. convenientia 285. 367. conventus publicus 167. generalis, synoCbindasuinth 227 ff. 300. 307 f. dalis 146. chirographum 656. conviva 26. 62 n. 136. 159. Chlodovech 23 n. 97 f. 104. 106. 108—13. corpus evangelicorum, catholicorum 761. 115. 119. 123. 126. 144 ff. 161. 182. 201. corpus iuris canonici 726. 728. civilis 723. 726. 728. Fridericiani 831. 203. 210. 224 f. 243. Correctorium Bambergense 826. Chlogio 96. 108. 144. Chlothar I. 98. 123 f. 162 n. 188 n. 225 f. crinitus 106 ff. 110 n. 112 n. 243. 363 n. — II. 98 f. 116. 119 n. 129. cubicularius 136. 141. 146 n. 154. 176 f. 179 ff. 187. 192 f. Cujacius 725.

840

Wort- und Sachregister.

Dienste (vgl. Frondienst) 129. 131. 151. Culm 437. 522 n. 634. 638 ff. 427. 436.440 f. gemessene 427. 440 f. 739. cuneus 12. 30. 152. 496 n. Dienstherren 426. culpa 331. 344. 349. 705. curia 125. 246 n. 466 n. 472. 475. 490. 527. | Dienstlehü 383. 429 n. Dienstmannen s. Ministerialen. 533. 618. Dienstmanngericht, Dienstrecht 422 f. 569. 613. 620. 651. I Dienstpflicht 153. 382.409. 416. 418. 421ff. 496. Dänen, Dänemark, dänisches Recht 1. 4. 13. 89. 94. 143. 200. 203. 204. 220 n. differentia 692. differentia iuris 823. 239. 279. 316. 346 n. 373. 377. 597. 608. digitis curvatis 285 n. 337. 671. 680. dilatura 285 n. 337. 613. 641. 643. 807. 821. dagescalci, dagewardi, dagewerchten 440. Ding 15. 16. 21. 30. 31. 33. 36. 62. 78. Dagobert I. 99. 118 n. 139. 226. 305 n. 79 n. 109. 110. 113. 114. 143 ff. 161 ff. Danzig 609. 640. 720. 219. 540. echtes, ungebotenes 16. 36. dapifer 213 n I 37. 161. 162. 180. 330. 544 n. 547 . 559. Darlehn 450. 469. 527. I 564. 570. gebotenes 16. 36. 161—64. datum 245 n. 473 n. i 540. 548. 559. 565. 570. 593. D.-Friede David von Augsburg 627. 17. 34. 36. D.-Hof 550 n. D.-Pilicht, Decisionen, sächsische 829. D.-Pflichtige 16. 34. 163 ff. 176. 181. decreta Tassilonis 235. 309 n. 819. 434. 540. 545. 550. 552 f. 566. 5X0. 572. Decretio Childeberti II. 97 n. 117. 178 n. 705. 715. D.-Statt 33. 161. 163. 170. 539 543. 552 f. 558. D.-Stuhl 543. 562. 243. 251. 322 n. 339. 341. 353 n. D.-taalen 631. D.-Zeugnis 367. 714. D.Decretum Gratiani 624. Vogt 794. dingslete 32. dediticii 40. defensor 125. 177. 193. 246 n. 253. 257. Dingliche Rechte 261. Dingolfingen 235. 315 n. Diözesen 140 ff. 572. 573. degen 26. diplomata 245. 655. Degradationsprozeß 179. 180. Directorium 760 f. 801. dehem 187. 192. Dissidenten 749. Dekan 572. 573. Disziplinargewalt und -strafen 78. 114. Dekretalen Gregors IX. 626. 115 n. 137. 176 n. 180. 315. 340 n. 423. delatura 337. 338 n. 339 n. 440. 501. 568. 582. Delegierte Richter 534. 535. 548. 557 n. Dispensationen 119. 491. 498. 558. 572. Distinktionen, Rechtsbuch nach 630. Deliktsschulden 694. 699. denarius 183. 217. 256 n. 257. 508. dena- districtio, distringere 76 n. 179 n. 334 n. Distriktshofrichter 553, riatio 217. denarialis homo 217. Distriktsverleihung 523. denunciatio regis 164 n. Ditmarschen 93. 380 n. 500. 541. 635. Descendenten 322. 395—98. 400 f. 406. 686 n. 693. Deutsch, deutsche Sprache 8 f. 620 f. 632 f. 637—648. 751. deutscher Kaufmann 640. divisio des Kirchenguts 158. 205. divisio imperii 101. 119 n. 120. 146 n. Deutscher Bund 806 ff. Grundgesetze 806 f. •Bundesakte 749. 806. Wiener Schi. A. Doktoren (vgl. Rechtsgelehrte) 163 n. 432. 727 f. 745. 751. 755. 766. 793. 807. Mitglieder 806 f. Verfassung 807 ff. Bundesversammlung 807 ff. Präsidium Doktrin, gemeinrechtliche 680. 725—30. 734 f. 826. 808. Beschlüsse 809. 813. 820. Matrikel 809 f. Kriegsrecht und -Verfassung 809. dolus 71. 78. 705. 826; vgl. Wille, 810. Festungen 810. Gesandtenrecht dorn 34. 168. 809. Gebiets- und Verfassungsgarantien Domänen vgl. Kammergüter, Krongüter. D.-Amt,-Amtmann 583 n. 796f. D.-Kasse 809. 811. 813 f. Austrägalordnung 810|f. 795. 821: Exekution 811 f. Ausnahmegesetze 812 n. 813. 817. Entartung 812 f. 820. domesticus 129. 136. 137. 191. 421 n. Reformversuche 817. 820 f. 854. Auf- dominium eminens 782. lösung 818.822. Wiederherstellung 819 f. dominus terrae 573. 576. Domkapitel 506. Deutsches Reich 818 f. Dompropst 476. Deutsche Union 819. Deutschmeister, Deutschorden 374 f. 416. donatio nuptialis 301. propter nuptias 691. 442. 480. 719 f. 731 ff. 758 f. 779. 803. Donellus 725. Deutschenspiegel 625 f. 628. Dordrecht 644. dictamen, dictatio, dictatores 473. 661. Doppelwahl 461. 462 n. 627 n. Diebstahl 72. 73. 79. 123 f. 260. 333 n. Dorf 12. 13. 45. 124. 125. 196. 203. 206. 3 3 7 - 3 9 . 343 f. 3 4 6 - 5 1 . 363 n. 449 n. 213. 408 ff. 416. 488. 558. 584 n. 590. 705 f. I 592. 599 n. 603. 615. D.-Frieden 705.

Wort- und Sachregister.

841

251. 286—94. 681 f. E.-Verträge 296. D.-Gericht 5 5 8 - 6 0 . D.-Graf 541 n. 303. 306. 308 n. 679. 690 ff. 701. 779. 558. D.-Ordnnngen 654 f. 828. D.Eheliches Güterrecht 295—310.393. 682 ff. Schulze 548 f. 569. 584. 726. 729. Dorsualschrift 172 n. Dortmund 565 n. 567 n. 589 D. 592. 599 n. Ehre, Ehrlosigkeit 55. 78. 83 n. 337 n. 406. 532. 544. 705 f. 642 f. 688. 759. 763 n. 798. dos 67 f. 286—90. 298. 300f. 303—307. 309. Ehrschatz 439. 747. Eid 18. 30. 57. 59. 77. 82 f. 85. 111. 148. 691 f. augmentum dotis 692. 163. 219. 303. 307 f. 350. 354. 357 ff. 362. dotalitium 303. 305. 691 f. 370 n. 386. 466. 496. 532. 564. 566 f. Dotalrecht 726. 569. 591 f. 577. 603. 618. 633. 637. 680f. Dreifelderwirtschaft 46. 197. 409. 414 n. 713 n. K-Bürgschaft 58. 327. E.-Helfer 740 f, 56. 70. 83. 354. 357 f. 361 f. 445. 714 f. Dreißigjähriger Krieg 781. E.-Mündigkeit I I I n. E.-Schelte 361 f. Dreißigste 326. 339 n. 698. 713. E.-Unfähigkeit 706. E.-Weigerung 618. Drenthe 238 n. 519 n. 541. 544 n. 634 f. E.-Genossenschaft 587. 597. 601. 686 n. 688. Eidsifjathingslög 220 n. Dresden 639. Eigen 259. 261 n. 382. 429. 439. 527. 531 f. Dritte Klage 557 n. 544. 562. 569. E.-Leute s. Unfreie. Dritthandverfahren 347—350.357 n. 363 n. [ Eigenmacht 342. 351 n.; vgl. Selbsthilfe. Dritteiisrecht 689 f. Eigentum 261. 270. 593. Erwerb (vgl. droit d'aubaine 513. coutumier 833. Auflassung) 726. 743. 745. 812 n. gedrött 26. dröttseti, droste 213 n. teiltes 734. Durantis 727. 823. Eike von Eepgau 428 f. 457 f. 621—625. dux limitis 133. 575. 638 n. Eineid (vgl.Unschuldseid) 83.308. 358. 715. e, euua, ehe 11 f. 219. 221. 223. 238. 251. Einhegung 519. Eadgar 239. Einkindschaft 701. Eadmund 239. Einlager 679 f. Eadric 239. Einläufige, Einlitzige 410 n. ealdor, ealdormen 21. 23 n. 25. 107. 143. Einquartierung 102. 341. 493 n. 499. 772. 798. Ebenbürtigkeit 112. 397 n. 431. 445—49. Einreden 81. 356. 710. 698. 744. 746. Einschildige 385. 394 n. 425. 498. Echte Not s. Not, sunnis. Einspänner 409. 430 n. 789. Echtlosigkeit 74 n. 449. Einung 535. 562. 587. 597. 609. 617. 632 f. Echtwort 199. 636. Edel vgl. Adel, Herren. E.-Gut (ethel) 42. 49 n. 124. 210. 319. 427 . 572. E.- Einwerfung 298. 318. 320 n. 698. Knecht 430. 501 n. E.-Mann 430 n. 587. Einzelhöfe 12. 50. 196. Eisen, glühendes 362. 715. E.-Märkerschaft 412 n. Edictum, edictus 221. 231. Chilperici Eisenach 630 n. 642. 201. 208 n. 212 n. 240. 281 f. 292 n. Elsaß 101. 121 f. 132. 249. 376. 477. 487. 538. 645 ff. 718 f. 762 n. Landfriede 616. 318. 361 n. 363 f. 367. Chlotharii 99. 116. 129. 141. 146 n. 154 n. 175 f. 179. Eltern 61. 70. 321 n. (vgl. Schoßfall, Vater, Mutter). 187. 193. 242 f. 257. Pistense 185 n. 212 n. 611 n. Theoderici 228. Lango- Eltville 635. Emanzipation 62 f. 297. 312 f. 317. 487. bardorum 231 ff. 694. Edward der Bekenner 240. Endurteil 82. 84. 357. Egarten, egert 46. 198. 412 n. Engern 93. 121. 301. 377. 563. 685. 689. Egika 229. England 2. 5. 203. 597. 607. 612; vgl. Ehaftrecht, Ehafttaiding 653. Hannover. Ehe 37. 66. 215. 286—310. 438. 445. 449. 571. 780. morganatische, unebenbnrtige Enkel 61. 66. 320 n. 322 f. 328. 697. 825 n. 294. 301. 744. 746. zweite 69. 215 n. Entführung 65 f. 293. 333 n. 337 n. 339. 342 f. 287 f. 291. 295. 298 n. 301 f. 304. 310 n. 687 ff. ohne Munt 252. 293 f. 301. 310 f. Entgeltlichkeitsprinzip 53. 64 n. 157. 272. 285. 290. 682. 315 n. 317. E.-Bruch 78. 311. 343 f. 571. 706. E.-Frau 61. 66. 251 f. 295 ff. Enthauptung 330. 706. 309 n. 445. 667. 683 f. 686. 689. E.- Entsippung 328. Gatten, Standesgenossenschaft 682 n. Entvogtung 583 n. E.-Hindernisse 295. 325. 445 n. E.-Kon- Entwerung 712. sens 215. 258. 304 n. 311. 424. 438. eorl 42. 209 n. 441. E.-Mündigkeit 169. E.-Scheidung Epilog zur Lex Salica 225, zum Sachsenspiegel 638 n. 295. 445 n. E.-Schließung 51. 56. 65 ff.

842

.Wort- und Sachregister.

epistola 245. 266 n. 341 D. conculcatoria 294. epitome 227. Erbabfindung 297 f. 317. Erbämter 582. 752. Erbe 200 n. 261 D. 263. 715. E.-Antretung 326. E.-Anfang 698 n. E.-Fähigkeit 252 f. 445. 449. 694. 698. E.-Folge 201. 208. 217. 317. 397 ff. 610 n. 734. 779. 825. Schuldhaftung des Erben 270. 310 n. 326f. 329. 699f. Gewere 669. 698. Erbenbeispruchsrecht, Erbenlaub 502. 673. 686 f. 699 f. 780; vgl. Ganerbe. Erbenkreise 320 f. 326. 696. Erbexen 410 n. Erbgut 673. Erbhaus 698. Erbkaiser 454 ff. 468. 818. Erbleihe, Erbpacht 274 n. 418. 436. 599 n. 738. 743. Erblichkeit der Ämter 129. 397. 470. 542. 559. 572 f. 576. 582 n., der Bürgschaft 279. 699, der Forderungen 335, des Königtums 15. 106. 110. 404. 454. 468, der Lehen 159. 379. 382 f. 393. 396 ff. 401. 559, der Ministerialität 422. 424, der Schenkungen 272 f., des Schöffenstuhls 5 4 6 , der Schulden 268 ff. 285. 326 f. 699. Erbloses Gut s. Heimfallsrecht. Erblosung 263. 673. Erbrecht 70. 208. 252. 258. 3 1 7 - 3 0 . 4 3 8 . 445. 514. 569. 612. 639. 695ff. 726. 729n., der Ehegatten 296. 298 f. 310. 684 ff. 690. 692 n. Erbrechtsregeln 822. Erbschaft, Erwerb 698. Gedinge 328 ff. 700 f. Steuer, Zehnt 189 n. 438. 441. Klage 713. Erbsühne 77. 335 f. Erbteilung 263 n. 326. 479. 576. 757 f. Erbtochter 735. Erbverbrtiderung 701. 780. Erbverträge, Erbverzicht 700 f. 726. 779. Erbzinsleute 434 ff; vgl. Erbleihe, Hörige. Erfurt 510 n. 589 n. 642 n. 817. .Ergebung in Knechtschaft 442. 444. Erhebung in den Fürstenstand 479. 744. 758, in den Adel 437. 744 f. Erholung 709. Errungenschaft 296. 301 f. 305. 306. 308 f. 683. 685 f. 729; vgl. Gütergemeinschaft. Erstgeburtsrecht 461. 576. 577. 779 ff. Ertränken 72. Erwig 228 f. Erzämter 457. 462. 470. 471.472. 582. 752. Erzbischof, Erzbistum 140. 142. 379 n. 455 n. Erzkämmerer 471. Erzkanzler 456. 461 n. 471 f. 474 f. 733. 752 f. 756. 760 f. 763. 767. 769. 802 f. Erzkapellen 138. 471. Erzmarschall 470. 471. Erzpriester 572.

Erzschatzmeister 752. 756. Erzschenk 460. 461. 471. Erztruchsß 471. 486. 752. 755. esch 198. Estland s. Livland. Eurich 90. 227. 228. 230. 254 n. evectio 190. EventualbelehnuDg 391 n. 735. Evokationsrecht 452. 528. 529. 567. Ewiggeld 678. exactor 127 u Exekution 76. 79. 85. 126 ff. 130 n. 161 f 260. 332 n. 365 ff. 539. 544. 566 f. 711; vgl. Vollstreckung. Exekutivisches Verfahren 85. 352. 715. Exemtionen, Eximierte 125. 141. 542. 543. 548—551.557—559. 568.573n. 5 7 4 - 5 7 6 . 578. 580. 581 n. 583 n. 590. 591. 594. 595. 596. 606. 630. 781. 792. exenium 290. 316 n. exercitalis 29 n. 41 n. 395. 497 n. exfestucatio 265. 271. exitus 52. 264. 265. Extravaganten der Lex Salica 226 n. 286, der Lex Burgundium 230, der Lex Saxonum 611 n., der Libri Feudorum 652. F a b u l a firmata 288. 291. faderfio 298. faden, fadm 61. fsestning 291. Fahne 30 f. 36. 110 n. 387. 453 f. 479. 555. 590 n. F.-Lehn 387 f. 398 f. 478 f. 622. 778. Fähre 188. 198 n. 517. Fahrende Habe 11. 200 n. 214. 259 ff. 297. 366. 368. 663 ff. 683 ff. 711. Fahrendes Volk 442 n. 449 n. 774. Fahrrecht 716. faida, faidus 73. 77. 331 f. faidosus 73 f. Fallrecht 697. Falsche Anklage 351. Falschmünzerei 706, F.-Zeugnis 571. Familie, Familienrecht 13. 14. 53. 59. 60. 61. 65. 69. 70. 73. 77. 316. 328. 335. 336. 402. 420. 681 ff.; vgl. Sippe. Familienfideicommiß 274. 698. 737. 743. 746. famulus 213. 421 n. 430. fara 12. Fehde 70—75. 78. 84 n. 155. 215. 331. 335. 336 n. 340. 341 n. 343—345. 423. 605. 608. 6 1 4 - 6 1 7 . 705. 721. 732. fegang 277 n. Feldgemeinschaft 48. 200. 201. 205. 262. 412. 413. Feldgraswirtschaft 46. 48. 196. Feldrügegericht 570. Felonie 401 n. 406. 497. 504. Feme, Femding, Femgerichte 558 n. 561 bis 568. 623 n. 631; vgl. Westfälische Gerichte, Freigerichte, feo, feoh 298 n. 392 n.

Wort- und Sachregister. Ferdinand I. 750. 754. 764. 795. Fertigung, gerichtliche 672. 674 ff. 678. 726 n. Fessel, Fesselung 31. 56. 78. 81. 85. 351 n. festuca, festucatio 51 f. 57 f. 63 n. 65 n. 265. 267. 281 f. 329. Festungen, Bundes-F. 810. Reichs-F. 772; vgl. Befestigung, Burg. Feudalismus 203. 469. 556 f.; vgl. Regime féodal. Feudalmiliz 490. 496. 498. 500. feudum 298 n. 382. castrense 394 n. militare 383. novum 398 n. Feuerprobe 361. 362. Feuertod 32. 622. 706. Fichard 829 f. fidelis, fidelitas 153. 386. fideiussor 58. 264 n. 267. 278. üdes facta 55. 57. 58. 76. 85 n. 86 n. 258 n. 275. 276 n ; vgl. Bürge, Gelübde, filtortum 349 n. fimelthing 36. 540. Finanzwesen 181—92. 502—27. 583. 794 bis 797. 805. Finger 58. 264. 267. 282; vgl. digitis. finis 122. 123. firma, firmatio 172 n. 246. 353 n. firintât 72. 74. 78. Fischerei 159. 189. 190 n. 204 d. 262 n. 444. 520. Fiskus, fiskalisch 119. 128. 129. 173. 191. 192. 277. 318. 324 n. 326. 328 n. 332 n. 335. 342. 368. 370. 415. 417. 438. 488. 516. 521. 522. 548. Fiskaladvokat 766. Fiskalklagen 766 f. Fiskalinen 191. 213. 258 n. 294. 437. 510. Flandern 5. 101. 104. 121. 373. 478. 601. 608. 639. 688. flämische Hufe, fläm. Kolonien, fläm. Recht 121. 375. 416. 435. 437. 611 f. 643. 649. 688 f. flet, Fletland 206. 211. Fli 236. 5 39. 540 Flurschütz 411. Flurfrevel 569. Flurzwang 48. 196. 409. 412. 414 n. 740. 742. Fluß 202. 205. 380. 381. 516 ff. 520. fodrum 134 n. 190. 499. 501. Förster 191. 411. 421. 488. 585 n. folcfreo, folcfry 41. folch 12. 496 n. folcland 12. 205. Folge beim Urteil 82. 493. 540. 546, bei der Königswahl 461 f. Folter 175. 363. 831. forbannus 342 n. Formalakt, Formalvertrag 27. 55. 57. 80 n. 161 n. 217. 278. 284. 289. 354. Formalismus 55. 79—82. 174. 225 n. 356. 357 n. 709. Formeln, Formelbücher, Formelsammlungen 223. 233. 244 f. 247—51. 291. 620. 660 f. 823.

843

Forst 189. 204 n. 518. -Graf 488. -Meister 488. -Rechte 159. -Regal 741. Fragen, Urteils- 493. 709. Magdeburger F. 639 f. Ruprechtsche F. 565 n. framea 50. 51. 52 n. Franken 89. 94 ff. 372. 376. 381. 435. 466. 470. 560. 610 n. 611. 612. 617 n. 627 n. 628. 629. 631. 686 ff. 691. Francus, homo Francus 97 n. 160. 211. Frankfurt a/M. 455. 461. 464 n. 467. 501 f. 510 n. 514. 533 n. 541 n. 589 n. 595 n. 618. 750. 763 n. 765. 773. 785. 798. 802 f. 806 ff. 817 f. Oberhof 645. Landfriede 616. 622. 623. Stadtrechte 617. 830. Reichsabschied (1442) 565 n. Frankreich, französisches Recht 4 f. 101. 321 n. 364. 372. 382. 403. 588. 590. 601. 610 f. 615. 620. 629. 718. 736. 741 ff. 747 f. 754. 802 ff. 806. 813 f. 833 f. Franz I. 750. II. 733. 750. Frauen 24. 55. 60. 61. 254. 317—319. 383. 390. 391. 393. 394 n. 422. 499 n. 610 n. 615. 662. Frauenraub 65. 311 n. 336 n. Frauliche Gerechtigkeit 303. 306 n. freda, fredum, fredus s. Friedensgeld. Freibauern, Freischulzen 737 f. 746. Freibrief 218. 257. 441. Freifcurg i/B. 513. 589 n. 596. 597 n. 598 c. 626. 646 ff. 690. 830. Reichsabschied (1498) 697. 729 n. 774 n. 825 n. Freiburg i/Uechtl. 647. Freie 27. 37. 41. 48. 107 n. 167. 209—218. 256. 359 n. 363. 419. 421 ff. 429. 448 n. 501 n. 545. -Herren 384. 394 n. 419. 425. 464. 469. 497. 533. 545. 594. 622. 657. Freigerichte 561—68. 578 n. ; vgl. Feme, Westfälische Gerichte. Freigraf 562—68. Freigrafenkapitel 565. 567 f. Freigrafschaft 563—67. 718. 762 n. Freiheitsprozeß 180. 256 f. 352. 354. 359 n. 544. Freihufe 417. Freikauf 443. Freilassung 17. 29. 38. 49. 51. 63. 67 f. 145. 155 f. 173. 177 f. 214—18. 222 n. 252. 256. 285. 339 n. 355. 423 ff. 432. 436. 438 n. 441. 569. F.-Bier 38 n. 54 n. 64 n. Freimann 433 n. 435 n. Freischöffe, Freistuhl 562—68. Freising 140. 249. Freistatt 73 ff. 195 n. 330 n. 343. 707. Freizügigkeit 40. 212 n. 215. 218. 256. 438. 439. 452. 812 n. Fremde 37. 53. 66. 72 n. 129. 201. 223. 468. 512. 513. 544. 545. 707. Fremdlingsrecht 513. Frevel 71. 547. 569. 570. 703. Friaul 374. 377. 379 n. Friede 17. 25. 31. 34. 59 n. 69. 73. 77 f.

844

Wort- und Sachregister.

110. 113. 143. 332. 334. 454. 461. 493. 501. 607. 614 f. 788. gelobter 705. Friedensbruch 71. 72. 74. 77. 194. 452. 493. 537. 538. 705 f. Friedensgeld 74. 76. 77. 132. 189. 279. 332. 333. 337. 342 n. 345. 354. 365. 704. Friedensschlüsse 113. 762. 809. Friedetage 615. Friedewirken 671. 675 f. 706. Friedlosigkeit 71. 73—76. 78. 84. 85. 114. 118. 330. 367. 449. 703; vgl. Acht. Friedrich I. 373. 381 n. 383. 386 n. 388 n. 395 n. 398 n. 401 n. 403. 450. 451. 454. 462. 470. 472. 473. 476. 477. 483. 488 n. 501. 512. 513 n. 517 n. 522. 539 n. 577 n. 578 n. 597 n. 610 n. 616. 618. 624. 640. — Der II. 405. 425 n. 451 n. 452 n. 464 n. 475 n. 489 n. 490 n. 498 n. 502 n. 503. 504. 505. 506 n. 507. 511. 512. 516 n. 517 n. 518 n. 523 n. 535. 543 n. 571 n. 577. 578. 579. 581 n. 591. 598 n. 605. 617. 618. 622. 629. 640. — Der III. 380 n. 453. 464. 466 n. 468. 474. 475. 517 n. 534. 535. 536. 564 n. 568. 577. 606 n. 617. Friedrich I. von Brandenburg 392 n. 566. — Friedrich I. von Preußen 720. 723. 790. — Friedrich der Große 723. 790. 831. Friedrich Wilhelm I. von Preußen 790 f. 795 ff. — Der IV. 818. Fries, Lorenz 822. Friesen 36. 39. 72. 74. 89 f. 93. 95. 97 n. 99 f. 133 n. 168. 185 f. 210. 212 f. 215. 220. 222 f. 235—38. 253 n. 257 f. 286. 294 n. 318 f. 333—39. 344. 347 n. 361 n. 367 n. 375 f. 380. 419. 427 f. 438 n. 446. 477. 497. 538 f. 544 n. 572. 602 n. 612. 632. 635. 685 f. 695. Stadtfechte 644. Fronbote (vgl. Büttel) 167. 546 f. 559. 566. 584. 628 n. 707. Frondienst, Fronde (vgl. Dienste) 37. 206. 213. 215. 275. 413. 439. 440. 569. 579. 677. 738 f. 741. Fronhof 49. 2C6. 409. 415. 416. 440. 444 n. 550 n. 589. 600. 613. Fronland 409. 413. 415. 440. Fronung, s. Befronung, Friedewirken. Frostuthingslög 220 n. Fruchterwerb -¿00. 664. fulcfree 41. 217. Fulda 537 n. 807. Fund 348. 524 n. 579. Fünfte, der 188. Fuero juzgo 229. Fürsprecher 66. 445. 449. 569. 705. 709. Fürst, Fürstenstand, Fürstentum 14. 16 f. 21 ff. 28. 32—36. 42. 44. 47. 49. 376. 379. 384. 386 n. 387. 397. 416. 418—20. 425. 428. 431. 444 n. 447. 455. 465 f. 471 n. 476—88. 490—501. 507. 509. 511 bis 515. 519 f. 525—27. 529. 532 f. 535. 537 f. 543—45. 550 f. 554 n. 556 n. 557 bis 559. 563. 566. 568f. 5 7 3 - h 8 . 591—94.

605 f. 632 n. 743 f. 767. 769. 777 f. F.-Genossen 420. 544 f. 767. F.-Gericht 465. 588. F.-Lehn 387. 398 n. 532. F.-Siegel 657. alt- und neufürstliche Häuser 476 ff. 758 f. Fürstenbund 732. fylkar, fylkisjüng, fylkiskonungar 8. 12. 15. 23. 25. 106. Gabe 64. 156 f. 160. 290. 297. 300. gabella emigrationis 812 n. hereditaria 513. Gärtner 410 n. 435 n. 441. gage, gaggio 54. gairethinx 18. 19 n. 36. 51 f. 63 n. 64 n. 68 n. 217. 231 n. 257. 265 n. 312 n. 328. Gallien, Gallier 10. 94. 96. 98. 104. 113. 121ff.125. 127 n. 139f. 153f. 182. 187f. 195. 204. 210. 244. 472. Ganerben, Ganerbschaft 263. 270 n. 304. 307 n. 311. 313. 320. 410 n. 412 n. 420. 673 f. 687 f. 780. 801. Garkost 710. gasindius 26. 154. Gast 37. 63. 223. 435. 598. gastaldius 129. Gasteiner Vertrag 821. Gastmahl 64 n. 77 n.; vgl. Imbiß. Gau, Gauverfassung 13. 14 n. 106. 120 bis 123. 129. 131. 161 f. 376. 378. 379. 380. 518. 519 n. 539 ff. 543. 583. 594. Gaufürstentum, Gaukönigtum 106 ff. 113. Gebundene Tage 615. Gedinge 386 n. 390 f. 394. 398. 406. 670 n. Gedingsherr, Gedingsmann 391. 396. 397 n. Gefahr im Rechtsgange 356. 709. Gefährdeeid 350. Gefälle 385. 394 n. 494. Gefängnis 117. 127. 162. 338 f. 341. 704. Gefangene 502. 526. 529. Gefolge, Gefolgschaft 19 f. 22 f. 25—29. 32. 63 f. 78. 118. 129. 136 f. 151. 153.. 155 f. 160. Gegenwahl, Gegenkönig 455. 461. Gegenzeugen 355. Geheimer Rat 475. 583. 755. 769. 792. 795. 797. Geh. Justizrat 792. Gehöferschaft 44. 413. Geisel 56. 65 n. 82. 256 n. 278. 329; vgl. Vergeiselung. Geislinger Statut 801 n. Geisteskranke 695. Geistliche 119. 124. 134 f. 138—41. 147 bis 149. 152. 157 n. 178—81. 190 n. 194. 222 n. 244. 251. 379. 383 n. 391. 393 f. 404. 406. 408. 416. 455 n. 473. 476. 482. 499 n. 501. 505. 525. 538. 566. 568. 571 f. 574. 582 f. 585 ff. 596. 603. 615 f. 627. 684 n. 698. 701. 703. 724. 773. — G.Bank 759. — G. Fürsten und Territorien (vgl. Säkularisation) 379. 3 8 3 - 8 8 . 395 n. 403—405. 425 f. 438 n. 456. 469. 477 bis 481. 483. 495. 498 n. 500. 503 f. 506 f.

Wort- und Sachregister. 511. 526 f. 555 f. 573. 5 7 6 - 7 8 . 582 n. 584. 586. 592 f. 605 n. 628 n. 758. 786. — G. Gerichtsbarkeit 178. 570 - 7 2 . 617. 706 n. Geistlicher Vorbehalt 779 n. Geldgeschäfte 450 ff. Geldwechsel 450 n. 452. Geldwirtschaft 444. 506. 509. Geleite 37. 420. 461. 487. 491. 493. 504. 512. 517 f. 574 f. 579. 585 n. 605. 617. Gelnhausen 468. geloben, Gelübde 670. 679 f. 700; vgl. fides facta. Gemachte 700 f. Gemeinde 409. 410 n. 413 n. 450f. 520. 538. 570. 587. 593. 598. 663. — G.-Zeuge 352. 355. 359. Gemeine Mark 410 n. 520. 570; vgl. Almende. Gemeiner Pfennig 767. 770. 773. Gemeines Recht 729. Gem. Sachsenrecht 623. 729. 829. 832. Gemeinfreie 420. 433. 444 n. 448. 540. 545; vgl. Freie. Gemeinbeitsteilung 740. 742 f. Gemenglage 48. 409. 416. 418. 739. 742. genealogia 12. 200. Generaldirektorium 796 f. generale colloquium 490. placitnm 166 n. generalis couventus 490, curia 618. Generalfiskal 766. 797. geqeratio 16. 61. 323. genossami 438 n. genu genuculum 61. 323 n. Ger 38. 50 f. 56. 60. 62 f. 65 n. 68 n. 265 n. Gerhabe, Gerträger 50 f. 56. 62. Gerade 291 n. 296—99. 304. 319. 439. 639. 683 ff. 699. Gerardus Niger 652. gerefa 128 n. Gereide, Gereidegenossen 410 n. Gericht, Gerichtsverfassung 17. 33—36. 76. 7 9 - 8 7 . 114. 123. 126. 129. 132. 135. 154. 160—81. 186. 528—73. 620. 638. 727 f. 765 ff. 7 8 9 - 9 3 . 798. 804 f. 820. 834. Gerichtlichkeit 268.288 n.; vgl. Auflassung, Fertigung. Gerichtsbann 34. 35. 126. 161. 671. Gerichtsbarkeit 510. 513. 517. 518 n. 558. 578. 585. 590. 593. 600. 604. freiwillige 125. 161 n. 163. 173. 250. 268. 329. 487. 530. 559. 568. 571. 637. 657 n. 659. 671 f. 681. 695. 700 f. 714 f. hohe 379. 540. 541 n. 545 n. 549 ff. 555. 562. 574. 593. 605. 778. 781. 801 f. Gerichtsbote (vgl. Büttel, Fronbote) 536. 604. Gerichtsdienst 423. Gerichtsgefälle 418. 514. 579. Gerichtshalter 794. Gerichtslehn 386. 398 n. 444 n. 604. Gerichtsordnungen 536. 828. preußische allg. G. 831. 834.

845

Gerichtsschreiber 138. 163. 170. 171 f. 244. 268 n. 536. 604. 728. 793. Gerichtsstand, Gerichtszuständigkeit 118. 174. 428. 429. 434. 436. 442. 452. 530. 544. 552. 557. 562. 566. 567. 570. 573. 595 f. 605 f. privilegierter 530. 545. 557 f. 745. 792. 801. Gerichtsurkunde 171. 245. 246. 369. 530. 534. 657. 714. Gerichtsverfahren 79—87. 346 ff. 708 ff. 769. 820. 823. 825. 827. 831. 833 f. bürgerliches 710. 767. 793. peinliches 713 f. 767. 793 f. italienisches 727. römisches 727. kanonisches 727 f. Gerichtszeit 135 f. 162. 165 n. 167. 170. 530. 540. 548. 552. 564. 572. Gerichtszeugnis 359. 710 n. 714. Germage 60. Germanen 8. 10. Gerüft 30 n. 85. 166. 348. 357. 500. 713 f. Gesamtbelehnung 389. 390. 393. 398—400. 420. 719. 756. Gesamtbürgschaft 123. Gesamte Hand 309. 389 f. 398 ff. 686. Gesamteigentum 50. 53. 70. 202. Gesamtgemeinde 598. Gesamtgilde 597. 602. Gesamtrecht 263. Gesamtstimmen im Bundestage 808; vgl. Kurien. Gesamtvormundschaft 315. 316. 319 n. Gesandtschaft 9. 505. 787 f. 809. Geschäft, vgl. Gemächt. Geschenke 16. 20. 22. 145 n. 189. 194. 524. 527. Geschlecht, Geschlechtsvormundschaft 69. 254. 286. 288. 314 f. 326. 333. 337 n. 383. 695. 697. Geschlechter, altbürgerliche 510 f. 602 f. Geschlechterdorf 14 n. Geschlechtsleite 63 n. Geschlossenheit der Güter 414. Geschoß 525. Geschriebenes Recht 11. 725. Geschwister 61. 65 n. 70. 323. 324. 697. Geschwisterkinder 323. 697. 825 n. Geschworene 540. 601 n.; vgl. Schwurgericht. Gesellen 603. 774. Gesetzbuch, allgemeines f. d. preußischen Staaten 831. österreichisches bürgerl. GB. 833. sächsisches 833. zürcherisches privatr. GB. 833. Gesetzeskommission, preußische 831. Gesetzgebung 17. 116 n. 148. 220 ff. 224. 225. 241. 251. 353. 493. 494. 585. 586. 610. 631—636. 801. 804. Gesetzpublikation 243. 244. 619. Gesetzsprecher 11. 35. 168. 169n. 221. 539. Gesinde 26. 37. 435 n. 441. 452. 599. 710. 747. Gesinnung, strafbare 706 f. Gespräche 709. gesta 125. 244.

846

Wort- und Sachregister.

Geständnis 81. Gewährsmann, Gewährschaft 278 n. 349. 350 f. 354. 363 n. 394. 407. 712 f. Gewandfall 439. Gewann, Gewannlage 48. 198. 409. 412. 414. 416. Gewerbe 596. 600. 604. 799. 804. 820. unehrliche 449. Gewere 51. 261. 264. 270—272. 275 ff. 314. 329. 390 f. 396. 571. 667 ff. 683. 711 f. rechte 668. 672. 700. 712. gelobte oder Prozeßgewere 713. Gewette 54 n. 130. 342 n. 539. 554. 704. 707. 714. Gewichtssystem 11. 182. 508. 510. 775. 816.

Gewinngeld 747. Gewissensfreiheit 749. Gewohnheitsrecht 11. 221. 610. 613. 623. 633. 634. 637. 727. 729 f. 758. 781. 788. 801. 826—830. 832. Gilde 450. 597 f. 601 f. 607. gisil 65 n. 329. glebae adscripti 214. 215. 438. 440 n. Gleve 430 n. 498. Glied 61. 323 n. Glossen 224. 226 n. 233. 631. Malbergische 225 f. zum corpus iuris 723. 725. 728 f. zu den libri Feudorum 652. zum Mainzer Landfrieden 617. 625. zum Sachsenspiegel 620. 625. 822. zum Weichbildrecht 513 n. 638. 822. quicquid non agnoscit glossa etc. 729. 734n. Gnade (Straferlaß, StrafumWandlung) 114. 118. 141. 180. 340 f. 504. 514. 533 n, 568. 703. 707. 751. 769. 785. Verlust der G. 340. 703. Gnadenlehn 736. Go, Gohe 14 n. 121. 123. 168. 380. 543. 558. 563. G.-Ding, G.-Gericht 168. 542. 544 n. 547. 551. 557 f. 561—565. 578n. 595. G.-Graf 168. 544. 547. 551. 559. 561. 584. 593. Gobier 823 n. godar, godord 24. Gold und Silber 508. 521 ff. 579n. 775 f. Goldene Bulle 461—464. 466 f. 471 f. 474. 493. 495. 507f. 522f. 529f. 576 f. 579f. 587 n. 597 n. 603 n. 612 n. 618 f. 706. 723. 750. 755. 757. 779. 781. 792 n. Sächsische G. B. 485. Görlitz 625. Rechtsbuch 621 n. 630. Goldschmiede 510 n. Goslar 468. 589 n. 592. 594. 596 n. 630 n. 642. 688 n. 759. 763 n. 797 f. Gotha 642 n. Gothen 8. 9. 21 n. 88—90. 92. 100. 125. 128. 167. 168. 200 n. 210. 314. 315. Gotlandslagen 220 n. Gottesfrieden 31. 36. 538. 602n. 615. 616. Gottespfennig 679. Gottesurteil 25. 36. 83. 84. 175. 351. 360 bis 363. 364 n. 370. 715. Gräberraub 75 f. 84.

Graf, Grafschaft 113. 120. 122f. 125—132. 142 f. 149. 152. 161. 163 f. 166. 168 f. 172n. 178 n. 180. 185ff. 191. 194. 270n. 282 n. 328. 342 n. 344. 353. 365. 376. 378 f. 380. 386 n. 420. 425 n. 427. 429. 456. 461. 464 f. 476 f. 481. 487—492. 496f. 501 n. 507. 511. 514f. 518n. 525. 529. 537. 539 ff. 542—555. 562 f. 573 f. 576. 578. 581. 583. 586 f. 591 n. 593ff. 616 n. 743f. 757 ff. 761. 763. 765. 777 f. Grafenbede 578. Grafenbann 138. 189 n. 342 n. Grafending, Grafengericht 164. 165. 176. 179. 180. 370. 428. 429. 540. 542. 544. 546. 547. 552. 561. 562. 564. 565n. 574. 582. 590. 591. 595. Grafenschatz 130. 433. 435. 497. 587. 580. 587. 600. 671. Gragas 4. 220 n. Graumann'scher Münzfuß 776. Greifswalder Konföderation 608. Greise 709. Grenze 48. 52. 200. 264. 409. 427. 498 n. G.- Frevel 706. G.- Streitigkeiten 359. Deutsche Grenzen 372 ff. 717 ff. 806 ff. Grenzherzog 126. 133. 376 f. gretman, grietman 380 n. 540. Grimowald 232. 322. Groningen 380 n. 632. Großen, die, 111. 112. 119. 136. 138. 142. 143. 146. 147. 159. 173. 185. 381. 414. 421. 469. 574. 585. 586. Großeltern 321 n. 322. 324. 697. Großer Kurfürst 788. 794 n. 796. Großgrundbesitzer 124. 129 n. 152. 153. 155. 156. 159. 163. 206. 210 f. 414 f. 417 f. 602. 737—741. Großhofjustiziariat 533 n. Großjährigkeit s. Volljährigkeit. Großkanzler 797. Grundbesitz, Grundbesitzer 12. 14. 20. 41. 43—50. 102. 129. 148. 150 f. 195—208. 218. 259. 261—277. 299 n.' 318 f. 32'8. " 407—418. 429 n. 433. 440. 450. 518 f. 523. 546. 562. 571. 579. 584. 586 n. 593. 598 ff. 611. Grundbuch 726 n. 730. Grundherrschaft, Grundherr 141. 152. 155. 174—78. 191. 206. 211—13. 246 f. 379. 407—13. 415 ff. 420. 427. 436. 438. 444 n. 488. 497. 520. 525. 549 f. 559 f. 569 f. 574. 593. 737—41. 746. Grundhörige 437 ff. 440 n. 441. 442. 444. 448. 569. Grundentlastung s. Landeskulturgesetze. Grundrechte 818. Grundruhrrecht 190. 517. 518. Grundschuld 676. Grundsteuer 187. 188. 794 n. Grundzinsen 677. gudja 24. Gulathingslög 4. 220 n. Gundobada 230 f.

Wort- und Sachregister. Gunthrain 63n. 99. 115. 119 n. 178. 307n. 315 n. 340 n. Gurk 480 f. Gütergemeinschaft 294. 639. 682 n. 685 f. 688 ff. 703. 729. Ausschließung, Aufhebung 691 ff. 694 n. vertragsmäßige 693. fortgesetzte 690. von Todes wegen 729 f. partikuläre 691. Gutlalagh 220 n. Gutsherrlich-bäuerliches Verhältnis 212. 407 ff. 418. 436-444. 569. 654. 737 bis 742. Regulierung 740 ff.; vgl. Immunität, Seniorat, Vogtei. Gutsobrigkeit 409. 438. 440. 444. 788 n. 794. 797. H a a r 25. 56. 64. 69 n. 106 ff. 110 n. 112 n. 256 n. 312 n. 704 ff. Habsburg 387 n. 494. 750. Hadeln 541. 554 n. Hafen 186. 517. Haflidaskrä 220 u. Haftung für Dritte 59. 175. 215. 216. 255. 260. 278 n, 283. 285. 286. 31-2. 314. 335. 345. 346. Haftgeld, Handgeld 53 f. 67. 285. 303 n. 673. 679. 681 f. hagastald 440. 442 n. Halle 638. 639. Halm 57. 58 n. 265. 266 n. 283. halsfang 334. Halsgerichtsordnungen 825 ff. vgl. Bamberg, Carolina. Halslösung s. Lösung. Hals und Hand 544. 562. 593. Hamaland 121 n. 238 n. Hamburg 141. 379 n. 476. 589 n. 606. 607 n. 640 f. 688 f. 759. 763 n. 797 ff. 807. 830. Hand 50. 51. 58 n. 61 n. 110. 147 n. 156. 157. 387. 454 n. 533 n. H. und Mund 51. 670. H. muß H. wahren 346 ff. 663. Abhauen der H. 338 n. 341 n. 449 n. 703. Handel 10. 218. 350 n. 450 n. 594 n. 596. 607 ff. 774. 831. H.-Gesetzbuch 820 n. 833. Handfeste 246. 633 f. 636 f. Handfrieden 705. Handgeld s. Haftgeld. Handgelderreichung 795. handgemäl 11. 420. 611. Handhafte That 85. 166. 344. 357. 544. 565. 567. 615. 707. 713 f. Handlohn 439. 747. Handlungsfähigkeit 252—54. 258. 309 n. Handlösung s. Lösung. Handreichung 386. Handschlag 58. 59. 359 n. 680 f. Handschuh 50 ff. 57 f. 110.264. 268 n. 283. 289. 368. 387. 454. 591. Handwerk, Handwerker 155. 214. 431 n. 435. 441. 444. 597. 602. 603.

847

Hannover (vgl. Braunschweig) 589 n. 732. 747. 752. 756. 759. 806. 814 f. 820. 834. Hanse, H.-Städte 606—609. 799. 803. 806. H.-Bann 608 f. H.-Kezesse 799. hantrada 217 n. 257. Harald Härfagri 106. 109. 203. Harde 14 n. Hardenberg 804. harmiscara 341 n. Harzstädte 688. Haubergsgenossenscliaften 413. Haupt, zu H. gehen 639 f. Häuptlinge, Hauptleute 419. 501 f. 789. Haus 13. 44 n. 45. 61. 74. 411 n. 440. 599. 607. Zerstörung des H. 74. 703. Hausbriefe 676. Hausdienerschaft 441. Hausfideikommiß 780. Hausfriede, Hausfriedensbruch 72. 73.333 n. 343. 344. 351 n. 615. 616. 706. Hausgarten 409. 410. Hausgenossen, Hausgenossenschaft 53. 70. 78. 263. 317. 319. 320. 322. 323. 328. Münzer-H. 510. 596. Hausgesetze 744 f. 752. 769 n. 779 f. 795. 801.

Haushofmeister 469. Hausjustiz 78. 344. Hausleihe 436. 599. 673. 677. Häusler 410. 435. Hausmarke 11. 265 n. 420 n. Hausmeier 99. I I I f. 136f. 149. 152f. 159. 170. 172. 188. 191. 204. 213 n. 243. 245. Hausrat 296. 293. 301. Haussuchung 348. Hausvermögen 296 n. 299 n. 311. 313. 314. 328 502. 514. 515. Hauszins 525 n. Haut und Haar, Strafen an 704 ff. Heer, Heerwesen 12—14. 16. 19. 29—32.. 41. 62. 78. 110. 113—115. 118. 127 f. 131 f. 142 n. 145. 148—152. 156 f. 190.. 192 n. 211. 338 n. 381 ff. 419. 421. 469. 490. 495-502. 506. 578. 582. 587. 603 f. 608. 735 ff. 745. 762. 765. 770 ff. 787 bis 791. 797. 800. 804 f. 810. 825. Heerbann 115 n. 117 n. 128. 130. 134 n., 149. 151 f. 189. 194. 341 n. 578. 600. Heerfahrt 146. 14?. 155 n. 170. 394. 426. 433. 494. 496—498. 500. 600. 604—606. Heerflüchtigkeit 72. 149. Heerfolge 78. 149. 421. 423. 496. 498 f. Heergeräte, Heergewäte 26 n. 64. 68. 70 n. 297. 319. 388 n. 424. 439. 634 f. 699. Heerkönig 32. 49 n. Heermann s. exercitalis. Heermeister 731 n. Heerschau 16. 115 n. 146. 149. Heerschild 324 n. 383-385. 387 n. 390. 394 n. 396 f. 406 f. 426. 415. 469. 476. 478. 624. Heerstraße 380. 518. Heersteuer 433. 498 f. 526. 600. 736. Heerwagen 587. 600.

848

Wort- und Sachregister.

Hegung 16. 25. 547. Heidentum 72. 84. 92. 109. 125. 236. 340 f. 360. 452. 571. Heidereiter, Heideknechte 585 n. Heimat 531. 611. Heimburgen 410. 558. 598 n. Heimding 411. i Heimfall, Heimfallsrecht 158. 189. 201. 206. 208. 277 n. 318. 326 ff. 395 n. 402. 405. 407. 413 n. 424. 438. 440 n. 512 ff. 557. 579. 581. 592. 605. 698. Heimführung 290 n. 293 n. Heimgerede, Heimgereide, Heimgericht 410 n. 541 n. 570. Heimliches Gericht, h. Acht 562. 565 ff. 570. heimstefna 80. Heimsteuer s. Aussteuer, Heimsuchung 72. 74. 342 n. Heinrich I. 110 n. 111.. 374. 462 n. 500. 575. Der II. 109. 453. 462 n. 484 f. 491. 519. 521. 615 n. Der HI. 374. 387 v 453. 472. 613 n. 615 n. Der IV. 397 n. 451. 454. 491. 496. 499. 515. 519. 526. 538. 615. 616. Der V. 385 n. 403. 453. 470. 473. 476.483. 487. 491.496. 519 n. 540 n. 596 n. 616. Der VI. 398 n. 404. 448 n. 454. 483. 617 n. Der VII. (Sohn Fried. richs II.) 577. 616 f. Der VII. (von Luxemburg) 451. 464. 469. 474. 515. 617. 619. 723. Der Löwe 373. 375. 378. 470 n. 478. 480. 498 n. 537 n. 592. 640. Der Stolze 377. Heiratszwang 116. 286 n. 288. 311. 315. 438. Helsingelagen 220 n. Heller 508. herad, heradsthing, heradskonüngar 14 f. 21. 106. 108. 143. Herberge 527. 587. 605. 628 n.; vgl. Einquartierung. Herdendiebstahl 338 n. Herdzins 439. hereditas 259. 261 n. 263. 305 n. 318. herisliz 32. 72. 149. 173. Hermann von Ösfeld 631 n. von Salza 634. Herminonen 9. 90. 93. 280 n. Hermunduren 20. 92. Herr 37. 59. 174. 175. 346. 386. 430. 519. 529. 568. 569. Herrengunst 738. Herrenhof. 206. 207. 275. 408 ff. 504 n. vgl. Fronhof. herrenloses Gut 189. 202. 205. 272 n. 515. 516. 522. Herrenstand 421. 425 n. 433. 489. 492. 519. 529. 549. 550. 555. 587. 610 n. 611. 743. 757f. 800; vgl. Adel, Freie Herren. Herrnfall 368. Herrschaften, reichsunmittelbare 777 f. hersir 21. Herzog, Herzogtum 17. 20. 23 f. 28. 31. 99 f. 106 f. 120. 126. 131 f. 142 f. 149.

152. 174. 234 f. 245. 273. 338 n. 341. 364. 376—79. 420 n. 426. 476—78. 485. 499 f. 513 n. 537. 552. 555 f. 558 n. 573 bis 575. 579. 581 f. 586. H.-Bann 554 n. Vgl. Stammesherzogtum. Herzogskorn 416. Hessen 95. 121 n. 399 n. 479. 487. 629. 756. 788. 806 f. 814 f. 819 f. 833. Hinkmar von ßeims 138 n. 172 n. Hinterlegung 284. 348 n. Hintersassen 118 n. 150. 152. 155 f. 158. 1 1 5 - 7 7 . 207. 211 f. 247.420. 436. 438. 443. 549 n. 569 f. 594 n. Hippolithus a Lapide 783. hird, hirdmann 26. Hochäcker 47. Hochburgund 372. 374. Hochfreie 212. Hochgericht 558. 559. Hoch- und Deutschmeister 480. 733. 758. 762 n. Hochverrat 32. 148 f. 331; vgl. Verrat. Hof 45. 49. 199. 207. 408—10. 414. 441. 490. 527. fürstlicher 582 f. königlicher jg^ -469 76. Hofämter 136. 213. 423. 457 . 461. 463 n. 469—76. 486. 569. 582 f. 736. Hofdienste, Hoffahrt 210. 394. 420 ff. 426 n. 491. 505. 600. 735. Höferecht 743. Hofgeistlichkeit 471. Hofgenosâenschaft 206. 409. 413. 438 ff. 447 n. 560 f. 590. Hofgericht, königliches (vgl. Königsgerieht) 76 n. 114 f. 135. 136. 138. 146. 170 ff. 271. 369 f. 484. 486. 494. 528 ff. 561. 606. herzogliches, fürstliches 132. 423. 552. 558. 564. 574. 578 n. 582 f. 595. 606. 725. 792 f. 82ü n. grundherrliches 175. 569 f. 673. Hofgerichtskanzlei 475. 534. 617. Hofgerichtsurkunde 245. Hofhaltung 526. 596. Hofhörige 440 n. 569. Hofkammer 754. 774. 795 f. Hofkanzlei, Hofkanzler 472—76. 536. 752f. 755. Hofkapelle, Hofkapellan 138. 172 n. 471. 481. Hofkriegsrat 795. Hofinarkgerichtsbarkeit 550 n. Hofmarschall 582. 755. Hofmeister 469. 535. 536. 558. 583. 584. 752. 755. 826 n. Hofpfalzgraf 469. 484. 486. 724. 752. 785. Hofrat 469. 475. 476. 536. 558. 583. 725. 754. 792. 795. Hofrecht 124. 128. 175. 429 n. 438. 526. 590. 613. 651. 653 ff. 669 n. Hofregiment 754. Hofreiter 583. Hofrichter 469. 475. 533. 556. 558. Hofschreiber 475. Hofschule 137. 471. 550.

Wort- und Sachregister.

849

Hofsprache 569. 252 n. 423. 440. 451 n. 565 n. 569. 571. Sofsteuer 526. 527. 598 n. 667 ff. 726. 729 f. I.-Prozeß 180 f. 265 n. 271. 352 ff. 368. 393. 559. 562. Hoheitsrechte 411. 418. 504. 587. 605; 711 ff. I.-Exekution 366 ff. 561. 711. vgl. Regalien. Hohenstaufen 378. 430. 432. 4 5 2 - 5 5 . 473. Immunität 125. 126. 142. 1 7 4 - 7 8 . 180. 181. 186. 191. 1 9 2 - 9 5 . 216. 218. 257 n. 478. 483. 576. 582 n. 587. 592. 597. 601. 332. 379. 420. 488. 525. 542. 545. 549 ff. 619. 576. 588. 596. 635. Hohenzollern 581 n. 583 n. 807. Holland 428. 434. 447 n. 479. 579 n. 612. imperator 112. 453. indictio 187. 631. 634. 635. 639. Stadtrechte 644. Holländischer Sachsenspiegel 630. indiculi commonitorii 369. regales 172. Holstein 58. 73 n. 93. 122 D. 264 n. 375. 245. 418. 427. 428. 479. 496 n. 517 n. 544 ff. Indier, indisches Recht 1. 256 n. 281 n. 554 n. 582 n. 587 n. 606. 640. 685. 732. 325 n. 362. 736. 739. 742. 747. 780 n. 807. 819 ff. Indogermanen 1. holting 411. indominicatus 206 f. 275. Ine 239. Holzgericht, Holzgraf 411. homo, homagium, hominium 153. 156. Informatio ex Spewlo Saxonum 623 n. 176. 386. homo advocaticius 435 n. 436. Ingävonen, Ingväonen 9. 93. denarialis, denariatus 217. ecclesiasticus ^Ingelheim 468. 548. 549 n. 560. 635. 177 n. 218. ligius 423. 430 n. 434 n. 'Inhaberpapiere 369 n. 660. 678. 681. migrans 86 n. 202. 206. regius 177 n. Initiative, gesetzgeberische 751. 218. 257 n. 336. Romanus 218. syno- Innocenz II. 404 n. III. 405 n. 456. 463. Innungen 597. dalis 420 n. 573 n. in pans 217 n. 257. Horcher 547. 709. Hörige 37—40. 48. 137. 149. 175. 191. Inquisitionsbeweis 359 n. 369. 515 n. 654. 206 f. 212—14. 252. 256—59. 275. 294. 712. 714. 831. 334 f. 409. 423. 437 ff. 599 f. 603. 709. Inquiaitionsmandat 174. 746 f. Aufhebung der Hörigkeit 747 f. Insatz 711. hospes, hospitalitas 103. 206 n. 435. Inselbildung 518. hostenditium 499. Insolvenz 265 n. 338. 339 n. 711. 715. Hoyer von Falkenstein 621. Instanzenzug 560. 784. 792. 811. Hubding 569. Interpretatio, westgothische 227 f. 230 f. Hufe, huoba, höva 13. 49 n. 198—201. Interregnum 515. 556. 408. 409. 414. 416. 418. 429 n. 434 ff. intertiare 349. 439. 444. Investitur 51. 52. 58 n. 160. 264. 265 n. Hugolinus de Presbyteris 723. 267. 270. 272. 275. 376. 378. 385 n. 386. Hulde 386. bei des Markgrafen H. 553. 387. 388 n. 403 f. 462. 479—83. 503 ff. Huldigung 109. 156. 605 f. 798. 568 f. 575. 670. 672 f. 735. 751. 755. 778. Hundertschaft 13 f. 21 f. 30. 33 f. 47. Investiturstreit 385 n. 387. 403. 480 ff. 120—24. 142. 161—65. 168. 202. 376. Inzest 339 f. 571. 380. 410. 543. 545 f. 548. 552 n. 558. Joachimica 829. Hunne 21. 24 n. 127. 168. 547. iodute 30 n. Hunnen 89 ff. Johann v. Buch 620. 624. 631. v. Gelnhüskarlar 26. hausen 661. Klenkok 625. Stadtschreiber Hussitenkriege 500. 501. 527. von Brünn 650. 724. Erzherzog J. 818. Hut HO n. 291 n. 387. 454. 590 n. Johanniter 733. 759. 779. 803. Hypothek, Hypothekenbücher 676. 730. Joseph II. 766. 768. 832. josephin. Gepreußische H.-OrdnuDg 730. 831. setzbuch 833. Isidorus 227. 234 n. 623. 624. 627. Island, isländisches Recht l n. 4. 18 n. iactivus 84 n. 24. 71. 220 n. 253 n. 334 n. Jagd 189 f. 204 n. 412. 444. 518 ff. 561 n. Istävonen, Istväonen 9. 90. 585 n. 706. 743. 820. Italien, italienisches Recht 5. 120. 133 n. Jahr und Tag 388. 410 n. 439. 443. 138 f. 151 n. 164 n. 167 f. 181. 212 n. 479. 512. 543. 583 n. 600. 668. 670. 223. 234. 242—46. 251. 277. 288 n. 704. Bedeutung 672. zu seinen J. 292 n. 304. 372. 374. 382 ff. 386. 388 f. kommen 253. 662. 394 f. 397 ff. 419. 462. 471 f. 4 8 2 - 8 6 . jarl 36. 42. 490. 492 f. 499. 505 n. 524. 530. 532. Idioten 252. 554 n. 601. 610 f. 615 n. 616. 618. 719. Iglau 589 n. 649 f. 725. 727. 769. 823. 826. 830. illuster 112. itio in partes 749. 761. Imbiß 527. 682. Juden 173 n. 218 f. 223 n. 360. 411 n. Immobilien, Immobiliarsachenrecht 214. 449—52. 468. 501 n. 524. 568. 579. 54 B. SCIIRÖDÜU, Deutsche Rechtegeflchichtc.

850

Wort- und Sachregister.

5 9 1 - 9 8 . 603. 605. 611. 615. 619. 633. 450. 556 n. 625. 638. 669. 696. 725 ff. 664. 749. 773. 804. 822 ff. iudex 21. 76. 106. 128 n. 163 n. 168 f. Kantone der Reichsritterschaft 801. 191. 193. 221. 233 n. 380 n. 488. 540. Kantonsgesetz, -reglement 790 f. 548. fiscalis 128 n. generalis 538. 553. Kanzlei 136. 138 f. 171. 245. 471—75. 558. pacis 538. provincialis 489. 552. 753. 755. 767. K.-Formeln 249. iudicium 171. 221. 225. comitiale 544. Kanzler 138. 245. 472. 583. provinciale 544. 552. secretum 562. Kapelle 138. 471. 565 f. dei 251. 361 n. aquae 361 f. Kapitel 482 f. 586. iudicia Wulemari 236. Kapitularien vgl. capitula. Jülich 479. 829. Kapitulation 769 n. Jüngster Reichsabschied 760. 766. 768. Kardinalkollegium 457. Karl der Große 72. 91. 100 f. 107 n. 111 f. 787. 825. _ 119 f. 126 f. 130. 132 f. 135. 141. 143. iurator pacis communis 538. iuratores 145. 148. 151. 159. 163. 165—68. 173 f. synodi 571. 176 f. 184 f. 188. 191 f. 191. 206 n. 209. Jurisdiktion 702. 211. 220 f. 226 f. 235—38. 240. 243. 246. Juristen (vgl. Doktoren, Doktrin, Rechts 339—42. 354. 360 f. 373. 376. 488. 503 n. gelehrte) 724 f. französische 725. Fakul521 n. 537 n. 543. 554. 609. 616. 619. täten 728. 793. Juristische Person 663. , > 624. 632 n. Karl Martell 64 n. 99. ius albinagii 513. conductus 512. de132. 140 f. 157. 159. 172. 341 n. 372. tractus 812 n. evocandi 528. Franco381. der Kahle 101. 313 n. 372. der nicum 612. primae noctis 438 n. reDicke 372. 464 n. der IV. 432. 453. cadentiae, revolutionis 697. regaliae, 455. 466 f. 469. 473 f. 485 f. 529. 533 f. regalium 403 ff. reformandi 748. Saxo634. 723. der V. 750. 762. 764. 770. nicnm 612. spolii 404. 825. der VI. 750. 780 n. der VII. 750. Justitiar, Justizamtmann 794. iustitiarius Karlmann 140. 157 ff. 178. 245. curiae 533. Kärnthen 374. 377 f. 470. 478. 485. Justizdepartement 797. Karolina s. Carolina. Justizverweigerung vgl. Rechtsverweige- Karolinger 100 f. 110—12. 1 1 8 - 1 2 7 . 1 2 9 . rung. 133. 138. 143. 1 4 6 - 5 1 . 170 f. 173. 176. Jäten, jüt. Recht 89. 94. 220 n. 280 f. 686 n. 178. 181. 185 f. 193. 201. 218. 242. 253 n. 273. 370. 372. 374. 376. Karlsbader Beschlüsse 812 n. Kabelländer 412 n. Kastner 58». 725. 794. Kabinetsjustiz 769. Kauf 53. 54 n. 284. 285. 350 n. 598 n. Kämmerer 192. 423. 469 f. 582. Kaufgut 673. 700 n. Kaichen 541 n. 560. Kaüfleute 431 n. 450. 511 n. 596—98. Kaiser 100. 111 f. 453. 455 n. 463. 468. 602. 607 f. 615. 640. 566 ff. 616 n. 630. 723. 744 f. 750 ff. Kawerzen 450. 579 n. 756 f. 760 f. 763 f. 766. 768 ff. 777. 779. Kebsehe 293. 294. 301. 781. 783 ff. 788. 798. 801. der Deutschen Kebskind 311 n. 321. 818. von Österreich 733. Krönung Kennemerland 539. 540 n. 635. 100 f. 112. 463. 466. 527. 750. Resi- Kelten 1. 10. 13 f. 18 n. 21. 51 n. 91. 121. denzpflicht 751. Titel 112. 453. 750. 167 n. Kaisen-echt 624 n. 628 f. 723. 826. Kleines Kent 94. 209 n. 219 n. 239. 337 n. 350 n. K. 425 n. 513. 595 n. 629 f. Kerbholz, Kerbzettel 656. Kaiisch, Aufruf 807. kcrl karl 41 Kammer 536. 558. 583. Kesselfang 282 n. 3 6 0 - 6 4 . 715. Kammerbote 484. kethere 540. Kammergericht 474. 536. 558. 583. 725; Ketzerei 571. 622. 706. 723. vgl. ReichsKG. Kinder 37. 41. 49. 55. 61. 70. 251 f. 263. Kammergüter (vgl. Krongüter) 559. 584 n. 294. 301 f. 304. 307 n. 310—13. 321 n. 739. 747. 787 f. 794 f. 803. 328. 446. 449 n. 693 f. 697. Kammerknechte 451 f. Kirche, kirchliche Angelegenheiten 59. 72. Kammermeister 582. 83. 89. 1U0. 104. 108. 110. 113. 115. Kammerprokurator 534. 796. 119. 1 3 9 - 4 3 . 146. 150. 157 f. 178—81. Kammerschreiber 475. 534. 187 ff. 192. 194. 218. 220. 222 n. 228 n. Kammerzieler 767. 773. 778. 800 n. 234 f. 237. 243 f. 246. 252. 255. 257. Kampf 79 n. K.-Stock 241 n. 361. 364 n. 262. 264. 266. 273 ff. 277 f. 288. 295. kämpf liehe Ansprache, kampflicher Gruß 330 n. 334. 338 ff. 342 f. 348 n. 360 f. 357. 363 f. 445; vgl. Zweikampf. Sie370. 375. 379. 381. 385. 408. 414. 417. bener K. 715. 463. 466. 468 f. 480—83. 488. 499. 503 f. Kanonisches Recht 69. 141. 292 n. 324. 506. 513 n. 516. 527. 566. 571. 580.

Wort- und Sachregister. 583 n. 598. 603. 615. 619. 629. 715. 782. 797. 803. 814; vgl. Christentum, Geistliche, Klöster. Kirchenbann 464. 468. 571. 704 f. Kirchenbuße 175. 706 ff. Kirchenfrieden 348 n. 615. Kirchengut 141. 143. 157. 158. 192 n. 204. 205. 207. 208 n. 213. 266 n. 277. 338 n. 387. 437. 481. 482. 781 f.; vgl. Säkularisation. Kirchenlehen 383. 504 n. 578 n. Kirchenleute 218. 294. Kirchenordnungen 828. Kirchenpatronat 261. 571. Kirchhof 615. Kirchspiel 142. 558. 571. 598 n. Kistenpfand 665. 675. Klage 70. 76. 81 f. 346 ff. 566 f. 572. bürgerliche 710. 714 n. 715. um Gut 346. 352 n. 547. 593. 711. um Eigen 352 ff. 711 f. um Erbe 713. um Schuld 180 n. 352 n. 547. 593. 710 f. schlichte 710 ff. peinliche 713. gemischte 714. übernächtige 713. von Amts wegen 71. 355. 369. 534. 567. 707. 716. 790. Vgl. Anfang. Klagemann 540. Klagengewere 350. 713. Klagspiegel 823. 826. Klausel, salvatorische 826. Kling, Melchior 822. Klinke 553. Klöster 135. 140 f. 154 n. 189. 370. 375. 385. 408. 414. 417. 438 n. 450. 478. 480. 498 f. 503 f. 506. 516. 527. 586. 603. 773. 781 f. 787; vgl. Abtei, Reichsabtei. Knabe, Knappe, Knecht 383. 418. 426 n. 430 ff. 498. Kuic 61. 323. 325. Kniesetzung 61. 63 n. 68 n. Kodifikation 228. 827. 830 ff. Kohle, Bergbau 522. glühende K. 362. Kohlenwald 96. 98. 101. 108 n. 121. 223. Köln 96 f. 125. 139—142. 243 n. 377. 379 n. 405 n. 450 f. 456 f. 459. 461 ff. 468. 471 f. 510 n. 538. 563—567. 589 n. 596 ff. 602 n. 605. 607 ff. 615. 659. 762 f. 770 n. 792n.797f. 830. Dienstrecht 651. Stadtrecht 645. Mark, Pfund 508. 775. Konföderation 608. Kollegialbehörden 796. 804 f. Kollegiatstifter 506. Kollegien im Reichstage 757 — 761. 770. im Rheinbunde 803. Kollektivstimmen 758. 808. Kolonat 741 n. Kolonen, römische 335 n. 726. Kolonisation, Kolonisationslande, Kolonistenhufe 375. 414 ff. 434 f. 442 f. 654. 689 709 738 Kommendation 51. 64 f. 153—157. 159 f. 382. 386. Kommentatorenschule 725 f. Kommissarius, kaiserlicher 534. 536. 760.

851

Kompromiß 535; vgl. Austrag, Schiedsgericht. Konfession 748 f. 761 f. Konfiskation 74. 118. 132. 180. 189. 328. 339 n. 341. 343 n. 367ff.438. 514. 579 n.; vgl. Vermögenseinziehung. König 15. 18 ff. 28. 31. 36. 42.49. 74. 76. 84. 89. 106—119. 129. 141. 161. 164. 169. 174. 179. 181. 187. 190. 192. 194. 202. 205. 208. 213. 217. 241 f. 246. 257. 259. 263. 271 ff. 277 n. 318. 327 f. 330ff. 340 f. 344 n. 353. 361 n. 367. 370. 383 f. 414. 421. 425 n. 432. 441. 451—69. 478 f. 481—84. 488. 490—96. 498. 500. 502 ff. 506 ff. 511—14. 518. 520 f. 525. 527—29. 5 3 1 - 3 6 . 538 f. 542. 544. 547 ff. 555. 557 n. 567 ff. 573—76. 578 f. 591 f. 595. 605. 612. 616 n. 617 f. 622 n. 624. 628 n. 635 ff. Königin 112. 191. 467. Königsbann 110. 114. 117. 130. 134. 149. 154 n. 156 n. 166 n. 167. 173 f. 186. 189. 203 n. 234. 342 n. 344 n. 369. 387 n. 454. 468 f. 477. 478 n. 520 f. 539. 542. 553—56. 558 n. 563 f. 575 n. 578. 590 ff. 671. Königsbote 101. 126. 1 3 3 - 3 6 . 143. 149. 150. 163 f. 166 n. 171 n. 174. 190 f. 194 n. 238. 240. 270. 341. 376. 484 bis 487. 528. 536 f. 574. 578 n. 585. Königsdienst 115 n. 119. 154 n. 209. 210. 334. Königsfriede 20. 451. 454. Königsgericht 76. 114.117.154 n. 169—74. 177. 179. 181. 346. 350 n. 353 n. 355. 361. 364. 369 f. 528 ff. 610 n. 709. 714 f. Königshufe 198 n. 415 f. Königskrönung U l f . 462. 466. 470. 612. Königsmunt 154 n. 173. 189. 219. 228. 316 f. 468. 504 n. Königsrute 416. Königsscheffel 188 n. Königsstraße 381. 518. 615. Königsstühle 543. Königstitel 111—20. 453. 750. Königsurkunde 117 f. 136. 202 n. 205. 245. 271 f. 355. 358 n. 473. 475 f. 494 f. 656. Königswahl 17 f. 22. 98 n. 110 f. 455—64. 466. 587 n. 612. 628 n. Königszeichen 109. 453 f. Königszins 516. Konkordate 619. 814. Konkubinat 293. 303. Konkurs 715. 774. Konrad I. 110 n. 462 n. 484. Der II. 373 f. 397. 455 f. 462. 472. 515. Der III. 451. 470. 472 f. 616. Konsekration 482. 483. Konsistorien 797. Konstitutionen, kursächsische 829. Konstitutionalismus 809. 813 ff. Konsul 104. 109 n. 168. Kontingente 497 ff. 501. 770 f. Kontribution 794 n.; vgl. Bede. 54*

852

Wort- und Sachregister.

Landbücher 635. Landding, Landsthing 16. 552; vgl. Ding. Landesalmende 414 n. Landesfreiheiten 633. 828. Landesgemeinde 15. 16. 35. Landesgerichte 558. 560. 768. 825 n. Landesgesetze 132. 613 f. 631—35. 749. 751. 774. 784. 788. 809. 813 f. 820. 825. 8 2 7 - 3 4 . Landeshauptleute 584. 585 n. Landesheerwesen 787—91. Landesherr, Landeshoheit, landesherrliche Gewalt 380 f. 411. 421 n. 435 n. 444. 512—15. 520. 524. 528. 557 n. 563. 568. 573—80. 583 n. 586. 605 f. 622 n. 724. 744 f. 748 f. 751 f. 767 f. 778. 781 ff. 785. 792. 794. 800 ff. Klagen gegen den Landesherrn 784. 787 f. 811. 813. Landeskulturgesetzgebung 743. Landesmiliz 427. 790. Landesobrigkeit, landesfürstliche Obrigkeit 782. Landesordnungen 774. 828. Landesorganisation 573 ff. 776 ff. 803. Landessteuern 787 f. 794. Landesverrat 72. 331. Landesversammlung 144. Landfolge 149. 578. 600. 604. 790; vgl. Landwehr. Landfrage 714. Landfrieden 129. 138. 409. 451. 468. 487. 492. 507 n. 511. 518 n. 536 ff. 540 f. 562. 565. 574 f. 579. 585 ff. 597 n. 601. 614—18. 623. 702. 705. 721 f. 762. 765. 787. ewiger 721. 824. L.-Bruch 149. 338 n. 767. L.-Einung 617 f. L.-Gericht 174. 488. 536 f. 541. 552 n. 558 n. 562. 574. 604. L.-Gesetz 123 n. 162 n. 225 n, 243. 338 n. 339 n. 363 n. 493. 538. 614 bis 618. 632. L.-Hauptmanu 489. 538. L.-Kommission 538. Landgerichte 428. 528. 530. 536. 538. 544 ff. 550 ff. 557. 559—62. 564. 569. 572. 578 n. 583. 591 n. 593 ff. 613. 793. kaiserliche 560 ff. 770. 801 n. Landgeschrei 29 n. 500. 544. 565 n. Landgraf 487 ff. 537 f. 553.572 n. 579.586. Landherren 426. Landhofmeister 583. Landkapitel 572. Landkasten 794. Landleihe 274ff.; vgl. Prekarien. Landleute, Landmänner 426. Landmarschall 558. 582. Landrat 796. L a d u n g 80—83.86 f. 354. 369.545 n. 566 f. Landrecht 611 ff. 620. 631—35. 637. 709. 714. 725. 734. 827 ff. Badisches 829.833. Bailaesowerpire 52 n. 265. risches 634. 651. 829. 831. Bamberger Laeti 39. 40. 96 n. 829. Breslauer 630 n. Burger 635. lag, lagmann, lagthing 11. 16. 35. 219. Ditmärscher 635. 686 n. 829. Drenther Laienfürsten 383. 386 n. 456. 458. 478 f. 634. 686 n. Friesisches 539 n. 632. 635. Laienspiegel 823. Jülicher 829. Kurkölner 829. KurLandbede 525. mainzer 829. Kurpfälzer 829. Kurlandböc 205. 266. trierer 829. Oesterreichisches 633. Preu-

Kontumazialurteil 364. 368. 466. 494; vgl. Ungehorsam. Konventionsmünze 776. Konzilien 142. 146. 149 n. 174 n. 179. 457. 504 n. Kopfsteuer, Kopfzins 108. 438 f. 441 n. 773. Kopialbücner 658. Körperschaften 383. 393. 497. 510. 595. 600 f. 604 f. 663. Körperverletzung 333—36. 344. Kossäten, Kotsaten 410 n. Kreisverfassung des Reiches 617 n. 721 f. 762 f. 765 f. 768. 771 ff. 774 f. 778. 784. 787. 800. 825. der Reichsritterschaft 800 f. Preußens 796. Kreitmayr 831. Kreuz 109. 110 n. 186. 452. 454. 591. Kreuzprobe 361. 362 n. Kreuzzüge 392. 450. 451 n. Kriegsartikel 790. 805. Kriegsgefangenschaft 37. 71. 214. 254. 439 n. 442. 526. Kriegs- u. Domänenkammer, -kasse, -rate 795 f. 804. Kriegswesen 20.22.113.132. 469; vgl. Heer. Kriminal Ordnung 831. Krone 109. 453. Kronfideikommiß 795. Krongut 119.124. 129 f. 136 f. 148. 157 f. 174. 177. 190—93. 206. 213. 240. 273. 819. 379. 415. 417. 437.485. 488 f. 512. 514 f. 548. 592; vgl. Kammergut. Krümper 805. Küchenmeister 136. 469. 582. Kulm, kulmisches Recht 437. 522 n. 634. 638 ff. 738. Kundschaft 714. Kunkel 60. Kuppelei 774. Kurrürsten, Kurfürstentümer 455 f. 459. 461. 464. 466. 471 f. 495. 501 f. 507 f. 524. 529. 535. 573. 576 f. 579 f. 619. 624. 627 n. 706. 750 f. 755 ff. 759f. 762 ff. 766. 769 f. 773. 777 ff. 781. 792 n. Kuriatstimmen 758 f. Kurland s. Livland. Kurmede 439. Kurpfalz 459 ff. Küren, die 17 friesischen 539 n. 632. städtische 636. Kürrecht 697. Kurverein 461. 463 f. 495. 535. 630. 756 f. 764.

Wort- und Sachregister.

853

confessoris 240. Romanae 221 f. 244 ff. ßisches 829. Rheingauer 635. SaarUpstalsbomicae 632. brücker 635. Schlesisches 630 n. 634. Solmser 828 ff. Steirisches 634. Wür- Legestätten 774. temberger 828 f. Würzburger 634. 829. Legitimation 61. 65. 487. 694. 751. 785. Preußisches allg. L. 730. 734 n. 740. Lehn, Lehnswesen 128 ff. 152—160. 261. 268 n. 277. 379. 881—407. 415. 418. 742. 745 f. 785 f, 791 n. 799 n. 804. 832 f. 420 f. 428 f. 427 f. 430. 435 n. 445. — L. bricht gemeines Recht 729. 447 n. 463. 469. 476. 480. 491. 496 f. Landrecht (als Abgabe) 187. 207. 416. 516. 499. 503 f. 506 n. 512. 527. 531 n. 539. 677. 542. 546f. 549. 555f, 558f. 561. 563. Landreiter 584. 796. 568f. 571. 573. 575f. 580f. 593f. 604f. Landrichter 544 n. 547. 549. 551. 556. 612 f. 619ff. 624. 626 f. 630 n. 7 1 l f . 558 f. 562. 581. 583 f. 734 ff. 755. 778. 800 f. 803. After-L. Landsässige 421 n. 434 n. 478. 480. 530. 154 n. 382. 386. 394 f. 397 n. 403. 777. 406 f. 542 n. 555. 557. L. zur gesamLandsassen 207. 425 n. 435 ff. 441. 448 n. ten Hand 389 f. 393. 398 f. zu treuer 545. 573 n. Hand 391. Lehns-Adel 430. 432. AnLandshut 589 n. 648. 688 n. wartschaft 391 n. 735. 777 n. Aufgebot Landsknechte 496. 789. 498. 770. 772. Auftrag 388. 394 n. 899. Landschenkung 272—76. 319. 401. Bede 587. Dienste 393. 894. 401. Landschranne 547. 406. 421. 469. 554. Edikte 734. 828. Landsiedel 206. 207. 435. Erbe 396. Entziehung 341. 383 n. Er. Landstände, Landtage 132. 134. 444. 502. neuerung 386 n. 388. 890. 393. 398. 525. 537. 558. 574. 585—88. 606. 633. 399. 401. 407. 466. 504. 554. 755. 634. 780. 786 ff. 792 ff. 796. 799. 803. Fähigkeit 383 ff. 393 f. 397. 406 n. 429. 814 f. 818. 821. 828. Preußischer ver431. 480. 705. 745. Fall 388. Folge einigter Landtag 815. 383. 388. 390f. 393f. 396. Gericht 393. Landstraßen 522. 518. 402 n. 568. 569. 613. Gewere 668 f. Landsturm 805. 672. Herr 888. 385. 397 n. 402. Hof Landtafe) 660. 671. 714. 498 n. Hofgericht 569. Kammer 569. Landtaiding 552. Kanon 736. 794 n. Mandate 734. 828. Landteilungen der Germanen 102 ff. Objekt 385 f. 569. 598. Pfliohten 393 ff. Landvögte, Landvogteien 489. 515. 518. 406 n. Retrakt 395 n. 401 n. 735. 538.- 541. 549. 561 n. 584. 762. 776 f. 802. Schulden 504. 735. Schulze 418. 559. Landwehr 149. 409. 498 n. 500. 805. 738. Succession 396—99. 406 n. 576. Landzwang 706. 581. 734. Teilung 398ff. Treue 393. Lanfrancus 233 n. 406. Vertrag 388. 395 n. 401. 498. Langobarden, langobardisches Recht 9. Veräußerung 395. 735. Verwirkung 406. 23 n. 35. 38. 40. 54 n. 57 f. 62 f. 89 ff. 407. 499. Verzicht 594 n. 424. Vor100—103. 107 ff. 114 n. 119 f. 129. 133 n. mundschaft 402. 735. 143. 145. 168. 182. 209 n. 215 ff. 219. 221—23. 2 3 1 - 3 4 . 238. 242. 244. 251 ff. Lehnrecht, Lehnrechtsquellen 651 f. 727. 784. 824. 828; vgl. Libri Feudorum, 255 n. 257 f. 263 n. 266 f. 277. 280—83. Lombard. Recht. 285—88. 292. 294 n. 297 ff. 302. 306. 309 f. 312 n. 319—23. 3 2 5 - 3 0 . 332—38. I Lehnschulze 418. 559. 738. 343. 345 n. 350. 354 f. 359 f. 364. 366 ff. I Lehnware 388 n. 747. • 381. 437 n. 725. Langobardische For- Lehrlingswesen 774. meln 250. Vgl. Italien, Libri Feudorum, Leibeigen 438 n. 440. 441 ff. 446. 449. 569. 746. Lombardisches Recht. Leibgedinge (vgl. Leibzucht) 692 n. Lantfrid I. 234. Lassen, Lassiten, Laten, Liten 40. 49 n. Leibrente 679. Leibzins, Leibzoll 215. 441. 452. 569. 436 f. 445 n. 738. Vgl. liti. Latein 221. 224. 225. 231. 614. 619. 621. Leibzucht 261. 296 n. 301. 304. 307. 312. 321 f. 393, 668. 672. 686 f. 690. 692. 624. 629. 632. 634. 637 f. 640. 751. L.-Lehn 393. Laubach 236. 539 n. Leihe 261. 274 ff. 284. 286. 346. 386. 415. laudatio auctoris 711 n. 712. 436. 439. 515. 599. 670; vgl. Prekarien, laudemium 388 n. 747. beneficia, Lehn. L.-Zwang 740. 742. Lauenburg 460 n. 537 n. 807 n. 821. L.-Brief 276 n. (738). Launegild 53. 55. 285. 290 f. 299. ; Leinpfad 518. Lausitz 353 n. 376. 478. 551. 638. Leipzig 639. 739. Münzvertrag 775. WechLebensfähigkeit 252. selkonferenz 817. Ledigmann 423. ; Leistung s. Einlager. legatus, legationes 133 f. 140. Leges 148. 231. barbarorum 221. 224ff. i Leitkauf, Litkauf 54. 679. doinini 215. Heinrici I. 240. Edwardi I Lestinnes 158 n. 183.

854

Wort- und Sachregister.

leudes 210. 211. l.-amio 111. léudis, lSodis 77. 211 n. Leumund, Verfahren auf 716. Leutkirch, Leutkirchèr Heide 561, Lex 11 n. 82. 219. 221. 225. 237. 241. 251. 632 n. Alamannorum 234f. 610 n. 626. Angliorum et Werinoruro 39. 220. 236. 238. Anglosaxonum 239 f. Baiwariorum 229 n. 234 f. 627. 632 n. Bellimontis 434 f. 437. 443. Burgundionum 39. 229 ff. Curiensis 227 n. 239. 281. 284 n. emendata 221. 225f. Francorum Chamayorum 238. Frisionum 213n. 220. 235—37. Langobardorum vgl. Edictum. loci 219 n. Ribuariorum 75. 97 n. 116 f. 154 n. 226 f. 237. 240. 243 n. Romana 221 f. 224 ff. Romana Burgundionum 39. 230 f. 281 n. Romana Wisigothorum 227. 231. 239. 627. Salica 23 n. 58. 75. 84. 86. 113ff. 117f. 126. 144. ,161. 222. 224—27. 610 n. 631. Saxonum 76. 237. 610 f. Wisigothorum 228 f. 231. Liber antiquus, originalis 205. cartularii 250. edictus 231. Papiensis 233. 250. 280 n. 631. liberi barones 419. Libri Feudorum 383 n. 618. 652 f. 723.. 728. Glosse 723. Vgl. Lombardischesb Recht. Lidlohn 710. ligius homo 423. 430 n. 434 n. Limburg 487. 807 n. Lindenbrog'sche Formeln 248. 249. Lineal- und Linealgradualordnung 325. 696. 734. liti 39 f. 107 n. 167. 213 n. 214—18. 257 f. 287 n. 303. 336. 436 ff. 441. litemo-niam 215. litilis mansus 206. 215.>. 437 n. Litteratur, juristische 822 ff. Liutprand 64 n. 216 f. 231 f. 255 n. 302.. 308. 320. 360. Lirland, Livländisches Recht 301. 609.>. . 640 f. 651 f. 731 n. locator 417. lögmaär, lögretta, lögsaga 18 n. 35. 221. Lohnkämpfer 361. 449 n. 715. Lokalverwaltung 795 f. Lombarda 233 f. Lombarden 450 n. 664 n. Lombardisches Recht 386 n. 391 n. 395 n. 397 n. 401 n. 406. 652f. 723. 728. 734f.F. 824 ; vgl.Italien, Libri Feudorum, Langobarden. Londoner Vertrag 821 n. Losen 11. 359. 698. Loos, Landloos 48.I. 200. 263 n. 328. Losacker, Loserdee 412 n. Losurteil 83 f. 360. 363 n. Lösung von Strafe (Hals und Hand) oderr Rache 72. 75. 330. 333. 335. 337—41.. 361 n. 449 n. 546 n. 568. 570. 707. Lothar I. 101. 112. 243. 252 n. 373. derr III. (von Süpplingenburg) 377. 386 n.i.

i j ' i |

395 n. 397 n. 404 n. 430. 454. 483 472 f. 483. 487. 491. 502 n. 515. 517 n. 519 n. 616. Lothringen 95 n. 373 f. 376 f. 382. 385 n. 387 n. 472. 477 f. 484. 486. 532. 575. 718. lotthing 544 n. Lübeck 381 n. 480. 514. 516f. 589 n. 592. 607if. 640f. 685. 759. 763 n. 793. 798f. 807 830 Ludwig der Fromme 101. U l f . 134f. 138. 141. 143. 145 if. 151. 176 n. 184 f. 220. 226. 240 f. 243 f. 249. 340. 354. 361 n. 362 n. der Deutsche 101. 111. 272 n. 372. 454. 462 n. das Kind 273 n. 462 n. 506. 521. der Baier 617. 634. 648. 725. Luft macht frei 443. 600. Lüneburg 641. 685 n. 688 n. 729 n. 830. Lüneviller Frieden 702. 719. Lusterer 547. Luxemburg 435 n. 479. 807. 810. 815. Luxusgesetze 774. Luzern 646 n.

Magdeburg 379 n. 468. 472 n. 485. 589n. 596 n. 605. 6 3 7 - 4 0 . 692 f. 793. Stadtrecht 637—40. 683. Blume 638. Rechtsmitteilungen 513. 638. Magdeburger Fragen 639 f. 823. M.-Schöffenrecht 638. M.-Görlitzer Recht 630 n. 638 n. M.-Breslauer systematisches Schöffenrecht 639. Magen, Magschaft 26 n. 60f. 318. 320. 323 f. 696. Magsühne 77. 335 f. Magiscampus 145. Magistrat 799. magnates 212 n. 419. mahal 33. 288 n. Mahlschatz 681 n. Mahnung 347. 366. Mahnverfahren 365. Mähren 374 f. 479. 612 f. 638. 649 f. Maiestas Carolina 634. 723. Majestät 132. 580. M.-Verbrechen 117 n. 118. 131. 498. 514. 580. 706. 723. Maifeld 145. 147. 149. Mailand 395 n. 652. Mainfranken 188 n. 631. 632 n. Mainz 101. 140. 379 n. 384 n. 455. 457. 468. 536. 538. 589 n. 605 f. 615. 755 f. 760. 762 n. Erzbischof 455 f. 459. 461 f. 467 n. 471. 474 f. 733. 802 f. Landfriede (v. 1235) 448. 507. 511. 518 n. 532. 555 n. 579 n. 606 n. 616 f. 619. 622. 625. 626 n. 633 n. Majorat 698. 734. Major domus 476; s. Hausmeier, maiores natu 166 n. 212 n. Majoritätsprinzip 493. 761. malahereda 296. Malbäume 409. Malberg, mallobergus, mallus, Malstatt

Wort- und Sachregister.

855

33. 48. 115. 161. 164. 169 n. 173 n. Meier, Meiergut 415. 421. 447. 488. 548. 550. 570. 741 n. 794. Malberg'sche Glosse 225. 226. Meineid 361 n. 362. 571. Malman 434. meintät 71 ff. malo ordine 33. 48. 352f. mancipia 440. Meißen 373. 376. 458. 478. 485. 487. 513n. mancosi 183 n. 551 ff. 556 n. mandata 172. 245. 655. Meißener Rechtsbuch 630. 685 n. Mann 386. 498. 568 f.; vgl. Vassall. Meklenburg 373. 375. 399. 418. 479. 537 n. Manngeld 77. 609. 633. 640. 739. 759. 780n. 788. 803. mannire, mannitio 80 n. 354. meliores 211 n. 212 n. Mannheiligkeit 449. Mercia 94. 185 n. Mannschaft 156. 383. 385 ff. 394 n. 407. Merovinger 97ff. 106f. 109—12. 118. 370. 429 n. 469. 480. 554. Messe 785. Mannsfall 388. Messer 58 n. 264 n. 706 f. mansionario, maDsuarius 40. 213. 214. meta 67. 287—90. 302—307 n. 254. 437. Metropoliten 140 ff. 146. 180. 483. mansus 199. 206. 207. 213. 275. 409. Metz 112. 122 n. 139 n. 484 f. 601 n. 605. . 437 D . 619. 718. 763 n. 770 n. Mantel, Mantelkind 61. 69 n. 289 ff. 694. Miete, Mieter 286. 299. manufirmare 51 n. 246. miles 155 n. 162 n. 335 n. 384. 386. 421 n. manus vestita 50. 264. 426. 430. marchfutter, marchmutte 416. 516. Minister 421. 583. 796 f. 804. marchio 133. Ministerialen, Ministerialität 213. 3 8 3 f . Maria Theresia 750. 832 f. 402 n. 415. 418. 421—30. 432 f. 434 n. maritagium 438. 436 n. 441. 443. 446—49. 469. 477. 482. Mark, kölnische 508. 775 f. 816. 489. 492. 498 ff. 510. 514. 545. 549. 553. Mark, gemeine vgl. Almende. 555. 562 f. 567 n. 569. 573 n. 581 f. Markdienst 516. 586 f. 593 f. 596. 602. 604. 613. 619. Markeinung, Markfrevel 411. 570. 706. 623. 633 f. 651. 669 n. Märkerding 411. 570. Ministerialgraf 563. 581. Markfutter, Markmutte 416. 516. ministerium 121. 123. 163. 191. Markgenossenschaft 12. 14. 15. 47. 49. 53. minoflidus 206. 210 ff. 410 n. 206. 263 n. 410 ff. 444. 520. 570. 580. Minorat 698. Markgraf, Markgrafschaft 120.126.133. 373. j minores 210. 212. 376. 476f. 479. 484. 500. 515. 551—57. missaticum 120. 133. 134. 536. 573. 575. 678f. 581f. 584ff. 594n. 604n. Mißheirat 41 f. 545 ff. 780. Vgl. Brandenburg, Lausitz, Meißen, missio in bannum 367; vgl. Befronung. Ostmark. missus 76 n. 133. 135. 172. 174. 193. 370. Markrecht 411. 416. 516. 580. 588. 590. 486. 528 f. 537. 574. comitis 162. 164. Markt, Marktrecht 13 n. 109f. 124. 126. Mitbelehnung 383. 389. 142. 186. 191. 510. 512. 578. 590 ff. Miteigentum 202. 305. 309. 389. 596. 751. 785. M.-Abgaben 600. M.- Miterben 410 n. Bann 597. M.-Flecken 408. 590. 592. Mitgift s. Aussteuer. M.-Friede 454 n. 590f. M.-Gerechtigkeit mithio, mithium 153 n. 154 n. 175. 212. 572. 575. 591 f. M.-Gericht 591. 598. Mittelfreie 210. 212. 334 n. 421 n. 433 n. M.-Kreuz 186. 590. M.-Polizei 598. 604. Mittelfriesen 94. 209 n. 236. 539. 540. M.-Zoll 512. 612. 632. Markulf 247—50. Mobiliarerbrecht 318 ff. Mars Thingsus 17 n. 31. 36. Mobiliarexekution 366 f. Marschall 136. 154 n. 423. 470 f. 582 f. Mobiliargemeinschaft 683. 685 f.; vgl. 752. Gütergemeinschaft. Marschhufe 416. 434. Mobiliarklage 260. 711. 714. Märzfeld 145. 147. 149f. 251- n. Mömpelgard 718. Matrikel 501. 527. 778. Wormser 770—73. Monarchisches Prinzip 813 f. 820. Bundes-M. 809 f. Ritter-M. 801. moneta 185. Maximilian I. 721. 753f. 762ff. 770. 772n. Monopol 7§5. 795. 824. 826. Halsgerichtsordnungen Monumenta Germaniae 6. 813. Maximilians 826. Kurfürst M. I I I . von Monzambano 783. Baiern 831. Moratorien 785. medem 187 f. Mord 72 f. 334. 705. Mediatisierung 583n. 719. 744.798. 802f. Morganatische Ehe 294. 301. 806. Morgengabe 68. 70 n. 258 n. 289 D. 294. medii, mediani, mediocres 210 ff. 300 ff. 306—10. 626 n. 691 f. 700 n. Meersen, Vertrag von, 373. Morgensprache 604.

856

Wort- und Sachregister.

Mosaisches Recht 611. 707. Mühlen 199 n. 338 n. 517. 520 f. 615. Mühlhansen i/Th: 589 n. 592. 642 n. 759. 763 n. 798. mulcta 332. Mülhausen i/E, 718 n. 763 n. München 589 n. 648. Mündigkeit 69. U l f . 253f. 401 f. 461. 467. 662. 709. 750. mundr 68. 287 n. 301 n. Münster 142 n. 572. 643 n. Friede 825. Munt, mundium 41. 50 f. 62. 65 ff. 204 n. 214 f. 251 f. 254". 257 f. 287 f. 293. 295. 297. 310 f. 313 n. 318. 336. M.-Brüche 287 n. 293. 303. 337 n. 339 n. M.-Geld 287. M.-Leute, M.-Mannen 175. 179 n. 218. 257 n. 336. 599. 617. M.-Schatz 42. 67. 287. 438 n. 690. M.-Walt 50. 69. 286—97. 310 f. 335 f. Münze, Münzwesen 10 f. 104. 109 n. 142. 182. 224. 334 n. 506—11. 617. 774 ff. 816. 825. Bann 508 f. Fuß 507. Genossenschaft 510. Herr 508. 511. Knecht 510. Meister 510. 596. Polizei 570. 774 f. Recht 185 f. 504. 507—11. 575. 578. 591. 605. 751. 756. Entziehung desselben 775. Stätte 452. 506. 579. Verbrechen 341 n. 706. Vereine, Verträge 509. 775 f. 816. Verruf 508 f. Währung .182 f. 508. 775 f. Murten 647. Musteil 684. Musterung 16. 29. 144. 772. 789. Muten, Mutung 388. 401 n. 402. 404 n. 406. 407. 523. 524. Mutschar, Mutschierung 390 n. 399. Mutter 69. 112. 314. 319. 321 f. 442. 446f. 467. M.-Bruder 321 n. M.-Magen 60.69. M.-Recht 59 f. 319n. 321 n. M.-Schwester 319 ff. Nachbarlosung 200. 262. 413 n. Nachbarn 82 f. 198 n. 201 n. 206 ff. 408. N.-Zeugnis 712. 714. Nachgericht 540. Nachkommen s. Kinder, Enkel, Repräsentationsrecht. Nachfolgender Herr 439. 443. Nachsteuer 812 n. Näherrecht 277 n. 738. Namengebung 61. 64 n. 252. Nassau 523 n. 742. 806. Nationalversammlung 817 f. Naturalwirtschaft 182 f. 185. 444. 506. Naturrecht, Natur der Sache 824. 833. Neffen 60. 69. 321 n. 397 n. Neidingswerke 71 ff. 77. 84. Neubruch 199. 213. 504 n. Neubuch 266. Neuenburg 647 n. 720. 806 n. 832. Neustrien 99. 120 f. 137. 145 ff. 151. 158 n. 196. 205 f. 291 n. 304. 322. 373. nexti gantichio 87.

Niederbrennen des Hauses 74. 703. Niedergericht 528. 544. 546—49. 550 f. 557. Niederlande (vgl. Holland) 688. 698. 718. 732. 762 n. 795. 807. Niederlassung 115. 117. 201 f. 204. 596. 611. Niederlegung des. Gerichts 528f. 547f. 563 n. Niederlothringen 377. Nießbrauch 158. 275 f. 310. 402 f.; vgl. Leibzucht. Nikolsburg 822. nobilis 42. 210. 212 n. 257 n. 419. nona 159. 504 n. Nordalbingien 93. Norddeutscher Bund 802. 818 n. 822. Nordfriesen 635. Nordgermanen, Nordgermanisches Recht 1. 4. 6. 7 f. 68 n. 71 f. 76. 143. 220. 242. 262 f. 281 f. 287. 291 f. 294 n. 318 n. 321 n. 325 n. 330. 332. 335. 341 n. Nordhausen 592. 642. 759. 763 n. 797 f. Nordschwaben 93 n. 623 n. Normannen 5. 9. 74. 108. 611. Northumbrien 94. Norwegen 1. 4. 18 n. 23. 25. 106 ff. 110 f. 203 f. 210. 253 n. 255. 295. 316. 341 n. Notar, Notariat 138. 223. 244. 472—75. 487. 658. 724. 751. 785. N.-Ordnung 825. Not, echte 61. 80. 311 n. 367. 514. 671. Notbeden 587. Notgericht 166. 544. 559. 565. notitia 281 f. 238. 245 f. 656. iudicati 246. de actoribus regis 321 n. Notorietät 82. Notwehr 73. 344. 358. 702. 826. Notzucht 33 n. 706. novale 200. 414. Nowgorod 607 f. 613. 640 f Nürnberg 454. 468. 479. 489. 493. 501 f. 515. 526. 660 f. 564. 589 n. 594. 595 n. 618. 650. 762 ff. 770 n. 798. 803. 830. —Landfriede 616 f. Handelsrechtskommission 820 n. • Nutzpfand 87. 256. 277. Nutzung, Nutzungsrecht 199. 201. 206. 261. 308. 311. 314. 395. 401 f. 409. 411 f. 599; vgl. Nießbrauch. Oberappellationsgericht 792. 797. Oberbaiern 459. Landrecht 634. Stadtrecht 648. Oberbote 167. 546. Obereigentum 181. 202ff. 207. 273 n. 411 f. 418. 435. 444. 483 n. 483 n. 504. 592. 604. 734. Oberfemgericht, Oberfreistuhl 567 n. 568 n. Obergerichte 537. 728. 791 f. 797 f. 801 n. Obergraf 551. 557. 575. 581 f. Oberhof 549. 551. 553. 558 n. 595. 613. 635—43. 645. 647. 650. 728. 793. Oberkönigtum 111. Oberlandesgerichte 530. 805.

Wort- und Sachregister. Oberlehnsherr 383. 395 f. 406 f. 569. Oberlothringen 377. Obermärker 47. 414. 420. 444. 516. 520. 580. 741. Oberpräsident 805. Oberrechnungskammer 797. Oberster Graf 541 n. Landrichter 552. Märker 570. Schreiber 583. Obersthofmeister 469. 476. Obertus ab Orto 384 n. 387 n. 652. Obervormundschaft 69. 312. 315 n. 316 694 f. obinfeudatio 391 n. oblatio 275. feudi 388. Obligationenrecht, deutsches 834. Obnoxiation 65 n. 255 n. 256. Obrigkeit 782. 784. obsequium 154 n. 155. 160. Observanz 744. obstagium s. Einlager. odal 42. 49 n. Ödländereien 739. Odovaker 21. 91. 103. 108. oeconomus 195. 584. Ösfeld, Hermann von 631 n. Ofen 613. 639. Offlzial, Offizialatsgericht 572. 657. 671. .. 681. 701. Öffnungen 653. Öffnungsrecht 500. Oheim 60. 69. 321 n. 397 n. Oldenburg 806. Olmütz 376. 480. 630. Vertrag 819. Opfer, Opfertod 19. 33. 71. 84. 330. optimates 136. 210 n. 212 n. Ordal 360 n. Orden 430. 432. 450. Orderpapier 369 n. 660. 678. 681. ordo equestris 430. iudicii terrae Boemie 634 n. ordines iudiciorum Dei251. 360 n. Osnabrück 589 n. 605. Frieden 825. Ostangeln 94. ostarstuofa 188 n. Österreich 3. 378. 387 n. 399 n. 401 n. 425 n. 426. 448 n. 478. 498 n. 509, 542 n. 543 n. 551 f. 557 n. 576 n. 577. 579 n. 580 n. 581 n. 582. 587. 595 n. 612. 617 n. 686. 691 f. 720 f. 731 ff. 740. 747. 753 ff. 759 f. 762. 770 n. 776. 780. 788. 790. 792. 194 ff. 799. 806 ff. 815 f. 819 ff. 829. 832 ff. Kaisertum 733. Landrecht 633. Stadtrechte 648 f. Ostfalen 93. 167. 301 n. 377. 428. 433. 465. 545 f. 556. 561 f. 582 n. 612. 623. 638. Ostfranken 372 f. 376 f. 488. Ostfriesen 93 f. 100. 185 n. 209 11. 236. 333 n. 336 11. 539 f. 612. 632. 777 n. Ostgermanen 8. 15. 20. 280 n. Ostgcetalagen 220 n. Ostgothen 63 n. 90 f. 93. 99. 103. 221 n. 229 f. 254 n. 298 n. 363. 366. Ostmark, bairische 372. 374. 378. 498 u. wendische 376. 477 n. 552.

857

Otto I. 110 n. 373 f. 377 f. 453 ff. 462 f. 470 ff. 484. 519. 521. Der I I . 374. 455 n. 516 n. 519. Der I I I . 453. 470. 481. 519. Der I V . 404 f. 448 n. 457. 483. 526. overbode 167. 546. 561. 582 n.

Pacht, Pächter 275 n. 411 f. 415. 435 ff. 474 f. 515. 738 f. pactum, pactus, 11 n. 221. 225. 610 n. 632 n. Alamannorum 234. 610n. Childeberti et Chlotharii pro tenore pacis 123 n. 162 n. 225 n. 357 n. 361 n. pagus 13 f. 33. 121 ff. palatium 113. 137. 170. 191. pancarta 246. Pantaiding 653. Papian 231 n. Papst 100. 112. 132. 140. 185. 404f. 456f. 459 ff. 463f. 466 f. 480. 482 f. 494. 504 n. 527. 572. 625. 629. 750. parangariae 190. paratae 190. paraveredi 190. Parentel, Parentelenordnung 321. 323 ff. 696. 734. Paris 112. Frieden 806. Parität 749. 761 f. 766. 769 f. 772. 814. pascuaria 187. Passau 140. 250. 384 n. 474. 536. 648. Vertrag 754. Patent 655. 785. patricius 112 n. 131. Patrimonialverhältnisse 435 n. 557. 576. 581. 584. 592. Patrimonialgericht 77. 194. 444 n. 559. 794. 820. Patriziat, städtisches 510. 602. patronus 257. Pavia 233. 250. 472. 484. pecunia 259. 310 n. Perneder 823 n. Personalität der Rechte 102. 120. 219. 222 f. 241. 251 f. 295 n. 610 f. Petrus Comestor 626. von Andlau 721. Pfahlbürger 603. 617. Pfalz 459 ff. 549 n. 750. 752. 755 f. 759. 762 n. 780 n. 795 n. Pfalzen, königliche 113. 146. 170. 185 f. 191. 467. 484 n. 507. 515. 527. 548. 592. Pfalzgraf 136. 138. 170ff. 245. 455 n. 456f. 459. 465 ff. 471. 475—78. 484—87. 499. 518. 531 f. 537. 553. 624. Pfalzschöffen 164 n. 170 n. Pfand 54. 56. 256. 260 f. 365 n. 593. Pfandlehn 392. Pfandrecht 54. 260. 277 ff. 284 f. 665 ff. 674 ff. 678. Pfändung 55. 85 ff. 279 f. 308 n. 364—67. 617. 667. 678. 711. 714. Pfarrer 571. 584. frei will. Gerichtsbarkeit 657. 671. 681.

858

Wort- und Sachregister.

Pfennig 185. 508. gemeiner, hundertster 501. 527. Pflege, Pfleger 544 n. 550. 558 f. 583 f. Pfleghafte 434—37. 448 n . 497. 545. 562. 573 n. 598. Pflichtteil 268. 401 n. 706. Philipp, König 405. 457. 469. 483. 526. pincerna 136. Pippin von Landen 99 n. von Heristall 99. 140. der Kleine 100. 110 ff. 140. 145. 147. 158 f. 172. 174. 183 f. 192. 235. 243. 245 f. 339. 361 n. 364 n. König von Italien 243. placitum 146. 164. 166 f. 169 n. 174. 245. 369. 552. Pienipotenz 769. poena dupli, tripli, quadrupli 87. 281. 292 n. 387 n. 338 n. 351 n. Polen 373 ff. 418. 427. 556 n. 613. 635. 637 f. 660. 719 ff. 731 f. 747. Polizei 115. 123 f. 127. 129. 186. 410. 570 n. 578. 583. 598. 604. 636. 638. 640. 706. 765. 774 ff. 796. 799. 825. 827 f. Polygamie 69. Polyptichen 247. Pommern 373. 375. 399. 418. 442. 479. 537 n. 609. 718. 736. 739. 762 n. 806. possessio 259. 261 n. possessores 196 n. possessorisches Verfahren 669. Post 786 n. 776. 783. 796. potentes, potentiores 153. 206. 212 n. praebendärii 440. praeceptum regis 114f. 202 n. 205. 245f. 256 n. 271 f. 670. praedium libertatis 420 n. praefatio rhythmica 621 f. 626 f. praefectus 128 n. 539. 546. urbis 593. praemium 58 n. 334. praestaria 158. 274. 276. Prag 376. 379 n. 480. 650. Prager Frieden 822. Pragmatische Sanktion 780 n. Prälaten 425. 557. 586. 758 f. 761. 778. 786. 798. Prämonstratenser 375. 504 n. Prekarien 158. 205 f. 206. 274—77. 525. Preßburg 613. Frieden von 733. Preßfreiheit 820. pretiam nuptiale, emptionis 287 f. 300 n. pudicitiae s. humiliationis 337 n. Preußen 375. 415. 418. 430 n. 442. 522. 554 n. 564. 566. 569. 609. 613. 635. 638 f. 719 f. 732. 736. 739 f. 742. 745 ff. 749. 759. 776 ff. 780. 788. 790. 792—97. 799. 804 ff. 814 ff. 818 ff. 831—34; vgl. Brandenburg. Priester 16. 19. 24 f. 31. 35 f. 78. 107. 114 f. 141 f. 179. 217n. 602n; vgl. Geistliche. Primas, Fürst 803. Primogenitur 70 n. 461. 576 f. 698. 779ff. princeps 17. 21. 99. 106. 126. 212 n. 384. 476—79. palatii 137.

Prinzipalkommissarius 760. Privationsklage 406. 504. 712. Privaturkunde 245. 355. 655 f. Privilegien 116 f. 119. 142. 189 f. 193. 202. 219. 370. 414. 450 ff. 494. 498. 504 n. 509. 512. 518 ff. 535. 542. 583n. 590 ff. 600 f. 605. 611. 618. 624. 633. 635 ff. 640. 655. 768. 785. Privilegium maius und minus 378 n. 399 n. 542 n. 576 f. 579 n. 580 f. de non appellando 527 f. 558. 578. 751. 768. 792. de non evocando 529 f. 558. 561. 578. 595 n. Juden.-P. 450 f. 664. 749. Prokuratoren 766. professio 430. iuris 222 n. 223. 610. Prolog zur Sei Salica 225. zur Lex Alamannorum 234 n. zur Lex Baiwariorum 234 n. zum Sachsenspiegel . 621. 626. zum Weichbildrecht 638 n. proprietas 259. 261 n. proprisio 199. Propst, Propstei 476. 480. 488. 524. 548, 550. 572. 751. 759. Protonotar 473 ff. 505. 534. 583. Provence 120 f. 131 n. 373. Proviant 499. 501. Provinzen, Provinzialverfassung 120 f. 574 f. 584 ff. 631. 796 f. 805. Landtage 586. 588. 799. 815. Rechte 832. Landfrieden 615. 617. 622. 628. Provinzialen 104. 113. 119. 121. 125. 139. 142. 145. 148. 166. 188 n. 220. 222. 251. 279 n. 281 n. Provisionalbelehnung 578. Prozeß (vgl. Gerichtsverfahren) 57. 79 bis 87. 620. Buße 342 n. Dramen 823. Fähigkeit 314 f. 317. Gewere 710 n . 713. Leitung 80. 354. Vollmacht 825n. Prügelstrafe 31. 78. 255 n. 339 n. 341. 345 363 Pseudö-Isidor 178. 244. 570. Publikation der Gesetze 147. 619. 637. 760. 822. pueri 112n. 129. 155 n. 213. 313 n. 385n. 430. Pufendorf 783. 824. Purgoldt 822. Pütter 784 n. Quadripartitus 239. Quaestiones ac monita 321 f. Quasifelonie 401 n. 406. quarta 302. 305. 309. Quartiermeister 500. Quedlinburg 468. 526. 596 n. 621. Quittung 355. Hache 71 ff. 78. 154. 255 n. 335; vgl. Blutrache, Fehde. Rachinburgen 161. 163. 168. Radolfzell, Halsgerichtsordnung 826. Raimund von Peniafort 627.

Wort- und Sachregister. Raitkaromern 795. rän 86. Rasen 52. 58. 65 n. 84 n. 264 f. 267 n. 281. Rastatter Frieden 718. Ratchis 231 f. 283 n. Ratmänner 168. 380 n. 540. 607. Raub, rauba 65. 124. 259 n. 260. 333. 337 f. 344. 348. 351 n. 365 n. 449 n. 516. 571. 706. Raubehe 65 f. 293; vgl. Frauenraub. Rauchzins 439. Reallasten 261. 677. 738. Realverträge 284. 289 n. Recapitulatio Legis Salicae 226 n. Recessus imperii 760. Rechtlosigkeit 32. 78. 163 n. 362. 4(6. 449. 694 f. 698. 703. 705. Rechtsbücher 614. 620—31. 637. 822. Rechtsbuch nach Distinktionen 513 n. 630. von der Gerichtsverfassung 638. Rechtsgangbücher 620. 631. 634 n. Rechtsgebot und Rechtsinhalt 793. Rechtsgelehrte 727 f. 730 f. 760. 791—94. 798. Rechtsgeschäfte 175. 252. Rechtskonsulenten 794; vgl. Horcher, Warner. Rechtskraft des Urteils 173 n. 369. Rechtsmitteilung 636 ff. Rechtsschulen 233 f. 321 n. 325 n. 725. 883. Rechtssprichwörter 11. 81 n. 203. 219. 293 n. 326 f. 331. 346. 356. 433 n. 443. 446. 600. 683. 690. 694. 696 ff. Rechtssymbolik 18 f. 27. 29 f. 51 f. 56. 61. 63. 109 f. 186. 217. 256 n. 264. 267 n. 281 f. 289. 312 n. 314 n. 329. 387. 474. 481. 555 n. Rechtsverweigerung 75. 173 f. 407. 530. 545. 561. 567 f. 571. 617. 705. 767 f. 784. 811. Rechtsvorträge 11. 17. 219. 221. Rechtsweisung 34 f. Rechtswissenschaft 822 ff. Rechtszug, vgl. Berufung, Instanzen 537 n. 550. 558 n. 567. 583. 595. redgeven, 168. 380 n. 540 f. Reebningsverfahren 200. 413 n. referendarius 136. 138. 534. Reformation, Arnsberger 565 n. des Stadtund Landrechts 730. 827. 829 f. Friedrichs III. 565 n. Kirchen- 779. 781. Reformationsrecht 748. Reformen in den Einzelstaaten 803 ff. Reformierte Kirche 748. refutatio feudi 406. regales 21. 107 n. Regalien 181. 185. 189. 203—8. 261. 385 n. 387. 444. 479. 482. 504. 515 ff. 520. 522—24. 554. 578 f. 592. 605. 776. 781. 794. 798. Regalienrecht 403 ff. 504 f. 507. 529. 578. Regaliensperre 504. Regensburg 405 n. 468. 485. 506. 589 n.

859

594. 605. 616 n. 627. 756. 762 f. 779. 798. 802. Reichstag 760. Kurfürstentum 752. Regierungen 795. 797. 805. Regierungsvormundschaft 461. 467. Régime féodal, Aufhebung 736. 741 f. Regiment 771. 789. 795. Regimentsordnung 762. 770 n. Registerbücher 658. Regredienterbe 735. Reich, deutsches 372 ff. rechtliche Natur 783 f. Auflösung 733 f. 736. — ReichsAbschied 760 f. Abteien 383. 476. 480 ff. 488. 498 n. 503. 505. 524. 528. 759. Afterlehen 478. 487. 778. Banner 499. Beamte 476 — 89. 574. 605. 752 ff. Defensionalverfassung 771. Deputationen 761 f. 770. 787. R.D.H.Schl. 719. 756. 759. 779. 782. 798. 802. 814. 832. Dörfer 541. 560. 802. Eigentum 157. 381. 480. Exekutionsordnung 787. Festungen 772. Finanzen 502 ff. 756. 766. 772 f. Fürsten 376. 378. 419. 456. 461. 464. 476—89. 492. 494. 498. 513. 515. 524. 527. 529 f. 532. 535. 544 n. 553 n. 555 f. 573 ff. 586. 735. 763. 765. 777 n. Fürstenrat 757—60. Gebiet 372 ff. 717 ff. Generäle 749. 752. 771 f. Gerichte 558. 560. 745. 751 f. 765 ff. 781. 784 f. Gesetze 148. 223. 2 4 0 - 4 4 . 493 f. 597. 601. 603. 605. 613—19. 623. 630. 697. 723. 725. 729. 745. 751. 760 ff. 784. 786 ff. 800. 818. 823 ff. Grundgesetze 243 n. (618 f.) 756. 824 f. Güter 461 n. 465. 489. 494. 502. 506. 530. 594 n. 756. Gutachten 760. 787. Heerfahrt 423. 494. 497. 500. 526 f. 575. 600. 732. 751. 756. 762. Heerwesen 495 ff. 770—73. Hofämter 469 ff. 752 ff. Hofgericht 425 n. 465 f. 528—36. 553 n. 557 n. 568 f. 574. 595 n. 613. 619. 725. 781. Hofmeister 476. 752. Hofrat 754 f. 768 f. 779 f. 787. 792. Hofrichter 553. 557 n. 617. Insignien 109 f. 453. 462. Kammergericht 717. 721. 727 f. 749. 751 f. 765 bis 769. 773 f. 780. 787 f. 791 f. 825. Kammergerichtsordnungen 727 f. Kanzlei 171. 471—75. 658. 661. 767. 769. Kanzler 471—76. 480. 505. Kirchen 383 n. 385 n. 476 f. 480 ff. 494. 504. 506. 550. 762. 779. Kirchengut 195. 273 n. 385 f. 477. 481. 483 n. 503 f. 511 n. 524. 526 f. 592. Kleinodien 453 f. Kreise 538. 762 f. 765. 768. Kriegsrat 772. Lande 776 f. Lasten 786 f. 801. Lehen 447.470. 471 n. 477. 479. 483. 489. 494. 497. 502 n. 503 f. 506 n. 735. 751. 755 f. 764. 767 ff. 773. 778. Marschall 469. 493. 500. Matrikel 778. Ministerialen 425. 469. 492. 496. 499. 530. 630. Operationskasse 771. Pfandschaft 549 n. 773. 797. Pfennigmeister 774. Polizeiordnung 749. 774. 825. Post 776. Propsteien 476. 480. 488. 524.548. 751. 759. Rat 721 f. 763.

860

Wort- und Sachregister.

Recht (vgl. Gesetze) 14& 613. Referendar 753. Reform 721 f. 752. Regiment 721 f. 754. 762 ff. 773 n. Ritterschaft 732 f. 745. 748. 751 f. 772. 778. 800 f. 803. 812 n. Schatzmeister 752. 754. 1 774. Schenk 469. Schluß 761. Stände, Standschaft 147. 472. 474. 492. 524. 587. 606. 744. 748 f. 751. 765. 768. 770. 772 ff. 777 f. 781. 783. 797 f. 800. armierte 771. , Steuern 494. 506. 526 f. 745. 758. 761. ! 767. 770 f. 773 f. 784. 800. Straße 517. i Tag 134 f. 142—48. 170. 425 n. 466 f. ! 472. 474. 476. 4 9 0 - 9 6 . 498 n. 500. 502. ! 505. 507. 512. 526. 529. 532. 558. 605 n. , 718 f. 722. 733. 751. 756—61. 763. 768 ! bis 774. 783. 787. 818 f. Truchseß 469. j Unmittelbarkeit 376 ff. 380. 476 ff. 480. j 496. 499. 530. 605 f. 744 f. 766 ff. 773. 777 f. 801. Verträge 493 f. Verweser, . Vikariat 465 ff. 486. 491. 531 f. 619 D. 750. 756. 818 f. Visitationsdeputation 766. 768. Vogteien 379 f. 488 f. 497. 499. 513. 525. 527. 541 n. 548 f. 560. 593 ff. 797. Vorstand 819. Wälder 488. Wappen 454. Weistümer 381 n. 437. 447. 448 n. 461 n. 465. 493. 517 n. 518 n. 574 n. 577. 586 n. 591 n. 596 n. 619. 630. Reichsverfassun^ (von 1849) 817 f. der deutschen Union 819. Reinigung, Reinigungseid 57. 70. 82. 175. 219. 351. 352 f. 362. 369 f. 710 ff. 714 f. Reinmar von- Zweter 458. reipus 291 f. 297 n. 316 n. 324 n. Reis' und Folge 790. Reisende 512. 615; vgl. Fremde, Friede, Gast, Geleite. Reisige 421. 770. 772. 789. Reiterei 27. 29 ff. 152. 361'. 381 f. 422. 427. 496 f. 604; vgl. Reisige. Reiterbestallung 772. Rekkared I. 90. 228. Rekkesuinth 228 f. Reklamationsrecht 154 n. 173 f. 177. 369. .530. 548. Rekognitionsvermerk 473 f. Relegation der Bauern 739. relevium 388 n. Religionsbann 748. 778 n. 781. 798. 801. Religionsfreiheit 749. 803 f. 812 n. 820. Religionsfriede s. Augsburg. Remedius 239. Remissorien 226 n. 631. Rente 385. 394 n. 527. 535. 599. 672. 677 f. R.-Bank 742. Brief 742. Gut 743. Kauf 670. rdp 198. Repertorieri 631. Repgau, Repgowe, Reppichau 621. Repräsentationsrecht 322 f. 697. 825 n. Reservatrechte, kaiserliche 751.768 f. 783f. Residenz 112. 584 n. 751. Retrakt, vgl. Näherrecht. Reval 640. 641 n.

Revestierung 271. 353 n. 369. Revision 768 f. Revokationsklage 395. 401 n. Revokationsrecht 735. Rezeption, der fremden Rechte 722 ff. 738. 791. 822.826 f. des lombardischen Lehnrechts 728. 734. der Bambergensis 826. des Sachsenspiegels 624 f. Rezeßherrschaften 777 f. Rheinbund 733. 736. 802 ff. 806. Rheinfranken 376. 616. Rheingau, Landgericht 635. Landrecht 634. Rheinischer Münzfuß 776. 816 n. Städtebund 606. Rhetoriken 823. Ribuarier, ribuarisches Recht 2. 40. 7f. 90. 9 5 - 9 9 . 101 n. 107 f. 112. 121. 125. 131 n. 142 n. 144 n. 171 f. 177 n. 215 n. 220. 222. 223 n. 234 n. 238. 243 n. 250. 252 ff. 264 n. 267 n. 268 n. 285. 287. 303. 305 f. 319. 323. 326 f. 338. 349. 352. 355. 363 ff. 467. 611 n. Richard, König 459 f. Richerzeche 602 n. Richter 31 f. 34 f. 126. 129. 166. 169 n. 314 f. 354. 380 n. 445. 449. 513. 524 n. 532. 539—42. 546 f. 551. 555. 559. 564. 568 ff. 582. 594 n. 604. 705. 708 f. selbsturteilender 35. 559. 791. 793 f. gelehrter 728. Richtsteig 620. R. Landrechts 553. 631. 638. Lehnrechts 631. Ried, Vertrag von 807. Riga 607. 641. 731 n. Ring 83. 387. 453. 481 f. 681 n. Ringwälle 32. 48. Ripen 641. Ritter, Ritterschaft 383. 394 n. 397. 411. 418. 421. 425 f. 430 ff. 497. 501 f. 549. 582. 584. 587. 596. 603 f. 745. 786. 794 n. unfreie 383 f. 421 ff. -Bünde 800. -Bürtigkeit 383. 397 n. 421. 431 f. 445. 448. Dienste 395 n. 397. Güter 447 f. 525. 736 f. 739 ff. 743. Heer 497. Lehn 383. 418. Orden 730 ff. Pferd, Pferdsgelder 498. 736. 771 f. 795 n. Recht 635. 652. 829. Schlag 383. 431. Roboten 739. Rodel 653. Rodung 199. 202. 204. 412. 414 f. 420. 443. rogatio 83 n. 85 n. 216. Rom, Römer 91. 1 0 1 - 5 . 133. 215. 218, 222. 227. 230. 233. 250 f. 285. 312 n. 334 f. 453. 463. 468; vgl. Provinzialen. Römermonat 771 f. Romfahrt 463 n. 467. 493 f. 499 619. Römischer König, Kaiser 453. 455 n. 463. 467 f. 475 n. 531. 750. Römisches Recht 102. 105. 108. 182. 207. 222. 227. 232. 235. 239. 250. 252. 314. 325 ij. 363. 503. 524. 536. 613. 623. 625 ff. 638. 649 n. 694 n. 699 n. 701.

Wort- und Sachregister. 706. 723 ff. 727. 746. 779 n. 822 ff. 826. 828 f. 833. Vulgarrecht 264. 266. 274. Rolandsbilder 590 n. Ronkalische Felder 493. 597 n. 616. 618. 723 n. Rosenberger Rechtsbuch 634 n. Rostock 589 n. 640. 799. 830. Rote Erde 567 n. Rotel, rotulus 653. Rotenburg 376 f. 478. 489. 560. 627 n. Rotbari 231 f. Rottland 413. Zins, Zebnt 187. 414. 504 n. Rottbuschfeldgemeinschaft 413. Rottweil 561. 564. Rudolf I. 373. 378 n. 460 f. 464 f. 467 n. 470. 479 n. 489. 493. 495. 507 n. 515. 526 f. 529. 577 n. 579. 587 n. 595. 617.f. 628 ff. 632 f. Rudolf IV., Herzog v. Österreich 577. 580 n. Rückenbrechen 72. Rügegerichte, Rüge verfahren 356. 369. 702. 716. 793. Rügezeugen 571 f. Rügepflicht 566 f. 572. Rügen, Insel 373. Rügianischer Landgebrauch 822 f. Rumpfparlament 819. ruoda 58 n. 334 n. Ruprecht 464. 469. 476. 534. 565. 568. Ruprecht'scbe Fragen 565 n. R. von Freising 630. 634. 648. Rysviker Frieden 718. Sacebaro 113. 126 f. 161. sacerdos civitatis 25. Sachen, Sachenrecht 50—53. 258—78. 663 ff. heilige S. 387. befriedete 615. Sachsen, sächsisches Recht 24 n. 39. 42. 58. 69. 72. 74. 89f. 93f. 100. 102. 107 n. 109. 121. 130. 133 n. 162. 167. 185 n. 209 f. 214 f. 217 n. 219. 222 f. 237 f. 253 n. 257 n. 263 f. 266 f. 281 f. 285 ff. 295. 297 n. 301. 325 n. 330 f. 333—38. 341 f. 344 n. 350. 352 n. 364n. 367 n. 376f. 380. 384. 419. 421 n. 427. 457ff. 461. 467. 470f. 477 f. 484f. 515. 531. 537 f. 5 4 1 - 4 4 . 546 n. 548. 554. 575. 609. 612. 616. 622 ff. 635. 639. 680. 697 n. 715. 732. 755. 759. 761 f. 775f. 778 n. 780. 788. 793. 795 n. 803. 806. 815. 828 f. 833. gemeines S.-Recht 623. 729. 829. 832. sächsische Herzogtümer 780f. 807. 814f. sächsische Stadtrechte 637—43. Konstitutionen und Dezisionen 829. Sachsenspiegel 384. 388. 391 f. 425 n. 457. 464 ff. 522 ff. 528. 533 n. 553 ff. 557f. 573f. 612ff. 6 2 0 - 2 7 . 629 ff. 634. 637 f. 650. 683. 690. 706 n. 710 n. 714. 734. 822. articuli reprobati 625. vermehrter S. 630. sacire 265 n. sagio, sajo 167 f. saiga 183 n.

861

Säkularisation 157 ff. 381. 756. 759. 779. 781 f. Salbuch 247. 515. 658, i Salbürge 329. : Sale, sala 53. 207. 264 ff. 269. 271. 410n. 670. | 1 Salgut (terra salica) 49 n. 207. 237. 318 f. 408. salicus 97 n. 410 n. 610 n. Salier, salfränkisches Recht 90. 94—98. ! 106. 108. 112. 121. 171. 220. 238. 241 n. ! 250. 253 n. 265. 285 n. 287 f. 291. 299. 303. 310. 312 n. 316. 318f. 321 f. 325f. 329. 335. 338. 342 n. 349. 352. 355 n. 357. 361. 363 ff. 367. 610 f. 631 f. Sali| sehe Formeln 247 ff. Les Salica 224 ff. Salisches Erbrecht 208n. 318. 321n. 610n. Salland 95 n. 207. 211. 409. Salmann 268 n. 269 n. 329 f. 429 n. 701; vgl. Treuhänder. Salz 186. 190. 204. 521—24. 580. Salzburg 140ff. 2471F. 379 n. 471. 480f. 521. 523 n. 633 f. 756. 758. 760. 762 n. 770 n. Salzburger Formeln 250. Salzehnt 504 n. 522. sapientes 168. 221. sarjandi 501. Satzung 261. 392 n. 527. 614. landrechtliche 674. 676. stadtrechtliche 675 f. Tod-S.675. Strafgedinge 676. S.-Gewere 668. 672. Savoyen 479. 759 n. 763 n. 770 n. Saxmund 236. scaftlegi 149 n. scararii, scaremanni 421. Scepter, Scepterlehn 110. 388. 453 f. 478 ff. 482. scerfa 297. Schadensersatz 54. 59. 75. 260. 279 f. 283. 285. 327. 344 ff. 362 n. 394. 711. Scharnhorst 805. Scharwerk 739. Schatullgüter 795 f. Schatz 111. 119. 137. 185. 192. 217. 259n. 524. Schatzmeister 136f. 752. 754. Schatzwurf 173. 216—218. 257. 441. Scheinbuße 441 n. 449. Scheinpfand 57. 260 n. 282 f. Scheinprozeß 271. 291 n. Scheintrauung 289 f. 292. Schenk 136. 191. 423. 469. 480. 582. 752n. Schenkungen 117n. 252. 262. 266 n. 269 n. 272 ff. 285. 312. 329. unter Ehegatten 299. 308. 691. Scherge 546. 559. 584. 629 n. Schiedsgericht 535 f. 608. 725. 794; vgl. Austrag. Schiffelländereien 412 n. Schild 19. 36. 109. 110 n. 115. 161. 290n. 364 n. 392. Sch.-Erhebung 19. 23. 98n. 462. Schilling 184. 210. Schisma 706 n.

862

Wort- und Sachregister.

Schläge, trockene 714. Schlagschatz 184. 507 f. Schlesien 373. 375. 415. 418. 442. 479. 509. 554 n. 630 n. 638. 720. 796. Schlesisches Landrecht 630 n. Schleswig 94. 238 n. 373. 587 n. 613. 689. 728. 739 n. 742. 747. 819. 821 f. Stadtrechte 643. Schlüsselgewalt 684. Schöffen 163 ff. 170 n. 429. 433. 538 f. 541 f. 545 f. 548. 552 n. 559. 562. 564. . 570. 575. 593. 601. 604. 628. 728. 793. Schöffenbarfreie 384 n. 421 n. 425 n. 428f. 433 n. 448 n. 545. 554. 562. 573n. 622. 624. Schoß 61. 578. Sch.-Fall 697. Sch.-Wurf 52. 265. schoub 110 n. 368. Schra s. Skra. Schreiber 138. 171 f. 244. 246. 276 n. 355. 583 f. Schreileute, Schreimänner 85. 357. 544. 713. Schreinsbücher 451. 598 n. 659. Schuh 63 n. 69 n. Schuld 126 n. 278 n. 283. Sch.-Bekenntnis, gerichtliches 676. 715.Schuld (Verschuldung) 285f.; vgl. Wille. Schuldklage 165. 327 n. 710. Schuldknechtschaft, Schuldhaft 37. 55 f. 87. 214. 255. 276. 367. 442. 711. Schuldurkunde 277. 283 f. Schuldverträge 278 ff. 284. 666. 679 f. Schultheiß, Schulze, Schultheißengericht 126—29. 131 n. 162. 164—67. 178. 180. 186. 195. 417 f. 441 n. 465. 483. 539 f. 546—50. 556 n. 558 f. 561. 570. 575. 582 n. 584. 590 f. 593. 604. 789. 794. 797. Schulzenlehen 383. 417 f. Schulzenrecht 540 n. Schutzbefohlene 129. 132. 153f. 257. 316. 336. Schutz Verhältnis, Schutzpflicht 154. 175. 216. 257. Schwaben 9. 89 f. 92 f. 169 n. 376. 378. 419. 470. 478. 485. 487. 489. 499 n. 612. 617 n. 628f. 686. 691. Schwabenspiegel 460. 465f. 524. 586 n. 625—30. 634. 646. 648. 649 n. 693 n. 823. Schwäbisches ßecht 291 n. 348 n. 626. Schwäbischer Bund 800. Städtebund 606. Schwarzenberg, Johann von 826. Schweden 1. 4. 13. 72 n. 279. 291. 347 n. 718. 732. 758. 792 n. 806. Schweigender Richter 517. Schweiz 3. 352 n. 380 n. 412. 466. 500. 541. 546. 549 n. 564. 566. 685. 717 f. 728. 833. Landbücher 635. Stadtrechte 616 f. Schwert 19. 60. 93. 109. 291 n. 341. 361. 382. 387. 453 f. 463. 590 n. Schwertbrüder 731 n.

Schwertleite 29 n. 64 n. 431 f. 526. Schwertmagen 60. 69. 288. 298 f. 313. 319 f. 322 n. 326. 467. 697. Schwertteil 305. 686. 688. Schwertträger 110 n. 470. Schwestern 319ff. 326. Schwurgerichte 804. 834. gemöt 143.. scire, shire 14 n. 121 n. gerefa 129. scotatio 52. sculdasia 127 n. scutiferi 430. Seelenheil, Seelgeräte 59. 262. 269. 513 n. 571. 701. Seerecht 799. 829. seigneur, nulle terre sans 203. 382. Sekretierung 475. Sekundogenitur 577 n. 779 f. Selbmündig 217. 254. Selbstbürgschaft 57. 270 n. 281 ff. Selbsthilfe 71 f. 79. 352 n. Selbstverwaltung 538. 540f. 549. 588. 604. Semperfreie, Semperleute 420 u. 573 n. 628 n. Send, Gericht 178. 565 f. 571 ff. Rechte, Weistümer 631. 654. Seneschalk 136 f. 154 n. 191. 213 n. Senior, Seniorat 26. 152. 155 ff. 160. 212. 258 n. 382. 386. 497. Seniorat (erbrechtliches) 698. Septimanien 99 f. 121. 228 f. 267 n. 381. sermo regis 118. servientes 421 n. 430. 501. servitium regis 190. 194. 506. 524. 526 f. s. cotidianum 440. Servitutenablösung 743. servus 37. 213. 437. 439 f. mansus servilis 206. 218. 497 n.; vgl. Unfreie, sessio triduana 275. 276 n. 329. Setzrecht 698. Sibidatum 577. 618. Sichard 824. 829. Sicherheitsleistung 55. 57. 77 f. 282 n. 675. 713. Haft 713 n. ' * Siebenbürgen 3. 375. 409. 412. Siebente 187. Siebenzahl 458. 532. 533 n. 546. 567. 571. 624. Siechbett 700 n. Siegel 136. 138. 245. 453. 473 ff. 534. 603. 618. 655 ff. 745. Sigismund, Kaiser 380 n. 392 n. 432. 453 f. 464. 474. 491 n. 500 n. 527. 535. 564-68. signifer 110 n. 582 n. siliquae 182. Silva Carbonaria 96. 98. 101. 108 n. 121. 223. Simonie 481 f. 706 n. Simplum des Heeres 771. sinista, sinistus 19 n. 24. Sinkfala 93 f. 236. sinnen 388. Sippe, Sippschaft 12 ff. 16 n. 59. 61. 70.

Wort- und Sachregister. 287 f. 294. 312. 314. 316. 318. 319 n. 323 f. 328. 331 n. 335. 343. 367. 694 ff. Grenzen der S. 324. 697. Skaanelagen 220 n. Sklaven 439. 442. 452. 726; vgl. Unfreie. Skra 636 n. Slaven 1. 14 n. 19 n. 88. 91 f. 374 f. 408. 415 ff. 435. 439 n. 442. 515. 524. 537 n. Smaalandslagen 220 n. Soedermannalagen 220 n. Soest 565 n. 640. 643. 685. Soissons 112. 144. 158 n. 224. Soldat 790. Söldner 496 ff. 501 f. 604. 770 ff. 789 f. solidus 182. 210. solis collocatio, solsadia, solsadium. solsatire 80 n. Sonnenlehen 382. Sonntagsheiligung 341 n. 533. sors 48. 196 n. 200. 263 n. Souveränetät 782 f. 803. 806 f. 812 f. Spanische Mark 100. spatarius 110 n. 136. Speculum iuridicum 727. 823. Speer 18 f. 60. 109 f. 282. 289 f. 312 n. 315 n. 329 f. 361. 382. 387. 453. 498. Speier 101. 122 n. 140. 152. 451 n. 468. 510 n. 589 n. 605. 618. 763 n. 766. Reichsabschied (von 1521) 697. (von 1529) 697 n. 729 n. 774 n. 825 n. sperantes 153 f. 216. Spiel 54 n. 667. 699. Spießrecht 790. Spindel, Spindelmagen 60. 297. 319. 326. 697. Spindelteil 305. 686. 688. Spolienrecht 404 f. 504. 578. spolium 259 n. sponsalia 65 n. 288. sponsalitia largitas 303. Sprache 9. 33. 101. 224f. 231. 239f. 372. 490. 614. 619 ff. 624. 629. 632. 634 n. 635. 637. 751. Staatenbund 783. Staatenhaus 818. Staatshaushalt 815. Staatskanzler 804. Staatsrat 797. 804. Staatsrecht 620. 630. 824. Stab 51 f. 56 ff. 68 n. 109 f. 157 n. 265. 281 f. 289 n. 358. 387. 430 n. 453 f. 474. 481 f. Stabung des Eides 358. Stadtadel 604. Stadtbote 604. Stadtbücher 637. 659. 667. 671. 676. 681. 714. Städte, städtische Verhältnisse 10. 12. 113. 122. 124 ff. 142. 379 f. 408. 415. 427. 434 n. 443 f. 450. 482. 488 f. 492. 497 f. 501. 505 ff. 509. 511. 513 f. 516. 525 f. 529. 542. 549 n. 557. 566. 568. 571. 573. 586—609. 613. 639. 675 ff. 685. 724 f. 728. 786 n. 794 n. 796 ff. Reichs- oder königliche 384n. 492f. 499. 501. 505 n.

863

512 ff. 525 ff. 529 f. 535. 587. 592. 595. 605 f. 630. 748. 757. 759 f. 763. 773. 777. 781. 797 ff. 803. 829 f. freie 525 f. 592. 605 f. 759. 797. Bischofs- 592. 605. Land- 592. 595. 605 f. 608. 798 f. 804. 829 f. Mediat- 592.595. 606. 786 n. 799. Hanse- 799. Bündnisse 587.606ff.Steuern 525 f. 773. Tage 526. 609. Kollegium 759 f. Wahrzeichen 590. — Stadtfrieden 601. 615. 705. — Stadtgericht 590 f. 593 ff. 600. 613. 792 f. 798. — Stadtgrafschaft 379. 591. 594 f. — Stadtherr 513. 525. 592 f. 596. 599. 601 f. 604. 606. 635 ff. — Stadthundertschaft 591. 595. — Stadtkommandant 593. — Stadtrat 534. 566. 600—4. 798 f. — Stadtrecht, Stadtrechtsquellen 591 f. 613. 620. 635 ff. 709. 715. 725. 751. 785. 829 f. Stadtrecht bricht Landrecht 729. Stadtrechtssatzung 675 f. — Stadtrichter 604. 793 f. — Stadtschreiber 603 f. 724 f. 798. — Stadtschultheiß 593 ff. — Stadtsiegel 603. 657. — Stadtvogt 489. 595. Stammesherzog, Stammesherzogtum 99 f. 120. 132 f. 376 ff. 456. 460 f. 470. 476 f. 484 f. 488. 499. 506 f. 537. 574 f. 585 f. 632. Stammesrechte 219. 531f. 555. 610f. 613. StaüimesVersammlung 143 ff. Stammgut 319. 326. 420. 428. 698. 780. Stammrolle 151. 790. Stand 37—43. 208—19. 418—52. 598. 682 n. 703. 743 ff. 820. Erhöhung 118.'744f. 751. 785; vgl. Ebenbürtigkeit. Standesherren 744. 803. 807. 812 n. stantia 283. Stapelrechte 751. Statthalter 531. 584. 764. der heimlichen Gerichte 564. 565. 567 f. Statutarrechte, Exemtion von denselben745. Statuten buch 823 n. Statutum in favorem principum 500. 507 n. 511 n. 512. 520. 548 n. 557 n. 577. 579. 583 n. 618. Steiermark 374. 378. 402 n. 426. 478. 633 n. 634. 648. Stein, Freiherr vom 804. Stellvertretung 308. 312. 314. 369. 423. 441. 469. 476. 483. 532. 536. 539 f. 547. 551 f. 556. 563. 567. 569 f. 582 f. 594 n. 663. 681. 694 f. 709. im Heere 151. 804. 810. Sterbfall 37. 424. 439. 569. 747. Steuern 119. 186 ff. 501. 509 n. 525. 587 f. 600. 603. 605 f. 609. 786 ff. 794. 801. 805. der Städte 525. 773. freiwillige 772. 773 n. 799 f. Befreiungen 787 f. Vgl. Bede. Stifter 431. 507. 529. 580. 583 n. 586. 599. Einziehung 781 f. Stiftsmäßigkeit 432 n. Stiftsministerialen 482. 506. Stiftsvögte 194. 488 n. 498 n. 525. 550. 553. 555. 580.

864

Wort- und Sachregister.

Stiftungen 129. Stillgericht 565 f. stipendiarius 440. Stipula, Stipulation 51 f. 283 f. 726. Strafen, Strafrecht 31 f. 71—78. 127. 175. 330—46. 562. 570. 607 f. 614. 620. 630. 702 «F. 820. 825 if. 831 ff.; vgl. Gnade, Lösung. Strafgedinge 54. 59. 260. 676. Strafgelder 20.23.75.126; vgl.Friedensgeld. Strafgesetzbücher 614. 831-34. Strafklauseln 332 n. 342. Straflosigkeit 344. 707 f.; vgl. Acht, Fehde. Strafprozeß 79 ff. 346 ff. 567. 713 f. 767 f. 793. 827. 831. 833 f. Strandregal 190. 516 ff. 579. Strang 72. 330. 341. 567. 706. Straßburg 140. 249. 372. 510 n. 518 n. 555 n. 589 n. 594 n. 596 n. 598 n. 601 n. 605. 718. 763 n. Stadtrechte 645 f. Straße 190. 194. 202. 380 f. 517 f. 579. 615. Straßengericht 381. 518. 560. Strohwisch 110 n. 368. 454. 590 n. Strom, Stromgerichtsbarkeit 381. 516f. 579. strudis legitima 365 n. Stuhlfreie 434 n. Stuhlherr, Stuhlrichter 563 f. 566. stuofa 188 n. Suarez 831. subreguli 107 n. Subsidiarität des Rechts 618. 729. 734. 825. 827. 831 f. Subsidien vertrage 771. 788. subsidium caritatiyum 772. 800. Sueben 9. 17. 29 f. 44. 88—92. 94. 151 n. Sühne 59. 65. 66. 70. 73—77. 84. 85 n. 176 n. 177. 181. 343. 345 n. 539 n. 707. Summa Aegidiana 627. de poenitentia 627. cancellariae, dictaminum, curiae regis 661. legum 549 n. der rechte weg 822 n. legis Langobardorum 233 n. suascara 263 n. sunnis 80. 119. 367 n. . superjoritas 782. Süsse: 94. Syndikatsklage 767. Syndikus 798. Synoden 141 f. 146. 178 f. 572 f.; vgl. Send.

Teilbarkeit der Grafschaften 398 n. 542. 576 f. der Grundstücke 743. Teilnahme, strafbare 706 ff. Teilrecht 687. 729. Teilzettel 656. 681. Tempel 24. 48. 72. 236. 344. Tenngier, Ulrich 823. terra 208. 212 n. 259. aviatica 319 n. salica 207 f. 211 n. terragium 187. 414. Territorien 380. 477. 520. 523 f. 549. 573—88. 592. 605. 608. 776 ff. 786. 792. Territorialherzogtümer 575. 586. Territorialität 102. 219. 222. 233. 240 f. 242. 380. 477. 512 f. 516. 538. 610 f. 613. 632. 757 f. Territorialkommissionsrezess 806. tertia 305. 307 n. 309. Tertiogenitur 577 n. 780. Testament 70. 202 n. 205. 245. 252. 266 f. 271 f. 401 n. 404. 487. 571. 701. 825 n. Vollstrecker 701. testare 86. testes synodales 571. per aures tracti 82 n. 264 n. testimoniale 170. 245. Theoderich d. Große 63 n. 91. 93. 98. 229 f. thinx 217. 328. Thomasius 824. Thronerledigung 461. 467. 470. 531. Thronfolge 110 ff. Thronlehen 736. ; thunginus 21. 25. 34. 113. 115. 126. 144. 161. 223. Thüringen, Thüringer, Thürringerrecht 9. 39 f. 89 f. 92 f. 98 f. 102.108 n. 111.132. 167. 188 n. 209 n. 214 n. 220. 222. 253 n. 267 n. 286. 296. 299 n. 319. 321 n. 333 f. 337. 376. 427 f. 434 n. 477 f. 485. 487. 538. 545 f. 556 n. 612. 630 n. 633. 642. 686. 688. Thum und Taxis 776. tie 17 n. 33. * Tierschaden 345. tilli 208 n. 212 n. Tilsiter Frieden 720. Tirol 378 n. 648. Halsgerichtsordnung 826. Titel 744. 751/ Tiu, Tius vgl. Ziu. Tabularius 177 n. 178. 218. Tocco, .Carolus de 233 n. Tage, gebundene 615. Tochter 61. 65. 69. 288. 297. 312 f. 317. Tagewerker, Tagelöhner 440. 603. 319 f. 326. 401. Tagwerk 198. Tochterstadt 636 ff. Talion 707. Tod, bürgerlicher 74. talliae 525. Todesstrafe 31 f. 71 f. 84 f. 115 n. 117 f. Talmud 611. 162 n. 173. 330. 338—41. 449 n. 566 f. tangano 81 n. 356. 703. 706 f. tanodo 287. 303. Todesurteil 534. 591 n. Tassilo von Baiern 157 n. 159 n. 235. Todfall 439. 271 n. Torf 52. 264. Taufe 252. Tortur 82. Tote erbt den Lebendigen 326. Tausch 53. 267 n. 284. 509. Totenschau 716. Tausendschaft 30.

Wort- und Sachregister. Totsatzung 255. "Tötung, Totschlag 70. 77. 333. 339 f. 343. 571. 617. Vgl. Mord. Tötungsrecht 61. 85. 87. 311. 340. 343 f. 441. 707 n. Toul 718. 763 n. Toxandrien 94 f. 103. traditio 262—66. 269 f. 272 n. 276 n. cartae 266 ff. 277. 304. 330. puellae 288. 290. iterata 353 n. Traditionsbücher 247. 658. Trauung 68. 288—94. tremissus 182. Treubruch 32. 118. 406 f. 491. Treueid 148. 156. 386. Treuga Dei 615. Heinrici 616. 622 n. Treuhänder 216 f. 257. 265 n. 349 f. 383. 392. 403. 663. 701. Treupfennig 53. Treupflicht 369. Treu Verhältnis 153 ff. Tribunal 792 f. Ober-T. 793. tribunus 24 n. 126 f. 547. 550. Tribut 40. 188 f. 524. tributarius 155 n. 214. 335 n. triens 182. Trier 140 ff. 379 n. 413 n. 456 f. 459. 461 f. 472. 590 n. 605. 755 f. 759. 762 n. TruchseS 213 n. 423. 469 f. 582. Trupp 12. trustfs 23 n. 26. 124. 137. 151. 153. 157. 210. 213. 339 n. 348. 382. tuom 34. Turniermäßigkeit 431 f. Tzerstedt, Brand von, 625. U b i e r 12 n. 18 n. 40. 96. ubotamäl, ubötaverk 72. Übergenoß 428, 445 ff. Überküren 632. Übernächtige That 544. Überteuerung 676 f. Ulfljodslög 220 n. Timferfi 52. •Umstand 173. 179. 546. 559. Umstände, erschwerende 705 f. Unehrliche 65. 442. 449. 694. Gewerbe 449. Unfreie 29. 37. 41. 48. 50. 59. 61. 63 n. 71. 82. 129. 137. 141. 149. 154. 174 f. 206 f. 210. 2 1 2 ff. 252. 254—58. 275. 285. 294. 335. 339 n. 345 f. 351 n. 356. 862 f. 421. 423 f. 426. 437—44. 512. 569. . 709. Ritter 383. 421 ff. Ungarn 374 f. 453. 613. 132 n. Ungehorsamsprotest, -Verfahren 80 f. 84. 87. 340. 343 n. 354 n. 364. 367 f. 491. 667. 671. 714. Ungelt 509. 603. Ungenoß, Untergenoß 53. 438. 445 ff. 532. 534. Ungericht *82. 449. 544. 703. 705. Union, Deutsche, 819. K. SCHRÖDER, Deutsche Rechtageschichte.

865

Universitäten 233. 723 f. 751. 798. 813. 824. Unlust 16 f. Unschuldseid 710 ff. 714 f. unsühnbar 72. Untereigentum 734. 738. Untergau 122. Untergerichte 791. 793 f. Untergrafschaft, Untergraf 555. 557. 558 n. 575. 583. Unterlehnsherr 383. 407. Unterschied, Lehn mit, 390. Unterthanen, Eid 111. 1 7 3 . 3 7 0 . Pflichten 500. Klagen gegen den Herrn 784. 787 f. 811. 813. des Herrn gegen sie 784. 787. Untervogt 550. Untreue 273. 331. 340. Unvordenkliche Zeit 781. Unzucht 72. 78. 292. 571. 774. Uplandslagen 220 n. Upstallsbom 380 n. 632. Urban I V . 459. 461. 463. 466 f. Urbargerichte 569. Urbarien 247. 655. 658. 739. Urbuch 205. 266. Urfehde 77. 332. 343. 707. Urgroßeltern 324. Urheberrecht 785. 813. Urkunde 6 f. 82 n. 105. 117 f. 136. 170 f. 223. 244—47. 283. 355. 357 f. 473. 475 f. 655 ff. 681. 701. Beweis 354. 657 f. 710 n. 715. Schelte 354 f. 362. Verlust 246. Urkundsgeld 83 n. 359. 659. Urkundszeugen 82 f. 85 n. 245 f. 354. 359. 657. ursale 691. Urteil 11. 55 f. 81. 161. 169. 221. 357. 493. 540. 542. 548. 557 n. 572. 591 n. 593. 715. Urteil'er 34 ff. 76. 165. 354. 445. 449. 531 f. 542. 549. 559. 569 f. 572. 705. 709. 727 f. 791 f. Urteilsbitte 35. 81. 161. 169. 171. 493. Urteilserfüllungsgelöbnis, -Vertrag 56. 76. 82. 85 f. 282 f. 354. 357. 365. 367 f. 711. Urteilschelten 174. 189. 363 ff. 445. 529» 531. 546. 715. ususfruetus 273 n. maritalis 730. usus modernus 823. ütlegd 74 n. 84. Utrecht 140. 142 n. 238 n. 539 n. 635. 644.

Vadi 54. 278. Vakanzgelder 404. valvasor, valvasinus 154 n. 384. Vandalen 9. 19 n. 47 n. 88—92. 102. 128 n. 200 n. väpnatak 18. 30 n. 34. 36. 51 n. 98 n. Vassall 134. 152. 154. 163. 188. 211. « 7 6 . 55

866

Wort- und Sachregister.

382 ff. .421. 428. 477. 498 f. 501. 568 f. Verwaltungsreformen in Preußen 804 f. 581. 770 f. 815. den Rheinbundstaaten 808 f. Vassallität 153—60. 382 ff. Verwandte, Verwandtschaft 59 ff. 70. 73 f. vassus 153 f. 160. 213. 382 ff. 886. 77 f. 82 f. 257. 262. 288. 316. 328. 335 Vater, väterliche Munt 60 f. 66. 78. 287. 340 n. 359 n. 297. 803 f. 310 f. 821. 617. 682. 693. 709. Verwandtschaftsberechnung 324 ff. 696. Vaterbruder 70. verzelen, verzellen 118 n. Vatermagen, vgl. Schwertmagen. Verzicht 52 n. 263 ff. 267. 285. 312 n. 328. Vatersch wester 319 ff. Verzug 276, 279. 281 n. 337. 347. vectigal 188. 204. vestigli minutio 347. ved 54. vestitura 199 n. 261. 270. vestitus mansus 207. 275. Venedig, Venetien 100. 516 n. 607. Veto, kaiserliches 751. 760 f. 788. venia aetatis 695. 751. 785. Verbannung 180. 340 f. 343 n. 704. 707. vicaria, vicarius 123. 127. 162. 268 n. vicecomes 63 n. 131. 164. 477 f. 539. 543. 748. verbum regis 114—18. 547 f. 555 n. Verdun 435 n. 605. 718. 763 n. Vertrag vicedominus 131. 141. 164. 194. 476. 558. von 101. 120. 372. 584. veredi 190. vicini 201. 206. 212 n. 318. 410 n. Verfallpfand 256. 260. 278. vicissitudo 285. Verfangenschaft 800 f. 304. 307 n. 687. Vienne 125. 472. 690 f. 729. Vierdung, Vierling 508. Verfassung, Frankfurter (des Deutschen Viertelhufner 409. Reiches) 817 f. Erfurter 819. Münchener villicus 415. 548. 550. 570. 819. konstitutionelle 813 ff. 820. Vindikation 79. 252. 393. Verfestung 118. 173 n. 342 n. 544. 704. Visitation 766. 768 f. 714. Vitalpacht 436. Verfügungen von Todes wegen 309 f. 312 n. Vizegraf, vgl. vicecomes. 329. 395. Vizekanzler 752—55. 760. Vergabtingen von Todes wegen 271 n. Viztum 558. 584. 275 f. 330. 669 n. 700. zum Seelenheile Völkerschaft 8. 89. 122. 262. 269. Völkerwanderung 49 n. 88 ff. Vergeiselung 56 ff. 61. 65 n. 256. 278. 282. Vogt 175. 177. 181. 194 f. 411. 455. 468. Verhandlungsprinzip 79. 353. 831. 488. 525. 548—51. 556. 559. 569. 581. Verjährung 352 f. 358. 672. 713. 5S3 f. 594 ff. Verknechtung 37. 255. 442. 446. Vogtbede 525. Vogtding 549 ff. 552. 570. Verkoppelung, vgl. Zusammenlegung. Verlassung 265. Vogtei 154. 204 n. 435 n. 488 f. 512. 523 n. 542. 549. 551. 558 f. 569. 574. 580. Verleumdung. 358. Verlober 2 8 7 - 9 0 . 311. 315 n. 583 f. 591 ff. 596. 599 f. 604 f. 616 f. Verlobung 6 6 - 6 9 . 2 8 8 - 9 3 . 312 n.; vgl. Vogteigericht 548 ff. 557 ff. 595. Vogteileute, Vogtleute 212. 409. 433—37. Eheschließung. Vermögenseinziehung 703. 706. 781 ; vgl. 448. 525. 550. 596. 600. Befroilunfi, Konfiskation. Völkerrechtliche Persönlichkeit der TerriVerona 233. 374. 377. 487 n. torien 783. Verpfändung 55. 255. 260. 395. 441. 504. Volkfrei 41. 256 f. 509. 549. 559. 563. 569. 605. Volklandskönig 107 ff. 143 f. Verrat 705. Volklandsthing 14?—45. Verrufung 266. Volkshaus 818. Volksrecht 102. 120. 170. 219. 237. 241. Versammlungsfreiheit 820. verschiezen 52 n. 265. 353. 368 f. 611 ff. 618. Verschollenheit 695. ' Völksrechte 148. 221. 224—40. 609f. 824. Verschwender 695. Vollgericht 166 n. 168. 169 n. 548. Verstrickung 180. 341. Vollhufner 409. Verstümmelung 180. 339. 341. 703. Volljährigkeit 253. 311 n. 313 ff. 662. ErVersuch 344. 707 f. 826. klärung 693« 751. 785. Verträge, internationale 608. 783. Vollmacht 110. 454. 467. 709. Vollmond 10. 16. 30. 36. Vertragsrecht 53. 56. 157. 726. Vollspänner 409. Vertretung, vgl. Munt, Stellvertretung. Verwaltung 148. 295. 308. 311. 314. 411 n. Vollstreckung 85. 161 f. 165—68. 175. 365 ff. 566 f. 591 n 711. V.-Klausel 583. 795 f. 715. Vgl. Exekution. Verwaltungsgemeinschaft 295 ff. 683 ff. Vorbehalt, geistlicher 779 n. fraulicher 692. 726.730. 691. 726. Verwältungsgerichtsbarkeit 604. 796 f.

Wort- und Sachregister. Vordere Hand 533 n. vorderunge 710 n. Vorflucht 715. vorhure 439. Vorkaufsrecht 263. 278 n. 439. 510. Vormund, Vormundschaft 22. 69. 112. 137. 261. 286. 292 f. 313—17. 402 f. 445. 449. 461. 467. 487. 569. 662. 682. 694 f. 709. 774. 779 f. 825 n. 832. Kampfes-V. 715. Gewere des V. 669. Vorparlament 817. Vorsatz 339 f. 705. VorBÜhne 58 n. 334 n. Vorwähler, Vorwahl 456 ff. 460 f. 463 n. votum regis 217 n. 257. ad imperatorem 769. Vulgarrecht 725. Wachdienst, wacta 55. 129. 151. 190. 194. 604. Wachszinsige 218. 437f. 440f. wadia, wadium 52 n. 54. 57 f. 65. 353 n. wadiatio 55. 283 n. Waffe, Waffenreichung 27. 30. 38. 51. 56. 58. 63 ff. 67 f. 80f. 83. 93. 98 n. 144 n. 147 n. 151 f. 156f. 166 n. 217 n. 289f. 297. 300 f. 311 n. 358 n. 387 f. 422. 431. 571. 615. Waffenrecht 17. 27. 29. 37 f. 61. Wahlkapitulation 751 ff. 756f. 760f. 769. 772 ff. 785 f. 800. 824 f. Waisen 342 n. 468. 571. Walcausa 233 n. Wald 50. 199. 203 n. 206. 412. Waldbote 411. Waldgraf, Waldmeister 411. Waldhufen 416. 434. 436. Waldrecht, Leihe zu 436. 599. Waldschutz 743. Waldwechselwirtschaft 46. 196. wandelang 51. Wandelung 709. Wappen 420 n. 487. 745. warda 151. 190. wargida 74. 76. 334 n. wargangus 223 n. wargus 74 f. Warner (im Prozeß) 709. Warner, Weriner 9. 39. 92. 108 n. Wasserrecht 743. Wasserurteil 361 f. Wasserweihe 61. 252. Wechsel 450 n. 452. 508 ff. W.-Ordnung 817 f. 828. 834. Wegegelder 17P. Wegelagerung 707. Wehrhaftmachung 17. 22. 29. 38. 62 ff. 69. 151 n. 217. 254. 313 n. Wehrpflicht 29. 32. 148 ff. 496 f. 603 f. 790 f. 807. 810. Weibel 546. 628 n. Weiberlehn 401. 735. Weichbild 591. 598 n. 603. 677. W.-Recht 599. 613. 630 n.

867

Weide 50. 197. 199. 204. 206. 410 n. 412. W.-Gelder 187. 192. Weinkauf 54. 83 n. 439. 679. 682. 747. Weise des Lehnrechts 631 n. Weistümer 11. 35. 219. 221. 225. 241. 493. 636. 653 f. 658. Wenden 13. 373. 375 f. 427. 442. 477. 504 n. 609. 613. 623 n. 631. Wenzel 453. 458. 464. 467 f. 473 n. 535. 561. Werbesystem 789 f. 805. Wergeid 23. 41 f. 49 n. 58 n. 72. 75. 77. 104. 115 n. 118. 130. 185. 137. 139 n. 143. 145. 154. 159. 183 n. 186 n. 199. 203 n. 209—18. 220. 223 n. 236. 258 f. 265 n. 330. 3 3 3 - 4 0 . 343 ff. 436. 441. 444 f. 449. 614. 707. werpire 52 n. 265. Wessex 94. 185 n. 219 n. 239. Westfalen 3. 93. 121 n. 167. 212 n. 219 n. 301. 306. 309. 375. 377 f. 385 n. 388 n. 413. 434. 537 f. 560—68. 575. 578 n. 595 n. 612. 623. 640. 685. 688 f. 692. 736. 803. 806. Stadtrechte 642 f. westfälische Gerichte 718 (vgl. Feme, Freigerichte). westfälischer Frieden 718. 732. 748. 756—59. 762. 766. 769 f. 772 ff. 779. 781 ff. 788. 797 f. 824 f. Westfranken 2. 183 f. 212 n. 248 f. 253 n. 257 n. 277. 372 f. 376. 611 n. Westfriesen 94. 99 f. 140. 209 n. 539. 612. 635. Westgothen, westgothisches Recht 16. 35. 90. 98 f. 102 f. 108. 119. 129. 146. 167. 182. 195. 218. 221 f. 227—29. 250. 252—55. 260. 266 f. 285 n. 287. 292. 294 n. 298. 300. 307 f. 310 f. 315. 321 ff. 325 f. 334 n. 337 n. 339. 343 f. 355. 359 f. 360. 363 f. 366. Antiqua 228 f. 235. Formeln 250. Westgötalagen 220 n. Westmannalagen 220 n. Wettbürge 289. 292. 365 f. Wette, Wettvertrag 54 n. 55. 57. 86 n. 278. 281—84. 287 n. 291 n. 350. 357. 365 n. 680 f. wette (Pfand) £4. 665. Wette (fredus) vgl. Gewette. Wetten 54 n. Wetterau 3. 489. 541. 633. Wetzlar 766. 797. widern 287. Widerlegung 692. Widersagung 406. 616 f. 705. Wiederkauf 666. 674 f. 678. Wien 590 n. Stadtrecht 648 f. Konkordat 619. Frieden 821. Schlußakte 807. 812 n. Kongreßakte 806. Konferenzen 812 n. 813 n. Wiener Neustadt 649. wiffa 110 n. 368. Wihtrsed 239. Wildbann 189 f. 412. 414. 518—21. Wildfangsrecht 512. 55*

868

Wort- und Sachregister.

Zehnt 150. 159. 187 f. 277 n. 385. 4 1 5 . Wilhelm von Holland 458. 464. 606 n. 417. 503 f. 522. 5 7 1 . ' 7 4 3 . der Eroberer 203 f. 239 f. Zehntschaft 30. Wilihelmus 233 n. Zeitpacht 415. 436. Wille, verbrecherischer 705—8. 714. Zender, Zenderei 558. Willebriefe 495. 660. Zensur 774. 796. 813. wirdira, wirdria 337. Zent, Zentgericht u. s. w. vgl. Cent. Wismar 749. 806. Zentralgewalt, provisorische 818 f. wite 71. 332 n. Zentralverwaltung, Organisation der 753 ff., witenagemöt 143. Wittelsbach 378. 583 n. 795 ff. 804. Wittum 67. 286 f. 291 f. 294. 297. 300. Zerter 656. 681. 803—10. 312 n. 393. 438 n. 681. 687. Zetergeschrei 30. 691 f. 780. Zeugen 80. 82 f. 85 f. 171. 264. 328 f. 348. 350 n. 354 f. 357. 359. 370. 445 f. 449. W i t w e 68 f. 252. 254 n. 287 f. 291 f. 531. 545 n. 569. 655. 705 f. -Beweis 298. 302. 304. 309 n. 310 n. 313 ff. 319. 355. 359. 369. 710 n. 7 1 2 . 7 1 5 . -Schelte339 n. 342 n. 445. 468. 571. 362. 370. Zeugnispflicht 83 n. 359. 364 n . Witwengerade 684. 370 n. 571. Wochenmarkt 591. Zins 159. 275—78. 409. 415 ff. 427. 439. Wonne lind Weide 410 n. 452. 522. 599. 710. 712. -Freiheit 418Word, vgl. Wurt. 440. -Gewere 668 f. 672. Worms 92. 101. 122 n. 450 f. 510 n. 577. Zinsgut 191. 215. 275. 408. 590 n. 605 f. 618. 645 n. 763. 797. Hofrecht 651. Konkordat 385 n. 387. 481 ff. Zinsmann 276 n. 409. 435 ff. Zinspiiicht 40 f. 408. 569. 599. 503. 586. 619. Reformation 826. 830. Matrikel 7 7 0 - 7 3 . RA. (von 1495) 721. Zips 375. 635. 760. 773 f. 770 n. (von 1521) 729 n. Ziu 9. 17. 31. 36. Zölle 142. 159. 186. 194. 385. 504. 511 f . 762 ff. 766. 770. 825 f. Wucher 450 ff. 571. 666. 675. 699. 749. 518 n. 574 n. 575. 578 f. 617. 751. 756781. 785. 774. Zöllner 421. 584. 596. Wulemar 236. W u r m , Nikolaus 617. 625. 631. 638. 724. Zollverein 815 f. Zug, freier 438 n. W u r t 199 n. 409 f. W.-Zins 599 f. 677. Zunft 444. 510 n. 594 n. 597. 602. 604;. Wiirtemberg 479. 730. 733. 7.-6. 763 n. 785. 799. 770 n. 779. 788. 792 n. 795 n. 802 f. 807. Zürich 488. 489 n. 548. 549 n. 590 n814. 819. 828 f. 646 n. Würzburg 140. 212. 376. 405. 488. 506. 510 n. 542 n. 560. 590 n. 592. 628. 631. Zusammenlegung der Felder 740 ff. 632 n. 634. 762 n. 803. 806. Land- Zutphen 644. frieden 616. Zwangsversteigerung 518. 579. Zwangs- und Bannrechte 444. Zweig 52. 58. 264. 265 n. 387. Zweikampf 83 f. 173. 241 n. 307 n. 355Zadruga 14 n. 357. 360ff. 364. 431. 445. 449. 531. 5 3 3 n . Zahlungsbefehl 87. 365 f. 712—15. Zähringen 378 n. 478. 487. 513. 592. 645. Zwing und B a n n 80. 550 n. Zasius, Ulrich, 829 f. Zwölfereid 303. 358. Zauberei 72. 706.

Verlag von VEIT & COMP, in L e i p z i g .

Das Königsgericht

zur Z e i t der M e r o w i n g e r u n d

Karolinger.

Von

Victor Barchewitz.

gr. 8.

1882.

geh. 2 Ji 80 fy.

Die Entstehung des ausschliesslichenWahlrechts der

Domkapitel.

Mit besonderer Rücksicht auf Deutschland. Von

Georg von Below.

gr. 8.

1883.

geh. 1 Ji 60 Sjl.

Der deutsche Reichstag in den Jahren 1273-1378.

E i n B e i t r a g zur d e u t s c h e n V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e .

Hermann gr. 8.

1883.

Von

Ehrenberg.

geh. 3 Ji 60 Sf.

Der deutsche Reichstag in den Jahren 911—1125.

Ein B e i t r a g zur d e u t s c h e n V e r f a s s u n g s g e s c h i c h t e . Von

gr. 8.

PAUL GUBA. 1884.

geh. 3 Ji.

_ _

Der Reichstag unter den Hohenstaufen. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte. Von

Carl W a c k e r .

gr. 8.

1882.

geh. 3 Ji.

Sammlung ber

Retd)00efe^e ¿toUred)tUd)eu Suhlte mit SluSfdfilufi ber fjanbei§=, roed)feis unb feeredjtlidjert, fotuie ber im 9teicf|3j'trafgefek&udje unb ben 9teidj§iuftijgefet>en enthaltenen cibilrec§tii ' O&hiriVd uinx ]-•

QMltmfH).

Gfgmm

(obltnx1

/ f y

aa'^2forml

j häfrtsnihr

fritui/rt QXiö-ttfirjjr

Au„""" 1 Gfbtet dest/anewen fíech/s ~T~l » * preussLidtrn J/1. gemeinen Landredtís f r —i fyfcpf (fes sächsischen biin\ ; gertidten Gesetnbudtes \ ü I Gebiet d. battisti.Ln/t/lmhis, " ^ J X . " , 1 . » Code civil f 1 » • österreiciiisdtenhiirgerUfhen Gesetzbuches xtermch v bair Amt Btdveit* i I liebiei d bärgt. GnetMbehs. d. Sied tri tut tie f

Wtgner « lk^bcs. l.eip-xiç