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German Pages 980 [1070] Year 1902
LEHRBUCH DER
DEUTSCHEN RECHTSGESCHICHTE. VON
DR. KICHARD SCHRÖDER, PROFESSOR IN HEIDELBERG.
VIERTE, VERBESSERTE
AUFLAGE.
MIT EINER ABBILDUNG IM TEXT UND FÜNF KARTEN.
LEIPZIGV E E L A G VON VEIT & COMP. 1902
Druck von M e t z g e r & W i t t i g in Leipzig,
DEM KÖNIGL. PßEUSSISCHEN MINISTERIALDIREKTOR, WIRKLICHEN GEHEIMEN OBERREGIERUNGSRAT
HERRN DR FRITZ ALTHOFF IN HERZLICHER FREUNDSCHAFT UND DANKBARKEIT GEWIDMET
i c h weiß nicht, verehrter Freund, ob es Ihnen ebenso wie mir im Gedächtnis geblieben ist, daß Sie in der Zeit unseres Bonner Zusammenlebens, die nun bald vierzig Jahre zurückliegt, mir den Mut und die erste Anregung zu einem Buche wie das vorliegende gegeben haben. Ich war damals und noch lange nachher ausschließlich mit monographischen Studien beschäftigt; zu einer Aufgabe, bei der es unter vielfachem Verzicht auf eigene Untersuchung vor allem darauf ankam, die Gesamtergebnisse der Forschungen anderer zusammenzufassen, fehlte mir die Neigung und, wie ich annahm, auch das Geschick. Als wir uns dann vor zwanzig Jahren in Straßburg wieder zusammenfanden und ich die Arbeit trotz innerem Widerstreben in Angriff genommen hatte, empfand ich wiederholt, wie sehr ich durch den freundschaftlichen Verkehr mit Ihnen gerade in den Dingen, die für die Arbeit unerläßlich waren, in Selbstvertrauen und Selbstentsagung, gefördert wurde. Ich war bald kühn genug, den Druck beginnen zu lassen, obwohl kaum der vierte Teil des Manuskripts vollendet war; aber schwere Erkrankung nötigte mich, vor der Zeit abzubrechen und das Buch als Torso in die Welt zu schicken. Ich wußte damals nicht, wann und ob die verlorenen Kräfte ausreichen würden, das Werk zu vollenden. Da kamen, mir völlig unerwartet, durch Ihre treue Fürsorge in aller Stille veranlaßt, aus dem preußischen Kultusministerium reiche Mittel, die ich nach bestimmter Weisung ausschließlich zur Wiederherstellung meiner Gesundheit, im Interesse der baldigen Vollendung der übernommenen Aufgabe, verwenden sollte. Gern hätte ich dem fertigen Werke schon damals Ihren Namen vorgesetzt, aber ältere Verpflichtungen standen entgegen und so komme ich erst heute dazu, einem alten Herzensbedürfnis zu entsprechen. Möge das seit seinem ersten Erscheinen wesentlich veränderte Werk, wie ich es Ihnen heute darbringe, an seinem Teile dankbares Zeugnis ablegen für Ihr unermüdliches, sich der Öffentlichkeit vielfach entziehendes Wirken im Interesse deutscher Wissenschaft. Eine Umarbeitung wie ihre Vorgängerin hat die vorliegende vierte Auflage dieses Buches nicht erfahren, wohl aber darf sie als eine wesentlich verbesserte bezeichnet werden. Die meisten Veränderungen zeigen w o h l die § § 3 5 und 6 1 , wo insbesondere BBUNNEB, FICKEB, BEYEBLE u n d RIETSCHEL, u n d die § § 3 6 u n d 6 2 , wo n a m e n t l i c h H i s , H . KNAPP,
E. MAYÜB ZU berücksichtigen waren. Für die Territorialverfassung des Mittelalters und der Neuzeit (§§ 50, 78) sowie für die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse (§§ 41, 42, 6 7 , 68) gaben besonders v. BELOW und
VI
Vorwort.
TH. KNAPP, für die städtischen Verhältnisse ( § 5 1 ) BEYEBLE, RIETSCHEII, v. BELOW, DES MABEZ vielfach erwünschten Anlaß zu Ergänzungen und Berichtigungen. Wieviel der Verfasser auch zahlreichen anderen Forschern zu verdanken hat, dürfte sich fast aus jedem Abschnitt ergeben, auch da wo neuen Ansichten widersprochen und an den früheren Aufstellungen festgehalten werden mußte; denn wahrhaft wissenschaftliche Forschung nützt und belehrt nicht bloß, wo sie bekehrt, sondern auch wo sie Widerspruch und Widerlegung herausfordert. Die Ausführungen über die Eigenkirche wurden aus § 28 in § 21, die über das Prinzip der persönlichen Rechte aus § 35 in § 30 und die über die Freigelassenen aus § 35 in § 29 verlegt. Überall war der Verfasser bestrebt, Darstellung und Ausdrucksweise zu verbessern, auch zu kürzen, wo es irgend möglich war. Trotzdem ist das Buch wieder um 21 Seiten stärker geworden, aber der Verfasser übernimmt für die notwendig gewordenen Vermehrungen alle Verantwortung. Leider machten diese Vermehrungen eine durchgreifende Revision des Sachregisters erforderlich; sie ist vom Verfasser mit aller Sorgfalt durchgeführt worden, wird aber gleichwohl großer Nachsicht bedürfen, denn bei einer so aufreibenden, Auge, Kopf und Nerven gleichmäßig anstrengenden Arbeit sind einzelne Mißgriffe oder Versehen unvermeidlich. Sollte also hin und wieder ein altes Citat stehen geblieben oder falsch berichtigt sein, so wolle der Leser Geduld walten lassen und das Citat in der Nähe, wenige Seiten früher oder später, aufsuchen. Daß Verfasser in dieser wie in jeder anderen Beziehung für jede Mitteilung einer Berichtigung höchst dankbar sein wird, versteht sich von selbst. Herrn Professor STAMMLEB gebührt wiederholter Dank, indem seine Karte über die Gerichtsorganisation des Deutschen Reiches mit seiner freundlichen Bewilligung auch dieser Auflage beigefügt werden durfte (Tafel V). Die dazu gehörigen Erläuterungen wurden nach Maßgabe der seither eingetretenen Veränderungen berichtigt. Die Flurkarte zu § 2& hat eine Umarbeitung erfahren, durch die sie jedenfalls anschaulicher und lehrreicher geworden ist, wenn sie auch, vom ästhetischen Standpunkt betrachtet, die künstlerische Begabung des Verfassers in ein bedenkliches Licht stellen dürfte. Die fränkische Gaukarte (Tafel I I ) hätte insofern einer Berichtigung bedurft, als der Kölngau nach HELDMANN (Der Kölngau, 1900) ein bloßer Untergau des Gilgaues gewesen ist. Die neuesten Arbeiten von HECK und v. HALBAN konnten leider nicht mehr überall verwertet werden, da die Revision des Manuskripts bei ihrem Erscheinen zum Teil schon abgeschlossen war. RIETSCHEL'S Untersuchung über die Erbleihe konnte nur noch für das Mittelalter in Betracht gezogen werden; bei der fränkischen Prekaria sind die alten Unrichtigkeiten stehen geblieben. I m übrigen ist auf die Berichtigungen und Nachträge zu verweisen. H e i d e l b e r g , im August 1902.
Der Verfasser.
I n h a l t . Seite
Einleitung § 1. Die Aufgabe und die Perioden . § 2. Litteratur und Hilfsmittel
1 1 2
Erste Periode.
Die germanische § § § § § § § § § § §
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.
Die Die Die Das Die Die Die Das Das Das Das
Urzeit.
Zustände der Germanen im allgemeinen staatliche Gliederung der Völkerschaften Landesgemeinde und das Königtum Beamtentum und das Gefolge Heeresverfassung Gerichtsverfassung . . Stände Grundeigentum . . . . . . Privatrecht Strafrecht Gerichtsverfahren
. . . .
10 15 21 27 36 40 46 52 59 73 83
Zweite Periode.
Die f r ä n k i s c h e Z eit. Erstes Kapitel. D i e B i l d u n g d e r S t a m m e s r e i c h e . § 14. Die Bildung germanischer Reiche § 15. Die Gründung und Ausbreitung des fränkischen Reiches . . § 16. Die Stellung der Römer in den germanischen Reichen . . . Zweites Kapitel. D i e V e r f a s s u n g d e s f r ä n k i s c h e n R e i c h e s . § 17. Das Königtum § 18. Die staatliche Gliederung des fränkischen Reiches § 19. Die öffentlichen Beamten § 20. Der königliche Hof § 21. Die Kirche § 22. Der Reichstag § 23. Das Heerwesen § 24. Die Entstehung des Lehnwesens § 25. Die Gerichtsverfassung 1. Die ordentlichen Gerichte 166. — 2. Das Königsgericht 175. — 3. Grundherrliche und Immunitätsgerichte 179. — 4. Kirchliche Gerichtsbarkeit 182. § 26. Das Finanzwesen § 27. Die Immunitäten § 28. Das Grundeigentum § 29. Die Stände
89 95 100 104 119 125 137 142 149 153 158 166
186 199 202 214
Vin
Inhalt.
Drittes Kapitel. Die R e c h t s q u e l l e n . § 30. Die Rechtsbildung im allgemeinen . § 31. Die Volksrechte und die leges Romanae . . . . . . . . 1. Lex Salica 233. — 2. Lex Ribuaria 236. — 3. Gesetze der Westgoten 237. — 4. Gesetze der Ostgoten 240. — 5. Burgunden 241. — 6. Langobarden 242. — 7. Lex Alamannorum 244. — 8. Lex Baiuwariorum 245. — 9. Lex Saxonum 247. — 10. Lex Angliorum et Werinorum 248. — 11. Lex Frisionum 248. — 12. Lex Franc. Chamavorum 251. — 13. Capitula Remedii und Lex Romana Curiensis 252. — 14. Angels&chsische Gesetze 252. § 32. Die fränkischen Reichsgesetze § 33. Die Urkunden § 34. Die Formelsammlungen und die übrige juristische Litteratur .
Sfite 227 ¡33
253 261 264
Viertes Kapitel. P r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t und G e r i c h t s v e r f a h r e n . 269 § 35. Das Privatrecht 1. Rechts- u. Handlungsfähigkeit 269. — 2. Sachenrecht 273. — 3. Schuldverhfiltnisse 289. — 4. Familienrecht 298. — 5. Erbrecht 326. § 36. Das Strafrecht 339 1. Strafensystem 339. — 2. Zurechnung und Zumessung 348. — 3. Einzelne Verbrechen 353. § 37. Das Gerichtsverfahren 359 1. Übersicht 359. — 2. Das ordentliche Verfahren 362. — 3. Ungehorsams verfahren 3 74.— 4. Verfahren bei handhafterThat 376. — 5. Verfahren mit Anfang (Dritthandverfahren) 976. — 6. Betreibungsverfahren 880. — 7. Immobiliarprozeß 882. — 8. Rügeverfahren 383. — 9. Verfahren im Königsgericht 384. Dritte Periode.
Das M i t t e l a l t e r . Erstes Kapitel. Das d e u t s c h e Reich und Land und seine Bewohner. § 38. Das deutsche Reich § 39. Die staatliche Gliederung des Reiches § 40. Das Lehnwesen Allgemeiner Charakter des Lehnwesens 397. — Lehnsfähigkeit 398. — Heerschildordnung 399. — Gegenstand der Verleihung 401. — Investitur 402. — Lehnserneuerung 404. — Gesamtbelehnung 405. — Lehn mit Gedinge 406. — Lehnspflichten 409. — Rechte des Mannes 409. — Lehnssuccession 411. — Lehnsvormundscbaft 416. — Regalien- und Spolienrecht 418. Heimfall 420. — Lehnentziehung 421. § 41. Das Grundeigentum § 42. Die Stände 1. Herrenstand 436. — 2. Dienstmannen und Ritter 438. — 3. Ritterstand 446. — 4. Gemeinfreie 448. — 5. Grundhörige 454. — 6. Leibeigene 457. — 7. Ebenbürtigkeit 461. — 8. Juden 467.
388 392 397
422 434
Inhalt
rx Seite
Zweites Kapitel. Die V e r f a s s u n g des d e u t s c h e n R e i c h e s u n d s e i n e r Teile. § 43. Der König 470 § 44. Der königliche Hof 486 g 45. Die Fürsten und Reichsbeamten 494 § 46. Der Reichstag .508 § 47. Das Heerwesen 513 § 48. Das Finanzwesen 520 Reichs- und Hausgut 520. — Reichskirchengut 521. — Münzwesen 525. — Zölle 528. — Märkte, Geleite 529. — Heimfallsrecht 530. — Gerichtsgefälle, Vermögenseinziehung, Bannbußen 531. — Krongüter, Bodenregal 532. — Landrecht, Grafenschatz, Strandregal 533. — Stromregal 534. — Straßen 535. — Jagd 536. — Fischerei 537. — Bannrechte, Berg- u. Salzregal 538. — Schätze, Tribute, Jahrgeschenke 541. — Servitium regium, Investiturabgaben, Judenschatz, Reichssteuern 542. — Verwendung der Reichseinnahmen 544. 545 § 49. Die Gerichtsverfassung 1. Reichshofgericht 546. Austräge 552. Kammergericht 553. — 2. Landfriedensgerichte 554. — 3. Landgerichte 556. — 4. Reichsvogteien und andere hohe Vogteien 564. — 5. Gerichtsorganisation in den Marken 567. — 6. Die Bannleihe 569. — — 7. Königliche Landgerichte 573. — 8. Die Femgerichte 574. — 9. Lehns- und Dienstgerichte 581. — 10. Die geistlichen Gerichte 582. § 50. Die Territorien 585 1. Entwickelung der Landeshoheit 586. — 2. Inhalt der Landeshoheit 591. — 3. Organe der Zentralverwaltung 597. — 4. Gerichtsverfassung 599. — 5. Niedere Verwaltungsorganisation 607. — 6. Landessteuer und Landstände 610. § 51. Die Städte 616 Drittes Kapitel. D i e R e c h t s q u e l l e n . § 52. Die Rechtsbildung im allgemeinen § 53. Die Reichsgesetze § 54. Die Rechtsbflcher § 55. Die Landrechte und Landesgesetze § 56. Die Stadtrechte § 57. Die Lehn- und Dienstrechte § 58. Die ländlichen Rechtsquellen § 59. Die Urkunden § 60. Die Formelbücher und die sonstige Rechtslitteratur
. . . .
646 651 657 670 676 693 696 698 704
Viertes Kapitel. F r i v a t r e c h t , S t r a f r e c h t und G e r i c h t s v e r f a h r e n . § 61. Das Privatrecht 708 1. Rechts- u. Handlungsfähigkeit 709. — 2. Sachenrecht 710. — 3. Schuldverhältnisse 729. — 4. Familienrecht 733. — 5. Erbrecht 748. § 62. Das Strafrecht 755 § 63. Das Gerichteverfahren 764
Inhalt.
X
Vierte Periode. Die
Neuzeit.
Erstes Kapitel. D i e a l l g e m e i n e n V e i h ä l t n i s s e . § 64. Das Reichsgebiet § 65. Die Reichsreform § 66. Die Rezeption der fremden Rechte § 67. Das Lehnwesen und das Grundeigentum 1. Das Lehnwesen 792. — 2. Das Grundeigentum 795. § 68. Die Stände und die Konfessionen Zweites Kapitel. D i e V e r f a s s u n g des R e i c h e s u n d s e i n e r T e i l e . § 69. Der Kaiser § 70. Die Reichshofbeamten . . . § 7 1 . Die Kurfürsten § 72. Der Reichstag und die Reichsgesetzgebung § 73. Die Reichskreise und das Reichsregiment § 74. Die Reichsgerichte § 75. Das Reichsheerwesen § 76. Das Reichsfinanzwesen § 77. Das Reichspolizeiwesen § 78. Die Territorien 1. Übersicht 843. — 2. Hausgesetzgebung 845. — 3. Inhalt der landeBherrl. Gewalt 847. — 4. Verhältnis zum Reiche 849. — 5. Landstände 853. — 6. Heerwesen 856. — 7. Gerichtswesen 859. — 8. Finanzwesen und Verwaltungsorganisation 862. § 79. Die Städte § 80. Die Reichsritterschaft und die Reichsdörfer § 81. Der Niedergang und die Auflösung des Reiches Drittes Kapitel. Von d e r A u f l ö s u n g bis zur N e u b e g r ü n d u n g des Deutschen Reiches. § 82. Die Zeit des Rheinbundes § 83. Die Verfassung des Deutschen Bundes § 8 4 . Die Reformbestrebungen im Bunde u. den Bundesstaaten bis 1848 § 85. Der Deutsche Bund von 1848—1866 § 8 6 . Der Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches Viertes Kapitel. D i e R e c h t s q u e l l e n . § 87. Die juristische Litteratur § 88. Die Reichsgesetze § 89. Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert § 90. Die Stadtrechte § 91. Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung . . . § 92. Bundes- und Reichsgesetze seit 1867 Wort- und Sachregister Erläuterungen zu Tafel V (Karte der Gerichtsorganisation)
Seite 778 781 783 792 804 813 815 819 820 825 829 834 837 839 841
866 869 871
874 878 884 889 895 901 904 908 911 912 916 919 969
Berichtigungen und N a c h t r ä g e . S.
3 Z. 26. Band V. 1902. 4 unten erg. SCHMIDLFN, Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsaß, 1902. SCHRECER, Verfassungsgeachichte der böhmischen Sagenzeit, SCHMOLLER'S Forschungen 20, 4. 1902. S. 19 Z. 81 1. 6«, 387 ff. — Z. 32 Lex Wisig. R. 2, 1, c. 14, c. 22, c. 25. 9, 2 c. 1. c. 3—6. — Z. 33 thiufa, thiufada, der Tausendführer thiufadus, millenarius. S. 63 Z. 3 y. u. streiche: Vgl. Anm. 64. — Z. 8 v.u. lies: Vgl.Anm.64, § 35, Anm. 73. S. 76 Z. 5 v. u. ZRG. 85, 76. S. 89 Z. 5 v. u. erg. v. HALBAN, Das römische Recht in den germ. Volksrechten, 2 Bde, 1899—1901 (GIERKE, Unters. 56. 64). S.
S. 9 5 Z . 1 2 e r g . v . HALBAN, a . a . O . 2, 2 0 4 ff. S . 1 0 0 e r g . v . HALBAN, a . a . 0 . S . 1 1 9 e r g . v . HALBAN, a . a . 0 . 2, 2 6 0 ff.
S. 150 Z. 3 y. u. 26 statt 24.
S. 187 A n m . 1 erg. HECK, Gemeinfreie 144 ff. 206 ff.
S. 212 Z. 5 lies mansus statt manus. — Z. 14 Die mansi ingenuiles hingen nicht mit den Prekarien zusammen, sondern waren Leihen zu Hofrecht. Vgl. RIETSCHEL, Z R G . 3 5 ,
201.
S. 217 Z. 18 v. u. Der homo Francus war nach v. MÖLLER, Mitteil. d. österr. Inst. 23, 217 ff. ein Angehöriger des germanischen Volksadels, für den die Chamaven aber das bei den Franken minderwertig gewordene „nobilis" nicht mehr verwendeten. S. 221 Z. 10 v. u. lies § 35 n. 97. 8 . 2 2 4 Anm. 5 2 erg. TAMASSIA, La manomissione ante regem, Nozze PolaccoLuzzatto, 1902. S. 225 Überschrift lies § 29. 8. 256 Z. 8 lies capitula. S. 2 7 3 Anm. 2 4 erg. H . M E T E R , Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht 29 ff. S. 286. Die Ausführungen über precaria sind jetzt zu berichtigen nach RIETSCHEL, Z R G . 35, 302 ff. S. 8 7 6 Anm. 9 8 erg. H . METER, Entwerung 8 ff. S. 397 Z. 20 lies Belehnungen. S. 423 erg. H. SÉE, Les classes rurales et le régime domanial en France au moyenâge, 1901. S . 4 3 5 : STAVENHAGEN, Freibauern und Landfreie in Livland während der Ordensherrschaft, Beitr. z. E. Esth-, Liv- u. Kurlands 4, 295 ff. S. 530 Z. 23 lies UHLMANN. S. 532 Z. 10 v. u. streiche Bauern. S . 5 5 7 Anm. 7 1 erg. SCHMITZ, Gogerichte im Herzogtum Westfalen, Münst. Dies. 1 9 0 1 . S . 6 1 9 Z . 2 6 erg. Douai: ESPINAS, Finances de la commune de Douai, 1 9 0 2 . S . 638 Z. 5 v. u. erg. M. G. SCHMIDT, Zeitschr. f. Kulturgeschichte 9, 241 ff. S. 7 0 8 erg. v. VOLTELINI, Südtiroler Notariatsimbreviaturen des 1 3 . Jhs., I. 1 8 9 9 (Acta Tirolensia II.), besprochen von A. SCHULTZ, ZRG. 34, 318 ff., und S.
v o n PONTSCHART, G G A .
755
S. 801 S . 804 S. 808 S. 809 S. 810 S. 812 S. 813
1 8 9 2 , S . 2 1 9 ff.
und S. 7 6 4 erg. FRIESE u. LIESEGANG, Magdeburger Schöffensprüche, I . (Sachregister). Z. 18 lies: war es. Z. 24 lies: gleichzeitig. Z . 2 v. u. lies: v. DULTZIO. Z. 10 v. u. statt 779 n. lies: § 67, Anm. 15. Z. 11 lies: Heiratsfreiheit Z. 11 v. u. lies: Gutsherren, statt Grundherren. Z. 12 v. u. lies: Gutsherren, statt Grundherren. Z. 6 y. u. lies: DBA. statt DAB. Z. 15 lies: M E J E B statt M E I E R ; Anm. 2 lies: 484 statt 478.
Verzeichnis der häufigsten Abkürzungen. A H I B A 1 : Grundriß des germanischen Rechts', 1 8 9 7 . B B U N N E B : Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 1 9 0 1 . BBUNNEB, RG. oder B B U N N E B I. I I . : Deutsche Rechtsgeschichte I. II. FDG.: Forschungen z. deutschen Geschichte. GGA.: Göttingische gelehrte Anzeigen. GBIMM, RA. : Deutsche Rechtsaltertümer (die älteren Seitenzahlen sind auch in der 4. Auflage angegeben). Hist. VJSchr.: Historische Vierteljahrsschrift, Neue Folge der Zeitschr. f. Gesch.-Wissenschaft. Kr. VJSchr.: Kritische Vierteljahrsschrift für Rechtswissenschaft. MG.: Monumenta Germaniae. Mitteil. d. öst. Inst.: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung. N. Archiv: Neues Archiv der Gesellschaft für filtere deutsche Geschichtskunde. N. Revue: Nouvelle Revue de droit français et étranger. OStR.: Oberrheinische Stadtrechte, her. v. d. Badischen Histor. Kommission. SB.: Sitzungsberichte der philos.-histor. Klassen der Akademien. ZDA. : Zeitschrift f. deutsches Altertum. ZDR. : Zeitschrift f. deutsches Recht. ZGO. : Zeitschrift f. d. Geschichte des Oberrheins. ZRG.: Zeitschrift für Rechtsgeschichte (Band 1—13) und Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, germanistische Abteilung (von Band 14 an).
Einleitung. § I.
Die Aufgabe und die Perioden.
B B U N N E R , RG. I . § § 1 , 2 , 5 . y. A M I R A . Grundriß' 1 AP.; Über Zweck und Mittel der germanischen Rechtegeschichte, 1876. SOHM, Fränkisches Recht und römisches Recht, Prolegomena zur deutschen Rechtsgeschichte, 1 8 8 0 (ZRG. XIV.). R O T H , Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn (ebd. I . ) . E I C H H O R N , Über das geschichtliche Studium des deutschen Rechts (Zeitschr. f. gesch. RW. I.).
Innerhalb des indogermanischen Sprachstammes bilden die Germanen mit den Letto-Slawen, Kelten, Italikern, Albanesen, Griechen und Armeniern eine engere Gruppe, die als westarische der ostarischen oder schlechthin arischen Gruppe (Indier und Eranier) gegenübergestellt wird. Die Kultur- und Rechtszustände dieser Nationen in der Zeit vor ihrer Sonderung zu erforschen ist die Aufgabe der vergleichenden Sprachwissenschaft und der vergleichenden Rechtswissenschaft 1 . Die deutsche Rechtsgeschichte beginnt um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung, wo durch Casars Eroberung Galliens die antike Kulturwelt bis unmittelbar an die Grenze Germaniens vorgeschoben, ein Teil der Germanen bereits in die Machtsphäre Roms hineingezogen wurde. Die e r s t e P e r i o d e umfaßt die Urzeit bis zu der Gründung der germanischen Reiche auf römischem Boden. Sie hat es außer mit den Südgermanen auch mit den Skandinaviern oder Nordgermanen zu thun, deren Rechtsaufzeichnungen 1
Die vergleichende Rechtswissenschaft gehört nur, soweit sie sich auf das indogermanische Gebiet bezieht, in den Bereich der deutschen Rechtsgeschichte, darüber hinaus in den Bereich der Ethnologie und ethnologischen Jurisprudenz. Hauptorgan in Deutschland ist die seit 1878 erscheinende Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, herausgegeben von B E R N H Ö F T , C O H N und K O H L E R , auch die Revue de droit français et étranger bewegt 'sich zum Teil auf gleichem Gebiete. Unter den monographischen Arbeiten dieser rüstig aufstrebenden Wissenschaft sind namentlich die von B E R N H Ö F T , D A R Q Ü N , D A R E S T E , D E L B R Ü C K , J O E L Y , K O H L E R , L A V E L E T E , L E I S T , MAFNE und P O S T auch für die germanische Rechtsgeschichte bedeutsam. Vgl. auch L E I S T , Altarisches ius gentium, 1 8 8 9 ; Altarisches ius civile, 1 8 9 2 — 1 8 9 6 , und J H E H I N O , Vorgeschichte der Europäer, 1 8 9 4 ; O . SCHRÄDER, Sprachvergleichung u. Urgeschichte', 1 8 9 0 ; SCHÜLER V. L I B L O Y , Abriß der europäischen Staats- u. Rechtsgeschichte, 1874. R . SCHRÖDER, D e u t s c h e R e c h t s g e s c h i c h t e .
4. Aufl.
1
Einleitung.
2
zwar einer erheblich späteren Zeit und vielfach entwickelteren Kulturstufe angehören, mit entsprechender Vorsicht aber zu den wichtigsten Rückschlüssen für die germanische Urzeit benutzt werden können. Die z w e i t e P e r i o d e , von der Gründung bis zur Auflösung des fränkischen Reiches, beschäftigt sich ausschließlich mit den deutschen (westgermanischen) Stämmen und den Ostgermanen die sich infolge ihrer geographischen Lage der gleichen Entwickelung angeschlossen haben. Das Recht und der Staat der Franken tritt in den Vordergrund. Die d r i t t e P e r i o d e , von der Teilung des fränkischen Reiches bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, beschränkt sich auf die Verhältnisse des deutschen Reiches, dessen Rechtseinrichtungen ein immer stärkeres Vordringen des fränkischen Rechts erkennen lassen. Die rechtlichen Zustände Frankreichs, Englands (seit der normannischen Eroberung) und wohl auch Spaniens beruhen vorwiegend auf den Grundlagen des fränkischen Rechts. Französische, englische, spanische und italienische Rechtsgeschichte sind die wichtigsten Hilfsmittel für die deutsche Rechtsgeschichte des Mittelalters. Die v i e r t e P e r i o d e , die Neuzeit, beginnt mit der Einsetzung des Reichskammergerichts, der Beseitigung des Fehderechts durch den ewigen Landfrieden, den mannigfachen Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Reichsverfassung. Die Rezeption des römischen Rechts, wie es aus der italienischlombardischen Jurisprudenz und der kanonistischen Doktrin und Praxis hervorgeht, führt auf allen Gebieten des Rechts zu neuen Gestaltungen. Die Periode schließt mit der Errichtung des Deutschen Reiches, der Einsetzung des Reichsgerichts und den auf die Herstellung der Rechtseinheit gerichteten Gesetzen. Im Gegensatz zu der Methode der alten Staats- und Rechtsgeschichte ist die politische Geschichte nur so weit in Betracht zu ziehen, als sie zur Erklärung der Rechtsentwickelung unentbehrlich ist. Dagegen haben die in der Rechtsgeschichte oft zu sehr vernachlässigten wirtschaftlichen Verhältnisse eine größere Berücksichtigung zu beanspruchen. Die Darstellung jeder einzelnen Periode beginnt mit den allgemeinen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen, dann folgen Verfassung und Rechtsquellen. In den drei ersten Perioden schließt sich an die letzteren die besondere Darstellung des Privat- und Strafrechts sowie des Gerichtsverfahrens an, dagegen fällt dieselbe in der vierten Periode weg, weil nur die Umbildungen der rezipierten fremden Rechte, aber nicht diese selbst in ein Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte gehören. § 2.
Litteratur und Hilfsmittel.
Die besonderen Quellen nebst der einschlägigen Litteratur sind je an ihrer Stelle anzuführen, hier nur was eine allgemeine Bedeutung hat Eine vortreffliche "Übersicht enthält DAHLMANN -WAITZ, Quellenkunde der deutschen Geschichte®, bearb. von STEINDOBFF, 1894. Vgl. auch COSTA, Bibliographie der deutschen RG., 1858.
Einleitung.
2
zwar einer erheblich späteren Zeit und vielfach entwickelteren Kulturstufe angehören, mit entsprechender Vorsicht aber zu den wichtigsten Rückschlüssen für die germanische Urzeit benutzt werden können. Die z w e i t e P e r i o d e , von der Gründung bis zur Auflösung des fränkischen Reiches, beschäftigt sich ausschließlich mit den deutschen (westgermanischen) Stämmen und den Ostgermanen die sich infolge ihrer geographischen Lage der gleichen Entwickelung angeschlossen haben. Das Recht und der Staat der Franken tritt in den Vordergrund. Die d r i t t e P e r i o d e , von der Teilung des fränkischen Reiches bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, beschränkt sich auf die Verhältnisse des deutschen Reiches, dessen Rechtseinrichtungen ein immer stärkeres Vordringen des fränkischen Rechts erkennen lassen. Die rechtlichen Zustände Frankreichs, Englands (seit der normannischen Eroberung) und wohl auch Spaniens beruhen vorwiegend auf den Grundlagen des fränkischen Rechts. Französische, englische, spanische und italienische Rechtsgeschichte sind die wichtigsten Hilfsmittel für die deutsche Rechtsgeschichte des Mittelalters. Die v i e r t e P e r i o d e , die Neuzeit, beginnt mit der Einsetzung des Reichskammergerichts, der Beseitigung des Fehderechts durch den ewigen Landfrieden, den mannigfachen Reformbestrebungen auf dem Gebiete der Reichsverfassung. Die Rezeption des römischen Rechts, wie es aus der italienischlombardischen Jurisprudenz und der kanonistischen Doktrin und Praxis hervorgeht, führt auf allen Gebieten des Rechts zu neuen Gestaltungen. Die Periode schließt mit der Errichtung des Deutschen Reiches, der Einsetzung des Reichsgerichts und den auf die Herstellung der Rechtseinheit gerichteten Gesetzen. Im Gegensatz zu der Methode der alten Staats- und Rechtsgeschichte ist die politische Geschichte nur so weit in Betracht zu ziehen, als sie zur Erklärung der Rechtsentwickelung unentbehrlich ist. Dagegen haben die in der Rechtsgeschichte oft zu sehr vernachlässigten wirtschaftlichen Verhältnisse eine größere Berücksichtigung zu beanspruchen. Die Darstellung jeder einzelnen Periode beginnt mit den allgemeinen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Grundlagen, dann folgen Verfassung und Rechtsquellen. In den drei ersten Perioden schließt sich an die letzteren die besondere Darstellung des Privat- und Strafrechts sowie des Gerichtsverfahrens an, dagegen fällt dieselbe in der vierten Periode weg, weil nur die Umbildungen der rezipierten fremden Rechte, aber nicht diese selbst in ein Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte gehören. § 2.
Litteratur und Hilfsmittel.
Die besonderen Quellen nebst der einschlägigen Litteratur sind je an ihrer Stelle anzuführen, hier nur was eine allgemeine Bedeutung hat Eine vortreffliche "Übersicht enthält DAHLMANN -WAITZ, Quellenkunde der deutschen Geschichte®, bearb. von STEINDOBFF, 1894. Vgl. auch COSTA, Bibliographie der deutschen RG., 1858.
§ 2.
3
Litteratur und Hilfsmittel.
I . L i t t e r a t u r d e r deutschen RechtsgescMchte (vgl. v. AMIRA 2 70). Über die ältere Litteratur vgl. § 87. K. F. EICHHORN, Deutsche Staats- u. Rechtsgeschichte 6 , 4 Bde, 1843—44. BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, I. 1887. II. 1892 (vgl. v. AMIRA, Gött. gel. Anz. 1888 Nr. 2. 1896 Nr. 3. HERTZBERQ, Tidsskrift for Retsvidensfeab 4 , 385 ff. 5, 1 ff. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr. 65, 301 ff. 78, 193 ff. 79, 224 ff. STÜTZ, Zeitschr. f. Schweiz. R., NF. 14, 173 ff.), v. DANIELS, Handbuch d. deutsch. Reichs- u. Staaten-Rechtsgeschichte, 4 Bde, 1859—63 (unvollendet). ZÖPFL, Deutsche Staats- u. RG.< 1871—72. WALTER, Deutsche RG.» 1857. Kürzere L e h r b ü c h e r : SIEGEL', 1895.
SCHULTE6, 1893.
PHILLIPS 4 , 1859.
E . WINKELMANN, A l l -
gemeine Verfassungsgeschichte, her. v. A. WINKELMANN, 1901. — Grundrisse: STENZEL 1832.
H . O. LEHMANN in BIRKMEYEB'S E n c y k l o p ä d i e der Rechtswissenschaft S. 197 ff.
GENGLER 1 8 4 9 — 5 0 ( u n v o l l e n d e t ) . FBOMMHOLD 1894 ( m i t Q u e l l e n a u s z ü g e n ) .
Vorzüg-
lich: v. AMIRA, Grundriß des germanischen Rechts', 1897 (der Text auch in PAUL'S Grundriß der germanischen Philologie 1 3, 51—222), und BRONNER, Grundzttge der deutschen Rechtsgeschichte, 1901 (Neubearbeitung seiner Quellen und Geschichte des deutsch. Rechts, in v. HOLTZENDOBPF'S Encyklopädie der EW.®, 1890, S. 215—302). G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, I a . (Verfassung des deutschen Volkes in ältester Zeit) 1880; II 3 . 1882, III». 1883, IV 2 . 1885 (Verfassung des fränkischen Reichs, 1.—3. Bd.); V.—VIII. (Deutsche Reichsverfassung von der Mitte des 9. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. I—IV) 1874—78, V* her. v. ZEUMER, 1893, VI" her. v. SEELIGER, 1896. Dazu: Urkunden zur deutschen Verfassungsgeschichte im 11. u. 12. Jahrhundert 1 , 1886. WAITZ, Abhandlungen zur deutschen Verfassungs- und Rechtsgeschichte, her. v. ZEUMER, 1896. BRUNNER, Forschungen zur Geschichte des deutschen u. französischen Rechts, 1894. J . FICKEB, Untersuchungen zur Rechtsgeschichte (a. u. d. T.: Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgerman. Rechte), 4 Bde, 1891—98 (vgl. v. AMIRA, Gött. gel. Anz 1892, S . 2 6 9 ff.). GIERKE, D a s d e u t s c h e G e n o s s e n s c b a f t s r e c h t , 3 B d e , 1 8 6 8 — 8 1 .
v. BETH-
MANN-HOLLWEG, Der german.-roman. Civilprozeß im Mittelalter, 3 Bde, 1868—74. J . GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer, 1828 (neue Abdrücke 1854, 1881, vgl. HOMEYER, Berlin. Jahrbücher f. wiss. KritikJ, 1830, Nr. 65—70), vierte bedeutend v e r m e h r t e Auflage (her. v. HEDSLEB und HÜBNEB), 2 B d e , 1899. NOORDEWIER, Neder-
duitsche Regtsoudheden, 1853. ZÖPFL, Altertümer d. deutschen Reichs und Rechts, 3 Bde, 1860—61. OSENBRÜGGEN, Deutsche Rechtsaltertümer aus der Schweiz, 1858—59 (größtenteils in den „Studien" wiederholt); Studien z. deutsch, u. Schweiz. RG., 1868; Rechtsaltertümer aus Österreich. Pantaidingen (Wiener SB. 41;. BODMANN, Rheingauiachö Altertümer, 2 Bde, 1819. SPANGENBERG, Beiträge z. d. teutschen Rechten des MA., 1822; Beiträge z. K. d. teutsch. Rechtsaltertümer u. Rechtsquellen, 1824. GRUPEN, Deutsche Altertümer z. Erläuter. d. sächs. u. schwäb. Landu. Lehnrechts, 1746; Observationes rerum et antiquitatum Germ, et Rom., 1763. PGFENDOBF, Observationes iuris universi* (mit Appendix variorum statutorum et iurium), 4 Bde, 1757—70. DBEYEB, Sammlung vermischter Abhandlungen z. Erläuter. d. teutsch. Rechte u. Altertümer, 3 Teile, 1754—63; Zur Erläuterung d. teutsch. Rechte u. B. W. angewandte Nebenstunden, 1768; Beiträge z. Litteratur u. Geschichte d. teutsch. Rechts, 1783. STBUBEN, Nebenstunden, 6 Teile, 1789. WIGAND, Wetzlar'sche Beiträge, 3 Bde, 1840—51; Denkwürdigkeiten a. d. Archive d. Reichskammergerichts, 1854; Denkwürdige Beiträge f. Gesch. u. Rechtsaltertümer, 1858. DALWIGK U.FALCK, E r a n i e n z . d e u t s c h . P r i v a t r e c h t , 1 8 2 5 — 2 8 . GIERKE, U n t e r s u c h u n g e n
z. deutsch. Staats- u. Rechtsgeschichte, seit 1878. DAHN, Bausteine, 6 Bde, 1879—84. WEINHOLD, Die deutschen Frauen in dem Mittelalter», 2 Bde, 1882. LABOULAYE, L a condition civile et politique des femmes, 1842. J. GRIMM, Von der Poesie im Recht (Zeitschr. f. gesch. RW. 2, 25—99). GIEBKE, Der Humor im deutschen Recht», 1886 (vgl. LIEBBECHT, Zeitschr. f. deutsch. Phil. 6, 137 ff.). REYSCHER, Beiträge z. K. des deutschen Rechts, 1883. FRENSDOBFF, Recht und Rede (Historische Aufsätze f. WAITZ, 1886, S. 433—490). RÖHLER, Germanische Altertümer im Beovulf (i. d. Germania 13, 129 ff.). VILMAR, Deutsche 1*
4
Einleitung.
Altertümer im Heliand 2 , 1862. LAGENPUSCH, Das germanische Recht im Heliand. 1 8 9 4 (GIEBKE, Unters. 46). R. SCHRÖDER, Beiträge z. E . des deutschen Rechts aus deutschen Dichtern, ZDA. 18, 139 ff.; Corpus iuris Germanici poëticum, Zeitschr. f. deutsch. Phil. 1, 257 ff. 2, 302 ff.; Beiträge z. deutsch. RG. a. d. Dichtungen Eonrad's von Würzburg, ZRG. 7, 131 ff. D R E Y E S , Abhandl. v. d. Nutzen des Gedichts Reinke de Vos in Erklärung der teutsch. Rechtsaltertümer (Nebenstunden 1—256). BÜHLAU, Rechtsgeschichtliches aus Reineke Fuchs (Neue Mitteil. d. thür.sächs. Ver. 9 , 2 S . 77 ff.). GENOLER, Rechtsaltertümer im Nibelungenlied, 1861; Ein Blick a. d. Rechtsleben Baierns unter Herzog Otto I., -1880; Über Aeneas Sylvius in seiner Bedeutung f. d. deutsche RG., 1860. HABEBLIN, Systemat. Bearbeitung der in Meichelbeck's Hist. Frising. enthaltenen Urkundensammlung, 1842. FRANKLIN, Die freien Herren und Grafen von Zimmern, Beiträge z. RG. nach d. Zimmerischen Chronik, 1884. STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, 2 Bde, 1 8 6 0 — 6 4 . H E Ü S L E E , Institutionen d. deutsch. Privatrechts, 2 Bde, 1885—86. GIEBKE, Deutsches Privatrecht. I. 1895. STOBBE, Handbuch d. deutsch. Privatrechts, 5 Bde,. 8 1871—1885, 1 "bis I V » . her. v. K . SCHÜLZ u. H.'LEHMANN', 1893—190Ô. 'KRAUT, Grundriß zu Vorlesungen über d. deutsche P r i v R . ' , bearb. v. FRENSDORFF, 1886. 2 LOERSCH U. SCHRÖDER, Urkunden zur Geschichte des deutschen Privatrechts , 1881. ALTMANN U. BERNHEIM, Ausgewählte Urkunden zur Erläuterung der Verfassungsgeschichte Deutschlands im Mittelalter*, 1895. H. 0 . LEHMANN, Quellen z. deutsch. Reichs- u. Rechtsgeschichte, 1891. GOLDSCHMIDT, Universalgeschichte des Handelsrechts (a. u. d. T. Handbuch des Handelsrechts I 9 ), 1891. Z e i t s c h r i f t e n : fiir geschichtliche Rechtswissenschaft, 15 Bde, 1815—1850; für deutsches Recht, 20 Bde, 1839—1861; für Rechtageschichte, seit 1881 (Neue Folge seit Bd. XIV, 1880, a. u. d. T.: Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, jeder Band eine germanistische und eine romanistische Abteilung umfassend). Kritische Überschau der deutschen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, 6 Bde, 1853—59. Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, seit 1859. Zeitschrift für schweizerisches Recht, seit 1852. Revue de droit français et étranger, 4 Bde, 1844—47, 2. Serie: Revue historique de droit français et étranger, 15 Bde, 1855—69, 3. Serie: Revue de législation ancienne et moderne française et étrangère, 6 Bde, 1870—77, 4. Serie: Nouvelle Revue historique de droit français et étranger, seit 1877. Historische Zeitschrift, her. v. SYBEL, seit 1859. Forschungen z. deutsch. Geschichte, 26 Bde, 1862—86. Deutsche Zeitschr. f. Gesch.-Wissenschaft, 1889; N. F. Histor. Vierteljahrsschrift, her. v. SEELIGER, seit 1898. Hist. Jahrbuch d. Görres-Gesellschaft, seit 1880. Zeitschr. f. d. Gesch. d. Oberrheins, seit 1850, N. F. seit 1886. Westdeutsche Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst, seit 1882. Hansische Geschichtsblätter, seit 1871. Mitteilungen d. Institute f. Österreich. Gesch.-Forschung, seit 1880. R e c h t s g e s c h i c h t e e i n z e l n e r T e r r i t o r i e n . Darstellungen der österreichischen Reichs- und Rechtsgeschichte: v. LCSCHIN, BACHMANN, WERUNSKY, sämtlich 1 8 9 5 . LUSCHIN V. EBENGREUTH, Grundriß der österr. Reichsgeschichte, 1 8 9 9 . 2 HUBER, Österr. Reichsgeschichte , her. v. DOPSCH, 1 9 0 1 . LIPPERT, Sozialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit, 2 Bde, 1 8 9 6 — 9 8 . CHABEBT, Denkschriften der Wiener Akademie III. IV. 1 8 5 2 . SCHULER V. LIBLOY, Siebenbürg. RG.2 1 8 6 7 — 6 8 ; Materialien zur siebenb. RG. 1 8 6 1 — 6 2 ; Statuta iurium munie. Saxonum in Transsilvania, 1 8 5 3 . v. SCHWIND U. DOPSCH, Ausgewählte Urkunden zur Verf.-Geschichte der deutsch-österreich. Erblande im Mittelalter, 1 8 9 5 . GENOLER, Beiträge zur RG. Bayerns, 4 Teile, 1 8 8 9 — 9 4 . v. W Y S S , Abhandlungen z. Gesch. d. Schweiz. öffentL Rechts, 1 8 9 2 . BLUMEB, Schweiz. Demokratien, 2 Bde, 1 8 4 8 — 5 9 . BLUNTSCHLI (Zürich2, 1 8 5 6 ) . STETTLER (Bern, 1 8 4 5 ) . LEUENBERQER (Bern 1 8 7 3 ) . SEQESSER (Luzern, 4 Bde, 1 8 5 1 — 5 8 ) . PLANTA (Rätien, 1 8 7 2 ) . THUDICHUM (Wetterau, 1 8 6 7 , 1 8 7 4 — 1 8 8 5 ) . MOSER, Osnabr. Geschichte (Sänitliche Werke VI—VIII), letzte Ausgabe von ABEKEN, 1 8 4 3 . BÖNVALOT, Histoire de droit et des institutions de la Lorraine et des trois évêchés
§ 2. Litteratur und Hilfsmittel.
5
(873—1789), 1895. PARISOT, Le royaume de Lorraine sous les Carolingiens, 1899. SEIBERTZ (Westfalen, 4 Bde, 1860—75). FALCK (Schlesw.-Holst. Privatrecht I—III. 1825—38). MAONIN (Geschiedkundig overzigt van de besturen in Drenthe, 1838—50). v. RICHTHOFEN (Untersuchungen über friesische RG., 3 Teile, 1880—86), Huoo DE GROOT, Inleiding tot de hollandsche Rechtsgeleerdheid (zuerst 1 6 3 1 , neueste Ausg. 1895, von FOCXEMA ANDREAE). FOCKEMA ANDREAE, Bijdragen tot de Nederlandsche Recbtsgeschiedenis, 7 Bde, 1888—1900. J. TELTING, Schets van het oud-friesche privaatregt, 2 Bde, 1867—82 (Themis, Jahrg. 1868—69, 1871—74, 1876—80, 1882). 0. SCHMIDT, her. v. NOTTBECK (Liv-, Esth- und Curland, 1895). v. GERNET (Bistum Dorpat, 1897).
II. Litteratur und Quellen verwandter Rechte.
a) N o r d g e r m a n i s c h e s R e c h t . In Verbindung mit den södgermaniscben Rechten namentlich bei v. A M I R A , Grundriß ( S . 3). J. GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer (vgl. S. 3). W I L D A , Strafrecht der Germanen, 1812. R I V E , Vormundschaft im Rechte der Germanen, 1862 (vgl. K. MAURER, Krit. VJSchr. 2, 75ff. 4, 412 ff.). OLIVECRONA, O M Makars Giftorätt i Bo 5 , 1882. Im übrigen vgl. K. MAURER, Udsigt over de nordgermaniske Retskilders Historie, 1878; Überblick über die Geschichte der nordgermanischen Rechtsquellen, in v. HOLTZENDORFF'S Encyklopädie der EW. 1 , 1890, S. 351 ff. J. GRIMM, Litteratur der altnord. Gesetze, Zeitschr. f. gesch. RW. 3, 73 ff. K. LEHMANN, Verzeichnis der Litteratur der nordgermanischen RG., ZRG. 20, 205 ff. 21, 165—173. 23, 246 f. MÜNCH, Det norske Folks Historie, 6 Bde, 1852—63 (die 2 ersten Abschnitte u. d. T.: Die nordisch-german, Völker, ihre ältesten Heimatsitze, Wanderzüge u. Zustände, übersetzt v. CLADSSEN, 1853). WEINHOLD, Altnordisches Leben, 1856. K E Y S E R , Nordmaendenes private Liv i Oldtiden (Efterladte Skrifter II. 1867); Norges Stats- og Retsforfatning i Middelalderen (ebd.); Norges Historie, 2 Bde, 1866—70. BRANDT, Forelaesninger over den norske Retshistorie, 2 Bde, 1880—83 (vgl. K. MAURER, Krit. VJSchr. 11, 410 ff.). AUBERT, Udsigt over de norske Loves Historie, 1875. v. AMIRA, Nordgermanisches Obligationenrecht, 2 Bde, 1882—95. K. LEHMANN, Der Königsfriede der Nordgermanen, 1886; Abhandlungen zur germanischen, insbesondere nordischen Rechtsgeschichte, 1888. K . MAURER, Island von seiner ersten Entdeckung bis zum Untergange des Freistaats, 1874; Die Quellenzeugnisse über das erste Landrecht u. die Ordnung der Bezirksverfassung des isl. Freistaates, Abh. d. Münch. Ak. 12, 3 ff.; Die Rechtsrichtung d. ält. isl. Rechts, Münchener Festgabe, 1887, S. 119 ff. FINSEN, Om de islandske Love i Fristatstiden, 1873. STJERNHÖÖK, De iure Sveonnm et Gothorum vetusto libri duo, 1672. STRINNHOLM, Svenska Folkets Historia, 5 Bde, 1834—54. NOIIDSTBÖM, Bidrag tili den aveqska Samhällsförfattnings Historia, 2 Bde, 1839—40. NAUMANN, Svenska Statsforfatningens historiska Utveckling, zuletzt 1866—75; Sveriges Statsförfatningsrätt 2 , I. 1879. SCHLYTER, Juridiska Afhandlingar, 1836—79. KOFOD ANCHER, Dansk Lov-Historie, 2 Bde, 1769—76; Samlede juridiske Skrifter, 3 Bde, 1807—11. KOLDERUP-ROSENVINOE, Grundrids af den danske Retshistorie 2 , 1832 u. 1860 (bloßer Neudruck); deutsche Übersetzung, mit Anmerkungen begleitet, von HOMEYER, 1825. LARSEN, Samlede Skrifter, 4 Teile, 1857—61. STEMANN, Den danske Retshistorie, 1871; Geschichte des öffentl. u. Privatrechts des Herzogtums Schleswig, 2 Bde, 1866. MATZEN, Forelaesninger over den danske Retshistorie, 6 Bde, 1893—98. DAHLMANN, Geschichte von Dänemark, 3 Bde, 1840—43. 3 GUDMUNDSSON U. KALUND, Skandinavische Verhältnisse, in PAUL'S Grundriß , 3, 407ff. — Tidpskrift for Retsvidenscab, seit 1888. Weitere Litteraturangaben bei A M I R A 8 , 70 f. Zahlreiche Abhandlungen von K. MAURER in den Abhandlungen und Sitzungsberichten der Münchener Akademie, Anzeigen in der Kr. VJSchr. Vgl. auch Germanistische Abbandlungen, Konrad Maurer dargebracht, 1893. Gesamtausgabe der norwegischen Rechtsquellen: K E Y S E R , MÜNCH, STORM u. Norges gamle Love, 5 Bde, 1846—95 (V. 2 enthält ein Glossar). Dazu: Diplomat»rium Norvegicum, 12 Bde, 1848—88. Vgl. K . MAURER, Art. Gulathing HERTZBERO,
6
Einleitung.
und Gulathingslög, bei ERSCH U. GRÜBER, Encyklopfidie I . 96, 377—418. 97, 1—74; Frostajtingslög, Abh. d. Münch. Âk. 13, 3 S. 1 ff. und Historisk Tidsskrift II. 6. v. A M I R A , i. d. Germania 32, 129 ff. Für Island: Ausgabe der sg. Grâgâs von F I N S ^ N nach dem Codex regius, 2 Bde, 1852—70; nach dem Codex Arnamagnaeanus 1879; nach den übrigen Handschriften 18S3. Vgl. K . MAURER, Art. Graagaas, bei ERSCH U. GRÜBER, a. a. O. 77, Iff. und Germania 15, Iff. 25, 232ff. Dazu: Diplomatarium Islandicum, 1857—76. Gesamtausgabe der schwedischen Rechtsquellen bei COLUK u. SCHLYTER, Corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui, 13 Bde, 1827—77. Dazu: Diplomatarium Suecanum, 6 Bde, 1829—78, und Svenskt Diplomatarium, udg. af SILVERSTOLPE, 3 Bde, 1875—88. Für Dänemark: ROLDERDP-ROSENVINQE, Sämling of garnie Danske Love, 5 Bde, 1821—46; Udvalg af gamle Danske Domme, 4 Bde, 1842—48. N T R O P , Sämling af Danmarks Lavsskraaer fra Middelalderen, seit 1895. SECHER, Sämling af Kongens Ketterthings Domme, 2 Bde, 1881—86. Die vier Provinzialrechte (Skänske Lov nebst Sunesens Lex Scaniae provincialis, Sslandske Lov in den beiden Waldemar und Erich zugeschriebenen Rechtsbüchern, •Jydske Lov).in .vier Bändchen von. TBORSEN{1852-^53.), das .zuletzt gepagnte außerdem von PETERSEN (1850) herausgegeben; die Stadtrechte: THORSEN, Die dem jütischen Low verwandten Stadtrechte, 1855. Dazu: Regesta diplomatica historiae Danicae, 1847, 1880—89. — Ober die Sagas als rechtsgeschichtliche Quellen vgl. E . MAUBEB, Die Huldarsaga, Abh. der Münch. Ak. 20, 225 ff; Zwei Rechtsfölle in der Eigla, Münch. S.-B. 1895, S. 65ff.; Zwei Rechtsfälle a. d. Eyrbyggya, ebd. 1896, S . 3 ff. K, LEHMANN U. SCHNORR V. CAROLSFELD, Die Njalssage, 1883. b) F r a n z ö s i s c h e s u n d b e l g i s c h e s R e c h t . MONOD, Bibliographie de l'histoire de la France, 1888. BRÜNNER, Überblick über die Geschichte der französischen, normannischen und englischen Rechtsquellen, 1890 (v. HOLTZENDORFF'S EncyklopSdie der Rechtswissenschaft', S. 305 ff.). Zum Teil vortreffliche Arbeiten französischer Rechtshistoriker in der „Revue historique de droit" (s. S. 4), der „Bibliothèque de l'école des chartes" (seit 1839), den Sitzungsberichten des Institut de France und der verschiedenen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften, sowie in den Einleitungen zu den einzelnen Bänden der „Collection de documents inédits sur l'histoire de France". — WARNKÖNIO U. STEIN, Französische Staats- und Rechtsgeschichte, 3 Bde, 1846—48. SCHAFFNER, Geschichte der Rechtsverfassung Frankreichs, 4 Bde, 1845—50. PARDESSUS, Mémoire sur l'origine du droit coutumier en France (Mémoires de l'Institut X. 1834); Essai historique sur l'organisation judiciaire depuis Hugues Capet jusqu'à Louis XII, 1851. GINOULHIAC, Histoire générale du droit français, 1884. ESMEIN, Cours élémentaire d'histoire du droit français4, 1901. VIOLLET, Histoire du droit civil français, 1893; Histoire des Institutions politiques et administratives de la France, I. 1890, II. 1898. GAUTIER, Histoire du droit français', 1884. FUSTEL DE COULANOES, Histoire des institutions politiques de l'ancienne France, 1888—91 ; Recherches sur quelques problèmes d'histoire, 1885. MINIER, Précis historique du droit français, 1854. GOÉTAT, Histoire du droit français, 1884. GLASBON, Histoire du droit et des institutions de la France, 7 Bde, 1888—96. FLACH, Origines de l'ancienne France, 2 Bde, 1886—93. LUCHAIRE, Histoire des institutions monarchiques de la France sous les premiers Capétiens, 2 Bde, 1883; Manuel des institutions françaises, Période des Capétiens, 1892. KÖNIOSWABTEB, Sources et Monuments du droit français, 1853. BEAUNE, Introduction à l'étude historique du droit coutumier français, 1880; Droit coutumier français, 1882—89. BEÜGNOT, Les Olim ou Registre des arrêts rendus par la cour du roi, 4 Bde, 1839—48. SEIGNOBOS, Le régime féodal en Bourgogne, 1882. BOUTARIC, Le régime féodal, 1875. D E LAORÈZE, Histoire du droit dans les Pyrénées, 1867. RIVIÈRE, Histoire des institutions de l'Auvergne, 2 Bde, 1874. K I E N E B , Verf.-G. der Provence, 1900. BOUTHOBS, Les sources du droit rural, 1865. TARDIF, Recueil de textes pour servir à l'enseignement de l'histoire du droit, 3 Bde, 1883—85; Histoire des sources du droit français au moyen age, 1890. DOONON, Les institutions politiques et administratives du pays de Languedoc du 13. siècle, Toulouse, o. J . VIOLLET, Les
§ 2. Litteratur und Hilfsmittel.
7
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ADAMS, LODGE, YOONQ, LAUGHLIN, E s s a i s in Anglosaxon L a w , 1876.
WINKELMANN, Geschichte der Angelsachsen, 1883. KEMBLE, Codex diplomaticus aevi Saxonici, 6 Bde, 1839—46. BISCH, Cartularium Saxonicum, 2 Bde, 1885—87. THOBPE, Diplomatarium Anglicum aevi Saxonici, 1865. GLASSON, Histoire du droit e t d e s i n s t i t u t i o n s d e l'Angleterre, 6 Bde, 1882—83.
POLLOCK a n d MAITLAND, H i s t o r y
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TON, De legibus et consuetudinibus Angliae libri quinqué, her. v. TRAVERS TWISS, 6 Bde, 1878 ff.; Bractons Note Book, her. v. MAITLAND, 3 Bde, 1887 (vgl. BBUNNEB, ZRG. 23, 240 ff.). BIOELOW, Placita Anglo-Normannica, 1879; History of procedure in England, 1880 (vgl. BBUNNEB, ZRG. 15, 202 f.). TARDIF, Coutumier de Normandie, 1881 (vgl. BBUNNEB, ebd. 16, 226 f.). DELISLES, Recueil de jugements de l'Echiquier de Normandie, 1864. GUÉBIN, Etude sur la procédure criminelle en Angleterre et en Ecosse, 1890. d) S p a n i s c h e s R e c h t .
MONTESA Y MANRIQUE, Historia de la legislación y
recitationes del derecho civil de España, 8 Bde, 1861—65.
SEMPERS Y MORENO,
Historia del derecho español, 1822—47. v. BRAUCBITSCH, Geschichte des span. Rechts, 1852. HINOJOSA, Historia general del derecho espagnol, I. 1887. OLIVER, Historia del derecho en Cataluña, Mallorca y Valencia, 4 Bde, 1876—81. F. WOLF, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik aus spanischen Quellen, S.-B. der Wiener Akad. 51. Monumenta histórica Portugalliae, I. Leges et consuetudines, 1856—68. Außerordentlich wertvolle Untersuchungen über spanisches Recht bei FICKEB, Über nähere Verwandtschaft zwischen gotisch-spanischem und norwegisch-isländischem Recht, Mitteil. d. öster. Inst., Erg.-Bd. 2, 455 ff. (vgl. K. MAUHEB, Krit. VJSchr. 31, 190 FFI v. AMIRA, Litteraturbl. f. germ. u. roman. Philol. 1888, Sp. 1 ff.). e) I t a l i e n i s c h e s Recht. PERTILE, Storia del diritto italiano2, 5 Bde, seit 1892. LA MANTIA, Storia della legislazione italiana, I. 1884. FICKER, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, 4 Bde, 1868—74. v. BETHMANN-HOLLWEO,
8
Einleitung.
Ursprung der lombardischen Städtefreiheit, 1846. DEL JÜDICE, Studi di storia e diritto, 1889. HEGEL, Geschichte der Städteverfassung von Italien, 2 Bde, 1847. SALVIOLI, Le giurisdizioni speciali nella storia del diritto italiano, I. 1884; Manuale di storia del diritto italiano dalle invasioni germaniche ai nostri giorni 2 , 1892. FK. SCHCFFER, Manuale di storia del diritto italiano, I. Le Fonti, 1895. KÖHLER, Beiträge zur germanischen Privatrechtsgeschichte, 1883—85. GAUDENZI, Sulla proprietà in Italia, 1884. Archivio giuridico, seit 1868. Studi e documenti di storia e diritto, 1880—84. Quellenwerke: Monumenta historiae patriae, seit 1836; Monumenti di storia patria delle provincie Modenese, 1864—78; Monumenti istorici pertinenti alle provincie della Bomagna, Serie I. Statuti, 1869—77; Monumenta histórica ad provincias Parmensem et Placentinam pertinentia. I. Statuta, 1855—60; BONAINI, Statuti inediti della citta di Pisa, 3 Bde, 1854—57. MURATORI, Antiquitates Italicae medii aevi, 6 Bde, 1738—42; Dissertazioni sopra le antichita italiane, 3 Bde, 1751. LA MANTIA, Storia della legislazione di Sicilia, 2 Bde, 1866—74. v. BRÜNNECK, Siciliens mittelalterliche Stadtrechte, 1881. MERKEL, Com-
mentatio qua iuris Siculi sive assisarum regum Siciliae fragmenta projjonuntur, 1856. KOHLER, Studien aus dem Strafrecht, lì—V (Das Strafrecht der italienischen S t a t u t e n v o m 12. b i s 16. Jh.), 1895—97.
f) K o m i s c h e s R e c h t im M i t t e l a l t e r , v. SAVIGNY, Geschichte des römischen Bechts im Mittelalter1, 7 Bde, 1834—51. M. COMBAT, Geschichte der Quellen und Litteratur des römischen Bechts im früheren Mittelalter, I. 1889—90. I I I . Haupt-Quellenwerk. Monumenta G c r m a n i a e h i s t ó r i c a , Beit 1826, begründet von Freiherrn v. STEIN, mit Unterstützung des Deutschen Bundes, jetzt des Deutschen Beiches und Österreichs, früher unter Leitung von PEUTZ, jetzt unter einer eigenen Centraidirektion. Hauptabteilungen: Scriptores (fol. und 4°), Auetores antiquissimi (4°), Leges (fol. und 4°), Diplomata (fol. und 4°), Deutsche Chroniken (4°), Necrologia (4°), Antiquitates (4°), Epistolae (4°), Poètae latini (4°), Indices. 1890. Auf Grund der Monumenta erscheinen: Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, seit 1840, und: Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit in deutscher Bearbeitung, seit 1849. Organ der Monumenta: Archiv (seit 1876: Neues Archiv) der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, Seit 1824. IT. Hilfswissenschaften. SCHMOLLER, Staats- u. sozial wissenschaftliche Forschungen, Zeitschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte, seit 1893. v. INAMA-STERNBGO, Deutsche Wirtschaftsgeschichte (bis Ende des Mittelalters) I—III. 2. 1879—1901; Über die Quellen der deutschen Wirtschaftsgeschichte, 1877 (Wiener S.-B. 84); Wirtschaft (in PAUL'S Grundriß der germ. Philologie», 3, 1—50); Untersuchungen über das Hofsystem im Mittelalter, 1872; Die Ausbildung der großen Grundherrschaften' in Deutschland während der Karolingerzeit, 1878. MEITZEN, Siedelung und Agrarwesen der West- u. Ostgermanen, .der Kelten, Börner, Finnen und Slawen, 3 Bde mit Atlas, 1895 (vgl. STÜTZ, Gött. gel. Anz. 1897, S. 515 ff.). LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, 3 Bde, 1885—86; Beiträge zur Geschichte des französischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert, 1878; Die wirtschafts-geschichtlichen Studien in Deutschland (Jahrbücher f. Nationalökonomie und Statistik, NF. Bd. 6. 9. 11). HANSBEN, Agrarhistorische Abhandlungen, 2 Bde, 1880. HANAUER, Les constitutions des campagnes de l'Alsace au moyenfige, 1864; Les paysans de l'Alsace au moyen-àge, 1865; Etudes économiques sur l'Alsace, 2 Bde, 1876—78. WOLFF, Beiträge zur siebenbürgisch-deutschen Agrargeschichte, Hermannstadt 1885. ASHLEY, Englische Wirtschaftsgeschichte, übers, von OPPENHEIM, 2 Bde, 1896.
BREYBIG, Kulturgeschichte der Neuzeit II. 2, 1901.
E. H. MEYER, Deutsche Volkskunde, 1898. M. HEYNE, Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer, I. Das deutsche Wohnungswesen, 1899. II. Das deutsche Nahrungswesen, 1901. WATTENBACH, Deutschlands Geschichtsquellen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts*, 2 Bde, 1893—94. LORENZ, Deutschlands Geschichtsquellen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts", 2 Bde, 1886—87; Lehrbuch der Genealogie, 1898. POTTHAST,
§ 2. Litteratur und Hilfsmittel.
9
Bibliotheca histórica medii aevi, Wegweiser durch die Geschichtswerke des deutschen Mittelalters9, 2 Bde, 1 8 9 6 . BRESSLAÜ, Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien, I. 1 8 8 9 . OSTERLEY, Wegweiser durch die Litteratur der Urkundensammlungen, 2 Bde, 1 8 8 5 — 8 6 . WATTENBACH, Das Schriftwesen des Mittelalters', 1 8 9 6 . GKOTEFEND, Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, 2 Bde, 1 8 9 1 — 9 8 ; Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters u. der Neuzeit, 1898. 5 G Ö D E K E , Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung , 6 Bde, 1 8 8 4 — 9 8 . 6 S C H E R E R , Geschichte der deutschen Litteratur , 1 8 9 1 . K Ö G E L , Geschichte der deutschen Litteratur I. 1894 — 97. Ö S T E R L E Y , Historisch-geographisches Wörterbuch des deutschen Mittelalters, 1883. FÖRSTEMANN, Altdeutsches Namenbuch, I . Personennamen, 1 8 5 6 , I I . Ortsnamen8, 1 8 7 2 . v. SPRUNER, Handatlas f. d. Gesch. des MA. u. der neueren Zeit3, bearb. von M E N K E , 1 8 8 0 . DROYSEN U. A N D R E E , Historischer Atlas, 1 8 8 6 . W O L F F , Historischer Atlas 1877. Du C A N O Ë , Glossarium mediae et infimae latinitatis, ed. H E N S C H E L , 7 Bde, 1 8 4 0 — 5 0 ; neueste Ausgabe von F A V R E , 1 0 Bde, 1 8 8 2 — 8 7 . DIEFENBACH, Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae aetatis, 1857 ; Vergleichendes WB. der gotischen Sprache, 2 Bde, 1 8 5 1 . U H L E N B E C K , Etymol. WB. der gotischen Sprache, 1 8 9 6 . MÖBIUS, Altnord. Glossar, 1 8 6 6 . STORK og HERTZBERG, Norges garnie Love, V. 1 8 9 5 . SCHLYTER, Glossarium ad corpus iuris Sueo-Gotorum antiqui (Corp. iur. Sueo-Got. X I I I , 1877). K A L K A R , Ordbog til det aeldre danske Sprog, 2 Bde, 1 8 8 5 — 1 8 9 2 . G R A F F , Althochd. Sprachschatz, 6 Bde, 1 8 3 4 — 4 6 . STEINMEYER u. SIËVERS, Die ahd. Glossen, 4 Bde, 1 8 7 9 — 9 8 . BENECKE, MÜLLER u. ZARNCKE, Mhd. WB., 3 Bde, 1854—67. L E X E R , Mhd. WB., 3 Bde. 1 8 6 9 — 7 8 ; Mhd. Taschen-WB.5, 1 8 9 7 . SCHMELLER, Baier. WB., 4 Bde, 1 8 2 7 — 3 7 , 2 . Aufl. her. v. PROMMANN, 2 Bde, 1 8 7 2 — 7 7 . SCHILLER U. L C B B E N , Mnd. WB., 6 Bde, 1 8 7 5 — 8 1 . H A L T A U S , Glossarium Germanicum medii aevi, 1 7 5 8 . BRINCKMEIER, Glossarium diplomaticum, 2 Bde, 1 8 5 0 — 5 5 . GRIMM, Deutsch. WB., seit 1 8 5 4 . H E Y N E , Deutsch. WB., 3 Bde., 1 8 9 0 — 9 5 . KLUGE, Etymolog. WB. d. deutsch. Sprache8, 1 9 0 1 . v. RICHTHOFEN, Altfriesisch. W B . , 1 8 4 0 . DOORNKAAT-KOOLMAN, WB. d. ostfriesisch. Sprache, 1879fiF. V E R W Í J S en VEHDAM, Middelnederlandsch Wordenboek, seit 1882. STALLAERT, Glossarium van verouderde rechtstermen. I . 1 8 9 0 . BOSWORTH, Anglo-Saxon an English Dictionary, 1 8 4 9 . T O L L E R and BOSWORTH, Anglo-Saxon Dictionary, seit 1 8 8 2 . R . SCHMID, Gesetze der Angelsachsen2, Glossar. W R I O H T , Anglosaxon an old english vocabularios9, by W Ü L C K E R , BRUCKNER, Die Sprache der Langobarden, 1 8 9 5 . D I E Z , Etymol. WB. 2 Bde, 1 8 8 4 . d. roman. Sprachen", 2 Bde, 1 8 8 7 . D U P I N et LABOULAYE, Glossaire de l'ancien droit français, 1 8 4 6 . RAGUEAU et L A U R I È R E , Glossaire du droit françois, neue Ausgabe von F A V R E , 1 8 8 2 . RAYNOUAED, Lexique Éoman, 6 Bde, 1 8 3 8 ff. L A CURNE DE S A I N T E - P A L A Y E , Dictionnaire historique de l'anc. langage françois, 10Bde, 1 8 7 5 — 8 2 . GODEFROY, Dictionnaire de l'ancienne langue' française, seit 1 8 8 1 . KÖRTING, Lateinisch-romanisches WB., 1890. Die Herstellung eines umfassenden Wörterbuches der älteren deutschen Rechtssprache ist seitens der Berliner Akademie der Wissenschaft in Angriff genommen. P A U L , Grundriß der germanischen Philologie, I . I I . 1 8 9 1 — 9 3 , I 2 und I I I 2 1 8 9 9 bis 1 9 0 0 . GRÖBER, Grundriß der romanischen Philologie, 2 Bde, 1 8 8 8 — 9 3 . Zeitschr. f. deutsches Altertum (begr. v. H A U P T ) , seit 1 8 4 1 . Germania (begr. v. P F E I F F E R ) , seit 1 8 5 6 . Zeitschr. f. deutsche Philologie (begr. v. ZACHER U . H Ö P F N E R ) , seit 1 8 6 9 . Zeitschr. f. Volkskunde, seit 1 8 9 1 . VANCSA, Das erste Auftreten der deutschen Sprache in den Urkunden, 1 8 9 5 . VAN H E L T E N , Zu den malbergischen Glossen und den salfrfinkischen Formeln und Lehnwörtern in der Lex Salica ( P A U L U. BRAUNE, Beiträge 2 5 , 2 2 5 — 5 4 2 . Eine große Bedeutung für die Rechtsgeschichte besitzt die „Rechtsarchäologie", die sich teils auf alte Abbildungen, teils auf die Erforschung der im Rechtsleben angewendeten Gebrauchsgegenstände zu stützen hat. Vgl. v. A M I R A , Grundriß', 1 0 f.
Erste Periode. Die g e r m a n i s c h e Urzeit. CAESAR, Commentarii de bello Gallico (51 v. Chr.). TACITDS , Germania (98 n. Chr.); Historiae, Annales, beide unter Trajan (98—117 n. Chr.). W A I T Z , Vi*. 1 " . 18Ö0. ' SÖHH, Die fränkische Reichs- und' Gerichtsverfassimg, 1—8. v. SYBEL, Entstehung des deutschen Königtums*, 1881. ERHARDT, Gött. gel. Anz. 1882, S . 1217—1261. W . SICKEL, Der deutsche Freistaat, 1879; Zur germanischen Verfassungsgeschichte (Mitteil. d. österr. Inst., Erg.-Bd. 1, 7 ff.), v. DANIELS, Handbuch 1, 12—41. 313—350. THUDICHÜM, Der altdeutsche Staat, 1862. ZACHEB, Germanien und die Germanen (EBSCH u. GBOBEB, Encyklopädie 61). Y. BETHMANNHOLLWEG, Die Germanen vor der Völkerwanderung, 1850.. D A H N , Könige der Germanen, I. 1861; Deutsche Geschichte, I. 1883; Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker I 1 . 1899 (dazu SICKEL, Mitteil. d. österr. Inst. 2, 127 ff.); Die Germanen vor der Völkerwanderung (Bausteine 1, 396—431); Die Landnot der Germanen (a. d. Breslauer Festschrift für Windscheid, 1889). ABNOLD, Deutsche Urzeit, 1879 (Deutsche Geschichte I.). G. KAUFMANN, Die Germanen der Urzeit, 1880 (Deutsche Geschichte bis auf Karl den Großen I.). LAMFBECHT, Deutsche Geschichte I s . 1894. USINGBB, Anfänge der deutschen Geschichte, 1875. GENOLXB, Germanische Rechtsdenkmäler, 1875. BLANDINI , La monarchia germanica prima della invasioni, 1888. BAUXSTABK, Urdeutsche Staatsaltertümer, 1873; Ausführliche Erläuterung der Germania des Tacitus, 2 Bde, 1875—81. KEMBLE, Die Sachsen in England, übers, von BBANDES, 2 Bde, 1853—54. K. M A C B E B , Über angelsächsische Rechtsverhältnisse, Krit. Überschau 47—120, 405—431. 2, 30—68, 338—440. 3, 26—61. LANDAB, Die Territorien, 1854. VANDEBKINDEBE, Introduction & l'histoire des institutions de la Belgique 91—105. Mcrazen, Siedelung (S. 8) 1, 33 ff. 378 ff. MÖLLENHOFF, Deutsche Altertumskunde (citiert als DA.), 5 Bde, 1 8 7 0 — 1 9 0 0 (besonders Band IV, Die Germania des Tacitus, 1 9 0 0 ) . MOMMSEN, Römische Geschichte, V, 1885; Verzeichnis der römischen Provinzen um 297, mit einem Anhange von MÖLLENHOFF, 1 8 6 3 (Abh. d. Berl. Ak. 1 8 6 2 ) . J U N O , Die romanischen Landschaften des römischen Reiches, 1881.
§ 3.
Die Zustände der Germanen im aligemeinen.
W A I T Z I » . 3 — 5 2 . BRÜNNEB, RG. I , § § 6 , 7 , 1 5 . ZEUSS, Die Deutschen und die Nachbarstämme, 1 8 3 7 . MÖLLENHOFF, DA. I I . I V . J . GRIMM, Geschichte der deutschen Sprache', 1 8 6 8 ; Deutsche Mythologie4, her. v. E. H. M E Y E H , 2 Bde, 1 8 8 0 . E. H. MEYER, Germ. Mythologie, 1 8 9 1 . GOLTHEB, Handb. d. germ. Mythologie, 1 8 9 5 . MOOK, Germ. Mythologie, in P A U L ' S Grundriss, 3 S , 2 3 0 — 4 0 6 . BREMER, Ethnographie der germ. Stämme, ebd. 3 2 , 7 3 5 ff. USINGER, Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1 8 7 5 . FÖRSTEMANN, Geschichte des deutschen Sprachstammes, 2 Bde, 2 1 8 7 4 — 7 5 . SCHRÄDER, Sprachvergleichung und Urgeschichte , 3 4 7 — 6 1 5 . WEINHOLD, Altnordisches Leben, 1 8 5 6 . KOSSINNA, Die vorgeschichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutschland (Zeitschr. f. Volkskunde, 1 8 9 6 ) .
§ 3.
Die Zustände der Germanen im allgemeinen.
11
Das Volk der Germanen zerfiel gleich dem der Kelten in eine große Zahl selbständiger politischer Gemeinwesen, die in der Wissenschaft als „Völkerschaften" bezeichnet zu werden pflegen; die römische Benennung war tivitas, die germanische „Volk" (got. piuda, ahd. thiot, an. piod und fylki)l. Die Völkerschaften führten, ohne dauernden Zusammenhang untereinander, jede für sich ein staatliches Leben. Die sprachlichen Verschiedenheiten ergeben die Sonderung der Nation in zwei Gruppen, nach ihren ursprünglichen Wohnsitzen als Ost- und Westgermanen • unterschieden 2 . Zu den Ostgermanen gehörten außer den gotisch-vandalischen Völkern östlich der Oderniederung auch die Skandinavier oder Nordgermanen (Dänen, Norweger, Schweden, ursprünglich auch die Heruler), zu den Westgermanen die Deutschen, mit Einschluß der Franken und Friesen, sowie die Langobarden und Angelsachsen 3 . Die Westgermanen gliederten sich nach Maßgabe ihrer Abstammung in die Gruppen der I n g v ä o n e n , I s t v ä o n e n und H e r m i n o n e n . Eine rechtliche oder politische Bedeutung besaßen diese Einteilungen nicht mehr, doch bestanden immer noch innerhalb der alten Stämme umfassendere Kultverbände, die eine größere oder geringere Zahl verwandter Völkerschaften in Gebet- und Opferdienst zu gemeinsamer Ehrung des Stammesgottes vereinigten4. Der bedeutendste war der Tempelbund der herminonischen Sueben, dessen Mittelpunkt das Heiligtum (alah) des Ziu-Irmin im Lande der Semnonen bildete. Die letzteren nahmen als Ziuwaren (Verteidiger des Ziu) eine führende Stellung ein; T A C I T P S bezeichnet sie als „caput Sueborum", und schließlich blieb der ursprünglich einem ganzen Völkerkreise eigene Name an ihnen haften; die Semnonen sind der Kern der späteren Schwaben 1
V g l . MÜLLENHOFF 5, 287.
2
Vgl. SCHERER, Zur Geschichte d. deutsch. Sprache 97 ff. 164. ZIMMER, Ostgermanisch und Westgermanisch, ZDA. 19, 393. MÖLLENHOFF 3, 198. 202. 4, 121.
BREMER, a. a. 0 . 815 ff.
8
Die Burgunder waren Ostgermanen, vgl. KÖGEL, ZDA. 37, 221 ff. Neuerdings hat FICKER (Über nähere Verwandtschaft zwischen gotisch-spänischem und norwegisch-isländischem Recht, i. d. Mitteil. d. öst. Inst, Erg.-Bd. II. 455 ff.; Das langobardische und die skandinavischen Rechte, ebd. 22, lff.; Untersuchungen zur Rechtsgeschichte) die Langobarden, Warnen und Friesen nach Maßgabe ihres Rechts für die ostgermanische Gruppe in Anspruch genommen, doch steht der westgermanische Charakter dieser Völker nach Sprache und Recht (vgl. Anm. 6) sowie nach den Zeugnissen der Geschichtschreiber so fest, daß die Gegengründe FICKEB'S in seinen an sich höchst bedeutenden Untersuchungen daran nicht zu rütteln vermögen. Vgl. K. MAURER, Krit. VJSchr. 31, 192. v. AMIRA, Gött. gel. Anz. 1892, Nr. 7 und Litter.-Bl. f. germ. u. rom. Philol. 1888, Sp. 1 ff. DARESTE, N. Revue 24, 155. Tidsskrift for Retsvidenskab 13, 339 ff. Mit FICKER übereinstimmend KIEB, Edictus Rotari, 1898. 4 Vgl. Germania c. 9 über die Donausueben, c. 40 über den Nerthusdienst der Ingväonen, c. 43 über den Ruitverband der Lugier (Vandalen), Annal. 1, c. 50 f. über den Tanfanadienst istväonischer Völker im Lande der Marsen. DAHN, Könige
7, 1, S. 2 ff. SOHM, Reichs- u. G e r i c h t s v e r f a s s u n g MÖLLENHOFF, D A . 4, 460. 485. 526 ff.
2 f.
BRUNNER , R G . 1 ,
31 f.
12
Die germanische Urzeit.
oder Alamannen 6 . Außer den Jahresfesten des Gottes, bei denen alle Völkerschaften des Bundes durch Gesandte vertreten waren, zeichneten sich die Sueben durch gewisse Eigentümlichkeiten in Tracht und Sprache aus. Bei ihnen mögen schon Keime der Lautverschiebung, die seit dem 6. Jahrhundert den Übergang vom Germanischen zum Althochdeutschen bezeichnet, vorhanden gewesen sein, wenigstens tritt das Althochdeutsche zuerst bei den Alamannen und den ebenfalls suebischen Baiern und Thüringern, alsbald auch bei den Langobarden hervor 8 . Die weitere Ausbreitung des Hochdeutschen über einen Teil der Franken hat, im Anschluß an die geographische Lage, auf reiner Kulturentwickelung beruht, wie dies noch heute bei dem Fortschreiten des Neuhochdeutschen in den niederdeutschen Gebieten der Fall ist. Geschlossene Kreise hochoder niederdeutsch redender Stämme hat es nie gegeben, für die Rechtsgeschichte ist diese aus sprachlichen Motiven hergenommene Einteilung daher nicht von der Bedeutung, die man ihr zum Teil hat beilegen wollen 7 . Auf dem Festland ursprünglich nur in der norddeutschen Tiefebene zwischen Elbe und Oder seßhaft, hatten die Germanen sich schon vor Augustus ostwärts bis zur Weichsel und über diese hinaus bis an den Pregel ausgedehnt. Hier berührten sie sich mit den Eisten (Aestii), d. h. den von den Slawen als „Preußen" zusammengefaßten Preußen, Letten und Littauern. Die Grenze gegen die Slawen (Venedae, Veneti) bildete die obere Weichsel. Die Ausdehnung der Germanen nach Süden und Westen erfolgte auf Kosten der Kelten. Neue Sitze suchend fand Cäsar die keltischen Bojer in Gallien, nachdem sie ihre noch heute nach ihnen benannte frühere Heimat (Boiohaemum, Baiahaim, Baias) vor den Markomannen hatten räumen müssen, während die auf beiden Ufern des Nieder5 Vgl. Germania c. 89. BAUMANN, Forschungen z. schwäb. Geschichte, 1899, S. 500 ff. KOSSINNA, Die Sueben im Zusammenhang der ältesten deutschen Völkerbewegungen, Westd. Zeitschr. 9, 199 ff. 10, 104 ff. MÖLLENHOFF, DA. 4, 456 f. 460. WELLER, Die Besiedlung des Alamannenlandes, 1898. CRAMER, Geschichte der Alamannen, 1899; Württembergische Vierteljahrshefte NF. 9, 467 ff. a Die Langobarden zeigen auf dem Gebiete des Rechts und, nach den Untersuchungen von BRUCKNER (S. 9), auch auf dem der Sprache eine so große Verwandtschaft mit den Sachsen und Angelsachsen, also ingväonischen Völkern, daß ihre Einordnung unter die Herminonen die größten Bedenken hat. Wenn sie gleichwohl von Strabo 7, 1, Ptolemaeus 2, c. 11, §§9, 15 und Tacitus (Annal. 2,45) den suebischen Völkern zugezählt werden, so ist dies wohl auf Grund ihrer Beteiligung an dem großen Suebenbunde des Marobod geschehen, während die herminonischen Chatten und Cherusker (Plinius 4, 99), weil sie dem Bunde fern geblieben waren, in Gegensatz zu den Sueben gestellt wurden. Überhaupt dürfte die maßlose Ausdehnung des Suebenbegriffes bei Tacitus aus ungehöriger Vermischung politischer und ethnographischer Beziehungen zu erklären sein. Der frühzeitige Übergang der Langobarden zum Hochdeutschen erklärt sich aus dem jahrhundertelangen Einfluß der suebischen Völker, unter denen sie seit dem Abzug aus der norddeutschen Heimat gelebt hatten. 7 Vgl. ZRG. 15, 20. BRAUNE, Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache 1, 2 f.
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§ 3. Die Zustände der Germanen im allgemeinen.
rheins angesiedelten Menapier sich allmählich zum Rückzug über den Rhein gedrängt sahen. Um den Beginn unserer Zeitrechnung war schon das ganze linke Rheinufer von Basel bis zur Nordsee von einer geschlossenen Reihe germanischer Völker besetzt, nur im Moselgebiet von keltischen Trevirern durchbrochen. Keltischer Herkunft ist auch der unserm Volke zuerst von den Galliern und Römern beigelegte Gesamtname Germanen8. Seit Domitian (80—90) wurden die von den linksrheinischen Germanen eingenommenen Gebiete, die bereits seit Augustus einen zu Gallien gehörigen Heeresbezirk „Germania" bildeten, im Anschluß an die beiden belgischen Provinzen zu den Provinzen Ober- und Niedergermanien (Germania I. und II.) zusammengefaßt. Den Römern waren die Einwohner heerfolge-, zum Teil auch tributpflichtig, im übrigen behielten sie größtenteils ihre Verfassung und sonstigen nationalen Einrichtungen. Die Grenze der unabhängigen Germanen gegen das römische Reich bildeten im allgemeinen der Rhein und die Donau, nur die Provinzen Obergermanien und Vindelicien (Rätia II.) gingen darüber hinaus bis an den römischen Limes, der in mannigfachen Biegungen von der Lahnmündung bis zur Mündung der Altmühl reichend als dauernder Grenzschutz gegen die Germanen dienen sollte 9 . Schon bei ihrem Eintritt in die Geschichte hatten die Germanen den rohen Zustand bloßer Jagd- und Fischervölker überwunden. Noch zogen sie vielfach nomadenartig umher und ihre vornehmste Habe bestand in Viehheerden, aber sie trieben auch regelmäßigen Ackerbau, der freilich noch durchaus extensiv war und sich auf die Frühjahrsbestellung beschränkte. Die Jahre berechneten sie nach Wintern, die Tage nach Nächten10. Städtisches Leben und städtisches Gewerbe kannten sie nicht. Der Handel war ausschließlich Tauschhandel, nur im Grenzverkehr mit den Römern bedienten sie sich des Geldes, zumal römischer Silberdenare 8
Vgl.
MÜLLENHOPF 2 ,
1 8 9 ff. 4 ,
129
ff.
WAITZ,
1,
125
ff.
BREMER,
a. a.
0.
f. HIRSCHFELD, Der Name Germani bei Tacitus (i. d. Kiepert-Festschrift, 1 8 9 8 ) . Den Germanennamen fahrten anfangs nur gewisse belgische Völkerschaften, von denen es streitig ist, inwieweit sie keltischer oder germanischer Abstammung gewesen sind. Über den Namen Deutsche vgl. § 38 Anm. 2. • Vgl. das im Auftrag der Reichs-Limeskommission herausgegebene Werk von SARWEY U. H E T T N E R , Der obcrgermanisch-rhätische Limes des Römerreiches, seit 1894, und das seit 1893 erscheinende Limesblatt. GRADMANN, Der obergermanisch-rhätische Limes u. das fränkische Nadelholzgebiet, PETERMANN'S Mitteilungen 45, 57 ff. 10 Ebenso bei den Galliern (Bell. Gali. VI. c. 18). Die Worte sie constituunt, sie eondieunt (Germ. c. 11) besagen, daß sowohl Vertrags- wie Gerichtsfristen nach Nächten angesetzt wurden (ZANOEMEISTEE). Vgl. MÖLLENHOFF, DA. 4, 2 3 5 f. 641 f. Indem der neue Zeitabschnitt schon mit Sonnenuntergang begann, berechnete sich eine Woche von sieben Nächten (engl, sennighf) zu acht Tagen, wie noch unser heutige Sprachgebrauch und frz. huiiaine festhält; zwei Wochen von vierzehn Nächten (engl, fortnight) waren gleich 15 Tagen (frz. quinxaine, quinxe jours), und sechs Wochen berechnete man zu dreimal vierzehn Nächten, also zu sechs Wochen und drei Tagen. Vgl. SCHRÄDER, a. a. O. 449 ff. 739
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Die germanische Urzeit.
der Republik und solcher aus der Zeit der Antonine11. Im inneren Germanien wurden vorzugsweise goldene Ringe und Spiralen oder Bauge (ahd. poue, an. baugr), deren Wert man nach einem wohl gelegentlich des Bernsteinhandels vom Schwarzen Meer eingewanderten Pfunde von etwa 350 gr berechnete, bei den Nordgermanen und Friesen aber Tuchstöcke (vaimäX) zu Zahlungen verwendet Eigentlicher Wertmesser war das Vieh, so daß faihu geradezu Geld oder Lohn bedeutete. Den Gebrauch gewisser Schriftzeichen hatten die Germanen wahrscheinlich gleich den übrigen westarischen Nationen schon aus der asiatischen Heimat mitgebracht 12 . Sie verwendeten die Zeichen ausschließlich zu religiösen Zwecken und zum Losen, wobei dieselben unter dem Raunen heiliger Worte (daher „Runen") in Holztäfelchen eingeritzt wurden18. Das regelmäßige Verlosen der Äcker mag dazu geführt haben, daß jeder Hausherr ein eigenes Zeichen als Hausmarke (Handgemal) erhielt, das ihm auch zur Bezeichnung seiner Habe diente14. Die frühestens seit dem 2. Jahrhundert vorkommenden, in zusammenhängender Schrift verwendeten Schreiberunen sind wohl nicht auf die mythischen Runen der Urzeit, sondern auf römische Kultureinflüsse zurückzuführen. Das ursprünglich nur adjektivisch, erst in späterer Zeit auch substantivisch gebrauchte Wort „Recht" (got. raihts, an. rätr, ahd. reht) bedeutete zunächst das „Gerichtete" (Gerade), also das subjektive Recht, sodann die „Richtung", das objektive Recht, die Rechtsnorm16. Die geläufigste Bezeichnung für letztere war bei den Nordgermanen lag16, bei 11 Vgl. SOETBEEB, Beitrage z. Gesch. d. Geld- u. Münzwesens i. Deutschland, FDG. 1, 207 ff. 11 Vgl. WIMMEB, Die Runenschrift, übers, v. HOLTHAUSEN, 1887. SIEVEBS, Runen, in PAÜL'S Grandriß 1, 248 ff. W . GRIMM, Über altdeutsche Runen, 1821. v. LILIENCRON U. MÖLLENHOFF, Zur Runenlehre, 1852. MÖLLENHOFF, DA. 4 , 226 f. 585 f. 18 Die gemeingermanische Bezeichnung für diese Schreibtafeln war bok, daher „Buchstabe". Ob Zusammenhang mit „Buche", ist bestritten. Dafür KLDGE, U. d. Wort, sowie GHIMM, DWB. 2 , 4 6 6 f. 4 7 0 . Dagegen SIEVERS, a. a. 0 . Von dem Einritzen der Buchstaben erklärt sich altsächs. ags. writan (engl, to write, altnord. rita), von dem Auflesen derselben ahd. lesan\ ahd. scrtban, ein von seribere gebildetes Lehnwort, ist erst mit der lateinischen Schrift eingedrungen. u Derartige Marken haben sich zum Teil bis heute im Gebrauch erhalten. Vgl. HOMETER, Haus- und Hofmarken, 1 8 7 0 , . u n d Berichte der Berliner Akademie 1 8 7 2 , S. 6 1 1 — 6 2 8 ; Über das germanische Losen (ebd. 1 8 5 3 , S. 7 4 7 — 7 7 4 ) ; Die Losstäbchen (i. d. Symbolae Bethmanno-Hollwegio oblatae, Berlin 1 8 6 8 ) . " Vgl. AMIRA*, 7; Nordgerm. Obligationenrecht 1, 55 ff. DIEFENBACH, W B . d. got. Sprache 2, 1 6 1 f. KLUOE, Etymol. W B . u. d. W . GBIMM, D W B . 8 , 3 6 4 f. Entsprechend mlat. directum, drictum, ital. diritto, frz. droit. Sehr beliebt war im Mittelalter die allitterierende Formel „Recht und Rede", wobei Rede (ahd. reda, redja) = ratio. Vgl. FBENSDOBFF, Recht und Rede (Historische Aufsätze, dem Andenken an WAITZ gewidmet, 1 8 8 6 , S. 4 3 3 — 4 9 0 ) . M Auch bei Angelsachsen, Friesen und Franken bezeugt. Vgl. BBUNHEB, ZRG. 17, 237. FKENSDORFF, Hansische Gesch.-Blätter 8, 47. 65. Bei den belagines der Goten (Jordanis Getica c. 11) ist vielleicht an dieselbe Wurzel zu denken.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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den Westgermanen ehe (ahd. èwa, as. éo, eu, ags. ä, ce, cew, afrs. ä, e), d. h. Billigkeit (lat. aequum) 17 . Geschriebenes Recht gab es nicht, alles Recht war Gewohnheitsrecht 18 , das teils in Urteilsprüchen von Fall zu Fall, teils in abstrakten Urteilen oder Weistümem und in Rechtssprichwörtern zum Ausdruck kam 1 9 . § 4.
Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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WAITZ I . 2 0 1 — 2 3 5 , BRÜNNER, E G . § 16. AMÌRA 2 , 71 ff. v . SYBBL, 3 5 — 8 1 . GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t 1, 3 9 — 4 5 . THUDICHUM, G a u - u . M a r k v e r f a s s u n g 1 — 3 6 .
LANDAU, Territorien 186 ff. SICKEL, Freistaat 86 ff.; Mitteil. d. öst. Inst. 1881, S. 133. MÖLLENHOFF 4, 176 ff. 2 8 0 ff. GEMEINES, V e r f a s s u n g d e r C e n t e n e n , 1855.
EBHARDT,
Älteste germanische Staatenbildung, 1879. DAHN, Deutsche Geschichte 1, 183 ff.; Könige 1, 5—16. 41. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 330—354. ARNOLD, Deutsche Urzeit 315—329. LAMPRECHT, Deutsche Geschichte 1, 101 f. 122 ff. BETHMANN-
HOLLWEG, Civilprozeß 1, 75 ff. 82 f. MÜNCH, Nordisch-germanische Völker, 126 ff. H. DELBRÜCK, Der urgermanische Gau und Staat, Preuß. Jahrbücher 81, 471 ff. (1895). HILDEBRAND, Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen, I. 1896. RACHFAHL, i. d. Jahrb. f. Nation.-Ök. u. Statistik 74, 197 ff. J. GRIMM, Deutsche Grenzaltertümer (Kl. Sehr. 2, 30 ff. Beri. SB. 1843, S. 109 ff.). Bei dauernd angesiedelten Völkern pflegt der Boden, den sie bewohnen, die Grundlage ihrer staatlichen und rechtlichen Entwickelung abzugeben; ihre Verfassung erscheint als Landesverfassung, ihr Recht als Landrecht So weit war die Seßhaftigkeit der Germanen noch nicht gediehen. Der Einzelne hatte im allgemeinen noch kein Privateigentum an Grund und Boden, und selbst das Volk betrachtete sich nicht als dauernd mit diesem verbunden, ihm war das Land nur der Schauplatz, auf dem seine rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen den notwendigen Raum fanden, aber sein Recht war Volksrecht, und die staatliche Gliederung schloß sich durchaus an die des Volkes an 1 . Da nun „Volk" und „Heer" gleichbedeutende Begriffe waren 2 , so mußte die staatliche 17 Vgl. KLOGE, U. d. W. Andere Bezeichnungen got. vitof (ahd. mxxod, as. witod), nach AURA „das zu Beobachtende", ferner das aus mhd. billieh und „Weichbild" zu erschließende ahd. *bilida. Vgl. GRIMM, DWB. 2, 13. 26. 28. SCHHELLER, Bayer. WB.' 1, 230 f. KLUGE, unter Weichbild. ÄMIRA*, 7. Der Zusammenhang mit Unbill (mhd. unbilde) ist bestritten. Das engl, bill hängt mit mlat. billa, biletia (libellus) zusammen. 18 Tacitus, Germ. c. 19: plusque ibi boni mores nalent quam alibi bonae leges. 19
V g l . HLLLEBRAND, D e u t s c h e R e c h t a s p r i c h w ö r t e r , 1 8 5 6 .
GRAF U. DIETHERB,
Deutsche Rechtssprichwörter, 1864. SCHRÖDER, ZRG. 5, 28 ff. 1 Nur wenige Völkerschaften trugen einen ihrer geographischen Lage entlehnten Namen, z. B. die Markomannen (Grenzbewohner), Triboker (Hügelbewohner), Vangionen (Bewohner der Ebene) und die Mehrzahl der Völker, deren Namen mit mrii (Verteidiger, Besitzer), zusammenhfingend mit got. vasjan, ahd. werjan, zusammengesetzt sind, wie die Angrivarier (später „Engern") von den Angern der Weserniederung. 9
Vgl. MÖLLENHOFF, DA. 4, 424. 553.
Vgl. KLUGE, u. d. W. Ahd. Glossen übersetzen „cuneus" teils mit foleh, teils mit herigtmdxseaf, kleinere Heeresteile (cunei, turbae minores) mit „Trupp"
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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den Westgermanen ehe (ahd. èwa, as. éo, eu, ags. ä, ce, cew, afrs. ä, e), d. h. Billigkeit (lat. aequum) 17 . Geschriebenes Recht gab es nicht, alles Recht war Gewohnheitsrecht 18 , das teils in Urteilsprüchen von Fall zu Fall, teils in abstrakten Urteilen oder Weistümem und in Rechtssprichwörtern zum Ausdruck kam 1 9 . § 4.
Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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WAITZ I . 2 0 1 — 2 3 5 , BRÜNNER, E G . § 16. AMÌRA 2 , 71 ff. v . SYBBL, 3 5 — 8 1 . GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t 1, 3 9 — 4 5 . THUDICHUM, G a u - u . M a r k v e r f a s s u n g 1 — 3 6 .
LANDAU, Territorien 186 ff. SICKEL, Freistaat 86 ff.; Mitteil. d. öst. Inst. 1881, S. 133. MÖLLENHOFF 4, 176 ff. 2 8 0 ff. GEMEINES, V e r f a s s u n g d e r C e n t e n e n , 1855.
EBHARDT,
Älteste germanische Staatenbildung, 1879. DAHN, Deutsche Geschichte 1, 183 ff.; Könige 1, 5—16. 41. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 330—354. ARNOLD, Deutsche Urzeit 315—329. LAMPRECHT, Deutsche Geschichte 1, 101 f. 122 ff. BETHMANN-
HOLLWEG, Civilprozeß 1, 75 ff. 82 f. MÜNCH, Nordisch-germanische Völker, 126 ff. H. DELBRÜCK, Der urgermanische Gau und Staat, Preuß. Jahrbücher 81, 471 ff. (1895). HILDEBRAND, Recht und Sitte auf den verschiedenen wirtschaftlichen Kulturstufen, I. 1896. RACHFAHL, i. d. Jahrb. f. Nation.-Ök. u. Statistik 74, 197 ff. J. GRIMM, Deutsche Grenzaltertümer (Kl. Sehr. 2, 30 ff. Beri. SB. 1843, S. 109 ff.). Bei dauernd angesiedelten Völkern pflegt der Boden, den sie bewohnen, die Grundlage ihrer staatlichen und rechtlichen Entwickelung abzugeben; ihre Verfassung erscheint als Landesverfassung, ihr Recht als Landrecht So weit war die Seßhaftigkeit der Germanen noch nicht gediehen. Der Einzelne hatte im allgemeinen noch kein Privateigentum an Grund und Boden, und selbst das Volk betrachtete sich nicht als dauernd mit diesem verbunden, ihm war das Land nur der Schauplatz, auf dem seine rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen den notwendigen Raum fanden, aber sein Recht war Volksrecht, und die staatliche Gliederung schloß sich durchaus an die des Volkes an 1 . Da nun „Volk" und „Heer" gleichbedeutende Begriffe waren 2 , so mußte die staatliche 17 Vgl. KLOGE, U. d. W. Andere Bezeichnungen got. vitof (ahd. mxxod, as. witod), nach AURA „das zu Beobachtende", ferner das aus mhd. billieh und „Weichbild" zu erschließende ahd. *bilida. Vgl. GRIMM, DWB. 2, 13. 26. 28. SCHHELLER, Bayer. WB.' 1, 230 f. KLUGE, unter Weichbild. ÄMIRA*, 7. Der Zusammenhang mit Unbill (mhd. unbilde) ist bestritten. Das engl, bill hängt mit mlat. billa, biletia (libellus) zusammen. 18 Tacitus, Germ. c. 19: plusque ibi boni mores nalent quam alibi bonae leges. 19
V g l . HLLLEBRAND, D e u t s c h e R e c h t a s p r i c h w ö r t e r , 1 8 5 6 .
GRAF U. DIETHERB,
Deutsche Rechtssprichwörter, 1864. SCHRÖDER, ZRG. 5, 28 ff. 1 Nur wenige Völkerschaften trugen einen ihrer geographischen Lage entlehnten Namen, z. B. die Markomannen (Grenzbewohner), Triboker (Hügelbewohner), Vangionen (Bewohner der Ebene) und die Mehrzahl der Völker, deren Namen mit mrii (Verteidiger, Besitzer), zusammenhfingend mit got. vasjan, ahd. werjan, zusammengesetzt sind, wie die Angrivarier (später „Engern") von den Angern der Weserniederung. 9
Vgl. MÖLLENHOFF, DA. 4, 424. 553.
Vgl. KLUGE, u. d. W. Ahd. Glossen übersetzen „cuneus" teils mit foleh, teils mit herigtmdxseaf, kleinere Heeresteile (cunei, turbae minores) mit „Trupp"
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Die germanische Urzeit.
Gliederung der des Heeres entsprechen. Das Heer aber zerfiel in T a u s e n d S c h ä f t e n und H u n d e r t s c h a f t e n . Die untersten Abteilungen des Heeres bildeten die nach Sippschaften geordneten G e s c h l e c h t e r {fara, fera, ags. mtegd, genealogia, generatio)s; da sie zugleich als Ortsgemeinden erscheinen, so muß die örtliche Ansiedlung der Germanen geschlechterweise vor sich gegangen sein4. Die Germanen, denen das Wohnen in ummauerten S t ä d t e n unerträglich erschien®, hatten sich, nach Gegenden verschieden, teils in D ö r f e r n , teils auf E i n z e l h ö f e n (an. hol, gardr, mhd. eincede) niedergelassen. In unrichtiger Deutung der Worte des Tacitus hat man früher vielfach die Einzelhofwirtschaft für das eigentlich germanische System gehalten und die Dorfanlagen auf eine spätere wirtschaftliche Entwickelungsstufe zurückführen wollen. In den Alpen, dem Schwarzwald, den Vogesen, dem skandinavischen Gebirgsland sowie in der niederrheinischen Tiefebene überwiegen heute noch die Einzelhöfe, die zweifellos bis in die Urzeit zurückreichen, während die geschlossenen Ortschaften hier erst später ent(drupo, thrupo), das sich L. Alam. 65 auch für „Heerde" verwendet findet. Vgl. STEINMEYEB U. S I E V E R S 1, 74 f. 2, 439. 758. G R A F F , Althochd. Sprachschatz 5, 252. Urkunden bieten für „in Baiern": in exercitu Baioicariorum, für „in Ostfalen": in exercitu Asterliudi, in orientali exercitu, für „Gebrauch des ostfalischen Landes": ritus Ostersahson herescaph. Vgl. MEICHELBECK, Hist. Fris. I. 2. Nr. 629 (a. 843). ZRG. 1 8 , 33. W A I T Z 1, 213. Der freie Volksgenosse hieß bei den Langobarden hariman (arimannus, homo exercitalis). Vgl. GRIMM, RA. 291 ff. W A I T Z 1, 218. SAVIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im M A . ! , 1, 192—214. Du CANQE, Glossar, s. v. herimanni. STEINMETER U. S I E V E R S 1, 80. MOMMSEN U. KOSSINNA, ZDA. 35, 172 ff. 264. 8 Tacitus Germ. c. 7: nee casus nec fortu.ita conglobatio turmam ant cuneum faeit, sed familiae et propinquitates. Vgl. W A I T Z , 1, 8 0 ff. B R Ü N N E R , RG. 1, 8 5 . MÖLLENHOFF, DA. 4 , 201 f. Der letztere verweist 4 , 282 auch auf magburg, worin er die nebeneinander erfolgte Ansiedlung der Geschlechtsgenossen zu gegenseitigem Schutz angedeutet findet. Dem Herzog Gisulf gestattete König Alboin, die zur Besetzung von Friaul erforderlichen Mannschaften selbst auszuwählen: quas ipse eligere roluisset Langobardorum faras, h. e generationes vel lineas (Paulus Diac., Hist. Langob. 2, c. 9). Die Freilassung vor dem versammelten Heere erfolgte nach der ältesten alamannischen Rechtsaufzeichnung (Pact. Alam. II. c. 45) in heris generationis, d. h. in den Sippschaften des Heeres. •4 Vgl. BRUNN ER 1 , 84, der insbesondere fara in italienischen und französischen Ortsnamen nachweist. W A I T Z 1, 82 f. v. S Y B E L 42 ff. G I E R K E 1, 14 ff. K. MAURER, Krit. Überschau 1, 61 f. 69 ff. Vgl. L. Alam. 81: Si quis contentio orta fuerit inter duas genealogias de termino terrae eorum. Formula Patav. 5 (ZEUMER, Formulae 459): in vico et genealogia. Die Grundbedeutung von fera, fara war nach K Ö G E L und MÖLLENHOFF „Geschlecht" (urverwandt mit lat. parere), nach HENNING, der von fara ausgeht, „Fabrtgenossenschaft" (faramanni = Fahrtgenossen), wie Bell. Gall. VI. 22 gentibus cognationibusque hominum qui una coierunt. Vgl. ZDA. 36, 316 ff. 37, 217 ff. 304 ff. Auf Zusammenhang mit Sippschaft und Geschlecht deuten auch die patronymiechen Ortsnamen auf -ing und -ingen. Vgl. FÖRSTEMANN, Namenbuch* 2, 905 ff. K E M B L E , Sachsen in England 1, 371 ff. 6 Vgl. Tacitus Germ. c. 16. Amm. Marc. 16, c. 2 § 12. Die Ubier hatten sich schon zur Zeit Vespasians an städtisches Leben gewöhnt (Tacitus Hist 4, c. 63 f.). Über stadtartige Hauptorte germanischer civitates unter römischer Oberhoheit, die rechtlich bloße Flecken waren, vgl. MOMMSEN, im Hermes 19, 67 f.
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
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standen sind; aber hier gab teils die gebirgige Natur des Landes, teils die Ansiedlungsweise der gallischen Yorbesitzer den Anlaß, von der sonst allgemein üblichen Ansiedlung nach Dorfschaften abzusehen®. Wo das Einzelhofsystem obwaltete, umfaßte das Geschlecht wohl als Bauers c h a f t s g e m e i n d e eine gewisse Anzahl solcher Einzelhöfe. Die Ansiedlung nach D o r f g e m e i n d e n aber überwog, nur waren die Dörfer nicht Haus an Haus und wie die wendischen ringförmigen Dörfer oder Eundlinge nach einem bestimmten Bebauungsplan, sondern weitläufig längs der Straße und in freier Anschmiegung an die natürlichen Bodenverhältnisse angelegt, so daß ein schroffer Gegensatz zwischen Dorf- und Einzelhofsystem überhaupt nicht bestand7. Die gleich dem lateinischen villa auch für einzelne Gehöfte verwendete Bezeichnung „Dorf" ist gemeingermanisch, in ihrer ursprünglichen Bedeutung aber nicht sicher festgestellt8. Auf die Befestigung mit Zaun und Graben deutet die besonders bei den Angelsachsen gebräuchliche, in zahlreichen Ortsnamen wiederkehrende Bezeichnung tun, engl. town9. Ulfilas übersetzt (Marc. 6, 56) slg xc&fiag ?) nöleas tj ocygovg: in haimos aippau baurgs
aippau in veihsa
und bestätigt damit die auch in Deutschland am meisten verbreiteten Bezeichnungen heim (got haims, altn. heimr, ags. ham, alts. Mm)10, bürg (got. baurgs, altn. borg)11 u n d ahd. wth (got. veihs, ags. engl, wie, mhd. wich, m n d . afrs. wik)ia. 8
Vgl. VANDERKINDERE bei SCHRÖDER, Die Franken und ihr Recht 5 0 f. L A M Zeitschr. d. Bergischen Gesch.-Ver. 16, 19—27. M E I T Z E S , Siedelung u. Agrarwesen 1, 5 1 8 ff. 2, 77 ff. Über Einzelhöfe bei den Kelten vgl. ERHABDT, Germanische Staatenbildung 88. MEITZEN 1, 224 f. 442. 7 Vgl. Tacitus Germ. c. 1 6 . LAMBRECHT, Wirtschaftsleben 1, 7 f. D A H N , Könige 7 , 1 S. 9 7 . MEITZEN, Boden und landwirtsch. Verh. des preuß. Staates 1 , 3 4 5 f. W A I T Z 1 , 1 1 4 f. Siehe auch die übrigen S. 8 angeführten wirtschaftsgeschichtlichen Werke. » Vgl. GRIMM, DWB. 2 , 1 2 7 6 f. KLUOE, U. d. W. SCHRÄDER, Sprachvergleichung und Urgeschichte * 5 7 8 . K E R N , Glossen der Lex Salica 1 1 9 ff. und bei HESSELS, Lex Salica 474. Ulfilas gebraucht faurp für Acker (Nehem. 5, 16). Ahd. Glossen übersetzten „in oppidis" mit in trophom, „munieipii" mit dorfes, „predia" mit ihorp, „oppido" mit thorf, „territoria, loca" mit darf (STEINMEYER U . SIEVERS 1, 3 1 2 . 2 , 1 3 2 . 1 4 8 . 3 3 2 . 5 9 8 ) , ags. Glossen „compitum" mit tuun, prop und pmgstow ( W R I O H T , Anglosaxon vocabularies 1*, 15). Die Umstellung des r auch in zahlreichen niederdeutschen und dänischen Ortsnamen auf -trup und -drup. Über Zusammenhang mit „turba" und ,.Trupp" (Anm. 2 ) vgl. KÖGEL, ZDA. 3 7 , 2 2 2 . MÜLLENHOFF PRECHT,
4,
282. 8
10
Vgl.
Anm.
8.
FÖRSTEMANN, a . a . 0 .
1487.
Grundbedeutung: Haus, Wohnsitz. Vgl. GRIMM, DWB. 4, 2 S . 855. KLUOE, u. d. W . W A I T Z , Das alte Recht 37. 53 ff. FÖRSTEMANN, a. a. O . 701 ff. Mit heim = Dorf hängt „Heimgarten" (Markt) zusammen. Vgl. GRIMM, a. a. 0. 871. STEINMEYER U. SIEVERS 1 , "
Vgl.
WAITZ
1,
809. 116.
FÖRSTEMANN,
a.
a.
0.
359
ff.
MÖLLENHOFF
4,
282.
Die Franken und ihr Recht 5 0 . GRIMM, DWB. 2 , 5 3 4 . KLUOE, u. d. W. Die Bezeichnung setzte immer einen befestigten Ort voraus. " Vgl. DIEFENBACH, WB. d. got. Sprache 1, 138. SCHMELLER, Bayer. WB. 2 2, 841. MÖLLENHOFF, 4, 282. FÖRSTEHANN, a. a. O. 1583 f. SCHRÖDER, Franken 50. STEINSCHRÖDER,
B . SCHRÖDER, D e u t s c h e H e c h t a g e s c h i c h t e ,
4. Aufl.
2
18
Die germanische Urzeit.
Für das öffentliche Recht hatten die Geschlechter and Ortsgemeinden keine Bedeutung; ihr Wirkungskreis beschränkte sich auf wirtschaftliche und flurpolizeiliche Angelegenheiten. Die unterste Gemeinde des öffentlichen ßechts war die H u n d e r t s c h a f t (centena, ahd. hundari, huntarit ags. hundred, an. heraß)1S, wahrscheinlich eine Schar von 120 Kriegern (nach dem Großhundert), die aber, da sie sich aus ganzen Geschlechtsverbänden zusammensetzte, nicht genau abgezählt, sondern nur nach der Durchschnittsziffer gebildet werden konnte u . Als unentbehrliche taktische Einheiten des Heeres bewahrten die Hundertschaften durchaus den Charakter p e r s ö n l i c h e r Verbände, der auch dadurch nicht beeinträchtigt wurde, daß jede Hundertschaft zugleich einen besonderen Dingverband mit eigenem Hundertschaftsgericht und fester Dingstätte als örtlichem Mittelpunkt bildete. Erst in der folgenden Periode haben sich die Hundertschaften, soweit sie sich überhaupt erhielten, zu örtlich abgegrenzten Hundertschaftsbezirken umgestaltet 15 . Jede Hundertschaft hatte u. SIEVEBB 2, 513. Das mit lat. vicus, gr. OHtos urverwandte Wort geht nach SCHRÄDER , a. a. 0. 578, auf skr. vif, d. h. Niederlassung auf gemeinschaftlichen Weideplätzen, zurück. Im Nordgermanischen begegnet für Dorf auch by, byr, beer. 18 Erst BETONER, RG. 1 , 1 1 6 ff., hat mit zwingenden Gründen den Nachweis geführt, daß die Hundertschaft zwar in die germanische Urzeit zurückreicht, aber als rein persönlicher Verband, der erst später vielfach, jedoch keineswegs allgemein, den Charakter eines territorialen Sprengeis angenommen hat v. AMIBA* 72 und VANDERKINDEBE, Introduction 08, sind dieser Auffassung beigetreten. Auf die einzelnen Lagerhaufen zur Zeit der Wanderung führt MEITZEN, Siedelung 1, 1 4 0 ff., die Hundertschaften zurück. BETHQE, Die altgermanische Hundertschaft (Berliner Festgabe an WEINHOLD, 1 8 9 6 , S. 1 ff.), kommt wieder auf die Annahme eines Zusammenhanges mit den „Hundert" im Vortreffen der germanischen Heere (S. 37). DELBRÜCK, a. a. 0., läßt die Hundertschaften mit den Dorfschaften zusammenfallen, die in der Urzeit einen weit größeren Umfang gehabt hätten und erst später in kleinere Dörfer aufgeteilt worden seien. 14 Nach AMIRA ' 72 wäre bei „Hundert" überhaupt nicht an eine bestimmte Zahl, sondern nur an eine als „Menge" aufgefaßte Volksabteilung zu denken. Nur die erst seit Alfred d. Gr. vorkommende ags. hundred sei auf eine Bodenfläche von 120 Hufen begründet worden. 15 So bei Franken, Schwaben (wohl erst unter fränkischer Einwirkung), Angelsachsen, Dänen, Schweden, teilweise auch in Norwegen, nicht jedoch'in Island; aber fiueh die aus besonderer Bildung hervorgegangenen isländischen Tempelverbände (Godorde) waren zum Teil persönliche Dingverbände ohne festen Sprengel. Vgl. A M I R A 1 1 0 3 f. MAURER, Island 3 8 ff. 1 5 6 ff.). Unbekannt blieben die Hundertscbaftsbezirke bei Westgoten, Langobarden, Baiern, Friesen, Sachsen, obwohl die letzteren anscheinend noch zur Zeit Karls des Großen persönliche Verbände von je 120 Familien gekannt haben. Vgl. Capitulatio de partibus Saxoniae c. 15 (BORETIÜS, Capitularia 1, 6 9 ) . Siehe auch Hist. Zeitschr. 6 5 , 3 0 5 . An sich brachte es die Zusammensetzung der Hundertschaften aus Geschlechtern mit sich, daß die Hundertschaft mehrere Ortsgemeinden umfaßte; aber so lange der militärische Charakter der Hundertschaft aufrechterhalten wurde, mußte eine gewisse Durchschnittsziffer festgehalten werden, so daß bei der großen Verschiedenheit im Wachstum der einzelnen Gemeinden eine dauernde örtliche Festlegung ausgeschlossen war. Man wird dabei an die heutigen Wahlkreise erinnert, bei denen MEYER
§ 4. Die staatliche Gliederung der Völkerschaften.
19
ihren eigenen Anführer, dessen zwar die zeitgenössischen Quellen nicht gedenken, er ist aber später bei den verschiedensten Stämmen so übereinstimmend bezeugt, daß sich der Rückschluß auf die germanische Zeit von selbst ergiebt16. Als übergeordnete Heeresabteilungen über den Hundertschaften erscheinen bei den Ostgermanen die T a u s e n d s c h a f t e n 1 7 , jede unter einem besonderen Tausendführer (miUenarius, got. pusundifaps). Bei den Westgermanen ist die gleiche Einrichtung bezeugt für die Sachsen und Schwaben 18 , besonders aber durch Cäsars Bericht über die Heeresverfassung der Sueben mit hundert Gauen, von denen jeder jeweils 1000 Mann zur Heerfahrt zu stellen hatte, während reichlich ebenso viele zu friedlicher Arbeit daheim bleiben konnten 19 . Man erkennt den Übergang von der militärischen zur territorialen Gliederung; was ursprünglich die Niederlassung einer Tausendschaft gewesen war, erschien nach Verdoppelung der Bevölkerungszahl nur noch als der landschaftlich abgegrenzte Gestellungsbezirk für eine Tausendschaft20. Zur Zeit des Tacitus war der ebenfalls bestimmte Normalzahlen zu Grande liegen und, um diesen zu entsprechen, von Zeit zu Zeit neue örtliche Abgrenzungen in Aussicht genommen sind. Aua den angegebenen Gründen konnte sich auch (entgegen der Annahme v. SYBEL'B) der gentilizisclie Charakter der germanischen Verfassung nicht über die Ortsgemeinde hinaus erstrecken. Vgl. BRUNNEB, Grundzüge 11. Kein gentilizisch war dagegen die xadruga, shupanie und Großshupanie der Slawen. Vgl. TUBNER, Slawisches Familienrecht 1874. 18 Bei Westgoten, Langobarden, Baiern, Alamannen emtenarius, eenturio, eentinus, bei Ulfilas hundafaps, bei den Angelsachsen hundredes ealdor, den Nordgermanen hersir, heraSshommgr, heraäs höfpingi. Der bei mehreren Stämmen bezeugte Amtsname htm/no reichte bei den Westgermanen vielleicht in die Urzeit zurück. " Vgl. WATTZ 1, 231. SICKEL, Freistaat 90. 93; Zur genn. VG. 19 f.; Gött. gel. A n z . 1880, S. 166 f.
MÖLLENHOFF, Z D A . 10, 552.
DAHN, K ö n i g e 1, 153. 177.
211. 4, 174 f. 6, 211. L. SCHMIDT, Westd. Zeitschr. 20,1 ff. LANDAU, Territorien 222. Lex Wisigot. 2, 1 c. 26. 9, 2 c. 1, 3—5, 8, 9. In der letzteren wird die Tausendschaft thiuphadia, der Tausendführer thiuphadus, tiuphadus genannt. Vgl. GBIMM, Gesch. d. deutsch. Sprache" 177; RA. 754. DIEFENBACH, WB. d. got. Sprache 2, 685. 18 Widukindi res gestae Saxonicae 1, c. 9: Saxones nichil cwnctaii novem duces cum smgulis milibus militum destinare ncm dvhitant. Die Tausendführer erscheinen hier als duces. (Widukind schrieb erst im 10. Jahrhundert, hat aber aus alter thüringisch-sfichsischer Heldensage geschöpft, vgl. RÖPKE, Widukind von Korvei 35). Ermoldus Nigellus 3, v. 261 (MG. Scr. 2, 494) gedenkt der nach Hundertschaften geordneten Tausendschaften der Schwaben: Alba Suevorum veniunt frans flumina Rheni milia cmtenis accumulata viris. Vgl. WAITZ 1, 217. 231. 19 Bell. Gall. 4, c. 1: Hi centum pagos habere dieuntur, ex quibus quotannis singula milia armatorum bellandi causa ex fmibus edueimt. reliqui, qui domi mcmserunt, se atque illos ahmt, hi rursus in vieem anno post in armis sunt, illi domi remanent. 10 Es beruht auf mißverständlicher Auslegung, wenn einzelne Schriftsteller den suebischen Gau zu zwei Tausendschaften berechnen. Durchaus territorialen Charakter tragen auch die im angelsächsischen Beovulf (v. 2196. 2995) erwähnten Tausendschaften. 2*
Die germanische Urzeit.
20
ursprüngliche Zahlbegriff, der sich mit der Tausendschaft verbunden hatte, bei den Westgermanen offenbar schon in Vergessenheit geraten; die Truppen jedes einzelnen Gaues bildeten zwar noch einen eigenen Heereskörper, aber nicht mehr, wie die Hundertschaft, eine taktische Einheit; der Gau war zu einem räumlich' abgegrenzten Bezirk innerhalb des Staatsgebietes (civitas) geworden. So war es nur natürlich, daß die römischen Schriftsteller, im Anschluß an die ihnen geläufigen gallischen Einrichtungen, für diese innerstaatlichen Bezirke seit Cäsar durchweg die Bezeichnung pagus verwendeten21. Das entsprechende deutsche Wort war „Gau" (got. gawi, as. afrs. gd, gä, ahd. gewi, gouwi), das aber ohne streng technische Bedeutung für die verschiedenartigsten Bezirke eines Landes gebraucht werden konnte22. Ähnliche Bezeichnungen, aber nur in zusammengesetzten Ortsnamen vorkommend, waren bant (ahd. panz), aib (ahd. eiba) und para, bar2S. Die Zahl der Gaue, aus denen sich eine Völkerschaft zusammensetzte, war sehr verschieden, ebenso die Größe der einzelnen Gaue, wie es das verschiedenartige Wachstum der Bevölkerung im Laufe der Zeit mit sich brachte. Jeder Gau hatte seinen eigenen Fürsten und erfreute sich his zu einem gewissen Grade eines eigenen staatlichen Lebens24, ohne daß 91
Vgl. LONONON, Géographie de la Gaule au V I . siècle, 1878, S . 24 ff. HIRSCHGallische Stadien, Wiener SB. 103, 303 ff. MOMMSEN, im Hermes 16, 4 4 9 f. 4 5 4 ff. 486 f. 19, 316 ff. BBAUMANN, Die Principes der Gallier und Germanen (s. S. 27), S. 13. Eine gewisse Unsicherheit des Ausdrucks zeigt sich noch bei Cäsars
FELD,
principes regionum atque pagorum^ (Bell. Gall. 6, c. 23), ähnlich wie bei den magi-
stratus ae principes (ebd. c. 22).
" Vgl. Gbimm, DWB. 4, 1, Sp. 1518 f. Klüge, u. d. W. Waitz 1, 206. Thüdichuh 3 ff. Amba 4 72. " Vgl. W A I T Z 1, 207 f. BBUNNEB 2, 145. GBIMM, R A . 496; Gesch. d. deutsch. Sprache 8 412. 477. MÖLLENHOFF, Z D A . 9, 243. DIEFENBACH, W B . d. got. Sprache 1, 2 9 9 .
FÖBSTEMANN, a . a . 0 . 2 0 4 f .
" Daß besondere Gauversammlungen abgehalten wurden, ist wenigstens wahrscheinlich. Sie hatten wohl insbesondere in agrarischen Angelegenheiten mitzusprechen, auch die Wahl der Hundertschaftsführer mag ihnen obgelegen haben. Daß die germanischen Gaue ebenso gut wie die gallischen berechtigt waren, auf eigene Hand Kriege zu fähren, läßt sich gegenüber dem Fehderecht der Sippschaften nicht bezweifeln, aber mit Unrecht hat man behauptet, daß bei einem von der Landesgemeinde beschlossenen Kriege jeder einzelne Gau das Recht der Neutralität besessen habe. Vgl. D A H N , Urgeschichte 1, 89. BBVNNEB, RG. 1, 115.
Als Segest mit seinem Gefolge (clientes), obwohl consensu gentis in bellum tractus,
also zur Teilnahme am Kriege verpflichtet, sich zu den Römern hielt, wurde er von seinen Volksgenossen als Feind behandelt. Vgl. Tacitus, Ann. I. c. 55, 57. Daß sein Gau zu ihm gehalten habe, wird nicht gesagt; jedenfalls würde dieser sich damit ebenso wie sein Fürst des Landesverrates schuldig gemacht haben. Noch weniger kann man aus Annal. I. c. 60 auf eine anfängliche Neutralität des Gaues des Inguiomer schließen. Nur persönlich mochte dieser anfangs Bedenken getragen haben, ob er sich der Führung seines Neffen Arminius unterordnen sollte; als er sich später bei dem Kriege gegen Marobod in ablehnendem Sinne entschied, mußte er mit seinem Gefolge in das Elend gehen (Annal. II. c. 45), sein Gau stand also jedenfalls zu dem vom Volk erwählten Herzog. Etwas anderes war es, wenn ein-
21
§ 5. Die Landesgemeinde and das Königtum.
man darum berechtigt wäre, den Völkerschaften nur einen bundesstaatlichen Charakter beizulegen 26 .
§ 5.
Die Landesgemeinde und das Königtum.
W A I T Z X , 3 3 8 ff. BRUNNER, RG. 1, § 1 8 . v. A M I R A * 7 9 . SOHM, Reichs- u. Ger.-Verf. 4 ff. MÖLLENHOFF, DA. 4, 2 3 3 — 2 4 0 . 2 5 0 . D A H N , Könige 1, 8 4 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 3 0 ff. SICKEL, Freistaat 3 2 — 4 2 . KAUPMANN, Deutsche Geschichte X, 1 3 8 ff. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 3 5 4 ff. W A I T Z 1», 295—337. BRUNNER, RG. 1, § 17. v. A M I R A • 93 ff.; Gött. gel. Anz. 1888, S. 49 ff. D A H N , Könige 1, 87 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 48 ff. SICKEL, Freistaat43—71; Gött. gel. Anz. 1880, S . 178ff. MÖLLENHOFF 4 , 183-198. 249. v. S Y B E L , Entstehung des Königtums 210 ff. BLANCINI, La monarchia germanica, 1888. KAUFMANN, Deutsche Geschichte 1, 144 ff. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 123—203. LAMPRECHT, Deutsche Geschichte 1, 145 ff. WITTMANN, Das altgerm. Königtum,. 1854. K Ö P K E , Anfänge des Königtums bei den Goten, 1859. GRIMM, RA. 229—265. G A U P P , Ansiedelungen 100 ff. K. LEHMANN, Königsfriede der Nordgermanen, 1886. ERHARDT, German. Staatenbildung 64 ff. L. MEYER, Zeitschr. f. d. Phil. 4, 190 f. W. SCHÜCKING, Der Regierungsantritt, I. Urzeit u. Zeit der Stammesrechte, 1899. 8
Ein eigentümlicher Gegensatz in der Verfassung der Ost- und Westgermanen bestand darin, daß jene gleich bei ihrem Eintritt in die Geschichte unter Königen standen, während die Völkerschaften der Westgermanen in Friedenszeiten keiner einheitlichen Spitze, weder einem erblichen König, noch einem gewählten Landesfürsten gehorchten. Dieser Gegensatz hatte aber nur eine untergeordnete Bedeutung, da sich einerseits auch bei den Westgermanen das Königtum mehr und mehr einbürgerte, um dann im Laufe der Völkerwanderung zu überwiegender Herrschaft zu gelangen, während andererseits das germanische Königtum mehr Ehren- als Hoheitsrechte umfaßte, so daß auch die Königreiche den Schwerpunkt ihrer Verfassung in der Volksversammlung hatten. 1. Die gemeingermanische Bezeichnung der V o l k s v e r s a m m l u n g war Ding (langob. thinx, an. ping)1. Das Völkerschaffcsding (an. fylkispinff) zelne Gaue der Kugernen sich von der römischen Oberherrschaft frei machten und dem Civilis anschlössen (Histor. 4, c. 26). 15 Manche lassen die Völkerschaften überhaupt erst durch den Zusammenschluß ursprünglich selbständiger Gaustaaten entstanden sein. Aber schon die griechische Bezeichnung der Gaue ((pvi-ov) läßt darauf schließen, daß die Völkerschaften meistens als organische Gebilde aus erweiterten Tausendschaften hervorgegangen sind und mit diesen ihre ursprüngliche Wurzel in den Geschlechtern gehabt haben. Lostrennungen einzelner Gaue kamen vor, wie das Beispiel der Bataver (Germ. c. 29. Hist. 4, c. 12) ergiebt, aber sie erfolgte entweder im Wege der Empörung, oder auf Grund friedlicher Vereinbarung. Da den Völkerschaften feste örtliche Mittelpunkte fehlten und die Landesgemeinde nach Gaugemeinden organisiert war, so konnten derartige Ablösungen und ebenso der Anschluß selbständiger Gaue an eine andere Völkerschaft mit Leichtigkeit vor sich gehen. V g l . BRUNNES, R G . 1
1,
132.
V g l . GBIMM, R A .
600, 747; D W B .
2 , 1165.
KLUGE,
U. d . W .
v.
AMIRA8
153. Andere Ausdrücke für Volks- und Gerichtsversammlungen waren makal und
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§ 5. Die Landesgemeinde and das Königtum.
man darum berechtigt wäre, den Völkerschaften nur einen bundesstaatlichen Charakter beizulegen 26 .
§ 5.
Die Landesgemeinde und das Königtum.
W A I T Z X , 3 3 8 ff. BRUNNER, RG. 1, § 1 8 . v. A M I R A * 7 9 . SOHM, Reichs- u. Ger.-Verf. 4 ff. MÖLLENHOFF, DA. 4, 2 3 3 — 2 4 0 . 2 5 0 . D A H N , Könige 1, 8 4 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 3 0 ff. SICKEL, Freistaat 3 2 — 4 2 . KAUPMANN, Deutsche Geschichte X, 1 3 8 ff. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 3 5 4 ff. W A I T Z 1», 295—337. BRUNNER, RG. 1, § 17. v. A M I R A • 93 ff.; Gött. gel. Anz. 1888, S. 49 ff. D A H N , Könige 1, 87 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 48 ff. SICKEL, Freistaat43—71; Gött. gel. Anz. 1880, S . 178ff. MÖLLENHOFF 4 , 183-198. 249. v. S Y B E L , Entstehung des Königtums 210 ff. BLANCINI, La monarchia germanica, 1888. KAUFMANN, Deutsche Geschichte 1, 144 ff. BAUMSTARK, Staatsaltertümer 123—203. LAMPRECHT, Deutsche Geschichte 1, 145 ff. WITTMANN, Das altgerm. Königtum,. 1854. K Ö P K E , Anfänge des Königtums bei den Goten, 1859. GRIMM, RA. 229—265. G A U P P , Ansiedelungen 100 ff. K. LEHMANN, Königsfriede der Nordgermanen, 1886. ERHARDT, German. Staatenbildung 64 ff. L. MEYER, Zeitschr. f. d. Phil. 4, 190 f. W. SCHÜCKING, Der Regierungsantritt, I. Urzeit u. Zeit der Stammesrechte, 1899. 8
Ein eigentümlicher Gegensatz in der Verfassung der Ost- und Westgermanen bestand darin, daß jene gleich bei ihrem Eintritt in die Geschichte unter Königen standen, während die Völkerschaften der Westgermanen in Friedenszeiten keiner einheitlichen Spitze, weder einem erblichen König, noch einem gewählten Landesfürsten gehorchten. Dieser Gegensatz hatte aber nur eine untergeordnete Bedeutung, da sich einerseits auch bei den Westgermanen das Königtum mehr und mehr einbürgerte, um dann im Laufe der Völkerwanderung zu überwiegender Herrschaft zu gelangen, während andererseits das germanische Königtum mehr Ehren- als Hoheitsrechte umfaßte, so daß auch die Königreiche den Schwerpunkt ihrer Verfassung in der Volksversammlung hatten. 1. Die gemeingermanische Bezeichnung der V o l k s v e r s a m m l u n g war Ding (langob. thinx, an. ping)1. Das Völkerschaffcsding (an. fylkispinff) zelne Gaue der Kugernen sich von der römischen Oberherrschaft frei machten und dem Civilis anschlössen (Histor. 4, c. 26). 15 Manche lassen die Völkerschaften überhaupt erst durch den Zusammenschluß ursprünglich selbständiger Gaustaaten entstanden sein. Aber schon die griechische Bezeichnung der Gaue ((pvi-ov) läßt darauf schließen, daß die Völkerschaften meistens als organische Gebilde aus erweiterten Tausendschaften hervorgegangen sind und mit diesen ihre ursprüngliche Wurzel in den Geschlechtern gehabt haben. Lostrennungen einzelner Gaue kamen vor, wie das Beispiel der Bataver (Germ. c. 29. Hist. 4, c. 12) ergiebt, aber sie erfolgte entweder im Wege der Empörung, oder auf Grund friedlicher Vereinbarung. Da den Völkerschaften feste örtliche Mittelpunkte fehlten und die Landesgemeinde nach Gaugemeinden organisiert war, so konnten derartige Ablösungen und ebenso der Anschluß selbständiger Gaue an eine andere Völkerschaft mit Leichtigkeit vor sich gehen. V g l . BRUNNES, R G . 1
1,
132.
V g l . GBIMM, R A .
600, 747; D W B .
2 , 1165.
KLUGE,
U. d . W .
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153. Andere Ausdrücke für Volks- und Gerichtsversammlungen waren makal und
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Die germanische Urzeit
war die von den Römern als concilium bezeichnete politische Versammlung der Landesgemeinde2. Versammlungen mehrerer Völkerschaften kamen als dauernde Einrichtungen nur mit dem Charakter von Opferversammlungen vor; erst später, nachdem aus der Vereinigung verschiedener Völkerschaften die großen Stämme hervorgegangen sind, erscheinen die Stammesversammlungen als lagthmg oder landsthing. Ob es innerhalb der einzelnen Gaue auch besondere Gaudinge gegeben hat, wird uns nicht berichtet, die Wahrscheinlichkeit spricht aber dafür. Die zum Ding versammelte Landesgemeinde war ^nichts anderes als das Volk in Waffen, das Heer3. Bewaffnet wie zum Kriege trat man zusammen4; jeder Heerpflichtige war zugleich dingpflichtig; die Versammlung stellte sich nach den einzelnen Heeresabteilungen (Gauen, Hundertschaften, Geschlechtern) auf6. Die Landesgemeinde diente zugleich zur Heer- und Waffenschau; die Musterung der zur Waffenfähigkeit herangereiften Jünglinge galt als eine ihrer regelmäßigen Aufgaben.' Aus diesem Grunde, sowie wegen der Geschenke, die den Königen und Fürsten von der Bevölkerung bei Gelegenheit des Dinges dargebracht wurden, ist anzunehmen, daß jährlich zu bestimmter Zeit, wahrscheinlich im Frühjahr, eine ordentliche Volksversammlung (als echtes oder ungebotenes Ding) stattfand, während in dringenden Fällen nach Lage der Sache außerordentliche oder gebotene Dinge anberaumt wurden. Als Versammlungsort diente wohl regelmäßig die vornehmste Opferstätte des Volkes6. Die Berufung der Pingpflichtigen erfolgte unter malins, as. afrs. warf, ags. gemot, für die Landesgemeinde als solche thiodothing, thiotmalli, liodwarf, liodthing. Vgl. unten § 8 N. 4. Bbdnneb, RG. 1, 128 f. 144. Waitz 1, 340. 2 Eine in jeder Beziehung zutreffende, durch alle späteren Nachrichten bestätigte Schilderung des Landesdinges verdanken wir Tacitus, Germania c. 11: De minoribus rebus principes consultant, de maioribus omnes, ita tarnen ut ea quoque, quorum penes plebem arbitrium est, apud principes pertraetentur. coeimt, nisi quid fortuiium et subitum mcidit, certis diebus, cum s Althochdeutsche Glossen übersetzen exaetor mit seuldheizxo, seuldsuahko.
V g l . STEINHEYEB U. SIEVEBS 1, 2 7 8 .
727.
" Vgl. besonders W. S I C K E I , Beiträge 4 9 1 ff. B K T O N E B 2 , 1 8 0 . 28 Vgl. BRUNNER 2 , 1 8 1 . W A I T Z 2 , 2 S . 7 . SOHM 2 3 8 ff. SICKEL, Beiträge 5 0 6 ff. In der karolingischen Zeit haben die Vikare meistens auch die Aufgaben der Tribunen mitübernommen. 29 Vgl. S I C K E L , Beiträge 452. Die Gleichheit der Stellung zeigt sich auch in der häufigen Bezeichnung des Schultheißen als vicarius, während andererseits das Mittelalter das Wort „Schultheiß" geradezu als Bezeichnung eines Stellvertreters im Amte verwendete. Vgl. ZRG. 18, 48 n. Überhaupt fand der Schultheißentitel in allgemeinerer Bedeutung auf die Vollzugsorgane der verschiedensten höheren wie niederen Beamten Anwendung. Vgl. BRUNNEB 2, 184. SICKEL, Beiträge 511 n. 9*
Die fränkische Zeit.
132
satz zwischen Schultheißen, Vikaren und Centenaren, bis unter den Karolingern eine völlige Verschmelzung eintrat so . Nur wo sich die Wahl des Richters durch die Gemeinde erhielt, blieb der alte Unterschied bestehen, bis es dem Grafen gelang, den Volksbeamten zu völliger Bedeutungslosigkeit herabzudrücken oder ihn ganz zu verdrängen 31 . Wo die Hundertschaften keinen Eingang gefunden hatten, wie in Friesland und Italien, wirkten die Schultheißen gleich den westfränkischen Vikaren in eigenen Unterbezirken (langob. sculdasia) als Vertreter des Grafen oder Herzogs, zumal in der Handhabung der niederen Gerichtsbarkeit und der Urteilsvollstreckung sa . Wie zwischen Grafschafts- und Lokalverwaltung, so bedurfte es bei der Ausdehnung des fränkischen Reiches auch gewisser Zwischenglieder zwischen Gau- und Zentralverwaltung. Deshalb waren in der merowingischen Zeit in der Regel mehrere Grafschaften zu einem größeren Sprengel unter einem H e r z o g {dux) vereinigt; in den romanischen Landesteilen erscheint statt des Herzogs vielfach ein patricius33. Der Unterschied beruhte einzig auf der verschiedenen historischen Entwickelung; sachlich hatten beide Ämter dieselbe Bedeutung, wenn auch der patricius im Range dem dux vorging. Die auch als Herzogtümer (ducatns) bezeichneten Sprengel waren von sehr verschiedener Größe und nirgends dauernd festgelegt; sie umfaßten, soweit unsere Nachrichten reichen, zwei bis zwölf Grafschaften und schlössen sich mehr oder weniger an dio vorhandenen Stammesgebiete oder besondere landschaftliche Verbindui jen, in Gallien wohl auch an die römische Frovinzialeinteilung an 84 . Die Die Titel vicarius, tribunus, centenarius, sculiheixo wurden infolgedessen in vielen Gegenden geradezu als gleichwertig gebraucht, was SOHH ZU der auch in unsere erste Auflage übergegangenen Auffassung von der ursprünglichen Einheit dieser Ämter verführt hat. Vgl. § 6, n. 18. § 35, n. 54. SOHH 239. WAITZ 3, 396 f. SICKEL, Beiträge 513. v. WTSS, Abhandlungen 288 f.; Rechtshistorische Lesefrüchte 20 (Abdruck a. d. Turicensia, 1891). Althochdeutsche Glossen fibersetzen centurio mit hurmo, andererseits tribunali mit kunnilihhero und tribunus mit cotine, d. h. Priester.
Vgl. S. 31.
STEINMEYER U. SIEVERS 1, 88 ff. 2, 128.
91
Vgl. Histor. Zeitschr. 78, 205. In niederrheinischen Weistümern erscheint der Hunne noch als Volksbeamter, ist aber als solcher ganz bedeutungslos geworden. Den Gografen kennt der ursprüngliche Text des Sachsenspiegels nur als Volksbeamten, während die Zusätze nur noch den vom Grafen belehnten Gografen im Auge haben. ,s
Vgl. HECK, Altfriesische Gerichtsverfassung 36 ff. BRÜNNER 2, 184.
Der
baierische Vikar oder Schultheiß, seit den Karolingern vielfach auch als centenarius bezeichnet, scheint ein kommissarischer Beamter des Grafen ohne eigenen Amtsbezirk gewesen zu sein. Vgl. SICKEL, Beiträge 516 ff. " Vgl. WEYL, Da« fränkische Patrizieramt, ZRG. 30, 85 ff. " Vgl. BRUNNER, RG. 1, 364. 2, 47. 143.
DAHN, Könige 7, 1 S. 72 f.
Wie
die Provence, so umfaßte auch das Stammesgebiet der Ribuarier zwei Herzogtümer, den ducatus Ribuariorum und den dueatus Chamavorum. Da die Herzogtümer nicht zu dem notwendigen Organismus des Reiches gehörten, so gab es stets eine Reihe von Grafschaften, die keinem Herzog unterstellt waren.
§ 19.
Die öffentlichen Beamten.
133
Aufgabe des Herzogs war eine doppelte36. Soweit ein zu seinem Amtsbezirk gehöriger Gau dauernd oder vorübergehend ohne Grafen war, hatte er die gräflichen Funktionen daselbst auszuüben; die Einführung eines neuen Grafen muß deshalb ebenfalls zu seinen Obliegenheiten gehört haben. In die Gauverwaltung der Grafen hatte er sich dagegen nicht einzumischen, die Grafen waren ihm in dieser Beziehung nicht untergeordnet, er nicht ihr Vorgesetzter. Andererseits gehörte die Wahrung des Landfriedens zu den Aufgaben des Herzogs und in militärischer Beziehung hatte er den Oberbefehl über sämtliche Aufgebote seines Sprengeis, er war der militärische Vorgesetzte der dieselben führenden Grafen. Ebenso wenn zur Verteidigung gegen feindliche Einfälle ein Landesaufgebot in mehreren Gauen notwendig wurde, und wohl nicht minder, wenn es sich über die Grenzen eines einzelnen Gaues hinaus um Abwendung einer gemeinen Gefahr oder um öffentliche Arbeiten im gemeinen Interesse handelte. Im übrigen stand der Herzog dem Grafen, dem er nur im Bange übergeordnet war, gleich. Er war königlicher Beamter wie dieser und wurde gleich dem comes nach freiem Ermessen des Königs eingesetzt und abberufen36. Im Laufe des 7. Jahrhunderts führte die Schwäche des Beiches mehr und mehr zur Umbildung des Amtsherzogtums in ein erbliches S t a m m e s herzogtum. In den deutschen Landen enstanden die Herzogtümer der austrasischen Franken, der Thüringer (mit Einschluß der fränkischen Mainlande), Baiern und Alamannen 37 ; ein eigenes Herzogtum war im Elsaß zur Ausbildung gelangt. Von den westfränkischen Herzogtümern waren die der Aquitanier und Briten die wichtigsten. Das Stammesherzogtum hatte den Charakter eines Amtes mit einem bestimmten Amtssprengel vollständig abgestreift und war zu einem Unterkönigtum "über ein ganzes Volk geworden. Dem Frankenkönig blieb nur eine mehr oder weniger anerkannte Oberhoheit, das Recht, den neuen Herzog zu »ä Vgl. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1896, S. 287. 88 Vgl; Form. Marculfi 1, 8 (Carta de ducato et patriciatu et comitato), das Bestallungeformular für Herzogs- and Comesamt: Ergo dum et fidem et utilitatem tuam videmur habere eonpertam, ideo tibi acdonem eomitiae, ducatus aut patriciatus in pago iUo, quem, antecessor tuos Uli usquae nunc visus est egisse, tibi ad agendum regendumque eommissemus, ita ut Semper erga regimine nostro fidem inlibata custodias, et omnes populus ibidem eommanentes, tarn Franai, Romani, Burgundionis vel reliquas nationis, sub tuo regimine et gubernatione degant et moderentur, et eos recto tramite secundum lege et consuetudine eorum regas, viduds et pupillis maximus defensor appareas, latronum et malefactorum scelera a te severissimae repremantur, ut populi bene viventes sub tuo regimine gaudentes debeant consistere quieti; et quicquid de ipsa acetone in fisci didonibus speratur, per vosmet ipsos annis singulis nostris aerariis inferatur. Über die Beziehungen des Herzogs zur Domänenverwaltung vgl. BBUNNEB 2, 120. >7 Als das älteste Stammesherzogtum im fränkischen Reiche muß das austrasische betrachtet werden, das mindestens seit Pippin dem Älteren (t 639) in demselben Hause erblich gewesen ist Der Zeit nach folgte das thüringische Herzogtum, das 641 zum Abschluß gelangte.
Die fränkische Zeit.
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bestätigen, ihm Heeresfolge zu gebieten, eine gewisse oberste Gerichtsbarkeit und der Anspruch auf Unterordnung des Herzogs unter den Reichsverband und das Reichsrecht88. Dagegen war der König in keiner Weise berechtigt, in die Landesverwaltung einzugreifen. Der Stammesherzog betrachtete sich nicht wie der Amtsherzog oder Graf als bloßes Organ des königlichen Willens, sondern als selbständigen Herrscher über seine eigenen Unterthanen. Die Beamten, wahrscheinlich sogar die Grafen, wurden von ihm ein- und abgesetzt, Konfiskationen, Friedensgelder u. dgl. kamen an ihn, nicht an den König, er war der Schutzherr der Schutzbefohlenen seines Landes, ihm stand die Gerichtshoheit zu, er hielt Hofgericht und erließ mit einem eigenen Landtag Landesgesetze. Er war der Kriegsherr seiner Unterthanen, unternahm Kriegszüge und schloß Frieden auf eigene Hand. Die Majestät seiner Person stand unter einem höheren Frieden, der sich auch der herzoglichen Umgebung mitteilte. Nachdem es Karl Martell, Pippin und Karl dem Großen gelungen war, die Stammesherzogtümer nacheinander zu vernichten, behielten nur das Herzogtum Benevent und die Besitzungen des römischen Bischofs in der Romania (Romagna), ferner die Churwalchen, Briten und Basken eine gewise Sonderstellung innerhalb des Reiches39. Das Herzogsamt, das sich als die vornehmste Grundlage bei der Ausbildung der Stammesherzogtümer erwiesen hatte, ließ Karl der Große eingehen, nur an den Grenzen des Landes, wo den Nachbarn gegenüber ein beständiges Zusammenfassen größerer Streitkräfte in einer Hand unentbehrlich war, wurde das militärische Herzogtum neu organisiert. Der G r e n z h e r z o g oder M a r k g r a f {dux limitis, comes marchae, marchio, marchisus)*0 erhielt entweder in alter Weise mehrere Grenzgrafschaften überwiesen, so daß seine Stellung ganz dem früheren Herzogsamt entsprach, oder eine nicht in Grafschaften eingeteilte Mark, d. h. ein jenseits der eigentlichen Reichsgrenze auf erobertem Gebiet gelegenes, als Eigentum des Königs betrachtetes Vorland mit festen Plätzen und straffer militärischer Organisation. Zuweilen wurde die Mark auch mit einigen Grenzgrafschaften verbunden. Als neue Mitglieder zwischen der Zentralgewalt und den Grafen dienten nach Beseitigung des Herzogtums die K ö n i g s b o t e n . Die fränkischen Könige hatten von jeher den Brauch gehabt, Angelegenheiten, 88
Über ein wahrscheinlich von Dagobert I. erlassenes Reichsgesetz, das namentlich die Stellung der Stammesherzoge zum Gegenstand hatte, vgl. Brunner, Berl. SB. 39, 932 ff. 89 Vgl. Waitz 3, 362 ff. Brünneb, RG. 2, 87. Über das päpstliche Gebiet vgl. Brunnes u. Zeumeb, Die konstantinische Schenkungsurkunde 1888. Von Benevent und der Romania abgesehen wurde in Italien ebenso wie in Sachsen und Friesland die fränkische Grafschaftsorganisation durchgeführt, so daß die früheren langobardischen Herzpgtümer zu Grafschaften, die herzoglichen Beamten zu gräflichen Unterbeamten wurden.
« Vgl. Waitz 3, 369 ff. Sora 479. Bronner 2, 171 f. Pernice, Graf 143 f.
Lipp, Das firänk. Grenzsystem unter Karl d. Gr., 1892 (Gierke, Untersuchungen 41).
§19.
Die öffentlichen Beamten.
135
die sie weder persönlich, noch durch die ordentlichen Beamten erledigen konnten oder wollten, durch besondere Bevollmächtigte ( m m ) besorgen zu lassen. Dieselben hatten stets einen außerordentlichen Charakter und je nach Anlaß und Umfang der Vollmacht eine sehr verschiedene Stellung. Unter den späteren Merowingern geriet wie der persönliche so auch der durch solche Boten vermittelte Verkehr des Monarchen mit seinem Reiche ins Stocken, dagegen benutzten die arnulfingischen Hausmeier die von ihnen ernannten missi discurrentes, um gegenüber den königlichen Beamten die Gewalt des Hausmeiers überall im Eeiche zur Geltung zu bringen. Seit der Thronbesteigung Pippins wurden diese Boten zu einer unentbehrlichen Institution des fränkischen Königtums. Neben den außerordentlichen führte Karl der Große als eine organische Einrichtung des fränkischen Beamtentums die ordentlichen Königsboten ein, und zwar, wie neuerdings festgestellt ist, schon in seinen ersten Begierungsjahren und nicht erst bei der Reorganisation im Jahre 802 4 1 . Als Amtstitel der Königsboten begegnet nur missus (gelegentlich nuntius, legatus), meistens mit einem Zusatz wie regis,
dominktts,
regalis,
palatinus,
fiscalis.
Die
deutsche Bezeichnung scheint Königsbote gewesen zu sein 12 . Karl teilte das ganze Reich in Inspektionsbezirke (missatica, legationes), die aber im Laufe der Zeit vielfach verändert wurden. In der Regel wurden für jeden Bezirk mehrere Königsboten, gewöhnlich zwei, zu gemeinsamer Amtswaltung ernannt, meistens ein weltlicher und ein geistlicher 43 . Die Ernennung erfolgte immer nur auf ein Jahr, konnte aber erneuert werden, was bei den Königsboten geistlichen Standes (gegewöhnlich dem Erzbischof der betreffenden Provinz) die Regel bildete. Die Königsboten hatten den allgemeinen Auftrag, die Rechte der Zentralgewalt wahrzunehmen {ad iustitias faciendas), erhielten aber vor Antritt ihres Amtes ihre besonderen Instruktionen, in der Regel im Anschluß an die Verhandlungen des Reichstags; die schriftlichen Instruktionen pflegte man als capitula missorum zu bezeichnen44. Die Königsboten 41 Für die Unterstützung, die Kail bei dieser Reorganisation des Königsbotenamtes in der gelehrten Tafelrunde seines Hofes (in der er selbst den Namen „David" führte) fand, legt folgender Brief Alkuins an den Erzbischof Arno von Salzburg (v. J. 801) Zeugnis ab: Quod rero tua bona pro multorum salute Providentia suadendum mihi eensuit duleissimo meo David de missorum eleetione, qui disourrere iubentur ad iustitias faciendas, seias eertissime et hoc me saepius feeisse et suis quoque suadere eonsiliariis; sed proh dohr! rari inveniuntur, quorum firmata in Dei timore mens omnium respuat cupiditatem et via regia inter personas divitum et pauperum miserias pergere relit. MIGNE, Alcuini opera 1, 3 6 7 . 42 So, gegenüber weniger passenden Übersetzungen, zuerst bei WAITZ. Im Heliand, v. 5195. 5211. 5232. 5559, heißt der Landpfleger Pilatus kesures bodo. 43 Der frühere Gebrauch, vornehmlich königliche Vassallen zu dem Amte zu verwenden, wurde seit der Reorganisation von 802 aufgegeben, indem es dem höheren Glanz des Kaisertums entsprach, nur die höchsten geistlichen und weltlichen Würdenträger zu entsenden. Vgl. KRAUSE, a. a. 0. 217 ff 44 Vgl. WAITZ 3, 482 ff.; Abhandl. 396 ff. BOBETIUS, Capitularien im Langobardenreiche 17.
136
Die fränkische Zeit.
waren nicht einfache Überbringer königlicher Befehle, sondern Treuhänder („Gewaltboten") des Königs, so daß sie hinsichtlich der inneren Reichsverwaltung durchaus an des Königs Stelle standen und nur diesem für die Innehaltung ihrer Aufträge verantwortlich waren 46 . Sie walteten ihres Amtes daher nicht nach Yolksrecht, wie die Herzoge und Grafen, sondern nach Amtsrecht; auch hatten sie das Recht des Königshannes. Unmittelbar nach Antritt ihres Amtes, nach einer Verordnung Ludwigs des Frommen im Mai (also im Anschluß an den Reichstag), hatten sie einen Landtag abzuhalten, zu dem die geistlichen und weltlichen Beamten und die königlichen Vasallen des ganzen Sprengeis entboten wurden; wo die Ausdehnung des Sprengeis es notwendig machte, konnte die Versammlung auf zwei oder drei verschiedene Orte verteilt werden, so daß statt eines allgemeinen Landtages mehrere Sonderlandtage stattfanden 46 . Auf dem Landtag hatten die Königsboten die ihnen aufgetragenen Mitteilungen zu machen, die für ihre Aufgaben erforderlichen Anordnungen zu treffen, Beschwerden anzuhören und, wenn es anging, sofort zu erledigen. Auch Personen, die nicht geladen waren, konnten sich einfinden, um ihre Beschwerden vorzubringen. Die Thätigkeit der Königsboten war auf einen Monat in jedem Vierteljahr beschränkt, so daß immer zwei Monate Frist blieben, um dem König Bericht erstatten und neue Instruktionen einholen zu können; auch die sonstige amtliche Stellung der Königsboten, namentlich der geistlichen, mochte diese Unterbrechungen ihres Dienstes notwendig machen. Während jedes der vier Amtsmonate hatten die Königsboten an vier verschiedenen Dingstätten Gericht abzuhalten, so daß während eines Jahres sechzehn missatische Gerichtssitzungen stattfanden 47 . Außerdem hatten 45 Vgl. BBÜNNEB 2, 190. Über die bis Ende des 9. Jahrhunderts im Gebrauch gebliebenen außerordentlichen Königsboten, die mit den ordentlichen durchaus konkurrierten, für Ein- und Absetzung von Grafen und Übertragung von Krongtttern aber ausschließlich zuständig waren, vgl. KRAUSE, a. a. 0. 252 ff. 49 Vgl. Ludwigs Commemoratio missis data von 825 (BOBETIUS 1, 308) und sein Legationis capitulum (309 f.). In dem letzteren heißt es: Itaque volumus, ut media rnm.se maio conveniant idem missi, unusquisque in sua legatione, cum omnibus episcopis, abbatibus, comitibus ao vassis nostris, advocatis nostris ae vicedommis abbatissarum necnon et eorum qui propter aliquant inevilabilem necessitatem ipsi venire non possunt ad locum unwm\ et si necesse fuerit, propter oportunitatem conveniendi, in duobus vel tribm loeis, vel maxime propter pauperes populi, idem convmtus habeatur, qui omnibus eongruat. Ut hdbeat unusquisque eomes vicarios et cmtenarios suos secum, necnon et de primis seabinis suis tres aut quattuor. " Vgl. Karls Capitulare de iustitiis faciendis von 811—813, c. 8 (BOBETIUS 1, 177): Volumus, et propter iustitias, quae usque modo de parte eomitum remanserunt, quatuor tantum mensibus in anno missi nostri legationes suas exereeant, in hieme ianuario, in verno aprili, in aestate iulio, in autumno octobrio. Ceteris vero mensibus unusquisque eomitum plaeitum suum habeat et iustitias faciat. Missi autem nostri quater in uno mense et in quatuor loeis habeant placita sua cum Ulis comitibus, quibus eongruum fuerit, ut ad eum locum possint eonvenire. Daß die Königsboten bei ihrer richterlichen Thätigkeit an die ordentlichen Gerichte gebunden gewesen wären und nur in diesen (statt des Grafen) den Vorsitz gehabt
§ 20.
137
Der königliche Hof.
die Königsboten das Land zu bereisen, die Kirchen und Klöster aufzusuchen, die Krongüter und die öffentlichen Kassen zu revidieren und sich überall von den Zuständen des Landes und seiner Bewohner zu unterrichten48. Um möglichst von allen vorhandenen Mängeln in Rechtspflege und Verwaltung Kenntnis zu erhalten, verpflichteten sie besonders angesehene Männer als Bügezeugen, die alle ihnen bekannt gewordenen TJngehörigkeiten anzuzeigen hatten. Die Beamten waren zu jeder erforderlichen Unterstützung der Königsboten, die Unterthanen zu jeder von ihnen verlangten Auskunft (kraft königlichen Inquisitionsrechts) verpflichtet. Die Person der Königsboten (auch der außerordentlichen) war für die Zeit ihrer Amtswaltung durch dreifaches Wergeid und dreifache Buße geschützt. Widerstand gegen ihre Anordnungen wurde streng, unter Umständen selbst mit dem Tode bestraft Andererseits trug die Krone dafür Sorge, daß die Königsboten sich unnützer Plackereien und überflüssigen Umherreisens enthielten. Der Schwerpunkt des Königsbotenamtes lag in seinem streng persönlichen Charakter, dem jährlichen Wechsel, der Fernhaltung der örtlichen Gewalten, der freien Ernennung durch den König. Indem Ludwig der Fromme die letztere an die Mitwirkung des Reichstages band, fanden die hervorragendsten Großen der einzelnen Bezirke die Möglichkeit, die Wahl auf ihre Person zu lenken und sich dauernd im Besitz des Amtes zu behaupten. Schon 825 bildeten gegenüber den ansässigen, ständigen Königsboten (missi maiores, m. constituti) die nur auf ein Jahr ernannten (wt. directi, m. discurrentes) die Minderzahl, um allmählich ganz zu verschwinden49. Das für die Zentralgewalt geschaffene Amt hatte sich zu einem neuen Mittel für das Emporkommen territorialer Gewalten auf Kosten der Reichseinheit umgestaltet. § 20. BBONKER, E G . 2 , § § 7 1 — 7 4 .
Histoire 1,
228
ff.
GLASSON,
Der königliche Hof. WAITZ 2 " , 2 S . 6 9 — 1 1 3 .
Histoire
2, 297
ff.
32, 493—554.
FUSTEL DE COULANGES,
VIOLLET,
Monarchie
hätten, ist in dem Kapitular nicht gesagt, jedenfalls walteten sie der Rechtspflege kraft Amtsrechtes. Übrigens macht M0HLBACHER, Deutsche Geschichte unter den Karolingern 275, wohl mit Recht darauf aufmerksam, daß Karls Vorschrift über die 16 Gerichtstage schwerlich eine dauernde Einrichtung bezweckt hat. 4 8 Untaugliche Unterbeamten konnten sie absetzen und ebenso scheint ihnen Karl d. Gr., dem die ausschließlich den Grafen überlassene Organisation des Subalterndienstes bedenklich erscheinen mochte, auch die Einsetzung der Centenare, Vögte, Schöffen u. s. w., aber nnr unter Mitwirkung der Grafen und der Gerichtsgemeinde, übertragen zu haben. Vgl. SICKEL, Beiträge 460. 465 ff. 4 9 Vgl. KBAUSE, a. a. 0 . 222 ff. 238 ff. Die italienischen und westfränkischen Bischöfe erlangten 876 das Zugeständnis dauernder Verbindung ihres Amtes mit der missatischen Gewalt in ihren Diözesen, doch hatte dies, da das karolingische Königsbotenamt sich in Westfranken noch im 9. Jahrhundert, in Italien in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts verlor, nur vorübergehende Bedeutung. Vgl. KRAUSE 245 ff. FICKER, Forschungen 2, 12. BRUNNER, RG. 2, 196 f.
§ 20.
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Der königliche Hof.
die Königsboten das Land zu bereisen, die Kirchen und Klöster aufzusuchen, die Krongüter und die öffentlichen Kassen zu revidieren und sich überall von den Zuständen des Landes und seiner Bewohner zu unterrichten48. Um möglichst von allen vorhandenen Mängeln in Rechtspflege und Verwaltung Kenntnis zu erhalten, verpflichteten sie besonders angesehene Männer als Bügezeugen, die alle ihnen bekannt gewordenen TJngehörigkeiten anzuzeigen hatten. Die Beamten waren zu jeder erforderlichen Unterstützung der Königsboten, die Unterthanen zu jeder von ihnen verlangten Auskunft (kraft königlichen Inquisitionsrechts) verpflichtet. Die Person der Königsboten (auch der außerordentlichen) war für die Zeit ihrer Amtswaltung durch dreifaches Wergeid und dreifache Buße geschützt. Widerstand gegen ihre Anordnungen wurde streng, unter Umständen selbst mit dem Tode bestraft Andererseits trug die Krone dafür Sorge, daß die Königsboten sich unnützer Plackereien und überflüssigen Umherreisens enthielten. Der Schwerpunkt des Königsbotenamtes lag in seinem streng persönlichen Charakter, dem jährlichen Wechsel, der Fernhaltung der örtlichen Gewalten, der freien Ernennung durch den König. Indem Ludwig der Fromme die letztere an die Mitwirkung des Reichstages band, fanden die hervorragendsten Großen der einzelnen Bezirke die Möglichkeit, die Wahl auf ihre Person zu lenken und sich dauernd im Besitz des Amtes zu behaupten. Schon 825 bildeten gegenüber den ansässigen, ständigen Königsboten (missi maiores, m. constituti) die nur auf ein Jahr ernannten (wt. directi, m. discurrentes) die Minderzahl, um allmählich ganz zu verschwinden49. Das für die Zentralgewalt geschaffene Amt hatte sich zu einem neuen Mittel für das Emporkommen territorialer Gewalten auf Kosten der Reichseinheit umgestaltet. § 20. BBONKER, E G . 2 , § § 7 1 — 7 4 .
Histoire 1,
228
ff.
GLASSON,
Der königliche Hof. WAITZ 2 " , 2 S . 6 9 — 1 1 3 .
Histoire
2, 297
ff.
32, 493—554.
FUSTEL DE COULANGES,
VIOLLET,
Monarchie
hätten, ist in dem Kapitular nicht gesagt, jedenfalls walteten sie der Rechtspflege kraft Amtsrechtes. Übrigens macht M0HLBACHER, Deutsche Geschichte unter den Karolingern 275, wohl mit Recht darauf aufmerksam, daß Karls Vorschrift über die 16 Gerichtstage schwerlich eine dauernde Einrichtung bezweckt hat. 4 8 Untaugliche Unterbeamten konnten sie absetzen und ebenso scheint ihnen Karl d. Gr., dem die ausschließlich den Grafen überlassene Organisation des Subalterndienstes bedenklich erscheinen mochte, auch die Einsetzung der Centenare, Vögte, Schöffen u. s. w., aber nnr unter Mitwirkung der Grafen und der Gerichtsgemeinde, übertragen zu haben. Vgl. SICKEL, Beiträge 460. 465 ff. 4 9 Vgl. KBAUSE, a. a. 0 . 222 ff. 238 ff. Die italienischen und westfränkischen Bischöfe erlangten 876 das Zugeständnis dauernder Verbindung ihres Amtes mit der missatischen Gewalt in ihren Diözesen, doch hatte dies, da das karolingische Königsbotenamt sich in Westfranken noch im 9. Jahrhundert, in Italien in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts verlor, nur vorübergehende Bedeutung. Vgl. KRAUSE 245 ff. FICKER, Forschungen 2, 12. BRUNNER, RG. 2, 196 f.
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Die fränkische Zeit.
franque (1888) 135 ff.
DAHN,
DG.
EICHBORN
1,
2 S.
616
ff.
Könige 7, 2 S. 187—248. 3, S. 497 ff. 8, 3 S. 122—150; l6,
178
ff.
MÜLLENHOPF,
DA.
4,
264.
Gr. L .
v.
Geschichte der FronhBfe 1, 189 ff. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 1, 802 ff. Hincmarus, De ordine palatii (v. J . 882), verfaßt auf Grund einer verloren gegangenen Schrift des Abtes Adalhard von Corbie, her. von V. K E A Ü S E , 1894, und B O B E T I U S - K H A U S E , Capitularía 2, 517 ff., ferner von P B O U , i. d. Bibliothèque de l'école des hautes études Bd. 58 (1885). MAUSER,
Der ausgeprägt persönliche Charakter des fränkischen Königtums brachte es mit sich, daß Mitglieder des königlichen Hofstaates (paJatini, aulici), insbesondere die Beamten der Hofverwaltung, vielfach auch in die Reichsverwaltung eingriffen. Sie nahmen an den Reichstagen wie an den Hofgerichtssitzungen teil, wurden zu Missionen im In- und Auslände verwendet, und wenn es auch noch keinen eigentlichen Hofrat gab, so war es doch selbstverständlich, daß der König sich in wichtigeren Angelegenheiten in erster Reihe des Beirates seiner täglichen Umgebung bedient«; auch fehlte es nicht an Hofbeamten die eigens als Berater des Königs (consiliarii) berufen waren. Die höheren geistlichen und weltlichen Ämter in den Provinzen wurden mit Vorliebe aus den Reihen des Hofstaates besetzt. Der merowingische Hof, vorwiegend mit römischen Provinzialen und mehr oder weniger romanisierten Neustriern und Burgundern besetzt, stand noch halb auf dem Boden römischer Kultur, während die Karolinger zumeist von Austrasiern umgeben waren, die, abgesehen von der Hofgeistlichkeit, weder die lateinische Sprache noch die Kunst des Schreibens kannten 1 . Dieser Gegensatz wurde von besonderer Bedeutung für die königliche K a n z l e i , die unter den Merowingern ein weltliches Hofamt, unter den Karolingern dagegen ausschließlich mit Geistlichen besetzt war 1 . Dem Kanzleivorstand lag die Gesamtleitung und die Einrichtung des Geschäftsganges, wahrscheinlich auch die Anstellung des unteren Kanzleipersonals ob; seine Hauptaufgabe war die Beglaubigung (recogmtio) der königlichen Diplome mit seiner Namensunterschrift (unter Beifügung des seiner Obhut anvertrauten großen königlichen Siegels), wodurch er die Verantwortung für die Übereinstimmung der Urkunde mit dem Willen des Königs übernahm. Unter den Merowingern hatte die Kanzlei nach dem Muster des byzantinischen Hofes eine Spitze von zwei bis fünf Ref e r e n d a r e n , von denen jeder selbständig zu Rekognitionen ermächtigt war. Seit Pippin trat an die Stelle der Referendare ein einziger Beamter, ein höherer Geistlicher, der seit Karl dem Großen den Titel K a n z l e r führte. Unter ihm standen mehrere N o t a r e mit der Befugnis, in seiner Vertretung (in vice, ad vicem cancellarii) Rekognitionen zu erteilen3. Die 1
Vgl. B R E S S L A Ü , Urkundenlehre 1 , 2 7 4 . 2 7 6 . Vgl. ebd. 1, 2 6 3 — 2 9 3 . T H . S I C K E L , Lehre von den Urkunden der ersten Karolinger 7 2 — 1 0 3 . B B U N N E B , EG. 2 , 1 1 3 ff. W A I T Z 2 , 2 S . 7 9 ff. 3 , 5 1 1 — 5 2 5 . SEELIOEK, Erzkanzler und Reichskanzleien 6 f. MÜHLBACHER, Begesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 1, pg. 85 ff. * Seit Ludwig dem Frommen scheinen einzelne Notare eine hervorragende Stellung unter ihren Kollegen, nach Art von Vizekanzlern, eingenommen zu haben. 1
§ 20.
Der königliche Hof.
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mit der Anfertigung der Konzepte und Reinschriften betrauten Schreiber4 wurden in den königlichen Urkunden nie mit Namen genannt, nur unter den Merowingern traten zuweilen Schreiber in Vertretung eines Referendars als Rekognoscenten auf. Die Kanzlei hatte dem Königshofe überallhin zu folgen, und man darf annehmen, daß sie immer einen gewissen Aktenbestand mit sich führte, während anderes wohl in den einzelnen Pfalzarchiven aufbewahrt blieb. Unter Karl dem Großen wurde, wahrscheinlich in Verbindung mit der Hofbibliothek, in Aachen ein eigenes Reichsarchiv eingerichtet, dem es aber an Vollständigkeit und fester Ordnung fehlte 6 . Für ihre Privatkorrespondenz hatten die Könige Privatschreiber, die in keinem Zusammenhang mit der Kanzlei standen. Dagegen wurden, da dem salischen Recht der Gerichtsschreiberdienst unbekannt war, die Hofgerichtsurkunden (placita) unter den Merowingern in der Kanzlei ausgefertigt, aber auf das Referat {testimoniatio) des P f a l z g r a f e n {comes palatii), der den Verhandlungen des Hofgerichts als lebendige Urkundsperson beiwohnte6. Unter den Karolingern wurde (entsprechend dem Gebrauch des ribuarischen Rechts) eine eigene Hofgerichtsschreiberei mit besonderem Hofgerichts- oder Pfalzsiegel und eigenen Notaren eingerichtet und dem Pfalzgrafen unterstellt. An die Stelle der testimoniatio des Pfalzgrafen und der Rekognition eines Referendars trat infolgedessen die Rekognition des Pfalzgrafen oder eines ihn vertretenden {in vice, ad vicem) Pfalznotars. Alle für das Hofgericht bestimmten Einlaufe gingen seit dieser Veränderung durch die Hände des Pfalzgrafen, der dem König darüber Vortrag zu halten, in minder wichtigen Sachen selbst den Gerichtsvorsitz an Stelle des Königs einzunehmen hatte. Wenn zuweilen mehrere Pfalzgrafen nebeneinander erwähnt werden, so scheint doch immer nur einer das eigentliche Amt bekleidet zu haben, während die übrigen bloße Unterpfalzgrafen waren. Italien besaß wohl seit dem 9. Jahrhundert seinen eigenen Pfalzgrafen 7 . Der Pfalzgraf war stets ein Laie, sein Schreiberpersonal meistens geistlichen Standes. Das Haupt der gesamten in der H o f k a p e l l e vereinigten Hofgeistlichkeit, und insoweit (aber nicht in dienstlicher Beziehung) auch Vor* Die spätere Unterscheidung zwischen Diktatoren und bloßen Abschreibern war noch unbekannt. Über die Bezeichnung der Schreiber als eancellarii vgl. BRESSLAU, a . a . O . 1 , 2 7 9 f . 5 Vgl. BRESSLAU, a. a.
0. 1, 132 ff. Der früher angenommene Zusammenhang zwischen Archiv und Hofkapelle hat nicht bestanden. 6 Vgl. B B D N N E B , RGr. 1, 394 f. 2, 108 ff.; Das Gerichtszeugnis und die fränkische Königsurkunde (Festgaben für Heffter, Berlin 1873, S 166 ff.). A. PERNICE, De comitibus palatii, 1863. W A I T Z 2, 2 S . 76 ff. 191 ff. 3, 510. T H . SICHEL, a . A . O . 361 ff. B B E S S L A U , a. a. 0. 1, 282 f. W. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1896, S . 288. Der testimoniatio des Pfalzgrafen bedurfte es sogar, wenn ein Referendar der Verhandlung persönlich beigewohnt hatte (vgl. BBESSLAU 1, 265 f.); sie mußte in der Urkunde ausdrücklich hervorgehoben werden. 1 Vgl. FICKER, Forschungen 1, 312 f.
Die fränkische Zeit.
140
gesetzter der geistlichen Kanzleibeamten, war der Hof- oder Erzkapellan (capellanus sacri paiatii, archicapellanus, apocrisiarius),
dem seit Ludwig
dem Frommen auch der Vortrag in allen auf Geistliche bezüglichen Hofgerichtssachen übertragen wurde8. Zu séinem Geschäftsbereich gehörte auch die mit der Hofkapelle verbundene gelehrte Hofschule. Der eigentliche Hofdienst verteilte sich in allen germanischen Reichen auf vier große Hofamter, neben denen noch einzelne von geringerer Bedeutung, wie das des Küchenmeisters (coquus), Waffenträgers (spatarius), Thürwärters (scario, ostiarius), Quartiermeisters (mansionarius), bestanden. Höhere Hofbeamte, die keinem bestimmten Hofamt zugeteilt waren, scheinen zum Teil den Titel comes geführt zu haben9. An der Spitze jedes der grossen Hofamter stand ein mit der Zentralverwaltung beauftragter Großwürdenträger, dem mit demselben Titel ausgestattete Unterhofbeamte zur Seite stehen konnten; der unmittelbare persönliche Dienst wurde vorzugsweise von unfreien Leibdienern (ministeriales, pueri regis) versehen. Die Aufsicht über die Kellereien und Weinberge hatte der Schenk (pincerna, buticularius), die über die Marställe der Marschalk (d. h. Pferdeknecht) oder S t a l l g r a f (comes stabuli), dem bei Hofreisen und Heerfahrten die Unterbringung der Pferde und die Herbeischaffung des Futters (fodrum) oblag10. Die Verwaltung des Schatzes und des beweglichen Hausrates am Hof und in den Pfalzen sowie die Fürsorge für die Wohnräume und das Bekleidungswesen war Sache des Schatzmeisters (tkesaurarius), seit den Karolingern in der Regel Kämmerer (camerarius, cubicularius) genannt11. Der einflußreichste unter den vier Hofbeamten war der Seneschalk oder Truchseß, den schon sein Amtstitel als das Haupt des gesamten Hofstaates erkennen ließ12. In den romanischen Landesteilen führte er die entsprechende Bezeichnung Majordomus (Hausmeier)13, die eine Zeit lang die übrigen Titel gänzlich verdrängte. Auch an den Höfen der Großen, namentlich der Prinzen, stand regelmäßig ein Majordomus als 8
V g l . WAITZ 4, 489. • Vgl. BBUNNBB, R G . 2, 97.
10 Die militärische Bedeutung des Amtes stieg, je mehr der Schwerpunkt des Heeres in die Reiterei verlegt wurde. u Durch sein Amt kam der Kämmerer in vielfache Beziehungen zu der Königin und dem in dem „Frauenzimmer" (gynaeceum) untergebrachten weiblichen Hofgesinde. ' " Über smiskaUc = Altknecht vgl. S. 31. GRIMM, RA. 302, über mhd. truhtsa^e (an. dröttseti, altfries. drusta, mnd. droste) = praeses familiae vgl. S. 32.
GBMM, D W B . 2, 1437 f. " Vgl. WAITZ 2 , 2 S. 71. 83—100. 397 ff. PEUTZ, G e s c h i c h t e d e r merow.
Hausmeier, 1819. SCHÖNE, Amtsgewalt der fränkischen Majores domus, 1856. BONNELL, Anfänge des karolingischen Hauses, 1866. HEBMANN, Hausmeieramt, 1880
(GIEBKE, Untersuchungen 9). BRÜNNEB, RG. 2, 104 ff.; Die Antrustionen und der Hausmeier, ZRG. 21, 210 ff. EICHHOBN 1, 178 f. DANIELS, Handbuch 1, 487 ff. SICKEL, Grött. gel. Anz. 1890, S. 232 f. FÜSTEL DE COULANGES, Monarchie franque 166 ff. DAHN 7, 2 S. 187 ff.
§ 20. Der königliche Hof.
141
gubernator oder princeps palatii an der Spitze der Hofhaltung, aber die hervorragende Bedeutung des königlichen Beamten dieses Namens lag in anderer Richtung: er war das Haupt der trustis dominica, des königlichen D i e n s t g e f o l g e s 1 4 , das mit Rücksicht auf die dazu gehörige vornehme Jugend und im Gegensatz zu der gelehrten Hofschule (S. 140) auch „Kriegsschule" (schola militiae) genannt wurde. Die Mitglieder der königlichen Trustis führten die alten Namen, insbesondere wurden sie als antrustiones, scholares, convivae regis bezeichnet. Ihre Stellung war im wesentlichen die alte. Ihr Eid lautete auf trustem et fidelitatem, d. h. Mannschaft und Treue (Hulde). Gleich den königlichen Beamten hatten sie das dreifache Wergeid ihres Geburtsstandes, gehörten also zum Dienstadel. Außer dem militärischen Gefolge, der eigentlichen Trustis, rechnete man zu den convivae regis auch solche Personen, die nur zum Hofdienst, sei es mit oder ohne Zuteilung zu einem bestimmten Hofamt, verwendet wurden, übrigens aber wohl in einem ähnlichen Dienstverhältnis wie die Antrustionen und mit diesen unter der Disziplinargewalt des Hausmeiers standen 16 . Im allgemeinen wurde bis zum 8. Jahrhundert noch daran festgehalten, daß die Gründung eines eigenen Haushalts seitens eines Gefolgsmannes sein Ausscheiden aus der Trustis zur Voraussetzung hatte, nur vereinzelt kamen auch abgeschichtete Gefolgsmannen, die aber ebenfalls unter der Disziplinargewalt des Hausmeiers standen, vor 18 . Es war natürlich, daß der Einfluß des letzteren außerordentlich zunahm, als es seit den arnulfingischen Hausmeiern üblich wurde, auch die Abgeschichteten im Gefolgschaftsverbande zu behalten. Während die alte Trustis am Hofe des Königs seitdem mehr und mehr zusammenschrumpfte und die königliche Tafelrunde schließlich nur noch einen Meinen Kreis (von der karolingischen Heldensage in der Gestalt der zwölf Pairs von Frankreich verherrlicht) umfaßte, erstreckte sich die Macht des Majordomus nun auch auf die in den Provinzen angesessenen Vassallen. Als stellvertretendes Haupt der Trustis und der gesamten Hofverwaltung war der Hausmeier der von selbst gegebene Reichsverweser bei Abwesenheit des Königs. Da jeder der drei Reichsteile (Austrasien, Neustrien, Burgund) seinen eigenen Majordomus hatte, so übte jeder von 14
V g l . S. 3 2 ff. WAITZ 1, 291 ff. 2, 1 S. 3 3 5 ff. 2, 2 S . 101 f.
ROTH, B e n e -
ficialwesen 116 ff.; Feudalität 256 ff. K. MAUBEB, Wesen des ältesten Adels 83 ff. 6. L. v. MAOBEB, Fronhöfe 1, 146 ff. DELOCHE, La trustis et l'antrustion royal, 1873. EHBENBEBG, Commendation 121 ff. THONISSEN, L'organisation judiciaire 110—127.
BRCNNER, RG. 2, 97 ff.; Zur Geschichte des Gefolgswesens, ZRG. 22,
210 ff. DAHN, Könige 7, 1 S. 151 ff. Über das Gefolge bei Angelsachsen und Langobarden vgl. K. MAUKER , Krit. Überschau 2, 388 ff., SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 599 f. 666 ff., PABST, FDG. 2, 502 ff., bei den Norwegern DOUBLIEB,
Mitteil. d. öst. Inst. Erg. 6, 254 ff. 19 Zu ihnen gehörten zur Zeit Chlodovechs noch alle in das Gefolge des Königs aufgenommenen Römer. Vgl. BBUNNEB, RG. 1, 302, n. 47. 2, 99. 18 Vgl. des angeblichen Fredegar Chronicarum lib. 3, c. 58 (MG. Script, rer. M e r o w . 2, 109).
BBUNNEB 2, 100.
Die fränkische Zeit
142
diesen, so oft der König nicht gerade in seinem Gebiet hofhielt, statthalterliche Rechte aus. Als Erzieher der königlichen Prinzen, die wohl, wie überhaupt die vornehme Jugend des Reiches, regelmäßig der Hofkriegsschule zur Ausbildung übergeben wurden, hatte der Majordomus bei jedem Thronwechsel den grössten Einfluß auf die Ordnung der Thronfolge, gegebenenfalls auch auf die Regierung selbst (S. 110). Noch weiter gehoben wurde seine Stellung durch die Beseitigung des früheren Hofdomesticus, wodurch auch die Zentralverwaltung der Krongüter in seine Hände kam 17 . Für die Großen des Reiches war es eine Lebensfrage, daß sie das Recht erlangten, den Hausmeier selbst zu wählen. Nachdem es Pippin von Heristal gelungen war, das Hausmeieramt in allen drei Reichsteilen zu erwerben und dauernd mit seinem Hause zu verbinden, handelte es sich nicht mehr um eine bloße Erweiterung seiner Amtsbefugnisse, sondern um die Regeneration des Königtums auf der Grundlage eines erblichen Vizekönigtums. Nur ein Ausdruck. dieser Thatsache war es, wenn der Hausmeier seit Pippin von Heristal auch den stellvertretenden Vorsitz im Königsgericht in Anspruch nahm. Seit dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts erscheint am Königshof wieder ein nur mit wirtschaftlichen Aufgaben betrauter Beamter unter dem Titel Seneschalk, jetzt aber von dem zum höchsten Staatsbeamten mit vizeköniglicher Gewalt emporgestiegenen Majordomus durchaus unterschieden 18 . Während der letztere nach Pippins Thronbesteigung ganz verschwand, erhielt der Seneschalk einen erweiterten Geschäftskreis, indem ihm das gesamte Verpflegungswesen des Hofes und damit die Zentralverwaltung der zu diesem Zweck bestimmten Erzeugnisse der Krongüter übertragen wurde. Die Beziehungen zu dem Dienstgefolge waren vollständig gelöst, dagegen umfaßte das Amt jetzt auch den Wirkungskreis des früheren Küchenmeisters, so daß die Volksetymologie althochdeutscher Glossen den Titel „Truchseß" mißverständlich von truht („ciba") ableitete und truhtscRfe mit „dapifer" und „infertor" übersetzte 19 . § 21.
Die Kirche.
E . LÖNINO, Geschichte des deutschen Kirchenrechts, 2 Bde, 1 S 7 8 . STUTZ, Geschichte des kirchl. Beneficialwesens bis auf Alezander III., I. 1, 1895 (vgl. THANEB, Gött. gel. Anz. 1 8 9 8 , S. 2 9 1 — 3 2 5 . HINSCHIÜS, ZRG. 30, 1 3 5 ff.); Die Eigenkirche als Element des mittelalterl. Kirchenrechts, 1895; Lehen und Pfründe, ZUG. 3 3 , 2 1 3 ff. VIOLLET, Histoire 1, 3 3 5 ff. FCSTEL DE COULANQES, Monarchie franque 5 0 7 ff. HINSCHOB, Kirchenrecht 2, 5 1 6 ff. 5 2 2 ff. 6 2 1 ff. 3, 5 3 9 ff. 6 9 9 — 7 2 2 . 4, 2 S . 8 4 9 ff. RETTBESQ, Kirchengeschichte Deutschlands, 2 Bde, 1 8 4 6 — 4 8 . FRIEDEICH, KG. Deutschlands, 2 Bde, 1 8 6 7 — 6 9 . HAUCK, KG. Deutschlands« I. II., 1 8 9 8 — 1 9 0 0 ;
" Vgl. BBUNNEH 2, 119. 1 2 2 f. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 15. f. SICKEL, Beiträge 5 7 7 ff. 18 Vgl. WAITZ 2, 2 8 . 71. 3 , 4 9 8 ff. DAHN, Könige 7, 2 S. 195. 2 3 9 , behauptet die völlige Verschiedenheit deT beiden Ämter. WAITZ 2, 2 S. 4 8 . 9 3
" V g l . LEXEB, M h d . W B . 2, 1 5 4 2 .
Die fränkische Zeit
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diesen, so oft der König nicht gerade in seinem Gebiet hofhielt, statthalterliche Rechte aus. Als Erzieher der königlichen Prinzen, die wohl, wie überhaupt die vornehme Jugend des Reiches, regelmäßig der Hofkriegsschule zur Ausbildung übergeben wurden, hatte der Majordomus bei jedem Thronwechsel den grössten Einfluß auf die Ordnung der Thronfolge, gegebenenfalls auch auf die Regierung selbst (S. 110). Noch weiter gehoben wurde seine Stellung durch die Beseitigung des früheren Hofdomesticus, wodurch auch die Zentralverwaltung der Krongüter in seine Hände kam 17 . Für die Großen des Reiches war es eine Lebensfrage, daß sie das Recht erlangten, den Hausmeier selbst zu wählen. Nachdem es Pippin von Heristal gelungen war, das Hausmeieramt in allen drei Reichsteilen zu erwerben und dauernd mit seinem Hause zu verbinden, handelte es sich nicht mehr um eine bloße Erweiterung seiner Amtsbefugnisse, sondern um die Regeneration des Königtums auf der Grundlage eines erblichen Vizekönigtums. Nur ein Ausdruck. dieser Thatsache war es, wenn der Hausmeier seit Pippin von Heristal auch den stellvertretenden Vorsitz im Königsgericht in Anspruch nahm. Seit dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts erscheint am Königshof wieder ein nur mit wirtschaftlichen Aufgaben betrauter Beamter unter dem Titel Seneschalk, jetzt aber von dem zum höchsten Staatsbeamten mit vizeköniglicher Gewalt emporgestiegenen Majordomus durchaus unterschieden 18 . Während der letztere nach Pippins Thronbesteigung ganz verschwand, erhielt der Seneschalk einen erweiterten Geschäftskreis, indem ihm das gesamte Verpflegungswesen des Hofes und damit die Zentralverwaltung der zu diesem Zweck bestimmten Erzeugnisse der Krongüter übertragen wurde. Die Beziehungen zu dem Dienstgefolge waren vollständig gelöst, dagegen umfaßte das Amt jetzt auch den Wirkungskreis des früheren Küchenmeisters, so daß die Volksetymologie althochdeutscher Glossen den Titel „Truchseß" mißverständlich von truht („ciba") ableitete und truhtscRfe mit „dapifer" und „infertor" übersetzte 19 . § 21.
Die Kirche.
E . LÖNINO, Geschichte des deutschen Kirchenrechts, 2 Bde, 1 S 7 8 . STUTZ, Geschichte des kirchl. Beneficialwesens bis auf Alezander III., I. 1, 1895 (vgl. THANEB, Gött. gel. Anz. 1 8 9 8 , S. 2 9 1 — 3 2 5 . HINSCHIÜS, ZRG. 30, 1 3 5 ff.); Die Eigenkirche als Element des mittelalterl. Kirchenrechts, 1895; Lehen und Pfründe, ZUG. 3 3 , 2 1 3 ff. VIOLLET, Histoire 1, 3 3 5 ff. FCSTEL DE COULANQES, Monarchie franque 5 0 7 ff. HINSCHOB, Kirchenrecht 2, 5 1 6 ff. 5 2 2 ff. 6 2 1 ff. 3, 5 3 9 ff. 6 9 9 — 7 2 2 . 4, 2 S . 8 4 9 ff. RETTBESQ, Kirchengeschichte Deutschlands, 2 Bde, 1 8 4 6 — 4 8 . FRIEDEICH, KG. Deutschlands, 2 Bde, 1 8 6 7 — 6 9 . HAUCK, KG. Deutschlands« I. II., 1 8 9 8 — 1 9 0 0 ;
" Vgl. BBUNNEH 2, 119. 1 2 2 f. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 15. f. SICKEL, Beiträge 5 7 7 ff. 18 Vgl. WAITZ 2, 2 8 . 71. 3 , 4 9 8 ff. DAHN, Könige 7, 2 S. 195. 2 3 9 , behauptet die völlige Verschiedenheit deT beiden Ämter. WAITZ 2, 2 S. 4 8 . 9 3
" V g l . LEXEB, M h d . W B . 2, 1 5 4 2 .
§ 21.
Die Kirche.
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Bischofswahlen unter den Merowingern, 1883. BRÜNNEB, RG. 2, § 96. W E Y L , Das fränkische Staatskirchenrecht z . Z . der Merowinger, 1888 (GIERKE, Untersuchungen 27). WAITZ 2 » , 2 S . 5 7 ff 3 S , 1 2 ff. 2 7 ff. 1 6 1 ff. 1 7 8 ff. 2 2 8 ff. 4 , 1 5 3
ff.
1 8 3 ff. 2 1 2 ff.
v. DANIELS, Handbuch 1, §§ 129 ff. HEGEL, Über die Einführung des Christentums bei den Germanen, 1856. SIEKE, Entwicklung d. Metropolitanwesens im Frankenreiche, Marb. Diss. 1899. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 1 S. 158—243. 2, 248 ff. D A H N , Könige 7, 3 S. 2l5 ff. 8, 5 S. 143—337; DG. 1, 2 S. 720 ff. KAUFMANN, Deutsche Geschichte 2, 269 ff. 356 ff. LÖBELL, Gregor von Tours und seine Zeit', 253 ff. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 129—170; Untersuchungen über fries. RG. 2, 348 ff. 369 ff. 494 ff. 511 ff. 742 ff. W. SICKEL, Die Verträge der Päpste mit den Karolingern und das neue Kaisertum, Deutsche Zeitschr. f. GW. 11, 301 ff. 12, 1 ff. HEDSLER, Institutionen 1, 315 ff. Walahfridi Strabonis libellus de exordiis et incrementis rerum ecclesiasticarum, MG. Capitularia 2, 473 ff.
In Gallien fanden die Franken eine vollkommen ausgebildete Kirchenverfassung vor, die sich bis in den Anfang des 7. Jahrhunderts als rein römische Einrichtung erhielt; der Episkopat wurde ausschließlich aus der Reihe der vornehmen Frovinzialen, meistens mit Angehörigen alter senatorischer Geschlechter besetzt. Seit Dagobert I. trat auch die deutsche Aristokratie in den Episkopat ein1, aber der niedere Klerus blieb noch im wesentlichen römisch2, erst seit dem 8. Jahrhundert waren beide Nationalitäten gleichmäßig im Klerus vertreten3. In der Regel bildete in Gallien jede civitas eine eigene Diözese unter ihrem Bischof. Die sämtlichen Bischöfe einer Provinz standen unter dem Bischof der Provinzialhauptstadt als Metropoliten. Seit Ende des 7. Jahrhunderts geriet der Metropolitanverband in Verfall. Im Rheinund Moselgebiet war die römische Kirchenverfassung seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts durch den Einbruch der Franken und Alamannen völlig zertrümmert, doch sind Köln, Trier, Tongern-Maastricht und Mainz schon während des 6., Speier, Straßburg und Konstanz während des 7. Jahrhunderts wieder als Sitze von Bischöfen bezeugt. Die christliche Mission im inneren Deutschland hatte im allgemeinen zu einer der römischen geradezu entgegengesetzten kirchlichen Verfassung geführt, da die irisch-schottische Kirche, von der jene Mission hauptsächlich ausging, in keinem Zusammenhang mit Rom stand und statt der bischöflichen Verfassung das Kirchenregiment in die Hände der Klöster legte, deren Äbte die bischöflichen Funktionen ausübten. Dagegen hielt die angelsächsische Kirche, die seit Ende des 7. Jahrhunderts die deutsche Mission in die Hand nahm, streng auf Unterordnung unter Rom 1 Die ersten deutschen Bischöfe waren Arnulf von Metz (612—627) und Kunibert von Köln (ungefähr seit 620). 8 Der ursprüngliche Text der Lex Ribuaria 36, 5—9 berechnet die Wergeidsätze für den niederen Klerus noch nach dem Wergeid der Römer, die für Priester und Bischöfe bereits nach dem der Franken. Vgl. ZRG. 20, 26 f. * Die Volksrechte des 8. Jahrhunderts berechnen das Wergeid des Klerus durchweg nach Maßgabe der heimischen Wergeidsätze oder nach dem Geburtsstand. Vgl. L. Alam. 11—16. L. Baiuw. 1, 8—10. L. Rib. 36, 5 - 9 in der karolingischen Fassung.
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Die fränkische Zeit.
und auf Herstellung der bischöflichen Ordnung. Schon unter Pippin dem Mittleren wurde durch Willibrord die bischöfliche Kirche zu Utrecht für die Westfriesen errichtet; die Bischofsweihe empfing er vom Papst. Größeres hat Bonifatius (Winfried) unter Karl Martell, namentlich aber unter Pippin und Karlmann vollbracht. Von Rom mit der missio canonica ausgestattet und nacheinander zum Bischof, Erzbischof und päpstlichen Legaten für das Frankenreich erhoben, .beständig mit dem Papst in Verbindung, zugleich mit einem Schutzbrief des Hausmeiers ausgerüstet und fortwährend in engster Fühlung und im Einverständnis mit ihm handelnd, hat Bonifatius die deutsche Kirchenverfassung gegründet, die verfallene westfränkische wiederhergestellt. Nachdem er für Baiern, im Anschluß an die von der irischen Mission herrührenden regierenden Klöster, die bischöflichen Kirchen von Freising, Passau, Regensburg and Salzburg, für Ostfranken und Thüringen die von Buraburg (Fritzlar), Eichstätt und Würzburg errichtet hatte, wurde er 742 unter Karlmann auf der ersten deutschen Synode, die zür Herstellung der kanonischen Ordnung bestimmt war, ausdrücklich als Erzbischof, mit dem Sitz in Mainz, anerkannt4. Unter Karl dem Großen wurde, nachdem die Bekehrung der Sachsen und Friesen die Errichtung weiterer Bistümer notwendig gemacht hatte, der Metropolitanverband innerhalb der deutschen Kirchen vollendet, indem Köln, Trier und Salzburg als Metropolitansitze zu Mainz hinzutraten. Das von Ludwig dem Frommen errichtete Erzbistum Hamburg war nur für den skandinavischen Norden bestimmt. Wie unter Karlmann und Pippin, so wurden auch unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen von Reichs wegen umfassende kirchliche Ordnungen erlassen®. Die gallischen Bischöfe wurden nach der kanonischen Ordnung von Klerus und Volk, unter Mitwirkung des Metropoliten und der übrigen Bischöfe, gewählt. Die fränkischen Könige nahmen von Anfang an ein Bestätigungsrecht in Anspruch, das bald zum Ernennungsrecht wurde. Selbst das Edikt Chlothars II. von 614, das im Prinzip das bloße Bestätigungsrecht wiederherstellte, wahrte doch das Recht der königlichen Ernennung, aber mit der Beschränkung auf eine mit den kanonischen Eigenschaften versehene Persönlichkeit. Ohne jede kanonische Rücksicht wurde das Ernennungsrecht von Karl Martell ausgeübt, der die kirchlichen Pfründen ebenso wie die Kirchengüter als Vermögensgegenstände zur Verfügung der Krone behandelte. Das Ernennungsrecht und die Verfügung über die Kirchengüter wurde auch von seinen Nachfolgern festgehalten, wenngleich die Ausübung mehr im Einverständnis mit der * Vgl. Karlmanns Capitulare von 742 (BOBETIVS 1, 24), ein Jahr später auf dem Beichstag zu Lestinnes bestätigt, Capitulare Liptinense von 743 (ebd. 1, 26). Entsprechende Beschlüsse für Westfranken unter Pippin auf dem Keichstag zu Soissons, Capitulare Suessionense von 744 (ebd. 1, 28). 5 Vgl. Karls Admonitio generalis von 789 (BORETIOS 1, 53 ff.), Ludwigs Capitulare ecclesiasticum von 818—819 (ebd. 275 ff.).
§ 21. Die Kirche.
145
Kirche erfolgte. Erst Ludwig hat das Ernennungsrecht im Prinzip (aber nicht thatsächlich) aufgegeben. Die Amtsentsetzung konnte über einen Bischof nur durch die Synode unter Bestätigung des Königs erfolgen6. Der König hatte das Begnadigungsrecht. Neben den Diözesanbischöfen gab es bis auf Pippin auch umherreisende Bischöfe ohne Diözese, die später verschwanden. Zur Unterstützung in ihrer geistlichen Amtswaltung waren den Bischöfen Chorbischöfe beigeordnet, die aber seit Mitte des 9. Jahrhunderts seitens des Episkopats heftig bekämpft und infolgedessen in Westfranken beseitigt wurden. Für die Beaufsichtigung der Geistlichkeit und die äußere Verwaltung stand dem Bischof der Archidiakon, für die Vermögensverwaltung der Vicedominus zur Seite. Unter den Priestern nahmen die Erzpriester {archipresbyteri) an den Taufkirchen die erste Stelle ein. Der Eintritt in den geistlichen Stand bedurfte, weil die Geistlichen der allgemeinen Heerpflicht entzogen waren, der Genehmigung des Königs oder des Grafen 7 . Unfreie bedurften der Genehmigung ihres Herrn, an sich aber war die Unfreiheit kein Hindernis, selbst Pfarrstellen wurden vielfach mit Unfreien besetzt, erst unter Ludwig dem Frommen wurde bestimmt, daß unfreie Kleriker nicht mehr zur Priesterweihe zugelassen werden sollten8. Die frühere Annahme, daß die staatliche Organisation des fränkischen Reiches sich an die kirchliche Gliederung angeschlossen habe, hat sich als trügerisch erwiesen9. Nur in Gallien fielen die Diözesen in der Regel mit den Grafschaften zusammen, dagegen bestand keine Übereinstimmung zwischen den Kirchenprovinzen und den Herzogtümern, ebensowenig zwischen den Kirchspielen und Hundertschaften. Die Einteilung der Diözesen in Archidiakonate gehört überhaupt erst der späteren Zeit an. Noch weniger deckten sich kirchliche und staatliche Bezirke in den deutschen Landesteilen. Unter den Erzbistümern war das von Salzburg das einzige, das sich nicht über die Gebiete mehrerer Stämme erstreckte, selbst die Bistümer griffen zuweilen in verschiedene Stammesgebiete über 10 . Für die deutschen Gaue und Hundertschaften bot die damaligie Kirchenverfassung überhaupt keine Analogie. Später haben beide zuweilen als Grundlage für die Bildung von Archidiakonaten und Kirchspielen gedient. Die politische Bedeutung der Kirche war für das fränkische Reich von vornherein eine außerordentliche. Die Provinzialen sahen in den 6
Nur einmal ist eine einseitige Amtsentsetzung durch den König vorgekommen.
' Vgl. WAITZ 2, 1 S . 197. 2, 2, 200 n . 4, 592 f.
HINSCHIÜS, a. a . O. 3, 176.
WEYL, a. a. O. 32 f. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 15, 166. Cap. miss. von 805, II, c. 15 (BORETIUS 1, 125). Form. Marc. 1, 19. 8 Siehe Anm. 18. 9 Vgl. WAITZ 3, 437 ff. und die dort angeführte Litteratur. 10 Utrecht umfaßte salische, chamavische und friesische Gaue, Mimigardevort (Munster) und Bremen waren beide teils sächsisch, teils friesisch. Dagegen fiel die Grenze zwischen den Diözesen Köln und Trier mit der Grenze der Bibuarier gegen die chattischen Franken zusammen. K. SCHBÖDBR , Deutsche Rechtsgeschichte,
i. Aufl.
10
Die fränkische Zeit.
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Bischöfen die berufenen Vertreter ihrer Nationalität, ihrer sozialen Zustände und höheren Kultur. Die Gemeinschaft der Interessen und das durch die Synoden geförderte Zusammenhalten legte dem vereinigten Episkopat ein Gewicht bei, dem selbst ein Chilperich nicht zu widerstehen vermochte. Daher von Anfang an das Streben der fränkischen Herrscher, das wohlwollende Entgegenkommen des katholischen Klerus durch Begünstigungen und Privilegien zu einem dauernden zu machen, Einfluß auf die Besetzung der kirchlichen Stellen zu gewinnen, die Kirche möglichst in das staatliche Interesse hereinzuziehen. Die Kirchen wurden reich mit Gütern, Markt-, Münz- und Zollprivilegien, Immunitätsgerechtsamen und gerichtlichen Befugnissen ausgestattet. Die gallischen Nationalkonzilien wurden mit den Reichstagen verbunden, da die Könige sich ebenso zu geistlicher wie weltlicher Gesetzgebung befugt erachteten. Die Bischöfe gehörten zu den Großen des Reiches, bildeten oft die unmittelbaren Berater der Krone, selbst die Ernennung oder Beaufsichtigung von Grafen wurde ihnen gelegentlich übertragen, zuweilen geradezu weltliches Regiment in die Hand des Bischofs gelegt11. Das Königsbotenamt wurde in der Regel von einem geistlichen und einem weltlichen Großen gemeinsam versehen. Überhaupt war es der Gedanke Karls des Großen, unter dem der Gedanke des theokratischeii Staates besonders gepflegt wurde, daß Bischöfe und Grafen Hand in Hand gehen und sich gegenseitig unterstützen sollten. Die königliche Kanzlei war unter den Karolingern durchweg mit Geistlichen besetzt, die mit kirchlichen Pfründen besoldet wurden. Die Bischöfe waren dem König zur Hoffahrt und zum Gesandtendienst verpflichtet12. Ein erhöhtes Wergeid gab der Geistlichkeit in derselben Weise wie den königlichen Beamten einen höheren Frieden. Obwohl die Karolinger streng an dem Recht, die Bischöfe zu ernennen, festhielten und das Reichskirchengut fast als Reichsgut behandelten, gelangte der Episkopat doch allmählich zu einer derartigen Selbständigkeit, daß er es wiederholt wagen konnte, in den Wirren unter dem schwachen Regiment Ludwigs des Frommen das entscheidende Wort zu sprechen1S. Um so wichtiger war es für den Staat, daß der an die Haustempel des germanischen Heidentums anknüpfende Gedanke der Eigenkirchen ihm einen hervorragenden Einfluß auf die kirchlichen Dinge gewährte. Während derselbe bei den Westgoten und den spanischen Sueben nach längerem Widerstand schließlich der römisch-kanonischen Ordnung weichen musste, hat er sich bei den Langobarden und im fränkischen Reich behauptet und endlich selbst die päpstliche Anerkennung gefunden14. Die 11
So vorübergehend in Istrien und Churrätien. Vgl. W. Sickei, Gött. geL Anz. 1890, S. 229. 18 Vgl. Waitz 4, 664 ff. 669 f. " Vgl. die S. 142 angeführten Arbeiten von Stütz und die dazu gehörigen Anzeigen von Hinschius und Thaner. Über grundherrliche Eigenkirchen schon Lömno, a. a. 0. 2, 638 ff. Über die Anerkennung der Eigenkirchen durch Papst Eugen (826) Stutz 1, 259 f. 11
§ 21. Die Kirche.
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römische Ordnung betrachtete das gesamte Kirchengut einer Diözese, soweit nicht einzelne Kirchen eigene Rechtspersönlichkeit erlangt hatten, als das Eigentum der Kathedrale und überließ die Verwaltung Unterschieds- und bedingungslos dem Bischof, der die den einzelnen Geistlichen gewährten Stipendien nach seinem Belieben bestimmte. Dagegen bildete nach der germanischen Auffassung jede einzelne Kirche mit ihrer gesamten Ausstattung {dos, widem) an Grund und Boden und sonstigem Zubehör einen eigenen Vermögenskreis, als dessen Rechtssubjekt der Grundherr galt auf dessen Besitztum die Kirche errichtet war. Wie jeder weltliche Grundherr so hatten auch Bischöfe und Klöster ihre Eigenkirchen, vor allem aber waren alle auf königlichem Grund und Boden errichteten Kirchen und Klöster Eigenkirchen des Königs. Alle Eigenkirchen waren vererbliches und veräußerliches Eigentum des Kirchherrn, sie konnten verliehen und verpfändet werden, konnten im Miteigentum zu Bruchteilen oder zur gesamten Hand oder im markgenossenschaftlichen Eigentum von Hundertschafts- oder anderen Gemeinden stehen 16 . Über die Einkünfte ihrer Kirchen schalteten die Herren nach Willkür 16 und ebenso hing die geistliche Bedienung der Kirche ausschließlich von ihnen ab. War der Grundherr selbst geistlichen Standes, so mochte er in Person seine Kirche bedienen; in anderen Fällen stellte er nach freiem Belieben einen Geistlichen an, meistens aus der Reihe seiner Unfreien oder Hörigen 17 und oft unter den erniedrigendsten Bedingungen, um die Erträgnisse der Kirche möglichst für sich selbst auszunutzen. Erst unter Karl d. Gr. und Ludwig d. Fr. erlangte die Kirche das Zugeständnis, daß dem Bischof ein Aufsichtsrecht eingeräumt wurde, vermöge dessen er die Errichtung ungenügend ausgestatteter Kirchen und die willkürliche Schmälerung des Kirchengutes verhindern konnte; auch wurde die Ein- und Absetzung der Geistlichen an die Mitwirkung des Bischofs gebunden und die Anstellung Unfreier durch die Ausschließung derselben von der Priesterordination wesentlich beschränkt 18 . Statt der kläglichen Stipendien, mit denen die Geistlichen früher von den Kirchherren ausgestattet worden waren, bürgerte sich seit der Entstehung des Lehnswesens mehr und mehr die nach Benefizienrecht verliehene Pfründe ein, die nach denselben Grundsätzen wie das vassallitische Benefizium, aber regelmäßig ohne Kommendation und ohne das Erfordernis 16
Vgl. STÜTZ 1, 202 f.; Lehen u. Pfründe S. 226 f. Da zu den Eigenkirchen auch viele Tauf-und Pfarrkirchen gehörten, so gelang es den Grundherren vielfach, teils gestützt auf das Beispiel des Königs hinsichtlich der fiskalischen Kirchen (Cap." de villis c. 6, BORETIUS 1, 83), teils unter Benutzung von Immunitätsprivilegien, das Zehntrecht an ihre Eigenkirchen zu bringen und mindestens das für die Fabrik bestimmte Viertel oder Drittel für sich in Beschlag zu nehmen. Vgl. STUTZ 1, 240 ff. 257 f. Cap. eccl. v. 818—19, 16
c. 12 (BOBETIUS 1, 277). " V g l . STUTZ 1, 150 ff. 201. 224, n. 87. 18 V g l . STUTZ 1 , 224 ff. 248 ff. BOBETXUS 1 ,
45 c. 9 ;
78 c. 5 4 ; 94 c. 15;
170 c. 1; 178 f.; 182 c. 7; 203. Cap. eccl. v. 818—19, ebd. 1, 275 ff. 10*
Die fränkische Zeit
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der Erneuerung im Herrenfall, verliehen wurde19. Als Gegenstand der Verleihung wurde die Kirche mit ihrem gesamten Zubehör angesehen; die Gegenleistung bestand in den Amtsverrichtungen des Benefiziaten. Da die nur durch Richterspruch entziehbare, regelmäßig auf Lebenszeit verliehene Pfründe dem Geistlichen gegenüber seinem Kirchherrn eine weit größere Unabhängigkeit gewährte, so wurde diese Entwickelung, obwohl sie auch das Verleihungsrecht der Bischöfe beschränkte, von Seiten des Episkopats wesentlich befördert Seit das Capitulare ecclesiasticum von 818—819 die Ausstattung jedes Priesters mit mindestens einer Hufe Landes angeordnet hatte, wurde die Pfründe für das gesamte niedere Kirchengut zu einer allgemeinen Einrichtung. Auf die noch aus der römischen Zeit herrührenden Kirchen hatte sich der Begriff der Eigenkirchen ursprünglich nicht erstreckt, doch waren infolge der Säkularisationen seit Karl Martell vielfach auch solche Kirchen als Beneñzien an königliche Vassailen verliehen worden, was von selbst zu ihrer Gleichstellung mit den verliehenen Eigenkirchen führte 20 . Bei den übrigen bischöflichen Kirchen machte sich der Einfluß des Eigenkirchenwesens wenigstens insofern geltend, als auch bei ihnen die Dezentralisation nach Einzelkirchen und die Verleihung derselben zu Pfründenrecht zur Durchführung gelangte; der Bischof wurde als ihr Grundherr, die einzelne bischöfliche Kirche als Eigenkirche des Bischöfe aufgefaßt 81 . Nur bei den Kathedralkirchen blieb die alte Ordnung, begünstigt durch das klösterliche Leben der Kapitel, zunächst noch bestehen, bis später auch bei ihnen, aber in anderer Richtung, die Dezentralisation vollzogen wurde. Der folgenden Periode blieb es vorbehalten, den Gedanken der Eigenkirche und des Benefizialwesens auch auf die Hochstifter zu übertragen. Auf königlichem Grund und Boden errichtete Klöster (wie Prüm, Echternach, Hersfeld) galten schon in der fränkischen Periode als Eigenkirchen des Königs und standen als solche unter Königsmunt. Aber auch zahlreiche andere Klöster, die unter Königsmunt getreten waren, ohne Eigentum des Königs zu sein, empfanden mehr und mehr eine dingliche Ausgestaltung der königlichen Schutzherrschaft, und wenn diese Entwickelung gegenüber den Hochstiftern vorerst noch haltmachte, so hatten die seit Karl Martell vorgenommenen Säkularisationen, die allgemeine Schutzgewalt des Königs gegenüber der Kirche und die Immunitätsprivilegien doch allmählich auch hier Anschauungen zur Geltung gebracht, die im Lauf der Zeit zur Ausbildung eines königlichen Obereigentums führten 22 .
"Vgl. !0
STÜTZ,
Eigenkirche 29 ff.; Lehen und Pfründe, ZRGr. 33, 213—247.
V g l . STÜTZ 1 , 1 8 4 ff. 3 4 4 ff.
" Vgl. ebd. 1, 296 ff. " V g l . STÜTZ, Eigenkirche 32 ff.; Benefizialwesen 1, 126 n. 70. KG. 2, 52 ff. T H . SIOKEL, Wien. SB. 47, 175 ff.
BRÜNNEB,
§ 22. Der Reichstag. § 22.
149
Der Reichstag.
BRONNER, R G . 2, §76. WAITZ 2», 2 S. 176ff. 197 ff. 213 ff. 225 ff. 3», 554 ff.; FDG. 13, 489 ff. W. SICKEL, Mitteil. d. österr. Inst., Erg.-Bd. 1, 220 ff. 2, 295ff.; Gött. gel. Anz. 1890, S. 214 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 578 ff. D A H N , Könige 7 , 3 S. 515ff. 8, 6 S. 125 ff. GIASSON, Histoire 2, 319 ff. VIOLLET, Histoire 1, 199 ff. FUSTEL DE COULANQES, Monarchie franque 63 ff. 87 ff. 598 ff. PBOU, Bibliothèque de l'école des hautes études 58, 71 ff.
Unter allen germanischen Beieben hat das der Angelsachsen der zentralisierenden Strömung der Zeit am wenigsten nachgegeben. Wie die alten Volklandskönige als ealdormen unter den Königen der Heptarchie fortdauerten, so behielten auch die Volklandsthinge als folkesmôt oder scirgemôt gewisse gerichtliche Aufgaben, nachdem sie ihre politische Bedeutung an die Versammlung der Großen des Beiches (witenagemôt) hatten abgeben müssen\ In den drei nordgermanischen Beichen standen über den Herads- und Volklandsthingen als Gerichts- und gesetzgebende Versammlungen die größeren Thingrerbände der Landschaften 2 ; eine Beichsversammlung, vorzugsweise fur rein politische Angelegenheiten, gab es nur in Dänemark 3 . Bei den Langobarden haben sich die Volklandskönige in dem Unterkönigtum der Herzoge erhalten; aber an die Stelle der alten Landesgemeinde ist die Stammesversammlung getreten, während es zu besonderen Versammlungen einzelner Landschaften innerhalb des Reichsverbandes nicht gekommen ist. Über die fränkischen Verhältnisse bis zu Chlodovechs Reichsgründung sind wir wenig unterrichtet, doch erfahren wir, daß das versammelte Heer über die Verteilung der Kriegsbeute zu beschließen hatte und daß schon in den ersten Begierungsjahren Chlodovechs die allgemeine Heerschau in campo March üblich war 4 . Man kann diese Versammlung, die 1
Vgl. WINKELMANN, Gesch. d. Angelsachsen 102ff.SGHMID, Ges. d. Angela. 595 f. Bei den Norwegern bestanden seit dem 9. Jahrhundert die Landschaften Frostuthing (Drontheim) mit acht, Gulathing und Eidsifjathing (Uplönd) mit je drei Volklanden; dazu kam im 12. Jahrhundert als vierte Landschaft das Borgarthing. In Schweden umfaßten die Stämme der Sviar und Gautar je sechs Landschaften. Dänemark zerfiel in die Landschaften Jiitland, Seeland und Schonen. Vgl. E . MAUSER bei HOLTZENDORFF, Encyklopädie6 3 5 1 f. 3 6 5 . 3 7 7 . K. LEHMANN, Königsfriede 1 1 . 1 0 4 f. 1 0 8 f. 1 6 6 ff. 1 7 3 . 1 7 8 f. 1 8 6 . v. AMIEA , Grundriß1 6 3 f. 7 4 ; Nordgerm. Obl.-R. 1, 17. 2, 25. * Vgl. v. AMIRA, Grundriß2 5 4 . LEHMANN, a. a. 0 . 105. 4 Der Bischof einer durch das siegreiche Heer geplünderten Kirche reklamierte bei dem König einen kostbaren Krug. Chlodovech forderte den Boten des Bischofs auf, ihm nach Soissons zu folgen, quia ibi euneta que adquisita sunt dividenda erunt; wenn ihm der Krug durch das Los zufallen sollte (cum mihi vas illud sors dederit), werde er ihn dem Bischof zurückgeben. Dehine adveniens Sexonas, eimctum onus praedae in medio positum, ait rex: „Bogo vos, o fortissimi proeliatores, ut saliim mihi ras istud — — extra partent conoidere non abnuatis." Nachdem die Versammlung unter dem Widerspruche eines einzigen, der dem König nur seinen Losanteil zuerkennen wollte und zum Zeichen der Beschlagnahme seine Waffe an den Krug legte, den Antrag des Königs genehmigt hatte, gab 9
DiefränkischeZeit.
150
nach der Lex Salica jedem Anwesenden den erhöhten Rechtsschutz des dreifachen Wergeldes gewährte, in der wohl auch die Thunginen gewählt wurden und Freilassungen vorgenommen werden konnten 5 , nicht als Stammesversammlung bezeichnen, denn sie umfaßte nur einen Teil des Stammes und später, nachdem Chlodovech sämtliche Franken unter seiner Herrschaft vereinigt hatte, auch die Angehörigen anderer Stämme und römische Frovinzialen. Die Versammlung hatte jetzt in erster Reihe keinen nationalen, sondern einen territorialen Charakter, sie war die Heeresversammlung des chlodovechischen Reiches6. Aber das versammelte Heer war auch damals noch das versammelte Volk, und da das Heer nach Provinzen und Gauen aufgestellt wurde, so bestand die Heeresversammlung thatsächlich aus einer Reihe von Stammesversammlungen, wenn auch die einzelnen Aufgebote in den meisten Fällen keineswegs vollzählig waren. Die allgemeinß Heeresversammlung wurde, weil sie in der Regel im März zusammentrat, als „Märzfeld" (Campus Martins) bezeichnet. Mögen Erwägungen militärischer Zweckmäßigkeit dabei mitgewirkt haben, jedenfalls beruhte das Märzfeld auf altgermanischem Brauche, der sich auch bei den Langobarden erhalten hatte 7 und an die übliche Zeit der alten Volklandsdinge anknüpfen mochte 8 . Während Childebert II. das Märzfeld noch in den letzten Jahren seiner Regierung regelmäßig abhielt 8 , ist es in Neustrien und Burgund früh außer Gebrauch gekommen. Dagegen erhielt es sich nach Ausbildung der Stammesherzogtümer in den austrasischen Landen als Stammesversammlung10, bis es von den arnulfingischen Hausmeiern wieder für das ganze Reich ins Leben gerufen wurde 11 . dieser den Krug an den Bischof zurück. Der Widerspruch des einzelnen Mannes blieb unberücksichtigt, aber er blieb auch unbestraft, da der Mann nur ein verfassungsmäßiges Recht, obwohl in einer den König beleidigenden Weise, ausgeübt hatte. Dann heifit es weiter von Chlodovech: Trcmsaoto vero anno iussit omnem. cum armorum apparatu advenire falamgam, ostensuram in eampo Marcio Horum, armorum nitorem. Bei der Heeresmusterung war der König-Herzog nicht wie im Ding der primus inter pares, sondern höchster Befehlshaber mit Gewalt über Leben und Tod; hier rächte er den ihm im Ding widerfahrenen Schimpf, indem er seinen Beleidiger wegen angeblich gebotswidriger Bewaffnung eigenhändig niederschlug. Gregor, Hist. Franc. 2, 27. — Von einer ribuarischen Stammesversammlung wurde Chlodovechs Erhebung zum König der Ribuarier beschlossen. Vgl. Gregor. Tur., Hist. Franc. 2, 40. 6 Vgl. Sora 38—50. 55 ff. * In diesem Sinne spricht Chlodovech in seinem Erlaß an die Bischöfe nach dem westgotischen Kriege (BOBETIUS, Capitularia 1, 1) von omnis exercitus noster und popuhts noster. 7 Die Gesetze Liutprands und seiner Nachfolger sind sämtlich vom 1. März datiert. Vgl. HEGEL, Gesch. d. Städte Verfassung von Italien 1, 449. * Vgl. S. 22. Auch die Darbringung der Geschenke an den König auf dem Märzfeld entsprach ganz dem alten Brauche. Vgl. WAITZ 2, 2 S. 245. 249. 3, 556. 8 Vgl § 32, Anm. 24. 10 11
V g l . WAITZ 2, 2 S . 1 7 8 — 1 8 2 . 226 ff. BRÜNNER, R G . 2, 129. V g l . WAITZ 2, 2 S. 227. 3, 5 5 8 .
§ 22. Der Reichstag.
151
Unter Pippin, der die Versammlung auf den Mai verlegte, erhielt das alte Märzfeld den Namen „Maifeld" (Campus Madius, Magiscampus), den es auch unter Karl dem Großen beibehielt, obwohl dieser die Versammlung häufig erst in den Sommermonaten berief 12 . Unter Ludwig dem Frommen höTte, obgleich er zahlreiche Reichsversammlungen abhielt, jede Regelmäßigkeit auf und der alte Name kam außer Gebrauch. Außer den Heeresversammlungen sind die Synoden der Bischöfe von hervorragendem Einfluß auf die Ausbildung des fränkischen Reichstags gewesen 1S. Die fränkischen Nationalkonzilien wurden regelmäßig durch den König berufen 14 . Die Anwesenheit von Laien bei denselben kam erst im Lauf des 7. Jahrhunderts auf, der kirchliche Charakter der Versammlungen wurde aber dadurch nicht verändert, indem der König und die mit ihm erschienenen Großen nur Zuhörer oder Berater, aber nicht mitstimmende Teilnehmer waren; die Verhandlungen wurden nicht von ihnen, sondern nur von den Bischöfen unterschrieben. Es gab keine concilia mixta wie bei den Westgoten. Den Vorsitz hatte einer der Metropoliten. Die Beschlüsse bedurften der Genehmigung des Königs 16 . Bei der einflußreichen Stellung der Bischöfe im fränkischen Reich wurden ihre Zusammenkünfte seitens des Königs gern benutzt, um mit Zuziehung der weltlichen Großen wichtige politische Angelegenheiten zur Beratung zu bringen. Man knüpfte derartige Notabelnversammlungen, die in Neustrien seit Mitte des 6. Jahrhunderts das Märzfeld ersetzten, in der Regel an die Landeskonzilien an, denen man sie vorangehen oder unmittelbar folgen ließ. Unter den Karolingern wurde es üblich, regelmäßig eine derartige Versammlung mit dem Maifelde zu verbinden, zur Vorbereitung der hier zu verhandelnden Gegenstände aber eine engere Herbstversammlung, zu der nur vertrautere Berater aus dem Kreise der geistlichen und weltlichen Großen entboten wurden, zu berufen 16 . Während die Herbstversammlung nur den Charakter eines Staatsrates trug, erschien das Maifeld als wirklicher Reichstag {generalis conventus, " Vgl. WAITZ 3, 561 f. Die Verlegung auf den Mai hat zuerst im Jahre 755 stattgefunden, und zwar aus militärischen Gründen, weil der vor dem 1. Mai auf den Feldern und Wiesen herrschende Futtermangel die Versammlung größerer Reitermassen unmöglich machte. Vgl. BBUNNER, ZRG-. 21, 12 (Forschungen 50). 18
Vgl. LÖNING, Kirchenrecht der Merowinger 130—156.
DAHN, K ö n i g e 7, 3
S. 319 ff. WEYL, Staatskirchenrecht der Merowinger 16 ff. 14 Das erste war das von Chlodovech kurze Zeit vor seinem Tode berufene Konzil zu Orleans von 511. Bis gegen Mitte des 7. Jahrhunderts wurde trotz der Reichsteilungen an den gemeinsamen Konzilien festgehalten, später gab es nur noch solche der Teilreiche. Vgl. MG. Leg. Sectio III., Concilia I. 1883. 16 Zuweilen dienten Konzilbeschlüsse als Grundlage für den Reichstag. So entsprach das Edikt Chlothars II. von 614 den Beschlüssen eines voraufgegangenen Pariser Konzils, die, allerdings mit bedeutenden Änderungen, Aufnahme in das Gesetz fanden. 16 Vgl. Hincmar, De ordine palatii c. 29—36.
Die fränkische Zeit.
152
concilium, placitum, synodus, synodalis conventus)17, der einesteils als Heer-
schau diente, anderenteils zur Erledigung der verschiedensten politischen Angelegenheiten, zu Akten der Gesetzgebung und zu hofgerichtlichen Entscheidungen benutzt wurde. Bein kirchliche Sachen erledigten die Bischöfe unter sich als Konzil 18 . Zu einer festen Form sind die Eeichstagsverhältnisse im „fränkischen Reiche nicht gelangt. Die Berufung war Sache des Königs. Der Versammlungsort war unbestimmt, in der Regel eine der königlichen Pfalzen. Ludwig begünstigte möglichst die Abwechselung zwischen den verschiedenen Teilen des Reiches. Nicht selten wurde die Reichsversammlung bei Beginn des Krieges, zuweilen auch erst auf der Heerfahrt selbst abgehalten. Jeder vom König berufene Beamte oder Vassall hatte die Pflicht, dem Gebote Folge zu leisten. Zum Maifeld wurden regelmäßig alle geistlichen und weltlichen Großen des Reiches, mit Einschluß der Kronvassallen, entboten. Lag der Schwerpunkt der Volksversammlungen schon in der germanischen Zeit mehr bei den Fürsten und Ältesten als bei dem Volke selbst, so traten in unserer Periode die Großen durchaus in den Vordergrund, namentlich seit die Ausdehnung des Reiches und die vielfache Inanspruchnahme einzelner Provinzen durch Grenzkriege die Berufung des ganzen Heeres immer schwieriger machten. In Neustrien galten die Großen während der Zeit, wo das Märzfeld außer Übung gekommen war, geradezu als die Vertreter des Volkes, aber auch in Austrasien beschränkte sich die Mitwirkung des Heeres darauf, daß demselben besonders wichtige Beschlüsse, wie über Königswahlen, Reichsteilungen, Krieg und Frieden und Akte volksrechtlicher Gesetzgebung, mitgeteilt und von ihm mit altherkömmlichen Beifallsbezeugungen zum Zeichen der „Folge" oder „Vollbort" entgegengenommen wurden 19 . Unter den Karolingern wurden alle Vorlagen, die regelmäßig vom König ausgingen, abgesehen von der etwaigen Vorbereitung in der vorangegangenen Herbstversammlung, zunächst vom König mit einem Ausschuß hervorragender Mitglieder des Reichstages durchberaten und sodann, wenn sie hier nicht gleich erledigt werden konnten, vor die Gesamtheit der Großen gebracht. Regelmäßig fand eine förmliche Verabschiedung des Reichstages durch den König statt Die Beschlüsse wurden aufgezeichnet, zuweilen 17
Andere Bezeichnungen waren ahd. sprdhha, colloqium. Vgl. S. III, Anm. 63. Fbensdobjt, Kecht und Rede 446 f. 18 Auch sonst schied sich der Beichstag bei seinen Beratungen in der Begel in eine geistliche und eine weltliche Kurie. Vgl. Hincmarus c. 35.' a Vgl. Waitz 3, 697 f. Schröder, Hist. Zeitschr. 79, 230. Die feierliche Vollbortserteilung durch Zusammenschlagen der Waffen (S. 24) kam nur noch in Ausnahmefällen vor (vgl. Ed. Both. 386). Dafür scheint das Erheben der Hände unter Beifallsrufen in Gebrauch gekommen zu sein. Vgl. Widukind, Bes gestae Saxonicae 1, 26. 2, 1.
§ 23. Das Heerwesen.
153
auch von den Anwesenden unterschrieben. Über kirchliche Angelegenheiten wurden gewöhnlich besondere Aktenstücke ausgefertigt, nicht selten hat man aber auch alles in einer Akte verbunden. Wegen ihrer Einteilung in Kapitel wurden die Aktenstöcke der karolingischen Reichstage capitula oder capitularía genannt. In der merowingischen Zeit fehlte es an einer einheitlichen Bezeichnung. Eine bestimmte Zuständigkeit gab es, abgesehen von den Fällen der Tolksrechtlichen Gesetzgebung, für den Reichstag nicht, aber es war üblich, daß der König keine wichtigeren Beschlüsse ohne die Großen faßte; doch hat erst Ludwig der Fromme in dieser Beziehung ein ausdrückliches Versprechen gegeben 20 . Soweit der König sich innerhalb seines Bannrechts hielt, war er rechtlich an die Beschlüsse des Reichstags nicht gebunden, derselbe hatte ihn nur zu beraten, seine Beschlüsse waren Gutachten ohne zwingende Bedeutung. Aber nicht leicht mochte sich der König mit einer entschiedenen Mehrheit der Großen in Widerspruch setzen. Die geringe Gewöhnung an unbedingten Gehorsam und die Neigung zu Abfall und Empörung war eine nicht zu unterschätzende Gewähr gegen den Mißbrauch der königlichen Rechte. § 23.
Das Heerwesen.
BRÜNNEB, RG. 2, § 87; Der Reiterdienst und die Anf&nge des Lehnwesens, ZRG. 21,1 ff. (Forsch. 39ff.).ROTH, Beneficialwesen 169 ff. 802 ff.; Feudalität 232ff.313 ff. S W A I T Z 2», 2 S. 205 ff. 4 , 531 ff. v. S Y B E L , Königtum 396 ff. B O R E T I Ü S , Beiträge zur Capitularienkritik 71—169. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 408 ff. BALDAMUS, Das Heerwesen unter den sp&teren Karolingern, 1879 ( G I E R K E , Untersuchungen 4). KAOTMANN, Deutsche Geschichte 2, 212 ff. 370 ff. D A H N , Könige 7, 2 S . 251 ff.; 8, 3 S. 212 ff.; DG. 1, 2 S. 630 ff. A R N O L D , Deutsche Geschichte 2, 2 S. 94 ff. G I E B K E , Genossenschaftsrecht 1, 105 f. W. S I C K E L , Zur Geschichte des Bannes 3 ff.; Gött. gel. Anz. 1890, S . 246 ff. 590 ff. P B E N Z E L , Beitr. z. Gesch. der Kriegsverfassung unter den Karolingern I . 1887. W I P P E R M A N N , Aufgebotsbrief an Abt Fulrad, Attendorner Progr. 1886. P O S T , Das Fodrum, Straßb. 1880. BODTABIC, Institutions militaires de la France, 1863. G L A S S O N , Histoire 2, 392 ff. 496 ff. V I O L L E T , Histoire 1, 436 ff. F U S T E L DE COULANGES , Monarchie firanque 288 ff. STENZEL, Versuch einer Geschichte der Kriegsverfassung Deutschlands im Mittelalter, 1820.
Im Gegensatz zu der Heerverfassung der meisten übrigen germanischen Staaten auf römischem Boden wurde im Frankenreich schon unter Chlodovechs Söhnen die allgemeine Wehrpflicht auch auf die römischen Provinzialen ausgedehnt, obwohl diese durch die Söldnerwirtschaft des sinkenden römischen Reiches dem kriegerischen Leben fast gänzlich entfremdet waren1. Die Wehrpflicht gestaltete sich demnach im fränkischen Reiche schon früh zu einer allgemeinen staatlichen TJnterthanenpflicht. Nicht der Empfang von Krongütern, wie früher eine jetzt allgemein aufgegebene 40
1
Vgl.
WAITZ 3,
595.
Daß die Heranziehung der Römer zum Kriegsdienst nicht schon unter Ghlodovech selbst erfolgt ist, hat erst BRUNNER, RG. 1, 302, bemerkt.
§ 23. Das Heerwesen.
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auch von den Anwesenden unterschrieben. Über kirchliche Angelegenheiten wurden gewöhnlich besondere Aktenstücke ausgefertigt, nicht selten hat man aber auch alles in einer Akte verbunden. Wegen ihrer Einteilung in Kapitel wurden die Aktenstöcke der karolingischen Reichstage capitula oder capitularía genannt. In der merowingischen Zeit fehlte es an einer einheitlichen Bezeichnung. Eine bestimmte Zuständigkeit gab es, abgesehen von den Fällen der Tolksrechtlichen Gesetzgebung, für den Reichstag nicht, aber es war üblich, daß der König keine wichtigeren Beschlüsse ohne die Großen faßte; doch hat erst Ludwig der Fromme in dieser Beziehung ein ausdrückliches Versprechen gegeben 20 . Soweit der König sich innerhalb seines Bannrechts hielt, war er rechtlich an die Beschlüsse des Reichstags nicht gebunden, derselbe hatte ihn nur zu beraten, seine Beschlüsse waren Gutachten ohne zwingende Bedeutung. Aber nicht leicht mochte sich der König mit einer entschiedenen Mehrheit der Großen in Widerspruch setzen. Die geringe Gewöhnung an unbedingten Gehorsam und die Neigung zu Abfall und Empörung war eine nicht zu unterschätzende Gewähr gegen den Mißbrauch der königlichen Rechte. § 23.
Das Heerwesen.
BRÜNNEB, RG. 2, § 87; Der Reiterdienst und die Anf&nge des Lehnwesens, ZRG. 21,1 ff. (Forsch. 39ff.).ROTH, Beneficialwesen 169 ff. 802 ff.; Feudalität 232ff.313 ff. S W A I T Z 2», 2 S. 205 ff. 4 , 531 ff. v. S Y B E L , Königtum 396 ff. B O R E T I Ü S , Beiträge zur Capitularienkritik 71—169. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 408 ff. BALDAMUS, Das Heerwesen unter den sp&teren Karolingern, 1879 ( G I E R K E , Untersuchungen 4). KAOTMANN, Deutsche Geschichte 2, 212 ff. 370 ff. D A H N , Könige 7, 2 S . 251 ff.; 8, 3 S. 212 ff.; DG. 1, 2 S. 630 ff. A R N O L D , Deutsche Geschichte 2, 2 S. 94 ff. G I E B K E , Genossenschaftsrecht 1, 105 f. W. S I C K E L , Zur Geschichte des Bannes 3 ff.; Gött. gel. Anz. 1890, S . 246 ff. 590 ff. P B E N Z E L , Beitr. z. Gesch. der Kriegsverfassung unter den Karolingern I . 1887. W I P P E R M A N N , Aufgebotsbrief an Abt Fulrad, Attendorner Progr. 1886. P O S T , Das Fodrum, Straßb. 1880. BODTABIC, Institutions militaires de la France, 1863. G L A S S O N , Histoire 2, 392 ff. 496 ff. V I O L L E T , Histoire 1, 436 ff. F U S T E L DE COULANGES , Monarchie firanque 288 ff. STENZEL, Versuch einer Geschichte der Kriegsverfassung Deutschlands im Mittelalter, 1820.
Im Gegensatz zu der Heerverfassung der meisten übrigen germanischen Staaten auf römischem Boden wurde im Frankenreich schon unter Chlodovechs Söhnen die allgemeine Wehrpflicht auch auf die römischen Provinzialen ausgedehnt, obwohl diese durch die Söldnerwirtschaft des sinkenden römischen Reiches dem kriegerischen Leben fast gänzlich entfremdet waren1. Die Wehrpflicht gestaltete sich demnach im fränkischen Reiche schon früh zu einer allgemeinen staatlichen TJnterthanenpflicht. Nicht der Empfang von Krongütern, wie früher eine jetzt allgemein aufgegebene 40
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Vgl.
WAITZ 3,
595.
Daß die Heranziehung der Römer zum Kriegsdienst nicht schon unter Ghlodovech selbst erfolgt ist, hat erst BRUNNER, RG. 1, 302, bemerkt.
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Die fränkische Zeit.
Ansicht annahm, auch nicht der Grundbesitz des einzelnen, wie Ton W A I T Z angenommen wurde, war das verpflichtende Moment, sondern die Unterthanenpflicht schlechthin oder, nach der unter Karl dem Großen maßgebend gewordenen Auffassung, der allgemeine Fidelitätseid, den jeder über zwölf Jahre alte Freie ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen dem König zu leisten hatte 2 . In dieser Beziehung bestand zwischen der Zeit der Merowinger und der Karolinger kein Unterschied; auch darin nicht, daß Priester und Mönche, obwohl sie ebenfalls den Unterthaneneid zu leisten hatten 3 , für ihre Person von der Wehrpflicht befreit waren 4 . Das Aufgebot zur Heerfahrt (bannitio in hostem) war ein ausschließliches Kronrecht, das jedoch in der Zeit des Verfalls auch von den Stammesherzogen ausgeübt wurde. Die Verkündigung des Heerbannes erfolgte unter den Merowingern in der Regel durch die ordentlichen Beamten, unter den Karolingern durch Königsboten oder Königsbriefe. Wer dem Aufgebot ohne echte Not keine Folge leistete, verfiel der Strafe des Königsbannes, der in dieser Beziehung auch „Heerbann" genannt wurde5. Entweichen aus dem versammelten Heere (herisliz) wurde als todeswürdiger Hochverrat betrachtet, und dasselbe galt in der Regel von der Verweigerung der Landfolge8. Das Aufgebot zur „Landfolge" oder ;,Land wehr" zur Abwehr feindlicher • Einfälle oder Unterdrückung landfriedensbrecherischer Unternehmungen 7 stand auch Herzogen, Markgrafen und Grafen zu. Landfolgepflichtig waren alle Einwohner ohne Ausnahme, auch die von der Heerfahrt befreiten Geistlichen8. Die von den Vorfahren übernommene Sitte, alljährlich im Frühjahr eine allgemeine Heerschau abzuhalten, als „Märzfeld", unter Pippin und Karl dem Großen als „Maifeld", wurde schon S. 150 berührt. Selbstverständlich war der König auch zu anderen Zeiten befugt, das Heer zu* Vgl. S. 109. BOBETIUS, a. a. 0. 109. 137. 142. Unfreie und Hörige unterlagen der staatlichen Wehrpflicht nicht, waren aber in manchen Gegenden landfolgepflichtig, auch konnten sie ihren zum Heer aufgebotenen Herrn als Diener begleiten. Vgl. SICKEI, Westd. Zeitschr. 16, 49; Gött. gel. Anz. 1896, S. 289 ff. 3 Vgl. LÖNING, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 311. * Vgl. ebd. 311 f.
BALDAUDS, a. a. 0 . 15. WEYL, Staatskirchenrecht d. Merow.
39 ff. Ebendaher das Erfordernis königlicher Genehmigung für den Eintritt in den geistlichen Stand (S. 145). Die Befreiung fiel fort, wenn ein Geistlicher rein weltlichen Geschäften oblag. Bischöfe und Äbte waren als Senioren ihrer Hintersassen stets auch persönlich zum Kriegsdienst verpflichtet. Vgl. WAITZ 4, 593 ff. BRUNNES, R G . 2, 214 f. 6
Vgl. S. 114 f. WAITZ 2, 2 S. 289. Der Gebrauch, das versammelte Heer selbst als „Heerbann" zu bezeichnen, kommt nicht vor dem 13. Jahrhundert vor, doch kennt schon die Karolingerzeit die Bezeichnung des Heeres als kostis bannitus. Vgl. WAITZ 4, 548. Über die zweifelhafte Bedeutung der sog. seaftlegi vgl. ebd. 4, 551. 8
7
SOHH 396. V g l . BBUNNEB, R G . 2, 215.
WAITZ 3, 309.
4, 581 f.
Das Wort lantweri ist schon im 9. Jahrhundert in dieser Bedeutung bezeugt. Vgl. WAITZ 4, 574. GKIMM, DWB. 6, 150. 8
Vgl. A n m . 2.
BALDAMUS, a. a. 0 . 51 ff.
23. Das Heerwesen.
155
sammentreten zu lassen. Erst das versammelte Heer vermochte in altgermanischer Weise, auch gegenüber dem mächtigsten Einzelwillen, dem Willen der Gesamtheit Geltung zu verschaffen9. Bei der Ausdehnung des Reiches war ein Gesamtaufgebot aller Waffenpflichtigen kaum jemals, weder zum März- oder Maifeld noch in außerordentlichen Fällen, notwendig oder auch nur durchführbar. Immer mußten die für die Wahrung der öffentlichen Ordnung und die Bestellung des Bodens unentbehrlichen Kräfte zurückgelassen werden. Auch sonst richtete sich alles nach dem Bedürfnis der Gesamtheit und der Lage der verschiedenen Provinzen. Waren einzelne Teile des Reiches in Grenzkriege verwickelt oder von solchen bedroht, so konnten ihre Mannschaften nicht zu Feldzügen in die Ferne verwendet werden. Die bessere Marschbereitschaft des Heeres erforderte eine stärkere Heranziehung der dem Kriegsschauplatz zunächst gelegenen Landesteile, während die entfernteren geschont werden konnten. Oft mußten auch Mißwachs oder Verheerungen durch Feindes- oder Naturgewalt den Anlaß geben, einzelne Gegenden in der Ausbeutung ihrer Wehrkraft schonender zu behandeln, auch konnte die Lage des Einzelnen eine besondere Berücksichtigung erheischen. Über alles dieses entschied, wie ehedem das Landesding, so jetzt der König. Aus der Zeit der Karolinger besitzen wir eine Reihe von Erlassen, die man früher für organisatorische Gesetze gehalten und als die Grundlage einer neuen Ordnung des Heerwesens angesehen hat; durch die Untersuchungen von BOBETIUS ist festgestellt, daß wir es nur mit Einzelmaßregeln für gegebene Fälle, Mobilmachungsplänen für bestimmte Heerfahrten, zu thun haben, denen jeder prinzipielle Charakter abgeht, wenn sich auch gewisse gemeinsame Züge, die sich gewohnheitsrechtlich ausgebildet haben mochten, erkennen lassen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß in derselben Weise schon die Merowinger verfahren sind. Anch die Art, wie die Wehrpflicht der Unterthanen ausgebeutet wurde, besteht zwischen der Merowinger- und Karolingerzeit kein grundsätzlicher Unterschied, nur blieb früher die Berücksichtigung der Einzelinteressen wohl in höherem Grade der Beurteilung der örtlichen Behörden überlassen, während die Karolinger diesen nur in beschränktem Maße das Recht, einzelne Wehrpflichtige für unabkömmlich zu erklären, zugestanden haben; alles Wesentliche wurde durch königliche Verordnungen festgesetzt, deren Durchführung zwar Sache der Grafen war, aber der Aufsicht der Königsboten unterlag. Schön unter den Merowingern ist es zuweilen vorgekommen, daß ein einzelner Haushalt nur einen Mann zu stellen brauchte, so daß ein Familienmitglied an Stelle des anderen ausziehen konnte10. Einzelnen Kirchen wurde die Gunst zu teil, daß ihre bäuerlichen Hintersassen regelmäßig daheim gelassen wurden; wenn dann ein späterer König auch hier • Vgl. WAITZ 2, 2 S. 206 f.
>° Vgl. WAITZ 2, 2 S. 212 Note, der hierin den Beweis findet, daß die Wehrpflicht auf dem Grundbesitz geruht habe. Vgl. BRUNNER 2, 203.
Die fränkische Zeit.
156
den Heerbann geltend machte, so wurde das als eine Verletzung alter Gewohnheiten übel empfunden 11 . Unter den Karolingern traf der König seine Bestimmungen, sowohl hinsichtlich der Verteilung der Gestellungspflicht wie inbetreff der von dem einzelnen Wehrmann zu beschaffenden Waffenrüstung (da der Staat keine Waffen stellte), regelmäßig nach dem Maßstabe des Vermögens, wobei in den austrasischen Gegenden mit reiner Naturalwirtschaft ausschließlich die Grundbesitzverhältnisse berücksichtigt wurden 12 , während die höhere Kultur Neustriens und namentlich Italiens es ermöglichte, auch die Verhältnisse des beweglichen Vermögens in Betracht zu ziehen. Unter Ludwig dem Frommen, vielleicht schon unter Karl, wurde die Herstellung von Stammrollen angeordnet, in denen die Wehrpflichtigen nach Vermögensklassen verzeichnet wurden13. Bei den einzelnen Aufgeboten wurde in der Kegel eine bestimmte Vermögenseinheit festgesetzt; wer diese besaß, hatte persönlich mit der vorgeschriebenen Ausrüstung zu erscheinen, während alle übrigen, auf Grundlage jener Vermögenseinheit zu Gruppen vereinigt, je einen Mann stellten, der von seinen Genossen durch einen bestimmten Beitrag (adiutorium) unterstützt werden mußte. Dabei wurde es mehr und mehr üblich, daß die Grafen und Senioren ihrerseits für den Stellvertreter (oft wohl aus der Reihe ihres unfreien Kriegsgesindes) sorgten und dafür die Beisteuer für eigene Rechnung erhobenM. Brückenbau, Wach- und Patrouillendienste (wacta, warda) wurden als gemeine Unterthanenlasten behandelt, für welche die in den Heerbannplänen aufgestellten Unterschiede nicht in Betracht kamen. Während in allem bisherigen eine prinzipielle Übereinstimmung des merowingischen und karolingischen Heerwesens hervortritt, haben sich in anderer Richtung Gegensätze von entscheidender Bedeutung geltend gemacht. Bis gegen Mitte des 7. Jahrhunderts trug das Heer einen durchaus einheitlichen und staatlichen Charakter. Die bei den Römern übliche Trennung der Civil- und Militärbeamten war in die fränkische Verfassung nicht übergegangen. Der König erließ den Befehl zum Zusammentritt des Heeres an seine Beamten, die ihn in ihren Bezirken verkündigten, an der Spitze ihrer Mannschaften auszogen und von den ohne Ent" Vgl. § 1 7 Anm. 5 1 . ! * Darauf allein stützen sich die Ausführungen von WAITZ, durch die (gegen ROTH) der dingliche Charakter der Wehrpflicht erwiesen werden soll. Übrigens macht WAITZ, 4 , 5 8 4 n., selbst darauf aufmerksam, daß wenigstens in Italien die im Hause des Vaters lebenden Söhne mitausziehen mußten: Quod si plures filios kabuerii, utiliores omnes pergant, tantum unus remaneat qui tnutilior fuerit. Die Bestimmung ist zwar erst von 866, aber um so entscheidender, als das alte Prinzip der allgemeinen persönlichen Wehrpflicht je länger je mehr durch den zunehmenden Feudalismus beeinträchtigt wurde. Vgl. BOBETIUS-KBAUSE, Capitularia 2 , 9 5 , "
14
V g l . WAWZ 4, 5 1 2 f.
BOBETIUS, a . a . O . 1 2 7 f .
Vgl. BBÜNHER, R G . 2 , 2 0 6 f. Auf diese Weise erklären sich wohl auch die als „Heerschilling" und „Heermalder" bezeichneten Abgaben in Westfalen. Vgl. KÖTZSCHKE, Hist. VJSchr. 2 , 2 3 1 ff.
§ 23.
Das Heerwesen.
157
schuldigung Ausgebliebenen den Heerbann eintrieben. Unter dem von seinem Gefolge (trustis regis) umgebenen Könige oder einem von ihm ernannten Oberfeldherra standen die einzelnen Truppenteile entsprechend der staatlichen Gliederung nach Hundertschaften, Gauen und Herzogsbezirken unter ihren Centenaren, Grafen und Herzogen, nur die Vorgesetzten (decará) der dem römischen Heerwesen entlehnten Zehntschaften (contubernio), die etwa unseren Eorporalschaften entsprechen mochten, bekleideten eine ausschließlich militärische Stellung 16 . Das Heer selbst bestand, abgesehen von den stets berittenen Antrustionen, fast nur aus Fußtruppen, die ausschließlich mit Schwert, Schild und Streitaxt ( i francisca) bewaffnet waren und in altgermanischer Weise in keilförmigen Kolonnen (cunei) aufgestellt wurden 16 . Größere Reiterscharen kamen nicht mehr vor, auch das mit ßeitern gemischte Yortreffen der „Hundert« (S. 38) war außer Übung gekommen 17 . Erst die Kämpfe mit den rossegewandten Mauren führten zunächst bei den Westgoten und Aquitanien], seit Karl Martell in zunehmendem Maße im ganzen fränkischen Heer, wenn auch vorerst mit größerem Erfolg nur in Westfranken, zu einer veränderten militärischen Taktik, die den Schwerpunkt des Heeres in die Reiterei verlegte. Die Umwandlung des Märzfeldes in ein Maifeld seit 755 (S. 151) läßt erkennen, daß das Frankenheer schon damals eine zahlreiche Reiterei umfaßte, sodaß die Abhaltung der regelmäßigen Heerschau iu der futterarmen Zeit des März unthunlich erschien. Die Veränderung der Heerverfassung hat zur Ausbildung des Lehnwesens geführt und kann nur im Zusammenhange mit diesem zur Darstellung gebracht werden. Seinerseits führte das Lehnwesen zu einer Durchbrechung der staatlichen Ordnung im Heere, indem die einzelnen Senioren mit ihren Vassallen besondere Heereskörper bildeten, denen bald auch die nichtritterlichen Hintersassen der Senioren eingefügt wurden. Kur wer sein eigener Herr war, diente noch unter seinem Grafen unter königlichem Banner; wer von einem Lehnsherrn oder Grundherrn abhing, folgte diesem ins Feld, er hatte seinen eigenen Bannerherrn und erschien im Heere des Königs nur als mittelbarer Unterthan. Der König erließ das Aufgebot nicht mehr ausschließlich an seine Beamten, sondern es erging gleichzeitig an die Grafen, um es den unmittelbaren Unterthanen, und an die Senioren, tim es ihren Vassallen und Hintersassen zu verkündigen. Die Senioren hafteten für die Strafe des Heerbannes, wenn ihre Leute sich dem Dienst entzogen. Für die Gruppen der ärmeren Heerpflichtigen übernahmen ihre Grundherren die Beschaffung der Stellvertreter und erhoben dafür die von den Wehrpflichtigen zu zahlende Beisteuer. 19
Vgl. WAITZ 1, 488 ff. 2, 2 S. 212. Über fränkische und bäuerische Dekane vgl. W . SICKEL, Beitr. z. deutsch. Verf.-Gesch. (S. 104) 546 ff., über baierische Centenare im Heere ebd. 515. Alamannische Zehntschaften behauptet CRAMER, Gesch. d. Alamannen, 1899. >• Vgl. Prokop, Bell. Goticum 2, c. 25. " Vgl. BRUNNER, ZRG. 21, 2 ff, Forsch. 41 ff.
Die fränkische Zeit.
158
§ 24.
Die Entstehung des Lehnwesens.
BRUNNES, E G . 2, 207 ff. 242—274; Der Reiterdienst und die Anfänge des
Lehnwesens (Forschungen 39 ff. ZRG. 21, 1 ff.); Zur Geschichte des Gefolgswesens (ZRG. 22, 210 ff. Forschungen 75 ff.); Landschenkungen der Merowinger und der Agilolfinger (Beri. SB. 52, 1173 ff. Forschungen 1 ff.); Mithio und sperante«, i. d. Beri. Jurist. Abh. für G. Beseler, 1884. ROTH, Geschichte des Benefici&lwesens, 1850: Feudalität und Unterthanenverband, 1863; Säkularisation des Kirchengutes unter den Karolingern, Münchener hist. Jahrbuch 1, 275 ff. "WAITZ, VG. 2*, 1 S. 293 ff. 3®, 14 ff. 36 ff. 4», 176 ff. 362 ff. 596 ff. 610. 637 f.; Anfänge der Vassallität, 1856 (Abhandl. z. VG. 178 ff. Abh. d. Gött. Ges. d. W. 7); Abhandlungen z. VG. 301 ff.; Anfänge des Lehnwesens, Histor. Zeitschr. 13, 90 ff. (Abh. 318 ff.) W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 15, 158 ff. 16, 49 ff. STÜTZ, Lehen und Pfründe, ZRG. 38, 213 ff. VIOLLET, Histoire 1, 419 ff.; Hist. du droit civil 626 ff. GLASSON, Histoire 2, 588 ff. FUSTEL DE COULANGES, Les origines du syst féodal (Hist. des inst polit. IV. 1890). FLACH, Les origines de l'ancienne France 1, 83 ff. 117 ff. 2, 491 ff. ESMEIN, N. Revue 1894, S. 523 ff. MENZEL, Entstehung des Lehnwesens, 1890. v. DANIELS, Handbuch 1, 499 ff. 511 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 107 ff.
124 ff. ABNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 112 ff. DAHN, Könige 7, 1 S. 206 ff. 8, 2 S. 98 ff.; Deutsche Geschichte 1, 2 S. 499 ff. KAUFHANN, Deutsche Geschichte 2, 215 ff. 262 ff.; Entstehung der Vassallität, Jahrbücher f. Nat.-Ökon. u. Statistik 23, 105 ff.; Säkularisation des Kirchengutes durch die Söhne König Martella, ebd. 22, 73 ff. LAMPBECHT, Deutsche Geschichte 2, 97 ff. 102 ff. GAESONNET, La recommandation et les bénéfices à l'époque franque, N. Revue 2, 443 ff. VANDERKINDEBE, Introduction 213 ff. DOVE, i. d. Realencyklopädie f. Theologie 14, 41 f. HAHN, JBB. d. fränk. Reichs 741—752, S. 178 ff. ÖLSNEB, JBB. d. fränk. Reichs unter Pippin 1 ff. 478 ff. RIBBECK, Die Divisio des fränk. Kirchenguts, 1883. EHBENBEBG, Gommendation und Huldigung nach fränk. Recht, 1877 (vgl. SOHM, Jenaer Litt.-Zeitung 1879, Nr. 22). BEAUDOUIN, Etude sur les origines du régime féodal (Annales de l'Enseignement supérieur de Grenoble 1, 39 ff. 74 ff.). DIPPE, Gefolgschaft und Huldigung im Reiche der Merowinger, 1889. BOCTABIC, Origines du régime féodal, 1875. DELOCHE, La trustis etc. sous'les deux premières races, 1873. PARDESSUS, Loi Salique, diss. 5. v. AMBA, Grundriß9 117 f. 128. HEUSLEB, Institutionen 1, 130 f. K. MAUBEB, 'Krit. Überschau 2, 388 ff. SCHMID, Ges. d. Angelsachsen 664 ff. PABST, FDG. 2, 502 ff. KEMBLE, Die Sachsen in England (fibers. von BBANDES) 1, 131 ff. SALVIOLI, Manuale di storia del diritto italiano (1892)J.98 ff. PASQUALE DEL GIUDICE, Feudo, origine e introduzione in Italia, 1893. KIENEB, Verf.-Geschichte d. Provence 45 ff. 105 ff. Das Lehnwesen beruhte auf einem persönlichen und einem dinglichen Element. Das persönliche war die Vassallität, ein eigentümliches Dienst- und Treueverhältnis des Mannes (homo, fideKs, vassus) zu seinem Herrn (senior). Das dingliche Element lag in dem Benefizialwesen, der Hingabe eines Leihegutes zu lebenslänglicher Nutzung. Mit der Verbindung beider Elemente war die Entstehung des Lehnwesens vollendet. Die Geschichte hat beide Elemente zunächst getrennt zu behandeln. 1. Die V a s s a l l i t ä t Das Wesen der Vassallität auf der Höhe ihrer Entwickelung beruhte auf der unter Treueid und Handreichung vollzogenen Kommendation des Mannes in den Schutz und Dienst des Herrn; nur eines freien Mannes würdige Dienste (ingenuili ordine) hatte der Mann zu leisten; im Vordergrund stand die Pflicht zu Keiterdienst und
§ 24. Die Entstehung des Lehnwesens.
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Hoffahrt. Die aristokratische, den Bedürfnissen nicht mehr genügende „Trustis" räumte der den verschiedensten Lebensbedürfnissen sich anpassenden Vassallität das Feld. Nicht bezweifeln läßt sich, daß die Vassallität erst durch das Vorbild der germanischen Gefolgschaft zu ihrer vollen Entwickelung gelangt ist und insoweit als eine Fortbildung derselben betrachtet werden muß, aber die Ausgangspunkte sind bei beiden verschieden gewesen1. Die Gefolgschaft war germanischen Ursprungs und hatte vonjeher einen vorwiegend staatsrechtlichen Charakter, dagegen war die Vassallität ursprünglich ein privatrechtliches Institut, dessen Entstehung in Gallien zu suchen ist. Während es bei den Germanen als unvereinbar mit der Freiheit galt, sich einem anderen Freien dauernd zu Diensten zu verpflichten, berichtete schon Cäsar von den gallischen Bittern: ut quisque est genere copiisque amplissimus, ita plurimos circum se ambactos clientesque habet2. Es ist bekannt, daß dies Verhältnis noch im 5. Jahrhundert andauerte: die gallische Nation zerfiel in zwei Klassen freier Leute, die Großgrundbesitzer (potentes, potentiores) und die Schutzbefohlenen (cUentes), die durch freiwillige Ergebung (se commendare) unter die Vogtei (patrocinium) der ersteren gekommen waren s . Dieselben Personen erscheinen in Urkunden des 6. und 7. Jahrhunderts als atnici, suscepti, gasindi, pares, iuniores, seit dem 8. Jahrhundert vorzugsweise unter dem Namen vassi oder vassalli*. Die Wirkung der Schutzabhängigkeit unter Freien war eine zwiefache. Seinen Schutzbefohlenen gegenüber war der Schutzherr verpflichtet, alle ihnen widerfahrene Unbill zu ahnden, für sie zu klagen, ihren Totschlag zu rächen, das Wergeid einzutreiben, darum hießen sie seine spe1
Während WAITZ die selbständige Entwickelung der Vassallität vertritt und die Bedeutung der Trustis für Bie verkennt, legt umgekehrt Bora, der die Vassallität ausschließlich als eine jüngere Form der Trustis betrachtet, zu großes Gewicht auf die letztere. Erst EHKENBERG hat darauf aufmerksam gemacht, daß die ursprünglich durchaus selbständige Vassallität im 8. Jahrhundert durch die Aufnahme des Treueides und der Handreichung zu einer der Trustis entsprechenden Gestalt gelangt ist und diese dann in sich aufgenommen hat. * Bell. Gall. 6, c. 15. Cäsar deutet an, daß die Klienten von ihren Herren als kriegerisches Dienstgefolge verwendet wurden. Vgl. ebd. 3, c. 22 über die soldurii. Vgl. KLUGE, Etym. WB. unter Amt. * Vgl. Salviaaus, De gubern. Dei 5, §§38 f. (MG. Auct. antiqu. 1, 62). FLACH, a. a. 0. 1, 73 ff. BRAÜMANN, Die principes der Gallier und Germanen (s. S. 27) 27 ff. * Vgl. ROTH, Beneficialwesen
156 ff. WAITZ 2,
1 S. 252—262.
BRUNNER,
Mithio 4 a. 6 f.; RG. 2, 260 ff. W. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1886, S. 570f.; 1887, S. 822 ff. STÜTZ, a. a. 0. 238. Über vassus, vassallus WAITZ 2, 1 S. 222 f. 4, 242. ROTH, Beneficialwesen 367 f. THONISSEN, a. a. 0. 148 ff. Das Wort ist gallischer Herkunft (vgl. kymr. gwds, gwasawl) und schon in zahlreichen Eigennamen aus Inschriften der römischen Kaiserzeit nachzuweisen. Die Grundbedeutung („Insasse einer Wohnstätte", d. h. bei dem Herrn oder auf dessen Besitztum) erinnert an mansionarius (S. 49) und verschiedene germanische Ausdrücke für die Gefolgsmannen (S. 38 n.). Das Wort bezeichnete einen Diener (frz. valet, afrz. vaslet),
Die fränkische Zeit.
160
rantes oder swcepti6; andererseits war er jedem Dritten für die Übelthaten seiner Schutzbefohlenen persönlich verantwortlich, wenn er es nicht Torzog, sie behufs ihrer eigenen Verantwortung vor Gericht zu stellen. Dieser von der Lage der königlichen Schutzbefohlenen (S. 114) wesentlich verschiedene Zustand ist durch die Gesetzgebung Chlothars II. und den ältesten Teil des ribuarischen Volksrechts ausdrücklich bestätigt 6 . Aus dem letzteren ergiebt sich zugleich, daß die gallische Klientel im Laufe des 6. Jahrhunderts auch in Austrasien Eingang gefunden hatte. Das Dienstverhältnis wurde als obsequium bezeichnet7. Als ein die ganze Persönlichkeit ergreifendes Verhältnis wurde es, im Gegensatz zu kündbaren Dienstverträgen, immer auf längere Zeit, in der Regel wohl auf Lebenszeit eingegangen. Das 8. Jahrhundert kennt nur noch die Kommendation auf Lebenszeit8. Die Dienste der Schutzbefohlenen waren der verschiedensten Art 9 . Während die Kolonen bäuerliche Abgaben und Dienste dessen Stellung und Herkunft im einzelnen eine sehr verschiedene sein konnte. Die mlat. Bezeichnung valvassor (frz. vavasseur) für einen geringeren Vassailen scheint aus vassaMus vassörum (Aftervasaall) entstanden zu sein. Vgl. Diez, Etym. WB. I. unter Vassallo, und besonders Windisch , Vassus und Vassallus, Ber. d. Bächs. Ges. d. W. 1892, S. 157 ff. 8 Vgl. Bbunneb, Mithio 7 n. 8 ff. 8 Vgl. Edikt von 614, c. 15 (Boretius 1, 22). Lex Ribuaria 31, 1. 2. Daß das hier erwähnte obsequium nicht als ein kündbares Dienstverhältnis, sondern als ein durch Kommendation auf längere Zeit, wenn auch nicht gerade auf Lebenszeit, begründetes Schutzverhältnis aufzufassen ist, wird durch die Titelüberschrift einer Handschrift der älteren Textklasse (De eis ingenuü hominibus, qui in obsequio se eommendant) bestätigt. Vgl. Bbunneb, Mithio 13 f. Waitz 2, 1 S. 254. Hevsleb, Institutionen 1, 121. 126. Kaufmann , Entstehung 117 f. Anderer Meinung Roth, Beneficialwesen 167; Feudalität 314. Ehrenbbro, a. a. 0. 6 ff. ' Vgl. Anm. 6. 8.
9
Waitz 4, 272 n.
Vgl. Anm. 8. Die Mitte des 8. Jahrhunderts abgefaßten Formeln von Tours enthalten ein Kommendationsformular (Form. 43, Zecheb 158, Rozitas Nr. 43), das die Fortdauer der alten Klientelverhältnisse deutlich erkennen läßt: Domino magnifieo illo ego enirn iUe. Dum et omnibus habetur percognitum, qualiter ego minime habeo, trnde me pascere vel vestire debeam, ideo petii pietati vestrae, et mihi decremt voluntas, ut me in vestrum mundoburdum tradere vel eommendare deberem; quod ita et feei; eo videlicet modo, ut me tam de vietu quam et de vestimento, iuxta quod vobis servire et promereri potuero, adiuvare tel consolare debeas, et dum ego in capud advixero, ingenuili ordine tibi servieium vel obsequium inpendere debeam et de restra potestate vel mundoburdo tempore vitae meae potestatem non habeam subtrahendi, nisi sub restra potestate vel defensione diebus vitae meae debeam permanere. üiide eonvenit, ut, si unus ex nobis de has eonvementiis se emutare voluerit, solidos tantos pari suo eonponat, et ipsa eonvenentia firma permaneat. Unde eonvenit, ut duas epistolas uno tenore eonseriptas ex hoe imter se faeere vel adfirmare deberent; quod ita et feeerunt. Ehbenbebg, a. a. 0. 140, macht darauf aufmerksam, daß die Formel nur Dienst- und Schutzverhältnis, abe.r keine Treupflicht erwähnt, seine daraus gezogenen Folgerungen sind aber unrichtig, weil er die Entstehung der Formel fast um 200 Jahre zu früh ansetzt 9 Über Kommendation bei der Aufnahme von Geistlichen in die Hofkapelle vgl. Stvtz, a. a. O. 235*. Aus besonderen Gründen kamen auch sonst Kommendationen von Geistlichen vor, während die Pfründenverleihung regelmäßig ohne Kommendation erfolgte. Vgl. ebd. 236 ff.
§ 24. Die Entstehung des Lehnwesens.
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leisteten, andere den Schutzherrn an dem Gewinn eines Handwerkes oder städtischen Gewerbes teilnehmen ließen, kommen hier nur solche in Betracht, die ihrem Herrn als kriegerisches Gefolge dienten. In den rechtlosen Zeiten des sinkenden Merowingerreiches mußte gerade diese Klasse für die Grundherren von hervorragender Bedeutung sein. Je zahlreicher die inneren Fehden unter den Großen wurden, desto mehr waren sie bedacht, sich mit einem starken Kriegsgesinde zu umgeben; wer nicht über die entsprechende Zahl unfreier Leute gebot, mußte Freie anwerben und darüber hinaus sich für den Notfall auch der Kriegshilfe hintersässiger Bauern versichern. So gewöhnte man sich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts von allen Seiten daran, die Großgrundbesitzer als Senioren an der Spitze ihrer Leute ausziehen zu sehen 10 . Die arnulfingischen Hausmeier haben daran nichts geändert, vielmehr dem Seniorat der Grundherren Gelegenheit zu organischer Ausgestaltung gegeben. Die Arabereinfälle hatten zu der Erkenntnis geführt, daß man sich der Überwältigung durch ein Beitervolk mit einem fast nur aus Fußtruppen bestehenden Heer auf die Dauer nicht würde erwehren können u . Die einzige berufsmäßige Beiterei des fränkischen Heeres bestand in der königlichen Trustis 12 , deren Mitglieder gegen Ende der Merowingerzeit größtenteils nicht mehr dauernd am Hofe, sondern abgeschichtet auf ihren Gütern lebten und sich nur auf besonderen Befehl zur Hoffahrt oder Heerfahrt bei Hofe einstellten. Da jeder nur für seine Person zum Reiterdienst verpflichtet war, so war ihre Zahl zu gering, um militärisch ins Gewicht zu fallen. Die von Karl Martell in Angriff genommene, unter seinen Söhnen durchgeführte Veränderung der fränkischen Heeresverfassung ging darauf aus, einerseits die Zahl der königlichen Gefolgsmannen zu vermehren, andererseits jedem derselben die Stellung einer gewissen Zahl von Bitterpferden zur Pflicht zu machen. Zur Beschaffung der dazu erforderlichen Mittel diente eine Zwangsanleihe bei der durch den Islam schwer bedrohten Kirche 13 . Die erforderlichen Mannschaften gewann man durch eine Beform der Yassallität, indem von den bisher nur zu privaten Diensten verschiedenster Art verwendeten Yassen die zum Beiterdienst geeigneten nach Maßgabe des Bedürfnisses von ihren Herren ausgerüstet wurden, um unter ihrer Führung an den Beichsheerfahrten teilzunehmen. Damit gewann die vorher rein private Stellung der rittermäßigen Vassen einen staatsrechtlichen Charakter, der bald auch darin 10 Daß dies auch bei eigentlichen Heerfahrten der Fall war, scheint aus einem Diplom Childeberts III. (S. 115 n.) hervorzugehen, nach dem unter Theoderich III. ein neustrischer Großer, der sich der Teilnahme an einer Heerfahrt gegen Austrasien entzogen hatte, in eine Geldstrafe von 600 solidi genommen worden war. 11 Daß das Bedürfnis nach Reiterei den maßgebenden Grund für den Übergang zum Lehnwesen abgegeben hat, ist erst von B R U N N E S festgestellt worden. Anderer Meinung M A Y E B , Deutsche u. franz. Verf.-Geschichte 2, 160. 12 Außer dem Könige hatte auch die Königin Antrustionen. 18 Als „Zwangsanleihe" wird der Angriff auf das Kirchengut unter Karl Martell passend von B B U N N E R bezeichnet. K . SCHRÖDER,
Deutsche Rechtsgesehichte.
4.
Aufl.
U
162
Die fränkische Zeit.
zum Ausdruck gelangte, daß der früher gemeinsame Titel vassus, vassallus nur noch auf sie Anwendung fand, während ihre in der bisherigen Stellung verbliebenen ehemaligen Standesgenossen, die nicht von Rittersart waren, den Anspruch auf diese Bezeichnung verloren. Da die dienstlichen Aufgaben der Yassen sich kaum noch von denen der Antrustionen unterschieden (denn • auch die Verpflichtung zur Hoffahrt wurde auf sie ausgedehnt), so erfolgte auch der Eintritt in die Vassallität nunmehr unter denselben Formen: durch Kommendation mit Treueid und Handreichung seitens des Mannes, durch Waffenreichung seitens des Herrn 14 . Der letztere hatte dem Vassalien die ganze rittermäßige Ausrüstung und, wenn dieser nicht dauernd am Hofe leben sollte, statt des Lebensunterhaltes ein beneficium zu gewähren 15 . Auch von den zahlreichen Vassen des Ednigshofes wurden viele zum Reiterdienst verwendet und gelangten so zu völliger Gleichstellung mit den Antrustionen, denen gegenüber sie bis dahin nur ein Königsgefolge zweiter Klasse dargestellt hatten. Indem jeder Unterschied zwischen Kronvassallen und Antrustionen verschwand, geriet der besondere Titel der letzteren in Vergessenheit, man unterschied unter den Rittern fernerhin nur noch zwischen Kronvassallen und Privatvassallen; soweit die letzteren einen Kronvassallen zum Herrn hatten, erschienen sie als des Reiches Aftervassallen ie . Der König selbst wurde als der oberste Senior (monseigneur) betrachtet. 2. Das B e n e f i z i a l w e s e n 1 7 . Die ältere Ansicht, nach der schon 14 Vgl. S. 34. 36. Cap. miss. von 805, II. c. 9 (Boretius 1, 124): ut nulli altert per saeramentumfidelitaspromittatur, nisi nobis et unicuique proprio seniori ad
nostram utilitatem et sui senioris. Statt einer Waffe (Schwert, Speer, Fahne) konnte auch ein Stab als Investitursymbol verwendet werden. Vgl. Waitz 3, H i n . 16 Über Pferd und Waffen als Gabe bei der Eommendation vgl. Brunneb, EG. 2, 267; Reiterdienst 25; Landschenkungen 1189. K. Maubeb, Erit. Übersch. 2, 393. Remble, Sachsen in England 1, 144. 2, 82 ff. Die Waffen- oder Stabreichung wird von Bbunneb, RG. 2, 272 f., als Hingabe einer wadia für die Gewährung des Lebensunterhaltes oder des versprochenen Lehns aufgefaßt. Für die fränkische Zeit gewiß richtig, aber in der germanischen Zeit, die den Vertrag mit wadia in außergerichtlicher Anwendung noch nicht kannte, wird der Sinn ein anderer (der des „Lohngeldes", S. 63) gewesen sein. 16 Das altfrz. drut (ahd. trüt) hat mit trustis nichts zu thun. Während die Eronvassallen und ihre Mannen zu dem Seiche direkt oder indirekt in vertragsmäßigem Verhältnis standen, beruhte die Heerbannpflicht der reinen Privatvassallen nur auf staatsrechtlicher Grundlage. Das Reich verlangte ihren Dienst auf Grund der allgemeinen Unterthanenpflicht, und zwar in der Form des Reiterdienstes, weil sie ein für diesen genügendes Maß an Lehnsbesitz hatten. Vertragsmäßig verpflichtet waren sie nur gegen ihren Senior, der für sie eine gewisse Zahl von Baueru daheimlassen und zur Heersteuer heranziehen konnte. Dass sie gleich den Aftervassallen unter der Führung ihres Seniors standen, beruhte auf der allgemeinen Einräumung der gräflichen Rechte in militärischer Beziehung an die
Senioren. Vgl. Bbunkeb 2, 268. Beaüdouin, Etüde 17 ff.
17 Über len und veixla bei den Nordgermanen vgl. E. Herzberg i. d. Germanist. Abh. f. Maurer (s. S. 5) 283ff. K. Lebmann, ZDA. 39, Anzeiger S. 8f.
V. AHntA" 129.
§ 24.
Die Entstehung des Lehnwesen.
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die Landschenkungen der Merowinger vassallitische Pflichten erzeugt haben sollten, ist heute allgemein aufgegeben 18 . Die Wehrpflicht war eine allgemeine Unterthanenpflicht, für die Benefizienbesitzer kam nur noch in Betracht, daß das Reich von ihnen ebenso wie von allen größeren Allodialbesitzern Reiterdienste verlangte. Eben um die Zahl der reiterdienstfahigen Grundbesitzer zu vermehren, war Karl Martell bald nach der siebentägigen Schlacht von Foitiers zu einer umfassenden Einziehung kirchlicher Güter geschritten 19 . Ihn unterstützte dabei ebenso das unmittelbare Interesse der Kirche an der Abwehr der Ungläubigen, wie die Auffassung der Reichskirchen teils als Schutz- teils als Eigenkirchen des Königs. Unter seinen Söhnen Karlmann und Pippin wurde die Angelegenheit in der Weise gesetzlich geregelt, daß ein Teil der Güter zurückgegeben wurde, der Rest aber dem König zur Verfügung blieb, um zur Unterstützung der Heerpflichtigen verliehen zu werden; die vom König Beliehenen sollten einen Zins an die Kirche, der das betreffende Besitztum gehörte, entrichten; der Kirche wurde das Heimfallsrecht nach dem Tode des Beliehenen, dem König aber das Recht anderweitiger Verleihung vorbehalten20. Die Quellen bezeichnen diese Maßregel als divisio; sie trug die Form einer bloß provisorischen Maßregel, ist aber im weiteren Verlauf thatsächlich zu einer endgültigen geworden und wird daher von der Wissenschaft mit Recht als eine Säkularisation bezeichnet21. 18 Durch das Verdienst von ROTH. Auch WAITZ hat in den neuesten Auflagen seine frühere gegenteilige Ansicht im wesentlichen nicht mehr vertreten. 19 Vgl. Miracula S. Benedicti c. 14 (MABILLON, Acta Sanctorum 2, 372). 90 Die Regelung erfolgte in verschiedener Weise, für die unter Karlmann stehenden austrasischen Länder 743 auf dem Reichstag (Märzfeld) zu Lestinnes (Liptinas, heute Estinnes), für Neustrien unter Pippin auf dem zu Soissons 744
(BORETIUS, Capitularía 1 , 28 c. 2. 29 c. 3).
MÜHLBACHEB, R e g e s t e n 1, Nr. 45. 53.
Vgl. Schreiben des Papstes Zacharias an Bonifaz von 745 und 751 (JAFFÉ, Mon. Mogantina 150. 225). WAITZ 3, 36 ff. Die ausführliche Bestimmung des Kapitulars von Lestinnes lautet: Statuimus quoque cum Consilio servorum Dei et populi christiani, propter inminentia bella et perseeutiones ceterarum gentium quae in cireuitu nostro sunt, ut sub preeario et censu aliquam partem eeelesialis peeuniae in adiutorium exereitus nostri cum indulgentia Dei aliquanto tempore retineamus (dieser Ausdruck wurde gewählt, weil Karlmann das Jahr vorher versprochen hatte, alle fraudatas pecunias eccksiarum zurückzugeben, BORETIUS, a. a. 0 . 25, c. 1), ea conditione, ut armis singulis de unaquaque casata (nach dem Brief des Papstes ab wnoquoque coniugio servorum) solidus, id est duodecim denarii, ad ecdesiam vel ad monasterium reddatur; eo modo, ut, si moriatur Ule, cui pecunia commodata fuit, ecclesia eum, propria pecunia reveslita sit. et iterum, si necessitai cogat, ut princeps iitbeat, precariutn rmovetur et rescribatur novum. et omnino obsemetur, ut aecclesia vel monasteria penuriam et paupertatem non patiantur, quorum pecunia in precario praestita sit; sed si paupertas cogat, aecclesiae et domui Dei reddatur integra possessio. 21 Vgl. WAITZ 3, 38. 4, 183. Restitutionen sind im allgemeinen nur da erfolgt, wo eine einzelne Kirche zu schwer belastet worden war. Vgl. TARDIF, Monumente historiques (1866) S. 128 (867). G-UÉRARD, Cart. de l'église de Notre Dame de Paris 1, 245. 11*
Die fränkische Zeit.
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Die Landschenkungen der Merowinger hatten in der Regel Eigentum auf den Beschenkten übertragen, vererbliches und veräußerliches Eigentum freilich nur ausnahmsweise, wenn dies ausdrücklich hervorgehoben wurde, sonst nur unveräußerliches Eigentum, oder doch mit sehr beschränkter Vererblichkeit Demgegenüber konnten Kirchengüter gesetzlich nur zu Nießbrauch verliehen werden 22 . Derartige Kirchenlehen hießen von altersher precariae (ursprünglich das Verleihungsgesuch, während die Verleihungsurkunde praestaria hieß), und ihr Vorbild ist offenbar auch für die neuen königlichen Verleihungen maßgebend gewesen. Da es sich aber bei diesen ebenso wie bei den um dieselbe Zeit aufkommenden kirchlichen Pfründeverleihungen (S. 147) nur um Dienste höherer Art handelte, während sich die Prekarien mit ihren Zinsen und bäuerlichen Diensten mehr und mehr nur in den unteren Kreisen bewegten, so bürgerte sich für die neue Leihe das auch für die Prekarie verwendete Wort beneficium als ausschließliche Bezeichnung ein 23 . Die für die vassallitischen Benefizien bestimmten Kirchengüter wurden entweder unmittelbar durch den König selbst, oder auf Anordnung des Königs, nach dem Vorbilde der früheren precariae verbo regis, durch Zustellung eines kirchlichen Leihebriefes verliehen24. Der Beliehene hatte der Kirche den seit 743 festgesetzten Zins von einem Schilling Silbers für die Hufe (häufig jedoch nur einen unbedeutenden Bekognitionszins), außerdem seit einer Bestimmung Karls des Großen von 779 einen doppelten Zehnten (nona et decima), d. h. einen zweiten Zehnten neben dem üblichen Kirchenzehnten, zu entrichten 2B . Die Verleihung kirchlicher Güter hat alsbald das Vorbild für die Verleihungen königlicher Benefizien, die seitdem überwiegend an die Stelle der älteren tTbertragungsformen traten, gegeben. Auch die Großen des Reiches nahmen ihrerseits wieder Verleihungen eigener Güter oder Afterverleihungen empfangener königlicher oder kirchlicher Lehen vor. Selbst Zölle, Forstrechte, Fischereien u. dgl. kamen bereits als Gegenstände der Verleihung in Gebrauch; dagegen ist die Verleihung öffentlicher Ämter erst seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts üblich geworden26. Die Benefizien wurden regelmäßig auf die Lebenszeit des Empfängers verliehen, nach seinem Tode (Mannsfall) aber nicht selten zu gunsten seines Erben erneuert 27 . Beim Wechsel des Herrn (im Herrnfall) bedurften die vassallitischen Lehen regelmäßig der Erneuerung, was aber, M
Vgl. ROTH, Feudalität 147 f.
"
V g l . BRUNNER, R G .
1 , 211 f.
ROTH, a . a . O . 1 4 2 ff. 1 4 7 ff. 1 7 7
ff.
STUTZ,
a. a. 0 . 2 2 1 . 2 2 9 ff. Für die Identität beider Bezeichnungen WAITZ 2 , 1 S. 2 9 9 . 4 , 1 7 9 ff. 6 S , 1 1 2 ff. M Vgl. WAITZ 4, 189 ff. Rom, Feud. 167. MÜHLBACHER, Regesten Nr. 74. BRUNNES, Reiterdienst SO. " Vgl. WAITZ 4, 192 ff. 230. ROTH, Feud. 125 f. RAGUT, Cart. de S t Vincent de Macon Nr. 57. 156. 26 Das Verfahren bei der Kommendation Tassilos bezog sich wohl nur auf seine Person, nicht auf eine Verleihung des Herzogtums als solchen. 27
V g l . WAITZ 4 , 2 2 5
ff.
BRÜNNER, R G . 2 , 2 5 2 . 2 5 5 f .
§ 24.
Die Entstehung des Lehnwesens.
165
wie sich aus dem Gegensatz der kirchlichen Pfründen ergiebt, eine Folge der Kommendation war und nicht auf dem Benefizialwesen beruhte28. 8. Die Verbindung der Vassallität mit dem B e n e f i z i a l wesen. Die Einziehung des Kirchengutes unter Karl Martell hatte schon denselben Zweck, wie ausgesprochenermaßen die gesetzlich geregelte Säkularisation unter seinen Söhnen, sie sollte in adiutorium exercitus dienen. Die Benefizien kamen ausschließlich solchen Personen zu gute, die schon als Antrustionen zum Reiterdienst verpflichtet waren oder sich zu sofortiger vassallitischer Kommendation bereit erklärten. Es ist nicht anzunehmen, daß Karl seine Gaben verschwendet haben sollte, wo ihm die Kommendation verweigert wurde. Zweifellos sind auch seine Nachfolger, nachdem sie das ganze Verfahren auf gesetzlichen Boden übergeleitet hatten, auf demselben Wege vorgegangen. Daß jemand ein Benefizium vom König empfing, bevor er sich ihm kommendiert hatte, wird immer die Ausnahme gewesen sein. Andererseits gab es noch unter Karl dem Großen Männer des königlichen Gefolges, die in der Weisender alten Antrustionen zu der Tafelrunde des Königs gehörten und gleich den belehnten Kronvassallen durch das dreifache Wergeid ihres Geburtsstandes ausgezeichnet waren; aber der Antrustionentitel hat sich verloren, sie heißen jetzt vassi regis, wie die belehnten Senioren, oder homines Franci29. Der kerlingische Sagenkreis und der Artusroman drehen sich noch nach Jahrhunderten um die Palatine Karls und die Tafelrunde des Königs Artus; der Verfasser des Heliand, ein Zeitgenosse Ludwigs des Frommen, faßt die Jüngerschar Jesu als das Kriegsgesinde des Himmelskönigs auf und das deutsche Volksepos verherrlicht die Mannen (mäge unde man) Dietrichs von Bern, Gunthers von Worms und des Hunnenkönigs Etzel. Noch der Dichter des Waltharius (Vers 150—164) schildert im 10. Jahrhundert die Abneigung des in servitio regis befindlichen Mannes gegen die Gründung eines eigenen Herdes und Bewirtschaftung eines Lehens: Nil tarn dulce mihi, quam semper inesse fideli obsequio domini. Aber diese Auffassung war im wesentlichen schon ein Jahrhundert zuvor aus dem Leben verschwunden. Bereits die alten Gefolgsmannen pflegten in ihrem Herrn nicht bloß den Brotspender (ags. hläford), sondern ganz besonders auch den Goldfreund (goldvine) und Kleinodspender (sinegifa) zu verehren. Seit es üblich geworden war, die Vassailen mit Benefizien zu belohnen, richteten auch die bis dahin noch nicht abgeschichteten königlichen Gefolgsmannen, die sich in nichts mehr von den Vassailen unterschieden, ihr ganzes Streben auf den Erwerb von Lehen. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts war diese Entwickelung im wesentlichen zum Abschluß gekommen. Nicht daß es fernerhin keine anderen als vassallitische Benefizien gegeben hätte, aber 88
V g l . STÜTZ, a . a. 0 . 2 4 4 f f .
BBUNNER, R G . 2 ,
252f. 255; ZRG. 30,
129.
WAITZ, Anfänge der Vassallität 38 (Abhandl. 215); Anfänge des Lehnwesens 107 (Abh. 336). ROTH, BW. 417 ff.; Feud. 180 ff. 29
Vgl. Anm.
16.
ROTH, F e u d . 2 1 8 — 2 2 3 .
BRUNNEB 2, 2 6 3 f.
Die fränkische Zeit.
166
die unbelehnten Vassailen waren seitdem verschwunden die Waffenreichung war zur Investitur, die überreichte Waffe zum Investitursymbol geworden und die Investitur galt, wie ehedem die Gabe, als ein notwendig mit der Kommendation verbundener Akt. § 25.
Die Gerichtsverfassung.
BRUNNER, RG. 2, §§ 77. 85. 88. 94; Entsteh, d. Schwurgerichte 70 ff.; Die Herkunft der Schöffen, Mitteil. d. öst. Inst. 8, 177 ff. (Forschungen 2 4 8 ff.). SOHM, Fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; ferner bei WETZELL, Syst d. Civilprozess«!sa 3 4 3 ff. WAITZ 1", 342 f. 2 8 , 2 S. 135 ff. 4?, S. 365 ff.; Das alte Recht 134 ff. 143 ff. v. AMIRA* 157 ff. DAHN, Könige 7, 3 S, 2 2 — 6 6 ; 8, 3 S. 1 — 8 3 ; DG. 1, 2 5 . 638 ff. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr. 78, 196 ff. v. BETHMANN-HOLLWEG, Germ.-roman. Civilprozeß 1 , § 66. 2 , § § 7 5 — 7 7 . W . SICKEL, Entstehung des Schöffengerichts, ZRG. 19, 1 ff.; Gött gel. Anz. 1890, S. 577 ff. HERHANN, Entwicklung des altd. Schöffengerichts, 1881 (GIERKE, Unters. 10). v. SAVIGNY, Gesch. d. röm. R. im MA.'
1, 185 ff. 7, 5 ff. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire en France, 1886. BEAUDOUIN, Participation des hommes libres au jugement dans le droit franc (auch N . Revue 11, 4 5 0 ff. 5 5 7 ff.). PARDESSUS, Loi Salique, diss. 9. FUSTEL DE COULANQES, Recherches 3 7 2 — 5 2 8 ; Monarchie franque 3 0 4 — 4 0 6 . GLASSON, Histoire 3, 2 5 3 — 3 8 9 . VIOLLET, Histoire 1, 3 0 7 ff. THONISSEN, Organisation judiciaire 45 ff. 372 ff. SALEILLES, Du rôle des scabins et des notables dans les, tribunaux carolingiennes, Revue hist. 40, 286 ff. MONOD, Les moeurs judiciaires au 7. siècle, ebd. 35, 1 ff. ESMEIN, La chose jugée dans le droit de la monarchie franque, N. Revue 1 1 , 5 4 5 ff. PLATON, Le mallus ante theoda vel thunginum et le mallus legitimus, 1889 (vgl. ZRG. 24, 206).
v. DANIELS, Handbuch 1, 554 ff. THUDICHUM, Gau- u. Markverfassung 89 ff.
Zeitschr. d. V . f. hess. Gesch. NF. 5. 2 1 0 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 210 ff. v. SYBEL, Entstehung des Königtums 385 ff. TH. SICKEL, Wiener SB. 47, 266 ff. HÜBNER, Gerichtsurkunden der frfink. Zeit, Beilage der ZRG. 25. 27. COHN, Justizverweigerung, 1876. H. O. LEHMANN, Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränk. Recht, 1883. PERTILE, 6, 18 ff. HESEL, Städteverfassung Italiens 2, 37 ff. UNOER, Altdeutsche Gerichtsverfassung, 1842. G. L. MAURER, Gesch. d. altgerm. Gerichtsverfahrens, 1824. BURCHARD, Hegung der deutschen Gerichte, 1893. KIENER, Verf.-Gesch. d. Provence 71 ff. 129 ff.
SCHENK ZU SCHWEINSBEBO,
Die Darstellung der fränkischen Gerichtsverfassung hat von den ordentlichen Gerichten auszugehen und sodann das Königsgericht ins Auge zu fassen. Die kirchlichen und privaten Gerichte gehören nicht in den Kähmen der Reichsverfassung, können aber im Interesse einer vollständigen Übersicht hier nicht ausgeschlossen bleiben. Die Verfassung der ordentlichen Gerichte hat drei Entwickelungsstadien durchgemacht, wir unterscheiden die Zeit der Lex Salica, die des fränkischen Reiches bis auf Karl den Großen und die karolingische Gerichtsverfassung. 1. Die o r d e n t l i c h e n Gerichte. Das Volksrecht der salischen Franken hatte die Grundzüge der germanischen Gerichtsverfassung im wesentlichen festgehalten 1 . Das ordentliche Gericht war das Hundertschaftsgericht. Der regelmäßige Richter war noch der vom Volke ge1
Vgl. S. 40 ff. 126 f.
Die fränkische Zeit.
166
die unbelehnten Vassailen waren seitdem verschwunden die Waffenreichung war zur Investitur, die überreichte Waffe zum Investitursymbol geworden und die Investitur galt, wie ehedem die Gabe, als ein notwendig mit der Kommendation verbundener Akt. § 25.
Die Gerichtsverfassung.
BRUNNER, RG. 2, §§ 77. 85. 88. 94; Entsteh, d. Schwurgerichte 70 ff.; Die Herkunft der Schöffen, Mitteil. d. öst. Inst. 8, 177 ff. (Forschungen 2 4 8 ff.). SOHM, Fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; ferner bei WETZELL, Syst d. Civilprozess«!sa 3 4 3 ff. WAITZ 1", 342 f. 2 8 , 2 S. 135 ff. 4?, S. 365 ff.; Das alte Recht 134 ff. 143 ff. v. AMIRA* 157 ff. DAHN, Könige 7, 3 S, 2 2 — 6 6 ; 8, 3 S. 1 — 8 3 ; DG. 1, 2 5 . 638 ff. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr. 78, 196 ff. v. BETHMANN-HOLLWEG, Germ.-roman. Civilprozeß 1 , § 66. 2 , § § 7 5 — 7 7 . W . SICKEL, Entstehung des Schöffengerichts, ZRG. 19, 1 ff.; Gött gel. Anz. 1890, S. 577 ff. HERHANN, Entwicklung des altd. Schöffengerichts, 1881 (GIERKE, Unters. 10). v. SAVIGNY, Gesch. d. röm. R. im MA.'
1, 185 ff. 7, 5 ff. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire en France, 1886. BEAUDOUIN, Participation des hommes libres au jugement dans le droit franc (auch N . Revue 11, 4 5 0 ff. 5 5 7 ff.). PARDESSUS, Loi Salique, diss. 9. FUSTEL DE COULANQES, Recherches 3 7 2 — 5 2 8 ; Monarchie franque 3 0 4 — 4 0 6 . GLASSON, Histoire 3, 2 5 3 — 3 8 9 . VIOLLET, Histoire 1, 3 0 7 ff. THONISSEN, Organisation judiciaire 45 ff. 372 ff. SALEILLES, Du rôle des scabins et des notables dans les, tribunaux carolingiennes, Revue hist. 40, 286 ff. MONOD, Les moeurs judiciaires au 7. siècle, ebd. 35, 1 ff. ESMEIN, La chose jugée dans le droit de la monarchie franque, N. Revue 1 1 , 5 4 5 ff. PLATON, Le mallus ante theoda vel thunginum et le mallus legitimus, 1889 (vgl. ZRG. 24, 206).
v. DANIELS, Handbuch 1, 554 ff. THUDICHUM, Gau- u. Markverfassung 89 ff.
Zeitschr. d. V . f. hess. Gesch. NF. 5. 2 1 0 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 210 ff. v. SYBEL, Entstehung des Königtums 385 ff. TH. SICKEL, Wiener SB. 47, 266 ff. HÜBNER, Gerichtsurkunden der frfink. Zeit, Beilage der ZRG. 25. 27. COHN, Justizverweigerung, 1876. H. O. LEHMANN, Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränk. Recht, 1883. PERTILE, 6, 18 ff. HESEL, Städteverfassung Italiens 2, 37 ff. UNOER, Altdeutsche Gerichtsverfassung, 1842. G. L. MAURER, Gesch. d. altgerm. Gerichtsverfahrens, 1824. BURCHARD, Hegung der deutschen Gerichte, 1893. KIENER, Verf.-Gesch. d. Provence 71 ff. 129 ff.
SCHENK ZU SCHWEINSBEBO,
Die Darstellung der fränkischen Gerichtsverfassung hat von den ordentlichen Gerichten auszugehen und sodann das Königsgericht ins Auge zu fassen. Die kirchlichen und privaten Gerichte gehören nicht in den Kähmen der Reichsverfassung, können aber im Interesse einer vollständigen Übersicht hier nicht ausgeschlossen bleiben. Die Verfassung der ordentlichen Gerichte hat drei Entwickelungsstadien durchgemacht, wir unterscheiden die Zeit der Lex Salica, die des fränkischen Reiches bis auf Karl den Großen und die karolingische Gerichtsverfassung. 1. Die o r d e n t l i c h e n Gerichte. Das Volksrecht der salischen Franken hatte die Grundzüge der germanischen Gerichtsverfassung im wesentlichen festgehalten 1 . Das ordentliche Gericht war das Hundertschaftsgericht. Der regelmäßige Richter war noch der vom Volke ge1
Vgl. S. 40 ff. 126 f.
§ 25.
Die Gerichtsverfassung.
167
wählte Thungin, der jährlich acht- bis neunmal (also alle 40 Nächte) in alter Weise in einer der zu seinem Gau gehörigen Hundertschaften an althergebrachter Malstätte (malloberg) das echte Ding {mallus legitimus, m. publicus), jedesmal mit dreitägiger Dauer, abhielt2. Außerdem konnte je nach Bedürfnis unter dem Vorsitz des Thungins oder des zuständigen Centenars gebotenes Ding, wie es scheint mit ausschließlicher Zuständigkeit für Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, abgehalten werden3. Beide Gerichte waren Vollgerichte, zu denen alle mündigen Freien der Hundertschaft dingpflichtig waren4. Das Urteil wurde von einem Ausschuß von sieben Rachinburgen (S. 44) vorgeschlagen, die, wie es scheint, in jeder Tagung neu von dem Richter aus der versammelten Gerichtsgemeinde ausgewählt wurden. Durch die Vollbort des Dingvolkes wurde der Urteilsvorschlag der Rachinburgen zum Urteil erhoben. Die Vollstreckung war Sache des Grafen, mit dem, soweit es sich um die Eintreibung fiskalischer Gerichtsgefälle handelte, die Sakebaronen als außerordentliche königliche Kommissare konkurrierten. Der Graf als Vollstreckungsbeamter hatte jedem echten Ding beizuwohnen. Noch in den letzten Regierungsjahren Ghlodovechs muß der Vorsitz im Gericht vom Thungin auf den Grafen übergegangen sein5. Derselbe behielt die Aufsicht über die Gefängnisse und die Vollstreckung der Urteile, das unmittelbare Organ für die Vollstreckung der Civil- und Strafurteile waren aber seitdem die Schultheißen, die als Vollzugsbeamte jedem Grafengericht beizuwohnen hatten 6 ; in den romanischen Landesteilen lag die Urteilsvollstreckung den Vikaren, bei Todesurteilen den Tribunen ob (S. 131). Regelmäßiger Richter im gebotenen Gericht war der Centenar, in den romanischen Gebieten der Vikar, und zwar der erstere kraft eigenen Rechts, der Vikar nur als ständiger Vertreter des Grafen, der den Vorsitz jederzeit auch selbst einnehmen konnte. Im echten Ding ließ der Graf sich immer nur durch Spezialbevollmächtigte (missi comitis) und in dieser Form zuweilen auch durch Schultheißen oder Vikare, aber nicht durch einen von ihm unabhängigen Centenar vertreten7. Das 3 Vgl. SOHM, a. a. 0 . 68 f. 3 9 2 ff. BRDNNER, R G . 2 , 1 5 0 f, 2 1 7 f. Eine Variante zur Lex Sal. 63 bat vielleicht für mallas auch die Bezeichnung tunchinium, was auf mhd. dune (placitum) hinweisen würde und an das gleichbedeutende ahd. ahta erinnert. Vgl. jedoch VAN HELTEN S. 4 5 7 n. 3
4
Vgl.
SOHM 3 9 0 f .
BRDNNER 2 ,
161.
Vgl. SOHM 69. 370 f. Anderer Meinung hinsichtlich des gebotenen Dinges S I C K E I , Beitr. z. deutsch. VG. (S. 104) 486 f. 5 Vgl. SOHM 1 5 0 f. Die Änderung findet sich schon in dem ersten Zusatzkapitular zur Lex Salica. 8 Vgl. SOHM 2 3 4 f. 2 5 7 f. Die unmittelbare Vollziehung der Strafen, namentlich der Todesstrafen, lag unfreien Schergen (milites, satellites, lietores) im Dienst des Grafen ob. Die fränkische Gerichtsverfassung als solche besaß dafür keine Beamten. ' Vgl. SOHM 409. 413. 416 f. 510 f. W. S I C K E I , Entsteh, d. Schöffengerichts 51; Beitr. z. deutsch. VG. 512 f.
Die fränkische Zeit.
168
echte Ding war Grafengericht, das gebotene Ding dagegen Centenar- oder Vikargericht. Die Übernahme des Richteramtes durch den Grafen hatte nicht die Bildung eines eigenen Grafschaftsgerichts zur Folge. Die ßechtspflege bewegte sich nach wie vor innerhalb der einzelnen Hundertschaften, es gab auch fernerhin nur Hundertschaftsgerichte an den althergebrachten Dingstätten und in der alten Zusammensetzung, aber die Hundertschaftsgerichte waren für die ganze Grafschaft zuständig, sämtliche Hundertschaftsgerichte in idealer Einheit bildeten das Grafschaftsgericht8. Die altsaliscbe Echtedingfrist von 40 Nächten oder (nach etwas anderer Berechnung) von sechs Wochen wurde festgehalten9, es fand also auch jetzt noch acht- bis neunmal jährlich echtes Ding statt, und zwar für die ganze Grafschaft; die Echtedinglast verteilte sich, indem der Graf von einem Gericht zum anderen reiste, über sämtliche Hundertschaften der Grafschaft10, so daß, da diese durchschnittlich vier Hundertschaften umfaßte, in der Regel jährlich zwei Echtedinge auf die einzelne Hundertschaft kamen11. Das gebotene Ding wurde nach Bedürfnis, in der Begel wohl alle 14 Nächte, abgehalten12. Dasselbe war nicht mehr auf Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschränkt, es übte auch eine gewisse Gerichtsbarkeit in geringeren Streitsachen und diente für die im echten Ding anhängigen Prozesse zur Abhaltung von Zwischenterminen13. Da auch das gebotene Ding jeder Hundertschaft für die ganze Grafschaft zuständig, aber nicht an die echte Dingstätte gebunden war, so konnte die ganze Last des gebotenen Dinges auf eine einzelne Hundertschaft gewälzt werden14. Die Urteile wurden ganz wienach der Lex Salica von sieben sitzenden Bachinburgen vorgeschlagen, von der übrigen Gerichtsgemeinde, dem Umstand (adstantes), durch ausdrückliche oder stillschweigende Yollbort bestätigt16. Gerichtsschreiber waren den salischen Franken und den Alamannen unbekannt Wenn sich ein Bichter zu gerichtlichen Zwecken einen Schreiber hielt» so stand dieser gleich dem Büttel in seinem Privatdienst, * Vgl. SOHM 3 2 9 ff. Da die Gerichte in den verschiedenen Hundertschaften der Grafschaft eine Einheit bildeten, so konnte dieselbe Sache nacheinander an mehreren Dingstätten verhandelt werden. 9 10
V g l . SOHM 3 9 8 ff. 4 3 0 f. V g l . SOHM 2 7 3 ff.
WAITZ 2, 2 S. 140.
" Erstes Kapitular Karls des Grofien von 7 6 9 — 7 7 0 , c. 1 2 (BOBETIOS 1 , 4 6 ) : Ut ad mallum venire nemo tardet, primum circa aestatem, secimdo circa autumnum. ad alia vero placita, si neeessitas fuerit vel demmciatio regis urgeat, vocatus venire nemo tardet Vgl. SOHM 3 9 7 f. 11 So wenigstens in der karolingischen Zeit. Vgl. SOHM 437 f. " Vgl. SOHM 413 f. 418. 427 ff. Lex Ribuaria 50, 1. Form. Andec. 31—33. M
15
V g l . SOHM 3 7 4 £
Vgl. SOHM 3 7 3 f. WAITZ 2 , 2 S. 166 f. Im weiteren Sinne diente der Rachinburgentitel zur Bezeichnung solcher Personen, welche die zu einem Bachinburgen erforderlichen Eigenschaften besaßen. Vgl. BKUNNER 2, 2 2 0 .
§ 25. Die Gerichtsverfassung.
X. Die ordentlichen Gerichte.
169
ein amtliches Organ des Gerichts war er nicht. Dagegen kannte das ribuarische Recht eigene Gerichtsurkunden (iudicia), die von einem am Gericht angestellten Schreiber, unter eigener Verantwortlichkeit für den Inhalt, geschrieben und im Streitfall von ihm und den unterschriebenen Zeugen beeidigt wurden. Unter Karl dem Großen wurde diese Einrichtung auch auf die westfränkischen und alamannischen Gerichte ausgedehnt, die Gerichtsschreiber wurden zu verfassungsmäßigen Organen der ordentlichen Gerichte, deren Anwesenheit zwar nicht zur vollständigen Besetzung des Gerichts, wohl aber zur ordnungsmäßigen Beurkundung der Gerichtsverhandlungen erforderlich war 16 . Die grundlegenden N e u e r u n g e n K a r l s des G r o ß e n bezogen sich teils auf die bessere Sicherung der Rechtspflege, teils auf die Entlastung der Gerichtsgemeinden und den Schutz derselben gegen willkürliche Bedrückungen der Grafen. Dem ersten Zweck diente die Einführung fester Schöffenkollegien an Stelle der bisher nur für jede einzelne Sitzung gebildeten Rachinburgenausschüsse. Die Schöffen [scabini)17 wurden von den Grafen oder Königsboten aus den angeseheneren Dingpflichtigen, also den größeren Grundbesitzern oder Vassalien, und zwar unter Mitwirkung der Gerichtsgemeinde, ernannt und auf ihr Amt (ministerium) vereidigt 18 . Wenn nicht eine Amtsentsetzung notwendig wurde, bekleiVgl. BRUNNER, KG. 2, 185 ff.; Zur EG. der Urkunde 235 ff. 244; Gerichtszeugnis und fränk. Königsurkunde (Festgaben für HefFter, 1873) 144 ff. BBESSI.AU, Urkundenbeweis und Urkundenschreiber im älteren deutsch. Recht, FDG. 26, 1 ff.; U r k u n d e n l e h r e 1 , 4 4 4 ff. 4 8 0 ff. BETHMANN - HOLLWEO ,
a. a. 0 . 2 ,
30 f.
ZEUMER,
N. Archiv 8, 475 f. SOHM. in den Noten zur L. Rib. 59, 2—7: 66, 1; 88 (MG. Leg. 5), entgegen seiner früheren Auffassung, Reichs- und Gerichtsverf. 526 ff. SICKEL , Beitr. z. deutsch. Verf.-Gesch. (s. S. 125) 469 f. Die Gerichtschreiber (caneeliarii, notarii, ammanuenses) wurden durch die Grafen, sp&ter durch die Königsboten (Cap. miss. von 803, c. 3, BOBETIUS 1, 115) ernannt. Ihr Amt erstreckte sich auf die ganze Grafschaft, auch Verhandlungen auswärtiger Gerichte, die Grundstücke aus ihrem Amtsbezirk betrafen, konnten sie beurkunden. Es genügte, wenn die Gerichtsurkunde die eigenhändige firmatio und subscriptio des Gerichtschreibers trug. Oft begnügte er sich mit einer an Ort und Stelle aufgenommenen kurzen Notiz („Imbreviatur"), meistens auf der Rückseite des für die Reinschrift bestimmten Pergamentes („Dorsualschrift"), auf Grund deren er später die Reinschrift anfertigen ließ. Bei den Baiern, Sachsen, Thüringern und Friesen haben die ständigen Gerichtschreiber wohl keinen Eingang gefunden; etwa erforderliche Schreiber wurden bei den Baiern für jede Sitzung besonders bestellt (iussi). Vgl. BRUNMER, Zur RG. d. Urkunde 251 f. 17 Über- die Ableitung des Namens (von afränk. scapan, got. gaskapjan, s c h a f f e n ) v g l . GRIMM, R A . 7 7 5 f.
WAITZ 4, 3 8 9 ff. v . AMIRA ' 153. 157.
HERMANN,
Schöffengericht 163 ff. Andere Bezeichnungen waren iudiees, auditores, iuridiei, legum doctores, legis latores. Vgl. WAITZ 4, 391. STEINMEYER U. SIEVERS 1, 541. In Westfranken blieb die alte Benennung Rachinburgen für die Schöffen noch lange in Gebrauch, der beste Beweis für die Entwickelung [der letzteren aus den ersteren. V g l . SOHM 3 8 3 ff. 18
Vgl. Cap. miss. von 809 c. 22 (§ 19, n. 6). Cap. miss. Worm. von 829 c. 2 (BORETIUS-KRAUSE 2, 15): Uti missi nostri, ubimmque malos scabinos invenicmt, eieiant, et totius populi consensu in locum eorum bonos eligamt. et cum electi
Die fränkische Zeit.
170
deten sie ihre Stellung auf Lebenszeit 19 . Die Schöffen waren zunächst Hundertschaftschöifen, konnten aber im Fall des Bedürfnisses auch in anderen Gerichten der Grafschaft, unter Umständen selbst in auswärtigen Grafschaften zugezogen werden 20 . Die zur ordnungsmäßigen Besetzung der Gerichte erforderliche Zahl von sieben Schöffen 21 brauchte demnach nicht in jeder Hundertschaft vorhanden zu sein; in der Regel scheint die Grafschaft nur zwölf besessen zu haben 2 3 . Die allgemeine Dingpflicht wurde von Karl auf die echten Dinge beschränkt; zum gebotenen Ding sollten von den Grafen und Centenaren fortan nur die Schöffen und die Parteien sowie die geladenen Zeugen entboten werden 23 . Das echte Ding blieb Grafengericht (später „Landgericht") und Vollgericht, das gebotene Ding (minus placitum) war fortan regelmäßig Centenargericht und Schöffengericht. I m echten Ding konnte nur der Graf oder ein Delegierter (missus) des Grafen das Richteramt führen 2 4 ; gegen Ende unserer Periode kamen, namentlich in Westfranken, auch schon ständige Substituten (vicedomini, vicecomites) vor 8 6 . Da der Graf nur der Diener des Königs war, so konnte dieser jederzeit persönlich fuerint, iurare faeia/nt, ut scienter mimte iudieare non debeant. Unfähig zum SchSffenamt waren rechtlose Leute. Vgl. SOHM 354. 358 f. 376 ff. 19
20
Vgl. ANM. 18.
SOHM 377 ff. WAITZ 4, 394.
Vgl. SOHM 443 ff. WAITZ 4, 395. 529 nimmt an, daß die Schöffen Grafschaftschöffen gewesen seien. In Italien gab es außer den Grafschaftschöffen auch solche, die von vornherein für das ganze Reich bestimmt waren; sie wurden unmittelbar vom König ernannt und hießen kaiserliche oder königliche Schöffen, Pfalzschöffen. Vgl. SOHM 382 n. 447 f. 11 Vgl. SOHM 450 f. WAITZ 4, 397.
Capitulare missorum von 803, c. 20
(BOEETIDS 1, 116): Ut nullus ad placitum banniatwr, nisi qui causam suam quaerere aut si alter ei quaerere debet, exeepüs acabineis Septem, qui ad omnia plaeita praeesse debent. " Vgl. SOHM 452. 48
BBUNNEB 2, 224.
Ludwigs Capitulare missorum von 819, c. 14 (BOBETIUS 1, 290): De pladtis siquidem, quos liberi homines observare debent, eonsütutio genitoris nostri penitus observanda atque tenenda est, ut videlieet in anno tria solummodo generalia plaeita observent, et nullus eos amplius plaeita observare compellat, nisi forte quilibet aut aecusatus fuerit aut aliwn aceusaverit aut ad testimonium perhibendum voeatus fuerit. Ad caetera vero, quae emtenarii tenent, non alius venire iubeatur, nisi qui aut litigat aut iudieat aut testificatur. Vgl. Pippins Capitulare Italicum v. 801—810, c. 14 (BOBETIUS 1, 210).
SOHM 375. 398 ff. WAITZ 4, 383. Die Befugnis, die Ding-
pflichtigen außerhalb des echten Dinges zu Versammlungen zu entbieten, war seitdem ein dem Könige und den Königsboten vorbehaltenes Recht (denunciatio regis). Vgl. SOHM 287. 387.
u Vgl. SOHM 401 ff. 508—513. Daß der Vikar als ständiger Vorsitzender des Schöffengerichts doch nur der regelmäßige Vertreter des Grafen, der Graf aber auch hier der eigentliche Träger der Gerichtsbarkeit war, ergiebt sich aus Form. Merkel. 51. Vgl. SOHM 411 ff. Durch die Anwesenheit des Grafen wurde die Amtsgewalt des Vikars oder Schultheißen (Anm. 29) niedergelegt. Auf diese Weise mögen sich die bei WAITZ 4, 371 erwähnten Grafendinge mit vierzehnnächtigen Fristen erklären. Vgl. SOHM 404. SICKEL, Beitr. z. deutsch. VG. 475. 486.
" Vgl. S. 130.
SOHM 513—525.
WAITZ 4, 400 FT.
§ 25. Die Gerichtsverfassung.
1. Die ordentlichen Gerichte.
171
oder durch einen Bevollmächtigten an Stelle des Grafen den Vorsitz übernehmen. Dieselbe Befagnis hatten die Königsboten. Die sachliche Zuständigkeit des Grafengerichts als echtes Ding (mallus legitimus,
m. publicus,
placitum
legitimum,
pl.
publicum,
commune
pl.,
generale pl., concilium) wurde gegenüber dem Schöffengericht als dem gebotenen Ding genau abgegrenzt. Dem ersteren blieben alle Strafsachen die an das Leben gingen, sowie die Prozesse um Freiheit und Eigen vorbehalten; die Zuständigkeit des Schöffengerichts beschränkte sich auf Prozesse um Schuld (d. h. Bußklagen und bürgerliche Klagen auf eine Geldleistung) und fahrende Habe, als die minderwertigen Vermögensobjekte, sowie auf Zwischentermine in Prozessen die vor dem Grafending schwebten26. Das echte Ding fand auch nach der Gerichtsorganisation Karls des Großen regelmäßig alle sechs Wochen, mit Abwechselung unter den einzelnen Hundertschaften, statt 27 . Hatten die Grafen bis dahin das Recht gehabt, in jeder Hundertschaft außer den zwei echten Dingen noch gebotene Vollgerichte in beliebiger Zahl anzuordnen, so sollten fortan in jeder Hundertschaft höchstens drei Vollgerichte stattfinden28, vielleicht weil es damals schon manche Grafschaften mit nur drei Hundertschaften gab, in denen sich bei Festhaltung der früheren Zweizahl die gesetzliche Anzahl von 8 bis 9 echten Dingen nicht erreichen ließ. Die Dingpflicht im echten Ding erstreckte sich auf den Schultheißen, der als Urteilsvollstrecker anwesend sein mußte 29 , sowie auf alle mündigen Freien, die in der 26
Capitulare de iustitiis faciendis von 811—813, c. 4 (BORETIUS 1, 176): Ut nullus homo in plaeito eentenarii neque ad mortem neque ad libertatem suam amittendarn aut ad res reddendas vel mancipia iudieetur, sed ista aut in praesentia comitis vel missorum nostrorum iudieenlur. Aachener Capitulare missorum von 810, 1, c. 3 (ebd. 153): Ut ante viearium et eentenarium de proprietate aut libertate iudieium non terminetur aut adquiratur, nisi Semper in praesentia missorum imperialium aut in praesentia eomitum. Capitulare Italicum von 801—810, c. 14 (ebd. 1, 210): Ut ante vicarios nulla eriminalis actio difßniatur, nisi tantum leviores eausas, qttae facih possimt diiudicari; et nuüus in eorum iudieio aliquis in servitio hominem conquirat, sed per fidem remittantur usque in praesentiam comitis. Vgl. SOHM 419 ff. 426. 177
WAITZ 4, 379 f.
NISSL, Gerichtsstand des Clerus 143 ff.
ff. 1 8 2 ff. 27
28
V g l . SOHM 2 7 5 ff. 4 3 2 f.
Vgl. Anm. 23. 37. SOHM 398 ff. 435. WAITZ 4, 368 f. Hatte eine Grafschaft vier oder mehr Hundertschaften, so daß in den letzteren nicht mehr als zwei echte Dinge abgehalten werden konnten, so blieb dem Grafen unbenommen, noch ein drittes Vollgericht als gebotenes Ding anzusetzen. Vgl. BRUNNES 2, 222. Jedes Echteding dauerte, wie schon unter den Merowingern, drei Tage. Vgl. SOHM 363 ff. Das dafür später eingeführte Afterding war der karolingischen Gerichtsverfassung noch- unbekannt Vgl. SOHM 439 f. Auch zum Echteding mußten die Dingpflichtigen jedesmal entboten werden (daher botding), da nur die jährliche Zahl der echten Dinge und ungefähr die Zeit, aber nicht der einzelne Tag feststand.
29
V g l . SOHM 3 6 8 .
WAITZ 4, 372.
Vgl. SOHM 236. 406 f. Die Ämter des Schultheißen oder Vikars und des Centenars waren seit der Karolingerzeit meistens in derselben Hand vereinigt.
172
Die fränkische Zeit.
Hundertschaft wohnten oder begütert waren30. Reichte die Zahl der Schöffen nicht aus, so war der Graf berechtigt, Schöffen aus anderen Gerichten seiner Grafschaft zu entbieten. Wie früher die Rachinburgen, so hatten auch die Schöffen nur den Urteils Vorschlag; zu einer Abstimmung der Gerichtsgemeinde kam es aber wohl nur, wenn einer aus derselben ein Gegenurteil gefunden hatte; in anderen Fällen galt die widerspruchslose Entgegennahme des Schöffenurteils als stillschweigende Vollbort31. Im gebotenen Ding, das alle 14 Nächte, und zwar in der Regel nur in dem Hauptort der Grafschaft, als bloßes Schöffengericht zusammentrat38, lag die Urteilsprechung ganz in den Händen der Schöffen. Die Thätigkeit des Richters bestand in der Leitung der Verhandlungen, der Anordnung der Urteilsvollstreckung und der Gerichtspolizei zur Wahrung der Dingpflicht und des Dingfriedens33. Eine Einwirkung auf das Urteil stand ihm insofern zu, als er für die Gesetzmäßigkeit desselben zu sorgen und demgemäß das -Rechtsgebot zu verweigern hatte, wenn er von der Rechtswidrigkeit eines Urteils überzeugt war34. Außer den regelmäßigen Gerichten kannte schon die Merowingerzeit in Fällen, wo ein Verbrecher auf handhafter That ergriffen war, das Notgericht am Orte der That36. Jeder Dingpflichtige, der das Gerüft schreien hörte, mußte ihm bei Strafe Folge leisten38 Der Verbrecher wurde sofort abgeurteilt und gerichtet. Das Verfahren war ein summarisches. Richter war der Graf oder statt seiner der Centenar (Vikar). Die Wahl eines Notrichters, wenn beide abwesend waren, scheint erst später aufgekommen zu sein. Die Gerichtsreform Karls des Großen, die man als den geschichtlichen Ausgangspunkt für die heutigen Land- und Amtsgerichte betrachten muß, ist wohl im wesentlichen durch einen einheitlichen organisatorischen Akt erfolgt. Das Gesetz selbst ist verloren gegangen37, die Zeit der Reform 10 81
V g l . SOHM 3 8 5 ff. 3 3 9 . 3 4 3 f. 3 4 6 ff. V g l . SOHM 3 8 0 f. 386. VIOLLIST, a. a. 0 . 1, 309.
SICKEL, G ö t t . g e l .
Anz.
1896, S. 290 f. 88 Vgl. SOHM 4 3 7 . 4 4 8 f. Auch das Schöffengericht jeder einzelnen Hundertschaft war für die ganze Grafschaft zuständig. Vgl. SOHM 4 4 6 . 38 Der Wahrung des Dingfriedens sollte auch das Verbot des Waffentragens in den Gerichtsversammlungen dienen. Vgl. SOHM 106. WAITZ 4 , 388. 4 3 7 . Die Höhe des richterlichen Bannes war verschieden. Die Königsboten richteten unter Königsbann. Über den Grafenbann vgl. S. 129. 84 Vgl. WAITZ 2, 2 S . 1 6 2 f. 4, 4 0 2 . 4 2 0 f. BRDNNER 2 , 2 2 5 . SICKEL, Gött. gel. Anz. 1896, S. 2 9 1 . 86
Vgl. Decr. Childeb. H von 595, c. 8 (BOBETIÜS 1, 17).
Form. Turon. 20
(RoziiaiE, Nr. 491). SOHM 440 f. 89 Lex. Franc. Cham. 37. Vgl. S. 37 n. 77 f. 88. Decr. Childeb. II von 595, c. 9 (BORETIUS 1, 17) bestraft den Ungehorsam gegen den Richter bei der Festnahme oder Verfolgung eines Missethäters mit dem Königsbann. 87 Der Übergangszeit gehört ein erst durch BOBETIÜS (Capitularia 1, 2 1 4 , c. 4) bekannt gemachtes Bruchstück eines Kapitulars an, das die Dingpflicht in den gebotenen Gerichten bereits auf die „maiores natu" beschränkt: Et eentmarü
§ 25. Die Gerichtsverfassung. 1. Die ordentlichen Gerichte.
173
läßt sich aber mit ziemlicher Sicherheit bestimmen, da ein um 769 abgefaßtes Gesetz Karls (Anm. 11) noch an den alten Zuständen festhält, während in zwei vor 775 entstandenen Formelsammlungen bereits Schöffen erwähnt werden38. Die Änderung hat demnach wohl zwischen 769 und 775 stattgefunden 39 . Die fränkische Gerichtsverfassung, die sich in allmählicher Fortbildung aus der salischen Gerichtsverfassung entwickelt hatte, war, wenn auch mit gewissen Übergängen und kleinen Abweichungen, für die römischen Provinzialen schon früh an die Stelle der römischen Einrichtungen getreten 40 . Im Laufe der Zeit war sie auch in Südfrankreich, unter Verdrängung der burgundischen und gotischen Gerichtsverfassung mit ihrem selbsturteilenden Richter, zur ausschließlichen Herrschaft gelangt 41 . Bei den S a c h s e n hat Karl sofort nach der Eroberung die fränkische Grafschaftsverfassung eingeführt und den Grafen die Verwaltung der Gerichtsbarkeit übertragen. In wichtigeren Angelegenheiten (causae maiores) durften sie bei Königsbann, in geringeren bei 15 Schillingsbann gebieten (S. 130). Von der Einrichtung der Gerichte (secularia placita, conventus et placita publica, placita communia) erfahren wir zunächst nur, daß sis für Edele, Freie und Liten gleichmäßig zuständig waren, daß sie, von dringenden Fällen abgesehen, nicht an Sonn- oder Feiertagen abgehalten werden sollten, und daß das Urteil von der Gerichtsgemeinde generalem placitum freqttmtius non habeant propter pauperes. sed cum illos, super quos clamant iniuste patientes, et cum maioribus natu H testimoniis neeessariis frequmter placitum teneant; ut hi pauperes, qui nullam causam ibidem non habeant, non cogantur in placitum venire, nisi bis aut ter in anno. 89 Form. Bignon. 7 (6). Form. Merkel. 32 (33). ROZIÄRE, Nr. 460. 89 In anderer Anwendung (für loci servatores) erscheint das Wort scabinus in Italien, wenn nicht eine Entstellung vorliegt, schon zur Zeit der fränkischen Eroberungen. Vgl. FICKER, Forschungen 3, 207 f. Vor Karl dem Grollen finden sich nirgends Schöffen erwähnt. Vgl. F I C K E R , a. a. 0. 207 n. SAVIONT, a. a. 0. 7, & ff. W A I T Z 4, 389. Die erste urkundliche Erwähnung begegnet 780 und 781. Vgl. FICKER 208 ff. SOHM 388 ff. SAVIGNY l,.239n. W A I T Z 4, 390. 40 Vgl. SOHM 155 ff. 229 f. W A I T Z 2, 2 S. 143 f. In der Bretagne erhielten sich während der Merowingerzeit die keltischen Einrichtungen (vgl. SOHM 158, n. 66), die karolingische Gerichtsverfassung wurde dann aber auch hier eingeführt Vgl. W A I T Z 4, 404. Schon eine Urkunde von 797 (Cartulaire de Redon Nr. 191) erwähnt sechs Schöffen. 41 Vgl. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 1 5 7 | ; Fränkisches Recht u. römisches Recht 23 ff. Nur der gotische Gerichtsbüttel (sagio, sajo) blieb bestehen, während das fränkische Recht die Bütteldienste von Dienern des Grafen, die außerhalb der öffentlichen Gerichtsverfassung standen, besorgen ließ. Vgl. Anm. 6. D A H N , Könige 3 , 1 1 9 . 1 8 0 . 6 , 1 3 6 . 3 5 4 . WAITZ 4 , 4 1 0 . SOHM 5 3 6 . BETHMANNHOLLWEG, a. a. 0 . 1, 1 9 5 . 2 8 3 . GAÜDENZI, Un antica compilazione di diritto 1 1 8 ff. GRIMM, RA. 7 5 6 . Über den sagio =» Folger vgl. KÖGEL, Zeitschr. f. deutsch. Alt. 33, 18 ff. Er vergleicht lat. socius, as. segg = vir (ursprünglich Gefolgsmann, wie noch die ags. Formel seegas and gesiStas). Ursprünglich waren die Sagionen eben Gefolgsmannen, die aber seit Theoderich d. Gr. bei den Ostgoten und später auch bei den Westgoten mit Vorliebe als Exekutivbeamte verwendet wurden. Vgl. ZEÜMER, N. Arch. 2 3 , 8 7 f. 1 0 2 .
Die fränkische Zeit.
174
selbst gesprochen wurde 42 . Es scheint demnach im 8. Jahrhundert noch keine Schöffen bei den Sachsen gegeben zu haben. Dagegen ergiebt sich aus den späteren sächsischen Einrichtungen hinsichtlich des echten Dinges die völlige Übereinstimmung mit der fränkischen Gerichtsverfassung, wobei der sächsische Gau (go) die Stelle der fränkischen Hundertschaft einnahm 43 . Aber während bei den Franken seit den Karolingern mit wenigen Ausnahmen eine Verschmelzung des Schultheißenamtes mit dem des Centenars eingetreten war, hatte der dem fränkischen Centenar entsprechende sächsische Gograf mit der Urteilsvollstreckung nichts zu thun und im Landgericht des Grafen war daher für ihn kein Flatz. Der Gograf wurde von der Gerichtsgemeinde des Goes gewählt; seine Aufgabe beschränkte sich auf die Abhaltung des Niedergerichts (,goding) als gebotenes Ding, aber als Vollgericht ohne Schöffen. Der ordentliche Vollstreckungsbeamte der Grafschaft war der Fronbote, über diesem aber stand, abgesehen von den Westfalen, noch ein höherer Beamter, der bei den Nordsachsen Oberbote (overbode), bei den Ostfalen und den in der Gerichtsverfassung mit ihnen übereinstimmenden Thüringern „Schultheiß" genannt wurde. Derselbe hatte den Beisitz neben dem Grafen; an ihn richtete der Graf die Hegungsfragen und bei Behinderung des Grafen fiel ihm der stellvertretende Vorsitz zu. Er war ein vornehmer Herr, der dem Landesadel angehören mußte. Ob es sich bei dieser Abweichung von der fränkischen Ordnung um die Einfügung eines altsächsichen Amtes in die karolingische Gerichtsorganisation oder um eine dem Amt des vicecomes verwandte Neubildung oder um eine Fortbildung des fränkischen Schultheißenamtes handelte, muß dahingestellt bleiben. Auf einem anderen Boden bewegte sioh die Abweichung der f r i e sischen Gerichtsverfassung44. Der ordentliche Gerichtssprengel des Grafen war der Gau, der zwar seine Unterbezirke (ban, bifang) nach Art der sächsischen Goe und der fränkischen Hundertschaften (regelmäßig vier) hatte, aber einzig mit der Bestimmung als Niedergerichtssprengel, während das Landgericht des Grafen ausschließlich Gaugericht war. Jeder dieser Unterbezirke hatte seinen Schulzen, Banner oder Fronen {skeltata, schelta, bon, frana), der zugleich Richter im Niedergericht und Vollstreckungsbeamter im Landgericht war, also durchaus dem an die Stelle des Centenars getretenen karolingischen Schultheißen entsprach; ihm gebührte gegebenenfalls auch die Vertretung des Grafen im Landgericht Die Schöffenverfassung 42
Capitulare Saxonicum von 797, c. 4. 8. Capitulatio de part. Sax. c. 18. 34. Vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG. 18,1 ff.; Der ostfälische Schultheiß und der holsteinische Overbode, ebd. 20, 1 ff. ECKEST, Der Fronbote im Mittelalter nach dem Sachsenspiegel, 1897. 44 Gegenüber den früheren unrichtigen Auffassungen vgl. H E C K , Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894. Dazu His, ZRG. 29, 217 ff. SEERP-GRATAMA, Gött. gel. Anz. 1895, S. 842 ff. FOCKEMA A N D E E A E , Museum 1895. K. LEHMANN, Er. VJSchr. 38, 11 ff. Die älteren Ansichten insbesondere bei v. RICHTHOPEN, Altfries. WB. 609ff.; Untersuchungen über fries. RG. 2, 456ff. SCHRÖDER, ZRG. 17, 221 ff. und in den beiden ersten Auflagen dieses Lehrbuches. 4i
§ 25.
Die Gerichtsverfassung.
2. Das Königsgericht.
175
war dem friesischen Rechte fremd; erst im 13. und 14. Jahrhundert wurde sie in Nordholland (im Rijnland sogar erst im 16. Jahrhundert) eingeführt. Die Urteilsfindung lag ausschließlich in den Händen der vom Volke gewählten Asegen4S, wenn auch anzunehmen ist, daß diese zunächst nur den Urteilsvorschlag hatten, der noch der ausdrücklichen oder stillschweigenden Vollbort des Dingvolkes bedurfte 46 . Bei den A l a m a n n e n und B a i e r n hatte der Bechtsprecher (esago, esagare, iudex) während des 8. und im Anfang des 9. Jahrhunderts seine Stellung im wesentlichen, allerdings mit Unterordnung unter den Grafen, behauptet 47 . Der alamannische Rechtsprecher erscheint als der von der Gerichtsgemeinde erwählte Centenar oder Hunne, während der baierische iudex ein Gaubeamter war. Seit dem 9. Jahrhundert hat die fränkische Gerichtsverfassung bei den Alamannen im wesentlichen den Sieg davongetragen; dagegen gab es bei den Baiern auch im Mittelalter im allgemeinen nur Grafschaftsgerichte, bei denen statt der Schöffen ein wohl vom Richter in jedem einzelnen Fall ernannter Ausschuß den Urteilsvorschlag hatte 48 . 2. Das K ö n i g s g e r i c h t 4 9 . Der fränkische König, in dessen Person im wesentlichen die Bedeutung der alten Landesgemeinde aufgegangen war, war auch als Träger der Gerichtshoheit an die Stelle der letzteren getreten (S. 112) und übte demgemäß gleich dieser neben und über den ordentlichen Gerichten eine außerordentliche Gerichtsbarkeit aus. Dieselbe war wie alle extraordinariae cognitiones eine Gerichtsbarkeit nach Amtsrecht und an die strengen Vorschriften des Volksrechts nicht gebunden; man verfuhr und entschied nach den Normen, die der König sich selbst gegeben hatte, und darüber hinaus nach Recht und Billigkeit60. Be46 Vgl. S. 44. Im Mittelalter scheint jeder Schulzensprengel drei Asegen gehabt zu haben, was aber ebenso wie die Ausbildung der untersten Gerichtssprengel, durch die die Schulzengerichte zu Mittelgerichten wurden, erst auf späterer Entwickelung beruhen dürfte. 46 Der Annahme HECK'S, daß die Urteile der Asegen der Folge der Gerichtsgemeinde überhaupt nicht bedurft hätten, kann ich nicht beistimmen; es wird aber genügt haben, wenn kein Widerspruch erhoben wurde. 47
Vgl.
SCHRÖDER,
ZRG.
17, 2 2 4
ff.
BESELER,
ebd.
9,
244
ff.
MERKEL,
ebd.
1, 131 ff. W A I T Z 2, 2 S . 148—158. 4, 407. W. SICKEL, Beitr. z. deutsch. VG. 507 ff. 514 f. 48 Vgl. BRUNNER 2 , 2 1 9 f. 2 2 4 . SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 1 6 0 . 3 6 6 ; Fränkisches Recht u. röm. Recht 1 7 f. 2 5 . BESELER, ZRG. 9 , 2 5 5 ff. W A I T Z 4 , 4 0 4 f. In den missatischen Gerichten wurde auch in Baiern das Urteil von Schöffen gesprochen. 49 Vgl. BRTTNNER. RG. 2, 132 ff. W A I T Z 2, 2 S. 183—198, 396 n. 1. 4, 473 ff. v. BETHMANN - H O L LWEG 1 , 435 ff. 2, 18 f. 28 f. A . PERNICE, De comitibus palatii, 1863. BEAUCHET, a.a.O. 47 ff. 327 ff. SOHM bei W E T Z E L L , a.a.O. 343 ff. v. AMIRA, Grundriß2 158f. FICKER, Forschungen 3, 222 ff. BARCHEWITZ, Das Königsgericht z. Z. der Merowinger u. Karolinger (Hist. Stud. V. 1882). 60 Vgl. S. 112. Die ordentlichen Gerichte hatten nur nach Volksrecht und nicht nach Billigkeit zu entscheiden. Vgl. Cap. miss. von 802, c. 26 (BORETIUS 1 ,
96): Ut iudiees seeundum seriptam legem iuste ivdicent, non secundum arbiirium suum.
Die fränkische Zeit.
176
stimmte Dingstätten bestanden für das Königsgericht nicht, es konnte an jedem Ort, wo der König sich gerade aufhielt, abgehalten werden (wir wissen von solchen Gerichten auf der Heerfahrt und selbst auf der Jagd) 61 , aber die Regel war die Abhaltung am Königshof, in einer der Pfalzen (palatia regis), unter den Merowingern gewöhnlich auf den steinernen Staffeln (Terrassen) an den Burgeingängen. Das Königsgericht war daher in der ßegel Hofgericht, Pfalzgericht, Staffelgericht62. Die Merowinger pflegten mit Vorliebe zu Anfang jedes Monats, immer mit dreitägiger Dauer, die Karolinger allwöchentlich Gericht abzuhalten63. Als Beisitzer pflegte der König in erster Reihe Mitglieder seines Hofes beizuziehen, er hatte aber auch in dieser Beziehung volle Freiheit, zuweilen wurde der ganze Reichstag, in Fällen von politischer Bedeutung selbst das versammelte Heer zur Mitwirkung aufgerufen64. Die einzige Schranke bestand wohl darin, daß geringe oder verrufene Personen ausgeschlossen waren, möglichst auf Standes- und Stammesgleichheit zwischen den Urteilern und dem Beklagten gesehen wurde und, dem allgemeinen fränkischen Brauche entsprechend, mindestens sieben Urteiler anwesend sein mußten66. Der Hausmeier scheint vor der arnulfingischen Zeit dem Hofgericht ferngeblieben zu sein; er wird erst seit 697 regelmäßig unter den Beisitzern, später auch wiederholt als Vorsitzender an Stelle des Königs genannt 66 . Ein unentbehrliches Mitglied des Hofgerichts war der Pfalzgraf (S. 139), dessen Aufgabe in der merowingischen Zeit in dem testmoniare bestand, während er schon unter den arnulfingischen Hausmeiern Vorstand einer eigenen Hofgerichtskanzlei wurde67. Eine weitere Veränderung in der Stellung des Pfalzgrafen ergab sich aus der Beseitigung des Hausmeieramtes seit der Krönung Pippins, indem der seit Karl Martell vom Majordomus ausgeübte stellvertretende Vorsitz im Hofgericht auf den Pfalzgrafen überging68. Außerdem war dieser, wahrscheinlich in Anknüpfung an eine schon unter den Merowingern herr81
Vgl. WAITZ 4, 491. " Vgl. Z E G . 20, 24 f.
WAITZ 2, 2 S. 194.
" Vgl. WAITZ 2, 2 S. 194 f. i, 489 ff. Gegen Annahme regelmässiger Gerichtstage DAHN, Könige 7, 3 S. 48 f. M Vgl. WAITZ 2, 2-S. 184. 4, 406 ff. Seit Karl wurden in Fällen, wo es besonders auf Rechtskenntnis ankam, zahlreiche Schöffen zugezogen. Vgl. ebd. 493 n. 4. In Italien verwendete man dazu besonders die königlichen oder Pfalzschöffen (vgl. Anm. 20). Untechnisch wurden auch die Beisitzer des Höfgerichts als Schöffen bezeichnet. 66 Über die Siebenzahl vgl. GRIMM, EA. 777. WAITZ 4, 397. M
Vgl. ZEUMER, N e u e s Archiv 6, 29 ff. 10, 383 ff. WAITZ 2, 2 S. 191.
" Vgl. ZEUMER, a. a. 0. 6, 20. Noch das letzte von einem Merowinger abgehaltene Königsgericht von 726 (MG. Dipl. imp. Nr. 94) zeigt den Pfalzgrafen ganz in seiner früheren Stellung. Die Einführung der Hofgerichtskanzlei beruhte auf dem EinfluS des austrasischen Gerichtschreiberwesens (S. 169). 69 Vgl. DAHN, Könige 7, 2 S. 229. Beispiel eines Pfalzgrafengerichts von 791 bei SIOKBL, Gött. gel. Anz. 1887, S. 819.
§ 25.
Die Gerichtsverfassung.
2. Das Kölligsgericht.
177
sehende Übung, der ständige Referent des Hofgerichts69, zu dessen Obliegenheiten es auch gehörte, den Parteien die von ihnen beim König ausgewirkten gerichtlichen Mandate (indiculi regales) auszuhändigen60. Da der König nur noch in wichtigeren Angelegenheiten den Vorsitz übernahm, die regelmäßigen Sitzungen des Hofgerichts dagegen dem Pfalzgrafen überließ61, so war es Aufgabe des letzteren, an den alle Einlaufe zuerst gelangten, die für den König selbst geeigneten Sachen aus den übrigen auszuscheiden62. Die Annahme, daß der König die an das Hofgericht gebrachten Sachen auch aus eigener Machtvollkommenheit habe erledigen können, ist unhaltbar; vorgekommen ist dies nur bei reinen Verwaltungssachen, die der König zuweilen auf einfachen Vortrag des Pfalzgrafen sofort entschied oder einem Delegierten (missus) zu weiterer Behandlung überwies83. Bei Rechtssachen wurde ganz wie in den ordentlichen Gerichten mit Frage und Urteil verfahren64. Das Hofgericht war, wenn auch nicht in seiner rechtlichen Grundlage, so doch in der thatsächlichen Gestaltung ein wirkliches Gericht66. Die Zuständigkeit des Königsgerichts war an sich unbeschränkt; der König konnte alle noch nicht durch rechtskräftiges Urteil erledigten Streitsachen zu seiner Entscheidung ziehen66, alle beliebigen Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in seiner Gegenwart vornehmen lassen. Zu den vorbehaltenen Sachen des Hofgerichts gehörte der Ausspruch der Reichsacht über den Rechtsverweigerer67, der Zweikampf mit der Waffe, die Verhängung von Todesurteilen über freie Franken, die Freilassung durch Schatzwurf, unter den Karolingern besonders auch die Klage wegen Heerflüchtigkeit, Verweigerung des Unterthaneneides, Nichtachtung könig68
80
V g l . PEBNICE, a. a. 0 . 31 ff. 3 4 f.
WAITZ 4, 4 8 5 ff.
Vgl. BRONNER, Entstehung der Schwurgerichte 76 f. Vgl. WAITZ 4, 487. Hinkmar, De ordine palatii c. 19. 62 Über die Angabe Hinkmars, daß diese Ausscheidung hinsichtlich der geistlichen Sachen dem Hofkapellan (aproerisiarius) obgelegen habe, vgl. S. 140. PERNICE $7 f. WAITZ 4, 489. Daß der König selbst Partei war, stand seinem richterlichen Vorsitz nicht im Wege. Vgl. MG. Dipl. imp. Nr. 16. 61
• s V g l . BRÜNNER 2, 134. BETHMANN-HOLLWEO 1, 4 3 8 . " V g l . WAITZ 4, 4 9 3 ff. 4 9 8 f. 45
WAITZ 4, 484. 4 9 6 .
Vgl. WAITZ 2, 2 S. 183, der insbesondere gegen SOHH auf Lex Salica 46, 2 aufmerksam macht, wo das Königsgericht als mallus ante regem (ante teoda) dem echten Ding als legitimus mallus publiem ante tkunginum entgegengesetzt wird. In den Capitula de causis divereis c. 1 (BORETIUS 1, 135) verweist Karl die Grafen wegen ihrer richterlichen Aufgaben auf das Vorbild des Königsgerichts. 68 Über das Verfahren in Evokationssachen vgl. BRÜNNER 2, 137. Die Urteile des Hofgerichts selbst unterlagen keiner unbedingten Rechtskraft. Eine im Hofgericht bereits abgeurteilte Sache konnte wieder aufgenommen und wiederholt hier entschieden werden. Vgl. Capitulare Saxonicum von 797, c. 4. 67 Vgl. Lex Salica 56, 2. SOHM 98. 162. Erst unter den Karolingern ist die Grafenacht (die spätere Verfestung) neben die Reichsacht getreten. Soweit die Acht noch den Charakter unmittelbarer Strafe hatte (S. 75 ff.), konnte sie auch nach salischem Recht von dem ordentlichen Richter verhängt werden. So dürften sich die Einwendungen FKENSDOBFF'S (Recht u. Rede 481 ff.) gegen SOHH erledigen. B. SCHRÖDBB, Deutsche Rechtsgeschlchte. 4. Aufl. 12
Die fränkische Zeit
178
lieher Banngebote, Amtsvergehen. Prozesse der Großen untereinander sollten nach Vorschrift Karls des Großen nur im Hofgericht unter dem persönlichen Vorsitz des Königs entschieden werden, doch wurden bürgerliche Streitsachen derselben oft auch vor den ordentlichen Gerichten verhandelt 68 . Fiskalsachen konnten an sich auch von den ordentlichen Gerichten entschieden werden, die Vorteile des Billigkeitsgerichtshofes gaben aber den Vertretern des Fiskus in den meisten Fällen Anlaß, von dem in solchen Fällen erlaubten Reklamationsrecht Gebrauch zu machen und die Sache noch vor dem Urteil an das Königsgericht zu ziehen69. Dasselbe Reklamationsrecht stand den in den Königsschutz aufgenommenen Personen zu70, ebenso fand es bei Prozessen um königliche Benefizien Anwendung, die dieselben Vorrechte wie die unmittelbaren Krongüter genossen71. Unter den Karolingern führte der regelmäßige Gebrauch des Reklamationsrechts bei Prozessen um königliche Güter zu einem privilegierten Gerichtsstand derselben im Königsgericht72. Im übrigen wurde der Belästigung des Hofgerichts mit allen möglichen Rechtshändeln seit Pippin dadurch ein Ziel gesetzt, daß, ohne die Freiheit des Königs selbst zu beschränken, außer den hervorgehobenen Fällen die Anrufung seines Gerichtes auf die Fälle der Rechtsverweigerung und Urteilschelte beschränkt wurde73. Königsgerichte waren auch die Gerichte der K ö n i g s b o t e n , die als Delegierte des Königs mit dem Recht des königlichen Bannes ausgestattet und kraft der ihnen übertragenen Gerichtsgewalt nicht an den Formalismus des volksrechtlichen Verfahrens gebunden waren71. Auch das missatische Gericht war demnach ein Billigkeitsgericht. Häufig wurden die Königsboten seitens des Königs in Sachen, die an das Hofgericht gekommen waren, mit Inquisitionsmandaten, nicht selten auch mit der Entscheidung beauftragt 76 . An die Organisation des Königsbotenamtes wurde von Karl dem Großen eine andere, für die spätere Verfassungsentwickelung bedeutend gewordene Einrichtung geknüpft, indem die Königsboten die Grafen ihres BOBETIDS, Capitularía 1, 175, c. 2. WAITZ 4 , 481 f. Vgl. BRUNNER, Entstehung der Schwurgerichte 71 f.; Zeugen- u. Inquisitionsbeweis 43 f. 58 ff. ,0 Vgl. BRUNNER, Zeugen- u. Inqu.-Beweis 51 f. 55 ff. SOHM 1 3 0 f. 166 f. W A I T Z 2, 2 S. 190. Auch in dem Prozeß gegen Injuriosus (Greg. Tur., Hist Franc. 7, 23) handelte es sich augenscheinlich um eine reclamatio ad regis definitivam sententiam. Die Kläger waren Schutzjuden. Das auf Reinigungseid lautende erste Urteil hatte wohl noch keine Vollbort erhalten. Übrigens hat BRUNNER, a. a. O. 55 f. bewiesen, daß auch Reklamationen nach dem Urteil nicht ausgeschlossen waren. " Vgl. BRUNNER, Zeugen- und Inquisitionsbeweis 78 f. " Vgl. ebd. 59 ff. ™ Vgl. BBUNNEB, a. a. 0. 52 ff. Eapitular Pippins von 754—755, c. 7 (BOBETIUS 1, 32). Cap. miss. von 803, c. 4 (ebd. 115); von 805, 2, c. 8 (ebd. 123). Capitulare Baiuuaricum c. 7 (ebd. 159). Capitulare Mantuanum c. 2 (ebd. 190). "
69
74
75
V g l . S. 136.
Vgl.
BRUNNES,
SOHM 4 8 9
ff.
WAITZ 4 , 4 1 3
Zeugen- u. Inquis.-Beweis
ff. 115
BRUNNER, R G . 2 , 1 9 3 f .
ff.
WAITZ 4 , 4 1
Anm.
4.
§ 25.
Die Gerichtsverfassung.
3. Grundherrl. u. Immun.-Gerichte.
179
Sprengeis anweisen mußten, sich während der von der missatischen Amtswaltung freien Monate zu gemeinsamen L a n d f r i e d e n s g e r i c h t e n {communia placita)
zu vereinigen 7 6 .
Dem königlichen Hofgericht durchaus nachgebildet waren die herzoglichen H o f g e r i c h t e zur Zeit des Stammesherzogtums77. 3. G r u n d h e r r l i c h e und I m m u n i t ä t s - G e r i c h t e 7 8 . Die unbegrenzte Strafgewalt der Leibherren über ihre unfreien Leute dauerte in alter Weise fort 79 . Ihre einzige Schranke bildeten, außer kirchlichen Vorschriften die den Mißbrauch mit Kirchenbußen bedrohten, das eigene Interesse der Herren und die gute Sitte. Verbrechen unfreier Hofgenossen gegeneinander oder gegen den Herrn blieben seitens der staatlichen Gerichte ungeahndet80. Für Vergehen seiner Leute gegen Dritte haftete der Herr ursprünglich unbedingt, nur allmählich machte sich zu seinen Gunsten die Berücksichtigung des verbrecherischen Willens geltend, so daß er sich durch den Nachweis der eigenen Unschuld freimachen konnte, wenn er den Angeschuldigten an das Gericht auslieferte81. Bei öffentlichen Verbrechen war der Herr unmittelbar zur Auslieferung verpflichtet, während er in anderen Fällen die Wahl hatte, ob er ausliefern oder, nach eigener außergerichtlicher Untersuchung des Falles, die Verantwortung für den Angeschuldigten übernehmen wollte. Rechtsverletzungen, die seinen Eigenleuten widerfahren waren, verfolgte der Herr wie ein ihm selbst widerfahrenes Unrecht. Streitigkeiten seiner Leute untereinander schlichtete er nach freiem Ermessen. Erst dadurch, daß die Grundherren über ihre " Vgl. Capitulare de iustitiis faciendis von 8 1 1 — 8 1 3 , c. 1 2 (BORETIUS 1, 1 7 7 ) . ff. SOHM, 4 8 6 , macht darauf aufmerksam, daß derartige Zusammenkünfte (im Anschluß an die Provinzialkonzilien) schon unter den Merowingern vorkamen. Vgl. Gregor. Hist. Franc. 10, 8. WAITZ 4, 4 1 1
"
Vgl.
»• V g l .
S.
134.
BBUNNEU,
WAITZ 2, 2 S . 3 6 9 f. RG.
2,
275
ff.
298
ff.
308.
WAITZ
2,
2
S.
168.
376
ff.
447 ff. 463. L . v. M A U R E R , Geschichte der Fronhöfe 1 . T H . SICHEL, Beiträge zur Diplomatik 5, 337 ff. 359 f. (Wiener SB. 49). W. SICKEL, Zum Ursprung des mittelalterlichen Staates, Mitteil. d. österr. Inst., Erg.-Bd. 2, 6 ff.; Westd. Zeitschr. 16, 58 ff.; Gött. gel. Anz. 1886, S. 564 ff.; 1887, S. 819 ff.; 1896, S . 294. G. METER, Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG. 15, 83 ff. 16, 102 ff. BEAUCHET, a. a. 0 . 74 ff. 418 ff. F L A C H , Origines 1, 114ff. C O H N , Justizverweigerung 92 ff. BETHMANN-HOLLWEG 1, 441 f. 2, 39 ff. 54 f. D A H N , Könige 7, 1 S. 243 ff. SOHM bei W E T Z E L L , a. a. 0 . 359 ff. PARDESSUS, Loi Salique 583 ff. LÖNING, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 731 ff. BEAUDOUIN, Etüde sur les origines du régime féodal (s. S. 158) 39 ff. 56 ff. v. W I C K E D E , Die Vogtei in den geistl. Stiftern des fränk. Reiches, Leipz. Diss. 1886. MONTAG, Geschichte der staatsbfirgerl. Freiheit, 1812. n Vgl. S. 4 6 . JASTROW, Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angelsachsen, 1878 (GIERKE, Untersuchungen 2). BEAUDOUIN, a. a. 0. 25 ff. 80 Vgl. BORETIUS, Capitularla 1, 1 8 4 , c. 7 . c. 9 . Nur T ö t u n g des Herrn war in einigen Volksrechten mit öffentlicher Strafe bedroht. 81 Vgl. S. 46. B R Ü N N E R , RG. 2, 277 ff. Lex Salica 40. Lex Ribuaria 30. 58, 20. BORETIUS, Capitularía 1, 5, c. 5. 6, c. 11, c. 12. 17, c. 10, c. 13. 23, c. 22. 181, c. 7, c. 9. 4,
12*
Die fränkische Zeit
180
Eigenleute regelmäßig nicht selbst zu Gericht saßen, sondern in erster Eeihe ihre Meier (villici) oder Gutsvögte damit beauftragten, wurde der Grund zur Ausbildung bestimmter hofrechtlicher Normen gelegt 82 . Personen die sich in dem Munt oder obsequium eines anderen befanden, insbesondere Hörige sowie freie Yassen und Gasinden, • konnten bei Rechtsverletzungen, die ihnen widerfuhren, von ihrem Schutzherrn durch Klage vor Gericht vertreten werden. Darauf bezog sich die Bezeichnung der Muntleute als sperantes ihres Schutzherrn. Andererseits waren Beschwerden Dritter über sie unbedingt gegen den Schutzherrn einzuklagen, der, ganz wie der Leibherr bei seineu Eigenleuten, bei öffentlichen Yerbrechen schlechthin zur Auslieferung des Angeschuldigten an das Gericht verbunden war, in anderen Fällen zwischen Auslieferung und persönlicher Verantwortung die Wahl hatte. Um sich entscheiden zu können, mußte der Herr selbst eine Voruntersuchung veranstalten, die oft genug zu außergerichtlicher Erledigung des Streitfalles im Wege des Vergleiches geführt haben mag. Kamen dabei ursprünglich nur solche Personen in Betracht, die sich durch ausdrückliche Kommendation in den Schutz des Herrn begeben hatten und an seinem Hofe lebten, so dehnte sich die grundherrliche Schutzgewalt in der Karolingerzeit schlechthin auf alle freien Hintersassen, soweit sie Nebenhöfe des Haupthofes bewohnten, aus, so daß auch sie nur durch Vermittelung ihres Grundherrn vor das öffentliche Gericht gefordert werden durften. Die Anfänge für die Ausbildung einer grundherrlichen Gerichtsbarkeit waren damit gegeben, zum Abschluß ist sie aber erst in der folgenden Periode gekommen83. Gegenüber den früher sehr geteilten Meinungen über die Gerichtsbarkeit in den Immunitäten (§ 27) ergiebt sich aus dem Pariser Edikt von 614 die volle Stetigkeit der Entwickelung von da bis in die Karolingerzeit 84 . Die Dingpflicht der Hintersassen im echten Ding des Grafen beVgl. Capitulare de villis c. 29, 56, 57 (Boeetitts X, 85. 88). Bbunneb 2, 279.
Ein altfränkisches Wort für Antwort und Verantwortung war mithio, mitthio, später mitio. Dem Vertretungsrecht des Schutzherm bei Klagen seiner sperantes entsprach seine Verantwortungspflicht (mithio redebere) gegenüber Dritten, die gegen die Muntleute zu klagen hatten. In abgeleitetem Sinne ward das Wort mithio später auch auf die Gesamtheit derer, für die der Herr die Verantwortung hatte, und sodann weiter auf den von ihnen bewohnten räumlichen Bereich ausgedehnt. Vgl. auch Anm. 89. Bbtoneb, Mithio und Sperantes (Juristische Abhandlungen, Festgabe für Beseler, 1885). van Helten § 180. Auf unrichtigen sprachlichen Voraussetzungen beruht Hebmann, Noch ein Wort über Mithio, 1890. M Für K r i m i n a l s a c h e n bestimmte das Edikt (Boretius, Capitularia 1, 20ff.): M
si homines ecclesiarwn aut potentum de causis criminalibus fuerint aecusati, sollten die herrschaftlichen Beamten (agentes)
auf Requisition der öffentlichen Beamten
den Angeschuldigten im öffentlichen Gericht (in audientia publica foris domus ipsorum) zur Verantwortung stellen (ad iustitiam reddenda praesentare), wofern die Sache nicht vorher durch sie im Wege der Sühne beigelegt wäre. Die Grundherren hatten daher nur das Becht einer S ü h n e i n s t a n z ; war der Sühneversuch erfolglos, so konnte die verletzte Partei alsbald vor dem Grafen Klage erheben
§ 25. Die Gerichtsverfassung. 3. Grundherrl. u. Immun.-Gerichte.
181
stand noch unter Karl dem Großen zu Recht 85 . Die Zuständigkeit des Grafengerichts erstreckte sich voll und ganz auch auf die Immunitätsleute, nur daß Ladungen und Urteilsvollstreckungen im Wege der Requisition erfolgen mußten und bei peinlichen Klagen gegen dieselben zunächst die herrschaftliche Vermittelung nachzusuchen war86. In Sachen der niederen Gerichtsbarkeit, die nach der Gerichtsorganisation Karls vor das Gericht des Vikars oder Centenars gehörten, hatten die Hintersassen nur dann Recht zu geben oder zu nehmen, wenn ihr Gegner außerhalb der Immunität stand 87 . In allen Fällen, wo ein Hintersasse als Partei vor dem öffentlichen Gericht zu thun hatte, erschien er im Beistand des Immunitätsbeamten 88 . Dagegen gehörten alle der niederen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Streitsachen zwischen Immunitätsinsassen vor das Immunitätsgericht 89 . Das Immunitätsgericht war ein patrimoniales Niedergericht, und der Grundherr mußte den Angeschuldigten an das Grafengericht ausliefern «der seine Verantwortung selbst übernehmen. Zwischen Immunitätsherren und Grundherren ohne Immunität wurde insoweit nicht unterschieden. In Sachen der n i e d e r e n Gerichtsbarkeit hatten die Immunitätsherren bei Händeln ihrer Schutzbefohlenen und Hintersassen mit Dritten nur einen Mitvorsitz neben dem iudex publicus im öffentlichen Gericht (in audientia publica) zu beanspruchen (c. 5, c. 7), während ihnen im übrigen, also bei Händeln ihrer Leute untereinander, die ihnen von den früheren Königen pro paee atque diseiplina facienda eingeräumten Rechte (d. h. die niedere Gerichtsbarkeit) bestätigt wurden (c. 14).
mit
85
Vgl. SOHM 346 ff.
84
Vgl. BOBETICS, Capitularia 1, 48, c. 9. 181, c. 5. 196, c. 5 (in Verbindung
c. 1). 321,
c. 3.
BRUNNEB, Z R G . 16, 224.
WAITZ 4 ,
450 ff. 454 f. 464.
Vgl. Anm. 87. 87 Den in seinem Reiche angesiedelten Spaniern bewilligte Ludwig durch die Constitutio de Hispanis von 815 (BOBETICS 1, 261) eine der Immunität nachgebildete gerichtliche Exemtion (vgl. WAITZ 4, 458): in maioribm eausis sollte der Spanier stets vor dem Grafen zu Recht stehen, ebenso behielt er den öffentlichen Gerichtsstand in allen Sachen (also auch der niederen Gerichtsbarkeit) undecunque a vicino suo aut criminaliter aut civiliter ftterit accusatus et ad plaeitum venire iussus. Die Exemtion beschränkte sich demnach auf die der niederen Gerichtsbarkeit angehörigen Händel der Spanier untereinander. — Nach Lex Ribuaria 58, 21 kam bei Streitigkeiten der homines regii und eeclesiastici unter sich die siebennächtige Frist des Immunitätsgerichts, bei Streitigkeiten mit Dritten die vierzehnnächtige Gerichtsfrist des gebotenen Dinges, also des öffentlichen Gerichts, zur Anwendung. Auch L. Rib. 58, 19 weist auf den öffentlichen Gerichtsstand der Hintersassen hin. 88 Vgl. WAITZ 4, 451. Der Beistand der Immunitätsbeamten war wohl eine Abschwächung des von Chlothar II. bewilligten Mitvorsitzes (Anm. 84). 69 Die Lex Ribuaria bestimmte über die tabularii (58, 1): non aliitbi quam ad ecclesiam, ubi relaxati sunt, mallum teneant. Die sonstigen Bestimmungen des Gesetzes (vgl. Anm. 87) ergeben, daß es sich hier nur um Rechtshändel innerhalb der Immunität handelte. Vgl. ZRG. 20, 22 ff. und die dort angeführten Arbeiten
von SOHM, E . LÖNINO u n d ROTH, s o d a n n A n m . 84 u n d BOBETIUS 1, 32, c. 7. 37, c. 25.
51, c. 21. 192, c. 7. 262, c. 2, c. 3. Gegenüber der neuesten Ausgabe des Edikts von 614 hat auch SOHM seinen früheren Widerspruch gegen die Annahme eigentlicher Immunitätsgerichte aufgegeben. Vgl. Deutsche Litt.-Zeitung 1882, Sp. 793; Reichs- und Gerichtsverfassung 346 ff. BBUNNEB, Mithio 16 ff. Letzterer macht
Die fränkische Zeit.
182
der Immunitätsbeamte (advocatus) wav der Centenar des Patrimonialgerichts90. Sein Gerichtssprengel war nicht auf eine Hundertschaft beschränkt, er konnte sämtliche Besitzungen des Immunitätsherrn innerhalb der Grafschaft umfassen91, während sich die Immnnitätsgerichtsbarkeit der Domänenamtmänner (S. 197 f.) seit Karl dem Großen regelmäßig über den ganzen Fiskus, ohne Rücksicht auf die Grafschaftsgrenzen, erstreckte. Schon unter Karl dem Großen wurde die Zuständigkeit der Immunitätsgerichte vereinzelt auf alle Klagen gegen Hintersassen, soweit der Fall dem Gebiet der niederen Gerichtsbarkeit angehörte, ausgedehnt 92 . Zum Teil mögen dabei Verhältnisse eingewirkt haben, wie sie sich in einigen westfränkischen Gegenden in eigentümlicher Umbildung römischer Einrichtungen erhalten hatten, auch die herrschaftliche Sühneinstanz konnte im Laufe der Zeit leicht zu einer Erweiterung der Zuständigkeit der Immunitütsgerichte Anlaß geben93. Auf den königlichen Gütern kam dann ganz besonders das Reklamation srecht in Betracht. Wie das letztere in manchen Beziehungen zu einem privilegierten Gerichtsstand vor dem Königsgericht geführt hatte (S. 178), so konnte sich für die Angelegenheiten der Kronbauern leicht im Wege königlicher Delegation ein ordentlicher Gerichtsstand vor den Krongutsverwaltern entwickeln. Bestimmt« Zeugnisse haben wir darüber nicht 94 . Von eigentlichen Domänengerichten statt von königlichen Immunitätsgerichten zu reden, liegt kein Grund vor. 4. Die k i r c h l i c h e Gerichtsbarkeit 9 6 .
Die im römischen Reiche
darauf aufmerksam, daß auch die Verpflichtung der Iunmumtätsinsassen, sich vor dem Immunitätsgericht zu verantworten, mit mithio bezeichnet wurde. Vgl. WAITZ 4, 453. 467.
GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 134. Für Märkte
innerhalb der Immunitäten gab es seit dem 9. Jahrhundert auch besondere Marktrichter. Vgl. § 26, Anm. 27.
Vgl. BORETIÜS 1, 23, c. 19. »ä Vgl. WAITZ 2, 2 S. 377. 4, 451 f. M Vgl. BRUNNER 2, 201. 285 f. 300¡ ZRG. 18, 73 ff. (Forschungen 665 ff.).
W. SICKEL, Beitr. z. deutsch. VG. (S. 104) 534ff.; Gölt. gel. Anz. 1886, S. 557. 1896, S. 292; Westd. Zeitschr. 15, 122 f. 16,58 f. BEAUDOUIN, Etüde 11 ff. VIOLLET, Histoire 1, 314 ff. FÜSTEL DE CODLANGES, Monarchie franque 380 ff. v. BETHKANN-
HOLLWEG, Civilprozeß 3, 45. 108 ff. In Angers war, wie BRCNNER wahrscheinlich gemacht hat, die früher von dem städtischen Defensor ausgeübte niedere Gerichtsbarkeit auf einen bischöflichen Beamten übergegangen (vgl. Form. Andee. 10. 11. 13 f. 16. 24. 28 ff. 47), doch wird diese Annahme mit beachtenswerten Gründen von SICKEL bestritten. M
Die Bestimmungen des Capitulare de villis c. 4, c. 52 sind nicht klar. Vgl. NISSL, Gerichtsstand des Klerus im fränkischen Reich, 1886. HINSCHIUS, Kirchenrecht 4, 849 ff. 5, 402 ff.; Decretales Pseudoisidorianae pg. 222 sq. BRCNNER, RG. 2, 314 ff. 319 ff. SOHH, Geistliche Gerichtsbarkeit im fränkischen Reich, Zeitschr. f. Kirchenrecht 9, 193 ff.; Jenaer Litter.-Zeitung 1879, S. 171 f. 99
E. LÖNING, a. a. 0 . 2 , 507 ff. WAITZ 2 ,
2 S. 168 f. 243 ff. 4, 439 ff. BEAÜCHET,
a. a. O. 87 ff. 354 ff. W. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1886, S. 661 ff. DOVE, De iurisdictionis ecclesiasiasticae apud Germanos Gallosque progreesu, 1855; Zeitschr. f. Kirchenrecht 4, 16 ff.; in HERZOO'S Realencyklopädie f. Theologie u. Kirche 14, 119 f.;
§ 25.
Die Gerichtsverfassung.
4. Kirchliche Gerichte.
183
nur bedingt anerkannte Selbständigkeit der geistlichen Gerichtsbarkeit in innerkirchlichen Angelegenheiten (Verwaltungssachen, Amtsvergehen der Geistlichen, Eirchenzucht über Geistliche und Laien) blieb unter den fränkischen Königen unangetastet96. Ausgeübt wurde diese Gerichtsbarkeit seitens der Bischöfe vornehmlich auf den jährlichen Visitationsreisen, indem sie in den einzelnen Pfarreien vor der dazu entbotenen Gemeinde den Send (synodus) abhielten. Die Ausbildung eigentlicher Sendgerichte mit Bügezeugen und einer aktiven Beteiligung der Gemeinde bei der Ermittelung von Vergehen fallt erst in die folgende Periode. Die schon von König Gunthram angeordnete, von den Karolingern seit Karlmann wiederholt vorgeschriebene Anwesenheit des Grafen oder Schultheißen im Send sollte wohl von vornherein nicht bloß der Unterstützung, sondern auch der Beaufsichtigung des Bischofs und dem staatlichen Interesse an der Verfolgung der Verbrechen dienen97. Die wiederholten Versuche der Kirche, die weltliche Gerichtsbarkeit über gewisse Kreise der Laien zu erwerben, hatten nur auf dem Gebiet der Immunitäten und der Freigelassenen (tabularii) einen beschränkten Erfolg98. Versuche zu einer Ausdehnung ihrer Gerichtsbarkeit in objektiver Beziehung hat die Kirche vor Mitte des 9. Jahrhunderts, der Zeit der großen Fälschungen des Pseudoisidor und Benedictas Levita, überhaupt nicht gemacht99. Für jetzt kam nur die Gerichtsbarkeit über Geistliche in Frage. Während des ersten Jahrhunderts der fränkischen Herrschaft hatten die Geistlichen, im Anschluß an das römische Recht, sich hinsichtlich des Gerichtsstandes in nichts von den Laien unterschieden; aber schon in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts erhob die Kirche mit wachsender Entschiedenheit den Anspruch, daß ein Laie nicht über einen Geistlichen zu Gericht sitzen dürfe. Chlothar II. ging auf diese zuletzt von dem Pariser Konzil von 614 formulierten Ansprüche nur teilweise ein 100 . i u RICHTER'S L e h r b . d. K i r c h e n r e c h t s 9 597 f . 7 1 1 ff. ROTH, Z R G . 5, 6 f.
WETZELL,
Syst. d-Civilprozesses3 834 ff. VIOLLET, Histoire 1, 389 ff. GLASSON, Histoire 3, 662ff. DAHN, Könige 7, 3 S. 270 ff. 8, 5 8. 325 ff. 88 87
V g l . LÖNINO, a. a. 0 . 2, 5 0 5 f. V g l . BORETIUS, a . a. 0 . 1, 11. 25, c. 5. 45, c. 6. 74, c. 6. 190, c. 5. 326, c. 1.
Die Hilfe des weltlichen Arms hatte schon das Edikt Gunthrams von 585 (BORETIUS 1, 12) versprochen: Distringat legalis ultio iudicum, quos non eorrigit canoniea praedioatio sacerdotum. Das Decr. Childeb. II. von 595 (ebd. 1, 15, c. 2) bedrohte hartnäckigen kirchlichen Ungehorsam mit Verlust der königlichen Gnade und Entziehung des Vermögens zu Gunsten der Verwandten. Entsprechende karolingische Bestimmungen bei BOBETIUS 1, 74, c. 6. 326, c. 1. Vgl. NISSL, a. a. 0 . 35. 88
V g l . S. 1 8 0 ff. SOHM, a. a. 0 . 2 2 2 f . ; Z R G . 5, 4 3 8 f. SCHRÖDER, Z R G . 20, 24. 88
BRÜNNER, R G . 2, 2 8 3 f.
Vgl. SOHM, a. a. 0. 231—247. Das Konzil hatte beschlossen: Ut nullus iudieum neque presbyterum neque diaconvm aut clericum aut iuniores eeelesiae sine seientia pontifieis per se distringat aut condemnare presumat (MG. Concilia 1, 187, c. 6). Bei Strafe des Bannes sollte also jedem weltlichen Richter verboten sein, von sich aus, ohne vorherige Anzeige 100
184
Die fränkische Zeit.
Sein Edikt von 614 hat das Verhältnis der weltlichen und geistlichen Gerichtsbarkeit in einer bis Mitte des 9. Jahrhunderts grundlegend gebliebenen Weise neu geordnet101. In peinlichen Sachen, d. h. bei todeswürdigen Verbrechen, hielt der König prinzipiell die weltliche Gerichtsbarkeit aufrecht. Soweit es sich aber um Anklagen gegen Bischöfe handelte, behielt es bei dem schon bisher üblich gewesenen Verfahren sein Bewenden: der König hatte das Recht des Strafangrifis und der Voruntersuchung, soweit er eine solche für nötig hielt; sodann berief er eine Synode, die auf die Klage des Königs im Depositionsverfahren zu entscheiden hatte; sprach die Synode den Angeschuldigten frei, so war die Sache erledigt; erkannte sie auf Deposition, so wurde der Angeklagte dem Königsgericht zu weltlicher Aburteilung überwiesen102. Der übrige Klerus hatte vor 614 in Strafsachen ausschließlich vor dem weltlichen Gericht gestanden. Aufrechterhalten blieb dies jetzt nur für die ordines minores mit Einschluß der Subdiakonen, streitig ob überhaupt oder nur für die Fälle der handhaften That und des Geständnisses. Für Priester und Diakonen dagegen wurde das Zugeständnis gemacht, daß nach beendigtem Beweisverfahren im weltlichen Gericht zunächst nicht weiter gegen sie vorgegangen, sondern das Ergebnis des vor dem zuständigen Bischof gegen sie anzustrengenden kirchlichen Disziplinarverfahrens abgewartet werden sollte. Erst nach Beendigung des letzteren kam es zur Fällung des Strafurteils im weltlichen Gericht. Da bei Immobiliarprozessen gegen Geistliche die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte gewahrt blieb108 und dasselbe auch bei Freiheits-, überhaupt bei Prozessen um den Personenstand der Fall war 104 , so erbei dem Bischof, gegen Geistliche jeglichen Grades und Muntleute der Kirche einen prozessualischen Zwang auszuüben oder ein Strafurteil über sie zu sprechen. 101 Die Hauptbestimmung des Edikts (c. 4) lautet: Ut nullum iudieum de qualebit ordine clerecus de eivilibus ea/usis, praeter criminale negneia, per se distringere aut damnare praesumat, nisi eonvineitur manefestus, exeepto presbytero aut diacono, qui convicti fuerint de erimine eapitali, iuxto canones disiringantwr et cum pontefieibus examinentur. Die Worte distringere aut damnare praesumat stehen für distringere praesumat aut damnare praesumat. Die Bestimmung besagt: „Sein Richter soll Geistliche jeglichen Grades in weltlichen Sachen (BBUNNER, 2, 829 n. 4), mit Ausnahme der peinlichen Sachen, selbständig einem prozessualischen Zwange unterwerfen, oder ein Strafurteil über sie fällen, wenn sie nicht durch handhafte That überführt sind, ausgenommen Priester und Diakonen. Wer (von diesen) eines Kapitalverbrechens überführt ist, gegen den soll nach Maßgabe der Kanones verfahren und seine Schuld von den Bischöfen untersucht werden." 102 HINSCHIÜS hat nachgewiesen, daß das Edikt von 614 weder eine Änderung in der Stellung der Bischöfe noch eine Gleichstellung der Priester und Diakonen mit den Bischöfen angeordnet hat. io< ygi Anm. 104, 110. Über die Zuständigkeit der audientia der iudiees publiei bei allen res ecclesiarum et saeerdotum Edikt von 614 c. 14. ,M
V g l . NISSL 179 ff. D i e C a p . leg. a d d . v o n 818—819, c. 10 (BORETIDS 1, 283)
fassen die civilrechtliche Zuständigkeit des Grafengerichts mit den Worten tel de statu hominis vel de possessione euiuslibet zusammen. Die Zuständigkeit über Geist-
§ 25. Die Gerichtaverfassung. 4. Kirchliche Gerichte.
185
giebt sich, daß Chlothar II. in allem, was zur Zuständigkeit des Grafengerichts gehörte, die Ansprüche der Kirche zurückgewiesen und nur durch die Aufnahme des kirchlichen Disziplinarverfahrens in den Bahmen des peinlichen Prozesses ein Zugeständnis gemacht hat. Dagegen wurde die niedere Gerichtsbarkeit {de persona), d. h. die Gerichtsbarkeit bei Klagen um Schuld, über Kleriker jeglichen Grades schlechthin dem bischöflichen Gericht überwiesen106, dem die karolingische Gesetzgebung das Gericht des Metropoliten als Berufungsinstanz überordnete 106 . Dies bischöfliche Schuldgericht war nicht, wie das Disziplinargericht über Geistliche, ein kirchliches Korporationsgericht, sondern ein der Verwaltung des Bischofs übergebenes, nach den weltlichen Gesetzen zu handhabendes öffentliches Gericht 107 , dem der Graf oder Schultheiß als vollziehendes Organ für das bischöfliche Urteil beizuwohnen hatte 108 . Das bischöfliche Schuldgericht stellte sich demnach dem Hundertschaftsgericht Und dem Immunitätsgericht gegenüber und unterschied sich von dem letzteren nur dadurch, daß es von vornherein nicht auf die ßechtshändel innerhalb der Genossenschaft beschränkt war, sondern auch auf Schuldklagen der Laien gegen Geistliche Anwendung fand. Der staatliche Charakter des bischöflichen Schuldgerichts zeigte sich auch darin, daß es gleich dem Hundertschafts- und dem Immunitätsgericht dem Königsgericht jederzeit weichen mußte 109 . Die Einrichtungen Chlothars II. sind auch in der karolingischen Zeit dieselben geblieben und haben nur darin eine Fortbildung zu Gunsten der klerikalen Forderungen erfahren, daß für Immobiliarprozesse unter Geistlichen ein dem Gerichtsverfahren voraufgehender Sühneversuch vor dem Bischof angeordnet wurde 110 und daß man den Bischöfen (in Italien liehe, anch bei Prozessen von Geistlichen untereinander, wird besonders hervorgehoben. Prozesse de possessions oder de rebus waren Immobiliarprozesse. 105 Dies hat Nissl nachgewiesen, dem ich nur darin nicht beistimmen kann, daß Klagen um Schuld lediglich Bußklagen gewesen seien. 106 Vgl. Boretius 1, 74, c. 6. 107 Vgl. Nissl 226 ff 229 xo» Vgl. Anm. 97. Nissl 227 f. Synodus Francofurtensis von 794, c. 6 (Bobetius 1, 74): Statutum est a domno rege et saneta synodo, ut episeopi iustitias faeiant in suis parroechiis. si non oboedierit aliqua persona episcopo suo de abbaiibus, presbiteris, diaeonibus, subdiaeonibus, monachis et eaeteris clericis vel etiam aliis in eius parroehia, renient ad metropolitanum suum, ei ille diiudieet causam cum suffraganeis suis, comités quoque nostri veniant ad iudidum episeoporum. et si aliquid est, quod episcopus metropolitanus non possit corrigere vel paeificare, tunc tandem veniant accusatores cum aoeusatu cum, litteris metropolitano, ut sciamus veritatem rei. ,0 » Vgl. Nissl 216 ff. 226. 230 ff. Wie die unmittelbar staatlichen Gerichte, so wurde auch das bischöfliche Schuldgericht durch die Anwesenheit des Königs oder des Königsboten niedergelegt. Das Königsgericht war sowohl konkurrierendes .Gericht als auch Berufungsgericht. lw Vgl. Nissl 174. Capitulare Mantuanum II. von 787, c. 1 (Boretiüs 1, 196): Volumus primo, ut neque abbates et presbiteri neque diaconi et subdiaconi neque quislibet de cleros de personis suis (d. i. de causis dvilibus) ad publica vel secu-
Die fränkische Zeit.
186
wohl allen Geistlichen) als Prozeßparteien die Vertretung durch den Vogt der Kirche gestattete 111 . Die Dingpflicht war für Geistliche nicht verbindlich, obwohl diese, wenn sie an den Gerichtsverhandlungen teilnahmen, den übrigen Gerichtsgenossen gleichgeachtet wurden 112 . Bei Prozessen zwischen Geistlichen und Laien wurde dem Bischof ein Ehrenvorsitz neben dem Richter eingeräumt 113 . § 26. BRUNNER, R G . 2, § § 6 8 . 9 0 .
Das Finanzwesen. WAITZ 2 ' , 2 S . 2 4 6 — 3 3 6 . 4 S , 3 — 1 7 5 .
v . DANIELS,
Handbuch 1, 5 2 6 ff. HEÜSLER, Institutionen 1 , § 6 3 . v. INAMA-STERNEQQ, Wirtschaftsgeschichte 1, 1 5 0 ff. 2 7 8 ff. 4 3 0 ff. FUBTEL DE COULANQES, Monarchie franque 2 4 2 ff. VIOLLET, Histoire 1, 3 1 8 ff. GLASSON, Histoire 2, 3 5 8 ff. 4 8 0 ff. v. SYBEL, Entstehung des Königtums* 4 0 8 ff. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 2 7 ff. ROTH, Beneficialwesen 8 5 ff. DAHN, Könige 7, 3 S . 7 6 — 1 8 1 . 8, 4 S . 2 1 3 ff. 5 S . 1 — 1 4 2 ; DG. 1, 2 S. 687 ff.; Zum merow. Finanzrecht, i. d. Germanist. Abh. f. K. Maurer S. 335 ff. G. L. v. MAÜRER, Geschichte der Fronhöfe 1, 121 ff. 212 f. 229 ff. FALKE, Gesch. d. deutsch. ZollwesenB, 1 8 6 9 . WETZEL, Zollrecht der deutschen Könige, 1 8 9 3 (GIERKE, Unters. 43). RIETSCHEL, Markt u. Stadt, 1 8 9 7 . E. MATER, Zoll, Kaufmannschaft u. Markt zwischen Rhein und Loire (Germanist. Abhandlungen f. K. Maurer, 1 8 9 3 , S. 3 7 7 ff.). T H . SICKEL, Wiener SB. 4 9 , 3 4 1 ff. W. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes ( 1 8 8 6 ) 1 f. 1 6 . 2 2 ff. 4 1 ff. ILSE, Geschichte des deutschen Steuerwesens, I. 1 8 4 4 . HÜLLMANN, Deutsche Finanzgeschichte des Mittelalters, 1 8 4 4 . VÜITRY, Etudes sur le régime financier de la France, 1 8 7 8 . POCKEBT, Die sg. notitia de servitio monasteriorum, Verhandl. d. s£chs. Ges. d. Wiss. 1890, S. 4 6 ff. GUÉRARD, Des impositions publiques dans la Gaule, Bibl. de l'école des chartes 1, 3 3 6 ff. HECK, Altfriesische Gerichtsverfassung 4 7 2 ff. Im Gegensatz zu der durchaus germanisch gestalteten Gerichtsverfassung beruhte das Finanzwesen des fränkischen Reiches größtenteils auf römischen Einrichtungen. Selbst bei der Ausbildung des den Franken eigentümlichen Bodenregals, nach dem der gesamte Grund und Boden, soweit er nicht Privateigentum war, einem idealen Obereigentum des laria iuditia traantur tel dislringanlur, sed a suis episcopis adiudicati iustitias faciant. si autem de possessionibus, seu aecclesiasticis seu proprn.«, super eos elamor ad iudicem venerit, mittat iudex clamantem cum misso suo ad episcopum, ut faciat eum per adcocaium iustitiam reeipere. si vero talis aliqua contentio inter eos orta fuerit, que per se pocificare non velint aut non posfint, tune per advoeatum episcopi, qualem iusserit ipse, causa ipsa ante comité vel iudice veniat, et ibi secun• dum legem finiatur, anteposito (d. i. excepto) persona clericorum, sicut dictum est. Capitula legibus add. von 818—819, c. 10 (ebd. 283): in ecclesiasticis autem causis, ubi de una parte saeculare, de altera vero ecclesiasticum negotium est, idem modus (wie unter Laien) observetur. ubi vero ex utraque parte ecclesiasticum fuerit, redores earundem ecclesiarum, si se familiariter pacificare velint, licentiam habeant\ si autem de huiuscemodi pacificatione inter eos convenire non possit, advocati eorum in mallo publico ad praesentiam comitis veniant et ibi legitimus terminus eorum contentiombus imponatur. 111
V g l . A n m . 1 1 0 . NISSL 1 7 3 . BRUNNEB 2, 3 0 4 . Vgl. SOHM, a. a. 0 . 221 ff.; ll " V g l . NISSL 1 7 5 .
LÖNINQ, a . a . 0 . 5 5 3 f .
SOHM, a . a . 0 .
Reichs- u. Gerichtsverfassung 340.
226.
Die fränkische Zeit.
186
wohl allen Geistlichen) als Prozeßparteien die Vertretung durch den Vogt der Kirche gestattete 111 . Die Dingpflicht war für Geistliche nicht verbindlich, obwohl diese, wenn sie an den Gerichtsverhandlungen teilnahmen, den übrigen Gerichtsgenossen gleichgeachtet wurden 112 . Bei Prozessen zwischen Geistlichen und Laien wurde dem Bischof ein Ehrenvorsitz neben dem Richter eingeräumt 113 . § 26. BRUNNER, R G . 2, § § 6 8 . 9 0 .
Das Finanzwesen. WAITZ 2 ' , 2 S . 2 4 6 — 3 3 6 . 4 S , 3 — 1 7 5 .
v . DANIELS,
Handbuch 1, 5 2 6 ff. HEÜSLER, Institutionen 1 , § 6 3 . v. INAMA-STERNEQQ, Wirtschaftsgeschichte 1, 1 5 0 ff. 2 7 8 ff. 4 3 0 ff. FUBTEL DE COULANQES, Monarchie franque 2 4 2 ff. VIOLLET, Histoire 1, 3 1 8 ff. GLASSON, Histoire 2, 3 5 8 ff. 4 8 0 ff. v. SYBEL, Entstehung des Königtums* 4 0 8 ff. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 2 7 ff. ROTH, Beneficialwesen 8 5 ff. DAHN, Könige 7, 3 S . 7 6 — 1 8 1 . 8, 4 S . 2 1 3 ff. 5 S . 1 — 1 4 2 ; DG. 1, 2 S. 687 ff.; Zum merow. Finanzrecht, i. d. Germanist. Abh. f. K. Maurer S. 335 ff. G. L. v. MAÜRER, Geschichte der Fronhöfe 1, 121 ff. 212 f. 229 ff. FALKE, Gesch. d. deutsch. ZollwesenB, 1 8 6 9 . WETZEL, Zollrecht der deutschen Könige, 1 8 9 3 (GIERKE, Unters. 43). RIETSCHEL, Markt u. Stadt, 1 8 9 7 . E. MATER, Zoll, Kaufmannschaft u. Markt zwischen Rhein und Loire (Germanist. Abhandlungen f. K. Maurer, 1 8 9 3 , S. 3 7 7 ff.). T H . SICKEL, Wiener SB. 4 9 , 3 4 1 ff. W. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes ( 1 8 8 6 ) 1 f. 1 6 . 2 2 ff. 4 1 ff. ILSE, Geschichte des deutschen Steuerwesens, I. 1 8 4 4 . HÜLLMANN, Deutsche Finanzgeschichte des Mittelalters, 1 8 4 4 . VÜITRY, Etudes sur le régime financier de la France, 1 8 7 8 . POCKEBT, Die sg. notitia de servitio monasteriorum, Verhandl. d. s£chs. Ges. d. Wiss. 1890, S. 4 6 ff. GUÉRARD, Des impositions publiques dans la Gaule, Bibl. de l'école des chartes 1, 3 3 6 ff. HECK, Altfriesische Gerichtsverfassung 4 7 2 ff. Im Gegensatz zu der durchaus germanisch gestalteten Gerichtsverfassung beruhte das Finanzwesen des fränkischen Reiches größtenteils auf römischen Einrichtungen. Selbst bei der Ausbildung des den Franken eigentümlichen Bodenregals, nach dem der gesamte Grund und Boden, soweit er nicht Privateigentum war, einem idealen Obereigentum des laria iuditia traantur tel dislringanlur, sed a suis episcopis adiudicati iustitias faciant. si autem de possessionibus, seu aecclesiasticis seu proprn.«, super eos elamor ad iudicem venerit, mittat iudex clamantem cum misso suo ad episcopum, ut faciat eum per adcocaium iustitiam reeipere. si vero talis aliqua contentio inter eos orta fuerit, que per se pocificare non velint aut non posfint, tune per advoeatum episcopi, qualem iusserit ipse, causa ipsa ante comité vel iudice veniat, et ibi secun• dum legem finiatur, anteposito (d. i. excepto) persona clericorum, sicut dictum est. Capitula legibus add. von 818—819, c. 10 (ebd. 283): in ecclesiasticis autem causis, ubi de una parte saeculare, de altera vero ecclesiasticum negotium est, idem modus (wie unter Laien) observetur. ubi vero ex utraque parte ecclesiasticum fuerit, redores earundem ecclesiarum, si se familiariter pacificare velint, licentiam habeant\ si autem de huiuscemodi pacificatione inter eos convenire non possit, advocati eorum in mallo publico ad praesentiam comitis veniant et ibi legitimus terminus eorum contentiombus imponatur. 111
V g l . A n m . 1 1 0 . NISSL 1 7 3 . BRUNNEB 2, 3 0 4 . Vgl. SOHM, a. a. 0 . 221 ff.; ll " V g l . NISSL 1 7 5 .
LÖNINQ, a . a . 0 . 5 5 3 f .
SOHM, a . a . 0 .
Reichs- u. Gerichtsverfassung 340.
226.
§ 26.
Das Finanzwesen.
187
Königs unterlag, mag teilweise die altrömische Anschauung von dem Eigentum des Staates am Provinzialboden mitgewirkt haben. Kömisch war vor allem das M ü n z w e s e n 1 . Die Merowinger behielten, in Übereinstimmung mit den Langobarden und Westgoten, den römischen Goldsolidus, der teils in ganzen, teils in Drittelstücken (tremissi, trientes) ausgeprägt wurde, bei. Das Gewicht des Solidus wurde seit der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts von 24 auf 21 Siliquen verringert, auch wurden nicht mehr 72, sondern 84 Solidi auf das Pfund Goldes (327,45 g) ausgeprägt 2 . Als Scheidemünze führte Chlodovech einen Silberdenar ein, von dem 40 auf den Solidus gingen 3 , während die Franken vor ihm gleich den meisten übrigen Germanen den schweren römischen Silberdenar aus der Zeit der Antonine, die Gallier dagegen vorwiegend eine Kupfermünze und die im Laufe der Zeit ungemein verschlechterte Silbersiliqua verwendet hatten 4 . Die Münzreform Chlodovechs muß bald nach 4 8 6 vorgenommen sein. Ihren gesetzlichen Ausdruck hat sie durch die Lex Salica erhalten. Im Laufe des 6« Jahrhunderts machte sich ein fortschreitender Goldmangel geltend, da die Subsidien und Tributzahlungen fremder Völker, die unter der kraftvollen Herrschaft der ersten Merowinger das Bedürfnis ausreichend gedeckt hatten, mit dem Verfall des Reiches ins Stocken gerieten, so daß die Goldausprägungen immer minderwertiger wurden und schließlich ganz eingestellt werden mußten. Da der vorhandene Vorrat an Goldmünzen durch Ausfuhr, Abnutzung im täglichen Verkehr, Einschmelzungen und, infolge politischer Unsicherheit, vielfach auch durch Vergraben reißend abnahm, so trat in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts ein allgemeiner Rückschlag zur Naturalwirtschaft ein. In den östlichen Reichsteilen hatte sich die letztere immer behauptet. Der Gold1 Vgl. SOETBEEK, Beiträge z. Gesch. d. Geld- u. Münzwesens in Deutschi., FDG. 1, 207 ff. 545 ff. 2, 265 ff. 4, 243 ff. 6, 3 ff. W A I T Z , Über die Münzverhältnisse in den älteren Rechtsbücliern des fränkischen Reichs, 1861 (Abb. z. Verf.u. RG. 260ff.; Abh. d. Gött. Ges. d. Wiss. 1861); VG. 2, 2 S. 305 ff. 4, 77 ff. G A R I E L , Les monnaies royales de France sous la race Carolingienne, 2 Bde, 1883—1884. MÜLLER, Deutsche Münzgeschichte 1, 1860. BRUNNER, RG 1, 213 ff. 2, 241 f. v. INAMA-STERNEGG, a. a. 0. 185 ff. 450 ff. GÛÉRARD, Polyptique de l'abbé Irminon de St. Germain des Prés, 1844, 1, 109 ff. EHEBERO, Das ältere deutsche Mttnzwesen u. die Hausgenossen (Staats- u. socialwissensch. Forschungen 2, 5), 1879. HILLIGER, Studien zu mittelalterl. Maßen und Gewichten I. (Hist. VJSchr. 3,161 ff.). P R O D , Introduction au catalogue des monnaies mérovingiennes de la bibl. nationale, 1892; dsgl. des monnaies carolingiennes, 1896. 2 Der Solidus wog hiernach etwa 4,50 g, später 3,90 g, so daß er an Metallwert ungefähr unserer Krone entsprach (unrichtig DAHN, Könige 7 , 3 S. 1 3 9 ) . 3 Daß diese Denare wirklich geprägt wurden, ergiebt sich aus zahlreichen Bestimmungen der Lex Salica und verschiedenen Münzfunden. Die entgegenstehende Ansicht, von SOEXBEER 4, 258 hat die Lex Salica außer Acht gelassen. 4 SOETBEER vermutet, daß diese Silbersiliquen, die ihrem Nennwert von Vi« Solidus längst nicht mehr entsprachen, sondern nur etwa '/io Solidus wert waren, als Anknüpfung für die chlodovechischen Denare gedient haben.
188
Die fränkische Zeit.
solidus hatte zwar auch hier einen beschränkten Eingang gefunden, aber der chlodovechische Denar scheint in Austrasien im wesentlichen unbekannt geblieben zu sein 6 . Man bediente sich, soweit man kleinere Münze gebrauchte, noch des altrömischen Silberdenars, der infolge seiner immer größeren Seltenheit einen seinen Metallwert weit übersteigenden Kurs erlangte, so daß man 12 Denare zu einem Solidus berechnete4. In Westfranken wurde, nachdem die Goldausmünzungen aufgehört hatten, die seit geraumer Zeit eingestellte Silberausprägung in verstärktem Maße wiederaufgenommen und so der Übergang von der Gold- zur Silberwährung vorbereitet. Dieser Übergang vollzog sich, wie es scheint, ohne jedes Eingreifen einer gesetzgeberischen Thätigkeit, indem man, im Anschluß an den austrasischen Münzfuß, 12 merowingische Denare zu einem Solidus Silbers zusammenfaßte; derselbe wurde nicht geprägt, sondern bildete eine bloße Rechnungseinheit im Wert von etwa einem Drittel des bisherigen Goldsolidus. Die erste indirekte Anerkennung erhielt die neue Münzordnung durch ein Kapitulare Earlmanns von 743 und eine verloren gegangene Verordnung Pippins, nach der bei allen in Geld erfolgenden Bußund Friedensgeldzahlungen der Solidus zu 12 Denaren berechnet werden sollte 7 . Die gesetzlichen Werttarife für solche Objekte, die als allgemeines Tauschmittel zu dienen pflegten, wurden von dieser Verordnung zwar rechnungsmäßig berührt 8 , da aber die Bußen und Strafgelder bei der vorherrschenden Naturalwirtschaft nur selten in Geld entrichtet wurden, so hatte 4 Bei den Baiern und Alamannen bat sich der Goldschilling bis Mitte des 8. Jahrhunderts, insbesondere auch in dem Münzsystem der Lex Alamannorum und Lex Baiuwariorum erhalten. Nachdem die fränkischen Solidi zu selten geworden waren, half man sich mit byzantinischen (maneosi), die auch bei den Avaren sehr verbreitet waren. * In dem Grabe des Königs Childerich zu Tournay haben sich an Silbermünzen nur solche schweren Denare vorgefunden, ein Hauptbeweis dafür, daß die leichteren Denare der Lex Salica erst von Chlodovech eingeführt sind. Bei den Alamaünen und Baiern hatte der Goldschilling 12 saigae oder saieae, worunter nur die schweren Denare verstanden werden können. Die bairische saica wurde zu drei fränkischen Denaren, der Goldschilling also zu 36 (später zu 30 karolingischen) Denaren berechnet. ' Vgl. § 24 n. 20. WAITZ 4*, 80. Bei Zahlungen in Geld bedeutete dies «ine allgemeine Herabsetzung der Taxen auf ungefähr ein Drittel des früheren Betrages. Vgl. His, Pries. Strafrecht 16. 8 Vgl. v. INAMA-STERNEGG 195 ff. Charakteristisch ist besonders ein karolingi8cher Zusatz der L. Bibuar. 36, wo c. 11 die Werttarife für den Fall einer Wergeldzahlung in den verschiedensten Vermögensgegenständen spezialisiert sind, während c. 12 bestimmt: Qicod st cum argento solvere contingerit, pro solido 12 diñarlos, sicut antiquitus est constitutum,. Ähnliche Werttarife finden sich L. Saxon. 66 und Capitulare Saxonicum von 797, c. 11 (BÖRETIUS 1, 72), in dem letzteren mit dem Zusatz: In argento 12 denartos solidum faeiant. et in aliis speciebus ad istum pretium (d. h. nach dem angegebenen Tarif) omnem aestimationem eonpositionis sunt. Daß die Werttarife unverändert geblieben sind, zeigt sich am besten an der Taxe des Kranichfalken, der nach Pact Alam. 3, 14, Lex. Baiuw. 21, 1 und Ler Eib. 36, 11 gleichmäßig zu 6 Schillingen gerechnet wurde. Also was früher zu einem Goldschilling veranschlagt worden war, entsprach nunmehr einem Schilling Silbers.
§ 26. Das Finanzwesen.
189
die Neuerung Pippins keineswegs die radikale Bedeutung, die ihr gewöhnlieh beigelegt wird. Übrigens bezog man diese Herabminderung der gesetzlichen Taxen unter Karl dem Großen noch nicht auf die detaillierten Bußsätze der Lex Salica, was den König veranlaßte, auch hinsichtlich der nach diesem Yolksrecht verwirkten Friedensgelder die Zahlung nach der früheren Währung einzuschärfen9. Erst Ludwig der Fromme sah sich bewogen, auch für die Bußen und Friedensgelder der Lex Salica die Berechnung nach dem neuen Münzfuß anzuordnen10. Geprägt wurden unter den Karolingern ausschließlich Silberdenare, und zwar seit etwa 780 nach dem bis in das Mittelalter beibehaltenen Münzfuß Karls des Großen 240 Denare (20 Solidi) auf das karolingische Pfund 11 . Die Prägungen erfolgten nur auf private Bestellung, so daß die Münzstätten zugleich das Geschäft von Wechselbanken versahen. Als Provision wurde ein Schlagschatz von ungefähr 5 °/0 erhoben. Die ersten Merowinger bedienten sich noch des römischen Gepräges, seit Theudebert I. fingen sie an, eigene Stempel zu verwenden. Unter den Merowingern wurde zwar an der Regalität des Münzwesens prinzipiell festgehalten, die Silberausprägungen des 7. Jahrhunderts sied aber vielfach von einzelnen Großen, stellenweise auch wohl von den Münzmeistern selbst ausgegangen. Unter den Karolingern wurde das Münzregal streng durchgeführt. Verleihung des Münzrechts, aber nur unter Anwendung des königlichen Gepräges und mit Beobachtung des Reichsmünzfußes, kamen zuerst unter Ludwig dem Frommen vor, doch hatte schon Karl dem Herzog von Benevent und dem Papst das gleiche Recht zugestanden12. Im übrigen bedeutete die Verleihung einer Münze (moneta) nur die Bc* Capitulare legibus additum von 803, c 9 (BORETIUS 1, 114): Omnia debita quae ad partem regis solvere debent, solidis 12 denariorum solvant, excepto freda quae in lege Saliga scripta est; illa eodem solido, quo eaeterae compositiones solei debent, componatur. 10 Nur bei der Verletzung eines Franken durch einen Sachsen oder Friesen sollten die hohen Bußsätze des salischen Gesetzes aufrecht erhalten bleiben, wahrscheinlich um gegenüber dem Adelswergeld ihrer Volksrechte eine Ausgleichung zu bewirken. Vgl. BRITNNER 1, 2 1 6 . Capitula legi addita von 8 1 6 , 1, c. 3 (BORETIUS 1 , 2 6 8 ) : TJt omnis solutio adqwt conposüio, que lege Salica eontinetur, in Francia per 12 denariorum solidos eonponatur, excepto ubi contmtio inter Saxones et Frisiones exorta fuit: ibi volumus, ut 40 denariorum quantitatem solidus habeat, quam vel Saxo vel Frisio ad partem Salici Franci cum eo litigantis solvere debet. Schon unter Karl hatte das Reimser Konzil von 813 die Bitte um Wiederherstellung der Anordnung Pippins ausgesprochen, vgl. W A I T Z 4', 8 0 n. 1 . 11 Pippin hatte die Ausprägung von 22 Solidi (264 Den.) auf das Pfund angeordnet, wovon der Mttnzmeister 1 Solidus als Schlagschatz zurückbehalten sollte (BORETIUS 1, 32, c. 5). Karl führte eine erhebliche Verbesserung des Münzfußes herbei, indem er das Normalpfund auf 15 Unzen, d. h. ungefähr 409 g erhöhte und die Zahl der daraus zu schlagenden Denare auf 240 herabsetzte. Der Denar entsprach also ungefähr einem Gewicht von 35 der Solidus einem solchen von 4 Jt 20 ^ Reichswährung. u
V g l . WAITZ 4 s , 9 4 f.
BRÜNNER 2 ,
242.
Die fränkische Zeit.
190
willigung einer Münzstätte. Die Prägungen erfolgten durch Münzmeister {monetarii). Münzergenossenschaften hat es in dieser Periode noch nicht gegeben. Die ungeheure Zahl der aus den Münzfunden ersichtlichen Münzstätten ergiebt, daß die Merowinger keine festen Prägeorte gehabt haben, die Münzer vielmehr im Lande umherzogen und überall, wo gerade ein Bedürfnis vorlag, an Märkten, Gerichten, Zollstätten, ihre Bank aufschlugen. Unter den Karolingern wurde die Zahl der Münzorte durch die Einführung fester Münzstätten und das "Verbot der Prägung außerhalb derselben bedeutend eingeschränkt; neben den regelmäßigen Münzstätten, die unter der Aufsicht des Grafen standen 18 , gab es auch eine Pfalzmünzstätte, die den Hof ständig begleitete 14 . In den ostrheinischen Gebieten kamen, soweit nicht das königliche Hoflager dazu Anlaß gab, im allgemeinen auch jetzt noch keine Münzprägungen vor, nur zu Regensburg befand sich eine öifentliche Münzstätte und dem Abt von Corvey hatte Ludwig der Fromme die Errichtung einer solchen gestattet 16 . Die deutsche Bezeichnung für Solidus war Schilling, der Denar wurde Schatz oder Pfennig genannt 16 . Im wesentlichen behauptete sich in Deutschland die reine Naturalwirtschaft, und der karolingische Münzfuß, der auch hier überall zur Einführung gelangte und die älteren Münzordnungen verdrängte, hatte doch vorwiegend nur die Bedeutung eines Rechnungsmünzfußes17. 13
Vgl. das nur bruchstückweise erhaltene Capitulare de moneta
(BORETIVS
1, 2 9 9 ) .
u Karl d. Gr. hat die Absicht, außerhalb der Pfalz keine Prägungen mehr zuzulassen, nicht zur Ausfahrung gebracht. Das Reich Karls II. besaß nach dem für das Münzwesen besonders wichtigen Edict. Pistense von 8 6 4 (BORETIUS-KRAUSE, Capitularía 2, 315), außer der Pfalz neun öffentliche Münzstätten. 16 Vgl. SOETBEER, a. a, 0 . 6, 25. 29 ff. 41. 53. T H . SICKEL, Regesten der Karolinger 181. 347. Über Münzen aus Regensburg und vielleicht Eßlingen vgl.
WAITZ 8, 327 n . 16
8.
Vgl. STEINMETER u. SIEVERS, Glossen 2, 252: solidos, seillinga. 1, 112 f.: dmarius, sca% edo pfantine (phendieo, pfentinc). 715: denario diurno, daga penninge. 17 Eigentümlich war das MQnzwesen der S a c h s e n und F r i e s e n , von denen die letzteren noch längere Zeit an dem Goldschilling festhielten. Beide rechneten nach Tremissen, die man auch als „Denare" bezeichnete. Zwei solcher Stücke machten bei den Ostfriesen und Sachsen einen Schilling aus, der demnach nnr Zweidrittel des fränkischen Schillings betrug. Der westfriesische Schilling hatte 2 D e n a r e . Der Übergang zur Silberwährung brachte den fränkischen Silberschilling zu 12 Denaren ins Land, doch hielt der friesische Sprachgebrauch daran fest, auch jetzt noch den Drittelschilling als „Denar" zu bezeichnen; man unterschied nun den dmarius novae monetae (zu 4 fränkischen Denaren) von der alten Tremis8e (denarius vetus). Nur die Wergeidtaxen der Lex Saxonum wurden dauernd nach dem altsächsischen Schilling (also zu 8 fränkischen Denaren) berechnet. Vgl. BRÜNNER 1, 2 1 5 f. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 2 9 ff. H E C K , Altfriesiche Gerichtsverfassung 2 6 8 ff. His, Pries. Strafrecht 1 4 ff. SCHÜCKINO, N . Aich. 2 4 , 6 3 9 ff. Dem friesischen Denar, d. h. der Tremisse, entsprach der angelsächsische Schilling, der in Mercia 4, in Wessex 5 Denare ausmachte. Vgl. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 5 9 1 ff. K. MAURER, Wesen des ältesten Adels 124 f. Über die thüringischen Münzverhältnisse vgl. v. RICHTHOFEN jun., MG. Leg. 5 , 1 2 2 , n. 2 6 .
§ 26.
Das Finanzwesen.
191
Römischer Herkunft war auch das gesamte Zollwesen. Außer den verschiedensten Gebühren für die Benutzung öffentlicher Anlagen (Wegegelder, Strom- und Hafengelder, Fähr- und Brückengelder, Abgaben für öffentliche Maße und Gewichte u. dgl. m.) gab es eine zwiefache Art von Zöllen, nämlich Transitzölle18 die an althergebrachten oder auf königliche Anordnung neuerrichteten Zollstätten von allen dieselben passierenden Warentransporten (also nur von Handelsgut, nicht von reinem Privatgut) erhoben wurden und regelmäßig in einem Teil der Ware, nur ausnahmsweise in Geld bestanden, und sodann die Marktzölle die von allem feilen Kaufe auf den Märkten, also von allen Marktabschlüssen, entrichtet werden mußten. Zollverleihungen und Zollbefreiungen zu Gunsten von Privaten kamen schon unter den Merowingern vor19. Die vom Zoll befreiten Transporte hatten besondere Legitimationszeichen zu ihrer Ausweisung bei sich zu führen. Die M ä r k t e waren teils Jahrmärkte, teils Wochenmärkte. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts war es anerkannter Rechtssatz, daß, abgesehen von dem ungeregelten Zusammenströmen von Handeltreibenden bei Kirchweihfesten und ähnlichen Gelegenheiten20, Märkte nur an solchen Orten abgehalten werden durften, an denen es herkömmlich oder ausdrücklich vom König bewilligt war, denn alles was zu einem ordentlichen Markte gehörte, Marktzoll, Marktmünze, Marktfrieden, konnte nur von der königlichen Gewalt ausgehen; insofern kann man also bereits in der fränkischen Zeit von einem Marktregal sprechen21. In erster Reihe ist das Marktregal auf die regelmäßige Verbindung mit dem Marktzoll zurückzuführen, der auf grundherrlichen Märkten nicht ohne königliches Privileg 18 Lat. transiturae, trasturae, transitoria, ahd. muta (vgl. got. môta). Gleichmäßig für Transit- und Marktzöl)< verwendete man teloneum, toloneum und das wohl davon abgeleitete ahd. xol, alts. ags. toi. Vgl. K L D Q E , S. V. Maut, Zoll. 18 Von HÜLLMANN und LEZARDIÈRE ist die neuerdings von RIETSCHEL, a. a. 0. 20 ff., wiederaufgenommene Ansicht aufgestellt worden, daß das fränkische Zollrecht einen grundherrlichen Charakter gehabt und auch dem König nur als Grundherrn, insbesondere auch als Grundherrn der öffentlichen Straßen, zugestanden habe; nur allmählich (nicht vor Karl d. Gr.) sei die Umgestaltung zum Zollregal erfolgt. Aber was man dafür angeführt hat, beweist nichts. Transit- und Marktzölle waren reine Belastungen des Handelsverkehrs aus fiskalischen Rücksichten und keineswegs, wie die sonstigen Gebühren, eine Gegenleistung für vom Zollherrn hergestellte oder unterhaltene Anlagen. Wenn bei althergebrachten privaten Zöllen hin und wieder jede Bezugnahme auf eine königliche Verleihung fehlt, so findet dies in der Achtung, die das deutsche Recht der unvordenklichen Zeit entgegenbrachte, seine ausreichende Erklärung. Vgl. BORETIÜS, Capitularia 1, 51, c. 18. 124 c. 13. 132 c. 10. 284 c, 17. 294 c. 1. 40
11
V g l . RIETSCHEL, a . a . O .
30.
Vgl. besonders RIETSCHEL, a. a. 0 . HÜVELIN, Essai bist, sur le droit des marchés et des foires, 1 8 9 7 . E. M A T E R , a. a. 0 . 3 9 1 ff. R A T H Q E N , Entstehung der Märkte in Deutschland, Straßb. Diss. 1 8 8 1 . W A I T Z 2 » , 2 S . 3 0 2 . 4 * , 5 2 ff. BRÜNNER 2 , 2 3 9 f. v. INAMA-STERNEGG 1, 4 3 0 ff. FOCKEMA A N D R E A E , Het marktregaal (Feestbundel prof. BOOT, Leiden 1 9 0 1 , S. 7 7 ff.).
Die fränkische Zeit.
192
erhoben werden konnte22. Unter den Karolingern wurde mit der Erteilung einer Marktgerechtigkeit stets die Bewilligung einer königlichen Münzstätte verbunden. Auch die ersten Spuren der späteren Bannmeile begegnen bereits, indem die Könige kraft ihrer Banngewalt für die Dauer des Marktes allen sonstigen Handelsverkehr innerhalb eines gewissen Umkreises verboten23. Daß Märkte nicht ohne besonderen Marktfrieden bestehen können, ist zu allen Zeiten und bei allen Nationen anerkannt gewesen21; daß ein solcher in den öffentlichen Märkten des fränkischen Reiches nur auf dem königlichen Friedensbann beruhen konnte, versteht sich von selbst, wenn auch die ausdrückliche Hervorhebung des Markt* bannes erst in späteren Privilegien begegnet26. Zum Zeichen dessen pflegte der König später seinen Handschuh zu übersenden, der auf diese Weise überhaupt zu einem Wahrzeichen des Marktrechts und Marktfriedens wurde. Internationales Wahrzeichen des Marktfriedens war namentlich der Laubbusch; bei den Germanen kam neben den bereits an anderer Stelle angeführten Symbolen besonders das Marktkreuz in Anwendung, das während der Dauer des Marktes aufgesteckt zu werden pflegte und gewöhnlich noch einige andere Wahrzeichen des königlichen Marktbannes zu tragen hatte 26 . Die Handhabung der öffentlichen Gewalt, zumal der Marktpolizei, war Sache der Grafen und Schultheißen, in den Immunitäten lag sie den Immunitätsbeamten, in den königlichen Pfalzen den Pfalzbeamten ob. Die Natur des Marktverkehrs brachte es mit sich, daß die Märkte mit einem gebotenen Gericht (oder Gastgericht) verbunden wurden* Unter Karl dem Großen wird bereits ein besonderer Marktrichter, in dem vorliegenden Fall ein Unterrichter des Immunitätsbeamten, erwähnt 27 . Außer den Zolleinrichtungen hatten die Franken in Gallien ein ausgebildetes S t e u e r s y s t e m vorgefunden, das sie zunächst einfach fort** Gut, nur durch die irrtümliche Ansicht über die Entstehung des Zollregals getrübt, EIETSCHEL 9 ff. 26 ff. 88 Vgl. BOBETIÜS, Capitularia 1, 2 9 4 c. 1, und die angebliche Urkunde Dagoberts von 629 für St. Denis, MG. Dipl. Merov. 141, deren Echtheit zweifelhaft ist, die aber jedenfalls noch in die merowillgische Zeit zurückreicht. Vgl. RIETSCHEL 10 f. 31 f. M Vgl. v. AMIBA® 7 5 f. HOTELIN 8 3 8 ff. 3 5 7 f. GOLDSCHMIDT, Universaigesch, des Handelsrechts 24 f. K O E H N E , Zeitschr. f. vergi. K W . 11, 196 ff. WISSMANN, Meine zweite Durchquerung Afrikas 99. 16 Vgl. RIETSCHEL 195 ff. Der Marktfrieden gewährte zugleich den zum Markt Reisenden und vom Markt Heimkehrenden sicheres Geleite. 28 Vgl. S. 1 0 8 . H O T E L I N 3 5 4 ff. KEDTGEN, Untersuchungen über den Ursprung der deutschen Stadtverfassung .71 ff- Über den Schild als Marktzeichen vgl. noch K . LEHMANN, Kauffriede und Friedensschild (Germanist. Abhandlungen für K.
27
MAURER, 1 8 9 3 , S . 4 7
ff).
In ähnlicher Weise darf man annehmen, daß auch auf königlichen Märkten bereits Unterrichter der Grafen oder Centenare oder der Domänenbeamten als Marktrichter thätig gewesen sind. Vgl. BRUNNEB 2, 201. 240. SICKEL, Beitr. z. deutsch. VG. (S. 104) 457 f. EIETSCHEL, a. a. 0. 159. HOTELIN 383 ff. SOHM, Entstehung des deutschen Städtewesens 53. 58. 60.
§ 26. Das Finanzwesen.
193
bestehen ließen. Die Versuche Chilperichs, es zu erweitern und auf die Germanen auszudehnen, erwiesen sich als undurchführbar, wenn sich auch nicht bezweifeln läßt, daß römische Besitzungen, die in die Hände von Germanen übergingen, dadurch noch nicht von der Grundsteuer befreit wurden 28 . Da die römischen Steuerindiktionen im fränkischen Reich bald fortfielen und ein eigentliches Besteuerungsrecht seitens der Könige zwar wiederholt geltend gemacht wurde, aber nicht durchgeführt werden konnte, so nahmen die einmal feststehenden Steuerbeträge mehr und mehr den Charakter einer festen, den Grundbesitz belastenden Rente an 29 . Das Mittelalter kannte eine in Frankreich und Belgien sowie den chattisch-fränkischen Gebieten gleichmäßig verbreitete Abgabe, die als Landrecht (terragium, tierage), Ackergeld (agrarium, araticum, garba, gerbagium), Feldteil (campipars, champart, teil, siebente), in den deutschen Gegenden vornehmlich als medem bezeichnet wurde 30 . Das „Landrecht" bestand in dem siebenten, in Frankreich überwiegend dem fünften Teil der Feldfrüchte, außerdem in Weidegeldern (pascuaria) und einem Schweinezehnt (dehem, cellarinsis) für die Mast. Diese Leistungen werden schon im 6. Jahrhundert erwähnt 31 und sind durch eine Verfügung Chlothars IL, der die Ackergelder, Weidegelder und Schweinezehnten von allen kirchlichen Besitzungen an die Kirche abtrat, speziell für die römischen Teile des Reiches bezeugt32. Hier mochten sich Reste des alten Provinzialtributs erhalten haben, das bekanntlich in dem Zehnten von allem Gesäeten, dem Fünften von allem Gepflanzten zu bestehen pflegte 39 . Dann hätte man anzunehmen, daß die römische Steuerreform sich in Gallien vielfach auf die Kopfsteuer (capitatio) beschränkt und die Grundsteuer (iugatio) nur teilweise durchgeführt hätte, so daß für die zahlreich vorhandenen agri vectigales einfach das alte Recht bestehen blieb, eine Annahme die in der auch sonst hervortretenden Verschieden38 M
30
V g l . WAITZ 2, 2 S. 2 7 5 ff. V g l . WAITZ 2, 2 S. 2 6 5 f. 271.
ROTH, B e n e f i z i a l w e s e n 88 ff.
Vgl. SCHRÖDER, Die Franken und ihr Recht 65ff.; Untersuchungen zu d. fränk. Volksrechten, Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutschlands 6, 485ff.; Die Ausbreitung der salischen Franken, FDG. 19, 151 ff. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1, 104 ff. 391 ff. Über die Erklärung des Wortes medem (Geschenk, Kleinod) vgl. Ausbreitung der sal. Franken 164 n. 6. STEINMETER u. SIEVERS, Glossen 2, 746: exenia, madmas. BRUNHER 2, 236 bemerkt, daß die siebenbfirgischen Sachsen noch heute „Medemländer" kennen, ein Umstand der auf ihre fränkische Herkunft deutet. ,l Vgl. Gregor, Liber de virtutibus S. Juliani, c. 17. Edikt Chlothars II. von 614, e. 2 3 (BORETIÜS 1, 23).
WAITZ 2, 2 S. 2 7 9 ff.
Praeceptio Chlothars II. c. 11 (BORETIUS 1, 19): Agraria, pascuaria vel decimas poreorum aeeelesiae pro fidei nostrae devotione coneedemus, ita ut actor aui deeimatur in rebus eeelesiae nullns accedat. BORETIUS macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die Praeceptio zunächst für die römischen Provinzialen berechnet gewesen ist.
Vgl. WAITZ 2, 2 S. 279 ff. 4, 125 f.
'* Vgl. MOMMSEN, Römische Geschichte 2®, 381. MATTHIAS», Die römische Grundsteuer und das Vectigalrecht S. 8, und die daselbst angeführte Litteratur. R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtegeschichte. 4. Aufl. 13
Die fränkische Zeit.
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heit der staatlichen Organisation der gallischen Provinzen (S. 122) eine Stütze findet. Ob diese Abgabe dann das Vorbild für den fränkischen Medem geworden ist, muß dahingestellt bleiben. Sicher ist, daß der letztere eine dauernde Belastung aller neu in Kultur genommenen Grundstücke bildete, insoweit also seinen Rechtsgrund in dem Bodenregal des Königs hatte. Dagegen ist die Auffassung des Mederns (der sich übrigens bis in das 8. Jahrhundert zurückverfolgen läßt) als einer allgemeinen Hufenabgabe nicht aufrechtzuerhalten34. Ganz unsicher ist die Herkunft und Bedeutung verschiedener, in anderen Stammesgebieten vorkommender Grundabgaben36. Die übliche Annahme von der unbedingten Abneigung der Germanen gegen öffentliche Abgaben ist aus der Luft gegriffen, nur eigentliche Besteuerungen ließen sie sich nicht gefallen. Selbst eine der vornehmsten Klassen der Unterthanen (die königlichen Vassallen) fand es nicht unter ihrer Würde, kirchliche Benefizien mit der Last eines doppelten Zehnten zu übernehmen (S. 164). Es läßt sich vermuten, daß der in Westfranken übliche „Fünfte" dabei als Vorbild gedient hat. Die Verpflichtung zum Kirchenzehnten war seit Karl dem Großen in dem größten Teil des Reiches anerkannt, sogar die königlichen Güter beanspruchten keine Zehntfreiheit36. Dagegen erschien den Germanen die Belastung mit einer Kopfsteuer als eine Minderung der Freiheit. Die römische Kopfsteuer wurde zwar beibehalten, selbst ihre Ausdehnung auf die Germanen wiederholt, wenn auch vergeblich, versucht, aber schon unter den arnulfingischen Hausmeiern war das ganze Steuersystem als solches verschwupden und nur eine erbliche Belastung gewisser in die öffentlichen Bücher eingeschriebenen und dadurch in ihren Freiheitsrechten geminderten Familien übrig geblieben87. Dagegen haben sich die schon in der Urzeit üblichen Jahresgeschenke bei Gelegenheit der Beichsversammlung bis in die Zeit der Karolinger erhaltenS8. Vielfach, namentlich auf Seiten der Reichskirchen, u
Vgl. BRDNNER 2, 237 f., der auf die Unzulässigkeit der Veräußerung zinspflichtiger Grundstücke an Kirchen ohne die Zustimmung des Zinsherrn, gegenüber der freien Veräußerlichkeit der großen Mehrzahl der Grundstücke, hinweist. 36 Dahin gehörte der Schweinezins der Thüringer, die steora oder ostarstnofa der Mainfranken, die stuofa der Alamannen. Der in dem Gebiet der chattischen Franken mehrfach erwähnte EönigsschefFel (modius regis) und die auch hier vorkommende stuofa scheinen mit dem Medem identisch gewesen zu sein. Vgl. WAITZ 2, 2 S. 2 5 3 ff. 4 , 111. 115 ff. SOHBÖDER, F r a n k e n 72 f.
LAMPBECHT, a. a. 0 . 105.
CRAMER, Alamannen 226 ff. In der ostarstwfa oder steora der Mainfranken vermutet BBUNNBR 2, 237 einen Rest der alten Jahresabgabe im Landesding. 38
V g l . WAITZ 2, 2 S. 283. 4, 1 2 0 ff. BRUNNER 2, 249. 321.
LÖNING, G e s c h . d.
deutsch. KB. 2, 676 ff. HAUCK, Kirchengeschichte Deutschlands 2, 202 f. 37
Vgl
WAITZ 2 , 2 S. 2 7 2 ff. 4, 112 ff. ROTH, B e n e f i z i a l w e s e n 88 ff. G e g e n
die von £. MAYEB, a. a. 0 . 1, 11—47 entwickelte Ansicht von der allgemeinen Zinspflicht aller Freien vgl. STÜTZ, ZRG. 34, 125 f. 38
V g l . A n m . 35 u n d S. 22. 26 f. 29. 150 n. 8.
WAITZ 2, 2 S. 2 4 8 f. 4, 107 ff.
626. BRÜNNER 2, 68 ff. Der letztere macht darauf aufmerksam, daß auch bei gewissen Hoffestlichkeiten Geschenke der Unterthanen erwartet wurden.
§ 26.
195
Das Finanzwesen.
waren sie zu festen Jahresabgaben geworden und hatten den Charakter der Freiwilligkeit völlig abgestreift. Weitere Einnahmequellen waren die Tribute unterworfener oder Subsidien und Geschenke verbündeter oder befreundeter Staaten 89 , die Kriegsbeute 40 und alles im eroberten Lande vorgefundene Staatseigentum41, das Recht des Königs auf herrenlose oder erblose Güter 42 , Schutzzinse der in den Königsschutz aufgenommenen Kirchen und Klöster sowie einzelner Königs-Muntleute, unter denen sich auch bereits Schutzjuden befanden43, Konfiskationen44, ferner Strafgelder für unberechtigte Anfechtung oder Beeinträchtigung gewisser subjektiver Rechte dritter Personen, namentlich Konventionalstrafen, die der Vertragsbrüchige häufig ganz oder zum Teil an den Fiskus zu entrichten verpflichtet wurde45. Yon den F r i e d e n s g e l d e r n hatten die Grafen zwei Drittel an den König abzuliefern, ein Drittel durften sie für sich behalten46. Dies Drittel bildete einen Teil der Besoldung der Grafen, die außerdem, wie alle übrigen öffentlichen Beamten, schon in der Merowingerzeit regelmäßig mit gewissen, zu der Ausstattung ihres Amtes gehörigen Gütern beliehen waren47. Bußen, die auf Verletzung der Beamten als solcher gesetzt waren, z. B. bei einer als unbegründet zurückgewiesenen Urteilschelte, wahrscheinlich auch die ihnen gegenüber verwirkten Bannbußen, kamen den Beamten unmittelbar zu gute 48 . Mehrfach war es üblich, daß den Grafen seitens der Gaubewohner oder der Marktbesucher freiwillige Geschenke (Beden) dargebracht wurden; die Könige hatten wiederholt Veranlassung, mißbräuchlichen Belastungen dieser Art entgegenzutreten49. Bedeutende Einnahmen flössen den Königen durch die Banngelder, namentlich den Heerbann, zu60. Kraft des Bodenregals hatten die Könige «• V g l . WAITZ 2, 2 S . 2 5 0 ff. 4, 1 0 3 ff. Vgl. S . 149. WAITZ 2 , 2 S. 2 9 4 . 4 , 1 0 2
40
f. BRUNNER 2 , 7 7 . Das Recht des Heeres auf einen Teil der Beute blieb fortdauernd bestehen, doch bestimmte der König die Art der Verteilung. 41
42
V g l . WAITZ 2, 1 S . 4 2 . 2, 2 S . 3 1 7 f .
Vgl. WAITZ 2, 2 S. 285. 4, 135 f. Von dem Recht des Königs auf erblose Güter ist der Erbschaftszehnte zu unterscheiden, der als Gebühr erhoben wurde, wenn mangels gütlicher Einigung der Miterben eine obrigkeitliche Erbteilung notwendig wurde. Vgl. WAITZ 2, 2 S. 284. 4, 124. 48 44
V g l . WAITZ 2, 2 S. 2 4 9 . BRUNNER 1, 2 7 7 . 2, 49. 7 1 . V g l . WAITZ 2, 2 S . 2 9 0 ff. 4, 1 3 7 f.
45 Über die Bedeutung der Straf klauseln in Urkunden vgl. LÖNINO, Vertragsbruch 7 5 ff. 5 3 4 ff. BLUHME, Jahrb. d. gem. deutsch. Rechts 3 , 2 0 7 ff. SJÖGREN, Über die römische Konventionalstrafe n. d. Strafklauseln der fränk. Urkunden, 1 8 9 6 (dazu A. SCHULTZE, ZRG. 3 0 , 1 7 6 ff.). BRONNER 2, 7 1 ; ZRG. 1 8 , 7 2 f. MERKEI, MG. Leg. 3, 126 n. 8. 127 n. 11. 377 n. 10 f. DAHN, Könige 7, 3 S. 303. L. Alam. I, 2. 2, 2. BORETIUS, Capitularla 1, 114 c. 7. 215 c. 7. 44
V g l . WAITZ 2, 2 S. 3 5 . 125. 2 8 5 . 3 2 9 . 4, 1 6 8 ff. V g l . WAITZ 2, 1 S . 3 1 5 . 2 S . 3 5 . 1 2 5 . 4 , 1 6 5 ff. 4 » V g l . WAITZ 2 , 2 S . 3 2 9 . « V g l . WAITZ 4 , 1 7 1 ff. 50 V g l S. 113 ff. WAITZ 2, 2 S. 286 ff. 4, 576 ff. W . SICKEL, 47
Zur Geschichte
des Bannes 3 ff. 13*
Die fränkische Zeit.
196
das unbeschränkte Recht, überall im Reiche, nicht blos auf Königsland, für sich oder einzelne Begünstigte W i l d b ä n n e (Bannwälder, forestes venationis, und Banngewässer, forestes aquaticae, f . piscationis) abzugrenzen, die dadurch bei Strafe des Königsbannes dem Recht des freien Tierfanges und der Verfügung des Grundbesitzers gleichmäßig entzogen (daher forestare, von foris) und dem besonderen Jagd- oder Fischereirecht des Königs oder des von ihm Privilegierten (übrigens regelmäßig mit Beschränkung auf die hohe Jagd und den edleren Fischfang) vorbehalten wurden 61 . In derselben Weise konnten die Könige über das S t r a n d und G r u n d r u h r r e c h t an den Küsten und Stromufern verfügen 62 . Auf dem Gebiete des B e r g b a u e s und der S a l z g e w i n n u n g sind königliche Eigenbetriebe nur auf Königsgut bezeugt. Verleihungen an Private lassen sich nicht nachweisen, aber die privaten Betriebe waren durchweg mit einem an den König zu zahlenden Berg- oder Salzzins belastet, der sich dem von allem Rottland erhobenem „Landrecht" (S. 193) zur Seite stellt und wohl gleich diesem als ein Ausfluß des Bodenregals zu betrachten ist. Kann demnach von einem Berg- und Salzregal in der fränkischen Periode noch ebenso wenig, wie von einem Jagd- und Fischereiregal die Rede sein, so darf man doch annehmen, daß die Könige ein dem Wildbannrecht entsprechendes Bergbannrecht besaßen, das in Verbindung mit dem Bergzins sich später leicht zum Bergregal ausgestalten konnte 63 . Größtenteils auf römische Einrichtungen (namentlich das römische Postwesen) sind die unter dem Namen servitium regis zusammengefaßten Naturalleistungen der Unterthanen zurückzuführen 64 . Man verstand darunter die Verpflichtung, dem König nebst seinem Gefolge, den Mitgliedern des königlichen Hauses, den Königsboten und allen solchen Personen, die
15.
61 V g l . § 2 8 n. 4 4 , WAITZ 2, 2 S . 3 1 6 . 4, 1 2 8 ff. SICKEL, a . a. 0 . 4 1 ff. BRDNUER 2, SCHRÖDER, F r a n k e n 8 0 . HECSLEE, I n s t i t u t i o n e n 1, 3 7 0 f. E . MAYER, a. a . O.
1, 86 ff. Die Einwendungen von DAHN (Könige 7, 3 S. 81 f. 8, 5 S. 110 ff.) sind teils gegenstandslos, indem sie sich auf ein von uns nie behauptetes Jagd- und Fischereiregal der Frankenkönige beziehen, teils beweislos, indem die allein ins Gewicht fallende angebliche Urkunde Arnulfs für Salzburg längst als grobe Fälschung erkannt ist. Vgl. MÜHLBACHEB, Regesten der Karolinger I. Nr. 1801. 12
V g l . WAITZ 4 , 135.
68
Vgl. ZYCIIA, Recht des ältesten Bergbaues (1899) S. 8—24, dem ich nur darin nicht beistimme, daB ich den Bergzins mit dem Landrecht gleichstelle und mit BBUNNER 2, 76 ein dem Wildbannrecht entsprechendes Bergbannrecht annehme. I m ü b r i g e n v g l . WAITZ 2, 2 S . 3 1 5 f. 4, 1 2 7 f. 8, 2 6 9 ff. v . INAMA, W i r t s c h . - G .
1,
426 f. SCHBÖDEB, Franken 81. Für die Ursprünglichkeit des Bergregals AHN DT, Zur Geschichte und Theorie des Bergregals 56 ff. 181 f. 209—218. ÜEUSLEB, a. a. O. 1, 369 f. Dagegen DAHN, Könige 8, 5 S. 119 f. M Vgl. WAITZ 2 , 2 S . 2 9 5 ff. 4 , 11 f. BETONER 2 , 2 2 8 ff. DAHN, Könige 7, 3 S. 146 ff. 8, 5 S. 88 ff. E. MAYEB, a. a. O. 1, 59 ff. Die Leistungen wurden zunächst immer nur den betreffenden geistlichen und weltlichen Beamten abgefordert, die dafür verantwortlich waren, die Lasten dann aber weiter auf die Unterthanen zu verteilen hatten. Die Grundherren wälzten die oft sehr erheblichen Lasten, so gut es ging, auf ihre Hintersassen ab. Vgl. § 27 Aum. 9.
§ 26. Das Finanzwesen.
197
ihr Recht dazu durch einen schriftlichen Spezialbefehl des Königs (tractoria) nachweisen konnten, Aufnahme und Unterhalt (mansiones, paratae, pastus)
sowie die nötigen Beförderungsmittel (evectio, veredi,
paraveredi,
angariae, parangariae) zur Verfügung zu stellen66. Das Heer hatte innerhalb des Reiches nur die jedem Reisenden zustehende Befugnis, Gras, Wasser und Holz für den Bedarf zu entnehmen 66 , doch scheint die von den Grundherrschaften erhobene Lieferung von Futter (fodrum) und Lebensmitteln (carnaticum) und die Gestellung von Transportmitteln {hostilicium, ad hostem) ursprünglich den Charakter einer allgemeinen Kriegslast der von der Wehrpflicht befreiten hörigen Bevölkerung gehabt zu haben 67 . Auch Brücken- und Straßenbauten sowie Befestigungsarbeiten (burgwerk, wacta, warda) galten als allgemeine Unterthanenlasten, die aber in erster Reihe auf den Anliegern ruhten 68 . Die wichtigste Finanzquelle bildete der überaus reiche Bestand an K r o n g ü t e r n 6 9 , die teils unmittelbar für den Hof bewirtschaftet wurden, teils gegen Abgaben und Dienste verliehen waren. Die Krongüterverwaltung hatte bis auf Karl den Großen ihren Sitz in den Grafschaften; sie lag, wenn sie nicht im einzelnen Fall dem Grafen im Nebenamt übertragen war, in den Händen eines Domesticus, unter dessen Aufsicht den einzelnen Verwaltungsbezirken besondere Amtleute (iudices) vorstanden, während die Oberaufsicht Sache des Hofdomesticus war (S. 129. 142). Karl der Große löste die Krongüter ganz aus dem Grafschaftsverband, indem er von der Gaueinteilung unabhängige Domänenämter (/?««') bildete, geschlossene Güterkomplexe die an Rhein und Mosel zum Teil noch im Mittelalter eine oder mehrere Quadratmeilen umfaßten. Die einzelnen königlichen Wirtschaftshöfe wurden villae, soweit sie aber für den unmittelbaren Gebrauch des Hofes eingerichtet waren, Pfalzen (palatia) genannt. An der Spitze jedes Domänenamtes stand als Nachfolger des 65 Über den germanischen Ursprung des königlichen Rechtes auf Gastung, das auch bei den Nordgermanen und Angelsachsen anerkannt war, vgl. K. LEHMANN, Abhandlungen z. germ. Rechtsgeschichte, 1888, 8. 1—96. v. AMIRA2 96. 100. u
WAITZ 2, 2 S . 299. 4, 539. " V g l . WAITZ 4 , 15 f. 621 ff.
BBUNNEB 2 , 2 1 2 .
ROTH, B e n e f . - W e s e n 4 1 0 .
GUÉBAED, Polyptyque Irminon 1, 660 ff. KÖTSCHKE, Hist. VJSchr. 2, 238. Zum Teil war an die Stelle der Naturalleistung eine Geldabgabe getreten, die auch als „Heerbann" bezeichnet wurde. M
V g l . WAITZ 2, 2 S. 328. 4, 35 f.
SICKEL, Zur G e s c h i c h t e d e s B a n n e s 16 f.
GASNER, Zum deutschen Straßenwesen (1889) 32FF. Das Recht, Burgwerk zu gebieten, wird seit dem 10. Jahrhundert als burgban bezeichnet Vgl. RODENBERG, Mitt d. öst. Inst. 17, 161 ff. 69 Vgl. Karls Capitulare de villis von 812 (BORETIUS 1, 82) und die Erläuterungen desselben von GUÉBAKD, Explication du capitulaire de villis, 1853 (Bibl. de l'école des chartes III. 4, 201 ff. 313 ff. 546 ff.), und GAREIS, i. d. Münchener Abhandlungen f. K. Maurer, 1893. L. v. MAURER, Geschichte der Fronhöfe 1, 121 ff. 212 f. 229 ff. IIWOF, Karl der Große als Volkswirt, Zeitsclir. f. Staats-Wiss. 47, 4 1 3 ff. v. INAMA, a. a. 0 . 1, 321 ff. 393 f. BRDNNER 2 , 72 ff. WAITZ 4 , 141 ff. LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n 1, 7 1 3 ff. 8 0 4 ff. DAHN 7, 3 S . 79 f. 89 ff. 8, 5 S. 12 ff.
Die fränkische Zeit.
198
früheren domesticas ein Amtmann {iudex, villicus, actor), der von seinem Fronhof (curtís dominica) ans die Eigenwirtschaft des Pfalz- oder sonstigen königlichen Hauptgutes leitete und die Aufsicht über die zu seinem Amt gehörigen Nebenhöfe, Benefizien und Zinsgüter führte. Unter ihm bestanden kleinere Inspektionsbezirke (ministerio) unter Meiern {maiores), denen als besondere Beamte für Wildbänne und Weinberge die Förster (forestarü) und Kellermeister oder Kellner {cellerarii) beigeordnet waren. Die Amtmänner hatten die grundherrliche Gerichtsbarkeit über die Fiskalinen und die Immunitätsgerichtsbarkeit über die freie und hörige Bevölkerung des Domänenamtes (S. 179 ff.). Alle eigenen Wirtschaftserträge sowie die Abgaben von den Zinsgütem, die Gerichtsgefalle des Domänengerichts und die Einnahmen aus Zöllen und sonstigen Gefällen innerhalb des Amtes wurden auf dem Haupthof gesammelt. Soweit die Überschüsse nicht für die Bedürfnisse des Hoflagers an eine der Pfalzen abgeliefert oder für Heereszwecke aufbewahrt werden mußten, wurden sie von den Haupthöfen aus nach Vorschrift des KöDigs verkauft. Die Amtmänner hatten genaue Jahresrechnungen zu legen. Revisionsbeamte waren die Königsboten, die auch für die Herstellung vollständiger Inventare des Krongutes wie der Benefizien zu sorgen hatten 6 0 . Die Zentralstelle für die Domänenverwaltung bildeten seit den Karolingern der Seneschalk, Schenk und Marschalk, jeder innerhalb seines Geschäftskreises. Früher hatte der Hofdomesticus, später der Hausmeier an der Spitze gestanden. Den Grafen war seit Karl dem Großen jede Einwirkung auf die Verwaltung der Krongüter entzogen. Unter den Amtmännern nahmen die, welche zugleich einer Pfalz vorgestanden, den ersten Rang ein. Solche Pfalzen, die den Königen besonders häufig als Aufenthaltsort dienten, traten naturgemäß zu den in ihrer Nähe befindlichen Domänenämtern in eine engere Beziehung, sie wurden zu Stapel- und Marktplätzen für sie und mochten sich leicht zu wahren Mittelpunkten des wirtschaftlichen Verkehrs entwickeln. Dagegen haben die Pfalzen als solche die Stellung wirtschaftlicher Oberhöfe gegenüber den Domänenämtern nicht besessen, Vereinigungen von Domänenämtern zu Pfalzdistrikten hat es nicht gegeben. Der Unterschied zwischen Staatsgut und Königsgut war dem fränkischen Reiche unbekannt 6 1 . Der König war schlechthin das Subjekt des gesamten staatlichen Vermögens, alle Staatseinnahmen galten als seine Einnahmen, wie umgekehrt die Familiengüter der Arnulfinger seit der Krönung Pippins zu den Krongütern gerechnet wurden. Eine Verwendung der Staatseinnahmen zu öffentlichen Zwecken, abgesehen von den als Ausstattung der öffentlichen Ämter angesehenen Gütern und Gefällen, fand nicht statt, wenn auch die Schenkungen des Königs an Oberhäupter fremder Staaten, an Kirchen und Klöster und Personen, die sich um das gemeine Wesen verdient gemacht hatten, thatsächlich für den Staat ge-
81
Vgl. Borehus 1, 172, c. 19. 177, c. 7. 250 ff. Vgl. S. 118. Giebke, Genossenschaftsrecht 2, 562 ff.
§ 27.
199
Die Immunitäten.
leistet wurden. Was sonst für öffentliche Zwecke, namentlich Heereszwecke, erforderlich war, bildete eine Naturallast der Unterthanen. Der König hatte nur für die Bedürfnisse der königlichen Familie und des Hoflagers aufzukommen. Was an Geld und Kleinodien vereinnahmt wurde, floß ohne Unterschied der Herkunft in den königlichen Schatz (aerarium publicum), der sich seit Karl dem Großen ständig in der Pfalz zu Aachen befand und von dem Kämmerer (thesaurarius) verwaltet wurde. Auch der Schatz stand zu freier Verfügung des Königs, wiewohl daran festgehalten wurde, daß nur das Staatsoberhaupt als solches ein Recht auf ihn habe 62 . § 27. V g l . S . 1 7 9 n . 78.
BBÜNNEB,
Die Immunitäten. RG. 2,
2 8 7 ff. 3 0 2 ff. WAITZ 2 S ,
1 S . 4 1 6 ff.
2 S. 336 ff. 380 ff. 4 S , 287—323. 447 ff. 463 ff. LÖMINO, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 724 ff. v. BETHMANN-HOLLWEQ, Germ.-roman. Civilprozeß 1, 438 ff. 2, 32 ff. v. SYBEL, Entsteh, d. Königtums 9 474 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 567 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 197 ff. DAHN, Könige 7, 3 S. 537 ff. 8, 6 S. 162 ff. GLASSO», H i s t o i r e
8,
117 ff. 3 7 5
ff.
VIOLIET,
Histoire
1 , 3 2 8 ff. 4 0 0
ff.
FUSTEL
DE COULANQES, Étude sur l'immunité mérovingienne, Revue historique 22, 249 ff. 23, l f f . PBOST, L'immunité (N. Revue 6, 113 ff. 262 ff.). FLACH, Origines de l'ancienne France 1, 91 ff. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire 418 ff. TH. SICKEL, Wiener SB. 47, 193 ff. 49, 311 ff. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 16, 58 ff; G ö t t . g e l . Anz.
1 8 9 0 , S. 5 8 4 ff. L . v . MAUBEB, F r o n h ö f e 1, 2 8 2 ff. SOHM b e i WETZELL,
Civilprozeß 3 359 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 131 ff. HEUSLER, Ursprung der Stadtverfassung 15 ff. G. METER, ZRG. 16, 104 ff. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 1, 1015 ff, 1110 f. SAI/VIOLI, Manuale di storia del diritto italiano (1892) 204 ff. ; Storia dell' immunità, delle signorie e giustizie delle chiese in Italia, 1880 (Atti e memorie di storia patria d. prov. moden. e parm., ser. 3, voi. 5. 6).
Chlotar II. hatte für die romanischen Gebiete seines Reiches festgesetzt, daß die auf Kirchengütern lastenden Abgaben an Ackergeldern, Weidegeldern und Dehem allgemein der Kirche zustehen sollten (S. 193). Den königlichen Einnehmern wurde das Betreten kirchlicher Güter zur Eintreibung derartiger Gefälle unbedingt untersagt. Dann fügte der König hinzu: Ecclesiae vel clericis nullam requirant agentes publici functionem, qui avi vel genetoris nostri immunitatem meruerunt. Es ergiebt sich, daß das, was hier als immunitas bezeichnet ist (gewöhnlich emunitas), von dem voraufgegangenen allgemeinen Zugeständnis unterschieden wird: Ackergelder, Weidegelder und Dehem sollen auf keinem Kirchengut von Seiten des Staates erhoben werden, dagegen wird die allgemeine Einstellung der Beamtenfunktionen nur den Kirchen gewährleistet die von Chlothar I. oder Chilperich ein Immunitätsprivileg erhalten haben 1 . Das Edikt von 614 (S. 180) bezeugt, daß derartige Privilegien auch an weltliche Grundherren (potentum vel cuicumque) erteilt waren und daß die Immunitätsherren n
1
V g l . § 17 A n m . 7 1 .
WAITZ 2, 2 S . 8 2 2 .
Die in früheren Ausgaben der Praeceptio enthaltene Bezugnahme auf Privilegien des Bruders (aul germani) beruht auf einem jüngeren Zusatz, womit jeder Grund, die Praeceptio dem König Chlothar I. zuzuschreiben, weggefallen ist.
§ 27.
199
Die Immunitäten.
leistet wurden. Was sonst für öffentliche Zwecke, namentlich Heereszwecke, erforderlich war, bildete eine Naturallast der Unterthanen. Der König hatte nur für die Bedürfnisse der königlichen Familie und des Hoflagers aufzukommen. Was an Geld und Kleinodien vereinnahmt wurde, floß ohne Unterschied der Herkunft in den königlichen Schatz (aerarium publicum), der sich seit Karl dem Großen ständig in der Pfalz zu Aachen befand und von dem Kämmerer (thesaurarius) verwaltet wurde. Auch der Schatz stand zu freier Verfügung des Königs, wiewohl daran festgehalten wurde, daß nur das Staatsoberhaupt als solches ein Recht auf ihn habe 62 . § 27. V g l . S . 1 7 9 n . 78.
BBÜNNEB,
Die Immunitäten. RG. 2,
2 8 7 ff. 3 0 2 ff. WAITZ 2 S ,
1 S . 4 1 6 ff.
2 S. 336 ff. 380 ff. 4 S , 287—323. 447 ff. 463 ff. LÖMINO, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 724 ff. v. BETHMANN-HOLLWEQ, Germ.-roman. Civilprozeß 1, 438 ff. 2, 32 ff. v. SYBEL, Entsteh, d. Königtums 9 474 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 567 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 197 ff. DAHN, Könige 7, 3 S. 537 ff. 8, 6 S. 162 ff. GLASSO», H i s t o i r e
8,
117 ff. 3 7 5
ff.
VIOLIET,
Histoire
1 , 3 2 8 ff. 4 0 0
ff.
FUSTEL
DE COULANQES, Étude sur l'immunité mérovingienne, Revue historique 22, 249 ff. 23, l f f . PBOST, L'immunité (N. Revue 6, 113 ff. 262 ff.). FLACH, Origines de l'ancienne France 1, 91 ff. BEAUCHET, Histoire de l'organisation judiciaire 418 ff. TH. SICKEL, Wiener SB. 47, 193 ff. 49, 311 ff. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 16, 58 ff; G ö t t . g e l . Anz.
1 8 9 0 , S. 5 8 4 ff. L . v . MAUBEB, F r o n h ö f e 1, 2 8 2 ff. SOHM b e i WETZELL,
Civilprozeß 3 359 ff. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 131 ff. HEUSLER, Ursprung der Stadtverfassung 15 ff. G. METER, ZRG. 16, 104 ff. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 1, 1015 ff, 1110 f. SAI/VIOLI, Manuale di storia del diritto italiano (1892) 204 ff. ; Storia dell' immunità, delle signorie e giustizie delle chiese in Italia, 1880 (Atti e memorie di storia patria d. prov. moden. e parm., ser. 3, voi. 5. 6).
Chlotar II. hatte für die romanischen Gebiete seines Reiches festgesetzt, daß die auf Kirchengütern lastenden Abgaben an Ackergeldern, Weidegeldern und Dehem allgemein der Kirche zustehen sollten (S. 193). Den königlichen Einnehmern wurde das Betreten kirchlicher Güter zur Eintreibung derartiger Gefälle unbedingt untersagt. Dann fügte der König hinzu: Ecclesiae vel clericis nullam requirant agentes publici functionem, qui avi vel genetoris nostri immunitatem meruerunt. Es ergiebt sich, daß das, was hier als immunitas bezeichnet ist (gewöhnlich emunitas), von dem voraufgegangenen allgemeinen Zugeständnis unterschieden wird: Ackergelder, Weidegelder und Dehem sollen auf keinem Kirchengut von Seiten des Staates erhoben werden, dagegen wird die allgemeine Einstellung der Beamtenfunktionen nur den Kirchen gewährleistet die von Chlothar I. oder Chilperich ein Immunitätsprivileg erhalten haben 1 . Das Edikt von 614 (S. 180) bezeugt, daß derartige Privilegien auch an weltliche Grundherren (potentum vel cuicumque) erteilt waren und daß die Immunitätsherren n
1
V g l . § 17 A n m . 7 1 .
WAITZ 2, 2 S . 8 2 2 .
Die in früheren Ausgaben der Praeceptio enthaltene Bezugnahme auf Privilegien des Bruders (aul germani) beruht auf einem jüngeren Zusatz, womit jeder Grund, die Praeceptio dem König Chlothar I. zuzuschreiben, weggefallen ist.
200
Die fränkische Zeit.
durch besondere Immunitätsbeamte (iudices, missi) eine gewisse Gerichtsbarkeit ausübten2. Das Verhältnis der Immunitäten war hiernach schon unter Chlothar II. im wesentlichen ebensö wie unter den Karolingern geregelt. Von den Freiheiten des Königsgutes ausgegangen bedeutete der Begriff der Immunität zunächst nur die Freiheit von öffentlichen Abgaben und Lasten und war insoweit durchaus römischer Herkunft. E r wurde für die mit einem Immunitätsprivileg ausgestatteten Grundherren im fränkischen Reiche dahin erweitert, daß sie die vom Staat aufgegebenen Leistungen der Bewohner des gefreiten Gebietes nunmehr für sich selbst in Anspruch nehmen durften. Da sich dies auch auf die Gerichtsgefalle bezog, so war zugleich die Ausbildung einer eigenen Immunitätsgerichtsbarkeit, die in den grundherrlichen Gerichten Galliens und auf den Krongütern (S. 179 ff.) ihr Vorbild fand, angebahnt. Die Ausschließung aller amtlichen Eingriffe der ordentlichen öffentlichen Beamten, von Chlotbar II. zuerst ausgesprochen, wahrscheinlich aber schon vorher mit der Immunität verbunden, entsprach der von der Grafengewalt befreiten Stellung der Krongüter unter dem Domänenamtmann3. Ebendarum hatte der Staat ein dringendes Interesse an der Einsetzung besonderer Immunitätsbeamten, durch deren Vermittelung er die staatlichen Rechte in der Immunität geltend machen konnte. Den Immunitätsbeamten bezeichnete man früher als agens, missus, iudex, unter den Karolingern als Vogt (advocatus, vocatus, vogatus, defemor), zuweilen wegen der von ihm ausgeübten niederen Gerichtsbarkeit auch als Schultheiß (causidicus) oder Centenar4. Der Vogt war Immunitätsrichter und zugleich Requisitionsbeamter für die staatlichen Gerichte bei Zustellungen und Vollstreckungen in den gefreiten Gebieten; eine eigene Vollstreckungsgewalt übte er nur innerhalb seines Wirkungskreises6. In kirchlichen Immunitäten fiel dem Vogt in der Regel auch die Vertretung der Immunitätsgeistlichen vor den öffentlichen Gerichten anheim. Die unter Karl dem Großen aufgehobene Organisation der Domänenverwaltung nach Grafschaften ist für die Immunitäten vorbildlich geblieben: über mehrere Grafschaften erstreckte Immunitätsherrschaften mußten in jeder Grafschaft einen eigenen, in ihr begüterten Vogt haben6. Stifsvögte sollten nach einer Bestimmung Karls, ähnlich wie die Centenare, in Gegenwart des Edikt von 614, c. 19 (BOBETIÜS 1, 23). * Den öffentlichen Beamten wurde verboten: das Betreten der Freiung zu Amtsverrichtungen (introitus), die Eintreibung fiskalischer Gefälle (excustio), die Ausübung amtlichen Zwanges gegen Insassen der Immunität (distrietio). Amtshandlungen auf Grund eines ausdrücklichen königlichen Befehls wurden von der Exemtion nicht berührt. Vgl. BRONNER 2, 293. 4 Vgl. W A I T Z 4 , 4 6 3 f. 4 6 7 . SOHM, Reichs- u. Gerichtsverf. 2 5 4 ff., will grundherrliche Centenare und grundherrliche Gerichtsvögte unterscheiden. 5 Vgl. Edikt von 614, c. 20. 4 Vgl. W A I T Z 4, 465. 470, dagegen W . SICKEL, Gött. gel. Anz. 1896, S. 287. 8
§ 27. Die Immunitäten.
201
Grafen und unter Mitwirkung des Volkes eingesetzt werden7, falls nicht dem Stift ausdrücklich das freie Ernennungsrecht zugestanden worden war 8 . Die Vereinigung einer Stiftsvogtei mit dem Grafen- oder Schultheißenamt war unzulässig. Weltliche Immunitätsherren bedurften eines Vogtes nur, wenn sie die Gerichtsbarkeit nicht selbst verwalteten. Immer bezog sich die Stellung des Vogtes nur auf die gerichtlichen Geschäfte; für die übrigen Immunitätsangelegenheiten hatten die Stifter eigene Beamte (vicedomini, praepositi, oeconomi), meist geistlichen Standes, denen auch die Gerichtsbarkeit über die Grundholden übertragen werden konnte. Das Immunitätsprivileg bezog sich auf alle fiskalischen Ansprüche gegen das gefreite Gebiet und seine Bewohner, mit Einschluß des servitium regis; nur dem König persönlich blieb das Recht vorbehalten, das gefreite Gebiet zu betreten oder durch seine missi betreten zu lassen, und so blieb auch die Verpflichtung zur Gewährung von Herberge und Unterhalt für den König und die von ihm mit einer tractoria versehenen Personen bestehen. Aufrechterhalten blieben auch die allgemeinen Unterthanenpflichten des Wachdienstes und Burgwerkes, Brücken- und Straßenbaues, die Heerbannpflicht und die üblichen Jahresgeschenke an den König 9 . Von Zöllen befreite das Immunitätsrecht nur, wenn die Zollstätte sich innerhalb des gefreiten Gebietes befand 10 . Der Immunitätsbann, durch den die Freiungen gegen Eingriffe der Beamten geschützt waren, hatte seit Karl dem Großen den Charakter eines dinglichen Schutzbannes mit örtlichem Sonderfrieden angenommen. Die Bannstrafe betrug bei Verletzung des besonderen Friedens, den die Wohnplätze und Ansiedelungen innerhalb der Freiung genossen, 600 Sol. (Zweidrittel an den Immunitätsherrn, ein Drittel an den Fiskus), während Immunitätsverletzun'gen auf der Feldmark wohl nur mit einfachem Königsbann bestraft wurden 11 . Die Immunitätsprivilegien waren zunächst nur für das ßeichskirchengut, das ohnehin wesentlich dem Königsgut gleichgestellt wurde, berechnet. Immer bezog sich das Privileg auf sämtliche Besitzungen der gefreiten Kirche, auch auf ihren zukünftigen Erwerb; doch wurden Übertragungen an Kirchen, die nur den Zweck der Befreiung von öffentlichen Lasten verfolgten, für wirkungslos erklärt. Weltliche Freiungen (potestates) und Immunitätsprivilegien für Privatkirchen kamen ursprünglich nur vereinzelt 7 Vgl. WAITZ 4, 468. Auch Ernennung durch den König oder in seinem Auftrage durch die Königsboten kam vor. 8 V g l . WAITZ 4, 469. • V g l . WAITZ 4, 3 1 3 ff. TH. SICKEL, W i e n e r S B . 4 9 , 347. 356 ff. 3 6 3 ff. D e r
Staat hielt sich wegen aller dieser Leistungen ausschließlich an den Immunitätsherrn (vgl. § 17 n. 50). Indem dieser sieh durch Überwälzung der Lasten auf seine Hintersassen entschädigte, entwickelte sich ein grundherrliches Besteuerungssystem. Bei Brücken- und Wegebau wurden auch die Domänen des römischen Kaisers herangezogen. Vgl. BRUNNER 2, 295. 10 11
V g l . TH. SICKEL, a. a. O. 355. V g l . WAITZ 4, 3 0 3 f. 3 0 8 ff. TH. SICKEL, a. a. 0 . 3 3 1 ff. BRUNN ER 2, 2 9 6 f.
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Die fränkische Zeit
vor, namentlich in Austrasien, wo es wenig weltliche Grandherrschaften gab. Erst mit der Ausbildung des Benefizialwesens wurde die Zahl der weltlichen Immunitäten erheblich vermehrt, da die königlichen Benefizien die fiskalische Immunität behielten 13 . § 28.
Das Grundeigentum.
Vgl. S. 52f. B B O T N E B , RG. 1, 194ff. 203ff.; Grundzüge 25f. WAITZ 2*, 1 S. 277 ff.; Abhandlungen 91 ff.; Die altdeutsche Hufe (Abhandl. z. Vert- u. RG. 123 ff. Abh. d. Gott. Ges. d. Wiss. 1854); Das alte Recht 117 ff. HANSSEI, Agrarhiator. Abhandlungen 1, 148 ff. 2, 179—252; Gött gel. Anz. 1873, 8. 921 ff. v. INAMA-STERNEGG, Wirtschaftsgeschichte 1, 92 ff. 207 ff. 278 ff.; Hofsystem 4 4 ff.; Ausbildung der großen Grundherrschaften, SCHHOLLEB'S Forsch. 1, 1 (1878); Sallandstudien, 1889 (Festgabe für Haussen, S. 73 ff.). MEITZEN, Siedelung u. Agrarwesen 1, 66—122. 128 ff. 168 ff. 415ff.453-493. 535—616. W. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1886, S. 434f.; Privatherrschaften im fränk. Reich, Westd. Zeitschr. 15, 111—171. 16, 47 ff. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 1, 7 ff. 43 ff. 103 ff. 331 ff. 385 ff.; Deutschè Geschichte 2, 83 ff. LANDAU, Territorien 4 ff. 12 ff. 32 ff. 52 ff. THÜDICHUM , Gauu. Markverfassung 154 ff. HALBAN-BLDMENSTOK, Entstehung des deutschen Immobiliareigentums, I. 1894. HEUSLEB, Institutionen §§ 56, 110. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 60 ff.; Erbrecht und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, ZRG. 12, 430
ff.
SCHBÖDEB, Z R G . 1 5 , 4 9 ff.; F D G .
19, 1 4 4
ff
GBIMM, R A . 4 9 2
ft
WAGNEB,
Allg. Wirtschaftslehre1 1, 684 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 19 ff. D A H N , Könige 7, 2 S. 1 ff. 8, 2 S. 28 ff.; DG. 2, 474 ff. 489 ff. LAVELEYE-BÜCHEB, Ureigentum 74 ff. R O T H , Beneficialwesen, 1850; Feudalität und Unterthanenverband, 1863. G, L . v. MADBEB, Gesch. d. Fronhöfe 1, 112 ff. I S O ff. 254 ff. 285 ff. 332 ff. DENHAN W . ROSS , The early history of the landholding among the Germans, 1883. FÜSTEL DE COVLANGES, Recherches 295 ff. 319 ff.; Hist. des instit politiques IV., L'alleu et le domaine rural pendant l'époque mérovingienne, 1889. GLASSON, Histoire 3, 59 ff.; Les communaux et le domaine rural à l'époque franque, 1890. VANDERKINDERE, Introduction 191 ff. JUBAINVILLE, Origine de la propriété foncière en France, N. Revue 11, 241 ff. THÉVENIN , Etudes sur la propriété au moyen âge, Revue historique 31, 241 ff.; Les communia, i. d. Mélanges Renier, 1886. FLACH, Origines de l'ancienne France 2, 47 ff. PARDESSUS, Loi Salique, diss. 8. GUÉBABD, Polyptique de l'abbé Irminon 1, 475—502. 577—656. SCHUPFEB, L'allodio, Studi sulla proprietà dei secoli barbarici, 1885; Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861 (Wiener SB. 35, 492 ff.). VIOLLET, > Caractère collectif des premières propriétés immobilières, 1872. A. SCHÖLTEN, Die römischen Grundherrschaften, 1896 (Zeitschr. f. Social- u. Wirtsch.-Gesch. 3, 149 ff. 297 ff.). His, Die Domänen der römischen Kaiserzeit, 1896. KIENEB, Verf.Geschichte d. Provence 30 ff. 91 ff. J. FLACH, Origine hist de l'habitation et des lieux habités en France, 1899. CRAMEB, Alamannen 289 ff. Die verschiedenen Grundsätze, die von den Westgoten und Burgunden einerseits und den Franken andererseits bei der Niederlassung in Gallien beobachtet wurden (S. 101 ff.), haben in ihren Nachwirkungen bis zur französischen Revolution angedauert. Südlich der Loire, in dem späteren Gebiete des droit écrit, hatten zwar die römischen Provinzialen im allgemeinen Zweidrittel ihres Grundbesitzes zur Bildung von Landlosen " Vgl. W A I T Z 2, 2 S . 276. 4, 294 ff. Die Immunitätsprivilegien galten als Realrechte und konnten daher mit dem Gute übertragen werden. Vgl. SICKEL, Westd. Zeitschr. 15, 129 f.
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Die fränkische Zeit
vor, namentlich in Austrasien, wo es wenig weltliche Grandherrschaften gab. Erst mit der Ausbildung des Benefizialwesens wurde die Zahl der weltlichen Immunitäten erheblich vermehrt, da die königlichen Benefizien die fiskalische Immunität behielten 13 . § 28.
Das Grundeigentum.
Vgl. S. 52f. B B O T N E B , RG. 1, 194ff. 203ff.; Grundzüge 25f. WAITZ 2*, 1 S. 277 ff.; Abhandlungen 91 ff.; Die altdeutsche Hufe (Abhandl. z. Vert- u. RG. 123 ff. Abh. d. Gott. Ges. d. Wiss. 1854); Das alte Recht 117 ff. HANSSEI, Agrarhiator. Abhandlungen 1, 148 ff. 2, 179—252; Gött gel. Anz. 1873, 8. 921 ff. v. INAMA-STERNEGG, Wirtschaftsgeschichte 1, 92 ff. 207 ff. 278 ff.; Hofsystem 4 4 ff.; Ausbildung der großen Grundherrschaften, SCHHOLLEB'S Forsch. 1, 1 (1878); Sallandstudien, 1889 (Festgabe für Haussen, S. 73 ff.). MEITZEN, Siedelung u. Agrarwesen 1, 66—122. 128 ff. 168 ff. 415ff.453-493. 535—616. W. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1886, S. 434f.; Privatherrschaften im fränk. Reich, Westd. Zeitschr. 15, 111—171. 16, 47 ff. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 1, 7 ff. 43 ff. 103 ff. 331 ff. 385 ff.; Deutschè Geschichte 2, 83 ff. LANDAU, Territorien 4 ff. 12 ff. 32 ff. 52 ff. THÜDICHUM , Gauu. Markverfassung 154 ff. HALBAN-BLDMENSTOK, Entstehung des deutschen Immobiliareigentums, I. 1894. HEUSLEB, Institutionen §§ 56, 110. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 60 ff.; Erbrecht und Vicinenrecht im Edikt Chilperichs, ZRG. 12, 430
ff.
SCHBÖDEB, Z R G . 1 5 , 4 9 ff.; F D G .
19, 1 4 4
ff
GBIMM, R A . 4 9 2
ft
WAGNEB,
Allg. Wirtschaftslehre1 1, 684 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 19 ff. D A H N , Könige 7, 2 S. 1 ff. 8, 2 S. 28 ff.; DG. 2, 474 ff. 489 ff. LAVELEYE-BÜCHEB, Ureigentum 74 ff. R O T H , Beneficialwesen, 1850; Feudalität und Unterthanenverband, 1863. G, L . v. MADBEB, Gesch. d. Fronhöfe 1, 112 ff. I S O ff. 254 ff. 285 ff. 332 ff. DENHAN W . ROSS , The early history of the landholding among the Germans, 1883. FÜSTEL DE COVLANGES, Recherches 295 ff. 319 ff.; Hist. des instit politiques IV., L'alleu et le domaine rural pendant l'époque mérovingienne, 1889. GLASSON, Histoire 3, 59 ff.; Les communaux et le domaine rural à l'époque franque, 1890. VANDERKINDERE, Introduction 191 ff. JUBAINVILLE, Origine de la propriété foncière en France, N. Revue 11, 241 ff. THÉVENIN , Etudes sur la propriété au moyen âge, Revue historique 31, 241 ff.; Les communia, i. d. Mélanges Renier, 1886. FLACH, Origines de l'ancienne France 2, 47 ff. PARDESSUS, Loi Salique, diss. 8. GUÉBABD, Polyptique de l'abbé Irminon 1, 475—502. 577—656. SCHUPFEB, L'allodio, Studi sulla proprietà dei secoli barbarici, 1885; Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Langobardi, 1861 (Wiener SB. 35, 492 ff.). VIOLLET, > Caractère collectif des premières propriétés immobilières, 1872. A. SCHÖLTEN, Die römischen Grundherrschaften, 1896 (Zeitschr. f. Social- u. Wirtsch.-Gesch. 3, 149 ff. 297 ff.). His, Die Domänen der römischen Kaiserzeit, 1896. KIENEB, Verf.Geschichte d. Provence 30 ff. 91 ff. J. FLACH, Origine hist de l'habitation et des lieux habités en France, 1899. CRAMEB, Alamannen 289 ff. Die verschiedenen Grundsätze, die von den Westgoten und Burgunden einerseits und den Franken andererseits bei der Niederlassung in Gallien beobachtet wurden (S. 101 ff.), haben in ihren Nachwirkungen bis zur französischen Revolution angedauert. Südlich der Loire, in dem späteren Gebiete des droit écrit, hatten zwar die römischen Provinzialen im allgemeinen Zweidrittel ihres Grundbesitzes zur Bildung von Landlosen " Vgl. W A I T Z 2, 2 S . 276. 4, 294 ff. Die Immunitätsprivilegien galten als Realrechte und konnten daher mit dem Gute übertragen werden. Vgl. SICKEL, Westd. Zeitschr. 15, 129 f.
§ 28. Das Grundeigentum.
203
für die gotischen und burgundischen Heermannen abtreten müssen, da aber diese Abtretung nicht von Volk zu Volk, sondern von Person zu Person erfolgte, so trat der einzelne Germane durchaus in die römischen Grundbesitzverhältnisse ein, die deutsche Hufen- und Markenordnung fand hier keine Anwendung 1 . Nördlich der Loire dagegen, in den Gebieten des droit coutumier, behielten die Provinzialen alles was sie hatten, neben ihnen aber, in ausgedehnten Gebieten die von ihren bisherigen Herren verlassen oder bei der früheren dünnen Bevölkerung herrenlos geblieben waren, siedelten sich die Franken in geschlossenen Massen an und ihre germanische Art übte bald einen überwältigenden Einfluß auf die gesamten Grundbesitzverhältnisse des neustrischen Landes aus. Die Ansiedlung vollzog sich bei den salischen Franken in altgermanischer Weise nach D o r f s c h a f t e n 2 . Das System der E i n z e l h ö f e 3 , deren jeder von seiner Ackerflur umgeben war, während Wald und Weide Allmende blieb, beschränkte sich auf die niederrheinisch-westfälische Tiefebene, die Alpen und die oberdeutschen Gebirge. Das Volksrecht der salischen Franken läßt schon bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der Landwirtschaft erkennen; wir erfahren von Gemüse- und Flachsbau, von umzäunten, Feldern, von Wiesen und Weinbergen 4 . Die extensive Feldgras- und! Waldwechsel Wirtschaft mit zeitweilig wiederkehrenden Ackerverlosungen, war demnach überwunden, das Kulturland von dem nur für Wald und Weide geeigneten Lande dauernd geschieden und in der durch die letzte Ackerverlosung begründeten Gewannlage in Privateigentum übergegangen; nur die durch den Flurzwang begründete Unterwerfung des einzelnen Besitzers unter das von der Gesamtheit befolgte Wirtschaftssystem war geblieben. Die hier angedeutete, früher (S. 53 ff.) näher dargelegte Entwickelung hat sich bei den deutschen Stämmen und den Angelsachsen 6 in völlig gleichmäßiger Weise vollzogen. Sie hat ihre Grundzüge bis Ende des 18. Jahrhunderts, vielfach noch länger bewahrt und ist in manchen Gegenden so stetig geblieben, daß die hier beigedruckte, nach einer Vorlage aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfene Flurkarte noch ein anschauliches Bild der Flurverhältnisse der fränkischen Zeit zu geben vermag. 1
Vgl. GIERKE, Genossenachaftsrecht 1, 8 0 . LAMPEECHT, Beiträge z. Gesch. d. franz. Wirtschaftslebens, SCHHOLLEB'S Forschungen 1, 3 S . 3 6 ff. ( 1 8 7 8 ) . 2 Vgl. S . 1 6 f. SCHBÖDEB, Franken 4 9 ff. W A I T Z 2 , 1 S. 9 0 f. In der Lex Salica ist villa bald ein einzelnes Gehöft, bald ein ganzes Dorf. * Vgl. MEITZEN, Boden und landw. Verh. des preuß. Staates 1, 345 ff. L A M PBECHT, Zeitschr. d. berg. Gesch.-Ver. 16, 19 ff. v. INAMA-STERNEGO, Hofsystem, 1872; Wirtschaftsgeschichte 1, 39 ff. BOSCHEB, Nationalökonomie des Ackerbaues8 § 75. L. v. MACBEB, Ginleitung 10 ff. v. RICHTHOFEN, Unters, z. fries. BG. 3, 100. 4 Vgl. W A I T Z 2, 1 S . 91 ff. SCHRÖDEB, Die Ausbreitung des Weinbaues in Gallien (Monatsschr. f. Gesch. Westdeutschlands 6, 502 ff.). MOMMSEN, Bömische Geschichte 5, 9 8 f. H A L B A N , a. a. 0 . 2 3 1 ff. 5 Vgl. die Werke von POLLOCK, N A S S E und SEEBOHM ( S . 5 3 ) , ferner LODOE, The anglo-saion land-law (Essays in anglo-saxon law 2 5 — 1 1 9 ) . POLLOCK and MAITLAND, History of engl, law 2 , 1 FF.
Die fränkische Zeit.
204
Hatte man sich früher damit begnügt, in jedem Jahr nur einen kleinen Teil der Ackerflur unter den Pflug zu bringen, während das übrige als Weide oder Niederwald diente, so kam man im Lauf der Zeit mehr und mehr dahin, eine ewige Weide auszuscheiden und die Ruhejahre der Wechseläcker zu verkürzen. Die durch die Römer vermittelte Bekanntschaft mit den Vorzügen der Winterfrucht führte von selbst zu der D r e i f e l d e r w i r t s c h a f t , die mindestens seit dem 8. Jahrhundert das vorherrschende Wirtschaftssystem geworden und bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts geblieben ist 6 . Die ganze Ackerflur (esch) wurde hiernach in FLURKARTE zur Veranschaulichung der Felder- und Gewanneinteilung.
drei möglichst gleiche „Felder" (Schläge, Zeigen) zerlegt, von denen immer je zwei in Saat standen, das dritte in Brache lag 7 . Der Reihe nach wurde also jedes Feld ein Jahr als Winterfeld mit Weizen, Spelt oder Roggen und das nächste Jahr als Sommerfeld mit Hafer oder Gerste bestellt; im dritten Jahr diente es als Brachfeld zur Gemeindeweide. Das Sommerfeld wurde einmal (im Frühjahr), das für die Wintersaat bestimmte Brachfeld zweimal (um Johannis und im Herbst) gepflügt. Jedes Feld 6
Uber andere, weniger verbreitete Wirtschaftssysteme vgl. HAUSSEN, a. a. 0 . 1, 1 7 1 ff. LAMPRECHT, a. a. 0 . 1, 5 4 5 f. Siehe auch ROHREE, Geschichtliche Entwicklung der Fruchtwechselwirtschaft, Jen. Diss. 1889. ' Vgl. GRIMM, DWB. 2, 282. 3, 1140. Die Grundbedeutung von „Zeige", (mnd. tel) ist Pflugland.
§ 28.
Das Grundeigentum.
205
umfaßte je nach der größeren oder geringeren Bodenverschiedenheit eine entsprechende Zahl von Gewannen, die möglichst durch Parallellinien in Ackerstreifen von gleicher Breite (daher selbst „Breiten" oder „Gebreiten" genannt) geteilt waren; nur bei zu unregelmäßiger Gestaltung der einzelnen Gewanne überwog die Einteilung derselben nach Flächenmaß 8 . In der Regel besaß also jeder Hof in jedem Gewann seine Gebreite oder Ackerfläche 9 . Die Gesamtheit der zu einem Hof gehörigen Äcker bildete den Inbegriff einer Hufe10, deren nach dem durchschnittlichen wirtschaftlichen Bedürfnis eines Hofes berechnete Größe meistens gegen 3 0 Tagwerk betrug 1 1 . Unter Tagwerk {iurnale, iurnalis), Morgen, Joch, Juchert (iugerum), Acker verstand man kein bestimmtes Flächenmaß, sondern so viel Ackerland, wie man mit einem Pfluge an einem Vormittag zu bearbeiten vermochte 1 2 , so daß sich für die Hufe durchschnittlich eine jährliche Pflugarbeit von etwa 30 Tagen (10 für das Sommer-, 20 für das Brachfeld) ergab. I m weiteren Sinn verstand man unter Hufe oder mansus alles was zu einem Hof gehörte, also außer dem Ackerland die regelmäßig eingezäunte Hofreite mit Gebäuden, Garten und einem etwaigen Krautland 1 3
s
V g l . S. 58.
MEITZEN 1, 9 0 . 1 0 1 ff. HANSSEN 1, 4 2 f . 1 5 6 f . 2 , 1 8 7 ff. W A I T Z ,
Hufe 2 5 f. GRIMM, DWB. 4 , l a , 1 8 5 8 ; Weistümer 3 , 1 1 4 . SCHMEIXER, W B 2 . 2 , 942 f. Die Einteilung nach Breiten muß sehr weit zurückreichen, da schon langobardische Urkunden braida für „Acker" verwenden. Die Bezeichnung der Gebreiten mit funiculus, seil, rep, raifa (STEINMEYER U. SIEVEBS 1, 1 4 8 f.) deutet auf Ausmessung mit dem Meßseil. 9 War ein Gewann für die erforderliche Zahl der Teilstücke zu klein, so mußte ein zweites Gewann aushelfen, wobei ein Ausfall in der Güte durch Zusatz in der Fläche beglichen wurde. Die einem angrenzenden Gewann vorliegenden und von diesem zur Pflugwende benutzten Acker (Anwandäcker) erhielten zur Entschädigung eine größere Breite. Innerhalb der Gewanne galt, soweit der Zugang nicht durch Feldwege vermittelt wurde, zur Bestellungs- und Erntezeit eine gegenseitige Überfahrgerechtigkeit der Nachbarn, die sich in manchen Gegenden als Tritt- und Trattrecht, Samenweg, Dungweg oder unter anderen Namen bis in die neueste Zeit erhalten hat. Was nicht in die Gewanne paßte (da sie der bequemeren Verteilung wegen die Form regelmäßiger Parallelogramme hatten), blieb als sg. „Ger" (von der keilförmigen Gestalt der Gerspitze) unverteilt liegen. Vgl. LAMPBECHT, a . a . O . 1 , 3 3 9 . 10
GBIMM, D W B .
4, l b ,
2 5 4 2 ff.
Vgl. SCHMELLER, W B 2 , 1039. W A I T Z , Hufe 10f. MÖLLENHOFF, DA. 4, 369. " Vgl. W A I T Z , Hufe 26 f. SEEBOHM-BDNSEN 263 f. LAMPRECHT, a. a. 0 . 1 , 346. Eine völlige Gleichheit war nicht möglich, da man bei schlechtem Boden mehr gebrauchte, als bei gutem. So kommten auch Hufen von 20 und von 40 Tagwerken vor. Die Königshufe von 60 Tagwerken ist späteren Ursprungs. 12 Vgl. W A I T Z , Hufe 2 8 f. MEITZES, a. a. 0 . 1, 7 7 . u Bezeichnungen der Hofstätte nebst Zubehör: mansus, curtis, area, kovastat, ags. word, weorS/i, as. wuri, nd. wurth. Wo die Gärten für Gemüse- und Flachsbau nicht ausreichten, wurden den einzelnen Höfen Gerstücke (Anm. 9) überwiesen, die regelmäßig eingehegt und in Norddeutschland als Wurten, sonst in der Regel als Feldgärten oder Krautlcmd, in der Lex Salica als campus bezeichnet wurden. Vgl. W A I T Z , Hufe 18. HANSSEN, a. a. 0 . 1, 160. LAMPBECHT, a. a. 0 . 1, 13 n. 2. 403.
206
Die fränkische Zeit.
und das Nutzungsrecht an der gemeinen Mark14. Der Gesamtwert einer Hufe mit allem Zubehör entsprach dem Wergeid eines freien Mannes1®. Hörige, die nur ein halbes Freienwergeld hatten, werden von Hause aus in der Regel auch nur eine halbe Hufe besessen haben16. Die Zahl der zu einem Dorf gehörigen Hufen war sehr verschieden, scheint sich aber im allgemeinen zwischen 20 und 50 bewegt zu haben 17 . Die gemeine Mark oder Allmende umfaßte das ungeteilt gebliebene Wald- und Weideland, die gemeinen Gewässer und Brunnen, Steinbrüche, Lehm- und Sandgruben u. dgl. m. 18 . Zu den Nutzungsrechten gesellte sich das im Lauf des Mittelalters so bedeutungsvoll gewordene Becht des Neubruches 1 9 , d. h. die Befugnis der Markgenossen, durch Rodung freies, dem Flurzwang nicht unterworfenes Land (Ufang, captura, aprisio, proprisio, novale) zu Eigentum zu erwerben. Schon in der Karolingerzeit kamen auf diese Weise ganze Bifanghufen von 30 Morgen zusammenhängender Fläche zustande20. Außer dem durch Neubruch gewonnenen Lande war nach den meisten Volksrechten auch das übrige Kulturland bereits volles Privateigentum, so daß die ursprüngliche Regelmäßigkeit der Hufenordnung vielfach durch Veräußerungen und Erbteilungen durchbrochen wurde. Bei der Ausbildung des Privateigentums an Grund und Boden haben zum Teil die römischen Verhältnisse mitgewirkt; auch das Eigentum an den Gebäuden, die als Fahrnis galten, konnte auf die Dauer nicht ohne Einfluß auf das Eigentum an der Hofstätte bleiben21; vor allem aber ist der beim Fruchterwerb zum Teil bis zur Gegenwart festgehaltene Gedanke, daß das Eigentum der Lohn der Arbeit sei, von entscheiden11 Bezeichnungen für dies Nutzungsrecht: seara, légitima communia (BRUNNEB 1, 197 n. 14 f.), im Mittelalter bei den Sachsen auch were, echtwort, ursprünglich Bezeichnungen des Hofes (vestitura, area légitima). Vgl. WAITZ, Hufe 39. 16 Vgl. WAITZ 1, 1 2 7 . 2 , 1 S. 2 7 8ff.; Hufe 4 1 . BRÜNNEB 1, 1 9 8 f. Die Sache ist wohl im Sinne der Werttarife für Bußtaxen (S. 188), also dahin zu verstehen, daß ein Freienwergeld durch Abtretung einer Hufe berichtigt werden konnte. 16 Vgl. S . 5 8 . Die Einwände von WITTICH, ZRGR. 3 5 , 2 6 1 f. beweisen nur, daß auch ganze Hufen an Laten verliehen werden konnten, was niemand bezweifelt hat. " WAITZ, Hufe 5 1 f. 18 Vgl. W A I T Z , Hufe 34 ff. Mühlen und Backöfen kommen teils als herrschaftliche, teils als markgenossenschaftliche Anstalten vor. Vgl. VIOLLET, La communauté des moulins et des fours au moyen age, Revue hist. 32 , 86 ff. Für das höhere Alter d a herrschaftlichen Anlagen THÉVENIN, La propriété et, la justice des moulins et fours (bei MONOD et THÉVENIN, A la mémoire de 6 . WAITZ, Paris 1886). Siehe auch STÜTZ, Benef.-Wesen 1, 9 1 und die dort Angeführten. 19 Vgl. BESELEB, Der Neubruch (i. d. Symbolae Bethmanno-Hollwegio oblatae, Berolini 1 8 6 8 ) . LANDAU, a. a. 0 . 1 5 3 ff. Das Becht des Neubruches erforderte ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung der Gemeinde, wenn auch in dieser Periode bei dem Überfluß an Land schwerlich schon Beschränkungen stattgefunden haben. Vgl. GIEBKE, Genossenschaftsrecht 1, 68 f. !0 Vgl. DRONKE, Cod. dipl. Fuld. Nr. 352. n Derselbe Vorgang hat sich im 14. Jahrhundert bei der Umwandlung der städtischen Hausleihe in rentenpflichtiges Eigentum vollzogen.
§ 28, Das Grundeigentum.
207
der Bedeutung geworden22. Gewisse Reste der alten Feldgemeinschaft haben sich gleichwohl noch bis in die neuere Zeit erhalten, so der Flurzwang, die Mark- und Nachbarlosung, die zuweilen noch nach Jahrhunderten wiederaufgenommene Neuverteilung der Ackerflur, die in Dänemark als Reebningsverfahren vollständig organisiert war 23 , ferner die lange festgehaltene Bezeichnung der Hufe als „Los" (sors, ahd. hldz, as. hldt)2* und der Rückfall aller durch längere Zeit unbebaut gebliebenen Felder der Dorfflur an die Allmende26. Die Lex Alamannorum behandelt den Streit über die Flurgrenze zweier Dörfer noch als Angelegenheit der beiden Gemeinden (geneahgiae), der Grenzprozeß bewegt sich ausschließlich zwischen diesen, die einzelnen Interessenten haben keinen Teil daran26. Auch c. 9 des ersten Kapitulars zur Lex Salica, wahrscheinlich noch von Chlodovech selbst herrührend, behandelt die Dorffeldmark als ein ungeteiltes Ganzes, die Grenzen der einzelnen Ackerfelder erscheinen nur als Besitz-, nicht als Eigentumsgrenzen 27 . Überhaupt erkennt man, daß das salische Recht bis gegen Ende des 6. Jahrhunderts noch stark von dem Gedanken der Feldgemeinschaft beherrscht wurde. Immobiliarprozesse und Immobiliarexekutionen waren der Lex Salica noch fremd, Rechtsgeschäfte über Liegenschaften kamen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen vor 28 . Der Niederlassung eines Fremden oder Aus82
Vgl. L. Baiuw. 17, 2: Ego habeo festes, qui hoe seiunt, quod labores de isto agro semper ego tuli, nemine eontradicente, exarävi, mundavi, possessi usque hodie, et pater meus reliquid mihi in possessione Sita, Quia ego hoe vidi, quod istius hominis prior opera fuit in isto agro quam tua, et labores fruetuum ille tulit. L. Salica 9, 8, Zusatz: cuius labor est. 45, 2: quod ibi laboravit. Für eampus seminatus verwendet Ed. Liutpr. 146 (148) auch labor. Vgl. SCHRÖDER, ZRG. 15, 53. Das Wort alodis galt früher für ein fränkisches Lehnwort aus dem Keltischen (vgl. MÖLLENHOFF bei W A I T Z , Das alte Recht 278. D I E Z , W B . d. roman. Sprachen I. s. v. Allodio. W A I T Z 2, 1 S. 287). Für die deutsche Abstammung (al-od, Ganzeigentum) vgl. VAN H E L T E N § 165. K L U G E , U. d. W. Die Lex Salica gebraucht das Wort noch für Eigentum an fahrender Habe (s. Anm. 30). Die Grundbedeutung des Wortes „Erbe" (ahd. arbi), später technisch für Grundeigentum, ist „Vieh" (nach SIEVERS). 2 * Das Reebningsverfahren war eine prozessualische Einrichtung, die in jedem Einzelfall eine Klage auf Grenzregulierung voraussetzte. Vgl. H A K S S E N , Agrarh. Abh. 1, 54 ff. 2, 129 f. 234 ff. Staatsbürg.-Magazin 6, 618 ff. BESELER, Neubruch 9. Eine Neuverteilung der Äcker in einer baierischen Feldmark im Jahre 1247 auch bei LOERSCH u. SCHRÖDER, Urkunden Nr. 128 (104). 24
Vgl.
2, 1
GRIMM, R A .
534.
LANDAU, a . a . 0 .
10 f.
LAMPRECHT, a . a . 0 .
1,
332.
289; Hufe 11. FDG. 19, 146 n. 1 und die daselbst angeführte Litteratur. DRONKE, Trad. Fuld. 102, Nr. 112. 25 Vgl. GRIMM, RA. 82. 92 f. 525; Weistümer 7, 317, Nr. 3. 24 L. Alam. 81 (84). Die Bearbeitung dieser Stelle in der L. Baiuw. 12, 8 stellt sich schon ganz auf den Standpunkt des privaten Grenzstreites zweier Nachbarn (eommareani). Über alamannisches Privateigentum an Grund und Boden im 7 . und 8 . Jahrhundert H A N A U E R , Paysans de L'Alsace 3 4 0 ff. 2 27 B E H R E N » , Lex Salica 1 3 5 . Vgl. meine Franken 5 8 f. W A I T Z 2 , 1 S. 3 9 3 . LAMPRECHT, a. a. 0. 1, 1 3 n. 3 . B R U N N E R 1, 1 9 5 möchte die Stelle aus der Nichteinhegung der salischen Sonderäcker erklären. 23 Bei dem Verfahren der ehrenecruda und beim adfatimus. WAITZ
S.
208
Die fränkische Zeit.
märkers konnte jeder Markgenosse binnen Jahresfrist widersprechen, und zwar nicht bloß, wenn es sich um die Gründung einer neuen Ansiedlung in der Allmende handelte, sondern auch wenn der Fremde sich auf einem bestehenden Hofe im Dorf (super alterum) niederlassen wollte 29 . Denn im Gegensatz zu der unbeschränkten Erbfolge in das bewegliche Vermögen 30 vererbte sich die Hufe nur auf die Söhne; waren keine Söhne verhanden, so fiel sie an die Gemeinde (iricini) zurück; erst ein Gesetz Chilperichs dehnte die Vererbung auch auf Töchter, Brüder und Schwestern aus, hielt aber für den Fall, daß solche nicht vorhanden waren, das Heimfallsrecht der Gemeinde aufrecht 31 . In der karolingischen Zeit war die Feldgemeinschaft dem Privateigentum völlig gewichen 32 . Die Umbildung scheint vom Erbrecht ausgegangen zu sein, das noch im Lauf des 7. Jahrhunderts die früheren Beschränkungen abgeworfen hat 3 S . Das Privateigentum beschränkte sich auf das angebaute oder frisch gerodete Land als den. Lohn der Arbeit. Das der Kultur entzogene Land war nicht Gegenstand des Privateigentums geworden, sondern entweder überhaupt herrenlos oder als Allmende der markgenossenschaftlichen Nutzung unterworfen 34 . Die Wissenschaft ist darüber einig, daß alles herrenlose, d. h. nicht in Privatbesitz übergegangene Land nach fränkischem Reichsrecht dem ausschließlichen Aneignungsrecht des Königs unterlag und nur mit seiner Bewilligung in Privathände übergehen konnte 35 . Dasselbe galt von den öffentlichen Flüssen, d. h. den Wasser29 Über den vielbestrittenen Titel 45 De migraniibus vgl. Anm. 39, meine Franken 55 ff. und die dort angeführte Litteratur. W A I T Z 1, 134. '2, 1 S . 92. LAMPRECHT, a. a. O. 1, 46. W. SICKEL, Westdeutsch. Zeitschr. 4, 267; Gött. gel. Anz. 1886, 434 ff. Ross, a. a. O. 50 f. THONISSEN, Organisation judiciaire de la loi Salique 362. 540. FUSTEL DE COULANOES, Etudes sur le titre de migrantibus (i. d. Revue générale du droit, 1886). THUDICHUM, Gau- und Markverfassung 221 ff. B R U N N E B 1, 195 f. HALBAN, a. a. 0 . 250 ff. 285. GEFFCKEN, Lex Salica S. 172 ff. R. BEHREND, Lex Salica' S. 91 ff. Vgl. Tit. 59 De alodis, der größtenteils nur von der Fahmiserbfolge handelt. " Edict. Chilper. c. 3. Vgl. meine Franken 54. G I E R K E , Genossenschaftsrecht 1, 77 f.; Erbrecht und Vicinenrecht 430 ff. W A I T Z 1, 135. 2, 1 S . 394. L A M PRECHT, a. a. 0 . 1, 43 ff. FUSTEL DE COCLANQES , Recherches 301 f. THUDICHUM, Gau- u. Markverfassung 184 f. Ross, a. a. 0 . 48 f. 50 f. " Vgl. meine Franken 54 f. 83 Das Dekret Childeberts I I . von 5 9 5 , c. 1 (BORETIUS 1, 1 5 ) bestimmt schon die Einführung des Eintrittsrechts der Enkel. 84 Die Einführung der Hundertschaften hat vielfach, unter Verkleinerung der großen Marken, zur Ausbildung von Zentmarkgenossenschaften geführt. Vgl. v. INAMA-STERNEQO, Wirtschaftsgeschichte 1, 3 5 ff. THUDICHUM, a. a. 0 . 1 2 7 ff. LAMBRECHT, a. a. 0 . 1 , 2 5 5 ff. STÜVE, Landgemeinden 1 1 5 f. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 59 f. ,6 Vgl. meine Franken 64. BRUNNER 2, 7 5 . W A I T Z 2, 1 S . 308. 2, 2 S. 316. 4, 135 f. ROTH, Benefizialwesen 69 ff. L. v. MAURER, Einleitung 94 f. 108. 112 ff. THUDICHUM, Gau- u. Markverfassung 133 f. ARNOLD, Ansiedlungen 5 5 7 . BESELEB, Neubruch 1 5 ff. v. INAMA-STEBNEOO, a . a . O . 1,94. 1 1 5 . 211. 281 f. STOBBE, Deutsch. Privatr. 2, §91 (3. Aufl. § 122). LAMPRECHT, a. a. O. 1, 14. 51. Die Franken haben besiegten Völkern wiederholt die Räumung ganzer Gebiete auferlegt, die dann
§ 28. Das Grandeigentum.
209
straßen, und von den Land- nnd Heerstraßen (viae publicae), d. h. den großen Verkehrsadern im Gegensatz zu den Gemeinde- und Feldwegen 36 . Aber auch die Allmenden standen im Obereigentum des Königs, der auf Allmendland bezügliche Niederlassurigs- und Rodungsprivilegien unabhängig von der Gemeinde erteilen konnte 37 . Der Unterschied gegenüber den herrenlosen Wildländereien, als der Landesallmende, bestand nur darin, daß es für diese unbedingt einer königlichen Verleihung bedurfte 38 , während die Allmende dem Nutzungs- und ßodungsrecht der Markgenossen unterworfen war, denen sie nicht entzogen werden durfte und durch deren Beschluß sie fremden Ansiedlern auch ohne königliche Bewilligung eröffnet werden konnte 39 . Wir bezeichnen das allgemeine Obereigentum des Königs, um es von dem unmittelbaren Eigentum an den in seiner Gewere befindlichen Krongütern zu unterscheiden 40 und zugleich seine spätere Verflüchtigung in einzelne Regalien anzudeuten, als B o d e n regal 4 1 . Daß die Ausdehnung desselben durch die Eroberungen Chlododem König anheimfielen und von ihm seinen Franken zur Ansiedlung fiberwiesen wurden. Vgl. S. 9 3 . 1 0 2 . v. INAMA-STERNEGQ, a. a. 0 . 1 , 2 3 . 9 3 . 2 0 9 f. 2 1 2 . ARNOLD, Ansiedlungen 2 1 0 . W A I T Z 3 , 1 5 3 ff. 88 Vgl. Urkunde Ludwigs d. Fr. von 816 (MOHLBACHEB, Eegesten Nr. 608) von der Seine: siquidem cuiuscumqm potestatis sint littora, nostra tarnen est regalis aqua. Im Jahre 939 verschenkten die Könige Hugo und Lothar ripas Tieini utrasque et ripatieum quod inde exierit. FDG. 10, 30T f. Das Strom- und Straßenregal des Mittelalters war nur eine Folge des fränkischen Bodenregals. Vgl. auch HEUSLEB, Institutionen 1, 368 ff. LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 2, 236 ff. GASNER, Zum deutschen Straßenwesen 40 ff. " Vgl. Lex Salica 14, 4 (Anm. 39); meine Franken 62 ff.; Ausbreitung der Franken, FDG. 1 9 , 1 4 7 . V I O L I E T , Précis historique 4 8 0 . W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 1 5 , 1 6 2 . L. v. MAUBEB, Einleitung 1 0 6 . Weitere Beispiele: Capitulare Saxonicum von 7 9 7 , c. 1 0 (BORETIUS 1, 7 2 ) und INAMA-STERNEGG, Wirtschaftsgeschichte 1, 282 n. 4. Für Südfrankreich vgl. die Erlasse von 812, 815, 816 zu Gunsten der spanischen Kolonisten (BOBETIUS 1, 1 6 9 . 2 6 2 c. 5 . 2 6 3 f.). 88 Wer herrenloses Land ohne königliche Bewilligung rodete, konnte höchstens ein Erbzinsrecht an demselben erwerben, das Eigentum verblieb dem König. V g l . BRUNNEB 1, 2 0 5 . ,9
Die Behandlung fremder Ansiedler in den Dörfern war verschieden, jenachdem sie einen Königsbrief (praeceptum de rege, testammtum regis) aufzuweisen hatten, oder nicht. Ersterenfalls bedurfte es keiner Genehmigung seitens der Gemeinde; jede Beeinträchtigung des Ansiedlers galt als Majestätsbeleidigung und war nach L. Sal. 14, 4 mit lösbarer Todesstrafe, nach L. Rib. 60, 3 mit der Strafe des Königsbannes bedroht War aber der Fremde nicht durch den König zur Niederlassung ermächtigt, so bedurfte es eines Aufnahmebeschlusses seitens der Gemeinde, ohne den ihn bei Strafe niemand zur Einwanderung einladen durfte (Zusatz z. L. Sal. 45, 2); jeder Nachbar, der nicht zugestimmt hatte, konnte den Zuzügling binnen Jahresfrist austreiben (vgl. S. 207 f.). 40 L. Bib. 76 unterscheidet silva communis (Allmende) und silva regis. 41 Vgl. meine Franken 62 ff. 77 ff. LAMPBECHT, a. a. 0. 103 ff. Siehe auch GNEIST, Engl. Verf.-Gesch. 95. 101 ff. 106 ff. STUBBS, Constitutional histoiy of England 1, 259 ff. K. MAUBEB, Kr. VJSchr. 10, 268 f. v. A M I R A * 120. L . v. MAURER, Einleitung 106. 123. LAVELAY-BÜCHER, Ureigentum 265 f. WARNKÖNIG, Franz. Staatsu. RG. 1, 202. 2, 345 f. POLLOCK, a. a. 0. 10, 16 f. Vgl. Jütisch. Lov. 1, 53 über B. SCHRÖDER , Deutsche Bechtsgeschichte. i. Aufl. 14
210
Die fränkische Zeit.
vechs wesentlich gefördert wurde, läßt sich nicht bezweifeln, seine Entstehung aber erklärt sich aus dem Übergang der früher vom Landesding ausgeübten Volksrechte auf den König, wodurch der alte ager publicus aus Yolkland in Königsland umgewandelt wurde 42 . Die Eroberung Galliens war ein Werk des fränkischen Königs; mochte die Kriegsbeute geteilt werden, das eroberte Land, soweit es nicht Privateigentum war, fiel dem König anheim und aus seiner Hand empfingen die Franken den Grund und Boden, auf dem sie sich niederließen, sie wohnten nicht mehr nach altgermanischer Weise auf Volkland, sondern auf Königsland 4 3 . In Gallien selbst hatte sich allem Anschein nach das altrömische Vektigalrecht vielfach erhalten (S. 193) und man darf daher annehmen, daß auch die römische Auffassung des Provinzialbodens als Eigentum des ßeiches noch nicht ganz geschwunden war. Das Bodenregal der fränkischen Könige ist, abgesehen von den herrenlosen Ländereien, hauptsächlich in Rodungs- und Niederlassungsprivilegien, in Allmende-, Rottland- und Bergwerksabgaben, sodann in dem Strom-, Straßen- und Strandregal und dem Forstbann praktisch geworden 44 . Am längsten vermochte es sich zu erhalten, wo es keinen Konflikt mit erbrechtlichen Ansprüchen gab; dagegen ist es im Kampf mit dem Erbrecht schon früh unterlegen, und man darf zweifeln, ob es in den Gebieten des „droit écrit", abgesehen von Flüssen, Landstraßen und herrenlosen Ländereien, überhaupt durchgedrungen ist 4 6 . einen Grenzstreit zwischen Nachbarn: utœn of tliczt œr almcening, thmrœ à kunung jortli ok bonder skogh („aasgenommen, wenn das Allmende ist, woran der König die Erde und der Bauer den Wald hat"). " Vgl. S. 54. 112. 155. 175. L A M P B E C H T , Jahrb. f. Nat.-Ök. NF. 9, 132. 4 * Vgl. E I C H H O R N , Staats- u. Rechtsgeschichte 1,189. R O T H , Benefizialwesen 74 f. 44 Vgl. S. 193 f. 196. Der Zusammenhang des Forstbannes mit dem Bodenregal wird von H E U S I E B , a. a. 0 . 1 , 3 7 0 F . , und W. S I C K E L , Zur Geschichte des Bannes 45 ff., bezweifelt. Daß die Jagd in den Allmendewäldern und die Fischerei in den Allmendegewässern an sich zu den markgenossenschaftlichen Nutzungen gehörte, ist nicht zu bestreiten, aber unbekümmert hierum konnte der König ganze Gaue und Gewässer für sich oder andere einforsten und dadurch Jagd und Fischerei, soweit er sie für sich oder die von ihm Begünstigten vorbehalten wollte, den Markgenossen entziehen. Es verhielt sich damit genau so wie mit den Rodungsprivilegien. Die Beispiele, daß die Zustimmung der Interessenten eingeholt wurde, gehören erst späteren Jahrhunderten an. B R Ü N N E R 2 , 7 5 beschränkt das Wildbannrecht des Königs, abgesehen von den fiskalischen Besitzungen, auf solche Waldungen, in denen der König sich das Aneignungsrecht beilegte, die Quellen Btellen aber außer Zweifel, daß es auch auf Privatgüter ausgedehnt werden konnte, wenn auch thatsächlich der König den Grundherren die größte Schonung bewiesen haben dürfte. Das „Landrecht" ist nicht, wie wir früher angenommen hatten, eine allgemeine Hufenabgabe, sondern nur eine Abgabe von Neukulturen gewesen und auch in dieser Beschränkung vielfach nicht erhoben worden (vgl. S. 193 f.), es kann daher zum Beweise eines allgemeinen Bodenregals nicht verwendet werden, wohl aber ist es ein Zeugnis für das Bodenregal an herrenlosen und Allmendgütern. 45 In den beiden ersten Auflagen dieses Werkes wurde auch die Stellung des Königs zum Kirchengut auf das Bodenregal zurückgeführt, während hier der Gedanke der Eigenkirche maßgebend gewesen ist Vgl. S. 146 f.
g 28.
211
Das Grundeigentum.
Die Grundbesitzverhältnisse der Angelsachsen wurden von dem Gegensatz zwischen Volkland und Buchland (böcland) beherrscht. Ob man bei dem ersteren noch den alten Begriff des ager publicus festgehalten hat, oder ob das nach Volksrecht erworbene Grundeigentum darunter verstanden wurde, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls beruhte das dem Volkland gegenübergestellte Buchland ausschließlich auf königlicher Verleihung, und zwar durch Ausstellung eines Königsbriefes (landboc,
liber original™, Uber antiquus),
der auch nähere Bestimmungen
über die Art des Eigentums und über die Vererbung enthalten konnte46. Dem entsprach bei den Franken das durch praeceptum oder testamewtum regis übertragene Briefland 47 . Dasselbe beruhte stets auf einer besonderen königlichen Landschenkung, im Gegensatz zu den an ganze Gemeinden zur Ansiedlung eingeräumten Dorffluren, bei denen der einzelne Markgenosse schon aus dem Grunde keine Verbriefung erhielt, weil die Niederlassung der Gemeinden nach den Grundsätzen der Feldgemeinschaft zu Gesamtrecht erfolgte. Ebendarum bildeten die königlichen Landschenkungen als Verleihungen zu Herrenrecht einen Gegensatz zu den Ansiedlungen nach Nachbarrecht 48 . Zwar konnte königliche Ermächtigung dem homo migrans auch die Niederlassung in einer Gemeinde gewähren (S. 209), in der Regel aber handelte es sich bei Landschenkungen der fränkischen Könige um die Übertragung unmittelbarer Krongüter oder um herrenloses Wildland, das durch den Begünstigten erst urbar gemacht werden sollte, eine Aufgabe die naturgemäß nur von vermögenden, über ausreichende Arbeitskräfte verfügenden Personen übernommen werden konnte49. So standen von vornherein die in den Dörfern auf ihrer Hufe sitzenden Bauern {gibürori) oder Nachbarn (nakkipuri, vicini)50 mit ihren genossenschaftlichen Einrichtungen, mit Allmende und Flurzwang und dem Heimfallsrecht der Gemeinde den von den Gemeindeverbänden eximierten Gutsherren geistlichen oder weltlichen Standes gegenüber. Der bis dahin nur in den römischen Landesteilen bekannte Unterschied zwischen Großund Kleinbesitz gewann auf dem Wege der königlichen Landschenkungen
46 Vgl. BRUNNER, RG. der Urkunde 151—208. LODGE, i. d. Essays in anglosaxon law 91 ff. 100 ff. SEEBOHM, a. a. O . (übers, v. B U N S E N ) 109 f. SCHMID, Ges. d. Angels. 538. 575 ff. KEMBLE, Sachsen (übers, y. BBANDES) 1, 237 ff. K . MAURER, Kr. Überschau 1, 107 ff. POLLOCK and MAITLAND, Hist. of engl, law 1, 38 f. VINOG RADOFF, Folkland, Engl. Hist. Rer. 8, 1 ff. 47 Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1 , 4 7 . SCHRÖDER, Franken 7 9 . SOHM, Zur Gesch. d. Auflassung (Straßb. Festgabe für T H Ö L , 1 8 7 9 ) 1 1 4 f. 1 1 6 , n. 5 0 ; Frank. Recht u. röm. Recht 5 2 . BRUNNER, Landschenkungen 2 2 , n. 1 . 48 Vgl. SCHRÖDER, Franken 5 2 f. 7 8 f. GIERKE, Erbrecht u. Vicinenrecht 4 3 6 ff. Auch Lex Burg. 54, 1 unterscheidet den durch largitas des Königs erworbenen Grundbesitz von dem Landlose {sors), das die Ansiedler anf Grundder hospitaliias erhalten haben. 4a Seit Karl dem Großen hat die Krone in dieser Richtung auf das umfassendste für den Ausbau des Landes Sorge getragen. 50
Vgl.
GRIMM, D W B .
1, 1 1 7 6 f.
7, 2 2 f.
57,
14*
212
Die fränkische Zeit.
auch in Austrasien zunehmende Bedeutung. Die Grundherren (potentes, qui per diversa possident) unterschieden sich von den einfachen Hufenbesitzern (minoflidi) der Dörfer auch darin, daß sie nicht wie diese ihr ganzes Besitztum selbst bewirtschafteten, sondern neben dem Herrn- oder Fronhofe (manus indominicatus) mehr oder weniger zahlreiche Höfe besaßen die unfreien oder hörigen Bauern gegen Abgaben und Frondienste zu eigener Wirtschaft (mansi serviles, mansi litiles) verliehen wurden61. So bildeten sich eigene Hofgemeinden, denen nicht selten seitens der Herren auch Wälder und Weiden zu markgenossenschaftlicher Nutzung überwiesen wurden. Durch die zuerst nur von den geistlichen Grundherrschaften geübte Praxis, Teile ihres Grundbesitzes auch an Freie zu Prekarien- und Benefizienrecht zu verleihen62, wurden jene Hofgemeinden mehr und mehr auch auf freie „Landsiedel" oder „Landsassen", deren Hufen man als mansi ingenviles zu bezeichnen pflegte, ausgedehnt53. So setzten sich die herrschaftlichen Güter aus dem Hermhof und den in der Gewere von freien, hörigen oder unfreien Hintersassen befindlichen Höfen (mansi vestiti) zusammen64. Eine über das ganze fränkische Reich verbreitete Bezeichnung des herrschaftlichen Besitzes war „Salland" (terra salica), so benannt nach dem Herrenhause (sab, salihus, selihus)66. Die Verwendung des Wortes " Ober minoflidus vgl. meine Franken 54 und ZRG. 20, 18. Neuerdings hat WITTICH, Die Frage der Freibauern, ZRG. 3 5 , 2 6 4 — 3 4 9 , seine Theorie von der grundherrlichen Stellung der germanischen Freien (vgl. § 9 n. 6) auch für die frttnkische Periode zu begründen versucht. Auch dieser Versuch kann nur als völlig mißlungen bezeichnet werden, und zwar nicht blos, soweit der Verfasser an die unrichtigen Ansichten HECK'S über die Gliederung der Stände anknüpft (vgl. § 29 n. 1), sondern ebenso hinsichtlich seiner selbständigen Ausführungen. 52 Vgl. S. 1 6 4 . WAITZ 2 , 1 S. 2 9 0 ff. 4 , 1 7 6 ff.; Entstehung der Vassallität 3 7 f. BRÜNNER, RG. 1, 2 0 0 ff. 2 0 9 ff. ROTH, Beneficialwesen 2 5 6 . 4 3 3 ff.; Feudalität 1 2 8 ff. 1 3 4 ff. LÖNINO, a. a. 0 . 2 , 7 0 5 ff. v. INAMA-STERNEQQ, Wirtschaftsgeschichte 1, 1 2 1 ff. v. MAURER, Fronhöfe 1, 3 6 0 ff. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1 , 8 9 1 ff. GDÉRARD, Polyptique de l'abbé Irminon 1, 5 0 3 — 5 5 7 . DAHN, Deutsche Geschichte 1, 2 S. 5 0 2 ff. PERTILE, Storia del dir. ital. 4, 2 8 2 ff. GAÜDENZI, Sulla proprietà in Italia 44 ff. 5 * Vgl. STEINMEYER U. SIEVERS, Glossen 1, 4 0 f.: aeola qui alienarti terram eolit, lantsideleo der framade erde niuxzit. Vgl. ebd. 1, 312. 2, 609: inquüinus lantsaxo. 64 Hufen, die nicht zum Hemhof gehörten, aber aus irgend einem Grunde mit keinem Kolonen besetzt waren und darum vom Herrnhof aus bewirtschaftet werden mußten, hießen mansi absi. Vgl. WAITZ, Hufe 4 4 . v. INAMA-STERKEQO, a. a. 0 . 1, 1 2 9 . 3 0 9 . LAMPRECHT 1 , 7 5 0 , wo als deutsche Bezeichnung für „absus" pflegelos nachgewiesen wird. 56 Vgl. MÖLLENHOFF, DA. 4 , 2 8 4 . GRIMM, DWB. und KLUGE, unter „Saal". Der Begriff der Salgüter ist überaus bestritten. Am verkehrtesten ist die aus dem Volksnamen der salischen Franken entnommene Deutung. Vgl. WAITZ 2 , 1 S. 2 8 4 f.; Altdeutsche Hufe 4 8 ff. SCHRÖDER, Franken 5 3 ; FDG. 1 9 , 1 4 9 . GUÉRABD, Polyptique de l'abbé Irminon 4 8 3 ff. v. INAMA-STERNEQG, Wirtschaftsgeschichte 1, 1 2 8 ff.; Sallandstudien (Festgabe für HANSSEN, 1 8 8 9 ) . LAMPRECHT, Wirtsch.-Gesch. 1 , 3 9 . 7 4 5 ff. v. MAURER, Einleitung 1 6 f.; Fronhöfe 1, 2 5 6 . BRUNNER, R G . 1, 2 1 2 . Neuerdings hat SOHH (Berichte d. sächs. Ges. d. W. 1 8 9 4 , S. 1 6 4 ff.) von der Lex
§ 28. Das Grundeigentum.
213
scheint anfangs eine verschiedene gewesen zu sein. In den romanischen Gegenden, wo die römische Latifundien Wirtschaft der Aufteilung des Großgrundbesitzes zwischen den Herren und ihren Zinsleuten zum Opfer gefallen war, verstand man darunter im Gegensatz zu den bäuerlichen Zinsgütern die herrschaftlichen Fronhöfe und das von diesen aus in Eigenbetrieb der Grundherren verwaltete Land; die Benefizien der Vassailen wurden, da sie herrschaftlichen Zwecken bestimmt waren, den Salgütern gleichgeachtet6®. In den deutschen Reichsteilen bildeten die Salgüter ursprünglich den Gegensatz zu den nach Nachbarrecht angelegten Bauerhufen. Erst als das System der romanischen Zinsleihe auch in Austrasien Boden gewann, fand der westfränkische Begriff des Sallandes auch hier Eingang. Mit der Ausbildung des vollen Privateigentums in den Dorfgemeinden kamen dann im Wege der Veräußerung und Auftragung zu Zinsrecht vielfach auch zu Nachbarrecht angelegte Hufen in grundherrlichen Besitz, so daß nun auch in freien Bauerdörfern Herrenhöfe (mansi indominicati) mit dazu gehörigem Salland und Landsiedelhöfe (mansi vestiti) nebeneinander vorkamen6r. Das an königlichem Briefland begründete Eigentum war ein beschränktes, aber diese Beschränkungen hatten ihren Grund nicht in dem Bodenregal, sondern in dem Wesen der germanischen Landschenkung überhaupt58. Hiernach wurde, wenn nicht ausdrücklich Vererblichkeit und Veräußerlichkeit ausgemacht war, immer nur beschränktes Eigentum übertragen, das der König im Falle schweren Undankes oder, wenn der Beschenkte es nur als Ausstattung eines Amtes erhalten hatte, nach Verlust des Amtes wieder zurücknehmen konnte. Veräußerungen waren dem Inhaber nur mit Genehmigung des Königs oder durch die Hand des Königs gestattet 69 . Bei dem Tode des Schenkers oder des Beschenkten Salica ausgehend, die terra salica für das nach Volksrecht besessene Land erklärt und es mit dem angelsächsischen Volkland verglichen. Aber weitaus das meiste in den Urkunden bezeugte Salland war Herrenland zu Königsrecht, stand also vielmehr zu dem Besitz nach Volksrecht im Gegensatz. M
V g l . BHÜNUER, K G . 1,
209.
" Man unterschied demnach Hofgemeinden, gemischte und freie Nachbargemeinden. 56 Über den wahren Charakter der germanischen Landschenkung, namentlich der prinzipiell übereinstimmenden Schenkungen der fränkischen Könige und der bairischen Herzoge, hat erst die S. 15ß angeführte Untersuchung von BBUNNEB Licht verbreitet. Meine frühere Ansicht über die Fortdauer des Bodenregals gegenüber dem Briefland ist dadurch berichtigt. Im übrigen sind über das Folgende außer BRUNNER zu vergleichen WAITZ 2, 1 S. 309—329. 4 , 205 ff.; Vassallität 7 1 ff. DAHN, Könige 8, 2 S. 626 ff. SCHRÖDER, Franken 78 ff. Für das nordgermanische Recht HEBTZBEBO, i. d. Germanist. Abhandlungen für Konrad Maurer (1893) 283 ff. K. LEHMANN, ZDA. 39, Anzeiger S. 9. S9 Vgl. BOBETICS-KRAUSE, Capitularia 2, 270, c. 12 (auch REGINO, De synod. causis 1, c. 381). Verordnung Ludwigs des Kindes v. J. 900 (DBONKE, Cod. dipl. Fuld. Nr. 647): Precipimus et regia nostra auetorüate decernimus, ut omnes tradioiones seu eommutationes svb presentibus idoneis testibus fiant et quelibet persona, sive tradens seu aecipiens, sibi legitimam faciat oonfirmationem, regiamque perducat
Die fränkische Zeit.
214
bedurfte es einer Erneuerung der Schenkung. Ein Erbrecht stand nur den männlichen Abkömmlingen zu 60 ; waren solche nicht vorhanden, so trat, im Gegensatz zu dem Heimfallsrecht der Gemeinden bei den Hufen zu Nachbarrecht (S. 208), der Heimfall an den König ein 61 . Seit der Entstehung des Benefizialwesens wurden diese Landschenkungen der Könige seltener, ohne doch ganz außer Übung zu kommen.
§ 29.
Die Stände.
BRUNNES 1, 224ff.; Grundzöge 27 f. ; Nobiles u. Gemeinfreie der karol. Volks-
r e c h t e , Z R G . 32, 76 ff. v. AMIRA4 78 ff. WAITZ 2», 1 S. 217—277. 348—383.
3«,
148 ff. 4 ' , 324—362; Das alte Recht 97 ff. DAHN, Könige 7, 1 S. 143 ff. 243—297;
8, 2 S. 56 ff. 204 ff; DG. 1, 2 S. 441 ff. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 16, 47 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 189 ff. MÜLLENHOPF, DA. 4, 194 ff. 357 f. 360 f.
Boos, Liten und Aldionen nach den Volksrechten, 1874. v. DANIELS, Handbuch § 140. FDSTEL DE COULANOES, Monarchie franque 76 ff.; L'alleu et le domaine rural 273—360; Recherches 206 ff. GAUPP, Recht u. Verf. der alten Sachsen 29 ff. 89. 90ff. 218ff.; Das alte Gesetz der Thüringer 160ff. GFRÖRER, Zur Geschichte deutscher Volksrechte im MA. 2 (1866). GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 117 ff. 121 ff. GLASSON, Histoire 2, 531 ff. GÖHRUM, Lehre v. d. Ebenbürtigkeit 1, 27—97. GRIMM, RA. 265 ff. 300 ff. GUÎBABD , Polyptique de l'abbé Irminon 1, 199—474.
JASTROW, Eigentum an und von Sklaven n. d. deutschen Volksrechten, FDG. 19,
626 ff. v. INAMA-STERNEOO, Wirtschaftsgeschichte 1, 58 ff. 225 ff. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1, 51 ff. 1146 ff. L. v. MAURER, Fronhöfe 1, 5—112. 265 ff. 275 ff. 306 ff.
318 ff. 378 ff. K. MAURER, Wesen des ältesten Adels 1846. E. MAYER, Entstehung der Lex Ribuariorum 131 ff.; Deutsche u. franz. Verf.-Gesch. 1, 409 ff. 2, 3 ff. STUTZ, ZRG. 34, 132 ff. 162 ff. NAUDET, De l'état des personnes en France sous les rois de la première race, Mém. de l'Inst. de France, Académie des inscr. 1827, S. 401 FF. PARDESSUS, Loi Salique, Diss. 4—7. v. RICHTHOFEN, Unters, über fries. RG. 2, 1026 ff. 3, 53 ff. HECK, Altfries. Gerichtsverfassung 223—308; Die Gemeinfreien der karoling. Volksrechte, 1900. WITTICH, Frage der Freibauern, ZRG. 35, 264 ff. 274 ff. ROTH, Feudalität, Abschn. 4. v. SAVIGNY, Beitr. z. RG. des Adels, Abh. d. Beri. Akad. 1836. v. SYBEL, Entsteh, d. Königtums1 453 ff. THONISSEN, Organisation judiciaire 90 ff. VIOLLET, Précis historique 213 ff. 250 ff. ZÖPFL, Altertümer 2, 178 ff. KEMBLE, Die Sachsen in England (übers, von BRANDES) 1, 98 FF. ad noticiam, ne ea quae utrimgue tradita fuerint irrita fiant, sed in posterum forma stabilitate permaneant. Die Verordnung bezieht sich nur auf Briefland. Zuweilen erteilte der König seine Genehmigung schon vorweg in der Verleihungsurkunde. Veräußerungen vor dem König galten als stillschweigend genehmigt. 60
Vgl. L . B u r g . 1, 3. L . SaL 59, 5. BRUNNER, a. a. 0 . 1188. 1196 f. SCHRÖDER,
Franken 54 f. 79. GIERKE, Erbrecht u. Vicinenrecht 434 ff. 441 ff. LAMPBECHT, a. a. 0. 1, 44 f. Nachdem Chilperich die Erbfolge in den Besitz zu Nachbarrecht auf die erste Seitenlinie und auch auf die weibliche Verwandtschaft ausgedehnt hatte, paßte die ursprüngliche Bestimmung der Lex Salica über die Immobiliarerbfolge nur noch auf das Briefland, weshalb die Handschriften die Worte de terra umwandelten in de terra salica. Diese Änderung ist zuerst in einem verloren gegangenen Texte (Text D bei WAITZ, Das alte Recht 11, und SOHH, Reichs- u. Gerichtsverf. 41) aus dem Ende des 6. Jahrhunderts vorgenommen worden. Diese Textänderung, die später Anlaß gegeben hat, von einem „salischen Erbfolgerecht" oder „salischen Gesetz" in diesem Sinne zu reden, muß bald nach dem Edikt des Chilperich, durch das sie nötig geworden war, stattgefunden haben. 61
Vgl. SCHRÖDER, Franken 54.
Die fränkische Zeit.
214
bedurfte es einer Erneuerung der Schenkung. Ein Erbrecht stand nur den männlichen Abkömmlingen zu 60 ; waren solche nicht vorhanden, so trat, im Gegensatz zu dem Heimfallsrecht der Gemeinden bei den Hufen zu Nachbarrecht (S. 208), der Heimfall an den König ein 61 . Seit der Entstehung des Benefizialwesens wurden diese Landschenkungen der Könige seltener, ohne doch ganz außer Übung zu kommen.
§ 29.
Die Stände.
BRUNNES 1, 224ff.; Grundzöge 27 f. ; Nobiles u. Gemeinfreie der karol. Volks-
r e c h t e , Z R G . 32, 76 ff. v. AMIRA4 78 ff. WAITZ 2», 1 S. 217—277. 348—383.
3«,
148 ff. 4 ' , 324—362; Das alte Recht 97 ff. DAHN, Könige 7, 1 S. 143 ff. 243—297;
8, 2 S. 56 ff. 204 ff; DG. 1, 2 S. 441 ff. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 16, 47 ff. ARNOLD, Deutsche Geschichte 2, 2 S. 189 ff. MÜLLENHOPF, DA. 4, 194 ff. 357 f. 360 f.
Boos, Liten und Aldionen nach den Volksrechten, 1874. v. DANIELS, Handbuch § 140. FDSTEL DE COULANOES, Monarchie franque 76 ff.; L'alleu et le domaine rural 273—360; Recherches 206 ff. GAUPP, Recht u. Verf. der alten Sachsen 29 ff. 89. 90ff. 218ff.; Das alte Gesetz der Thüringer 160ff. GFRÖRER, Zur Geschichte deutscher Volksrechte im MA. 2 (1866). GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 117 ff. 121 ff. GLASSON, Histoire 2, 531 ff. GÖHRUM, Lehre v. d. Ebenbürtigkeit 1, 27—97. GRIMM, RA. 265 ff. 300 ff. GUÎBABD , Polyptique de l'abbé Irminon 1, 199—474.
JASTROW, Eigentum an und von Sklaven n. d. deutschen Volksrechten, FDG. 19,
626 ff. v. INAMA-STERNEOO, Wirtschaftsgeschichte 1, 58 ff. 225 ff. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1, 51 ff. 1146 ff. L. v. MAURER, Fronhöfe 1, 5—112. 265 ff. 275 ff. 306 ff.
318 ff. 378 ff. K. MAURER, Wesen des ältesten Adels 1846. E. MAYER, Entstehung der Lex Ribuariorum 131 ff.; Deutsche u. franz. Verf.-Gesch. 1, 409 ff. 2, 3 ff. STUTZ, ZRG. 34, 132 ff. 162 ff. NAUDET, De l'état des personnes en France sous les rois de la première race, Mém. de l'Inst. de France, Académie des inscr. 1827, S. 401 FF. PARDESSUS, Loi Salique, Diss. 4—7. v. RICHTHOFEN, Unters, über fries. RG. 2, 1026 ff. 3, 53 ff. HECK, Altfries. Gerichtsverfassung 223—308; Die Gemeinfreien der karoling. Volksrechte, 1900. WITTICH, Frage der Freibauern, ZRG. 35, 264 ff. 274 ff. ROTH, Feudalität, Abschn. 4. v. SAVIGNY, Beitr. z. RG. des Adels, Abh. d. Beri. Akad. 1836. v. SYBEL, Entsteh, d. Königtums1 453 ff. THONISSEN, Organisation judiciaire 90 ff. VIOLLET, Précis historique 213 ff. 250 ff. ZÖPFL, Altertümer 2, 178 ff. KEMBLE, Die Sachsen in England (übers, von BRANDES) 1, 98 FF. ad noticiam, ne ea quae utrimgue tradita fuerint irrita fiant, sed in posterum forma stabilitate permaneant. Die Verordnung bezieht sich nur auf Briefland. Zuweilen erteilte der König seine Genehmigung schon vorweg in der Verleihungsurkunde. Veräußerungen vor dem König galten als stillschweigend genehmigt. 60
Vgl. L . B u r g . 1, 3. L . SaL 59, 5. BRUNNER, a. a. 0 . 1188. 1196 f. SCHRÖDER,
Franken 54 f. 79. GIERKE, Erbrecht u. Vicinenrecht 434 ff. 441 ff. LAMPBECHT, a. a. 0. 1, 44 f. Nachdem Chilperich die Erbfolge in den Besitz zu Nachbarrecht auf die erste Seitenlinie und auch auf die weibliche Verwandtschaft ausgedehnt hatte, paßte die ursprüngliche Bestimmung der Lex Salica über die Immobiliarerbfolge nur noch auf das Briefland, weshalb die Handschriften die Worte de terra umwandelten in de terra salica. Diese Änderung ist zuerst in einem verloren gegangenen Texte (Text D bei WAITZ, Das alte Recht 11, und SOHH, Reichs- u. Gerichtsverf. 41) aus dem Ende des 6. Jahrhunderts vorgenommen worden. Diese Textänderung, die später Anlaß gegeben hat, von einem „salischen Erbfolgerecht" oder „salischen Gesetz" in diesem Sinne zu reden, muß bald nach dem Edikt des Chilperich, durch das sie nötig geworden war, stattgefunden haben. 61
Vgl. SCHRÖDER, Franken 54.
§ 29. Die Stände.
215
131 ff. 150 ff. LEO, Kectitudines singularum personarum 151 ff. SCHMID, Ges. d. Angelsachsen 527. 543. 566 ff. 588. 664 ff. 673.
engl, law 1, 390—458.
POLLOCK and MAITLAND , H i s t . of
K. MAURER, Krit. Überschau 1, 405 ff. 2, 30 ff. 423 ff.
FOCKEMA ANDREAE , B i j d r a g e n t o t d e n e d e r l . r e c h t s g e s c h i e d e n i s 3 (1892).
VANDER-
KINDERE, Les tributaires ou serfs d'église en Belgique, Bulletin de l'Acad. de Belgique 34, N r . 8 (1897).
KIENER, Verf.-Geschichte d. P r o v e n c e 42FT.102 ff.
Die ständischen Verhältnisse hatten sich unter dem Einfluß der politischen und wirtschaftlichen Wandelungen erheblich verändert Der alte Geschlechtsadel vermochte dem fränkischen Königtum gegenüber seine Eigenart nicht zu behaupten, er verschmolz mit dem neuen Dienstadel, den nicht die Geburt, sondern die Ehre des Königsdienstes über die anderen Klassen erhob 1 . Die Franken haben schon zur Zeit der Lex Salica außer dem königlichen Geschlecht der Merowinger keinen Adel mehr gekannt, dagegen tritt derselbe in den Yolksrechten der übrigen Stämme noch deutlich hervor. Die Edelinge waren durchweg, namentlich bei den Sachsen, durch höheres Wergeid und eine entsprechend höhere Buße vor den Freien ausgezeichnet 2 . Bei den Sachsen liegen unverkennbare Spuren einer von den Edelingen über Freie und Liten ausgeübten Herrschaft vor, die zwar in den Gesetzen Karls schon einen patrimonialen Charakter trägt, vor der Unterwerfung des Volkes aber hoheitlicher Natur gewesen sein muß. Man erkennt in den sächsischen Edelingen die Angehörigen der alten, im Lauf der Zeit zu erblicher Gewalt gelangten 1 Das Aufgehen des Uradels in den königlichen Dienstadel hat sich in derselben Weise bei den Goten, Angelsachsen und Norwegern vollzogen. Vgl. K. MAURER, Wesen des Adels 52 ff. 150 ff.; Kr. Übersch. 2, 423 ff. Die Annahme von HECK, a. a. O., daß unter dem nobilis der L. Fris. und L. Sax., dem adaling der L. Angl, et Wer. und dem homo Francus der L. Cham, der Gemeinfreie („Geschlechtsgenosse"), unter dem ingenuus, über oder friling dieser Gesetze dagegen der sippenlose Freigelassene zu verstehen sei, ist bei unbefangener Auslegung unmöglich und hat bei BBUNNER (s. S. 214) bereits ihre Widerlegung gefunden. Auch die neuesten, gegen BRUNNER gerichteten Ausführungen von HECK und WITTICH haben nichts beigebracht, was irgendwie zu überzeugen vermöchte. Die von HECK als Hauptbeweisstück zum Motto gewählte Stelle aus dem Capitulare Saxonicum von 797 beruht, wie schon BORETIUS bemerkt hat, auf einem Versehen des Schreibers, indem aus VI und I I I durch Verschiebung einer I das irreführende V und IIII entstanden ist. * Nach altalamannischem und mittelfriesischem Recht hatte der Adeliche das anderthalbfache Freienwergeld, das doppelte bei Baiern, Burgunden, Ost- und Westfriesen, Langobarden, das dreifache bei den Thüringern. Auch bei den Angelsachsen galt nach dem Becht von Kent (Hlothar u. Eadric c. 1. c. 3) der eorl dreimal so viel wie der ceorl, während die Einschätzung des pegn zum sechsfachen Wert des Gemeinfreien einer späteren Rechtsbildung angehört und für die ursprüngliche Stellung des angelsächsischen Geburtsadels nicht als Zeugnis dienen kann (vgl. K. MAURER, Kr. Übersch. 2, 412). Auch die sechsfachen Büß- und Wergeidtaxen des sächsischen Adels beruhen vielleicht auf einer erst unter Karl dem Großen eingetretenen Erhöhung der früheren Sätze (vgl. WAITZ 3, 149. 4, 324 f.), da der Adel, nachdem er seinen Frieden mit Karl gemacht und das Christentum angenommen hatte, des Schutzes gegen die eigenen Volksgenossen bedurfte. Vgl. Capitula de part. Sax. c. 12. c. 13. Lex Saxonum c. 25. c. 26. NITHABDI Hist. 4, 2.
Die fränkische Zeit.
216
Fürstengeschlechter, die durch Karl den Großen zwar mediatisiert, aber doch im Besitz gewisser Herrscherrechte belassen und auch sonst vielfach ausgezeichnet wurden. Auch die fünf baierischen Adelsgeschlechter, die neben dem Herzogshaus der Agilolfinger bestanden und zu dem halben Wergeid des letzteren, dem doppelten der Freien, angesetzt waren, sind wohl aus alten Herrschergeschlechtern hervorgegangen, die durch die Bildung des baierischen Stammesreiches oder erst durch seine Unterordnung unter das fränkische Reich mediatisiert sein mochten 3 . Der gallische Geburtsadel war schon in der römischen Zeit in den Dienstadel aufgegangen 4 . Bei den Alamannen ist von dem noch um die Zeit Chlothars II. hervortretenden Geburtsadel etwa zwei Jahrhunderte später keine Spur mehr vorhanden®. Da durch den jedem Stande zugänglichen Königsdienst Wergeid und Buße des Geburtsstandes verdreifacht wurde 6 , so stand der freie Franke, wenn er in der Trustis oder im Hofdienst angestellt war oder ein höheres Staatsamt bekleidete, mit seinem Wergeid von 400 Solidi (nebst 200 sol. als fredus) weit über allen Edelingen der übrigen Stämme, selbst das hohe Wergeid des sächsischen Adels (1440 sächsische oder 960 fränkische Schillinge) konnte sich mit dem seinigen nicht messen, da dieses in Silber-, ersteres aber, Friesen und Sachsen gegenüber, in Goldschillingen berechnet wurde (S 189). Wollten die Edelinge dem Beamtenstand nicht nachstehen, so mußten sie selbst in diesen eintreten; hier aber gab nur die höhere Amtsstellung und nicht die höhere Geburt den Vorzug. Der Beamtenaristokratie, zu der auch die Bischöfe gehörten, stellte sich die Klasse der Grundherren zur Seite. Während diese in den römischen Provinzen durch ihre Zahl wie ihren Reichtum von vornherein außerordentlich ins Gewicht fielen, standen in den deutschen Gebieten den bäuerlichen Kleinbesitzern zunächst nur die Edelinge mit ihren adelichen Stammgütern gegenüber. Aber auch hier zeigte sich alsbald die ausgleichende Kraft des Königtums: zwischen den Kleinbesitz zu Nachbarrecht und das Volkland oder Königsland auf der einen und das Adelsgut auf der anderen Seite schob sich das königliche Briefland zwischen die bäuerlichen Kleinbesitzer (minofidi, minores) und den Stammesadel traten die neuen Grundherren als Mittelfreie (mediani, medii, mediocres)7. Kein Wunder, daß der ausschließlich auf die Verschiedenheit des ' Vgl. M E R K E L , Die Adelsgeschlechter im bair. Volksrecht, ZBG. 2, 1 S. 371 f. RIEZLER, Gesch. Baierns 1, 122 f.
1,
255 ff.
WAITZ
4
5
V g l . WAITZ 2,
1 S. 8 6 8 f.
Vgl. Anm. 7 . W A I T Z 2 , 1 S . 8 7 0 f., der darauf aufmerksam macht, daß sich auch der burgundiBche Adel offenbar schon zur Zeit der Lex Burgundionum im Übergang vom Geburtsadel zur Berufsaristokratie befunden hat. 8 Vgl. S. 118. 126. 129. 137. 141. 150. 165. ' Vgl. S . 211 f. SCHRÖDER, ZEG. 15, 54. 20, 18 f. BRÜNNER 1, 248 f. Nach L. Burg. 2, 2 betrug das Wergeid des Adelichen (optimus nobilis) 300 Sol., das
der medioeres (L. Burg. 101 leudes) 200 Sol. und das der minores 150 Solidi. In derselben Abstufung nennt Pact. Alam. 2, 36—40 den primus
Alamannus mit
§ 29. Die Stände.
217
ursprünglichen Erwerbes gegründete Gegensatz zwischen Briefland und Adelsgut in Vergessenheit geriet und innerhalb des Kreises der Großgrundbesitzer, dem seit der Entstehung des Lehnwesens auch die Kronvassallen angehörten, zwischen Adelichen und Nichtadelichen nicht weiter unterschieden wurde. Zwar waren die Grundherren als solche nur bei den Burgunden und Alainannen durch ein höheres Wergeid ausgezeichnet, aber zu der hohen sozialen Stellung, die sie durch ihren Reichtum und die Freiheiten ihres Besitzes von vornherein einnahmen, kamen die grundherrlichen Rechte gegenüber ihren Hintersassen und die besondere Stellung, die ihnen in Heer und Gericht eingeräumt wurde, so daß sie zusammen mit den höheren Beamten die erste Klasse der Unterthanen bildeten, die man zwar nicht eigentlich als Adel bezeichnen kann, weil die Erblichkeit fehlte, die aber als Aristokratie durchaus an Stelle des Adels getreten war, diesen in sich aufgenommen hatte und selbst alle Keime zur Erblichkeit und somit zu einem neuen Geburtsadel in sich trug. Man bezeichnete die Mitglieder des ersten Standes mit Vorliebe, wenn auch untechnisch, mit dem einfachen Volksnamen, zumal als „Franken" 8 oder als die „Leute" (leudes)9, daneben begegnen andere Ausdrücke, die sie als die Ersten und Angesehensten des Volkes oder als die „Hochfreien" kennzeichneten10. Ihnen gegenüber hießen dann die unabhängig gebliebenen Grundeigentümer bäuerlichen Standes schlechthin liberi, ingenui, boni homines, mit Rücksicht auf ihren geringeren Besitz minoflidi, minores, pauperes, mit Rücksicht auf die ihren Grundbesitz belastenden Abgaben bargüdi11. Mehr und mehr aber machte sich bemerk240 Sol., den medianus Alamanwus mit 200 Sol. und den minoflidus mit 160 Sol., während die L. Alam. 60 (68) nur noch den medius mit 200 Sol. und den Uber mit 160 Sol. kennt. 8 Daher der Sprachgebrauch „frank" = „frei". KLUGE, W B . U. „frank". Vgl. auch W A I T Z 2, 1 S. 272 f. 4 , 325 f. Über den mit dreifachem Wergeid ausgestatteten hämo Franeus der Lex Chamavorum vgl. SOHM, MG. Leg. 5, 271 n. 2. BRÜNNEB 1 , 2 5 2 n . 2 8 .
• Vgl. § 1 2 n. 4 5 . W A I T Z 2 , 1 S. 3 4 8 ff. MÖLLENHOFF, DA. 4 , 1 8 8 . Eine frühere Ansicht nahm leudes als technische Bezeichnung der königlichen Getreuen, namentlich der Empfänger von Königsgut. Sie ist seit ROTH'S Ausführungen beseitigt. 10 So proeeres, primates, primäres, prinoipes, optimales, meliores, magnati, maiores natu, seniores, potentes. Vgl. W A I T Z 2, 1 S. 363 f. 4, 326 ff. Dagegen ist nobilis in fränkischen Quellen der Freie oder der freie Grundbesitzer. Vgl. ebd. 4, 329 ff. 11 Vgl. W A I T Z 4, 331 f. Der Name, zuerst in einem Kapitular Karls d. Gr. (BOKETIUS-KBAVSE 1, 185, c. 4) war auch in Italien bekannt (ebd. 325, c. 3) und ist für Westfranken durch das Ed. Pistense von 864, c. 32 (ebd. 2, 324) bezeugt. An der Identität mit den im Mittelalter vorkommenden Würzburger Bargilden, den westfälischen bergildi, den friesischen berielda und den Biergelden des Sachsenspiegels läßt sich nicht zweifeln. Vgl. W A I T Z 5 a , 319 ff. RICHTHOFEN, Alfr. WB. 626. Die Bedeutung des Wortes ist noch nicht aufgeklärt, doch scheint die Pflicht des Königszinses darin angedeutet. Die Erklärung aus einem Bierzins ( G B I M M , RA. 313 f.) ist ebenso undurchführbar wie die aus einem Urbarzins.
218
Die fränkische Zeit
lieh, daß diese freien Grundbesitzer nicht mehr die unterste Klasse unter den Freien waren, da die unter grundherrliche Gewalt geratenen freien Hintersassen sozial erheblich gesunken waren und sich dem Stande der Hörigen angenähert hatten i a . Die dreien Grundbesitzer des Mittelstandes wurden daher diesen gegenüber auch als „Mittelfreie" {mediocres) bezeichnet, während die hintersässigen Bauern und Yogteileute nunmehr als „Minderfreie" (minores) erschienen 13 . Die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen hatten sonach die Auflösung des Freienstandes in drei Klassen herbeigeführt. Während die Klasse der Hochfreien den alten Geburtsadel mehr und mehr in sich aufnahm und sich darauf vorbereitete, ganz an dessen Stelle zu treten, waren die Minderfreien, deren Zahl sich auf Kosten des Mittelstandes immer mehr vergrößerte, in eine persönliche Abhängigkeit geraten, die den Unterschied gegen die in ihrer sozialen Stellung zum Teil bedeutend gehobenen Klassen der unfreien und hörigen Leute fast verschwinden ließ. Die U n f r e i e n gehörten rechtlich auch jetzt noch ausschließlich in die Privatrechtssphäre ihres Herrn und nahmen keinen Teil am staatlichen Leben 1 4 , aber sie genossen bereits einen gewissen strafrechtlichen Schutz und ihre Tötung wurde fast allgemein nach bestimmten Ansätzen, die sich mehr und mehr dem Begriff eines wirklichen Wergeides näherten, und nicht mehr nach ihrem individuellen Sachwert gebüßt 16 . Das Dreifache an Buße und Wergeid galt für die Königs- und Kirchenknechte (servi regis, s. fiscales, s. ecclesiae), die sich insofern desselben Privilegs wie die königlichen und zum Teil auch die kirchlichen Beamten erfreuten. In der Karolingerzeit wurden sie von den Hörigen nicht mehr unterschieden; die Unfreien und Hörigen auf den Krongütern bildeten seitdem die einheitliche Klasse der Fiskalinen 16 . Die erste Stelle unter den Königsknechten nahmen die im persönlichen Dienst des Königs befindlichen pueri regis ein, die selbst zur Aufnahme in die Trustis und zu höheren Ämtern gelangen konnten 17 . Aber auch unter den sonstigen Unfreien bildeten die Mitglieder der Hausdienerschaften (rassi, ministeriales, pueri, famuli\ die naturgemäß nur bei großen Grundherren vorkamen, eine bevorzugte Klasse 1 8 . Sie wurden großenteils für den persönlichen Dienst in den dem Königshof nachgebildeten vier Hofämtern (S. 140), unter " Gegen die Annahme von ROTH, daß die freien Zinsleute keine Freizügigkeit besessen hätten, vgl. WAITZ 4, 336 n. 1. 18
14
Vgl.
WAITZ 4, 3 3 1
n. 1. 3 2 3
n. 3.
BBUNNER 1 , 2 5 3 f.
Tötungsrecht des Herrn: Gregor Tur., Hist. Franc. 8, 15.
16 Vgl. JASTROW, Zur strafrechtl. Stellung der Sklaven bei Deutschen und Angelsachsen, 1878 (GIERKE, Unters. 2). In den älteren Teilen der "L. Fris. (1, 11. 4, 1) ist noch der einzelne Sachwert maßgebend, während 15, 4 dem Knecht bereits das halbe Litenwergeld zugesteht. 19
17
V g l . W A I T Z 2 , 1 S . 2 2 7 f.
zu haben. 18
4, 3 4 7
ff.
BRUNNER 1,
237.
Am Hof des Baiernherzogs scheinen ihnen die „Adelschalke" entsprochen V g l . BRUNNER 1 ,
236.
Über das Folgende BRÜNNEB 1, 234 ff.
§ 29. Die Stände.
219
der Vorstehersohaft eines maior oder seniskalk, ebenso aber auch zur Beaufsichtigung einzelner Wirtschaftszweige (als Förster, Meier u. dgl.) oder als reisiges Gesinde zu Botschaften, Schutzgeleiten, auch wohl zu Polizei- und Bütteldiensten verwendet. Besonders wertvoll waren diese Reisigen für ihren Herrn bei seinen Fehden, auch auf Heerfahrten des Reiches ließ er sich von solchen begleiten19. Nach der Ausbildung des Lehnwesens kamen allmählich auch ritterliche Ministerialen, die für ihre Dienste gleich den freien Vassalien mit einem Lehn ausgestattet wurden, in Gebrauch. Eine andere Klasse unter den Unfreien bildeten die geschulten Handwerker (artifices), Jäger, Winzer u. a. m. Die übrigen Unfreien waren, entsprechend der altgermanischen Sitte die auch in den römischen Landesteilen allgemeinen Eingang gefunden und die Latifundien mit ihren ausgedehnten Sklavenwirtschaften gesprengt hatte, zum größten Teil gegen Zins- und Dienstpflicht auf eigener Scholle angesiedelt; nur auf den königlichen Gütern wurde eine ausgedehntere Herren Wirtschaft mit arbeitenden Knechten getrieben. Die angesiedelten Knechte (servi casati, mansuarii) fanden anfangs nur auf den Herrengütern, wo sie mit Fronland ausgestattet wurden, oder auf Neubruchland in den Allmenden ihr Unterkommen, drangen aber später mit dem grundherrlichen Besitz auch in die Bauerdörfer ein, in denen sie als Inhaber von mansi serviles ihren Platz neben freien und hörigen Hufnern einnahmen. Ihre Fronarbeit beschränkte sich in der Regel auf bestimmte Tage in der Woche, die übrige Zeit gehörte ihnen, so daß sie, namentlich wenn sie ein Handwerk betrieben, auch in der Lage waren, eigenes Vermögen zu erwerben20. Häufig traten unfreie Leute in den geistlichen Stand und wurden dann von ihren Herren zur Bedienung ihrer Eigenkirchen angestellt; seit Ludwig d. Fr. war ihnen zwar die priesterliche Ordination verschlossen, aber soweit es einer solchen nicht bedurfte, konnten unfreie Kleriker auch fernerhin an den Eigenkirchen verwendet werden (S. 147). Während die mansuarii als glebae adscripti wie unbewegliche Sachen behandelt wurden und wie die Leibeigenen des Mittelalters nur mit ihrem Grundstück veräußert werden konnten, galten die unangesiedelten Hofknechte (maneipia, iuniores, ags. peow) als bewegliche Sachen und konnten als solche frei, nur nicht außerhalb der Provinz oder außer Landes veräußert werden21. Diese niedrigste Klasse der Knechte kam namentlich auch auf den Höfen unfreier Bauern, die selbst wieder solche Leute in ihrem Vermögen besaßen, vor. Begründet wurde die Unfreiheit nicht mehr durch kriegerische Unterwerfung, wohl aber durch Kriegsgefangenschaft, durch Abstammung von einem unfreien Vater oder einer unfreien Mutter, 19 2
Bewaffnete Reisige Gregor. Tur., a. a. 0 . 7, 46.
° Vgl. 81
GU£BARD, a . a . 0 .
304
ff.
Vgl. SEEBOHH, Eugliscbe Dorfgemeinde 108. Die Immobilisierung der servi casati ist zuerst in Westfranken zur Ausbildung gelangt und hat sich von da aus schrittweise weiter verbreitet. Dem sächsischen und thüringischen Hecht war sie noch unbekannt. Vgl. B B Ü N N E B X, 2 3 4 .
220
Die fränkische Zeit.
durch Verheiratung einer Freien mit einem Unfreien, unter Umständen durch Verknechtung zur Strafe 22 . In Notfällen konnte der Hausherr auch noch in dieser Periode Frau und Kinder in die Knechtschaft verkaufen 23 . Von besonderer Bedeutung war die durch Gerichtsurteil oder freiwillige Ergebung des zahlungsunfähigen Schuldners herbeigeführte Schuldknechtschaft24. Dabei hielten die Volksrechte nur noch zum Teil an der Strenge des alten Rechts, das den völligen Verlust der Freiheit eintreten ließ, fest; zum Teil nahmen sie schon den besonders von der Kirche betonten, durch die karolingische Gesetzgebung allgemein anerkannten und auch im norwegischen Recht vertretenen Standpunkt ein, daß die Schuldknechtschaft durch Zahlung der Schuld wieder aufgehoben werde, also nicht die Aufhebung, sondern nur eine Verpfandung der Freiheit bedeute 26 . Noch weiter ging das baierische Recht, das die Schuldknechtscbaft nur bis zur Abarbeitung der Schuld dauern ließ, das Pfand Verhältnis demnach als eine Art Totsatzung auffaßte26. Die Quellen wissen auch von einer begrenzten Verpfändung der Freiheit, wobei der Schuldner sich nur für bestimmte Wochentage zu Knechtesdiensten verpflichtete 27 . Die Ergebung in Knechtschaft (obnoxiatio), die auch durch andere Notlagen veranlaßt sein konnte, wurde durch einen Ergebungsakt von Seiten des Knechts und einen Besitzergreifungsakt von Seiten des Herrn vollzogen 28 . Anders waren die Formen bei Vergeiselungsverträgen, 92
Vgl. WILDA, Strafrecht 517 f.
WAITZ 2, 1 S. 230.
WALTEE, RG. 2 ,
Ed. Liutpr. 121. Über verfallene Geiseln als Staatssklaven s. Anm. 29. 23
24
Vgl. Anna. 26.
81.
BRÜNHER, RG. 1, 75 f.
Vgl. KORN, De obnoxiatione et wadio antiquissimi iuris Germanici, 1863. KOHLES, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz 20 ff. 53 ff. MAURER, Schuldknechtschaft nach altnord. Recht, Mönch. SB. 1874 (vgl. BRINZ, Kr. VJSchr. 16, 588 ff.), v. MEIBOM, Pfandrecht 33 f.
WILDA, Strafrecht 516 f.
STOBBE, Zur Ge-
schichte d. deutsch. Vertragsrechts 179 f. WAITZ 2, 1 S. 246 f. 4, 338 f. 520. HEUSLER 1 , 1 0 3 . 26
BRÜNNER 2, 442 f. 477 ff. W . SICKEL, W e s t d . Zeitschr. 15, 151.
Die Langobarden und Westgoten kannten strenge Schuldknechtschaft nur noch bei Kompositionen von einer bestimmten Höhe, bei geringeren gestattete Liutprand die nachträgliche Lösung, während das Westgotenrecht statt der Verknechtung Prügelstrafe anordnete. Vgl. Ed. Liutpr. 63. 121. 152. L. Wis. 6, 4, c. 2. Ribuarisches Kapitular von 803, c. 3: Homo ingenuus, qui multa qualibet solvere non potuerit et fideiussores non habuerit, liceat ei semetipsum in wadium ei, cui debitor est, mittere, usque dum multa, quam debuit, persolvat. BORETIDS, Capitularia 1, 51, c. 19. 114, c. 8. 160, c. 3. 166, c. 1. 281, c. 2. Von den fränkischen Obnoxiationsformeln haben Form. Marc. 2, 28 (ZEUHEB 93) und Cartae Senonicae 4 (ebd. 187) noch den älteren, dagegen Form. Andec. 18 und Form. Bignon. 87 (ebd. 237) bereits den jüngeren Standpunkt. !6 L. Baiuw. 2, 1: si vero non habet, ipse se in servitio déprimât et per singulos menses vel annos, quantum lucrare quiverit, persolvat cui deliquit, donee debitum universum restituât. Ebd. 1, 10: si non habet tantum peeuniam, se ipsum et uxorem et filios tradat ad ecelesiam illam in servitio, usque dum se redimere possit. Siehe auch Ed. Aregisi c. 6. " Vgl. Form. Andec. 38 (37). Form. Marc. 2, 27. Cartae Senonicae 3 (ZEÜMEB, 186).
ROZIÊRE. Nr. 371—373.
28
Vgl. Du CANOE, Glossarium, s. v. obnoxiatio.. Form. Visig. 32. Andecav. 2.
§ 29.
Die Stande.
221
da der Geisel zunächst nicht in die Knechtschaft, sondern nur in die Gewahrsam (custodia, fides) des Empfängers gegeben wurde. Erst wenn die durch den Vergeiselungsvertrag sichergestellten Verpflichtungen nicht erfüllt wurden, verlor der Geisel seine Freiheit; auch der Geisel war Pfand {wadium), wie nach dem neueren Recht der Schuldknecht, aber nicht Nutzpfand, wie dieser, sondern Verfallpfand29. Die Knechtschaft endigte in gewissen Fällen von Rechts wegen, zur Strafe für den Herrn, in allen anderen durch Freilassung, doch erhielt der Freigelassene, von den unten hervorzuhebenden Ausnahmen abgesehen, nur die Rechte eines Hörigen. In der Stellung der H ö r i g e n hatte sich eine wesentliche Änderung gegenüber der vorigen Periode vollzogen. Die alten Staatshörigen (S. 50) waren verschwunden; zum Teil waren sie durch die Einverleibung in das fränkische Reich zu freien, nur königszinspflichtigen Unterthanen geworden ; zum Teil mag es auch den Beamten im Lauf der Zeit gelungen sein, die früher dem Staat zustehende Gewalt über die Hörigen für sich zu erwerben 30 , wodurch dieselbe, namentlich wenn sie auf andere weiter übertragen wurde, einen privaten Charakter annehmen mußte. Auch die Stelluug der in den römischen Landesteilen vorgefundenen Kolonen (itributarti} verlor den öffentlichrechtlichen Charakter, indem sie mit den deutschen Hörigen verschmolzen31. Den bedeutendsten Zuwachs erhielt die Klasse der Privathörigen aber durch die Umbildung der privaten Freilassung, die zwar ihren widerruflichen Charakter (S. 48) verlor, dem 3. 19. 25. Arvern. 5. Turon. 10. ROZIÈRE, Nr. 44—46. 48—50. L. Baiuw. 7, 4. L. Alam. 1, 1. Leg. Eurici c. 300. Nach L. Wisig. 5, 4, c. 10 sollte die freiwillig eingegangene Knechtschaft stets lösbar sein. Die Form der Ergebung bestand darin, daß der Knecht den Nacken unter den Arm oder Gürtel des Herrn oder unter das Glockenseil beugte und der Herr ihn bei den Haaren ergriff. Vgl. Form. Bignon. 27 (26) und ZETTHER, Formulae 237, n. 1. K O R N , a. a. O. 15 f. GRIMM, RA. 147. 328. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 550, n. 15. Daß es sich dabei nicht, wie bei der Adoption, um ein Abschneiden, sondern um ein Ergreifen bei den Haaren handelte, folgt u.a. aus Cod. dipi. Cavensis 1, Nr. 106 (894): per enpillis capitis sui se ipso T. conprendere fedmus. Bei den Franken war es später üblich, daß der sich Ergebende vier Denare auf seinen Kopf legte (vgl. BRUNNER, Hist. Aufsitze für W A I T Z , S . 65 f.), womit sich die indische Sitte, einen Strohhalm auf den Kopf zu legen (vgl. KOHLER, Zeitschr. f. vergi. RW. 6, 199 f.), vergleichen läßt. Zeichen der Verknechtung war die Anlegung von Fesseln. Vgl. L. Rib. 72, 1. Tacitus Germ. c. 24. 39. W A I T Z 1, 423. v. AMIRA, Vollstreckungsverfahren 341. Über Versuche Karls d. Gr., die Ergebung Freier in Knechtschaft oder Hörigkeit zu beschränken, vgl. W. SICKEL, Westd. Zeitschr. 15, 166 f. s » Vgl. § 35 n. 104. Greg. Tur., Hist. Franc. 3, 15: Multi tunc filii senatorum in hae obsidione dati sunt, sed orto ite/rum, inter reges seamdalum, ad servioium publicum sunt addicti\ et quicumque eos ad costodiendum accepit, servus sibi ex his fecit. So namentlich wohl bei den Sachsen, bei denen die den Laten zustehende Beteiligung am öffentlichen Leben vermuten läßt, daß ihre Abhängigkeit ursprünglich nur öffentlichrechtlicher Natur gewesen ist. Darauf deutet auch die Überlieferung bei Widukind, Res gestae "Saxonicae 1, c. 14. 81 Vgl. W A I T Z 2 , 1 S . 2 3 9 ff. BRÜNNER 1, 2 4 0 f. SICKEL, Gött. gel. Anz. 1 8 9 6 S . 2 7 4 ff.
Die fränkische Zeit.
222
Freigelassenen' aber, wenn sie unter Vermeidung der volleren Formen, durch bloße Zustellung eines Freibriefes erfolgte, nur die Rechte eines Hörigen gewährte32. Die Bezeichnung der Hörigen war nach Gegenden verschieden. „Aldien" hießen sie wohl nur bei den Langobarden, „Barschalke" und „Barleute" bei den Baiern und wohl auch bei den Alamannen, „Liten", „Leten", „Laten", „Lassen" bei den Franken, Friesen, Sachsen und Thüringern 33 . Alle Hörigen standen unter Volksrecht und hatten in der Regel halbes Wergeid und halbe Buße der Freien. Das Verhältnis zu ihrem Herrn wurde bei den Langobarden als Munt aufgefaßt und war dem familienrechtlichen Munt nachgebildet, trug aber, seiner Entstehung gemäß, mehr den Charakter eines Gewaltverhältnisses. Alle Hörigen waren glebae adscripti, sie besaßen keine Freizügigkeit, konnten also den ihnen überwiesenen Hof nicht einseitig aufgeben, andererseits aber auch nicht ohne den Hof veräußert werden34. Wer zu Hörigenrecht freigelassen wurde, was an sich in formloser Weise geschehen konnte 36 , mußte von seinem Herrn mit einem Zinsgut (mansus litilis) ausgestattet werden36. Geistliche hörigen Standes wurden nicht selten bei Eigenkirchen ihrer Herren angestellt. Die Hörigen konnten Eigentum erwerben, aber nur in beschränktem Maße darüber verfügen. Sie konnten auch Knechte in ihrem Vermögen haben und selbst Herren von anderen Hörigen sein37. Ihre Leistungen an den Herrn waren feststehende und der Willkür des letzteren entzogen38; bei Freigelassenen richteten sie sich in erster Linie nach den seitens des Herrn mit der Freilassung verbundenen Bedingungen {leges domini)39. Regelmäßig hatte der Lite für seine Person, unabhängig von den auf dem Gute ruhenden Verpflichtungen, einen Leibzins (litemonium) an den Herrn zu entrichten und gewisse Frondienste zu leisten. Bei Heiratsbewilligungen, deren die Liten wenigstens zu allen Ehen außerhalb der Hofgenossenschaft bedurften 40 , erhob der Herr wohl regelmäßig eine Abgabe; heiratete eine Litin, so mußte der Brautkauf mit dem Herrn abgeschlossen werden41. Im übrigen war die Stellung der Hörigen 82
Manche Stämme, wie die Barganden und Thüringer, haben die Hörigkeit wohl erst auf diesem Wege kennen gelernt. Die Freilassung zu Litenrecht scheint in der Karolingerzeit außer Gebrauch gekommen zu sein. Vgl. WAITZ 4, 353. ss
V g l . BRUNNEB X, 2 3 8
ff.
v . AMIRA 2 8 6 .
WAITZ 2 ,
1 S . 2 3 7 ff. 4 , 3 4 1
n.
5, 289 f. KREMER, Orig. Nasa. 2, append. pg. 2. P E Z , (TRAUERT U. MAYERHOFEN Drei bayer. Traditionsbücher 164 ff. Übrigens kommen parlude auch in einer niedersächsischen Urkunde von 1447 (JANICKE, Quedlinb. Urk.-B. 1, Nr. 389) vor. 84
35 88
87
V g l . WAITZ 2 , 1 S .
237.
Vgl. Ed. Roth. 224, 4. Liutpr. 23. V g l . WAITZ 2 , 1 S . 2 3 6 f .
Vgl. L. Fris. 11, 1. Ed. Koth. 235. Ed. Grim. 1. 8> Ed. Roth. 226. 10 Vgl. L. Sax. 65. 41 Vgl. Liutpr. 126. 139. L. Sax. 65. Die freie Frau eines Liten kam infolge des Brautkaufs in den Munt seines Herrn und konnte daher zur Eingehung 89
§ 29. Die StSnde.
223
bei den verschiedenen Stämmen eine sehr verschiedene und es würde ein vergeblicher Versuch sein, ihre Verhältnisse auf einen ursprünglich einheitlichen Gedanken zurückzuführen42. Bei den Sachsen bildeten die Liten einen Teil des Volkes. Sie nahmen an Heerpflicht, Dingpflicht und den übrigen öffentlichen Lasten neben den Edelingen und Freien teil 43 . Die friesischen und zweifellos auch die sächsischen Liten besaßen das Fehderecht 41 , also auch das Recht, ihre Angelegenheiten persönlich vor Gericht zu vertreten; ihre Unthaten wurden ausschließlich von ihnen gebüßt und gingen den Herrn, wofern er sich von dem Verdacht der Mitschuld reinigte, nichts an 46 . Bußen und Wergelder, die für Verletzung oder Tötung von Liten verwirkt wurden, kamen nur zu einem Teil an den Herrn, das übrige erhielten die Liten selbst 48 . Dagegen besaßen die langobardischen Aldien, deren Lage überhaupt eine ungünstigere war, keine Prozeßfähigkeit, als Kläger wie als Beklagte mußten sie vom Herrn im Gericht vertreten werden; dieser war für die von ihnen verwirkten Bußen persönlich verantwortlich, und was für Tötungen und Verletzungen seiner Aldien an Wergeldern und Bußen einging, gehörte ihm 47 . Eine Mittelstellung nahmen die fränkischen Liten ein. Klagen gegen diese gingen zunächst gegen den Herrn, der sich aber durch Gestellung des Liten ganz aus der Sache ziehen und dem letzteren die alleinige Verantwortung überlassen konnte 48 . Andererseits gehörten die Liten zu den sperantes des Herrn, dem es auf Grund seiner Schutzpflicht oblag, ihre Interessen in Fehde und ßechtsgang wahrzunehmen und die gegen sie verwirkten Bußen und Wergelder einzutreiben49. Ob der Herr bei Streitigkeiten seiner Liten untereinander eine eigene Gerichtsbarkeit auszuüben hatte, läßt sich nicht feststellen; wo er die Immunität besaß, unterstanden sie als Hintersassen seiner Immunitätsgerichtsbarkeit (S. 180ff.).• Der Stand der Liten konnte außer durch Vererbung und formlose einer zweiten Ehe oder zur Rückkehr in den Munt ihrer Familie nur durch einen Rückkauf des Mundes gelangen. Vgl. Roth. 216. Ganz anders war die Lage der mit einem Römer verheirateten freien Langobardin (Ed. Liutpr. 126), woraus sich die Unrichtigkeit der Annahme von der Identität der Römer und Aldien im Langobardenreich ergiebt. Vgl. Geschichte d. ehel. Güterrechts 1, 20 f. 27 f. 49 Darin hauptsächlich beruht der Fehler in den zu sehr auf das langobardische Recht gestützten Ausfuhrungen HEUSLER'S. 48 Vgl. Capitulatio de part. Sax. c. 15. c. 17. Capitulare Saxonicum c. 5. Boos, a. a. 0 . 30 f. 44 L. Fris. 2, 5. 8. 45
46
V g l . G . MEYER, Z R G . 1 5 ,
109.
Vgl. L. Fris. 1, 4. 7. 10. 15, 3. 47 Vgl. Ed. Roth. 258. Liutpr. 68. G. METER, a. a. 0. 108 f. HEUSIEE, Institutionen 1, 123 ff. Liutprand erwies seinen Knechten und Aldien nur eine persönliche Gunst, indem er den Verwandten eines Getöteten „zum Tröste" einen Teil des Wergeides abtrat. Vgl. Notitia de actoribus regis c. 3. 4. 48 Vgl. S. 180. L . Sal. 50. L . Chamav. 4 4 . BRUNNER, Mithio und sperantes 12 f.
G . METER, a . a . O . 49
109.
V g l . BRÜNNEB, a . a . 0 .
9 f.
Die fränkische Zeit.
224
Freilassung auch durch Verheiratung einer Freien mit einem Liten und durch freiwillige Ergebung begründet werden 60 . Andererseits vermochte der Lite auch durch Loskauf oder durch freien Entschluß des Herrn zu voller F r e i l a s s u n g zu gelangen 61 . Das fränkische ßecht hatte hierfür die Form der F r e i l a s s u n g d u r c h S c h a t z w u r f 6 2 . Sie wurde wie jede Freilassung zu vollem ßecht nicht durch den Herrn selbst, sondern durch eine Zwischenperson vollzogen die den Liten von dem Herrn zu treuer Hand empfing, um die Absonderung des Freizulassenden aus der Hausherrschaft (der Were) des bisherigen Herrn augenscheinlich zu machen. Der Freilassungsakt selbst war ein Formalakt, der darin bestand, daß der Treuhänder dem Freizulassenden, wahrscheinlich zum Zeichen des Verzichts auf den bisher von ihm gezahlten Leibzins, einen Denar oder „Schatz" aus den Fingern schnellte. Der Akt mußte in Gegenwart des Königs vorgenommen werden; im Lauf der Zeit wurde es üblich, den Freizulassenden dem König selbst zu übergeben, so daß dieser als Treuhänder den Freilassungsakt persönlich vollzog. Ursprünglich wohl nur bei Liten gebräuchlich, wurde die Freilassung durch Schatzwurf schon früh auch bei angesiedelten Unfreien (servi casati), nicht aber bei den unangesiedelten Hofknechten (mancipia) üblich. Dem fränkischen Volksrecht entsprungen, hatte die Denarfreilassung doch ihren Schwerpunkt in der Mitwirkung des Königs, also im Amtsrecht, und gelangte infolgedessen allmählich zu territorialer Geltung im ganzen Reiche. Der durch Schatzwurf Freigelassene (homo denarialis, denariatus) erhielt die vollen Rechte eines freien Franken; denn daß er, wenn er ohne in der Freiheit erzeugte Kinder starb, durch den König beerbt wurde, war nur eine Folge der durch die Freilassung bewirkten Zerschneidung seiner früheren Verwandtschaftsbande. Der die Freilassung bestätigende Bann des Königs hatte ursprünglich sogar die Wirkung, selbst der Freilassung durch einen Unbefugten unbedingte Kraft zu verleihen; erst ein Gesetz des 7. Jahrhunderts beschränkte die Folgen der denariatio auf die Fälle rechtmäßiger Freilassung 63 . Manches deutet darauf hin, daß der König bei der Freilassung durch Schatzwurf nur an die Stelle der Landesgemeinde getreten war 64 . Auch die Alamannen haben eine Freilassung in der Volksversammlung gekannt 66 . Bei den Angelsachsen wurde dieselbe durch Übergabe des Freizulassenden an einen Treuhänder und sodann durch feierliche Waffenreichung vor 50
Vgl. Anm. 41. L. Fris. 11, 1. L. Fris. 11, 2. Liutpr. 106. 140. Vgl. WINOGBADOFF, Freilassung zu voller Unabhängigkeit in den deutschen Volksrechten, FDG. 16, 599 ff. FÖDERIER, Essai sur les formes et les effets de l'aflranchissement dans le droit gallo-franc, 1885 51
( v g l . KÖHNE, Z R G . 2 0 , 1 3 4 FF). 62
Vgl. BBÜNNER, Freilassung durch Schatz wurf (Histor. Aufsätze für Waitz 55—72); RG. 1, 246. DAHN, Könige 7, 1 S. 259 ff. 68 Vgl. L. Sal. 26. L. Rib. 57. 64 Vgl. SOHK, Reichs- und Gerichtsverfassung 46 ff. v. AJORA* 80. M Pact. Alam. 2, 45 (§ 4 n. 3).
§ 20.
Die Stände.
225
versammeltem Gericht vollzogen56. Bei den Langobarden mußte der Unfreie zunächst durch zwei Hände gehen, was jedesmal per gairthinx, also durch Waffenrühren der Dingversammlung, zu bestätigen war; erst der dritte Treuhänder (also die vierte Hand) vollzog die Freilassung, indem er den Mann an einen Kreuzweg führte und ihm hier unter Waffenreichung erklärte: de quattuor vias, ubi volueris ambulare, liberam habeas potestatem67. Die Treuhänder waren notwendig, um dem Freigelassenen für den Fall einer Anfechtung seiner Freiheit als Freilassungsbürgen zu dienen, da ihm die sonst in Freiheitsprozessen übliche Berufung auf das Verwandtenzeugnis wegen Abbruches seiner Familienbeziehungen verschlossen war 68 . Als gleichwertig mit der Freilassung im Ding hatte sich, wie bei den Franken, auch bei den Langobarden eine solche durch Königsgebot ausgebildet 89 , die unter Liutprand eine Verbindung mit der römischen Freilassung vor dem Altar einging 60 . Während diese beiden Freilassungsformen die volle Freiheit gewährten, den Freigelassenen volkfrei (fulcfree) und selbmündig (amund) machten 61 , gab es eine weniger vollkommene Freilassung, bei welcher der Freigelassene zwar volkfrei, also über die Stellung eines bloßen Aldius erhoben wurde, aber doch eine erbliche Schutzhörigkeit unter dem bisherigen Herrn bestehen blieb und der Freigelassene nicht amund wurde 62 . Der Grund für dieses Schutzverhältnis lag darin, daß der Freigelassene, wie im römischen Recht, für sich und seine Nachkommen eines assertor libertatis bedurfte, der sie im Fall einer Anfechtung ihrer Freiheit gerichtlich zu vertreten hatte 63 . 68 Leges Wilbelmi 3, 15 (SCHMID, Ges. d. Ags. 336): tradat eum vieeeomiti per manum dexiram in pleno eomitatu, quietum iltum elamare debet a iugo servi• tutis suae per manumissionem, et ostendat ei liberas vias et portas, et tradat iUi libera arma, seüieet lanceam et gtadium; dein de Uber komo effieitur.
" Ed. Both, 224, 1. Die Formel war offenbar dieselbe wie bei den Angelsachsen. Die Waffenreichung (thingit in gaida et gisil) vollzog sich aber wohl nicht, wie ich früher angenommen habe, durch Obergabe eines Speeres (gairethinz in diesem Sinne), sondern durch Zuwerfen eines Pfeiles, entsprechend einer Nachricht des Paulas Diac., Hist. Langob. 1, 13, und einem altsüchsischen Brauche, den die Heidelberger Bilderbandschrift deB Sachsenspiegels anzudeuten scheint. Vgl. SCHBÖDEB, ZUG. 2 0 , 5 4 ff. v. A U I R A » 8 0 . KOPP, Bilder u. Schriften 1 , 1 2 7 f. •O Vgl. A U M . 63. BOTH 2 2 4 . L . Fris. 11, 2. Z B G . 2 0 , 54. PAPPENHEIM, Launegild u. Garethinx 37, n. 28. Bei der chamavischen Freilassung per hantradarn hatten sogar elf Freilassungsbttrgen mitzuwirken. Vgl. L. Cham. 10. 11. BRUNNER 1, 247. v. AMIBA* 80. 165. SOHM 573 ff. HAVET, L'afltanehissement per hantradam (N. Revue 1, 657 ff.). Bei der Freilassung durch Schatzwurf genügte der Königsbrief zum Beweise, so daß es keines FreilassuDgsbürgen bedurfte. 59
Die Freilassung in pans i. e. per votum regis. Vgl. Ed. Both. 224, 2. Ed.
Liutpr. 140. 80 Liutpr. 9. Später war die Mitwirkung des Königs nicht mehr notwendig, es genügte die Herumführung um den Altar durch den Priester. Vgl. Liutpr. 23. 55. 140. Auch Pact. Alam. 2, 45 kannte die Freilassung vor dem Altar. Both. 224. Liutpr. 55. Aistulf 11. 12. •2 Vgl. Both. 224, 8. 225. " Vgl. BBÜKNEB 1, 100. LÖNING, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 231 ff. B, SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte. 4. Aufl.
15
Die fränkische Zeit.
226
Eine ähnliche, auf dem gleichen Grande beruhende Zwischenstufe zwischen Freigelassenen zu Liten- und zu vollem Freienrecht kannten auch die Franken 64 . So die homines regit, d. h. die ohne Schatzwurf durch bloßen Freibrief freigelassenen Königssklaven und die von ihren früheren Herren bloß durch Freibrief freigelassenen und ausdrücklich dem Munt des Königs überwiesenen Privatsklaven. Ihnen standen die in der Kirche vor dem Bischof oder durch den Bischof unter Aufnahme einer von ihm ausgestellten Urkunde (tabula) Freigelassenen (tabularii), nachdem die Kirche schließlich im 7. Jahrhundert den Munt über dieselben ganz allgemein bewilligt erhalten hatte, als homines ecclesiastici zur Seite 66 . Die Kirchen- und Königsleute waren zu Diensten und Abgaben verpflichtet, Kirchenleute besonders häufig zu einer Abgabe in Wachs, wovon sie auch Wachszinsige (cerarii, cerocensuales) genannt wurden. Ihre materielle Stellung entsprach im wesentlichen derjenigen der Liten, gleich diesen wurden sie auf einem Hof angesiedelt und entbehrten die Freizügigkeit, als Muntleute des Königs oder der Kirche genossen sie aber einen höheren Bang und waren der Gerichtsbarkeit ihrer Schutzherren unterworfen 66 . Auch die in formloser Weise durch bloßen Freibrief ihres Herrn Freigelassenen (cartularii) konnten durch diesen Freibrief dem Schutze des Königs oder einer beliebigen Kirche überwiesen und dadurch zu Kirchenleuten erhoben werden. Ohne eine derartige Überweisung galten die cartularii, da die Freilassung durch Freibrief dem römischen Vulgarrecht angehörte, als freie Römer (homines Bomani). Nur der Herr des Schutzhörigen wird in den Quellen stets als Muntherr (patronus, defensor) bezeichnet, wogegen die Herren der Hörigen regelmäßig domint und nur ausnahmsweise patroni genannt werden 67 . Unter den Karolingern verschwanden die Unterschiede innerhalb der verschiedenen Klassen der Hörigen mehr und mehr. Über die Stellung der R ö m e r im fränkischen Reiche haben wir bereits früher (S. 102) gehandelt. Die J u d e n 6 8 nahmen unter den ZRG. 20, 23 (wo aber Z. 6 und 7 die Worte „das Edikt Chlothars" und „das austrasische Oesetz" durch einen Druckfehler verwechselt sind). Nach Liutpr. 55 hatte der Freigelassene zur Sicherstellung seiner Freiheit gegenüber seinem Schutzherrn von Zeit zu Zeit gerichtliche Verwahrung einzulegen. M
V g l . WAITZ 2, 1 S. 2 3 2
ff.
Z R G . 20, . 2 3 f.
SOHM, [ Z R G . 5 , 4 3 2
ff.
E . MAYER,
Entsteh, d. Lex Ribuaria 131 ff. LÖNINO, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 228 ff. R O T H , FeudalitSt 288 ff. Gr. METER, ZRG. 15, 109 f. 68 Wenn nicht der Freilasser ausdrücklich einen anderen Schutzherrn benannt hatte. 69 Vgl. S. 179 ff. L. Rib. 58, 1. ZRG. 20, 24. 67 L. Fris. 9, c. 9—13 unterscheidet streng zwischen dem tutor des Freien und dem dominus des Liten. Auch der sächsische Lite hat einen dominus (L. Saz. 18. 50), die freie Frau und der liber sub tuiela nobilis cuiuslibet haben einen tutor (ebd. 42. 43. 45. 64). Der Schutzherr der volkfreien Muntleute der Langobarden heißt patronus. Vgl. Boos, a. a. O. 49 f. Über den salischen dominus leti vgl. L. Sal. 26, 1. Die L. Cham. 44 nennt den Herrn des Liten senior. 88 Vgl. STOBBE, Die Juden in Deutschland 3 ff. W A I T Z 4 , 3 4 3 f. LÖNINO,
§ 30. Die Rechtsbildung im allgemeinen.
227
Franken, im Gegensatz zum Westgotenreich, eine leidlich günstige Stellung ein, da sie sich durch ihren Handel und die unter ihnen verbreitete Arzen ei Wissenschaft vielfach unentbehrlich machten. Sie waren persönlich frei und konnten Grundbesitz erwerben, durften aber keine christlichen Knechte haben, auch war ihnen der Zutritt zu öffentlichen Ämtern verschlossen69. Unter sich lebten sie nach jüdischem Recht; Christen gegenüber hatten sie nur die Befugnis, sich von gerichtlichen Anschuldigungen durch einen nach jüdischem Ritus geschworenen Eid zu reinigen. Ein Volksrecht besaßen sie nicht, weder das römische, noch das jüdische; der Rechtsschutz, den sie genossen, beruhte ausschließlich auf dem ihnen vom König gewährten Schutze, war also jederzeit widerruflich 70 . Besondere Privilegien erhielten die ausdrücklich in den Königsschutz aufgenommenen Juden 7 1 . Ein allgemeiner Judenschütz des Königs im Sinne des Mittelalters war dem fränkischen Reiche noch unbekannt.
Drittes Kapitel. Die
Bechtsquellen.
STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtequellen I. 1860. GENGLER , Germanische Rechtsdenkmäler, 1875. DAVOUD-OOHLOU, Histoire de la législation des anciens Germains, 2 B d e , 1845. BBDNNER, R G . 1, 254—412. v. AMIRA2 61 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 107—813. WAITZ 2», 1 8. 86—135. 8», 599—630.
v. SYBEL, Königtum2 358 ff. GFHÖRER, Zur Geschichte deutscher Volksrechte 1, 167 ff. 322 ff. DAHN, Könige 7, 2 S. 31 ff. 8, 3 S. lff.; Deutsche Geschichte 1, 2 S. 548 ff. GLASSON, Histoire 2, 134—242. VIOLLET, Histoire du droit civil français 95—134. SALVIOLI, Manuale di storia del diritto italiano 40 ff. Ältere Quellenausgaben in den Sammlungen v o n SICHARD (1530), T m u s (1573), HEROLD (1557), LINDENBROQ (1613), BALUZIUS (1687), GEORGISCH (1738), BOUQUET (1738), CANCIANI (1781 — 1792), WALTER (1824).
§ 30.
Die Rechtsbildung im allgemeinen.
BBUNNEB, RG. 1, 254 ff.; Grundz. 30 ff. v. HALBAN, Das römische Recht i. d. germ. Volksstaaten, 2 Bde, 1899—1901 (GIERKE, Untersuchungen 56. 64). FICKER,
Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte (S. 3). v. AMERA, Gött. gel. Anz. 1892, S. 269 ff. HEUSLER, Institutionen 1, 19 ff. GAUPP, Das alte Gesetz der Thüringer 1—200. SOHM, Frank. Recht u. röm. Recht, ZRG. 14, 1 ff. AFFOLTER, Das intertemporale Privatrecht 118 ff. NEUMETER, Entwickelung d. internat. Priv. u. Strafrechts bis Bartolus, I. Stammesrechte in Italien, 1901. a. a. 0 . 51 ff. HEUSLEB 1, 147 ff. BRUNNER 1, 228. 275 ff. 2, 49.
DAHN, K ö n i g e 7,
1 S. 306 ff. 3, S. 20. 207 ff. 8, 2 S. 243 ff. BOBETIUS, Capitularía 1, Nr. 131. 99 Vgl. SICKEL, Beiträge (s. S. 125) 463. 70
71
Vgl. HEUSLER, a. a. O. 1, 151 f.
Vgl. Form, imperiales 30. 31. 37. 52 (ZEUMERÍ Formulae 309 f. 314 f. 325). 15*
§ 30. Die Rechtsbildung im allgemeinen.
227
Franken, im Gegensatz zum Westgotenreich, eine leidlich günstige Stellung ein, da sie sich durch ihren Handel und die unter ihnen verbreitete Arzen ei Wissenschaft vielfach unentbehrlich machten. Sie waren persönlich frei und konnten Grundbesitz erwerben, durften aber keine christlichen Knechte haben, auch war ihnen der Zutritt zu öffentlichen Ämtern verschlossen69. Unter sich lebten sie nach jüdischem Recht; Christen gegenüber hatten sie nur die Befugnis, sich von gerichtlichen Anschuldigungen durch einen nach jüdischem Ritus geschworenen Eid zu reinigen. Ein Volksrecht besaßen sie nicht, weder das römische, noch das jüdische; der Rechtsschutz, den sie genossen, beruhte ausschließlich auf dem ihnen vom König gewährten Schutze, war also jederzeit widerruflich 70 . Besondere Privilegien erhielten die ausdrücklich in den Königsschutz aufgenommenen Juden 7 1 . Ein allgemeiner Judenschütz des Königs im Sinne des Mittelalters war dem fränkischen Reiche noch unbekannt.
Drittes Kapitel. Die
Bechtsquellen.
STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtequellen I. 1860. GENGLER , Germanische Rechtsdenkmäler, 1875. DAVOUD-OOHLOU, Histoire de la législation des anciens Germains, 2 B d e , 1845. BBDNNER, R G . 1, 254—412. v. AMIRA2 61 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 107—813. WAITZ 2», 1 8. 86—135. 8», 599—630.
v. SYBEL, Königtum2 358 ff. GFHÖRER, Zur Geschichte deutscher Volksrechte 1, 167 ff. 322 ff. DAHN, Könige 7, 2 S. 31 ff. 8, 3 S. lff.; Deutsche Geschichte 1, 2 S. 548 ff. GLASSON, Histoire 2, 134—242. VIOLLET, Histoire du droit civil français 95—134. SALVIOLI, Manuale di storia del diritto italiano 40 ff. Ältere Quellenausgaben in den Sammlungen v o n SICHARD (1530), T m u s (1573), HEROLD (1557), LINDENBROQ (1613), BALUZIUS (1687), GEORGISCH (1738), BOUQUET (1738), CANCIANI (1781 — 1792), WALTER (1824).
§ 30.
Die Rechtsbildung im allgemeinen.
BBUNNEB, RG. 1, 254 ff.; Grundz. 30 ff. v. HALBAN, Das römische Recht i. d. germ. Volksstaaten, 2 Bde, 1899—1901 (GIERKE, Untersuchungen 56. 64). FICKER,
Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte (S. 3). v. AMERA, Gött. gel. Anz. 1892, S. 269 ff. HEUSLER, Institutionen 1, 19 ff. GAUPP, Das alte Gesetz der Thüringer 1—200. SOHM, Frank. Recht u. röm. Recht, ZRG. 14, 1 ff. AFFOLTER, Das intertemporale Privatrecht 118 ff. NEUMETER, Entwickelung d. internat. Priv. u. Strafrechts bis Bartolus, I. Stammesrechte in Italien, 1901. a. a. 0 . 51 ff. HEUSLEB 1, 147 ff. BRUNNER 1, 228. 275 ff. 2, 49.
DAHN, K ö n i g e 7,
1 S. 306 ff. 3, S. 20. 207 ff. 8, 2 S. 243 ff. BOBETIUS, Capitularía 1, Nr. 131. 99 Vgl. SICKEL, Beiträge (s. S. 125) 463. 70
71
Vgl. HEUSLER, a. a. O. 1, 151 f.
Vgl. Form, imperiales 30. 31. 37. 52 (ZEUMERÍ Formulae 309 f. 314 f. 325). 15*
228
Die fränkische Zeit.
Die germanische Auffassung des Eechts war mit der Ausbildung einer eigentlichen gesetzgebenden Gewalt unvereinbar. Das Recht wurde nicht gemacht, sondern nur bezeugt. Es fand wie ehedem seinen Ausdruck in allgemeinen Rechtssprich Wörtern, gerichtlichen Entscheidungen, abstrakten Urteilen (Weistümern) über vorgelegte Rechtsfragen, im Norden auch in geordneten Rechtsvorträgen im echten Thing. Ebendarum war das Recht, auch nachdem die einzelnen Stämme zu dauernder Ansässigkeit gelangt waren, fortdauernd V o l k s r e c h t , nicht Landesrecht, es beruhte in der Stammeszugehörigkeit, trug also einen persönlichen, keinen territorialen Charakter 1 . Die Einheit der Rechtsbildung lag in den Stämmen, die meisten Volksrechte waren Stammesrechte 2 , doch fehlte es nicht an partikularrechtlichen Erscheinungen innerhalb der Stämme, wie sie bei den Sachsen, Angelsachsen und Langobarden bezeugt sind 3 . Am deutlichsten treten diese landschaftlichen Eigentümlichkeiten in solchen Fällen hervor, wo die Aufzeichnung eines besonderen Landschaftsrechts für notwendig erachtet wurde. So enthielt die Lex Frisionum ursprünglich mittelfriesisches Recht und wurde erst später durch Aufnahme der Abweichungen des ost- und westfriesischen Rechts erweitert. Die Thüringer haben ein eigentliches Stammesrecht überhaupt nicht besessen; die Lex Thuringorum enthielt nur das Recht der thüringischen Angeln und "Warner. Innerhalb des fränkischen Stammes hingen die chattischen Völker so eng mit den Saliern zusammen, daß das salische Recht beiden gemeinsam war, während sich im Bereich des ribuarischen Rechts die Notwendigkeit einer besonderen Rechtsaufzeichnung für die Landschaft der Chamaven herausstellte. Bei den drei nordischen Stämmen hatte das Volksrecht seinen Sitz überhaupt in den einzelnen Landschaften 4 . 1 Zuweilen sprechen die Quellen schon von einer lex hei, worunter aber nicht immer ein wirkliches Ortsrecht, sondern unter Umständen vielmehr das angestammte Eecht der Orts- oder Landesbewohner verstanden ist. Vgl. SOHM, Reichsund Gerichtsverfassung 7 5 ff. 184'. WAITZ 8, 8 4 9 . BRONNES 1, 2 5 6 n.
» V g l . SOHM, a . a . 0 . 5 7 3 n . 1 5 .
* Vgl. BETHMANN-HOLLWEO, Germ.-rom. Civilpr. 1, 454 f. Bei den Angelsachsen standen sich besonders Kent und Westsachsen gegenüber, bei den Sachsen nahmen die Westfalen, bei den Langobarden die Beneventer eine gewisse Sonderstellung ein. Vgl. Lex Sai. 47. 48. Widuk. res gestae Sax. 1, c. 14. 4 Vgl. K . MACKER in HOLTZENDOBFP'S Encyklopädie 1*, 3 5 1 ff. v. AMIKA* 99 ff. Die vier n o r w e g i s c h e n Provinzialrechte (Eidsifjathings-, Gulathings-, Prostuthings- und Borgarthingslög) besitzen wir in Redaktionen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Die i s l ä n d i s c h e n Rechtsquellen gehen zum Teil auf die um 930 entstandene Ulflj6tslög und die im 12. Jahrhundert entstandene Haflidaskrä zurück. Grägäs ist ein erst im 17. Jahrhundert durch Verwechselung mit einem verloren gegangenen Gesetzbuch des Königs Magnus gödi (11. Jh.) aufgekommener Sammelname für mehrere, wesentlich verschiedene Kompilationen, größtenteils erst aus dem 13. Jahrhundert; gedruckt sind der Codex regius (lierg. von FINSEN, Kopenhagen 1 8 5 2 — 7 0 , 2 Bde) und der Codex Arnamagnaeanus (herg. von FINSEN 1 8 7 9 , von der arnamagnäanischen Kommission 1883). S c h w e d i s c h e Provinzialrechte sind West- und Ostgötalagen, Uplandslagen und Gotlandslagen oder Gutlalagh aus dem 13., Söder- und Westm&nnalagen, Smälands- und Helsingelagen ans dem 13.
§ 30.
Die Rechtsbildung im allgemeinen.
229
Während die nordgermanischen Volksrechte erst in einer weit über unsere Periode hinausliegenden Zeit zur Aufzeichnung gelangt und daher hier nicht weiter in Betracht zu ziehen sind, haben die auf römischem Boden angesiedelten Stämme sich schon früh zur Niederschrift ihres Rechts veranlaßt gesehen. Zum Teil hat wohl das Vorbild des römischen Rechts den Anstoß dazu gegeben, in erster Reihe sind aber die neuen politischen und sozialen Verhältnisse und die Beziehungen zur Kirche und den römischen Provinzialen, nicht minder das Bedürfnis, den Ausschreitungen des Fehdereehts durch Aufstellung fester Büß- und Wergeidtaxen möglichst vorzubeugen, maßgebend gewesen. Die ersten Aufzeichnungen haben gegen Ende des 5. Jahrhunderts stattgefunden; den Schluß bildete die umfassende gesetzgeberische Thätigkeit Karls des Großen und die ergänzende Ludwigs des Frommen. Unter Karl hat besonders der im Oktober 802 zusammengetretene Aachener Reichstag teils zur Ergänzung älterer Volksrechte, teils zur Redaktion neuer Gesetze für die noch nicht mit geschriebenem Recht versehenen Reichsteile gedient6. Die Volksrechte, im Gegensatz zu den leges Romanae auch als leges barbarorum bezeichnet, waren regelmäßig amtlichen Ursprungs. Sie waren meistens königliche Gesetze, wenn auch der Schwerpunkt in der das Recht weisenden Thätigkeit des Volkes lag. Die nordischen Landrechte enthalten zum Teil deutliche Spuren ihrer Entstehung aus den Rechtsvorträgen (uppsaga, lögsaga) der Gesetzsprecher. Auch die westgermanischen Volksrechte wurden in der Regel von sapientes, legislatores, iudices entworfen, in der Volks- oder Gerichtsversammlung vorgetragen und durch Dingbeschluß zum Weistum {Judicium) erhoben. Man behandelte sie als Urteile oder Weistümer, auch wo es sich thatsächlich um neue Satzungen handelte. Immer aber erfolgte die volksrechtliche Gesetzgebung in gemeinsamer Mitwirkung von König und Volk. Man bezeichnete das in dieser Weise zur Aufzeichnung gelangte Recht als pactum, pactus, gizumpht6, auf romanischem Boden nach römischem Vorbild auch als edictum oder edicius7. Auch lex oder iwa wurde zur Bezeichnung des geschriebenen oder 14. Jahrhundert. Von den d ä n i s c h e n Provinzialrechten ist das jütische Lov (Ausg. von PETERSEN , 1850) ein Gesetz Valdemars II. von 1241, während Skänelagen, d. h. das Landrecht von Schonen (Skänske lov, lierg. von THOBSEN, 1853), und die beiden Landrechte von Seeland (Sjaellandske lov, I. und II., herg. von THOBSEN, 1852) Privatarbeiten des 13. Jahrhunderts sind. 6 Vgl. BAUMKER 1, 289 f. Einhardi Vita Karoli c. 29 (MG. Scr. 2, 458). Von dem Aachener Reichstag berichten die Lorscher Annalen, daß Karl congregarrit duees, comites et reliquo christiano populo cum legislatoribus, et feeit omnes leges in regno suo legi et tradi unicuiqm komini legem suam et emendare, ubicumque neeesse fuit, et emendatam legem seribere, et ut iudices per scriptum iudicassent et mimera non accepissent, sed omnes homines, pauperes et divites, in regno suo iustitiam habuissent (MG. Scr. 1, 38). • Vgl. STEINIIETEB U. SIEVERS 1, 286. 636. 645. 2, 263.
In einer Handschrift
der Lex Chamavorum wird ewa mit gexunfti glossiert. 7 So bei Ost- und Westgoten, Langobarden, zum Teil auch bei den Franken zur Zeit der Merowinger.
Die fränkische Zeit.
230
Volksrechts verwendet; bei der Gegenüberstellung mit pactus verstand man aber unter lex oder ewa das ungeschriebene, unter pactus das geschriebene Recht 8 . Bei den Angelsachsen und Langobarden setzte sich das Volksrecht aus einer Reihe von Einzelgesetzen, zum Teil großen Umfangs, zusammen, während die übrigen Volksrechte meistens durch einen einheitlichen Gesetzgebungsakt zur Aufzeichnung gelangten, im Laufe der Zeit aber mehr oder weniger durch Zusätze ergänzt wurden. Wiederholte amtliche Neuredaktionen haben nur bei den Westgoten und Alamannen stattgefunden. Die zum Teil tiefgreifenden Textänderungen in den übrigen Volksrechten kommen wohl ausschließlich auf Rechnung der Abschreiber, durch die (vielfach jedenfalls auf amtliche Anweisung) ebensowohl neuere Satzungen wie glossenartige Randbemerkungen als Zusätze in den Text gelangten. Die Volksrechte waren nach Inhalt und Charakter außerordentlich verschieden. Während einige fast wie eine Kodifikation erscheinen, sind andere höchst fragmentarisch gehalten. Eine innere Verwandtschaft besteht zwischen den Volksrechten der Friesen, Sachsen, Angelsachsen and Langobarden, andererseits zwischen den fränkischen Volksrechten unter sich und mit dem thüringischen Recht, zwischen dem alamannischen und bairischen Recht. Das ältere Westgotenrecht wurde vielfach auch bei der Aufzeichnung anderer Volksrechte benutzt, ebenso steht das Volksrecht der Baiern in engem Zusammenhang mit dem der Alamannen, während das ribuarische Volksrecht sich zum Teil als eine Bearbeitung der Lex Salica, das friesische als eine solche der Lex Alamannorum herausstellt. Der Einfluß des römischen Rechts ist nur bei den Goten von hervorragender Bedeutung gewesen. Die römischen Provinzialen behielten überall ihr römisches Privatrecht (d. h. römisches, durch germanische Elemente beeinflußtes Vulgarrecht) 9 , das für sie in derselben Weise, wie für die Germanen ihr Volksrecht, den Charakter eines persönlichen Rechtes erhielt 10 . Mehrfach ließen * Vgl. FDG. 1 9 , 1 4 0 . SOHM, a. a. 0 . „Gerichtsgebrauch". Vgl. BRUNNER 1, 1 2 9 • Vgl. S. 100.
159.
Das langobardische catoarßda ist
N.
v . HALB AN, a . a . O . 1 , 5 3 f . 1 8 9 f . 2 7 2 f . 2 , 7 2 f .
BRUNNEB,
KG.
der röm.-germ. Urkunde 113 ff. 139 ff. Siehe auch MITTEIS, Reichsrecht u. Volksrecht i. d. östlichen Provinzen des röm. Kaiserreichs, 1891. 10 Wegen des römischen Rechts im Langobardenreich vgl. (gegen HEGEL, Geschichte der Städteverfassung von Italien 1, 382ff.)Ed. Liutpr. 91. 127. SCHRÖDER, Güterrecht 1, 20 f. BRUNNES, RG. 1, 257. 370. HALBAN, a. a. 0. 2, 52 ff. NEUMEYER, a.a.O. 134ff. 223ff. BETHMANN-HOLLWEG, a.a.O. l,332ff. SCHÖPFER, Istituzione politiche langobardiche 156—199. M. CONHAT, Gesch. d. Quell, u. Liter, d. röm. Rechte 1, 50 ff. Für das fränkische Reich bestimmte die praeceptio Chlothars II. c. 4 (BoRETIUS 1, 19): Inter Romanus negutia causarum Romanis legebus praeeepemus terminari. Die Kirche als juristische Person lebte nach römischem Recht, während sich das Recht der einzelnen Kleriker nach ihrer Nationalität richtete, die Eigenkirchen aber dem Recht des Kirchherrn folgten. Vgl. S. 143. LÖNINO, Gesch. d. Kirchenrechts 2, 284 ff. EICHHORN 1, 274 f. BRUNNER 1, 269 f. BOBETIUS 1, 192,
§ 30. Die RechtsbilduDg im allgemeinen.
231
die germanischen Herrscher für ihre römischen Unterthanen besondere Redaktionen des römischen Rechts (leges Romanae) herstellen. Die gleiche Rücksicht wie den römischen Provinzialen ließ man wohl, im Gegensatz zu den im Lande weilenden Fremden, auch den germanischen Bewohnern einverleibter Gebiete, die dem herrschenden Stamme nicht angehörten, zu teil werden 11 . Jedenfalls kam im Frankenreich, das die verschiedensten Stämme gleichmäßig umfaßte, das volle P r i n z i p der p e r s ö n l i c h e n R e c h t e , nach dem jeder Reichsangehörige das Recht seines Stammes überall im Reiche mit sich trug, zur Anerkennung 12 . In Italien führte dies Prinzip, das mit der fränkischen Eroberung auch hier sofort Eingang fand, zu der später auch in Burgund und Septimanien begegnenden Einrichtung der professiones iuris, durch die jeder, der vor Gericht oder einem Notar zu thun hatte, zuvor Auskunft über sein Stammesrecht geben mußte 13 . Da das Prinzip der persönlichen Rechte der eigentümlichen Zusammensetzung des fränkischen Reiches seine Entstehung verdankte, so kam es auch nur gegenüber Reichsangehörigen zur Anwendung. Der Fremde war an sich rechtlos; befand er sich bei einem Gastfreund, so schützte ihn das Yolksrecht des letzteren; stellte er c. 6. 212. Lib. Papiens., Pipp. c. 6 nebst expositio; Karol. c. 142 nebst expositio. Allerdings bestimmte Lib. Papiens., Ludov. Pii c. 53: ut omni» ordo aecelesiarum secundum legem Romanam vivat, aber die urkundlichen Professionen italienischer Kleriker zeigen, daß diese zwar berechtigt waren, sich zum römischen Recht zu bekennen, es aber häufig vorzogen, ihr angestammtes Recht zu behalten. Zum Teil anderer Meinung SAVIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im MA.2 1, 142f. 146; BETHMANN-HOLLWEO 2, 77 ff.
11 Vgl. DAHN, Könige 7, 1 8. 132 ff. 3 S. 1 ff. Hist. Zeitschr. 78, 194. WAITZ 2, 1 S. 108 n. BETHMANN-HOLLWEO 1, 155 f. 184. 331. L. Burg. 47, 1. Rothar. 367. Liutpr. 91. Paul Diac., Hist. Langobard. 3, c. 6. l * L. Rib. 31, § 3: Hoc autem oonstituemus, ut infra pago Ribuario tarn, Franei, Burgundionis, Alamanni, seu de quaeumque natione conmoratus fuerit, in iudicio interpellâtes, sieht lex loci eontenit, ubi nalus fuit, sie respondeat. § 4: Quod si damnatus fuerit, secundum legem propriam, non secundum Bibuariam., damnum susteneat. Form. Marc. 1, 8 (§ 19 n. 36). Capitulare missorum bei BORETIUB 1, 67,
c. 5.
Vgl. BRCNNER 1 , 259 ff. v. AMIRA '
15.
v. DANIELS, Handbuch 1 ,
109 ff.
WAITZ 2, 1 S. 108 ff. 3, 344 ff. 4, 403; Das alte Recht 97 ff. DAHN, Könige 8, 4
S. 11 ff. SAVIBNY, Gesch. d. röm. Rechts im MA.2 1, 115 ff. EICHHORN 1, § 46. PARDESSUS , L o i Salique. diss. 2.
BETHMANN-HOLLWEO 1 , 455 ff. 2, 72 ff. GENOLER,
a. a. 0. 51 f. STOBBE, JB. d. gem. deutsch. Rechts 6, 23 ff. GAUPP, Ansiedlungen 218 ff. LUPI, Cod. dipl. Bergom. dies. 4, pg. 213—232. MURATORI, Antiquitates 2, diss. 22. PADELLETTI, Archivio stor. ital. 3, 20. 431 ff. SALVIOLI, Atti e docum. delle deput. di stor. patria modenesi e parmesi 3, 2 S. 389 ff. Sora, Reichs- u. Gerichtsverfassung 173 f. HEUSLER, Institutionen 1, 144 f. STODPF, Étude sur le principe de la personnalité des lois, 1894 (Revue Bourguignonne 4, Nr. 2). NEUMEYEB 5 ff. 80 ff. 223 ff. Streitig, ob die Franken das Prinzip der persönlichen Rechte von Anfang an auch gegenüber Angehörigen des herrschenden Stammes anerkannt haben. Nach BRUNNER wäre dies, auch in betreff der römischen Provinzialen, erst in der Zeit nach der Lex Salica geschehen, das Recht der unterworfenen Bevölkerung also ursprünglich nur unter Volksgenossen zur Geltung gekommen. l » Vgl. SAVIONY 1, 145 ff. 7, 2. GAUPP, Ansiedl. 241 ff. BETHMANN-HOLLWEO 2, 74 ff. EICHHORN 1, 276. BRUNNER 1, 270 ff. DAHN, K ö n i g e 7, 3 S. 17 ff.
232
Die fränkische Zeit.
sich unter den Köoigsschutz, so stand er unter dem Schirm des königlichen Amtsrechts, das einen territorialen, keinen persönlichen oder nationalen Charakter hatte1*. Besondere Regeln kamen in Anwendung, wenn Personen, die nach verschiedenen Rechten lebten, in Frage standen. Die Eheschließung erfolgte nach dem Recht des Mannes, das sich auf die Frau und die mit ihr erzeugten Kinder übertrug 16 . Die Witwe konnte unter den Munt ihrer Familie und damit unter ihr angestammtes Recht zurückkehren16. Rechtsgeschäfte wurden nach dem Recht des Handelnden, Veräußerungen nach dem des Veräußerers beurteilt. Rückforderung und Ersetzung flüchtiger Sklaven richtete sich nach dem Recht des bisherigen Herrn, Ersitzung von Grundstücken nach dem des Besitzers. Für das Erbrecht war das Recht des Erblassers maßgebend, doch waren den Burgunden Testamente und Schenkungen auch nach römischem Recht gestattet. Ebenso hatte der Ribuarier bei Freilassungen die Wahl zwischen den Formen seines und des römischen Rechts. Büßen richteten sich nach dem Recht des Verletzten, Wergelder nach dem des Getöteten. Bei öffentlichen Strafen tritt später eine gewisse Bevorzugung des Rechtes des Thatortes hervor; ursprünglich war das Recht des Missethäters allein entscheidend. Im Prozeß hatte der Beklagte nach den Vorschriften seines Rechts zu antworten. Im Gegensatz zu den Volksrechten und der mit ihnen zusammenhängenden Gesetzgebung hatten die R e i c h s g e s e t z e eine territoriale Gel14
Vgl. BBUNXER 1 , 273 f.
HEOBLER, a . a. 0 . 1, 146.
EICHHORN 1 , 268. 270.
SAVIONY, a. a. 0. 1, 117 f. 120. Der letztere geht zu weit, wenn er annimmt, daß die Langobarden auch nach ihrer Unterwerfung durch Karl im Frankenreich noch als Ausländer behandelt worden seien. Vgl. BRONNES 1, 261 n. Über die Bedeutung des barbartts qui legem Salega vivit (L. Salica 41) vgl. SOHH, a, a. O. 570 ff. GEFFCKEN, Lex Salica S. 161. Über den langobardischen waregang (d. i. Seegänger, vgl. BRUCKNER, Sprache d. Lang. 26) Roth. 367. Auch der tcargengus der Lex Chamav. 9 ist ein im Königsdienst befindlicher Ausländer; sein Wergeid ist das fränkische, von seinem heimischen Recht ist keine Rede. Übrigens läßt sich nicht bezweifeln, daß im internationalen Verkehr unter befreundeten Staaten die Behandlung der beiderseitigen Staatsangehörigen auf dem Fuße der Gleichberechtigung vorgekommen sein muß. Vgl. GRIMM, RA. 397. PROKOP, Bell. Got. 1, c. 13. Uber das j ü d i s c h e Recht vgl. S. 227. WAJTZ 3, 347. BRUNNER 1, 275 f. BofeETius 1, 259, c. 6. 15 Vgl. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterr. 1, 19 ff. Ed. Liutpr. 127. Heiratete ein Römer eine Langobardin, so mußte der Munt nach langobardisehem Recht abgelöst werden, auch blieben bei Bodenveräußerungen der Frau die langobardischen Formvorschriften in Geltung. Vgl. ROSIN, Veräußerungsgeschäfte der Frauen 64 f. 67 f. Mit Rücksicht hierauf wurde eine solche Frau dann auch wohl ungeachtet ihrer Verheiratung als nach langobardisehem Recht lebend bezeichnet, woraus SAVIQNY mit Unrecht den Schluß zieht, daß sie zwischen ihrem eigenen Recht und dem ihres Mannes habe wählen können. In Ehen, wo der Mann den Munt über seine Frau nicht erworben hatte, behielt diese stets ihr angeborenes Recht und die Kinder folgten dem Recht der Mutter. " Mehr sollte wohl auch die Bestimmung Lothars für Italien von 822/23 (BOBETIUS 1, 319 c. 16) nicht besagen.
§ 31.
Die Volksrechte.
1. Lex Salica.
233
tung. Ihre Quelle war nicht die Rechtsüberzeugung des Volkes, sondern der Herrscherwille des Königs, ihre Geltung reichte daher nur so weit wie die Amtsgewalt des Königs, sein Nachfolger konnte sie wieder außer Kraft setzen. Außer den Yolksrechten, den leges Romanae und den Reichsgesetzen gehören, als Erzeugnisse der Notariatewissenschaft, die Formelsammlungen und die allgemeinen Einrichtungen des Urkundenwesens zu den Rechtsquellen unserer Periode. Dazu gesellen sich die Anfänge einer juristischen Litteratur. Die angelsächsischen Rechtsquellen und Urkunden sind großenteils in der Volkssprache verfaßt, alle übrigen südgermanischen Rechtsquellen dagegen in einem außerordentlich verderbten, vielfach mit deutschen Wörtern und Glossen durchsetzten Vulgärlatein 17 , das erst in den Textgestaltungen der karolingischen Renaissance einem reineren Latein Platz macht. Man bezeichnet diese reformierten Texte aus der Zeit Karls, die zum Teil wohl auf persönliche Anregung des Königs zurückgehen, als leges emendatae. Von einigen Rechtsquellen liegen Bruchstücke althochdeutscher Übersetzungen vor (S. 235 f. 255 n.). § 31. Die Volksrechte und die leges Romanae. I. Die Lex Salica 1 . Das Volksrecht der salischen Franken beherrschte das ganze Gebiet dieses Stammes in Frankreich, Belgien und dem südlichen Teil der Niederlande und gelangte auch bei den stammverwandten chattischen Franken in Hessen, am Mittelrhein und in den Flußgebieten von Mosel, Lahn und Main zur Geltung. Über die Aufzeichnung des Gesetzes berichten ein um die Mitte des 6. Jahrhunderts " 1
Vgl.
V. AMIRA
2
14.
Diplomatisch getreue Ausgaben von PABDESSUS, Loi Salique, 1843 (8 Texte); HOLDER, 1879—80 (8 Texte in 6 Einzelausgaben); HESSELS, 1880 (synoptische Ausgabe von 11 Texten, mit sprachlichen Erläuterungen von K E R N ) ; H U B É , 1867 (1 Text). Kritische Ausgaben : W A I T Z , Das alte Recht der salischen Franken, 1846 (mit sprachlichen Erläuterungen von MÖLLENHOFF); M E R K E L , 1850 (mit einer Vorrede von J . GRIMM); J . F B . B E H R E N D , 2. Aufl. von R. B E H R E N D , 1897; GEFFCKEN, 1898; die beiden letzteren mit ausführlichen Anmerkungen. — Über die Lex Salica vgl. PARDESSUS und W A I T Z in ihren Ausgaben. BEHREND, ZRGr. 13, 1ff.; Gött. gel. Anz. 1880, Stück 43. BBUNNER 1, 292 ff. v. A M I R A 2 15 f. B E T H M A N N - H O L LWEG, German.-rom. Civilpr. 1, 445 ff. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 178 ff. G A U D E N Z I , La legge salica e gli altri diritti germanici 7 ff. GENQLER, Rechtsdenkmälcr 39 ff. SCHRÖDER, Franken 36ff.; Untersuchungen z. d. fränk. Volksrechten, Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutschi. 6, 468 ff. v. S Y B E L , Königtum 167 ff. 308 ff. D A H N , Könige 7, 2 S. 50 ff. T H O N I S S E N , Organisation judiciaire de la Loi Salique 5 ff. W A I T Z , VG. 2, 1 S . 88 ff. 119 ff.; Abhandl. 413 ff. STOBBE 1, 28 ff. VIOLLET, Histoire du droit civil 95 ff. FAHLBECK, La royauté et le droit royal francs 250 ff. FUSTEL DE COULAXQES, N . Revue 11, 764f. B R A U D O U I N , Participation des hommes libres au jugement dans le droit franc 24 ff. D I P P E , Der Prolog der Lex Salica, die Entstehung der Lex u. die sal. Franken, Hist. VJSchr. 2, 153 ff. SEELIOEB, Hist. VJSchr. 1898, S. 16 ff.
§ 31.
Die Volksrechte.
1. Lex Salica.
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tung. Ihre Quelle war nicht die Rechtsüberzeugung des Volkes, sondern der Herrscherwille des Königs, ihre Geltung reichte daher nur so weit wie die Amtsgewalt des Königs, sein Nachfolger konnte sie wieder außer Kraft setzen. Außer den Yolksrechten, den leges Romanae und den Reichsgesetzen gehören, als Erzeugnisse der Notariatewissenschaft, die Formelsammlungen und die allgemeinen Einrichtungen des Urkundenwesens zu den Rechtsquellen unserer Periode. Dazu gesellen sich die Anfänge einer juristischen Litteratur. Die angelsächsischen Rechtsquellen und Urkunden sind großenteils in der Volkssprache verfaßt, alle übrigen südgermanischen Rechtsquellen dagegen in einem außerordentlich verderbten, vielfach mit deutschen Wörtern und Glossen durchsetzten Vulgärlatein 17 , das erst in den Textgestaltungen der karolingischen Renaissance einem reineren Latein Platz macht. Man bezeichnet diese reformierten Texte aus der Zeit Karls, die zum Teil wohl auf persönliche Anregung des Königs zurückgehen, als leges emendatae. Von einigen Rechtsquellen liegen Bruchstücke althochdeutscher Übersetzungen vor (S. 235 f. 255 n.). § 31. Die Volksrechte und die leges Romanae. I. Die Lex Salica 1 . Das Volksrecht der salischen Franken beherrschte das ganze Gebiet dieses Stammes in Frankreich, Belgien und dem südlichen Teil der Niederlande und gelangte auch bei den stammverwandten chattischen Franken in Hessen, am Mittelrhein und in den Flußgebieten von Mosel, Lahn und Main zur Geltung. Über die Aufzeichnung des Gesetzes berichten ein um die Mitte des 6. Jahrhunderts " 1
Vgl.
V. AMIRA
2
14.
Diplomatisch getreue Ausgaben von PABDESSUS, Loi Salique, 1843 (8 Texte); HOLDER, 1879—80 (8 Texte in 6 Einzelausgaben); HESSELS, 1880 (synoptische Ausgabe von 11 Texten, mit sprachlichen Erläuterungen von K E R N ) ; H U B É , 1867 (1 Text). Kritische Ausgaben : W A I T Z , Das alte Recht der salischen Franken, 1846 (mit sprachlichen Erläuterungen von MÖLLENHOFF); M E R K E L , 1850 (mit einer Vorrede von J . GRIMM); J . F B . B E H R E N D , 2. Aufl. von R. B E H R E N D , 1897; GEFFCKEN, 1898; die beiden letzteren mit ausführlichen Anmerkungen. — Über die Lex Salica vgl. PARDESSUS und W A I T Z in ihren Ausgaben. BEHREND, ZRGr. 13, 1ff.; Gött. gel. Anz. 1880, Stück 43. BBUNNER 1, 292 ff. v. A M I R A 2 15 f. B E T H M A N N - H O L LWEG, German.-rom. Civilpr. 1, 445 ff. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 178 ff. G A U D E N Z I , La legge salica e gli altri diritti germanici 7 ff. GENQLER, Rechtsdenkmälcr 39 ff. SCHRÖDER, Franken 36ff.; Untersuchungen z. d. fränk. Volksrechten, Monatsschrift f. d. Gesch. Westdeutschi. 6, 468 ff. v. S Y B E L , Königtum 167 ff. 308 ff. D A H N , Könige 7, 2 S. 50 ff. T H O N I S S E N , Organisation judiciaire de la Loi Salique 5 ff. W A I T Z , VG. 2, 1 S . 88 ff. 119 ff.; Abhandl. 413 ff. STOBBE 1, 28 ff. VIOLLET, Histoire du droit civil 95 ff. FAHLBECK, La royauté et le droit royal francs 250 ff. FUSTEL DE COULAXQES, N . Revue 11, 764f. B R A U D O U I N , Participation des hommes libres au jugement dans le droit franc 24 ff. D I P P E , Der Prolog der Lex Salica, die Entstehung der Lex u. die sal. Franken, Hist. VJSchr. 2, 153 ff. SEELIOEB, Hist. VJSchr. 1898, S. 16 ff.
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Die fränkische Zeit.
beigefügter längerer Prolog and mehrere kaum jüngere Epiloge, sowie ein kürzerer, in Austrasien entstandener Prolog erheblich jüngerer Entstehung 2 . Der ältere Prolog führt, offenbar auf Grund alter Überlieferung,, die Lex Salica auf Weistümer zurück, die noch in der heidnischen Zeit durch einen Ausschuß von Tier Männern an drei verschiedenen Malstätten vor der Dingversammlung vorgetragen seien; später sei eine Revision und Ergänzung durch Chlodovech, nachdem er das Christentum angenommen hatte, und sodann durch Ghildebert und Chlothar erfolgt. Die Einsetzung des Viererausschusses scheint durch die damals die Herrschaft führenden Kleinkönige (rectores) erfolgt zu sein 3 . Der eine Epilog bezeichnet dagegen den primus rex Francorum, also Chlodovech, als den unmittelbaren Urheber des Gesetzes. Hinsichtlich der späteren ergänzenden Gesetzgebung Chlodovechs und seiner Söhne Childebert I. und Chlothar I. stimmen die Epiloge durchaus mit den Angaben des Prologs überein 4 . Daß die Lex Salica zum Teil auf ältere* Weistümern beruhen mag, ist zuzugeben, jedenfalls aber ist die älteste uns erhaltene Textgestalt ein Werk Chlodovechs aus der Zeit nach der ßeichsgründung (486). Gegen eine Abfassung vor Chlodovech spricht die erst in neuester Zeit nachgewiesene Benutzung der leges Eurici (S. 237), die mehrfach hervortretende Berücksichtigung des den altsalischen Gebieten unbekannten Weinbaues 5 , die regelmäßige doppelte Ansetzung aller Bußbeträge nach Goldschillingen und den erst von Chlodovech eingeführten Denaren (S. 187), vor allem der das Gesetz beherrschende Gedanke eines einheitlichen Königtums. Andererseits ergiebt sich aus dem noch nicht zu voller Entwickelung gelangten Inhalt der königlichen Gewalt (S. 111), aus der Stellung der Grafen und Thunginen in der Gerichtsverfassung (S. 166 f.) und der noch nicht erfolgten Einreihung der römischen Provinzialen in das fränkische Heer (S. 153), daß die Lex Salica nicht später als unter Chlodovech entstanden sein kann. Nach dem 47. Titel, der zwar das Land zwischen dem Kohlenwald (Silva Carbonaria) und der Loire noch als das Kernland zu betrachten scheint, aber doch schon fränkische Gerichte jenseit dieser beiden Grenzen kennt, könnte die Lex Salica erst in den letzten Regierungsjahren Chlodovechs, nach der Eroberung Aquitaniens und Beseitigung der übrigen salischen Könige, entstanden sein, vielleicht gehört aber diese Bestimmung gleich einigen anderen 2 Über das Alter der Prologe und Epiloge vgl. D I P P E , a. a. 0. und meine Unters, z. d. fränk. Volksrechten 471 ff. Der ältere Prolog ist nach D I P P E wohl gleichzeitig mit dem Gesetz Childeberts 1. und Chlothars I. zwischen 555 und 556 entstanden, enthält aber einen aus früherer Zeit stammenden Kern. Über einen Schreibfehler des Prologs vgl. § 17 n. 12. 1 Vgl. W. SICKEL, Freistaat 176 n. SOHM nimmt Einsetzung durch die Stainmesversammlung an. 4 Im ersten Epilog ist nach einer ansprechenden Konjektur von LOBBSCH statt des unverständlichen postmodo wohl post modicum zu lesen. 5 Vgl. SCHRÖDER, Monatsschr. f. d. Gesch. Westdeutschi. 6, 502 ff.
§31.
Die Volksrechte. 1. Lex Salica.
235
Zusätzen, die sich schon in dem ältesten uns überlieferten Texte finden, erst der Revisionsgesetzgebung Chlodovechs oder seiner Söhne an 6 . In seiner ältesten Gestalt ist das Gesetz {lex, pactus) in 65 mit besonderen Überschriften versehene Titel eingeteilt, seine Sprache ein überaus barbarisches, vielfach mit deutschen Wörtern untermischtes Latein. Besonders beachtenswert ist die sogenannte malbergische Glosse, welche mit der regelmäßigen Einleitung mall, oder malb. die in der Sprache des Malbergs (d. h. der technischen Gerichtssprache der Salier) gebrauchten Ausdrücke und Formeln teils zur Erklärung, teils zur Ergänzung in den lateinischen Text einfügt 7 . Eine althochdeutsche Übersetzung des Gesetzes wurde im 9. Jahrhundert in Ostfranken angefertigt 8 . Wiederholte amtliche Redaktionen hat die Lex Salica nicht erfahren. Die zahlreichen Zusätze und Änderungen späterer Handschriften, die neuen Titelordnungen mit 99 oder 70 Titeln und die Sprachreinigungsversuche der sogenannten lex emendata kommen lediglich auf Rechnung der Abschreiber. Dagegen wurden in den späteren Regierungsjahren Chlodevechs, sodann unter seinen Söhnen Childebert I. und Chlothar I. und seinem Enkel Ghilperich mehrere Zusatzgesetze zu der Lex Salica erlassen9. Weitere Ergänzungen • Über derartige Novellen vgl. BRUNNER 1, 295.f. Die Bestimmung über den reipus (L. Sal. 44) ist anscheinend eine chlodovechische Neuerung und vielleicht einer römischen Satzung nachgebildet. Über die Auslegung des Tit. 47 vgl. BRUNNER 1, 297, wodurch meine frühere Auslegung berichtigt wird. Über den Ligeris vgl. FDG. 19, 171. 471 ff. ' Vgl. J. GRIMM, Vorrede zu MERKEL'S Lex Salica, und die Anmerkungen von KEHN in HESSEL'S A u s g a b e . KEHN, D i e Glossen in d e r L e x Salica, 1869. VAN HELTEN,
Zu den malberg. Glossen u. den salfränk. Formeln u. Lehnwörtern i. d. Lex Salica, i. d. Beitr. z. Gesch. d. deutsch. Sprache 25, 225—542. CALMETTE , Bibl. de l'ecole des chartes 60, 397 ff. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 558 ff. KÖQEL, Geschichte d. deutsch. Litteratur 1, 2 S. 418 ff. Über die Formstrenge der germanischen Gerichtssprache vgl. auch v. AMIRA, Gott. gel. Anz. 1885, S. 164ff. Die altniederfränk. Worte der malb. Glosse sind von den Abschreibern entstellt; die Handschriftenklasse der sogenannten lex emendata hat die Glosse ganz weggelassen. Eine der wenigen, auf den ersten Blick verständlichen Glossen findet sich in Tit. 4 § 1: Si quis agnum lactantem furaverit et ei fuerii adprobatum, Malb. lammt, hoc est 7 dinarius qui faciuni medio trianti, culpabilis iudicetur. Nach v. AMIRA 3 21 ist die malb. Glosse als ein Niederschlag der Privatinterpretation des 6. Jahrhunderts und nicht als ursprünglicher Bestandteil des amtlichen Textes anzusehen. • Die uns erhaltenen Bruchstücke in MERKEL'S Ausgabe, S. 109 ff., sowie bei MÖLLENHOFF U. SCHERER, Denkmäler deutscher Poesie und Prosa*, 1892, Nr. 65. Nach KÖGEL, a. a. O. 499 ff, kann die Übersetzung nicht, wie man früher annahm, in der Moselgegend, sondern nur in der Gegend von Würzburg oder Fulda entstanden sein. Vgl. auch v. AMIRA2 22. Über die Geltung des salischen Rechts bei den Ostfranken vgl. SCHRÖDER, Franken 43; FDG. 19, 140 ff. 9 Von den merowingischen Kapitularien zur Lex Salica (L. Sal. 66—105 bei MERKEL; A u s g a b e v o n BORETIUS als C a p i t u l a r e I b i s V I . b e i BEHREND2 S. 131 ff.)
tragen Cap. I. c. 1—4 und Cap. VI (L. Sal. 66—68. 78—94) noch ganz den Charakter der Lex Salica (sie haben noch die malb. Glosse und die Wertangaben nach Denaren und Schillingen) und mögen noch unter Chlodovech entstanden sein. Neustrische Gesetze aus der Zeit der Teilreiche des-6. Jahrhunderts sind Cap. I. c. 5—8 (L. Sal. 69—72) und, etwas jünger, das Edikt des Chilperich (Cap. V,
236
Die fränkische Zeit.
enthalten zwei Kapitularien Ludwigs des Frommen von 816 und dessen Capitula legis Salieae von 820 1 0 . II. D i e Lex Ribuaria 1 1 . Das Volksrecht der ribuarischen Franken trägt der Lex Salica gegenüber nicht den Charakter eines einheitlichen Gesetzes, sondern den einer amtlichen Kompilation verschiedener, lose miteinander verbundener Bestandteile. In der handschriftlich vorliegenden Form kann das Gesetz erst unter Karl dem Großen zum Abschluß gekommen sein, doch bleibt es zweifelhaft, ob dies im Wege einer amtlichen Neuredaktion oder, wie bei der Lex Salica, bloß durch die amtlich beeinflußte Thätigkeit der Abschreiber geschehen ist Die ältere handschriftliche Form enthält keine Abschnitte, dagegen ist die jüngere Handschriftenklasse {lex emendata) in 91 Kapitel eingeteilt; man pflegt jedoch das Gesetz nach der von früheren Herausgebern herrührenden, auch in der neuesten Ausgabe beibehaltenen Einteilung in 89 Titel zu eitieren. Den ältesten Teil bilden Tit. 1—31, ein ursprünglich selbständiges ribuarisches Gesetz aus der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts. Wenig jünger, jedenfalls vor 595 entstanden, ist die in den Titeln 32 bis 64 enthaltene Umarbeitung der Lex Salica, nur Tit. 36 ist zum Teil durch Einfügungen aus der Karolingerzeit verändert und Tit. 57—60, 1 sowie Tit. 61 und 62 ist ein Königsgesetz eingeschoben, das wahrscheinL . Sal. 7 7 ) von 5 7 5 — 5 8 4 , beide, besonders das erste, von römischem and westgotischem Recht beeinflußt. Vgl. BBUNNEB, Berl. SB. 1 8 9 4 , S. 5 6 3 ff.; Mithio and sperantes 2 2 . Über Cap. I. c. 9 — 1 2 , Cap. II. und III. ( L . Sal. 7 3 — 7 6 . 1 0 1 — 1 0 5 . 9 5 — 1 0 0 ) läßt sich keine Vermutung aufstellen. Über den schon früh ala eine Ergänzung der Lex Salica betrachteten Pactus pro tenore pacis (Cap. IV.) vgl. § 32, Anm. 2 5 . 10 Kleinere Bruchstücke salischen Rechts aus späterer Zeit, wohl ausschließlich Privatarbeiten, sind die Bemissorien ( B EHREND8 1 7 4 ff. GEFFCKEN 9 8 . HESSELS 4 2 4 ) , die ReeapitulaMo legis Salieae (BEURENS 2 1 7 8 ff. GEFFCKEN 1 0 2 ff. HESIELS 4 2 5 f. MESSEL 9 8 ) und einige Glossen (MERKEL 1 0 1 ff.). Von den sog. Extrovaganten (BEHBEND A 1 6 3 ff. GEFFCKEN 9 0 ff. HESSELS 4 2 0 f. MEBKEL 9 9 f.) sind die Extrav. B . der Handschrift von Ivrea um die Mitte des 9. Jh. in Italien entstanden. Die sg. Remissorien, chunnas und Septem eausas (MEBKEL 95T° GEFFCKEN 9 9 ff. HSSSELS 4 2 4 . BEHBEND 9 -174), sind noch merowingisch. Vgl. BBUNNEB 1, 3 0 3 . 11 Krit. Ausgabe Von SOHM, MG. Leg. 5 , 1 8 5 ff. (hiernach Schulausgabe, 1883). Vgl. SOHM, Entstehung der L. Ribuaria, ZRG. 5 , 3 8 0 ff. E. MAYER, Zur Entstehung der Lex Ribuariorum, 1 8 8 6 . BBUNNEB, RG. 1, 3 0 3 ff.; Er. VJSchr. 29, 1 6 7 f. SOHBÖDEB, ZRG. 2 0 , 2 2 ff. STOBBE 1, 5 6 ff. GENGLER, Rechtsdenkmäler 4 6 ff. v. AHIBA* 1 6 . v. DANIELS, Handbuch 1, 2 4 5 ff. WAITZ 2 , 1 S. 1 1 3 ff. E. LEHMANN, if. Archiv 1 8 8 5 , S. 4 1 4 ff. FICKEB, Mitt. d. öst. Inst., Erg.-Bd. 5 , 5 2 ff, vermutet auf Grund der späteren Entwickelung des Erb- und Familienrechts, daß die Lex Ribuaria ihre Heimat in Oberlothringen gehabt habe. Da jedoch anderweitig festiteht, daß die Oberlothringer nach salischem Recht gelebt haben, in den von den Quellen als ribuarisch bezeichneten Gebieten aber durchweg ribuarisches Recht gegolten hat, so können die von FICKEB betonten Umstände nur auf späterer Kultuientwickelung und Rechtsübertragung beruht haben. Vgl. SCHBÖDEB, Franken 44ff.; Hist. Zeitschr. 43, 52 ff.; Untersuchungen 495 f. Siehe auch Urkunde von 890 bei MABI^NE et DURAND, Ampi. Collectio 2, 3 3 .
§ 81.
Die Volksrechte.
2. Lex Ribuaria.
3. Westgoten.
237
lieh Dagobert I. seinen Ursprung verdankt. Aus der Zeit des letzteren sind wohl auch die in den Titeln 65—89 enthaltenen Ergänzungen, in denen von Tit. 80 an wieder in merklicher Weise auf die Lex Salica zurückgegriffen wird. Ein Zusatzgesetz zu der Lex ßibuaria .bildet Karls des Großen novo, legis constitutio quae in lege Ribuaria mittenda est, vom Jahre 803 i a . III. Die Gesetze der Westgoten 1 3 . Das westgotische Volksrecht gelangte schon zwischen 469 und 481 in dein Gesetzbuch des Eurich, dessen Vater Theoderich I. (t 451) bereits einzelne Gesetze erlassen hatte14, zu ausführlicher Aufzeichnung. Dasselbe war in fortlaufende Kapitel mit größeren Titelrubriken eingeteilt, ist aber nur sehr fragmentarisch (c. 276 bis 312, 318—325, 327—336) in einer Pariser Palimpsesthandschrift erhalten16. Bei der Aufzeichnung des salischen, burgundischen, alamannischen, baierischen Volksrechts und des Edikts des Rothari sowie bei einem wahrscheinlich Dagobert I. zuzuschreibenden fränkischen Reichsgesetz hat es zum Teil als Vorlage gedient16. Eurichs Nachfolger Alarich II. erließ für seine römischen Unterthanen im Jahre 506 die ausführliche Lex Romana W i s i g o t o r u m 1 7 , seit dem 10. Jahrhundert gewöhnlich B r e v i a r i u m Alaricianum genannt, eine lose Kompilation der im Lande gangbaren römischen Rechtsquellen, die in wörtlichen Auszügen BOBETIUS, Capitularía 1, 117. Das Ediktfragment und die L. Wisig. des Rekkessuinth bei ZEUMEB, Leges VisigothoTum antiquiores, 1894. Eine kritische Ausgabe der ganzen Lex Wisigotorum von ZEUMEB (MG. Leg. Sectio I.) wird demnächst erscheinen. Vgl. ZEUMEB, Geschichte der westgot. Gesetzgebung L—IV., N. Arch. 28, 419 ff. 24, 89 ff. 571 ff. 26, 91 ff. BRUNNEB 1, 320 ff.; Grundzüge 44. v. A M I R A 3 13 f. D A H N , Westgot. Studien, 1874; Könige V. VI.8 G A U P P , Germanist. Abh. 27 ff. v. HALBAN a.a.O. 1, 195 ff. H E L P P E R I C H , Entstehung des Westgotenrechts, 1858. STOBBE 1, 71 ff. GENGLER, Rechtsdenkmäler 144 ß. v. D A N I E L S , Handbuch 1, § 66. BETHMANNH O I L W E G , Germ.-rom. Civilprozeß 1, § 47. ROTH, Entstehung der Lex Baiuwariorum 20 ff. DE PÉTIGNT, Revue hist. 1, 209 ff. BLUHME, Zur Texteskritik des Westgotenrechts, 1872. W A I T Z , Abhandlungen 391 ff. (Nachr. d. Gött. Ges. d. W. 1875). SCHMELTZEB, ZRG. 15, 123 ff. A. SCHMIDT, ebd. 29, 231 ff. G A R C I A , Lex primitive de los Visigodos, Madrid 1861. AFPOLTER, Das intertemporale Privatrecht 126 ff. " Vgl. Leg. Eur. 277. Ap. Sid. epist. 2, 1 (MG. Auct. antiqu. 8, 22). 16 Herausgegeben von ZEUMEB, Leg. Vis. 1—19. BLUHME, 1847. Über ein weiteres Kapitel der Leges Eurici vgl. ZEUMEB, N. Arch. 23, 104 ff. 18
"
V g l . S. 2 3 4 . 2 4 1 . 2 4 3 n. 2 4 5 n. 2 4 6 . .254 n..
ZEUMEB, L e g . V i s . p g . 17
13
BRUNNER 1, 3 0 0 F . 3 2 3 . 3 2 5 . 3 3 9 .
sq.
Ausg. von H Ä N E L , 1 8 4 9 . Vgl. BRUNNER 1, 3 5 8 ff. D A H N , Westg. Studien El breviario alariciano in Italia, Archivio giuridico 4 7 ( 1 8 9 1 ) . S A VIGNY, Gesch. d. röm. Rechts im MA. 2', 3 7 ff. CONRAT, Gesch. d. Quellen u. Liter, d. röm. R. 1, 3 1 ff. 3 8 . 4 1 ff. 4 7 f. KABLOWA, Römische Rechtsgeschichte 1, 9 7 6 ff. E I T T I N G , ZRG. 1 1 , 2 2 2 ff. 3 2 5 ff. 4 3 2 ff. ZEUMEB, N. Arch. 2 3 , 4 7 2 ff. Neuerdings aufgefundene wichtige Fragmente einer Leoner Palimpsesthandschrift enthalten die Legis RomaDae Wisigotorum fragmenta, Madrid 1896. Über ein darin überliefertes Gesetz des Königs Theudis von 5 4 6 vgl. ZEUMEB, N. Archiv 2 3 , 7 7 ff. 4 7 5 . 4
ff.
PATETTA,
Die fränkische Zeit.
238
(nur die Institutionen des Gaius nach einer älteren kürzenden Bearbeitung) rein äußerlich, ohne Verarbeitung und System, aneinandergereiht wurden. Durch die aus der römischen Interpretationslitteratur des 5. Jahrhunderts den einzelnen Quellenstellen beigefügte Interpretatio gelangte die Lex Romana zu größtem Ansehen in ganz Westeuropa, so daß sie, obwohl später bei den Westgoten außer Kraft gesetzt, in den früher westgotischen Teilen des fränkischen Reiches ihre Geltung behielt, ferner in Burgund und der Provence rezipiert wurde und noch auf Jahrhunderte hinaus eine umfangreiche Rechtslitteratur von Auszügen (epitome) und Glossen hervorrief 18 . Das inzwischen durch Gesetze späterer Könige vermehrte Gesetzbuch des Eurich erhielt unter L e o v i g i l d (572—586) eine Neuredaktion, die, wie es scheint, die Bezeichnung „Edikt" führte, später aber in der Lex Wisigotorum als „Antiqua" bezeichnet wurde 19 . Eine dritte Redaktion wurde von C h i n d a s u i n t h , dessen zahlreiche Novellen den Dualismus 18
Vgl. C O N B A T , a. a. O. 218 ff. ZEUMEB, N . Arch. 24, 120 f. v. H A L B A N , a. a. 0 . 2, 323 ff. 18 Isidor von Sevilla (t 636) berichtet von Eurich (Hist. de reg. Got. c. 35): Sub hoc rege Qothi legum instituta seripiis habere eoeperunt; nam antea tantum, moribus et consuetudine tenebantur, sodann von Leovigild (c. 51): In legibus quoque ea, quae ab Eurico incondite eonstituta videbantur, correxit, plurimas leges praetermissas adiciens plerasque superfluas auferens. Was von einem späten Interpolator des Isidor über eine umfassende gesetzgeberische Thätigkeit Rekkareds I. berichtet wird und früher den Anlaß gab, diesem die Ediktsfragmente zuzuschreiben, beruht auf Verwechselung mit RekkeBsuinth. Vgl. ZEUMEB, Leg. Vis. pg. 11. In das Gesetzbuch Leovigilds wurden auch verschiedene Bestimmungen der Lex Romana von 506 aufgenommen. Eine Rechtsquelle rein örtlichen Charakters sind die nach ihrem Herausgeber benannten Fragmente G A C D E N Z I ' S ( G A U D E N Z I , Un antica compilazione di diritto romano e visigoto con alcuni frammenti delle Ieggi di Eurico, Bologna 1866). Ob diese Fragmente, die auch die Interpretatio, das Edikt des Ostgoten Theoderich und die burgundischen Gesetze berücksichtigen, eine amtliche RechtBaufzeichnung oder eine Privatarbeit sind, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Jedenfalls sind sie kein Bruchstück der Leges Eurici, wofür der Herausgeber sie gehalten hatte; dagegen enthalten sie an zwei Stellen (c. 7: sicut in edictwn scriptum est, c. 10: secundum edieti scriem) Verweisungen, die auf das Gesetzbuch Ellrichs bezogen werden können, wahrscheinlich aber auf das des Leovigild, das demnach als „Edikt" bezeichnet wurde, gehen. Ist letzteres der Fall, so dürften sie Ende des 6. Jahrhunderts in Septimanien, das längere Zeit unter gotischem Einfluß gestanden hatte, abgefaßt sein. Bezieht man die Verweisung aber auf Eurich, so hat man wohl Entstehung in der Provence, und zwar um die Mitte des 6. Jahrhunderts, anzunehmen. Vgl. ZEUMEB, N. Arch. 23, 464 ff.; Leg. Visig. 317 ff. B R U N N E S 1, 325. SCHMIDT, ZRG. 23, 465 f. Ein weiteres Fragment, das von G A Ü D E N Z I (Nuovi frammenti dell' editto in Eurico, RiviBta italiana per le scienze giuridiche VI., 1888) mit dem zuerst gefundenen in Verbindung gebracht wird, ist die sogenannte Lex legum, eine im 9. oder 10. Jahrhundert im Beneventischen entstandene kurze Kompilation von bunt zusammengewürfelten Stücken aus dem Ed. Theoderici, der Lex Wisigotorum, dem römischen und langobardischen Recht. Vgl. Z E U M E B , N. Archiv 12, 389 ff. COMBAT, a. a. O. 268 ff. 277 ff; ZRG.
23, 230
ff.
A.
SCHMIDT, e b d .
22,
2 2 3 ff. 2 4 , 2 1 3 ff. 2 9 ,
235
ff.
PATETTA,
Sui
frammenti di diritto germanico della collezione Gaudenziana (Archivio giuridico 53).
§31.
Die Volksrechte.
3. Westgoten.
239
der Goten und Römer nicht mehr berücksichtigten, sondern als territoriale Reichsgesetze für sämtliche Unterthanen, ohne Unterschied der Nationalität, ergingen, in Angriff genommen, aber wohl nicht mehr durchgeführt 20 . Unter seinem Sohne R e k k e s s u i n t h (653—672) wurde das gesamte Material durch zahlreiche weitere Gesetze vermehrt und sodann nach dem Vorbild des Codex Justinianus zu einem systematischen Gesetzbuch in zwölf Büchern ( L i b e r i u d i c i o r u m ) , der ältesten Rezension der Lex W i s i g o t o r u m , verarbeitet 21 . Jedes Buch zerfiel in Titel, die Titel in besonders überschriebene Kapitel (aerae), deren Herübernahme aus der Ediktrezension des Leovigild durch die Überschrift antiqua angedeutet wurde, während bei den Novellen der Könige Rekkared L, Sisebut, Chindasuinth und Rekkessuinth der Name des jeweiligen Gesetzgebers Erwähnung fand 82 . Die Lex Romana Wisigotorum setzte Rekkessuinth außer Kraft, indem er bestimmte, daß fortan alle seine Unterthanen, nach den westgotischen Gesetzen leben sollten 2S . Die Lex Wisigotorum war demnach kein Volksrecht, sondern eine für das ganze Westgotenreich bestimmte, alle bisherigen Gesetze aufhebende Kodifikation. Eine zweite Redaktion derselben erfolgte unter König E r w i g (681) 24 , auf die dann noch zahlreiche Novellen des Königs Egika(687—701) folgten, während eine neue Redaktion des Gesetzbuches nicht mehr stattgefunden hat. Auf der Redaktion Erwigs, den seither ergangenen Novellen und willkürlichen Zusätzen der Abschreiber beruhte die sodann in Gebrauch gekommene V u l g a t a der Lex Wisigotorum, die sich auch nach der Eroberung des Westgotenreiches durch die Araber in der nun fränkisch gewordenen Provinz Gotia (Septimanien, Languedoc) sowie bei den unter fränkischen Schutz getretenen Resten der westgotischen Bevölkerung erhielt 26 , mit der allmählichen Rückeroberung der pyrenäischen Halbinsel aber zum Teil ihr altes Herrschaftsgebiet wiedererlangte, so daß noch im 13. Jahrhundert das Bedürfnis einer amtlichen spanischen Übersetzung (Fuero de Cordova, Fuero juzgo) hervortrat 26 . Nach Inhalt und Form nimmt die Lex Wisigotorum unter allen Gesetzbüchern, die je in germanischen Reichen erlassen worden, die unterste Stufe ein; sie liefert einen bedauerlichen Beleg für den heruntergekommenen Zustand des Westgotenreiches in dem letzten halben Jahrhundert seines Bestehens. Dem Gebote, daß fortan nur noch nach diesem Gesetzbuch 20
Vgl. L . Wis. Recc. handlungen 391 ff. 21 Erste Ausgabe von 22
2,
1
c.
ZEUMER,
V g l . ZEUMER, a . a . 0 .
14.
4.
ZEUMER, N .
Leg. Wisig.
18.
23
Arch.
23,
511
ff.
WAITZ,
Ab-
ff.
21 L. Wisig. Recc. 2, 1 c. 8, c. 9. Die früheren Ausgaben der L. Wis. schrieben dies Gesetz fälschlich dem Chiudasuinth zu. 84 Vgl. GAUDENZI, Nuovi frammenti S . 13. ZEUMER, N . Arch. 23, 496 ff. 25 Vgl. LOERSCH U. SCHRÖDER, Urkunden2 Nr. 6 4 . 9 0 . In Aquitanien, das schon 507 unter fränkische Herrschaft kam, war das Gesetzbuch Eurichs in Geltung geblieben. Vgl. BRUNNER 1, 3 1 5 . 26 Vgl. FUERO Juzoo en latin y Castellano, Madrid 1 8 1 5 .
240 gerichtet gefügt. vielfach gotisches
Die fränkische Zeit. werden dürfe, hat sich freilich der germanische Volksgeist nicht In den spanischen Gewohnheitsrechten der „Fueros" hat sich den römischen Auffassungen des Gesetzbuches gegenüber altRecht erhalten 2 7 .
IV. D i e o s t g o t i s c h e n G e s e t z e 2 9 . Theoderich der Große, in dessen Reiche die Goten im übrigen nach gotischem, die Römer nach römischem Rechte lebten, erließ, wahrscheinlich bald nach 5 1 2 , ein 1 5 5 kurze Kapitel umfassendes Gesetz, das E d i c t u m T h e o d e r i c i 2 9 , das den Zweck hatte, wenigstens für die Rechtsfälle des täglichen Lebens (illa quae possvnt saepe contingere) eine Rechtseinheit zu schaffen, und daher für Goten und Römer gleiche Verbindlichkeit haben sollte \quae barbari ßomanique sequi debeant super expressis articulis). Die Bestimmungen des Edikts sind größtenteils römischen Rechtsquellen entlehnt, namentlich auch der bereits erwähnten, für das römische Vulgarrecht so bedeutenden Interpretationslitteratur, die auch der Lex Romana Burgundionum als Quelle gedient hat. F ü r die durch das Edikt nicht geregelten Fälle behielten die verschiedenen Nationalitäten ihr besonderes Recht. Einzelne Gesetze Theoderichs und Athalarichs, darunter das von Cassiodor verfaßte Edictum Athalarici, finden sich in den „Variae" des Cassiodor 30 . Nach der Vernichtung des Ostgotenreiches durch Justinian wurde für Italien die gesamte ostgotische Gesetzgebung zu Gunsten der justinianischen aufgehoben, während sie in der Provence auch unter der fränkischen Herrschaft in Geltung geblieben sein muß 3 1 . " Vgl. F I C X E R , Über nähere Verwandtschaft des got.-spanischen u. norweg.isländ. Rechts (S. XI n.); Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgerm. Rechte (S. 3). WOLF, Ein Beitrag zur Rechtssymbolik aus spanischen Quellen, Wiener SB. 51 (1865). ZEUMEB, N . Arch. 23, 5 1 1 . F I C K E R geht bei seinen höchst verdienstvollen Arbeiten über die spanischen Fueros insofern zu weit, als er ihren gesamten germanischen Inhalt für gotisch hält, während die Fueros unzweifelhaft einer starken Beeinflussung seitens des fränkischen Rechts ausgesetzt gewesen sind. Vgl. v. AMIRA, Grundriß* 1 3 und die S. 1 1 D. 3 angeführten Ausführungen von MADRER und v. AMIBA. 88 Vgl. D A H N , Könige IV. (1866). v. D A N I E L S , Handbuch I. § 68. B R U N N E S 1, 365 ff. S T O B B E 1, 94 ff. SCHÜPFER, L'editto di Teoderico, i. d. Reale Accademia dei Lincei, Ser. IVa., 3 , 223 ff. K A R L O W A , a. a. 0 . 1, 948 ff. v. BETHMANN-HOLLW E O , Germ.-rom. Civilprozeß 1, § 54. v. G L Ö D E N , Das römische Recht im ostgotischen Reiche, 1843. GAUDENZI, Die Entstehungszeit des Edictum Theoderici, ZRG. 20, 29ff.; Gli editti di Teodorico e di Atalarico, 1884. P A T E T T A , Sull'anno della promulgazione dell' editto di Teodorico, Atti della Accad. delle Se. di Torino 28 (1893). HARTHANN, Geschichte Italiens i. Mittelalter 1, 117 ff. v. HALBAN, a. a. O. 1, 124 ff. 192. 275. 2, 74. A. SCHMIDT, ZRG. 29, 245 ff. A F F O L T E R , Das intertemporale Privatrecht 138 f. w Ausg. B L D B H E , M G . Leg. 5, J45 ff. P A D E L L E T T I , Fontes iur. Ital. 1, 3 ff 80 Ausg. von MOMMSEN, M G . Auct. antiq. 1 2 , 6 0 . 6 6 . 2 6 8 . 2 8 2 . 8 1 Vgl. Anm. 19. BLUHME, a. a. 0 . 170 ff. Die Reste des ostgotischen Volkes behielten gleichwohl ihr gotisches Recht bei. Vgl. Urkunde des Goten Stavila, civis Brixianus vivens legem Gothorum, Hist. Patriae Monum. 13, Nr. 38 (a. 769). BBUNNER 1, 271. Hist. Zeitschr. 65, 316. 78. 194.
§ 31.
Die Volk8rechte.
4. Ostgoten.
5. Burgund.
241
V. Die b u r g u n d i s c h e n Gesetze 3 2 . Die Lex B u r g u n d i o n u m {liber constitutionum) ist ein Gesetzbuch des Königs Gundobad aus dem Ende des 5. Jahrhunderts, zum Teil unter Benutzung von Gesetzen seiner Vorgänger entstanden, sodann durch Novellen Gundobads (von 501—515) und Sigismunds, die an den geeigneten Stellen eingefügt wurden, vermehrt und in dieser fortgeführten Gestalt im Jahre 517 durch Sigismund von neuem, publiziert. Nur in dieser Gestalt ist das Gesetzbuch handschriftlich überliefert. Außer einem von 31 Grafen unterzeichneten Einführungsgesetz (prima constitutio) zeigen die Handschriften einen festen Kern von 88 Titeln, an die sich eine Gruppe von weiteren 17 Titeln anschließt, wahrscheinlich das Ergebnis eines zweiten Gesetzgebungsaktes Sigismunds. Es fehlt nicht an Spuren des römischen Bechts, obwohl das Gesetz im allgemeinen durchaus germanisches Gepräge hat. Wie in der Lex Salica, so tritt auch in der Lex Burgundionum eine Benutzung der Leges Eurici (S. 237) hervor. Auch nach dem Untergang des burgundischen Beiches blieb die Lex Gundobada (eine Bezeichnung die auch das burgundische Gewohnheitsrecht mitumfaßte) als persönliches Becht der Burgunden (Gundbadingi) bis über das 9. Jahrhundert hinaus in Geltung. Seinen römischen Unterthanen, denen schon von den früheren Königen das Fortleben nach römischem Becht gestattet war, hatte König Gundobad im Eingang seines nur zum Teil für sie mitbestimmten Volksrechts (einige Bestimmungen galten als Beichsrecht, bei Streitigkeiten zwischen Bömern und Burgunden sollte aber immer die Lex Burgundionum entscheiden) ein eigenes Gesetzbuch versprochen. Es ist daher zu vermuten, daß auch die nach dem Muster der Gundobada verfaßte Lex B o m a n a B u r g u n d i o n u m noch Gundobad ihre Entstehung verdankt. Dieselbe ist aus einigen burgundischen Gesetzen, hauptsächlich aber aus römischen Quellen, jedoch in selbständiger Verarbeitung, geschöpft, insbesondere wurde die römische Interpretationslitteratur hier ebenso wie bei dem westgotischen Breviarium und dem Edikt Theoderichs benutzt. Nach dem Jahre 534 wurde die Lex Bomana im praktischen Gebrauche mehr und mehr durch das Breviarium Alaricianum verdrängtss. 82 Statt der unzureichenden Ausgabe von B L U H H E , MG. Leg. 3, 497 ff., jetzt kritische Ausgabe der beiden burgundischen Gesetze von v. S A U S , MG. Leg. Sectio T., tom. II. 1892. Eine gute Ausgabe der Lex Burgundionum von BINDINO, i. d. Fontes verum Bernensium 1, 90 ff. Die Herstellung eines diplomatisch getreuen Abdruckes sämtlicher Handschriften der L. Burg, hat unternommen V A L E N T I N - S M I T H , La Loi Gombette, Lyon 1889—90. Vgl. v. SALIS und B L U H H E in ihren Ausgaben. B L U H H E , Jahrb. d. gem. deutsch. Rechts 1, 71 ff. 2, 197 ff. 5, 207 ff; Hist. Zeitschr. 21, 234 ff. H C B É , Histoire dé la Ici Bourguignonne, Revue hist. de droit 13, 209 ff. BORETIUS, Hist. Zeitschr. 21, 1 ff. ZEOMER, N. Arch. 25, 257 ff. STOBBE 1,100—119. BRUNNER 1, 332 ff. 354 ff. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 154—178. T A R D I F , Hist. des sources du droit français, 1890, S. 124 ff. 169 ff. v. S A V I O N Y , a. a. 0. 2 9 , 1 ff. 7, 30 ff. GINOULHIAC, Revue hist de droit 2, 529 ff. G A U P P , Ansiedlungen 296 ff. v. H A I B A N ,
a. a. O. ,s
1, 2 6 8 ff. 2 8 4
ff.
KABLOWA, a . a . O .
1, 9 8 3 f.
AFFOLTEB, a . a . 0 .
1 4 0 ff.
Indem man die von Papinian herrührende letzte Stelle des Breviarium für
R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte.
4. Aufl.
IS
242
Die fränkische Zeit.
VI. Die l a n g o b a r d i s c h e n Gesetze 3 4 . Den ersten Rang unter den Rechtsquellen dieser Periode nehmen die der Langobarden ein. Abgefaßt in barbarischem Vulgärlatein, mit zahlreichen deutschen Wörtern untermischt, lassen sie gleichwohl durch die Vollständigkeit ihres Inhalts, juristische Klarheit und humane Gesinnung eine hohe Kulturstufe des Volkes erkennen und bilden insofern einen erfreulichen Gegensatz zu der nicht minder vollständigen, aber von geistiger Versumpfung zeugenden Lex Wisigotorum. Die Aufzeichnung des Volksrechts ist allmählich, im Wege königlicher Gesetzgebung unter Mitwirkung der Stammesversammlung, vor sich gegangen 86 . Im Gegensatz zu einseitigen, nur auf die einzelne Regierungszeit berechneten königlichen Verordnungen (notitiae, capitula in brevi) wurden jene leges in ein eigenes Gesetzbuch (Uber edictus) eingetragen und daher in ihrer Gesamtheit selbst als edictum oder edictus bezeichnet36. So heißt es in einer Verordnung des Königs Ratchis: Ista, quae superius scripta tenentur, in edictum scribantur, et ixta capitula dua de subtus in breve previdimus statuere, und in Liutprands notitia de actoribus von 733, c. 3: Hoc autem in diebus nostris et in tempore regtd nostri statuimus, quamvis lex nostra non sit; post autem nostrum decessum, qui pro tempore princeps fuerit, faciat sicut ei Deus inspiraverit aut rectum sicut secundum animam suam previderit37. Die Hauptbestandteile des Edikts bilden die an Umfang und Bedeutung einander gleichkommenden Gesetze der Könige R o t h a r i von 643 den Anfang der ihm handschriftlich vielfach angehängten Lex Romaua Burgundionum hielt, kam die sinnlose Bezeichnung Papianus für letztere auf. *4 Kritische Ausgaben: BAUDI A VESME in den „Historiae patriae Monumenta", T u r i n 1855; BLUHHE, M G . L e g . 4, 1—206. S c h u l a u s g a b e n v o n NEIQEBAUEB, 1856 ( N a c h d r u c k n a c h BAUDI A VESUE), BLUHME, 1869, u n d PADBLLETTI, F o n t e s i u r i s I t a -
lici I. 1887. Vgl. MERKEL, Geschichte des Langobardenrechts, 1850. STOBBE 1, 119 ff. 594 ff BRÜNNER 1, 368 ff. 387 ff.; G r u n d z . 45.
v . BETHMANN-HOLLWEG, G e r m . - r o m .
Civilpr. 1, 321 ff. v. AMIRA2 18. v. DANIELS, Handbuch 1, 148 ff. GENQLER, Rechts-
denkmäler 158 ff. v. SAYWNV, a.a.O. 2, 209 ff. BLUHHE, Hist. Zeitschr. 21, 410 ff. Litter. Centralbl. 1869, Sp. 1423 ff. BORETIUS, Capitularien im Langobardenreich, 1864.
v. HALBAN, a. a. 0 . 2, 90 ff. DEL GIUDICE, Studi di storia e diritto (188«),
S. 362 ff. PERTILE, Storia del diritto italiano 1, 110 ff. TAMASSIA, Fonti dell' editto di Rotari, 1889; Römisches u. westgotisches Recht in Grimowalds und Liutprands
Gesetzgebung, ZRG. 31, 148 ff. NEUHEYER, a. a. O. 22 ff. BRUCKNER, Die Sprache der Langobarden, 1895. AFFOLTEB, a. a. O. 143ff.
85 Das Edikt des Rothari wurde in rechtsförmlicher Weise durch Gairethinx angenommen. Vgl. S. 24. 89 Vgl. BLUHME, I. c. praefatio pg. 11. Man citiert das Edikt unter Angabe des betreffenden Königs und der Kapitelzahl seiner Gesetzgebung, z. B. Ed. Ruthari c. 110, Ed. Liutpr. c. 112. Die Ausgabe BLUHHE'S hat die Verordnungen der einzelnen Könige ihren für das Edikt bestimmten leges hinzugefügt, anstatt Edikt und notitiae getrennt zu halten. Auch bei Westgoten und Borgunden war die eigentliche Gesetzeskraft königlicher Erlasse durch die formelle Aufuahme in das Gesetzbuch bedingt. Vgl. ZEUHER, N. Arch. 24, 71. " BLUHHE, 1. c. S. 192, S. 181. Vgl. ebd. S. 183 die einleitenden Worte zu einer notitia des Ratchis.
§ 31.
Die Volksrechte.
6. Langobarden.
243
und L i u t p r a n d von 7 1 3 — 7 3 5 3 8 . Die kleineren Gesetze des Edikts sind von G r i m o w a l d (668), R a t c h i s (745—746) und A i s t u l f (755). Ein Gesetz des letzteren von 750 war ebenfalls in das Edikt eingetragen, ist aber später wieder daraus entfernt worden. In dem schon unter den Langobardenkönigen fast selbständigen, 774 zu voller Unabhängigkeit gelangten Herzogtum Benevent bediente man sich einer eigenen, mehrfach abweichenden Rezension des Edikts 3 9 , das nach 7 7 4 noch durch Gesetze der Herzoge Aregis (774—787) und Adel«his (866) vermehrt wurde 40 . Auch eine nur in Bruchstücken erhaltene griechische Übersetzung des Edikts ist wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts in Benevent entstanden 41 . Eine systematische Bearbeitung des Edikts, die zwischen 817 und 8 4 0 auf Anlaß des Grafen Eberhard von Rätien und Friaul entstandene Concordia, hat die bene•ventische Ediktrezension benutzt 42 .
Das langobardische Edikt hat sich bis in das 13. Jahrhundert als Volksrecht der langobardischen Einwohner Italiens erhalten. Auch nach der Ausbildung der einheitlichen italienischen Nationalität und dem Siege des römischen Rechts (13. Jh.) hat das langobardische Recht durch die italienischen Partikularrechte und den Einfluß der scholastischen Jurisprudenz auf die Auslegung des römischen Rechts eiue hohe, bis auf die Gegenwart fortwirkende Bedeutung bewahrt. Die Gesetze der fränkischen und deutschen Könige und Kaiser seit dem Jahre 774 wurden, soweit sie eine Bedeutung für Italien hatten 48 , zu Anfang des 11. Jahrhunderts in einer übrigens wenig zuverlässigen Sammlung, dem sogenannten Capitulare, vereinigt und seitdem in dieser Gestalt in den Abschriften regelmäßig mit dem Edikt verbunden. Zusätze zu dem letzteren hat diese Gesetzgebung nicht ergeben. Die capitula generalia hatten für Italien überhaupt nur eine theoretische Bedeutung und die capitula Italica waren nicht als Volksrecht der Langobarden, 88 Vor Rothari hatten die Langobarden noch kein geschriebenes Recht. Sein Gesetz, das Spuren eiuer freien Benutzung der Leges Eurici zeigt und ebenso wie die Gesetze seiner Nachfolger mehrfach auch aus dem Corpus iuris geschöpft hat, bestand ursprünglich aus 386 Kapiteln, nebst einem Vorwort; später sind zwei weitere Kapitel und eine Bestimmung über den Gebrauch beglaubigter Abschriften des Edikts hinzugekommen. Liutprand teilte sein Gesetz in fünfzehn, mit besonderen Vorreden versehene volumina ein, weil es stückweise auf fünfzehn verschiedenen Märzfeldern beschlossen wurde. Heute citiert man nach 153 fortlaufenden Kapiteln. Die Ausgabe von BAUDI A. VESME hat irrtümlich mehrere notitiae als Kapitel des Edikts aufgenommen (c. 139. 140. 156—164). 89 Vgl. ROSIN, Die Formvorschriften für die Veräußerungsgeschäfte der Frauen nach langobardischem Recht, S. 8 ff. Erst dieser Rezension verdankt Ed. Liutpr. c. 29 die Entstehung. 40 Ausgabe: BLUHME 207—212. Einzelne Verordnungen beneventischer Herrscher ebd. 213—225. 41 Ausgabe: BLDHME 2 2 5 — 2 3 4 (vgl. praefatio pg. 4 3 sq.); ZACHARME, Fraginenta versionis Graecae legum Rotharis, 1835. " BLDHME 235—289; vgl. praefatio pg. 41 sq. ROSIN, a. a. 0 . 10 f. 43 Über das Folgende vgl. BOBETIOS, Die Capitularien im Langobardenreich, S. 18 ff., und MG. Leg. 4, praefatio pg. 46 sqq. NEUMETER, a. a. 0 . 29 ff.
16*
Die fränkische Zeit.
244
sondern als italienisches Landesrecht, ohne Rücksicht auf die Nationalität der Bewohner, erlassen. An der Hand des Edikts und des „Capitulare" entwickelte sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in verschiedenen italienischen Städten ein lebhaftes Bechtsstudium, dessen wichtigsten Mittelpunkt die R e c h t s s c h u l e zu P a v i a bildete44. Hauptsächlich aus den Arbeiten dieser Schule, namentlich des Walcausus, ist der sogenannte Liber Papiensis hervorgegangen, eine chronologische Sammlung des Edikts und des „Capitulare" mit Glossen und prozessualischen Formeln, zwischen 1019 und 1054 zu Pavia, Verona und Rom, und zwar ausschließlich zu Schulzwecken, verfaßt45. Dagegen war die um 1070 zu Pavia oder in der Markgrafschaft Tuscien entstandene Expositio ein für die Bedürfnisse der Praxis berechneter Gesetzeskommentar, dessen uns unbekannter Verfasser die Mitglieder der Papienser Rechteschule bereits als antiqui bezeichnete4*. Im Gegensatz zu den scholastischen Arbeiten der letzteren, die einen sehr ungleichen Wert haben, ist die „Expositio" ein treffliches Werk, das namentlich durch die Berücksichtigung des fränkischen Rechts und verständnisvolles Eingehen auf die justinianische Gesetzgebung hervorragt. Eine wertvolle Arbeit über salisches und langobardisches Recht, zumal das Erbrecht, verglichen mit dem römischen, enthalten die Quaestiones ac mónita aus dem Anfang des 11. Jahrhunderts47. Eine wahrscheinlich noch gegen Ende des 11. Jahrhunderts entstandene systematische Bearbeitung des Liber Papiensis in drei Büchern ist die sogenannte Lombarda (iliber Longobardae, liber Lombarda*)48, an welche sich im Laufe des 12. Jahrhunderts eine ausgiebige Litteratur an Glossen, Summen und Kommentaren knüpfte4*. An der Universität Bologna wurde nicht nur in anderen Vorlesungen vielfach auf die Lombarda Bezug genommen, sondern es wurden, wie es scheint, auch eigene Vorlesungen über die letztere gehalten10. VII. Die Lex A l a m a n n o r u m 6 1 ist kein Königs-, sondern ein alamannisches Herzogsgesetz, das auf Beschluß der Stammesversammlung 44
Vgl. M E R K E L , a. a. 0. 13 ff. 26 ff. BORETIUS, 1. c. praefatio pg. 93 sqq. Forschungen zur Reichs- u. Rechtegeschichte Italiens 3, 44 ff. 54 ff. 138 ff. Die hervorragendsten dieser Rechtslehrer, wohl meistens zugleich Mitglieder (iudiees) des kaiserlichen Pfalzgerichts, waren Walc.ausus (vgl. BORETIUS, 1. c. pg. 82 sqq. BREUER, Gott. gel. Anz. 1891, S.735ff.),Bonusfilius, Wilihelmus und sein Sohn Ugo, endlich Lanfirancus (seit 1070 Erzbischof von Canterbury). 45 Ausgabe: BORETIUS, a. a. 0. 4, 290—585. Vgl. praefatio pg. 75 sqq. Abdruck: PADELLETTI, Fontes I. 49 Die „Expositio" ist von BORETIUS an den einschlagenden Stellen seiner Ausgabe des Liber Papiensis mitabgedruckt. Vgl. praefatio pg. 84 sqq. Verwandte Arbeiten sind als „additiones" des Liber Papiensis aufgenommen. 47 BORETIUS 4 , 5 9 0 ff., vgl. praef. pg. 9 1 sq. CONBAT, a. a. 0 . 1 , 2 7 4 ff. 48 Vgl. BLUHME, a. a. 0. 4, 607—640; praefatio pg. 98 sqq. Ebenda S. 648 bis 664 Glossen und einige kleinere Stücke zum langobardischen Recht. 49 Vgl. ANSCHÜTZ, Summa legis Langobardorum, 1870. Der bekannteste Sammler der Glossen war Carolus de Tocco zu Anfang des 13. Jahrhunderts. 50 Zwei wahrscheinlich von Bologneser Scholaren angefertigte Kollegienhefte, früher für Kommentare zweier italienischen Rechtsgelehrten gehalten, bei ANSCHÜTZ, Lombardakommentare des Ariprand und Albertus, 1 8 5 5 . Vgl. SIEOEL, Lombardakommentare (Wiener SB. 4 0 ) . K. LEHMANN, Der sg. Kommentar des Ariprandus im Berliner Codex (Juristische Festgaben für Jhcriug, 1 8 9 2 ) . M Kritische Ausgabe von K . LEHMANN, M G . Leg. sect. I . , tomus 5 (1888), au Stelle der unzureichenden früheren Ausgabe von M E R K E L , M G . Leg. 3, 1—182: FICKER,
§ 31. Die Volksrechte. 7. Lex Alamannorum. 8. Lex Baiuwariorum.
245
wahrscheinlich Ton Herzog Lantfrid I. (t 730) während der Regierung des Königs Chlothar IV. (716—719) erlassen wurde 62 . Seine 98 (99) Kapitel verteilen sich auf drei Gruppen: c. 1—22 (23) kirchliche Bestimmungen, c. 23—43 (24—44) De causis qui ad duce pertinent, hauptsächlich über die Stellung des Herzogs, c. 44—98 (45—99) De causis qui saepe solent contingere in populo63, Bestimmungen verschiedenen Inhalts. Mehrfache Redaktionen des Gesetzes haben nicht stattgefunden, doch sind zwei Textrezensionen zu unterscheiden, von denen die jüngere (karolingische) einzig aus Änderungen der Abschreiber hervorgegangen ist. Hauptquelle der Lex Alamannorum war der P a c t u s A l a m a n n o r u m , ein nur in fünf Fragmenten erhaltenes Gesetz aus dem Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts, das durch zahlreiche, der fränkischen Rechtssprache entlehnte Ausdrücke auf einen fränkischen König als Gesetzgeber schließen läßt 44 . Eine zweite, aber vielfach umgeänderte Vorlage hat ein merowingisches Reichsgesetz, dessen Spuren in wesentlich ursprünglicherer Gestalt in der Lex Baiuwariorum wiederkehren, gebildet VIII. Die L e x B a i u w a r i o r u m 6 8 , ein Gesetz in 22 Titeln, ist wegen mancher Verschiedenheiten in dem Charakter und mehrfacher Widersprüche in den Bestimmungen einzelner Partien von der Kritik vielfach Vgl. BRÜNNER, RG. 1, 308 ff.; Berl. S B . 8, 149 ff. 39, 942 ff. 948 ff. LEHMANN, N. Archiv 10, 469 ff. STOBBE 1, 142 ff. SCHRÖDER, Z R G . 20, 17 ff. DE ROZIÈRE, Revue hist. de droit 1, 69 ff. v. A M I R A 2 16. MERKEL, De republioa Alamannorum, 1849. W A I T Z , Abhandl. 432 ff. MILCZEWSKY, Entstehung u. Alter dés Pactus u. der Lex Alamannorum, Heidelb. Diss. 1894. B. SCHRÖDER, Romanische Elemente in dem Latein der Leges Alamannorum, Rost. Diss. 1898. 58 Der Eingang des Gesetzes: Convenit enim maioribus nato populo Allamannorum uni cum, duei eorum Lanfrido vel eiterorum populo adumato. Vgl. c. 37. c. 41, 2. Die Abfassungszeit ergiebt sich weiter aus zwei jüngeren Prologen und der wahrscheinlich durch das Poenitentiale des Cummean vermittelten Benutzung der Bußsatzungen des Theodor von Canterbury (668—690) in c. 38. M Vielleicht aus dem Edikt Theoderichs entlehnt. Vgl. 8. 240. Über Spuren einer Benutzung des älteren Westgotenrechts, sei es der Leges Eurici oder der Antiqua des Leovigild, vgl. BRÜNNEB, Berl. SB. 39, 950 ff. 54 Der Eingang lautet: Incipit pactus lex Alamannorum. et sie convenit. Der Pactus war also keine Privatarbeit (LEHMANN), sondern ein Gesetz, was durch die befehlende Fassung sämtlicher Bestimmungen bestätigt wird. Die Abfassungszeit ergiebt sich aus den in den Text eingestreuten deutschen Wörtern, die teils noch auf der germanischen, teils schon auf der althochdeutschen Lautstufe stehen. • s Ausgabe von MERKEL, M G . Leg. 3, 183 ff. Eine neue Ausgabe seitens der MG. ist in Angriff genommen. In verschiedenen Handschriften ist mit der Lex Baiuwariorum ein Prolog verbunden, der eine Art Gesetzgebungsgeschichte von Moses an enthält und auch Uber die Entstehung des bairischen, alamannischen und ribuarischen Gesetzes allerlei zu berichten weiß. Während seine Angaben früher für ganz unglaubwürdig gehalten wurden, hat neuerdings BHONNER, Berl. SB. 39, 943 f. wahrscheinlich gemacht, daß sie sich auf ein in der Lex Alamannorum und der Lex Baiuwariorum gleichmäßig benutztes Reichsgesetz Dagoberts I. beziehen. Einige Stücke aus der Einleitung dieses Gesetzes haben sich außerdem in verschiedene Handschriften der Lex Alamannorum verirrt. BRÜNNER, a. a. 0. 942 f.
Die fränkische Zeit.
246
für eine allmählich entstandene Kompilation verschiedenalteriger Bestandteile erklärt worden, während andere den einheitlichen Charakter des Gesetzes vertreten 6 6 . In der That sind die Verschiedenheiten und Widerspräche nicht so groß, daß sie sich nicht auf bloße Mängel in der Redaktion zurückführen ließen, zumal wenn man annimmt, daß die verschiedenen Gruppen des umfangreichen Gesetzes, wie wahrscheinlich auch bei der Lex Alamannorum, verschiedenen Bearbeitern überwiesen waren. Nach Form und Inhalt hat die Lex Alamannorum Lantfrids als Muster gedient. Ihre Benutzung zieht sich durch das ganze Gesetz, insbesondere
entspricht Tit. I (Capitula quae ad clerum perlinent seu ad ecclesiastica iura) der ersten, Tit. II. (De duce et eius causis quae ad eum pertinent)
der zweiten, das übrige der dritten Gruppe des alamannischen Gesetzes. Außerdem zeigt sich in einer Keihe von Titeln eine umfassende Benutzung der Leges Eurici, woraus sich auch vielfache Berührungen mit dem Edikt des Rothari ergeben 6 7 . Die in den meisten Handschriften überlieferten Eingangsworte des Gesetzes (Hoc deeretum apud regem et prineipibus eins
et apud cuncto populo christiano qui infra regnum Mervungorum consistunt)
gehören, wie erst neuerdings festgestellt worden ist, nicht zu der Lex Baiuwariorum, sondern wahrscheinlich zu dem bereits als eine Quelle der Lex Alamannorum erwähnten merowingischen Beichsgesetz, das insbesondere die Vorlage für die beiden ersten Titel des bairischen Volksrechts abgegeben hat und mit annähernder Sicherheit auf König Dagobert I. zurückgeführt wird 5 8 . Wegen der Benutzung der Lex Alamannorum kann unser Volksrecht nicht vor dem 8. Jahrhundert entstanden sein. Da es die 7 3 9 von Bonifatius eingeführte bischöfliche Organisation der bairischen Kirchen bereits zur Voraussetzung hat, andererseits aber in den Beschlüssen der Aschheimer Synode als der noch vor Herzog Tassilo ( 7 4 9 ) erlassene Padua bezeichnet wird, so ergiebt sich die Abfassung zwischen 7 3 9 und 7 4 9 . Weiter aber ergiebt sich aus den geringen Veränderungen, die das Gesetz Dagoberts in der Lex Baiuwariorum erfahren hat, daß die letztere im Gegensatz zu der Lex Alamannorum zu einer Zeit entstanden ist, wo der Baiernherzog sich in strenger Unterordnung unter den Frankenkönig befand, was auf die Abfassung unter Herzog Odilo ( 7 4 4 — 7 4 b ) schließen läßt 6 9 . Ein Zusatzgesetz Tassilos III. bilden die auf den Landtagen zu Dingolfing von 7 7 2 und Neuching von 7 7 5 erlassenen sogenannten M Vgl. MERKEL ¡Q seiner Ausgabe und Archiv d. Ges. f. filtere deutsche Geschichtskunde 11, 533 fl. RIEZLER, Geschichte Baierns 1, 113 ff.; F D G . 16, 411 ff. ROTH, Entstehung der Lex Baiuvariorum (Münch. Inaug.-Abh. 1848); Zur Geschichte des bair. Volksrechts (Münchener Festschrift für Bayer, 1869). STOBBE 1, 153 ff. Andererseits W A I T Z , VG. 2, 1 S . 116 f.; Abhandlungen 341 ff. 361 ff. 428 ff. PfcriGNv, Revue hist. de droit 2, 305 ff. 461 ff. v. DANIELS, Handbuch 1, 207 ff. BRÜNNER 1, 313 ff. GENGLER, Beiträge z. R G . Bayerns 1, 1 ff. 41 ff. v. A M I B A ' 16. 57 Über eine bisher übersehene Entlehnung aus dem Gesetzbuch Eurichs vgl. ZevuER, N. Arch. 23, 104 ff. 24, 614. BRUNNER, Berl. SB. 39, 954. 5 8 Vgl. BRUNNER, Ein merowingisch'es Königsgesetz, Berl. S B . 39, 932 ff. M
V g l . BRUNNER 1 ,
317.
§ 31.
Die Volksrechte.
8. Lex Baiuwariorum.
9. Lex Saxonum.
247
D e c r e t a T a s s i l o n i s 6 0 ; ein Zusatzgesetz Karls des Großen sind die zwischen 801 und 813 erlassenen C a p i t u l a ad l e g e m B a i u w a r i o r u m 6 1 . IX. Die L e x S a x o n u m 6 2 ist ein einheitliches Gesetz in 66 Kapiteln, von denen aber das letzte den Charakter einer Privatnotiz trägt und vielleicht erst später dem Gesetze angehängt ist 63 . Der Anfang (c. 1—20) ist den ersten 16 Titeln des ribuarischen Gesetzes nachgebildet, während c. 5 1 — 5 3 in unverkennbarer, zum Teil wörtlicher Übereinstimmung mit c. 5 des ribuarischen Kapitulares von 803 stehen. Karl der Große hatte die Verhältnisse der Sachsen in der ersten Zeit nach ihrer Unterwerfung (zwischen 780 und 790, wahrscheinlich 782) durch die C a p i t u l a t i o de p a r t i b u s S a x o n i a e geregelt, ein ßeichsgesetz das besonders durch strenge Strafandrohungen auf die Sicherung der fränkischen Herrschaft und der kirchlichen Auktorität bedacht war 6 4 . Nachdem sich die Lage der Dinge gefestigt und der Gegensatz zwischen Siegern und Besiegten mehr ausgeglichen hatte, erließ Karl auf dem Aachener Reichstag des Jahres 797, simul congregatis Saxonibus de diversis pagis, tarn de Westfalahis et Angariis quam et de Oostfalahis, das C a p i t u l a r e S a x o n i c u m , das durch die ausdrückliche Zustimmung der beteiligten Bevölkerung den Charakter des Yolksrechts (lex) erhielt 66 . Hätte es sich dabei nur u m ein Zusatzgesetz zur Lex Saxonum gehandelt, so müßte der vollständige Mangel jeder Bezugnahme auf diese auffallen; was man in diesem Sinne gedeutet hat, ist irrig. Wahrscheinlich ist die Lex Saxonum zwar ebenfalls ein Gesetz Karls des Großen, aber jünger als das Kapitulare 60 In der Ausgabe von MERKEL, 459 ff. Auf Tassilo geht auch Tit. 7, c. 1—3 der Lex zurück. Vgl. B B U X N E R , Ein merow. Königsgesetz 955. Die Beschlüsse von Neuching (in 18 Kapiteln) fuhren die Überschrift De pqpularibus legibus. BloBes Amtsrecht enthalten die [Beschlüsse der Synode von Aschheim von 758,
bei
MERKEL 4 5 7 f . 61
Außerdem erließ Karl ein für Baiern bestimmtes Kapitulare (Capitulare Baiuwaricum, um 810), das aber wohl zu den Capitula missorum zu rechnen ist. Beide bei BORETIUS, Capitularía 1, 1 5 7 f. MERKEL 4 7 7 f. 82 Ausgabe von v. RICHTHOFEN, MG. Leg. 5 , 1 — 1 0 2 . Vgl. MERKEL, Lex Saxonum, 1 8 5 3 . BORETIUS, Hist, Zeitschr. 2 2 , 1 4 8 f f . v. D A N I E L S , Handbuch 1, 2 6 3 f f . G A U P P , Recht und Verfassung der alten Sachsen, 1 8 3 7 . GENGLER, Rechtsdenkmäler 1 0 7 ff. STOBBE 1 , 1 8 6 ff. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum, 1 8 6 8 . USINGER, Forschungen zur Lex Saxonum, 1 8 6 7 . W A I T Z 3 , 1 5 6 f. 2 0 7 ff.; Abbandl. 5 6 5 ff. BRUNNER 1 , 3 4 5 ff. v. A M I R A 2 1 6 f.; Gott. gel. Anz. 1 8 8 8 , S. 5 6 ; Hist. Zeitschr. 4 0 , 3 0 6 ff. D E G E E R i. d. Nieuwe Bijdragen voor Rcchtsgeleerdhcit, NR. 2 , 4 1 0 ff. SCHÜCKINO, N. Arch. 2 4 , 6 3 1 ff. 63 Vgl. die referierende Form des c. 66 und die befehlende der entsprechenden Bestimmungen in L. Rib. 36, 11 und Cap. Sax. von 797 c. 11. 64 Abgedruckt bei v. RICHTHOFEN, S. 3 4 ff. BORETIUS, Capitularia 1, 68. Vgl. v. B I P P E N , Deutsche Zeitschr. f. Gesch.-W. 1, 76 ff. 95 v. RICHTHOFEN, S. 85 ff. BORETIUS 1 , 71 f. Ein Bruchstück eines dritten s&chsischen Kapitulars Karls des Großen bei Ansegis, App. 2, c. 34 u. 35 (BORETIUS, Capitularia 1, 160. 449). Vgl. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 11 f. 356.
248
Die fränkische Zeit.
von 797. Man darf wohl annehmen, daß sie dem Aachener Reichstag von 802 ihre Entstehung verdankt 80 . X. Die Lex A n g l i o r u m et W e r i n o r u m 6 7 in 61 kurzen Kapiteln zeigt unverkennbare Einflösse der fränkischen Gesetzgebung aus der Zeit Karls des Großen, namentlich Anlehnung an die Lex Bibuaria, aber auch an die Lex Frisionum und Lex Saxonum. Inhaltlich steht sie zwischen dem fränkischen und dem sächsischen und langobardischen Recht Die Überschrift Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum zeigt, daß das Gesetz kein Volksrecht der Thüringer, sondern für die niederdeutschen Angeln und Werinen oder Warnen, die Bewohner der nördlichen Teile des Thüringerlandes, bestimmt war 68 . Die Abfassung ist wahrscheinlich 802 auf dem Reichstag zu Aachen erfolgt 69 . XI. Die L e x F r i s i o n u m 7 0 ist uns nur in einem älteren Abdruck erhalten, so daß die Kritik sich fast ausschließlich auf den Inhalt der 66 Die Eingangsworte lauten: In Christi nomine incipit legis Saxonum Uber. Die ganze Ausdrucksweise zeigt den Charakter eines Gesetzes, der Inhalt erweist es als Königsgesetz. Die schon an sich wenig Überzeugende Beweisführung v. RICHTHOFEN's, dem v. AMIBA zustimmt, für ein höheres Alter der Lex (vom Jahre 785) wird hinfällig, wenn c. 66 eine Privatnotiz ist. In der Strafe für Brandstiftung (auch, bei Gelegenheit berechtigter Fehde, vgl. BBUNNER) stimmt, wie v. RICHTHOFEN selbst nachgewiesen, nicht das Capit Saxon. c. 2, c. 8, sondern Lex Saxonum c. 88 mit dem jüngeren Reeht (Todesstrafe) überein. Vgl. SCHÜOKING, a. a. 0 . 635 ff. Fttr die Entstehung auf dem Reichstage von 802 spricht die Verwandtschaft mit dem ribuarischen Kapitulare. Erheblich jünger, aber auch noch dem 9. Jh. angehörig sind vier Zusätze der Spangenbergschen Handschrift in L. Sax. c. 21. 23. 86. 3 8 . Vgl. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 1 — 7 . 1 0 . 1 3 — 1 9 . 356 f. MG. Leg. 5 , 8 f. 47 Ausgabe von v. RICHTHOFEN Sohn, MG. Leg. 5, 1 0 3 ff. Vgl. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 3 9 4 — 4 1 8 . G A U P P , Das alte Gesetz der Thüringer, 1 8 3 4 . STOBBE 1, 1 7 2 ff. BBUNNEB, 1, 3 4 9 ff. SCHBÖDEB, ZRG. 2 0 , 1 9 ff. v. A M I B A * 1 7 ; Hist. Zeitschr. 40, 310 ff. 68 Dies wird durch die in den Text eingestreuten deutschen Wörter bestätigt, die teils Verwandtschaft mit den benachbarten fränkischen und sächsischen Dialekten, teils das dem Altthüringischen eigentümliche Schwanken zwischen althochdeutschen und niederdeutschen Formen zeigen. Der Gau der Angeln (Engilm, Engleheim) hat ursprünglich das ganze Unstrutgebiet umfaßt, der Name ist später aber nur an einem Teile haften geblieben. Das ursprüngliche Gebiet der Warnen oder Werinen (Werenofeld) lag östlich von dem der Angeln, zwischen Saale und Elster, und wurde später von Sorben eingenommen; der alte Name ging verloren, nur Werines (Wernsdorf bei Teuchern, ein zweites Wernsdorf zwischen Gera und Zeitz) hat die Erinnerung an denselben bewahrt. Auf die grundlose Ansicht, daß die Lex Angliorum et Werinorum in Belgien, den Niederlanden oder Schleswig entstanden sei, ist hier nicht weiter einzugehen. Über einen anderen früher verbreiteten Irrtum vgl. LIEBEBMANN, ZRG. 2 8 , 1 7 4 . " Die Bezeichnung verschiedener Bestimmungen (c. 36. 49. 56) als Urteil oder Weistum entspricht dem auf diesem Reichstage beobachteten Verfahren. 70 Ausgaben von v. RICHTHOFEN, M G . Leg. 3, 631—710. G A U P P , Lex Frisionum, 1832. Vgl. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 353 ff. DE G E E S , Z R G . 8, 134 ff. STOBBE 1, 179 ff. W A I T Z 3, 157 ff. v. D A N I E L S , Handbuch 1, 256—263. BBUNNEB
§ 3 1 . Die Volksrechte. 10. Lex Angliorum et Weriuorum. 11. Lex Frisionum.
249
Quelle angewiesen sieht 71 . Obwohl das ursprüngliche Rechtsbuch, die eigentliche Lex Frisionum und die später hinzugefügte, aus Weistümern zweier Rechtskundigen zusammengesetzte Additio sapientum, nur für Mittelfriesland (zwischen Fli und Laubach) bestimmt war, scheint der Verfasser doch, nach dem Dialekt der deutschen Wörter zu schließen, ein Westfriese gewesen zu sein. Später hat in Westfriesland (zwischen Fli und Sinkfala) eine Bearbeitung stattgefunden, welche die abweichenden Rechtsgrundsätze der Westfriesen wie der zwischen Laubach und Weser sitzenden Ostfriesen teils durch glossenartige Einschiebungen, teils durch ausführliche Zusätze zum Ausdruck brachte 72 . Erst nach Abschluß des Werkes hat ein heidnischer Ostfriese eine die Bestrafung des Tempelraubes betreffende Notiz (Add. sap. Tit. 11 De honore templorum) angefügt, deren referierende Form allein schon die private Herkunft erkennen läßt. Sie bestätigt, wie v. AMIBA bemerkt, daß die Lex Frisionum und die Additio sapientum noch vor der völligen Überwindung des Heidentums, also keinesfalls später als im 9. Jahrhundert zum Abschluß gekommen sind. Ein Volksrecht im Sinne der übrigen Leges haben die Friesen nicht besessen. Man kann sogar zweifeln, ob die rohe, unverarbeitete Kompilation so verschiedener, einander vielfach widersprechender Bestandteile, die sich Lex Frisionum nennt, überhaupt amtlichen Charakter gehabt hat oder nicht vielmehr ein bloßes Rechtebuch rein privater Entstehung gewesen ist (v. AMIBA). Die Wahrscheinlichkeit spricht aber dafür, in ihr (mit BBUNNEB) eine kompilatorische Vorarbeit zu den Zwecken der Gesetzgebung zu erblicken73. Jedenfalls hat sie wohl als Volksrecht gegolten, du Karl der Große sonst für eine anderweitige Aufzeichnung desselben Sorge 1 , 3 4 0 ff. v. AMIBA 9 1 7 . 2 0 f. PATETTA, La Lex Frisionum, studii sulla sua origine e sulla critica del testo, i. d. Memorie della Reale Accademia delle Scienze di Torino, ser. II., tom. XLIII. 1892 (mit kritischem Textabdruck). 71 Der Originaldruck bei HEROLD, Originum ac Germanicarum antiquitatum libri (Basileae 1557), S. 131 ff. Die innere Kritik der Quelle ist durch die angeführten Schriften und Ausgaben in hohem Grade, am meisten durch BRUNNEH, gefördert worden. RICHTHOFEN'S Ausgabe ist in ihren kritischen Teilen vielfach verfehlt, in ihren sachlichen und sprachlichen Erklärungen aber um so dankenswerter. " Solche Zusätze sind L. Fris. Tit. 3 §§ 8—9, Tit. 4 § 8, Tit. 9 §§ 14—17, T i t 14 §§ 3—7 und Tit. 16. Erst nach Abschluß dieser Bearbeitung kann der auf Ostfriesland bezügliche Tit. 15 mit seinem eigentümlichen, nach Pfunden und Unzen rechnenden Münzsystem eingefügt sein. Den äußeren Anlaß für seine Einscliiebung hinter Tit. 14 mag die am Schlüsse des letzteren befindliche Berechnung von 60 Sol. zu 3 Pfund (vgl. S. 189) gegeben haben. ,s Die volksrechtliche Anerkennung eines subsidiären Fehderechts in L. Fris. Tit. 2, dessen thatsächliche Geltung durch den Zusatz des WIemar am Schlüsse dieses Titels bestätigt wird, kann der Annahme eines halbamtlichen Charakters der Arbeit nicht entgegengesetzt werden, da die karolingische Politik, obwohl auf Beseitigung des Fehderechts gerichtet, doch dem ihr widerstrebenden Volksrecht Rechnung tragen mußte. Eher könnte man sich auf den heidnischen Charakter des Tit. 5 berufen, der jedenfalls die königliche Sanktion nicht erhalten haben würde, einem eifrigen Sammler aber immerhin, auch wenn er amtlichen Auftrag hatte, in die Feder kommen mochte.
Die fränkische Zeit.
250
getragen haben würde. Auch hat der Kompilator überwiegend aus amtlichen Materialien geschöpft, welche den karolingischen Zuständen in der Mitte und zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts entsprechen 74 , auch in der Lex Saxonum und dem anglo-warnischen Recht manche Anklänge finden75. Die Absicht des Kompilators war offenbar auf eine möglichst vollständige Zusammenstellung der Bußtaxen in systematischer Ordnung gerichtet. Nur die Bestimmungen über das Litenrecht (Tit. 6, Tit. 11) und über das Losurteil bei Totschlägen gelegentlich eines Aufruhrs (Tit. 14 §§ 1. 2} passen nicht in das System und sind vielleicht erst später, jedenfalls aber noch vor der gesamtfriesischen Bearbeitung, eingeschoben worden. Den Anfang machen die offenbar volksrechtlichen Wergeidtaxen des T i t 1, denen sich in T i t 22 als zweite Gruppe die ebenfalls volksrechtlichen Bußsatzungen für Körperverletzungen zur Seite stellen 76 . Der umfangreiche Tit. 22 erscheint als eine freie Bearbeitung der Lex Alamannorum c. 56—58. An dasselbe Volksrecht (c. 25. 28. 29. 37. 38. 40. 48), zum Teil auch an die Lex Ribuaria 15 und 16, schließen sich die voraufgehenden Titel 17—21 an. Dieselben bilden mit Tit. 7 eine einheitliche (dritte) Gruppe, die durch Verneunfachung der Bußen und Friedensgelder charakterisiert wird 7 7 und nach einer Angabe des Tit. 7 (haec constituti» ex edicto regis processit) als Bearbeitung eines Königsgesetzes, und zwar aus der Zeit zwischen 743 und 751, anzusehen ist 78 . Alle übrigen Bestimmungen der Lex Frisionum, soweit sie nicht auf jüngeren Zusätzen beruhen, erkennt man als Ergänzungen der drei erwähnten Gruppen,, welche als Kern der Kompilation anzusehen sind. Die A d d i t i o s a p i e n t u m (so jedenfalls schon in der handschriftlichen Vorlage) enthält Weistümer zweier Rechtskundigen, Wlemar (nicht Wulemar) und Saxmund, die wohl das Amt eines Asega (S. 44) bekleideten. Ihre Arbeiten nehmen sich wie amtliche Gutachten über eine Revision der Lex Frisionum, namentlich des Tit. 22, aus. Die vielfachen Abweichungen in den Bußsätzen, wie sie in der Additio gegenüber der Lex und bei Wlemar gegenüber Saxmund vorkommen, mögen sich teils aus der Ver" Die Wergeidsätze sind noch nach Goldschillingen angegeben, diese werdenaber bereits als Silberschillinge berechnet, so daß das Freienwergeld nicht 53'/« Sol.,, sondern 3 x 53'/3 Sol. = 160 ¡sol. (also ebensoviel wie in den übrigen Rechtsgebieten des fränkischen Reiches) beträgt. Dabei gilt der Betrag von 53 l/a Sol. immernoch: als Wergeldsimplum und wird bei kasueller Tötung und in anderen Fällen, wo nur dieser Betrag zu entrichten ist, auch noch geradezu als Wergeid bezeichnet. Vgl.
S. 188. 75
BRUNNER
1, 2 2 5 .
342
n.
Über die auffallende Übereinstimmung der L. Fria. 17, 4 mit L. Angl, et
Wer.
57
und
L.
Rib.
64
vgl.
BRUNNES 1 ,
352
n.
76
Tit. 22 § 79 nimmt ausdrücklich auf ein Weistum bezug: ita de coxa et pede indica tum est. " Vgl. 79
BRUNNER
1, 3 4 4
n.
Als Träger der Staatsgewalt wird ein König und ein dux vorausgesetzt, was nach B R U N N E R nur auf Childerich I I I . und seinen Hausmeier (dux et prineepsFrancorum) Karlmann oder Pippin bezogen werden kann.
§31.
Die Volksrechte.
12. Lex Francorum Chamavorum.
251
schiedenheit der Abfassungszeit, teils aus lokalrechtlichen Abweichungen erklären; zum Teil mag es sich dabei um gesetzgeberische Vorschläge handeln. Auch die Additio sepientum zeigt vielfache Benutzung der Lex Alamannorum, und zwar der jüngeren Textklasse (vgl. Add. Tit. 3 b , 4 und 8 mit L. Alam. B. c. 66. 67. 86). Die allgemein durchgeführte Verdreifachung der Bußsätze ergiebt die Abfassung nach dem Gesetze Pippins über die allgemeine Berechnung der Bußtaxen nach der Silberwährung, während andererseits die formelle Beibehaltung der alten Ansätze entschieden noch für die Zeit Karls des Großen spricht. Wahrscheinlich stand die Additio sapientum mit den durch den Aachener Reichstag von 802 hervorgerufenen gesetzgeberischen Arbeiten, wenn auch selbst nur als eine Vorarbeit., in Verbindung. Daß ein Satz des Wlemar in die Lex Frisionum selbst geraten ist (hinter Tit. 2), wurde bereits bemerkt. Außerdem besitzen wir ein selbständiges Weistum mit der Überschrift Haec iuditia Wlemarus dictavit, das von HEROLD (a. a. 0. 128) irrtümlich als ein Anhang zu der Lex Angliorum et Werinorum abgedruckt und erst in den Mon. Germ, an die richtige Stelle gebracht ist. XII. Die Lex F r a n c o r u m C h a m a v o r u m 7 9 enthält in 48 kurzen Kapiteln Urteile oder Weistümer einer fränkischen Gerichtsversammlung oder eines Ausschusses von Rechtskundigen über bestimmte, zur Beantwortung vorgelegte Fragepunkte, das Sonderrecht der in dem ducatus Hamaland gesessenen chamavischen Franken betreffend 80 . Die letzteren gehörten im weiteren Sinne zu den Ribuariern und hatten ribuarisches Recht, aber vielfach verändert durch die nachbarlichen Einflüsse der Sachsen an ihrer Ost- und der Friesen an ihrer Nord- und Westgrenze sowie der am Rhein mit ihnen grenzenden Salier. Die Überschrift Notitia seu commemoratio de illa euua quae se ad Amorem habet giebt zu erkennen, daß wir es nicht mit einem fertigen Gesetz, sondern mit dem Bericht über ein zu gesetzgeberischen Zwecken eingeholtes Weistum zu thnn haben 81 . Verfaßt ist der Bericht entweder von Königsboten oder von eben den Rechtskundigen, die das Weistum erteilt haben, was dem bei den Gesetzgebungsarbeiten des Aachener Reichstags von 802 beobachteten Verfahren durchaus gemäß wäre. Auch der Inhalt der Quelle spricht für diese Abfassungszeit. 79 Ausgabe von SOHM, M G . Leg. 5 , 2 6 9 ff. und in der Schulausgabe der L. Rib. und L. Franc. Cham., 1883. G A U P P , Lex Francorum Chamavorum, 1855. Vgl. ZÖPFI., Die euua Chamavorum, 1856. SCHRÖDER, Untersuchungen zu den fränkischen Volksrechten 492 ff.; Die Franken und ihr Recht 47 f. FBOIDEVAUX, Études sur la Lex dicta Francorum Chamavorum, Paris 1892. B R U N N E S 1, 353.
STOBBE 1, 2 0 0 90
ff.
v.
AMIRA2
16.
Dieselben bewohnten hauptsächlich die niederländischen Provinzen Gelderland und Overijssel, wahrscheinlich auch Drente und einen Teil von Utrecht. 81 Vielleicht ist die Überschrift nur ein Zusatz des Abschreibers, da Gesetze auch in der laxen Form eines bloßen Berichts abgefaßt werden konnten. Vgl. SEELIGER, Die Kapitularien der Karolinger 2 8 .
Die fränkische Zeit.
252
XIII. Die Capitula R e m e d i i " sind ein unter dem Bischof Remedius von Chur zwischen 800 and 806 für die romanischen Bewohner Churrätiens erlassenes, zwölf Bestimmungen strafrechtlicher Natur enthaltendes, halb hofrechtliches Gaugesetz. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts stand in derselben Gegend ein umfangreiches Rechtsbuch, die sogenannte Lex R o m a n a Curiensis, in Gebrauch83. Dieselbe scheint eine Privatarbeit gewesen zu sein, die auf Grund der Lex Romana Wisigotorum eine Darstellung des römischen Vulgarrechts, und zwar ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Gebiet, bezweckte. Einflüsse des deutschen, namentlich des fränkischen Rechts sind unverkennbar. Die Heimat des Rechtsbuches ist bestritten; die meisten Gründe, auch sprachlicher Natur, sprechen für seine Entstehung in Churrätien; daß es handschriftlich auch in Istrien und der Lombardei, wo andere seine Heimat suchen, in Gebrauch gewesen ist, kann bei der hervorragenden Bedeutung dieser Quelle des römischen Vulgarrechts nicht dagegen ins Gewicht fallen. Bestritten ist auch die Entstehungszeit, die von ZEUMEB gegen 750, von anderen erst gegen 850 gesetzt wird84. XIV. Die angelsächsischen Gesetze 8 5 . Bei den Angelsachsen ist es ebensowenig wie bei den Langobarden zu einer einheitlichen Redaktion des Volksrechts, sondern nur zu einer Reihe von Einzelgesetzen sehr verschiedenen Umfangs gekommen. Dieselben zeichnen sich durch volkstümlichen Charakter und ganz besonders durch die Abfassung in der Volkssprache aus. Aus der Zeit der Heptarchie giebt es Gesetze der Königreiche Eent und Wesses. Dem ersteren gehören die Gesetze von 84 Neueste Ausgabe von ZEUMEB, MG. Leg. 5, 441 ff. und Gr. H&NEL, ebd. 5, 180 ff. Vgl. PLANTA, Das alte Rätien 309 ff. (Texfabdruck 449 ff.). STOBBE 1, 206 ff. BBUNNEB 1, 364. CONRAT, a. a. 0 . 1, 292. W . SICKEL, Westd, Zeitschr. 16, 7 6 f. Kritische Ausgabe von ZEUMEB, MG-. Leg. 5, 291 ff. Vgl, ZEUMEB, Z R G . 22, I ff.; N . Arch. 25, 844. v. SALIS, ebd. 19, 141 ff. WAONEB, ebd. 17, 54 ff. BRUNNEB, ebd. 17, 263 ff.; RG. 1, 361 ff. SOHUPFER, La legge Romano Udinese, Atti della reale Accad. dei Lincei, ser. 3*, vol. VII. 1881; vol. X, 1882, ser. 4*, vol. III, 1*. 1888; II testamento di Tello e la legge Romano Udinese, ebd, ser. 4*, vol. VI. 1*. 1889. G . HÄNEL, Lex Romana Visigothorum pg. 36 sqq. (mit Ausgabe, S . 17 ff, als „Epitome S . Galli"). PLANTA, a. a. 0. 327 ff. (mit Ausgabe S . 452 ff.). STOBBE 1, 203 ff.; De lege Romana Utinensi, 1853. ZANETTI, La Legge Romana ReticaCoirese o Udinese, 1900. v. VOLTELINI, Mitt. d. öst. Inst. Erg. 6, 145 ff. SAVIONV,
a. a. 0 .
1,
4 2 6 ff. 7 , 2 3
ff.
COMBAT,
a. a. 0 .
1 , 2 8 5 ff.; Z R G . 2 3 , 2 3 9 .
PEBTILE,
Storia 1, 102 f. WAITZ 3 , 627. HEOEL, Gesch. d. Städteverfassung von Italien 2 , 1 0 4 ff. v. BETHMANN - HOLLWEG , Ursprung der lombard. Städtefreiheit 2 8 ff. V. AMIBA* 2 2 .
s< Wenn das von ZEUMEB angezogene Testament des Bischofs Tello von 766 echt ist, so muß die Entstehung der Lex in die Mitte des 8. Jahrhunderts gesetzt werden. ** Ausgabe: LIEBEBMANN, Gesetze der Angelsachsen I . 1898—99. PRICE and THOBPE, Ancient laws and institutes of England, 1840. R . SCHMIDT, Die Gesetze der Angelsachsen', 1858. Vgl. STOBBE 1, 194 ff. v. AMIBA* 19 f. 24 ff. LIEBEBII ANN, ZRG. 16, 127 ff. 18, 130 ff.
§ 31. Volksrechte. 13. Churrätien. 14. Angelsachsen. § 32. Reichsgesetze.
253
^Ethelberht (601—604), Hlödhaere und Eadric (685—686) und Wihtraed (695—696), dem Reiche Wesses diejenigen von Ine (688—695) an 86 . Unter Alfred dem Großen (871—901), der sich auch um die Sammlung der Gesetze der früheren Könige verdient gemacht hat, beginnt die einheitliche Gesetzgebung für das ganze Reich der Angelsachsen. Auch nach ihm haben nicht bloß Englands Könige aus dem angelsächsischen Geschlecht, Eadweard I. (921—924), iEthelstan (925— 940), Eadmund (943 - 946), Eadgar (959—963), ^thelred(980—1016), sondern auch Knut von Dänemark (1020—1034) und Wilhelm der Eroberer (1066 bis 1087) die Gesetzgebung in demselben Geiste fortgeführt. Die Gesetze Wilhelms sind nur in lateinischer und altfranzösischer Sprache erhalten; der französische Text ist jedenfalls Übersetzung. Neben den volksrechtlichen finden sich vielfach auch geistliche Gesetze, bei denen nur die Zustimmung der Bischöfe erforderlich war"7. Außerdem gehört dem Gebiete des angelsächsischen Rechts eine größere Zahl von Privatarbeiten, teils kleinere Rechtsaufzeichnungen, teils umfassendere Kompilationen, an. Wertvoll für die Geschichte der Stände sind die Rectitudines singularum personarum aus dem 10. oder 11. Jahrhundert*8. Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts besitzen wir drei Kompilationen beziehungsweise Bearbeitungen der angelsächsischen Gesetze, sämtlich in lateinischer Sprache, die sogenannten lnstituta Onuti aliorumque regurn Anglorumm, den Quadripartitus90 und die Consiliatio Onuti91, denen sich aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts eine mehrfach mit Fälschungen durchsetzte Kompilation (Leyes Anglorum Londmiis eolleetae) anschließt". Die sogenannten Leges Edwardi Confessoria, ein größtenteils auf eigener Bekanntschaft des nordfranzösischen Verfassers mit dem englischen Rechte seiner Zeit beruhendes Rechtsbuch, sind zwischen 1130 und 1154 entstanden und nicht lange nach ihrer Entstehung von anderer Hand einer Neubearbeitung unterzogen worden®'.
§ 32. Die fränkischen Reichsgesetze. Vgl. S. 1 1 3 ff., 1 5 2 f., 2 3 2 . Kritische Ausgabe: BOBETICS U. KBACSE, Capitularia regum Francorum, 2 Bde, 1 8 8 3 — 1 8 9 3 , Register von WEBMINGHOFF, 1 8 9 7 ( M G . Leg. sectio I I . ) . Unzureichend die Ausgabe von P E K T Z , M G . Leg. I . I I . ( 1 8 3 5 ) . u
Wir erfahren außerdem von den leider verloren gegangenen anglischen Gesetzen des Königs Offa von Mercia (788—796). «
Vgl. v. AHIBAs 26 f.
LIEBERMANN, Z R G .
1 6 , 1 2 7 ff. 1 8 , 1 9 8 ff. K .
MAUBER,
Kr. VJSchr. 36, 838 ff. POLLOCK and MAITLAND, History of English Law 1, 76 ff. 68 SCHMIO, a. a. 0. 371 ff. H. L E O , Rectitudines etc., 1842. 89 Her. von LIEBEHMANN, i. d. Transactions of Royal Histor. Society, 1893. 90 Vgl. LIEBEBMANN, Quadripartitus, 1891. Von dem Verfasser des Quadripartitus rührt auch das älteste systematisch angelegte englische Rechtsbuch (die Leges Henrici I.) her. Das Werk ist zwischen 1110 und 1132 entstanden. Der Verfasser war Weltgeistlicher und englischer Kronjurist. Vgl. LIEBEBMANN, Das englische Rechtsbuch Leges Henrici, 1901. 91
9!
H e r . v o n LIEBEBMANN,
1893.
Vgl. LIEBEBMANN, Über die Leges Anglorum etc., 1894. M Vgl. LIEBEBMANN, Über die Leges Edwardi Confessoris, 1896. K. MAUBEB, i. d. Engl. Studien 1896, S. 74 ff. Die Leges Edwardi bildeten neben den Articuli Wilhelmi und einer Genealogia Normannorum den Bestand einer Sammlung, der von ihrem Herausgeber (LIEBEBMANN, Zeitschr. f. roman. Philol. 1895, S. 77 ff.) der Name „Tripartita" beigelegt worden ist.
§ 31. Volksrechte. 13. Churrätien. 14. Angelsachsen. § 32. Reichsgesetze.
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^Ethelberht (601—604), Hlödhaere und Eadric (685—686) und Wihtraed (695—696), dem Reiche Wesses diejenigen von Ine (688—695) an 86 . Unter Alfred dem Großen (871—901), der sich auch um die Sammlung der Gesetze der früheren Könige verdient gemacht hat, beginnt die einheitliche Gesetzgebung für das ganze Reich der Angelsachsen. Auch nach ihm haben nicht bloß Englands Könige aus dem angelsächsischen Geschlecht, Eadweard I. (921—924), iEthelstan (925— 940), Eadmund (943 - 946), Eadgar (959—963), ^thelred(980—1016), sondern auch Knut von Dänemark (1020—1034) und Wilhelm der Eroberer (1066 bis 1087) die Gesetzgebung in demselben Geiste fortgeführt. Die Gesetze Wilhelms sind nur in lateinischer und altfranzösischer Sprache erhalten; der französische Text ist jedenfalls Übersetzung. Neben den volksrechtlichen finden sich vielfach auch geistliche Gesetze, bei denen nur die Zustimmung der Bischöfe erforderlich war"7. Außerdem gehört dem Gebiete des angelsächsischen Rechts eine größere Zahl von Privatarbeiten, teils kleinere Rechtsaufzeichnungen, teils umfassendere Kompilationen, an. Wertvoll für die Geschichte der Stände sind die Rectitudines singularum personarum aus dem 10. oder 11. Jahrhundert*8. Aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts besitzen wir drei Kompilationen beziehungsweise Bearbeitungen der angelsächsischen Gesetze, sämtlich in lateinischer Sprache, die sogenannten lnstituta Onuti aliorumque regurn Anglorumm, den Quadripartitus90 und die Consiliatio Onuti91, denen sich aus dem Anfange des 13. Jahrhunderts eine mehrfach mit Fälschungen durchsetzte Kompilation (Leyes Anglorum Londmiis eolleetae) anschließt". Die sogenannten Leges Edwardi Confessoria, ein größtenteils auf eigener Bekanntschaft des nordfranzösischen Verfassers mit dem englischen Rechte seiner Zeit beruhendes Rechtsbuch, sind zwischen 1130 und 1154 entstanden und nicht lange nach ihrer Entstehung von anderer Hand einer Neubearbeitung unterzogen worden®'.
§ 32. Die fränkischen Reichsgesetze. Vgl. S. 1 1 3 ff., 1 5 2 f., 2 3 2 . Kritische Ausgabe: BOBETICS U. KBACSE, Capitularia regum Francorum, 2 Bde, 1 8 8 3 — 1 8 9 3 , Register von WEBMINGHOFF, 1 8 9 7 ( M G . Leg. sectio I I . ) . Unzureichend die Ausgabe von P E K T Z , M G . Leg. I . I I . ( 1 8 3 5 ) . u
Wir erfahren außerdem von den leider verloren gegangenen anglischen Gesetzen des Königs Offa von Mercia (788—796). «
Vgl. v. AHIBAs 26 f.
LIEBERMANN, Z R G .
1 6 , 1 2 7 ff. 1 8 , 1 9 8 ff. K .
MAUBER,
Kr. VJSchr. 36, 838 ff. POLLOCK and MAITLAND, History of English Law 1, 76 ff. 68 SCHMIO, a. a. 0. 371 ff. H. L E O , Rectitudines etc., 1842. 89 Her. von LIEBEHMANN, i. d. Transactions of Royal Histor. Society, 1893. 90 Vgl. LIEBEBMANN, Quadripartitus, 1891. Von dem Verfasser des Quadripartitus rührt auch das älteste systematisch angelegte englische Rechtsbuch (die Leges Henrici I.) her. Das Werk ist zwischen 1110 und 1132 entstanden. Der Verfasser war Weltgeistlicher und englischer Kronjurist. Vgl. LIEBEBMANN, Das englische Rechtsbuch Leges Henrici, 1901. 91
9!
H e r . v o n LIEBEBMANN,
1893.
Vgl. LIEBEBMANN, Über die Leges Anglorum etc., 1894. M Vgl. LIEBEBMANN, Über die Leges Edwardi Confessoris, 1896. K. MAUBEB, i. d. Engl. Studien 1896, S. 74 ff. Die Leges Edwardi bildeten neben den Articuli Wilhelmi und einer Genealogia Normannorum den Bestand einer Sammlung, der von ihrem Herausgeber (LIEBEBMANN, Zeitschr. f. roman. Philol. 1895, S. 77 ff.) der Name „Tripartita" beigelegt worden ist.
254
Die fränkische Zeit.
Kritische Ausgabe der fränkischen Concilienschlüsse: MAASBEN, Concilia aevi Merovingici, I. 1893 (MG- Leg, Sectio III.). — BOBETIUS, Capitularien im Langobardenreich, 1864; Beiträge zur Kapitulavienkritik, 1874; Gött, gel. Anz. 1882 S. 65 ff., 1884 S. 713 ff. BESELER, Gesetzeskraft der Kapitularien (Festgabe für Homcyer, Berlin 1871). THÉVENIN , Lex et capitula (Mélanges de l'école des hautes études, 1878). FUSTEL DE COULANGES, De la confection des lois au temps des Carlovingiens (Revue historique 3, 3 ff.). SEELIGER, Die Kapitularien der Karolinger, 1893; Volksiecht u. Königsrecht, Hist. Viertelj.-Schr. 1898, S . 1 ff. 313 ff. S T U T Z , ZRG. 30, 171 ff. BBUNNEB 1, 277 ff. 374 ff. 2, 39; Grundzüge 32. 37 f. W A I T Z 3, 598 ff; Abhandlungen 396ff. (ebd. 403ff. ein Zusatz von ZEUMER). V. A U I B A , Grundriß 3 15. 17; Gött. gel. Anz. 1888 S . 57 ff., 1896 S. 193 ff. D A H N , Könige 7, 2 S . 31—45. 87. 3 S . 417. 529. 579. 8, 3 S . 1—31; Deutsche Geschichte 1, 2 S . 645 f. SOHM, Reichs- und Gerichtsverfassung 102 f. 134 ff. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr. 79, 226 fi. STOBBE 1, 209 ff. T H . SICKEL, Lehre von den Urkunden der Karolinger 407 ff. W. SICKEL, Merow. Volksversammlung 23 ff. (a. d. Mitt. d. öst. Inst., Erg.-Bd. 2); Gött gel. Anz. 1888 S. 436 f., 1890 S. 234 ff. E. LÖNING, Gesch. d. deutschen Kirchenrechts 2, 17 ff. v. DANIELS 1, 278 ff. v. BETHMANN-HOLLWEG, Germ.-rom. Civilprozeß 1, 462 f. 2, 57 ff. GENOLER, Rechtsdenkmäler 53 ff. GLASSON, Histoire 2, 199 ff. VIOLLET, Précis 1, .106 ff. PLATZ, Kapitularien der frftnk. Könige, Pforzh. Progr. 1888. Die unter den Merowingern üblichen Bezeichnungen für königliche Satzungen waren edictum, decretum, decretio, praeeeptum, praeeeptio, auctoritas, Ausdrücke die auch unter den Karolingern noch vorkamen, mehr und mehr aber durch die von der Kapiteleinteilung hergenommene Bezeichnung capitula oder capitularia verdrängt wurden. Den zu territorialer Geltung bestimmten eigentlichen Reichsgesetzen standen schon in der Merowingerzeit die als Zusätze zu den Volksrechten bestimmten Satzungen, die persönliches Recht der Stammesangehörigen waren, gegenüber. So die S. 235 erwähnten Zusatzgesetze der Lex Salica liebst dem Edikt des Chilperich und wohl auch das in die Lex Ribuaria aufgenommene, wahrscheinlich von Dagobert I. erlassene Königsgesetz (S. 236). Eine für mehrere, wenn nicht für alle Volksrechte des Frankenreiches bestimmte Ergänzung war das von B B U N N E R nachgewiesene und mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls dem König Dagobert I. zugeschriebene Königsgesetz über die Stellung der Stammesherzoge und über kirchliche Verhältnisse, das zum Teil in die Lex Baiuwariorum und Lex Alamannorum Aufnahme gefunden hat 1 . Seit Karl dem Großen wurden diese volksrechtlichen Satzungen als capitula legibus addenda oder in ähnlicher Weise bezeichnet. So die nova legis constitutio Karoli imperatoris qua in lege 1 Vgl. S. 245 f. BBUNNEB, Über ein verschollenes merowingisches Königsgesetz des 7. Jahrhunderts, Berl. SB. 1901, S. 932 ff. Die ursprüngliche Überschrift dieses Gesetzes (Hoc decretum apud regem et prineipibus eius et apud cuneto populo ehristiano qui infra regnum Mertungor um consistant) wird von den meisten Handschriften der Lex Baiuwariorum irrtümlich als Überschrift ihres ersten Titels gebracht. Andererseits hat sich der Schluß des Königsgesetzes, wie es scheint, in die Überschrift des Pactus Alamannorum (LEHMANN, L. Alam. S. 21, S. 152) verirrt: Ubi fuerunt 33 duees et 33 episcopi et 45 comités, um schließlich in verschiedenen Handschriften der Lex Alamannorum in die Überschrift der letzteren (LEHMANN, a. a. 0. 62) eingeflickt zu werden. Vgl. BBÜNNEB, a. a. 0. 940 ff. Über Spuren der Leges Eurici in unserem Gesetz BRUNNES 939.
§ 32. Die fränkischen Reichsgesetze.
255
Jiibuaria mittenda est, von 803 (BORETIUS 1, 117), ferner die capitula quae ad legem Baiuvariorum domnus Karolus serenissimus imperator addere iussit, von 8 0 1 — 8 1 3 (ebd. 1, 157), und Ludwigs capitula legis Salicae von 8 2 0 (ebd. 1, 292). Die letzteren trugen zunächst nur den Charakter eines vom König eingeforderten und durch Eeichsgesetz bestätigten Weistums 2 , wurden dann aber auf dem Keichstag zu Diedenhofen (Oktober 821) ausdrücklich für Volksrecht {lex) erklärt: Generaliter omnes admonemus, ul capitula, que praeterito onno legis Salicae per omnium consensum addenda esse censuimus, iam non ulterius capitula, sed tantum lex dicantur, immo pro lege teneantur3. Zu derselben Gruppe gehören ferner Ludwigs Zusatzgesetz zur Lex Salica von 816 (Capitula quae nobis addere placuit)* und die beiden sächsischen Kapitularien Karls des Großen 6 . Eine Ergänzung zu sämtlichen Yolksrechten bildete Karls des Großen Capitulare legibus additum von 803. (BOBETIUS 1, 113 f.) mit der Überschrift: llaec sunt capitula quae domnus Karolm magnus imperator iussit scribere in consilio suo et iussit eas ponere inter alias leg es6, ebenso Ludwigs 818 oder 819 erlassene capitula quae legibus addenda sunt, quae et missi et comités habere et ceteris nota facere debent7. End2 Bei jedem Kapitel heißt es: de hoc capitulo iudicatum est (ab omnibus), oder: iudieaterunt (omnes), bei c. 7 aber: ad interrogationem domni imperatoris reservare voluerunt. Es wird sich damit verhalten haben wie mit der Lex Chamavorum, der Additio sapientum, vielleicht auch der ganzen Lex Frisionum. S BORETIUS 1, 294 f. Über Bedeutung und Datierung der beiden Gesetze vgl. SEELIQER, Kapitularien 54 f. * BORETIUS 1, 267. 269. Auf das salische Recht weist der ganze Inhalt, namentlich der gerichtliche Zweikampf mit dem Kampfstock hin. Vgl. BORETIUS, Beiträge 44 ff. Über das Capitulare Saxonicum von 797 vgl. Anm. 16. Aber auch die Capitulatio de partibus Saxoniae (BORETIUS 1, 6 8 ff.) trägt durchaus den Charakter einer für das Volk der Sachsen bestimmten dauernden Rechtsordnung, wenn auch das placuit omnibus und consenserunt omnes in diesem Falle kaum auf eine Zustimmung der Besiegten, sondern schlechthin auf die des fränkischen Reichstages zu deuten ist. Vgl. BORETIUS, Beiträge 4 7 f. e Vgl. BORETIUS, Beiträge 4 0 f. In verschiedenen Handschriften wird das Gesetz irrtümlich auf die Lex Salica allein bezogen. Durch Cap. missorum von 8 0 3 c. 1 9 (BORETIUS 1, 1 1 6 ) wurden die Königsboten mit Bezug auf unser Gesetz angewiesen: Ut populus interrogetur de capüulis quae in lege noviter addita sunt; et postquam omnes eonsenserint, subseriptiones et manufirmationes suas in ipsis capitulis faciant. In welcher Weise dies ausgeführt wurde, erfahren wir aus einem Bericht (ebd. 1, 112) über das Verfahren des Grafen Stephan als Königsboten finden Pariser Gau: Sub ipso anno ha-ee capitula facta sunt et consignata ro utilitatem easae ipsius est, quatinus casa profidat et non depereat.
272
Die fränkische Zeit.
liches Vermögen frei verfügen konnten 14 . I m Familien- und Erbrecht scheinen die Hörigen innerhalb des Kreises ihrer unter demselben Herrn stehenden Genossen allgemein den Freien gleichgestanden zu haben 1 6 ; zu Ehen mit Ungenossen bedurften sie der Genehmigung des Herrn 1 6 , im Erbrecht wurden die nicht unter demselben Herrn stehenden Verwandten jedenfalls durch den Herrn ausgeschlossen. Eine eigentümliche Beschränkung des Erbrechts bestand auch für die Freigelassenen ersten und zweiten Grades: da die Freilassung für sie die bisherigen Verwandtschaftsbande zerschnitten hatte, so stand ihr Nachlaß und, falls sie erschlagen wurden, ihr Wergeid nicht den Verwandten, sondern dem Schutzherrn, bei den höchsten Freigelassenen also dem König zu. Bei Franken und Angelsachsen schloß dies herrschaftliche Erbrecht selbst die Kinder aus 17 , während diese nach den übrigen Rechten vorgingen 18 . Da übrigens das königliche Patronatserbrecht nur ein subsidiäres Erbrecht gegen den als verwandtenlos geltenden Freigelassenen selbst war, so erstreckte es sich nicht mehr auf seine in der Freiheit geborenen Kinder, die vielmehr nach den gewöhnlichen Grundsätzen von ihren Kindern beerbt wurden 19 . 14 Das Veräußerungsverbot des 6. Balischen Kapitulars, c. 8 (Behrend, Lex Salica* 158) bezieht sich hinsichtlich des libertus wohl nur auf unbewegliche Sachen. Daß die sficlisischen Liten, die doch am freiesten gestellt waren, über Grundstücke nicht verfügen konnten, ergiebt sich aus der Analogie von Lex Sax. 64. Über Schuldverträge (fides facta) von Liten vgl. L. Sal. 50, 1, über BußezahluDgen derselben 3. sal. Kapitulare c. 2 (Behrend*, 144), Pact. Child. et Chloth. c. 8 (ebd. 147), L. Sax. 36, Capit. de part. Sax. 19. 20. 21, Capit. Sax. 3. 5, L. Pris. 1, 8—10. 2, 9. 3, 4. 7, 2. 9, 2. 16, über Loskauf mit eigenen Mitteln L. Fris. 11, 2. L. Burg. 57, Ed. Roth. 216. Der friesische Lite konnte Liten in seinem Vermögen haben und selbst mit Freien Verträge schließen, wodurch sich ihm diese zu Litenrecht ergaben. Vgl. L. Fris. 11, 1. 18 Der langobardische Aldius konnte mundium facere und seiner Frau eine Morgengabe bestellen; trat sie aber nach seinem Tode wieder aus der Gewalt des Herrn, so mußte alles für sie Aufgewendete zurückgegeben werden. Roth. 216. Liutpr. 126. Wenn schon die langobardischen Aldien, wie aus Roth. 216 hervorgeht, mindestens ein Descendentenerbreebt besessen haben, so können die deutschen Hörigen nicht schlechter gestellt gewesen sein. Unbedingtes Herrenerbrecht vermuten Bronner, RG. 1, 102, Heusleb 1, 140, v. Amiba, Erbenfolge 143. L. Cham. 14 betrifft nur die Beerbung eines Freigelassenen. Die Verwandten eines erschlagenen Liten erhielten bei den Friesen einen Teil des Wergeides. Vgl. S. 223. 16 Das Prinzip ergiebt sich aus Liutpr. 139 und der Ausnahmebestimmung für die Eönigsliten (nicht Litinnen) in L. Sax. 65. Vgl. L. Fris. 9, 11—13. Brunneb, RG. 1, 102. 17 Vgl. Bbunneb, RG. 1, 98. 244. Zeuheb, Beerbung der Freigelassenen durch den Fiskus nach frfink. Recht, FDG. 23, 189 ff. Bobetius, Capitularia 1, 118, c. 9. c. 10. 158, c. 4—6, 171, c. 6. L. Cham. 12. 14. Leg. Wihtraed. 8. An Verfügungen unter Lebenden oder von Todes wegen war der Freigelassene durch das Patronatserbrecht nicht behindert. Vgl. Roth. 225. Form, imperial. 38 (Zedmeb 315 f.). Vgl. Roth. 224, 1, 3. 225. Liutpr. 77. L. Wisig. 5, 7, c. 13. c. 14. L. Rib. 57, 4. 58, 4. 61, 1. L. Alam. 17. 19 Vgl. Cap. legi Ribuar. add. v. 803, c. 9 (Bobetius 1, 118): Homo denarialis non ante haereditare in suam agnationem poterit, quam ttsque ad tertiam generacionem proveniat.
§ 35. Das Privatrecht. 2. Sachenrecht.
273
II. S a c h e n r e c h t . Auf dem Gebiete des Sachenrechts hatte sich durch die Ausbildung des Privateigentums an Grund und Boden (§ 28) eine bedeutende Veränderung vollzogen. Während die wirtschaftliche Bedeutung der fahrenden Habe vornehmlich darin bestand, daß Habe Geld, d. h. Tausch- oder Zahlungsmittel, war, lag die Bedeutung des Grundbesitzes nicht in dem Veräußerungs-, sondern in dem Nutzungswert. Die bewegliche Sache kam demgemäß rechtlich nach ihrer Substanz, die unbewegliche nach der Rente, die sie abwarf, in Betracht. Die Bezeichnung für bewegliche Sachen war ahd. haba (mnd. haoe, mlat. avere, averium), pecunia20, varantscaz21, für Grundbesitz dagegen terra, res, possessio, proprietas, hereditas, ahd. eigan, arbi, erbi22. Die überwiegende Bedeutung des unbeweglichen Vermögens trat darin hervor, daß die letztgenannten Ausdrücke das auf dem Gute befindliche Wirtschaftsinventar mitumfaßten 2S . Das Recht der b e w e g l i c h e n S a c h e n stand unter dem Banne des altgermanischen Prozeßrechts, das dem Eigentümer nur einen beschränkten Rechtsschutz durch die strafrechtliche Verfolgung des Diebstahls und der rechtswidrigen Vorenthaltung von Sachen gewährte (S. 83 f.). Nur in den Fällen dieblicher oder raublicher Entwendung konnte der Eigentümer seine Sache gegen jeden Dritten verfolgen; hatte er sie freiwillig aus der Hand gegeben, so stand ihm einzig gegen den Empfänger wegen arglistiger Verweigerung der Rückgabe eine Klage zu; gegen den Dritten, an den die Sache aus der Hand des letzteren, mit oder ohne dessen Wissen, gekommen war, hatte der Eigentümer keine Klage 24 . Dem entsprechend bewegte sich die V e r p f ä n d u n g oder W e t t s a t z u n g beweglicher Sachen ausschliesslich auf dem Boden des Faustpfandes, die Verpfändung ohne Besitzübergabe war unbekannt 26 . Das *> Vgl. SOHH, Prozeß der Lex Salica 23 f. NISBL, Gerichtsstand des Klerus 184. Glossarium s. v. habe. Du CANGE, Glossarium s. v. averium, haver. 11 STEINMETER U. SIEVERS 2, 135. "Vgl. ebd. 1, 287: peeulium: suntarscax. Die Grundbedeutung von Sehati war Vieh, Geld. Vgl. S . 190. GRIMM, RA. 565; DWB. 8, 2274i Vgl. an. lausaß (loses Vieh), ags. u. altschwed. orf, yrfe (vgl. § 28, n. 22). SCHKIS, Ges. d. Angels. 640. GBIMM, DWB. 3, 708 f. Über ahd. roub vgl. § 12, n. 8. HALTAUS,
STEINMEYEB U. SIEVEBS 1 , 6 4 7 .
649.
Vgl. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 93. NISSL, a. a. 0. 145 f. GBIMH, RA. 492 ff.; DWB. 3, 96. 709 f. STEINMEYER U. SIEVEBS 1, 699: hereditatibus: eiganun. 742: possessiones: eigan. 2, 431: predia: eigen. 2, 116 und 1, 148 f.: possessionis: arpi. Untechnisch 2, 137: immobiles: imraranta seaxa. Über alodis vgl. S. 207 n. 28
V g l . NISSL, a . a . 0 .
44
V g l . HEUSLBR 2 , 6 f .
146.
» Über das Folgende vgl'. HEIKLES 2, 201 ff. v. AKIBA, Obl.-R. 1, 193 ff. 2, 223 ff. v. MEIBOM, Pfandrecht 248 ff, dessen Darstellung nur durch die Einmischung der wadia als Scheinpfand beim Schuldversprechen beeinträchtigt wird. Die Quellen gedenken des Faustpfandes häufig. Vgl. L. Sal. 40, 4. 50, 2. Karls d. Gr. Cap. de Judaeis, c. l f . (BOBETIUS 1, 258). Capit. Ansegis. 1, c. 88 (ebd. 407). c. 1 X. de pign. et aliis cautionibus (III. 21). L. Baiuw. 17, c. 3 nebst MEBKEL'S Note 48 (MG. Leg. 3, 327). B. SCHRÖDER, Deutsche Rechtsgeschichte.
4. Aufl.
lg
Die fränkische Zeit.
274
Pfand blieb Eigentum des Schuldners und mußte ihm, wenn er rechtzeitig die Lösung anbot, bei Strafe zurückgegeben werden i 6 . Unterblieb die Lösung, so verfiel das Pfand dem Gläubiger zu Eigentum, das Fahrnispfand war regelmäßig Verfallpfand. Der Verfall des Pfandes ersetzte die dem Schuldner obliegende Leistung, die Wettsatzung bedeutete bedingte Zahlung 37 . Eine Folge des Umstanden, daß nur eine Sach-, aber keine Personenhaftung bestand, war, daß bei unverschuldetem Untergang des Pfandes der Schuldner zwar sein Lösungsrecht, andererseits aber auch der Gläubiger sein Befriedigungsobjekt verlor *8. Die technische Bezeichnung des gegebenen („gesetzten") Pfandes war „Wette" (inlat. toadia, v>adium)29, im Gegensatz zu pfant, womit ausschließlich das genommene Pfand bezeichnet wurde 80 . Während die volle Herrschaft Aber eine Sache, die Gewere (vestitura), bei beweglichen Sachen durch die körperliche Gewahrsam zum Ausdruck kam, bestand die Gewere an u n b e w e g l i c h e n Sachen in der Nutzung 31 . Das römische Recht erkannte nur das Eigentum als Herrschaftsrecht über die Sache, als das dingliche Recht, an, der Besitz war ihm die „thatsächliche Existenz des Eigentums'', die „thatsächliche Konstatierung der Eigentumsabsicht" M ; alle übrigen dinglichen Rechte waren bloße iura in re aliena zu Lasten des Eigentums, die Berechtigten hatten die Sache nur in detentione, nicht in possessione. Dagegen erschien dem deutschen Recht, infolge seiner Auffassung der Gewere, jedes die Nutzung einer unbeweglichen Sache enthaltende Recht als volles Herrschaftsrecht über dieselbe, die einzelnen dinglichen Nutzungsrechte waren ihm gleichwertig 44
Vgl. L. Wisig. 5, 6, c. 4. Ausnahmsweise konnte die Wettsatzung auch den Charakter eines Strafgedinges haben, so daß die Schuld durch den Verfall des Pfandes nicht getilgt wurde. Vgl. L. Bai. 16, c. 10: Qui arras dederit pro quacumque re, pretium eogatur inplere, quod placuit emptori. et si non aceurrerit ad diem constitutum , turne perdat arras, et pretium quod debuit impleat. v. MEIBOM, Pfandrecht 2 5 1 ff. R . MAURER, E . VJSchr. 1 5 , 2 4 5 f. v. A H I R A , Obl.-R. 2 , 2 3 4 . » Vgl. K O H L E B , a. a. 0. 111 ff. v. AMIBA, Obl.-R. 1, 217. 2, 226; Grundriß« 132. 84 Vgl. got. vadi, an. ve£, ahd. wetti, frz. gage, von got. vidan (binden). D I E Z , WB. d. rom. Spr. 1, s. v. gaggio. v. AMIBA, Obl.-R. 1, 193. 2, 222. G B I U M , R A . 601. 10 Vgl. MEIBOM, 24 f. RICHTHOFEN, MG. Leg. 3, 694, n. 59. L. Fris. add. sap. 8, 2: per vim sustulit pignoris nomine, quod pant dieunt. L. Alam. einend. 74: Si quis gregern iumentorum ad pignus {in fant) tulerit et ineluserit contra legem. Das Wort ist nicht, wie man früher annahm, ein dem Französischen entnommenes Lehnwort, sondern heimischen Ursprungs. Seine Grundbedeutung ist inehtdere, mnd. schütten, die Viehpfandung. Vgl. HECK und SIEBS bei H E C K , Altfries. Gerichtsverfassung 461 f. 465 ff. 469 f. 81 Gegenüber früheren falschen Vorstellungen HEUSLEB, Gewere, 1 8 7 2 ; Institutionen 2, 20 ff. 189 ff. Im übrigen vgL die Litteratur § 61, Anm. 33. Das Wort (von got. vasjan, ahd. teerjan) findet sich schon in den auf - r o m auslautenden Völkernamen: Leute, die etwas verteidigen, besitzen. Vgl. S. 15, Anm. 1. s> Vgl. J H E B I N Q , Beitr. Z. Lehre vom Besitz 173. 195. 17
§ 35.
Das. Privatrecht.
2. Sachenrecht.
275
und galten ihm nur als verschiedene Spielarten des Eigentums. Nicht die verschiedene juristische Natur, sondern die größere oder geringere Dauerbarkeit begründete die Unterscheidung zwischen vererblichem Eigentum, lebenslänglichem Eigentum und Leibzucht, Lehnrecht und Leiherecht, ablösbarer Satzung und vormundschaftlichem Nutzungsrecht33. Das Privateigentum an Grund und Boden hatte, soweit es sich um den bäuerlichen Besitz handelte, noch nicht alle Spuren der früheren Feldgemeinschaft abgestreift. Das ursprünglich jedem Gemeindegliede zustehende Abtriebsrecht bei der Niederlassung von Ausmärkern in der Gemeinde (S. 207 f.) hat sich in der abgeschwächten Gestalt der sogenannten Nachbarlosung in manchen Gegenden das ganze Mittelalter hindurch erhalten. Privatrechtlich bedeutsamer war das Beispruchsrecht (mnd. btsprake, Einspruch) der Erben, d. h. das Recht der Verwandten auf ihre Mitwirkung bei allen Grundstückveräußerungen34. Nur allmählich gelang es der Kirche, die Schenkungen zum Heil der Seele von dieser Beschränkung zu befreien 36 . Bei den Sachsen stand das Beispruchsrecht nicht allen Verwandten, sondern nur dem nächsten Erben zu, diesem aber immer, auch wenn er sich in keinem Gemeinderverhältnis mit dem Veräußerer befand; da3 Beispruchsrecht hing also hier an der Erbeneigenschaft, es war ein unentziehbares Erben warterecht, ein auch gegen Verfügungen unter Lebenden geschütztes, bei Notverkäufen aber zu einem *9 Vgl. HEUSLER 2, 13 ff. BRUNNES, Landschenkungen der Merowinger (Berl. SU. 1885, S. 1195 f. Forsch. 29 f. 32). M Vgl. S. 63. 336 f. HEUSLER 1, 227 ff. 236 ff. 2, 54 ff.; Gewere 43 ff. v. AHIBA, Grundriß» 122; Erbenfolge 51 ff. 105 ff. 134 ff. 201. 212. PAPPENHEIM, Launegild und Garethinx 58 ff. (GIEBKE, Untersuchungen 14). F I P P E B , Beispruchsrecht nach alts&chsischem Recht (ebd. 3). S. ADLER, Erben wartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891 (ebd. 37); Eheliches Güten-echt und Abschichtungsrecbt n. d. ältesten bair. Rechtsquellen, 1893, S . 5—40. STOBBE, Handbuch 2, § 87 (2*, § 117). E. LÖNING, Kirchenrecht d. Merow. 681 ff. PEBNICE, Kr. VJSchr. 9, 67 ff. ZIMHERLE, Stammgutssystem 33 ff. THUDICHUH, Gau- und Markverfassung 192 ff. VAN HASSELT, Wederspraaksrecht der erfgenamen in de periode der volksrechten, 1882. SANDBAAS, a . a . O . 163 ff. BESELEB, Erb Verträge 1, 48 ff. LEWIS, De origine facultatis heredibus in iure Germanico concessae prohibendi alienationes rerum immobilium, Berl. Diss. 1862; Succession des Erben in die Obligationen des Erblassers 7 ff. Ich habe früher mit den zuletzt Genannten die Ansicht vertreten, daß jenes Recht der Erben ursprünglich nur bei den Sachsen anerkannt gewesen sei, allein die nordgennanischen Rechte und Ludwigs Cap. legibus add. von 818/9 (Anm. 35) setzen den gemeingermanischen Charakter außer Zweifel. Vgl. HEUSLEB, 1, 237. BBUNNEB, RG. d. Urkunde 290, n. 1; Mitt. d. öst. Inst. 2, 10 ff. Für das langobardische Recht vgl. II. F. 3 § 1. s> Allgemein durch Ludwigs Capitula legibus addita von 8 1 8 / 9 , c. 6 (s. unten S. 281). Vgl. L. Alam. c. 1 (anders L. Baiuw. 1, 1). L. Sax. 62 (Anm. 36) gab auch Traditionen an den König und unter gewissen Voraussetzungen Veräußerungen in Notfällen frei. Über das nordgermanische Recht vgl. MAVBEB, Abh. d. Münch. Ak. 13, 2 S. 221 f. 232. 242 f. 288 f. v. AURA, Obl.-R. 1, 573. 2, 701. Die schein^ bar für völlige Freigabe aller Veräußerungen sprechende Bestimmung der L. Angl, et Wer. 5 4 ist nicht in diesem Sinne zu verstehen. Vgl. v. RICHTHOFEN, MG. Legi 5 , 1 3 8 , n. 2 1 f. ZIHHEBLE, a. a. 0 . 3 7 f. v. AMIRA, Erbenfolge 7 0 . 18*
Die fränkische Zeit.
276
tloßen Vorkaufsrecht verflüchtigtes Pflichtteilsrecht 30 . Dagegen beruhte das Beispruchsrecht der übrigen Stammesrechte auf der Gemeinderscbaft der Hausgenossen, denen, so lange sie noch nicht durch Abteilung geschieden waren, als „Ganerben" (coheredes) ein Gesamtrecht an den» Grandbesitz des Hauses zustand' 7 . Der Grundbesitz war nicht Privatgut des einzelnen, sondern Gesamtgut des Hauses. Durch eine Abteilung anter gegenseitigem Verzicht wurde die Gemeinderschaft beseitigt, so daß jeder Teilhaber die freie Verfügung über seinen Anteil und seinen ganzen ferneren Erwerb erlangte 38 . Die Eigentumsübertragung an Grundstücken hat sich unter einem eigentümlichen Dualismus des germanischen Rechts und des römischen Vulgarrechts entwickelt 38 . Beide betrachteten das Veräußerungsgeschäft und den dinglichen Übertragungsakt als eine einheitliche Handlung, die M Vgl. L. Sar. c. 62: Nulli liceat traditionem hereditatis suae facere praeter ad eeelesiam vel regi, ut heredem suum exheredem faeiat, tvisi forte famis necessitate coactus, ut ab ilio, qui hoc acceperit, sustentetur; mancipia liceat itti dare cu? vendere, C. 64: Liber homo, qui sub tutela nobilis euiuslibet erat qui iam in exilium missus est, si kereditatem suam necessitate coaetus vendere voluerit, offerat eam primo proximo suo; si ille eam emere noluerit, offerat tutori suo, vel ei qui iune a rege super ipsas res constitutus est; si nec ille voluerit, vendet eam euicum• que libuerit. Vgl. RICHTHOFEN, MG. Leg. 5, 79 ff. in den Noten. " Das Wort geanervo (BOBETIÜS, Capitularia 1, 380) ist mit der die Gesamtheit andeutenden Vorsilbe ge- ans anerbe (der zu einem „Erbe" Berechtigte) ge-
bildet.
V g l . HEDSLEB 1, 2 3 0 .
GBIMM, R A . 4 8 2 ; D W B . 4, l a , 1 2 1 5 ff. A n c h
Ssp.
1, 17, § 1 steht ganerven in dem Sinne von „Miterben" und nicht in der von HoMEVER (Register zum Ssp.) angenommenen Bedeutung. Das Wort kommt auch bei Markgenossenschaften vor. Vgl. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1, 278. Über die Ausdehnung des Ganerbenrechts auf gewonnenes Gut vgl. v. AMIRA, Erbenfolge 107. LACOMBLET, Urk.-B. z. Geech. d. Niederrh. 1, Nr. 23. Das langobardische Recht berücksichtigte nur das Erbgut, auf das gewonnene Gut hatten die Ganerben kein Rccht. Vgl. Roth. 167. Nach L.Burg. 1. (Anm. 38) beschränkte sich das strenge Ganerbenrecht auf das ursprüngliche Landlos. " Vgl. L. Alam. 85. L. Bai. 1, 1. L. Burg. 1, 1 : ut patri etiam, antequam diridat, de communi facultate et de Inbore suo euilibet donare liceat, absque terra sortis titulo adquisita. Vgl. ebd. 24, 5. öl, 1 f. Ein praktisches Beispiel einer Erbteilung mit Verzicht Form. Marc. 2, 14: inter se visi sunt divisisse rei exequasse, et hoc invicem pars parte tradedisse et per festuca omnia partitum esse dixisse. Über die Bezeichnung des durch Teilung frei gewordenen Anteils als sväs-scara (propria portio), entstellt in suascara und «eatschar, vgl. HEDSLEB 1, 241. v. AMEBA, Grundriß" 122. " V g l . BRDNNEB, Grundz. 171 f.; RG. der Urkunde 113 ff. 263 ff. 272 ff.; Zeitßchr. f. HR. 22, 526 ff. (Forsch. 608 ff); Carta und Notitia (a. d. Commentatione» in honorem Mommseni, 1877) 9. 11 ff.; Jenaer Litteraturzeitung 1876, S. 600. HEUSLEB 2, 66ff.; Gewere 1—49. SOHM, Zur Geschichte der Auflassung (Straßb. Festgabe f. Thöl, 1879); Recht der Eheschließung 83 ff.; Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG. 14, 15 £. 27 ff.; MG. Leg. 5, 248. 250. STOBBE, Auflassung (JHEBINO'S Jahrbücher 12, 137 ff.); Handbuch 2 § 94 (2A § 105). v. AMIBA, Grundriß» 135 ff.; Obl.-R. 1, 512 ff. 554 f. 2, 624 ff. 686 f. K. LEHMANN, Altnordische Auflassung, ZRG. 18, 84 ff. BEWEB, Sala traditio vestitura, 1880. HAISS, Traditio und Investitura, 1876.. Von der älteren Litteratur vgL BESELEB, Erbverträge 1, 19 ff.
§ 35. Das Privatrecht. 2. Sachenrecht.
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in der römischen Terminologie als traditio, in der deutschen als sala bezeichnet wurde (S. 63). Die germanische Sale wurde auf dem Grundstück selbst vor Zeugen vollzogen 40 : der Käufer zahlte hier den Kaufpreis und empfing die Gewere, indem der Verkäufer ihm als Wahrzeichen seiner Herrschaft Handschuh oder Andelang, als Wahrzeichen des Grundstücks eine Erdscholle oder, wenn es sich um ein Gebäude handelte, den Thürpfosten, bei Kirchen das Glockenseil (signum) oder die Altardecke übergab; daran schloß sich gemeinsame Grenzbegehung und die körperliche Besitzräumung (exitus) seitens des Veräußerers an 41 . Bei den Sachsen war diese Besitzräumung nach uralter Stammessitte mit einer feierlichen Verzichterklärung „mit Finger und Zunge" (curvatis digitis) verbunden (S. 61 n). Die volkstümliche Bezeichnung für diese Erklärung scheint „Verlassung" (farlätan) gewesen zu sein, im Mittelalter auch „Auflassung" (uplaten, subst. uplät, uplatinge), ein nur dem Nieder- und Obersächsischen bekannter Ausdruck, der später nach dem Vorgang des Sachsenspiegels in der deutschen Rechtssprache allgemeines Bürgerrecht gewonnen hat 42 . Die salischen Franken kannten eine Auflassung durch Zuwerfen «iner festuca (Stab oder Halm) in den Rock oder Schoß des Erwerbers43. Die Quellen bezeichnen diese Auflassung „mit Halm und Mund" als exfestucatio, werpitio, laesowerpitio (im Mittelalter verschießen). Ob diese gleich der sächsischen Auflassung den realen exitus von vornherein begleitet hat, oder erst später neben ihn oder vielmehr an seine Stelle getreten 40 Vgl. L. Bai. 16, 2. L. Burg. 60, 2. Die L. Rib. 60, 1 verlangte 3 bis 12 Zeugen und ebenso viele Knaben, die zur Erinnerung Backenstreiche erhielten und, wie bei den Baiern, am Ohr gezupft wurden. 41 Vgl. S. 62. LOEBSCH U. SCHRÖDER, Urkunden Nr. 54. Das älteste Beispiel einer solchen Sale in der Lex Salica, Titel 58 De ckreneeruda. Vgl. L. Rib. 60, 1. Formeln und Urkunden zeigen, daß der HergaDg im wesentlichen bei allen Stämmen derselbe gewesen ist. Vgl. die Zusammenstellung der Investitursymbole bei DU CANOE, Glossarium s. v. ivvestitura. Der Erdscholle wurde nicht selten das zum Ausstechen benutzte Messer beigefügt. In den Quellen werden die Investitursymbole zuweilen mit wadium bezeichnet, wobei dies sonst „Pfand" bedeutende Wort in dem Sinne von „Wahrzeichen" gebraucht wird, analog der Bezeichnung der Zeugen als fideiussores, wegen der beweisrechtlichen Garantie. Vgl. BBUNNER, RG. d. Urkunde 111. SOHH, Auflassung 8 2 , n. 2 1 . 41 Während die obersfichsischen Handschriften des Sachsenspiegels und das Görlitzer Landrecht uplaten mit úfláxen wiedergeben (Auct. Vet. 1, 91: resignare), setzen Deutschen- und Schwabenspiegel dafür úf'geben, was auf eine Verschiedenheit des nord- und süddeutschen Sprachgebrauches schließen läßt. 48 Vgl. S. 292 f. Die festuca war wohl an die Stelle des Gers getreten, das Zuwerfen derselben eine abgeschwächte Form der Speerreichung. Vgl. S. Ol. ZRG. 20, 57 f. Bei DU C A N O E , Glossar, s. v. investitura und s. v. festuca, Belege für inv. per baeulum, per fuslem, per calamum, per lignum, per reru, per virgam. MICHELSEN, Festuca notata 25, denkt bei festuca an die iu ein Stäbchen eingeritzte Hausmarke, deren Übergabe die Eigentumsübertragung bedeutet habe, die Marke war aber ein persönliches Zeichen, das als Haus- oder Hofmarke erst einer späteren Entwickelung angehört. Vgl. L. Fris. 14, 1. HOHETOR, Haus- u. Hofmarken 187 ff. J95f. Über Halmreichung bei den Norwegern vgl. v. AMIBA, Obl.-R. 2, 631.
Die fränkische Zeit.
278
ist exitiim dicere, se absacitum facere)**, läßt sich nicht mit Sicher* heit ermitteln 46 . Ebensowenig, ob wir die später außerhalb Sachsens im ganzen Frankenreich gebräuchliche Exfestukation auf fränkischen Einfluß zurückzuführen haben 40 . Im römischen Vulgarrecht hatte sich die Übergabe der Veräußerungsurkunde zum Perfektionsmittel für den obligatorischen Vertrag und zugleich zum Traditionsmittel für die Sachtradition ausgebildet, Veräußerungsgeschäft und Pgentums&bertragung fielen mit der traditio cartae zusammen47. Während das westgotische und langobardische Recht sich dem anschlössen4S, nahmen die Angelsachsen, jedenfalls unter kirchlichem Einfluß, die römische Form zwar ebenfalls an, aber mit der Abweichung, daß die Übertragung des Buchlandes durch Übergabe des königlichen Landbuches (S. 211) als „Urbuch" und nur, wenn dies verloren gegangen und die Verrufung desselben in der Veräußerungsurkunde ausgesprochen war, durch Begebung der letzteren als „Neubuch" erfolgte49. Alle übrigen Stämme haben, soweit wir unterrichtet sind, die rö*mische und die germanische Form der Landübertragung im wesentlichen als gleichwertig behandelt, indem sie es mehr oder weniger dem Belieben der Parteien überließen, ob sie die Übertragung an Ort und Stelle nach der germanischen Form, oder außerhalb des Grundstücks durch traditio cartae vornehmen wollten50. Dabei erfuhr aber die fremdländische Form 44 Über saeire (got. satjan, ahd. saxjan, frz. saisir, vgl. mlat. saisina) und absaeire (absetzen) vgl. DIEZ, W B . d. roman. Sprachen 1 , s. v. sagire. BKUNNEB,
R G . d. U r k u n d e 284 f. SOHM, A u f l a s s u n g 86. 89. LOEBSCH U. SCHBÖDEB, N r . 1&. 50. 68.
" Die Lex Salica gedenkt des festucam in laisum iactare nur beim adfatimus, wfihrend bei der Übertragung der Hufe eines Zahlungsunfähigen Wergeidschuldners auf seine Verwandten bloß das Zuwerfen der Erde und die reale Besitzrüumung erwähnt wird. Bei der Genauigkeit des Tit. 58 De ehrenecruda sollte man annehmen, daß die Exfestukation, wenn sie stattgefunden hätte, hier erwähnt sein müßte. Die Erwähnung des laesowerpire in dem ersten Zasatzkapitulare zur Lex Salica c. 12 scheint sich auf den Treuhänder beim adfatimus zu beziehen. In den ImmobiliarProzessen vor dem Königsgericht erfolgte schon im 7. Jh. die Revestierung des Klägers durch den unterliegenden Beklagten im Wege der Exfestukation. M Die Investitur mit Rasen und Zweig und ihre Verbindung mit dem Veräußerungsgeschäft zu dem einheitlichen Akt der Sale war gemeingermanisch. Damit haben die Sachsen schon iu ältester Zeit die Auflassung mit Finger und Zunge verbunden, während die fränkische Auflassung mit Hand und Mund (durch Werfen der Festuca) in dieser Anwendung wahrscheinlich jüngeren Ursprungs ist. 41
48
V g l . BBUNNEB, R G . d. U r k . 113 ff. L . R o m . C u r . 2, 27.
Vgl. BRÜNNEB, RG. d. Urk. 130ff.; Forsch. 626. Gaudenzisches Fragment c. 9 (15). LOEBSCH u. SCHBÖDEB2, Nr. 32. 64. Übrigens war die nationale Form bei Langobarden und Westgoten vor der römischen nur in den Hintergrund getreten, aber wohl nicht völlig verschwunden. Vgl. L. Wisig. 5, 2, c. 6. BBUNNEB, RG. d. Urk. 139. 296 n.; Mitt. d. öst. Inst. 2, 13 f. 44
60
V g l . BBUNNEB, R G . d . U r k . 169 ff. LOEBSCH u. SCHBÖDEB N r . 26.
L. Burg. 60, 2: Si quis post haee barbarus vel testari rolueril vd donare, aut Romanata consuetttdinem aut barbaricain esse servandam, si vult aliquid ftrmitatis habere quod geaserit: id est ut aut seripturis legitimis quod largiri cuieumque voluerit ieneatur, aut eerte quinque ingenuorum testimonio quod dimittere volu-
§ 35. Das Privatrecht. 2. Sachenrecht.
279
überall eine eigentümliche Umgestaltung im nationalen Sinne, indem man die Übergabe der Veräußerungsurkunde für sich allein nicht als ausreichend erachtete, wenn nicht die volksrechtlichen Investitursymbole, die zu dem Zwecke nötigenfalls von dem Grundstück herbeigeschafft werden mußten t gleichzeitig mitübergeben wurden 61 . Da von einer körperlichen Besitzräumung hier keine Bede sein konnte, so trat die bereits erwähnte Auflassung als Besitzräumungsrertrag an ihre Stelle: der Veräußerer erklärte unter Überreichung der Festuca (dafür bei den Sachsen mit erhobener Hand und gekrümmten Fingern), daß er zu Gunsten des Erwerbers auf die Gewere verzichte®2. Die Eigentumsübertragung wurde erit vel donare robur aeeipiat et in eius, cui res deputata fuerit, iura eommigret. L. Rib. 59, 1 (Anm. 51) trifft Bestimmungen über die Übertragung durch testammtum, venditionis und 60, 1 über die auf dem Grundstück {locus traditionis) vorgenommene Übertragung der possessio, wenn der Erwerber testammtum aeeipere non potuerit. Vgl. auch L . Rib. 4 8 (BRUNNEB, RG. d. Urk. 295 ff.). L . Bai. 16, 2 verfügt, daß bei Immobiliarverkäufen, aceepto pretio, aut per eartam aut per testes eomprobetur firm a emptio. Schenkungen an die Kirche erfolgten nach L. Alam. 1, 1 und L. Bai. 1 , 1 , indem der Geber die Schenkungsurkunde auf den Altar legte. Kirchengüter sollten nach L. Alam. c. 19 u. 20 nicht ohne earta oder epistula in andere Hände übergehen können. Vgl. BBUNNER, RG. d. Urk. 266. 299; Zeitschr. f. HR. 22, 535 ff. (Forsch. 615 ff.). Veräußerung thüringischer Güter durch cartula traditionis bei W E N C K , Hess. LandeBgeschichte 2, Urk.-B. Nr. 14, S. 19. Bei Tauschgeschäften stellte jeder der Kontrahenten eine Urkunde aus, die er seinem Vertragsgegner übergab. Vgl. die am Schluß der Form Sangall. 4 (ZEUMEB 381) enthaltene Anweisung: Istam eartam ille, qui loquitur haec, det alii habendam, hoc est Epitide, aliam autern eartam similiter Epitides ex sua persona fuciat et dornt Eumelo habendam. Beispiele bei ROZIÈBE, Recueil Nr. 302—309. 314. LACOMBLET, Urk.-B. z. Gesch. d. Niederrh. 1, Nr. 48. 55. 51 VgL L. Rib. 59, 1: Si quis altert aliquid vmderit, et emptor testammtum vindicionis aeeipere voluerit, in mallo hoe faeere debet (die Lesart voluerit st. debet beruht auf Dittographie), preeium in praesente tradat, et rem aeeipiat, et testamen-, tum publici eonseribatur. Die Worte testammtum vindicionis aeeipere deuten die Begebung der carta venditionis, die Worte et rem aeeipiat aber die Überreichung der Investitursymbole an. Vgl. BRUNNEB, RG. d. Urk. 211 ff. 260 ff 264. 276; Zeitechr. f. HR. 22, 537 ff. (Forsch. 617 f.). HEUSLEB 2, 69 (anders noch Gewere 10 f.). SOHM, MG. Leg. 5, 248. Über die symbolische Investitur vgl. noch SOHM, Gesch.. d. Aufl. 92 ff. ADELUNG, Neues Lehrgebäude der Diplomatik (deutsche Bearbeitung von TOUSTAIN et T A S S I N , Nouveau traité de diplomatique) 6, 449 ff. Eine Schenkung per epistolam donationis, wobei ein Rasenstück auf den Altar der bedachten Kirche gelegt wird, bei DE COUBSON, Cartulaire de Redon, S. 7, Nr. 7. Bei den Franken, Alamannen, Baiern, Burgunden und im gotischen Septimanien pflegte man das mit den Investitursymbolen und dem Schreibzeug belastete Pergament auf den Boden zu legen, von dem es der Veräußerer als Aussteller der Urkunde zum Zweck der Übergabe an den Schreiber aufnehmen mußte (eartam levare). Vgl.
BBUNNER, R G . d . U r k .
1 0 4 ff. 2 6 3 f . 3 0 2
ff.
ZEUMER,
ZRG.
17, 1 1 3
ff.
MICHELSEN,
Festuca notata 20. GRIMM, RA. 557 f. ZÖPPL, Altert 2, 467 f. LOEBSCH U. SCHRÖDER Nr. 74. 77. 82. 90. Cartul. Lang. Nr. 2. 8. 12. 13. 24. LACOMBLET, Urk.-B. 1, Nr. 29 (811). Das Pergament war hier Investitursymbol, die ausgefertigte carta blos Beweis^ urkunde über das actum. Vgl. REDLICH, Mitt. d. öst. Inst. Erg. 6, 3 ff. si
Vgl. SOHM, Auflassung 8 6 . BRUNNER, R G . d. Urk. 2 7 4 . Die Festuca wurde häufig zusammen mit den Investitursymbolen auf die Urkunde gelegt oder an
Die fränkische Zeit.
280
demnach entweder durch reale Investitur auf dem Grundstück (und dann bedurfte es einer Urkunde nicht), oder außerhalb des Grundstücks (aber innerhalb der Grafschaft der belegenen Sache und vor Zeugen) durch symbolische Investitur mit traditio cartae, Übergabe der Investitursymbole und Auflassung vollzogen53. Gerichtlichkeit verlangte nur das ribuarische Recht 64 . Außerhalb des Grundstücks genügte weder die Übergabe der Investitursymbole ohne Urkunde 56 , noch die traditio cartae ohne die Investitursymbole. Die bloße traditio cartae hatte keine dingliche, höchstens eine beschränkte obligatorische Wirkung: der Aussteller der Urkunde war, wenn er sich in rechtsförmlicher Weise verpflichtet hatte, für seine Person schuldig, seinem Vertragsgegner auf dem Grundstück selbst durch reale Investitur das Eigentum zu übertragen60, aber weder Recht noch Pflicht diese geheftet und mit ihr dem Erwerber überreicht oder zugeworfen. Vgl. BRÜNNEB, RG. d. Urk. 229 f. »04; Zeitschr. f. HR. 22, 532 f. (Forsch 613 f.) MICHELSEN 12 ff. 51 Vgl. Anm. 57. 63. Schon der Unistand, daß die Investitursymbole von dem Grundstück selbst geholt werden, die Zeugen aber möglichst Nachbarn oder doch Stammesgenossen des Veräußerers sein mußten, ließ die Vornahme des Aktes in der Fremde unthunlich erscheinen. Vgl. BRITNNER, RG. d. Urk. 277 f. Monatsschr. f. Gesch. Westdeutschlands 6, 494 f. 54 Siehe Anm. 51. Der Grund mag in der dem ribuarischen Recht eigentümlichen Einrichtung der Gerichtschreiberei (S. 169) zu suchen sein, da es sich nicht um eine eigentliche gerichtliche Auflassung in prozessualischer Form, sondern nur um gerichtliche Beurkundung handelte. Vgl. BRUNNER, Zeitschr. f. HR. 22, 538 f. (Forsch. 617 f.). SOHM, Auflassung 92, n. 20. In der Karolingerzeit war die Gerichtlichkeit auch bei den Ribuariern nicht mehr unbedingtes Erfordernis. Die Werdener Traditionsurkunden (LACOMBLET, Urk.-B. 1) beziehen sich meistens auf außergerichtliche Akte, nur die in dem Orte Ad Crucem vorgenommenen Traditionen (Nr. 20. 24. 32. 34. 35) scheinen in dem Gericht eines Schultheißen (vicarius) vollzogen zu sein (vgl. Anm. 56). 65 Erst später gestattete man die symbolische Investitur mit Hand und Mund, Ohne Schrift, wozu der seit den späteren Karolingern eingerissene Verfall der Bildung den Anlaß gegeben haben mag. Vgl. BRÜNNER, RG. d. Urk. 276. 305. Die von diesem angeführte Urkunde von 795 gehört aber nicht hierher, da sie die Auflassung eines Lchns an den Herrn (Rückgabe des als Investitürsymbol empfangenen Schwertes seitens des Mannes) zum Gegenstand hat. Das älteste Beispiel wohl eine bairische Notitia von 819 bei MRIGHELBECK, Hist. Fris. 1, 2 S. 207, Nr. 390 (Tradition durch einen auf den Altar gelegten Handschuh). 58
Vgl. LOERSCH U. SCHRÖDER9 Nr. 89. 70. Auch die Anm. 54 erwähnten Wer-
dener Traditionen gewähren lehrreiche Beispiele einer Trennung der traditio cartae von der Investitur, meistens wohl durch den Umstand veranlaßt, daß der Veränßercr sich auswärts befand und so bald nicht in der Lage war, die an Ort und Stelle erforderlichen Schritte selbst zu thun. Während Nr. 30 (812) und 40 (820) bloß die in einer anderen Grafschaft vorgenommene traditio cartae erkennen lassen, zeigen Nr. 7 (796) und 32 (816), daß der Veräußerer Bich in solchen Fällen eines Stellvertreters als Salmann bediente; wahrscheinlich erfolgte die traditio cartae zunächst an diesen, aber in Gegenwart des Bedachten, dem sie dann bei der Investitur durch den Salmann übergeben wurde. Auf diese Weise konnte der letztere auch eine symbolische Investitur außerhalb des Grundstücks vollziehen, wie sie anscheinend bei der angezogenen Urkunde von 816 vorliegt (Gegenstand ein Wald bei Ad Crucem, traditio cartae in der Werdener Kirche im Ruhrgau, Investitur durch den Salmann vor dem Schultheißen zu Ad Crucem, Gau Nivanheim). Eine
§ 35.
Das Privatrecht.
2. Sachenrecht
281
gingen auf die Erben über; wenn einer der Vertragschließenden vor der Investitur starb, so konnte der Aussteller von dem Erben des Empfängers oder der Erbe des Ausstellers von dem Empfanger selbst die Urkunde zurückfordern. Dies ist die Bedeutung des c. 6 in Karls Capitulare legibus additum von 8 0 3 (BORETIUS 1, 113): Qui res suas pro anima sua ad casam Dei tradere voluerit, domi traditionem faciat coram testibus legitimis57; et quae actenus in hoste factae sunt traditiones, de quibus nulla est quesitio, stabilis permaneant66, si vero aliquis alii res suas tradiderit et in hoste profectus fuerit, et ille, cui res traditae sunt, interim mortuus fuerit: qui res suas tradidit, cum reversus fuerit, adhibitis testibus coram quibus traditio facta est, res suas recipiat; si autem et ipse mortuus fuerit, heredes eius legitimi res suas traditas recipiant59. Erst durch die Capitula legibus addenda von 8 1 8 / 9 c. 6 8 0 wurde die Wirkung der im Ausland vorgenommenen traditio (sala, salunga) zum Heil der Seele auch auf die Erben erstreckt, unter der Voraussetzung daß sie vor Zeugen, wo möglich Landsleuten oder doch Stammesgenossen des Veräußerers, vollzogen wurde und daß der Schenker dem Erwerber Gewerebürgen (fideiussores vestiturae, burigun thero geuueri) für die demnächstige reale Investitur bestellte 01 . Der Erbe des Schenkers sollte, wenn dieser vor Erteilung der Investitur starb, an die traditio gebunden und nicht zur repetitio de praedictis rebus (Rückforderung der carta und etwaiger Investitursymbole) berechtigt, vielmehr zur Vollziehung der Investitur verpflichtet sein 62 . Für Traditionen im Inland behielt es bei dem bisvon BRÜNNE», RG. d. Urk. 213 f. 305, angeführte Doppelurkunde von 840 enthält eine carta donationis und über die Investitur eine notiHa traiitionis\ Investitur vor dem Altar der beschenkten Kirche, anscheinend ohne nochmalige traditio cartae. Notitiae über eine reale Investitur im Anschluß an eine frühere traditio cartae bei ZEUMEB, Foimulae 188 Nr. 7. 8. 489 Nr. 2. 492 Nr. 6. 57 Also auf dem Grundstück selbst oder durch symbolische Investitur innerhalb der Grafschaft der belegenen Sache. 58 Auf der Heerfahrt vorgenommene Traditionen (vgl. LACOMBLET, a. a. 0 . Nr. 10) sollten also, soweit sie noch nicht angefochten waren, aufrechterhalten bleiben, für die Zukunft aber unzulässig sein. 59 Unter res suas ist die carta nebst etwa mitüberreichten Investitursymbolen verstanden. Vgl. Anm. 51. 60 BORETIUS 1, 282. Die entsprechenden Ausdrücke der althochdeutschen Übersetzung (vgl. S. 255 n.) sind in Klammern beigefügt. Die Neuerung der angezogenen Bestimmung bezog sich nach der Überschrift nur auf die Vergabungen pro salute animae suae\ nur der erste Satz (Traditionen intra comitatum) hat auch Veräußerungen an Verwandte oder dritte Personen im Auge. el Die Urkunden zeigen, daß die Gewerebürgen als Salmänner dienten, denen die Vollziehung der Investitur in Vertretung des Veräußerers oblag. Vgl. Anm 56 und die Döppelurkunde bei MEICKELBECK, Hist. Fris. 1, Nr. 369 von 820 (hinterher poch persönliche Investitur durch den Schenker, Nr. 370), feiner ebd. Nr. 629 (843). Sora, Auflassung 87 f. BBDMNER, Forschungen 35, n. 7. Hierfür sollte der Veräußerer per se fideiussionem faeere, also Selbstbürgschaft (durch festucatio) leisten.
Die fränkische Zeit
282
herigen Becht sein Bewenden63. Durch unser Gesetz wurde die bei Veräußerungen im Inland noch beibehaltene einheitliche Säle, die in alter Weise Veräußerungsgeschäft, Eigentums- und Besitzübertragungsakt zugleich war, für gewisse Veräußerungen außerhalb des Bezirks der belegenen Sache in zwei örtlich und zeitlich getrennte und doch untrennbar zusammenhängende Bechtsakte, die Sale {traditio) und die Gewere (vestitura, investitura), aufgelöst 61 . Eigentum und Besitz wurden erst durch die Investitur an Ort und Stelle übertragen, aber der Investiturakt als solcher war nicht die Eigentumsübertragung, sondern nur ihr unentbehrlicher Schlußakt. Die Sale war kein den Veräußerer gegenüber dem Erwerber und seinen Erben obligatorisch bindender Veräußerungsvertrag, sondern ein der Einigung des bürgerlichen Gesetzbuche» entsprechender dinglicher Vertrag und als solcher ein formell unentbehrlicher Vorakt der Investitur. Die Erben des Veräußerers waren durch die Sale gebunden, während sie für obligatorische Verpflichtungen des Erblassers nur mit der fahrenden Habe, nicht mit den Liegenschaften hafteten 65 . Auch der Wortlaut des Gesetzes, wenn es die Sale als rerum suarum traditio (sachunu sineru salungä) bezeichnet und den Erben des Veräußerers verbietet, de predictis rebus facere repetitionem, und ebenso die Beibehaltung des sonst den ganzen Eigentumsübertragungsakt bezeichnenden Ausdruckes sala oder traditio für den Vorakt, giebt zu erkennen, daß man mit der Sale die Idee der relativen Eigentumsübertragung gegenüber dem Veräußerer und seinen Erben verband; nur ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten war durch die Investitur bedingt, so daß im Fall einer Veräußerung derselben Sache an mehrere nicht die ältere Sale, sondern die ältere Gewere den Vorzug hatte 66 . Die neuere Sale mit nachfolgender Gewere war ebenso wie die ältere mit der Gewere verbundene Sale eine Übereignungsform des Volksrechts. Die des Amtsrechts waren die Auflassung im Scheinprozeß und.die Zu88
Si eo tempore intra ipsum comiiatum fuerit, in quo res Mae posilae sunt, legit¿mam traditionem facere studeat. " Vgl. Brunnes, RG. d. Urk. 278. 307. Hevsler 2, 71 ff. Sohm, Auflassung 101 ff., faßt umgekehrt die Verbindung von Investitur und Sale zu einem Rechtsakt als eine jüngere Entwickelung auf. Eine ganz abweichende Erklärung des Kapitulares bei Löni^o, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 754. 65 Selbst die Granerben (coheredes) des Veräußerers sollten nicht widersprechen dürfen, sondern durch den Grafen oder Königsboten zur Abteilung mit dem Erwerber gezwungen werden. 69
Vgl. Brunneb, Jenaer Litt.-Zeitung 1876, S. 500. Heosler 2, lQOf. Lönino
a. a. 0. 662, n. 2. Sohm, a. .a. 0 84. 98 f., der seine frühere Ansicht von der weitergehenden Wirkung der Sale (Recht d. Eheschi. 86 f., Trauung und Verlobung 144 f.) aufgegeben hat. Wenn Sobm noch daran festhält, daß die Sale das Eigentum übertragen habe, die Investitur dagegen nur den Besitz, als bloße Vollziehung der Sale, so läBt er die mit der Investitur verbundene Auflassung unberücksichtigt. Wer bloß die Gewere übertragen wollte, ohne sein Recht an der Sache aufzugeben, bediente sich der Investitur ohne Auflassung; die Aufgabe des eigenen Rechts trat erst durch die Auflassung ein. Vgl. Sohu, Auflassung 114 ff.; Heusler 2, 76 £
35. Das Privatrecht.
2. Sachenrecht.
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Stellung eines Kölligsbriefes. In den Immobiliarprozessen des Königsgerichts war es seit Mitte des siebenten Jahrhunderts üblich, der unterliegenden Partei durch Urteil die Revestierung des Gegners durch Exfestukation aufzuerlegen, ein Verfahren das in der Karolingerzeit auch in den volksrechtlichen Prozeß Eingang gefunden hat. Es lag nahe, dies Verfahren zur Ausbildung einer Übereignung im Wege der Scheinvindikation, nach Art der römischen Injurecessio, zu benutzen 67 . Allein so bedeutend dies für die mittelalterliche Rechtsentwickelung gewesen ist, so sind doch in unserer Periode nur erst die Anfänge einer gerichtlichen Auflassung zum Zweck der Eigentumsübertragung nachweisbar. Bei weitem die meisten Scheinvindikationen setzen den Eigentumserwerb bereits voraus und führen daher auch zu keiner Auflassung des Scheinbeklagten, sondern nur zu einer Feststellung des klägerischen Eigentums durch Urteil; der Scheinprozeß hatte hier nur den Zweck, dem Erwerber eine unscheltbare Königsurkunde über seinen bereits außergerichtlich vollzogenen Eigentumserwerb zu verschaffen88. Die zweite amtsrechtliche Form der Eigentumsübertragung, durch Zustellung eines Königsbriefes {praeeeptum s. testamentum regis), bestand nur für den König, und zwar als die gewöhnliche Form königlicher Landübertragungen 69 . Volksrechtliche Investiturhandlungen kamen zwar auch bei königlichen Übertragungen gelegentlich vor, wurden aber dann durch Königsbrief bestätigt 70 . Eine Auflassung fand bei Veräußerungen des 87 Vgl. BKUKNEB 2 7 4 ; Gerichtszeugnis und fränkische Königsurkunde (Festgaben für H E F F T E R , Berlin 1 8 7 3 ) 1 5 7 ff.; RG. d. Urkunde 2 7 5 . 2 8 6 f.; Zeitschr. f. HR. 2 2 , 5 2 7 f. (Forsch. 6 0 9 f.). SOHM, Eheschließung 8 3 ff.; Auflassung 9 0 ff.; Fränkisches Rccht und römisches Recht 3 1 . LABAND, Kr. VJSchr. 1 5 , 4 1 0 . B E W E R , Sala Traditio Vestitura 5 4 ff. BETHMANN-HOLLWEG , Germ.-rom. Civilprozeß 1, 4 9 3 . FICKER, Forsch, z. Reichs- und Recbtsgesch. Italiens 1, 3 7 ff. 3 , 3 7 2 ff. 69 Vgl. BRUNNER, RG. d. Urkunde 2 9 2 ff., wo nachgewiesen wird, daß der einzige bekannte SchcinprozeB mit Auflassung ( M G . Dipl. imp. 1, 6 4 , Nr. 7 3 ; LOERSCH u. SCHRÖDER * Nr. 2 3 ) sich auf eine lange vorher vollzogene Vergabung von Todes wegen bezieht, die Auflassung also nur die sofortige Abtretung des der Auflassenden bis zu ihrem Tode vorbehaltenen Besitzes zum Gegenstand hat. Vgl. HEDSLER 2 , 8 4 . a Vgl. S . 211. L. Rib. 60, 3. BEBELES, Erbverträge 1, 45. SOHM, Auflassung 103, n. 30; Fränkisches Recht und röm. Recht 52. SCHRÖDER, Franken 62 ff. BRUNNER, Zeitschr. f. HR. 22, 536f.; Zeugen- und Inquisitionsbeweis 60 f. (Forsch. 144). LOERSCH U. SCHRÖDER Nr. 16 (13). 22. 30. 31 (26). Herzog Tassilo und, bei Lebzeiten seines Vaters, auch Ludwig der Deutsche bedienten sich der einfachen carta, also doch ivohl der volksrechtlichen Form. Vgl. MEICHELBECK, Hist. Fris. 1, 2, Nr. 11. 22. 69. Font rer. Austr. 31, 3. Urk.-B. d. Landes ob der Enns 2, Nr. 2. Nr. 8. 70 Ludwig 1. erteilte der Würzburger Kirche 837 ein Diplom über einen unter Karl dem Großen vollzogenen Tausch Würzburger und fiskalischer Güter, quia tune interveniente ineuria auetoritas imperialis super eosdem eommutationes nullatenus aeeepta fuerat. ECKHART, Commcntarii de rebus Franciae orientalis 2 , 8 8 4 , Nr. 9 . Der Königsbrief war hier nur Beweisurkunde. Vgl. REDLICH, Mitt. d. öst. Inst. Erg. 6 , 1 0 ff. MOHLBACHER, Mitt. d. öst. Inst. 3 , 3 0 8 ff., wonach LOERSCH u. SCHRÖDER, Nr. 3 4 und 35 zu berichtigen. Bei herrenlosen Ländereien kam es wiederholt vor, daß sich jemand auf eigene Hand in den Besitz setzte und erst später ein praeeeptum regia
284
Die fränkische Zeit.
Königs nie statt, auch wenn es sich ausdrücklich um die Übertragung vollen vererblichen und veräußerlichen Eigentums handelte 71 . Eine allen germanischen Rechten gemeinsame Eigentümlichkeit war die Unterscheidung des durch S c h e n k u n g erworbenen Eigentums Von dem Erwerb aus entgeltlichen Geschäften 72 . Zwar verlangte auch die Schenkung (gemeingermanisch gäbe, geben) ihren Lohn, sei es in Gestalt einer unmittelbaren Gegengabe, durch die sie sich dem Kauf zur Seite stellte 73 , oder in der Weise einer dem Beschenkten gemachten Auflage, durch deren Erfüllung die Gunst nachträglich verdient werden mußte, aber der Inhalt des durch Schenkung erworbenen Eigentums, zumal bei der L a n d g a b e , richtete sich wesentlich nach dem Zweck und dem ausgesprochenen Willen des Schenkers, der, wenn er volles vererbliches und veräußerliches Eigentum übertragen wollte, dies besonders hervorheben mußte. Die Landschenkungen der merowingischen wie der burgundischen Könige und der bairischen Herzoge waren im Zweifel nur in der absteigenden, nicht in der Seitenlinie, die fränkischen und burgundischen außerdem nur im Mannesstamm vererblich und unterlagen im übrigen dem Wiederkehrrecht 74 . Wegen Untreue konnten sie erwirkte.
V g l . § 28, n. 98.
LOEBSCH U. SCHRÖDER8, N r . 4 5 (36). 7 2 .
T H . SICKEL,
Regesten der Karolinger 61, Nr. 159; 82, Nr. 247. " Vgl. SOBM, Auflassung 116, n. 50. SCHRÖDER, Franken 79. Bedenken könnte es erregen, daß die Könige seit Ludwig dem Frommen in ihren Schenkungsbriefen zuweilen von traditio solemnis, donatio solemnis oder more solemni transferre reden. Vgl. Form, imper. 2 . 4 4 . 4 6 (ZEUMER 2 8 9 . 3 2 0 . 322). ROTH, Feudalität 41. SICKEL, a. a. 0., Reg. Ludov. 141. 294. 312. 323. 383. Aber jenen Ausdruck brauchte man auch bei Landschenkungen, bei denen dem Bedachten kein Verftußerungarecht eingeräumt wurde (vgl. DRONKE, Cod. dipl. Fuld. Nr. 390), er kann daher nur auf die feierliche Form des königlichen Diploms bezogen werden. 72 Über das Folgende BRUNNER, Landschenkungen der Merowinger u. Agilolfinger (Berl. SB. 1885, S. 1173 ff., mit Zusätzen vermehrt Forsch, lff.); Über den german. Ursprung des droit de retour, Forschungen 676 ff. v. AMIRA, Obl.-R. 1, 2 8 6 . 5 1 0 f . 2, 6 1 6 . 6 1 9 . 6 2 1 .
FICKER, E r b e n f o l g e 2 , 4 6 8 ff. 4 8 5 ff. 3, 4 2 ff. 1 0 8 ff.
" V g l . S. 63 und unten Anm. 127 f. 150 f. 199. 263. Roth. 175. 184. Liutpr. 43. 73. BOBETICS, Gapitularia 1, 188, c. 3. Gaudenz. Fragment (S. 238), c. 1 4 . HECSLER 1, 8 1 . VAL DE LI£VBE, Launegild 16. 2 4 . 4 8 ff; Revision der Launegildstheorie, ZRG. 17, 2 2 . 3 0 ff. PAPPENHEIM, Launegild u. Garethinx, 1 8 8 2 (GIEBKE, Unters. 14), S. 6 ff. v. AMIRA, Obl.-R. 1, 343. 506 ff. 2, 344. 614 ff. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterrechts 1, 39. KOHLEB, Beiträge 2, l f f . 9. J. GRIMM, Schenken u. Geben, Kl. Schriften 2, 174 f. DÜMMLER, FDG. 6, 120 f. EHRENBERO, Commendation u . H u l d i g u n g 69.
PERTILE, S t o r i a 4, 5 4 1 ff. TH£V£NIN, C o n t r i b u t i o n s 6 5 n .
FICKEB,
Mitteil. d. öst. Inst. 22, 13. Die Gegengabe (lang, launegild, alts. Icmgeld, altschwed. auf die Erbsuhnc kamen. Zweidrittel davon, abgerundet auf 2500 den. oder 62 1 / s Sol., waren das Wergeld des tributarius und des miles Romanus (nach L. Rib. 62 nur SU Sol.), erat durch c. 1 des 6. salischen Kapitulars ( B E H B E N D * S. 157) erfolgte ihre Gleichstellung mit den possessores. Vgl. L. Sal. 41, 6 f. 42, 4. Erstes sal. Kapitular 1 1 , 8 (BEHREND* S. 80
137).
BRUNNER 2 ,
614.
Vgl. B R U N N E R , RG. 1, 225 ff. 2, 614 ff., dessen Ausführungen von H E C K , Altfries. Gerichtsverfassung 229 ff. 298 ff. mit unzureichenden Gründen bekämpft werden. Die Hauptstelle ist L. Rib. 36, 1 —4 (mit den karolingischen Interpolationen seu Fresionem und Saxonem, vgl. B R U N N E B 1, 304, n. 5), dazu L . Sal. 41, 1. L . Cham. 4. L . Angl, et Wer. 2. 45. 49 (vgl. B R U N N E B 1, 226, n. 11). L . Alam. 45. 60, 1. L. Baiuw. 4, 28. Das s ä c h s i s c h e Freienwergeld betrug 240 kleine Schillinge (S. 190, n. 17), also 160 fränkische Schillinge. Vgl. L. Sax. 14. 16. 40: 66. Über das f r i e s i s c h e Wergeld vgl. S. 250 n. His, a. O. 228 und die abweichenden Ausführungen von H E C K , Gerichtsverfassung 270 ff.; Gemeinfreie 206 ff. B E W E R , a. a. 0 . 1 1 1 ff. P A T E T T A , Lex Frisionum S. 22 ff. Über das a n g e l s ä c h s i s c h e Wergeld S C H M I D , Ges. d. Angels. 675, K. M A U B E B , Kr. Übersch. 3, 4 8 . Das Freienwergeld der B u r g u n d e n betrug zurZeit ihrer Selbständigkeit 150 Sol. (L. Burg. 2, 2), ebenso viel das der L a n g o b a r d e n (das aber durch den Fredus nuf 300 Sol. verdoppelt wurde, Liutpr. 62) und der W e s t g o t e n (DAHN, WestgStud. 174. W J L D A 427 ff.). Über das a l t n o r d i s c h e Wergeld vgl. GUDMUNDSON, 1. d. Germ. Abh. f. K . M A U R E R (s. S. 5 ) 5 2 1 ff. " Vgl. B R U N N E R , R G . 1 , 2 1 9 , His 53"ff. 2 3 2 ff. und die S. 8 0 , n. 4 6 angeführte Litteratur. L. Fris. 1, 1. 4. 7. 10. 15, 3. L. Sax. 18. 19. aî Vgl. L. Angl, et Wer. 31. L. Alam. 45. 60, 1. L. Baiuw. 4, 28. L. Burg. 2, 7. L. Wis. 6, 1 c. 8. Liutpr. 13. 20. L. Rib. 67 (§ 35 n. 323). L O E R S C H U . S C H R Ö D E R ' , Nr. 32. W I L D A 397. B R U N N E R , RG. 1, 219 ff.; Sippe u. Wergeld 4. 46 f. SALVIOLI, La responsabilità dell' erede 19 ff. G I E R K E , Gcnossenschaftsrecht L, 21. " Vgl. S. 118. 126. 129. 137. 141. 150. 165. 216f. L Ö N I N Q , Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 272 f. 296 ff.
Die fränkische Zeit.
346
eine Verdreifachung oder selbst Verneunfachung des Wergeides statt 34 . Hörige hatten in der Regel das halbe FreienwergeldS6. Für die Tötung Ton Unfreien galt zum Teil noch die alte Auffassung als Sachvernichtung, einzelne Yolksrechte ließen aber auch dem Unfreien bereits einen festen Ansatz als Wergeid zukommen36. Den Abstufungen der Wergeidsätze entsprachen im allgemeinen die zum Teil höchst kasuistischen Bußtaxen, die sich, namentlich wo keine Verletzungen des Vermögens, sondern solche der Person vorlagen, meistens nach dem Stande des Verletzten (zuweilen auch nach dem des Übelthäters) richteten 37 . Die Buße erhielt der Verletzte oder dessen Muntwalt, und zwar der letztere stets zu eigenem Recht, soweit es sich um eine Verletzung seiner Muntrechte handelte, während bei Verletzungen des Mündels mehr und mehr die Neigung hervortrat, diesem die Bußen zukommen zu lassen; nur bei den Muntherren öffentlichen Rechts, oder wenn Vater oder Bruder Muntträger waren, wurde die frühere Strenge ganz oder zum Teil festgehalten38. Bei allen Bußbeträgen lassen sich trotz der größten Mannigfaltigkeit gewisse Grundprinzipien erkennen, indem die Ansätze entweder auf Bruchteile des Wergeides oder eine Mehrheit von Wergeldern oder gewisse Einheitsbeträge zurückzuführen sind39. Das älteste System war unverkennbar M Vgl. S. 74. L. Sal. 42, 1. 2. L. Alam. 28. L. Fris. 7, 2. 17,1—3. 20, 1. Im langobardiachen Recht fand namentlich das dreifache Wergeid von 900 Sol. (mit Einschluß des Fredus) vielfache Anwendung. Bei Mord Verdreifachung nach fränkischem und langobardischem Recht, Verneunfachung bei Alamannen, Baiern, Friesen und Sachsen. Vgl. L. Sal. 41, 2, 4. L. Rib. 15. Roth. 14. Pact. Alam. 2, 41. L. Alam. 48. L. Baiuw. 19, 3. L. Fris. 20, 2. L. Sax. 19. BOHETIÜS, Capitularia 1, 257. " Vgl. L. Sal. 42, 4. Cham. 5. Angl, et Wer. 45. Alam. 16. Sax. 16. Cap. leg. Rib. add. v. 803, c. 2 (BOBETIÜB 1, 117). Bei den Ost- und Westfriesen hatte der Hörige ebenfalls die Hälfte, bei den Mittelfriesen Zweidrittel des Freienwergeldes. Vgl. L. Fris. 1, 4. 7. 10. 15, 3. 22, 90. add. sap. 3, 73. Die langobardiachen Aldien hatten nur ein Wergeld von 60 Sol. (Roth. 129. 376), das ausschließlich ihrem Herrn zukam, nur bei den Königsaldien räumte Liutprand (Notitia de actoribus c. 3 f.) den Verwandten die Hälfte ein. Das Wergeld des bairischen frilax betrug 40 Sol. (L. Baiuw. 5, 9). Über das Wergeld der Provinzialen s. Anm. 29. 38 Vgl. BRUNNER, RG. 1, 232. Halbes Wergeld der Hörigen L. Cham. 6. L. Fris. 15, 4. L. Baiuw. 6, 12. Kapitulare von 808, c. 2 (BOKETIUS 1, 139). Bei den Saliern 35 Sol., den Ribuariern 36 Sol. (L. Sal. 10. Rib. 8), also ohne den Fredus 24 Sol., ebenso viel nach L. Sax. 17 (36 kleine Schillinge), dagegen nur 15 Sol. nach L. Alam. 7. Bei den Alamannen wurde für bessere Unfreie beider Geschlechter eine Todschlagsbuße von 40 Sol. berechnet. Vgl. GOTHEIN, Beiträge z. Gesch. d. Familie (S. 298 n.) 2 ff. 37 Vgl. K. MAUBEB, Kr. VJSchr. 5, 307 ff. (gegen OSENBRÜGQEN, Strafe d. Langob. 22). 8S
V g l . KRAUT, V o r m u n d s c h a f t 1, 331 ff. HEUSLER, Inst. 1, 124 f.
RIVE, V o r -
mundschaft 1, 204 f. 236 ff. 272. OSENBRÜQGEN , a. a. O. 114 ff. Einen Teil des Wergeldes seines Liten hatte der Herr nach friesischem (und wohl auch nach sächsischem) Recht an die Verwandten des Getöteten abzugeben. Vgl. Anm. 35. His 48. " Reich sind die Volksrechte namentlich an Bußbestimmungen zur Wahrung
§ 36.
Das Strafrecht
1. Das Strafensystem.
347
das Duodezimalsystem mit dem Einheitssatz von 12 Sol. (oder 18 Sol. unter Hinzurechnung des Fredus), während das schon in der Lex Salica angenommene Dezimalsystem mit dem Einheitssatz von 10 Sol. (oder 15 Sol. mit dem Fredus) im Laufe der Zeit zu immer größerer Bedeutung gelangte 4 0 . Die meisten Bußen trugen gleichzeitig den Charakter der Privatstrafe und des Schadenersatzes, nicht selten bestanden sie in einem Mehrfachen des letzteren, auch kam es vor, daß neben der Buße noch ein besonderer Schadenersatz zu leisten war 4 1 . Eine den drei fränkischen Rechten und (wohl durch Entlehnung) dem thüringischen Recht eigentümliche Nebenbuße bei Eigentumsverbrechen, namentlich Diebstahl und Raub, war die dilatura oder wirdira (auch delatura, ahd. wirdria), deren sehr bestrittene Bedeutung wahrscheinlich die einer Verzugsstrafe für die dem Berechtigten auferlegte Entbehrung war 42 . Alle Bußsachen gehörten, soweit sie nicht Fehdesachen waren, zu den causae minores, während peinliche Sachen, auch wenn Lösung des Halses oder der Glieder erfolgte, durch Ausschließung der Fehde ihre Eigenschaft als Kapitalverbrechen nicht verloren 43 . Bis in die Urzeit zurückgehende der weiblichen Geschlechtsehre (vgl. das pretium pudieitiae s, humiliationis der kirchlichen Bußbächer, bei den Langobarden anagrip) sowie der Muntrechte über Weiber. In schwereren Fällen der Verletzung der Geschlechtsvormundschaft, wie Entführung u. dgl., wurde eine dem gesetzlichen Wittum entsprechende Muntbrüche, an deren Stelle später vielfach das Wergeid des Weibes oder des Thäters trat, erhoben. Vgl. SCHRÖDER, Gesch. d. ehel. Güterrechts 1, 11 ff. SOHM, ZRG. 5, 398. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 285—305. Als dreifaches Wergeid erklärt sich die Anm. 28 erwähnte Hochbuße von 900 Solidi. 40 Vgl. BRUNNER, Duodecimalsystem und Decimalsystem in den Bußzahlen der fränk. Volksrechte, Beri. SB. 1889, S. 1039 ff. (Forsch. 482 ff.); RG. 2, 616 ff. Während die Bußen sonst regelmäßig nur in Schillingen angesetzt sind, berechnet die Lex Salica sie zugleich nach Denareii, wobei zum Zweck der Abrundung das ursprüngliche Bußensystem vielfach durchbrochen wird. So ist die salische Buße von 62'/i Sol. vielleicht aus einem auf 2500 Den. abgerundeten halben Wergeid von 66*/, Sol. zu erklären. Vgl. Anm. 29. 41 Vgl. S . 353. 356. BRUNNER, R G . 2, 613 f.; Absichtslose Missethat 829. SCHBEUEB, a. a. 0 . 26. v, AMIRA, Grundr.* 150. His 237 f. Vgl. GRIMM, bei M E B K E L , Lex Salica, Vorrede pg. 8 5 ff. W I L D A 9 0 0 ff. v. RICHTHOFEN und SOHM, M G . Leg. 5 , 1 3 0 , n. 7 1 . 2 7 4 , n. 2 5 . G A U P P , Lex Franc. Cham. 7 3 ff. ZÖPFL, Ewa Cham. 7 6 . BEBBEND, Lex Salica* 2 1 3 . W A I T Z , Das alte Recht 1 9 7 ff. Du C A N O E , Glossar, s. v. delatura. SALVIOLI, Responsabilità 3 0 . v. W O R I N G E N , Beiträge 7 4 ff. KÖSTLIN, Gesch. d. deutsch. Strafr. 111. VANDERKISDERE, La dilatura dans les textes francs (Mémoires cour, de l'acad. de Belgique, 1888). TAMASSIA, La delatura, I. 1 8 9 7 (Arch. giurid. 5 8 ) . II. 1 8 9 8 (Atti del Ist. Veneto de scienze 1 8 9 7 — 9 8 ) . W . SICKEL, Bestrafung des Vertragsbruches l l f f . MASCHKE, Cap. 2 4 u. 2 6 der L. Franc. Chamav., Königsb. Diss. 1 8 9 8 . HERMANN, Mobiliarvindinkation (GIEBKE, Unters. 2 0 ) 2 8 ff. SCHBEUEB, a. a. 0 . 1 4 7 f. BRUNNER, RG. 2, 624 ff. Der letztere macht darauf aufmerksam, daß die dilatura auch von den Erben zu entrichten war, also mehr civil- als strafrechtlicher Natur gewesen sein muß. Man könnte sie der gemeinrechtlichen Litiscrescenz vergleichen. Eine früher verbreitete Annahme, daß die dilatura eine Anzeigeprämie nach Art des ags. meldfeoh gewesen sei, ist unhaltbar. 43
Vgl. A n m .
20.
BRUNNEB 2 , 5 3 8 f .
348
Die fränkische Zeit.
Strafen für niedere Frevel unfreier Personen, erst in der Karolingerzeit auch über die unterste Klasse der Freien, stets aber in ablösbarer Weise Terhängt, waren die Strafen an Haut und Haar, d. h. schimpfliches Scheren oder Ausreißen der Haare, regelmäßig mit Prügelstrafe, zuweilen auch mit Brandmarkung verbunden44. 2. Zurechnung und Znmessung. In betreff der Zurechnung war der unvollkommene Standpunkt des altgermanischen Rechts noch im wesentlichen vorherrschend. Noch galt im allgemeinen der Satz „Die That tötet den Mann" and nur in einzelnen Bichtungen läßt sich ein Fortschritt erkennen46. So vor allem bei der Behandlung des Ungefälirs. Zum Teil wurden die zu einer strafbaren Handlung erforderlichen Thatbestände genauer abgegrenzt, so daß der Zufall ausgeschlossen blieb46, während sich andererseits der Kreis der typischen Fälle, die dem Thäter Berufung auf die Abwesenheit des bösen Willens gestatteten, erweiterte47. Die Berufung auf das Ungefähr wurde erleichtert, indem in zahlreichen Falten Selbstanzeige und Verklarung nicht mehr erforderlich waren, sondern der Thäter die Klage abwarten und dann den Reinigungseid leisten " Vgl. BRUNNEB 2 , 6 0 5 ff. His 1 9 9 . Scheren der Haare als Strafe der Ehebrecherin schon bei Tacitus, 'Germania c. 1 9 . Vgl. MÖLLENHOFF, D A . 4 , 3 0 9 f. Die Strafe an Haut und Haar fluid für Unfreie namentlich in allen Fällen wo Freie eine Bannbuße verwirkten 'Anwendung. 45 Über das Folgende vgl. S. 82. BBUNNER, Absichtslose Missethat, Berl. SB. 1890, S.815ff. (Forsch. 487ff,, mit Zusätzen); RG. 2, §§ 125 f.; ZUG. 30, 132. 134. v. A V I S A , Grundriß 4 141 ff.; Obl.-R. 1, 391 ff. 2, 404ff.; Zweck und Mittel 56; Tierstrafen und Tierprozesse, 1891 (Mitt. d. öst. Inst. 12, 645 ff.). GRIMH, RA. 664 ff. S HEDSLEB, Instit. 2, 262 ff. STOBBE, Privatr. 3, 377. 388. 402 ff. (3 , 508. 537 ff. 547). W I L D A 544 ff. 578 ff. 640 ff. 652 ff. v. B A R , Gesch. d. deutsch. Straft. 62 f. K . MAURER, Er. Übersch. 2, 31 ff. OSENBBÜGOEN, Straft, .d. Langob. 8. 32 f. G A U P P , Gesetz der Thüringer 374f. 392 ff. 410ff.; Reeht u. Verfassung der alten Sachsen 198 ff. v. RICHTHOFEN, Zur Lex Saxonum 241. ff. His 37 ff. HÄLSCHNER, Syst. d. preuß. Strafr. 2, 153 ff. L Ö F F L E R , a. a. 0. 32 ff. SCHMIDT, Schadensersatz i. d. Volksrechten, 1885 ( G I E B K E , Unters. 18). J A S T R O W , Zur strafrechtlichen Stellung der Sklaven, 1878 (ebd. 2). LESEOB, Des conséquences du délit de l'esclave dans les Leges Barbarorum et les Gapitulaires, N.Revue 12, 576 ff. 657 ff. G . M E T E R , ZRG. 15, 85 ff. D A H N , Westg. Stud. 143 ff. K R A U T , Vormundschaft 1, 341 f. 347 ff. KRANK, Kasuelle Tötung i. d. Volksreehten, Berlin 1890. MATER, Entsteh, d. L. Rib. 120 ff. BEAUDOUIN, Recommandation 27 ff. J H E R I N O , Verm. Schriften (1879) 155 ff. K O H L E R , Shakespeare 161. 188. v. MEIBOM, Pfandrecht 198 f. SCHBEOER, a . a . 0 . 2 0 2 ff. 2 2 1
ff.
B B W E R , a . a . O . 9 6 ff.
" Betonung der Fahrlässigkeit: L. Burg. 18, 2. 41, 1. 2. 46, 4. 72. Roth. 304 f. L. Baiuw. 14, 1. L. Rib. 70, 2 ff. L. Sax. 55. L. Wis. 8, 3 c. 3. 4 c. l 6 f . Vgl. LÖFFLER, a. a. O. 40-f. Straf barkeit nur bei Ableugnung der That: WILDA596. L. Sal. 9, §§ 2 ff. L. Rib. 82, 1. L. Bainw. 9, 10. 14, 5. Die Kapitalstrafe des Meineides (S. 367) auf (wissentlichen Meineid beschränkt: W I L D A 982 f. BBUNNBR 2, 647. L . Sax. 21 f. " Irrtum: Roth. 248. 842. 348. Unfreiwillige Verwundung oder Tötung von Tieren oder-selbst von Mensehen: L. Wis. 6, 5 c. 2 f. L. Baiuw. 9, 10. L. Angl, et Wer. 51. Roth. 387. L. Burg. 6, 2. Notstand: Roth. 324. Tollwut: Roth. 324.
§ 36.
Das Strafrecht.
2. Zurechnung und Zumessung.
349
konnte 48 . Die Wirkung der Ungefährwerke wurde mehr und mehr des strafrechtlichen Charakters entkleidet, die Buße herabgesetzt oder auf den einfachen Schadenersatz beschränkt49. Bei Unfällen, die durch Tiere oder leblose Gegenstände verursacht waren, wurde zwar im allgemeinen am der Verantwortlichkeit des Eigentümers festgehalten60, unter Umständen aber die Abwälzung der Haftung auf einen Dritten oder die Berufung auf eigene Schuld des Verletzten gestattet61. Nach vielen Bechten bestand eine bloße Sachhaftung, so daß der Eigentümer durch Auslieferung der als Ursache des Unfalles angesehenen Sache entweder von jeder persönlichen Haftung befreit wurde 62 oder doch Anrechnung ihres Wertes auf die ihm obliegende Ungefährbuße verlangen konnte (S. 350). Eine jüngere Entwickelung, für unsere Periode freilich nur hinsichtlich lebloser Gegenstände bezeugt, ließ den Eigentümer schon dann frei ausgehen, wenn er den Urheber des Schadens, ohne ihn ausdrücklich abzutreten, preisgab63. Sehr viel langsamer als bei Tieren und leblosen Gegenständen ist die Berufung auf das Ungefähr bei Sklavendelikten zur Anerkennung gelangt. Das thüringische Recht ließ den Herrn für Missethaten seiner Kechte in alter Weise schlechthin wie für seine eigenen haften 64 , auch das Becht der Ostfriesen verlangte von dem Herrn, neben Auslieferung oder Halslösung für den Schuldigen, die volle Buße66. Ebenso das lango48
Vgl. BRUNNES 2, 546 ff. 555; Absichtl. Missethat 826. 828. v. AMIBA 8 142 f.
Wegen Tötung eines Räubers auf bandhafter That (Anm. 12) wird Form. Tur. 30, 31 zunächst eidliche Verklarung, später gerichtlicher Reinigungseid abgelegt. 49 Vgl. L. Burg. 4, 4. 46, 2. 49, 1. 78, 2. L. Rib. 46, 2. L. Fris. add. sap. 3, 68 ff. L. Wis. 8, 3 c. 6. 4 c. 23. Roth. 147. 256. 328. Grimow. 9. Liutpr. 136. BBUNNEK 2, 547f.; Absichtsl. Missethat 829f. v. AMIBA, Obl.-R. 1, 370f. 389. so Vgl. Pact. Alam. 3, 17. L. Angl, et Wer. 52. L. Fris. add. sap. 3, 68 f L. Rib. 46, 1. L. Sax. 57. Roth. 309 f. 325 f. 328. 331. 51 Vgl. L. Alam. 83. L. Baiuw. 9, 6. "L. Fris. add. sap. 8. 10, 2. L. Rib. 72, 4. L. Burg. 18, 2. 46, 2 f. L. Sax. 59. 60. Knuts engl. Ges. 2, 75. Roth. 274. 307 f. 311. 322. 327. Liutpr. 110. 136 f. L. Wis. 7, 2 c. 6. 8, 4 c. 23. 52 Vgl. L. Wis. 8, 4 c. 12, c. 20. L. Burg. 18, 1. Alfreds engl. Ges. c. 13, c. 24. Daß auch das jüngere ribuarische, das sächsische und bairische Recht die gleichen Grundsätze befolgten, läßt sich aus der Behandlung der Sklavendelikte entnehmen. Vgl. Anm. 58. Für das mittelalterliche Recht vgl. BEEREND, Stendaler Urteilsbuch 77 ff. Eine anscheinend erst im 13. Jh. in Frankreich aufgekommene und von da allmählich über ganz Westeuropa verbreitete Neuerung waren die öffentlichen Strafen für Haustiere die einen Schaden angerichtet hatten. Die Tierprozesse und geistlichen Tierexkommunikationen dagegen sind aus Dämonenbannungen hervorgegangen, für die sich auch im germanischen Heidentum Anknüpfungspunkte finden. Vgl. v. AMIBA, Tierstrafen 550 ff. 560 ff. 591 ff. 595 ff. BRUNNEB, Forschungen 519. 5S Vgl. BRUNUER 2, 556 ff.; Absichtsl. Missethat 836f. 840. Wer eine solche Sache (die nach altheidnischer Auffassung als den Göttern verfallen galt) wissentlich an sich nahm, hatte die verwirkte Ungefährbuße zu zahlen. Vgl. L. Rib. 70, 1. 54 L. Angl, et Wer. 58 f. " L. Fris. 1, 13, Zusatz. L. Fris. 9, 17.
Die fränkische Zeit.
350
bardische Recht M , bis Grimowald c. 3 die persönliche Haftung des Herrn auf den Höchstbetrag von 60 Sol. beschränkte, der sich noch um 20 Sol. (als den Wert des Sklaven) erhöhen sollte, wenn der Herr den Schuldigen nicht auszuliefern vermochte. Denselben Standpunkt beschränkt persönlicher Haftung nahm ein Kapitulare Karls des Großen (BOBETIUS 1, 143 c. 1) ein, indem die Herren für Sklavendelikte nie mehr als das Wergeid eines freien Mannes büßen sollten; ob in einzelnen Fällen noch darüber hinausgegangen werden dürfe, wurde der Entscheidung des Königsgerichts vorbehalten57. In den meisten Volksrechten wurden dem Herrn aber die Thaten des Knechts, soweit sie weder mit seinem Wissen noch auch in seinem Gefolge (Roth. 249) begangen worden waren, überhaupt nur noch als Ungefahrsachen angerechnet. Einzelne Rechte begnügten sich mit reiner Sachhaftung, so daß der Herr von jeder persönlichen Haftung frei wurde, wenn er den Knecht auslieferte oder dieser ohne sein Zuthun nach vollbrachter That entfloh und der Herr ihn nicht wieder einzubringen vermochte®8. Vielfach blieb in Ungefährsachen eine besondere Ungefahrbuße, auch wenn der Thäter (Tier oder Sklave) ausgeliefert wurde, als persönliche Pflicht des Herrn bestehen, häufig aber unter Anrechnung des Wertes des Ausgelieferten 69 . Für die ausgelieferten Sklaven, die ursprünglich der Privatrache des Verletzten verfielen, hat sich allmählich ein eigenes S k l a v e n s t r a f r e c h t 86 Vgl. Roth. 254. 261. 370—373. Die Kölligssklaven standen bei Mord sowie bei niederen Bußsachen den Privatsklaven durchaus gleich; dagegen genügte bei Hochbußsachen die Auslieferung des Schuldigen. Bei Giftmord gestattete schon Roth. 142 allgemein, daß der Wert des ausgelieferten Sklaven auf die Buße angerechnet wurde. Bei Missethaten eines entflohenen Sklaven haftete der Herr immer nur beschränkt, unter Umständen gar nicht. Vgl. Roth. 256. 274. Vgl. BRÜNNER, Absichtsl. Missethat 821. SCHBEUEB, a. a. 0 . 1 2 8 f. M Vgl. L. Burg. 20, 1 f. 91. 92, 4. 94, 2. L. Wis. 6, 5 c. 10, c. 20. 7, 2
c. 3. 8, 4 c. 2 1 .
L . Sax. 51
ff.
C a p . a d . l e g . R i b . v . 8 0 3 , c . 5 (BOBETIUS 1 , 1 1 7 ) .
L. Baiuw. 8, 9. 9, 6. In Totscblagsachen gestattete das baierieche Recht nur die Anrechnung von 20 Sol., als Wert des ausgelieferten Sklaven, auf die verwirkte Wergeldschuld, vgl. BRUNNEB 2, 552, n. 4. Eine Befreiung des Herrn von persönlicher Haftung trat nicht ein, wenn er sich bloß des angeschuldigten Sklaven entschlug, ohne ihn auszuliefern oder den Nachweis zu fuhren, daß er seiner nicht habhaft werden könne. Vgl. BOBETIUS 1, 117, c. 5. 143, c. 1. Anders, wenn es sich um die That eines Hörigen oder eines Schuldknechts handelte, fiir den der Herr nur einzustehen hatte, wenn er ihn der gerichtlichen Verfolgung entzog. Vgl. L . S a x . 18. 69
I n e 74.
BOBETIUS 1, 1 1 4 c .
8.
Bei Tötungen Zweidrittel des Wergeides nach L. Fris. 1, 13 (West- und Mittelfriesen), das halbe Wergeid nach L. Sal. 35, 5. 36. L. Rib. 46, 1. Pact. Alam. 3, 16. 5, 11. Nach alamannischem Recht war in gewissen Fällen das volle Wergeid zu zahlen, das bei Tötung durch einen Hund aber nur unter unerfüllbaren Bedingungen gefordert werden konnte (Pact. Alam. 3, 16—18. 5, 11 f.). Das jüngere fränkische Recht ließ sich an der Auslieferung des Übelthäters genügen, wenn sie rechtzeitig und unter Gefährdeeid erfolgte. Vgl. die späteren Texte der L. Salica und BOBETIUS 1, 8 c. 6. 9 c. 8. 17 c. 10. 117 c. 5.
§ 36.
Das Strafrecht. 2. Zurechnung und Zumessung.
351
mit den verschiedensten Todes- und Verstümmelungsstrafen, in leichteren Fällen mit Strafen an Haut und Haar, ausgebildet 60 . Dabei war die Auslieferungspflicht des Herrn, der für seine Person die Gunst des Ungefährs beanspruchte, hier wie bei Tierschäden ursprünglich eine unbedingte 61 , nur vereinzelt wurde dem Herrn das Recht der Strafablösung durch Geld zugestanden 62 . Die kirchlichen Bußordnungen stehen in der Behandlung des Ungefähre noch ganz unter dem Banne der volksrechtlichen Auffassung 63 , erst im 9. Jahrhundert folgte auch die Kirche den Fortschritten, die zuerst durch die Billigkeitsjustiz des Königshofes in der Unterscheidung absichtlicher und unabsichtlicher Missethaten erzielt wurden 64 . Der Strafbarkeit der Ungefahrwerke entsprach ursprünglich die Straflosigkeit des V e r s u c h e s 6 6 , der A n s t i f t u n g und der B e i h i l f e (ahd. folleist). Auch auf diesen Gebieten machte sich dann der Fortschritt in der Aufstellung typischer Ausnahmefälle, die man als selbständige Versuchs-, Anstiftungs- und Beihilfeverbrechen bezeichnen kann, geltend 66 . Dagegen wurde die B e g ü n s t i g u n g nach der That, auch abgesehen von der Unterstützung friedloser oder im Vorbann befindlicher Personen, allgemein
V g l . BBUNNEB 2, 553 ff. G . MEYER 5, 95.
v . BAR 68 f.
" Nach Decr. Childeberti v. 595 c. 10 f BORETIUS 1, 17) bei Strafe des eigenen Wergeides. 41 L. Burg. 92, 5. 103, 5. L. Fris. 3, 7. L. Sal. 12, 2. WILDA 660, n. 2. V g l . HÄLSCHNER, P r e u ß . S t r a f r . 2, 155.
BRUNKER 2, 548.
WASSERSCHLEBEN,
Bußordnungen 391. 550. 84
V g l . S. 850.
BBUNNER 2, 136. 548 f.
WILDA 581 f.
REOINO, D e
synodal,
causis 2, 15—19. 61
Nur bei handhaftcr That zog schon der bloße Versuch die Fricdlosigkeit von Rechts wegen nach sich, so daß man den Ertappten straflos töten konnte. Vgl. His 76. 68
V g l . BRUNNER 2, 136.
548 f.
567 f. 574 f.
WILDA 598 ff. 6 2 5 ff. BEWEH,
a. a. O. 106 ff. SCHREUER, a. a. 0 . 81 ff. — Versuchsdelikte: Lebensgefährdung (L. Sal. 16, 1. 17, 1 f. 18. 28, 2. Baiuw. 4, 19 ff. 10, 4. Roth. 10. Liutpr. 138), Vergiftung (L. Sal. 19, 2. Rib. 83, 2. Baiuw. 4, 22. Roth. 139 f. 142), Messer-und Schwertzücken (L. Burg. 34. Wis. 6, 4 c. 6. Sax. 8. Hloth. u. Eadric 13. Cup. Rem. 3. vgl. L. Alam. 64), Wassertauche (L. Sal. 41, 9. Drittes sal. Kapit. c. 3, BEEREND 144. L. Baiuw. 4, 17. Fris. 22, 83. add. aap. 3, 41. 66. L. Sax. 9 f. v. AMIRA, Vollstreckungsverfahren 27 f.), Einsteigen nnd Einbruch (L. Sal. 11,6. 27, 22. Sechstes sal. Kapit. 13, BEHREND8, 159. L. Cham. 19 f. Fris. add. 1, 3. Liutpr. 131. Aethelbirht 27. 29), Wegsperre oder via lacina (vgl. § 37, n..60. L. Sal. 17, 9. 31. Rib. 80. Pact. AI. 2, 50. L. AI. 58. I.. Fris. add. 3 b. Aethelred 6, 38. Roth. 26 f.). Weitere Ergänzungen erfolgten durch das königliche Bannrecht (BRUNNER 2, 39. 664). — Anstiftungsdelikte: L. Sal. 10, Zusatz 3, BEHREND8 S. 20. L. Sal. 28, 1, 3. 55, 3, Zusatz der Lex emendata. L. Baiuw. 9, 6. Wis. 7, 2 c. 6. Roth. 166. 202. Liutpr. 63. 72. Wie schwer die Volksüberzeugung sich zur Anerkennung der Strafbarkeit der Anstiftung durchzuringen hatte, zeigt L. Fris. 2, 1—11. Vgl. His 81. — Beihilfsdelikte: L. Sal. 13, 1. 28, 3. Erstes sal. Kapit. 6, BEHREND8 132. Pact. AI. 3, 24. L. Baiuw. 4, 26. Burg. 47, 1—3. Wis. 6, 5 c. 12. Roth. 307. Aethelbirht 18. Aelfred 19. — Eigentümlich die Tötung im Raufhandel nach L. Fris. 12. Vgl. His 82.
Die fränkische Zeit.
352
bestraft07. Bei Verbrechen, die von Amts wegen zu verfolgen-waren, galt selbst die außergerichtliche Sühne als strafbare Begünstigung68. Die Frage der Verbrechenkonkurrenz mußte, modernen Strafrechtsbegriffen gegenüber, in einem Rechte, das die Hauptaufgabe der Strafe in der dem Verletzten zu verschaffenden Genugthuung und das Wesen der verbrecherischen Handlung in dem rechtsverletzenden Erfolge sah, eine wesentlich andere Gestalt annehmen69. Das Prinzip der Genugthuung führte dahin;, daß ein einzelner verbrecherischer Thatbestand, durch den mehrere Personen verletzt worden waren, gleich ebenso vielen selbständigen Vergehen behandelt wurde70. Das Erfolgsprinzip andererseits machte es möglich, daß eine Reihe verbrecherischer Handlungen, wenn der Erfolg ein einheitlicher war, als ein einheitliches Verbrechen erschien71. Umgekehrt wurde häufig, namentlich bei Körperverletzungen und Vermögensschäden, der Thatbestand einer einzigen Missethat in so viele Thatbestände zerlegt, als rechtsverletzende Erfolge dadurch entstanden waren78. Nicht selten fanden derartige Spaltungen des Thatbestandes auch bei komplizierten Verbrechen (Heimsuchung, Brandstiftung, Einbruchdiebstahl u. dgl. m.) Anwendung, namentlich wenn strafbare Vermessenheit oder Bruch eines Sonderfriedens dabei in Betracht kam78, doch begegnet ebenso häufig in solchen Fällen die Zusammenfassung des Gesamtthatbestandes zu einem einzigen Delikt74, bei dem die Komplikation nur in einer Straferhöhung oder einer Zusatzstrafe zur Geltung kam76. 97 Vgl. W I L D A 635 ff. B R U N N E S 2, 575 ff. Der Hehler ist so gut wie der Stehler: L. Saz. 36. Roth. 232; Wis. 7, 2 c. 7, c. 9. Baiuw. 9, 7, 15 (milder Decr. Niuh. 7, MG. Leg. 3, 465). •» Vgl. B B Ü N N E B 2, 578 £ L . Rib. 73, 1. Cham. 30. Baiuw. 9 ; 16. Burg. 7). extr&v. 21, 11. Ine 36. BOBETIUS 1, 5 c. 3. 6 c. 13. 205 c. 7. 99 Die Lehre von der Deliktskonkurrenz ist erst durch die vortreffliche Untersuchung von SCHREUER klargestellt worden. Vgl. auch BRUNNER 2, 541 ff. His 100 ff. 70
V g l . SCBBEUER 8 7 ff.
"
Vgl.
74
V g l . SCHBEÜER 2 ff. 2 7 ff.
SCHREITER 7 6 ff. 8 6 f .
7 * Vgl. Diedenhofer Kapitular v. 8 0 5 c. 5 (BOBETIUS 1, 1 2 3 ) , wo wegen der Tötung des Gegners, nachdem auf Königsbefehl die Urfehde beschworen worden war, neben der Totschlagsbuße die Zahlung des Königsbannes und Abhauen der meineidigen Hand verhSngt wird. Vgl. BRUNNER 2 , 5 4 2 . SCHREUER 4 6 — 7 6 . 2 6 4 . 74 In diesem Sinne bestimmte Liutpr. 181, daß wegen Einbruchdiebstahls bei dem KommodataT einer fremden Sache nur diesem eine Klage zustehen, dagegen die Spaltung in eine Diebstahlsklage des Eigentümers und eine Klage des Kommodatars wegen Hausfriedensbruches vermieden werden solle: mmpossumus in unam causam duas ealomnias inponere, ideoque ille, qui res suas comendavit, recepial eas ab ipso, de ouius easa perierunt, et ipse, de euius casam perierunt out ipsum furtum exivit, querat ad ipsum furonem eonpositionem, et tollat sieut lex est, et ipse für, licit malefaetor sit, non habeat de una causa dum ealomnias. Vgl.
SCHREUER 75
60.
So namentlich bei der Verletzung eines S o n d e r f r i e d e n s . Als höhere Sonderfrieden sind hervorzuheben: der Friede der Königsburg und Königspfalz,
§ 36.
Das Strafrecht.
3. Einzelne Verbrechen.
353
Eine besondere Rolle bei der Verbrechenskonkurrenz fiel der verschiedenen Natur der Strafen zu. Bei Körperverletzungen galt durchweg das System der Einzelbußen; sie wurden meistenteils für jede Verletzung besonders festgesetzt und dann zusammengezählt, doch bestanden vielfach in verschiedener Weise bemessene Maximalgrenzen, die nicht überschritten werden durften. Dasselbe Verfahren fand bei Vermögensverletzungen, soweit diese mit Einzelbußen bestraft wurden, Anwendung, während die in allen Volksrechten mit Ausnahme der beiden fränkischen vorherrschenden Proportionalbußen unbedingt für jeden einzelnen Gegenstand berechnet, dagegen die im salischen Recht und im wesentlichen auch bei den Ribuariern vorherrschenden Bauschtaxen immer für das ganze Delikt, ohne Rücksicht auf Zahl und Wert der Gegenstände, erhoben wurden70. Bußen und Friedensgelder wurden stets kumuliert 77 , ebenso Bußen und Banngelder, während Friedens- und Banngelder sich gegenseitig ausschlössen, in der Art, daß regelmäßig der höhere Betrag angesetzt wurde78. Bußen und Leibesstrafen schlössen bei einheitlichen Delikten einander aus, dagegen blieben sie bei Verbrechenskonkurrenz nebeneinander bestehen79. Acht und Todesstrafe schloß nach den meisten Stammesrechten jede andere Strafe, insbesondere jede Buße, aus, nur nach ostgotischem, kentischem, nordgermanischem und altlangobardischem Recht (vor der fränkischen Herrschaft) fand Kumulation statt 80 .. 3. Einzelne Verbrechen. Das Verbrechen des Hoch- und Landesverrats fiel, der veränderten Staatsverfassung entsprechend, allgemein überhaupt der Königs- und der ihm nachgebildete Herzogsfriede, der Friede der Kirchen, Kirchhöfe, Mühlen und Schmieden, Ding- und Heerfriede, Marktfriede, Straßenfriede, Hausfriede, dazu der gelobte Friede (Roth. 143. Liutpr. 42). Vgl. S.
117 f.
BRUNNER 2 , 4 5 . 5 7 4 .
580
ff.
WILDA 2 3 3
ff.
v. AMIRA2
144.
WEINHOLD,
Fried- und Freistätten ( A N M . 6 ) . OSENBRÜGGEN, Strafr. d. Langob. 9 ff.; Hausfrieden, 1857. E . LÖNING, De pace domestica, Bonn. Diss. 1865. His 129 ff. G A U P P , Gesetz der Thüringer 388 ff. v. RICHTHOFEN, Zur L. Saxonum 229 ff. 251 ff. STUTZ, Gesch. d. kirchl. Benef.-Wesens 1, 91 f. Wer sich an Königs-, Herzogs- oder Kirchengut vergriff, hatte dreifache Buße zu leisten, wobei aber bei Königsgut der Fredus wegfiel. Vgl. SCHREUER 95. 79 Vgl. SCHREUER 2 7 ff. In der dritten Auflage S . 3 4 9 Zeile 5 ist zu lesen: „wie sie nur das salische und das ribuarische Recht n i c h t aufgestellt hatten." " Vgl. SCHREUER 96 ff. His 109. Der Fredus wurde immer neben jeder einzelnen Buße, zuweilen aber in erhöhten Beträgen, berechnet. Über Ausnahmefälle, in denen neben einer Mehrheit von Bußen nur ein einfaches Friedensgeld entrichtet wurde, vgl. SCHREUER 1 1 6 . N
80
SCHREUER 1 0 3 f . SCHREUER 2 6 2
ff.
121. Vgl.
Anm.
73.
Vgl. SCHREUER 151 — 201. 224—254. Wenn das Vermögen des Geächteten oder Gerichteten eingezogen wurde, so hatte der König nach den Rechten, die die Kumulation ausschlössen, aD den Verletzten nur Zahlungen zu leisten die keine pönale, sondern wirtschaftliche Genugthuung bezweckten, wie capitale, wirdira und Kurkosten. Vgl. ebd. 194. 204 f. 228. Dieselbe Stellung nahmen die Erben des Übelthäters ein, wenn das Vermögen ihnen zufiel. R . SCHRÖDER,
Deutsche Rechtogeschichte.
4. Aufl.
23
Die fränkische Zeit.
354
unter den Begriff des crimen laesae maiestatis oder des Treubruches (infidelitas) gegen den König 81 . Dabei sind im einzelnen zum Teil römische Einflüsse bemerkbar. Unter den Begriff der Infidelität fiel Landesverrat, Landesflucht (unerlaubte Auswanderung), Heeresflucht {herisliz)82, ferner jeder Angriff oder Anschlag auf das Leben des Königs oder der Seinigen83, Beleidigung des Königs (L. Sal. 14, 4. Eib. 60, 6), Begünstigung von Geächteten, überhaupt von schweren Verbrechern, schwere Amtspflichtverletzung eines Beamten 84 . Die regelmäßige Strafe der Infidelität war Tod und Vermögenseinziehung, geringere Fälle wurden unter den Karolingern nach königlichem Ermessen bestraft 85 . Das unterscheidende Merkmal zwischen Mord und T o t s c h l a g fand auch die fränkische Zeit noch ausschließlich in der Verbergung des Leichnams, nur das langobardische Recht (Roth. 14) ließ auch den Meuchelmord (homicidium absconse penetratum) schon unter den Begriff des Mordes fallen 86 . Während der Totschlag mit dem einfachen Wergeid des Getöteten gesühnt wurde, hatte der Mörder das Drei- oder Neunfache, bei den Langobarden die Hochbuße von 900 Sol. zu zahlen; das nordgermanische Recht strafte ihn mit unsühnbarer Acht. Zu einem Kapitalverbrechjen wurde im burgundischen und langobardischen Recht sowie in der fränkischen Reichsgesetzgebung auch der vermessentliche Totschlag (in feindlicher Absicht, im Gegensatz zu dem durch Zufall oder durch Anreizung des Gegners veranlaßten) erhoben 87 . Erhöhte Strafbarkeit trat außerdem ein bei Verwandtenmord und Tötung unter Verletzung eines Sonderfriedens. 81
Vgl. S. 117. WILDA 984 ff. BRUNNEB 2, 685 ff. OSENBRÜQOEN, Str. d. Lang. 52 ff. ROTH, Benefizialwesen 128 ff. 988 ff. WAITZ 2, 1 S. 195 f. 2, 291. 3, 807 ff. v. RICHT-
HOFEN, ZUT Lex Saxonum 320 ff. DAHN, Studien 236 ff. EHRENBBBO, Kommen-
dation 115 ff. v. AMIBA, Vollstr. 21 f. M Vgl. L. AI. 24. Baiuw. 2, 1. Wis. 2, 1 c. 7. Roth. 3 f. 7. JEthelred 5,28. Knut 2, 77. BOBETIUB 1, 14. 128 c. 9. 129 c. 12. 166 c. 4. 205 c. 3. Form. Marc. 1, 32.
M
SICKEL, Gott. gel. Anz. 1889, S. 962:
ROTH, a. a. O. 134 ff.
Vgl. L. AI. 23. Baiuw. 2, 1 f. Sax. 24. Wis. 2, 1 c. 7. Roth. 1. iEthelred 5, 30. 6, 37. Knut 2, 57. Ein Wergeid hatte der fränkische König nicht, dagegen hatte der angelsächsische ein solches, ebenso der Alamannen- und Baiernherzog. Vgl. WAITZ, Oött gel. Anz. 1869, S. 124 ff. 84
Vgl. COHN, Justizverweigerung 5. 63 ff. 73 ff. 84 ff. 130 f. LEHMANN, Rechts-
schutz 104 ff. SOHM, Reichs- u. Ger.-Verf. 147. 415. 88
Vgl. S. 361.
BRUNNEB 2, 64 f.
DAHN, Könige 7, 3 S. 132 f.
L. Rib. 69, 1.
Cap. de part. Sax. 11. L. Baiuw. 2, 1. Wis. 2, 1 c. 7. BOBETIUS 1,,97 c. 34. 284 c. 18. M
Vgl. S. 74. 345 f.
BRUNNEB 2, 627 ff. v. BAB 64 ff. OSENBBOOOEN, Str. d.
Lang. 61 ff. v. RICHTHOFEN, Zur L. Sax. 239. 248 ff. v. AHIRA, Vollstr. 19 f.
v. MÖLLER, Wergeid des Thäters u. des Verletzten, Bonn. Diss. 1898, S. 5 f. L. Sal. 41, 2. 4. Zweites sal. Kap. c. 5, BEHREND 2 139. L. Rib. 15. Fris. 20, 2. Sax. 19. Pact. Alam. 2, 41. L. Alam. 48. Baiuw. 19, 2 f. 8
' Vgl. WILDA 563 f.
BBÜNNEB 2, 630 f.
TITZE, Notstandsrechte 40. L. Burg.
2, 1. 29, 1. Liutpr. 20. Decr. Childeb. von 595 c. 5 (BOBETIUS 1, 16). Cap. leg. add. von 818—819 c. 7 (ebd. 282). Jede vorsätzliche Tötung straft mit dem Tode L. Wis. 6, 5 c. 11 ff.
§ 36. Das Strafrecht. 3. Einzelne Verbrechen.
355
Dem Totschlage (bei den Ribuariern dem Morde) wurde gleichgestellt die F r e i h e i t s b e r a u b u n g durch widerrechtlichen Verkauf eines Freien in die Sklaverei 98 . Gelang es dem Thäter, diesem die Freiheit wiederzuverschaffen, so hatte er nur eine Buße (in der Kegel das halbe, bei den Eibuariern das ganze Wergeid) zu zahlen. Die Unterschiede zwischen R a u b und D i e b s t a h l haben sich in der strafrechtlichen Behandlung mehr und mehr verwischt, wenn auch der Raub im allgemeinen immer noch milder angesehen wurde 89 . Bei Diebstahl unterschied man streng zwischen großem und kleinem, bei ersterem wieder zwischen handhaftem und nichthandhaftem. Todesstrafe oder Halslösung stand nach manchen Rechten auf gewaltsamen Raub 9 0 , allgemein aber auf handhaften großen Diebstahl, wo der Dieb entweder auf frischer That ergriffen oder nach der That durch Haussuchung überführt worden war 91 . Sonst wurden Raub und Diebstahl (sowie Unterschlagung, d. h. 88 Vgl. W I L D A 797 f. OSENBRÜGOEN, Str. d. Lang. 77. v. RICHTHOFEN, Zur L. Sax. 295. D A H N , Studien 228. v. MÖLLEB, a. a. 0 . 1 0 ff. L. Sal. 39, 2 . Rib. 16. Pact. Alam. 3, 12. L. Alam. 45 ff. Baiuw. 9, 4. 16, 5. Pris. 21. Sax. 20. Angl, et Wer. 40 f. Liutpr. 48. Ine 11. Leg. Eurici 290. L. Wie. 7, 3 c. 3 ließ die Sippe des Verkauften zwischen seinem Wergeid und der Auslieferung des Verkäufers zur Rache wählen. Nach ostfriesischem Recht hatte der letztere seinen Hals zu lösen. Über erlaubte Verkäufe in die Knechtschaft vgl. S. 66. 321.
v . RICHTHOFEN, a . a . 0 . 2 9 3 f . 8
» Vgl. S . 7 4 . BBUNNEB 2 , 6 3 7 ff. W I L D A 8 5 9 ff. 9 0 7 ff. H Ä I S C H N E R , Preuß. Strafr. 3 , 3 9 6 ff. OBENBBÜOOEN, Str. d. Lang. 1 1 8 ff. 1 5 1 ff. GRIMM, RA. 6 3 4 ff. H I S 3 3 4 ff. KÖSTLIN, Kr. Übersch. 3 , 1 4 9 ff. SOHM, ZRG. 5 , 4 1 1 ff. MATER, Entst. d. L . R i b . 116
ff.
v . RICHTHOFEN,
Z u r L . Sax. 311
ff.
THONISSEN,
a. a. 0 .
3 1 0 ff.
Ges. d. Angels. 5 5 4 ff. v. AMIRA, Vollstr. 3 2 . 1 6 2 ff. Vgl. L. Fris. 8. 9, 14 ff. add. sap. 9. ^Ethelred 3, 15. Knut 2, 63. Die fränkischen Reichsgesetze über latrones oder latrocmium machen zwischen Raub und Diebstahl keinen Unterschied. Vgl. Regino, De syn. caus. 2, 275. 279. An sich gehörte die Anwendung von Gewalt oder Drohungen nicht zum notwendigen Thatbestand des Raubes. Raub war die offene, Diebstahl die heimliche Wegnahme beweglicher Sachen aus fremder Gewahrsam. Gewaltsamer Raub (notnäma, mbtnumft, seachrimb) war ein ausgezeichneter Raub, ebenso wie der Leichen- oder Gräberraub (reroub, walarmib, ags. walrectf). Vgl. SCHREUER 64 f. Hiß 339. ai Die Lex Salica und das sechste sal. Kapitular c. 3 (BEEREND 8 157) kennen nur das System der Diebstatlabnßen, aber schon der Pactus pro tenorepacis Chlothars I. und Childeberts I. führte die Todesstrafe ein. Das sächsische und burgundische Recht setzte Todesstrafe auf jeden Einbruchs- und jeden großen Diebstahl, auch wenn er nicht handhaft war, das sächsische außerdem auf jeden nächtlichen Diebstahl (ohne Rücksicht auf den Wert des Gestohlenen). Vgl. L. Burg. 4, 1. 29, 3. 47, 1. extrav. 19, 2. Rom. Burg. 4, 4. Sax. 32—35. Ssp. II. 13 § 1. 28 § 3. Das langobardische Recht (Roth. 253) legte dem für manifestus neunfachen Ersatz und eine Nebenbuße, später außerdem 2—3jähriges Gefängnis auf; im Nichtzahlungsfall wurde der Dieb dem Bestohlenen zur Tötung übergeben, deren Nichtvollziehung durch Cap. Ital. von 801 c. 4 (BOBETIUS 1, 205) unter Buße gestellt wurde. Die karolingische Gesetzgebung ließ Todesstrafe erst bei wiederholtem Rückfall eintreten, vorher Verstümmelungsstrafe. Vgl. BORETIUS 1, 49 c, 12. 51 c. 23. 205 c. 4. L. Cham. 48. Über den R ü c k f a l l als Strafverschärfungsgrund vgl. BRUNNER 2, 540. 631. 646 f. SCHREUER 130 ff. 243. 23* SOHKID,
Die fränkische Zeit.
356
diebliches Behalten ohne den Thatbestand der Wegnahme) bei den Chamaren und allen außerfränkischen Stämmen mit einer proportionalen Buße gesühnt, die im allgemeinen das Zwei-, Drei- oder Neunfache des entwendeten Wertes (meistens diesen miteingerechnet) ausmachte, während das salische and zum Teil auch das ribuarische Volksrecht ein kasuistisch ausgestaltetes System fester Diebstahlsbußen besaß92. Neben oder mit der Buße war das Friedensgeld, nach fränkischem und thüringischem Recht außerdem die toirdira (S. 347) zu entrichten. Soweit Diebstahl und Baub als Kapitalverbrechen galten, war außergerichtliche Sühne verboten. Die Franken und Angelsachsen hatten besondere Einrichtungen für die Verfolgung der Thäter und Prämien für die Verfolger93. Heimsuchung des Landes durch bewaffnete Banden fiel unter den Begriff der Heerung 9 4 . Für den Begriff der Bande (trustis, mamts collecta, contubernium, ags. hlöd) reichte schon die Vereinigung von fünf, sieben oder zehn Gefährten aus, während für ein „Heer" eine größere Zahl (36 nach Ine 13, 1) erforderlich war. Abgesehen von der höheren Strafbarkeit der in Banden vollführten Missethaten für die Thäter selbst galt die Teilnahme an der Bande schon für sich allein als ein Verbrechen, das stufenweise verschieden bestraft wurde. Eine Unterart der Heerung war die H e i m s u c h u n g , aus der sich allmählich der einfache H a u s f r i e d e n s b r u c h als eigenes Verbrechen herausbildete96. Ein Fall der Heimsuchung war auch der sogenannte Gewaltbrand (altfries. Waldbrand). Im übrigen galt die B r a n d s t i f t u n g 9 6 , in verschiedenen Rechten aber nur die heimliche, nächtliche Brandstiftung („Mordbrand")97, als selbständiges Verbrechen und wurde im Norden mit unsühnbarer Acht, bei den Sachsen und Angelsachsen mit dem Tode, in den übrigen Rechten mit einer festen Buße oder mehrfacher Schadensersatzpflicht (nebst wirdira " Vgl. M
SCHBEDBR,
V g l . S. 1 2 2 f.
a. a. 0. 27—45. BOBETIDS 1 , 5 c . 3 . 6 c . 1 3 . 1 7 c . 8 . 7 0 c. 2 4 . 2 0 5 c . 4 , c . 7.
L. Rib. 73, 1. Baiuw. 9, 16. Burg. 71. Allgemeine Anzeigepflicht Cham. 30 f. Anzeigeprfimie (meldfeoh) SOHWD, Ges. d. Angels. 632. "
V g l . S. 74.
"
Vgl. Anm.
WILDA 6 1 2 ff. 9 1 5 75.
ff.
WILDA 7 8 1 f. 9 5 2
BRUNNEB 2 , 5 7 0 ff.
ff.
BRUNNEB 2 , 6 5 1
His ff.
83.
SCHBEOER, a . a . 0 .
46 ff. 61 ff.' OSENBRÜCWEN, Str. d. Lang. 139 ff. GAUPP, Gesetz der Thüringer 388 ff. His 352. Die Heimsuchung gehörte zu den acht in das Volksrecht aufgenommenen Bannfällen. M Vgl. S. 74. 83 n. WILDA 940 ff. BRTONER 2, 654 ff. OSENBBÜGGEM, Brandstiftung, 1854; Str. d. Lang. 154 f. v. RICHTHOFEN, Zur L. Sax. 305 ff. GAUPP, Ges. d. Thüringer 372 ff. SCHMID, Ges. d. Angels. 533. v. AMIBA, Vollstr. 20. SCHKEUEB 5 0 f .
His
349.
•7 L. Sal. 16, 1. Rib. 17, 1. Angl, et Wer. 43. Alam. 76. Baiuw. 1, 6. 10,1. Diese Rechte behandelten die offene Brandstiftung nur als bußwürdige Sachbeschädigung. Anders L. Fris. 7 . Sax. 3 8 . Roth. 1 4 6 . 1 4 9 . SCHMID, Ges. d. Angels. 411. iEthelstan 2, 6 c. 2. Knut 2, 64. Andr. Sunesons Lex Scaniae prov. 61. Über die Bezeichnung mwdbrand (von mord = mein) vgl. S 74. Schwsp. Laßb. 1 7 4 . Jütisch LOY 3 , 6 6 . Eriks Ssellandskc LOT 2, 15. v. RICHTHOFEN, Altfries. WB. 936.
§ 36. Das Strafrecht. 3. Einzelne Verbrechen.
357
bei Franken und Thüringern) bestraft. Ergänzend trat, nachdem Karl der Große die Brandstiftung schlechthin unter die acht Bannfälle aufgenommen hatte, die Strafe des Eönigsbannes ein, von der namentlich auch die bis dahin erlaubte Brandlegung gegen Friedlose oder in Fehde betroffen wurde98. Zauberei, zu der man auch die Giftmischerei zählte, wurde in verschiedenen Rechtsgebieten von Personen, die dem Zauberer den Tod eines Menschen zur Last legten, im Wege der Hache oder der Volksjustiz mit dem Feuertode geahndet, was die Gesetzgebung wiederholt verbot. Vor dem Gesetz galten Zauberer nur als büß- und schadenersatzpflichtig, bis kirchliche Einflüsse den Staat bestimmten, der Kirche für die Ausrottung des heidnischen Unwesens seine Unterstützung zu versprechen, jedoch ohne der Zauberei den Charakter eines eigentlichen Kapitalverbrechens beizulegen". Auch der Meineid wurde erst unter kirchlichem Einfluß, und nur wenn er in christlicher Form abgelegt worden war (im Gegensatz zu den altgermanischen Eiden auf Waffen, Eidring u. dgl.), unter öffentliche Strafe gestellt (meistens Verlust der Schwurhand mit oder ohne Lösung), während die älteren Volksrechte, die Strafe von der mit dem Eide verbundenen Selbstverfluchung erwartend, den Meineid nur mit einer Geldbuße belegten100. U n z u c h t weiblicher Familienglieder unterlag in alter Weise dem Familienstrafrecht, während der dabei beteiligte Mann bußfällig wurde; eine öffentliche Strafe trat nur bei geschlechtlichen Vergehungen Freier mit Unfreien ein101. E h e b r u c h konnte, da die Kebsehe erlaubt war (S. 304 f.), nur mit einer Ehefrau begangen werden102. Der Ehebruch galt als Fehdesache; auf handhafter That Ertappte konnten straflos getötet werden (Anm. 12). Auf Klage des Ehemannes konnte der Ehebrecher in 98 Vgl. S. 78 n. C a p . Sax. v o n 797, c. 1 u. 8 (BOBETIUS 1 , 71 f.). v. RICHTHOFEN, Z u r L . Sax. 305 f. " Vgl. WILDA 96T ff. BBCNNER 2 , 678 ff. OSENBBÜOGEN, Str. d. L a n g . 61.
160 ff. DAHN, Stadien 234 f.
v. AMIJU, Vollstr. 29.
BOBETIUS 1, 25 c. 5. 45 c. 7.
58 c. 65. 69 c. 23. Eadw. u. Guthrum 11 (LIEBEBMANN 234). -äSthelred 6, 7. Knut 2, 4. Liutpr. 85. Gegen die Hexenverbrennung Cap. de part. Sax. 6. Vgl. Ed. Roth. 376. 100 Vgl. A n m . 46. WILDA 978 ff. BBDNNEB 2, 389. 681 f. v. RICHTHOFEN, Z u r L . Sax. 236 ff. OBENBRÜGGEN , a. a. 0 . 158. SCHKID, Ges. d. A n g e l s . 631. FREUND,
Lug und Trug unter den Germanen, 1863. L. Burg. 8, 3. 80, 2. Liutpr. 57. 63. 144. L. Cham. 32. Knut 2, 36. BOBETIUS 1, 49 c. 10. 98 c. 36. 124 c. 10. 139 c. 4. 269 c. 1. 283 c. 10. L. Fris. 10 verband Hals- und Handlösung, während L. Sax. 21, 22 Todesstrafe für wissentlichen, Handlösung für unwissentlichen Meineid verhängte. 101 ,0!
Vgl. S. 66. WILDA 809 ff. BBUNNEB 2, 658 ff. OBENBBÜGGEN, a. a. 0 . 97 ff. Vgl. S. 304. WILDA 821 ff. BBUNNEB 2, 662 ff. OSENBRÜGGEN, a. a. 0 . 1 0 0 ff.
SOHM, Trauung und Verlobung 2 ff. ROSENTHAL, Rechtsfolgen des Ehebruches, 1880. BENNECKE, Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884. ZEUMER, NArch. 24, 606 ff. Für B i g a m i e hatte das weltliche Recht keine besonderen Strafbestimmungen, offenbar weil man sie als Ehebruch behandelte. Vgl. WILDA 852 f. OSENBRÜGGEN 101 f.
DAHN, S t a d i e n 232.
THONISSEN, a. a. O. 302.
Die fränkische Zeit.
358
eine besondere Ehebruchbuße verfällt werden; manche Rechte verhängten aber Todesstrafe, Halslösung, Verknechtung. Die Verfolgung der B l u t s c h a n d e galt in erster Reihe als Sache der Kirche, die öffentliche Gewalt schritt in der Regel erst ein, wenn die Beteiligten sich der vom geistlichen Richter verlangten Trennung nicht fügten. Die Strafe für die schwersten Fälle des Incestes war der Tod, in anderen Fällen Vermögenseinziehung und Verbannung, bei Unvermögenden Verknechtung oder Gefängnis. Die karolingischen Gesetze überließen die Strafe königlichem Ermessen 108 . N o t z u c h t (nötnumft) und F r a u e n r a u b wurden in den Gesetzen meistens unter dem Begriff des raptus zusammengefaßt 104 . Die Notzucht sowie jeder andere Angriff auf die weibliche Geschlechtsehre waren mit schweren Bußen, in ausgezeichneten Fällen mit Wüstung und mit der Halslösung bedroht 106 . Frauenraub, dem die mit Zustimmung der Geraubten erfolgte Entführung durchaus gleichgestellt wurde, erfuhr anfangs, unter der Nachwirkung der früheren Anerkennung der Raubehe (S. 69), eine mildere Beurteilung, indem der Entführer eine dem gesetzlichen Brautkauf entsprechende Muntbrüche an die Sippe, den Muntwalt oder den Bräutigam der Entführten, unter Umständen auch noch eine besondere Buße an die letztere, zu zahlen hatte. Die Analogie der Freiheitsberaubung (S. 355) ließ zum Teil an die Stelle der Muntbrüche das Wergeid der Entführten treten. Aber schon unter den Merowingern führte der Einfluß des römischen Rechts dazu, über den Frauenräuber und die mit ihrem Willen Entführte die Todesstrafe mit Halslösung zu verhängen 106 . Die karolingische Zeit hielt die größere Strenge im allgemeinen nur fest, wenn es sich um gewaltsame Entführung oder um fremde Ehefrauen oder Bräute handelte 107 . Im übrigen wurde die Entführung, soweit nicht höhere Strafen bestimmt waren, als einer der acht Bannfälle mit dem Königsbann bestraft 108 . 1,8
Vgl. WTTDA 855 ff. BRUNNER 2, 6 6 4 ff. ZEUMER, N.Arch. 24, 6 1 3 f. LÜNINQ, Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts 2, 550 ff. .L. Burg. 36. Fris. add. 3, 78. Wis. 3, 5 c. 1. Knut 2, 51. BOBETIUS 1, 15 c. 2. 23 c. 18. 97 c. 33. 1M Vgl. S . 304. 321 n. WILDA 829-852. BRÜNNEB 2 , 666 ff. OSENBBÜQUEN, a. a. O. 109 ff. GAUPP, Gesetz d. Thür. 379 ff, v. RICHTHOFEN, Zur L. Sax. 285 ff. GBIMM, RA. 6 3 3 F . ; ZDR. 5 , 1 ff. SCHBÖDEB, Gesch. d. ehel. Güterr. 1, 11 ff. SOHM, ZRG. 5, 398. DABGUN, Mutten-echt and Raubehe 111 ff. His 108. 181. 105 \Tgi_ Anm. 39. Das mittelalterliche Recht setzte allgemein voraus, daß die Vergewaltigte das Gerüft erhoben habe. Spuren davon aus unserer Periode b e i BRUNNEB 2 , 6 6 7 , n . 106
11.
Vgl. L. Rib. 34. Pact. Alain. 5, 17. L. Angl, et Wer. 46. Knut 2, 52. Erstes sal. Kap. c. 6 (BEHBEND* 132). Decr. Childeb. v. 595, c. 4 (BOBETIUS 1, 16). Vgl. Cod. Theod. IX. 24, 1. 2. v. MÖLLEB, a. a. 0 . 14 ff. nimmt an, daß in allen Fällen das Wergeid der Entführten, nicht das des Thfiters zu entrichten gewesen sei. 107 Vgl. L. Sax. 40. 48. Fris. add. 3, 76. Cham. 47. Cap. leg. add. 818 c. 9 (BOBETIUS 1, 282). Ebd. c. 4 Entführung einer Witwe vor dem Dreißigsten (vgl. S. 332). In fränkischen Formeln (Form. Marc. 2, 16. Tur. 16. Sal. Lindenbr. 16) klingt die frühere Strenge noch in einer formelhaften Phrase nach. >•» Vgl. S. 1 1 6 n. Cap. Remedii 6 . SCHBEUER, a. a. 0 . 1 2 1 .
§ 37. Das Gerichtsverfahren.
§ 37.
1. Übersicht.
359
Das Gerichtsverfahren.
Vgl. die Litteratur S. 83. BRUNNEB, EG. 2, 327—527; Grundzüge 71 ff.; Entstehung der Schwurgerichte (1872) 43—126. 397 ff. 438 ff. 458 ff. 469; Zeugen-und Inquisitionsbeweis der karoling. Zeit (Wiener SB. 51. Forsch. 88 ff.); Wort und Form im altfranzösischen Prozeß (Wiener SB. 57. Forsch. 260 ff.); Zulässigkeit der Anwaltschaft im franz., normann. u. engl. Recht des Mittelalters (Forsch. 389 ff. Zeitschr. f. vergl. RW. 1, 321 ff.); Das Gerichtszeugnis und die fränkische Königsurkunde (Festgaben für Heffter, 1873). v. AMIRA 2 161 ff. v. BETHMANN - H O L I W E Q , Germ.-roman. Civilprozeß 1. 2. ROQQE, Gerichtswesen der Germanen, 1820. L. v. MAURER, Geschichte des altgerman. Gerichtsverfahrens, 1824. GLASSON, Histoire 3, 390—522. DAHN, Könige 7, 3 S. 66 ff. 8, 4 S. 83 ff.; Westgot. Studien 243 ff. FICKEB, Forschungen z. R.- u. RG. Italiens 1, 21—62. PERTILE, Storia del diritto ital. 6, 205 ff. SALVIOLI, La giuridizioni speciali nella storia del diritto italiano 1 , 1884. W A C H , Der italienische Arrestprozeß 1—33. V A L DE L I £ V R E , Launegild u. Wadia 134 ff. 160 ff. 196 ff. SOHM, Reichs- u. Gerichtsverfassung 113 ff. 1 2 3 ff. 1 4 0 ff. 3 5 5 ff. 5 8 1
ff.
W A I T Z 2 , 2 S . 1 7 0 ff. 3 6 2 .
4, 4 0 9 f.
4 2 2 ff. 4 3 8 .
4 8 4 f.
and MAITLAND, Hist. of engl, law 2, 556—670. COHN, Justizverweigerung im altdeutschen Recht, 1876. H. O. LEHMANN, Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht, 1883. E. MAYER, Entstehung der Lex Ribuariorum 128 ff. R. LÖNINQ, Reinigungseid bei Ungerichtsklagen, 1880; Vertragsbruch u. seine Rechtsfolgen, 1876. E. LÖNINQ, KR. d. Merowinger 496 ff. 755 ff. SACHBSE, Beweisverfahren, 1855. FUSTEL DE CODLANQES, Mon. franque 406 ff. IMMERWAHR, Die Verschweigung im deutschen Recht, 1895 (GIERKE, Untersuchungen 48). LASS, Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte u. Kapitularien, 1891 (ebd. 39). SCHBEUEB, Verbrechenskonkurrenz 148 ff. 226 f. (Note). 229—241. 255 ff. BEWER, ZRG. 26, 116 ff. DECLAREDIL, Lea preuves judiciaires du droit franc, N. Revue 1898/99. BATTAQLIA , La difesa nei giudizi sotto la monarchia dei Franchi (Riv. di storia del diritto, 1900). H E I N Z E , Zur Gesch. d. Sicherheitsstellung im germ. Strafverfahren, ZRG. 10, 450 ff. POLLOCE
1. Ü b e r s i c h t Die Fortbildung des Gerichtsverfahrens, das in seinen Grundzügen noch in der germanischen Urzeit zu einem gewissen Abschluß gekommen war, gehört teils dem Volksrecht, teils der Königsgesetzgebung an, teils ist sie durch die Handhabung der Rechtspflege im Königsgericht vor sich gegangen. Das Yolksrecht hat insbesondere das Betreibungsverfahren sowie die Klage um Gut oder fahrende Habe ausgebildet. Eine bürgerliche Klage zar Wiedererlangung einer beweglichen Sache gab es nicht, das Recht kannte nur die strafrechtliche Verfolgung wegen rechtswidriger Vermögensvorenthaltung oder dieblicher Entwendung, wobei der Kläger neben der Bestrafung des Gegners auch die Rückgabe oder den Ersatz der Sache erreichen konnte. Auch bei dem der Lex Salica noch unbekannten, dann aber in sämtlichen Volksrechten gleichmäßig ausgebildeten Verfahren in Immobiliarsachen, das sich durchaus in den Formen des ordentlichen Prozesses bewegte, lag der Schwerpunkt in der vom Kläger gegen den Beklagten erhobenen Beschuldigung des malo ordine teuere oder iniuste. invasisse. Die bedeutendsten Veränderungen des Verfahrens hat die Königsgesetzgebung herbeigeführt. Zwar war diese nicht dazu berufen, hier unmittelbar einzugreifen, aber sie vermochte durch Anweisung der Beamten
Die fränkische Zeit.
360
Verbesserungen zu schaffen, die zunächst neben die volksrechtlichen Einrichtungen traten, bis sie diese ganz aus der Übung verdrängten. Diese Verbesserungen bezogen sich teils auf das Verhandlungsprinzip, teils auf das Beweisrecht und die Vollstreckung. Während das alte Verhandlungsprinzip den Prozeß als einen sich vor den Augen des Richters abspielenden Privatkampf der Parteien betrachtete, führte der entwickeltere Staatsgedanke zu der Einsicht, daß das gemeine Interesse die Verfolgung auch des dem einzelnen widerfahrenen Unrechts verlange und dem Staat daher die Pflicht obliege, dem Verletzten zu seinem Recht zu helfen. Neben die durch Formalakt des Klägers vollzogene mannitio, und diese mehr und mehr verdrängend, trat infolgedessen die Ladung durch den auf Ansuchen des Klägers erlassenen Befehl des Richters (bannitio) K Dem 9. Jahrhundert war nur noch diese bekannt; man sprach wohl noch von mannitio, verstand aber darunter die bannitio2. Auch die Ladung des Gewährsmannes, der Eideshelfer und der Zeugen erfolgte nun durchweg im Wege der bannitio, während das volksrechtliche Verfahren eine mannitio nur gegenüber dem Gewährsmann und den Geschäftszeugen, aber gegenüber dein Eideshelfern und Gemeindezeugen überhaupt keinen Zwang gekannt hatte. Gleich der Ladung wurde auch die Prozeßleitung Sache des Richters. An die Stelle der rechtsförmlichen Aufforderung der prozeßführenden Partei trat der richterliche Befehl an den Beklagten zur Antwort, an die beweispflichtige Partei zur Führung des Beweises, an die Urteiler zur Fällung des Urteils3. Andere Reformen bezogen sich auf die Beweismittel. Beim Eide wurde dem Gegner des Beweisführers ein Einfluß auf die Auswahl der Eideshelfer eingeräumt4. Um die Verantwortlichkeit der einzelnen Eideshelfer zu erhöhen, hatten diese nicht mehr, wie früher, gleichzeitig (mit gesamtem Munde), sondern einer nach dem andern zu schwören6. Die Zulassung von Zeugen wurde an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, um eine Bürgschaft für ihre Glaubwürdigkeit zu gewinnen: Besitz eines gewissen Vermögens, Grafschafts- oder Stammeszugehörigkeit, Freiheit der Person, guter Leumund. Zur Feststellung dieser Voraussetzungen konnnte vor der Vereidigung ein eigenes Legitimationsverfahren statt1
V g l . SOHM, R . - u n d Ger.-Verf. 114 ff. BKUNNER 2, 3 3 2 ff. 337 ff. v . BETHMANN-
HOLLWEO 1; 66 f. 242.
377 f. 2, 111 ff. WAITZ 4«, 338 ff. Von geringem Wert
OPET, Geschichte der Prozeßeinleitungsformen 1, 1891. 1
Nach den Cap. leg. add. v. 816 (BOBETIUS 1, 268 c. 4. 270 c. 3) und v.
818/19, c. 12 (ebd. 283) fand die mannitio nur noch bei Freiheits- und Immobiliarprozessen, in allen anderen Fällen ausschließlich die bannitio Anwendung. Die Rezeption der letzteren war vollzogen, seit der ausgebliebene Beklagte neben der dem Richter zu zahlenden Bannbuße auch dem Ungehorsamsverfahren verfiel. • V g l . SOHM 123 ff. 141. v. BETHMANN-HOLLWEG 1, 67. 2, 103. 119. 126. * V g l . K . MAURER, B e w e i s v e r f a h r e n 1 9 8 ff. 206 f. SIEGEL, a. a. 0 . 185 n. ZORN, a. a. 0 . 33. BRÜNNER 2, 3 8 3 f. 6
2 3 1 n.
Vgl. Form. Tur. 40. BRUNNER 2, 4 3 4 .
Cap. Olonn. v. 825, c. 8 (BOBETIUS 1, 331).
SIEGEL,
§ 37.
Das Gerichtsverfahren.
1. Übersicht.
361
finden, das bei den Langobarden als collaudatio testium eine besondere Organisation erhielt6, während Karl der Große dem Richter zur Pflicht machte, nach Feststellung, aber vor Ableistung des Zeugeneides die einzelnen Zeugen einer besonderen Vernehmung zur Feststellung ihrer Glaubwürdigkeit zu unterziehen7. Die Auswahl der Zeugen sollte in Gegenwart des Gegners geschehen, der eine etwaige Ablehnung sofort begründen mußte8. Für den Fall des Gemeindezeugnisses wurde seit Ludwig dem Frommen dem Gegner des Beweisführers die Aufstellung von Gegenzeugen gestattet, wobei, wenn beide Zeugenreihen einander widersprachen, gerichtlicher Zweikampf zwischen einem der Zeugen und einem Gegenzeugen die Wahrheit entschied9Die wichtigste Neuerung im Gebiete des Beweisrechts war die Einführung des Urkundenbeweises10. Der Königsurkunde gegenüber war die Behauptung, daß sie Unwahres enthalte, bei Todesstrafe verboten11; der Besitzer einer Königsurkunde hatte daher einen Widerspruch des Gegners nicht zu gewärtigen, für ihn lieferte sie, wenn sie echt war, vollen Beweis12. Anders die Privaturkunde, die, sobald sie der Gegner nach Form oder Inhalt bestritt, als Beweismittel nicht weiter in Betracht gezogen wurde; es kam vielmehr zum Beweise über ihren Inhalt, den entweder der Produzent mit Eideshelfern oder die Urkundszeugen, nach ribuarischem, neulangobardischem und alamannischem Recht unter Mitwirkung des Schreibers, zu beschwören hatten13. Wenn der Gegner des Beweisführers sich nicht mit der einfachen Ableugnung begnügte, sondern • Vgl. MG. Leg. 4, 603. 7
V g l . BBÜNNEB 2 , 4 3 7 ; S c h w u r g e r i c h t e 67 f.
BORETIUS 1 , 1 2 4 , c. 11.
148,
c. 6. 210, c. 12. Bei den Westgoten fand diese Verhandlung noch vor der Feststellung des Eides statt, sie hatte demnach die Bedeutung einer eigentlichen auf Erforschung der Wahrheit gerichteten Zeugenvernehmung. 8 Vgl. Diedenhofer Cap. miss. v. 805 II. c. 11 (BOBETIDS 1, 124). Nach salischem Recht mußte der Kläger seine Zeugen schon mit der Klage benennen und der Beklagte sich in der Klagebeantwortung über sie aussprechen. Vgl. BBÜNNEB, Schwurgerichte 68 f. 9
10
V g l . BOBBTIÜS 1, 2 8 2 , 10. 293, 12.
Vgl. S. 262 f.
BBÜNNEB 2, 420 ff. 441; Schwurgerichte 64 ff.; RG. d. Urk.
203 ff.; Gerichtszeugnis 143 ff. 155 ff. 171 f.; Carta u. Notitia (Commentationes in h o n o r e m MOMMSENJ, 1877) 4. 16 ff. K . MAURER, a. a. 0 . 196.
BETHMANN-HOLLWEQ
1, 55 f. 246. 382 f. 387. 493 f. 553 ff. 2, 157 ff. ZOBN, Beweisverfahren 51 ff. BRESSLAU, Urkundenlehre 1, 476 ff.; FDG. 26, 1 ff. SEELIQEB, Mitt. d. öst. Inst. 11, 3 9 6
11
ff.
Vgl. S. 354. L. Rib. 60, 6. Wenn der Gegner ebenfalls eine Königsurkunde vorlegte, suchte man ursprünglich den Inhalt beider Urkunden ausgleichend zu vereinigen (L. Rib. 60, 7), später erhielt die ältere Urkunde den Vorzug. Vgl. BBESBLAU 1, 484 f. 18 Vgl. L. Rib. 58, 5. 59, 2. L. Sal. extrav. B. 3 (BEHREND S 166). L. Alam. 2, 2. Lib. Pap. Widonis c. 6. Daß der Beweiswert der Urkunde nur in den Zeugen lag, wird durch das Wort urbmde, das nichts anderes als „Zeuge" bedeutele, bestätigt. Vgl. GBIHM, RA. 858. v. RICHTHOFEN, Altfries. WB. 970 f. 12
K . MAUBER, a. a. O . 188.
Die fränkische Zeit.
362
unter Durchbohrung der Urkunde Schreiber und Zeugen der Fälschung zieh, so kam es über die Berechtigung dieser peinlichen Urkundenschelte zu einem besonderen Zwischenverfahren des Gegners mit dem Schreiber und den Zeugen, wobei der unterliegende Teil bußfällig wurde 14 . 2. Das o r d e n t l i c h e V e r f a h r e n . Der Formalismus des ordentlichen Verfahrens blieb im wesentlichen derselbe wie in der germanischen Zeit. Die Ladungsfristen waren bei der bannitio die gleichen wie bei der älteren mannitio, nach fränkischem Recht sieben, vierzehn oder vierzig (bezw. 42) Nächte 16 . Die feierliche Bekräftigung der Klage erfolgte statt der heidnischen Formeln (S. 85) durch einen Gefährdeeid (fränkisch „Widereid", angelsächsisch „Voreid"), den nur der Vertreter des Königs bei fiskalischen Prozessen nicht zu leisten hatte 16 . Das rechtsförmliche Antwortgebot (tangano) des Klägers zwang den Beklagten, dem Klagevortrag Wort für Wort zu folgen. Was nicht ausdrücklich verneint wurde, galt als zugestanden. Hinsichtlich der einzelnen Klagepunkte gab es nur die Wahl zwischen Zugeständnis und Ableugnung, für ein „Ich weiß nicht" oder ein bedingtes Zugeständnis mit Einreden hatte der Prozeß, als ein Prozeß „mit Gefahr", weder Baum noch Bedürfnis 17 . Nur in bestimmten Ausnahmefällen konnte der Beklagte sich dem entziehen, indem er, ohne das „tangano" des Klägers abzuwarten, sich sofort auf Urkunden oder Verjährung oder die Prozeßunfähigkeit des Klägers oder seine persönliche Unkenntnis von einer seinem Knecht zur Last gelegten Missethat berief und daraufhin die Antwort verweigerte1S. Erst seit der richterliche Ant14
Vgl. L. Rib. 58, 5. 59, 3 f. L. Sal. extravag. B . 4. B E U E L , Recueil des chartes de Cluny 1, 18, Nr. 15 (870). Über die Schriftvergleichung, falls der Schreiber bereite verstorben war, vgl. L. Rib. 59, 5. BBUNNEB 1, 423 n. 18 Vgl. BBUNNEB 2, 335. 338. Nach L. Alam. 36, 2 konnte der im Ding anwesende Gegner auch hier geladen werden, was im Mittelalter allgemein zulässig war. Vgl. BRUNNES 2, 341. Über das die Ladung ersetzende Streitgedinge (Vereinbarung über das Erscheinen vor Gericht) ebd. 340 f. 14 Vgl. BBUNNEB 2, 3 4 3 f. v. AMIBA 8 166. LÖNING , Reinigungseid S02 ff. SAIVIOLI, Iusiurandum de calumnia (Festschrift des Circolo giuridico di Palermo für Bologna, 1888) 37 ff. Der Eid wurde meistens vom Kläger allein, unter Umständen mit Eideshelfern geschworen. Der Eineid wurde vom Gegner häufig erlassen, manche Rechte ließen ihn überhaupt nur auf Verlangen des Gegners eintreten. Er fiel weg, wenn der Kläger sich auf Augenschein, Urkunden oder Zeugen berief. Über Portleben des Voreides in Trier vgl. ISNY, Triersches Archiv 1, 88 f. 17 Da der Kläger dem Beklagten ausdrücklich ein rechtswidriges Verhalten vorwerfen mußte, so handelte es sich immer nur um Schuld oder Unschuld und der Beklagte konnte daher, auch wenn er die vom Kläger behauptete Thatsache zugab, doch mit einer einfachen Negation antworten (z. B. „Ich habe den N. nicht in feindlicher Absicht erschlagen", „Ich besitze die Sache nicht zu Unrecht"), ohne daß es eines „Ja, aber" für ihn bedurfte. 18 L. Rib. 30, 1: Quod si quis in iudieio pro servo mterpellatus fuerit, quod si servos tales non fuerit, unde dominus eius de fiducia securus esse posset, m iudicio respondeit ad interrogationis: „Sta tu", et lieeat ei sine twnganu loqiure, et dicat: „Ego ignoro, utrum servos meos culpam innoems ex hoc extederet;
§ 37.
Daa Gerichtsverfahren.
2. Ordentliches Verfahren.
363
wortbefehl üblich wurde, gestattete man dem Beklagten Einreden, die als ein motivierter Widerspruch gegen den Befehl des Richters aufgefaßt wurden19. Auf Klage und Antwort, Rede und Widerrede erging sofort das U r t e i l , anfangs in alter Weise auf eine unmittelbar an die Urteiler gerichtete Aufforderung des Klägers (mit „tangano"), später auf Urteilsfrage des Richters, nachdem die Partei an ihn die Urteilsbitte gestellt hatte 20 . Das Urteil war ein Endurteil, wenn der Beklagte einfach bekannt oder die eine Partei durch eine vom Gegner anerkannte Urkunde ihr Recht erwiesen hatte 21 . In allen anderen Fällen kam es bei peinlichen Sachen zunächst zu einem Beweisurteil, wo aber der Kläger eine Leistung des Beklagten beanspruchte, zu einem zweizüngigen Urteil, das zugleich Beweis- und bedingtes Endurteil war 22 . Auf das Urteil schlössen die Parteien in der Form eines gegenseitigen Wettvertrages den Urteilserfüllungsvertrag, der gleichzeitig auch Streitgedinge und Beweisvertrag sein konnte as . Wer den Vertrag nicht erfüllte, indem er vom Termin ausblieb oder den übernommenen Beweis nicht erbrachte, wurde sachfällig (iiectivus, iactivus)2*. Das Urteil entschied die Beweisrolle und stellte das Beweisthema fest. Bei handhafter That war der Kläger näher zum Beweise, den er mit Eid und Eideshelfern oder dön auf das Gerüft herbeigeeilten Schreimannen führte 26 . Ebenso hatte der Kläger den Vorzug des Beweises, wenn er, soweit die Sache dazu angethan war, die Entscheidung durch Gottesurteil forderte 26 . Im übrigen war, von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, der Beklagte näher zum Beweise27. Hatte Kläger seinen Anspruch propterea eum secundum legem Ribuariam super 14 noctis ad igneum repraesento". Vgl. ebd. 59, 8. Liutpr. 121. L. Burg. 20, 2. L. Fris. 1, 13. MG. Leg. 4, 571. SOHM, ebd. 5, 2 2 1 , n. 37. BRDNNER 2, 3 4 6 ; G e r i c h t s z e u g n i s 146. " V g l . SOHM, R.- u. G e r . - V e r f . 141. BRUNNER 2 , 3 4 8 ; S c h w u r g e r i c h t e 4 4 f. 20 V g l . S. 8 5 . BRÜNNER 2, 355. 362. 81 V g l . BRUUNER, S c h w u r g e r i c h t e 64. v . BETHMANN-HOLLWEQ 1, 496. 22 V g l . S. 85. BRDNNER 2 , 362. SIEGEL, a. a. O. 111. 152 ff. BETHMANN-
HOLLWEQ 1, 515. Erst allmählich wurde es üblich, der siegreichen Partei über den Ausfall des Beweisverfahrens ein deklaratorisches Urteil auszufertigen, was, an sich nicht notwendig, doch für den späteren Beweis vorteilhaft sein konnte. Vgl. BRÜNNER 2, 363 f. 369; Zeug.- u. Inqu.-Bew. 40 f. SOHM, R.- u. Ger.-Verf. 127, n. 77. 526. V g l . S . 8 1 . 85. 293. VAL DE LIÈVRE, L a u n e g i l d 137 ff. SIESEL, a. a. 0 . 2 1 9 ff. SOHM, P r o z . d. L . Sal. 163 ff. v. BETHMANN-HOLLWEQ 1, 515. HEÜSLER, Inst.
2, 230 ff. BRUNNER 2, 365 ff.; Schwurgerichte 52; Zeug.-u. Iaqu.-Bew. 6. 38. THONISSEN, a. a. O. 462 ff. WODON, Forme et garantie dans les contrats francs, 1893. 84 Wahrscheinlich hatte der Gegner die ihm eingehändigte wadia (festuca) dem Gericht vorzuzeigen und dann in rechtsförmlicher Weise wegzuwerfen. Vgl. BRÜNNER 2, 368 f. Du CANQE, Glossar, s. v. abiectire. L. Sal. extrav. B, c. 6 (BEHBEND2 167) ist zu lesen: si non, pro ieetivo eonponat etc. 26
21
S. 88.
v . BETHMANN-HOLLWEQ 1, 511.
BRÜNNEB 2, 372.
P a c t . pr. ten. p a c . 2.
Vgl. BRÜNNER 2, 371. 374 f. Auf diese Weise konnte man durch Eidesoder Zeugenschelte seinem Gegner auch den Beweis mit Eid oder Zeugen verlegen. 87 Einen Ausnahmefall bildete noch im Mittelalter die Klage einer Witwe
Die fränkische Zeit.
364
ohne weitere Begründung und Beweisantretung vorgetragen („schlichte Klage"), so konnte der Beklagte die klägerische Behauptung einfach verneinen und diese Ableugnung durch Reinigungseid bestätigen 28 . Dagegen mußte er der ausdrücklich begründeten Klage in entsprechender Weise antworten und bereit sein, seine Gegenbehauptungen durch Zeugen oder Urkunden zu beweisen; unterließ er dies, so ging sein Beweisvorrecht verloren und der Kläger konnte ihn durch Zeugen oder Urkunden überführen 29 . Bezogen beide Teile sich auf Urkunden, so gab es kein besonderes Beweisvorrecht; beide Urkunden wurden im Gericht verlesen, worauf das Urteil entschied, wer das bessere Recht für sich habe 50 . Der E i d 3 1 wurde nur ausnahmsweise als Eineid, in der Regel mit auf ihre Morgengabe. Vgl. S. 318. L. AI. 54. Gesch. d. ehel. Güterr. 1, 84. 106. 2, 1 S. 29 f. 42. 50. 2, 250. S, 834. I m ü b r i g e n Tgl. BRUNNEB 2, 375. v. BETHMANN-
HOLLWEQ 2, 135 f.
L. Alain. 62, 1. 65, 1. 67, 2.
Vgl. .läithelred 2, 9 c. 3: & biét andscec swîâere porme onsage (immer ist das Ableugnen stärker als das Behaupten). L. Burg. 45. Roth. 364. Die Strafbestimmungen der Volksrechte enthalten häufig die Alternative solvat aut iuret, so fast regelmäßig L. Rib., L. Fris., L. Sax., L. Angl, et Wer., Pact. Alam., häufig L. Alam., vgl. auch L. Bai. 1, 3, 5. 9, 2 f. 13, 6 ff. 20. L. Cham. 46. Daß auch die Lex Salica nicht grundsätzlich, sondern nur in der Zulassung zufälliger Überführungszeugen abweicht, hat BRUNNER 2, 371 f. 394 f. nachgewiesen. Die formalistische Natur von Klage und Antwort brachte es mit sich, daß das Beweisthema nicht auf bloße Thatfragen, sondern zugleich auf die vom Kläger behauptete Rechtswidrigkeit (mala ordine, iniuste) gestellt wurde; auch die Grönde, auf die der Beklagte die Verneinung seiner Schuld stützte, konnten in das Beweisthema aufgenommen werden. Vgl. L. Burg. 6, 6. 39, 3. 52, 4. L. Rib. 73, 3. Ed. Chilp. 6 (BORETIUS 1, 8).
Cap. ad. leg. Rib. von 803, c. 5 (ebd. 117).
L. Alam. 78, 6.
Roth. 229 f. 342. 99 Vgl. BRUNNER 2, 373; Zeug.- u. Inqu.-Bew. 31. L. Alam. 42, 1: quodiam manifestum est tribus vel quattuor iesttbus, tune potestatem iurandi non kabeat. L. Bai. 1, 10: si convictus crimvne negare non possit. 2, 1: et exinde probatus negare non potest. 9, 7: In his vero cousis sacramenta praestentur, in quibus nullarn probationem diseussio iudicantis mvenerit. L. Sal. 39, 2: Si probotio eerta non fuit, sieut pro oedso iuratore dornt. Der Gegensatz zwischen probatio und izisiurandum begegnet noch bei Obertus de Orto, II. F. 2 § 1: si per quoslibet idoneos testes aut per publicum instrumentum probari poterit, aut inopia probationum res deeidatur per iusiurandum. 80 Vgl. LOEBSCH U. SCHRÖDER s Nr. 64. Über den Fall, wo sich zwei Königsurkunden gegenüberstanden, vgl. Anm. 12. BRUNNER, Gerichtszeugnis 155. " Vgl. S. 86. 360. BRUNNER 2 , 377 ff. 427 ff. SIEQEL 176 ff. 225 ff. 277 ff. V. BETHMANN -HOLLWEO I , 28 ff. 169. 172. 379. 513. 2, 127 f. 130. 134 ff. 160 ff.
MAURER, Beweisverfahren 196 ff. 239 ff. LÖNING, Reinigungseid, 1880.
GEMEINER,
Eideshilfe u. Eideshelfer, 1848. COSACK, Die Eidhelfer des Beklagten, 1886. SOHH, R.- u. Ger.-Verf. 575 ff. BEAUDOUIN, Remarques sur la preuve par le serment du défendeur dans le droit franc, Annales de l'Université de Grenoble 8. KOLDERUPROSENVINQE, Dissertationes de usu iuramenti in litibus probandis et decidendis, iuxta leges Daniae antiquas 1815/17. v. AMIRA, Grandriß9 164 ff.; Zur salfränkischen Eideshilfe, Germania 20, 53ff.
GRIMM, RA. 859ff. 892ff.
ZORN, a. a. O. 12—35.
THONISSEN, a. a. 0 . 516 ff. PARDESSUS, L o i S a l i q u e 624 ff. WAITZ 1, 443 f.
Ein
eigentümliches Überbieten des vom Kläger angetretenen Widereides durch einen größeren Eid des Beklagten fand nach dem 2. sal. Kapitulare c. 8 bei Prozessen
§ 37.
Das Gerichtsverfahren.
2. Ordentliches Verfahren.
365
Eideshelfern geleistet, deren Zahl sich nach dem Gegenstand richtete. Der höchste Eid („Volleid") war im allgemeinen der Zwölfereid (mit oder ohne Errechnung des Hauptmannes), doch wurde unter Umständen auch das Doppelte, Drei-, Vier- oder gar Sechsfache verlangt 32 . Geringere Eide wurden selbsiebent oder selbsechst, selbviert oder selbdritt, vereinzelt auch wohl mit nur einem Helfer geleistet. Der Eid wurde der schwörenden Partei von ihrem Gegner, später vom Richter „gestabt", indem der Abnehmer des Eides, einen Stab in der Hand, den im Urteil formulierten Eid Absatz für Absatz vorsprach, den der Schwörende unter Anrufung Gottes ebenso nachsprach33. Der letztere hatte dabei nach altgermanischer Sitte die Hand an den Stab oder an eine Waffe oder sein Kleid oder an die Hand eines Dritten, bei feierlichen Eiden aber nach christlicher Sitte auf die Reliquien eines Heiligen oder den Altar, das Evangelienbuch oder ein geweihtes Kreuz zu legen. Frauen schwuren auf Brust (Nestel) und Zopf (S. 318). Nach der Partei schwuren die Eideshelfer, ursprünglich mit gesamtem Munde, später jeder für sich. Jeder Formverstoß bei dem Eide machte den Beweisführer sachfällig. So lange der Eid noch nicht geleistet war, konnte er durch den Gegner in feierlicher Form verlegt werden. Über die Berechtigung der Eidesschelte wurde in der Begel durch gerichtlichen Zweikampf entschieden. Der Zeugenbeweis 3 4 des volksrechtlichen Verfahrens beschränkte sich in alter Weise auf Urkunds- und Gemeindezeugen. Die ersteren waren entweder Zeugen über rechtserhebliche Thatsachen oder Geschäftszeugen; sie mußten in formeller Weise zur späteren Beurkundung aufgefordert sein lind wurden dabei durch ein Urkundsgeld oder eine sonstige Gabe (Imbiß, Weinkauf) zur Ablegung des Zeugnisses verpflichtet86. Für Gemeindezeugen (bei Grenzstreitigkeiten, Besitzfragen u. dgl.) bestand eine unter königlichen Antrustionen statt. Das ursprüngliche Erfordernis, daß nur Verwandte oder Nachbarn des Schwörenden zur Eidhilfe genommen werden durften, hatte sich in einigen Rechten erhalten, in den übrigen bildete es die Kegel. Wo die nötige Zahl der Verwandten fehlte, war Ergänzung aus anderen Personen gestattet. Bei Freiheiteprozessen wurden bestimmte Verwandte von Vater- und Mutterseite verlangt (BRÜNNEB 2, 381 f.). 92 Über den noch Ssp. 1, 6 § 2 erwähnten Eid mit 72 Helfern vgl. BBUNNER 2, 384 n. Brief Alkuins an Arno bei MIQNE, Alcuini opera 1, 324 f. 33 Daher in altfranzösischen und anglonormannischen Quellen iuramentum, fractum, im Gegensatz zu dem nicht so wörtlich nachzusprechenden schlichten Eide (iuram. planum, non fractum, ags. mid unforedan aie),- der insbesondere den der heimischen Sprache unkundigen Fremden, z. B. den Normannen in England, gestattet wurde. Vgl. BRÜNNEB, ZRG. 30, 128. M Vgl. S. 85. 860. BRÜNNER 2, 391 ff. 435 ff.; Zeugen- u. Inqu.-Bew. 11 ff.; S c h w u r g e r i c h t e 50 f. 54 ff. K . MAURER, a. a. 0 . 185 ff. 2 3 4 ff. SIEGEL 127 ff. 194 ff. 231 ff. BETHHANN-HOLLWEO 1, 33 f. 170. 381. 4 9 5 f. 505 f. 2, 139 ff. PARDESSÜS 621 ff. THONISSEN, a. a. O. 4 9 8 ff. ZORN, a. a. 0 . 4 3 ff. GRIMM, R A . 8 5 6 f. v. AMIRA2 166. 35
Vgl. S. 86 n. S. 297. Bei der allgemeinen Verbreitung des Urkundsgeldes im Mittelalter erscheinen die gegen sein Alter erhobenen Bedenken (vgl. BBUNNER 2, 392 n.) als unberechtigt, wenn auch für unsere Periode vielleicht noch keine
Die fränkische Zeit.
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Zeugnispflicht zunächst nicht, sie wurde erst mittelbar begründet, seit die Ladung durch den Richter üblich geworden war 36 . Das Gerichtszeugnis war dem volksgerichtlichen Verfahren noch unbekannt; die Behauptung einer Partei über gerichtliche Vorgänge mußte ebenso wie jede andere Behauptung bewiesen werden37. Die Zahl der erforderlichen Zeugen richtete sich nach dem Gegenstand38. Eine Vernehmung der Zeugen fand nicht statt; sie hatten einzig die durch das Urteil zum Beweisthema erhobene Behauptung des Zeugenführers Wort für Wort zu beschwören oder den Eid abzulehnen89. Ihr Eid war demgemäß ein assertorischer, kein promissorischer Eid. Nach fränkischem Recht schworen die Zeugen ursprünglich wie die Eideshelfer mit gesamtem Munde, bei den Baiern nur einer, den das Los bestimmte. Nach den Zeugen schwur in der Regel auch der Zeugenführer. Der Gegner konnte, soweit es sich nicht um Geschäftszeugen handelte, die Legitimation des Zeugen bestreiten, indem er in Abrede stellte, daß er die gesetzlichen Eigenschaften besitze40, oder indem er seinen Eid schalt, was durch gerichtlichen Zweikampf zwischen ihm und den gescholtenen Zeugen zu erledigen war. Zu erheblich größerer Bedeutung gegenüber dem Beweisverfahren der Urzeit waren die G o t t e s u r t e i l e gelangt 41 . Während der Langoerzwingbare Haftung der Zeugen anzunehmen ist. Die rogatio testium und die Zahlung des Urkundsgeldes bei Zeugen über Thatsachen war Sache dessen, der sich den Beweis sichern wollte, bei Geschäftszeugen dagegen lag sie seinem Vertragsgegner ob (ebd. 393). Wer auf gehörige mannitio der beweisfahrenden Partei das Zeugnis verweigerte, verfiel jedenfalls in die gewöhnliche Prozeßbuße (nach fränkischem Recht 15 Sol.). Vgl. L. Sal. 49, 3. L. Rib. 50. N Vgl. Sora, Seichs- u. Ger.-Verf. 855 ff. Das salische Recht ließ behufs der Überführung von Verbrechern auch Zufallszeugen Zu. Vgl. Anm. 28. Die Schreimannen bei handhafter That waren Eideshelfer, wenn sie auch gleich Zufallszeugen durch ihre zufällige Anwesenheit bei der Erhebung des Geriiftes designiert wurden. Vgl. BBUNNEB 2, 899. Auch die in Freiheitsprozessen zugezogenen Verwandten des Beklagten (Anm. 31) waren Eideshelfer und keine Zeugen. " Vgl. BBUNNEB, Gerichtszeugnis 140 ff. E. MAVBEB, a. a. 0 . 190ff. Den Langobarden war das Gerichtszeugnis seit dem 8. Jh. bekannt. Vgl. S. 263. • 8 Vgl. S. 277, n. 40.
BBUNNEB 2, 397; Schwurgerichte 61.
Vgl. BBUNNEB 2, 398; Schwurgerichte 54. Bei den Langobarden hatte das stärkere Hervortreten der richterlichen Prozeßleitung dahin geführt, den Zeugeneid nicht schon im Urteil zu formulieren, sondern die Zeugen durch den Richter frei vernehmen und ihre Aussage dann durch Eid (ursprünglich vielfach bloß durch Handschlag) bekräftigen zu lassen. An den Zeugeneid schloß sich der des Zeugenführers. Vgl. BBUNNEB, Zeug.- u. Inqu.-Bew. 14 f. 32 ff.; Schwurgerichte 55 ff. ZOBN, a. a. 0. 44. Zu weit geht Sora, Reichs- u. Gerichtsverfassung 136, n. 101. Über das dem karolingischen Inquisitionsverfahren schon sehr nahe kommende westgotische Recht vgl. BBDNNEB, Zeug.- u. Inqu.-Bew. 34 ff. v. BETHHANN-HOLLWEQ 1, 244 f. DAHN, Studien 275 f. 40 Vgl. S. 360 f. BBUNNEB 2, 396. 436; Zeug.- u. Inqu.-Bew. 32. 41 Vgl. S. 86 f. und die dort angeführte Litteratur. BBUNNEB 1, 182. 2, 374 f. 399 ff. 437 ff. PATETTA, L e ordalie, 1890.
v. AMIBA* 168 ff. HILDENBRAHD, Purgatio
canonica und vulgaris, 1841. KÖNIGSWABTEB, Revue de l£gisl.'3, 344 ff. v. BETHMANNHOLLWEQ 1, 3 0 f f . 1 7 0 f . 380. 384. 5 0 7 f . 511 f. 2, 135. 164ff.
SIEGEL, a . a . O . 112.
§ 37. Das Gerichtsverfahren. 2. Ordentliches Verfahren.
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bardenkönig Liutprand sich skeptisch verhielt und nur dem Volksvorurteil nachgab 42 , schärfte Karl der Große ausdrücklich ein, daß den Gottesurteilen Glauben beigemessen werden solle 48 . Die Kirche bediente sich der Gottesurteile auch in rein kirchlichen Dingen und bildete eine eigene Liturgie dafür aus 44 . Im einzelnen zeigt sich ein eigentümliches Gemisch altarischer and neuchristlicher Einrichtungen. Das germanische Losurteil, obwohl in ein entschieden kirchliches Gewand gekleidet, trug doch za viel Heidnisches an sich und trat daher mehr in den Hintergrund 46 . Dagegen stand der gerichtliche Zweikampf in allgemeiner Anerkennung, obwohl die Kirche ihm nicht geneigt war und ihn in ihrem Bereich zu beseitigen wußte 46 . Während die Westgoten ihn zu Pferde und demnach wohl mit dem Speer auskämpften, stritt man bei den übrigen Stämmen zu Fuß mit dem Schwert, bei den salischen Franken mit dem Kampfstock47. Christlichen Ursprungs war die dem Zweikampf zeitweilig für unkriegerische Personen substituierte Kreuzprobe, das einzige zweiseitige Gottesurteil außer dem Zweikampf, übrigens gleich diesem auch die Vertretung durch andere' gestattend 48 . Ein einseitiges Gottesurteil kirchlichen Ursprungs war die Abendmahlsprobe, vielleicht nur eine christ-
163 ff. 202 ff. 234 ff. PABDESSUS, L o i Salique 632 f. THONISSEH, a. a. 0 . 507 ff. LÖNINO, R e i n i g u n g s e i d 50 ff. 75 ff. WAITZ 4, 428 ff. RETTBERO,' K i r c h e n g e s c h i c h t e
Deutschlands 2, 749 ff. SCHMID, Gesetze der Angelsachsen 639 f. 42 Liutpr. 118: Incerti aumus de iudicio Dei, et multos audivimus per pugnam sine iustitia ewusam suam perdere; sed propter eonstteiudinem gentis nostrae Langobardorum legem ipsam vetare non possumm. 41 Vgl. BOEETIUS 1,150, 20: Ut omnes iuditium Dei eredant absque dubitatione. Die Gottesurteile galten im allgemeinen auch für Juden (vgl. BORETIUS 1, 259, 6), mit Ausnahme der königlichen Schutzjuden (Form. imp. 30, ZECMER 309). 44 Vgl. S. 268. " Vgl. L. Rib. 31, 5. L. Fris. 14, 1 f. Pact. pro ten. pac. 5 f. 8. 10 f. 48 Vgl. Bischof Agobard an Ludwig d. Fr., MG. Leg. 3, 504. 47 In der Lex Salica wird der gerichtliche Zweikampf nicht erwähnt, doch darf man aus diesem Schweigen kaum den Schluß ziehen, daß er auch dem ungeschriebenen Volksrecht unbekannt gewesen sei; nur spielte er eine geringere Rolle als in den übrigen Volksrechten, mit denen das salische Recht erst allmählich durch die königliche Gesetzgebung in Einklang gebracht wurde. Hätten die Könige ihn bei den Saliern überhaupt erst eingeführt, so würden sie schwerlich darauf verfallen sein, den Kampf anders als mit dem Schwert ausfechten zu lassen. Gerade der Gebrauch des Kampfstockes läßt auf die volkstümliche Herkunft schließen. Bestätigt wird diese Vermutung durch die Art, wie das sechste sal. Kapit. c. 15 (BEHREN»2 159) und Greg. Tur., Hist. Franc. 7, 14. 10, 10 (hier Kampf mit dem Schwert im Königsgericht) des gerichtlichen Zweikampfes gedenken. Vgl. auch BAIST, Der gerichtliche Zweikampf nach seinem Ursprung u. im Rolandsliede, Romanische Forschungen 5, 1890. Verschiedene Volksrechte ließen bereits eine Vertretung duich Lohnkämpfer zu. Vgl. L. Fris. 5, 1. 14, 7. Roth. 368. Liutpr. 118. L. Baiuw. 9, 2. 12, 8. 18, 1 f. 48 Die Gegner hatten sich mit kreuzweise ausgestreckten Armen vor ein Kreuz zu stellen; wer die Arme zuerst sinken ließ, hatte verloren. Der kirchliche Ursprung wird durch BOEETIUS 1, 41, 17 bestätigt. Über die Beseitigung der Kreuzprobe vgl. S. 257 n. 11.
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Die fränkische Zeit.
liehe Umbildung der auf arische Herkunft hinweisenden Probe des geweihten Bissens 49 . Die vorherrschende Form des Gottesurteils bei den salischen Franken war zur Zeit der Lex Salica der Kesselfang {iudicium aquae ferventis s. calidae, calida, caldaria, aeneum, ineum, hineum, inium, igneum), der auch den Angelsachsen (ceäc) und Friesen bekannt, bei den übrigen Stämmen dagegen vorwiegend nur für Unfreie gebräuchlich war 60 . Ein anderes, ebenfalls einseitiges Feuerurteil, offenbar arischer Herkunft, war das Tragen glühenden Eisens oder glühender Kohle und das Überschreiten glühender Pflugscharen51. Der Beweisführer mußte regelmäßig, bevor er zum Gottesurteil schritt, die Wahrheit seiner Behauptung beschwören, das Gottesurteil war daher im allgemeinen kein selbständiges Beweismittel, sondern nur eine Bestärkung des Eides 52 . Demgemäß kam es vor allem zur Anwendung im Falle der Eides- oder Zeugenschelte, nachdem der zum Schwur bereit stehenden Partei oder dem Zeugen durch den Gegner oder einen Gegenzeugen die Schwurhand zurückgezogen worden war58, ferner bei der peinlichen Urkundenschelte64, oder wenn eine Partei die erforderliche Zahl der Eideshelfer nicht beizubringen vermochte 66 oder wegen Unfreiheit oder Recht" Vgl. DAHN, a. a. 0. 41. 46 f. KAEGI, a. a. O. 54 f. Arischer Herkunft war wohl auch die Wasserprobe (iudicium aquae frigidae), worüber BRUNNEB 2, 410. 60 Vgl. L. Rit>. 30, 1, 3. 31, 6. L. Cham. 48. L. Pris. 3, 6 - 9 . 14, 3. Liutpr. 50. LK Wis. 6, 1, 3 (vgl. DAHN, Studien 285 f.). FICKEB, Mitteil. d. öst. Inst., Erg. 2, 493. BBUNNEB 2, 406 ff. (besonders zum 6. aal. Kap. c. 4). Bei den Saliern war der Kesselfang anfangs geradezu das normale Gottesurteil. Vgl. L. Sal. 14, 2, Zusatz; 16, 3, Zusatz; 53. 56, 1. Pact. pro tenore pacis c. 4. Ed. Chilper. 6 (vgl. Anm. 55). Nach L. Sal. 53 konnte der Eesselfang seitens des Angeschuldigten mit Geld abgelöst werden, worauf es zum Unschuldseid mit EideBhelfern kam. Durch Karl d. Gr. wurde der Kesseliang für Freie im allgemeinen beseitigt, indem gerichtlicher Zweikampf oder Kreuzprobe, anfangs nur für causae minores, später allgemein, an seine Stelle traten (BOBETIUS 1, 49,10. 268,1. 283, 10). Vgl. v. AJQBA, i. d. Germania 20, 61 ff. Ober Kesselfang bei den Angelsachsen vgl. LIEBEBMANN, Berl. SB. 1896, S. 829 ff. Das nordische Recht hat den Kesselfang erst unter Olaf dem Heiligen (11. Jh.) angenommen. Vgl. MÖLLENHOFF, DA. 5, 398 f. MAUBEB, Zeitschr. f. deutsch. Phil. 2, 443 und i. d. Germania 19, 144. M Vgl. BOBETIUS 1, 113, 5. 259, 6. L. Angl, et Wer. 55. Greg. Tur., Hist. Franc. 2, 1; De gloria confessorum c. 14. FICKEB, a. a. 0. 494. Neben diesem Gottesurteil erwähnt eine englische Aufzeichnung des 11. Jhs. das Lebendigbegraben mit einer Mundröhre. Vgl. LIEBEBMANN, ZRG. 32, 140. " v. AMIBA, Germ. 20, 63 f. macht darauf aufmerksam, daß erst Ludwig d. Fr. den Eid aus dem Gottesurteil entfernt hat " Vgl. L. Burg. 8, 2. 45. 80, 2 f. L. Rib. 67, 5. L. Sal. extrav. B. c. 2 (BEHBEND* 166). Roth. 9. 202. 213. 365. Grim. 7. Liutpr. 11. L. Fris. 11, 3. 14, 5. L.Angl, et Wer. 2. 39. 42 f. 56. L. Saz. 63. Pact. AI. 2, 33. L. Alam. 54, 2. 86, 4. L . Bai. 2, 1. 13, 8 f. 17, 2—6.
BOBETIUS 1, 117, 4. 180, 3. 217, 8. 268, 1. 282, 10.
BBUNNEB 2, 373 f. 434. 436; Zeug.- u. Inqu.-Bew. 16. 27 f.; Schwurgerichte 52. 57. 64 Vgl. S. 361 f. L. Rib. 59, 4 f. L. Sal. extrav. B. c. 4 (BEHBEND» 167). BBUNNEB, Gerichtszeugnis 144f.; Carta u. Notitia 16f.; Schwurgerichte 64f. 65 L. Sal. 14, 2, Zusatz; 16, 3, Zusatz. Ed. Chilper. 6 (wo nach BBUNNEB, Mithio und sperantes 24 f., ad min/m statt aut initium oder ut mitivm zu lesen ist). L. Rib. 31, 5. L. Alam. 91. Synod. Francof. v. 794, c. 9 (BOBETIUS 1, 75).
§ 37. Das Gerichtsverfahren. 2. Ordentliches Verfahren.
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losigkeit nicht ohne Gottesurteil zum Reinigungseide zugelassen werden konnte 66 . In Meineidsprozessen wurde die Eidesschelte schon mit der Klage erhoben, hier kam es daher regelmäßig zum Gottesurteil67. Das Verfahren in Meineidssachen hat dann wohl den Anlaß gegeben, auch in anderen gesetzlich mehr oder weniger ausgezeichneten Fällen dem Kläger unmittelbar die Herausforderung zum Gottesurteil, namentlich die kampfliche Ansprache, zu gestatten 68 . Der Gebrauch der F o l t e r 6 9 war den Germanen unbekannt. Nur Goten, Burgunden, Franken und Baiern haben sich derselben, zweifellos nach römischem Vorbild, gegen Unfreie, bedient. Einzig die Westgoten verwendeten die Folter auch gegen Freie und Edle, ein Übergriff den sich im sechsten Jahrhundert gelegentlich auch fränkische Könige und Grafen erlaubt haben. Wollte eine Partei sich bei dem gefundenen Urteil nicht beruhigen, so mußte sie es unter Findung eines Gegenurteils schelten (blasphemar«)60. Dasselbe Becht stand jedem Dinggenossen und wohl auch dem ßichter zu. Die U r t e i l s c h e l t e 6 1 war keine bloß auf die materielle Ungerechtigkeit des Urteils gegründete und seine Beformation beM
Vgl. L. Rib. 30, 1. Pact. pro ten. pac. 5 f. 8. 11. Ed. Chilp. 7. L. Pris. 3, 6. BOBETIUS 1, 58 c. 64. 148 c. 1. 281 c. 1. In solchen Fällen trat das Gottesurteil nicht selten vor den Eid. Vgl. v. AMIBA, a. a. 0. 80 ff. " Vgl. 6. sal. Kap. c. 16 (BEHKEND* 159). BBUNNER, Zeug.- u. Inqu.-Bew. 16. 28 ; Schwurgerichte 58. Die Meineidsklage war stets zugleich Ersatzklage hinsichtlich des dureh den Meineid verlorenen früheren Prozesses. •• Vgl. BBUNNER 2 , 874.
L . Sal. 53.
L . Rib. 57, 2.
L . C h a m . 46. 48.
L.
Alam. 43. 81. L. Bai. 12, 8. app. 4 (MG. Leg. 3, 337). L. Fris. 3, 8. L. Angl, et Wer. 55. Roth. 198. 381. Liutpr. 71. 118. Adelchis 6. BOBETIUS 1, 5 c. 4. 6 c. 10. 49 c. 10 f. 113 c. 5. 284 c. 15. 69
Vgl. BBUNNER 2, 401. 403. 409. 413 f.
v. BETHMANN-HOLLWEO 1 , 1 7 0 . 239 ff.
285 f. 509. 512 f. DAHN, Studien 282 ff. NISSL, Gerichtet, d. Klerus 110 f. L. Wis. 6, 1 c. 2—5. L. Burg. 7. 39, 1. L. Sal. 40. L. Bai. 9, 19. Daß die Franken die Prügelbank, die ihnen statt der Folter diente, unter Umstünden auch für Juden in Anwendung brachten, ergiebt sich aus der Befreiung der königlichen Schutzjuden, Form. imp. 30 (ZEUMEE 309). M Die deutsche Bezeichnung, und zwar auch für Eidschelte, war laoina (salfr. lakma, afrs. lakinge), von ahd. alts. lâhan (afrs. lakia, mnd. lakeri) d. h. vituperare, prohibere, davon via laeina für Wegverlegung (§ 36, n. 66). Vgl. L. Rib. 71, HERMANN, Mobiliarvindikation 126.
BBUNNER 2, 356.
v. AMIRA* 156. .VAN HELTEN,
Malb. Gl. § 65. 61 Vgl. BBUNNER 2, 355 ff.; Zeug.- u. Inqu.-Bew. 52 ff.; Schwurgerichte 46 f.;
W o r t u . F o r m 738 f. v. AKIRA* 156. 158. v . BETHMANN-HOLLWEO 1 , 164. 391 f. 2 , 1 7 1 . SIEGEL 148 ff. SOHM, R e i c h s - u . Ger.-Verf. 130. GLASSON, Histoire 3, 426 f. 434. 4 4 8 f. THONISSEN, a. a. O. 74 f. 495 ff. WAITZ, D a s alte R e c h t 175. LEHMANN,
Rechteschutz 51 ff. 95 ff. SKEDL , Die Nichtigkeitsbeschwerde in ihrer geschichtl. Entwickelung, 1886, S. 7 ff. ESMEIN, La chose jugée, N. Rev. 1887, S. 545 ff. BEAÜDOUIN, La participation des hommes libres au jugement 48. DAHN, Studien 254 f. GEBAUER, Studien z. Gesch. d. Urteilschelte auf Grund d. altfranz. Quellen, ZRG. 30, 33 ff. L. Sal. 57, 3 mit Zusatz. L.Rib. 55. L. Alam. 41. L. Bai. 2, 17 f. L. Wis. 2, 1 c. 19 f. c. 23. Westg. Fragm. 4 (10). L. Burg. 90, 2; prima const. 9. 11. Roth. 25. Liutpr. 28. R. SCHRÖDER, Deutsche RecliUgeschlclite. 4. Auf). 24'
370
Die fränkische Zeit.
zweckende Berufung, sondern gleich der Eid- and Zeugen- und der feierlichen Urkundenschelte eine peinliche Schelte, indem sie gegen die Urteilsfinder den Vorwarf der Ungerechtigkeit erhob. Es kam daher zwischen dem Schelter und den Gescholtenen über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der erhobenen Anschuldigung zu einem Zwischenverfahren, bei dem die eigentlichen Prozeßparteien als solche durchaus unbeteiligt waren. Der unterliegende Teil hatte dem obsiegenden Buße zu zahlen. Siegte der Scheiter, so wurde das gescholtene Urteil zu Gunsten des von ihm gefundenen Gegenurteils hinfällig. Die Urteilschelte mußte anmittelbar auf den Urteilsvorschlag, bevor noch die Vollbort des Dingvolkes erklärt war, erhoben werden62. Die Entscheidung erfolgte anfangs wohl, wie zum Teil im Mittelalter, in gleicher Weise wie bei Eid-, Zeugen- und peinlicher Urkundenschelte durch Gottesurteil, zumal durch gerichtlichen Zweikampf; die Lex Alamannorum kannte bereits einen wirklichen Rechtszug an ein anderes Gericht (ab atiis iudicibus inquisitum), wahrscheinlich das herzogliche Hofgericht, während die karolingischen, westgotischen und langobardischen Gesetze dem Eönigsgericht, also einem an die Prozeßformen uüd Beweisregeln des Volksrechtes nicht gebundenen Billigkeitsgerichtshof, die Entscheidung vorbehielten63. Die U r t e i l s v o l l s t r e c k u n g geschah überall, wo es sich um eine dem Beklagten auferlegte Leistung handelte, auf Grund des UrteilserfüllungsVersprechens, nachdem der Beklagte dem letzteren binnen der gesetzlichen Frist nicht nachgekommen war 64 und auch einer dreimaligen, in rechtsförmlicher Weise vor Zeugen erfolgten Mahnung keine Folge geleistet hatte 6 *. Am deutlichsten hat sich der altgermanische Standpunkt im langobardischen Recht erhalten, das die Mahnung und Pfändung ei
Nach Karls Diedenhofer Cap. mies, von 805 (Boretius 1, 123 c. 8) sollten,
qui net? iuditium acabinorum adquiescere nee blasfemare volunt, nach der antiqua conswtudo in Haft genommen werden, bis sie eins von beidem thun würden, also entweder Urteilserfüllungsgelöbnis oder Urteilschelte. Vgl. Bbunneb, Zeug.- u. Inqu.-Bew. 65. Die neueste Auslegung von Brunner 2, 361, n. 43 ist mit der Be-
zugnahme auf die antiqua eonsuetudo unvereinbar. 68
M
Vgl. BORETIUS 1, 32 c. 7. 71 c. 4. 159 c. 7. Liutpr. 28. L. Wis. 2, 1 c. 23.
Vgl. BRÜNNER 2, 442.
" Vgl. Bbu&neb 2, 445—460. v. Amira2 133. 170 ff.; Vollstreckungsverfahren 256 ff. 280; Obl.-R. 1, 109 ff. 234 ff. 2, 140 ff. 146 ff. Siesel 35 ff. 245 ff. v. Bethmann-Hollweq 1, 366 ff. 392 f. 473 ff. 515 ff. 2, 173 ff. Sohm, Reichs- u. Ger.-Verf. 117 ff, Glasson, Histoire 3, 414 ff. 429. 450. 454 f. Wilda, Pfändungsrecht, ZDR. 1, 167 ff. v. Meibom, Pfandrecht 39 ff. 190 ff. Esusra, Études sur les contrats 90 ff. 154ff. Pbrtius 4, 498 ff. OsenbeCgqen, Strafe d. Lang. 142 ff. Wach, Italien. Arrestproieß 1—33. Gaudenzi, Un' antica compilazione di diritto romano e visigoto 180 ff. 145 ff. K. Lehmann , Königsfriede 18 ff. 113 ff. Die Ausdrücke för Pfänduttg sind ohne Ausnahme von Wörtern gebildet, die ein rapere, diripere be-
zeichnen. So afrk. strudis (vgl. ags. strudunge, mnd. stroden, mhd. sLrûteri), altsehwed. utmiœta, neema, altn. nam (vgl. ags. nâm, d. i. pignus captum). Vgl. Geium, RA. 635. 866. Lexer, Mhd. WB. 2, 1255. Schiller-Lübbes, Mnd. WB. 4, 489. V. Amiba, Obl.-R. 1, 113. 284. Sohmid, Ges. d. Angels. 636. 658. Über
pfant vgl. S. 274.
§ 37. Das Gerichtsverfahren.
2. Ordentliches Verfahren.
371
des Schuldners durchaus dem Bürgen, die Pfändung des säumigen Bürgen aber dem Kläger überließ und gerichtliche Mitwirkung nur für den Fall verlangte, wenn die Pfändung mangels anderen Vermögens auf sonst pfandfreie Gegenstände ausgedehnt werden sollte66. Auch das sächsische Volksrecht muß außergerichtliche Pfändung zugelassen haben, da sie in Karls Capitulatio de partibus Saxoniae c. 25 bei Strafe des Königsbannes verboten wurde. Das ostgotische, burgundische, bairische und angelsächsische Recht überließ die Betreibung und Vollstreckung ebenfalls dem Kläger oder dem Wettbürgen des Beklagten, verlangte aber für die Pfändung Genehmigung des Richters67. Dasselbe dürfte bei den Alamannen und Friesen der Fall gewesen sein, da Karl der Große es hier nicht für notwendig hielt, die volksrechtlich anerkannte Privatpfändung zu verbieten68. Allgemein wurde richterliche Genehmigung oder unmittelbar gerichtliche Pfändung gefordert, wenn dem Schuldner wider seinen Willen gesetzlich von der Privatpfändung ausgeschlossene Gegenstände (Vieh oder bestimmte Vieharten, zuweilen auch Sklaven) abgepfändet werden sollten69. Das westgotische Recht kannte nur die gerichtliche Pfändung 70 . Eine Mittelstellung nahm das salische Recht ein, indem das Betreibungsverfahren sich unter einer gewissen Mitwirkung des Gerichts vollzog, die Vollstreckung aber nach Wahl des Klägers eine private oder gerichtliche sein konnte71. Nach Ablauf der gesetzlichen oder vertragsM Vgl. Anm. 69. S. 2 9 0 f. Roth. 245 f. 248. 251. Liutpr. 1 5 . 1 0 8 . Die Annahme, daß die Langobarden die Privatpfändung bei jeder Schuld zugelassen hätten (VAL DE LI£VBE 196 ff. WILDA, a. a. 0 . 190. SOHM, Prozeß 58. LOMINO, Vertragsbruch 88. .91. v. BETHMANN-HOLLWEO 2, SSO, n. 8) ist wohl zu verwerfen. Wahrscheinlich beschränkte sie sich auf den Wettvertrag, war aber auch bei diesem seit Liutpr. 15 nur zulässig, wenn er mindestens vor zwei Zeugen abgeschlossen worden
war. V g l . S. 294 f. 381, n. 125. WACH 1 ff. SIEGEL 37 ff. v. MEIBOM 190 ff. OSENBRÜQQEN 143. HEOSLER, Inst. 2, 207. 241. 13, 1
•7 Vgl. S. 290. Ed. Theod. 123. L. Burg. 19, 1. 96. extrav. 21, 8. L. Bai. ff. Ine 9. Knut 2, 19. SOHM, Prozeß 4 2 ff. WJLDA 184. BETHMANN-HOLLWEO,
1, 168. 473. 68
SCHHID, Ges. d. Angela. 642.
MEIBOM, Pfandr. 194.
Bei den Langobarden wurde dies ohne dauernden Erfolg durch Pippins Cap. Pap. von 787, c. 14 (BORETIÜS 1, 200) versucht Vgl. Pact. Alam. 3, 7. 5, 4. L. Alam. 83, 1. L. Fris. add. 8, 2. BRUNNES 2, 446 f. 49 Vgl. Roth. 249—252. Liutpr. 109. L. Burg. 105. Pact. AI. 5, 4. L. AI67, 1. 83. L . B a i . 1 3 , 4 f. BORETIÜS 1 , 3 2 0 c. 2. 2 , 1 3 4 c. 21. BRUNNER 2, 449. WACH, a. a. O. 22. OSENBBÜQQEN, a. a. 0 . 143 f.
WILDA 187 f.
70
L. Wis. 5, 6 c. 1. Schon das Gaudenzische Fragm. 6 gestattete nur Pfändung durch den sagio des Gerichts. 71 Vgl. L. Sal. 50. 51. Erstes sal. Kapitulare c. 10. BBUNNER 2, 447. 4 5 3 f. Für ausschließlich gerichtliche Vollstreckung BEHREND, Prozeß der Lex Salica 68 ff.; PARDESSUS, Loi Salique 605 f.; WAITZ, Das alte Recht 179 ff.; v. MEIBOM, Pfand-
recht 71 ff. 195 f.; WILDA, a. a. O. 1 8 2 f.; GLASSON 3, 3 9 0 ff. 414 ff. Von anderen wird die Pfändung durch den Grafen (L. Sal. 50, 3) auf den Fall des gerichtlicheil Urteilserfüllungsgelöbnisses beschränkt, während das Betreibungsverfahren bei außergerichtlichen Wettverträgen auch mit außergerichtlicher Vollstreckung verbunden gewesen sei. Vgl. SIEGEL 2 4 5 ff. SOHM, Prozeß 8 0 ff. 163 ff; R.- u. Ger.-Verf. 24*
Die fränkische Zeit
372
mäßigen Zahlungsfrist forderte der Kläger seinen Schuldner in dessen Wohnung vor Zeugen und mitgebrachten Schätzungsleuten in rechtsförmlicher Weise zur Leistung nach Maßgabe des TJrteilserfüllungsversprechens auf. Im Falle der Weigerung erhöhte sieh die Schuld um den Betrag der großen Frozeßbuße von 15 Sol. und der Beklagte wurde durch mannitio des Klägers vor das Gericht des Thungins (S. 167) geladen. Hier erwirkte der Kläger, wenn Beklagter keine Einwendungen erhob, einen richterlichen Arrestbefehl72, auf Grund dessen er an den Beklagten ein Gebot (testare)
e r l i e ß : tit nulli altert nec solvat nec pignus donet solutionis,
nisi ante
Uli impleat, quod ei fidem fecerat. Sodann hatte er ihn dreimal, immer je nach einer Woche, in seiner Wohnung vor Zeugen zu mahnen. Mit jeder Mahnung wuchs die Schuld um den Betrag der kleinen Prozeßbuße von 3 Sol. Nach der dritten Mahnung galt der Schuldner als iactivus (S. 363) und Kläger konnte nunmehr zur außergerichtlichen Pfändung schreiten7', wenn er nicht vorzog, in Gemäßheit einer schon in den ältesten Text der Lex Salica eingeschobenen Novelle sich in feierlicher Form an den Grafen zu wenden und diesen zur gerichtlichen Pfändung zu veranlassen7*. Die Vorteile, die letztere bot, scheinen schon im Laufe des sechsten Jahrhunderts die außergerichtliche Pfändung sehr in den Hintergrund gedrängt zu haben, wenigstens gedenkt das Edikt Chilperiohs c. 7 und die Lex Ribuaria (32, 3. 51. 84) nur noch der Pfändung durch den Grafen oder iudex fiscalia Vollends versehwanden die alten Vollstreckungsformen, als die Urteilsvollstreckung im Wege der Fronung in das volksrechtliche Verfahren aufgenommen wurde. Die volksrechtliche Pfändung war auf die fahrende Habe des Schuldners beschränkt Sie gewährte dem Gläubiger zunächst nur ein Pfandrecht, indem Schuldner für eine gewisse Zeit noch das Lösungsrecht behielt; nur die gerichtliche Pfändung der salischen Rechts bewirkte sofortige Übereignung an Zahlungsstatt75. Eine Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen war den Volksrechten mit Ausnahme des langobardischen unbekannt70, sie ist aus dem Amtsrecht hervorgegangen und verdankt der Vermögensbeschlagnahme zur Befriedigung fiskalischer Ansprüche (missio in bamum, vrdriunge), also einer Abspaltung der Fried-
80 ff. V. BETHMANN - HOLLWEO 1, 473 ff. 515 ff. 2, 90. THONISSEN 466 ff. LÖNINO, Vertragsbruch 4 ff. 26 ff. COHN, Justizverweigerong 61 ff. " Die Formel dafür (nexti canthiehio) wird verschieden erklärt Vgl. MÖLLENHOFF und J. GRIMM bei WAITZ, Das alte Recht 289 f., und MERKEL, Lex Salica pg. 54 sq. KERN, Glossen 11 ff. und bei HESSELS, Lex Salica, § 238. VAN HELTEN, a. a. 0 . 463 ff. 54». GEFFCKEN, Lex Salica S. 195. " So noch nach 1. sal. Kapitulare c. 10. Vgl. SOHM, Prozeß 31 ff. SIEGEL 249. BBVNNEB 2, 448, n. 20. "
V g l . L . Sal. 50, 3—5. 51, 1 f.
"
Vgl. BRUNNES 2, 450. 455. 457.
BRUNNE» 2, 453 f.
76 Vgl. SOHM, R.- u. Ger.-Verf. 117 f. 1, 867. 51H. ESMEIX, ßtuiles ^ 3
BRUNNER 2, 457.
BETHMANN-HOLLWEG
§ 37.
Das Gerichtsverfahren.
2. Ordentliches Verfahren.
373
losigkeit, ihre Entstehung 77 . Als gerichtliche Zwangsvollstreckung diente die Fronung ursprünglich nur dem Ungehorsamsverfahren. Der Übergang zu einem regelmäßigen Exekutionsmittel erfolgte zuerst im Gebiete des sächsischen ßechts, und zwar für den Fall daß der Verurteilte das Urteilserfüllungsversprechen wegen Mangels an Bürgen nicht abzulegen vermochte78. Die Fronung war zunächst eine einstweilige Beschlagnahme des gesamten innerhalb der Grafschaft befindlichen Vermögens, wobei der Schuldner aus dem Besitz gewiesen, ihm aber binnen Jahr und Tag RICHTHOFEN, Untersuchungen 2, 1 1 0 3 ff. HECK, Gerichtsverfassung
462
Das Mittelalter.
bürtigkeit bedingten Verhältnisse127. Denn das Mittelalter kannte eine Reihe rechtlicher Beziehungen, in die man nur mit Standesgenossen oder Tieferstehenden (Untergenossen) treten konnte, während man von den Übergenossen als unebenbürtig ausgeschlossen wurde. Soweit solche Gegensätze auf dem Gebiet des Lehnrechts hervortraten, wurde ihrer schon bei der Besprechung der Heerschilde und der Ritterbürtigkeit (S. 399 f. 447) gedacht. Die landrechtliche Bedeutung der Ebenbürtigkeit bezog sich teils auf das Gerichtswesen, teils auf das Privatrecht. In peinlichen Sachen brauchte sich niemand einen Untergenossen als Richter oder Urteiler, Zeugen oder Eideshelfer gefallen zu lassen. Um ein Urteil schelten zu können, mußte man Genosse oder Übergenosse des Urteilfinders sein. Die öffentliche Pflicht, einer darum nachsuchenden Partei als Fürsprecher beizustehen, galt nicht gegenüber dem Untergenossen; nur einen Ebenbärtigen brauchte man sich als Fürsprecher des Prozeßgegners gefallen zu lassen. Das Recht der kampflichen Ansprache hatte man nur gegen Genossen oder Untergenossen; den kämpf liehen Gruß eines Höheren durfte man nicht zurückweisen, obwohl man ihn selbst nicht herausfordern konnte. In privatrechtlicher Beziehung galt das Prinzip der Ebenbürtigkeit auf dem Gebiet des Vormundschaftsrechts und des Erbrechts: nur der Ebenbürtige, d. h. der Standesgenosse oder Übergenosse, konnte geborener Vormund und gesetzlicher Erbe sein, der Untergenosse hatte kein Recht. Anders stand es hinsichtlich der Ehe, indem diese Gleichbürtigkeit beider Ehegatten verlangte, also nicht bloß den Untergenossen ausschloß12S. Allerdings bildete die Standesverschiedenheit als solche kein Ehehindernis mehr 129 , aber die vollen Wirkungen der Ehe traten nur unter Standesgenossen ein; war .einer der Ehegatten geringeren Standes als der andere, so war die Ehe eine Mißheirat. Bei der standesgleichen Ehe teilte die Frau für die Dauer der Ehe unbedingt das Recht des Mannes130; nach 263ff.; Gemeinfreie 223ff. Der Sachsenspiegel (III. 45) giebt den Fürsten und EdeLn die doppelte Buße der Gemeinfreien (30 ß : 15 £), aber nicht ganz das doppelte Wergeid (18 c. 77 GB. c. 5. Eine Urkunde von 1325 sowie Schwäb. Lehnr. 41 läßt ver-
§ 43.
Der König.
485
Unter den Königspfalzen nahmen Aachen und Frankfurt, jene zugleich als Krönungs-, diese als Wahlort, dauernd die erste Stelle ein 78 . Außerdem hielten sich die letzten Karolinger mit Vorliebe in Regensburg und Forchheim auf, die ersten Könige aus dem sächsischen Hause in Quedlinburg und Magdeburg; weiterhin traten Ingelheim, Trebur, Nimwegen, Gelnhausen, Speier, namentlich aber Goslar, Mainz, Köln, Nürnberg in den Vordergrund. In zahlreichen Bischofstädten besaßen die Könige eigene Pfalzen. Seit Wenzel, namentlich aber seit Friedrich III., traten die über das Reich zerstreuten Pfalzen zurück, da die Könige dem Aufenthalt in ihren Erblanden den Vorzug gaben und sich nur noch selten im Reiche sehen ließen. Zwischen der Herrschergewalt des Kaisers und des Königs wurde nicht unterschieden. Das einzige Vorrecht des Kaisers bestand darin, daß er einen römischen König als Gehilfen und gekrönten Nachfolger neben sich haben konnte, was dem bloßen Könige wohl versagt war. In der Stellung des Königs trat gegenüber dem fränkischen Reiche das persönliche Element stark in den Hintergrund, indem der Übergang von der Erbmonarchie zum Wahlreich wenigstens den Vorteil gehabt hatte, den Reichsgedanken zu entwickeln: das Reich nahm die erste Stelle ein, der König war nur der Vogt des Reiches79. Anfangs erstreckt« sich die königliche Regierungsgewalt auch auf die kirchlichen Angelegenheiten, selbst den römischen Stuhl. Erst nachdem die Emanzipation der Kirche vollzogen war, seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, kam die Lehre von den zwei Schwertern, dem geistlichen und weltlichen, die Gott auf Erden gestiftet habe, auf 80 . Der König war nur noch der Schirmherr der Kirche, der er seinen weltlichen Arm zu leihen hatte. Wer dem Kirchenbann hartnäckigen Widerstand entgegensetzte, sollte in die Reichsacht, umgekehrt aber auch der Reiehsächter in den Kirchenbann verfallen81. Auch anderen Schutzbedürftigen, Witwen, Waisen, Fremden gegenüber wurde an dem Gedanken festmuten, daß eine derartige Abgrenzung schon früher bestanden bat. Vgl. MEBKEL, a. a. 0 . 8. FICKER, a. a. O. 832 ff. TBIEPEL 28. Über den Inhalt des Vikariatsrechtes vgl. GB. c. 5 § 1. TBIEPEL 33 ff. Die Reichsvikare konnten Vikariatshofgecichte abhalten und waren zur Fortführung der laufenden Eeichsgeschttfte ermächtigt. Die Präsentation zu kirchlichen Pfründen stand ihnen zu, ebenso die Verleihung der kleineren Reichslehen, nicht die der Fahn- und Scepterlehen. Über die Reichsgüter hatten sie kein Verfügungsrecht. 79 Vgl. WAITZ 6 3 0 5 ff. SCHELLHASS, Das Königslager vor Aachen und Frankfurt in seiner rechtsgeschichtl. Bedeutung, Berl. Diss. 1885. 79
80
V g l . WAITZ 6 » , 4 6 1 ff.
Vgl. WAITZ 6 * , 4 7 3 . FBIEDBERQ, a. a. 0 . 2 0 f. 4 6 ff. BEBCHTOLD, Landeshoheit 7 ff. Ssp. I . 1 und die von HOMEYEB dazu angeführte Litteratur. Reinmar von Zweier, Strophe 213 f. Dsp. 1. Schwsp. Laßb., Vorrede d. 81 Vgl. Ssp. I. 1. III. 63, § 1. Schwsp. Laßb., Vorrede e, f. 106b. 246. WEILAND, Const 1, 450 c. 7 (1186). 2, 90 c. 7. 443 f. Seifried Helbling, Gedichte 8, 951 ff. BÖHMER, Acta imperii Nr. 231 (1209). FRANKLIN, Sent. cur. Nr. 21. 22. 79. WALTER, RG. § 252, n. 8, 9.
Das Mittelalter.
486
gehalten, daß der König ihr allgemeiner Schutzherr sei. Eine Hauptaufgabe des Königs war die Sorge für Recht und Gericht und für den Landfrieden, von beiden ist an anderer Stelle zu handeln. Das Recht des Königs, bei Strafe des Königsbannes Gebote und Verbote zu erlassen, wurde aufrechterhalten, der Betrag der Strafsumme aber wesentlich erhöht. Im übrigen war der König bei jeder Veränderung der Rechtsordnung und allen wichtigeren Regierungshandlungen mehr oder weniger an die Mitwirkung der Großen gebunden. Die Vertretung des Reiches nach außen blieb Sache des Königs 82 , thatsächlich haben aber die Großen auch hier oft entscheidend auf seine Entschlüsse eingewirkt. Die kriegsherrliche Stellung des Königs blieb bestehen, wurde aber durch die Umwandlung des Volksheeres in eine Feudalmiliz wesentlich lahm gelegt. Dasselbe war hinsichtlich des Beamtentums der Fall, das ebenfalls fast durchweg einen feudalen Charakter erhalten hatte. Als Spitze der Lehnshierarchie des Reiches war der König Inhaber des ersten Heerschildes. An sich war es damit unvereinbar, daß der König Lehnsmann eines anderen hätte sein sollen, den Laien gegenüber wurde dies auch entschieden festgehalten, dagegen suchtcn die Könige vielfach bei der Kirche gemachte Zwangsanleihen durch die lehnrechtliche Form zu mildern, sie nahmen Lehen von geistlichen Fürsten an, leisteten aber dafür weder Mannschaft noch eigentliche Lehnsdienste 43 . § 44. L i t t e r a t u r § 4 3 n. 9.
Der königliche Hof.
WAITZ 6 ' , 3 2 9 ff. BRUNNEO, G r u n d z t l g o 1 2 9 ff. E . MAYEB,
Deutsche u. franz. Verf.-Geschichte 2, 317 ff. STUTZ, ZRG. 34, 165 ff. v. MAÜBER, Fronhöfe 2, 196 ff. WALTER, RG. §§ 254 f. FICKER, Reichshofbeamte der staufischen Periode, Wien. SB. 40, 447 ff. LINDNEB, Königswahlen 181 ff. v. FÜRTH, Ministerialen 188 ff. RÖPKE, Widukind von Korvei 126 f. KIRCHHÖFER, Entst. d. Kurfürstenkollegiums 153 ff. DEVBIENT, bei RICHTEB, Annalen 3, 2 S. 724 ff.
Zu den vier mit Laien besetzten Hofämtern des Truchseß, Marschalls, Kämmerers und Schenken (S. 140) traten im Laufe des Mittelalters noch vier oder fünf weitere Ämter: unter Philipp das von dem Truchseßamt abgezweigte Amt des Küchenmeisters 1 , sodann 1285 das Amt des Hofrichters (§ "49, n. 40), seit Heinrich VII. das für die Aufsicht über die Haushaltung bestimmte Hofmeisteramt (magister curiae), das seit Ruprecht in ein Haushofmeisteramt und ein mit dem Vorsitz im Hofrat betrautes
•* Vgl. MICHAEL, Formen des Verkehrs zwischen den deutschen Kaisern und souveränen Fürsten vom 10. bis 12. Jahrhundert, 1888. Vgl. S. 402 n. FICKEB, Heerschild 37 ff. 1 Vgl. FICKEB 473. 483 ff. Auch Rumolt der Küchenmeister (Nibel. Laclim. 10. 720. 1405) gehört der Zeit Philipps an. Später versahen die ReichskUchenraeister den Truchseßdienst, doch behielt der alte Titel seine selbständige Bedeutung, bis 1594 beide Ämter auch rechtlich wieder vereinigt wurden. Vgl. MAURER, a. a. O. 217 f.
Das Mittelalter.
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gehalten, daß der König ihr allgemeiner Schutzherr sei. Eine Hauptaufgabe des Königs war die Sorge für Recht und Gericht und für den Landfrieden, von beiden ist an anderer Stelle zu handeln. Das Recht des Königs, bei Strafe des Königsbannes Gebote und Verbote zu erlassen, wurde aufrechterhalten, der Betrag der Strafsumme aber wesentlich erhöht. Im übrigen war der König bei jeder Veränderung der Rechtsordnung und allen wichtigeren Regierungshandlungen mehr oder weniger an die Mitwirkung der Großen gebunden. Die Vertretung des Reiches nach außen blieb Sache des Königs 82 , thatsächlich haben aber die Großen auch hier oft entscheidend auf seine Entschlüsse eingewirkt. Die kriegsherrliche Stellung des Königs blieb bestehen, wurde aber durch die Umwandlung des Volksheeres in eine Feudalmiliz wesentlich lahm gelegt. Dasselbe war hinsichtlich des Beamtentums der Fall, das ebenfalls fast durchweg einen feudalen Charakter erhalten hatte. Als Spitze der Lehnshierarchie des Reiches war der König Inhaber des ersten Heerschildes. An sich war es damit unvereinbar, daß der König Lehnsmann eines anderen hätte sein sollen, den Laien gegenüber wurde dies auch entschieden festgehalten, dagegen suchtcn die Könige vielfach bei der Kirche gemachte Zwangsanleihen durch die lehnrechtliche Form zu mildern, sie nahmen Lehen von geistlichen Fürsten an, leisteten aber dafür weder Mannschaft noch eigentliche Lehnsdienste 43 . § 44. L i t t e r a t u r § 4 3 n. 9.
Der königliche Hof.
WAITZ 6 ' , 3 2 9 ff. BRUNNEO, G r u n d z t l g o 1 2 9 ff. E . MAYEB,
Deutsche u. franz. Verf.-Geschichte 2, 317 ff. STUTZ, ZRG. 34, 165 ff. v. MAÜBER, Fronhöfe 2, 196 ff. WALTER, RG. §§ 254 f. FICKER, Reichshofbeamte der staufischen Periode, Wien. SB. 40, 447 ff. LINDNEB, Königswahlen 181 ff. v. FÜRTH, Ministerialen 188 ff. RÖPKE, Widukind von Korvei 126 f. KIRCHHÖFER, Entst. d. Kurfürstenkollegiums 153 ff. DEVBIENT, bei RICHTEB, Annalen 3, 2 S. 724 ff.
Zu den vier mit Laien besetzten Hofämtern des Truchseß, Marschalls, Kämmerers und Schenken (S. 140) traten im Laufe des Mittelalters noch vier oder fünf weitere Ämter: unter Philipp das von dem Truchseßamt abgezweigte Amt des Küchenmeisters 1 , sodann 1285 das Amt des Hofrichters (§ "49, n. 40), seit Heinrich VII. das für die Aufsicht über die Haushaltung bestimmte Hofmeisteramt (magister curiae), das seit Ruprecht in ein Haushofmeisteramt und ein mit dem Vorsitz im Hofrat betrautes
•* Vgl. MICHAEL, Formen des Verkehrs zwischen den deutschen Kaisern und souveränen Fürsten vom 10. bis 12. Jahrhundert, 1888. Vgl. S. 402 n. FICKEB, Heerschild 37 ff. 1 Vgl. FICKEB 473. 483 ff. Auch Rumolt der Küchenmeister (Nibel. Laclim. 10. 720. 1405) gehört der Zeit Philipps an. Später versahen die ReichskUchenraeister den Truchseßdienst, doch behielt der alte Titel seine selbständige Bedeutung, bis 1594 beide Ämter auch rechtlich wieder vereinigt wurden. Vgl. MAURER, a. a. O. 217 f.
§ 44.
Der königliche Hof.
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Obersthofmeisteramt geschieden wurde 2 , endlich seit Karl IV. der Hofpfalzgraf (comes sacri palatii), ein zunächst nur für Italien bestimmter, dann aber auch in Deutschland eingeführter Beamter, dessen Stellung zu der Vorbereitung der Rezeption des römischen Rechts nieht wenig beigetragen hat 3 . Zu den in seiner Vollmacht (comitiva) enthaltenen Amtsobliegenheiten gehörte die Erteilung königlicher Gnadenakte (wie Adelsund Wappenbriefe, Titel eines poßta laureatus), ferner eine gewisse freiwillige Gerichtsbarkeit (Vormundschafts- und Testamentssachen, Adoptionen, Emanzipationen, restitutio famae, legitimatio per rescr. princ.) und die Ernennung königlicher Notare*. Der tägliche Dienst in den älteren Ämtern war Sache der Reichsministerialen (S. 441), aber auch die Vorsteher gehörten in der Regel ebenfalls diesem Stande und nur ausnahmsweise dem der freien Herren an. Der Reichsmarschall, Reichstruchseß, Reichskämmerer, Reichsschenk und Reichsküchenmeister wurden anfangs frei vom König ernannt und verloren ihre Stellung beim Thronwechsel, wenn der Thronfolger sie nicht freiwillig darin beließ; seit dem 13. Jahrhundert wurden ihre Ämter als erbliche Reichslehen bestellt 6 . Ursprünglich war jedes Amt nur einfach besetzt; wo mehrere Träger desselben Titels nebeneinander genannt werden, handelt es sich um Nebenbeamte oder um Hofbeamte der königlichen Erblande. Erst seit dem 13. Jahrhundert begegnet zuweilen mehrfache Besetzung eines Hofamtes 6 . Die vier älteren Hofämter wurden bei feierlichen Gelegenheiten, namentlich dem Krönungsmahl, nicht von den gewöhnlichen Hofbeamten, sondern von den höchsten weltlichen Würdenträgern des Reiches versehen. Anfangs war dies Sache der Stammesherzoge, doch ohne daß den ' Vgl. S. 493 f. SEELIQER, Das deutsche Hofmeisteramt, 1885. * V g l . FICKER, F o r s c h u n g e n 2, 6 8 — 1 1 8 .
EICHHOBN, St.- u. R G . 3 , 8 8 7 f. JECKLIN,
Hofpfalzgrafen in der Schweiz, Zürich. Taschenb. 13, 223 ff. PFEFFINQEB, Vitriarius illustr. 3, 113 ff. 260. BREBSLAU, Urk.-Lehre 1, 467. 470 f. Über einen Wappenkönig und obersten Herold des Reiches vgl. ALTMANN , Mitt d. öst. Inst. 18, 3 f. * Letztere Befugnis stammte aus dem Pfalzgrafenamt, nach dessen Untergang sie in dem Hause des letzten Pfalzgrafen mitsamt dem Pfalzgrafentitel (Pfalzgrafen von Lomello) bestehen geblieben war. SpSter wurde in den Händen der Vögte von Lucca und der Grafen von Lavagna beides mit der missatischen Gewalt verbunden. Die freiwillige Gerichtsbarkeit der Hofpfalzgrafen knüpfte von vornherein an gewisse Beste des ständig gewordenen Königsbotenamtes an. Vgl. übrigens SCHEFFER-BOICHORST, Zur Geschichte des 11. u. 12. Jahrhunderts 214ff. MG. Dipl. reg. Otto 1, Nr. 239. — Auch die Erteilung kaiserlicher U n i v e r s i t ä t s p r i v i l e g i e n erfolgte durch den Hofpfalzgrafen, ursprünglich aber nur in Italien, während die deutschen Universitäten sich bis auf Friedrich III. mit päpstlichen Privilegien begnügten. Die ältesten kaiserlichen Privilegien für deutsche Universitäten sind die für Freiburg (1456), Lüneburg (1471) und Tübingen (1484). Vgl. KAUFMANN, Gesch. d. deutsch. Universitäten 2, 12 ff.; Zeltschr. f. GW. 1, 118 ff. 6 Vgl. FICKER 540ff. Über Einkünfte des Erbmarsclialls vgl. ALTMANN, a.a.O. 20f. * Vgl. FICKER 521 ff. Die Erklärung liegt in dem Übergange zur Erblichkeit, indem der erblich Berechtigte das Amt für sich in Anspruch nimmt, während der König das freie Ernennungsrecht noch nicht ganz aufgeben will.
488
Das Mittelalter.
einzelnen schon von vornherein bestimmte Ämter zugestanden hätten. Aber schon seit Otto III. erschien der Herzog von Sachsen ständig im Besitz des Marschallamtes, während der Herzog von Schwaben das Kämmereramt bekleidete, das dann unter Konrad III. oder Friedrich I. Albrecht dem Bären als Entschädigung für den Verzicht auf das Herzogtum Sachsen eingeräumt zu sein scheint7. Das Schenkenamt übte der Herzog von Baiern, der es aber unter Heinrich V. an den Böhmen verlor 8 . Auf das Amt des Truchseß, das vornehmste von allen, scheint das jeweilige Haupt des fränkischen Stammes einen gewissen Anspruch gehabt zu haben, unter Otto I. bekleidete es der Herzog von Franken, unter Otto III. Herzog Konrad von Kärnthen (der angesehenste unter den Fürsten fränkischer Herkunft), später beständig der Pfalzgraf bei Rhein, den seine auf die Aachener Kaiserpfalz begründete Pfalzgrafschaft zum Ersten der Franken machte. Auf diese Weise wurde die seit Anfang des 13. Jahrhunderts feststehende territoriale Verbindung der Erzämter mit der Rheinpfalz, Sachsen, Brandenburg und Böhmen vorbereitet» nur der alte Streit zwischen Böhmen und Baiern führte unter Rudolf von Habsburg noch einmal einen schwankenden Zustand herbei, der 1290 endgültig zu Gunsten Böhmens entschieden wurde*. Das Amt des Schwertträgers, das man früher bei jeder Gelegenheit besonders vergeben hatte, wurde erst im Laufe des 13. Jahrhunderts dauernd mit dem Marschallamt verbunden, bildete aber noch im 14. Jahrhundert den Gegenstand eines Streites zwischen Sachsen und Brabant 10 . Indem die Goldene Bulle das Truchseßamt dem Pfalzgrafen bei Rhein, das Marschallamt dem Herzog von Sachsen, das Kämmereramt dem Markgrafen von Brandenburg und das Schenkenamt dem König von Böhmen zusprach, erteilte sie nur einem mehrhundertjährigen Gewohnheitsrecht die gesetzliche Anerkennung 11 . Die Verwaltung der Erzämter war mit gewissen Einkünften verbünden12, im übrigen galten sie als Ehrenämter, die aber durch die aus ihnen erwachsene kurfürstliche Würde (S. 476) für ihre Träger von der höchsten Wichtigkeit waren. 7 Vgl. GUNDLINO, Erläuterung der Güldenen Bulle 748 f. WAITZ 6', 338; Abb. 502 (GGA. 1859, S. 666). WEILAND, Königswahlen 323, denkt, vielleicht mit noch größerer Wahrscheinlichkeit, statt einer Übertragung im Jahre 1142 an eine solche bei Gelegenheit der Rückgabe Baierns an Heinrich den Löwen (1156). 8
9
V g l . WAITZ 6 ' , 3 3 4 .
Vgl. S. 478. Der Sachsenspiegel (III. 57, § 2) bestritt dem Böhmen nur das Kurrecht, das Schenkenamt gestand er ihm aber ausdrücklich zu. Das Gedicht Kudran, Vers 206. 1612 £, scheint mit dem König Horant als Schenken auf den erst kurz vorher (1198) zur Königswürde gelangten Böhmenherzog anzuspielen. Vgl. Zeitschr. f. deutsche Phil. 1, 259 f. 10 Vgl. WAITZ 6 3 3 5 . KOPP, Bilder u. Sehr. 1, 109 f. Schwsp. Laßb. 180". " Vgl. GB. c. 4, § 5. c. 22, § 1. c. 27, § § 1 - 8 . " Im Jahre 1355 bezeugte der Pfalzgraf das Recht des Erzmarschalls auf die von den Fürsten bei Empfang ihrer Reichslehen gerittenen Pferde (vgl. HARNACK, Kurfürstenkollegium 251), was durch GB. c. 29, § 4 bestätigt wurde.
§ 44.
Der königliche Hof.
489
Eine Einrichtung von hoher politischer Bedeutung war die aus der gesamten Hofgeistlichkeit bestehende K a p e l l e , die aus einer Hofschule zu einer Schule für den Dienst in der Kanzlei und Diplomatie erwachsen war 13 . Aus ihrer Mitte pflegten die Bischofsstühle des Reiches besetzt zu werden, in engster Verbindung stand die Kapelle aber mit der R e i c h s k a n z l e i 1 4 , deren Beamte ihr in der Regel sämtlich angehörten, während das Haupt der Kapelle, der Erzkapellan (archicapellanus), seit 854 zugleich als E r z k a n z l e r (archicancellarius) mit der obersten Leitung der Kanzlei betraut war 15 . Seit 870 bekleidete regelmäßig einer der höchsten Geistlichen des Reiches beide Ämter, anfangs vorwiegend der Erzbischof von Salzburg, seit Heinrich I. mit geringen Unterbrechungen der von Mainz. Die Verbindung beider Ämter erhielt sich jedenfalls bis auf Heinrich III. Seit 1044 führte der Erzbischof von Mainz nur noch den Titel Erzkanzler, während das Amt des Erzkapellans vielleicht wieder zu einem wirklichen Hofamt wurde 16 . Italien erhielt 962 eine eigene Kanzlei, der zunächst verschiedene italienische Bischöfe vorstanden, bis 1031 unter Konrad II. der Erzbischof von Köln dauernd in den Besitz des Erzkanzleramtes für Italien gelangte 17 . Burgund war anfangs der italienischen Kanzlei unterstellt, es erhielt zwar unter Heinrich III. einen eigenen Kanzler, unter dem Erzbischof von Besançon, später Vienne, als Erzkanzler, aber ohne daß es dabei zur Bildung einer eigenen burgundischen Kanzlei mit besonderem Kanzleipersonal gekommen wäre 1S . Erst im
" V g l . S. 139. u
WAITZ 6», 837 ff. 7, 291.
Vgl. 8. 138. SEELIQEB, Erzkanzler und Reichskanzleien, 1889; Kanzleistudien I. II. (Mitt. d. öst Inst. 8, 1 ff. U , 395 ff.); bei WAITZ 6', 345ff. BBESSLAU, Urk.-L. 1, 300ff.; Die Kanzlei Konrads II., 1869. LOBENZ, Reichskanzler und Reichskanzlei, Preuß. Jahrb. 29, 474 ff.; Drei Bücher Geschichte und Politik 62 ff. TH. SICKEI, M G . D i p l . reg. 1, 1. 37 ff. 8 0 ff. 2, 1 ff. 385* ff. STEINDOBFF, J a h r b . d.
deutsch. Reiches unter Heinrich III., 1, 339 ff. PHILIP«, Zur Geschichte der Reichskanzlei unter den letzten Staufern, 1885. HEBZBEBQ-FRÄNKEL, Gesch. d. deutsch. Reichskanzlei von 1246—1308, Mitt d. öst. Inst., Erg. 1, 254 ff. LINSNEB, Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger, 1882. FICKEB, Urkundenlehre 2 (1878). v. MALLINCKBOT, De archicancellariis Romani imperii ac cancellariis imperialis aulae, 1641 und öfter. HUBEB, bei BÖHMEB, Regesten Karls IV., pg. 36 f. 16 Zum Erwerb des Amtes bedurfte es einer besonderen Investitur (vgl. S. 492), die mit der in das Fürstentum verbunden werden konnte. Auch die Reichskanzler wurden seit den Hohenstaufen mit ihrem Amt investiert, was sich aber seit dem 14. Jh. verlor, v. AMIBA, Mitt. d. öst. Inst 11, 521 ff. BKESSLAU 1, 366 ff. 383. 401. 987.
Bedenken äußert SEELIGER bei WAITZ 6*, 358.
18
Vgl. BBESSLAU, Urk.-Lehre 1, 327 ff. Die Erzkanzler für Italien und Burgund haben den Titel eines Erzkapellans nie geführt. SEELIQEB, bei WAITZ 6*, 345 n., hält es für zweifelhaft, ob die Kapelle ein neues, von dem Kanzler unabhängiges Haupt erhalten habe; jedenfalls blieb sie auch ferner mit der Kanzlei in engster Verbindung; sie war die Schule für diese und aus ihren Mitgliedern (capellani) wurden die Notare genommen. 17 18
6 8 , 371.
Vgl. SEELIOEB, Erzkanzler 23 f. WAITZ 6«, 366 ff. V g l . BÖHMEB, A c t a imperii Nr. 102 (1157). 124 (1166).
SEELIOEB b e i WAITZ
Das Mittelalter.
490
letzten Drittel des 13. Jahrhunderts, als das Reich den realen Zusammenhang mit dem arelatischen Königreich fast ganz verloren hatte, ihn aber umsomehr in leeren Titeln festzuhalten suchte, kam für den Erzbischof von Trier, zum Teil auf Grand seiner Kurwürde, zum Teil wohl in Erinnerung an das unter Zwentibold und Otto I. von ihm bekleidete Erzkanzleramt für Lothringen, der Titel eines Erzkanzlers per Galliam et regnum Arelatense auf, der in der Goldenen Bulle amtliche Anerkennung erhielt und durch die Ausdehnung des Amtsbereiches auf das ganze linke Rheinufer mit Ausschluß der Mainzer Kirchenprovinz wieder einen realen Inhalt empfing 18 . Das Erzkanzleramt war kein administratives Amt wie das der karolingischen Kanzler, sondern ein politisches. Nur bei Haupt- und Staatsaktionen, wie Reichs- und großen Hoftagen oder wichtigen internationalen Ausfertigungen traten die Erzkanzler persönlich in Thätigkeit, während die laufenden Geschäfte den ordentlichen Kanzleibeamten in Vertretung des Erzkanzlers, der aber stets ausdrücklich genannt wurde, oblagen. Ordentlicher Vorsteher der Kanzlei war seit Ludwig dem Deutschen (868) der vom König ernannte K a n z l e r (cancellarius, notarius), seit Friedrich I. gewöhnlich als „Hofkanzler" (imperialis s. regalis aulae s. curiae cancellarius) bezeichnet. Je mehr sich der reichsständische Charakter des Erzkanzleramtes entwickelte, desto stärker mußte diesem gegenüber der königliohe Charakter der Kanzlei ins Gewicht fallen 20 . Sie war nur die ausführende Behörde, die sich nicht darum zu kümmern hatte, ob ein königlicher Erlaß der verfassungsmäßigen Zustimmung des Reichstags oder der Kurfürsten bedurfte21. Der Hof- oder Reichskanzler war regelmäßig ein hoher Geistlicher, meistens ein Propst, nicht selten sogar ein Bischof. Als Siegelbewahrer und ständiger Begleiter des Königs nahm er thatsächlich vielfach die Stellung eines leitenden Ministers ein. An ihn ergingen die königlichen Beurkundungsbefehle, er hatte die Konzeption der Ürkunden anzuordnen und zu überwachen, nach Genehmigung des Konzepts die Reinschrift zu verfügen und diese mit Rekognitions" Vgl. S. 478, n. 37. G B . c. 1, § 12. W A I T Z 6», 862. 871. BBESSLAÜ, Urk.-L. 1, 304 f. 307 ff. 383 ff. SEEIJOER, Erzkanzler 14. 46 f. 56 f. 2 2 9 . HXDICKE, Kurrecht u. Erzamt 5 7 f. B I C H E L , Übergang des arelat. Erzkanzleramtes anf Trier, Hall. Diss. 1892. Das erste Zeugnis in der zweiten Handschriftenklasse des Schwabenspiegels, sodann in dem Gedicht Lohengrin und bei dem ungefähr gleichzeitigen Geschichtschreiber Martin von Troppau. Der erste urkundliche Beleg von 1308. 20 Häufig wurde das Kanzleipersonal unverändert von dem neuen Herrscher übernommen, andererseits traten zuweilen die bedeutendsten Veränderungen infolge des Thronwechsels ein. Unter Otto I. traten gegen seinen Bruder Brun als Kanzler die Erzkanzler völlig in den Hintergrund; dagegen hatte Lothar III. keinen Kanzler, die Erzkanzler wurden unter ihm durch Unterbeamte der Kanzlei in der Bekog&ition vertreten; Konrad I I I . stellte den normalen Zustand wieder her. Vgl. FICKEK 2, 173 f. GIEBEBBECHT, Gesch. d. deutsch. Kaiserzeit 4*, 50. 173. SEELIQEB, Erzkanzler 37 f. 42. BBESSLAÜ, Urk.-L. 1, 356 ff. 361. 21 Vgl. jedoch Windeckes Leben Sigmunds, her. v. ALTHANN, S. 1 3 4 ; übers, v . HAGEN S .
109.
§ 44.
Der königliche Hof.
491
vermerk und Siegel zu versehen 22 . Die Konzeption (dictatio) der Urkunden selbst, mit der sich der Kanzler nur in den seltensten Fällen befaßte, war Sache der Notare (magistri, notarii, dictatores, seit Karl IV. auch secretarii), deren regelmäßig mehrere in der Kanzlei angestellt waren. Die Keinschriften wurden gewöhnlich nicht von ihnen, sondern von dem untergeordneten Kanzleipersonal angefertigt. Bei Verhinderung des Kanzlers wurden die ihm obliegenden Arbeiten von einem Notar übernommen, was ursprünglich unter besonderer Namhaftmachung des Vertreters, seit 953 aber einfach unter dem Namen des Kanzlers, ohne Andeutung des Vertretungsverhältnisses, zu geschehen pflegte 28 ; erst seit Anfang des 12. Jahrhunderts kam die Nennung des vertretenden Rekognoscenten wieder in Gebrauch. Die Zuständigkeit der verschiedenen Kanzleien hatte sich ursprünglich nach dem Gegenstand, bei rein persönlichen Angelegenheiten nach dem Empfänger gerichtet; seit Heinrich V. galt in allen Fällen der Ausstellungsort als maßgebend. Aber während bis dahin jede der Kanzleien in der Regel ihren eigenen Kanzler gehabt hatte, ernannte Heinrich V. für die deutsche und italienische Kanzlei einen gemeinsamen Vorstand, so daß es seitdem nur noch eine einheitliche Höfkanzlei gab, die zwar drei Erzkanzlern unterstellt war, aber, von der Zeit Lothars III. abgesehen, nur einen einzigen Kanzler an ihrer Spitze hatte 24 . Dem letzteren wurde seit Friedrich I. zu seiner Entlastung ein Protonotar {protonotarius aulae imperialis) an die Seite gestellt, der ihn insbesondere bei längerer Verhinderung, oder wenn die Kanzlerstelle unbesetzt war, zu vertreten hatte und dann wohl auch den Titel „Vizekanzler" führte 28 . Unter den Hohenstaufen war der Kanzler fast beständig durch politische Geschäfte und Missionen in Anspruch genommen, so daß der Protonotar die thatsäch22 28
V g l . FICKEK 2, 2 0 ff. 3 9 ff. 160. V g l . SICKEL, a. a. 0 . X, 84. FICKER 2 ,
161 f.
1 7 5 ff. S e l b s t d i e i n
Ab-
wesenheit des Kanzlers ausgefertigten Urkunden wurden unter seinem Namen vice archicancellnrii, mit dem Rekognitionsvermerk versehen. Je mehr der Rekognitionsvermerk zu einer bedeutungslosen Form herabsank, um so wichtiger wurde die Untersiegelung, die nur vom Kanzler selbst oder einem Notar, dem er das Siegel anvertraut hatte, vorgenommen werden konnte. Später suchte man für die bedeutungslos gewordene Rekognitionsklausel einen Ersatz in der Aushändigungsklauscl, in der sich der Kanzleibeamte, der die Aushändigung (das „Datum") vollzog, mit Namen zu nennen hatte. Vgl. FICKEB 2, 231 ff. 342 ff. SEELIOER, Erzkanzler 30 f. M
15
V g l . SEELIOER 19. 22.
BRESSLAU, U r k . - L . 1, 342. 3 5 3 . 365.
Vgl. BRESSLAU 1, 369. 379. 401 ff. Erwähnt wird ein Protonotar schon unter Konrad III., dauernde Einrichtung war die Stellung aber erst seit Friedrich I. Der Titel „Vizekanzler" begegnet zuerst unter Rudolf I. und seinen beiden Nachfolgern, häufiger dann im 15. Jahrhundert. Über Konrad Schlick als Vizekanzler vgl. SOBBLIHASS, Zeitschr. f. Gesch.-W. 4, 347. 5, 167. Seit Karl IV. und Wenzel begegnen mehrere Protonotare neben einander (BRESSLAU 1, 402. LINDNER, a. a. 0 . 18), von denen wohl nur der vornehmste gelegentlich zum Vizckanzleramt berufen wurde.
Das Mittelalter.
492
liehe Leitung der Kanzlei erhielt, was erst seit Karl IV. dauernd anders wurde 26 . Durch die Centralisation der Kanzlei wurde diese dem Einfluß der drei Erzkanzler völlig entzogen, sie hatte, abgesehen von der leeren Form der Rekognitionsklausel, in der das vice archicancellarii unter Benennung des Erzkanzlers fortgeführt wurde, den reichsständischen Charakter ganz abgestreift und war zu einer reinen Hofkanzlei geworden. Das nach dem Interregnum hervortretende Bestreben der Erzkanzler, die Kanzlei unter ihre Botmäßigkeit zu bringen, hatte erst unter Albrecht I. und Heinrich VII. Erfolg. Der letztere bewilligte dem Erzbischof von Mainz geradezu die Ernennung des gesamten höheren Kanzleipersonals und machte den beiden anderen Erzkanzlern ähnliche Zugeständnisse für den Fall, daß sich der Hof innerhalb ihres Amtsbereiches befinden würde. Aber diese Zugeständnisse waren ohne dauernde Bedeutung, die Goldene Bulle hat sie nicht aufgenommen und die Besetzung der Kanzlei ist bis auf Friedrich III. ein Recht des Königs geblieben 27 . Das Beispiel des Kanzlers Kaspar Schlick zeigt, daß unter Sigmund auch Laien zu der Kanzlerwürde gelangen konnten 28 . Auf den Reichstagen kam die Beziehung der drei Erzkanzler zu der Hofkanzlei in gewissen symbolischen Handlungen, die in der Goldenen Bulle (c. 26, 2. 27, 3) genau geregelt wurden, zum Ausdruck. Bei dem feierlichen Eröffnungszuge trug der Erzkanzler, in dessen Amtsbereich der Reichstag abgehalten wurde, an einem silbernen Stabe sämtliche Siegel und Stempel des Reiches, die ihm zu dem Zweck vorher vom Hofkanzler übergeben waren, vor dem König einher. Bei der Tafel wurden sie von den drei Erzkanzlern mit gesamter Hand feierlich dem König überreicht und ebenso von ihnen aus der Hand des Königs zurückempfangen. Nach der Feier nahm der Reichskanzler alles wieder in seine Verwahrung. Die von den Karolingern errichtete Hofgerichtskanzlei unter dem Pfalzgrafen war mit der Veränderung, die sich in dem Amte des letzteren vollzogen hatte, eingegangen. Eine neue Hofgerichtskanzlei mit eigenem Siegel wurde 1235 errichtet, beschränkte aber ihre Thätigkeit auf die Fälle, wo der Hofrichter den Vorsitz führte, während alle Verhandlungen •8 Vgl. FICKEB 2, 21. 188 ff. 231 ff. 406. Da in der Regel bloß die Aushändigungsvermerke den Namen des Protonotars tragen, die Rekognitionsvermerke aber nur bei unbesetztem Kanzleramt, so unterblieben letztere seit dem 13. Jahrhundert fast ganz und kamen erst wieder in Gebrauch, nachdem der Kanzler die Kanzleigesch&fte wieder selbst in die Hand genommen hatte. Vgl. L I N D N E B , a. a. 0. 98 ff. " Vgl. LINDNEB, a . A . O . 1 4 f. 2 1 4 . SEELIGER 5 9 ff. BRESSLAÜ 1, 8 9 2 ff. Durch die unter Friedrich III. getroffene Einrichtung der Sekretierung, wonach alle feierlichen kaiserlichen Diplome neben dem hängenden Siegel noch besonders mit dem geheimen kaiserlichen Handsekret gesiegelt werden mußten, wurde bei allen wichtigeren Sachen ein unmittelbares persönliches Eingreifen des Kaisers erleichtert. Vgl. SEELIOEB, Mitteil. 8 , 1 0 . !
» Vgl.
BRESSZ.AU 1 ,
400.
§ 44.
Der königliche Hof.
493
unter dem Vorsitz des Königs nach wie vor zur Zuständigkeit der Reichskanzlei gehörten 29 . An der Spitze der Hofgerichtskanzlei stand ein weltlicher Beamter, der den Titel Hofgerichtsschreiber (notarius curiae, iudicii protonotarius), auch Hofschreiber oder Kammerschreiber, führte.' Häufig wird der Räte (consiliarii) des Königs gedacht, unter denen dann wohl wieder einzelne als geheime oder heimliche Räte (secretarii, a secretis) bezeichnet werden, aber bis zum 14. Jahrhundert trägt noch alles einen rein persönlichen, mehr oder weniger zufälligen Charakter 30 . Erst im 14. Jahrhundert ist es zur Bildung eines fest organisierten, unseren Staatsministerien einigermaßen entsprechenden Hofrates gekommen, einer ständigen Regierungsbehörde mit vereidigten Mitgliedern, die als besoldete Räte von den unbesoldeten im außerordentlichen Dienst durchaus unterschieden wurden 31 . Die Mitglieder des Hofrates hatten dem König über alle Einlaufe, namentlich Bittgesuche, vorzutragen, den König bei seinen Entschließungen zu beraten, viele Angelegenheiten auch in seinem Auftrag zu erledigen und die dazu erforderlichen Urkunden auf ihren Vortrag hin von der Kanzlei ausfertigen zu lassen 32 . Vorsitzender des Hofrates war seit Ruprecht der Obersthofmeister (später „Reichshofmeister"), der den abwesenden König auch auf Reichstagen, bei Belehnungen und richterlichen Geschäften vertreten konnte 33 . Solange der Hofrat noch den Charakter eines bloßen Beirates des Königs ohne besondere Organisation besaß, nahmen die Bischöfe, die sich oft lange am Hof aufhielten, die erste Stelle im Hofrat ein, zuweilen wurde auch einer aus ihrer Mitte amtlich als der Vorsteher des Hofes, der zugleich der gegebene Stellvertreter des Königs war, bezeichnet. Während des 11. Jahrhunderts hatte dies Vorsteheramt einen dauernden Charakter angenommen; für seinen Träger (der berühmteste war Erzbischof Adalbert "
V g l . HEBZBERO-FRANKEL,
a. a. O. 2 9 0 f.
LINDNEB, a . a. 0 . 2 6 .
BRESSLAU
1, 408. SEELIQEB, Mitteil. 8, 19. FBANKLIN, Reichshofgericht 1, 72. 2, 89. 120 ff. 197 ff. 276. 824 ff. Windeckes Leben Sigmunds, ed. ALTMANN, S. 196; übers, v. HAOBN, S. 153. In I t a l i e n bedienten sich die Könige in allen Angelegenheiten, auch solchen des Hofgerichts, gelegentlich auch der gewöhnlichen öffentlichen Notare (Königs- oder Pfalznotare), von denen sie unter Umständen auch deutsche Sachen benrkunden ließen. Heinrich VII. hatte für italienische Sachen eigene Hofschreiber oder Kammemotare, nur die eigentlichen Diplome blieben der Reichskanzlei vorbehalten. Unter den Hohenstaufen bestand ein besonderes Hofgerichtsnotariat. Vgl. SEELIQEB, Mitteil. 11, 401 ff. BBESSLAU 1, 371 ff. FICKEB, Forschungen 3, 1 7 0 f. 80 Vgl. WAITZ 6», 373 ff. Friedrich II. hatte 1221 und 1237 für seine unmündigen Söhne Friedrich und Konrad als römische Könige eigene Hofräte eingesetzt, die aber mehr den Charakter von Vormundschaftsräten trugen. Vgl. ISAACSOHN, De consilio regis a Friderico II. in Germania instituto, Berl. Diss. 1874. 81 Vgl. SEELIQEB, Hofmeisteramt 89 ff. M Der Berichterstatter pflegte auch die Urkunde zu entwerfen und der Kanzlei nur das Formale zu überlassen. Vgl. SEELIQEB, a. a. 0 . 97 ff. FICKER, Beitr. z. U r k . - L e h r e 2, 15 ff. LINDNEB 1 0 4 ff. "
V g l . SEELIQEB 5 7 ff. 6 4 . 8 6 . 1 1 0 ff.
494
Das Mittelalter.
von Bremen) wurde der alte Titel maiordomus oder vicedominus verwendets*. Heinrich V. ließ dies Amt. wieder eingehen. Seitdem trat der Hofkanzler an die Spitze, bis er durch den Obersthofmeister, wenigstens teilweise, verdrängt wurde. § 45.
Die Fürsten und Reichsbeamten.
FICKER, Reichsfürstenstand 1, 1861 (dazu WAITZ, Abhandl. 524 ff. GGA. 1862, S. 1 0 1 ff.); H e e r s c h i l d 5 1 — 1 2 4 . 1 9 6 ff. WAITZ 5 ! , 72 ff. 4 6 9 ff. 7, 1 - 1 8 2 .
255—298.
BLONDEL, Frédéric II., 88 ff. v. AMIRA, Grundr.2 82. BRUNNER, Grundzüge 132 f. £ . MATER, Deutsche u. franz. VG. 2, 361 ff. BÖRGER, Belehnungen der deutschen geistl. Fürsten, 1901. PUNTSCHART, Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899, dazu Anzeige von v. WRETSCHKO, GGA. 1900, S. 929 ff. KÖPKE, Widukind von Korvei 108 ff. HOMEYER, System des Lehnrechts 547 ff. H. W. METER, Das staufische Burggrafentum, 1900.
In dem Begriffe des Reichsfürstenstandes hat sich während der Regierung Friedrichs I. ein Wandel vollzogen, der uns nötigt, streng zwischen älterem und neuerem Reichsfürstenstand zu unterscheiden. Man kann den älteren als ein Erzeugnis des Beamtenstaates, den jüngeren als Erzeugnis des Lehnstaates bezeichnen: dort entscheidet die Beamtenstellung hier die Stufe innerhalb der Lehnshierarchie oder Heerschildsordnung. Der ältere Reichsfürstenstand deckte sich im wesentlichen mit dem Begriff des karolingischen Beamtenadels (S. 216). Von den Geistlichen zählten zu den principes imperii sämtliche Bischöfe, die Reichsäbte und Reichsäbtissinnen, d. h. die Vorstände der Reichsklöster, ferner der Reichskanzler, wahrscheinlich auch der Dompropst von Aachen, sonst aber keine Pröpste 1 , von den Laien die Herzoge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Grafen und Burggrafen, gleichviel ob sie unmittelbar unter dem König standen oder einem andern Fürsten untergeordnet waren. Den ersten Rang unter den Fürsten nahmen die Stammesherzoge ein (S. 392 f.), da ihrer Oberhoheit nicht nur sämtliche Grafen, sondern zum Teil auch die Bischöfe, Reichsabteien und Markgrafen ihrer Provinz unterstellt waren2. Reichsunmittelbar wie sie waren nur die Pfalzgrafen von Lothringen und Sachsen, die Markgrafen der drei wendischen Marken, die Grafen der keinem Stammesherzogtum einverleibten Gebiete (Thüringen, Friesland, Curwalchen), der Herzog von Böhmen und die von der Unterordnung unter eine Herzogsgewalt frei gebliebenen geistlichen Fürsten3. Durch die aus dem Zertrümmerungsprozeß der Stammesherzogtümer hervorgegangenen 84
V g l . WAITZ 6 * , 3 8 1 ff.'
Vgl. FICKER, Reichst! 70. 1 Vgl. S. 497. WAITZ 5», 69. 74 f. 7, 93. 131 f. 134 f. Helmoldi chronicon Slavorum 1, 69, 86. 2, 9. Der Herzog von Baiern war nicht nur Lehnsherr des Markgrafen der Ostmark (bis 1156), sondern wahrscheinlich auch des Pfalzgrafen 1
in B a i e r n .
V g L FICKER 8 4 .
WAITZ 7 , 1 7 2 .
* Vgl. S. 392. 394 f. In Sachsen waren die Grafen von Arnsberg, Ravensberg, Winzenburg, Nordheim, Stade und Ballenstedt reichsunmittelbar. Vgl. FICKER 86.
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Das Mittelalter.
von Bremen) wurde der alte Titel maiordomus oder vicedominus verwendets*. Heinrich V. ließ dies Amt. wieder eingehen. Seitdem trat der Hofkanzler an die Spitze, bis er durch den Obersthofmeister, wenigstens teilweise, verdrängt wurde. § 45.
Die Fürsten und Reichsbeamten.
FICKER, Reichsfürstenstand 1, 1861 (dazu WAITZ, Abhandl. 524 ff. GGA. 1862, S. 1 0 1 ff.); H e e r s c h i l d 5 1 — 1 2 4 . 1 9 6 ff. WAITZ 5 ! , 72 ff. 4 6 9 ff. 7, 1 - 1 8 2 .
255—298.
BLONDEL, Frédéric II., 88 ff. v. AMIRA, Grundr.2 82. BRUNNER, Grundzüge 132 f. £ . MATER, Deutsche u. franz. VG. 2, 361 ff. BÖRGER, Belehnungen der deutschen geistl. Fürsten, 1901. PUNTSCHART, Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899, dazu Anzeige von v. WRETSCHKO, GGA. 1900, S. 929 ff. KÖPKE, Widukind von Korvei 108 ff. HOMEYER, System des Lehnrechts 547 ff. H. W. METER, Das staufische Burggrafentum, 1900.
In dem Begriffe des Reichsfürstenstandes hat sich während der Regierung Friedrichs I. ein Wandel vollzogen, der uns nötigt, streng zwischen älterem und neuerem Reichsfürstenstand zu unterscheiden. Man kann den älteren als ein Erzeugnis des Beamtenstaates, den jüngeren als Erzeugnis des Lehnstaates bezeichnen: dort entscheidet die Beamtenstellung hier die Stufe innerhalb der Lehnshierarchie oder Heerschildsordnung. Der ältere Reichsfürstenstand deckte sich im wesentlichen mit dem Begriff des karolingischen Beamtenadels (S. 216). Von den Geistlichen zählten zu den principes imperii sämtliche Bischöfe, die Reichsäbte und Reichsäbtissinnen, d. h. die Vorstände der Reichsklöster, ferner der Reichskanzler, wahrscheinlich auch der Dompropst von Aachen, sonst aber keine Pröpste 1 , von den Laien die Herzoge, Markgrafen, Pfalzgrafen, Grafen und Burggrafen, gleichviel ob sie unmittelbar unter dem König standen oder einem andern Fürsten untergeordnet waren. Den ersten Rang unter den Fürsten nahmen die Stammesherzoge ein (S. 392 f.), da ihrer Oberhoheit nicht nur sämtliche Grafen, sondern zum Teil auch die Bischöfe, Reichsabteien und Markgrafen ihrer Provinz unterstellt waren2. Reichsunmittelbar wie sie waren nur die Pfalzgrafen von Lothringen und Sachsen, die Markgrafen der drei wendischen Marken, die Grafen der keinem Stammesherzogtum einverleibten Gebiete (Thüringen, Friesland, Curwalchen), der Herzog von Böhmen und die von der Unterordnung unter eine Herzogsgewalt frei gebliebenen geistlichen Fürsten3. Durch die aus dem Zertrümmerungsprozeß der Stammesherzogtümer hervorgegangenen 84
V g l . WAITZ 6 * , 3 8 1 ff.'
Vgl. FICKER, Reichst! 70. 1 Vgl. S. 497. WAITZ 5», 69. 74 f. 7, 93. 131 f. 134 f. Helmoldi chronicon Slavorum 1, 69, 86. 2, 9. Der Herzog von Baiern war nicht nur Lehnsherr des Markgrafen der Ostmark (bis 1156), sondern wahrscheinlich auch des Pfalzgrafen 1
in B a i e r n .
V g L FICKER 8 4 .
WAITZ 7 , 1 7 2 .
* Vgl. S. 392. 394 f. In Sachsen waren die Grafen von Arnsberg, Ravensberg, Winzenburg, Nordheim, Stade und Ballenstedt reichsunmittelbar. Vgl. FICKER 86.
§ 45.
Die FQrsten und Reichsbeamten.
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Territorialherzogtümer (S. 393) wurde die Zahl der unmittelbaren Reichsfürsten vermehrt, ohne daß die Stellung der ihnen untergeordneten Grafen dadurch beeinträchtigt worden wäre; man war daran gewöhnt, die Grafen, auch wenn sie einen Herzog über sich hatten, gleichwohl als Fürsten zu betrachten. Nicht anders stand es mit den zahlreichen Grafschaften, die nach einer von den Ottonen eingeleiteten Reichspolitik an Reichskirchen übertragen wurden. Da die geistlichen Fürsten des Grafenamtes wegen des mit ihm verbundenen Blutbannes nicht persönlich walten durften, so mußten jene Grafschaften mit eigenen Grafen besetzt werden, die als Reichsbeamte und demgemäß, soweit sie nicht dem Ministerialenstand angehörten, als Reichsfürsten galten 4 , da der ihnen vorgesetzte Bischof selbst nur Reichsbeamter und Verwalter des als Eigentum des Reiches angesehenen Reichskirchengutes war. Ganz anders, wenn es weltlichen Fürsten (Pfalzgrafen, Markgrafen oder Grafen) gelang, eine größere Zahl von Grafschaften in ihrer Hand zu vereinigen: hier war immer der Landesherr der einzige Graf, seine Yassallen konnten nur den Rang von Vizegrafen bekleiden und daher auf Zugehörigkeit zum Fürstenstand keinen Anspruch machen, auch wenn ihnen die Führung des Grafentitels zugestanden wurde5. Die Anschauungen mußten sich ändern, seit es um die Wende des 12. und 13. Jahrhunderts gelungen war, die geistlichen Fürsten dem Reichslehenverbande einzufügen. Indem diese den Reichsbeamtencharakter verloren und zu Vassailen des Reiches wurden, erschienen ihre Grafen nur noch als Reichsaftervassallen gleich den Vizegrafen weltlicher Fürsten 6. Dieser Umstand und die durch den Höhepunkt des Lehnwesens bedingte strengere Scheidung der verschiedenen Heerschildstufen (S. 400) führte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zunächst zu einem eigentümlichen Schwanken in dem Begriff des Reichsfürstenstandes. Zum Abschluß kam die neue Entwickelung durch den Sturz Heinrichs des Löwen, durch den die bisher dem Herzog unterstellten sächsischen und verschiedene bairische Fürsten zu reichsunmittelbarer Stellung gelangten. Wie man von jeher zwischen landsässigen und königlichen Klöstern unterschieden hatte und 4 Vgl. WEILAND, Das säcbs. Herzogtum unter Lothar u. Heinrich d. Löwen 4 2 . Aber nur edle Grafen wurden zu den Fürsten gerechnet. Grafen oder Burggrafen aus dem Stande der Ministerialen führten den Titel in der Kegel nur bei ihren Dienstrerrichtungen, immerhin ist durch sie zuerst der Grafentitel auch in den niederen Adel eingedrungen. Vgl. FICKER, Beichsf. 7 9 f. 6 Über diese neugräfliehen Geschlechter, die teils dem Herren-, teils dem Ministerialenstand angehörten, vgl. FICKER, Reichsf. 8 0 f. 8 6 f. 9 0 f. WEILAND, a. a. O . 4 3 ff. RIEDEL, Mark Brandenburgs, 1 3 9 ff. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 47f. Daß die Grafen von Sayn und Molbach, obwohl rheinpfälzische Vassalien, zu den Fürsten gerechnet wurden (vgl. FICKER 8 4 f.), mochte auf einer weniger strengen Auffassung in Lothringen, gegenüber Sachsen, oder auch darauf beruhen, daß der Pfalzgraf bei Rhein in Lothringen einen Rang einnahm, der sonst nur Herzogen zukam. 8
V g l . WEILAND 4 2 f .
Das Mittelalter.
496
nur die Vorstände der letzteren, die ihr Scepterlehen unmittelbar aus der Hand des Königs empfingen, den geistlichen Fürsten beizählte, so wurden 1180 von den bisherigen Laienfürsten nur noch diejenigen, die ihr Fürstentum unmittelbar vom Reiche zu Lehen trugen und nicht Mannen eines anderen Fürsten waren, als Reichsfürsten betrachtet. Der Besitz eines Fahnlehns aus der Hand des Königs war das Merkmal des weltlichen Fürstenstandes geworden7. War seine Grundlage bisher eine staatsrechtliche, das Grafenamt, gewesen, so war die neue eine lehnrechtliche, das Fahnlehen, und eine territoriale, das Reichsfürstentum. Indem zugleich der Begriff des letzteren genauer festgestellt wurde8, ergab sich gegenüber den früheren Zuständen eine außerordentliche Verminderung in der Zahl der weltlichen Fürsten. Unmittelbar nach 1180 gab es nur sechzehn weltliche Reichsfürstentümer: die Herzogtümer Baiern, Schwaben, Sachsen, Lothringen, Brabant, Kärnthen, Böhmen, Osterreich, Steier, die Pfalzgrafschaft bei Rhein, die Pfalzgrafschaft Sachsen, die Markgrafschaften Brandenburg, Meißen und Lausitz, die Landgrafschaft Thüringen und die Grafschaft Anhalt9. Der Herzog von Burgund und der Graf von Flandern, die dem französischen Fürstenstand angehörten, wurden auch in ihren deutschen Lehnsverbindungen, obgleich sie hier kein Fürstentum besaßen, zu den Reichsfürsten gerechnet10. Rein persönlich, ohne territoriale Grundlage, war die reichsfürstliche Stellung des Herzogs Weif, der Herzoge von Rotenburg, Zähringen, Meran und der Pfalzgrafen von Burgund, doch waren diese Häuser schon vor Mitte des 13. Jahrhunderts sämtlich erloschenu. Wie hier wegen Mangels eines territorialen Fürstentums, so fand auch bei dem Aussterben der Staufer (1268) keine Übertragung ihrer reichsfürstlichen Stellung auf ein anderes Haus statt, das Herzogtum Schwaben erlosch mit dem Tode Konradins. Sonst galt die Regel, daß der König ein heimgefallenes Fahnlehen längstens binnen Jahr und Tag anderweitig verleihen mußte12. Die Erhebung in den weltlichen Reichsfürstenstand konnte seit 1180 nur durch den König im Wege der Belehnung mit einem Fahnlehen erfolgen13. Handelte es sich da zuweilen um ein heimgefallenes oder dem 7
Vgl. Ssp. IIL 58. rikes, dai sin vanlen, dar Sven it en ander vor ime lenunge nicht; dar tonne 8 Ssp. III. 62, § 2.
Sache. Lehnr. 71, § 21: Varste het dar umme Dorste des he vorste van wesen viel, niemam vor ime untvan ne sal. untveit, dt t ime lief, so n'is he die vorderste an der ne mach he von deme lene nen vorste wesen.
* V g l . FIOKER 2 3 4 . 10
11
V g l . FICKER 2 0 6 . 2 2 3 .
235.
Vgl. ebd. 187 f. 222. 234 f. 252. " Vgl. Ssp. III. 53, § 3. 60, § 1. Sfichs. Lehnr. 71, § 3. Schwsp Laßb. 121c. Der Grund lag darin, daß kein Gericht länger als Jahr und Tag ohne Richter bleiben durfte. Wohl ans demselben Grunde erklärt sich die Auffassung, daß ein Interregnum im Reiche binnen Jahr und Tag beendigt sein müsse. Vgl. LINDNEB, Königswahlen 155. 13 Vgl. das um 1200 verfaßte Gedicht Biterolf und Dietleib, Vers 11549—11603
497
§ 45. Die Fürsten und Reichsbeamten.
bisherigen Inhaber entzogenes14, so kam es doch weit häufiger vor, daß ein dem Reiche gehöriges oder zu Lehen aufgetragenes nichtfürstliches Territorium vom König mit Genehmigung der Fürsten zu einem Reichsfürstentum erhoben und sodann mit der Fahne verliehen wurde16. Dies war zuerat der Fall bei den Markgrafschaften Mähren (1182) und Namur (1188), den Herzogtümern Braunschweig (1235) und Breslau (vor 1276), der Landgrafschaft Hessen (1292), im 14. Jahrhundert bei den Herzogtümern Pommern, Jülich, Geldern, Meklenburg, Schlesien, Luxemburg, Berg, der Markgrafschaft Font ä Mousson (Bar) und der später zum Herzogtum erhobenen Grafschaft Savoyen, ferner den Herzogtümern Kleve (1417), Holstein (1474), Würtemberg (1495). Rein gewohnheitsrechtlich, ohne besonderen Erhebungsakt, erfolgte im 14. Jahrhundert die Aufnahme der Markgrafen von Baden, der Grafen von Henneberg und der Burggrafen von Nürnberg in den Reichsfürstenstand16. Durch die vielfachen Erhebungen, mehr noch durch die seit Mitte des 13. Jahrhunderts üblich gewordenen Erbteilungen in den Fürstenhäusern, bei denen jeder Teilinhaber den Charakter als Reichsfürst behalten durfte17, wurde das seit 1180 bestehende Übergewicht der geistlichen Fürsten einigermaßen vermindert, wenigstens belief sich die Zahl der Laienfürsten im 14. Jahrhundert auf 38 bis 44, denen allerdings mehr als 60 geistliche Fürsten gegenüberstanden18. Die Annahme, daß die Veränderung in dem Begriff des Reichsfürstenstandes von dem Eintritt der geistlichen Fürsten in den Reichslehnsverband ihren Ausgang genommen habe, wird durch die Stellung der Bischöfe bestätigt, indem schon vor 1180 nur Bischöfe die ihre Investitur mit den Regalien vom Reiche empfingen, also nur die Träger von Scepterlehen, zu den Reichsbischöfen gezählt wurden. Die Bischöfe von Lübeck, Schwerin und Ratzeburg galten als Reichsfürsten erst, nachdem sie durch den Sturz Heinrichs des Löwen reichsunmittelbar geworden waren19, während die Bischöfe von Frag und Olmütz, nachdem ihre Investitur seit Ende des 12. Jahrhunderts vom Reich auf den König von Böhmen übergegangen war, nicht mehr zu den Reichsfürsten zählten20. Die Bischöfe von Gurk, (Deutsches Heldenbuch 1, 169 f.). Der Graf von Holland bot dem ohne Erfolg eine bedeutende Summe, si prmeeps fieret. Vgl. FICKER 14 So bei der Belehnung der Söhne Rudolfs I. mit Osterreich mark (1282) und des Grafen Johann von Luxemburg mit Böhmen
Kaiser 1191 112. und Steier(1310). Vgl.
FICKER 1 1 2 f . 15
Vgl.
S. 404,
n.
18
Vgl.
FICKER
194 f.
" Vgl. 18
FICKER 2 6 2
25.
FICKER 1 0 6 ff. 2 1 8 ff. 2 3 4
ff.
242.
2 0 9 ff.
ff.
Vgl. FICKER 264. 372 ff. An sich war die Zahl noch erheblich größer, aber nur etwa 60 machten von ihrer fürstlichen Stellung thatsächlichen Gebrauch. 19 Endgiltig bestätigt wurde ihre Reichsunmittelbarkeit 1258 von König Richard. Vgl.
FICKER 2 7 4
ff.
BÖRGER
53.
Const de regalibus von 1158 (II. F. 56): Regalia sv/nt viae publicae, fiumina navigdbilia et ex quibus fiunt navigabilia, portus, ripatica. Vgl. W A I T Z 8 , 2 9 8 ff. 79
v . INAKA-STEBNEOO 2 , 3 6 6 .
SCHOLZ 9 1 ff.
Vgl. S. 397. GEFVOKEN, Zar Geschichte des Wasserrechts, ZRG. 34, 188 ff. 197 ff. Ssp. IL 28, § 4. 66, § 1. Urk. Friedrichs I. von 1165 ( W E I L A N D 1, 323): aqua Rheni, libera et regia strata. Urk. desselben von 1157 (BÖHMER, U r k . - B . von Frankfurt 16) von dem Leinpfade am Main: per ripam fluminis, que via regia esse dinoscitur. Görlitzer Landr. 34, § 1: iegelich vlixinde waxxir heixet des riehes strnxe. Reichsurteil Lothars III. über die Saar W A I T Z 8, 302 n. 80 Auf Grand der Verleihung Friedrichs I. übten die Lübecker auch auf der oberen Trave bei Oldesloe, obwohl dio Ufer holsteinisch waren, die Stromgerichtsbarkeit aus. Vgl. SCHBÖDEB, Landeshoheit über die Trave (S. 3 9 7 n.), S. 1 0 f. 1 3 ffDie holsteinischen Grafen erkannten das Recht der Stadt Lübeck 1247 (Urk.-B. d. Stadt Lübeck 1, Nr. 124) ausdrücklich an: omnia que per aquarum inundaeionem et alluvionem eonsueverunt oeeupari, ad wiehbelede civitatis perpetuis temporibus annumerari coneedimus et asseribi. 81 Das Anm. 84 besprochene Reichsweistum von 1294 behandelt den eondvetw in flumine als ein von der Landeshoheit der Uferherren unabhängiges Recht
§ 48. Das Finanzwesen.
535
Ausnutzung von Hafen-, Fähr-, Brücken-, Mühlenanlagen und sonstigen Wasserbauten82, das dem Strandrecht entsprechende Grundruhrrecht an gestrandeten Schiffen und ihrer Ladung 93 . Das Strombett war Eigentum des Reiches; in ihm entstandene Inseln fielen dem ßeiche oder dem mit der Stromhoheit vom Reiche Beliehenen zu 84 . Gleich den schiffbaren Gewässern galten auch die großen Land- und H e e r s t r a ß e n als „des Königs Straßen"86. Von der Territorialbildung scheinen sie nicht in gleichem Maße wie die Ströme ausgenommen gewesen zu sein, doch blieben sie der willkürlichen Verfügung der Landesherren entzogen, auch wurden sie wenigstens in die territoriale Zersplitterung, der die alte Gauverfassung seit dem 13. Jahrhundert verfiel, nicht so ganz hineingerissen, indem die gräfliche Gerichtsbarkeit sich zum Teil als „Straßengericht" zu erhalten vermochte. Veränderungen sollten mit den alten Königstraßen nach der Constitutio in favorem prineipum von 1231/32 § 4 und dem Mainzer Landfrieden von 1235 § 10 nur mit Zustimmung der „transeúntes", d. h. der von der Straße berührten Landesherren, vorgenommen werden. Bis dahin muß also der König das Recht zu solchen Veränderungen und demgemäß auch zu den dadurch gebotenen Zwangsenteignungen gehabt haben. Wahrscheinlich übten die Ffalzgrafen, Lübeck erhielt das Geleitsrecht auf der Trave durch Privileg Friedrichs II. von 1226. Seit Mitte des 14. Jh. war das Leinpfadrecht wohl allgemein landesherrlich. Vgl. LAMPEECHT, Wirtschaftsleben 2, 38. 291 f. 82 Friedrichs 1. Privileg für Lübeck von 1188 hob ausdrücklich hervor, daß auch die Travebrücke in die iusticia et libertas der Stadt aufzunehmen sei. Auf verschiedene Strombauten im Niederrhein bezieht sich die Urkunde desselben von 1165 (Anm. 79). Den Kurfürsten von Brandenburg erteilte Kaiser Friedrich III. 1466 die Erlaubnis: daß sie in allen ihren landen xu ihrer tmd der land notdurft auf ihren wassern, wo, wie und warm sie wollen, mühten aufrichten, bauen tmd derer nach ihrem gefallen gebrauchen und genießen sollen und mögen (PFEFFINGER, Vitriarius illustr. 3, 1467). Vorher hatten sie also das Mühlenregal noch nicht besessen, es hatte dem Reiche zugestanden. Ähnliche Verleihungen werden in den Reichsurteilen bei FRANKLIN, a. a. O. Nr. 109 f. vorausgesetzt. Andere Bewilligungen von Stromanlagen bei PFEFFINGER, a. a. 0. 3, 1469 f. Zerstörung unerlaubter Strombauten MG. Dipl. reg. Otto II. Nr. 209 (979). Über Strombauten in der Trave vgl. SCHRÖDER, a. a. 0. 19, über Deichbauten J. GIERKE, Gesch. d. Deichrechts 1, 175. 99 Vgl. £. MATER 1 , 1 0 3 . Den Straßburgern bewilligte Friedrich I I . 1 2 3 6 (Urk.-B. d. Stadt StraBburg 1, Nr. 246) Befreiung vom Grundruhrrecht. Die Ausübung des letzteren seitens der Uferherren wurde wiederholt von Reichs wegen verboten. Vgl. FRANKLIN, Nr. 2 0 8 und dazu gehörige Note. MAURER, Einleitung 120f. 84 Vgl. SCHRÖDER, a. a. 0. 19. Rheingauer Landgerichtsentscheidung von 1148 über die Rheininseln, BODMANN, Rheing. Altertümer 604. Das S. 397 n. angeführte Reichsweistum von 1294 billigte die insula in flumine nata nur dem zu, der die volle Stromhoheit, nfimlich Zollgerechtigkeit, Geleitrecht und gräfliche Gerichtsbarkeit über den Strom, vom Reiche zu Lehen trüge. Der Graf des Ufergeländes als solcher hatte keinen Anspruch. Ssp. II. 56, § 2 hat nur Privatflüsse (vliet, im Gegensatze zu stram) im Auge. 95 Vgl. Anm. 78. W A I T Z 8, 316. SCHOLZ 91. HALTAUS, Glossar. 1115. 1754. GRIMM, DWB. 5, 1716. FRANKLIN, Nr. 202 f. GASNER, Zum deutschen Straßenwesen (1889) 44 ff. Ssp. II. 59, § 3. 66, § 1.
Das Mittelalter.
536
dann besonders die Reichslandvögte eine gewisse Aufsicht über das Reichsstraßenwesen aus. Die Unterhaltung der Straßen lag in erster Reihe den Zollberechtigten ob88. Das Jagdrecht hat seinen Ausgang in Deutschland nicht von der Jagdberechtigung der Grundbesitzer, sondern von dem Rechte des freien Tierfanges genommen. Auch die Grundbesitzer bedurften eines königlichen Wildbannprivilegs, um eine ausschließliche Jagdberechtigung auf ihrem Grund und Boden zu erlangen. Außerhalb der königlichen Bannforsten galt das Recht des freien Tierfanges, dem der Grundbesitz als solcher nur thatsächliche, aber nicht rechtliche Schranken zu setzen vermochte87. Die aus der früheren Zeit herrührenden großen Bannforsten blieben bestehen88, vielfach wurden Teile derselben' rerliehen oder verschenkt Neueinforstungen für Rechnung des Reiches sind nicht mehr bezeugt, dagegen wiederholten sich die königlichen Wildbannprivilegien für die verschiedenen Großen des Reiches ganz in der alten Weise bis zum 11. oder 12. Jahrhundert89. Dabei macht sich in der Form eine allmähliche Abschwächung der königlichen Gewalt bemerkbar. Während Otto I. noch ganz frei über die Grenzen des Wildbannes verfügte, ohne sich auf den Reichsboden und den Besitz des Privilegierten zu beschränken, selbst ohne gewohnheitsrechtlich bestehende Jagdberechtigungen Dritter zu schonen90, wurde schon in einem Diplom Ottos IL, wo ebenfalls derartige Verhältnisse entgegenstehen mochten, ausdrücklich hervorgehoben, daß die Verfügung cum popnli consenm getroffen sei, und ähnlich heißt es in einem Wildbannprivileg Heinrich II. von 1018: „consensu vicinorum"91. Dagegen wird in einer Urkunde Ottos III. von 992 der von dem Wildbann eingeschlossene Grundbesitz eines Dritten ausdrücklich ausgenommen, und im 11. Jahrhundert werden die zustimmenden Grundbesitzer regelmäßig persönlich hervorgehoben, unter Heinrich IV. sogar mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß das Wildbannrecht für sie mit gelten sollte92. Die Abschwächung des Bodenregals vollzieht sich schritt86
Mainzer Landfriede v. 1235, § 7. Vgl. Ssp. IL 61. 88 Vgl. KRÄHT, Grundriß § 87, Nr. 9. 89 Vgl. 8.196. W A I T Z 8, 257 ff. E. M A Y E B 1, 86 ff. LAMPHECHT, Wirtschaftel. 1, 110. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes 46 ff. K . ROTH, Geschichte des Förstu. Jagdwesens in Deutschland §§ 49ff. STOBBE, Privatrecht 2, § 151 (2*, § 127). THUDICHUM , Gau- und Markverfassung 306 f. Die jüngsten Wildbannprivilegien sind wohl von Heinrich V . von 1108 und Lothar I I I . von 1132 ( K R A U T , Grundriß § 86, Nr. 80. 76), beide aber von zweifelhafter Echtheit 10 MG. Dipl. reg. Otto L Nr. 1 3 1 ( 9 5 1 ) : in qua prius erat communis omnium civium venatio. Ebd. Nr. 6 2 (auch LOEBSCH u. SCHRÖDER 2 Nr. 7 5 ) eretreckt sich der Wildbann über den ganzen Gau Drenthe, ohne daß der Grundbesitzer des Gaues auch nur gedacht würde. " MG. Dipl. reg. Otto I I . Nr. 5 0 . STUMPF, Acta imperii Nr. 2 6 7 . Keiner Zustimmung gedenken Otto II. Nr. 39. 90. 221. M Vgl. K B A Ü T , Grundriß 8 6 , Nr. 6 2 . 6 4 . 6 5 . THUDICHUM, a. a. 0 . 307. DBOMKE, Uod. dipl. Fuld. Nr. 7 6 0 ( 1 0 5 9 ) . 87
§ 48.
Das Finanzwesen.
537
weise vor unseren Augen: anfangs wie in der Karolingerzeit freiestes Wildbannrecht des Königs, dann Befugnis der Interessenten zu summarischer, später zu persönlicher Zustimmung, zunächst nur als rein formelle Schranke gedacht, seit Heinrich IV. aber auch materiell ins Gewicht fallend, indem die in die Wildbanngrenzen einbezogenen Grundbesitzer und Vogtherren nur unter der Bedingung der Mitberechtigung ihre Zustimmung erteilten93. Man darf wohl annehmen, daß seit dem 12. und 13. Jahrhundert so ziemlich alle Grundbesitzer aus dem Stande der Fürsten und Herren in den Besitz des Wildbannrechtes gekommen waren94. Das letztere hatte sich demnach aus einem hoheitlichen zu einem grundherrlichen Rechte umgestaltet, nahm aber mit der Ausbildung der Landeshoheit alsbald den Charakter eines landesherrlichen Hoheitsrechtes an 96 . Nur die niedere Jagd wurde den Ministerialen überlassen, während die Landesherren sich die hohe Jagd vorbehielten96. Zum Teil erhielt sich auch die alte Jagdfreiheit als Recht der freien Birsch in den Mark« genossenschaften97. Mit der Entwickelung des Jagdrechts hat das Fischereirecht im allgemeinen gleichen Schritt gehalten98. Die königlichen Wildbannprivilegien bezogen sich regelmäßig auf Jagd und Fischerei zusammen, den Bannwäldern entsprachen die Banngewässer. Im späteren Mittelalter galt die Fischerei in den öffentlichen Flüssen, soweit nicht anderweitig seitens des Reiches darüber verfügt war, im Zweifel allgemein als Regal des Stromherrn 98 . Bei den Privatflüssen machte sich der Anspruch der Fürsten und Grundherren in geringerem Maße wie bei der Jagd geltend, so daß den Gemeindefischwassern mit freier Berechtigung der Markgenossen Raum gelassen wurde100. Wie bei der Jagd in der Regel zwischen hoher und niederer Jagd unterschieden wurde, so trat auch bei der Fischerei vielfach '* Unrichtig HEUSLER, Institutionen 1, 370, dem SICKEL, a. a. 0., beitritt. M Vgl. MAURER, Fronhöfe 3, 35 ff. 41 f. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 470 ff. 480. 494 ff. GRIMM, Weistümer 7, 296. 85 Vgl. § 42, n. 125. KRAUT, Grundriß § 86, Nr. 68; § 87, Nr. 10f. 15f. Schwsp. Laßb. 236. 238. 88 Vgl. Bergisches Ritterrecht 34 (LACOMBLET, Archiv 1, 93). Dienstm.-R. von Ilzstatt von 1256 § 13 (Mon. Bo. 28, 2 S. 511. GRIMM, Weist 6, 114). 87
V g l . A n m . 90. KRAUT, a. a. O. § 8 7 , Nr. 1 2 — 1 7 . LAMPRECHT 1 , 4 8 5 f . MAURER, F r o n h ö f e 1, 4 3 ff.; E i n l e i t u n g 152 ff. THUDICHUM, a. a. 0 . 309. STOBBE,
a. a. O., Note 11. 88
88
GRIMM, Weistümer 7, 317.
V g l . WAITZ 8, 2 6 3 .
STOBBE 2, § 1 5 0 (128).
Vgl. WAITZ 8, 268. Constitutio de regalibus von 1158 (II. F. 56): piscationum redditus. Die durch zahlreiche Beispiele zu belegende Berechtigung des Königs, über die Fischerei in den öffentlichen Gewässern zu verfügen, war eine natürliche Folge des Stromregals. Soweit der König von seinem Baunrecht keinen Gebrauch machte, konnten sich abweichende Gewohnheiten, namentlich im Sinne der Fischereifreiheit, erhalten. Vgl. Ssp. II. 28, § 4. Schwsp. Laßb. 197. Dienstm.-R. von Ilzstatt (Anm. 96) § 11. KRAUT, Grundriß § 91, Nr. 5. HEUSLER, Institutionen 1, 3 6 9 .
GEFFCKEN, a. a. 0 . 195. 197. V g l . GRIMM, W e i s t ü m e r 7, .244. 317. MAURER, F r o n h ö f e 3, 33 f. a. a. 0 . 1, 283. 4 8 6 f. THUDICHUM, a. a. 0 . 312. GEFFCKEN 2 0 0 ff. 100
LAMPRECHT,
Das Mittelalter.
638
eine verschiedene rechtliche Behandlung je nach den Objekten oder der Fangart ein. Die Fischerei in geschlossenen Gewässern galt als Gegenstand private^ Berechtigungen 1 0 1 . Das königliche B a n n r e c h t machte sich auch in der Sichtung geltend, daß Mühlen oder andere gewerbliche Anlagen, wie Brauereien oder Backöfen, für einen gewissen Umkreis (die Bannmeile) ein jede Konkurrenz ausschließendes Recht erhielten 102 . Eine verwandte Einrichtung war der Bannwein, der aber immer nur für bestimmte Zeiten, wie Jahrmärkte und Kirchweihfeste, verordnet wurde 10S . Die Constitutio in favorem principum von 1 2 3 1 / 3 2 setzte dem Bannrecht des Königs auf dem Gebiete des Gewerbewesens bestimmte Grenzen 104 Auf derselben Grundlage wie das königliche Wildbannrecht beruhte das B e r g - und S a l z r e g a l 1 0 6 . Wie das Wild im Walde und der Fisch im Wasser, so galten auch die im Schöße der Erde verborgenen mineralischen Schätze an sich als herrenlos, sie waren nicht der Herrschaft des Grundeigentümers unterworfen, sondern gehörten nach der Yolksauffassung den Erdgeistern, denen sie mit Gewalt oder List abgewonnen werden mußten 1 0 6 . Kraft des Bodenregals erhob der König von allen privaten Betrieben einen Berg- oder Salzzins (S. 196) und war berechtigt, die freien Erdschätze überall im Reiche für sich oder andere mit dem Bann zu belegen. Die königlichen Grubenfelder entsprachen den Bannforsten 107 . Das älteste 101
Vgl. Ssp. II. 28, §§ 1. 2. Schwsp. Laßb. 196.
LOERSCH U. SCHRÖDER, Ur-
k u n d e n Nr. 193 (170).
,0, Vgl. WAITZ 8, 275 ff. Über die Anlage von Wassermühlen vgl. GEFFCKEN, a. a. 0. 196. 208 ff.
"» V g l . WAITZ 8, 2 7 8 f. 104
GRIMM, W e i s t . 7, 218.
Const. in fav. princ. § 5: In civitatibus noslris novis bannitum miliaredeponatur. •os Vg[. g. 196 und die dort angeführte Litteratur. ACHENBACH, Das gemeine deutsche Bergrecht 1, 81 ff. GRÜTER, De regali metallorum iure, Bonner Diss. 1867. VIRNICH, De iuris regalia metallorum origine ac progresso, Tüb. Diss. 1871. BÖHLAU, De regalium notione et de salinarum iure regali, Hall. Habil.-Schrift, 1855. HÜLLMANN, Geschichte des Ursprungs der Regalien in Deutschland, 1806. KARSTEN, Ursprung des Bergregals in Deutschland, 1844. SACHSSE, ZDR. 10, 70 ff. WEISSE, ebd.
1 2 , 2 7 0 ff. STEINBECK, e b d . 11, 2 5 4 ff. ZACHARII,
ebd. 13, 3 1 9 ff.
KOMMEB, Zeitschr. f. Bergrecht 10, 376 ff. STOBBE, Privatrecht 2, §§ 141 f. (2«, § § 123 f.).
E . MATER 1, 92 f.
EICHHORN, St.- u. R G . 2, 4 1 2 ff. KRAUT,
Grundriß
§ 94, Nr. 1—12. v. KOCH-STERNFELD, Die deutschen Salzwerke im Mittelalter, 1836. ABIQNENTE, La proprietà del sottosuolo, 1888. v. INAMA-STERNEGO, Wirtsch.-Gesch. 2, 329 ff. 3. 2, S. 139 ff.; Zur Verf.-Gesch. der deutsch. Salinen im Mittelalter, Wien. SB. 1885, S. 669 ff. SCHMOLLER, Jahrbuch 1891, S. 660 ff. 963 ff. GRIMM, Weist. 7, 2 2 0 .
SCHOLZ 87 ff. SCHRÖDER, D i e E r b s ä l z e r z u W e r l , Z R G . 10, 2 5 8 ff. ERMISCH,
Das sächs. Bergrecht des MA., pg. 27 f. WDTKE, Entw. d. Bergregals in Schlesien, 1897. ZIVIER, Geschichte des Bergregals in Schlesien, 1898. NECBUBQ, Goslars Bergbau (1892) S. 8 ff. TOMASCHEK, Das alte Bergrecht von Iglau, 1896. ZYCHA, Das böhmische Bergrecht des MA., 2 Bde, 1900. GOTHEIN, Der Bergbau im Schwarzwald, ZGO. 41, 885 ff. 1M
Vgl. schon Tacitus annal. 13, 57. Vgl. ACHENBACH, a. a. 0 . 90 ff., der insbesondere auf die Formel den wildfang auf der erden und in der erden aufmerksam macht. 107
§ 48. Das Finanzwesen.
539
Zeugnis ist wohl die 940 von Otto I. bestätigte Verleihung des Königshofes Salzburghof an den Erzbischof von Salzburg durch König Ludwig IV. im J a h r e 9 0 7 : cum cürtilibus omnibusque aedificiis, campis, agris, pratis, pascuis, silvis, lacis, aquis aquarumque decursibus, venationibus, molnds atque piscationibus , cum omnibus censibus in salina et extra salinam circa fluvios Sola et Salzdha vocatos in auro et salelos. Mit Bannwäldern,
Mühlen und Banngewässern wurde also auch der Bergbann für Gold und Salz, und zwar für das ganze Gebiet zwischen Saalach und Salzach, daskeineswegs durchweg fiskalisch war, auf das Stift übertragen 109 . Seit Heinrich II. fließen die Quellen für die Anwendung des zum Bergregal erweiterten Bergbannrechtes reichlicher und im 12. Jahrhundert sind sie so zahlreich und entschieden, daß sie keinem Zweifel über die Gemeingültigkeit des Bergregals Kaum lassen 110 . In Deutschland erstreckte sich das Bergregal schon im Mittelalter auf alle Metalle, genannt werden insbesondere Gold, Silber, Zinn, Kupfer, Blei und Eisen 111 . Ebenso waren die Salzquellen von Anfang an und nicht erst seit der Goldenen Bulle der Regalität unterworfen112. Die zunächst nur für Italien bestimmte Constitutio de regalibus von 1158 hebt Silbergruben und Salzquellen hervor 118 . Die ersten Kohlenbergwerke, die im 14. Jahrhundert im Wurmrevier bei Aachen vorkommen, scheinen von vornherein dem Regal unterlegen zu haben 114 . Die finanzielle Ausnutzung 108 MG. Dipl. reg. Otto I. Nr. 32. Zu vergleichen ist eine zweite Schenkung Ottos I. an Salzburg von 959 (ebd. Nr. 202), betreffend Besitzungen in Grabenstfidt, et in salina curtilia cum paieUis patellarumque loeis, cum foresto ad flumen Truna et renationibus, aquis aquarumque decursibus, piscationibus, prout ante regali potestate in panno erant. IO« YGI, ARNDT 29 f., der auch auf Karls Capitulare de villis c. 28, 62 und die Ordinatio imperii von 817, c. 12 (BORETIUS 1, 85. 89. 272) verweist, wonach der König Silbergruben besaß und Einkünfte aus Eisen- und Bleigruben bezog. Vgl. WAITZ 8, 270. Verordnung Heinrichs VI. von 1189 (WEILAND, Const. 1, 466): Cum omnis argentifodina ad iura pertineat imperii et inter regalia nostra sit eomputata, nulli venit in dubium, quin ea que nuper in episcopatu Mmdensi dieitur inventa ad nostram totaliter spectel distributionem. Über den Sachsenspiegel, auf den sich die Gegner der Ursprünglichkeit des Bergregals in erster Reihe berufen, vgl. Anm. 117. Durch Reichsurteil von 1158 wurde dem Kaiser das Regal an den Silbergruben bei Ems zuerkannt. Vgl. ACHENBACH, a. a. 0. 84.
ARNDT 194 f.
BETER, Mittelrh. Ü r k . - B . 1, 673.
STUMPF, K a i s e r u r k u n d e n N r . 3 8 0 8
111
Vgl. KBAUT § 94, Nr. 2. 4. 5. 7. In den preußischen OrdenBlanden war das Eisen ausgenommen (ebd. Nr. e). Über Waschgoldregal ebd. Nr. 5. ARNDT, a. a. 0 . 187. 118 Vgl. die im Text angeführte Salzburger Urkunde von 907 und die Kulmer Handfeste
(KRAUT Nr. e).
ARNDT 122 f.
135 f.
143 ff. 155. 158. 166. 169.
181.
Der letztere weist S. 160 ff. nach, daß auch die Erbsälzer in Werl (Anm. 115) nur auf Grund königlicher Verleihung berechtigt gewesen sind. Verleihung einer königlichen Salzquelle im Jahre 833 bei WILMANNS, Kaiserurkunden 1, Nr. 14 (MOBLBACBER, R e g e s t , d. Kar. 894). 118
Conat. de reg. (II. F. 56): argentariae — —, piseationum redditus et salinarum. über argentariae vgl. Du CANGE, Glossar, s. v. ACHENBACH, a. a. 0. 83 f. IM Vgl. LOERBCH, Rechtsverhältnisse des Kohlenbergbaues im Reich Aachen
540
Das Mittelalter.
des Berg- Und Salzregals beschränkte sich auf die Anlage fiskalischer Betriebe auf Beichsboden und auf die Erhebung bestimmter Abgaben [urbar, fronteil, census), zumal des Berg- oder Salzzehnten, von allen Privatbetrieben, zuweilen auch auf den Mitbau zur halben oder dritten Schicht. Alle Privatbetriebe, auch die des Grundeigentümers, bedurften ausdrücklicher Verleihung, unter Zumessung des Grubenfeldes116. Aus dem schon im 12. Jahrhundert vielfach von Seiten der Grundeigentümer geübten Gebrauche, gegen Gewährung eines Gewinnanteils gewisse Gebiete für die Aufsuchung und Gewinnung von Bergschätzen freizugeben („gefreite Berge"), entwickelte sich unter dem Einfluß des Bergregals zum Teil schon im 13. Jahrhundert die Bergbaufreiheit, vermöge deren die Bergherren, d. h. die Träger des Bergregals, dem Finder auf vorschriftsmäßige Mutung das Bergwerkseigentum zu verleihen hatten, die Grundeigentümer aber sowohl die vom Bergherrn genehmigten Schürfarbeiten wie den Betrieb der Gruben unter ihrem Grund und Boden gegen Einräumung eines gewissen Mitbaurechts, zuweilen auch unter dem Vorbehalt eines Mutungsvorrechts, zu dulden verpflichtet waren 116 . Der Sachsenspiegel, der das Bergregal ausdrücklich anerkennt, lehnt die Bergbaufreiheit noch ab; der Grundeigentümer braucht keine fremden Betriebe, mindestens solche über Tage, zu gestatten und behält, wenn er sie genehmigt, die Vogtei darüber 117 . (a. d. Zeitschr. f. Bergrecht IS) 6. Dagegen ist das Kohlenregal in Sachsen zu keiner Anerkennung gelangt, die Kohlengewinnung ist hier noch heute dem Grundeigentümer anheimgegeben. Ui Vgl. Urkunde Friedrichs II. für den Erzbischof von Mainz von 1219, GUDEK, Cod. dipl. Magunt 1, 465, Nr. 173. KRAUT Nr. 2, c. 3, 5, 6. MÖBER, Osnabr. Geschichte, Dok. Nr. 168 (1235). CHMBL, Regesta Ruperti 213, Nr. 20 (1405). Während die Speziälverleihung die Regel bildete, besaßen die Werler Erbsälzer eine Distriktsverleihung für die ganze Stadtmark. Vgl. Anm. 118. ARNDT, a. a. 0- 164. »• Vgl. ZYCHA, Recht des ältesten Bergbaues 65 ff.; Böhm. Bergrecht 143. 176 ff. 2, 3. 7. 9. 24 f. 121. 298 ff. ARNDT, a. a. 0 . 51 ff. 82. 233. ERMISOH p g . 29 ff.
35. GRIIIM, Weistttmer 7, 220. Nach ACHENBACH, Bergrecht 68 ff., hätte die Bergbaufreiheit, die der Verfasser aus dem Recht der gemeinen Mark herleitete, den Ausgangspunkt für die Entwickelung des Bergrechts gebildet. 117 Ssp. I., 35 § 1. AI schat imder der erde begraven deper den ein pluch ga, die hört to der koningliken gewalt. § 2. Silver ne mut oh neman breken up enes anderen, marines gude, ane des willen des de etat is. gift he 's aver orlof, de vogedie is sin dar over. Dazu die Glosse: Dat alle schat höre in dat rike, dat is war, war man schat nimt vor erexe. Gegen alle Regeln einer gesunden Interpretation hat man § 1 aus dem Zusammenhang mit § 2 gerissen, indem man den ersteren auf ein Schatzregal deutete, in § 2 dagegen die Ablehnung des Bergregals ausgesprochen fand. Da sich auch die neuerdings von ZBUMER (Anm. 121) veröffentlichte Untersuchuug auf diesen Standpunkt stellt und unserer Auslegung den Vorwurf kritikloser Methode macht, so muß ich auf meine in ZRG. 36 zu veröffentlichenden Ausführungen verweisen. Zuzugeben ist nur, gegenüber der von uns früher geteilten Auslegung des Glossators, daß der „Schatz" des Sachsenspiegels nicht bloß auf die natürlichen Bergschätze, sondern auch auf den Schatzfund zu beziehen ist, indem der Verfasser Berg- und Schatzregal zusammenfaßt. Wenn er weiterhin, auf den Bergbau allein übergehend, nur von „Silber" spricht, so erklärt sich dies
§ 48.
Das Finanzwesen.
541
Neben den Spezialverleihungen für bestimmte Grubenfelder oder Salzquellen und den auf ein größeres Gebiet erstreckten Distriktsverleihungen für bestimmte Mineralien 118 begegneten schon früh Verleihungen des ganzen Regals für einzelne Landesteile, dann für ganze Territorien119. Nachdem die Goldene Bulle von 1356 (c. 9, § 1) den Kurfürsten das Berg- und Salzregal für ihre Kurlande allgemein eingeräumt hatte, gelang es bis zum Ende des Mittelalters wohl sämtlichen Reichsfürsten, das Regal ebenfalls vom Reiche zu erwerben, so daß der König sich als Bergherr nur auf dem unmittelbaren Reichsboden behauptete120. Neben dem Bergregal und als „Fund unter der Erde" in den Quellen häufig mit diesem zusammengefaßt, wurde dem Reiche und später den Landes- oder Gerichtsherren vielfach auch ein Recht auf gefundene S c h ä t z e , oder einen Anteil daran, zugestanden 121 . Ein gemeines Gewohnheitsrecht bestand aber hinsichtlich des Schatzregals nicht; die Bestimmungen der Constitutio de regalibus von 1158 und des Schwabenspiegels stehen unter ersichtlichem Einfluß des römischen Rechts 122 . Bedeutende Geldleistungen bezog der König aus I t a l i e n 1 2 3 . Die slawischen Völker hatten bis zu ihrer Einverleibung in das Reich T r i b u t Zahlungen zu leisten 124 . Die Reichsfürsten hatten dem König, wenn er in ihrer Provinz hofhielt, zu den Hoftagen Ehrengeschenke mitzubringen, worin man einen Rest der altgermanischen J a h r g e s c h e n k e
aus der unbedingten Vorherrschaft des Silberbergbaues in der Heimat des Verfassers. Streitig ist nur, ob die Ablehnung der Bergbaufreiheit allgemein zu verstehen oder auf den Bau Uber Tage (das „Brechen" im Gegensatz zum „Graben") zu beschränken sei. Die letztere Auffassung wird durch das Löwenberger Goldrecht unterstfitzt. Vgl. AKNDT, a. a. 0 . 79. 9ö ff. ZYGHA, Recht d. Bergb. 5 6 — 6 8 . Über den Begriff der Bergvogtei vgl. ZYCHA 1 2 4 ff. us Vgl. Anm. 115. Die Verleihung des Gold- und Salzrechtes an die Salzburger Kirche (S. 539) war wohl als eine Verleihung des ganzen Regals gemeint, wobei Gold und Salz nur ausdrücklich hervorgehoben wurden. Eine Distriktsverleihung für Silber besaß der Bischof von Brixen (vgl. BÖHMER, Acta imperii Nr. 2 2 6 ) und der Graf von Nassau (ebd. Nr. 7 7 5 ) . Andere Beispiele bei ZTCHA, Böhm. Bergr. 1, 153. n
" V g l . KRAUT N r . 2. 4 — 6 . ABNDT 1 6 9 . 1 9 9 — 2 0 5 . ACHENBACH 8 5 ff. STUMPF, 5 1 9 , Nr. 3 6 4 ( 1 1 7 0 ) . BÖBBER, Acta imperii selecta Nr. 1 4 4 ( 1 1 8 4 ) . 1 5 9 ( 1 1 8 9 ) . ERWISCH, p g . 16. 2 8 .
Acta imperii
180 Vgl. GRIMM, Weistümer 2, 788. 794. Der König von Böhmen war jedenfalls schon lange vor der Goldenen Bulle im Besitz des Bergregals, ohne daß sich eine Verleihung seitens des Reiches nachweisen ließe. Vgl. ZTCHA, Böhm. Bergrecht 1, 145. 181
V g l . A n m . 117.
STOBBE, P r i v a t r e c h t 2 S , § 1 4 9 I I . (2», § 1 3 1 II.). HEUSLEB,
Gesch. d. Schweiz. Privatrechts 741. WAITZ 8, 275. E. MATER, Verf.-Gesch. 1, 93.
ZEUMER, Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel, Mitt. d. öst. Inst. 22, 434. 438 ff. m Vgl. Schwsp. Laßb. 347. Const. de regalibus: dimidium ihesauri in loeo Caesaris inventi, non data opera, vel loeo religioso; si data opera, lotum ad eum pertineat. •¡S V g l . WAITZ 8, 3 7 5 ff. 1M
Vgl. ebd. 372 f.
Das Mittelalter.
542
erkennt 126 . Dagegen sind die umfassenden Geldleistangen, mit denen die meisten Reichsabteien und Propsteien unter dem Namen servitium oder subsidium regium belastet waren, nur zum Teil auf jene Jahrgeschenke und die alten Naturalleistungen des servitium regis zurückzuführen, in der Hauptsache aber als Abgaben für den Königsschutz und vor allem als Rente aus dem Reichskirchengut aufzufassen126. Die Investitur mit den Beichslehen sollte grundsätzlich ohne Entgelt erteilt werden, thatsächlich wurden aber hei dieser Gelegenheit regelmäßig unter verschiedenen Titeln Gebähren (die späteren Lehnstaxen), oft von bedeutender Höhe, erhoben127. Nach der Krönung pflegten die Reichsstädte besondere „Ehrungen" darzubringen128. Auch die Juden, von denen außer dem Judenschatz (S. 468) vielfach noch besondere Gelegenheitsabgaben verlangt wurden, hatten zuweilen eine besondere Judenkrönungssteuer zu entrichten 129 . Die ersten Anfange der späteren Staatesteuern finden sich in den sogenannten B e d e n oder B e t e n (petitiones, precariae, collectae, talliae, stiura, geschof, gewerf), die zunächst nicht auf Grund eines Rechtsanspruches gefordert, sondern mit Rücksicht auf bestimmte vorliegende Bedürfnisse erbeten wurden, wegen der Stellung des Bittenden aber in der Regel nicht verweigert werden konnten 180 . Aufgekommen sind die Beden zunächst in den Immunitäten, als immer wiederkehrende Unterstützungsgesuche der Stiftsvögte an die Vogtleute, die anfangs von den geistlichen Grundherren lebhaft bekämpft, seit dem 12., 13. Jahrhundert aber allgemein in rechtlich bestimmten Beträgen anerkannt wurden. In den Reichsvogteien übten die Könige das Bederecht in Gemeinschaft mit den Immunitätsherren aus. Von besonderer Bedeutung waren die Beden, die von den Städten, und zwar nach Art der Matrikularsteuern als Gemeindelast, gefordert wurden, während die Landbeden zum Teil unmittelbar von den einzelnen Grundstücken (mit Ausnahme der stets bedefreien Rittergüter) zu entrichten waren. Das Recht auf die städtische Bede stand dem Stadtherrn zu, also in den Reichsstädten, deren Steuerpflicht seit dem 13. Jahrhundert feststand, dem König; in den Bischofsstädten, die unter einer Reichsvogtei standen, bezog in der Regel der Stadtherr die eine, der König (als Vogtbede) die andere Hälfte 181 . Im späteren Mittelalter /
145
Vgl.
1,9
V g l . S. 1 1 3 f. 518.
117 189 m
130
WAITZ 8 , 3 7 7
f.
MAUBEB,
Fronhöfe
3, 4 0 3
f.
WAITZ 8 , 378FF. EICHHOBN 2 , 4 0 9 .
MAUBEB, a . a . 0 . 3 , 4 0 2 .
Vgl. S. 495. 524. WAITZ 8, 378. 4 0 7 ff. Gold. Bulle v. 1356, c. 29. Vgl. QOIDDE, Reichstagsakten 11, Vorwort S. 33. V g l . QOIDDE, a . a . 0 .
3 0 ff.
Ober das Folgende vgl. Anm. 143 und die S. 520 angeführten Arbeiten von SCHWALM, ZEUMEB und SCHULTE, ferner E . MAYEB, Verf.-Gesch. 1, 72 ff. ZEUUER, Die deutschen Städtesteuern, insbesondere die städtischen Reichssteuern im 12. und 13. Jahrhundert (SCHUOLLEB, Staats- und sozialw. Forsch. 1, 2), 1878. WAITZ 8, 399 ff. KÜSTEB, a. a. 0 . 45 ff. MAUBEB, Fronhöfe 3, 405 ff. LAMPBECBT, Wirtschaftsleben 1, 605 ff. SCHÖN, Mitt. d. öst. Inst. 17, 234 ff. BBUNNER, Grundzüge 125. 131 Ebenso teilten der König und der Bischof die ordentliche Bede der Stadt Regensburg, wo der König zwar nicht die Vogtei, aber die Burggrafschaft besaß.
§ 48. Das Finanzwesen.
543
hatten einzelne Städte Freiheit von der ordentlichen Bede erlangt, sie wurden vornehmlich deswegen als „freie Städte" bezeichnet. Im übrigen haben sich die ordentlichen Beden als feste Jahrsteuern sämtlicher Reichsstädte in wesentlich unveränderter Gestalt (selbst in den Beträgen immer erst nach größeren Zeitabschnitten verändert) bis tief in die folgende Periode, zum Teil bis zur Auflösung des Reiches erhalten182. Außer den ordentlichen Beden kamen fortdauernd noch außerordentliche Steuern vor, bei denen es in der Natur der Sache lag, daß der Fordernde sein Gesuch begründen und sich eine gewisse Prüfung seitens der Belasteten gefallen lassen mußte. Eine allgemeine außerordentliche Städtesteuer zu Heereszwecken wurde schon 1238 von Friedrich II. ausgeschrieben. König Rudolf I. sah sich 1274, nachdem ihm die geistlichen Fürsten die Aufnahme in ihren Städten verweigert hatten, zur Ausschreibung einer Hofsteuer genötigt, indem er die sämtlichen Reichsstädte zu dem infolge jener Weigerung nach Nürnberg einberufenen Reichstag beitragen ließ m . Derartige allgemeine Städtesteuern, bei denen wie bei allen außerordentlichen Beden auch die freien Städte herangezogen wurden, sind dann von Rudolf I. noch mehrfach, auch unter Heranziehung der bischöflichen und selbst einiger laienfürstlichen Städte, zu dem jetzt zum erstenmal hervorgehobenen Zwecke pro conservatione imperti (teils zur Fahrt über Berg, teils zu Landfriedenszwecken) eingefordert worden134, zuletzt und mit allgemeinstem Erfolge 1290, nachdem der König sich mit einem allgemeinen Städtetag, den er als eine Art städtischen Parlaments nach Nürnberg einberufen, darüber verständigt hatte 1S£ . Auch unter den späteren Königen kommen noch wiederholt derartige außerordentliche allgemeine Städtesteuern vor. Bei diesen Steuern wurde schon unter Rudolf I. der Versuch gemacht, statt der Matrikularsteuer eine direkte prozentuale Besteuerung der einzelnen Bürger eintreten zu lassen, was dank den Landvogteien in den schwäbischen und elsässischen Städten auch durchgeführt wurde. Außer der Verpflichtung der Städte stand es reichsverfassungsmäßig fest, daß das R e i c h s k i r c h e n g u t in Notfällen seitens des Reiches zu außerordentlichen Beihilfen genötigt werden konnte 130 . Eine a l l g e m e i n e R e i c h s s t e u e r ist schon unter Heinrich IV. ausgeschrieben worden 137 , dann folgte unter Philipp die auf dem Quedlinburger Reichstag von 1207 Die Beden wurden noch unter Friedrich II. Jahr für Jahr festgesetzt, im allgemeinen nach Herkommen, aber wohl immer auf Grund vorheriger Verhandlungen mit den einzelnen Gemeinden. Häufig begegnen Steuererlasse wegen stattgehabter Brfinde oder zur Unterstützung städtischer Befestigungsanlagen. 1SS Vgl. 8. 523 f. ZEÜMEB, a. a. 0. 125 f. FICKEB, Wien. SB. 77, 816 ff. 134 Vgl. ZEUMEB 1 2 7 ff. Unter den von Rudolf I . eingeführten Städtesteuern ist die des 30. Pfennigs zu besonderer Berühmtheit gelangt. 135
V g l . ZECHER 1 3 7 f . Vgl. S. 524.
WAITZ 8 , 4 0 2 f .
V g l . ZETOEB 1 6 1 .
Das Mittelalter.
544
beschlossene Kreuzzugssteuer138, während kurz darauf Otto IV. auf das Gerücht, daß er mit einer allgemeinen Eeichssteuer umgehe, seine einflußreichsten Anhänger verlor139. Erst unter Sigmund kam es, unter dem Einfluß des Hussitenkrieges, wiederholt zu einer solchen Eeichssteuer, die anfangs als gemeiner Pfennig, d. h. als unmittelbare Eeichssteuer, versucht, später aber, nach dem Vorgang der Städtesteuern, unter Zugrundelegung der Heeresmatrikel als Matrikularsteuer durchgeführt wurde 140 . Zu dauernden Eeichssteuern ist es im Mittelalter nicht gekommen. Die Lasten, die der König aus den ßeichseinkünften zu bestreiten hatte, beschränkten sich auf den Unterhalt des Hofes und die dem Könige obliegenden Geschenke. Die Eeichskanzlei erhielt sich durch die von ihr erhobenen Sportein141; die Kanzleibeamten waren teils auf diese, teilsauf Geschenke angewiesen; ihren Unterhalt empfingen sie vom Hofe, die meisten waren außerdem mit kirchlichen Pfründen ausgestattet. Für den Unterhalt des Hofes reichten die eigenen Vorräte der königlichen Pfalzen und das servitium regis (S. 196) im allgemeinen aus. Die den Hauptinhalt des letzteren bildende Verpflichtung, dem königlichen Hofe jederzeit Unterkunft und Unterhalt (Herberge und Atz oder Imbiß) zu gewähren, lastete seit dem 12. Jahrhundert nur noch auf dem Eeichskirchengut und den Eeichsvogteien, in erster Eeihe also auf den geistlichen Fürsten und den Eeichsstädten14a. Der häufige Wechsel des königlichen Aufenthaltes im Eeiche diente dazu, diese Last zu verteilen. Als Eudolf I. sich vorübergehend durch die Unbotmäßigkeit der geistlichen Fürsten auf die Eeichsstädte beschränkt sah, suchte er jenen Zweck der Lastenverteilung durch Ausschreiben der schon erwähnten Hofsteuer (S. 543) zu erreichen. Weit drückender als der Unterhalt des Hofes waren für die Eeichsfinanzen die dem König obliegenden Geschenke, namentlich an Kirchen und Klöster, die Eeichsfürsten und Eeichsministerialen (besonders zur Unterstützung bei Eeichsheerfahrten) und die Kurie (gelegentlich der Kaiserkrönung), wozu dann noch Aufwendungen für Brücken- und Bürgenbauten u. dgl. kamen. Die Mauerbauten und sonstigen Befestigungsanlagen der Eeichsstädte wurden als Leistungen für das Eeich angesehen und mit dauerndem oder vorübergehendem Erlaß der Jahressteuern vergolten. Auch in anderen Fällen kam die Bede nicht selten an Ort und Stelle zu sofortiger Verwendung. Im allgemeinen aber herrschte noch unter Friedrich II. eine gesunde Finanzverwaltung143; die Steuern wurden von der königlichen Kammer us vgl.
WEILAND 2, 16.
188
ZEÜMEB
Vgl.
ZEÜMEB 1 0 6 f .
WALTER, D R G .
§
269, n.
11.
106.
MO Vgl. S . 5 1 9 . ZEÜMEB 1 5 7 . D B O Y S E N , Reichskriegssteuer von 1 4 2 7 , Ber. d. sächs. Oes. d. Wiss. 7 , 1 8 5 5 . BEZOLD, König Sigmund 1, 9 0 ff. 2 , 1 2 6 ff. 1 4 5 ff. 141 Vgl. BRESSLAU, Urk.-Lehre 1, 4 1 2 ff. 141 Vgl. W A I T Z 8, 227 f. v. MAÜBEB, Fronhöfe 3, 382 ff. FICKER, Wien. SB. 77, 820 f. 149 Ein erst neuerdings von SCHWALM aufgefundener Reichssteueranschlag von
g 49. Die Gerichtsverfassung.
545
veranschlagt und von dieser als Centraibehörde durch die Vermittelung der Reichsvögte und Schultheißen vereinnahmt und verwaltet, nur für die sächsischen Reichsstädte scheint schon damals eine örtliche Verwaltung bestanden zu haben. Seit Rudolf I. erfolgte die Einziehung der Steuern durch die Landvögte oder besondere Reichskommissare. Seit dem 14. Jahrhundert griff das von Italien ausgegangene Anweisungssystem auch im Reiche um sich und brachte die gesamte Finanzverwaltung in Verfall. Die meisten laufenden Einnahmen wurden von vornherein der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse zugewiesen oder verpfändet. Die Auslösung der Reichspfandschaften erfolgte, wenn sie nicht ganz unterblieb, in der Regel mit Hilfe neuer Vorschüsse, für die abermals Pfand oder Rente erforderlich wurden. Der bei Satzung und Rentenkauf übliche Zinsfuß belief sich durchschnittlich auf 10°/0§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
Vgl. S. 166. H Ü H N E R , Gerichtaurkunden (Beilage zu ZRG. 25. 27). W A I T Z 8, 1—94. v. AMIBA, Grundr.« 1 5 9 f. EICHHOHN 2, §§ 293. 302. 303. 3 , §§ 419—422. U N O E B , Altdeutsche Gerichtsverfassung, 1842. P L A N C K , Das deutsche Gerichtsverfahren im MA. 1, 1—154. W E T Z E L L , System des Civilprozesses*, 363—392 (großenteils von SOHM). H O M E Y E B , System des Lehnrechts (Des Sachsenspiegels 2. Teil, Bd. 2) 528 ff.; Richtsteig Landrechts 412 ff. S T O B B E , Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZDR. 15, 82 ff.; Grundsätze der deutschen Rechtsquellen über den Gerichtsstand, JB. d. gem. R. 1, 427 ff. SCHRÖDEB, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG. 18, 1 ff.; Der ostfölische Schultheiß und der holst. Overbode, ebd. 2 0 , 1 ff. E C K E S T , Fronbote, 1897. H E O K , Altfriesische Gerichtsverfassung, 1 8 9 4 ( v g l . S E E B P GBATAMA, G G A .
1895, S. 842
ff.
His,
ZRG.
29, 217
ff.
FOCKEMA
im Museum, April 1895. E . LEHMANN, Kr. VJSchr. 38, 11 ff.). BRUNNER, Das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger, Wien. SB. 47, 315 ff. LUSCHIN v. E B E N GREUTH, Geschichte des Gerichtswesens in Österreich, 1879; Österreich. Reichsgeschichte 1 9 2 ff. EGGEB, Entstehung der Gerichtsbezirke Deutschtirols, Mitt. d. öst Inst. 4. ROSENTHAL, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baieras, 1889. K O B N S , Geschichte der Gerichtsverfassung u. des Prozesses i. d. Mark Brandenburg, 2 Bde, 1865/67. E. MAYER, Deutsche u. franz. VG. 1, 437—452. STUTZ, ZRG. 34, 157 ff. FICKEB, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, 4 Bde, 1868—1874. BLONDEL, Frédéric II., 51 ff. BURCHABD, Hegung der deutschen Gerichte im Mittelalter, 1893. ANDBEAE,
Der Sachsenspiegel liefert noch durchaus das Bild einer monarchischen, in ihren Grundzügen mit der karolingischen übereinstimmenden Gerichtsverfassung. Der König ist der gemeine Richter im ganzen Reiche, im Grunde hat er allein über Eigen, Freiheit und Leben zu richten, und nur weil er selbst nicht allerorten sein kann, hat er andere mit seiner Vertretung betraut; er reist richtend im Lande umher und überall, wo er Hof hält, sind die Gerichte ihm ledig, die ordentlichen Gerichtsgewalten für die Dauer seiner Anwesenheit niedergelegt1. Nur in den Marken 1241/42 hat darüber unerwartete Aufklärung gebracht. Vgl. die S. 520 angeführten Arbeiten von SCHWALH, ZEUMEB und SCHULTE. 1 Vgl. Ssp. III. 26, § 1. 52, § 2. 60, § 2. E . SCHRÖDEB, DEUTSCHE KECHTAGESCHICHTE.
4. AUFL.
35
g 49. Die Gerichtsverfassung.
545
veranschlagt und von dieser als Centraibehörde durch die Vermittelung der Reichsvögte und Schultheißen vereinnahmt und verwaltet, nur für die sächsischen Reichsstädte scheint schon damals eine örtliche Verwaltung bestanden zu haben. Seit Rudolf I. erfolgte die Einziehung der Steuern durch die Landvögte oder besondere Reichskommissare. Seit dem 14. Jahrhundert griff das von Italien ausgegangene Anweisungssystem auch im Reiche um sich und brachte die gesamte Finanzverwaltung in Verfall. Die meisten laufenden Einnahmen wurden von vornherein der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse zugewiesen oder verpfändet. Die Auslösung der Reichspfandschaften erfolgte, wenn sie nicht ganz unterblieb, in der Regel mit Hilfe neuer Vorschüsse, für die abermals Pfand oder Rente erforderlich wurden. Der bei Satzung und Rentenkauf übliche Zinsfuß belief sich durchschnittlich auf 10°/0§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
Vgl. S. 166. H Ü H N E R , Gerichtaurkunden (Beilage zu ZRG. 25. 27). W A I T Z 8, 1—94. v. AMIBA, Grundr.« 1 5 9 f. EICHHOHN 2, §§ 293. 302. 303. 3 , §§ 419—422. U N O E B , Altdeutsche Gerichtsverfassung, 1842. P L A N C K , Das deutsche Gerichtsverfahren im MA. 1, 1—154. W E T Z E L L , System des Civilprozesses*, 363—392 (großenteils von SOHM). H O M E Y E B , System des Lehnrechts (Des Sachsenspiegels 2. Teil, Bd. 2) 528 ff.; Richtsteig Landrechts 412 ff. S T O B B E , Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZDR. 15, 82 ff.; Grundsätze der deutschen Rechtsquellen über den Gerichtsstand, JB. d. gem. R. 1, 427 ff. SCHRÖDEB, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG. 18, 1 ff.; Der ostfölische Schultheiß und der holst. Overbode, ebd. 2 0 , 1 ff. E C K E S T , Fronbote, 1897. H E O K , Altfriesische Gerichtsverfassung, 1 8 9 4 ( v g l . S E E B P GBATAMA, G G A .
1895, S. 842
ff.
His,
ZRG.
29, 217
ff.
FOCKEMA
im Museum, April 1895. E . LEHMANN, Kr. VJSchr. 38, 11 ff.). BRUNNER, Das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger, Wien. SB. 47, 315 ff. LUSCHIN v. E B E N GREUTH, Geschichte des Gerichtswesens in Österreich, 1879; Österreich. Reichsgeschichte 1 9 2 ff. EGGEB, Entstehung der Gerichtsbezirke Deutschtirols, Mitt. d. öst Inst. 4. ROSENTHAL, Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baieras, 1889. K O B N S , Geschichte der Gerichtsverfassung u. des Prozesses i. d. Mark Brandenburg, 2 Bde, 1865/67. E. MAYER, Deutsche u. franz. VG. 1, 437—452. STUTZ, ZRG. 34, 157 ff. FICKEB, Forschungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens, 4 Bde, 1868—1874. BLONDEL, Frédéric II., 51 ff. BURCHABD, Hegung der deutschen Gerichte im Mittelalter, 1893. ANDBEAE,
Der Sachsenspiegel liefert noch durchaus das Bild einer monarchischen, in ihren Grundzügen mit der karolingischen übereinstimmenden Gerichtsverfassung. Der König ist der gemeine Richter im ganzen Reiche, im Grunde hat er allein über Eigen, Freiheit und Leben zu richten, und nur weil er selbst nicht allerorten sein kann, hat er andere mit seiner Vertretung betraut; er reist richtend im Lande umher und überall, wo er Hof hält, sind die Gerichte ihm ledig, die ordentlichen Gerichtsgewalten für die Dauer seiner Anwesenheit niedergelegt1. Nur in den Marken 1241/42 hat darüber unerwartete Aufklärung gebracht. Vgl. die S. 520 angeführten Arbeiten von SCHWALH, ZEUMEB und SCHULTE. 1 Vgl. Ssp. III. 26, § 1. 52, § 2. 60, § 2. E . SCHRÖDEB, DEUTSCHE KECHTAGESCHICHTE.
4. AUFL.
35
Das Mittelalter.
546
zeigt sich ein strafferes landesherrliches Regiment, das der Entwickelung der Territorialgerichtsbarkeit zu gute kommt. Aber die Niedergerichte sind überall schon aus dem ßeichsverband geschieden und den territorialen Gewalten anheimgefallen. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gestaltet sich alles anders. Die Reisen des Königs zum Zweck der Rechtspflege haben aufgehört, seine oberstrichterliche Thätigkeit erscheint bedeutend eingeengt, während in den Territorien höhere Instanzgerichte entstehen; die meisten Landgerichte haben den Zusammenhang mit dem Reiche verloren, die in demselben verbliebenen aber eine erhebliche Erweiterung ihrer Zuständigkeit erfahren. Diese Umwandlung wird erst bei der Territorialverfassung zur Darstellung kommen. Wir beschränken uns hier auf das Gerichtswesen des Reiches. 1. Das R e i c h s h o f g e r i c h t 2 . Wo der König persönlich an der Handhabung der Rechtspflege teilnahm, geschah es in alter Weise vermittelst des königlichen Hofgerichts. Seine Zuständigkeit war eine vierfache. Gegenüber den ordentlichen Gerichten übte es eine konkurrierende Gerichtsbarkeit in doppelter Gestalt aus. Einmal hatte der König das Evokationsrecht (ius evocandi), kraft dessen er nach Belieben jede noch nicht rechtskräftig erledigte Sache zu seiner Entscheidung ziehen konnte 3 . Sodann war es nach dem Verfall des Königsbotenamtes üblich geworden, daß die Könige zum Zwecke der Rechtspflege im Reiche umherreisten. Wo sie sich aufhielten, wurden ihnen die ordentlichen Gerichte ledig und das Hofgericht trat, wie ehedem das missatische Gericht (S. 136, 178), an deren Stelle, alle noch nicht anhängig gemachten oder rechtskräftig entschiedenen Klagen konnten beim König angebracht, alle noch nicht abgeurteilten Gefangenen mußten ihm vorgeführt werden 4 . Dies hörte auf, seit die Fürsten, unter dem Wegfall der königlichen Bannleihe, die volle Gerichtshoheit in ihren Territorien erlangt hatten 6 . Die Gerichtsreisen des Königs kamen infolgedessen außer Übung, die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts wußte nichts mehr davon 6 . Die unmittelbare Gerichtsbarkeit des Reichshofgerichts beschränkte sich seitdem auf die Reichstagsorte für die Dauer der Versammlung. Außerdem wurde es seit Rudolf 1. mehr und mehr üblich, Fürsten und Städten das Privilegium de non evocando zu erteilen, wodurch das königliche Evokationsrecht für ' Vgl. FBANKLIN, Das Reichshofgericht im Mittelalter, 2 Bde, 1867/69; Sententiae curiae regiae, 1870. BBUNNEB, Grundzüge 122. R. SCHOLZ, a. a. 0. (S. 470) 6 ff. BEBELER, ZRG. 2, 891 ff. VOGEL, Beiträge z. Gesch. d. Reichshofgerichte, ebd.
15, 151 ff. TOKASCHEX, Höchste Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reichs
im 15. Jahrhundert (Wien. SB. 49, 1865).
BAUMANN, Zur Gesch. des Hofgerichte,
ZGO. 48, 69 ff. 392. Über die verschiedenen Bezeichnungen des Reichshofgerichtes v g l . FRANKLIN 2, 62. * Vgl. FKANKLIK
2, 4. Deutsche Bezeichnung für evoeare war uxheischen, urheiseken. Vgl. ebd. 2, 10 n. LOERSCH, Ingelheimer Oberhof pg. 156. * Vgl. Ssp. IH. 83, §§ 1—5. 60, §§ 2. 8. Otto Pris., gesta Friderici 2, 13, 6
Vgl. v. ZALLINGER, Mitt. d. öst. Inst. 10, 225 n.
* Vgl. Ssp. I. 84, § 3 mit Dsp. 39 und Schwsp. Laßb. 39.
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
1. Reichshofgericht.
547
ihr Gebiet aufgehoben wurde 7 . Nachdem zahlreiche Einzelprivilegien vorhergegangen waren, erklärte die Goldene Bulle von 1356 das Privilegium de non evocando für ein gesetzliches Becht aller Kurfürsten 8 , und im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts erlangten auch die übrigen Reichsfürsten, die meisten Reichsstädte und zahlreiche Stifter, Grafen und Herren die gleiche Freiheit, bis endlich 1487 das Evokationsrecht des Königs überhaupt beseitigt wurde 9 . In zweiter Reihe war das Reichshofgericht seit der Umwandlung der Urteilschelte (8. 369 f.) in eine wahre Berufung zum Berufungsgericht für alle ordentlichen Gerichte geworden10. Auch in dieser Richtung geschah dem Reichshofgericht vielfach, wenn auch in geringerem Maße, Abbruch durch privilegia de non appellando u . Die Kurfürstentümer wurden durch die Goldene Bulle auch von den Appellationen an das Reichshofgericht eximiert 12 , was dann wohl Anlaß zur Errichtung eigener Oberlandesgerichte gegeben hat. Unberührt von den privilegia de non evocando und de non appellando blieben die Fälle der Rechtsverweigerung. Wo der ordentliche Richter kein Recht gewähren wollte oder konnte, etwa weil er des Beklagten nicht mächtig war, konnte die sich beschwert fühlende Partei immer das Reichshofgericht anrufen 13 . Der vierte Zuständigkeitsgrund für das Reichshofgericht war aus dem ehemaligen Reklamationsrecht (S. 178) hervorgegangen, das allmählich für alle Reichsunmittelbaren, namentlich Reichsfürsten, Reichsministerialen und Reichsstädte, den ordentlichen persönlichen Gerichtsstand vor dem Reichshofgericht herbeigeführt hatte 1 4 . Ferner gehörten Klagen über Reichsgut und Reichsrechte vor das Reichshofgericht, selbst wenn sie gegen landsässige Personen in einem mit Privilegium de non evocando ausgestatteten Territorium oder Stadtgebiet gingen 16 . Ursprünglich konnte ' V g l . FRANKLIN 2 , 5 ff.
8 Vgl. GB. c. 8, § 1. c. IX, §§ 1 ff. 5 f. Nach einem Hofgerichtsurteil Karls IV. (TÖPFER, Urk.-B. z. Geschichte der Vögte von Hunolstein 1, Nr. 282) müssen die Kurfürsten schon 1358 allgemein im Besitz dieses Hechtes gewesen sein. 9 Vgl. FRANKLIN 2, 11. 74 ff. STOBBE, Beiträge z. Gesch. d. deutsch. Rechts 171 ff. BOBENTHAL, a. a. 0 . 9 ff. Über die Wirkungen des Privilegs FRANKLIN 2,17 ff. " Vgl. Ssp. H. 12, §§ 4. 8. 11 f. Sachs. Lehnr. 69, §§ 5—8. Schwsp. Laßb. 114. 116b. 117*. Schwäb. Lehnr. 18. 35. 55. 64. Richtsteig Landr. 49. WEILAND, Const. 1, 478 (1191—1194). BRUNNEB, Exemt. 16. HOMEYEB, System 567 f. 625. FRANKLIN 2, 205 ff. Auch von sich aus konnte ein niederes Gericht, ohne Berufung einer Partei, den Rechtszug an das Hofgericht beschließen. Vgl. ebd. 2, 204 f. 11
V g l . FRANKLIN 2 ,
16.
V g l . FRANKLIN 2,
36.
Vgl. GB. c. 8, § 2. c. 11, §§ 3. 5. 18 Vgl. GB. c. 11, § 4. Ssp. I. 34, § 3. II. 25, § 2. III. 87, §§ 3 f. Sfichs. Lehnr. 4 9 , § 1 . 6 8 , § 5 . HOMEYEB, System 5 6 8 . Die Fälle der Rechtsverweigerung wurden in den königlichen Befreiungen in der Regel ausdrücklich ausgenommen. Vgl. FRANKLIN 2 , 1 5 . 3 6 f. Siehe auch die Urkunde von 1 3 5 3 (Anm. 8). 14 Vgl. FRANKLIN 2, 12 f. 34 ff. Ssp. III. 55, § 1. Mainzer Landfr. v. 1235, c. 28. 14
15
35*
Das Mittelalter.
548
auch die Reichsacht nur vom ßeichshofgericht verhängt werden 18 ; nachdem aber die meisten Landgerichte territorialen Charakter angenommen hatten, wurde von den königlich gebliebenen Landgerichten auch das Recht der Ächtung ausgeübt. Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden häufig vor dem Hofgericht vorgenommen, namentlich um sie durch das bestätigende Hofgerichtsurteil unanfechtbar zu machen 17 . Die Sitzungen des Reichshofgerichts waren öffentlich. Im übrigen stand, im Gegensatz zu der fränkischen Periode (S. 176], weder Zeit noch Ort fest, alles hing von dem jeweiligen Aufenthaltsort und dem Belieben des Königs ab 1S . Die Regel war zwar, über deutsche Dinge nicht anders als auf deutschem Boden zu verhandeln, aber nach dem Satze: cum ibi sit Alemannie curia, übt persona nostra et principes imperii consistunt19, sind wiederholt auch in Italien Hofgerichtsentscheidungen in deutschen Angelegenheiten ergangen, nur war dazu die Besetzung des Gerichts mit deutschen Reichsangehörigen erforderlich 20 . Im eigentlichen Ausland konnte das Reichshofgericht nicht abgehalten werden 21 . Für gewisse Gegöfastände bestanden weitergehende, wenn auch mehr thatsächliche als rechtliche Beschränkungen. Verhängung der Reichsacht und gerichtliche Zweikämpfe sollten im allgemeinen nur in der Heimatprovinz des Angeschuldigten erfolgen, Entscheidungen über gescholtene Urteile in der Provinz des Untergerichts, solche über Eigen in der Provinz der belegenen Sache". Der Grund für diese Beschränkungen, die übrigens nur bis zum 13. Jahrhundert aufrechterhalten wurden, war ein rein materieller, das Bedürfnis solcher Urteiler und Zeugen, die des in Betracht kommenden Stammesrechts genügend kundig waren; hatte man diese zur Stelle, so konnte das Hofgericht sein Urteil lallen wo es dem König beliebte 2I . Das Hofgericht war an die Person des Königs gebunden, es ruhte daher, wenn der König sich im Ausland befand, und löste sich auf, wenn der König starb oder des Reiches entsetzt wurde. Nur der zum römischen " Vgl. S. 177. Ssp. I. 71. Iii. 34.
17
Vgl. S. 512.
FRANKLIN 2, 37 ff. Ssp. I. 34, § 3.
D a s in der fränkischen
Zeit vielfach maßgebende Motiv, eine Königsurkunde zu gewinnen (S. 384), kam weniger in Betracht, nachdem auch die Landgerichtsurkunden den Charakter öffentlicher Urkunden erhalten hatten. Siehe jedoch auch FRANKLIN 2, 38. 16 Vgl. FRANKLIN 2, 83 ff. Über die Gerichtszeit ebd. 85 ff. " Vgl. S. 509, n. 3.
FRANKLIN 2, 63 f.
Vgl. FRANKLIN 2, 64. WAITZ 8, 14. Otto Fris., gesta Frid. 2, 12. " V g l . FRANKLIN 2, 65.
" Vgl. Ssp. II. 12, § 4. NI. 26, § 2. 33, §§ 3. 4. Dsp. 106. Schwsp. Laßb. 114. 296 f.
FRANKLIN 1, 32. 93 f. 2, 66 ff. HOMEYER, Heimat (Abh. d. Berl. Ak. 1852)
67 f. 75 f. STOBBE, Gerichtsstand 429. 432 f. 434 f. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr. 43, 49. In Lehensachen hat eine örtliche Beschränkung für die Entscheidungen des Reichshofgerichts nie bestanden. Vgl. FRANKLIN 2, 73 n.
" Vgl. SOHM, R.- u. G.-Verf. 326 n. WAITZ 8, 18 f. SCHRÖDER, Hist. Zeitschr.
43, 47. K. SCHULZ, Urteil des Königsgerichts, Zeitschr. f. thfir. Gesch. 9, 42. Die Stadt Cambray wurde 1209 durch ein Augsburger Beichshofgerichtsurteil geächtet. Vgl. BÖHMER, Acta imperii Nr. 231.
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
1. Reichshofgericht.
549
Köllig gekrönte Kaisersohn war ebenfalls berechtigt, das Reichshofgericht abzuhalten24. Hatte der König für den Fall seiner Abwesenheit einen Reichsverweser bestellt, so war dieser in der Regel auch befugt, statt des Reichshofgerichts ein ebenso zusammengesetztes, aber von ihm gebildetes und an seine Person gebundenes Gericht abzuhalten26. Ebenso lag die Sache hinsichtlich der Reichsvikariats-Hofgerichte des Pfalzgrafen und des Kurfürsten von Sachsen im Fall einer Thronerledigung28. Wie in Beziehung auf Ort und Zeit, so fehlte dem Reichshofgericht auch in betreff seiner Zusammensetzung jede feste Organisation, das Gericht wurde in jeder Sitzung neu gebildet und hatte erst, nachdem dies geschehen war, einen selbständigen Charakter27. Die Urteiler wählte der König (oder sein Stellvertreter) frei aus den Personen seiner Umgebung, mit möglichster Berücksichtigung ihres Standes und ihrer Stammeszugehörigkeit28. In causae maiores, d. h. Sachen die Leib und Leben, Ehre oder Grundbesitz angingen, brauchte sich niemand von Untergenossen aburteilen zu lassen29; Reichsfürsten konnten hier seit dem 12. Jahrhundert ein nur mit Fürsten besetztes Gericht verlangen30. Mit Rücksicht auf die erforderliche Rechtskenntnis waren vorzüglich Stammesgenossen oder Landsleute des Beklagten, bei Prozessen um Eigen Angehörige der Provinz, in der es gelegen war, zu berufen31. Im übrigen genügte der Besitz der überhaupt für einen Urteiler erforderlichen Eigenschaften32. Die Zahl der Urteiler mußte sich mindestens auf Sieben belaufen33, häufig war sie aber eine sehr beträchtliche, namentlich wenn ein ganzer Reichstag als Hofgericht in Thätigkeit gesetzt wurde. Eine Vereidigung der Urteiler fand nicht statt, sie urteilten auf den Eid, den jeder seinem Herrn ge" V g l . FRANKLIN 2, 78 f. 86
BÖHMER, A c t a i m p e r i i N r . 2 9 3 (1227).
Vgl. FRANKLIN 2, 80 ff. Die Anm. 61 erwähnte Magdeburger Versammlung könnte auch in diesem Sinn aufgefaßt werden, da die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg die Reichsverweserschaft für Kaiser Otto III. führte. » V g l . S. 4 8 4 . WEILAND, Const. 2, 633 (1254). " V g l . FRANKLIN 2, 8 8 f. 125 ff.
TRIEPEL, I n t e r r e g n u m 40. 42.
88 Eine bezeichnende Urkunde für den Gegensatz zu Italien, wo der König als selbsturteilender Richter keines Urteilerkollegiums bedurfte, findet sich bei FICKER 3, 179 (1276): quod ilhtd diffiniat Rudolphus rex seeundum quod sibi videbitur, non tarnen seeundum consuetudinem, Alemaniae quaerendum a singulis circumstontibus, ut Mortem diffinitio in praedictis pro sententia habeatur, sed sua voce proferat sententiam seeundum suam eonscientiam bonorum etperitorum consilio informatam, seeundum quod sibi videbitur ad deum et iustitiam habendo respeetum.
" V g l . S. 462.
S s p . II. 12, § 2.
III. 19.
WAITZ 8, 19 f.
FRANKLIN 2, 130.
Fürstliche Ministerialen begegnen nie als Urteiler im Reichshofgericht. Vgl. v. ZALLINOEB, Mitt d. öst. Inst. 4, 409 n. 10
WAITZ 8, 18.
Vgl. FRANKLIN 2, 134—157, der mit Recht der Ansicht entgegentritt, als habe es für Fürsten von jeher besondere Fürstengerichte gegeben. " V g l . S . 548. 82
FRANKLIN 2, 129 f.
Ausgeschlossen waren Geächtete und Gebannte, in peinlichen Sachen alle Geistlichen. 88
V g l . FRANKLIN 2, 158.
Das Mittelalter.
550
leistet hatte 34 . Eine Entschädigung erhielten die Urteiler nicht, eist im 15. Jahrhundert sahen sich die Könige, um der gänzlichen Auflösung des Hofgerichts vorzubeugen, genötigt, besoldete Stellen einzuführen". Richter im Hofgericht war der König, im Reichsvikariatsgericht der Reichsverweser. War der König Partei, so pflegte er sich im Vorsitz vertreten zu lassen 36 . In Italien behauptete sich bis zum 11. Jahrhundert der Pfalzgraf in der Stellung des ersten Beisitzers und stellvertretenden Vorsitzenden (S. 502); in Deutschland liegt keine sichere Spur dafür vor, doch ist es möglich, daß der Pfalzgraf von Lothringen (der spätere Pfalzgraf bei Rhein) ursprünglich dieselbe Stellung eingenommen hat 37 . Einen ständigen Vertreter des Königs in allen Sachen, mit Ausnahme der ihm persönlich vorbehaltenen Verhängung der Reichsacht 38 und der causae maiores der Fürsten und Fürstengenossen39, führte erst der Mainzer Landfriede Friedrichs II. von 1235 ein 40 . Der Reichshofrichter (iustitiarius curiae regiae) sollte dem Stande der freien Herren angehören {vir libere conditionis) und vom König immer mindestens für die Dauer eines Jahres ernannt werden. Entlassung vor der Zeit im Fall schlechter Führung blieb vorbehalten. Der Hofrichter war also Beamter, nicht Lehnsmann. Er hatte einen Amtseid zu leisten und erhielt als Besoldung die von den Reichsächtern für Lösung aus der Acht gezahlten Strafgelder (den sogenannten Achtechatz), soweit es sich um Fälle handelte die vor ihm selbst abgeurteilt wurden 41 . Außer den dem König vorbehaltenen Sachen hatte der Hofrichter über alles, was an den Hof kam, zu richten, mußte aber von allen wichtigeren Angelegenheiten (arduis causis) dem König vor Ansetzung des Tages Anzeige machen, damit er den Vorsitz nach Umständen selbst übernehmen oder ihn einem außerordentlichen Vertreter übertragen konnte 43 . Der Hofrichter hattet, soweit ein Bedürfnis vorlag, mit Aus84
V g l . FRANKLIN 2 , 1 5 9 ff.
" Vgl. ebd. 2, 162. Besondere Pfalzschöffen (Pfalzriehter, Königsrichter, Hofrichter) hat es nur in Italien gegeben. Vgl. FICKEB, Forschungen 3, 1 ff. 39 Vgl. S . 482. FBANKLIN 2, 101 ff. Wolfdietrich A., Vers 169 ff. (Deutsch. Heldeob. 3, 100). " Vgl. S. 504. Der dem Pfalzgrafen durch Reichsweistum von 1274 übertragene Vorsitz in Fällen, wo der König gegen einen Fürsten zu klagen hatte (S. 482), wurde nicht als ein ausschließliches Recht betrachtet, der König konnte sich auch durch andere Fürsten vertreten lassen. Vgl. FRANKLIN 1, 173ff.2, 100 ff.; Sent. Nr. 27 f. 39 Beos non proseribet nee a proscriptione absolvet; hee namque auctoritati nostre exeelleneie reservamus. Vorher ist von causae maximae die Rede, womit offenbar die Achtfälle gemeint sind. ** Vgl. FRANKLIN 2, 97 ff. Sich durch einen andern Fürsten für den einzelnen Fall vertreten zu lassen, war dem Könige unverwehrt. Vgl. Anm 36. 37. 40 Mainz. Landfr. v. 1235, c. 28. Vgl. FRANKLIN 1, 66 ff. 2, 112 ff.; De iustitiariis curiae imperialis, 1860. Nach dem Vorbilde des deutschen Hofrichteramtes hat Friedrich IL das Großhofjustitiariat für Sizilien eingerichtet. Vgl. FICKER, a. a. O. 1, 360. 41 Über weitere Bezüge des Hofrichters vgl. FRANKLIN 2 , 1 1 8 f. 42
V g l . FRANKLIN 2 ,
109.
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
1. Reichshofgericht.
551
nähme der Sonn- und Feiertage tägliche Sitzungen abzuhalten. Einen festen Amtssitz hatte er nicht, er folgte dem Hofe und war durchaus an die Person des Königs gebunden. Mit dem Tode des Königs erlosch seine Vollmacht Eine Substitutionsbefugnis wurde dem Hofrichter erst im 15. Jahrhundert eingeräumt 43 . Innerhalb seiner Amtswaltung war der Hofrichter selbständig. Daß seine hofgerichtlichen Entscheidungen zu wiederholter Verhandlung vor dem König kommen konnten44, war nichts Eigentümliches, da die Hofgerichtsurteile überhaupt keine Rechtskraft besaßen4®. Gleichzeitig mit der Einführung des Hofrichteramtes sorgte der Mainzer Landfriede für Neuerrichtung der völlig in Verfall geratenen Hofgerichtskanzlei. Während die Hofgerichtsurkunden früher von der Hofkanzlei ausgefertigt worden waren, erhielt das Hofgericht nunmehr einen eigenen Hofgerichtsschreiber {notarius curiae), der gleich dem Hofrichter (wegen der peinlichen Sachen) dem Laienstand angehören mußte und einen ähnlichen Amtseid wie dieser zu leisten hatte. Der Hofgerichtsschreiber erhielt insbesondere die Aufgabe, die Einlaufe in Empfang zu nehmen und zu verzeichnen, sowie Achtregister und Urteilsbücher anzuegen 46 . Zur Beglaubigung der Gerichtsurkunden wurde ein besonderes Hofgerichtsiegel eingeführt 47 . Obwohl der Hofgerichtschreiber, um seinen Aufgaben gerecht zu werden, notwendig den Sitzungen beiwohnen mußte, gehörte er doch nicht zur ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts. Mit anderen als hofgerichtlichen Geschäften sollte er nicht belastet werden, doch könnte seine vielfache Bezeichnung als Kammerschreiber oder Protonotar darauf hindeuten, daß er gleichwohl später der Hofkanzlei angehörte, wenn jene Ausdrücke sich nicht darauf beziehen, daß er gelegentlich die Hilfe der Kanzleibeamten in Anspruch nahm. Ob das im 15. Jahrhundert erwähnte Amt eines „Nachschreibers" am Keichshofgericht je ins Leben getreten, ist unbekannt, ebenso was wir unter den magistri cogni43
Vgl. ebd. 2, 113. Vgl. ebd. 2, 117. In Achtaachen blieb das Schlußurteil dem Könige vorbehalten. Vgl. Z60. 43, 72 f. DOPBCH, Entstehung d. öst. Landr. (1892) S. 64. 48 Vgl. S. 386. MG. Dipl. reg. Otto II. Nr. 130 (976). v. n. BEKGH, Oorkondenb. v. Holl, en Zeeland 1, Nr. 273 (1220). BÖHMES, Acta imperii Nr. 123 (um 1165). 44
293 (1227).
F D G . 17, 354 (1289).
Mon. Zoller. 5, Nr. 873 (1396).
Magd. F r a g e n
1, 4 dist. 4. Der Sachsenspiegel kennt eine Berufung gegen Entscheidungen des Reichshofgerichts nur in der Form des Ziehens an die vordere Hand, d. h. des gerichtlichen Kampfes von Sieben gegen Sieben. Vgl. Ssp. I. 18, § 3. II. 12, § 8. Richtet. Landr. 50, § 9. FRANKLIN 2, 280ff. PLANCK, Gerichtsverfahren 1, 270. Im Jahre 1374 hob Karl IV. ein zu Gunsten eines Züricher Sitters ergangenes Hofgerichtsurteil gegen die Stadt Frankfurt im Wege der Gnade auf. BÖHMER, Urk.-B. der Reichsstadt Frankfurt 738. Hierher ist auch zu ziehen, was JASTBOW, Zeitschr. f. G.-Wiss. 10, 71 ff. über die Ächtung Heinrichs des Stolzen im Jahre 1138, die von ihm als „sententia nulla" aufgefaßt wird, bemerkt hat. 48 Über die Urteilsbücher vgl. FRANKLIN, Sent. cur. reg., Einleitung pg. 5 ff. 47
Vgl. FRANKLIN 2, 89.
Das Mittelalter.
552
cionum und referendarii, welche unter Karl IV. und Ruprecht beim Hofgericht erwähnt werden, zu denken haben 48 . Seit dem 15. Jahrhundert begegnet als ständiger Vertreter der fiskalischen Interessen am Hofgericht ein besonderer Beamter, der später den Titel Kammer-Prokurator-Fiskal (procurator fisccdis camere et imperialis fisci) führte und seit Friedrich III.' ganz allgemein die Aufgabe hatte, jede Übertretung königlicher Gebote oder Verletzung königlicher Rechte Ton Amts wegen als Vertreter des Königs zu verfolgen 49 . Gingen bei Hofe Klagen ein, die nach Lage der Sache weniger einer kontradiktorischen Verhandlung als einer Untersuchung an Ort und Stelle bedurften, so konnte der König von einer Verhandlung im Hofgericht absehen und die Sache einem Delegierten oder kaiserlichen Kommissar zur Untersuchung und Entscheidung übergeben60. Die Parteien wurden von der Ernennung des Kommissars in Kenntnis gesetzt und zum Gehorsam gegen seine Ladungen und richterlichen Anordnungen aufgefordert. Handelte es sich um causae maiores, so durfte der Kommissar kein Untergenosse des Beklagten sein. Lagen Gründe vor, die den Kommissar der Parteilichkeit verdächtig erscheinen ließen, so konnten die Parteien ihn ablehnen. Zuweilen wurden mehrere Kommissare als Gesamtdelegierte ernannt oder Kollegialbehörden, z. B. Stadträte, delegiert, auch hatte der Kommissar unter Umständen die Befugnis, sich Beisitzer zu wählen. Von der Entscheidung des Delegierten konnte Berufung an den König eingelegt werden11. Der Gebrauch der delegierten Königsrichter begegnet urkundlich seit dem 12. Jahrhundert. Anfangs eine seltene Ausnahme, wurde er immer häufiger und bildete unter Friedrich III. fast die Regel«. Einen anderen Abbruch erfuhr die Thäügkeit des Reichshofgerichts seit der reohtlosen Zeit nach Mitte des 13. Jahrhunderts durch den zu> nehmenden Gebrauch der Parteien, ihre Streitigkeiten durch Schiedsspruch zu erledigen. Erheblich wichtiger als die Kompromisse von Fall zu Fall waren die sogenannten A u s t r ä g e (mhd. üftrac), bei denen man sich gegenseitig verpflichtete, auch zukünftige Streitfälle einem bestimmten, durch die staatliche Ordnung nicht, berufenen Gericht zur Entscheidung anheimzugeben ss . Wie die Kurfürsten unter sich durch den Kürverein von Rense von 1338 einen Austrag anordneten, der durch spätere Verträge nur immer wieder bestätigt wurde, so sind überhaupt die zahllosen Bündnisse und Einungen der verschiedensten Stände, die der zweiten Hälfte des Mittelalters ihr eigentümliches Gepräge gegeben haben, regel48
V g l . FRANKLIN 2 , 1 2 3 f .
64
V g l . FRANKLIN 2 ,
M
Vgl.
FRANKLIN
49
V g l . FBAMKLIN 2 , 1 7 6 ff.
49—61.
2, 58.
" V g l . FRANKLIN 2 , « 0 . 63 Vgl. FRANKLIN 2 , 2 2 ff.
WIGAND,
Wetzl. Beiträge 1, 338.
und die von ihm angeführte Litteratur. Über das Wort, das auch auf Einzelkompromisse angewandt werden konnte, vgl. Gimuf, DWB. 1, 999 f. KALTAUS, Glossarium 85 f.
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
1. Reichshofgericht.
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mäßig mit derartigen Festsetzungen verbunden. Hatten diese zunächst nur eine Bedeutung für Streitfälle unter den Genossen, so konnten durch königliches Privileg doch auch Dritte verpflichtet werden, ihre Klagen gegen jene zunächst bei dem Einungsgericht anzubringen, wenn es ihnen dann auch überlassen blieb, hinterher noch das ordentliche Gericht anzugehen. In dieser Weise wurden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Austräge der Fürsten und Reichsstädte zu amtlich anerkannten I n s t a n z g e r i c h t e n U n t e r Albrecht II. und Friedrich III. tauchten wiederholt Projekte auf, welche die Einsetzung bestimmter Austräge im Wege der Reichsgesetzgebung bezweckten, um auf diese Weise einen gewissen Ersatz für das abgestorbene Reichshofgericht zu gewinnenss. Das letztere, dessen Wert durchaus von der Persönlichkeit des jeweiligen Königs abhing, hatte unter Herrschern wie Wenzel und Sigmund alles Vertrauen verloren. Seit Friedrich III., der sich fast nur in seinen österreichischen Erblanden aufhielt, wurde es außerdem immer schwieriger, das Hofgericht in angemessener Weise mit Rittern oder gar Fürsten aus dem Reiche zu besetzen. Oft zog der König es vor, die bei ihm eingegangenen Sachen durch Delegierte oder persönlich unter Zuziehung seiner Räte zu erledigen. Die Sitzungen des Reichshofgerichts wurden immer seltener und hörten 1450 ganz auf. Dagegen erhielt die von dem Kaiser persönlich mit Hofmeister und Räten ausgeübte Gerichtsbarkeit allmählich eine bestimmtere Organisation. Aus ihr ist das königliche K a m m e r g e r i c h t hervorgegangen, das seit 1415, anfangs neben dem Reichshofgericht, später ganz an Stelle desselben genannt wird66; eine gesetzliche Regelung, abgesehen von einer kurzen Gerichtsordnung von 1471, hat es nie erfahren 67 . Wie der König immer als die höchste Quelle des Rechts angesehen wurde, so stand ihm das Recht persönlicher Entscheidung nicht nur zu, wenn er als Schiedsrichter angerufen wurde68, sondern auch bei Sachen die schlechthin zu richterlicher Entscheidung an ihn gelangten. Indem er derartige Sachen, wenn er sie keinem Kommissar übertragen wollte und es für das Reichshofgericht an dem erforderlichen Personal fehlte, mit den Räten seiner Kammer zu behandeln pflegte, entstand dafür ganz von selbst die Bezeichnung „Kammergericht". Den Vorsitz führte der König oder ein von ihm für den einzelnen Fall oder dauernd beauftragter Stellvertreter, gewöhnlich der Hofmeister. Auf einige Jahre hatte Bischof Ulrich von Passau und seit 1470 Erzbischof Adolf von Mainz gegen eine bestimmte Pachtsumme samt der Verwaltung der Hofkanzlei auch die des Kammergerichts übernommen69. Die Beisitzer waren Mitglieder des Hofrates, mit Vorliebe Rechtsgelehrte, was bei den 54
V g l . FRANKLIN 2 , 1 3 , N. 2 . 2 5 .
" Vgl. ebd. 1, 320, 371 f. Neue Sammlung der Reichsabschiede 1, 155. 199. M Vgl. SBBLIGEB, Hofmeisteramt 1 1 3 ff. FRANKLIN 1, 3 2 9 ff.; Das königliche Kammergericht vor dem Jahre 1495, 1871. " Neue Sammlung der Reichsabschiede 1, 229. 249 ff. 5
» V g l . FRANKLIN 2, 4 1
ff.
69
V g l . FRANKLIN 1, 3 3 3 .
554
Das Mittelalter.
Entscheidungen eine starke Rücksichtnahme auf das römische Recht zur Folge hatte. Die Beisitzer wurden vereidigt. Unentbehrlich war der Gerichtschreiber, obwohl er formell auch jetzt noch nicht zur Besetzung des Gerichts gerechnet wurde. Unterbeamte dienten als Gerichtsboten. Die Zuständigkeit des Kammergerichts war dieselbe wie die des Reichshofgerichts, ebenso war es gleich diesem an die Person und den jeweiligen Hof des Königs gebunden. In den späteren Jahren Friedrichs III. ruhte das Kammergericht fast ganz. Es hatte sich kein größeres Vertrauen wie das frühere Reichshofgericht zu erwerben vermocht Eine tiefgreifende Reform war unabweisliches Bedürfnis. 2. Die Landfriedensgerichte. Eine Mittelstellung zwischen dem das ganze Reich umfassenden Gericht des Königs und den auf die einzelnen Gaue beschränkten Landgerichten der Grafen nahmen in der karolingischen Verfassung die Beamtentage der missatica ein. Solcher Beamtentage gab es zwei. Der eine (S. 136) wurde von den Königsboten sofort bei Eröffnung ihrer amtlichen Thätigkeit berufen, er war ein Botding mit bestimmtem Vorsitzenden und sollte vornehmlich der allgemeinen Rechtsordnung dienen; gerichtliche Geschäfte waren nicht ausgeschlossen, standen aber in zweiter Reihe. Der zweite Beamtentag war ein Landfriedensgericht ohne bestimmten Vorsitzenden, eine allgemeine Versammlung der Grafen und Bischöfe, bei der die Bestrafung der Friedbrecher die Hauptaufgabe bildete, aber auch sonstige Maßnahmen zur Wahrung der Rechtsordnung ins Auge gefaßt werden konnten60. Derartige Versammlungen, die man als Landfriedensgerichte bezeichnen kann, lassen sich durch alle Jahrhunderte des Mittelalters verfolgen61. Mit der zur Bekämpfung der Fehde bestimmten eigentlichen Landfriedensgesetzgebung des Mittelalters nahmen sie einen bestimmteren Charakter an und erhielten eine festere Organisation62. Allem Anschein nach sind aus den karolingiM Vg- S. 178 f. Karl der Große faßte den Zweck dahin zusammen: communia plaeita tarn ad latrones disirmgendos quam ad ceteras iustitias faeimdas. Wenn der Kaiser dabei nur von Versammlungen der Grafen spricht, so zeigen die sonstigen Nachrichten, daß auch die Bischöfe regelmäßig erschienen, oft sogar eine führende Stellung bei den Versammlungen einnahmen.
V g l . WAITZ 4 , 4 1 1 ff. 7, 129.
STEINDORFF,
D e d u c . B i l l . 9 1 ff. WEILAND,
Sachs. Herzogtum 65. v. POSERN-KLETT, Verfassung der Markgrafschaft Meißen 26. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels 17. 21, n. 3. 22 f. HUBEBTI, ZRG. 26, 156 ff. WARTHANN, Urk.-B. von St. Gallen 2 , Nr. 680 (890).
DRONKE, T r a d .
Fuld. 138 (1058): conventus ßdelium prinoipum de pace facienda et sedenda latronum tyrannide et räptorum eompensanda seditione, zu Othalmeshusen in Ostfranken, anwesend der Abt von Fulda und verschiedene Grafen und iudices. Vor der Versammlung vollzieht die Gräfin Albrat eine Auflassung an Fulda. Beachtenswert auch die bei Thietmar v. Merseburg, Chron. 4, 26, erwähnte Magdeburger Fttrstenversammlung im Jahre 998, in der Uber die Entführung einer Tochter des Markgrafen Ekkehard verhandelt wurde. Vgl. jedoch Anm. 25. •* Vgl. die § 53, n. 1 u. 17, und § 55, n. 4 ff. angefahrte Litteratur. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 501 ff.
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 2. Landfriedensgerichte.
555
sehen Beamtentagen die Hof- und Landtage der Stammesherzoge hervorgegangen, die zugleich als herzogliches Gericht dienten und mit der den Herzogen besonders anvertrauten Wahrung des Landfriedens (im älteren wie im neueren Sinne) mehr oder weniger eine obergerichtliche Thätigkeit gegenüber den Landgerichten verbanden63. Das Herzogtum des Bischofs von Würzburg bestand, wie erst neuerdings nachgewiesen ist, in der allmählich auch auf Immobiliarsachen und Freiheitsprozesse ausgedehnten Landfriedensgerichtsbarkeit über ganz Ostfranken, später wenigstens über die ganze Würzburger Diözese, auch wo sie die Grenzen des bischöflichen Territoriums überschritt64. Auch die Stellung der thüringischen Landgrafen erklärt sich, wie schon bemerkt wurde, einzig aus ihrem Vorsitz in den thüringischen Landfriedensgerichten66. •• Vgl.
W A J T Z 7, 125 ff. 8, 44 ff. C . F . S T A U N , Wirt^mb. Gesch. 2, 677. a. a. 0 . 109 ff. RIEZLER, Bayer. Gesch. 1, 730. HEIQEL U. BIEZJ.BR, Herzogtum Bayern 152 ff. 188. 190. 194. 197. W E I L A N D , Sfichs. Herzogtum 129 ff. 174 ff. L I N S N E B , Verne 349 f. W . SICKEL, Wesen des Volksherzogtums, Hist. Zeitscbr. 16, 438 f. 442 f. 459 (dieser Schrift ist nur vorzuwerfen, daß sie die St&mmesherzogtfimer des deutschen Reiches zu sehr mit denen der merowingischen Zeit gleichstellt und mit diesen auf dieselbe Grundlage zurückführt). Auf die Herzogsgewalt des Erzbischofs von Köln in Ribuarien (S. 393) ist wohl eine unter seinem Vorsitz abgehaltene Gerichtsverhandlung bei v. D. B E R Q H , Oorkondenb. v. Holl, en Zeeland 1, Nr. 154 (vor 1177), zu beziehen; sie spricht dafür, daß jene Herzogsgewalt nach Westen noch über die altribuarischen Grenzen hinausgriff. Nach der Teilung des Herzogtums Sachsen im Jahren 1180 bestanden in Westfalen keine einheitlichen Verhaltnisse, indem der Erzbischof von Köln die herzogliche Gewalt nur in den westfälischen Teilen seiner Erzdiözese und in der Diözese Paderborn erlangte, die Diözesen Minden und Osnabrück dagegen zu dem den Anhaltinern verliehenen Herzogtum Engern gehörten und die Bischöfe von Münster in ihrer Diözese selbst herzogliche Rechte zu behaupten wußten. Vgl. GBAUEBT, Herzogsgewalt in Westfalen 11ff.26 ff. LINDNER, Verne 337ff.349ff.352 f. Manche Spuren lassen vermuten, daß Heinrich der Löwe für die sächsischen Länder, in denen er die herzogliche Gewalt ausübte, ein herzogliches Obergericht begründet hatte. Aus Westfalen gab es einen Rechtszug nach der Brücke bei Lauenburg (vgl GRADEBT, a. a. O. 39 ff. LINDNEB, Verne 342 f. LACOHBLET, Urk.-B. 4, 303 n.), während die Gebiete des sogenannten Bchwerinischen Rechts in Pommern und Meklenburg ihren Oberhof in Siebeneichen bei Büchen in Lauenburg hatten. Der Rechtszug nach Siebeneichen könnte mit Provinziallandtagen Heinrichs des Löwen für die slawischen Grenzmarken zusammenhängen. Vgl. W E I L A N D , a. a. O. 164 f. HOMEYEB, Richtsteig Landr. 511. FABBICIUS, Hans. Gesch.-Bl. 22, 14 ff. ROSENTHAI.,
M Unsere in der ersten Aufl. S. 537 ausgesprochene Vermutung ist durch die treffliche Untersuchung von v. ZALLINGER, Das würzburgische Herzogtum, Mitt. d. öst. Inst. 11 (Sonderabdruck S. 11 ff. 24 ff. 39) bestätigt worden. Anderer Meinung E. MATER, Deutsche Zeitschr. f. Gesch.-Wiss. NF. 1, 217 ff. 44 Vgl. S. 505. Seit dem 14. Jahrhundert stehen die Landgrafen in Thüringen nicht mehr an der Spitze der Landfriedensgerichte, aber, der Zusammenhang ist doch insoweit gewahrt geblieben, als das alte landgräfliche Gericht zu Mittelhausen 1316 und 1325 als Landfriedensgericht des Grafen Günther von Schwarzburg wieder auftaucht. Vgl. FDG. 1 6 , 5 3 6 ff. HEBQUET, Urk.-B. v. Mühlhausen S. 3 2 n. Nr. 7 0 2 . 8 0 7 . SCHDLTES, Directorium dipl. 2 , 1 1 3 ( 1 1 5 4 ) . SCHENK ZU SCHWEINSBERO, Arch. d. Ver. f. hess. Gesch. 18, 446. 540 f.
Das Mittelalter.
556
Die seit dem 13. Jahrhundert in den Vordergrund tretenden Landfriedensbündnisse ordneten regelmäßig für die Dauer der Einung die .Bildung amtlicher Landfriedensausschüsse mit bestimmt abgegrenzten Bezirken an 66 . Die Ausschüsse hatten alle zur Wahrung des Landfriedens erforderlichen Verwaltungsmaßregeln anzuordnen, die Friedbrecher abzuurteilen und ihre Bestrafung zu bewirken. Soweit es sich um Reichskommissionen handelte, standen diese als Landfriedensgericht durchaus an des Königs Statt. Von Reichs wegen gab es verschiedene Landfriedensbezirke (namentlich Niederrhein, Westfalen, Sachsen, Thüringen, Elsaß), die den späteren Reichskreisen als Vorbild gedient haben. An der Spitze stand in der Regel ein Landvogt oder Landfriedenshauptmann (advocatus principalis, adv. provincialis, iudex generalis), neben ihm fünf bis fünfzehn Beisitzer {conseroatores pacis, assessores pacis, iudices pacis). Der meistens vom König ernannte Hauptmann war anfangs regelmäßig ein Fürst, seit Ende des 13. Jahrhunderts wurden aber mit Vorliebe die Reichslandvögte (S. 507) zu diesem Amt berufen. Wo der Landfrieden auf der Landesgesetzgebung oder auf territorialen Landfriedenseinungen beruhte, wurden ähnliche Ausschüsse territorialen Charakters gebildet 07 . Von größerer Bedeutung als die immer nur auf begrenzte Zeit eingesetzten Landfriedensausschüsse sind die aus dem Gottesfrieden hervorgegangenen korporativen Bildungen geworden68. Der erste im deutschen Reiche verkündigte Gottesfrieden war der für die Diözese Lüttich von 1082, ihm schlössen sich die für die Diözese Köln von 1083 und für die Diözese Bamberg von 1085 an 69 . Während der Lütticher Gottesfrieden ein Friedensgericht aus dem Adel und Klerus, unter Vorsitz des Bischofs, ins Auge faßte, erklärten die beiden anderen die Durchführung ihrer Bestimmung ausdrücklich für eine Aufgabe des Volkes 70 und legten damit den Gruud zur Ausbildung von Gemeindeorganen, die auf dem Gebiete des Gerichtswesens und der städtischen Verfassung die größte Bedeutung erlangt haben. 3. D i e L a n d g e r i c h t e 7 1 . 68
V g l . FRANKLIN , R H G .
2,
Die öffentliche Gerichtsverfassung war bis 25 ff. GIEBKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t 1 , 507 f.
GBAÜEBT, a. a. 0 . 130 ff. WTNEKEN, Die Landfrieden in Deutschland von Rudolf I.
bis Heinrich VII., 1886, S. 26 ff. 67
8
V g l . WTNEKEN, a. a. 0 . 6 3 ff. 9 0 f. 94. 99.
KÜHNS, a. a. O. 1, 2 5 3 ff. 2 , 1 0 5 ff.
" Vgl. § 53, n. 2. NITZSCH, Heinrich IV. und der Gottes- und Landfrieden, FDG. 21, 269 ff. M WEILAND, Const. 1, 602. 605. Der Bamberger Gottesfrieden wurde früher für einen 1085 auf einem Mainzer Konzil im Beiwesen Heinrichs IV. beschlossenen Gottesfrieden für das ganze Reich gehalten, der Text des letzteren ist aber verloren gegangen. 70 Vgl. Kölner Gottesfr. c. 15: Non magis in eomitum vel iribtmorum vel potentum, quam in totius eommuniter populi potestale et arbitrio constabit, ut vmdietas superius dictatas violatoribus sanctae paois inferant. 71 Außer der S. 545 aufgeführten Litteratur Tgl. THUDICHUH, Gau- und Markverfassung 1 — 1 1 2 ; Rechtsgeschichte der Wetterau, 1 8 6 7 ; Zur RG. der Wetterau,
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 3. Landgerichte.
557
zum Anfang des 13. Jahrhunderts im wesentlichen überall im Reiche dieselbe. Sie beruhte auf den karolingischen Einrichtungen, nur die Schöffenverfassung war in den Gebieten des alamannischen und namentlich des bairischen Rechts nicht überall durchgedrungen oder frühzeitig wieder außer Übung gekommen (das Urteil wurde hier vielfach von einem in jedem Ding neu gebildeten Aasschuß von Beisitzern oder „Richtern" gefunden); in Sachsen waren Schöffen wenigstens bei den Untergerichten (den Godingen) nicht heimisch geworden. Die Grafschaften, obwohl durch zahlreiche Exemtionen auf Grund königlicher Immunitätsprivilegien durchbrochen72 und unter dem Einfluß des Lehnrechts zu erblichen Territorien gestaltet, hatten doch bis zum 13. Jahrhundert ihren Amtscharakter noch nicht verloren. Dieser zeigte sich einmal in der unten zu besprechenden Vorschrift, daß niemand die gräfliche Gerichtsbarkeit ausüben durfte, der die Befugnis dazu (den „Königsbann") nicht unmittelbar vom König erworben hatte. Sodann in dem Verbot einseitiger Verfügungen des Inhabers der Grafschaft zum Nachteil der letzteren: er durfte diese ohne königliche Genehmigung weder teilen, noch durch Exemtionen schwächen 78 oder durch Verlegung der 2 Teile, 1 8 7 4 — 1 8 8 5 . WIPPERMANN, Zur Staats- und RG. der Wetterau, ZDR. 1 6 . LANDAU, Beschreibung des Gaues Wettereiba, 1 8 5 5 ; Beschreibung des Hessengaues, 1857. BODMANN, Reingauische Altertümer 5 6 7 ff. 5 9 4 — 6 8 4 . LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 1 7 0 — 2 3 8 . GRUPEN, Observationes ( 1 7 6 3 ) 4 2 7 ff. (Von Centgerichten). ROCKIHOER, Magister Lorenz Fries zum fränkisch-wirzburgischen Rechts- u. Gerichts-
wesen, Abh. d. Münch. Akt. 11, 1871; Ober fränkisch-wirzburg. Zentbiicher, Münch. SB. 1 8 7 2 , 1 4 1 ff. STÜVE, Untersuchungen über die Gogerichte in Westfalen u. Niedersachsen, 1 8 7 0 . J . MERKEL, Das Gericht auf dem Leineberge, Protokolle des Vereins f. Gesch. Göttingens, 1 8 9 5 , S. 8 3 ff. SAMSON, De pereonarum et iudiciorum ordine ex Speculo Sax. cum eo qui per Guestphaliam vigebat, Berl. Diss. 1866. v. WYSS, Beitr. z. Schweiz. Rechtsgeschichte, 2 Teile (Zeitschr. f. Schweiz. R. 17, 3 ff. 18, 19 ff., auch i. d. Abh. z. Gesch. d. Schweiz, öffentl. Rechts 163 ff.). '* Im allgemeinen hatte der König bis zum 13. Jahrhundert das unbedingte Recht zur Erteilung von Exemtionen, ohne der Zustimmung der davon betroffenen Inhaber der Grafschaft zu bedürfen. Die früheste Wendung zu Gunsten der letzteren enthält das Privilegium minus von 1156 fttr Österreich, an das sich ein Privileg für den Bischof von Würzburg von 1168 anschloß. Erst der Einfluß des Lehnwesens schützte die Grafen allgemein vor derartigen Benachteiligungen durch den König. Ihre Zustimmung erteilten sie zunächst in lehnrechtlicher Form durch Auflassung ihrer gräflichen Rechte über das zur Exemtion bestimmte Gebiet an den König. Befand sich die Grafschaft in Afterleihe, so mußte die Auflassung durch alle beteiligten Hände gehen. Später wurde es üblich, daß der Inhaber der Grafschaft unter Zustimmung des Königs die Exemtion erteilte. Vgl. BRUNNEB, Exemtionsrecht 3 ff. 17 ff. 31 ff. 50 f. 54 ff. 58 ff. " Vgl. Ssp. III. 53, § 3. 64, § 5. Schwsp. Laßb. 121 \ Reichsurteile von 1174 (WEILAND, Const. 1, 337), 1283 (MG. Leg. 2, 442). HOMEYER, a. a. 0. 536f. SCHULZE, Recht der Erstgeburt 108 ff. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 49. Der Herzog von Österreich übte seit Ende des 12. Jahrhunderts das Recht aus, auf eigene Hand Exemtionen zu erteilen, wobei die königliche Bestätigung nur ausnahmsweise, und dann erst nachträglich eingeholt wurde. Was anfangs reine Anmaßung war, wurde durch die Übung sanktioniert, von Friedrich II. später ausdrücklich anerkannt Vgl. BRUNNEB, a. a. 0. 34 ff. 44 ff. 54 ff. 59 f. LUSCHIN VON
Das Mittelalter.
558
Dingstätten verändern74, sie auch nur unter bestimmten Beschränkungen weiter verleihen. Jede Grafschaft mußte mit einem eigenen Grafen oder Yizegrafen besetzt sein und durfte nicht über Jahr und Tag ledig bleiben76' Die Vereinigung mehrerer Grafschaften in derselben Hand war ausgeschlossen76. Hatte also ein Fürst mehrere Grafschaften, so konnte er doch nicht allen in Person vorstehen, sondern mußte Yizegrafen einsetzen, wenn nicht mit königlicher Genehmigung die Vereinigung zu einer einzigen Grafschaft zu erreichen war77. Jede Grafschaft oder jedes Landgericht besaß mehrere echte Dingstätten (Dingsttthle, Königsstühle, Schrannen), die sich in den fränkischen und schwäbischen Gebieten auf die Hundertschaften oder Zenten, in Sachsen auf die Goe, d. h. die kleinen, von Karl dem Großen zu Grafschaften vereinigten altsächsischen Gaue (S. 174), verteilten. Als geringstes Maß einer sächsischen Grafschaft erscheinen drei Goe mit drei Dingstätten78. Auch die bairischen Landgerichte, obwohl ihre Bezirke („Pflegen") nicht in TJntergerichtsbezirke zerfielen, hatten regelmäßig mehrere Schrannen, die auf verschiedene Orte des Gerichtsprengeis verteilt waren79. Die Grafen (Landrichter, Pfleger) bereisten ihren Amtsbezirk, indem sie in alter Weise an den einzelnen Dingstätten in der Segel dreimal jährlich das echte Ding, nach Bedürfnis unter Hinzufügung eines Afterdinges, abhielten80. Jedes Gericht war für die ganze Grafschaft zuständig, auch in EBENOREUTH, a. a. O. 17. Beispiele aus anderen Territorien bei SCHRÖDER, a. a. 0. 35 f. Bremisches Urk.-B. 1, Nr. 86 (am 1200). Urk.-B. d. bist. Ver. f. Niedersachsen 2, Nr. 310 (1255). M
76
Vgl. BÖHMER, Acta imperii sei. Nr. 520 (1297).
Vgl. Anm. 102. § 45, n. 12. Sfichs. Lehnr. 71, § 3. Schwäb. Lehnr. 133.
FICKER, Entstellungszeit des Schwabenspiegels 132.
HOHETOR, a. a. O. 539.
' • V g l . SCHRÖDER, a . a. 0 . 49.
77 Seit die Ministerialen die allgemeine Dingf&higkeit erlangt hatten (S. 445. 495), wurden die Vizegrafen vielfach aus ihren Reihen genommen. Dabei scheint es nicht selten vorgekommen zu sein, daß einem solchen Ministerialgrafen nur die gräfliche Gerichtsbarkeit verliehen wurde, während der Landesherr sich die übrigen Grafenrechte vorbehielt Vgl. S. 576. 79 Vgl. SCHRÖDER, a. a. 0. 3. 62, Je fSnf Goe bei Adam. Brem., gesta Hammah. eccl. 1, 13. 79 Vgl. S. 175. ROSENTHAL, a. a. O. 49 ff. 93 f. Das bairische Landgericht war ordentliches Hoch- und Niedergericht für den ganzen Sprengel. 80
Vgl. WAITZ 8, 52 f.
SCHRÖDER, a. a. 0 . 34. 43. 45 ff.; H i s t Zeitschr. 43,
448 ff. THUDICHUM, G a u - u n d M a r k v e r f a s s u n g 62 ff. 82 ff. 107 ff. BAUMANN, G a u -
grafschaften im wirtemb. Schwaben 50. 53. 63. 120. 137, GRIMM, RA. 837; Weistfimer 7, 267. Ssp. L 2, § 6. Die dreitägige Dauer des echten Dinges, die allmählich auBer Übung kam, ist noch mehrfach bezeugt Vgl. S. 563. 567. 571 n. 585. GRIMM, W e i s t ü m e r 1 , 184 f. 4 , 365, 6. 366, 3. 368, 2. 421. 5, 15. 17, 7.
LUSCHIN,
a. a. 0. 54. LINDNER, Verne 539. Bezeichnungen des echten Dinges bei WAITZ 8, 47 f. GRIMM, Weist 7, 260 ff. „Leuteding" (luttking) begegnet in Friesland, Holstein und der Altmark (RICHTHOFEN, Rechtsqu. 27. 40 f. KUHNS, a. a. O. 2, 95 f. SCHRÖDER, a. a. 0. 45). Vgl. S. 22 n. Anklingend die Bezeichnung des Drenther jüidstuhls als lottimg, woneben auch die wijssheit van den lande begegnet (FBITH,
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
3. Landgerichte.
559
den fränkischen Landesteilen war es nur in seiner Form Hundertschaftsgericht, in seiner Zuständigkeit dagegen Landgericht {iudicium provinciale s. comitiale) für die ganze Grafschaft81. Die Zuständigkeit der Landgerichte erstreckte sich auf alles in der Grafschaft belegene Eigen 82 , ferner auf Freiheitsprozesse und TJngerichtsklagen gegen Personen die in der Grafschaft ansässig waren oder Grundbesitz hatten, mit Ausnahme der Fürsten und Fürstengenossen, die ihren persönlichen Gerichtstand vor dem König hatten (S. 547). Die Ungerichtsklagen beschränkten sich auf die innerhalb der Grafschaft begangenen Verbrechen; was auswärts begangen war, unterlag der Verfolgung nur im Falle der ßeichsacht 83 ; eine Auslieferung an das forum delicti commissi kannte das Mittelalter nicht 81 . Dagegen stand es den Gerichten immer zu, auf handhafter That ertappte Missethäter, auch wenn sie Gerichtsfremde waren, festzunehmen und sofort abzuurteilen, entlaufene auch in benachbarte Gerichte zu verfolgen und sie, wenn man ihrer nicht habhaft wurde, zu verfesten, alles aber nur, bevor die Sache übernächtig geworden war 85 . Der Graf hatte daher bei handhafter That sofort ein Notgericht abzuhalten, zu dem durch Landgeschrei geladen wurde86. War der Graf nicht zur Stelle, so konnten die versammelten Schreimannen auch einen anwesenden Unterrichter zum Notrichter kiesen87. Außer dem Falle der handhaften That war das Gericht für Gerichtsfremde nur zuständig wegen einer in diesem Gericht übernommenen Bürgschaft, oder für den Fall einer Rechtsverweigerung, oder wenn der Fremde seinerseits in anderer Sache bei demselben Gericht geklagt hatte 88 . Ordelboek 1. 8. 14 f. 40. 92). Die Bezeichnung godimg kommt in Holstein auch für das Landgericht, sonst in Sachsen nur für das Niedergericht vor. 81 Vgl. SCHBÖDEB, Gerichtsverfassung 3 f. 9, 12. 14. 28. 31. 40. 45. Eine lehrreiche Urkunde aus dem bairischen Nordgau bei CBMEL, Regesta Ruperti 223: der Pfleger und Landrichter von Auerbach hielt am 20. Aug. oder 10. Sept. 1404 ein Landgericht zu Auerbach; in der dort verhandelten Sache wurde am 8. Okt. unter demselben Richter auf dem Landgericht zu Schnaitach fortgefahren. Vgl. auch PETZ, GBAUEBT U. MAYEBHOFEB, D r e i
bairische Traditionsbücher
(1880) p g . 12.
Häufig wurden von den mehreren Dingstätten einer Grafschaft einzelne besonders bevorzugt, aber Landgerichte mit nur einer Dingstatt sind erst durch den Verfall der mittelalterlichen Gerichtsverfassung aufgekommen. s> Vgl. PLANCK, Gerichtsverfahren 1, 47 ff. STOBBE , Grundsätze der deutsch. Rechtsquellen über den Gerichtsstand 434 ff. SCHBÖDEB, a. a. 0. 3 f. 33. Auch Reichsfürsten hatten ihr Eigen im forum rei sitae zu vertreten. Vgl. Reichsurteil von 1226, bei FICKEB, Eigentum am Reichskirchengut 139. 88
84
V g l . S s p . I I I . 25, § 3.
PLANCK 1, 74.
Vgl. PLANCK 1, 74. v. MABTITZ, Internation. Rechtshilfe in Strafsachen 271.
85 V g l . S s p . I I I . 25. 35. 71, § 5. I I I . 25, § 2. PLANCK 1, 74 f. 7 5 9 ff. v. MABTITZ, a. a. 0 . 148. STOBBE, a. a. 0 . 4 4 9 ff.
98 87
Vgl. THDBICHÜM, Gau- u. Markverfassung'71 ff.
V g l . S . 172. Ssp. I. 55, § 2. 56 f. 71. SCHBÖDEB, a. a. 0 . 6 6 ; Z R G . 24, 244. PLANCK 1, 10. SOHM, R.- u. G . - V e r f . 4 4 0 f. GBIMM, W e i s t ü m e r 3, 687. 88 V g l . S s p . I . 6 0 , § 3. i n . 2 5 , § 2. 7 8 , § 3. 87, § § 2 — 4 . PLANCK 1 , 72 f. 76 f. STOBBE, a. a. 0 . 441. 4 4 3 ff. 4 4 7 f. 4 5 2 f. SOHM, a. a. O. 327. OSBNBBOOQEN,
560
Das Mittelalter.
Der Dingpflicht am Landgericht unterlagen mit Aasnahme der Fürsten und Fürstengenossen alle in der Hundertschaft oder im 60, in Baiern alle in der Pflege angesessenen oder begüterten Freien, freie Herren wie Gemeinfreie, seit Mitte des 13. Jahrhunderts, zum Teil schon früher, auch die Ministerialen89. Die Immunitätsleute waren vielfach von der öffentlichen Dingpflicht befreit90. Auf Angehörige anderer Hundertschaften derselben Grafschaft erstreckte sich die regelmäßige Dingpflicht nicht, nur auf besonderen. Befehl des Grafen trat die ganze Grafschaft zu einem Botding zusammen91. Die Schöffen, deren Stellung im übrigen der karolingischen Verfassung entsprach, gehörten durchweg, ohne Unterschied zwischen Edeln und Bauern, dem Stande der Freien an. Nur in Ostfalen und wahrscheinlich auch in Thüringen und Holstein beschränkte sich die Schöffenbarkeit auf die freien Herren, während die Gemeinfreien (Pfleghafte wie Landsassen) ausgeschlossen waren91. Dagegen wußten sich die altfreien Ministerialen seit Anfang des 13. Jahrhunderts ungeachtet ihrer Standeserniedrigung in der Schöffenbarkeit zu behaupten, was nach einigen Jahrzehnten von selbst dahin führte, die Ministerialen überhaupt zum Schöffenamt zuzulassen; sie sind seitdem sogar die berufensten Träger dieses Amtes geworden93. Regelmäßig war die Fähigkeit zum Schöffenamt durch Grundbesitz bedingt; ihre Verbindung mit bestimmten Gütern und die Erblichkeit der Schöffenstühle war aber in dem hier in Betracht kommenden Zeitabschnitt noch wenig ausgebildet94. Die zur ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts notwendige Zahl der Schöffen belief sich in alter Weise auf sieben, vielfach bildeten zwölf oder vierzehn die Kegel. Ob die Studien zur deutschen u. Schweiz. RG. 1 9 — 6 8 (Gastgerichte). Reichsurteil von 1 2 1 8 , BÖHMES, Acta imperii Nr. 2 7 0 . " Vgl. S . 4 4 5 . PLANCK, a. a. 0 . 52 f. v. ZALUNOEB, Schöffenbarfreie 20 ff. 256 ff. SCHRÖDER, a. a. 0 . 51 ff. ERHARD, Weetf. Urk.-B. Nr. 198 (1126). In den ostfälischen Landgerichten spielten die Gemeinfreieo später eine so passive Rolle, daß es zweifelhaft ist, ob sie hier überhaupt noch dingpflichtig waren. 90 Wo die Immunität die hohe Gerichtsbarkeit besaß, verstand sich dies von selbst, aber auch niedere Immunitäten erwarben häufig Befreiung vom Besuche des Landgerichts. Vgl. BRUNNER, a. a. 0 . 2 7 . 5 1 . SCHRÖDER 5 3 , n. 2 . 81
Vgl. S. 170 n.
THUDICHUM, a . a . 0 . 8 2 ff. SCHRÖDER 4 6 f .
v . WYBS, a. a. 0 .
2, 52. 116. 138 f. SOHM, R.- u. G.-Verf. 433, n. 128. PLANCK, a. a. 0 . 54, n. 10. LINDNEB, Verne 538. Die entgegengesetzte Ansicht von WAITZ 8, 55, die auch von ZALLINGER, a. a. 0 . 237 n. noch nicht ganz überwunden ist, beruht auf mißverständlicher ^Auffassung der Botdinge (vgl. SCHRÖDER 34. 43. 46; Hist. Zeitschr. 43, 448). Daß übrigens Ladungen zum echten Ding auch an Angehörige anderer Hundertschaften derselben Grafschaft ergehen konnten, wenn ihre Anwesenheit als Parteien oder Zeugen erforderlich war, versteht sich von selbst. Vgl. SOIIM, a. a. 0 . 332, n. 12. 9S Es ist ein wesentliches Verdienst der wiederholt angeführten Untersuchung v. ZAIXINOER'S, über diesen Umstand aufgeklärt zu haben. Über Thüringen vgl. meine Gerichtsverfassung 52 n. v. ZALLINGER 222 n. *
91
V g l . v . ZALLINGER 2 6 8 f .
Gegenüber Ssp. III.
WAITZ 8 ,
26, § § 2. 3,
55.
vgl. v.
ZALUNGER 2 2 7
ff.
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 3. Landgerichte.
561
Schöffen zunächst für eine einzelne Handertschaft ernannt wurden und an anderen Dingstühlen der Grafschaft nur aushalfen, oder ob sie von vornherein Grafschaftschöffen waren, läßt sich nicht sicher ermitteln. Die aktive Beteiligung der Gerichtsgemeinde oder des Umstandes beschränkte sich auf das Recht jedes Einzelnen, das von einem Schöffen vorgeschlagene Urteil, bevor es die Vollbort erlangt hatte, zu schelten und ein Gegenurteil zu finden. Das nicht gescholtene, von den Schöffen angenommene Urteil galt auch als vom Umstand gebilligt; ein besonderer Akt der Vollbortserteilung fand nicht mehr statt 96 . Im Gebiet des bairischen Rechts lassen sich die Schöffen nur bis Mitte des 18. Jahrhunderts verfolgen. Ihre Stelle nahmen seitdem die Beisitzer oder „Vorsprecher des Rechtens" ein, die vom Richter an jedem Dingtag besonders berufen wurden, und zwar anscheinend nicht schlechthin aus der Mitte der Gerichtsgemeinde, sondern aus einem engeren Kreise von Dinggenossen die für eine derartige Thätigkeit ein- für allemal in Eid und Pflicht genommen waren 98 . In Oberbaiern beschränkte sich ihre Aufgabe seit dem Landrecht von 1346 auf solche Fälle, die in dem Buche nicht vorgesehen waren, während im übrigen der Richter unmittelbar „nach des Buches Sage" den Spruch zu fällen hatte und die Beisitzer nur um des Dingzeugnisses willen da waren 97 . Gegenüber der karolingischen Verfassung, die das Amt des Gerichtsvollziehers mit dem des Unterrichters verband, war es ein erheblicher Fortschritt, daß die mittelalterlichen Landgerichte größtenteils einen eigenen, vom Grafen eingesetzten Beamten für Botendienst und Urteilvollstreckung (Scherge, Fronbote, Weibel, Büttel, budellus, praeco) besaßen 98 . Seine Anwesenheit gehörte in Sachsen zur ordnungsmäßigen Besetzung des Gerichts90. Des Niederrichters bedurfte es im Grafending nur wo sich, wie in der Schweiz, die altfränkische Verbindung des Fronbotenamtes mit dem des Schultheißen (S. 131 f.) erhalten hatte. Bei den Ostfalen, Thüringern und Holsteinern scheint das Amt des Fronboten erst durch Abzweigung vom Amt des Schultheißen (praefectus, overbode) ent95
Immerhin maßte die Zustimmung des Umstandes durch den Richter festgestellt werden. Vgl. WAITZ 8, 6 0 f. 96
Vgl. S. 175.
ROSENTHAL, a. a. 0 . 66 ff. RIEZLER, Gesch. Baierns 1, 266 ff.
752 f. 2, 178; F D G . 18, 526 f.
LUSCHIN V. EBENQREUTH, a. a. O. 135 ff. BBUNNEB,
Herkunft der Schöffen 185 (Forschungen 257). MEBKBL, ZUG. 1, 146 ff. Daß das Schöffenamt im 13. Jahrhundert auch in Schwaben nicht mehr als allgemeine Einrichtung bestand, zeigt die schon oft hervorgehobene Unsicherheit des Ausdrucks im Schwsp. L. 145. 172. 190. 286*. 87 Vgl. ROSENTHAL 74 ff. RIEZLER, Gesch. Baierns 2, 544 f. 99
V g l . WAITZ 8, 7 9 f . PLANCK, a. a. 0 . 9 4 f f . GRIMM, R A . 7 6 5 f f . ECKERT, HALTAUS, Glossar. 2 0 5 f. 5 3 5 ff. 1612. 2050. SCHBÖDEB, Gerichtsverfassung 5 1 ; Schultheiß 8 n. ROSENTHAL 79 ff. Der sächsische Fronbote war kein Diener
a. a.
0.
des Grafen, sondern ein vom Grafen und den Schöffen aus der Reihe der freien Bauern erkorener königlicher Beamter (Ssp. III. 56, § 1) Zu seinen Amtsbezügen gehörte auch jede zehnte Halslösung verurteilter Verbrecher, vgl. § 36, n. 2. 99
Vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 51. 62.
R. SCHRÖDEB, Deutsche Rechtageschichte. 4. Aufl.
ECKERT, Fronbote 35 FF. 36
562
Das Mittelalter.
standen zu sein 10°. Dieser empfing sein Amt vom Grafen zu Lehen. Er mußte dem einheimischen hohen Adel angehören und schointeben als Führer der Aristokratie des Landes dem Grafen gegenüber zu seiner einflußreichen Stellung gelangt zu sein, während sein ursprünglicher Gerichtsdienst in der Hauptsache auf den Unterbeamten überging. Er war der unentbehrliche Beisitzer des Grafen im echten Ding und hatte ihm, wie anderwärts wohl der Fronbote, die Eröffnungsurteile bei der Dinghegung zu finden. Den anwesenden Grafen konnte er im Vorsitz vertreten. Bei Klagen gegen den Grafen selbst, soweit dieser nicht seinen Gerichtstand vor dem Königsgericht hatte, war er der stellvertretende Richter. Eine eigene (niedere) Gerichtsbarkeit besaß er nicht. Was sich davon findet, beruht auf späterer Entwickelung. Gerichtschreiber gehörten bis zum 13. Jahrhundert nicht notwendig zur Besetzung der Landgerichte. In Baiern machte das Landrecht von 1346 den Gerichtschreiber obligatorisch101. Von der friesischen Gerichtsverfassung (S. 174) nahm man früher an, sie sei von der des ganzen übrigen Deutschlands wesentlich verschieden gewesen, habe aber seit dem 13. Jahrhundert eine völlige Umwandlungerfahren, Durch die scharfsinnigen Untersuchungen von HECK: hat sich ergeben, daß weder das eine noch das andere der Fall gewesen ist. Ordentlicher Richter im Landgericht, dessen Zuständigkeit sich auf peinliche Sachen beschränkte, war ursprünglich der Graf oder ein mit dem Königsbann belehnter Vizegraf102, ordentlicher Richter im Schulzengericht, das auch in Immobiliarsachen zu entscheiden hatte, der vom Grafen eingesetzte (nicht belehnte) Schulze, der durchaus dem zum Centenar gewordenen Schultheißen des fränkischen Rechts entsprach103. Für den Vollstreckungs- und Botendienst stand ihm ein vom Grafen ernannter Unterbeamter, der „Banner" (bonnere) zur Seite. Da der Gau (land, lond, terra)
in der Regel in vier den fränkischen Hundertschaften entsprechende 100
Vgl. S. 174. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 29 f.; Schultheiß 2 f. 9 n. 13 f. Die Hegung der deutschen Gerichte im Mittelalter 286 ff. H E C K , Biergelden 53 ff. (Festgabe d. jur. Fak. Halle für Dernburg, 1900), erklärt das Schultheißengericht des Sachsenspiegels für das Stadtgericht, eine Auffassung die mit seiner Erklärung der Biergelden (S. 451 n.) steht und Mit.
BUBCHARD,
101
10S
V g l . ROSENTHAI.
63.
Vgl. Schiedspruch Friedrichs I. über die Grafenrechte im Oster- und Westergo, v. D. B E B G H , O o r k . - B . v. Holl. en Zeel. 1, 93 (1165): eligeni sibi comitemi qui viees eorum gerat in praedieto eomitatu, qui praesentatus ab eis domino imperatori bannurn et potestatem iudicandi a manu domni imperatoris aeeipiat, et iuramentum praestdbit. Der Vizegraf hieß auch baUivus, bdliu. 10 * Der Lehnschulze gehörte erst der späteren Entwickelung an. Noch in einem Vergleich von 1204 (v. D. BERGH, a. a. O. 1, 121) wird das Schulzenamt, im Gegensatz zu den feoda der inbenefieiati, zu den officio gerechnet. Als Beamter des Grafen bedurfte der Schulze keiner königlichen Bannleihe, im Landgericht dingte er bei seines Grafen Hulden, d. h. in Ausübung des diesem verliehenen Bannes, Vgl. v. RICHTHOFEN, Rqu. 390, §§ 22—24. Vgl. Anm. 160.
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 3. Landgerichte.
563
„Banne" (ban, bon, bifang, ombecht) eingeteilt war 104 , so gehörten zu jedem Landgericht gewöhnlich vier Schulzen. Ob das Landgericht, das jährlich dreimal als echtes Ding (afte'lhing), jedesmal mit dreitägiger Dauer, zusammentrat 10S , ein Vollgericht des ganzen Gaues war, oder von Bann zu Bann abgehalten wurde, ist ungewiß 108 . Die Vertretung des meistens abwesenden Grafen' fiel jedenfalls immer nur einem der Schulzen zu 107 . Das Schulzengericht war kein Vollgericht, sondern wurde wahrscheinlich anfangs von zwölf zu jedem Tage besonders aufgebotenen Dingzeugen (honinges orkenen) besucht, an deren Stelle später die ein- für allemal angestellten „Zwölfer" oder „Geschworenen" (tolva, attha, ghezworen) traten 108 . Die Urteilsfindung lag bei beiden Gerichten in den Händen der Asegen 109 . Die vermeintliche Umwandlung der friesischen Gerichtsverfassung seit dem 13. Jahrhundert bestand in der Hauptsache nur in einer Veränderung der Namen 110 . Sachlich bedeutsam war nur das gänzliche Ausscheiden des Grafen aus der Rechtspflege und eine zunehmende Beschränkung der Zuständigkeit der Landgerichte zu Gunsten der Schulzengerichte; das Landgericht wurde nach wie vor jährlich dreimal, aber nicht mehr durchweg als Vollgericht und immer für den ganzen Gau, nicht von Bann zu Bann abgehalten; einige Schulzensprengel sind aber zu selbständigen Landgerichten gekommen. Die Schulzen sind vielfach zu erblichen Lehnschulzen geworden und auf diese Weise zur Häuptlings1M Fuldaer Urkunden bezeichneten den friesischen Bann als pagm, htmtari oder marcha. Vgl. DBONKE, Trad. Fuld. 43, 6. 47, 80. 49, 107. HECK 24. 105
Vgl. HECK 28 f.
v. RICHTHOFEN, R q u . 3 9 5 , § 52.
v. D. BERQH, a. a. 0 .
2, 374 f. •°o Die größere Wahrscheinlichkeit spricht für die Beschränkung auf den Bann, unbeschadet der Zuständigkeit für den ganzen Gau. Vgl. HECK 32. Im westerlauwerschen Friesland wurden die drei echten Dinge jedeB vierte Jahr in der Weise vereinigt, daß zunächst jeder Schulze in seinem Bann ein doppeltes (sechstägiges) Ding abhielt, worauf sich nach drei weiteren Tagen alle Schulzen mit ihren Dingleuten unter dem Vorsitze des Grafen zum dritten Ding, mit dreitägiger Dauer, versammelten. Das Ganze hieß Botding (bodthing), das Schlußding auch ßmelthing. Die Aufgabe des letzteren war die Fällung des dem Grafen persönlich vorbehaltenen Schlußurteils (iudicium supremum, vgl. Anm. 158) bei Ächtungen und Todesurteilen. Vgl. v. RICHTHOFEN, Rqu. 390 f., §§ 22—29. HECK 31 ff. HECK u. SIEBS, Zeitschr. f. deutsche Phil. 24, 435 ff. 107 Daher das frühere Mißverständnis, daß der Gau nur einen Schulzen gehabt habe. •OO V g l . HECK 32 f. 92 ff. 337 ff. v. D. BERQH 2 , 375. 506.
D i e Z w ö l f e r , die
wohl mit den fränkischen Inquisitionszeugen und den holländischen xeveniuig oder zeven buren zusammenhingen, hatten über alle Gerichtsvorgänge (auch Ladungen, Pfändungen, Besitzeinweisungen, Haussuchungen, gerichtlichen Augenschein) Zeugnis abzulegen, selbst eine Art von Gemeindezeugnis lag ihnen ob. Es genügte für ihr Zeugnis, wenn sieben gegen fünf aussagten. Vgl. SEERP GBATAMA, a. a. 0. 845 f.; Bijdrage tot de rechtsg. v. Drenthe (1883), S. 246 f. ""> Vgl. HECK 47 ff. 111 ff. "O N a c h g e w i e s e n v o n HECK 1 2 3 - 2 2 3 . 309—351 ( b e s o n d e r s 333). 391 ff.
36*
Das Mittelalter.
564
würde (S. 437) gelangt; sie fährten seitdem vorwiegend den Titel „Sprecher" oder „Klagemann" (orator, edictor, enunciator, kethere, ked, grietman, gretman)U1. Zuweilen hatte sich einer von ihnen zum Landesführer (orator terrae) erhoben, so daß das Richteramt im Landgericht ihm allein zustand. Die Asegen erscheinen ebenfalls unter neuen Namen (consules, redjevan, d. h. Bat- oder Spruchgeber, eekera, d. h. Rechtsherren oder Rechtshörer), was damit zusammenhängen mag, daß sie bei der Urteilfindung nicht mehr auf die mehr oder weniger objektive Rechtsweisung beschränkt waren, sondern ihr Urteil unter voller Würdigung aller Thatuipstände zu fällen hatten 112 . Die Zahl der Rechtsprecher belief sich nach wie vor in der Regel auf zwölf, je drei in jedem der vier Banne, so daß sie mit den vier Schulzen oder Grietmännern zusammengerechnet als die sedecim iudices des Landes bezeichnet werden konnten. Jeder Bann hatte drei Unterbezirke (Bauerschaften, Kirchspiele), von denen jeder seinen Rechtsprecher stellte, zur Zeit der Asegen durch Volkswahl, später durch Umgang bei den Stammgütern der bäuerlichen Edelinge (S. 449). Demnach erschienen im Schulzengericht durchschnittlich drei, im Landgericht zwölf Asegen oder Redjeven, von denen aber jeder nur zum Spruch über die seinem engeren Bezirk angehörigen Sachen berufen war 118 . Inwieweit sein Urteil einer Vollbort der übrigen Rechtsprecher und des Ding Volkes und der Ausgabe durch den Richter bedurfte, ist nicht sicher festzustellen 114 . Jedenfalls trat in der Folgezeit eine größere Neigung zum Kollegialsystem hervor, während es andererseits mehrfach den Richtern gelang, die Redjeven beiseite zu schieben. Im holländischen Friesland wurden die Asegen schon Ende des 13. Jahrhunderts durch Schöffenkollegien verdrängt, nur in Rinland fristeten sie, von den Obergerichten ausgeschlossen, noch bis zum 16. Jahrhundert ein kümmerliches Dasein 116 . 4. R e i c h s v o g t e i e n u n d a n d e r e h o h e Vogteien. Die Exemtion von den Grafengerichten erfolgte zuerst in den Krongutämtern (fisci), die bereits in der karolingischen Zeit die niedere Gerichtsbarkeit bei Händeln der Kronbauern untereinader besaßen und mit Hilfe des Reklamationsrechtes schon früh die volle Exemtion erlangten, indem der König alle Reklamationsfalle aus den Krongütern an delegierte Richter zu verweisen pflegte (S. 182). Sobald diese Delegation eine ständige wurde, erhob sich das Domänenamt zu einer domanialen Grafschaft oder Reichsvogtei, in der ein vom König eingesetzter Vogt die gräfliche Gerichtsbarkeit, und 111
Vgl. H E C K 138—191, über den Landesfiihrer ebd. 146 ff. Vgl. H E C K 69. 76 ff. 79 f. 309 ff. 394. Über die Übereinstimmung der Asegen mit den Redjeven ebd. 192 ff. 322 ff. 333. Vgl. H E C K 58 f. 91. 130. 316 ff. Die jüngere Zeit kannte auch eigene niederste Gerichte dieser Unterbezirke unter dem Redjeva als Richter. 1,8
1.4
Vgl. S. 175.
1.5
V g l . H E C K 1 1 3 ff.
H E C K 6 4 . 8 3 ff. 9 1 . 3 1 2 ff. 3 9 2 f .
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
4. Hohe Vogteien.
565
zwar in den bei den Landgerichten üblichen Formen, handhabte, während die niedere Gerichtsbarkeit entweder in den Händen des Amtmannes {iudex), jetzt regelmäßig Schultheiß genannt, verblieb oder auf die Meier (villici) der einzelnen Gutshöfe, als Dorfschulzen, überging116. Das älteste Beispiel ist die seit Ende des 9. Jahrhunderts nachweisbare Beichsvogtei Zürich, die außer den zur Pfalz gehörigen Krongütern die Besitzungen der unter königlicher Vogtei stehenden Beichsabtei Fraumünster und Fropstei Großmünster, seit dem 10. Jahrhundert auch die freien Leute vom Zürichberge mitumfaßte. Wir hier, so sind die Beichsvogteien auch später vielfach auf einzelne Absplisse der Grafschaften ausgedehnt worden117. In einzelnen Beichsvogteien kamen die Vögte später zu Gunsten der Organe korporativer Selbstverwaltung in Wegfall11®, während in anderen die Schultheißen die hohe Gerichtsbarkeit übernahmen und in der niederen durch Dorfschulzen ersetzt wurden119. Die Vögte waren fast immer Beamte; Belehnungen mit der Vogtei kamen nur vorübergehend vor, erst gegen Ende des Mittelalters wurden sie zur Begel, wodurch die Beichsvogteien den Charakter landesherrlicher Territorien erhielten120. Dagegen ließen die Verpfändungen der Beichsvogteien den Beichscharakter bestehen m . Während in der ersten Hälfte des Mittelalters die Vögte stets dem Herrenstand angehörten (oft Grafen benachbarter Grafschaften), die Schultheißen dagegen meistens Ministerialen waren, wurden seit dem 13. Jahrhundert fast nur noch Ministerialen als Vögte angestellt, einfache Landrichter die den König als den eigentlichen Vogt zu vertreten hatten m . Die Beichslandvögte waren zuweilen zugleich königliche Landrichter, an sich gehörte dies aber nicht zu ihrem Amt, das sich in gerichtlicher Beziehung auf die Einsetzung und Überwachung der ihrer Landvogtei angehörigen Gerichtsvögte beschränkte123. Als TJrteiler traten in den Beichsvogteien die Ministerialen in den Vordergrund, manche Vogteigerichte wurden zu reinen Bittergerichten124. Von besonderer Bedeutung ue Vgl. S. 506. v. W Y S S , a. a. O. 1, 3 ff. 2, 167 ff. LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 180 ff. 727 ff. LOEBSCH, Ingelheimer Oberhof pg. 49 ff. Nach letzterem pg. 182 ff. scheinen sich in Ingelheim selbst Beste des alten Reklamationsverfahrens erhalten zu haben. 1,7 Vgl. EÜLEB, Von Vogteien u. Dinghöfen (Mitteil. d. Prankf. Gesch.-Ver. 1 ) . SCHABFF, Die Grafschaft Bornheiinerberg, Arch. d. Frankf. Gesch.-Ver. 5 , 282 ff. THUDICHUM, Das freie Gericht Kaichen, 1 8 5 7 . LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 1 8 8 ff. 118 Namentlich in vielen Städten und in der schweizerischen Eidgenossenschaft. v. W Y S S , Beiträge 1, 5 6 . 60. 64. 2, 93. 100 ff. 119 So in dem Ingelheimer Reiche, wo früher die Vögte von Bolanden, später die Reichsamtmänner von Oppenheim dem hohen Gericht vorgestanden hatten. 1.0 Vgl. v. W T S S , Beiträge 1, 5 7 ff. 2 , 7 4 . LAMPBECHT 1, 7 2 9 . 1.1 Das Ingelheimer Reich befand sich seit 1375 als Reichspfandschaft dauernd im Besitze von Karpfalz. 124
I2» 1,4
V g l . v . WTSS, a. a. 0 .
1, 3 1 f . 4 4 .
50.
Vgl. TEUSCH, Reichslandvogteien 56. Besonders in Ingelheim. Die prineipes de fiseo in Zürich schon im 10. Jh.
V g l . WTSS, a. a. 0 .
1. 3 8 . 8 0 .
87.
Das Mittelalter.
566
wurden die hohen Gerichte der Reichsvogteien als Oberhöfe, nnd zwar auch für solche Niedergerichte, die später aus dem Verband mit dem Reiche ausgeschieden waren126. Nach dem Vorbild der Reichsvogteien haben sich die hohen Vogteien der Immunitäten, d. h. die grundherrlichen Grafschaften, entwickelt126. Die Karolingerzeit kannte im allgemeinen nur die niedere Vogtei, d. h. die auf die niedere Gerichtsbarkeit beschränkte Immunität mit einem dem Gentenar entsprechenden Vogt (advocatus)127, die auch im Mittelalter noch von großer Bedeutung war 128 . Sie gewährte nur die Exemtion vom Nieder-, nicht vom hohen Gericht; die Vogtleute blieben, wenn keine besonderen Privilegien entgegenstanden, der Dingpflicht am Landgericht unterworfen (S. 560), Verbrecher mußten an das Landgericht ausgeliefert werden128, der Rechtszug vom Vogtgericht an das Landgericht blieb gewahrt Aber schon im neunten Jahrhundert kam es vor, daß einzelnen Reichskirchen für ihre Besitzungen auch die hohe Gerichtsbarkeit bewilligt wurde130, was seit den Ottonen durchaus die Regel bildete131. Später haben auch Propsteien und viele weltliche Grundherren die hohe Vogtei erlangt 132 . In den grundherrlichen Grafschaften bedurfte es zweier Beamten, eines für die gräflichen, eines anderen für die Schultheißengerichtsbarkeit Träger der gräflichen Gerichtsbarkeit und der eigentlichen Vogtrechte war der Stiftsvogt, der regelmäßig dem Herren-, meistens selbst dem Fürstenstand angehörte, da das Verbot der Häufung 1,5 tM
V g l . LOEBSCH, a. a. 0 . p g . 2 0 2 ff. V g l . WAITZ 7 , 3 5 0 ff. 3 5 8 ff. 8 , 6 3 ff. 6 9 f.
HEUSLER, S t a d t v e r f a s s u n g 20.
34 ff. 44 ff. 108 f. ZÖPFI, Altertümer 1, 12 f. 67 f. 291 f. MAURER, Fronhöfe 4, 442 ff. v . WTSS, a. a. 0 . 2, 1 2 0 ff. 1 6 0 ff. LAMPRECHT 1, 1 8 6 f. 194. 1 1 1 2 ff. BLONDEL, D e
advocatis ecclesiasticis in rhenanis praesertim regionibns a 9. usque ad 13. saec., Pariaer Dies. 1892. SCHÜCKING, Das Gericht des westf. Kirchenvogts, Jen. Diss. 1897. Vgl. S. 181 f. 200 f. Die Beschränkung auf Klagen der Hintersassen gegen einander verlor sich zum Teil schon unter den späteren Karolingern. 148
V g l . LAMPRECHT 1 , 1 0 4 6 ff. ZSPFL, a. a. O. 1 , 3 ff. 21 ff. 3 9 ff. 7 0 ff. G. METER, Z R G . 16, 1 2 2 ff. BBONNER, E x e m t i o n s r e c h t 66 ff. MAVBER, F r o n h ö f c
3, 67 ff. 4, 84 ff. 397 ff. 423 ff. 444 ff. 458 ff. Der letztere verwirrt die Sache durch die Annahme, daß jeder Grundherr schon als solcher, ohne königliche Verleihung, die Niedergerichtsbarkeit gehabt habe und daher zwischen grundherrlicher Fronhofoder Hofmarkgerichtsbarkeit und der von dem Träger der Gerichtshoheit verliehenen niederen Vogtei zu unterscheiden sei. In Baiern wurde sämtlichen Landständen durch den Freiheitabrief von 1311 als Preis für die Bewilligung einer Bede die niedere Gerichtsbarkeit auf ihren Gütern zugestanden. Lehen waren schon als Reichs- oder landesherrliches Gut mit der Immunität ausgestattet. Vgl. SIEGEL, Wiener SB. 102, 267 ff. Nach den bairischen Quellen so, wie sie mit dem Gürtel umfangen waren (cingulo tenus), d. h. unter Zurückbehaltung ihrer ganzen Habe. Vgl. ZBG. 5, 41. 45. 130
V g l . WTSS, a. a. 0 . 1, 14. 21. 2, 149 ff. v . WICKEDE , D i e V o g t e i i n d e n
geistlichen Stiftern des fränkischen Reiches (Leipz. Diss. 1886), 43. 1,1 HEUSLER läßt die hohe Vogtei überhaupt erst von den Ottonen eingeführt sein. 184
Vgl. BRÜNNER, Exemtionsrecht 28.
a. a. 0 . 31. 146.
Wvss,
a. a. 0 .
2, 170 ff. LUSCHIN,
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
5. Gerichte in den Marken.
567
mit öffentlichen Ämtern (S. 201) sich nur auf die niedere Vogtei bezog, es auch schon früh üblich geworden war, die Stiftsvögte mit der Vogtei zu belehnen, wodurch der Amtscharakter der letzteren in den Hintergrund trat 133 . Bei der oft sehr zerstreuten Lage der Immunitätsgüter pflegten die Vögte, deren Aufgabe sich regelmäßig auf den gesamten Güterbestand, ohne Beschränkung auf eine einzelne Grafschaft, erstreckte, Untervögte zu ihrer Vertretung einzusetzen, was aber von den Immunitätsherren als eine Bedrückung empfunden und auf ihr Andringen von Reichs wegen untersagt wurde134. Die Form, in der die Gerichtsbarkeit in den hohen Vogteien gehandhabt wurde, entsprach ganz der in den Grafschaften. Das hohe Gericht des Vogtes entsprach dem Landgericht und wurde häufig auch als solches bezeichnet; für die Niedergerichte innerhalb der Vogtei galt es als Oberhof. 5. Die G e r i c h t s o r g a n i s a t i o n in den Marken 1 3 5 kennen wir nur aus Quellen die bereits einer jüngeren, seit dem 13. Jahrhundert auch in den übrigen Territorien hervortretenden Entwickelungsstufe angehören. Der ursprüngliche Zustand läßt sich nur im Wege der Kombination in den Grundzügen feststellen. Charakteristisch ist vor allem die territoriale Einheit der Marken, im Gegensatz zu den übrigen Fürstentümern, die, soweit sie sich nicht ausnahmsweise auf eine einzige Grafschaft beschränkten, als Konglomerate verschiedener Grafschaften und Grafschaftsteile erschienen186. Während die übrigen Fürsten in der Regel nur Obergrafen waren, unter denen einzelne Grafen kraft eigenen Rechts und königlicher Ermächtigung die Rechtspflege in den verschiedenen Grafschaften verwalteten, bildete jede Mark ein einheitliches Gerichtsgebiet unter dem Markgrafen als Richter. Die hohe Gerichtsbarkeit übten die Markgrafen ursprünglich persönlich oder durch einen jeweiligen Vertreter aus, indem sie die verschiedenen echten Dingstätten des Landes bereisten. Die bairische Ostmark hatte drei Dingstätten, an denen abwechselnd alle sechs Wochen, an jeder einzelnen also alle achtzehn Wochen oder jährlich dreimal, jedesmal mit dreitägiger Dauer, das markgräfliche oder herzogliche 1,8
Vgl.
ff. 3 4 3 ff. LAMPKECHT 1 , 1 1 2 2 ff. Vgl. jedoch S . 5 7 0 . f. LAMPRECHT 1, 1 1 2 5 f. FRANKLIN, Sent. Nr. 1 2 4 . Außer den S . 5 4 5 angeführten Werken von LUSCHIN, BRUNNER und K Ü H N S vgl. W A I T Z 7 , 8 4 f. 9 3 f. R I E D E L , Mark Brandenburg im Jahre 1 2 5 0 , 2 , 3 9 0 ff. BORNHAK, Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts 1 , 1 8 8 4 . HÄLSCHNER, Preußisches Strafrecht 1, 7 ff. v. POSERN - K L E T T , Zur Geschichte der Verfassung der Markgrafschaft Meißen im 13. Jahrhundert (Mitteil. d. deutsch. Ges. zu Leipzig 2 , 1 8 6 3 ) . ISAACSOHN, Geschichte des preuß. Beamtentums 1, 1 9 2 ff. SIEGEL, Wien. SB. 1 0 2 , 2 5 6 ff. HASENÖHRL, Osten-. Landrecht 1 6 5 ff. BERCHTOLD, Landeshoheit Österreichs 1 5 6 ff. DOPSCH, Arch. f. öst. Gesch. 7 9 , 6 6 ff. m Vgl. S. 403, n. 20. In den mit einer Mark verbundenen Grafschaften (S. 395) nahm der Markgraf nur Grafenstellung ein. Vgl. B R U N N E R , Exemtionsrecht 44. 49 f. 52. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 9—16. 25. Ssp. I I . 12, § 6. IM -YG] 135
WAITZ 7 , WAITZ
334
7, 3 3 0
Das Mittelalter.
568
Landtaiding abgehalten wurde 137 . Es ist unverkennbar, daß diese Landtaidinge oder oberen Landgerichte nichts anderes als die alten Grafengerichte der Markgrafschaft waren 138 , auch darin übereinstimmend, daß sie nur von den Dingpflichtigen der jeweiligen Dingstatt besacht wurden 139 , während ihre Zuständigkeit die ganze Markgrafschaft umfaßte 140 . Daß sie den Blutbann über die geringeren Klassen an die niederen Landgerichte abgegeben und dafür die niedere Gerichtsbarkeit über den hohen Adel eingetauscht hatten, beruhte auf bloßer Fortbildung. Als Stellvertreter des Herzogs diente anfangs der oberste Landrichter, ein besoldeter Beamter, der als iudex provincialis tocius Austriae in sämtlichen Landtaidingen zum stellvertretenden Vorsitz berufen war, bis König Otakar von Böhmen vier obere Landrichter mit besonderen Sprengein einführte, wobei aber alle causae maiores des hohen Adels dem König-Herzog vorbehalten blieben U 1 . In den Marken Meißen und Brandenburg lagen die Sachen im wesentlichen ebenso wie in Österreich. Auch hier erkennt man in den von den Markgrafen persönlich abgehaltenen Adelsgerichten die in ihrer Zuständigkeit teils erweiterten, teils verengerten ehemaligen Grafendinge 142 . In Meißen wurden diese Gerichte als Landdinge (placita s. iudicia provmcialid), in Brandenburg als. Hofgerichte bezeichnet. Der Markgraf hielt das Gericht wie in Osterreich alle sechs Wochen ab, indem er die einzelnen Dingstätten bereiste143. In Meißen werden besonders Schköhlen und Colmitz oder Collm als markgräfliche Dingstätten genannt, wahrscheinlich gab es noch eine dritte, so daß an jeder dreimal jährlich mit einer jedesmaligen Frist von achtzehn Wochen, gedingt wurde. Jede Dingstatt hatte ihren bestimmten Sprengel; die Dingpflicht beschränkte sich auf die diesem Sprengel angehörigen Ministerialen. Von den Dingstätten und Dingsprengeln der Mark Brandenburg weiß man nichts Bestimmtes, zu vermuten ist aber, daß die drei in dem ßichtsteig Landr. (c. 50, §§ 2. 3) genannten altmärkischen Oberhöfe (die Klinke bei Brandenburg, die Krepe in der Altmark und das Gericht zur Linde) den ursprünglichen Dingstätten entsprochen haben 144 . Im 12. Jahrhundert 187 Vgl. S. 394, n. 8. Schon eine der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts angehörende bairische Zollrolle (MG. Leg. 3, 480) läßt die Markgrafschaft des Arbo in drei eomitatus zerfallen. Vgl. den sogenannten Seifried Helbling 2, Vers 652 ff.
756 ff. RRUNMBB, a. a. O. 7. DOPSCH, Mitt. d. öst. Inst. 17, 307 ff. 188 Vgl. BRÜNNER, a. a. 0 . 7. LUSCHIN V. EBENOBEUTH 47 f. 103 ff. sieht auch
die niederen Landgerichte als Trümmer ehemaliger Grafengerichte an. "* Vgl. LUSCIIIH 61 f. Schöffenkollegien waren den österreichischen Gerichten unbekannt. Vgl. ebd. 60 f. 135. 110
141
Vgl. Urkunde von 1136 bei LUSOHIN 48.
Vgl. ebd. 60 ff. An eine Ableitung aus ehemaligen Landfriedensgerichten, die man sonst angenommen hat, ist hier nicht zu denken. "» Vgl. Ssp. III. 65, § 1. ui
144
Vgl. HOHETOR, Richtsteig Landrechts S. 510 ff. RIEDEL, a. a. 0 . 2, 549 f.
KÜHNS 2, 534 ff.
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 6. Bannleihe.
569.
hielten die Markgrafen das Gericht entweder persönlich ab oder ließen sich durch den Burggrafen des betreffenden Gerichtssprengeis, der eine ähnliche Stellung wie der ostfälische Schultheiß (S. 561) einnahm, vertreten 145 . Nach dem Verfall des Burggrafenamtes im Laufe des 13. Jahrhunderts begnügten sich die Markgrafen anfangs mit der Anordnung einer Vertretung von Fall zu Fall, seit dem 14. Jahrhundert wurden aber in Meißen wie Brandenburg bestimmte Generalvertreter der Markgrafen für die Zwecke der Rechtspflege angestellt. In Brandenburg führten diese den Titel „gemeine Richter des Hofes zu Brandenburg", auch „iudex generalis curiae" oder „capitaneus Marchiae"14i. Wie sie durchaus den obersten Landrichtern in Österreich entsprachen, so fanden auch die oben erwähnten Einrichtungen Otakars ihr Gegenstück in den nach Mitte des 14. Jahrhunderts eingerichteten brandenburgischen Distriktshofrichtern, deren Vertretungsbefugnis sich wie bei den vier österreichischen Landrichtern auf die causae minores (Schuldsachen) des Adels beschränkte147. 6. D i e B a n n l e i h e . Den wesentlichsten Unterschied zwischen der Gerichtsverfassung der Herzogtümer und Marken gegenüber der der übrigen Territorien fand der Sachsenspiegel (III. 64, §§ 3—7) darin, daß die Pfalzgrafen, Landgrafen, Grafen und Stiftsvögte unter Königsbann, Herzoge und Markgrafen dagegen, insbesondere die letzteren, ohne Königsbann „bei ihren eigenen Hulden" dingten 148 . Der Gegensatz bezog sich auf Vgl. Ssp.
III.
5 2 , § 3.
RIEDEL,
a. a. O. 2 ,
1 3 0 ff. 4 2 7 .
R Ö H N S X, 9 9 ff.
In zwei Landdingen zu Schköhlen wird der Burggraf zu LeiSnig als scultetus provineialis placiti bezeichnet (v. P O S E R N - R L E T T , a. a. 0. 48). Unrecht hat der Sachsenspiegel nur, wenn er den Burggrafen als ordentlichen Richter über den Markgrafen bezeichnet, während dieser als Reichsfurst in allen Sachen (nicht bloß, wie nach der Glosse, in Straffällen) seinen Gerichtsstand vor dem Reichshofgericht hatte. V g l . KÜHNS X, 2 0 3 ff. 2 , 2 6 2 ff. RIEDEL 2 , 4 2 7 ff. v . POSERN-KLETT 4 8 . XX2. 117
V g l . KÜHNS X, 2 0 9 ff. 2 , 2 8 0 ff.
148
Vgl. Ssp. I. 59, §
1. I L
1 2 , § 6. I I I . 6 4 , § 5.
WAITZ 7, 2 6 f . 3 9 f .
84f.
251 f. 340 ff. v. ZALLINOER, Über den Königsbann, Mitt. d. öst. Inst. 3, 539 ff.; Zur Geschichte des Königsbannes, ebd. 10, 224ff.; Das würzb. Herzogtum, ebd. 11, Sonderabdruck 28 ff. HOMEYER, System des Lehnrechts 540 ff. KOUNS, a. a. 0. 1, 42 ff. G A U P P , Stadtrechte 2, 208 f.; Miscellen 122 ff. BERCHTOLD, Landeshoheit Österreichs X59 ff.; Entwickelung der Landeshoheit X5X ff. ZÖPFL, Altertümer 1, 76 f. BODMANN, Rheing. Altertümer 580 ff. BRUNNEB, Grundz. 122; Exemtionsrecht 11 ff. v. AMIRA, Grundr.* 98. 102. SIEGEL, RG.* 245. 264. 496. 528. LINDNEB, Verne 334 ff. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 50. LUSCHIN V. EBENQREUTH, a. a. 0. 13. 25. D A H N , Germ. Studien (Bausteine 6) 183 ff. W I E D I N O , GGA. 1866, 2046 ff. HALTAUS, Glossar 94. 174. 1109 ff. W. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes, Marb. Progr. 1886. Eine wesentlich verschiedene Auffassung des Königsbannes entwickelt G . M E T E R , Verleihung des Königsbannes und das Dingen bei markgräflicher Huld, 1881, der das „Dingen unter Königsbann" auf das früher königliche Recht, Gebote und Verbote bei einer Strafe (Gewette) von 60 Schill, zu erlassen, bezieht und die Angaben des Sachsenspiegels mit dem bekannten Zugeständnis Karls des Großen an die sächsischen Grafen (S. 130. 173) in Verbindung bringt; in Süddeutschland sei diese Art des Königsbannes im allgemeinen unbekannt gewesen, die von süd-
570
Das Mittelalter.
die verschiedene Art der Gerichtsleihe, jenachdem durch diese die Gerichtshoheit selbst oder nur das Recht der Gerichtsverwaltung übertragen wurde Bis zum 13. Jahrhundert gewährte die Belehnung mit einem Fahn- oder Scepterlehen nur das Recht der persönlichen Gerichtsverwaltung in Vertretung des Königs 149 . Bei Anwesenheit des Königs wurden ihm alle Gerichte ledig (S. 170 f. 546), vermöge des ius evocandi konnte jede Klage mit Umgehung des ordentlichen Richters sofort an den König gebracht werden (S. 546), Berufungen gingen von den Landgerichten unmittelbar an das Königsgericht (S. 547), die Gerichtsorganisation und Erteilung gerichtlicher Exemtionen (S. 557) stand ausschließlich und unbeschränkt dem König zu. Ein Substitutionsrecht besaßen die Grafen, wie in der fränkischen Zeit, nur zu den Zwecken vorübergehender Vertretung oder in Sachen der niederen Gerichtsbarkeit, die eben darum als territoriale Angelegenheit behandelt wurde 16°. Dagegen bedurfte es für die Untergrafen der Fürsten und die Stiftsvögte (S. 566 f.) einer besonderen Bannleihe durch den König 161 . Diese erforderte weder Lehnseid, noch Mannschaft, noch deutschen Quellen erwähnte Bannleihe daher nicht auf den Königsbann, sondern auf den Blutbann zu beziehen, den die geistlichen Fürsten ihren belehnten Richtern nicht selbst zu erteilen vermochten (vgl. Anin. 159.161f.). Aber das Gewette von 60 Schill, war schon unter den Karolingern mehr und mehr zu einem Gemeingut der Grafen geworden (vgl. SOHM, K . - u. GVerf. 1 7 5 ff.) und auch in Süddeutschland stark verbreitet, während im Mittelalter in Nord- wie Sttddeutschland, zum Teil wohl mit Rücksicht auf die Vermögenslage der Bevölkerung, vielfach abweichende, namentlich auch geringere Sätze vorkommen. Vgl. W E I L A N D , Const 1 , 30S (1162). Ssp. III. jB4, §3. Schwsp. L. 121*. 138. 189. 158. G A Ü P P , Mise. 117 ff. BRÜNNER, Exemtionsrecht 8 f. Wenn das Gewette in Schlesien und Preußen dieselbe Höhe wie in den Marken (30 Schill.) hatte, so wird der Grund hier wie dort in der wirtschaftlichen Lage der Kolonisationsbevölkerung zu suchen sein. DaB das geringere Gewette mit dem Dingen unter Königsbann durchaus vereinbar war, zeigt sich an dem Gewette von 21 Schill, bei den friesischen Landgerichten (vgl. His, Fries. Strafrecht 16). Der eigentliche Königsbann (bannus regius, b. imperialis), der auf die Verletzung königlicher Gebote gesetzt war, betrug im Mittelalter 100 Pfd. für Fürsten, 10 Pfd. für die übrigen Stände, unter Umständen noch mehr. Vgl. S. 531. Schwsp. L. 138. W A I T Z 6», 568ff. F I C K E R , Forsch. 1, 62ff. 76ff. Wbu^nd, Const. 1, 308. Der herzogliche Bann betrug nach Ssp. III. 64, § 3 für Grafen und Herren 10 Pfd. (200 Schill.). 149 Wahrzeichen der königlichen Gerichtsbarkeit war die Gerichtsfahne. Vgl. SCHRÖDER, Rolandsäulen 31 f. W A I T Z 8, 492. LOERSCH, i. d. Bonner Festgruß an HOMETER 42. 64. HALTAUS, Glossar 1109 f. Über andere Gerichts Wahrzeichen (Kreuz, Schwert, Strohwisch, Hut, Handschuh, eiserne Hand) vgl. SCHRÖDER, a. a. 0. 31 ff.; Weichbild 312. 319 f. IM Vgl. S. 167. Constit. in fav. princ. 7 f.: Centumgravii reeipicmt eentas a domino terre vel ab eo qui per dominum terra fuerit infeodatus. Item loeum ernte nemo mutabit sine consensu domini terre. 161 Vgl. Anm. 1 0 2 . W E I L A N D , Const. 1, 1 8 1 ( 1 1 4 9 ) . Von den Rheingrafen sagt ein Urbar aus dem Anfang des 1 3 . Jh. (KREMER, Orig. Nass. 2 , 2 1 7 , Nr. 1 2 5 ) : ab imperio habet in benefido bannum in Rinehouse super cometiam, item ab arehiepiseopo Mogontino habet in bmeficio cometiam in Rinchowe. Vgl. erstes Straßb. Stadtr. c. 11 (Urk.-B. d. St. Straßb. 1, 468). Sächs. Weiclib. 11 (Magd. RB. v. d. Gerichtsverfassung c. 6). Magd.-Bresl. syst. Sch.-R. U . 2 , 6 . HOHETOR,
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
6. Bannleihe.
571
Lehnserneuerang im Falle eines Thronwechsels, sondern einen in die Hand des Königs zu leistenden Amtseid 162 . Die Bannleihe war die königliche Bestallung für alle Träger der gräflichen Gerichtsbarkeit welche diese nicht unmittelbar, sondern erst in dritter Hand vom Reiche empfingen; die "Übertragung von Grafschaften bis in die vierte Hand kam nur in seltenen Ausnahmefällen vor 163 . Die Bannleihe durfte nur versagt werden, wenn dem mit dem Gericht Belehnten die gesetzlichen Eigenschaften fehlten; er mußte dem Herren-, seit Mitte des 12. Jahrhunderts wenigstens dem Ministerialenstand angehören und durfte sich nicht in Acht und Bann befinden 154 . In den Marken und Stammesherzogtümern kamen die Beschränkungen, die den übrigen Territorien durch die Gerichtshoheit des Königs auferlegt wurden, teils von vornherein in Wegfall, teils wurden sie infolge kräftigerer Entwicklung der landesherrlichen Gerichtshoheit schon früh ausgeschlossen. Nur die Oberaufsicht des Reiches über die Handhabung der Rechtspflege blieb auch hier gewahrt 166 . Die von der Gerichtsverfassung des Reiches gebotene Einteilung in Grafschaften, deren jede ihren eigenen Grafen oder einen von diesem belehnten, vom Reiche durch die Bannleihe bestallten Untergrafen verlangte 166 , war den Marken von Anfang an fremd. Die Marken bildeten, abgesehen von den mit ihnen verbundenen Reichsgrafschaften, für die es durchaus beim alten blieb 167 , geschlossene Territorien, die zugleich als einheitliche Gerichtssprengel galten (3. 567). Ordentlicher Richter des Landes war der Markgraf selbst, der die einzelnen Dingstätten entweder persönlich bereiste oder das Gericht in seinem Namen durch Stellvertreter abhalten ließ. Auch nachdem an allen nicht der unmittela. a. 0. 542.. EICHBORN 2, 424 f. FRANKLIN, RHGericht 2, 116, n. 3. v. ZALLINGEB, Königsbann 556. 560. 563; Bannleihe 231, n. 2. Auf das Privileg Friedrichs II. von 1245 für die Grafschaft Haag (ZALLINQEB, Königsb. 558 f.) darf man sich nicht berufen, da es sich in diesem nicht um eine Bannleihe, sondern um eine Exemtion bei Gelegenheit der Einziehung der früheren Grafschaft Wasserburg handelte. Vgl. RIEZLER, Gesch. Baierns 3, 972 f. Vgl. Anm. 102. § 40 n. 17. HOMEYER, a. a. 0. 541 ff. LINDNER, Verne 487 ff. »»* Vgl. S. 576. Ssp. III. 52, § 3. Sächs. Lehnr. 71, § 2. Schwsp. L. 114«. Schwab. Lehnr. 132. BÖHMER, Acta imp. Nr. 122 (1152). HOMEYER 534 f. 537 f. B R U N N E R , Ezemtionsr. 49 ff. L A N D A U , Hessengau 42. Über die Bezeichnung der Vizegrafschaft als SchultheiStum (Ssp. III. 52, § 2) vgl. S. 131, n. 29. SCHRÖDER, Gerichtsverf. 48 f. HOMEYER 539 f. EICHHORN 2, 357 f. IM Vgl. FICKER, Reichsfürstenstand 7 9 f. ZALLINGEB, Königsbann 5 5 9 . W E I L A N D , Sächs. Herzogtum 109 f. Über die Ausschließung der Gebannten vgl. Conf. c. pr. eccl. c, 6. 155 VGL. W E I L A N D , Const. 2, 429. Mainzer Landfr. v. 1235, c. 4 (ebd. 2, 242). Mit dem Oberaufsichtsrecht hing es zusammen, daß in Fällen der Rechtsverweigerung die Berufung an das Königsgericht auch gegenüber den privilegia de non appellando gewahrt blieb. Vgl. S. 547. i5» Vgl. Anm. 75. Ssp. III. 53, § 3: Man ne mut ok nen gerichte dehn, noch ganz lien noch del, de dem it dar gelegen is, — — it ne si en sunderlik grafscap, die in en vanlen höre; die ne mut man san nicht ledieh hebben. " 7 Vgl. Anm. 136. 160 i. f. Ssp. II. 12, § 6. BRUNNER, Exemtionsr. 44. 49 f. 52.
572
Das Mittelalter.
baren landesherrlichen Jurisdiktion vorbehaltenen Dingstätten eigene Landrichter (Hofrichter, Vögte) mit bestimmt abgegrenzten Landgerichtssprengeln (Vogteien) Eingang gefunden hatten, hielt man doch daran fest, daß diese Beamten nur die Vertreter des Markgrafen waren, eine der königlichen Bannleihe bedürftige Übertragung der Gerichtsbarkeit daher nicht vorlag 158 . In derselben Richtung muß sich schon früh die Entwickelung in den Stammesherzogtümern bewegt haben: Berechtigung des Herzogs, in allen nicht verliehenen Grafschaften seines Herzogtums die Gerichtsbarkeit persönlich oder durch Stellvertreter auszuüben, Ersatz des Grafschaftsystems durch ein System über das ganze Land ausgebreiteter Landgerichtsprengel (Pflegen, Ämter), an deren Spitze landesherrliche Beamte (Landrichter, Pfleger) hei des Herzogs Hulden, ohne Königsbann, der Rechtspflege oblagen 159 . Im Laufe des 13. Jahrhunderts gelang es allen bedeutenderen Fürsten, sich nach dem Vorbild der Herzoge und Markgrafen in den Besitz der Gerichtshoheit zu setzen, so daß die königliche Bannleihe auch bei ihren Landgerichten, obwohl für diese im allgemeinen noch das System der Afterverleihung festgehalten und von der Gerichtsverwaltung durch Beamte zunächst abgesehen wurde, außer Übung kam 160 . Auch die geistlichen IIS YGI Brunne», a. a. O. 13 f. 60. Nur weil der Landrichter einzig der Stellvertreter seines Herrn war, konnte dieser sich das „letzte Urteil" vorbehalten. Vgl. Anm. 106. § 60, n. 66. § 51, n. 31. Schröder, Gerichtsverfassung 59; Schultheiß, ZRG. 20, 1 n. 13. v- Posebn-Klett, Verf. d. Markgrafach. Meißen 59f. Riedel, a.A.O. 2, 421. 478 f. Bornhak, ä. a. O. 1, 32. 75. Unrichtig Kühns, a. a. 0. 1, 150. 281 ff. 1W Vgl.S.609n. Robemthal, a.a.O. 50ff. 322ff. Da es in der bairischen Ostmark und den Herzogtümern Baiern und Schwaben ebenso wenig wie in Böhmen und Mähren eine königliche Bannleihe gab, so' ist es erklärlich, wenn die- letztere für S&ddeutschland nur aus geistlichen Territorien bezeugt ist. 160 In Süddeutschland war die königliche Bannleihe nach Dsp. 81 in den weltlichen Fürstentümern bereits allgemein abgekommen: Dirre dinge bedarf ein lai nicht, der geriehte enphahet von dem chtmige, der leihet tcol dm pan einem seinem rickter. Vgl. ebd. 107. Schwsp. L. 92. 115. 141. Schwfib. Lehnr. 41b. Dagegen gab es in Norddeutschland nach einer zwischen 1230 und 1270 verfaßten polnischen Rechtsquelle (Volckmann, Das älteste polnische Rechtsdenkmal, 1869, c. 1; auch bei Helcel, Starodawne prawa polskiego, II. 1870) außer den Markgrafen erst „etliche Fürsten", die ihr Gericht nicht mehr von Obergewalt, d. h. unter Königsbann, hegten: wen ir (d. h. der Polen) gerieht von dem kaiser in di uerlt nicht enkunt, als dulscher pursten unde rickter tut, xo enhabin xe dex keine gewonheit, da» xe ir geriehte hegin von obergeaalt, ah dutsehe rickter pflegen xu tun. wax abir xe gerichtin adir wax vor in bekant wirt adir geloukint, dax hat xo getane macht, alxe markgraven unde etlicher dutschenvursten, die ir ding nicht enhegin (erg. von Obergewalt), wen dax geriehte hat aller enden in ir gewalt gekegetes dinget macht. Vgl. Brunner, Kr. VJSchr. 12, 120. Einen Übergangszustand zeigt die Stellung des friesischen Schulzen (Anm. 103). In einem Lehenregister der Markgrafen von Meißen aus dem 14. Jh. (v. Posern-Klett, a. a. O. 56 f.) zeigt sich noch deutlich das Bewußtsein, daß der Landesherr in seinen Marken Meißen und Landsberg kraft eigenen Rechts, dagegen in der Landgrafschaft Thüringen, in Pfalzsachsen und verschiedenen Grafschaften und Herrschaften nur kraft eines ihm vom Könige verliehenen Rechtes den Richtern den Bann erteile:
§ 49. Die Gerichtsverfassung. 7. Königl. Landgerichte.
573
Fürsten machten keine Ausnahme 141 , obwohl theoretisch bis auf Bonifatius VIII. daran festgehalten wurde, daß ein geistlicher Fürst nicht nur persönlich an keinem Blutgericht teilnehmen dürfe, sondern auch den Blutbann nicht selbst auf einen anderen übertragen könne 103 . 7. K ö n i g l i c h e L a n d g e r i c h t e 1 6 3 . Während die Landgerichte innerhalb der Territorien im allgemeinen dem Prinzip des Feudalstaates zum Opfer fielen und rein territorialen Charakter annahmen, hatten sich doch hier und da königliche Reichslandgerichte teils als unmittelbare Reichsgerichte für die von den alten Landvogteien übrig gebliebenen Reichsdörfer, teils als territoriale Landgerichte, die aber den Zusammenhang mit dem Reiche nicht verloren hatten, behauptet. Wenn dies vor allem in Westfalen der Fall war, so fehlten diese Gerichte doch auch in Süddeutschland nicht ganz. Abgesehen von solchen, die nur einen beschränkten Wirkungskreis besaßen, wie die Landgerichte zu Ingelheim, Bornheimer in allen dissen lehen und herschaften do hat der her den ban inne xu lehene vom riche, âne in den marken. 161 Vgl. v. ZALLINGER, Königsbann 560 fl.; Bannleihe 230 ff. BODMANN, a. a. 0 , 582 f. GBI'MM, Weistümer ß, 114, §§ 16. 19. Schreiben Rudolfs I. an den Erzbischof von Salzburg von 1278 (BÖHMER, Acta imp. Nr. 420): Ex concessione tuorum regalium plenam et liberam potestatem in tuis districtibus et territoriis iudicandi more maiorum nostrorum prineipum in causis civitibus et criminalibus aceepisti. cum enim unum te ex sublimibus prineipibus Romani imperii eognoscamus, dubitari a nemine volumus, quin merum imperium tuo prmcipatui sit annexum, per quod habes ins animadvertendi in facinorosos hommes et gladii potestatem, per alium tarnen, prout ordini et honori tuo congruit, exhercmdum. 182 Vgl. c. 3 ne clerici vel monachi, in VIto III. 24. Wie sehr man sich schon im Anfang des 12. Jahrhunderts über die Verbote des kanonischen Rechtes (c. 5. 9 X . ne clerici III. 50) hinwegsetzte, zeigt W A I T Z 8, 21 n. Dsp. 81. 107, Schwsp. L. 92. 115 und Schwfib. Lehnr. 41 halten noch streng an dem Verbot fest und fordern im Gegensatz zu den Laienfürsten für alle mit dem Blutbann ausgestatteten Sichter der Pfaffenfärsten unbedingt die königliche Bannleihe, v. ZALLINGER vermutet wohl nicht mit Unrecht, daß das Schreiben Rudolfs I . von 1278 (Anm. 161) gerade dazu bestimmt war, die Ausnahmestellung der hervorragenderen Pfaffenfürsten gegenüber dem Schwahenspiegel ausdrücklich zu bezeugen. ie * Vgl. PFEFFINGEB, Vitr. illustr. 4, 661 ff. BRONNER, Grundzüge 139. ROTH, Bayr. Civilr. 1 59 ff. VOGEL, Ludwig von Eyb über das kaiserl. Landger. Nürnberg, 1867. R I E D E L , Gesch. d. preuß. Königshauses 1, 465 ff.; Abh. d. Berl. Ak. 1834, . S . 386 ff. RLUCKHOHN, Ludwig der Reiche 59 ff. ZÖPFL, Das alte Bamberger Recht 89 ff, ÖSTERREICHER, Denkwürdigk. d. fränk. Gesch. 2, 54 ff. BENSEN, Hist. Unters, über Rotenburg, 1837. ROSENTHAL, a. a. 0. 100 ff. RIEZLER, Gesch. Baierns 3, 689. E. MATER, Zeitschr. f. Gesch.-Wiss. N F . 1, 204 ff. 222 ff. RÜCKGABEB, Gesch. d. Reichsstadt Rottweil 2, 1 S . 3ff.(WEGELIN), Gründl, hist. Bericht v. d. Reichslandvogtei in Schwaben wie auch dem Landgericht auf Leutkircher Haid u. i. d. Pirs, 1755. BAUMANN , Die Gaugrafschaften im wirt. Schwaben 42. 48 f. 164 ff. PAVLY, Beschreibung d. Oberamts Leutkirch (Beschreibung d. Kgr. Wurtemberg 18, 1842) 103 ff. P. STALIN, Beschreibung d. OA. Rottweil (ebd. 56, 1875) 295 ff. W E H N E B VON HELTENBEBO, Ordnung u. Reformation des Hofgerichts zu Rottweil, 1610. W A L T E R , DRG. §§ 625 f. R I E D E R , Landgericht an dem Roppach, Ber. d. hist Vereins f. Bamberg 57, 1 ff.
Das Mittelalter.
574
Berg, Kaichen (Anm. 117), Hirschberg, Rotenburg ob der Tauber, Bamberg u. a. m., kamen besonders in Betracht: das aus einem Landfriedensgericht hervorgegangene, aber schon 1168 auch für Immobiliar- und Freiheitsprozesse zuständige königliche Landgericht des Herzogtums Franken (d. h. der Diözese Würzburg) zu Würzburg 104 , das aus der fränkischen Landvogtei entstammte königliche Landgericht zu Nürnberg (später zu Onolzbach, Ansbach), mit dem die Burggrafen von Nürnberg belehnt waren, das die Reste der Landvogtei von Oberschwaben zusammenfassende Landgericht auf der Leutkircher Haide und der freien Birs1®5, endlich das in gleicher Weise aus der Landvogtei von Niederschwaben hervorgegangene Landgericht („auf des Kaisers Hof", daher seit Wenzel „Hofgericht") zu Rottweil160. Diese Gerichte galten infolge ihrer Vereinzelung als berechtigt, innerhalb engerer oder weiterer Grenzen auch Rechtssachen aus anderen Gerichtsbezirken, die bei ihnen angebracht wurden, zu entscheiden107. Wurden solche von dem zuständigen Richter auf Grund eines Privilegium de non evocando abgefordert168, so war dies doch nur von Wirkung, wenn dem Kläger binnen bestimmter Frist sein Recht gewährt wurde; anderenfalls war die Zuständigkeit des kaiserlichen Landgerichts schon aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (S. 559) wegen Rechtsverweigerung begründet. Die kaiserlichen Landgerichte galten ebenso wie das Reichshofgericht als berechtigt, die Acht zu verhängen und das Anleiteverfahren (Immobiliarexekution) eintreten zu lassen. 8. Die Femgerichte 1 9 9 . Von ungleich größerer Bedeutung als die 184 Vgl. S. 555. HENNEB, Herzogl. Gewalt d. Bisch, v. Wirzburg, 137 ff. v. ZAILINGER, Würzburger Herzogtum, Mitt. d. öst. Inst. 11, SA. 23ff. 40ff. E. MATER, a. a. O. 204 ff. 186 Die freie Birs (Birsch, Piirsch) war ein freier Jagdbezirk im Argengao, der nach dem Verfall der Landvogtei mit dem Landgericht bei Leutkirch vereinigt wurde. Die Dingstätten waren Leutkirch, Ravensburg, Wangen und Lindau. 160 Auch bei Rottweil gab es eine freie Birsch mit einem kaiserlichen „Birsch-
gericht". 167
Vgl. RCCKOASEB, a. a. O. 122 ff.
Vgl. Nürnberger RA. vpn 1438, § 2 (Neue Samml. der Reichsabschiede 1,161).
u« V g l . FRANKLIN, R e i c h s h o f g e r i c h t 2, 7 ff.
M " Von der umfangreichen, zum Teil freilich jedes wissenschaftlichen Wertes baren Litteratur sind als beachtenswert hervorzuheben: LINDNBB, Die Verne, 1888; Der angebliche Ursprung der Vemegerichte aus der Inquisition, 1890; Verne u. Inquisition, Hall. Progr. 1893; Deutsche Geschichte unter d. Habsb. u. Luxemb. 2, 378 ff.; Die Vemeprozesse gegen Herzog Heinrich von Baiern, Zeitschr. f. GW. 3, 65 ff. WIGAND, Das Femgericht Westfalens, 1825 (2. Aufl. 1893). v. WÄCHTER, Vehmgerichte des Mittelalters (Beiträge z. deutsch. Geschichte 3 — 3 8 . 113—244). BBODE, Freigrafschaft und Vehme, Hall. Diss. 1880; Histor. Aufsätze zum Andenken an WAITZ 377 ff. DITNCKER, Krit. Besprechung der wichtigsten Quellen z. Gesch. der westf. Femgerichte, ZRG. 1 8 , 116 ff EICHHORN 3 , 1 7 1 — 2 2 3 . WALTER, RG. § § 6 2 7 — 6 3 3 . SCHULTE, RG. §§ 116 ff. FRENSOORFF, Dortmunder Statuten und Urteile 1882, pg. 144 ff. PHILIPPI, Das westf. Vemegericht, 1888. THUDICHUM, Femgericht u. Inquisition, 1889; Hist. Zeitschr. 68, 1 ff. FINKE, Hist. Jahrbuch 11, 491 ff. GÜNTHER, Zeitschr. f. Strafe.-Wiss. 11, 168 ff. BORNHAK, Preufi. Jahrb. 66, 108 ff. BRUNS, Beiträge z. d. deutschen Rechten des MA., 1799, S. 290 ff. CBUDELIU«, Von
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
8. Femgerichte.
575
vereinzelten kaiserlichen Landgerichte Süddeutschlands sind die westfälischen Frei- oder Femgerichte gewesen. Die Gerichtsverfassung Westfalens beruhte von Hause aus auf denselben Grundlagen wie die des ostfälischen Landes, nur fehlte ihr das in diesem vorherrschende aristokratische Element und dessen Führer, der Schultheiß oder Overbode170. Auch in Westfalen unterschied man Grafen- oder Gogerichte, die letzteren auch hier unter Gografen, die von den Gerichtsherren entweder auf Wahl der Gemeinde eingesetzt oder mit dem Amte belehnt wurden. Aber die Grafengerichte waren nicht wesentlich Adelsgerichte, sondern Freiengerichte, da neben dem Adel und den hier schon früh in die öffentlichen Gerichte eingedrungenen Ministerialen die freien bäuerlichen Grundbesitzer ihren vollen Gerichtsstand und die SchöfFenbarkeit vor dem Grafengericht behauptet hatten. Daß man nur aus diesem Grunde, wie unter gleichen Voraussetzungen auch anderwärts im Reiche, von Freigerichten, Freigrafschaften und Freistühlen sprach, unterliegt keinem Zweifel. Die westfälischen Landrichter waren Freigrafen, weil sie im wesentlichen über die Gesamtheit der freien Bevölkerung zu Gericht saßen, während die ostfälischen Grafen in der Hauptsache nur mit dem Adel zu thun hatten. Größere Schwierigkeiten macht die Bezeichnung der Gerichte als Femgerichte, der Schöffen und zuweilen auch der Dingleute als Femgenossen (vemenöte). Auf die verschiedenen zum Teil recht abenteuerlichen Deutungen des Wortes ist hier nicht einzugehen. Da die Freischöffen schon 1227 unter dem Namen „Femgenossen" erscheinen 171 , so muß jede Beziehung des Wortes zu den späteren Gestaltungen der Freigerichte, z. B. der heimlichen Acht (secretum iudicium) oder dem Femschöffenbunde, ausgeschlossen bleiben. In den verschiedensten Teilen Norddeutschlands begegnen im Mittelalter Landfriedensgerichte, die, ohne jeden Zusammenhang mit den westfälischen Gerichten, den Namen „Femgerichte" führten 1 7 2 ; aber gerade in Westfalen begegnet das Wort in Landfriedensbeziehungen nie, es muß vielmehr technische Bezeichnung der Freigerichte schon zu einer Zeit geworden sein, wo diese noch einfache gräfliche Landgerichte waren. Als solche waren sie die ordentlichen Träger der hohen Gerichtsbarkeit, namentlich der peinlichen Gerichtsbarkeit an Hals und Hand. Das Wort veme ist aber seit dem 13. Jahrhundert im Sinne von „Strafe", wie vertier in dem von „Scharfrichter", bezeugt, es ist daher anzunehmen, daß man in Westfalen die Grafendinge eben wegen dessen, was ursprünglich ihre hervortretendste Aufgabe bildete, als Straf- oder
dem Gerichtszwang der westf. Freigerichte, bei (ANTON), Dipl. Beiträge, 1877, S. 115 ff. Kopp, Verfassung der heiml. Gerichte in Westfalen, 1794. BISCHOFF, Mitteil. d. hist. Ver. f. Steiermark 2 1 . ROSENTHAL, a. a. 0 . 2 4 ff. H E I N Z E , N. Heidelb. JB. 3, 199 ff. 170 yg] SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 51 ff. 171
179
Vgl.
LINDNER, a . a . 0 .
309.
Vgl. ebd. 3 1 2 ff. K Ü H N S , Gerichtsverfassung der Mark Brandenburg, 1 , Darauf bezieht sich die Erklärung von JOSTES bei L I N D N E B , a. a. 0 . 3 0 7 f.
256
ff.
Das Mittelalter.
576
Femdinge zu bezeichnen liebte. Einmal eingebürgert, wurde diese Bezeichnung auch beibehalten, als die Freigerichte den Blutbann üjber die geringeren Klassen an die Go- oder Hogerichte abgegeben hatten, und selbst da noch, als die Konkurrenz der Landfriedensgerichte ihre Strafgerichtsbarkeit fast ganz lahm legte und sie sich in der Hauptsache auf Immobiliarprozesse beschränkt sahen. Als die weitere Entwickelung gerade die strafrichterliche Thätigkeit wieder in den Vordergrund rückte, kam der althergebrachte Name zu neuen Ehren und gab Anlaß zu neuen, bisher unbekannten Wortbildungen (wie vemebriefe, vemewröge)173. Die westfälischen Freigrafschaften umfaßten ursprünglich ebenso wie alle anderen sächsischen Grafschaften mehrere, auf die einzelnen Goe verteilte Dingstühle, die der Graf zu bereisen hatte 174 . Eine eigentümliche Erscheinung war es aber, daß die Grafen sich früher als anderswo durch Ministerialgrafen vertreten ließen, denen häufig nur ein einziger Ding- oder Freistuhl überwiesen wurde. Diese Isolierung der Freistühle nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu, so daß man sich gewöhnte, die einzelnen Freistühle mit der zu ihnen gehörigen Gerichtsbarkeit als selbständige Vermögensobjekte zu behandeln, die für sich, unabhängig von den sonstigen Grafschaftsrechten, verliehen, veräußert, verpfändet werden konnten 176 . Unter „Freigrafschaft" verstand man demnach nicht mehr eine Grafschaft, sondern den Inbegriff einer größeren oder geringeren Zahl von Freistühlen, selbst ein einzelner Freistuhl konnte eine Freigrafschaft bilden. Der Inhaber einer Freigrafschaft hieß Stuhlherr; soweit er dem Freigericht selbst vorsaß, war er zugleich Freigraf; ließ er sich durch einen angestellten TJnterrichter vertreten, so wurde dieser als Freigraf bezeichnet176. Während der Besitz der vollen gräflichen Gerichtsbarkeit sonst den wesentlichsten Inhalt des Fürstentums bildete, ließen sich die westfälischen Fürsten an der Gogerichtsbarkeit genügen. Soweit die Fürsten die Freigerichte festgehalten hatten, waren sie zugleich Stuhlherren177, aber die meisten Freistühle befanden sich als Lehen in vierter oder fünfter Hand oder waren, obwohl ursprüngliche Bestandteile der Grafschaft, also eines Beichslehns, zu allodialem Becht veräußert Die zahlreichen Stuhlherren geringeren Standes (meistens Ministerialen) waren nicht in der Lage, sich selbst zu Landesherren aufzuschwingen; andererseits fanden sie gegenüber " » V g l . GEIMM, LÜBBEN, 138
ff.
WB.
DWB.
5, 232.
3,
LEXER,
1516
ff.;
Mittelhd.
b e i WIGAND, WB.
3, 62 f.
a. a. O.
307
FBENSDORFF,
ff.
SCHILLEB-
a. a. 0 . pg.
152.
Verne 1 — 1 9 3 . FBENSDORFF, a. a. 0 . 1 5 0 . SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 40 ff. 176 Vgl. Anm. 77. Ähnlich der Stellung der friesischen Landesführer nach der Verdrängung der Grafen aus der Rechtspflege. Vgl. S. 563 f. " a Wollte der Stuhlherr selbst den Vorsitz einnehmen, so mußte der von ihm angestellte Freigraf ihm jederzeit weichen. 177 Der Erzbischof von Köln besaß elf Gografschaften, aber zu Anfang des 1 4 . Jh. nur zwei Freigrafschaften. Vgl. LINDNER 3 5 0 . 3 5 4 . I?4 YG]_ LINDNEB,
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
8. Femgerichte.
577
der beständigen Gefahr der Revindikation ihrer Freigrafschaften seitens der Fürsten nnd Grafen einen Halt nur beim Reiche. Die dem Reichsrecht widersprechende Art, wie sie ihre Freistühle erworben hatten, konnte nur durch die königliche Bannleihe wieder auf gesetzlichen Boden gestellt werden. Dies war der Grund dafür, daß in Westfalen, d. h. in den westfälisch-engerischen Gebieten zwischen Rhein und Weser178, die königliche Bannleihe bestehen blieb, während sie in den übrigen Teilen des Reiches seit Ende des 13. Jahrhunderts fast ganz außer Übung kam. Indem die Stuhlrichter regelmäßig persönlich dem König den Richtereid leisteten und von ihm den Bann empfingen, wodurch sie erst zu Freigrafen wurden, wahrten sie sich den Charakter als königliche Freigrafen. Was ursprünglich nur ein Interesse der kleinen Stuhlherren gewesen war, mußte auch der Politik derer, die anfangs nur ihr territoriales Interesse verfolgt hatten, eine andere Richtung geben, nachdem sich herausgestellt hatte, welche Vorteile den königlichen Gerichten aus ihrer reichsrechtlichen Stellung erwachsen. So bildete gerade das 15. Jahrhundert bei sämtlichen westfälischen Stuhlherren den Höhepunkt der kaiserlichen Idee. Dieselbe wurde sogar dadurch nicht beeinträchtigt, daß der Erzbischof von Köln seit Sigmund zum „Statthalter der heimlichen Gerichte" eingesetzt wurde, der kraft königlicher Vollmacht den Königsbann zu verleihen, den Richtereid abzunehmen und die Oberaufsicht über die Amtswaltung der sämtlichen Freigrafen zu führen berufen war179. Daß die westfälischen Freigerichte aus den gräflichen Landgerichten hervorgegangen sind, erkennt man namentlich an den echten Dingen, die von den Freigrafen ganz in alter Weise, wenn auch mit einer durch die erweiterte Gogerichtsbarkeit vielfach beschränkten Zuständigkeit, an den einzelnen Freistühlen je über achtzehn Wochen abgehalten wurden180. Daß sie sich in dieser Weise hatten halten können, während die Grafengerichte sonst überall teils den fürstlichen Hofgerichten, teils den niederen Landgerichten weichen mußten, erklärt sich aus der breiteren Grundlage der Freigerichte, denen durch den zahlreichen freien Bauernstand des Landes ein vollzähliges Dingvolk und ein genügender Ersatz für die Schöffenkollegien gesichert war, während es anderwärts den zu bloßen Adelsgerichten gewordenen oberen Landgerichten an beiden und an ausreichender Beschäftigung fehlte. Daß diese Freigerichte als einzige in 178
In diesem Sinne wurde der Begriff „Westfalen" überall aufgefaßt, wo es sich um die westfälischen Gerichte handelte. 1,9 Für seine eigenen Freigrafen hatte der Erzbischof schon 1382 das Recht der Bannleihe erworben. Für alle westfälischen Freigerichte, auch außerhalb seines nur die Diözesen Köln und Paderborn umfassenden Herzogtums, erwarb Erzbischof Dietrich 1422 für seine Person das Recht der Statthalterschaft, das dann 1475 von Friedrich III. dem erzbischöflichen Stuhl als solchem zugestanden wurde. Vgl. LINDNEB 416. 4 1 8 ff. 426 f.
GRAUEST, H e r z o g s g e w a l t i n W e s t f a l e n (1877) 118 ff.
iso Ygi_ LIHDHEB 538 ff. Sogar die dreitägige Dauer des echten Dinges (Anm. 80. 105 f.) kam noch vor. B. SCHRÖDER, Deutsche Bechtsgeachlchte.
4. Aufl.
87
Das Mittelalter.
578
Norddeutschland noch vorhandene königliche Landgerichte ihre Zuständigkeit auch auf auswärtige Sprengel ausdehnten, hatte dieselben Grunde wie bei den entsprechenden süddeutschen Gerichten. Audi darin, daß es ihnen gelang, seit dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhunderts auf dem Höhepunkt ihrer Entwickelung auch in Süddeutschland, der Schweiz, Böhmen und selbst den preußischen Ordenslanden festen Fuß zu fassen, hatten sie wenigstens prinzipiell vor Nürnberg und Eottweil, die ebenfalls das ganze Reich für sich in Anspruch nahmen, kaum etwas voraus. Die Eigentümlichkeit der westfälischen Gerichte beruhte vielmehr einzig darin, daß sie es verstanden hatten, sich durch eine der veränderten Stellung angepaßte neue Organisation und gewisse Besonderheiten ihres Verfahrens erheblich mehr zur Geltung zu bringen. Wie und wann diese Veränderungen vor sich gegangen sind, läßt sich nur vermuten. Die Anlange müssen noch in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts fallen. Daß der Erzbischof von Köln und die westfälischen Bischöfe dabei einen wesentlichen Einfluß gehabt haben und die Einführung des Bügeverfahrens und des Freischöffenbundes unmittelbar auf das Vorbild der bischöflichen Sendgerichte zurückzuführen ist, läßt sich nicht bezweifeln. Dagegen scheint es, als werde den Landfriedensbestrebungen, namentlich dem Landfrieden von 1371, eine zu große Bedeutung beigelegt. Im 15. Jahrhundert haben namentlich die Könige Ruprecht und Sigmund und Erzbischof Dietrich von Köln, sodann die Freigrafenkapitel, die der Kölner Erzbischof auf Grund seiner Statthalterschaft zu berufen pflegte, das Ihrige zur Weiterbildung beigetragen 181 . Außer dem echten Ding (in Westfalen mit einem auch anderwärts bezeugten Ausdruck „offenes" oder „offenbares" Ding genannt) 182 und dem Notgericht auf handhafte That, das bei der Feme eine hervorragende Bolle spielte 1SS , kannten die westfälischen Freigerichte auch ein gebotenes Ding, das sogenannte heimliche oder stille Gericht (iudicium secretum, 181
König Buprecht berief 1408 mehrere Freigrafen nach Heidelberg und legte ihnen Fragen Uber die Stellung der westfälischen Gerichte zu Kaiser und Reich vor. Das über die Verhandlungen aufgenommene Protokoll, die sogenannten Buprecbtschen Fragen (LINDNER 212 ff. ALTKANN U. BEBNHEIM' Kr. 108), bildet das
älteste amtliche Aktenstück über die Femgerichte. Dann folgen die auf Anregung Sigmunds von Erzbischof Dietrich abgehaltenen Freigrafenkapitel zu Soest und Dortmund von 1430 (LINDNEB 223 ff.) und zu Arnsberg von 1437 („Arnsberger Beformation", vgl. LINDNER 230 ff., Ausgabe bei USENEB, Die Frei- und heimlichen Gerichte Westfalens, 1832, Urk. Nr. 7. 9). Die erste reichsgesetzliche Begelung, wenn auch nur in einzelnen Punkten, enthielt die sogen. Frankfurter Beformation Friedrichs III. in dem Frankfurter BA. von 1442, §§ 13—15 (N. Samml. d. Beichsabschiede 1, 172 f.). Weiter liegen einige um 1470 gefaßte Kapitelbeschlüsse vor (LINDNEB 298 f.). Dem 15. Jahrhundert gehören noch verschiedene Femrechtsbttcher und Femrechtsweisungen privaten oder doch nichtamtlichen Charakters an. 1B>
,u
Vgl. LINDNEB 545.
GBIMM, Weistttmer 7, 261.
Vgl. S. 559. Mit Unrecht führt LINDNEB 534 die Entstehung der Femgerichte überhaupt auf das Notgericht zurück, das vielmehr eine uralte Beigabe des Grafen-, später auch des Zent- und Gogerichts war.
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
8. Femgerichte.
579
stillegericht), ein Ausdruck der ursprünglich wohl mehr den Gegensatz gegen das offene Gericht als die erst im Laufe der Zeit damit verbundene Geheimhaltung und unbedingte Ausschließung der Öffentlichkeit bezeichnete 184 . Während das offene Ding der gewohnten ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Freigrafschaft vorbehalten blieb, war das heimliche Gericht ausschließlich für die von auswärts kommenden Sachen bestimmt. Die spätere Zeit bezeichnete die westfälischen Femgerichte schlechthin als Still- oder heimliche Gerichte. Da die erste Erwähnung eines iudicium secretum oder stilledink schon aus dem Ende des 13. Jahrhunderts bezeugt ist 186 , so darf man wohl annehmen, daß schon damals aus der Nachbarschaft, zumal dem fränkischen Teile der Kölner Diözese, einzelne Rechtssachen nach Westfalen gekommen sind. Zu dieser Annahme stimmt es, daß schon anfangs des 14. Jahrhunderts auch außerhalb Westfalens, und zwar zunächst in Wesel, Freischöffen westfälischer Gerichte erwähnt werden 186 . Jeder ehelich geborene, im Vollbesitz seiner Rechte befindliche gut beleumundete Freie 187 konnte nach genügendem Ausweis über seine Persönlichkeit Freischöffe werden. Die Aufnahme erfolgte, indem der Aufzunehmende durch einen Stuhlherrn oder Freigrafen vor dem Freigericht, nach Ableistung des Schöffeneides und gegen Zahlung eines bedeutenden Aufnahmegeldes, durch Mitteilung der geheimen Erkennungszeichen „wissend" gemacht wurde. Auch der Kaiser konnte Freischöffen ernennen. In Westfalen gehörte im 15. Jahrhundert wohl der gesamte hohe und niedere Adel nebst sämtlichen Stadträten dem Freischöffenbunde an. Im ganzen Reiche, auch in der Schweiz und Preußen, waren die angesehensten Männer bestrebt, Freischöffen zu werden. Kaiser Sigmund und Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg waren wissend, überhaupt zahlreiche Fürsten, auch Bischöfe und viele andere Geistliche, ungeachtet des kirchlichen Verbotes der Mitwirkung bei Bluturteilen. Die meisten Städte sorgten dafür, einen oder mehrere Wissende unter ihren Räten zu haben. Die Verpflichtung des Freischöffen bezog sich auf die strengste Geheimhaltung aller Femsachen (bei Todesstrafe), Beihilfe zur Hinrichtung Verurteilter, Mitwirkung zur Bestellung von Ladungen, Einbringung jeder ihm bekannt gewordenen Femwroge. Diese Rügepflicht legte insbesondere die Pflicht auf, jedem, der darum ersuchte, als Ankläger im Femgericht beizustehen. Dingpflichtig waren die Freischöffen nur in dem Gerichte, bei dem sie ihren allgemeinen Gerichtsstand hatten, auswärtige also überhaupt nicht. Dagegen waren sie berechtigt, in jedem Gericht zu er181 Vgl. GRIMM, DWB. 4, 2, 873 ff. Als „heimlich" konnte man das gebotene Ding auch gegenüber dem mit dem Landgeschrei eröffneten Notgericht bezeichnen. Die Annahme von LINDNEB 540 ff, daß es bei den Freigerichten auch „offene" oder „offenbare" gebotene Dinge gegeben habe, und zwar für Immobiliarrechtsgeschäfte, ist mir zweifelhaft, da jene Bezeichnung sonst nur für das echte Ding nachgewiesen ist. 185
187
V g l . LINDNER 4 7 7
ff.
186
V g l . LINDNEB 5 0 4 .
Ministerialen wurden als Freie gerechnet. 37*
Das Mittelalter.
580
scheinen, da die Heimlichkeit ihnen gegenüber nicht bestand. Die Anziehungskraft des Freischöffentiims beruhte in dem damit verbundenen Einfluß sowie den prozessualischen Vorteilen, die jedem Freischöffen als Angeklagtem zustanden. Zur Besetzung des Stillgerichts gehörten der Freigraf, der Fronbote (Freifrone) und mindestens sieben Freischöffen; zuweilen waren Hunderte anwesend. Es war üblich, auch andere Freigrafeu, in wichtigeren Fällen in großer Zahl, zuzuziehen. Diese hatten das Recht des Mitvorsitzes und gaben ihr Urteil noch vor den Freischöffen ab. Die Verhandlungen geschahen mit strengster Ausschließung der Öffentlichkeit, in der „heimlichen Acht". War der Kaiser oder sein Statthalter anwesend, so stand ihm der Vorsitz zu. Auswärtige, zur Zuständigkeit der Femgerichte gehörige Sachen hießen Femwrogen (d. h. Femrügen). Die Femgerichte befaßten sich nur mit todeswürdigen Verbrechen und kannten nur eine einzige Strafe, die des Todes durch den Strang 188 . Voraussetzung jeder Femwroge war, daß das ordentliche Gericht das Recht verweigert hatte oder des Angeklagten nicht mächtig war. Verfahren wurde nur auf Anklage; die Rügepflicht der Freischöffen, nötigte sie gegebenenfalls zur Anklage von Amts wegen. Der Angeklagte wurde schriftlich geladen. Der Kaiser hatte das Recht, jede anhängig gemachte. Sache abzufordern, wenn sich der Verklagte rechtzeitig vor ihm zu Recht erbot. Außerdem konnte der erschienene oder durch einen Bevollmächtigten vertretene Angeklagte das weitere gerichtliche Verfahren durch „Aufnahme" abwenden, indem er unter Bürgschaft mehrerer Freischöffen versprach, dem Kläger an gehöriger Stelle zu Recht zu stehen. Der unentschuldigt ausgebliebene Verklagte wurde nach wiederholter Vorladung, nachdem Kläger selbsiebent die Schuld beschworen hatte, verfemt, d. h. unter feierlicher Formel in die Oberacht gethan. Während das regelmäßige Verfahren durchaus an die westfälischen Gerichte gebunden war und außerhalb Westfalens nicht Platz greifen konnte189, vollzog sich das Notgericht am Orte der That. Zur Besetzung genügten drei Freischöffen, eines Freigrafen bedurfte es nicht. Auch hier wurde nur auf Klage oder Rüge eingeschritten. Auf das Urteil folgte sofort die Vollstreckung. Bei beidem mitzuwirken war Pflicht aller gegenwärtigen Freischöffen. Der Verfemte wurde, wenn man ihn ergriff, als ein auf handhafter That ertappter, bereits überführter Verbrecher behandelt. Auch hier genügte die Anwesenheit von drei Freischöffen, um die Hinrichtung sofort zu vollziehen. Einen Rechtszug innerhalb der westfälischen Gerichte gab es nicht, Berufung gegen die Femgerichtsurteile konnte an sich nur an den König eingelegt werden 19°, doch entwickelten sich die von dem Kölner Erzbischof 188
Erst in ihrer späteren Gntwickelung erklärten sie sich in allen Fällen einer Rechtsverweigerung, ohne Rücksicht auf den Gegenstand, für zuständig. 181 Die vielbestrittene Bezeichnung Westfalens als „rote Erde" kommt vor 1490 Überhaupt nicht vor. Vgl. Lindner 464 f. 1,0 Die frühere Annahme eines Rechtszuges an den Dortmunder Stuhl als
§ 49. Die Gerichtsverfassung.
9. Lehna- u. Dienstgerichte.
581
als Statthalter der heimlichen Gerichte abgehaltenen Freigrafenkapitel allmählich zu einem Berufungsgericht, das auf Antrag und Kosten der beschwerten Partei mit einer Besetzung von mindestens sieben Freigrafen und 21 Freischöffen zusammentrat191. Im übrigen dienten die Freigrafenkapitel teils zur Beratung gemeinsamer Angelegenheiten, teils zur Unterstützung des Statthalters in der Ausübung der ihm obliegenden Disziplinargewalt, kraft deren er Freigrafen und Freischöffen selbst abzusetzen berechtigt war. Dasselbe Recht stand dem König zu. Überhaupt wurde daran festgehalten, daß die heimlichen Gerichte nur Organe des Königs seien, doch zeigte sich schon darin eine Überschreitung ihrer Grenzen, daß sie dem König das Eecht der Lösung von der Verfemung theoretisch absprachen und ihm nur eine Begnadigung auf Zeit, allerdings auf die Dauer von 100 Jahren, zugestanden; auch darin, daß sie selbst Fürsten, nachdem diese zunächst vor dem Reichshofgericht belangt worden waren, vor ihre Stühle zogen, während sie andererseits in Gemäßheit der Reichsgesetze ihre Unzuständigkeit über Geistliche und Juden anerkannten 192 . Verblendet durch die Erfolge, die sie unter Ruprecht und Sigmund mit königlicher Hilfe erzielt hatten, suchten die westfälischen Gerichte sich unter Friedrich III., der es verschmähte Freischöffe zu werden, über den König zu stellen, wagten sogar, diesen selbst vor ihren Stuhl zu laden und ihm im Falle des Ungehorsams mit der Verfemung zu drohen193. Durch diese und andere maßlose Übergriffe wurde eine allgemeine Reaktion, namentlich der Landesherren und Städte, herbeigeführt, die, unterstützt durch zahlreiche vom Kaiser erteilte Exemtionsprivilegien, die Macht der Femgerichte noch vor Ablauf des 15. Jahrhunderts zu Falle brachte. 9. Lehns- und Dienstgerichte 1 9 4 . Außer den bisher allein in Betracht gezogenen staatlichen Gerichten kannte das Mittelalter für gewisse besondere Beziehungen eine Reihe nichtstaatlicher Gerichte. Eine gewisse Mittelstellung nahm das Lehnsgericht ein, das jeder Herr, der mehrere Vassailen hatte, abhalten konnte. Die Zuständigkeit desselben beschränkte sich subjektiv auf Streitigkeiten zwischen Herrn und Mann Oberfreistahl widerlegt FBENSDOBFF pg. 152 ff. Der König hat nur das Dortmunder Gericht wiederholt delegiert, um statt seiner zu entscheiden. 191 Vgl. LINDNEB 4 2 1 ff. Am häufigsten fanden die Freigrafenkapitel in Arnsberg statt, das dadurch den Ruf eines Oberfemgerichts erlangte. Neben den außerordentlichen Kapiteln fanden regelmäßig Jahreskapitel statt, die zwar als allgemeine Kapitel geplant, meistens aber nur spärlich besucht waren. 1,8
V g l . LINDNEB 5 5 7 f .
,,s
V g l . LINDNEB 4 3 9 .
194
Vgl.
HOMEYEB,
System des Lehnrechts 562 ff.
1 , 1 5 ff. WAITZ 4 , 4 6 2 . 6", 9 7 f .
BRÜNNEB, R G . 2 , 2 6 6 .
PLANCK,
Gerichtsverfahren
EICHHOBN 2 , 4 4 8 f .
FICKEB,
Forschungen 3 , 3 2 4 ff. ALBBECHT, Gewere 2 9 0 f f . W E I L A N D , Const. 1 , 8 9 ( 1 0 3 7 ) . 2, 393 (1222). II. F . 16. 20. 22. v. FOBTH, Ministerialen 393 ff. FBENSDOBFF, Das Recht der Dienstmannen von Köln 20.
582
Das Mittelalter.
oder zwischen Mann und Mann, objektiv auf die von dem Herrn ausgehenden Lehen und die mit diesen zusammenhängenden Verhältnisse; dazu kam die freiwillige Gerichtsbarkeit in Lehnssaehen, namentlich der Investiturakt selbst. Wer nicht Vassall war, konnte im Lehnsgericht nicht prozessieren, doch wußte das spätere Lehnrecht hier durch eine bedingte Belehnung (Provisionalbelehnung) Bat zu schaffen. Richter im Lehnsgericht war der Herr oder, wenn er Partei war, gewöhnlich einer der Mannen an seiner Statt. Urteiler waren die Mannen, soweit sie nicht als Partei, Fürsprecher oder Zeugen auftraten. Pflicht des Herrn war es, seinen Mannen „Lehnrecht zu thun", d. h. Lehnsgericht zu gewähren und sich dem Spruche desselben zu unterwerfen; Pflicht der Mannen, dem Herrn „Lehnrechtes zu helfen", d. h. sich der Mitwirkung im Lehnsgericht nicht zu entziehen und den Urteilen gehorsam zu sein. Berufungen gingen an das Gericht des Oberlehnsherrn, zuletzt an den König, der auch für Lehen an Eigen, obwohl sie nicht vom Reiche ausgingen, die höchste Instanz bildete198. Verschieden von den Lehnsgerichten waren die Dienstgerichte, welche die Herren als Richter mit ihren Ministerialen als Urteilern abhielten196. Als Vertreter des Herrn war häufig ein Hofbeamter oder der Vogt thätig. Während Streitigkeiten der Dienstmannen mit Dritten vor die ordentlichen Gerichte gehörten, wo der Herr sie zu vertreten hatte, war das Dienstgericht für alle Streitigkeiten der Dienstmannen untereinander oder mit dem Herrn zuständig. Seit dem Eintritt der Ministerialen in die Landgerichte verloren die Dienstgerichte ihren ursprünglichen Charakter und verschmolzen schließlich ganz mit den Lehns- und fürstlichen Hofgerichten. 10. Die g e i s t l i c h e n G e r i c h t e hatten gegenüber der vorigen Periode eine erhebliche Erweiterung ihrer Zuständigkeit, hauptsächlich unter dem Einfluß der pseudoisidorischen Dekretalen, erfahren 197 . Klagen gegen m _ Vgl. HOMEYEB 567. PLANCK 1, 17. Sfichs. Lehnr. 69, § 8. Schwäb. Lehnr. 128°. Über Fürstenlehen konnte das Reichshofgericht nur in der Besetzung als Fürstengericht urteilen. Vgl. Sächs. Lehnr. 71, § 20. Schwäb. Lehnr. 143. 1,6 Vgl. W E I L A N D , Const. 1, Nr. 127 (1149). 128 (1150). 187 Vgl. HINSOHIÜS, Kirchenrecht 5, 285 ff. 304 ff. 328 ff. 377 ff. 409 ff. 425 ff. 449 ff. D O V E , De iurisdictionis ecclesiasticae progressa, Rerl. Dias. 1855; Untersuchungen über die Sendgerichte, ZDR. 19, 321 ff.; Zeitschr. f. KR. 4, 28 ff. 157 ff. 5, l f f . ; Realency klopädie f. Theol. u. Kirche 9 14, 119ff.: bei RICHTEII, Kirchenrecht 8 597 f. 771 ff. FEIEDBEHO, De finium inter ecclesiain et civitatem regundorum iudicio, Berl. Diss. 1861, S. 87 ff.; Grenzen zwischen Staat u. Kirche 52 ff. HILLING, Die bischöfliche Banngewalt, der Archipresbyterat u. der Archidiakonat in den sächs. Bistümern, Archiv f. Kirchenrecht 80, 80 ff. 323 ff. 443 ff. 645 ff. 81, 86 ff.; Geistliche u. Laien auf den Diözesansynoden, ebd. 79, 203 ff.; Die westfälischen Diözesansynoden bis Mitte 13. Jhs., Münster. Diss. 1898. FOCKEMA A N D B E A E , Kerkelijke Rechtsspraak in Nederland in de Middeleeuwen, Versl. en Mededeel. d. Ak. v. Wet. 1902, S. 73 ff. B R U N N E R , RG. 2, 321 f. 493 f. EICHHORN §§ 319—322. 8 W A L T E R , RG. §§ 643 f. W E T Z E L L , Civilprozeß 337 ff. P L A N C K , Gerichtsverfahren
§ 49.
Die Gerichtsverfassung.
10. Geistliche Gerichte.
588
Geistliche, auch in bürgerlichen Sachen, gehörten ausschließlich vor das geistliche Gericht198, nur Lehnssachen und teilweise auch Geldschulden blieben dem weltlichen Richter überlassen199. Streitigkeiten um Grundbesitz in der rechten Gewere einer Eirche wurden dem geistlichen Richter überwiesen; vor Erlangung der rechten Gewere hatte demnach das weltliche Gericht der belegenen Sache zu entscheiden200. Partikularrechtlich, namentlich in Städten, wurde der eximierte Gerichtsstand der Geistlichen vielfach nicht anerkannt; Geistliche, die Waffen trugen oder die Tonsur abgelegt hatten, wurden auch reichsrechtlich als Laien behandelt201. Die Gerichtsbarkeit der Kirche über Laien beschränkte sich nicht mehr auf die kirchlichen Pflichten, sondern ergriff, zum Teil in Eonkurrenz mit den weltlichen Gerichten, alle Vergehen in denen ein Moment der Sünde zu finden war, namentlich Ehebruch, Bigamie, Unzucht, Blutschande, Ketzerei, heidnischen Aberglauben, Blasphemie, Tötung eines Menschen (auch wenn sie nach weltlichem Recht erlaubt war), Raub, Diebstahl, Betrug, falsches Zeugnis, Meineid, Wucher. Schon diese Fälle griffen tief in das bürgerliche Recht ein, ausdrücklich zugestanden wurde der Kirche aber, wenn auch ebenfalls zum Teil nur unter Konkurrenz der weltlichen Gerichte, die Gerichtsbarkeit in Ehesachen, Testamentsachen (Seelgeräten), wucherlichen Geschäften, eidlich eingegangenen Verpflichtungen, Streitigkeiten um Zehnten und Eirchenpatronate, endlich in Rechtsangelegenheiten der Witwen und Waisen (personae miserabiles). Weitergehende Ansprüche wurden von weltlicher Seite als Übergriffe zurückgewiesen202. Im Falle einer Rechtsverweigerung auf weltlicher Seite wurde die Zuständigkeit des geistlichen Gerichts anerkannt, ebenso umgekehrt die des weltlichen Richters, wenn vor dem geistlichen kein Recht zu erlangen war. Vielfach wurden auch Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, selbst Immobiliarrechtsgeschäfte, vor dem geistlichen Gericht oder dem Pfarrer vorgenommen, teils um der kirchlichen Beurkundung willen, teils um das Geschäft durch den bischöflichen Bann sicherstellen zu lassen203. Eine erhebliche Verbesserung erfuhr das bischöfliche S e n d g e r i c h t (S. 183) seit der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts durch die tTbera. a. 0. 1, 272 ff. H E C K , a. a. 0. 105 f. 348 f.; Biergelden 66 f. v. EBENGREUTH, a. a. 0. 258 ff. v. RICHTHOFEN, Untersuchungen 2, 730 ff. 939—1021. 1194 ff. 1257 ff. 1285 ff. K O P P , Ausfuhr]. Nachrichten v. d. Verfassung der gcistl. u. Civilgerichte in Hessen-Cassel 1, 1 1 8 ff. W I N T E R , Zeitschr. d. Harzvereins 2, 78 ff. GBIMM, Weistümer 7, 256. 357. LAS Vgl. WEILAND, Const. 2, 108 § 4 (Auth. Statuimus C . de episc. et cler. I . 3, 32). Ebd. 2, 180. 430. Bair. Landfriede von 1244, § 25 (Mon. Wittelsbac. 1, 82). 199 Vgl. Dsp. 84. c. 6 X. de foro comp. 2, 2. WO Vgl. FRANKLIN, Sent. cur. reg. Nr. 8 7 f. 801 Vgl. Landfriede Rudolfs I. von 1281, § 48 (MG. Leg. 2, 430). Ssp. III. 2. 808 Vgl. Ssp. III. 87, § 1. Über die der königlichen nachgebildete Banngewalt der Bischöfe vgl. 1,
1
ff. K Ü H N S ,
LOSCHIN
HILLISO, a . a . O . 8 0 , 8 5 ff.
584
Das Mittelalter.
nähme der bis dahin nur auf staatlichem Gebiete (S. 383) eingeführten Bügegeschworenen {testes synodales, iuratores synodi), gewöhnlich sieben in jedem Kirchspiel, die aus den angesehensten, durch Alter und Wahrhaftigkeit hervorragenden Gemeindegliedern entnommen (später vielfach von der Gemeinde gewählt) und durch einen dem Sendrichter geleisteten Eid verpflichtet wurden, alle zur Zuständigkeit des Sendes gehörigen kirchlichen Vergehen, die zu ihrer Kenntnis kamen, zu rügen. Der Rügezeuge wurde als Ankläger behandelt. Die übrigen Sendzeugen, namentlich aber die den Bischof begleitenden Geistlichen, entwickelten sich allmählich zu Sendschöffen, die dem Vorsitzenden Sendrichter das Urteil fanden, während der Bischof ursprünglich unter Beirat der ihn umgebenden Geistlichkeit selbst das Urteil fällte. Anfangs waren dem Bügeverfahren der Sendgerichte auch die Geistlichen unterworfen, aber schon früh erfolgte die Beschränkung auf Vergehen von Laien. Die Bischöfe hörten schon unter den Kaisern aus dem sächsischen Hause im allgemeinen auf, ihre Diözesen zum Zwecke des Sendes zu bereisen, indem sie dessen Verwaltung in ihrem Namen an Mitglieder des Domkapitels übertrugen und sich nur den Send, oder vielmehr die Sendeinnahmen, in den Schaltjahren vorbehielten. Diese den Bischof vertretenden und von ihm mit einem geringeren Banne ausgestatteten Beamten führten je nach ihrer geistlichen Stellung den Titel „Archipresbyter" oder „Archidiakon", später nur den letzteren, In Friesland hielten die Bischöfe daran fest, die Sendgerichte während der Schaltjahre persönlich oder durch ihre Chorbischöfe (seit dem 13. Jahrhundert durch ihre Offizialen) abzuhalten, während sie sich in der übrigen Zeit durch Delegierte, die als solche den Titel „Dekan" oder „Propst" führten, vertreten ließen. In den friesischen Teilen der Diözese Münster bestand die eigentümliche Einrichtung, daß diese „Dekane" nicht wie anderwärts Geistliche, sondern Laien aus dem Stande der bäuerlichen Ethelinge waren, die auf Grund ihrer mit dem Patronat der einzelnen Taufkirchen verbundenen Stammgüter ein unentziehbares, von den Päpsten widerstrebend anerkanntes Becht auf die Sendgerichtsbarkeit besaßen. Archidiakone fehlten in Friesland zum Teil überhaupt, zum Teil mußten sie sich mit der bloßen Aufsicht über die Sendgerichte begnügen. Außerhalb Frieslands lag die Sendgerichtsbarkeit überall in den Händen der Archidiakone; sie waren seit dem 11. und 12. Jahrhundert die eigentlichen Sendherren, bis ihnen die Bischöfe seit dem 13. Jahrhundert durch ihre Offizialen {officiales foranei) eine Konkurrenz machten, die im Laufe des 14. Jahrhunderts das Sendgerichtswesen in der Hauptsache zu Fall brachte. Die meisten Diözesen waren seit dem 11. Jahrhundert in mehrere Archidiakonate eingeteilt, deren jedem ein Archidiakon als Sendherr vorstand. Zur Ergänzung, namentlich hinsichtlich der Gerichtsbarkeit über die Geistlichen, dienten zuweilen die Landkapitel der ländlichen Erzpriester oder Landdekane, denen auch wohl die Abhaltung der Sende übertragen wurde, so daß sie infolge wiederholter Delegationen nicht selten ebenfalls zu Sendherren innerhalb ihrer Dekanie
§ 50. Die Territorien.
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wurden. Zum Teil gelang es auch einzelnen Klöstern oder Stiftern, in den Besitz der Sendgerichtsbarkeit zu kommen. Die Sendgerichte wurden an jeder Taufkirche ein- bis dreimal jährlich, nach dem Vorbild des echten Dinges, abgehalten und dauerten wie dieses in der Regel drei Tage, nach Bedürfnis noch unter Hinzufügung eines Aftersendes (secunda synodus, postsynodalia); sie wurden von allen Eingepfarrten kraft gesetzlicher Dingp flicht besucht. Nur der Adel behauptete den persönlichen Gerichtstand vor dem Bischof, er besuchte statt der Sendgerichte der Archidiakonen oder Dekane die Diözesansynoden, an deren Stelle seit dem 13. Jahrhundert ständige bischöfliche Gerichte traten 204 . Andere Exemtionen bestanden vielfach für Städte, die eigene Sendgerichte erhielten. § 50.
Die Territorien.
WAITZ 7, 302—372. 8, 415 ff.; A b h a n d l . 552 ff. DEVRIENT b e i RICHTEB, A n n a l e n 3, 2 S. 735 ff. EICHHORN 2, 416—468. 3, 223—284. v. DANIELS, H a n d b u c h 4, 4 9 3 ff.
BRUNNER, Grundz. 134 f. v. AMIRA, Grundr.* 101 ff. LINDNER, Deutsche Geschichte
2, 119 ff. WERUNSKY, Geschichte Karls IV., 2, 15 ff. 3, 1 ff. 123 ff. WINKELHANN, Kaiser Friedrich II. 1, 54 ff. 2, 241 ff. BLONDEL, Frédéric II. 80—200. 214. WEILAND,
Friedrichs II. Privileg f. d. geistl. Fürsten, i. d. Hist. Aufs. z. And. an WAITZ 249 ff. ZÖPFL, A l t e r t ü m e r 1, 70 ff. 2, 3 ff. V.MADREB, F r o n h ö f e 2, 220—380. 446 ff. 3, 47 ff. 409 ff. K . MAUSER b e i BLUNTSCHLI U. BRATER, S t a a t s w ö r t e r b u c h 6, 213 ff. BERCHTOLD,
Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland, 1863 ; Landeshoheit Österreichs, 1862. LUSCHIN V. EBENOREOTH, Ö s t e r r e i c h . R e i c h s g e s c h i c h t e 44 ff. 147—212. DOFSCH, B e d e u -
tung Albrechts I. f. d. Ausbildung der Landeshoheit in Österreich, 1893; Beitrage z. Gesch. der Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jh., Mitt. d. öst. Inst. 14, 449ff. 18, 233 ff. v. SCBWIND u. DOFSCH, Urkunden z. Verf.-Geschichte der deutsch-österr. Erblande im Mittelalter, 1895. HAUKE, Die geschichtlichen Grundlagen des Monarchenrechts, 1894. STBNAD, Die Geburt des Landes ob der Enns, 1886. v. WBETSCHKO, Das österreichische Marsphallamt im Mittelalter, 1897; Zur Frage der Statthalterschaften in Österreich, Bl. d. Ver. f. Landeskunde in Niederösterreich, 1898. PUNTSCHABT, Herzogseinsetzung u. Huldigung in Kfirnten, 1899. KRONES, i. d. Forschungen zur Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte der Steiermark, I. IV. 1897—1900. RICHTER, Untersuchungen z. hist. Geographie d. Hochstifts Salzburg, Mitt. d. öst. Inst., Erg. 1, 590 ff. HUBEB, Territorien d. Hochstifts Trient u. Brixen, Arch. f. K. österr. Gesch. 63. GUMPLOWICZ, Einleitung in das Staatsrecht, 1889. TOMASCHEK, Recht u. Verfassung d. Markgrafschaft M&hren, 1863. A. SCHULTE,
204
Von dem Besuche der Diözesansynoden erhielten die Edeln die Bezeichnung homines synodales oder sempervrie (d. h. sendbarfreie). Diese Bezeichnung kommt zuerst in der Würzburger Diözese vor und scheint von da aus in die Reichsgesetzgebung (Const. i. fav. princ., Landfrieden von 1234 und 1235) übergegangen zu sein. Vgl. v. ZALLINGEB, Mitt. d. öst. Inst. 10, 217 ff.; Ministeriales und milites 77 ff. EICHHOBN, Abh. d. Berl. Ak. 1838 (1840), S. 361 ff. HINSCHIDS, a. a. 0. 5, 433. Seit dem 13. Jahrhundert nahmen auch die Ministerialen an der Exemtion teil, so daß nun auch sie unter dem Namen synodales oder semperliute mitbegriffen waren. Den Übergang zeigen die Schöffenbarfreien des Ssp. I. 2, § 1. Die weiteren Abstufungen für die Pfleghaften und Landsassen sind eine Fiktion des Spieglers.
§ 50. Die Territorien.
585
wurden. Zum Teil gelang es auch einzelnen Klöstern oder Stiftern, in den Besitz der Sendgerichtsbarkeit zu kommen. Die Sendgerichte wurden an jeder Taufkirche ein- bis dreimal jährlich, nach dem Vorbild des echten Dinges, abgehalten und dauerten wie dieses in der Regel drei Tage, nach Bedürfnis noch unter Hinzufügung eines Aftersendes (secunda synodus, postsynodalia); sie wurden von allen Eingepfarrten kraft gesetzlicher Dingp flicht besucht. Nur der Adel behauptete den persönlichen Gerichtstand vor dem Bischof, er besuchte statt der Sendgerichte der Archidiakonen oder Dekane die Diözesansynoden, an deren Stelle seit dem 13. Jahrhundert ständige bischöfliche Gerichte traten 204 . Andere Exemtionen bestanden vielfach für Städte, die eigene Sendgerichte erhielten. § 50.
Die Territorien.
WAITZ 7, 302—372. 8, 415 ff.; A b h a n d l . 552 ff. DEVRIENT b e i RICHTEB, A n n a l e n 3, 2 S. 735 ff. EICHHORN 2, 416—468. 3, 223—284. v. DANIELS, H a n d b u c h 4, 4 9 3 ff.
BRUNNER, Grundz. 134 f. v. AMIRA, Grundr.* 101 ff. LINDNER, Deutsche Geschichte
2, 119 ff. WERUNSKY, Geschichte Karls IV., 2, 15 ff. 3, 1 ff. 123 ff. WINKELHANN, Kaiser Friedrich II. 1, 54 ff. 2, 241 ff. BLONDEL, Frédéric II. 80—200. 214. WEILAND,
Friedrichs II. Privileg f. d. geistl. Fürsten, i. d. Hist. Aufs. z. And. an WAITZ 249 ff. ZÖPFL, A l t e r t ü m e r 1, 70 ff. 2, 3 ff. V.MADREB, F r o n h ö f e 2, 220—380. 446 ff. 3, 47 ff. 409 ff. K . MAUSER b e i BLUNTSCHLI U. BRATER, S t a a t s w ö r t e r b u c h 6, 213 ff. BERCHTOLD,
Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland, 1863 ; Landeshoheit Österreichs, 1862. LUSCHIN V. EBENOREOTH, Ö s t e r r e i c h . R e i c h s g e s c h i c h t e 44 ff. 147—212. DOFSCH, B e d e u -
tung Albrechts I. f. d. Ausbildung der Landeshoheit in Österreich, 1893; Beitrage z. Gesch. der Finanzverwaltung Österreichs im 13. Jh., Mitt. d. öst. Inst. 14, 449ff. 18, 233 ff. v. SCBWIND u. DOFSCH, Urkunden z. Verf.-Geschichte der deutsch-österr. Erblande im Mittelalter, 1895. HAUKE, Die geschichtlichen Grundlagen des Monarchenrechts, 1894. STBNAD, Die Geburt des Landes ob der Enns, 1886. v. WBETSCHKO, Das österreichische Marsphallamt im Mittelalter, 1897; Zur Frage der Statthalterschaften in Österreich, Bl. d. Ver. f. Landeskunde in Niederösterreich, 1898. PUNTSCHABT, Herzogseinsetzung u. Huldigung in Kfirnten, 1899. KRONES, i. d. Forschungen zur Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte der Steiermark, I. IV. 1897—1900. RICHTER, Untersuchungen z. hist. Geographie d. Hochstifts Salzburg, Mitt. d. öst. Inst., Erg. 1, 590 ff. HUBEB, Territorien d. Hochstifts Trient u. Brixen, Arch. f. K. österr. Gesch. 63. GUMPLOWICZ, Einleitung in das Staatsrecht, 1889. TOMASCHEK, Recht u. Verfassung d. Markgrafschaft M&hren, 1863. A. SCHULTE,
204
Von dem Besuche der Diözesansynoden erhielten die Edeln die Bezeichnung homines synodales oder sempervrie (d. h. sendbarfreie). Diese Bezeichnung kommt zuerst in der Würzburger Diözese vor und scheint von da aus in die Reichsgesetzgebung (Const. i. fav. princ., Landfrieden von 1234 und 1235) übergegangen zu sein. Vgl. v. ZALLINGEB, Mitt. d. öst. Inst. 10, 217 ff.; Ministeriales und milites 77 ff. EICHHOBN, Abh. d. Berl. Ak. 1838 (1840), S. 361 ff. HINSCHIDS, a. a. 0. 5, 433. Seit dem 13. Jahrhundert nahmen auch die Ministerialen an der Exemtion teil, so daß nun auch sie unter dem Namen synodales oder semperliute mitbegriffen waren. Den Übergang zeigen die Schöffenbarfreien des Ssp. I. 2, § 1. Die weiteren Abstufungen für die Pfleghaften und Landsassen sind eine Fiktion des Spieglers.
Das Mittelalter.
586
Geschichte der Habsburger in den ersten drei Jahrhunderten, 1887 (Mitt. d. öst. Inst. 7. 8). BORNHAK, Gesch. d. preuß. Verwaltungsrechts 1, 1884. ALTMANN, Urkunden z. brand.-preuB. Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte, 1897. W A I T Z , Schlesw.-Holsteins Geschichte 1, 102 ff. 176 ff. 348 ff. LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 822 ff. 1024. 1136 ff. 1251—1481. 1520 ff. G. MÖLLER, Entw. d. Landeshoheit in Geldern, Marb. Diss. 1889. HECHELHANN, Landeshoheit der Bischöfe von Münster, 1868. SPANGENBEBG, Beiträge z. älteren Verf.- u. Verwalt-Gesch. d. Fürstent. Osnabrück, 1900. P H I L I P P I , Zur Osnabrücker Verf.-Geschichte, Osn. Mitteil. 1897, S. 25 ff. HILLINQ, Bischöfliche Banngewalt in den sächs. Bistümern (§ 49, n. 197). LOEBSCU, De ortu et incremento superioritatis territorialis in comitatu Juliacensi, Bonn. Diss. 1862. BBACKHANN, Urkundl. Gesch. d. Halberstädter Domkapitels, Gött. Diss. 1898. KKIOTEK, Siedelung u. Waldwirtschaft im Salzforst, 1900 (SCHANZ, Wirtschafts- u. Verwaltungsstudien VIII.). LECHNER, Die älteren Königsurkunden f. d. Bist. Worms u. die Begründung der bischöfl. Fürstenmacht, Mitt. d. öst. Inst. 22, 529 ff. BOSENTHAL, Gesch. des Gerichtswesens u. der Verwaltungsorganisation Baierns 1, 1889. BIEZLEB, Geschichte Baieras 2, 171 ff. 507 ff. 3, 652 ff. BAUHANN, Gesch. d. Allgäus 1, 300 ff. H E N N E R , Bischof Hermann u. d. Landesherrlichkeit im Hochstift Wirzbürg, 1875. C . F. STALIN, Wirtemberg. Geschichte 2, 639 ff. STOUFF , Le pouvoir temporel des évêques de Bâle et le régime municipal, 1891. F E S T E R , Markgraf Bernhard I. und die Anfänge des badischen Territorialstaates, 1896. BESCHOBNER, Das sächs. Amt Freiberg u. seine Verwaltung im 15. Jh., 1897. BONVALOT, Histoire du droit et des institutions de la Lorraine et des trois évêchés, 1895. GUYOT, La Situation des campagnes en Lorraine 1220—51 (Mém. de la soc. d'arch. lorraine 45, 165 ff.). G E R N ET, Verf.-Gesch. d. Bistums Dorpat, 1897. F B E D Y , Entstehung d. landesherrl. Huldigung, Marb. Diss. 1899. 1. E n t w i c k e l u n g der L a n d e s h o h e i t . Unter dem Einfluß des Lehnwesens waren die deutschen Fürsten aus absetzbaren Reichsbeamten zu erblichen „Landesherren" geworden1. Den Inhalt der landesherrlichen Gewalt bildeten die herzoglichen, markgräflichen oder gräflichen Befugnisse. Soweit diese reichten, hatte die unmittelbare Staatsgewalt des Königs sich in eine bloße Lehnsherrlichkeit verwandelt, das Beichsregiment beschränkte sich in den Territorien fortan auf die nicht zu den Amtsbefugnissen der Herzoge, Markgrafen oder Grafen gehörenden Hoheitsrechte. Indem die Krone allmählich eine Reihe dieser Rechte zu Gunsten der Fürsten aufgab, erweiterte sich die landesherrliche Gewalt zur L a n d e s hoheit. Der Abschluß der lehnrechtlichen Entwickelung, auch für die geistlichen Fürsten, fallt in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts; für die Ausbildung der Landeshoheit ist das 13. Jahrhundert, für die erhöhte Territorialgewalt der Kurfürsten das 14. Jahrhundert entscheidend geworden. Die Zahl der in den einzelnen Händen vereinigten Rechte war sehr ungleichartig, auch brachte es das Wesen des Feudalstaates mit sich, daß nicht nur zahlreiche Kondominatverhältnisse vorkamen2, sondern auch 1
Während der Sachsenspiegel (I. 28, II. 26 § 4, III. 66. § 2, 79 § 1, 91 § 3) noch durchweg von richtere oder des landes riehtere spricht, gewinnt die neue Bezeichnung dominus terrae, kmtherre, landes herre im Laufe des 13. Jahrhunderts bald allgemeine Verbreitung. Vgl. Reichsurteil von 1231, W E I L A N D , Const. 2, 420. Dsp. 32'. Schwsp. L. 155b. L E X B B , WB. 1, 1822. 1824. • Vgl. WEILAND 1, 422 (1184). v. D. B E B O H , Oork.-B. v. Holl, en Zeeland 1, 93 (1165). 121 (1204). 170 (1226).
§ 50.
Die Territorien.
1. Entwickelung der Landeshoheit.
587
in einem und demselben Gebiete die von der Krone aufgegebenen Hoheitsrechte in verschiedenen Händen sein konnten. Da die landesherrliche Gewalt im allgemeinen ihren Ausgang von dem Reichsfürstentum, also dem Grafenamt, genommen hatte, so wurde in solchen Fällen geteilter Hoheitsrechte meistens der Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit als der eigentliche Landesherr angesehen3. Seit dem Verfall der öffentlichen Gerichtsverfassung gelangten neben nichtgefürsteten Grafen vielfach auch bloße Grundherren weltlichen wie geistlichen Standes in den Besitz der hohen Gerichtsbarkeit und so zu einer beschränkten Landeshoheit {dominium, Mrsehaft). Der Kampf der Fürsten gegen diese kleinen Gewalten und deren Überwindung durch die Einführung des landesfürstlichen Beamtentums ist von wesentlicher Bedeutung für die Entwickelung der Landeshoheit und ihre spätere Umbildung zu einer wahren Staatsgewalt gewesen. Die Landeshoheit der Reichsbeamten hat ihr Vorbild von dem Stammesherzogtum genommen4. Die einst vizekönigliche Gewalt der Herzoge war noch dem Sachsenspiegel (HI. 53, § 1) nicht ganz aus der Erinnerung geschwunden, obwohl kein selbständiges Stammesherzogtum mehr bestand und die Könige schon lange vorher von ihrer Befugnis, die herzogliche Gewalt durch Erteilung von Exemtionen zu schwächen, den ausgiebigsten Gebrauch gemacht hatten 6 . Die Hauptaufgabe der Herzoge war die Fürsorge für den Landfrieden. Darum konnten sie, wie ehedem die Königsboten, alle geistlichen und weltlichen Großen ihrer Provinz zu Landtagen entbieten, die sich aus Landfriedenstagen zu gesetzgebenden Versammlungen und aus Landfriedensgerichten zu herzoglichen Hofgerichten entwickelten. In den Bistümern und Abteien nahmen die * Vgl. STRUBEN, Nebenstunden (1789) 4, 57 f. und den dort mitgeteilten Aussprach des Herzogs von Sachsen-Lauenburg (1312): Dar dat gud to landdinge ginge, da scholn de herrn over kersehoppen. Nach römischem Vorbild (1. 3 D. de iurisd. 2, 1) bezeichnete man die volle Gerichtsgewalt des Fürsten gern durch die Formel merum imperium et gladii potestas, die zuerst in staufiachen Bestallungsurkunden für Provinzialstatthalter Verwendung fand. Vgl. S. 573 n. ZEUMER, Hist. Zeitschr. 8 2 , 492 f. Zu den wesentlichen Merkmalen der Stromhoheit rechnete ein Reichsweistum von 1294 außer der gräflichen Gerichtsbarkeit noch Zollregal und Geleitsrecht auf dem Fluß (S. 535 n.). Übrigens that es der Landeshoheit der westfälischen Fürsten keinen Gintrag, daß sie die Freigrafschaften zum Teil an untergeordnete Stuhlherren verloren hatten, während diese ihrerseits dadurch nicht zu Landesherren wurden (S. 576); ebensowenig schadete es den thüringischen und fränkischen Fürsten und Grafen, daß ihre Gebiete ganz oder teilweise einer gewissen höheren Gerichtsbarkeit des Landgrafen und des Bischofs von Würzburg unterlagen (S. 555. BRUNNEB, a. a. 0 . 261). Die friesischen Grafen blieben Landesherren, obwohl sich die Gerichtsverfassung völlig zu ihren Ungunsten umgestaltet hatte (S. 563). Vgl. auch S. 558, n. 77. 4 Vgl. W A I T Z 7, 120—162. RIEZLER, Geschichte Baierns 1, 727 ff. H E I O E L U. R I E Z L E R , Das Herzogtum Baiern z. Z. Heinrichs d. Löwen 145 ff. W E I L A N D , Das sächs. Herzogtum, pg. 7 f., S . I I I ff. G R A U E R T , Herzogsgewalt in Westfalen, 1877. LINDNER, Verne 349 ff. C . F . S T A L I N , Wirtemb. Geschichte 2, 645. W . SICKEL, Wesen des Volksherzogtums, Hist. Zcitschr. 52, 408. 489 f. v. LUSCHIN, a. a. 0 . 44 ff. s Vgl. BRUNNER, Exemtionsrecht der Babenberger 23.
588
Das Mittelalter.
Herzoge die Vogtei als ein ihnen von selbst zustehendes Recht in Anspruch. Grafen, Schultheißen und Schöffen standen unter ihrer Aufsicht und konnten selbst von ihnen abgesetzt werden. Die Herzoge hatten an sich nicht die Befugnis, den Bischöfen und Grafen ihrer Provinz die Investitur zu erteilen 6 ; wohl aber hatten sie regelmäßig eine Reihe von Grafschaften in ihrer Hand, die teils eine Ausstattung des herzoglichen Amtes, teils einen Familienbesitz des herzoglichen Hauses bilden, teils auf neuem Erwerb beruhen mochten, und hier geboten sie nicht bloß als Herzoge, sondern zugleich als Obergrafen, von denen die Grafen, ohne einer königlichen Bannleihe zu bedürfen (S. 569) zu Lehen gingen. Das Münzregal übten die Herzoge anscheinend ohne besondere Übertragung aus (S. 525); ebenso verhielt es sich mit dem Heimfallsrecht an erblosen Gütern, wahrscheinlich auch mit Marktrecht und Zoll. Kraft des Heimfallsrechts und der ihnen zustehenden Gerichtshoheit konnten die Herzoge erledigte Grafschaften einziehen und nach Belieben über sie verfügen 7 . Bei der Reichsheerfahrt stand den Herzogen der Oberbefehl über die Gesamtheit ihrer Provinzialen zu. Als Hüter des Landfriedens besaßen sie das Geleitsrecht (S. 530) und unzweifelhaft auch das Befestigungsrecht, während sie andererseits befugt waren, alle ohne ihre oder des Königs Genehmigung errichteten Burgen zu brechen. Die späteren Territorialherzogtümer waren Konglomerate verschiedener Grafschaften unter einem Obergrafen der den Herzogstitel führte und innerhalb des beschränkteren Gebietes im wesentlichen wohl die alten herzoglichen Rechte ausübte. Eine noch kräftigere Territorialgewalt handhabten die Markgrafen, weil ihre Stellung nicht durch belehnte Untergrafen beeinträchtigt, vielmehr die ganze Mark durch landesherrliche Beamte verwaltet wurde (S. 567 f. 571 f.). Dazu kam, daß die Könige in den Marken wegen ihrer gefährdeten Grenzlage mit der Erteilung von Exemtionsprivilegien von jeher sparsamer umgegangen waren als in den anderen Territorien 8 . Den Herzogen und Markgrafen sind die übrigen Fürsten in dem Erwerb der Landeshoheit alsbald nachgefolgt, später auch viele Inhaber nichtgefürsteter Grafschaften oder mit Grafenrechten ausgestatteter niederer Herrschaften, wobei neben dem Grafenamt oder doch dem Blutbann insbesondere der Besitz von Vogteien, die Obermärkerschaft und großer Grundbesitz entscheidend waren. Die Entwickelung der Landeshoheit erfolgte gleichzeitig auf einem doppelten Wege, dem der Emanzipation nach oben und der strafferen Zusammenfassung nach unten. Die Emanzipation nach oben wurde für • Vgl. WEILAND, a. a. 0 . 7. Daß unter Heinrich I. den Herzogen von Baiern und Lothringen und später in den wendischen Marken Heinrich dem Löwen die Investitur der Bischöfe eingeräumt wurde (WEILAND, Const. 1, 206), war ein besonderes Zugeständnis, das. nicht dauernd aufrechterhalten blieb. 7 Vgl. WEILAND, Herzogtum 99 f. RIEZLER, a. a. O. 2, 13 (3, 973). Dasselbe Recht machte 12X0 der Herzog von Österreich geltend (BLONDEL, a. a. 0 . 126). ' Vgl.
BRUNNER, a . a . 0 .
22.
§ 50.
Die Territorien.
1. Entwickelung der Landeshoheit.
589
die bisher den Stammesherzogen untergeordneten Fürsten erst durch die Beseitigung der letzteren ermöglicht; was den Herzogen von Baiern, Westfalen und Sachsen (Engem) nach 1180 außerhalb ihrer Territorien noch an herzoglicher Gewalt belassen wurde, war zu unbedeutend, als daß es die reichsfürstliche Stellung der davon betroffenen Fürsten hätte beeinträchtigen können. Die Emanzipation gegenüber der Krone ging Hand in Hand mit der Ausbildung des Lehnrechts; sie begann für die geistlichen Fürstentümer erst mit ihrer Einfügung in den Rahmen des Reichslehnrechts unter den Hohenstaufen 9 . Der Einfluß des Lehnrechts beseitigte das Recht des Königs, die Fürstentümer durch einseitige Erteilung von Exemtionen zu schmälern oder durch Unterwerfung unter einen anderen Fürsten zu mediatisieren 10 , und das Fürstenamt verwuchs so sehr mit dem Besitz des Landes, daß es als dessen Zubehör, als eine dem dominus terrae von Rechts wegen zukommende Immobiliargerechtigkeit erschien, während sonst das Amt seinem Inhaber die Rechte über die Insassen des Landes gegeben hatte; das Fürstentum verschmolz mit dem Familienvermögen des fürstlichen Hauses und wurde demselben Erbrecht wie dieses unterworfen 11 . Ob der Landesherr das Land als Lehen oder zu Eigentum besaß, kam nicht mehr in Betracht; es gab auch allodiale Grafschaften, wie es von jeher allodiale Immunitäten gegeben hatte 12 . Zwar erhielt sich der mit dem Amtscharakter zusammenhängende Grundsatz der Unteilbarkeit der Fürstentümer und Grafschaften noch bis Ende des 13. Jahrhunderts (S. 413. 557), aber bei den Grafschaften war er schon längst nicht mehr beobachtet worden, und auch bei den Fürstentümern hatte er in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nur noch die Bedeutung, daß es zu jeder Erbteilung der Genehmigung des Königs bedurfte, die kaum verweigert wurde 13 . Seit dem 14. Jahrhundert stand in allen fürstlichen Häusern fest, daß die Fürstentümer in derselben Weise wie das übrige Vermögen der Erbteilung unterlagen 14 . Von seiten des Reiches wurde kein Widerstand mehr geleistet, da es an der Erhaltung größerer Partikularstaaten kein Interesse hatte, eher eine Förderung der Reichspolitik durch die Zerstückelung der Territorien zu
• Vgl. S. 401 n. 403 ff. 501 f. 522. Vgl. S. 410. 498. 521. 557. BERCHTOLD, Entwickelang der Landeshoheit 87 ff. 11 Vgl. WEILAND, a. a. 0 . 1 0 1 . SCHULZE, Recht der Erstgeburt 8 0 . 2 2 9 ff. 14 Auch nach unserer Auffassang durchaus unveräußerliche Hoheitsrechte und Sachen, die heute ihrer Natur nach dem Rechtsverkehr entzogen sind, konnten nach der Auffassung des Mittelalters Gegenstand des Privateigentums sein. Die Urkunden verwendeten dafür das Wort proprietas (eigentum), während dominium (herschaff) nur von Hoheits- oder Herrschaftsrechten gebraucht wurde. So erwarb die Stadt Stralsund im Jahre 1290 integrara ac meram proprietatem {ganzen eghendom) an der ganzen Meerenge zwischen Pommern und Rügen, mitsamt dem Vor10
strande.
S. 57.
VgL FABRICIUS, R ü g . Urk.
I I I . U r k . Nr. 2 0 5 , S. 73.
Vgl. S. 405 n. 576 n. "
Vgl.
SCHULZE,
" Vgl. S. 414 f.
a . O . 1 5 2 ff. 2 2 8 ff. 2 3 4 . SCHULZE,
a. a. 0 , 233. 241—312.
IV. U r k . Nr. 441,
Das Mittelalter.
590
erhoffen war. Erst die Goldene Bulle von 1356 that der patrimonialen Entwickelung der Fürstentümer Einhalt, indem sie für die Kurfürstentümer das Prinzip der Unteilbarkeit und der Vererbung nach den Grundsätzen des Erstgeburtsrechts aufstellte16, ein Beispiel das auch in anderen Fürstentümern Nachahmung fand, obwohl der in der Primogeniturordnung ausgedrückten staatsrechtlichen Auffassung erst in der folgenden Periode allgemeiner Rechnung getragen wurde 16 . Der Hauptwendepunkt in der Ausbildung der Landeshoheit fiel unter die Begierung Friedrichs II. Begünstigungen einzelner Fürsten hatten schon unter seinen Vorgängern wiederholt stattgefunden, entscheidende Zugeständnisse an die Gesamtheit aber erst unter Friedrich II. und seinem Sohne lleinrich (VII.). Neben verschiedenen Reichsweistümern kommen besonders in Betracht die sog. Confoederatio cum principibus ecclesiasticis von 1220, durch die Friedrich die Zustimmung der geistlichen Fürsten für die Wahl Heinrichs zum römischen König erkaufte17, und die 1231 von Heinrich erlassene Constitutio in favorem principum, die ihm die Gunst der Fürsten auf Kosten des Kaisers erwerben sollte, von dem letzteren aber, wenn auch nicht ohne einige bemerkenswerte Abweichungen zu Gunsten des Beiches, schon 1232 bestätigt wurde18. Einen weiteren Schritt in der Ausbildung der Landeshoheit bezeichnete die Goldene Bulle von 1356, 15
GB. c. 7. 20. 25. Vgl. S. 478. SCHULZE, a . a . O . 813 ff. Die Bestimmungen
der GB. über die Landeshoheit der Kurfürsten beschränkten ihre Geltung auf die kurfttrstlichen Territorien und kamen für die mit ihnen erst durch spätere Erwerbung vereinigten Landesteile nicht in Betracht. Vgl. GB. c. 10, § 2. 16 Vgl. SCHULZE, a. a. 0. 817 ff. Der Fälscher des österreichischen Privilegium maius (Anm. 19) säumte nicht, auch für Österreich die Primogeniturordnung aufzustellen. Vgl. BEBCHTOLD, Landeshoheit Österreichs 63 ff. In der Mark Brandenburg wurde für das gesamte Staatsgebiet die Unteilbarkeit schon durch die „dispositio Achillea" des Markgrafen Albrecht Achilles von 1473 (SCHULZE, Hausgesetze 8, 6 7 8 ff. ALTMAHN u. BERKHEIM2 332) eingeführt; die fränkischen Lande wurden zu einer Sekundo- und Tertiogenitur des markgräflichen Hauses bestimmt. Für die ältere Zeit vgl. Urkunde von 1417 bei ALTMANN, Mitt. d. öst. Inst. 18, 9 f. " Bei WEILAND 2, Nr. 73 als „Privilegium in favorem principum ecclesiasticorum". Es empfiehlt sich, die in der Litteratur eingebürgerte frühere Bezeichnung beizubehalten. Abdruck bei ALTMANN u. BERNHEIM2 19. Gegen die neuerdings bei PHILIPPI, Zur Geschichte der Reichskanzlei 106 ff., erhobenen Angriffe wird die Echtheit siegreich verteidigt von WINKELMANN, GGA. 1885, S. 7 9 3 ff., und WEILAND, Hist. Aufs, für WAITZ 2 4 9 ff. Rudolf I . erteilte der Confoederatio erst im März 127& nach längerem Sträuben und nicht ohne eine gewisse Beschränkung die Bestätigung. Vgl. MG. Leg. 2, 401 f. FICKER, Entstehungszeit des Schwabenspiegels 35 (Wien. SB. 77, 827). 18 Bei WEILAND 2 , Nr. 171. 304. Die Abänderungen finden sich in den §§ 1, 15, 22 und im Schlußsatz. In dem letzteren sind die Worte eodem quoque iure gaudere volumus vassallos, ministeriales, homines et eivitates nobü et imperio attinentes gestrichen. Während Heinrich VII. in § 1 allgemein auf das Recht, neue Burgen und Städte in preiudicium principum anzulegen, verzichtet, läßt Friedrich II. diese Beschränkung des Königs nur in fundís ecclesiarum vel ocasione adtocaeie eintreten. Die den Fürsten durch Friedrich II. eingeräumten Hoheitsrechte spiegeln sich wieder in einem Erlaß Heinrichs (VII.) von 1 2 3 4 (WEILAND 2 , Nr. 324).
§ 50. Die Territorien.
2. Inhalt der Landeshoheit.
591
indem sie verschiedene Freiheiten der böhmischen Krone auf die übrigen Kurfürsten ausdehnte und neue hinzufügte. Wie sehr der durch diese Gesetzgebung angefeuerte Wetteifer der übrigen Fürsten, die den Kurfürsten gewährten Begünstigungen auch für sich zu gewinnen, im Laufe der Zeit von Erfolg gekrönt war, ergiebt sich aus der Fälschung des Herzogs Rudolf IV. von Österreich, die trotz ihrer Maßlosigkeit schon im 15. Jahrhundert für echt gehalten und 1453 von Kaiser Friedrich III. bestätigt wurde, indem ihr Inhalt der thatsächlichen Entwickelung nicht mehr widersprach18. In der allmählichen Emanzipation der Territorien vom Reiche spielte der Verzicht auf das Spolienrecht und die Beschränkung des Regalienrechts gegenüber den geistlichen Fürsten (S. 418 f.) und die Beseitigung des Angefällerechts gegenüber den weltlichen (S. 417) eine nicht unerhebliche Rolle. Noch wichtiger war das Verschwinden der königlichen Bannleihe (S. 572) und die Beschränkung des Ledigwerdens der Regalien bei Anwesenheit des Königs auf die Zeit der Reichstage (S. 523). Innerhalb der Territorien wurde die Ausübung verschiedener königlicher Hoheitsrechte seit den Privilegien Friedrichs II. an die Zustimmung der Landesfürsten gebunden: so die Anlage von Reichsburgen, Verlegung von Landstraßen, Errichtung neuer Märkte, Münz- oder Zollstätten. Dazu' kam die zunehmende Übertragung nutzbarer Hoheitsrechte vom Reiche auf die Fürsten. 2. I n h a l t der L a n d e s h o h e i t . Den eigentlichen Kern der Landeshoheit bildeten die alten Grafenrechte, zumal die hohe Gerichtsbarkeit, das Recht des Gebotes und Verbotes (Bannrecht) in gerichtlichen Angelegenheiten und Sachen der Landesverwaltung und Polizei 20 , das Recht des militärischen Aufgebotes bei Reichsheerfahrten (S. 514 f.) oder zur Landfolge 21 , das Recht auf den Schoß oder Grafenschatz22 und die Be19
Der 1156 von Friedrich I. für das neuerrichtete Herzogtum Österreich erlassene Freiheitsbrief liegt in zwei sehr verschiedenen Texten, einem längeren (Privilegium maius) und einem kürzeren (priv. minus) vor. Ausg.: WEILAND, Const. 1 , 2 2 0 . 683.
v . SCHWIND u . DOFSCH, a. a. 0 .
8. 10. 3 6 8 .
ALTHANN U. BERNHEIM2
277. 325. Das Privilegium maius ist eine um 1359 entstandene Fälschung des Herzogs Rudolf IV., der echte Freiheitsbrief ist das Privilegium minus. Vgl. WATTENBACH, Arch. f. K. öst. Geseh.-Qu. 8, 77 ff. 14, 1 ff. FICKER, Über die Echtheit des österreichischen Freiheitsbriefes, Wien. SB. 23. HITBEB, Entstehungszeit der österr. Freiheitsbriefe, ebd. 34. BERCHTOLD, Landeshoheit Österreichs, 1862 (daselbst S. 15 ff. eine Übersicht über die reiche Litteratur). WAITZ, GGA. 1862, S . 1532 ff. v. LUSCHIN, a. a. 0 .
134.
Vgl. S. 569 n. HECK, Altfries. Gerichtsverf. 34 f. W. SICKEL, Zur Geschichte des Bannes, Marb. Progr. 1886. Über die Errichtung gewerblicher Bannrechte vgl. S. 538. WEILAND 2, 442 (1239). Aus dem Rechte des Gebots und Verbots entwickelte sich hier und da ein Recht des Heiratszwanges gegenüber den Unterthanen. Vgl. v. BELOW, Landtagsakten 1, 154. 21 Vgl. S. 518. MAURER, Fronhöfe 3, 457 ff. Über die militärischen Befugnisse der Markgrafen WAITZ 7, 87. KÜHNS, Gerichtsverfassung d. M. Brand. 1, 25 f. v. WRETSCHKO, a. a. 0 . 91 ff.
«2 Vgl. S. 450. 515. 516 n. 533. WAITZ 8, 893. Über Landrecht und Markrecht vgl. S. 533.
Das Mittelalter.
592
fugnis zur Berufung von allgemeinen Botdingen innerhalb der Grafschaft 23 . Das Befestigungsrecht, das außer dem König früher nur den Herzogen und Markgrafen zugestanden hatte, erlangten die Fürsten durch die Privilegien Friedrichs II. 2 4 , während innerhalb der einzelnen Territorien Befestigungen nur noch mit landesherrlicher Genehmigung errichtet werden durften 25 . Die Verpflichtung aller nicht gefreiten Grundbesitzer, zu den vom Landesherrn angeordneten Burgbauten durch Frondienste oder Geld beizutragen (S. 519), bildete fortan eine regelmäßige Landeslast („Burgwerk"). Der volle Übergang des Straßenregals auf die Fürsten hat sich, nachdem die Krone die Abänderung der Straßen von der Zustimmung der davon betroffenen Landesherren abhängig gemacht hatte, im Laufe der Zeit von selbst vollzogen, während bei dem Stromregal bis zum 15. Jahrhundert daran festgehalten wurde, daß es einer ausdrücklichen Verleihung bedürfe 26 . Von dem Übergang des Geleitsrechtes (ius conductas, custodias stratarum publicarum) auf die Fürsten ist bereits die Bede gewesen; durch die Constitutio i. fav. princ. c. 14 wurde es den Fürsten innerhalb ihrer Territorien allgemein zuerkannt, aber nur als ein ihnen persönlich vom Reiche verliehenes und darum nicht weiter -übertragbares Hecht 27 . Erst seit Rudolf I. galt es, unbeschadet des im ss
Vgl. S. 170, n. 23. S. 560. " Vgl. S. 518 f. Conf. c. pr. ecd. 9. Conet. in fav. princ. 1 (s. Anm. 18). WSILAND 2, 421 (1231). FBANKLIN, Sent Nr. 156—169. MG. Leg. 2, 423. 463. Zwangsenteignungen zu Befestigungszwecken unterlagen der Entscheidung des Königs. Vgl. Reichsurteil von 1295, MG. Leg. 2, 463. FRANKLIN Mr. 169. Vgl. v. D. BEEQH, a. a. 0 . 1, Nr. 179 (1199) Bewilligung des Grafen von Holland zur Errichtung einer BUK, woraus wohl zu schließen, daß er wegen der feindlichen und seeräuberischen Überfüllen ausgesetzten Lage seines Landes das Befestigungsrecht schon damals besaß. Zwangsenteignungen zu Kanalbauten konnten in den Niederlanden schon Ende des 13. Jahrhunderts vom Landesherrn angeordnet werden. Vgl. ebd. 2, Nr. 640. 682. Über Zwangsenteignungen bei Deichanlagen vgl. J. GIERKE, Gesch. d. Deichrechts 1, 179 f. »5 Vgl. Ssp. III. 66, §§ 2—4. Schwsp. L. 143. Reichsurteile von 1181, 1184, 1279 u . 1294.
WEILAND 1, 387. 422. M G . L e g . 2, 422. 461.
DOFSCH, E n t s t e h u n g
d. öst. Landrechtes, Arch. f. öst. Gesch. 79, 48 ff. HASENÖHRL, Österr. Landesrecht 43 ff. v. LUSCHIN, a. a. 0. 200 f. Die Landesherren erteilten die Erlaubnis regelmäßig nur gegen Einräumung des Öflnungsrechts und verlangten bei allodialen Burgen außerdem den Lehnsauftrag. Vgl. LAMPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 178. 1270 f. 1286. Ohne landesherrliche Erlaubnis waren nur leichte Verschanzungen und Verzäunungen gestattet. In der Mark Brandenburg wurde den längs der polnischen Grenze ansässigen, mit größerer militärischer Selbständigkeit ausgestatteten ritterlichen Geschlechtern erlaubt, feste Schlösser anzulegen. Als „schloßgesessener" Adel bildeten sie eine bevorzugte Klasse vor dem Lehnsadel des inneren Landes, der sich mit leichteren Burgen begnügen mußte. * Vgl. S. 397. 534 f. R e i c h s u r t e i l v. 1224, WEILAND 2, 401. LAMBRECHT, W i r t -
schaftsleben 2, 237. GASNEB, Zum deutschen Straßenwesen 61 ff. 17
V g l . S. 529. 588.
LAMPRECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n 2 , 289 ff. OSENBRÖQGEN,
Studien 30. MARTIN, Kudrun (1872), pg. 34. Mainzer Landfr. v. 1235, c. 7. 9. 12. FRANKLIN, Observationes ad artículos quosdam constitutionis pacis, Berl. Dias. 1852, S. 21 f. Die Verleihung erfolgte unter Überreichung einer besonderen Fahne. Vgl. ZEUMEB, Hist. Zeitschr. 82, 488.
§ 50.
Die Territorien.
2. Inhalt der Landeshoheit.
593
ganzen Reiche fortbestehenden Geleitsrechts des Königs, schlechthin, als landesherrliches, frei übertragbares Regal 28, Mit Märkten, Zöllen und Münzen waren die Grafen so vielfach, ausgestattet, daß sich die Ansicht bilden konnte, als- gehörten sie ebenso wie ein gewisser Reichslehenbesitz zu der notwendigen Ausstattung jedes Grafenamtes. Neu in den Zugeständnissen Friedrichs II. war nur, daß dem König das Recht entzogen wurde, die in den Händen der Fürsten befindlichen Märkte, Zölle oder Münzen ohne ihre Zustimmung durch die Errichtung neuer, die ihnen Konkurrenz machen konnten, oder durch Erteilung von Zollbefreiungen zu beeinträchtigen29. Das Zollregal an sich, namentlich soweit es sich um die Errichtung neuer Zollstätten handelte, verblieb dem Reiche, während das Marktregal sich auf gewohnheitsrechtlichem Wege allmählich zu einem landesfürstlichen Hoheitsrecht gestaltete und nur in den nichtfürstlichen Herrschaften dem Reiche verblieb30. Das Münzregal als solches blieb dem Reiche gewahrt, nur die Kurfürsten erlangten durch die Goldene Bulle für den Bereich ihrer kurfürstlichen Territorien neben dem bisher dem Reiche vorbehaltenen Recht der Goldprägung auch die Befugnis zur Errichtung neuer Münzstätten, so daß das Reich nur das Oberaufsichtsrecht behielt31. Die Münzprägungen erfolgten regelmäßig nicht unmittelbar für Rechnung der Münzherren, sondern wurden sowohl in den Territorien wie in den in Besitz des Münzrechtes gekommenen Städten besonderen Unternehmern überwiesen, welche die Beschaffung des Prägematerials, die Herstellung und endlich auch den Vertrieb der Münzen, also das Wechselgeschäft, auf eigene Rechnung ins Werk setzten, mit dem Münzherrn aber in regelmäßiger Wiederkehr wegen der Einnahmen aus dem Schlagschatz sowie ihrer Auslagen und Provisionen Abrechnung hielten32. Wo " Vgl. Landfr. v. 1281, § 8 (MG. Leg. 2, 428). Gold. Bulle c. 1, §§ 1—14. Das Geleitsrecht auf öffentlichen Flüssen bedurfte besonderer Verleihung. Vgl. S. 535 n. Übrigens gehörte es keineswegs zum Wesen des Geleitsrechts, daß jeder Reisende verpflichtet war, Geleite zu nehmen. Wer die Gefahr auf sich nehmen wollte, konnte das Geleitgeld sparen; umgekehrt hatte der Geleitgeber dem unter seinem Geleite Beschädigten Ersatz zu leisten. Vgl. Ssp. II. 27, § 2. Schwsp. L. 194. Mainz. Landfr. v. 1235, c. 7. Freib. Stadtr. 3. Als Wahrzeichen des ihm gewährten Friedens führte der Geleitete eine Fahne oder ein Kreuz oder einen grünen Zweig, wie in der früheren Zeit einen geweihten Stab. Vgl. SCHRÖDER, Rolandssäulen 15. 21. 32. BRÜNNER, RG. 2, 190. Die Berl. Diss. von KALISCH, Geleitsregal u. Zollregal, 1901, konnte nicht mehr berücksichtigt werden. m Vgl. S. 526. 528 f. Ssp. II. 26, § 4. III. 66, § 1. Schwsp. L. 143. 50 Vgl. Mainz. Landfr. v. 1235, c. 7 ff. FRANKLIN, a. a. 0 . 12 ff.; Sent, curiae regis Nr. 191 (1290). BERCHTOLD, Landeshoheit Österreichs 192. *l Vgl. GB. c. 1 0 , § § 1. 3 . Mainz. Landfr. v. 1 2 3 5 , c. 1 1 . FRANKLIN, Observationes 1 9 f. Nach einem Reichsweistum Friedrichs I . (WEILAND 1 , 2 7 2 ) scheinen die Bischöfe innerhalb ihrer Diözesen mit der Aufsicht über das Münzwesen betraut gewesen zu sein. 3i Über das Münzwesen vgl. S. 525 ff. und die dort angeführte Litteratur, besonders EHEBERG , a. a. 0 . 9 7 — 1 7 6 , und ZGO. 3 2 , 4 4 4 ff. mit Litteraturangaben. WAITZ 8 , 3 3 9 ff. ARNOLD, Verf.-Gesch. d. deutsch. Freistädte, 1, 2 6 9 ff. HANADER R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtegeschichte.
4. Aufl.
3g
594
Das Mittelalter.
die Beschaffung des erforderlichen Silbers durch den Bergbau erleichtert wurde oder ein geringerer Handelsverkehr nur mäßige Ansprüche an die Münze machte, finden wir durchweg den mit der technischen Leitung betrauten „Münzmeister" zugleich als Münzunternehmer, während das regelmäßig von ihm gedungene Hilfspersonal von der geschäftlichen Beteiligung ausgeschlossen war. Dagegen bestanden überall, wo die größere Schwierigkeit der Silberbeschaffung oder der gesteigerte Anspruch eines regeren Verkehrs die Kräfte eines Einzelnen überstieg, besondere Münzergenossenschaften, seit dem 13. Jahrhundert nach dem Münzhause regelmäßig als „Hausgenossenschaften" bezeichnet 33 . An der Spitze stand auch hier der mit der Aufsicht und Leitung beauftragte Münzmeister. Die Hausgenossenschaften sind zweifellos durch die korporative Organisation des ursprünglichen Münzpersonals entstanden; da dies an den königlichen Münzen aus Fiskalinen bestand, die bei einer Verleihung der Münze regelmäßig mitübertragen wurden, so haben die Hausgenossen vermöge der Bedeutung ihrer Stellung an dem allgemeinen Emporsteigen der Ministerialen teilgenommen-, im Laufe des 13. Jahrhunderts waren sie fast überall mit den ratsherrlichen Geschlechtern verschmolzen 34 . Ernannt wurden die Münzmeister und Hausgenossen in der Regel durch den Münzherrn, oft aber nur auf Grund eines Vorschlagsrechtes der Hausgenossen. Das Amt wurde zu Lehen gegeben, gegen bedeutende Aufnahmegelder an den Münzherrn und die Korporationskasse. An den technischen Prägungsarbeiten nahmen die Hausgenossen meistens nur als Leiter oder Aufseher teil, die mechanischen Arbeiten ließen sie von gedungenen Münzknechtcn verrichten. Zur Beschaffung des Silbers hatten sie das Wechselmonopol und ein Vorkaufsrecht bei allen Silberverkäufen36. Die Gerichtsbarkeit in Münzangelegenheiten oder, wo diese den ordentlichen Gerichten überwiesen waren, doch die Münzpolizei, verbunden mit einer gewissen Aufsicht über das MaTktwesen, über Maße und Gewichte, stand dem Münzmeister zu 3 8 . Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts haben die Hausgenossenschaften ihre maßgebende Stellung im Münzwesen verloren, teils weil sie in den Sturz des Geschlechterregiments in den Städten mithineingerissen wurden, teils weil die zunehmende Bedeutung des einheimischen Silberbergbaues die Beschaffung des Prägematerials erleichterte, so daß 114 ff. GTIEHKE, Genossenschaftsrecht 1, 188 ff. v. LUSCHIN 47 ff.; Österr. Reichs;. 203. MACBEB, Städte Verfassung 1, 297 ff. CAHN, Der Straßburger Stadtwechsel, ZGO. 5 3 , 4 4 ff. "* So in Augsburg, Bamberg, Basel, Erfurt, Frankfurt, Köln, Öhringen, Speier, Straßburg, Weißenburg, Wien, Worms, Würzburg. M In Basel gehörten die Hausgenossen nicht zu den Geschlechtern, sondern zu der Goldschmiedezunft, aus der. Bie hier hervorgegangen waren, " Vgl. S. 527. ERMISCH, Sächs. Bergrecht pg. 37. 8 8 Vgl. Ssp. II. 2 6 , § 6. Schwsp. L . 192 b . Häufig war auch das Eichant und die Verwaltung der Stadtwage mit dem Amt des Münzmeisters verbundei. Die niedere Gerichtsbarkeit über die Hausgenossen wurde von der Korporaticn selbst unter Vorsitz des Münzmeisters ausgeübt.
§ 50.
D i e Territorien.
2. Inhalt der Landeshoheit.
595
die Münzherren, zumal die münzberechtigten Städte, es vorzogen, die Verwaltung ihres Münzwesens in eigene Hand zu nehmen. Das Berg- und Salzregal (S. 538 ff.), das die Goldene Bulle von 1356 den Karfürsten zugestand, wurde noch im Laufe des Mittelalters infolge gewohnheitsrechtlicher Entwickelung Gemeingut sämtlicher Reichsfürsten 87 . Um das Bergregal in zunehmendem Maße nutzbar zu machen, wurde es seit dem 13. Jahrhundert mit der landesherrlichen Freierklärung verbunden, wodurch sich der Bergherr verpflichtete, schlechthin jedem Finder oder doch jedem einem bestimmten Kreise (z. B. der Freiberger oder Amberger Bürgerschaft) angehörigen Finder auf vorschriftsmäßige Mutung die Belehnung zu erteilen (S. 540). Von dem Übergang der Gerichtsgefälle (S. 531), des Boden- und Strandregals (S. 532 f.), des Schatz- und Fundregals (S. 541), des Wildbannrechtes (S. 536 f.) und des Fremdlingsrechtes (S. 530 n.) ist bereits anderweitig die Rede gewesen38. Eine bedeutende Einnahmequelle gewährte den Fürsten auch das Judenschutzrecht, das seit dem 14. Jahrhundert durchweg in ihre Hände gekommen war 39 . Die Umbildung des königlichen Heimfallsrechtes an erblosem Gut in ein landesfürstliches Recht hing wohl mit der Anschauung zusammen, daß das Heimfallsrecht zu den Gerichtsgefällen gehöre, die im 13. Jahrhundert nicht mehr zwischen König und Grafen geteilt wurden, sondern ganz den letzteren zufielen 40 . Die vom Reiche in wesentlichen Punkten befreite, mit den bedeutendsten Hoheitsrechten ausgestattete landesherrliche Stellung der Kurfürsten wurde von der Goldenen Bulle c. 24 zur Würde der Majestät erhoben, indem Vergehen gegen die Kurfürsten als Majestätsverbrechen geahndet werden sollten. So weit ist es mit der Landeshoheit der übrigen 87 Rudolf IV. von Österreich hatte dem Privilegium maius (Anm. 19) vorsichtigerweise die Meistbegiinstigungaklausel eingefügt, wodurch ihm alles, was den Kurfürsten bewilligt wurde, ebenfalls zu gute kam. Das Bergregal scheinen die Herzoge von Österreich übrigens schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts, wahrscheinlich auf Grund älterer Verleihung, besessen zu haben. Vgl. BEHCHTOLD, Landeshoheit Österreichs 192 f. Über das Berg- und Salzregal des deutschen Ordens in Preußen vgl. v. BBONNECK, Grundeigentum in Ost- und Westpreußen 1, 16. 88 Unter fund und prund oder wildfang auf und in der erden faßten die Weistümer in formelhafter Weise das herrschaftliche Jagd- und Fischereirecht, Berg-, Schatz- und Fundregal und das Recht des Einfangens von Bienenschwärmen zusammen. Über das D e i c h r e g a l vgl. S. 427 n. 429 n. J. GIEUKE, Gesch. d. Deichrechts 1, 105 ff. 89 Vgl. S. 468 f. GB. von 1356 c. 9. Zu der S. 467 angeführten Litteratur tritt noch hinza LIEBE, Die rechtlichen und wirtschaftlichen Zustände der Juden im Erzstift Trier, Westd. Zeitschr. 12, 311 ff. Das österreichische priv. mains (Anm. 19) hob neben dem Judenregal das Recht des Herzogs auf die Zulassung von Kawerzen (S. 468), also seine Befugnis zur Erteilung des Wucherprivilegs an christliche Pfandleiher, hervor. Vgl. BERCBTOLD, a. a. O. 185 ff. v. LUSCHIN, Gesch. d. Gerichtswesens Österreichs 237 ff. 40 Vgl. S. 5 3 0 f. Ssp. I. 6 2 , § 2. II. 31, § 2. 3 7 , § 3. III. 3 2 , § 10. Dsp. 8 7 .
38*
Das Mittelalter.
596
Fürsten im Mittelalter nicht gekommen41, aber auch sie war bedeutend genug, wenn es ihr gelang, sich durch kräftige Konzentration nach unten zu einer wahren Staatsgewalt zu entwickeln. Es handelte sich dabei teils um bessere Abrundung der vielfach durch Exemtionen und fremdherrliche Gebiete durchbrochenen Territorien, teils um die Überwindung der feudalen Mächte im eigenen Lande. In ersterer Beziehung bildete die Vogtei, mochte sie wahre Stiftsvogtei oder ursprünglich nur zum Zweck des Schutzes begründete Schirmvogtei sein, ein häufig benutztes Mittel, um kirchliche Stifter zur Unterwerfung unter die fürstliche Gewalt zu bringen, und die dagegen wiederholt zu Hilfe gerufene Reichsgewalt vermochte diesem an sich rechtswidrigen Verfahren keineswegs allgemein zu steuern. Noch durchgreifender war der Erfolg, den die Fürsten den einzelnen Markgenossenschaften gegenüber durch die Obermärkerschaft (S. 427) zu erzielen wußten. Größere Schwierigkeiten standen der Abrundung durch vertragsmäßige Erwerbung fremder Gebietsteile entgegen, da Lehen und Lehnsteile nur durch die Hand des Lehnsherrn veräußert werden konnten 42 . Nachdem aber die Goldene Bulle den Kurfürsten derartige Erwerbungen freigegeben hatte, war auch die Politik der übrigen Fürsten auf die Erlangung der gleichen Befugnis gerichtet43. Die völlige Beseitigung der Außenlehen, d. h. der unter fremden Lehnsherren stehenden Landesteile, wurde schwerlich irgendwo erreicht44. Eine Lebensfrage für sämtliche Territorien bildete die Überwindung der eigenen Lehnsmannen. Solange die Fürsten bloße Obergrafen waren, lagen die landesherrlichen Hechte, wenn auch in abgeschwächter Gestalt, in den Händen der von ihnen belehnten Grafen; solange diese nicht zur Unterwerfung gebracht oder ganz beseitigt waren, konnte das fürstliche Territorium nicht als eine staatliche Einheit betrachtet werden. In günstigerer Lage waren von vornherein nur die Stammesherzoge und die Markgrafen, soweit sie ihre Länder nicht durch Vassallen, sondern durch Beamte verwalteten45. Zwar wurde es seit dem 14. Jahrhundert in den Marken mehr und mehr üblich, die Ämter zu Lehen zu geben, der Gefahr 41
Das österreichische privil. maius wollte auch hier nicht nachstehen. Vgl. Landeshoheit Österreichs 136 f. " Vgl. S . 410. Reichsurteile von 1174 (WEILAND 1, 387), 1281, 1288 ( M G . Leg. 2, 426. 442). Exemtionen erteilten die Fürsten schon seit Friedrich II. auf eigene Hand (S. 557, n. 73). " GB. c. 10, §§ 2. 3. BBBCHTOLD, Landeshoh. Österreichs 97 ff. Köln hatte schon 1308 die Genehmigung zu allem möglichem Landerwerb erhalten. Vgl. LACOMBLET, UB. z. Gesch. d. Niederrh. 3, 68. Der bisherige Rechtszustand kurfürstlicher Neuerwerbungen sollte übrigens unverändert bleiben, die Privilegien der kurfürstlichen Lande wurden also nicht auf sie ausgedehnt. Über Gebietserwerbungen deutscher Fürsten durch Erbvertrfige vgl. LÖNING, Erbverbrüderungen, 1867. 44 Innerhalb der österreichischen Grenzen sollte es nach dem Priv. malus keinen anderen Lehnsherrn als den Herzog geben. 45 Vgl. S. 567 f. 571. Auch die friesischen Schulzen waren ursprünglich Beamte, wurden aber später zu erblichen Lehnschulzen (Grietmünner), wodurch die Grafen allen Einfluß auf das Gerichtswesen verloren. Vgl. 8. 562 n. BERCHTOLD,
§ 50. Die Territorien. 8. Zentralverwaltung.
597
einer Bückbildung wurde aber dadurch vorgebeugt, daß man sich hierbei auf den Landesadel beschränkte, der ohne Ausnahme dem Ministerialenstand angehörte und sich in einer persönlichen Abhängigkeit befand, die ihn den Fürsten gegenüber nicht so widerstandsfähig erscheinen ließ, wie es bei den edelen Geschlechtern im inneren Reiche der Fall war. Ein entschiedener Fortschritt in den übrigen Territorien war es schon, daß man bei dem Aussterben altgräflicher Häuser mehr und mehr zur Belehnung von Ministerialgrafen (S. 445. 495 n.) überging. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war aber das Streben überall auf Beseitigung der Lehngrafen gerichtet; da das deutsche Lehnrecht nur ein Erbrecht in absteigender Linie kannte (S. 412), so war das Ziel im 14. Jahrhundert fast überall erreicht, die belehnten Grafen hatten angestellten Landrichtern, Vögten oder Amtmännern den Platz geräumt. Wenn sich daneben feudale oder grundherrliche Gewalten erhielten, so vermochten diese, auch wo sie, wie in Brandenburg seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, zahlreich vorhanden waren, der Landesgewalt doch nur geringen Abbruch zu thun, da sie nicht wie die Grafschaften zu Ausgangspunkten für die Ausbildung einer neuen Landesherrschaft geeignet waren46. 3. Die Organe der Zentralverwaltung 4 7 . Die Organisation der Hofämter an den fürstlichen Höfen war der des Königshofes nachgebildet, auch darin daß es entsprechend den Erzämtern des Reiches später in den Territorien ebenfalls Erbhofämter gab, die bloße Ehrenämter waren und nur bei besonders feierlichen Gelegenheiten in Dienst traten, während die tägliche Leitung in den Händen von Unterhofbeamten lag. Die Erbämter an den herzoglichen und bischöflichen Höfen waren vielfach an Fürsten verliehen, sonst waren die Träger der Hofamter Edle oder vornehmere Ministerialen, zum Teil ebenfalls auf Grund erblicher Verleihung, seit dem 14. Jahrhundert aber mehr und mehr unter Wahrung des Amtscharakters. Die Dienste selbst wurden von den zu den einzelnen Ämtern geborenen Ministerialen versehen. Die vier alten Hofbeamten, Marschall, Truchseß oder Küchenmeister, Kämmerer oder Kammermeister (als Leiter des Finanzwesens) und Schenk, fehlten an keinem Fürsten18
Über derartige Unterherrschaften oder „Herrlichkeiten" vgl. S. 587. v. BELOW, Landst. Verf. in Jülich u. Berg 3, 183 ff. F. v. SYBEL, Herrschaft GimbornNeustadt, 1880. KOHNB, Gerichtsverf. d. Mark Br. 2, 124 ff. 319 ff. 47
Vgl. S. 486 ff. MAUBEB, Fronhöfe 2, 220 ff. 261—304. 340 ff. 362 ff. BOBENTHAL, a. a. 0 . 236 FF. NITZSCH, M i n i s t e r i a l i s t und Bürgertum 238 f. v. FÜRTH,
Ministerialen 188—215. 231 ff. ISAACSOHN, Geschichte des preußischen Beamtentums 1, 4—28.
BORNHAK, a. a. 0 . 1, 57 ff. 169 f. LEWINSKI, D i e brandenburgisch'e
Kanzlei und das Urkundenwesen 1411—1470, 1893.
v. LUSCBIN, a. a. 0 . 189 f.
v. WBETSCHKO , a. a. 0. 19 ff. MOHB, Finanz Verwaltung der Grafschaft Luxemburg (Staatsw. Studien 4, 3, 1892). RIEZLEB, Geschichte Bayerns 2, 171. 530. 3, 671 ff. FBENSDOBFF, Recht der Dienstmannen von Köln 16. 24. 63. LAMFRECHT, Wirtschaftsleben 1, 823. 1426 ff. WAITZ 7, 311 ff. WEILAND, Const. 1, 182 f.
Das Mittelalter.
598
hof*8, während die Höfe der geringeren Landesherren wesentlich einfacher bestellt waren. Das Amt des Marschalls hatte unter dem Einfluß der veränderten Heerverfassung eine beträchtliche Erweiterung erfahren, da der Marschall gewissermaßen Kriegsminister und zugleich Haupt des Lehnadels geworden war. Ihm stand in der Hegel der Vorsitz in den Landtagen zu, auch hatte er über die gesamte Ritterschaft zuweilen die Disziplinargerichtsbarkeit, mit der sich auch eine gewisse Civilgerichtsbarkeit verbinden konnte 49 . Später führte die Doppelstellung des Marschalls in einigen Ländern, z. B. Osterreich, zu der Trennung des Amtes in ein Hofmarschall- und ein Landmarschallamt50. Als Haupt des gesamten Hofpersonals, vielfach zugleich als oberster Minister und Stellvertreter des Landesherrn in der Landesregierung, erscheint seit dem 13. Jahrhundert der Hofmeister, der insoweit Hof- und Landesbeamter (Landhofmeister) in einer Person war 61 . Der Kanzler (Protonotar, oberster Schreiber) gehörte bis zur zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stets dem geistlichen Stande an; im Bäte des Fürsten und in allen Regierungsangelegenheiten stand er neben dem Hofmeister und Marschall in erster Reihe 63 . Außer den Genannten gab es noch andere höhere Hofbeamte von mehr oder weniger unbestimmter Stellung, wie den Jägermeister, den Hofkaplan, ferner die „Hofreiter« und den „Ministerial", die je nach Bedürfnis zu den verschiedensten Aufträgen verwendet wurden. 49 In den geistlichen Fürstentümern war das Kämmereramt ursprünglich regelmäßig in den Händen eines Geistlichen. Seit der staufischen Zeit wurden die vier Ämter durchweg crblich verliehen, die Übrigen Hofämter dagegen durch widerruflich angestellte Beamte verwaltet. Vgl. FRANKLIN, Sent. Nr. 129—137. WEILAND 1, 424. Wesentlich anders gestaltet waren nur die fünf Großämter des deutschen Ordens, die sich immer in den Händen von Ordensrittern befanden. 4
* Vgl. v . WBETSCHKO, a. a . 0 .
127 ff. 145 ff. v . LUSCHIN,
Gerichtswesen
Österreichs 251 ff. ROSENTHAL, a. a. 0. 229 ff. Im Fürstentum Osnabrück übte der Erbdrost die sonst dem Marschall zustehenden Rechte aus, während der nur unter besonderen 'Umständen ernannte Landdrost statthalterliche Befugnisse hatte. 60 Vgl. v. WRETSCBKO 57 ff. v. LUSCHIN, Gerichts*. 82 ff. In Holstein nahm der Overbode, in Ostfalen der Schultheiß als Bannerträger (signifer) und Haupt des Adels bis Mitte des 18. Jahrhunderts eine Stellung ein, die der des Marschalls in mancher Beziehung entsprach, er war aber Landes-, nicht Hofbeamter. Auch bei den Friesen stiegen einige Grietmänner zu der Stellung von Landesführern empor. Vgl. S. 561 f. 564. 61 Vgl. SEELIOEB, H o f m e i s t e r a m t 6 ff. 34—57. ROSENTHAL, a. a. 0 . 23» ff. MAUBEB, a a. 0 . 2, 226. 2 3 0 ff. 266. LAMPBBCHT, a. a. 0 . 1, 1435 ff. I n B r a n d e n -
burg beschränkten die Hohenzollern das Hofmeisteramt wieder auf die reinen Hofangelegenheiten, während es unter den Wittelsbachern auch in allen Landesangelegenheiten die erste Stelle eingenommen hatte. Vgl. ISAACSOHN, a. a. 0. 1, 7 f. Besondere Verhältnisse brachten es mit sich, dafi in Baiern im 14. und 15. Jahrhundert wiederholt ein herzoglicher Statthalter mit außerordentlicher Vollmacht („Hauptmann", „Pfleger in Baiern") eingesetzt wurde. Vgl. RIEZLEB 3, 670 f. 52 Vgl. MAUBEB, a. a. Ö. 1, 220 ff. RIEZLBR, a. a . 0 . 2 , 174. 532. 3 , 678. LAMPBECHT, a. a. 0 . 1, 1432 ff. 1441 ff. ISAACSOHN, a . a. 0 . 1 , 16 f. ROSENTHAL,
a. a 0. 265 ff. LEWINSKI, Die brandenb. Kanzlei u. d. Urkundenwesen von 1411 bis 1470, Straßb. 1893. POSSE, Lehre v. d. Privaturkunden 167 f. 171 ff.
§ 50. Die Territorien.
4. Gerichtsverfassung.
599
Der „Hofrat oder „heimliche Bat" umfaßte die verschiedenen Hofbeamten und wen der Fürst sonst seines Vertrauens würdigte; den Charakter eines geschlossenen Regierungskollegiums (Kammer), das zugleich neben dem fürstlichen Hofgericht oder statt desselben als Kammergericht dienen konnte, haben die Hofräte nicht vor dem 15. Jahrhundert angenommen 53 . 4. Die G e r i c h t s v e r f a s s u n g 6 4 . Der Übergang der vollen Gerichtshoheit auf die Fürsten (S. 571 f.) hatte für die Gerichtsverfassung in den Territorien eine doppelte Wirkung, indem er in den oberen Kreisen einer mehr staatlichen, in den unteren einer feudalen oder grundherrlichen Entwickelung zu gute kam. Der staatliche Charakter des Gerichtswesens wurde gefördert, seit es den Fürsten gestattet war, heimgefallene Grafschaften einzuziehen und die Richterstühle mit Beamten, statt belehnter Untergrafen, zu besetzen, so daß die Fürsten aus bloßen Obergrafen zu unmittelbaren Gerichtsherren wurden, also allgemein eine Stellung erlangten, wie sie früher nur den Herzogen und Markgrafen zugekommen war. Indem andererseits die reichsgesetzlichen Beschränkungen der Teilung und Afterverleihung der Gerichte in Wegfall kamen, wirkten in den unteren Kreisen die Einflüsse des Lehnswesens in verstärktem Maße fort und viele niedere Gerichte verloren die Verbindung mit dem Staate fast ganz. Im einzelnen waren die Yeränderungei), denen die öffentliche Gerichtsverfassung seit dem 13. Jahrhundert unterlag, von unübersehbarer Mannigfaltigkeit Ihnen zu folgen muß der partikularen Rechtsgeschichte überlassen bleiben. Hier sind nur die mehr oder weniger überall hervortretenden Grundzüge hervorzuheben. Die erste Veränderung betraf die ausschließlich durch sachliche Zuständigkeit begründete Unterscheidung der höheren und niederen Gerichte, die infolge der karolingischen Einrichtungen eine wesentliche Grundlage der gesamten Gerichtsverfassung bildete. Den L a n d - oder G r a f e n g e r i c h t e n (iudicia maiora) standen die N i e d e r g e r i c h t e (iudicia minora) als die ordentlichen Gerichte für Klagen um Schuld, mit Einschluß der Bußesachen und der Klagen um fahrende Habe, gegenüber 66 . Das Niedergericht des fränkischen und alamannischen Rechtes war das Zentgericht oder die Zent (centa), dem bei den Sachsen das Goding oder Gogericht, bei den Friesen das Schulzengericht entsprach. Richter war der Zentgraf (centurio), Hunne, Schultheiß oder Schulze, bei> den Sachsen der Gograf (tribunus)66. Die Ernennung des Richters stand ausschließlich 83
V g l . S. 6 0 2 f.
v . MAUBER, a . a . 0 .
2, 2 3 9 f.
RIEZLEB 2 , 1 7 4 . 5 0 8 f . 3 , 6 7 5 f .
1, 190. ISAACSOHN 1, 28 ff. KÜHNS, Gerichts Verfassung der Mark Brandenbarg 1, 230 ff. v. LUSCHIN, Gerichtsw. 98 f. v. WBETSCHKO 149 ff. LAHPBECHT, a. a. 0. 1, 1438 ff. 5T Vgl. § 4 9 u n ( ] ()I E g. 545 U N ( J 55g n , angeführte Litteratur. v. LUSCHIN, Öst. Beichsg. 1 9 2 ff. v. WBETSCHKO 1 1 0 ff. SCHÜCKING, Das Gericht des westfäl. Kirchenvogts, Zeitschr. f. vaterl. Gesch. u. Altert.-K. 55, 1 ff. ,5 In Friesland war das Niedergericht auch in Immobiliarsachen zuständig. «• Vgl. S. 1 7 1 . 1 7 4 . 5 6 2 f. 5 7 0 . W A I T Z 8 , 3 6 f. THUDICHUM, Gau- u. MarkBORNHAK
eoo
Das Mittelalter.
dem Landesfürsten oder einem von ihm belehnten, vom Reiche mit dem Königsbann ausgestatteten Untergrafen zu87. Bis zum 13. Jahrhundert wurde der Niederrichter, dessen Ernennung vielfach noch in alter Weise eine Wahl des Dingvolkes zur Voraussetzung hatte 68 , durchaus als Beamter behandelt; seitdem aber wurde es mehr und mehr üblich, das Amt zu Lehen zu geben69. Der Niederrichter war nur das Organ des Grafen, wie dieser das des Königs; wie die Anwesenheit des Königs das Oericht des Grafen niederlegte (S. 546), so die des Grafen das des Niederrichters60. Dem Rechtszug vom Grafending an den König entsprach der von dem Niedergericht an den Grafen: das Landgericht war das Obergericht für die ihm untergeordneten Niedergerichte61. Mit dem Reiche standen die letzteren in keinem Zusammenhang, sie trugen durchaus einen territorialen Charakter; ihre Organisation war ein ausschließliches Recht des Landesherrn62. Das Niedergericht war das gebotene Gericht der karolingischen Verfassung (S. 170), wurde aber bei den Sachsen nicht als Schöffengericht, sondern als Vollgericht abgehalten, wobei wohl ein durch den Richter gebildeter Ausschuß aus der Mitte des Dingvolkes oder ein einzelner dazu aufgeforderter Dingmann das Urteil fand 63 . In den grundherrlichen Grafschaften, d. h. den in den Besitz der hohen Gerichtsbarkeit gelangten Immunitäten, nahm das von dem Stiftsvogt abgehaltene Vogtding die Stellung des Landgerichts ein, während Verfassung 45 ff. v. WYSS, Zeitscbr. f. scliw. R. 18,140 ff. (Abhandl. 291 ff.). SCHRÖDER,
Oer.-Verf. 54 ff. G. SCHMITZ, Gogerichte, Miinst. Dies. 1901. " Vgl. Const. i. fav. pr. 7: Centumgravii recipiant centas a domino terre tel ab eo, qui per dominum terre fuerit infeodaius. y. D. BEKQH, Oork.-B. v. Holl, en Zeel. 2, 876 (1292). Dem Bischof yon Wttrzburg als Inhaber des Landfriedensgerichts (S. 555) wurde unter Umstoßung eines entgegenstehenden Beichsurteils y o n 1160 (FRANKLIN N r . 74 A ) d u r c h P r i v i l e g y o n 1168 (ALTMANN U. BERNHEIM2 279)
das Recht zugesprochen, daß in seiner ganzen Diözese, also auch in den nicht zu seinem Territorium gehörigen Grafschaften, qiemand ohne seine Zustimmung Zenten einrichten oder Zentgrafen einsetzen dürfe (centurias faeiat Tel a ntgravios constituai, nisi concessions episcopi ducis Wirteburgensis). Vgl. v. ZALLINOER, Wfirzb. Herzogtum 3 f. 33 ff. Zuweilen begegnen infolge eines KondominatverhSltnissea (8. 586) auch wohl zwei Beamte nebeneinander, yon denen dann wohl der eine, weil er sich aktiver Amtshandlungen zu enthalten und mit dem bloßen Mitvorsitz zu begnügen hatte, ala „schweigender" Richter (Horcher, Lusterer) bezeichnet wurde. Vgl. THÜDICHUM, Gau- u. Markverfassung 47. GBIMM, Weistfimer 7, 276. 18
Vgl. S. 127. 132. ScHRÖDEB,Ger.-Verf. 63 f. LINDNER, Verne 321. THÜDICHUM,
RG. d. Wetterau 2, 10. 13. WIPPBRMANN, St.-U. RG. d. Wetterau 39. 48. GRIMM,
Weistümer 3, 659. Die baltischen Gesetze von Ranshofen (MG. Leg. 3, 484) sprechen bereits von einem beneficium des centurio. Die Const. i. fav. pr. (Anm. 90) unterscheidet zwischen eentis liberis und infeodatis. Der Sachsenspiegel (I. 56. 58, § 1) kennt belehnte Gografen erst in den jüngeren Zus&tzen. Vgl. SCHRÖDER, a. a. 0 . 63 f. "
Vgl. S s p . I . 58, § 2.
11
V g l . SCHBÖBER 64.
" Vgl. Anm. 57. Const. i. fav. pr. 8: Locum cente nemo mutabit sine eonsensu domini terre. " Vgl. SCHRÖDER 57. Billw&rder Recht c. 17 (LAPPENBERO, Stadt-, Schiff- u. Landrechte Hamburgs 327).
§ 50. Die Territorien. 4. Gerichtsverfassung.
601
das Niedergericht („Zwing und Bann") durch seinen Untervogt, meistens aber in voller Unabhängigkeit von der Vogtei durch die Grundherren in Person oder durch ihre Meier (villici) verwaltet wurde. Die letzteren wurden dadurch zu Hofschulzen oder Schultheißen (centuriones, tribuni) erhoben, falls die Grundherrschaft es nicht vorzog, für die gesamte Gerichtsverwaltung eigene Hofschulzen einzusetzen, was die Herabsetzung der Meier zu bloßen Wirtschaftsbeamten bedeutete64. Seit Anfang des 13. Jahrhunderts vollzog sich fast allgemein eine höchst bedeutsame Veränderung der Gerichtsverfassung in der Weise, daß die karolingische Scheidung der Gerichte nach S a c h e n einer solchen nach P e r s o n e n wich. Indem sich der Adel und bald auch der niedere Ritterstand von den Niedergerichten gänzlich zurückzog, gestalteten sich die Landgerichte zu reinen Adelsgerichten; sie wurden zu ordentlichen Gerichten für den Landesadel, die höhere Geistlichkeit und die Städte 66 . Andererseits erwarben die Niedergerichte den Blutbann über die gesamte übrige Bevölkerung, mehr und mehr auch die Gerichtsbarkeit über bäuerliches Eigen 66 . Man unterschied daher nur noch höhere und niedere Landgerichte, deren sachliche Zuständigkeit wesentlich dieselbe war und deren Unterscheidung in erster Reihe auf den verschiedenen Personenkreisen, die vor ihnen ihren ordentlichen Gerichtstand hatten, beruhte. Die höheren Landgerichte behielten jedoch den Charakter als Berufungsgerichte für die niederen. Zur Zeit des Sachsenspiegels war diese Umbildung in der Hauptsache schon vollzogen, wir erkennen sie ebenso in der Gerichtsverfassung der Marken und des Herzogtums Österreich67. Ihren allgemeinen Charakter bezeugt die reichsgesetzliche Anerkennung der Exemtion des Adels (§ 49, n. 204) von den Zentgerichten, Const. in favorem principum c. 9: Ad cenias nemo sinodalis voce tur. Unter den h ö h e r e n Landgerichten vollzog sich bald eine Scheidung der unter der persönlichen Leitung des Landesherrn verbliebenen von denen ihrer Beamten. Da letztere nur im Namen des Fürsten ihres Vgl. WAITZ 7, 315 ff. 8, 70 f. 75 ff. v. WYSS, Zeitschr. £ schw. R. 17, 40 f. HECBLEB, Urspr. der Stadtverfassung 132 ff. v. MAURER, Fronhöfe 4 , 85 ff. 104 ff. 159 f. LAHPRECHT, Wirtschaftsl. 1, 734 ff. 1056 ff. 1126. ZÖPFL, Altertümer 1, 15 ff. SCHULTE, Tschudi (Abdr. a. d. JB. f. schw. Gesch. 1893) 98 f. 106 ff. 95 Vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 53. 56. 65. ** Dabei behielt sich der Landesherr als Träger der gräflichen Gerichtsbarkeit zunächst noch das Recht des „letzten Urteils" vor, indem das vor dem niederen Richter gefundene Urteil seines Rechtsbefehls bedurfte. Vgl. § 49, n. 106. n. 158. SCHRÖDER, a. a. O. 59 ff.; Der ostfiilische Schultheiß 1 f. 13. RIEDEL, Mark Brandenburg 2, 421. 478 f. KÜHNS, a. a. 0. 1, 202. 47 Vgl. S . 567 ff. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 59 ff. 65 ff. Die brandenburgischen Vogtdinge waren ursprünglich nichts anderes wie Gogerichte und haben sich in derselben Weise wie diese zu niederen Landgerichten fortgebildet. Vgl. KÜHNS, a. a. 0. 1, 144 f. 2, 21 ff. v. LUSCHIN, Gerichtsw. 134 ff. LINDNER, Verne 321. THUDICHUH, Gau- n. Markverfassung 54. v. ZALLINQER, Würzburg. Herzogt u m 3 4 f.
SCHRÖDER, Z R G . 2 4 , 2 4 4 .
602
Das Mittelalter.
Amtes walteten, so war dieses niedergelegt, sobald der Fürst persönlich anwesend war und den Vorsitz übernehmen wollte. Je seltener aber das Bereisen des Landes durch die Fürsten zu Zwecken der Rechtspflege wurde, desto bedeutender traten die Gerichte, denen die Fürsten ihre persönliche Fürsorge erhielten, vor den übrigen hervor. Während die letzteren meistens entweder ganz abkamen oder nur noch in langen Zwischenräumen, zuweilen in mehrjährigem Wechsel, zu bestimmten Zwecken (so zum Zwecke des Weistums) zusammentraten, entwickelte sich das vom Landesherrn persönlich verwaltete Landgericht, indem es von seiner bisherigen echten Dingstatt an den Hof gezogen wurde, zu einem fürstlichen H o f g e r i c h t , das gleichzeitig ordentliches Gericht für die eximierten Stände und Berufungsgericht für alle übrigen Gerichte des Landes war68. Man darf annehmen, daß die landesherrlichen Hofgerichte, soweit sie nicht, wie in den Stammesherzogtümern, der Landgrafschaft Thüringen und dem Herzogtum Würzburg, aus ehemaligen Landfriedensgerichten hervorgegangen waren69, snmtlieh auf die angegebene Weise aus Landgerichten, die an den Hof gezogen wurden, entstanden sind. Soweit die Fürsten den Vorsitz nicht selbst einnahmen oder sich durch einen besonderen Delegierten vertreten ließen70, wurden die Hofgerichte durch ständige Hofrichter (in Baiern die Viztume) verwaltet. Die Verhandlungen erfolgten auch hier mit Frage und Urteil, meistens aber, unter Beseitigung der Schöffenverfassung, durch Urteilerkollegien die in jeder Tagung besonders durch den Richter gebildet wurden. Die Urteiler mußten dem Adel, mindestens dem Ritterstand angehören71. Die landgerichtliche Dingpflicht kam bei den Hofgerichten in Wegfall. In Angelegenheiten von allgemeinerer Bedeutung wurden die Landtage als außerordentliche Gerichte verwendet78. In den durch Appellationsprivilegien gegenüber den Reichsgerichten abgeschlossenen Territorien, zumal den Kurfürstentümern, bildete sich an Stelle des Rechtezuges an das Reichshofgericht mehrfach ein solcher von dem fürstlichen Hofgericht an die Person des Landesherrn, der in solchen Fällen seinen Hofrat als Urteilerkollegium zuzuziehen pflegte. So entstanden, der reichsgerichtlichen Entwickelung (S. 553) durchaus entsprechend, auch in einzelnen Territorien neben den Hofgerichten, die einen 48
Vgl. SCHRÖDER, Gerichtsverfassung 54.
317; K r . V J S c h r . 32, 136 f.
G G A . 1890, S. 318.
SIEGEL, B G . » 325.
Gr. MEYER, Deutsches Staatsrecht" RÖHNS, a. a. 0 . 1, 234 f.
v. BELOW,
Über die Hofgerichte vgl. noch v. LÜSCHIN, a. a. 0. 66 ff.
DOPSCH, Entst. d. öst. L a n d r . 76 ff. v. POSERN-KLETT, a. a. 0 . 52 ff. 58 ff.
" Vgl. S 554 ff. ROSENTHAL, a. a. 0. 1, 108 ff. Dem Gericht des Würzburger Bischofs wurde schon 1168 neben den Landfriedensachen die volle Zuständigkeit in allen Sachen der hohen Gerichtsbarkeit für die ganze Diözese zuerkannt; den Grafschaftsgerichten verblieben nur die nicht den Landfrieden berührenden Blutsachen.
V g l . v. ZALLINGEB, a. a. 0 . 24 ff. 31.
71
Vgl. ZftG. 13, 205. Doctores iuris wurden zum Adel gezählt.
"
V g l . GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 566. KÜHNS 1,230. v. BELOW, a . a . O . 316.
TO
Vgl. S. 448.
§ SO. Die Territorien.
4. Gerichtsverfassung.
603
vorwiegend ständischen Charakter trugen, zum Teil auch an ihrer Stelle «der als höchstes Berufungsgericht über ihnen, fürstliche Kammerg e r i c h t e oder Kanzleien, in denen statt des Landesherrn auch wohl der Hofmeister den Vorsitz führte, während die Räte weniger dem Landesadel als vielmehr dem Stande der Rechtsgelehrten entnommen wurden 73 . Nachdem die niederen L a n d g e r i c h t e (Zent-, Go- oder Vogteigerichte, Hunddinge, Hummelgedinge), abgesehen von ihrer Beschränkung auf die nichteximierte Bevölkerung und den ehemaligen Niedergerichtssprengel (Zent, Go) mit einer einzigen Dingstatt, ganz an die Stelle der früheren Grafengerichte getreten waren (daher ihre Bezeichnung als „Hochgerichte"), bildeten sich unter ihnen für die Handhabung der niederen Gerichtsbarkeit alsbald neue Untergerichtsbezirke, die sich regelmäßig auf einzelne Kirchspiele oder Dorfschaften (mit Einschluß etwaiger Tochterdörfer) erstreckten74. Derselbe Prozeß vollzog sich in Baiern, wo die ursprünglich mit der gesamten hohen wie niederen Gerichtsbarkeit befaßten Landgerichte die niedere Gerichtsbarkeit an Dorfgerichte und grundherrliche Hofmarken abgaben75. An der Spitze des Kirchspiel-, Dorf-, Zenderei- oder Hofmarkgerichtes stand der Schulze (Dorf- oder Zentgraf, Zender, centenarius, centurio, Hunne, Heimburge, Bauermeister), häufig in alter Weise auf Wahl der Gemeinde von dem Gerichtsherrn «ingesetzt, ebenso häufig aber, in manchen Gegenden regelmäßig (namentlich im Nordosten), als erblicher Lehnschulze. Vielfach erwarben die Dorfgerichte auch die Gerichtsbarkeit über bäuerliches Eigen, so daß die Landgerichte auf die peinliche Gerichtsbarkeit und das Weistum beschränkt blieben76. Die Gerichtsversammlungen wurden in Land- wie Dorfgerichten teils als echte, teils als gebotene Dinge abgehalten, zu 71
V g l . KÖHNS , a. a. O. 1, 231 ff. v. LÜSCHIN, G e r i c h t s w . 9 5 £
a. a. 0 . 1, 134ff.
G. MEYEB, Er. VJSchr. 32, 138f.
ROBENTHAL,
STÖLZEL, E n t w i c k l u n g des
gelehrten Richtertums 1, 244 f. 247 ff. 399 ff.; Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung u. Rechtsverfassung (1888) 1, 84 ff. BORNHAK, a. a. O. 1, 190 f. 74
Vgl. MACHER, Dorfverfassung 2, 115 ff. In den Mosellanden wurden die neuen Untergerichte wieder als Zenten (Honschaften, Zendereien) bezeichnet. Vgl. LAMFBECHT, Wirtschaftsleben 1, 172. 205. 224 ff. 244 ff. ZRG. 24, 245. Über friesische Kirchspielsgerichte vgl. S. 564 n. 75
V g l . ROSENTHAL 1 , 189 ff. 2 0 4 ff. RIEZI.EE, a. a. 0 .
8, 701 ff. v. BELOW,
Gött. gel. Anz. 1890, S. 320 f. v. LUSCHIN, Gerichtsw. 146. In Brandenburg behielten die Dorfgerichte als solche ihre ursprüngliche, nur noch auf die freiwillige Gerichtsbarkeit in Immobiliarsachen ausgedehnte Zuständigkeit (S. 606 f), so daß die ordentliche Gerichtsbarkeit über die nichteximierten Klassen schlechthin den Vogteigerichten verblieb. Indem es aber den Grundherren gelang, die Vogteigerichtsbarkeit für sich zu erwerben, wurde es mehr und mehr üblich, die Ausübung den Schulzen zu übertragen, so daß die davon berührten Dorfgerichte den Charakter patrimonialer Vogteigerichte erhielten. Vgl. BOBNHAK, a. a. O. 1, 9 ff. 19. 32. 35 ff. 119. 127. 76
205.
V g l . v. LÜSCHIN 150. Z R G . 24, 245.
RÖHNS 1 , 147 f. 161. 248.
LAMPBECHT 1 , 172. 200.
604
Das Mittelalter.
denen in Strafsachen noch die Notgerichte traten. Die gebotenen Dinge der Dorfgerichte beschränkten sich vielfach auf Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen auch Auflassungen von Grundstücken gehörten. Bei beiden Gerichten urteilten Schöffen oder für das einzelne Ding ernannte Urteiler, doch kamen auch Gerichte vor in denen das gesamte Dingvolk zu urteilen hatte. Die Richter der Untergerichte dienten häufig zugleich als Schöffen oder, nach dem Vorgang der fränkischen Centenarien, als Fronboten im Hochgericht 77 . Mit der hier geschilderten Entvickelung war die der hohen und niederen Vogteien durchaus gleichartig, zumal nachdem die ersteren größtenteils durch Abgabe der Grundbesitzstreitigkeiten an den Grundherrn ebenfalls zu reinen Blutgerichten geworden waren. J e mehr die Landgerichte durch Exemtionen und Teilungen zerstückelt wurden, desto mehr näherten sie sich den Hochgerichten der Vögte. Der Unterschied wurde völlig verwischt, seit es Gebrauch geworden war, die Landgerichte nicht mehr mit Beamten zu besetzen, sondern im Wege der Belehnung, Verpfandung oder Veräußerung zu übertragen 78 . Sie verloren dadurch ihren staatlichen Charakter und wurden zu grundherrlichen Landgerichten, die Gerichtsbarkeit erschien als ein Ausfluß der Grundherrlichkeit, als reine Vogtei, die von den Fürsten im allgemeinen nur auf den Kammergütern, wo sie selbst die Grundherren waren, festgehalten wurde 79 . Die bisherigen Landrichter (Zentgrafen, Gografen, Hografen, Vögte, Schultheißen) hörten damit auf, staatliche Beamte zu sein und wurden zu grundherrlichen Beamten oder Lehnsträgern oder wichen dem Grundherrn selbst, der entweder die Gerichtsleitung persönlich übernahm oder, was gegen Ende des Mittelalters sehr häufig war, die Rechtspflege überhaupt ruhen ließ. Noch früher waren die Dorfgerichte zu grundherrlichen Gerichten geworden und mit der niederen Vogtei verschmolzen, indem entweder die niedere Gerichtsbarkeit, wie in den bairischen Hofmarken, schlechthin den Grundherren auf ihren Besitzungen übertragen wurde, oder die mit der Gerichtsbarkeit Belehnten ihre Gerichtsherrlichkeit zu voller Grund herrlichkeit umzugestalten wußten 80 . Nicht selten gelang es den Niedergerichtsherren, für ihre Dorf- oder Hofmarkgerichte auch den Blutbann zu erwerben 81 , so daß dem Landesherrn nur noch die peinliche Gerichtsbarkeit auf den Straßen, als sogenanntes „Straßengericht", verblieb82. Da auch die Dorf77
Vgl. Lamprecht 1, 172. 205. 216 ff. Thudichuh, Gau-u. Markverfassung 48.
ZRGR. 2 4 , 2 4 5 . 78 80
81 81
Vgl. v. Wybb, Zeitschr. f. schw. R. 18, 176 ff. (Abhandlungen 327 ff).
Vgl. Lampbecht 1, 1135 ff.
Vgl. v. Maokeb, Fronhöfe 4, 84 ff.
Vgl. Lamprecht 1, 214. 228. Rosenthal 1, 194.
Vgl. S. 307. Scbbödeb, Landeshoheit Uber die Trave 3 f. Die Land- und Heerstraßen wurden als unter ständigem Geleite des Landesherra stehend angesehen, so daß der Bruch des Strafienfriedens seiner Gerichtsbarkeit anheimfiel. Vgl. E. Mayeb, Zoll, Kaufmannschaft u. Markt 388 f. In Österreich gehörte die
§ 50.
Die Territorien.
4. Gerichts Verfassung.
605
gerichte keine unteilbare Einheit bildeten, so konnten die verschiedenen Gehöfte eines Dorfes unter ebenso vielen verschiedenen Gerichtsherren stehen. Diesem Wüste gegenüber wurde nur noch durch die oberen Landesund Reichsgerichte und die in ihrer alten Verfassung gebliebenen königlichen Landgerichte eine gewisse Einheit und Sicherung der Rechtspflege gewährleistet. Aber auch manche Territorialgerichte, die durch die Gunst besonderer Verhältnisse ihre alte Stellung und Verfassung bewahrt hatten, gelangten zu einer erweiterten Zuständigkeit, indem sie unter dem Drange der Umstände vielfach von fremden Gerichten um Rechtsbelehrungen angegangen wurden, woraus sich allmählich, ohne sonstige amtliche B e ziehung, eine wahre Oberhofstellung entwickelte 8 3 . Neben den Gerichten öffentlichen Rechtes bestand in den Territorien eine Reihe von Privatgerichten, von denen hier die Lehnsgerichte, die grundherrlichen Hofgerichte, die Märkerdinge und die Dorfgemeindegerichte hervorzuheben sind. Was die L e h n s g e r i c h t e (S. 5 8 1 ) für den Ritterstand, das waren die g r u n d h e r r l i c h e n H o f g e r i c h t e (Bau- oder Hubdinge, Urbargerichte, Hofsprachen) für die hintersässigen Bauern 8 4 . Nachdem die Grundherren allgemein die niedere Gerichtsbarkeit über ihre Hintersassen erlangt hatten, fielen auch die Händel der Eigenleute der Gerichtsbarkeit des Vogtes oder Dorfschulzen anheim, während sie in peinlichen Sachen vor die hohe Vogtei oder das öffentliche Gericht gehörten. Dagegen umfaßte das Hofgericht des Grundherrn alle die hofhörigen Güter betreffenden Streitigkeiten unter den Hofgenossen oder zwischen diesen und dem Herrn, ferner Zinsversäumnis, schlechte Wirtschaft, Flurfrevel, Investitur, Auflassung oder Verpfändung von Hofgütern, Vereidigung der Hofgenossen, Aufnahme neuer Hofgenossen, vormundschaftliche Angelegenheiten u. dgl., hinsichtlich der Leibeigenen und Grundhörigen auch alles was sich auf ihr persönliches Abhängigkeitsverhältnis zum Herrn bezog (Verheiratung, Erbrecht, Buteil, Sterbfall, Leibzins, Frondienste, Immobiliarveräußerungen, Freilassungen u. dgl. m.). Richter war der Grundherr selbst oder ein Vertreter desselben, gewöhnlich der Meier. Urteiler waren die Hofgenossen oder aus ihnen entnommene Schöffen.
Sicherheitspolizei auf den Landstraßen zu den Obliegenheiten des Marschalls. Vgl. v . WBETSCHKO, a. a . O. 1 0 7 . M Über die fortdauernde Gerichtsbarkeit des würzburgischen „Landgerichts des Herzogtums Franken" vgl. v. ZALLINGER', a. a. O. 42 ff. ROCKINQEB, Magister Lorenz Fries zum fränkisch-wirzburg. Rechts- u. Gerichtswesen, Abh. d. Münch. Akad. 11, 149 ff. Über ein anderes Gericht vgl. RÜSCH , Das Gaugericht auf der Müsinerwiese, 1870. 8 4 V g l . v. MACBEB, F r o n h ö f e 4, 9 6 ff. 1 4 0 ff. LAMPRBCHT 1, 7 6 4 f. 9 9 3 ff. 1 0 3 2 ff. GIERKE, G e n o s s e n s c h a f t s r e c h t 1, 1 6 8 f. HEUBLER, S t ä d t e V e r f a s s u n g 1 3 5 . v . LUSCHIN, G e r i c h t s w . 174 ff. THÜDICHUM, R G . d e r W e t t e r a u 1, 9. 2, 3 6 . WAITZ 8, 6 5 . 7 3 f.
GBIMM, Weistümer 7, 270. . WITTICH, Entstehung des Meierrechts, Zeitschr. f. Soc. u. Wirtsch.-Gesch. 2, 81 ff.; Grundherrschaft in Nordwestdeutschl. 294 f.
606
Das Mittelalter.
Die Hofgerichte wurden in der Regel zu bestimmten Zeiten, als echtft Dinge, außerdem nach Bedürfnis als gebotene Dinge abgehalten. In Angelegenheiten der gemeinen Mark versammelten sich die Mark» genossen jährlich zu bestimmten Zeiten, außerdem nach Bedürfnis auf besonderes Gebot, zum M ä r k e r d i n g 8 6 . Dingpflichtig waren alle Markgenossen, dingberechtigt auch die Grundherren deren Hintersassen zu den Markgenossen gehörten. Richter war der oberste Märker oder sein Stellvertreter, Urteiler die Gesamtheit der Markgenossen oder ein Ausschuß als Markschöffenkollegium. Die Märkerdinge waren insofern heimliche Gerichte, als allen Nichtmarkgenossen der Zutritt bei Strafe versagt war. Die Zuständigkeit des Märkerdings erstreckte sich auf alle die Allmende betreffenden Händel der Markgenossen und auf Markfrevel, zu deren Rügung außer den Markbeamten auch die einzelnen Markgenossen verpflichtet waren. Die Strafen bestanden teils in Vermögensbußen (Markeinung), teils im Ausschluß aus der Gemeinschaft (Verbot der Mark), teil» in Strafen an Leib und Leben, die mit Geld abgelöst werden konnten. Das Märkerding besaß also in einer bestimmten Richtung auch das Recht des Blutbannes. Seine Gerichtsbarkeit beschränkte sich nicht auf den Kreis der Markgenossen; auch Ausmärker konnten wegen Markfrevels zur Strafe gezogen werden. Mit der Aufteilung der Marken in Sondermarken gingen die gerichtlichen Befugnisse der Märkerdinge häufig auf die ordentlichen Gerichte über oder wurden mit den Baudingen oder Dorfgemeindegerichten vereinigt 89 . Eine ähnliche Aufgabe wie die Märkerdinge für die Allmende hatten die D o r f g e m e i n d e g e r i c h t e (Heimgereiden, Bauersprachen), die in erster Reihe Feldrügegerichte waren, bei dem Vorhandensein von Dorfallmenden aber zugleich als Märkerdinge dienten 87 . Schon früh, wahrscheinlich unter dem Einfluß des Gottesfriedens, erhielten diese zunächst auf reine Korporationsangelegenheiten beschränkten Gerichte auch eine gewisse offentlichrechtliche Gerichtsbarkeit über Polizeivergehen und niedere Frevel (falsches Maß und Gewicht, trockene Schläge, kleiner Diebstahl), später wurde ihre Zuständigkeit vielfach selbst auf Auflassungen und andere Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgedehnt 89 . Richter war der Bauermeister, Heimburge oder Dorfschulze. Das Urteil fand die versammelte 85 Vgl. S . 4 2 6 . v. MAUBEB, Gesch. d. Markverfassung 3 2 2 — 3 7 2 . THUDICHUM, Gau-u. Markverfassung 1 3 5 ff. LAMPRECHT 1, 3 0 7 . 3 1 3 f. 1 0 7 9 . GIERKE, GenoBsenechaftsrecht 1, 621 f. GRIMM, Rechtaal tertümer 528 f. 770. 828. 841; Weistümer 7, 318. NOORDEWIER, Regtsoudheden 2 2 3 f. Über Deichgerichte vgl. J. GIERKE, Gesch. d. Deichrechts 1, 258 ff. 89
87
V g l . LAMPRECHT 1, 3 0 6 ff. 1 0 1 2 .
Vgl. v. MAURER, Dorfverfassung 2, 130 ff. LAMPRECHT 1, 304 f. v. BELOW, Ursprung der Stadtverfassung (1892) 74 f. SEIBEETZ, Landes- u. RG. Westfalens 3, 388 f. BORNHAK, a. a. 0. 1, 9 ff. Kl. Kaiserrecht 2, 56. " Vgl. WEILAND, Const. 1, 591, § 8.
e
Charakteristisch ist die allmähliche
Textgestaltung im Sachsenspiegel (I. 13, § 2. 68, § 2. II. 13, §§ 1. 2. III. 86, § 2). Vgl. auch BOHNHAK, a. a. 0 . 1, 1 3 ff. KRUSE, Z R G . 2 2 , 2 0 4 FF.
§ 50.
Die Territorien.
5. Niedere Verwaltungsorganisation.
607
Gemeinde oder ein Ausschuß von Dorfschöffen. Vielfach trat Verschmelzung mit Dorfcentgerichten oder grundherrlichen Hofgerichten ein. 5. Die n i e d e r e V e r w a l t u n g s o r g a n i s a t i o n 8 9 . Für die Entwickelung der Territorien zu wahren Staatsgebilden war es von entscheidender Bedeutung, daß das Verschwinden der königlichen Bannleihe und die Aufhebung des Verbotes, wonach keilte Grafschaft länger als Jahr und Tag unverliehen bleiben durfte, die Einziehung und Zerschlagung der Untergrafschaften und ihren Ersatz durch staatliche Verwaltungssprengel ermöglichte. An die Stelle des Lehenstaates trat der Beamtenstaat 90 . Erleichtert wurde dieser Übergang durch die Ministerialen, da für sie die die Übernahme von Ämtern nicht bloß im Hofdienst, sondern auch in allen landesfürstlichen Diensten höherer Art eine Pflicht war 91 . Bei der Landesorganisation, wie sie sich seit dem 13. und 14. Jahrhundert in allen größeren Territorien vollzog und bis zum 16., in ihren Grundzügen sogar bis zum 18. Jahrhundert im wesentlichen unverändert erhielt, macht sich ein charakteristischer Gegensatz zwischen dem Nordosten und dem Westen und Süden Deutschlands bemerkbar. In den n o r d ö s t l i c h e n Territorien hielt man in althergebrachter Weise an der Einheit der Rechtspflege und Verwaltung fest; die Gerichtsbeamten waren zugleich Verwaltungs-, Polizei-, Finanz- und Militärbeamte und die Verwaltungssprengel deckten sich mit den Bezirken der niederen Landgerichte (Vogteien, Goe). Wo der Landesherr die Vogtei über kirchliche Stifter besaß, wurde der Vogteisprengel ebenfalls als ein staatlicher Verwaltungsbezirk behandelt, soweit es den Stiftern nicht gelang, derartigen Mediatisierungen durch den Erwerb von Entvogtungsprivilegien zu begegnen. Erheblich anders war die Entwickelung in W e s t d e u t s c h l a n d , zumal den hessischen und rheinischen Landen, indem hier nicht bloß hinsichtlich der Beamten, sondern zunächst auch in betreff der Amtsprengel durchaus zwischen Rechtspflege und Verwaltung unterschieden wurde. 89 Litteratnr S . 585 und Anm. 47. ISAACSOJIN 1 , 36 ff. B O R N H A K 1 , 23 ff.; Einfluß der fremden Bechte auf die Gerichtsverfassung, FDG. 26, 417 ff. K Ü H N S , 1, 92 ff. 101 ff. L A M P R E C H T , Wirtschaftaleben 1, 1287 ff. 1305 ff. 1357 ff. K Ö R N I C K E , Entwickelung der bergischen Amtsverfassung, Bonn. Diss. 1892. S T Ö L Z E L , Entwickelung des gelehrten Richtertums 1, 1872; Brandenburg-Preußens Rechts Verwaltung 1, 146 ff. S T I N T Z I N O , Zur Geschichte des röra. Rechts in Deutschland, Hist. Zeitschr. 29, 408 ff. F A L C K , Schleaw.-holst. Pr.-R. 2, 267 ff. 3, 85 ff. 114 ff. STAMMLER, Recht des Breidenbacher Grundes ( G I E R K E , Unters. 12) 7 f. F R . v. S Y B E L , Herrschaft Gimborn-NeuBtadt, 1880, S. 11 f. 15 ff. 60 F I C K E R , Entstehungszeit des Sachsenspiegels 1 3 0 f., vermutet, daß der Beginn des Umschlages schon in der Const. in fav. princ. c. 6 (ühusquisque prmcipum libertatibus, iurisdictionibus, comitatibus, eentis, sive liberis vel infeodatis, utatur qmete secunditm terre sue consuetudinem approbatam) angedeutet sei. 91 Vgl. S . 597. y. B E L O W , Landständ. Verfassung 1, 16; GGA. 1890, S . 310 f. 2 W A I T Z 5 , 327. 362 ff. L A M P R E C H T , Wirtschaftsleben 1, 825. R O S E N T H A I , , a. a. 0 . 1, 591. Dagegen v. F Ü R T H , Ministerialen 235.
Das Mittelalter.
Ihren Ausgang hat die Organisation der letzteren von den landesherrlichen B u r g e n (S. 518. 592) genommen. Die Bargvögte {castellani, chastelains) waren regelmäßig aus dem Kreise der ritterlichen Burgmannen (castremes, castellani), die sich in Kriegszeiten (sonst nur auf besonderen Befehl des Burgherrn) zum Besatzungsdienst auf der Burg einzustellen hatten. Außerdem waren jeder fürstlichen Burg gewisse Ministerialen zu ihrer Verteidigung im freien Felde zugewiesen. Der Burgvogt hatte seinen ständigen Wohnsitz auf der Burg, zu deren regelmäßiger Besatzung außerdem von ihm geworbene und besoldete niedere Burgleute (burgare, turnknehte, turnliute, turner, portenare, porzeiuere) gehörten. Der Burgvogt hätte die für die Burg bestimmten Burglehen, die zu seiner und der Burgmannen Besoldung dienten, zu verwalten oder ihre Verwaltung zu beaufsichtigen, auch wurde ihm mehr und mehr die Verwaltung oder Oberaufsicht über die Lehen der Ministerialen und die in seinem Bereich belegenen landesfürstlichen Güter, Forsten und nutzbaren Regalien übertragen. Je weiter sich so die Burgbezirke ausdehnten, desto mehr traten die militärischen Aufgaben des Vogtes zurück, der Burgvogt wurde zum A m t m a n n (officiatus, officialis, droste, landvoget), der Burgbezirk zum A m t (in Holstein Landdrostei). Noch mit seiner früheren Stellung hing es zusammen, wenn der Amtmann in Vertretung des Landesfürsten den Vorsitz im Burgmannengericht einnahm, innerhalb seines Amtes das Recht des Landesaufgebotes (Landfolge) oder des „Glockenklanges" ausübte und für die WahruBg des Landfriedens sorgte. Dazu trat die Verwaltung der Polizei mit dem Recht des Gebotes und Verbotes (zwing und bann) und die Oberaufsicht über alle Angestellten des Amtes. Richterliche Befugnisse hatte der Amtmann von Hause aus nicht, da aber die Gerichte bei Verhaftungen und Urteilsvollstreckungen seiner Hand bedurften, so kam es mehr und mehr dahin, daß die verschiedenen im Amte belegenen Landgerichte, unter Aufrechterhaltung der einzelnen Dingstätten, einem gemeinschaftlichen Gerichtsbeamten (Schultheiß, Vogt, Richter, Dinger, in Holstein Dingvogt) überwiesen wurden, der als Verwalter der Gerichtsgefälle und sonstigen öffentlichen Einnahmen zugleich Unterbeamter des Amtmannes war und dessen Aufeicht unterstellt wurde. Die Amtleute selbst haben richterliche Stellung erst unter dem Einfluß der Rezeption der fremden Rechte erlangt, doch kam es vor, daß sie in Notgerichten, hin und wieder auch wohl in echten Dingen (Herrendingen) den Vorsitz einnahmen82. Die Ausbildung der Amtsverfassung, die zuweilen auch von befestigten „Freiheiten" (Märkten) ihren Ausgang genommen hat, fällt im allgemeinen in die Zeit von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 14, Jahrhunderts. Wo sie einmal zum Abschluß gelangt war, pflegte auch jede größere 98
In Baiern bekleidete der Pfleger nicht selten zugleich das Landrichteramt. In dem klevischen Amte Düffel war der Amtmann schon im 15. Jh. zugleich Richter. Vgl. SCHRÖDER, Annal. des hist. Ver. f. d. Niederrh. 24, 158 ff.
§ 50. Die Territorien.
5. Niedere Verwaltungsorganisation.
609
Neuerwerbung an lehnbaren oder allodialen Herrschaften, Pfandschaften, Vogteien oder Trümmern früherer Grafschaften dem Territorialverbande ungeteilt als neues Amt eingefügt zu werden. In ihren Endergebnissen hatte auch die Entwickelung der Amtsverfassung zu einer Übereinstimmung der Gerichts- und Verwaltungssprengel, von denen nur die angeseheneren Städte ausgenommen waren, geführt. Der Unterschied gegenüber dem Nordosten beschränkte sich also darauf, daß im Westen die Rechtspflege einem besonderen Gerichtsbeamten oblag, dem der Amtmann als Verwaltungs- und Aufsichtsbeamter übergeordnet war98. Unter dem Amtmann oder Vogt stand überall ein besonderer Rentmeister (Kästner, Kellner, Amtschreiber, Landschreiber), dem die Aufsicht über die Kammergüter und nutzbringenden Regalien und die 'Verrechnung ihrer Erträge oblag. Soweit die öffentlichrechtlichen Gefälle nicht in der Hand des richterlichen Beamten lagen, wurden auch sie von dem Rentmeister vereinnahmt. Das Amt der Zöllner oder Zollschreiber wurde häufig von Pfarrern oder Schulmeistern versehen. Die Meier der landesherrlichen Fronhöfe wurden, je mehr die Eigenwirtschaft abkam und das System der Verpachtung oder Zinsleihe überwiegend wurde, mehr und mehr zu Pächtern oder zu bloßen Rechnungsbeamten94. Unterbeamte für gerichtliche, administrative und fiskalische Angelegenheiten waren die Fronboten oder Büttel (Schergen, Waibel, Landreiter). In der Mark Brandenburg und in Baiern hatte jeder Landreiter oder Scherge seinen eigenen Bezirk (Beritt, Schergenamt). Gerichtliche Unterbeamte waren die Dorfschulzen, die zuweilen zugleich das Büttelamt versahen. Seit dem 14. Jahrhundert wurden vielfach ganze Ämter oder Vogteien veräußert oder in Pfandschaft gegeben oder ihre Sprengel durch Exemtionen zu Gunsten der Grundherren durchbrochen95. In bedenklichster Weise geschah dies im Nordosteo, wo der Großgrundbesitz gegenüber dem Westen und Süden eine besonders hervorragende Rolle spielte. In der Mark Brandenburg kam es schließlich dahin, daß die landesherrliche VerDerselbe Dualismus bestand in den bairischen Landgerichten (Pflegen), in denen der Landrichter auf die Gerichteverwaltung beschränkt war, während der „Pfleger" die Stellung des Amtmannes einnahm. Vgl. ROSENTHAL 1, 52FF.822 FF. RIEZLBB, a. a. O. 2 , 175. 178 f. 529. 3 , 683 f.
v. BEIOW, G G A . 1 8 9 0 ,
S. 319 f.
Man darf vielleicht vermuten, daß in Baiern die gleiche Entwickelung wie in Westdeutschland stattgefunden hat, daB also die Pfleger aus Burgvögten (vgl. ROSENTHAL 324 ff.), die Landgerichte aber aus einer Zusammenlegung niederer Landgerichte und nicht aus Grafengerichten hervorgegangen sind. Vgl. S. 571. v. BELOW, a. a. 0. 310, n. 3 . 94
Vgl- S. 431.
LAMPBECHT, W i r t s c h a f t s l e b e n 1, 762 ff. 873. 1407. A . SCHULTE,
Tschudi (Jahrb. f. Schweiz. Gesch. 1893) 97 ff. WITTICH, Entstehung des Meierrechts 2, 41 ff. Für verschiedene Wirtschaftszweige wurden besondere Aufsichtsbeamte eingesetzt, so die Windelboten für die Weinlese, die Baumeister für die Allmenden und Weinberge.
Vgl- LAMPBECHT 1, 772.
" V g l . SOHBÖDEB, ZRG. 24, 159 ff. ISAACSOHN. 1, 43. 48 f. R. SOHRÖDRR, Deutsche Rechtegeschichte. 4. Aull.
BOBNHAK 1, 35 ff. 39
Das Mittelalter.
610
waltung nur noch auf den Domänen bestand und an Stelle der in Auflösung geratenen Vogteien Burg- oder Schloßhauptmannschaften unter Domänenamtmännern eingerichtet wurden. Zu den Zwecken der m i t t l e r e n L a n d e s v e r w a l t u n g wurde Brandenburg seit Anfang des 15. Jahrhunderts in fünf Landvogteien (Altmark, Priegnitz, Mittelmark, Neumark, Uckermark) eingeteilt, an deren Spitze als Oberaufsichtsbeamter je ein Landvogt oder Landeshauptmann (capitaneus) gesetzt war, der zugleich der bedeutendsten Vogtei seines Bezirkes als Vogt vorzustehen pflegte 96 . Eine ähnliche Mittelstellung nahmen die anfangs nur in den geistlichen Fürstentümern, später aber in Süddeutschland ziemlich allgemein eingeführten Viztume {vicedomini, oeconomi) ein. Als Stellvertreter des Landeslursten, namentlich in betreff der Gerichts- und Finanzverwaltung, waren sie ursprünglich meistens dem ganzen Lande vorgesetzt, so daß sie den Hofmeister beiseite schoben; später wurden die größeren Territorien wohl auch in mehrere Viztumsämter oder Statthaltereien unter je einem Yiztum eingeteilt 97 . 6. L a n d e s s t e u e r n u n d L a n d s t ä n d e 9 8 . Wir haben wiederholt von einer Abgabe gesprochen, die als „Schatz", „Grafenschatz", „Schoß", M Vgl. IBAACSOHN 1, 4 1 f. 9 8 ff. 1 2 5 ff. BOBKHAK 1, 1 5 4 ff. Küinre 1, 1 5 8 ff. Die Landvögte kommen zum Teil schon im 14. Jahrhundert vor, doch war dag Bedürfnis besonderer Anfsichtsbeamten Qber den Vögten weniger dringend, so lange die Markgrafen das Land nicht von festen Residenzen aus regierten, sondern si 84 V g l . 185
KRAUT 2 , 5 8 6 f.
Vgl. STOBBE 4 , 3 7 6 f. H U B E R 4 8 0 ff. K R A U T , Grundriß9 § 1 8 6 , Nr. 1 4 — 1 7 . Taufpatenschaft als Adoption: LOEBSCH U. SCHRÖDER 1 , Nr. 1 1 6 . LISCH, Urk.-Samml. d. Geschlechts v. Maltzan 1, Nr. 12. 14. 71. 186 VGL. G R A F
U. DIETHERR
172.
Ssp. I.
11.
LOEBSCH
U. SCHRÖDER
Nr.
330
Zu Verfügungen über Liegenschaften war der Vater nur in gerichtlich anerkannter echter Not berechtigt. Andere Verfügungen wurden gültig, wenn die Kinder, nachdem sie zu ihren Jahren gekommen waren, Jahr und Tag ohne Anfechtung verstreichen ließen. Vgl. H E U S L E B 2 , 4 3 7 . 4 4 8 . 187 Vgl. LOEBSCH U.SCHRÖDER Nr.341 (300). KBAUT« § 184, Nr.4f. 15. § 187, Nr.3f. 188 Vgl. HEUSLER 2, 450. H A U H E R , Schadensersatz 80 f. (290).
746
Das Mittelalter.
nur noch selten vor. Der regelmäßige Fall der Aufhebung war Verheiratung der Töchter, Abschichtung der Söhne. Der Vater hatte dem aus der Were scheidenden Kinde sein Vermögen herauszugeben oder, wenn solches nicht vorhanden war, eine Aussteuer zu gewähren189. Volljährige Söhne konnten die Absonderung vom Vater verlangen190. Wurden die Kinder durch die Vermögensverwaltung des Vaters gefährdet, so konnte diesem auf Veranlassung der Sippe oder des Richters die väterliche Gewalt entzogen werden191. Eine E h e l i c h k e i t s e r k l ä r u n g unehelicher Kinder war dem Mittelalter zunächst unbekannt. Erst seit dem 13. Jahrhundert kam die ursprünglich als Annahme an Kindesstatt gedachte Legitimation durch nachfolgende Ehe (Mantelkinder) und, nach römischem Vorbild, durch königlichen oder landesherrlichen Erlaß in Übung, die letztere aber wohl nur mit der Wirkung, die Rechtlosigkeit zu beseitigen19a. Denn im Gegensatz zu der älteren Auffassung (S. 304) galten im Mittelalter uneheliche Kinder als rechtlos und konnten daher weder eine Vormundschaft bekleiden, noch einen Vormund haben, hatten auch im allgemeinen kein gesetzliches Erbrecht, weder aktiv, noch passiv, nach sächsischem Recht nicht einmal gegen die Mutter 193 . Gegen ihren Erzeuger hatten sie einen gewissen Anspruch auf Unterhalt 194 . Auf dem Gebiete des V o r m u n d s c h a f t s r e c h t s 1 9 6 hatte die Geschlechtsvormundschaft, abgesehen vom friesischen Recht, die größte Ver189
Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr.
1
2,
SCHRÖDER* N r . 1 5 4 . 2 0 8 . 2 8 5 . 3 1 4 . 3 2 4 . 3 2 9 .
S. 12
ff.
167
f.
2
S. 234.
LOEBSCH
U.
331.
Vgl. Gesch. d. ehel. Güterr. 2, 1 8. 222. 2 S . 140 f. 3 S. 159. HEUSLEB 2, 440. a. a. 0 . 483. LOEBSCH U. SCHRÖDER Nr. 330 (290). Wenn Schwsp. L . 6 T . 186 das Recht auf Absonderung erst mit 25 Jahren eintreten läßt, so hat er sich wohl durch das römische Recht bestimmen lassen, was sjchon Dsp. 56 durchblickt. 191 Vgl. Kl. Kaiserr. 2, 5. Gesch. d. ehel. Güterr. 2, 1 S. 186, n. 64. 2 S. 140. 3 S. 159. Auch die Ehefrau konnte in ähnlichen Fällen Aufhebung der Gütergemeinschaft verlangen. VgL ebd. 2 , 1 S . 1 4 9 . LOEBSCH u. SCHRÖDER* Nr. 2 0 6 . 3 4 6 . HUBEB,
, M
V g l . STOBBE 4 , 3 6 6
ff.
EICHHOBN § 4 4 9 .
LOEBSCH U. SCHRÖDER 2 N r .
a. a. O . 4 8 0 .
182.
KRAUT 6 § 1 8 6
281.
329.
342.
Nr. 1—8.
HUBEB,
v . D. BEBOH,
Oor-
kondenb. 1, Nr. 395 (1243). BÖHMES, Acta imperii Nr. 730 f. im Vgl. S . 4 6 6 . B U D D E , Rechtlosigkeit 4 8 f. BRUNNER, Unehel. Vaterschaft, ZRG. 30, 26 f. 29. Hin und wieder kamen mildere Auffassungen vor, namentlich zu. Gunsten anerkannter Bastarde des Herrenstandes. Vgl. BRUNNEB, a. a. O. 2 1 f. FICKEB, a . a . 0 .
3 , 3 8 6 ff. 5 ,
1,1
V g l . STOBBE 4 , 4 1 0 f .
lee
Vgl.
S.
HUBEB, a . a . 0 .
323 ff. 709. 510
ff.
34. BRUNNER, a . a . O . BRUNNER,
32.
Grundzüge 200 ff.
WALTEB, R G . § § 5 1 3 — 1 6 .
EICHHOBN
ZÖPFL, R G .
§§ 353. 372.
3 , § 98.
KBAUT,
Vormundschaft 1, 132 ff. 186 ff. 286 ff. 393 ff. 2, 3 ff. 191 ff. 266 ff.; Grundriß« §§ 162. 191—195a. HEUSLEB 2, 498 ff. 511 ff. STOBBE 4, §§ 263—68. 274—76. RIVE, Vormundschaft 2, 1 S . 13 ff. 69 ff. 167 ff. 2, S . 1 ff. 73 ff. 174 ff. v. AMIBA, Kr. VJSchr. 17, 421 ff. AOBICOLA, Gewere zu rechter Vormundschaft 77 ff. v. MARTITZ, Ehel. Güterrecht 83 ff. PLANCK, Gerichtsverfahren 1, 177 ff. WINKLER, a. a. 0 . 54 ff. TELTING, a. a. 0., Themis 32 (1871), Stück 4. GÖSCHEN, a. a. 0. 244 ff. v. GOSEN, a. a. 0 .
101
ff.
ÖHBL, a . a . 0 .
H . SCHULZE, a . a . 0 . 1 0 9 1 0 6 ff.
ff.
LOEBSCH U. SCHRÖDER' S . 2 5 6 f.
HASEN-
§ 61.
Das Privatrecht.
4. Familienrecht.
747
änderung erfahren, indem sie im allgemeinen zu einer Beistandschaft in gerichtlichen Angelegenheiten, bei Prozessen wie Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zusammengeschrumpft war. Die Altersvormundschaft wurde von dem frühzeitigen Mündigkeitstermin des altdeutschen Rechts nicht mehr in gleichem Maße wie ehedem berührt, indem sie entweder noch über den Eintritt der Mündigkeit hinaus während einer gewissen Zeit fortgesetzt, oder doch dem zu seinen Jahren gekommenen Mündel die Wahl eines Pflegers oder gerichtlichen Vertreters anheimgegeben wurde. Inhaltlich bewegte sich die Altersvormundschaft auf demselben Boden wie die über Geisteskranke und Gebrechliche. Eine eigentliche Pflegschaft für Verschwender und Verschollene gab es noch nicht. Die gerichtliche Vertretung des Mündels hatte der Vormund anfangs nur in Strafsachen; in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten konnte das Mündel seit der zweiten Hälfte des Mittelalters im Beistand des Vormundes gerichtlich auftreten und mit Zustimmung des Vormundes Veräußerungen vornehmen 196. Rechtsgeschäfte, die der Vormund in Vertretung des Kindes vollzogen hatte, konnten von diesem, von anerkannten Notfällen abgesehen, nach eingetretener Mündigkeit widerrufen werden 197 . In manchen Rechten wurde der Vormund aber schon im 13. und 14. Jahrhundort, namentlich wenn er der nächste Erbe war oder die nächsten Erben zugestimmt hatten, als gesetzlicher Vertreter seines Mündels anerkannt 198 . Neben der alten nießbräuchlichen Vormundschaft, die im friesisch-holländischen Recht fortdauerte, auch den Sachsenspiegel und das sächsische Weichbildrecht samt den beiden Glossen noch beherrschte und im fränkischen Recht sich wenigstens noch in einzelnen Spuren zeigte199, trat in Süddeutschland die bloß fürsorgliche Vormundschaft mit Abrechnungspflicht in den Vordergrund, um allmählich auch Norddeutschland zu erobern. Hand in Hand mit dieser jüngeren Form der Vormundschaft ging die weitere Ausbildung der staatlichen Obervormundschaft, durch die der geborene Vormund des älteren Rechts und die Obervormundschaft der Sippe in den Hintergrund gedrängt wurde 200 . Neben den geborenen Vormund trat zunächst der vom Vater gekorene, dann der vom Richter gesetzte a01 . Es gehörte zu den Aufgaben des Richters, hilfsbedürftigen Personen, die 196 107 198
V g l . STOBBE 4», 541 ff. KRAUT, Grundriß« § 192 N r . 22. V g l . STOBBE 4®, 544. HEÜSLER 2, 496 ff. KBAÜT, G r u n d r i ß 4 § 192, Nr. 19. 20. V g l . HEÜSLER 2 , 502 ff. KIVE 2 , 1 S. 51 f. 2 S. 39 ff. KRAUT, Vormund-
schaft 1, 366 ff. 2, 16; Grundriß § 192 Nr. 23. 25. HUBER, Gesch. d. Schweiz. Pr.-R. 523. WASSERSCHLEBEN, Sammlung deutscher Rechtsquellen S. 174. 199
V g l . v. AMIRA, a. a. 0 . 427.
L o t h r i n g i s c h e U r k u n d e v. 1207 b e i BETER,
Mittelrhein. Urk.-B. 2, 267. 200 Vgl. Reichsweistum von 1218 für den Herzog von Brabant (WEILAND, Const. 2, Nr. 64): quod de itniversis bonis, que de dueatus suo moventur, omnium heredum, mortuis parentibus, de iure tutor kabeatur. 401
V g l . KRAUT, G r u n d r i ß 9 § 162, Nr. 21 ff. § 191, Nr. 17—21. 34.
D e r Vor-
mund mußte dem Mündel ebenbürtig sein. Rechtlose konnten weder Vormund werden, noch einen Vormund haben. Vgl. BUDDE, Rechtlosigkeit 33 ff.
Das Mittelalter.
748
keinen Vormund hatten, einen solchen zu geben. Die Vormundschaftsführung stand unter der Aufsicht des Richters, der den Vormund gegebenenfalls als Balemund absetzen konnte. Auch Volljährigkeitserklärungen durch den König kamen seit dem 13. Jahrhundert vor202. Eigentliche Vormundschaft der Mutter über ihre Kinder war unbekannt, dagegen wurde ihr nicht selten die persönliche Fürsorge übertragen, so daß der Vormund auf die Vermögensverwaltung beschränkt blieb. 5. Das E r b r e c h t 2 0 3 hatte den Zusammenhang mit der alten Hausgenossenschaft im allgemeinen verloren. Die im Sachsenspiegel noch durchblickende Unterscheidung des engeren Erbenkreises von dem weiteren der „Sippe" oder der „Magen" wurde von den jüngeren Bechtsbüchern nicht mehr verstanden204. Das Verwandtschaftsbild suchte man sich in alter Weise an den Gliedern des menschlichen Körpers klar zu machen; der Vergleich der Sippe mit dem Baum und seinen Ästen und Zweigen (arbor consanguinitatis) wurde erst im späteren Mittelalter aus dem kanonischen Recht übernommen206. Die Erbfolgeordnung, die von den Quellen als selbstverständlich vorausgesetzt und daher nur selten ausdrücklich dargestellt wurde, war im allgemeinen die von uns schon für die vorige Periode angenommene Parentelen- oder Linealgradualordnung206. Den MS
KRAUT, Vormundschaft 2, 86 ff. Vgl. S. 72. 826 ff. und die dort angefahrte Litteratur, namentlich die Ar-
b e i t e n v o n FICKEB. STOBBE, H a n d b . 5, § § 28X. 2 8 3 . 2 8 5 — 8 8 . 2 9 0 — 9 1 . 293. 2 9 9 — 3 0 1 . 8 0 8 . 310. 3 1 3 ; B e i t r . 37 ff. HÜBER, a. a O. 541 ff. EICHHOBN, § § 3 7 3 — 7 5 . 4 5 4 — 5 6 . ZÖPFL, R G . 3, § § 1 1 7 — 2 1 . KRAUT, G r u n d r i ß 6 § § 146. 148. 1 5 5 — 6 1 . LOEBSCH U.
SCHRÖDER 8 S. 278 f. GENQLER, Lehrb. d. deutsch. Priv.-R. 1305 ff. SIEGEL, DOS deutsche Erbrecht des Mittelalters, 1858. FISCHER, Versuch Aber die Gesch. d. teutsch. Erb-
f o l g e , 2 B d e , 1778.
TELTING, a. a. 0 . , T h e m i s 4 0 (1879). 41 (1880), 4 2 (1882).
Erbrecht der Blutsfreunde und die Testamente (Abh. 3, 1841).
PAULI,
GÖSCHEN, a. ». 0 .
1 2 8 ff. v- GOSEN, a. a. 0 . 1 5 5 ff. FRANKLIN, a. a. 0 . 57 ff. KOTBINQ,
Erbrechte
des Kantons Schwiz, Zeitschr. f. Schweiz. R. 5. HASENÖHRL, a. a. O. 132 ff. ZÖPFL, Bamberger Recht 210 ff. HETMANN, Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896. v. SYDOW, Darstellung des Erbrechts n. d. Sachsenspiegel, 1828. FRIESE u . LIESEGANG, a. a. 0 . 1 , 7 7 0 ff. 8 3 3 ff. SCHILLING, L e h n - u. e r b r e c h t l i c h e
Satzungen des Waldemar-erichschen Rechts, 1879. H. SCHULZE, a a. O. 32 ff, LAVPBECHT, Wirtschaftsleben 1, 628 ff. GAUPP, Germ. Abhandl. 62 ff.; Miscellen 75 ff. ALBRECHT, Gewere 188—222; Krit. Jahrbücher £ Rechtswissensch. 11, 321—53; (Berliner) Jahrbücher f. wiss. Kritik 1830, Nr. 63—65. BESELEB, Erbverträge, 3 Bde, 1885—40. v. WYSS, Letztw. Verfügungen n. d. Schweiz. Rechten der früheren Zeit, Zeitschr. f. Schweiz. R. 19, 68 ff. EULEB, Beitrag z. Gesch. d. Testamente, Arch. f. Frankf. Gesch. 5, 1852. BBHBEND, Anevang und Erbengewere, Bresl. Festschr. f. BESELEB, 1885.
KROM, Oudnederlandsch erfhuisrecht, 1878.
COSACK, Besitz des
Erben, 1877. ROSIN, Begriff der Schwertmagen, 1877. SCHRÖDER, Bezeichnungen der Spindelmagen in der älteren deutschen Rechtssprache, ZRG. 17, 1 ff. 104
Vgl. Ssp. I. 3 § 3 und Dsp. 6 mit Schwsp. L. 3 a.
m
V g l . STOBBE 5, 64. 408 V g l . S. 3 3 2 ff. FICKER, a. a. 0 . 2 , 5 5 f. 3 0 4 ff. 387 ff. 6 1 6 ff. HEYMANN, a. a. 0 . 5 ff. v . WTSS, Zeitschr. f. S c h w e i z . R . 4, 3 ff. 5, I I I ff. FRIESE U. LIESE-
GANG, a. a. O. 1, 774 ff. Die Angaben des Ssp. I. 3 § 3 können bei unbefangener Auffassung nur von der Parentelenordnuug verstanden werden. Vgl. HEUSLEB 2,
§61.
Das Privatrecht.
5. Erbrecht.
749
ersten Erbanspruch hatte der Busen, d. h. die eheliche Nachkommenschaft des Erblassers, und zwar anfangs nach Gradesnähe, so daß die Kinder unbedingt den Vorzug vor den Enkeln (diechtern) und diese vor den Urenkeln (urdiechtern) hatten, gleich nahe Abkömmlinge aber nach Köpfen teilten; nur durch Vorberufung seitens der Großeltern konnten die Enkel „in die Fußstapfen" ihrer vorabgestorbenen Eltern eingesetzt werden, bis durch die regelmäßige Wiederkehr derartiger Abmachungen sich schrittweise ein festes Eintrittsrecht der Enkel ausbildete, das durch den Freiburger Beichsabschied von 1498 allgemein angeordnet wurde 207 . Auf den Busen (die Brusterben) folgten die Eltern (Schoßfall), sodann die Geschwister und deren Nachkommen, anfangs auch diese nach Gradesnähe, bis der Wormser Reichsabschied von 1521 für die Kinder vorabgestorbener Geschwister das Eintrittsrecht einführte 208 . Auf die elterliche Parentel folgte die der Großeltern, und zwar ebenfalls die letzteren vor ihren Nachkommen 209 . Die dem germanischen Recht eigentümlichen 594. 600 f. H U B E R , a. a. 0. 548. HOMEYER, Stellung des Sachsenspiegels zur Parentelenordnung, 1860. STOBBE, Beiträge 36 ff. STÜTZ, Verwandtschaftsbild des Sachsenspiegels ( G J E R K E , Untersuchungen 34, 1890). SEELIO , Erbfolgeordnung des Schwabenspiegels, Kieler Diss. 1890. Anderer Meinung SCHANZ, Erbfolgeprinzip des Sachsenspiegels u. Magdeburger Rechts, 1883. Nach dem Landbuch von Nidwalden c. 157 (Zeitschr. f. Schweiz. R. 6, 2 S. 157) soll Erbe werden, wer sin fründsehaft aller nächst gerechnen mag an des toten rechten vater, d. h. der von dem nächsten Vater (Vorfahren) des Erblassers abstammt. Das Saarbrücker Landrecht 1, 4 (KREMEB, Gesch. d. Grafen v. Saarbr. 558J bestimmt, daß, wenn weder Abkömmlinge, noch Vorfahren oder Geschwister vorhanden sind, das nachgelassen erb und gut gehet und folget an die nechste erben in der rechten ufsteigenden Knien, da es den ersten grad xwr Seiten absteigen findet. Kaum weniger deutlich das Stadtbuch von Steenwijk 2, 31 (her. v. TELTINO, 1891, S . 51), die Summa legnm von Wiener-Neustadt (TOMASCHEK, Wien. SB. 105, 2 S . 291 f.) und das schon von HOMEYER angezogene Sprichwort: Oeen good klimt gaarne, dem man die bei G R A F u. DIETHEBB, Rechtssprichwörter 193 mitgeteilten und das schweizerische Sprichwort: ain erbschnft soll für sich gan und nit hinder sich ( F O F F A , Das bündnerische Münsterthal 114; K R A U T ' § 146, Nr. 81) anreihen mag. î0 ' N. Samml. d. Reichsabschiede 2 , 4 6 . Vgl. ZRG. 3 1 , 1 7 9 f. WEILAND, Const. 2, N r . 3 4 2 (1251).
LOERSCH U. SCHRÖDER N r . 2 6 7 ( 2 4 8 ) .
FICKER, a . a . 0 .
1, 1 0 5 ff.
110 ff. Der letztere macht darauf aufmerksam, daß das Eintrittsrecht nicht notwendig mit völliger Durchführung des Stammesrechts (successio in stirpes) verbunden gewesen sei, man vielmehr bei bloßer Erbfolge der Enkel unter sich nicht selten die ältere Kopfiteilung beibehalten habe. Vgl. Anm. 208. Bei den Sachsen wurde das Eintrittsrecht der Enkel im Hofgericht Ottos I. durch das Gottesurteil des Zweikampfes zur Anerkennung gebracht (Widukind, res gestae Sax. 2, 10), aber noch der Ssp. I. 5 § 1 gesteht es nur den Sohnes- und nicht den Tochterkindern zu und läßt Enkel unter sich nach Köpfen teilen (I. 3 g 3). Über die Vorberufung von Enkeln vgl. Anm. 234. 208 Neffen und Nichten des Erblassers unter sich erbten nicht nach Stämmen, sondern nach Köpfen. Vgl. Speierer RA. von 1529 § 1. LOERSCH U. SCHRÖDER Nr. 231 (209), früher von mir irrtümlich auf Stammteilung gedeutet. FICKER, a. a. O . 2, 106. 156. Anders Saarbrücker Landrecht 1, 4. î0 » Vgl. Stadtr. v. Wesel § 25. Willkür der Sachsen im Zips von 1370, § 63 (MICHNAY U. LICHNER, Ofener Stadtrecht 2 3 1 ) .
Das Mittelalter.
750
Grenzen der Sippe in auf- und absteigender Linie (S. 333) wurden zum Teil auch im Mittelalter noch beobachtet, verloren aber allmählich ihre Bedeutung 210 . Yon dieser Erbfolgeordnung gab es zahllose Abweichungen, teils durch ganerbschaftliche Verhältnisse, teils durch Einwirkungen des ehelichen Güterrechts, teils durch partikularrechtliche Willkür herbeigeführt. Insbesondere wurde das Erbrecht der Eltern vielfach auf die entfernteren Vorfahren ausgedehnt, andererseits nicht selten die Erbberechtigung der Geschwister neben oder vor den Eltern anerkannt. Eine in den verschiedensten Rechtsgebieten beobachtete Eigentümlichkeit war das Fallrecht {ius recadentiae
s. revolutionis),
das nach dem Grundsatz paterna
paternis,
materna maternis eine getrennte Beerbung eintreten ließ, indem die Verwandten von väterlicher Seite entweder das von dieser herrührende Vermögen oder auch die Hälfte des ganzen Nachlasses, die von mütterlicher Seite das von daher gekommene oder die andere Hälfte erbten211. "Überaus mannigfaltig waren die Unterschiede in der Erbberechtigung des männlichen und weiblichen Geschlechts, der Schwert- und Spindelmagen, der voll- und halbbürtigen Verwandtschaft212. Gleich nahe Erben teilten in der Regel nach dem Sprichwort: „Der ältere soll teilen, der jüngere kiesen" (Kürrecht)21S, doch kam auch Teilung durch das Los, zumal bei mehr als zwei Miterben, vor; bei Grundstücken begegnete zuweilen das Setzrecht, kraft dessen ein Miterbe den andern die Wahl zwischen Übernahme oder Überlassung des Grundstückes zu einem von dem Setzenden gemachten Anschlage anheimstellte214. Abgeschichtete Kinder, soweit sie nicht völlig abgefunden waren, hatten das bei der Absonderung Empfangene einzuwerfen215. Bei Stammgütern und Familienfideikommissen galt, unter Aufrechterhaltung der gesamten Hand, überwiegend Individualsuccession und ungeteilte Vererbung nach dem Altersvorzug, als Primogenitur, Majorat, Minorat oder Seniorat216. Festgehalten wird die Grenze u. a. noch Ssp. I. 3 §§ 2. 3. * n V g l . STOBBE 5, 104 f. HEÜSLEB 2, 527 f. 607. FICKER, a. a. 0 . 2, 98. 2 0 9 ff. 4 0 8 ff. 4 2 5 ff. 4 4 3 ff. 4 7 7 . 3, 17 ff. 80. 4 6 3 ff. 5 4 1 ff. FROMMHOLD, Z R G . 2 6 , 2 2 0 ff.
Saarbrücker Landrecht 1, 4. Nicht zu verwechseln mit dem Fallrecht ist das S. 284 besprochene W i e d e r k e h r r e c h t (droit de retour, Code civil 747), d. h. das Recht der Eltern auf den Rückfall dessen, was die Kinder von ihnen erhalten hatten, bei anbeerbtem Tode der letzteren, was selbstverständlich nur da eine Bedeutung hatte, wo das Geschwistererbrecht dem Elternerbrecht vorging oder mit ihm konkurrierte. Vgl. Dsp. 18 (in der Ausgabe irrtümlich mit 19 bezeichnet). Schwsp. L. 14. Brünner Schöffenbuch 621. !li 4,8
V g l . STOBBE 5, 102. 106 f. 116 ff. V g l . S. 3 3 4 f. GRAF u. DIETHERR 215.
WACKERNAGEL, Z D A .
2,
5 4 2 ff.
HEUSLER 2, 569. HÜBER 677. Das Kürrecht kam schon 839 unter den Söhnen Ludwigs des Frommen zur Anwendung. Vgl. Nithardi bistor. 1, 7. In der Keure von Incourt von 1226 (WILLEM, Gestes des ducs de Brabant 1, 628) erhält der Ältere das Kürrecht, während der Jüngere die Teile macht. SM
STOBBE 5, 41.
8,6
E b d . 44 f.
Ebd. 103 f. LOEBSCH U. ScHRÖnER4 Nr. 110. 146. 175. 248 f. Arch. f. Kunde
§ 61.
Das Privatrecht.
5. Erbrecht.
751
Die Erbschaft und ebenso die Gewere am Nachlaß ging von Rechts wegen durch den Tod des Erblassers auf den Erben über: „Der Tote erbt den Lebendigen"217. Gleichwohl war es üblich und für den Erben von Vorteil, daß er ausdrücklich Besitz vom Sterbe- und Erbhause ergriff oder sich gerichtlich in den Besitz einweisen ließ219. Hatte der Verstorbene einen Ehegatten hinterlassen, so brauchte dieser dem Erben den Besitz erst nach dem Dreißigsten (nach Ablauf des für die Totenfeier bestimmten Sterbemonats) zu räumen, das Gesinde blieb ebenfalls bis zum Dreißigsten in seiner bisherigen Stellung und der im Besitz befindliche Erbe brauchte vor dem Dreißigsten weder den Nachlaßgläubigern, noch etwaigen Erbschaftsprätendenten und Miterben zu antworten219. Erbfolgeunfähig waren Rechtlose, Aussätzige, geborene Krüppel und Klostergeistliche, relativ unfähig solche, die den Tod des Erblassers verschuldet hatten oder ihm unebenbürtig waren 220 . Erbloses Gut unterlag dem fiskalischen Heimfallsrecht, das auch bei den einer besonderen Erbfolge unterworfenen Vermögensmassen der Gerade und des Heergewätes platzgriff221. Die Einziehung wirkte, wie bei Fronungen, endgültig, wenn der Berechtigte ohne echte Not Jahr und Tag verstreichen ließ, ohne sich zu melden222. Sehr bestritten ist das Verhältnis des Erben zu den Schulden des Erblassers228. Schulden aus unerlaubten Handlungen waren rein persönlicher Natur und erloschen mit dem Tode des Schuldners; nur die bereits Österreich. Gesch. 1, 29. ZGO. 9, 291. SCHULZE, Recht der Erstgeburt 196 ff.; Erb- und Familienrecht 54 ff. WIPFEBMANN, Ganerbschaften (Kleine Schriften 1, 1873) 21 f. HOMETER, Abb. d. Berl. Akad. 1852, S. 58 f. S. METEB, Beiträge z. Gesch. d. Familienfideikommisse, Bonn. Diss. 1878; ZRG. 14, 131 ff. GIEBKE, i. d. Handwörterbuch d. Staatsw. 3, 413 ff. u.
217 S. 7 1 7 . HEUSLEB 2, 5 6 0 ff. HUBER, a. a. 0 . 669. STOBBE 5, 21, n. 2. GRAF DIETHEBR 205. HILLEBBAND, R e c h t s s p r i c h w ö r t e r 134 ff. RENAUD , D i e franz.
Rechtsregel Le mort saisit le vif, Zeitschr. f. Rechtew. u. Gesetzg. d. Ausl. 19. 20. Im wesentlichen den gleichen Sinn hatte wohl das Sprichwort: Es gehet ein lebendiger aus und ein lebendiger in (GRIHH, Weistümer 1, 618). 2,9
V g l . HEUSLEB 2, 5 6 3 ff. STOBBE 5, 23. 26 f.
W u r d e die Erbeneigenschaft
seitens eines Dritten bestritten, so trat nach niederländischem Recht ein eigentümliches Verfahren mit anevang ein. Vgl. BEHREND, Anevang u. Erbengewere, 1885. «» Vgl. S. 334.
STOBBE 5, 23 f.
HOMEYEB, Der Dreißigste, Abh. d. Berl.
Akad. 1864, S. 87 ff. SIEGEL, Der Dreißigste, Kr. VJSchr. 7, 275 ff. GBIMM, Weistümer 7, 231. HARDT, Luxemburger Weistümer 270. LOERSCH U. SCHRÖDER' Nr. 336.
HEUSLEB 2, 567 f. HUBER 671. In den Niederlanden hatte der Dreißigste die Bedeutung einer Frist für die Ausschlagung der Erbschaft. 220 Vgl. S. 269 f. 462. 466. STOBBE 5, 14 f. 19. 146 ff. Über die passive Erbunfähigkeit der Rechtlosen vgl. ERHARD, Urk.-B. z. G. Westf. 1, Nr. 117 (1030). Vgl. S. 334. 530 f. 736. Die besondere Vererbung von Gerade und Heergewäte findet sich vereinzelt auch in außersächsischen Rechten. 228
V g l . STOBBE 5, 25. V g l . S. 335. FRIESE U. LIESEQANO, a. a. 0 . 1 , 8 2 8 ff. S s p . I. 6 § 2. II. 17 § 1. I I I . 10 § 2. 31 § 2. D s p . 9 — 1 2 . S c h w s p . L . 5. 7. 8. 178. 289. GAUPP, m
Mise. 75 ff. HUBER, a. a. 0. 668 ff.
Das Mittelalter.
752
durch Urteil oder Sühne festgesetzten Forderungen gingen auch gegen den Erben 224 . Von den vertragsmäßigen Verbindlichkeiten waren alle Freigebigkeiten ebenfalls ausschließlich persönlich226. Dasselbe galt von Verträgen über unbewegliche Sachen, die dem Erben warterecht unterlagen 228 , ferner von Spielschulden, von Verpflichtungen aus wucherischen Geschäften (z. B. Zinsversprechen) und von Bürgschaften, deren Erblichkeit erst seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vereinzelt anerkannt wurde 227 . Alle übrigen Schulden mußte der Erbe als solcher übernehmen, die Erbfolge war eine wirkliche Universalsuccession228. Dem stand nicht entgegen, daß der Erbe unter dem Einfluß des Erbenwarterechts ursprünglich nur mit der fahrenden Habe haftete, eine Beschränkung die schon früh fast allgemein aufgegeben wurde 229 , oder daß er nach den jüngeren Hechten wenigstens nicht über den Bestand des Nachlasses hinaus in Anspruch genommen werden konnte 230 . Die Erbenhaftung war nur eine Sachhaftung, mit dem Recht, sich durch Abtretung des Nachlasses an die Gläubiger zu befreien 231 . Hatte der Erbe den Nachlaß vorbehaltlos in seinen Besitz genommen, so haftete er persönlich mit seinem ganzen Vermögen 232 . Als Auskunftsmittel diente zuweilen, wie es scheint, die m Vgl. P L A N C K , Gerichtsverfahren 1 , 4 0 6 ff. HAMMES, Schadensersatz 7 8 f. Es geht zu weit, wenn die Nichthaftung des Erben nach Landrecht auch auf die durch Urteil festgesetzte Schuld bezogen wird. Die Bereicherungsklage und die Rückforderung der durch ein Delikt des Erblassers in den Nachlaß gekommenen Sachen Dritter ging stets gegen den Erben. Siehe auch GÖSCHEN, a. a. 0. 149. 9 " Vgl. Anm. 110. Der Sachsenspiegel drückt sich ungeschickt aus, indem zur Begründung der Erbenhaftung verlangt wird, daß der Erbe wederstadvnge empfangen habe. Mußte doch der Erbe auch den Gesindelohn bezahlen (Ssp. I. 22, § 1. LOEBSCH U. SCHRÖDER 2 Nr. 3 2 8 ) , obwohl die Dienste nicht ihm, sondern dem Erb286 lasser geleistet worden waren. Vgl. Ssp. I. 9, § 6. III. 77, § 1. 227 Zuerst, und zwar ersichtlich unter römischrechtlichem Einflüsse, Dsp. 11, Schwsp. L. 7. 289. Vgl. S. 731 f. STOBBE, Handbuch 3, 309 f.; Vertragsrecht 132 ff. 4 GENQLER, Lehrb. 760 ff. BESELEB, Privatr. I , 524. ALBRECHT , Gewere, Note 521. Daß Ssp. I. 6, § 2 nicht mit EICHHORN (Privatrecht 329) auf Erblichkeit der Bürgschaft gedeutet werden darf, ergiebt sich aus der Glosse, ferner aus Magd.-Görlitzer Recht v. 1261, § 52, Meißener RB. 3, 12 Dist. 1. War Bürge erst nach der Klaganstellung, oder nachdem er sich selbst einen Zahlungstermin gesetzt hatte, gestorben, so haftete der Erbe. Meißener RB. 3, 12 Dist. 4. GÖSCHEN, a. a. 0. 71. 228
V g l . HEDSLEB 2 , 5 3 8 ff.
Vgl. STOBBE 5, 50; Jahrb. d. gem. R. 5, 303 ff. Die Beschränkung auf die fahrende Habe (Ssp. I. 6, § 2) ist Dsp. 9, Schwsp. L. 5b. 289, Kl. Kaiserr. 2, 49 und Bair. Landr. 95 bereits weggefallen. Lübeck erstreckte die Haftung ebenfalls auf den ganzen Nachlaß, ließ aber Erbgüter, für deren Rechnung Schulden bezahlt worden waren, bis zu dem Betrage derselben als Kaufgüter gelten. Vgl. S . 724. SCHBÖDER, Miteigentum 14. LOEBSCH U. SCHRÖDER 2 Nr. 205. Länger erhielt sich die alte Beschränkung in Frankreich und Belgien. Vgl. HEÜSLER 2, 553. 230 Vgl. Dsp. 12. 23. Schwsp. L. 8. 20. Bair. Landr. 98. 8,1 Vgl. S . 7 3 8 . 7 4 1 . EHBENBEBO, Beschränkte Haftung 1 4 ff. PAULI, Abh. 2 , 2 3 0 ff. 3 , 1 4 8 ut
ff.
STOBBE 5 , 5 1 .
HEDSLER 2 , 5 7 0 ff.
Vgl. Kl. Kaiserr. 2, 49. Ditmars. Landr. v. 1447, § 89. GBIMM, Weist. 2, 33. 41 f. Rügian. Landgebrauch Tit. 7 0 . 75. HILLEBBAND, Rechtssprichwörter 139
ff.
G B A F u . DIETHEBR 2 2 1
ff.
Z R G . 5,
35.
§ 61.
Das Privatrecht.
753
5. Erbrecht.
gerichtliche Einweisung des Erben in den Nachlaß a33 , insofern diese mit einem Aufgebot der Gläubiger und der Ausschließung der nicht rechtzeitig angemeldeten verbunden war. Das alte Erbschaftsgedinge (S. 337 f.) hatte schon in der vorigen Periode einen vorwiegend sachenrechtlichen Charakter angenommen, doch blieben Vergabungen eines ganzen Vermögens oder bestimmter Vermögensanteile fortwährend in Gebrauch234. Vollzogen wurden diese „Gemächte", „Geschäfte" oder „Gelübde" im Wege gerichtlicher Vergabung mit richterlicher Friedewirkung, und zwar im späteren Mittelalter mit den Rechtsfolgen der rechten Gewere (S. 719), auch wenn der Bedachte thatsächlich den Besitz nicht ergriffen hatte 236 . Soweit die Erben zugestimmt oder trotz ihrer Anwesenheit im Gericht geschwiegen hatten, war ihr Widerspruch erloschen; die abwesenden Erben verschwiegen sich binnen Jahr und Tag. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden diese Geschäfte in der Form des Treugelöbnisses auch bei Geldsummen und einzelnen Fahrnisstücken zugelassen, vorausgesetzt daß die Erben zustimmten oder durch Urteil ausgeschlossen wurden a3e . In Süddeutschland kamen auch außergerichtliche Geschäfte unter Brief und Siegel vor 237 . Von der sachenrechtlichen Auffassung behielten die Geschäfte die Unwiderruflichkeit und den Übergang auf die Erben des Bedachten, wenn dieser den Anfall selbst nicht erlebte238, andererseits zeigte sich die erbrechtliche Auffassung darin, daß der Bedachte den Nachlaßgläubigern nachstand, auch wurde nicht selten Widerruf und free Verfügung unter Lebenden für den Vergabenden ausbedungen und die Bedingung, daß Bedachter den Anfall erleben müsse, gestellt239. So befanden sich die Geschäfte in voller, aber noch unabgeschlossener Entwickelung einerseits zu widerruflichen letztwilligen Verfügungen, andererseits zu wahren Erbverträgen 2i0 . Ihre Hauptanwendung S8a
134
V g l . LOERSCH U. SCHRÖDER2 N r . 259.
Ein besonders geläufiger Akt dieser Art war die schon in der fränkischen Zeit bezeugte Vorberufung der Enkel durch die Großeltern, um ihnen ein Eintrittsrecht an Stelle der vorverstorbenen Eltern zu verschaffen. In Tirol vollzog sich dieselbe durch Aufnahme des Enkels- als Kind über dem Grabe des Vaters oder der Mutter, nötigenfalls auch vor Gericht. Vgl. S. 749. FICKEB, a. a. 0. 2, 112 ff. 116 ff. LOERSCH U. SCHRÖDER Nr. 2 1 2 (190).
G e s c h . d. e h e l . Güterr. 2, 3 S. 150, n. 16.
Offenbar eine adoptio in hereditatem. 235
V g l . HEDSLER 2, 1 2 2 f. 6 3 0 ff. ALBRECHT, G e w e r e 1 8 8 ff. v. MARTITZ, E h e l .
Güterr. 245. LARAND, Verm. Klagen 315 ff. LOERSCH U. SCHRÖDER2 Nr. 324. Ssp. II. 30.
*** Sonst galt bei der Fahrhabe Verbot der Vergabungen auf dem Siechbette und der Satz „Donner et retenir ne vaut". Vgl. Kl. Kaiserr. 2, 36. HEUSLER 2, 197 ff. Die erste Ausnahme im Bereich des sächsischen Rechts machte die gelobte Morgengabe (S. 744). Vgl. ALBRECHT, Krit. Jahrb. 11, 330. HEDSLER 2, 633. " 7 Vgl. Dsp. 25. Schwsp. 22. Kl. Kaiserr. 2, 37. Bair. Landr. 116. HEUSLER 2, 124. 6 3 5 ff. ALBRECHT, a. a. O. 11, 3 3 0 . * » V g l . HEUSLER 2, 635. 639. 2,9 V g l . HEUSLER 635. 639. ALBRECHT, a. a. O. 11, 3 2 7 . 329. 331 f.
M0 Vgl. HEÜSLER 2, 638 ff. Festgehalten wurde daran, daß nur, wer noch eine gewisse Körperkraft darzulegen vermochte, zu derartigen Verfügungen berechtigt war. Vgl. Anm. 236. Ssp. I. 52 § 2. Schwsp. L. 52. BEHREND, Stendaler Urteilsbuch 84 ff.
B.
SCHRÖDER,
Deutsche Bechtsgeschichte.
4.
Aufl.
48
754
Das Mittelalter.
fanden sie in Eheverträgen, Erbverbrüderungen und Einkindschaftsverträgen241. Neben den Anfangen des Erbeinsetzungsvertrages begegnet im Mittelalter auch schon der Erbverzicht, obschon dieser ebenfalls sich noch vorzugsweise auf sachenrechtlichem Gebiet und in den Formen der Auflassung bewegte248. Im Gegensatz zu den vertragsmäßigen Geschäften wurden Verfügungen zum Heil der Seele (Seelgeräte) unter dem Einfluß der Kirche auch als einseitige und, soweit sie sich in billigen Grenzen hielten, von der Genehmigung der Erben freie Akte zugelassen. Gerichtlichkeit war dabei nioht erforderlich, es genügte die Bekundung vor Zeugen248. Eigentliche Testamente, wenn auch regelmäßig ohne Erbeneinsetzung, begegneten während des ganzen Mittelalters unter der Geistlichkeit, welche die Befugnis dazu dem römischen Recht entlehnte, in der Form sich aber an die deutschen Gewohnheiten anschloß244. Die Abfassung geschah bald mündlich vor Zeugen, bald zu Protokoll vor dem Offizial, bald durch Privaturkunde, häufig wie bei den Geschäften durch Yermittelung eines Treuhänders, der an die Stelle des alten Salmannes getreten war, und aus dem sich im Laufe des Mittelalters das Institut des Testamentsvollstreckers entwickelte246. Als Seelgeräte wurden derartige Verfügungen durch die ^kirchliche Auktorität auch dann aufrechterhalten, wenn sie von Laien herrührten. Mit den Laientestamenten fand sich das weltliche Recht im allgemeinen nur unter der Voraussetzung ab, daß die für das „Geschäft" gebräuchlichen Formen beobachtet wurden. Auf diesem Wege entstanden seit dem 13. Jahrhundert neben den zweiseitigen unwiderruflichen die einseitigen widerruflichen Geschäfte, die vor Gericht oder Rat oder in der Wohnung des Testierenden vor einer Gerichts- oder Ratsdeputation verlautbart wurden246. GRIMM, E A . 9 6 f. ALBBECHT, Gewere 2 0 3 . HOMEYER, Stellung des Sachsenspiegels 64 f. HEUSLER 2, 197 ff. HUBER 6 0 9 f. KRAUT" § 148, Nr. 2 3 ff. Ein hübsches Beispiel
bei. HÖHLBAUM, Buch Weinsberg 2, 36. Anderer Ansicht El. Kaiserr. 2, 36. 90. 241 Vgl. HEUSLER 1, 2 3 4 . 2, 4 7 6 f. LÖNING, Erbverbrüderungen, 1867. LOEBSCH
u. SCHRÖDER4 Nr. 178. 223. 225. 229. SCHRÖDER, Geschichte d. ehel. öttterrechts 2, 2 S . 2 6 6 ff. 3 S . 3 8 8 . FICKEB, a . a . 0 . 3, 1 5 0 ff. 242 Vgl. STOBBE 5 , 9 7 ff. 3 0 2 ff. HEUSLER 2, 5 7 0 ff. BESELER, Erbvertrfige 2 , 2 S. 2 1 5 ff. LOERSCH U. SCHRÖDER* N r . 126. 1 5 4 . 189. 2 1 1 . M » HEUSLER 2, 6 4 2 ff. 244 Vgl. HEÜSLER 2 , 6 4 5 ff. WEILAND, Const. 1, 3 2 1 (1165). 3 3 5 ( 1 1 7 3 ) . MÖSER, Osnabr. Gesch. 2, Docum. Nr. 76 (1184). 245 V g l . S . 3 3 7 f . 7 0 9 . HEUSLER 2 , 6 4 8 . 6 5 2 ff. STOBBE 5 , 2 6 0 ff; Z R G . 7 , 421 ff. BETERLE, a . a . 0 . 1, 1 1 — 2 2 . LOERSCH U. SCHRÖDER2 N r . 2 1 8 . 258. 2 7 4 . 3 0 0 . WEILAND 1, 3 3 5 (1173). 246 V g l . HEUSLER 2 , 6 4 9 ff. LOERSCH U. SCHRÖDER2 N r . 1 6 7 . 2 0 9 . 2 1 8 . 2 4 5 .
248 f. 258. 274. 323. Auch die Testamentsvollstrecker wurden jetzt einseitig ernannt, nicht wie bei den Siteren Geschäften als Kontrahenten zugezogen.
755
§ 62. Das Strafrecht.
§ 62.
Das Strafrecht.
V g l . S. 73. 339. GRIMM, R A . 6 2 2 — 7 4 4 ; W e i s t ü m e r 7, 224 ff. 248 f. 273 f. 365 ff. NOORDEWIER, R e g t s o u d h e d e n 272—330. WARNKÖNIG, F l a n d r . R G . 3, 1 S. 151—263.
v. BAR, Gesch. d. deutsch. Strafrechts 87 ff. KÖSTLIN, Gesch. d. deutsch. Strafrechts 114ff.; ZDR. 12. 14. 15; Kr. Übersch. 3, 149ff. 334ff. BBUNNER, Grundz. 148ff.; S i p p e u . W e r g e i d , Z R G . 16. EICHHOBN 2, § § 378 ff. 3, § 459.
WAITZ 6 4 , 546—616.
HÄLSCHNER, Gesch. d. brand.-preuß. Strafrechts, 1855. JOHN, Strafrecht in Norddeutschland z. Z. der Rechtsbücher, 1858. H. MEYER, Lehrb. d. deutsch. Strafr. 4 77 ff. OSENBRÜOOEN, Alamann. Strafrecht, 1860; Hausfrieden, 1857; Studien z. deutsch, u. Schweiz. Rechtegeschichte, 1868; Altdeutsches u. neudeutsches Strafrecht, ZRG. 1, 373ff. PFENNINGER, Strafrecht d. Schweiz, 1890. ZÖPFL, Das alte Bamberger Recht als Quelle der Carolina, 104 ff.; RG. § 130. H, KNAPP, Das alte Nürnberger Kriminalrecht, 1896. HABSTEB, Strafrecht d. Reichsstadt Speier, 1900 (GIERKE, Unters. 61). His, Das friesische Strafrecht, 1901. FREYMANN, Strafrechl der livländ. Ritterrechte, 1889. E. MAYER, Verf.-Gesch. 1, 161—214. GÖSCHEN, Goslar. Statuten 291—365. FRIESE, Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898 (GIERKE,
Unters. 55), vgl. SCHREUEB, ZRG. 34, 305. CASPAR, Darstellung des strafrechtl. Inhaltes des Schwsp. u. d. Augsb. Stadtrechts, Berl. Diss. 1892. BUFF, Verbrechen u. Verbrecher zu Augsburg im 14. Jh., Zeitschr. d. hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg 3 (1877), 160 ff. HASENÖHRL, Österreich. Landesrecht 147 ff. ABEOO, ZDR.
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Vgl. S. 651 ff. 670 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 501 ff. 48*
Das Mittelalter.
756
Satz „Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter", aber das Rügeverfahren von Amts wegen hatte doch auch im Gebiet des weltlichen Rechts eine ungleich größere Verbreitung als in der vorigen Periode gewonnen 2 . Das Wergeidsystem hatte nur in den friesischen und niederländischen Rechten seine alte Bedeutung vollständig bewahrt; im Sachsenspiegel und Schwabenspiegel erscheint es bereits wie eine halbe Antiquität 3 . Die Bedeutung des Wergeides beschränkte sich im wesentlichen auf die Fälle unabsichtlicher Tötung und Tötung in Notwehr, aber auch in diesen Fällen kam es meistens zu freien Sühneverhandlungen, durch die das gesetzliche Wergeid endlich ganz beseitigt wurde 4 . Alle anderen Tötungen unterlagen peinlicher Strafe. Das mittelalterliche Strafrecht war, abgesehen von der völligen Preisgebung der Friedlosen und dem Privileg der Geistlichen auf Umwandlung der von ihnen verwirkten peinlichen Strafen 6 , für alle Stände grundsätzlich das gleiche. Der frühere Gegensatz von Freien und Unfreien bestand für das Strafrecht nicht mehr 6 . Auch Rechtlose, obwohl ohne gesetzliches Wergeid, genossen den Schutz des gemeinen Strafrechts 7 . Die Missethaten wurden eingeteilt in Ungerichte (Halsgerichte, hohe Wrogen), die an Hals oder Hand gingen, und die an Haut und Haar oder nur mit Buße und Wette bestraften Frevel. Als dritte Klasse kann man die betrachten, welche keiner bestimmten Strafe unterlagen, aber den Yerlust der Gnade des Königs oder Landesherrn nach sich zogen und lediglich nach dessen Ermessen bestraft wurden 8 . Die Ungerichte unterlagen der peinlichen Strafe des Todes oder der Verstümmelung. Die Todesstrafe wurde in der Regel durch Enthauptung mit dem Schwert oder durch den Strang vollzogen; die Enthauptung galt als die ehrenvollere oder mildere Strafe. Andere Todesstrafen waren Verbrennen, Lebendigbegraben, Ertränken, Rädern, Vierteilen, Pfählen. Die regelmäßige Verstümmelungsstrafe bestand in dem Abhauen einer 1
Vgl. S. 383 f. 578 ff. 584. Ssp. I. 2, § 4. III. 86, § 1. 91, § 1. Schwsp. L. 170 c. Kennemerrecht v. 1292, v. d. Behob, Oork.-B. 2, 375. 8 Vgl. Ssp. III. 45. Schwsp. L. 310. Über das niederländische und friesische Wergeid Noobdewier, a. a. 0 . 296 ff. Brunnes, Sippe u. Wergeid n. d. niederdeutschen Rechten, ZRG. 16, 1 ff. v. Amiba, Erbenfolge und Verwandtschaftsgliederung 153 ff. v. Riemsdijk, Het zevendeel leggen na doodslag in Kennemerland en Westfriesland, Verslag. en Mededeel. d. (Amsterd.) Akad. v. Wetenschappen 4, 1 S. 341 ff. Heck, Altfries. Ger.-Verf. 262—291; Gemeinfreie 223 ff. His, a. a. O. 53 ff. 226 ff. 4 Vgl. Weisse, Abhandlungen 83 ff. Die hier einschlagenden Bestimmungen des Ssp. (II. 14, § 1. 38. 40, § 1. 65, § 1) kehren zwar größtenteils im Schwsp. wieder, aber unter Beseitigung aller Bezugnahmen auf das Wergeid. • Statt Todesstrafe Absetzung, statt Verstümmelung Suspension, Fasten, körperliche Züchtigung. Vgl. Waitz 6', 554. • Nach Schwsp. L. 73 unterlag auch der Herr, der seinen Eigenmann getötet hatte, der peinlichen Strafe. 7
Vgl. Ssp. III. 45, § 11.
• Vgl. S. 342. Waitz 6», 579 ff.
§ 62. Das Strafrecht.
757
Hand oder eines Daumens, doch kam auch Blendung, Abschneiden der Nase oder Ohren, Ausreißen der Zunge vor. Häufig wurde V e r m ö g e n s e i n z i e h u n g mit der peinlichen Strafe verbunden oder als selbständige Strafe verhängt 9 . Nur allmählich brach sich dabei die Auffassung Bahn, daß die Erben des Ubelthäters zu verschonen seien; man gestattete ihnen binnen Jahr und Tag die Herausgabe des eingezogenen Grundbesitzes auf Grund ihres Erbenwarterechts zu verlangen. Wo Gütergemeinschaft unter Ehegatten bestand, wurde der Anteil des unschuldigen Ehegatten freigegeben. Hin und wieder begegnet auch im Mittelalter noch die Strafe des Niederbrennens oder Niederreißens des Hauses, während Abdecken des Daches und massenhaftes Durchlaufen durch das Haus nur dem Bereich der Volksjustiz angehörten. Vermögenseinziehung und Zerstörung des Hauses standen vielfach in Zusammenhang mit der Acht. Diese war wie in der vorigen Periode auch jetzt noch in erster ßeihe nicht Strafe, sondern prozessualisches Zwangsmittel, namentlich in der begrenzten Gestalt der von einem Richter für seinen Bezirk ausgesprochenen Verfestung 10 , deren Erweiterung zur Reichsacht erst auf Antrag des Richters durch das Reichshofgericht auszusprechen war. Zunächst enthielten Acht und Verfestung nur den alten Vorbann, d. h. das allgemeine Verbot der Beherbergung oder Unterstützung des Verfolgten, und zwar bei Vermeidung der Acht, aber mittelbar könnt« beides zur Strafe werden: einmal durch den Satz, daß der ergriffene und gewaltsam vor Gericht gebrachte Verfestete oder Ächter nach seiner Überführung stets der Todesstrafe verfiel 11 , namentlich aber durch die Umwandlung der Acht (nicht schon der Verfestung) in die Oberacht, d. h. volle Friedlosigkeit, wenn der Geächtete Jahr und Tag verstreichen ließ, ohne sich durch freiwillige Gestellung aus der Acht zu lösen ia . Ausnahmsweise wurde die Acht auch unmittelbar als Strafe verhängt 13 , so namentlich über alle, die durch Jahr und Tag mit dem Kirchenbann belegt waren u . Verbotenes Waffentragen binnen, gesvoreneme vrede hatte für den auf handhafter That Ergriffenen die alte Folge der handhaften That: er wurde wie ein Geächteter angesehen 16 . Die Strafe • Vgl. S. 531. WEILAND, C o n s t 1, Nr. 140 c. 2 f. E. MAYER, a. a. 0 . 1, 202 ff.
10
Vgl. S. 341 f. FHENSDORFF, Recht u. Rede 460. 470 f. 474. Vgl. Bsp. I. 66. III. 63, § 3. 12 Vgl. SCHULTE, ZRG. 26, 227. PEBTHES, De proscriptione et banno regio, Bonn. Diss. 1834. FRENSDORFF, a. a. O. 464 ff. FICKER, Forschungen 1, 73 ff. Ssp. 11
I. 38, §§ 2. 3. III. 34. Dsp. 43. Schwsp. L. 45. 285.
WEILAND 1, Nr. 318, 10. 2,
Nr. 30. 196, 22—26. 291. Das frühere Mittelalter kannte die Abstufung von Acht und Oberacht noch nicht. Vgl. WAITZ 6®, 612 f. >» Vgl. S. 516. Ssp. II. 71, § 2. III. 60, § 3. WEILAND 1, Nr. 318, 1 f. E . MAYBB,
a. a. 0. 1, 196. 14
Vgl. S. 485. 666, n. 44.
WEILAND 1, Nr. 318, 7. 2 , Nr. 73, 7. 291. 333.
BÖHMER, Acta imperii Nr. 231. FRANKLIN, Reichshofgericht 2, 378 ff. • " Vgl. Ssp. II. 71, § 2. PLANCK, Waffenverbot u. Reichsacht im Sachsenspiegel, Münch. SB. 1884, S. 102 ff.
Das Mittelalter.
758
der Verbannung, Landes- oder Stadtverweisung stand mit der Acht oder Verfestung in keinem Zusammenhang, obwohl man die Stadtverweisung als Verfestung zu bezeichnen pflegte und die Ausgewiesenen in eigene Verfestungsbücher eintrug. Die Strafe der Verbannung oder Verweisung kam ursprünglich nur in Strafumwandlungsfällen im Wege der Begnadigung oder Sühne und als arbiträre Strafe bei Verlust der Gnade vor. Zu einer selbständigen Strafe wurde sie zuerst in den Städten ausgebildet. Auch die Gefängnisstrafe stand nur als Gnadenstrafe, später vereinzelt als Strafe für Folizeivergehen in Gebrauch; sonst kannte auch das Mittelalter die Haft nur als Untersuchungshaft 16 . Die Strafen an Haut und Haar bestanden in Ausstäupung, schimpflichem Scheren der Haare, Brandmarkung, Ohrenschlitzen u. dgl. m. Dazu traten häufig andere beschimpfende Strafen, wie Schupfen, Pranger, Eselreiten, Schwemmen, Hunde- und Steinetragen u. a. m., Strafen die als Verschärfungsmittel auch mit peinlichen Strafen verbunden werden konnten. Geldbußen waren stets von einer an den Richter zu zahlenden Wette, dem alten Friedensgeld, begleitet. Daneben bestanden zahlreiche unmittelbare Geldstrafen, die aus den alten Bannbußen entstanden waren und ebenfalls als Wette bezeichnet wurden. Jede Verurteilung zu einer peinlichen Strafe oder einer Strafe an Haut und Haar machte den Schuldigen, auch wenn er die Strafe abkaufte, rechtlos und, wenn eine ehrlose Handlung vorlag, zugleich ehrlos 17 . Mit der Oberacht war die ßecht- und Ehrlosigkeit von Hechts wegen verbunden. Von den Folgen der Rechtlosigkeit ist schon anderweitig (S. 466) die Bede gewesen. Die Ehrlosigkeit machte unfähig zu allen Stellungen die ein besonderes Vertrauen erforderten, wie öffentliche Ämter, Vormundschaften, Lehn Verhältnisse u. dgl. m. 1S . Ein Ehrloser hatte, selbst wenn er eines sonst nur an Haut und Haar bestraften geringen Diebstahls schuldig befunden wurde, die peinliche Strafe zu erleiden 19 . Eine bedeutende Minderung der bürgerlichen Rechtsfähigkeit war auch mit dem Kirchenbann verbunden; Gebannte galten als lehnsunfähig und durften weder im Königsgericht noch in Land- oder Lehngerichten als Richter, Urteiler, Zeugen, Fürsprecher oder Kläger auftreten 20 . Ein wesentlicher Fortschritt in betreff der Schuldzumessung tritt im Sachsenspiegel und den ihm folgenden norddeutschen Rechten hervor, u
V g l . WAITZ 6», 5 7 8 ff.
" Vgl. BUDDE 56 ff. 91. GÖSCHEN 347 ff. 355 ff. 363 f. v. AMIRA, Grundriß» 148 betrachtet die bei Strafen an Hala und Hand eintretende Rechtlosigkeit als einen Nachklang des sakralen Strafrechts, das die von ihnen getroffenen Verbrechen zu „unehrlichen" stempelte. Diebe und Bäuber wurden nach Ssp. I. 38 § 1 selbst dann rechtlos, wenn sie einer außergerichtlichen Aussöhnung mit dem Bestohlenen oder Beraubten überfuhrt wurden. 18
V g l . BUDDE 1 0 2 ff.
18
V g l . GÖSCHEN 3 0 9 .
so
Vgl. S. 549 n. 571.
349. WEILAND,
i. d. Hist. Aufsätzen für
WAITZ
267 ff.
§ 62. Das Strafrecht.
759
indem sie bei den Ungerichten durchaus auf den verbrecherischen Willen sehen und absichtslose Missethaten keiner peinlichen Strafe unterwerfen; der Schwabenspiegel stellt die Fahrlässigkeit noch dem bösen Vorsatz gleich, schließt aber wenigstens den bloßen Zufall von der strafrechtlichen Haftung aus. Dagegen nehmen die meisten übrigen süddeutschen Rechte noch den alten Standpunkt ein, indem sie nur den Erfolg der Handlung ins Auge fassen und prinzipiell selbst den Zufall nicht als Entschuldigung gelten lassen 21 . Durch die Landfriedensgesetzgebung wurde die öffentlichrechtliche Auffassung der Verbrechen wesentlich gefördert, indem diese als Auflehnungen gegen die öffentliche Rechtsordnung, also als Friedensbrüche erschienen. Einen besonderen Begriff verband man mit den Landfriedensbrüchen, worunter alle Fälle unerlaubter Fehde verstanden wurden. Das alte Fehderecht war nur noch bei Tötungen, als eigentliche Blutrache, zugelassen 23 . Dagegen hatte sich seit dem Mainzer Landfrieden von 1235 ein dem älteren Recht in dieser Weise unbekanntes subsidiäres Fehderecht ausgebildet, das überall zugelassen wurde, wo der Kläger im Wege der ordentlichen Rechtshilfe nicht zu seinem Recht gekommen war 23 . 41
Vgl. Anm. 38.
M
Vgl. FRAÜENBTÄDT, a. a. 0 .
H i s , a. a. 0 . 201 ff. WODON, L e droit
de
vengeance dans le comté de Namur, Ann. de la fac. de Bruxelles 1, 119—196. Nur innerhalb des Ritterstandes war durch gewohnheitsrechtliche Entwickelung das alte Fehderecht wieder allgemein geworden und selbst Friedrich I. hat es vergebens bekämpft; seit 1234 wurde es unter die Strafe des Landfriedensbruches gestellt. Vgl. v. ZAILINGEB, a. a. 0. In den Stfidten wurden die Fehden besonders durch Friedegebote des Rates bekämpft, deren Nichtbeachtung die Fehdelustigen zu Friedensbrechern stempelte. Vgl. KNAPP, a. a. 0. 144 ff. Die Friesen kannten eine eigentümliche, als ofledene bezeichnete Versicherung gegen die Folgen der Fehde, indem die Haftung der einzelnen Fehdegenossen ausgeschlossen und von dem Anführer mit oder ohne Mitverpflichtung seiner Sippe übernommen wurde. Vgl. His 61 ff. ** Daher ist es unzulässig, das moderne Duell in einen historischen Zusammenhang mit der Fehde zu bringen. Aber auch der von KOHLEB, Studien aus dem Strafrecht 2, 336 ff., angenommene Zusammenhang des Duells mit dem Gottesurteil des gerichtlichen Zweikampfes erklärt die historische Entwickelung noch nicht ganz. Wie der gerichtliche Zweikampf seinen Ausgang wahrscheinlich von Kampfverträgen genommen hat, bei denen in der Rechtsform einer Wette um einen beiderseitigen Einsatz gekämpft wurde (S. 87), so haben sich derartige Kampfverträge in dem rauflustigen Mittelalter, unabhängig vom gerichtlichen Zweikampf, fortdauernd im Gebrauch erhalten und die mittelalterliche Dichtung findet kein Ende, sie uns vor Augen zu führen. Von zahllosen Beispielen mag hier nur auf Nibel. Vers 108 ff. (LACHHANN) verwiesen werden. Eine Zwischenbildung zwischen diesen gewillkürten Kämpfen und dem gerichtlichen Zweikampf waren die Austragskämpfe (vgl. § 63, n. 27) bei Ehrenhändeln unter gerichtsherrlicher Friedewirkung für den Kampfplatz. Sie scheinen in Italien aufgekommen zu sein, wo sie schon im 13. und 14. Jahrhundert erwähnt werden (KOHLEB). Ein Beispiel aus Livland y. J. 1418 teilt R. HAUSMANN (Balt. Monatsschrift 51, 137 ff.) mit. Auch in Deutschland schon im 15. Jahrhundert bekannt, haben sie sich zu einer Standessitte erst seit dem 16. Jahrhundert gestaltet. Das in deutschen Rechten als eine Abart des
760
Das Mittelalter.
Dieses Fehderecht stand nur Personen zu, die das Waffenrecht besaßen. Es durfte nur nach förmlicher, mindestens drei Tage vorher erfolgter Widersagung in Ausübung gebracht werden. Gegen befriedete Personen oder Sachen, an befriedeten Orten oder innerhalb befriedeter Tage mußte jede Fehde ruhen. Der Landfriedensbruch gehörte zu den Ungerichten. Gin besonderer Friedensbegriff entstand in den Burgen und Städten und wurde von da aus allmählich auch auf das Innere der Dörfer ausgedehnt, indem Gewalttaten gegen Genossen oder innerhalb des Burg-, Stadtund Dorffriedens als Friedbrüche mit Todesstrafe belegt wurden. Dagegen galt der Bruch des gelobten Friedens oder Handfriedens nicht als selbständiges Vergehen, wohl aber in Verbindung mit einer anderen Missethat als erschwerender Umstand. Ähnlich war es mit dem Verrat, der als selbständiges Ungericht nur dann galt, wenn er gegen das gemeine Wesen gerichtet war, in privaten - Beziehungen aber erschwerend wirkte, wenn der Verbrecher gerade die Schutz- oder Sorglosigkeit des Verletzten zur Ausübung seiner That benutzt hatte. Zu den Ungerichten gehörte auch Zauberei nnd Ketzerei24, ferner Baub, Notzucht, Brandstiftung, Landzwang, Hausfriedensbruch (Heimsuchung), Münzfälschung, Ehebruch mit der Frau eines anderen, Bigamie, widernatürliche Unzucht u. dgl. m. Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag wurde nicht mehr in der Verbergung nach der That, sondern in der Heimlichkeit bei der Ausführung oder allgemeiner in der dabei zu Tage tretenden verräterischen oder niedrigen Handlungsweise gefunden ai . Dagegen gehörte die Heimlichkeit nach wie vor zum Thatbestand des Diebstahls, im Gegensatz zum Raube. Wahrer Diebstahl war nur der bei Nacht, Diebstahl bei Tage stand dem Hausfriedensbruches bebandelte „Herausfordern" oder „Ausheischen" war kein Mittel für den Beleidigten, seine gekränkte Ebre wiederherzustellen, sondern vielmehr eine Beleidigung unter besonders erschwerenden Umständen, kann also mit dem Duell iü keinen Zusammenhang gebracht werden. Vgl. v. BELOW, Das Duell u. d. germ. Ehrbegriff, 1896; Zur Entstehungsgeschichte des Duells, Mfinst. Progr. 1896; Das Aüsheiscben, Zeitschr. f. d. ges. Strafr.-W. 16, 720 ff.; Gött. gel. Anz. 1896, S. 24—40; Ursprung des Duells, Deutsche Zeitschr. f. Gesch.-W. 1897/98, Monatsbl. 321 ff. H. GEFFOKEN, Der germanische Ehrbegriff, ebd. 1896/97, Monatsbl. 821 ff. F&BNSDOBFF, Das Ausbeischen nach liib. Recht, Hans. Gesch.-Bl. 1896, S . 161 ff. OsENBRttaOEH, Alam. Strafrecht 864. SCHREÜER, Hist. Zeitschr. 81, 366. His, a. a. 0 . 331. M Ober den Feuertod für Ketzer Tgl. S. 660. FICKER, Mitteil. d. öat. Inst. 1, 177 ff. 2, 470 ff. WINKELMANN, ebd. 9, 136 f. HAVET, L'hérésie et le bras séculier au moyen-âge, 1881, Bibliothèque de l'école des chartes 40, 488 ff. 570 ff. Aufier der Ketzerei gehörten auch noch andere delicta ecclesiastica, wie Schisma, Apostasie und Simonie, nachdem sie von dem geistlichen Richter abgeurteilt waren, zur Strafvollstreckung vor das weltliche Forum. 25 Vgl. v. BAR 93 f. ALLFELD , Entwickelung des Begriffes Mord bis zur Carolina, 1877. His, a. a. O. 262 f. KNAPP 178 f. Der Vorbedacht (vorsate, vorsage), auf den wir heute das Gewicht legen, kam nnr bei Körperverletzungen, Hausfriedensbruch und einigen anderen Verbrechen als erschwerender Umstand in Betracht (vgl. JOHN 67 ff,), einzig das ostfriesische Landrecht bestimmt schon den Mord als dotslag mit upsate, wolbedachtes modes. Vgl. His 263.
§ 62.
Das Strafrecht.
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Baube gleich. Zum Begriff des Diebstahls gehörte die Entwendung, also die Entfernung aus der Gewahrsam des Bestohlenen. Peinlich (mit dem Strange) wurde nur der große Diebstahl bestraft, geringer Diebstahl nur an Haut und Haar, es sei denn, daß der Thäter bereits wegen früherer Vergehen ehrlos geworden war (S. 758). Die Höhe des entwendeten Wertes als Unterscheidungsmerkmal für großen und kleinen Diebstahl war verschieden bemessen. Bei der Bestrafung der Körperverletzungen 26 trat gegenüber der weitgehenden Kasuistik der vorigen Periode das Bestreben nach Zusammenfassung der einzelnen Fälle zu größeren Gruppen hervor. Die höhere Strafbarkeit der sichtbaren Wunden im Gegensatz zu den bedeckten war bis auf geringe Beste verschwunden, dagegen fanden bereits gerichtliche Wundbesichtigungen statt. Gegenüber den einfachen Streichen (Raufen), die keine Spur hinterließen und nur als bußwürdige Mißhandlungen galten, standen zunächst die „trockenen Streiche", die nur Beulen (pulislac) oder blutunterlaufene Stellen (blawunde, blewat) hinterließen. Dann folgten die blutenden oder fließenden Wunden (bluotruns, bluotregen), bei denen das Blut bis zur Erde floß; höher in Strafe als die bloße Hautverletzung (bluotruns l e. S.) standen die Fleischwunden, bei denen es einer gerichtlichen Messung nach Tiefe und Länge bedurfte (metewunde, memurabile vulnus). Unter den letzteren traten wieder die kampfwürdigen oder friedbrüchigen Wunden besonders hervor, zu denen die pogwunde oder bogende wunde (bei der das Blut im Bogen spritzt), die des Nähens bedürftige geheftete (Heftwunde) und die mit Charpie behandelte gemeißelte Wunde, ferner die beinschrötige (mit Knochenverletzung) und die lebensgefährliche Wunde (ferkwunde, mortliche wunde) gerechnet wurden. Eine Straferhöhung trat überall ein, wo die Verwundung durch gewaffnete Hand erfolgt war. Die höchste Klasse unter den Körperverletzungen bildete die Gruppe der Lähmungen und der diesen gleichgestellten Verstümmelungen (lidiscarti). Die Goldene Bulle (c. 24) beschäftigte sich im Anschluß an das crimen laesae maiestatis27, unter sichtlichem Einfluß des römischen Bechts, besonders mit den auf das Leben eines Kurfürsten abgesehenen Unternehmungen, die als Majestätsverbrechen behandelt und mit Enthauptung und Vermögenseinziehung (fisco nostro) bestraft werden sollten. Schon die verbrecherische Gesinnung, auch wenn sie keinen Erfolg gehabt hatte, wurde hier bestraft, Mitwisser und Helfer sollten der gleichen Strafe wie der Thäter unterlieg'en, seine Söhne erbunwürdig und von der infamia paterna mitbetroffen, demnach auch zu Ämtern und Eiden unfähig sein, " Vgl. SCHMIDT, Medizinisches aus deutschen Rechtequellen ( S . 3 3 9 ) . GÜNTHER, Hauptstadien d. gesch. Entwickelung d. Verbr. d. Körperverletzung, Erl. Diss. 1884. H i s 265 87
ff.
K N A P P 1 9 1 ff.
Kaiser Heinrich III. bestimmte die Todesstrafe für alle eontemptores sitae praesentiae. Vgl. WEILAND, Const. 1, 102.
762
Das Mittelalter.
die Töchter nur den Pflichtteil erhalten. Der vor der Entdeckung verstorbene Übelthäter sollte selbst nach dem Tode noch bestraft werden. Oerartige Bestimmungen lieferten ein würdiges Vorbild für die Entartung des Strafrechts in den Land- und Stadtrechtsquellen des späteren Mittelalters 28 . Während die Grausamkeit des Strafensystems immer mehr verschärft wurde, dehnte man den Begriff der todeswürdigen Verbrechen ins Ungemessene aus. Verletzungen des vom Richter über ein Grundstück gewirkten Friedens wurden, während sie bloße Bannbrüche waren, als Friedbrüche aufgefaßt 29 , ebenso geringe Gewaltthaten an befriedeten Orten oder gegen befriedete Personen oder Sachen oder zu befriedeten Zeiten, auch verborgenes Messertragen, Grenz-, Mark- und Jagdfrevel, selbst Übertretungen polizeilicher Gebote wurden zum Teil auf das grausamste an Leib und Leben gestraft Wer ungeachtet seiner Verweisung am Orte betroffen wurde, verfiel gleich dem eingebrachten Verfesteten dem Tode, ohne Bücksicht auf die Größe seines Vergehens 30 . Fremde, die sich einer noch so geringen Übelthat schuldig machten, wurden als außer dem Gesetz stehend behandelt. Unter dem Einfluß des mosaischen Hechts kam man vielfach zur Talion 81 . Andererseits verführte die aufdämmernde Erkenntnis, daß der Richter vor allem den verbrecherischen Willen zu berücksichtigen habe 32 , unter Umständen zu argen Ungerechtigkeiten, indem man die Strafe nicht nach der That, sondern ausschließlich nach der ihr zu Grunde liegenden Gesinnung bemaß 33 . Einen allgemeinen Begriff des strafbaren Versuches gab es noch nicht, doch wurden einzelne Fälle, wie Schwertzücken, Messerwerfen, Wegelagerung u. dgl. m. als selbständige Verbrechen aufgefaßt. Über die Strafbarkeit der Teilnahme gelangte man trotz einzelner Ansätze noch nicht zu festen Begriffen 34 . Ein wesentliches Korrektiv für die Mängel des mittelalterlichen Strafrechts lag in dem allerdings vorwiegend nur den vermögenderen Klassen 28 Das strenge Strafensystem des Ssp. II. 13 erscheint noch maßvoll gegen Schwsp. L. 174, der wieder von der späteren Entwickelang weit überholt wurde. M Vgl. Ssp. III. 20, § 3.' Vgl. Ssp. III. 63, § 3. PLANCK, Gerichteverfahren 2, 300. Auf handhafter That ertappte Friedbrecher konnten in alter Weise als friedlose Leute ungestraft erschlagen werden. VgL Ssp. II. 69. His 182. 345. 81 Vgl. OsENBBtfoaEN, Studien 1 5 0 ff. v. BAU 1 0 0 f. HASENÖHBL 147. LÖFFLEB, Schuldformen 127 ff. GÜHTHEB, Wiedervergeltung (S. 755). His 173. '* Vgl. S. 759. LÖFFLEB 133 ff. CASFAB, a. a. 0. 4 f. 42. Der oben berührte Gegensatz zwischen Sachsen- und Schwabenspiegel machte sich auch in der verschiedenen Behandlung des Bürgen, der sich zur Gestellung des Beklagten verpflichtet hatte und dem nicht nachgekommen war, geltend: nach Ssp. III. 9 §§ 1 f. bloße Geldhaftung des Bürgen, und zwar bei peinlichen Klagen in Höhe seines Wergeides, nach Schwsp. L. 265 dagegen völlige Gleichstellung des Bürgen mit dem Thäter („Bürgen soll man würgen"). Vgl. LÖFFLEB 130 f. • 83 Vgl. Brünner Schöffenb. c. 539. M
V g l . ZÖPFL 129 f.
GÖSCHEN 297.
H i s 8 1 ff.
763
§ 62. Das Strafrecht.
zugänglichen Strafumwandlungssystem der Sühne oder Gnade36. Wenn Kläger und Richter einverstanden waren, konnte jede Strafe durch eine mildere ersetzt werden. In der Kegel handelte es sich dabei um die Um* Wandlung in eine Vermögensstrafe (Lösung der Hand oder des Halses), bei welcher der Kläger seine Buße und der Richter seine Wette erhielt. Daneben gingen gewöhnlich noch andere Auflagen, wie feierliche Abbitte, Pilgerfahrten u. dgl. m. Die Söhne wurde von beiden Teilen beschworen (Urfehde). Wo das Gericht von Amts wegen eingeschritten war, übte der Richter das alleinige Recht der Strafumwandlung oder des Straferlasses im Wege der Gnade aus. Vielfach stand auch dem Fronboten ein beschränktes Begnadigungsrecht zu86. Wo handhafte That vorlag, kam es nur in Ausnahmefällen zur Lösung des Halses, dagegen bildete diese die Regel, wenn der Verbrecher erst später ergriffen wurde oder sich freiwillig stellte. Besonders förderlich wirkten in dieser Beziehung die zahlreichen Freistätten, deren Bedeutung nicht darin lag, daß sie dem Verfolgten ein dauerndes Asyl gewährten, sondern daß ihm Gelegenheit gegeben wurde, mit seinen Verfolgern zu verhandeln37. Auf dem Gebiete des Ungefähre blieb es im allgemeinen bei der Unvollkommenheit des alten Rechts38, nur daß die Zahl der typischen Fälle, welche Berufung auf das Ungefähr zuließen, beständig wuchs, nicht selten auch juristische Spitzfindigkeit und reinste Buchstabenjurisprudenz oder der Weg der Gnade dazu dienen mußte, den unschuldigen Thäter von der als ungerecht erkannten Ungefährhaftung zu befreien39. Eine wichtige Ergänzung erfuhr das weltliche Strafrecht durch das der Kirche, deren Strafen zum Teil mit denen des weltlichen Rechts kumuliert wurden, zum Teil da eintraten, wo das letztere Straflosigkeit annahm, zumal ™ Vgl.
344 ff. HXLBCHNER 44 f. His 209ff. KOHLES, Shakespeare 115. 105 ff. BÖHMES, ZDA. 6, 21 ff. BEHREND, Stendaler Urteilsbuch 77 ff. *s Vgl. § 36, n. 2. Stellenweise blieb die Bestimmung der Art, wie die Todesstrafe zu vollstrecken sei, noch in alter Weise dem Richter oder Nachrichter überlassen. Vgl. H E T L , Gerichtswesen und Ehehafttädigungen des Gerichtes zum Stein auf dem Ritten (1891) 38. His 170. 47 Vgl. WEINHOLD, Fried- u. Freistätten, Kiel. Progr. 1864. FRAUENSTÄDT 51 ff. JOHN
FRAUENSTÄTT,
KNAPP 1 2 4 ff. »
V g l . S . 3 4 8 ff. 7 3 2 .
756.
759.
JOHN, a . a . 0 .
5—41.
9 8 ff. 1 2 4 ff. 3 1 5
ff.
Schadenersatz n. d. Ssp. u. den verwandten Rechtsquellen, 1 8 8 5 (GIERKE, Unters. 1 9 ) . His, a. a. 0 . 4 1 ff. 4 4 ff. GÖSCHEN, a. a. O . 2 9 6 f. 3 0 0 . 3 0 2 f. LÖFFLEB, Schuldformen des Strafrechts 119 ff. Beispiele von Verklarungen, die im Mittelalter im allgemeinen nicht mehr erforderlich waren, bei BRUNNEB, Absichtlose Missethat 8 2 7 f. R. BEEREND, Das Ungefährwerk in der Geschichte des Seerechts, ZRG. 3 2 , 5 2 ff. Schiffsverklarungen auch bei PAULI, Liib. Zustände 3 , 9 2 ff. Vgl. BRUNNER, a. a. 0. 818 f. Rechtsb. v. d. Briel (her. v. FBUIN U. P O M , 1880) 211 f. Sehr lehrreich der Meistergesang „Karls Recht" von 1403, ZDA. 14, 525 ff. F3r den Fall, "daß jemand einvalteclicken und unwissende eine BuBe verwirkt hat, bestimmt Schwsp. L. 359: die fruoxxe suln wir niut gar nemetn, tcan nach gnaden. Vgl. BRUNNER, a. a. 0. 819. Einen erheblichen Fortschritt beobachtet man seit dem 15. Jahrhundert. Vgl. KNAPP, a. a. 0. 17 f. HAMMER,
Das Mittelalter.
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wo es an einem Kläger fehlte. Das kirchliche Strafrecht hat durch die verständige Berücksichtigung der subjektiven Seite der Vergehen sowie durch geklärtere Auffassung von Versuch und Teilnahme die in der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. vollzogene Strafrechtsreform vorbereitet.
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
Vgl. S. 83. 859. BRÜNNEB, Grundz. 151 ff.; Wort und Form im altfranzösischen Prozeß (Wien. SB. 1868; Forschungen 260ff.); Zuläasigkeit der Anwaltschaft im franz., normann. u. engl. R. des MA. (Zeitschr. f. vergleich. BW. 1; Forschungen 389 ff.). PLANCK, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 2 Bde, 1879; Lehre vom Beweisurteil, 1848; ZDR. 10, 205 ff. HOMEYER, Sachsenspiegel 2, 2 S . 581 ff.; Richtsteig Landrechts 430 ff. GÖSCHEN, Gosl. Statuten 366 ff. ZÖPFL, RG. §§ 126. 131; Das alte Bamberger Recht 131 ff. 226ff. SIEGEL, RG.' 525—557; Erholung und Wandelung, 1863 (Wien. SB. 42); Die Gefahr vor Gericht u. im Rechtsgang, 1865 (ebd. 51). FBANKLIN, Reichshofgericht 2, 189 ff. V O G E L , Beitrüge z. Gesch. d. Reichshofgerichts, ZRG. 15. KÜHNB, Gesch. d. Gerichtsverfassung u. d. Prozesses i. d. Mark Brandenburg 2, 337 ff. DONANDT, Bremer Jahrbuch 5, 1870. KOHTMANN, Romanisierung des Civilprozesses in Bremen, 1891 ( G I E B K E , Unters. 36). L U P P E , Kieler Varbuch (S. 755), S. 24 ff. H . K N A P P , Nürnberger Kriminalverfahren (Zeitschr. f. d. ges. Str.RW. 12, 200 ff. 473 ff. E. MAYEB, Verf.-Gesch. 1, 215—284. ROSRNTHAL, Beitrag z. deutsch. Stadtrechtsgeschichte 107 ff. 277 ff. HASENÖHBL, Österreich. Landesrecht 206—235. TOHASCHEK, Deutsches Recht in Österreich 144 ff. 174 ff. LINDNEB, Verne 529 ff. W I G A N D , Femgericht 356 ff. v. WÜCHTEB, Beitrüge z. deutsch. Geschichte 59 ff. 183 ff. 220 ff. 259 ff. NOOBDEWIEB, Nederduitsche Regtsoudheden 890 ff. v. RIBMSDIXE, De hooge bank van het veluwsche landgericht, Utr. Diss. 1874, S . 109—150. SBEBP GBATAMA, Bijdrage tot de rechtsgeschiedenis van Drenthe, Gron. Diss. 1883, S. 128—255. WABNKSNIG, Flandr.RG.3, 1 S. 278—350. V . B U N G E , Geschichte des Gerichtswesens in Liv-, Est- und Kurland, 1874. WERTJNSKY, .Ordo iudicii Boemie, ZRG. 23, 115 ff.; Gesch. Kaiser Karls IV. 3, 41 ff. W A I T Z , VG. 8, 82ff. GRIMM, RA. 839ff.; Weistümer 7, 279ff. LOBRSCH, Ingelh. Oberhof, Einleitung S. 140ff.; Der ProzeB in der Mörin des Hermann von Sachsenheim (Abhandl. 'z. Gesch. d. deutsch. Rechts, von BLUHME, SCHBÖDEB, LOEBSCH, 1871). B E N NECKE, Zur Gesch. d. deutsch. Strafprozesses, 1886 (vgl. R. LÖNING, Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtsw. 7, 685 f.). v. ZALLINGEB, Verfahren gegen die landschfidlichen Leute in SOddeutschland, 1895. LABAND, Vermögensrechtl. Klagen, 1869. H. M E T E R , Entwerung u. Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902. BEHBBND, Observationes de actione simplici (schlichte Klage), Berl. Diss. 1861; Anevang und Erbengewere, 1885; Stendaler Urteilsbuch, 1868. BUDDE, De vindicatione rerum mobilium, Bonn. Diss. 1837. F B U I N , De anfang en de slichte klage umme varende have, Amsterdam 1871; Over den aanbreng van doodslag bij de vierschaaren in Kennemerland en in het noorderkwartier van Holland, 1898 (Verslagen en Mededeelingen der Amst. Ak. der Wetenach. 4, 2 S. 50 ff). HEOSLER, Zur Geschichte des Ezekutivprozesses in Deutschland, ZRG. 6; Bildung des Konkursprozesses nach Schweiz. Rechten, Zeitschrift f. Schweiz. Recht 7. v. W Y S S , Geschichte des Konkursprozesses in Zürich, 1845. STOBBE, Zur Geschichte des älteren deutsch. Konkursprozesses, 1888. v. MEIBOM, Deutsches Pfandrecht 39 ff. Ö B T E L , EntWickelung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutseben Rechte, 1901. G . SCHMIDT, Der strafbare Bankbruch (1893) 23—49. S K E D I , Mahnverfahren (1891) 7 ff. O P E T , Popularklage der Berner Handfeste, 1894. ALBBECHT, Commentatio iuris Germanici doctrinam de probationibus adumbrans, 2 Königsb. Progr. 1825—27, v. BAB, Beweisurteil, 1866; ZRG. 10, 92 ff.; Gesch. d. deutsch. Strafrechts 96 ff. J O L L Y , Beweisverfahren n. d. R. dps Ssp., Heidclb. Diss. 1846. SACHSSE, Beweis-
Das Mittelalter.
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wo es an einem Kläger fehlte. Das kirchliche Strafrecht hat durch die verständige Berücksichtigung der subjektiven Seite der Vergehen sowie durch geklärtere Auffassung von Versuch und Teilnahme die in der peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. vollzogene Strafrechtsreform vorbereitet.
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
Vgl. S. 83. 859. BRÜNNEB, Grundz. 151 ff.; Wort und Form im altfranzösischen Prozeß (Wien. SB. 1868; Forschungen 260ff.); Zuläasigkeit der Anwaltschaft im franz., normann. u. engl. R. des MA. (Zeitschr. f. vergleich. BW. 1; Forschungen 389 ff.). PLANCK, Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 2 Bde, 1879; Lehre vom Beweisurteil, 1848; ZDR. 10, 205 ff. HOMEYER, Sachsenspiegel 2, 2 S . 581 ff.; Richtsteig Landrechts 430 ff. GÖSCHEN, Gosl. Statuten 366 ff. ZÖPFL, RG. §§ 126. 131; Das alte Bamberger Recht 131 ff. 226ff. SIEGEL, RG.' 525—557; Erholung und Wandelung, 1863 (Wien. SB. 42); Die Gefahr vor Gericht u. im Rechtsgang, 1865 (ebd. 51). FBANKLIN, Reichshofgericht 2, 189 ff. V O G E L , Beitrüge z. Gesch. d. Reichshofgerichts, ZRG. 15. KÜHNB, Gesch. d. Gerichtsverfassung u. d. Prozesses i. d. Mark Brandenburg 2, 337 ff. DONANDT, Bremer Jahrbuch 5, 1870. KOHTMANN, Romanisierung des Civilprozesses in Bremen, 1891 ( G I E B K E , Unters. 36). L U P P E , Kieler Varbuch (S. 755), S. 24 ff. H . K N A P P , Nürnberger Kriminalverfahren (Zeitschr. f. d. ges. Str.RW. 12, 200 ff. 473 ff. E. MAYEB, Verf.-Gesch. 1, 215—284. ROSRNTHAL, Beitrag z. deutsch. Stadtrechtsgeschichte 107 ff. 277 ff. HASENÖHBL, Österreich. Landesrecht 206—235. TOHASCHEK, Deutsches Recht in Österreich 144 ff. 174 ff. LINDNEB, Verne 529 ff. W I G A N D , Femgericht 356 ff. v. WÜCHTEB, Beitrüge z. deutsch. Geschichte 59 ff. 183 ff. 220 ff. 259 ff. NOOBDEWIEB, Nederduitsche Regtsoudheden 890 ff. v. RIBMSDIXE, De hooge bank van het veluwsche landgericht, Utr. Diss. 1874, S . 109—150. SBEBP GBATAMA, Bijdrage tot de rechtsgeschiedenis van Drenthe, Gron. Diss. 1883, S. 128—255. WABNKSNIG, Flandr.RG.3, 1 S. 278—350. V . B U N G E , Geschichte des Gerichtswesens in Liv-, Est- und Kurland, 1874. WERTJNSKY, .Ordo iudicii Boemie, ZRG. 23, 115 ff.; Gesch. Kaiser Karls IV. 3, 41 ff. W A I T Z , VG. 8, 82ff. GRIMM, RA. 839ff.; Weistümer 7, 279ff. LOBRSCH, Ingelh. Oberhof, Einleitung S. 140ff.; Der ProzeB in der Mörin des Hermann von Sachsenheim (Abhandl. 'z. Gesch. d. deutsch. Rechts, von BLUHME, SCHBÖDEB, LOEBSCH, 1871). B E N NECKE, Zur Gesch. d. deutsch. Strafprozesses, 1886 (vgl. R. LÖNING, Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtsw. 7, 685 f.). v. ZALLINGEB, Verfahren gegen die landschfidlichen Leute in SOddeutschland, 1895. LABAND, Vermögensrechtl. Klagen, 1869. H. M E T E R , Entwerung u. Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902. BEHBBND, Observationes de actione simplici (schlichte Klage), Berl. Diss. 1861; Anevang und Erbengewere, 1885; Stendaler Urteilsbuch, 1868. BUDDE, De vindicatione rerum mobilium, Bonn. Diss. 1837. F B U I N , De anfang en de slichte klage umme varende have, Amsterdam 1871; Over den aanbreng van doodslag bij de vierschaaren in Kennemerland en in het noorderkwartier van Holland, 1898 (Verslagen en Mededeelingen der Amst. Ak. der Wetenach. 4, 2 S. 50 ff). HEOSLER, Zur Geschichte des Ezekutivprozesses in Deutschland, ZRG. 6; Bildung des Konkursprozesses nach Schweiz. Rechten, Zeitschrift f. Schweiz. Recht 7. v. W Y S S , Geschichte des Konkursprozesses in Zürich, 1845. STOBBE, Zur Geschichte des älteren deutsch. Konkursprozesses, 1888. v. MEIBOM, Deutsches Pfandrecht 39 ff. Ö B T E L , EntWickelung und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutseben Rechte, 1901. G . SCHMIDT, Der strafbare Bankbruch (1893) 23—49. S K E D I , Mahnverfahren (1891) 7 ff. O P E T , Popularklage der Berner Handfeste, 1894. ALBBECHT, Commentatio iuris Germanici doctrinam de probationibus adumbrans, 2 Königsb. Progr. 1825—27, v. BAB, Beweisurteil, 1866; ZRG. 10, 92 ff.; Gesch. d. deutsch. Strafrechts 96 ff. J O L L Y , Beweisverfahren n. d. R. dps Ssp., Heidclb. Diss. 1846. SACHSSE, Beweis-
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
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verfahren des Mittelalters, 1855. HASENÖHRL, Beweiszuerteilung im österr. R. des Mittelalters, Wien. SB. 139. S T O B B E , Zur Geschichte d. deutsch. Vertragsrechts 56—111. H Ä N E L , Beweissystem des Ssp., 1858. DELBRÜCK, ZDR. 12, 213 ff. 19, 98 ff. v- D. PFORDTEN, Beweisführung n. d. oberbair. Landrecht, ZRG. 12, 346 ff. v. K K I E S , Beweis im Strafprozeß des Mittelalters, 1878. FOCKEMA A N D R E A E , Het bewijs in strafzaken, Tijdschrift voor Strafrecht 10, 46 ff. R. LÖNINQ, Reinigungseid bei Ungerichtsklagen, 1880; Vertragsbruch, 1876. R. BEHREND, Beiträge z. Lehre von der Quittung, 1896. DEUTSCHMANN, Klagengewere, 1873. GÜNDER, Das Institut der laudatio auctoris, Straßb. Dias. 1883. A . SCHMIDT, Echte Not, 1888. OSENBRÜGOEN, Gastgerichte (Studien, 19 ff.); Prozeß gegen einen abwesenden Totschläger (ebd. 311 ff.). HEINZE, Zur Geschichte der Sicherheitsstellung i. germ. Strafverfahren, ZRG. 10, 450 ff. ESCHENBURG, De delicto manifesto iure Saxonico, Berl. Diss. 1866. NIETZSCHE, Commentatio iuris Germanici de prolocutoribus, Leipz. Progr. 1831. KOHLER, Zur Geschichte des Rechts in Alemannien, 1888 (Beiträge zur german. Privatrechts-Geschichte 3); Lehrb. d. Konkorsrechts 32 ff. A. S . SCHÜLTZE, Privatrecht u. Prozeß in ihrer Wechselbeziehung 1, 1883.
Der mittelalterliche Prozeß überließ die Prozeßleitung ganz dem Richter, der aber nichts aus eigener Entschließung verfügen konnte, sondern bei allem an die von ihm zu erfragende Entscheidung der Urteiler gebunden war. Alle einzelnen Stufen des Prozesses vollzogen sich mit Frage und Urteil. Die Anträge der Parteien in Form von Urteilsfragen (daher selbst „Urteile" genannt), wurden an den Richter gestellt und durch Frage des Richters den Urteilern vorgelegt. Die Formstrenge des Rechtsganges war wo möglich gegen früher noch verschärft. Der geringste Verstoß brachte die Gefahr, den Prozeß zu verlieren. Man bezeichnete daher die Formstrenge selbst als „Gefahr" (vare, verborvm insidia). Den niederländischen Kolonisten wurde in der Regel das Privileg erteilt, sine vara schwören oder wohl überhaupt prozessieren zu dürfen \ Das mag den ersten Anstoß gegeben haben, im späteren Mittelalter die Gefahr im Rechtsgang überhaupt zu beseitigen. Solange die „Gefahr" bestand, fanden die Parteien ein Auskunftsmittel in der Verwendung von Fürsprechern, die sie für sich reden ließen. Beging der Fürsprecher einen Fehler, so konnte die Partei seiner Erklärung die Genehmigung versagen und Restitution („Erholung", „Wandelung") genießen. Im Königsgericht, später allgemein, konnten die Parteien sich außerdem mit Beratern („Horchern", „Warnern") umgeben und mit diesen und dem Fürsprecher zeitweise zwecks „Gespräches" abtreten 2 . Die Übernahme des Fürsprecheramtes war eine öffentliche Pflicht, der sich kein vom Richter auf Verlangen einer Partei aufgeforderter Dingpflichtiger entziehen konnte3. Der Fürsprecher war nur der Mund der anwesenden Partei, die nach jeder von ihm abgegebenen Erklärung um ihre Bestätigung gefragt wurde. Eine prozessualische Vertretung fand einzig bei juristischen Personen, Unfreien und Hörigen (durch den Herrn) und seit 1
Privileg für flämische Kaufleute:
2
Vgl. ZRG.
20,
1 1 8 f.
WEILAND,
NIETZSCHE, a . a . 0 .
Const. 1, 335, 8.
6 3 ff.
8 Vgl. MERKEL, ZRG. 1, 152 ff. Der Fürsprecher konnte von seiner Partei einen Lohn beanspruchen. Es gab auch gewerbemäfiige Fürsprecher.
Das Mittelalter.
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der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts in zunehmendem Maße auch bei Bevormundeten (durch Vater, Ehemann oder Vormund) statt 4 . Wenn volljährigen Weibern, Greisen und jungen Männern, die zwar zu ihren Jahren gekommen waren, sich aber noch in schutzbedürftigem Alter befanden (S. 709), gestattet wurde, sich für gerichtliche Geschäfte einen Vormund zu wählen, so bleibt noch dahingestellt, ob ein solcher Vormund nur die Stellung eines Beistands hatte, oder auch die gerichtliche Vertretungsmacht erhielt. Jedenfalls gab es im übrigen im Mittelalter ebensowenig wie in der vorigen Periode eine Vertretung durch Bevollmächtigte, nur das Königsgericht ließ sie unter Umständen zu und einige Stadtrechte schlössen sich der hier befolgten Praxis allmählich an, während die Landrechte ihre ablehnende Haltung größtenteils bis über das Mittelalter hinaus festhielten®. Während in der fränkischen Zeit der bürgerliche Prozeß noch ganz in den Banden des Strafprozesses lag, unterschied das Mittelalter bürgerliche, peinliche und gemischte Klagen6. Die bürgerlichen Klagen wurden, ohne Berücksichtigung des Rechtsgrundes, lediglich nach der Verschiedenheit des Klagebegehrens und der Exekution in Klagen um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe eingeteilt Klage um Schuld war jede bürgerliche Klage auf eine Geldleistung, gleichviel worauf sich der Anspruch stützte. Die schlichte Klage bestand in dem einfachen Antrag auf Verurteilung des Schuldners zur Zahlung, doch konnte der Beklagte eine summarische Angabe des Schuldgrundes verlangen7. Der Beklagte mußte entweder den klägerischen Anspruch zugestehen oder, falls er sich nicht durch prozeßhindernde Einreden der Antwort erwehrte, schwören, daß er nichts schuldig sei. Durch diesen Unschuldseid wurde die Klage abgewiesen. Wenn der Kläger sich nicht mit der schlichten Klage begnügte, * Vgl. S. 747. KRAUT, Vormundsch. 1, 366ff.2,16f. RIVE, Vormundsch. 2,1 S.ölf. 2 S. 39 ff. STOBBE, Handb. 4", 541 ff. HUBEB, Schweiz. Privatr. 4, 523. Den älteren Standpunkt (S. 324) erkennt man noch Öst. Landr. A, Art. 52 (HASENÖHRI S. 254), Wiener Stadtrechtsb. 15 (SCHUSTER S. 54). Den Übergang zeigen die fries. 24. Landrechte c. 16 (v. RICHTH. S. 66 f.), ferner Prager Statutarrecht 108, 3 (RÖSSLER 1, 64). Die volle prozessualische Vertretungsmacht hat der Vormund schon nach dem um 1300 entstandenen Freiberger Stadtrecht c. 15 (EBHISCH S. 145). Wenn der Vormund Forderungen seines Mündels einklagte (Augsb. Stadtr. v. 1276, Art 76 § 6, MEYER S. 152), so geschah dies wohl kraft eigenen Rechts. Vgl. HEUSLEB 2, 497. 5
Vgl. PLANCK, Gerichtsverfahren 1, 185 ff. FRANKLIN 2 , 164 ff. LOEBSCH u.
SCHRÖDER2 Nr. 214. Die Vollmacht mußte ursprünglich vor Gericht erteilt werden, später waren auch außergerichtliche Vollmachten unter Brief und Siegel zulässig. Die Bevollmächtigungsformel lautete: „zu Gewinn und Verlust und zu allen Rechten". Ein Mittel, die Vertretung auf Umwegen zu ermöglichen, gewährten die Inhaberund Orderpapiere und die Rechtsgeschäfte zu treuer Hand, aus denen sich die Verträge zu Gunsten Dritter entwickelt haben. 6 Einen Rest der alten Auffassung mag man in der gleichmäßigen Verwendung des Wortes vorderunge für alle Arten von Klagen erblicken. Vgl. LABAND 55 f. 7
Vgl. LABAND 11 f.
§ 63. Das Gerichtsverfahren.
767
sondern seinen Anspruch durch Anfährung bestimmter Thatsachen, die er unter Beweis stellte, begründete, so durfte der Gegner sich nicht auf bloße Ableugnung beschränken, sondern hatte positive Thatsachen zur Entkräftung der klägerischen Behauptung oder Begründung seiner Einreden vorzubringen und Beweis dafür anzutreten. Auch die schlichte Klage konnte in dieser Weise umgewandelt werden, indem der Kläger dem Beklagten den Unschuldseid durch eine motivierte Widerrede verlegte 8 . Das Gericht hatte zu prüfen, von welcher der behaupteten Thatsachen die Entscheidung abhing, und diese zum Beweise zu stellen. Standen sich Behauptung und Gegenbehauptung gegenüber, so wurde der Partei, die das bessere Beweismittel hatte, der Vorzug gegeben, sie war „näher zum Beweise"9. Ausnahmsweise stand es bei gewissen privilegierten Klagen dem Kläger zu, seinen Anspruch zu beschwören: so dem Wirte, der wegen Garkost klagte und bewiesen hatte, daß der Beklagte überhaupt sein Kostgänger gewesen sei, femer dem Dienstboten bei der Klage auf seinen Lidlohn, wenn er bewies, daß er sich in dem Dienstverhältnis befunden habe, und dem Zinsherrn oder Vermieter bei der Klage auf rückständigen Zins, wenn er bewies, daß der Beklagte das Zinsgut von ihm besaß 10 . Gewann der Kläger, so wurde Beklagter zur Zahlung verurteilt, dagegen wurde dem verurteilten Beklagten keine Buße auferlegt, ebensowenig dem Kläger im Falle seiner Abweisung. Ein Urteilserfüllungsgelöbnis war dem mittelalterlichen Rechtsgang im allgemeinen nicht mehr geläufig. Leistete der Verurteilte nicht, so erfolgte die gerichtliche Zwangsvollstreckung zunächst in sein bewegliches Vermögen, indem die abgepfändeten Gegenstände, wenn er sie nicht binnen gegebener Frist auslöste, verkauft oder dem Schuldner an Zahlungstatt übereignet wurden. Beichte das bewegliche Vermögen nicht hin, so erfolgte die Fronung (anleite, insatz) des Grundbesitzes und nach Jahr und Tag (nach manchen Rechten schon nach 3 x 14 Nächten), wenn keine Lösung erfolgt war, ebenfalls Verkauf oder Übereignung. Reichte auch das nicht hin, so konnte der Kläger die Person des Schuldners pfänden, indem er ihn, unter Vorbehalt der Lösung, in Schuldgefangenschaft oder Zwangsdienst nahm 11 . Bei d e r . K l a g e u m G u t , d.h. auf Herausgabe einer beweglichen Sache, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund, gestaltete sich das Ver8 Vgl. LABAND 4 1 f. Zulässig war dies nur, bevor der Unschuldseid angenommen und die Prozeßgewere (Anm. 15) geleistet worden war. ' Nach dem sächsischen Landrecht war nur das Gerichtszeugnis als Beweismittel zugelassen, während die Stadt- und jüngeren Landrechte auch Urkunden und außergerichtliche Zeugen zuließen, dem Gerichtszeugnis aber den Vorzug gaben. Vgl. Ssp. I . 7 . W E I L A N D , Const. 1, 3 3 4 . LABAND 4 3 ff. 10
11
258
ff.
V g l . LABAND 2 6 ff.
Vgl.
S. 459.
STOBBE,
LOEBSCH U. SCHRÖDER 2
Konkursprozeß
55
f.
98
ff.
Nr.
269.
PLANCK,
Gerichtsverfahren
768
Das Mittelalter.
fahren durchaus entsprechend. Der Kläger konnte sich auch hier ohne jede Begründung seines Anspruches „zu der Sache ziehen". Der Unterschied zwischen der schlichten Klage um Gut und um Schuld bestand nur darin, daß sich der Unschuldseid des Beklagten bei der ersteren auf die Ableugnung des Besitzes, also Ablehnung seiner Passivlegitimation, beschränkte12. Wurde der Besitz zugestanden oder vom Kläger bewiesen, so hatte dieser auf die sein Becht bestreitende Antwort des Beklagten seinen Anspruch zu begründen, worauf sich das weitere Verfahren ganz wie bei der motivierten Klage um Schuld gestaltete. Die ihm zuerkannte Sache konnte der Kläger, nötigenfalls mit Hilfe des Gerichts, in seinen Besitz nehmen. Eine Buße wurde auch bei dieser Klage weder über den verurteilten Beklagten, noch über den abgewiesenen Kläger verhängt. Hatte der Beklagte den Besitz der Sache verloren, so verwandelte sich der Anspruch des Klägers ohne weiteres in eine Schadenersatzklage, d. h. eine Klage um Schuld. Die Klage um Eigen und E r b e bezog sich auf alle unbeweglichen Sachen, Eigen wie Lehen. Handelte es sich um eine Klage gegen den Veräußerer auf Vollziehung der Auflassung, so gestaltete sich das Verfahren ähnlich wie bei der Klage um Schuld, nur mußte der Kläger auch bei der schlichten Klage sofort den Bechtsgrund angeben. Während der Beklagte die schlichte Klage mit seinem Unschuldseid zurückweisen konnte, bedurfte es gegenüber einer mit Thatsachen belegten und unter Beweis gestellten Klage einer ebenso begründeten Antwort, worauf das Beweisurteil ganz in der S. 767 geschilderten Weise erfolgte. Gründete sich der Anspruch gegen den Veräußerer nicht bloß auf das Veräußerungsgeschäft, sondern auf die von ihm bereits vollzogene Auflassung, so trug das Verfahren einen rein exekutivischen Charakter, da der Veräußerer nur noch als Stellvertreter des Klägers die Gewere ausübte (S. 717). Bei der Klage auf Bückgabe eines dem Beklagten seitens des Klägers nur zeitweilig eingeräumten Grundstückes mußte sich der Beklagte auch einer schlichten Klage gegenüber sofort positiv verteidigen, widrigenfalls dem Kläger gestattet wurde, seinen Klagegrund mit zwei Zeugen zu beweisen. Entsprechend wurde bei jeder einfachen Vindikation verfahren, wenn der Besitz des Beklagten feststand. Auch bei der schlichten Klage konnte der Kläger verlangen, daß der Beklagte sein besseres Besitzrecht positiv begründe, worauf letzterer seine Behauptungen mit sechs oder sieben Zeugen zu beweisen hatte. Anders, wenn Kläger durch den Beweis der Entwehrung oder älteren Gewere dem Gegner den Besitz abgewann und so das Becht erlangte, seinerseits sein besseres Becht mit Zeugen zu beweisen13. Be18 Hatte Beklagter die Sache nur für einen Dritten inne, so konnte er sich yon der Antwort befreien, indem er entweder jenen zur Antwort vorladen ließ oder ihm in Gegenwart des Klägers die Sache zurückgab. Vgl. LABAND 5 8 . M Vgl. Mon. Wittelsb. 1, 331 (1280): ut dominus Heinriem dua> per duos teste» probet, quod sibi eompetat probatio iuris de ponte in Bosenheim, que per
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
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haupteten beide Teile gleiche Gewere, so kam es im allgemeinen nicht darauf an, wer den besseren Besitztitel für sich anführte, sondern es kam zum Beweise durch Nachbarzeugnis, wobei die Aussage der Zeugenmehrheit entschied. War auf diesem Wege nichts zu ermitteln, so hatten beide Teile an Ort und Stelle ihr Recht an dem streitigen Grundstück zu beschwören, worauf dieses, wenn nicht eine der Parteien gerichtlichen Zweikampf forderte, von Gerichts wegen unter die Streitenden geteilt wurde. Privationsklagen des Lehns- oder Zinsherrn waren von vornherein durch Angabe der Verschuldung zu begründen. Der Beklagte hatte das Recht des Unschuldseides, falls ihm derselbe nicht durch Erbieten des Klägers zum Beweise verlegt wurde. Enthielt die Antwort des Beklagten positive Gegenbehauptungen, so entschied das Beweisurteil nach den oben dargelegten Normen. Richtete sich die Klage gegen die Veräußerungsbefugnis des Gewährsmannes des Beklagten, so hatte Kläger, falls der Beklagte seine Aktivlegitimation bestritt, zunächst diese zu beweisen. Im übrigen hatte sich der Beklagte, wenn er sich nicht durch den Nachweis der rechten Gewere (S. 719) freimachen konnte, auf seinen Gewährsmann zu ziehen und diesen an dem Gericht der belegenen Sache zu stellen. Bekannte sich der Gewährsmann zu der Gewährschaft, so kamen in betreff des nun von ihm übernommenen Prozesses die gewöhnlichen Grundsätze zur Anwendung. Erlitt dagegen der Beklagte Bruch an seinem Gewähren, so gelangte der Kläger zum Beweise, wenn nicht der Beklagte die klägerischen Behauptungen zugestand, so daß er sofort zur Herausgabe verurteilt werden konnte. E r b s c h a f t s k l a g e n auf bewegliche oder unbewegliche Sachen im Besitze des Beklagten wurden vielfach mit Handanlegung (anevanc) eröffnet14, ohne dadurch ihren bürgerlichen Charakter zu verlieren. Kläger hatte seine Erbenlegitimation, falls sie bestritten wurde, darzulegen und, in der Regel mit Zeugen, zu beschwören. Machte der Beklagte besseres Erbrecht geltend, so nahm der Prozeß einen zweischneidigen Charakter an, indem auch der Beklagte seine Erbenlegitimation zu führen hatte, worauf das Gericht entschied, wer besserer Erbe sei. Erhob der Beklagte positive Einwendungen gegen das Recht des Klägers, so wurde je nach Lage der Sache dem einen oder dem anderen die Beweisrolle zugeteilt. Erhob der Beklagte keine Einwendungen, so konnte er doch vor der Herausgabe Sicherstellung gegen die etwaigen Ansprüche des wahren Erben verlangen, und zwar bei unbeweglichen Sachen durch Pfand oder Bürgen, während bei fahrender Habe die eidliche Kaution der gelobten Gewere genügte16. Abgewiesen wurde die Erbschaftsklage, wenn der Beklagte septem viros idoneos, qui ex 21 eleeti fuerint et assumati, fieri débet in termino ad hoc speeialiter deputato. W J L M A N S , Additamenta zu ERHARD'S Reg. Westf. 2 , 6 6 , Nr. 78 (1191): Eid, septima manu, quod eiusdem marni prior fuit in possessione; deinde tertio, manu, quod proprietas iure sue pertineret ecclesie. 14 Vgl. S. 378 n. S. 751 n. 15 Eine solche eidliche Kaution (gdovede gewere) konnte der Beklagte in allen B. SCHRÖDER, Deutsche RechtsgeBehichte. 4. Aufl.
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m
Das Mittelalter.
sich auf Verjährung berufen konnte 10 ; zur Zeit abgewiesen, wenn die Klage vor dem Dreißigsten angestellt wurde 17 . P e i n l i c h e K l a g e n waren im allgemeinen alle Strafklagen, doch konnte Kläger, wo es sich bloß um eine Buße handelte, sich auch der bürgerlichen Klage bedienen, um im Falle einer Abweisung nicht selbst einer Buße zu verfallen. In der Regel wurde die peinliche Klage mit Gerücht begonnen. War der Verbrecher auf handhafter That beschrien und auf der That oder der Flucht von der That in Gegenwart von Schreimannen ergriffen, so fand das schon für die ältere Zeit geschilderte abgekürzte Verfahren -(S. 88. 376) statt. Die Klage mußte mit leiblicher BeWeisung, und bevor die That übernächtig wurde, angestellt werden. Hatte man den Thäter zwar mit Gerücht verfolgt, aber nicht oder doch erst später ergriffen, so konnte der Kläger ihn mit kämpflichem Gruß ansprechen. In allen anderen Fällen konnte die Klage zwar ebenfalls mit Erhebung des Gerüchtes begonnen werden, der Angeklagte hatte aber das Becht, sich durch Eid mit Eideshelfern zu reinigen. Blieb der Angeklagte auf wiederholte Ladung aus, so wurde er verfestet und auf Antrag des Verfestungsgerichts durch das Königsgericht in die ßeichsacht gethan 18 . Wurde der Verfestete ergriffen, so wurde er wie ein auf handhafter That ertappter Verbrecher behandelt 19 . Zu den g e m i s c h t e n K l a g e n gehörte namentlich die Klage mit „Anfang", die zur Bückforderung entwendeter beweglicher Sachen diente und durchaus denselben Charakter wie in der vorigen Periode behalten hatte 20 . Ferner zählten dahin die Klagen wegen trockener Schläge oder Fällen verlangen, wo er besorgen durfte, nach der Befriedigung des Klägers noch von dritten Personen in Anspruch genommen zu werden. Außerdem konnte jeder peinlich Beklagte oder kampflich Gegrüßte von seinem Gegner in gleicher Weise das Gelübde, die Sache durchzuführen, beanspruchen. Wurde die Sache dann nicht durchgeführt oder der Beklagte ungeachtet der Gewere noch von Dritten angesprochen, so hatte sein Gregner für Bruch der Gewere Buße und Wette zu bezahlen. Die Gewerebuße bestand nach dem Sachsenspiegel (I. 63, § 2. II. 15. 16. § 1. III. 14, § 2) im Verlust der Schwurhand oder deren Lösung mit einem halben Wergeid. Nachdem Kläger die Gewere gelobt hatte, durfte er seine Klage nicht mehr ändern. Hatte Kläger keinen Grundbesitz, so mußte er Sicherheit durch Pfand oder Bürgen leisten und konnte, wenn er dies nicht vermochte, persönlich in Sicherheitshaft genommen werden. » Vgl. S. 380. 720. 17
18
Vgl. S. 751.
LOEBSCH u. SCHRÖDER2 Nr. 336.
Vgl. S. 757. In einer von VOGEL, ZRG. 15, 190 f., veröffentlichten Auskunft über das Ungehorsamsverfahren im Königsgericht wird unterschieden zwischen „causa personalis" und „causa realis". Die erstere (die peinliche Klage) führte zur Acht, die zweite (bürgerliche Klage) zur Anleite. Bei der Klage um Eigen und Erbe wurde häufig nur auf das Gut und alle, die es vertreten würden, geklagt. Vgl. ebd. 183. 187. 189. 19
LOEBSCH U. SCHRÖDER4 Nr. 334.
Vgl. S. 757. Der Verfestete, konnte, soweit die Verfestung reichte, weder Klagen erheben, noch sonst vor Gericht auftreten. ,0 Vgl. S. 376 ff. Wie nach dem sächsischen und langobardischen, so h»tte auch nach bairischem Becht der Kläger dem Beklagten zu seinem Vordermann zu
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
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Hautwunden (S. 761), unter gewissen Voraussetzungen auch wegen Bruches eines Versprechens, sodann die Klage gegen den, der sich auf fremdem Acker der Pfändung erwehrte. Ferner nahm die peinliche Klage den Charakter einer gemischten Klage an, wenn sich ergab, daß die That unfreiwillig oder von einem Unzurechnungsfähigen begangen war. Das gemeinsame Merkmal aller gemischten Klagen bestand darin, daß sie für den abgewiesenen Kläger ebenso wie für den verurteilten Beklagten die Verfallung in Buße und Wette und für den Ungehorsamen Verfestung oder Acht nach sich zogen. Auf dem Gebiete des B e w e i s r e c h t s hatten das Gerichtszeugnis und der Inquisitionszeugen beweis (S. 385) allgemein Eingang gefunden. Der letztere kam teils als bloßes Nachbarzeugnis, teils in weiterem Umfang als „Kundschaft" oder „Landfrage", bei streitigen Rechtsfragen auch als Einholung eines Weistums zur Anwendung. Eine außerordentliche Bedeutung hatte das Gerichtszeugnis erlangt, das entweder als amtliches Dingzeugnis des Richters und der Urteiler, oder als bloßes Dingmannenzeugnis vorkam, indem die Partei zur Bekräftigung ihrer Aussage einige Gerichtspersonen als Zeugen zuzog21. Das friesische Recht kannte eigene Dingzeugen, die als amtliche Zeugen auch bei gewissen außergerichtlichen Akten zugezogen wurden (S. 563). Die Unscheltbarkeit des Gerichtszeugnisses war ein Hauptbeweggrund für die Ausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zumal seit der Einführung der Stadtbücher, Landtafeln und Gerichtsbücher. Das sächsische Landrecht verlangte die Gerichtlichkeit zwar nur bei Immobiliarrechtsgeschäften unbedingt, ließ aber auch bei anderen Rechtsgeschäften kein anderes Beweismittel als das Dingzeugnis zu, während die übrigen Land- und die sächsischen Stadtrechte auch den Beweis durch außergerichtliche Zeugen gestatteten. Einen außerordentlichen Fortschritt machte das mittelalterliche Beweisrecht durch die Erweiterung des Urkundenbeweises, nachdem von Süddeutschland aus die Beweiskraft der Privatsiegel zur Anerkennung gelangt war 22 . Der in folgen, während der letztere nach dem Schwabenspiegel von dem Beklagten gestellt werden mußte. Vgl. S. 379. Ssp. II. 36, § 5. Schwsp. L. 317. Zöpfl, Alter-
tümer 2, 315 f. Laband 126 tf. Loersch u. Schböder" Nr. 232.
" Hauptvertreter des eigentlichen Dingzeugnisses war der Sachsenspiegel, während der Schwabenspiegel nur das dem reeord des normannischen Rechtes entsprechende Dingmannzeugnis kannte. Vgl. Bronner, Gerichtszeugnis und Königsurkunde (S. 359) 135 ff. » Vgl. S. 698 ff. A. S. Schuitze, Zur Lehre vom Urkundenbeweise (1894) 33 ff. (Zeitschr. f. d. Priv.- u. öffentl. R. 22). In Osterreich war im 15. Jh. ein eigentümliches gerichtliches Aufgebots verfahren, das „Berufen von Brief und Siegel", gebräuchlich, durch das der Schuldner seine Gläubiger zur Vorlegung der Schuldurkunden binnen bestimmter Frist, bei Vermeidung der Kraftloserklärung, auffordern konnte. Anfangs nur als Aufgebot der Nachlaßgläubiger, insbesondere der Juden, aufgekommen, hatte dies Verfahren später einen allgemeinen Charakter angenommen. Seit der Rezeption des römischen Rechts kam es, da es durch die Einführung der Veijährung überflüssig geworden war, außer Gebrauch. Vgl. Lu-
bchin, ZRG. 12, 46 ff.
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Das Mittelalter.
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der vorigen Periode noch die Ausnahme bildende Eineid spielte im mittelalterlichen Verfahren eine bedeutende Rolle. Der Eid mit Eideshelfern erhielt sich im allgemeinen nur im Strafprozeß, während sich die Eideshelfer bei bürgerlichen Klagen allmählich ganz zu Zeugen, die aus eigener Wissenschaft aussagten, umgestalteten; auch die Schreimannen bei handhafter That wurden nicht mehr als Eideshelfer (S. 366 n.), sondern als Zeugen aufgefaßt. Das Beweismittel des gerichtlichen Zweikampfes behauptete sich, trotz allen Angriffen von Seiten der Kirche, während des ganzen Mittelalters, nur in den Städten wurde es allgemein beseitigt, auch wurde die „kampfliche Ansprache" nur bei „kampfwürdigen" Ungerichten zugelassen. Kampfunfähige Personen konnten sich eines Kampfvormundes bedienen. Gegen Rechtlose kämpfte man nur durch Lohnkämpfer. Die einseitigen Gottesurteile des wallenden Kessels und glühenden Eisens kamen im Mittelalter nur noch in beschränkter Anwendung vor und verschwanden, von der Kirche lebhaft bekämpft, allmählich fast ganz 23 . Die U r t e i l s c h e l t e 2 4 trug in materieller Beziehung schon den Charakter einer wahren Berufung, indem sie regelmäßig zu einer materiellen Entscheidung eines höheren Gerichts führte. Formell aber bedeutete sie immer noch einen Vorwurf des Schelters gegen den Urteilfinder und spielte sich daher nicht zwischen den eigentlichen Prozeßparteien, sondern als Zwischenprozeß des Schelters gegen den Gescholtenen ab; der letztere hatte, wenn die Schelte verworfen wurde, von seinem Gegner eine Buße zu beanspruchen. Die Schelte konnte von jedem Anwesenden, auch wenn er nicht Partei war, erhoben werden, nur Rechtlose, auf handhafter That Ergriffene, Geächtete und Verfestete waren ausgeschlossen. Die Schelte mußte in der Regel mit der Findung eines Gegenurteils verbunden und sofort nach dem Urteilsvorschlag, jedenfalls noch vor der Ausgabe des Urteils durch den Richter, eingelegt werden 25 . Erst in dem Rechtszuge an die städtischen Oberhöfe, der vielfach auch für andere Gerichte vorbildlich wurde, gestaltete sich die Urteilschelte zu einer wahren Berufung, nur daß in der zweiten Instanz in der Regel keine Wiederholung des 2S
Vgl. c. 1—3 X. de purg. vulg. V. 35; c. 20 C. II. qu. 5. W E I L A N D , Conet. 1, 515 (1195). v. K B I E S , a. a. 0 . 8 0 ff. PLANCK, Gerichtsv. 2, 144 ff. In den Hexenprozessen kamen Gottesurteile zum Teil noch sehr spät zur Anwendung. Ein eigentümliches, bei Immobiliarprozessen vorkommendes Gottesurteil war das „Wasserurteil" des Ssp. III. 21 § 2. 14 S. 369 f. 547. 582. 677. PLANCK 1, 268 ff. BENNECKE 105 ff. Neben der Urteilschelte erhielten sich noch einzelne Spuren des alten Reklamationsrechtes als „Ausheischen vor allem Urteil". Vgl. Anm. 26. "5 Vgl. W E I L A N D , Const. 1, 478 (1191). P L A N C K , a. a. 0. 1, 274f. Die Einlegung der Urteilschelte vor der Vollbort war nicht unbedingt vorgeschrieben, doch hatte der Schelter es, nachdem die Vollbort erteilt war, mit so viel mehr Gegnern, denen er im Falle seines Unterliegens Buße zahlen mußte, zu thun. Nach Einlegung der Schelte durfte der Richter keine Vollbort mehr einholen. Ober die „Ausgabe" des Urteils, d. h. die rechtsverbindliche Verkündigung durch den Richter, v g l . PLANCK 1 , 3 0 1 ff.
§ 63.
Das Gerichtsverfahren.
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kontradiktorischen Verfahrens stattfand, sondern die Entscheidung auf Grund eines schriftlichen Berichtes des Untergerichts gefällt wurde26. Das Recht des Sachsenspiegels kannte noch eine altertümliche Berufung an die „vordere Hand", die selbst gegenüber dem königlichen Hofgericht zulässig war und die Entscheidung durch einen gerichtlichen Kampf von Sieben gegen Sieben herbeiführte27. Das schon dem älteren Recht bekannte Betreibungsverfahren in Schuldsachen (S. 380 f.) wurde in den Stadtrechten des Mittelalters vielfach fortgebildet. Es fand namentlich Anwendung, wenn ein gerichtliches Schuldbekenntnis oder eine Schuldurkunde mit Vollstreckungsklausel vorlag28. Von großer Bedeutung wurde die allmähliche Ausbildung des K o n kursprozesses in den Städten. Anfangs kannte man eine Beschlagnahme des ganzen Vermögens nur in dem Falle der „Vorflucht", wenn der Schuldner sich aus dem Staube gemacht hatte, sodann bei überschuldetem Nachlaß, für den sich kein Erbe fand. Erst später gelangte man dazu, das gleiche Mittel auch gegenüber dem anwesenden, blos fluchtverdächtigen Schuldner anzuwenden. Anfangs hatte die Priorität der Beschlagnahme für die Bangordnung der Gläubiger entschieden, allmählich kam man aber dahin, die sämtlichen Gläubiger als eine Genossenschaft zu behandeln, was ihre Befriedigung nach markzal oder nach advenante, d. h. nach Verhältnis, zur Folge hatte. Schon gegen Ende des 13. Jahrhundert« kommen hier und da auch Zwangsvergleiche vor, zu denen die Minderheit der Gläubiger durch die Mehrheit (nach Köpfen und Beträgen) genötigt werden konnte29. In Strafsachen trat im späteren Mittelalter die Verpflichtung des Gerichts, sich von Amts wegen um die Verfolgung der Verbrecher und die Ermittelung der Wahrheit zu kümmern, mehr in den Vordergrund. War die „leibliche Beweisung" (scMn, blickender schtn) früher nur als 28
Vgl. PLANCK 1, 290 ff. MICHELSEN, Oberh. Lübeck 20 ff. TOMASCHEK, Oberh.
Iglau Nr. 282. 284. WEILAND, Const. 1. 355, § 7 (1173): Si quis meroator senserit
se gravari contra imtidam in loeo minori, lieentiam habeat appellationern faciendi ad maiorem loeum, a quo minor locus insticie sue leges aceeperat. Auch von sich
aus konnte das niedere Gericht, wenn es des Rechts nicht weise war, eine Entscheidung des Oberhofes einholen, die es dann statt eines eigenen Urteils verkündigte. Ebenso konnte jede Partei, bevor das Urteil gefällt war, auf ihre Kosten die Einholung eines Oberhofurteils verlangen. Im Bereich des Ingelheimer Oberhofes bezeichnete man dies (wohl ein Best des alten ReklamationBrechts, vgl. S. 178. 565, n. 116) als „Ausheischen vor allem Urteil". Die Urteilschelte war hier nur zulässig, wenn dies im Urteil oder von der Partei bei Entgegennahme des Urteils durch eine Klausel (mit underdinge) vorbehalten worden war. Vgl. LOERSCH, a. a. 0 . 160 ff. 27 Vgl. Ssp. I. 18, § 3. Über den berühmten Austragskampf (vgl. § 62, n. 23) im Hofgericht des Kaisers Otto I. (Widukind 2, 10) vgl. SIMSON, FDG. 25, 369 ff. GADPP, G e r m . A b h . 127. M 29
PLANCK, M ü n c h . S B . 1886, S. 1 6 4 ff. WAITZ 6*, 519.
Vgl. SKEDL, Mahnverfahren 7 ff. Vgl. Meklenb. Urk.-B. 4 , Nr. 2646.
a. a. 0 . 76 ff.
KOHLES, Konkursrecht 34 f.
STOBBE,
Das Mittelalter.
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gerichtlicher Augenschein vorgekommen30, so kam nun auch die Aufnahme des Augenscheins an Ort und Stelle durch Abgesandte des Gerichts und bei unnatürlichen Todesfällen die Veranstaltung einer gerichtlichen Totenschau (Fahrrecht) in Gebrauch31. Das Rügeverfahren (S. 383. 584) gelangte in den kirchlichen Sendgerichten wie in den westfälischen Femgerichten (S. 580) zu besonderer Entwickelung, aber auch in den echten Dingen und den Dorfgerichten hatten die Dinggenossen neben ihrer Dingpflicht der Rügepflicht zu genügen32. Hier und da kamen bereits Ankläger von Amts wegen vor 33 . Vor allem aber führte das Bedürfnis, das Gewohnheitsverbrechertum der Raubritter und der städtischen Gaunerwelt zu bekämpfen, zu vollständigen Neubildungen im Gebiete des Strafverfahrens34. Man faßte derartige Gewohnheitsverbrecher unter dem Begriff der „schädlichen Leute" (homines damnosi, h. nocivi) zusammen.
Während man sich mit dem städtischen Gaunertum durch regelmäßige Aufstellung von Proskriptionslisten und zeitliche Verweisung der wegen Übeln Leumundes auf die Liste gesetzten Personen abzufinden suchte, galt es zur Wahrung des Landfriedens vor allem dem Kampfe gegen das Unwesen der berufsmäßigen Straßenräuber ritterlichen wie unritterlichen Standes. Das Ziel war vornehmlich, diesen Personen die Gunst des Reinigungseides zu entziehen und den Schuldbeweis durch die Aufhebung des Erfordernisses der Ebenbürtigkeit für die Zeugen in Strafsachen zu erleichtern. Angebahnt wurde das Verfahren auf bösen Leumund in diesem Dabin wird vielfach auch das Bahrrecht {tont sehine gan) gaztthlt, das auf dem Glauben beruhte, daß die Wunden eines Erschlagenen beim Herantreten des Totschlägers frisch zu bluten anfingen. Anscheinend war es ursprünglich kein Rechtsinstitut, sondern nur ein allgemeines Mittel, dem Verdacht der Thätenchaft ein bestimmtes Ziel zu geben, und hat sich von da aus teils in der Richtung der leiblichen Beweisführung, teils als Gottesurteil, teils als Inquisitionsmittel weiter ausgestaltet. Vgl. K. LEHMANN, Das Bahrgericht (Abhandlungen zum TO. Geburtstage K. v. MAUBEB'S, 1893, S. 23 ff.); Krit. VJSchr. 1902, S. 502 ff. CHRMTENSEN, Baarepröven, 1900. LUPPE, Kieler Varbuch 40 f. 81 Vgl. v. KRIEB 128 ff. BENNECKE 76 f. SCHRÖDER, N. Heidelb. Jahrb. 1, 10 ff. PETERSEN, FDG. 6, 2 6 4 ff. L U P P E , Kieler Varbuch 38 ff. SCHILLER U. LÜBBEN, Mittelnd. W B . 5, 207. H A C H , Das alte labische Recht S. 144. Urk.-B. d. Stadt Lübeck 2, Nr. 1099 (1347). Das Fahrrecht ist wohl aus dem Vorverfahren, durch das man zu verhindern suchte, daß eine handhafte That übernächtig würde, hervorgegangen. Vgl. ECKERT, Fronbote 43. 93 f. " Vgl. SIEGEL, Das pflichtmäßige Rügen auf den Jahrdingen, Wien. S B . 1 2 5 (1891).
BENNECKE 2 4 ff. 3 5 f .
WABNKÖNIO, a . a . 0 . 3 , 1 S . 3 3 2 ff. FOCKEMA ANDREAE,
a. a. O. 81 ff. ** V g l . BENNECKE 3 6 .
MAYER, a . a . 0 . 1, 2 1 5 ff. FOCKEMA ANDREAS 7 1 .
THOMAS,
Oberhof Frankfurt 373 (1411). Beispiele von Popularklagen bei OPET, Die Popularklage der Berner Handfeste, Zeitschr. f. Schweiz. Strafrecht 7, 1894. M Über das Folgende vgl. besonders v. ZALLINOEB, Verfahren gegen die landschädlichen Leute in Süddeutschland, 1895 (dazu v. BELOW, GGA. 1 8 9 7 , S. 7 ff.). E. MATER, a. a. 0. 1, 266 ff. Siehe auch v. KBIES 205 ff. v. WÄCHTER, a. a. O. 269 ff. WEILAND, ZRG. 2 1 , 1 0 7 ff. HANSSEN, Zauberwahn, Inquisition u. Hexenprozeß ( 1 9 0 0 ) S. 3 7 4 ff.
§ 63. Das Gerichtsverfahren.
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Sinne schon durch die Treuga Heinrici; eine feste Begelang erfolgte zuerst durch den Mainzer Landfrieden von 1235. Wurde mit einer Klage wegen Straßenraubes oder eines ähnlichen Verbrechens die Anschuldigung verbunden, daß der Beklagte als Gewohnheitsverbrecher gemeinkundig sei, so konnte das Gericht, wenn dies in ausreichender Weise durch Zeugen bestätigt wurde, den Angeschuldigten „zu einem schädlichen Manne sagen". Diese Schädlichkündigung erfolgte in einem formlosen Vor- oder Zwischen verfahren, ohne Anhörung und selbst ohne Ladung des Angeschuldigten. Erst nach der Schädlichkündigung wurde er geladen, um sich wegen der ihm in der Klage vorgeworfenen besonderen Missethat fcu verantworten. Dabei unterlag er einer erheblichen Erschwerung des Unschuldseides, die sich selbst im Falle seiner Freisprechung bei jeder späteren, wegen eines ähnlichen Verbrechens gegen ihn erhobenen Klage wiederholte. Blieb der Beklagte aus, so wurde er sofort geächtet, indem die Schädlichkündigung jeden besonderen Schuldbeweis ersetzte. Die Schädlichkündigung konnte auch über Raubburgen oder sonst verrufene Häuser verhängt werden, wodurch der Burgherr zur Auslieferang des Beschuldigten oder zum zehnfachen Ersätze des Schadens verpflichtet wurde; war der Burgherr abwesend, so erfolgte Zerstörung des Hauses von Amts wegen. Noch mehr als bei der Schädlichkündigung trat das Offizialverfahren bei der Landfrage (seit Einführung des heimlichen Verfahrens auch „stille Frage") hervor. Diese fand seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts namentlich in Baiern und Osterreich Eingang und bestand darin, daß der Landesherr kraft seines Inquisitionsrechtes die Bevölkerung oder bestimmte Kreise zur Anzeige aller als gewohnheitsmäßige Raubritter verrufenen Personen aufforderte, also reines Bügeverfahren von Amts wegen, ohne voraufgegangene Klage. Um die gerügte Person zu „übersagen", genügte die eidliche Erklärung von sieben Anwesenden, daß sie ihnen als schädlicher Mann „kund und gewissen" sei (daher die gewizzen, gewizzende). Das Urteil erfolgte auf die Übersiebenung hin, ohne Anhören des Beschuldigten; war er anwesend, so wurde er als Landfriedensbrecher sofort gerichtet; der Abwesende galt als geächtet. Auch dieses Verfahren konnte auf Baubhäuser angewendet werden. — Bei gemeinkundigen Dieben und Straßenräubern wurde auch die sonst auf Fälle der handhaften That beschränkte sofortige Verhaftung zugelassen, vielfach sogar amtliche Fahndung durch die Polizeiorgane angeordnet. Wurde der Verhaftete dem Gericht vorgeführt, so konnte er im Wege der Übersiebenung (sei es durch den Verletzten oder durch den Richter) als schädlicher Mann überführt und sofort verurteilt werden. Die seit dem 14. Jahrhundert aus den romanischen Ländern eingeführte Folter diente bei handhafter That wie bei bösem Leumund vielfach als Ersatz der Übersiebenung, namentlich seit, entgegen dem älteren Recht, nicht bloß das gerichtliche Geständnis, sondern auch die außergerichtlich (auf peinliche Frage) erfolgte uryiht als ausreichender Beweis
Das Mittelalter.
776
für die Verurteilung angesehen wurde. Schließlich kam man in den Städten dahin, überhaupt yon Geständnissen und formellen Beweismitteln abzusehen, wenn die Mehrheit des Rates sich durch einen formlosen inquisitorischen Schädlichkeitsbeweis überzeugt hatte, daß der Angeschuldigte für einen schädlichen Mann zu erachten sei3®. Der darüber ausgestellte Leumundsbrief bildete eine ausreichende Grundlage zur Verurteilung im Hauptverfahren. So endigte eine von Hause aus gesunde und durch die Umstände gebotene Entwickelung mit einer jedem Rechtsgefühl hohnsprechenden Entartung. 35
Ähnlich die „stillen Wahrheiten" der niederländischen Gerichte. Vgl. Fockema Andbeae 85 ff.
Vierte Periode. Die
Neuzeit.
Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede, 4 Teile, 1747 (häufig angeführt nach dem Verleger KOCH oder den Herausgebern SENCKENBERO U. SCHMAUSS, ungehörigerweise auch unter dem Namen von OLENSCHLAGER). KLUCKHOHN u. WBEDE,
Deutsche Reichstagksakten, jüngere Reihe, 2 Bde, 1893—96. EICHHORN, St.- u. R G . 4 , 1844.
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LAHPBECHT, D e u t s c h e G e s c h i c h t e 5, 1894—1895.
BACH-
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Die Neuzeit
778
Erstes Kapitel.
Die allgemeinen Verhältnisse. § 64. Das Reichsgebiet H. Conbino, De finibus imperii Germanici, 1654. Spbuneb-Menke, Handatlas, Blatt 43—47, Vorbemerkungen S. 17. 27. 3 0 ff. v. Lancizolle, Übersicht d. deutsch. Eeichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830. Ebdmannsdöbffeb, a. a. 0. 1, 28 ff. 404 ff. 654 ff. 658 ff. A. Schulte, a. a. 0. 1, 455 ff. v. Daniels, Handbuch 4, 520 ff.
Die Schweizer Eidgenossenschaft, die dem Reichskammergericht die Anerkennung verweigerte and sich seit 1495 thatsächlich nicht mehr als zum Reiche gehörig betrachtete, schied durch den westfälischen Frieden auch rechtlich aus dem Reichsverband aus 1 . Frankreich erwarb durch den westfälischen Frieden die schon 1552 in Besitz genommenen Bistümer Metz, Toul und Vertun nebst der Reichsstadt Metz, sodann den habsburgischen Besitz im Elsaß und die Landvogtei über zehn im Elsaß belegene Reichsstädte 8 . Die auf Grund gewaltsamer Auslegung an diese Abtretungen geknüpften „Reunionen" Ludwigs XIV. brachten das ganze Elsaß an Frankreich, das sich 1681 ohne jeden Rechtstitel auch in den Besitz der Reichsstadt Straßburg setzte und ie Neuzeit.
832
Bei Prozessen unter Fürsten oder Pürstengenossen hatte jedoch in erster Instanz ein vom Gesetz genau geregelter Austrag, als kaiserliche Kommission, zu entscheiden, wogegen jeder Partei die Berufung an das RKG. offen stand 13 . Für Prozesse unter Grafen, Prälaten und anderen Reichsunmittelbaren wurde das Austragsverfahren erst 1521 eingeführt 14 . Bei Klagen nichtgefürsteter Personen gegen einen Fürsten hatte zunächst ein von letzterem aus Mitgliedern seines Rates zu bildendes Schiedsgericht (seit 1521 auch unter Zuziehung anderer Mitglieder und unter Mitwirkung des Klägers bei der Bildung des Gerichts) zu urteilen, von dessen Entscheidung jede Partei Berufung an das Reichskammergericht einlegen konnte 16 . Einen weiteren Grund für die Zuständigkeit des RKG. bildeten die Fälle der Rechtsverweigerung18. Endlich war es in bürgerlichen Sachen oberstes Appellationsgericht für sämtliche Landgerichte17, während es in peinlichen Sachen auf die Nichtigkeitsbeschwerde wegen rechtswidriger Strafverhängung beschränkt blieb18. Mit der oberinstanzlichen Stellung war zugleich ein gewisses Aufsichtsrecht des RKG. über die Landesgerichte verbunden19. Wo kaiserliche privilegia de non appellando erteilt waren, fiel beides weg, nur die Zuständigkeit bei Rechtsverweigerung blieb unberührt 20 . Seit 1507 bestand am Reichstag eine eigene Visitationsdeputation für das RKG., an welcher der Reihe nach sämtliche Reichsstände beteiligt wurden. Diese entwickelte sich zugleich zu einer Revisionsinstanz über dem RKG. (auch mit Zuständigkeit für Syndikatsklagen gegen das letztere), und zwar seit 1555 mit Suspensivwirkung der eingelegten Revision. Seit 1588 kam die ordentliche Visitationsdeputation außer Gebrauch, die dafür von Zeit zu Zeit eingesetzten außerordentlichen Deputationen konnten aber nur den geringsten Teil der eingelegten Revisionen erledigen, so daß die meisten mit dem Rechtsmittel der Revision angefochtenen Urteile des RKG. unvollstreckbar blieben, bis § 124 des JRA. von 1654 die Suspensivwirkung der Revisionen wieder aufhob. Erst 1767 wurde auf Antrieb Josephs II. eine neue Visitationskommission eingesetzt, die aber nach seinem Tode wieder in Verfall geriet Die Vollstreckung der RKG.-Urteile gegen Reichsunmittelbare wurde 11
Vgl. S. 552.
EICHHOBN 3 , 122. 4 , 3 7 3 f. R K G O . 1 4 9 5 , § 2 8 ; 1555 II., T i t .
2, Tit, 8 § 3. 14 RKGO. 1521 c. 33, 15—18. 1555 II., Tit. 3, .Tit. 5. 16 RKGO. 1495 § 30. 1521 c. 33, 1—14. 1555 II., Tit. 4, Tit. 6, Tit. 8, 3 f. Über einen Fall praktischer Anwendung vgl. R. KERN, Die Rülsheimer Fehde 1463, Heidelb. Diss. 1897, S. 41 ff. " RKGO. 1495 § 16. 1521 c. 22, 2. 1555 II., Tit. 1 § 2, Tit. 26. " RKGO. 1521 c. 24. 1555 II., Tit. 28. Die Appellationssumme wurde im Laufe der Zeit von 50 fl. auf 400 fl., für manche Rechtsgebiete noch weiter erhöht «» RKGO. 1555 II., Tit. 28 § 5. 18
V g l . EICHHOBN 4, 375. 4, 876.
«® Vgl. ebd.
§ 74. Die Beichsgerichte.
833
dem betreffenden Kreise, die gegen Landsässige dagegen der zuständigen Obrigkeit und nur, wenn diese versagte, ebenfalls dem Kreise befohlen 21 . Das Recht des Kaisers zu persönlicher Entscheidung der an ihn gekommenen Rechtssachen wurde durch die Einsetzung des RKG. nicht beeinträchtigt. Er übte es entweder in alter Weise mit den Reichsständen, d. h. dem Reichstage, oder in der des alten kaiserlichen Kammergerichts mit seinen Räten, d. h. dem Reichshofrat22. Der letztere entwickelte sich seit der Ausbildung des Geheimen Rates aus einem Justiz- und Verwaltungskollegium zu einem reinen Justizkollegium, das als oberstes kaiserliches Gericht dem RKG. Konkurrenz machte. Der Reichshofrat hatte die alleinige Zuständigkeit in Reichslehensachen23, Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare (mit Ausnahme der Landfriedensbrüche), Streitigkeiten über kaiserliche Privilegien und andere auf Grund kaiserlicher Reservatrechte geübte Akte 24 , endlich über italienische Angelegenheiten, da die in Italien bestehende kaiserliche „Pienipotenz" nur als delegiertes Gericht galt, von dem die Berufung an die Person des Kaisers ging 26 . In allem übrigen konkurrierte der Reichshofrat mit dem RKG. 26 , was nach langem Widerstreben der Reichsstände durch den westfälischen Frieden in der Art anerkannt wurde, daß das zuerst mit einer Sache befaßte Gericht den Vorzug hatte 27 . Da der Reichshofrat nicht bloß Gericht, sondern zugleich juristischer Beirat des Kaisers war und als solcher in allen Reichslehen- und Gnadensachen sein Gutachten abzugeben hatte, so lag die Gefahr einer persönlichen Einmischung des Kaisers in die gerichtlichen Entscheidungen nahe, zumal der Unterhalt des Reichshofrats Sache des Kaisers war und sämtliche Mitglieder von ihm und nur für die Dauer seiner Regierungszeit ernannt wurden. Nur die Stellung der Reichskanzlei (S. 816) bot eine gewisse Gewähr gegen kaiserliche Kabinetsjustiz. Der westfälische Friede traf eine Reihe von Maßregeln im Interesse unparteiischer Rechtspflege, vermochte aber doch das „votum ad imperatorem", durch das der Reichs21 Vgl. RKGO. 1555 III., Tit. 48 §§ 6—10, Tit. 49. Die Vollstreckung bewegte sich in den Formen der Acht. Rechtskräftig gewordene Urteile der Austrüge bedurften der Bestätigung durch eins der höchsten Reichsgerichte, um vollstreckbar zu werden. 22 Vgl. S. 817 f. HEBCHENHAHN , Geschichte des kaiserl. R H R . , 2 Bde, 1792. BERGMANN, Wien. SB. 25, 187 ff. 2 * Diese hatte der Kaiser schon in der Reg.-Ordn. von 1521, § 7 (N. Samml. 2, 173) seiner persönlichen Entscheidung vorbehalten. Vgl. RKGO. 1555 II, Tit. 7. Streitig war, ob sich das Vorrecht des RHR. auch auf geringere Reichslehen bezöge. Vgl. PÜTTES, Hist Entwickelung 2, l l l f . 24 Daher auch alle Prozesse über Hausgesetze von Reichsunmittelbaren, da diese vom Kaiser bestätigt sein muBten. Die ausschließliche Zuständigkeit des RHR. in betreff der Reservatrechte war bestritten. Vgl. PÜTTEB 3, 167 f. 25
86
V g l . EICHHORN 4 ,
300.
Dies warde namentlich in Zeiten, wo das RKG. stillstand, von Bedeutung. Vgl. ROSENTHAI,, Behördenorganisation Ferdinands 25. 17 JPO. Art. 5, § 56. B. SCHRÖDER , Deutsche Rechtsgeschichte. 4. Aufl.
53
Die Neuzeit.
834
hofrat dem Kaiser die persönliche Entscheidung überlassen konnte, nicht ganz zu beseitigen28. Nach den Bestimmungen des westfälischen Friedens29 sollte das Verfahren den für das REG. bestehenden Normen folgen, die Besetzung mit Präsidenten, Vizepräsidenten und Bäten sollte fest geordnet und jede nicht dazu gehörige Person, namentlich auch jedes Mitglied des Geheimen Rates, von der Teilnahme an der Rechtsprechung ausgeschlossen sein; unter den Räten sollte sich eine bestimmte Zahl Evangeliseher befinden. Der Reichshofrat wurde der Visitation des Erzkanzlers unterstellt. Von den Urteilen des Reichshofrats sollte das Rechtsmittel der Revision (mit Suspensivwirkung) bei dem Kaiser eingelegt werden können; die Entscheidung über die Revision sollte ausschließlich durch Räte die bei dem angefochtenen Urteil nicht beteiligt gewesen waren, in vichtigen Fällen unter Zuziehung von Kurfürsten und Fürsten, aber unter Aufrechterhaltung des konfessionellen Gleichgewichts, erfolgen. Das in Aussicht genommene Reiehsgesetz zur Ordnung des Reichshofrats ist nicht zustande gekommen, dagegen trat die von Ferdinand III. erlassene RHRO. von 1654 in Gebrauch80. Die Zuständigkeit in Ächtprozessen wurde beiden höchsten Reichsgerichten durch Art. 20 der ständigen Wahlkapitulation entzogen. Sie sollten nur die Instruktion des Prozesses behalten und die Aktes sodann an den Reichstag einschicken. Das Urteil sollte, auf das Gutachten einer aus den drei Kollegien unter Wahrung der konfessionellen Parität besetzten Reichsdeputation, von dem Kaiser mit dem gesamten Reichstage gefällt werden. Seit der Ächtung des Kurfürsten von Baiern (1706) ist die Reichsacht nur noch zweimal (1708/9) verhängt worden81. Durch die Einsetzung des RKG. und die völlig neue Regelung des Strafverfahrens durch die PHGÖ. Karls V. verloren die westfälisehen Gerichte den letzten Boden, den sie noch im Reiche hatten82. Als Landesgerichte ohne größere Bedeutung haben sie sich noch längere Zeit, in gewissen Resten bis in das 19. Jahrhundert erhalten. Auch die kaiserlichen Landgerichte in Süddeutschland waren ganz bedeutunglos geworden. Zu ihrer von dem westfälischen Frieden angeregten reichsgesetzlichen Aufhebung ist es nicht mehr gekommen. § 75.
Das Reichsheerwesen.
JAHNS, Zur Geschichte der Kriegsverfassung des deutschen Reiches, Preuß. Jahrbücher 3 9 , 1 ff. 1 1 3 ff. 4 4 3 ff. A , SCHUI/TE, Markgraf Ludwig Willelm von Baden 1, 40ff. 1 5 5 f f . 256f. 286. 335ff. 3 4 8 f . 366ff. 520ff. EBDMANNSDÖKPFIR, a. a. 0. 21
89 Vgl. ROSENTHAL, a. a. 0. 22 ff. Vgl. JPO. Art. 5, §§ 54—56. N. Samml. 4, Zugabe 44 ff. " Vgl. EICHHORN 4 , 5 4 8 f. H . METER, Der Plan eines evang. Füratenbundes im 7jähr. Kriege, Bonn. Diss. 1893, S. 69 f. 81 Vgl. EICHHORN 3, 222. WIGAND, Wetzlarsche Beiträge 1, Iff.; Deikwfirdigkeiten 103 ff. Schon die vom Wormser Reichstag von 1495 beschlossen Reformation (N. Samml. 2, 18 f.) trat den Freigerichten mit Entschiedenheit entgegen. 80
Die Neuzeit.
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hofrat dem Kaiser die persönliche Entscheidung überlassen konnte, nicht ganz zu beseitigen28. Nach den Bestimmungen des westfälischen Friedens29 sollte das Verfahren den für das REG. bestehenden Normen folgen, die Besetzung mit Präsidenten, Vizepräsidenten und Bäten sollte fest geordnet und jede nicht dazu gehörige Person, namentlich auch jedes Mitglied des Geheimen Rates, von der Teilnahme an der Rechtsprechung ausgeschlossen sein; unter den Räten sollte sich eine bestimmte Zahl Evangeliseher befinden. Der Reichshofrat wurde der Visitation des Erzkanzlers unterstellt. Von den Urteilen des Reichshofrats sollte das Rechtsmittel der Revision (mit Suspensivwirkung) bei dem Kaiser eingelegt werden können; die Entscheidung über die Revision sollte ausschließlich durch Räte die bei dem angefochtenen Urteil nicht beteiligt gewesen waren, in vichtigen Fällen unter Zuziehung von Kurfürsten und Fürsten, aber unter Aufrechterhaltung des konfessionellen Gleichgewichts, erfolgen. Das in Aussicht genommene Reiehsgesetz zur Ordnung des Reichshofrats ist nicht zustande gekommen, dagegen trat die von Ferdinand III. erlassene RHRO. von 1654 in Gebrauch80. Die Zuständigkeit in Ächtprozessen wurde beiden höchsten Reichsgerichten durch Art. 20 der ständigen Wahlkapitulation entzogen. Sie sollten nur die Instruktion des Prozesses behalten und die Aktes sodann an den Reichstag einschicken. Das Urteil sollte, auf das Gutachten einer aus den drei Kollegien unter Wahrung der konfessionellen Parität besetzten Reichsdeputation, von dem Kaiser mit dem gesamten Reichstage gefällt werden. Seit der Ächtung des Kurfürsten von Baiern (1706) ist die Reichsacht nur noch zweimal (1708/9) verhängt worden81. Durch die Einsetzung des RKG. und die völlig neue Regelung des Strafverfahrens durch die PHGÖ. Karls V. verloren die westfälisehen Gerichte den letzten Boden, den sie noch im Reiche hatten82. Als Landesgerichte ohne größere Bedeutung haben sie sich noch längere Zeit, in gewissen Resten bis in das 19. Jahrhundert erhalten. Auch die kaiserlichen Landgerichte in Süddeutschland waren ganz bedeutunglos geworden. Zu ihrer von dem westfälischen Frieden angeregten reichsgesetzlichen Aufhebung ist es nicht mehr gekommen. § 75.
Das Reichsheerwesen.
JAHNS, Zur Geschichte der Kriegsverfassung des deutschen Reiches, Preuß. Jahrbücher 3 9 , 1 ff. 1 1 3 ff. 4 4 3 ff. A , SCHUI/TE, Markgraf Ludwig Willelm von Baden 1, 40ff. 1 5 5 f f . 256f. 286. 335ff. 3 4 8 f . 366ff. 520ff. EBDMANNSDÖKPFIR, a. a. 0. 21
89 Vgl. ROSENTHAL, a. a. 0. 22 ff. Vgl. JPO. Art. 5, §§ 54—56. N. Samml. 4, Zugabe 44 ff. " Vgl. EICHHORN 4 , 5 4 8 f. H . METER, Der Plan eines evang. Füratenbundes im 7jähr. Kriege, Bonn. Diss. 1893, S. 69 f. 81 Vgl. EICHHORN 3, 222. WIGAND, Wetzlarsche Beiträge 1, Iff.; Deikwfirdigkeiten 103 ff. Schon die vom Wormser Reichstag von 1495 beschlossen Reformation (N. Samml. 2, 18 f.) trat den Freigerichten mit Entschiedenheit entgegen. 80
§ 75.
Das Reichsheerwesen.
835
1, 656 ff. ULMANN, a. a. 0 . 2, 403 ff. FESTES, Die armierten Stände und die Reichskriegsverfassung 1681—97, Straßb. Diss. 1886. PÜTTES, Historische Entwickelung 2, 283 ff. 293 ff. 3, 98 ff. EICHHOBN 3, 315 ff. 4, 300 ff. 546. SCHULZEN, Corpus iuris
militaris2, 1893. EBBEN, Ursprung u. Entwickelung der deutsch. Kriegsartikel, Mitt. d. öst. Inst., Erg. 6, 473 ff.
Zur Einführung eines stehenden Heeres hat es das Reich nie gebracht; die nach dem 30jährigen Kriege wiederholt gestellten Anträge auf Einfährung eines „miles perpetuus" waren erfolglos. Erst angesichts eines bevorstehenden oder bereits ausgebrochenen Krieges wurde das von Reichs wegen aufzustellende Heer zwischen Kaiser und Reichstag vereinbart. Unter Maximilian I. hielt man noch an den zuerst im Hussitenkrieg (S. 519) gemachten Versuchen der Aufstellung eines Reichssöldnerheeres mit Hilfe einer direkten Reichssteuer, des gemeinen Pfennigs, fest \ Seit Karl V. beobachtete man das System der Anschläge auf Grund der 1521 vom Wormser Reichstage beschlossenen Matrikel, welche die Gesamtheeresstärke auf 4000 Reiter („Reisige") und 20000 Fußknechte festsetzte und ihre Verteilung auf die Kontingente der einzelnen Reichsstände ordnete2. Jeder Reichsstand hatte die ihm auferlegte Truppenzahl zu stellen, eine Ablösung in Geld war nicht gestattet. Wer Vassailen hatte, stellte seine Reiter im Laufe des 16. Jahrhunderts in der Regel noch mit Hilfe des Lehnsaufgebotes; später wurde den Lehnsmannen gewöhnlich die Wahl zwischen Dienst und Zahlung von Ritterpferdgeldern eingeräumt. Im übrigen half man sich mit Söldnern. Die Lehnsmannen erhielten Verpflegung, aber keinen Sold; die Söldner hatten ihre Verpflegung selbst zu bestreiten; doch mußte der Kontingentherr ihnen den nötigen Proviant gegen Bezahlung zur Verfügung stellen. Jedes Kontingent war demnach von einer eigenen Proviantkolonne begleitet, so daß die Schlagfertigkeit des Heeres durch einen ungeheuern Troß beeinträchtigt wurde. Der monatliche Sold wurde in den Wormser Beschlüssen auf 10 rhein. Gulden für einen Reisigen mit Pferd und 4 Gulden für einen Fußknecht festgesetzt. Der hiernach für das einzelne Kontingent im ganzen erforderliche Monatssold wurde, in Erinnerung an die alten Römerzüge, als „Römermonat" bezeichnet. Wie die von der Wormser Matrikel festgesetzte Stärke des Gesamtheeres und der einzelnen Kontingente bei der jedesmaligen Vereinbarung mit dem Reichstag als „Simplum" behandelt wurde, 1
Vgl. ULMANN, Maximilian 1, 320 ff. 390 ff. 847 ff. N. Samml. 2, 14 ff. Ein interessanter gesetzgeberischer Versuch war der von der Regimentsordnung von 1500, §§ 24 ff. (ebd. 2, 60 f.) vorgeschriebene 400. Mann, offenbar eine Art Aushebung. » N. Samml. 2, 208. 216 ff. Böhmen stellte 400 zu Roß und 600 zu Fuß, die sechs übrigen Kurfürsten sowie Salzburg, Baiero, Würtemberg und Savoyen je 60 zu Rofi und 277 zu Fuß, Österreich und Burgund je 120 und 600, Jülich-KleveBerg 90 und 540; von den Stfidten stellten die größten Kontingente Nürnberg, Metz (je 40 und 250) und Köln (30 und 322). Die kleinsten Kontingente beliefen sich auf 4 Fußknechte. 53*
836
Die Neuzeit.
so berechnete man auch die den einzelnen Reichsständen neben der Gestellung ihres Kontingentes aufzuerlegende Kriegs- oder Matrikularsteuer nach den Bömermonaten der Wormser Matrikel3. Diese Steuer floß in die Reichsoperationskasse und diente teils zur Beschaffung des „Zeuges" oder Artilleriematerials, teils zur Besoldung der Reichsgeneralität und der vom Reiche zu stellenden technischen Truppen. Ein Hauptfehler des Reichsheeres bestand daxin, daß es ohne jede weitere Organisation ausschließlich in die einzelnen, nach Anzahl, Zusammensetzung und Bewaffnung überaus verschiedenen Kontingente zerfiel, deren Vereinigung zu größeren taktischen Körpern erst nach dem Zusammentritt des Heeres möglich wurde. In dieser Richtung schuf die sogenannte Reichadefensionalverfassung von 1681 eine wesentliche Verbesserung; indem sie, unter gleichzeitiger Erhöhung des Simplums auf 12000 Reiter und 28000 Fußknechte, die Verteilung der Kontingente auf die Reichsstände aufgab und dafür die Verteilung auf die zehn Kreise nach einem bestimmten Maßstab anordnete4. Den Kreisen blieb die Unterverteilnng auf die einzelnen Kreisstände (nach der Wormser Matrikel) und die Vereinigung der von diesen gestellten Kontingente zu Regimentern überlassen. Ablösung durch Geld (Reluition) war nicht gestattet, dagegen durften die nichtgerüsteten Reichsstände mit ausreichend gerüsteten (armierten) Mitständen Subsidienverträge abschließen. Die Erfüllung der den einzelnen Ständen obliegenden Leistungen konnte im Wege der Kreisexekution erzwungen werden. Die gesamte Mannschaft eines Kreises bildete ein geschlossenes Corps unter einer eigenen Kreisgeneralität. Außerdem hatte jeder Kreis einige technische Truppen und ein gewisses Artilleriematerial zu beschaffen. Als Kreiskriegsminister fungierte der Kreisoberst. Für die dem Kreise obliegenden Ausgaben wurde eine Kreisoperationskasse gebildet, so daß die Stände außer der Reichs- noch eine Kreiskriegssteuer zu zahlen hatten. Für beide Arten der Kriegssteuer blieben die Römermonate der Wormser Matrikel im Gebrauch. Die Beschaffung des Proviantes blieb Sache der einzelnen Kontingentherren. Die Mitglieder der Reichsritterschaft waren dem Reiche nicht unmittelbar kriegspflichtig. Da sie sich größtenteils im Lehnsbande befanden, so dienten sie entweder in den betreffenden Lehnsaufgeboten oder zahlten Ritterpferdgelder. Außerdem war es von alters her üblich, daß der Kaiser sie in Kriegsfällen zu einer freiwilligen Beisteuer aufforderte, die allmählich zu einem observanzmäßigen „subsidium caritativum" wurde. Über die Ernennung der Reichsgenerale hatte sich der Kaiser mit dem Reichstag zu verständigen. Der Generalfeldmarschall wurde erst im Kriegsfall ernannt, die übrigen Generale wenigstens in der späteren * Waren z. B. zwei Simpla und ein Römermonat bewilligt, so stellte Nürnberg 80 Reisige und 500 Fußknechte und zahlte eine Steuer von 1400 Gulden. * Vgl. u. a. GEBSTLAOHER 6 , 8 5 9 . Die größeren Reichsstände, welche mit ihren Territorien verschiedenen Kreisen angehörten, Waren genötigt, ihre Eontingente dementsprechend zu zerreißen.
§ 76.
Das Reichsfinanzweeen.
837
Zeit schon im Frieden designiert. Seit dem westfälischen Frieden mußte jede Generalstelle mit einem Katholiken und einem Protestanten besetzt sein. Die Aufsicht über die Heerfuhrung stand dem von den Reichsständen gewählten, paritätisch zusammengesetzten Reichskriegsrat zu. Für die innere Disziplin des Heeres und die rechtliche Stellung der Söldner waren die bei der Musterung von den Truppen zu beschwörenden Artikel, der „Artikelbrief1" für die Fußknechte und die „Reiterbestallung" für die Reisigen, maßgebend 6 . Uberaus schwerfällig und hier nicht weiter zu erörtern waren die dem Reiche zu Gebote stehenden Mittel, die Reichsstände und Unterthanen durch Dehortatorien, Avocatorien und.Excitatorien zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Zur Anordnung von Einquartierungen, Musterplätzen und Durchzügen war nach der Wahlkapitulation die Einwilligung der Reichsstände erforderlich. Die Residenzen der Reichsstände und der Sitz des Reichskammergerichts waren von jeder Quartierlast befreit. Einige Reichsfestungen waren seitens des Kaisers während des 30jährigen Krieges angelegt. Nach dem westfälischen Frieden durfte dies nur noch mit Reichstagsgenehmigung geschehen. Die Wahlkapitulation erklärte das Festungswesen für Landessacha, doch war das Reich durch französische Abtretungen in den Besitz der Festungen Kehl und Philippsburg gekommen8. § 76.
Das Reichsflnanzwesen.
Vgl. GOTHEIN, Ein neu nützlich- und lustigs Colloquium von etlichen Reichstagspunkten, 1893. EHRENSBERGEB, Zur Geschichte der Türkensteuer und des Subsidium caritativum, Freib. Diöz.-Arch. NF. 1, 396 ff.
Die früheren unmittelbaren Finanzquellen waren fast sämtlich versiegt oder durch Übertragung oder unvordenklichen Besitz auf die Reichsstände, zum Teil auch auf Privatpersonen übergegangen 1 . Erhalten hatten sich u. a. die Jahressteuern einzelner Reichsstädte, z. B. Frankfurt a. M.2, und der Opferpfennig der Juden von Worms und Mainz. Die Wiedereinlösung der an Reichsstände gegebenen Reichspfandschaften wurde durch den west5 Die Artikelbriefe haben sich aus den Eiden der Landsknechte entwickelt und besonders an die bei der schweizerischen Eidgenossenschaft seit Ende des 15. Jahrhunderts Qblichen Eide angeknüpft. Die Reiterbestallungen (auch „Reiterrechte", „Reiterartikelbriefe") dagegen sind aus den Vertrügen der Kriegsherren mit den Unternehmern, die ihnen die Reitertruppen anwarben, hervorgegangen. Für die Reichstruppen wurden beide Ordnungen zuerst durch den Speierer Reichstag von 1570 festgestellt, doch hat sich nur der Artikelbrief in allgemeinerem Ansehen erhalten.
• V g l . PÜTTES, a. a. 0 . 2, 2 9 0 . 300. 1
1
V g l . EICHHORN 4, 291 f.
Vgl. S. 543. FÜTTER, Histor. Entwickel. 2, 211. ZEÜMER, Städtesteuern 153. LANG, Histor. Entwickel. der deutschen Steuerverfassung (1793) 157 f.
§ 76.
Das Reichsfinanzweeen.
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Zeit schon im Frieden designiert. Seit dem westfälischen Frieden mußte jede Generalstelle mit einem Katholiken und einem Protestanten besetzt sein. Die Aufsicht über die Heerfuhrung stand dem von den Reichsständen gewählten, paritätisch zusammengesetzten Reichskriegsrat zu. Für die innere Disziplin des Heeres und die rechtliche Stellung der Söldner waren die bei der Musterung von den Truppen zu beschwörenden Artikel, der „Artikelbrief1" für die Fußknechte und die „Reiterbestallung" für die Reisigen, maßgebend 6 . Uberaus schwerfällig und hier nicht weiter zu erörtern waren die dem Reiche zu Gebote stehenden Mittel, die Reichsstände und Unterthanen durch Dehortatorien, Avocatorien und.Excitatorien zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten. Zur Anordnung von Einquartierungen, Musterplätzen und Durchzügen war nach der Wahlkapitulation die Einwilligung der Reichsstände erforderlich. Die Residenzen der Reichsstände und der Sitz des Reichskammergerichts waren von jeder Quartierlast befreit. Einige Reichsfestungen waren seitens des Kaisers während des 30jährigen Krieges angelegt. Nach dem westfälischen Frieden durfte dies nur noch mit Reichstagsgenehmigung geschehen. Die Wahlkapitulation erklärte das Festungswesen für Landessacha, doch war das Reich durch französische Abtretungen in den Besitz der Festungen Kehl und Philippsburg gekommen8. § 76.
Das Reichsflnanzwesen.
Vgl. GOTHEIN, Ein neu nützlich- und lustigs Colloquium von etlichen Reichstagspunkten, 1893. EHRENSBERGEB, Zur Geschichte der Türkensteuer und des Subsidium caritativum, Freib. Diöz.-Arch. NF. 1, 396 ff.
Die früheren unmittelbaren Finanzquellen waren fast sämtlich versiegt oder durch Übertragung oder unvordenklichen Besitz auf die Reichsstände, zum Teil auch auf Privatpersonen übergegangen 1 . Erhalten hatten sich u. a. die Jahressteuern einzelner Reichsstädte, z. B. Frankfurt a. M.2, und der Opferpfennig der Juden von Worms und Mainz. Die Wiedereinlösung der an Reichsstände gegebenen Reichspfandschaften wurde durch den west5 Die Artikelbriefe haben sich aus den Eiden der Landsknechte entwickelt und besonders an die bei der schweizerischen Eidgenossenschaft seit Ende des 15. Jahrhunderts Qblichen Eide angeknüpft. Die Reiterbestallungen (auch „Reiterrechte", „Reiterartikelbriefe") dagegen sind aus den Vertrügen der Kriegsherren mit den Unternehmern, die ihnen die Reitertruppen anwarben, hervorgegangen. Für die Reichstruppen wurden beide Ordnungen zuerst durch den Speierer Reichstag von 1570 festgestellt, doch hat sich nur der Artikelbrief in allgemeinerem Ansehen erhalten.
• V g l . PÜTTES, a. a. 0 . 2, 2 9 0 . 300. 1
1
V g l . EICHHORN 4, 291 f.
Vgl. S. 543. FÜTTER, Histor. Entwickel. 2, 211. ZEÜMER, Städtesteuern 153. LANG, Histor. Entwickel. der deutschen Steuerverfassung (1793) 157 f.
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Die Neuzeit.
fälischen Frieden an die Zustimmung des Reichstages gebunden3. Die Bestimmung der Wahlkapitulationen, daß einträgliche heimgefallene Reichslehen im Interesse des Reiches eingezogen werden sollten, hatte thatsächlich nur die Bedeutung, daß Kurfürstentümer nur mit Zustimmung des Kurfürstenkollegiums, alle anderen Reichslehen nur mit Einwilligung des Reichstages wiederverliehen werden durften4. Die einzige stehende Reichssteuer bildeten die 1548 als Matrikularsteuer eingeführten sogenannten Kammerzieler zum Unterhalt des Reichskammergerichts (S. 831). Im übrigen kamen nur außerordentliche Reichssteuern, namentlich aus Anlaß von Reichskriegen, vor. Die ältere Form war der gemeine Pfennig, der als direkte Reichssteuer von landsässigen Personen ebenso wie von Reichsunmittelbaren erhoben wurde und in der Regel für die Vermögenderen den Charakter einer Kapital- und Rentensteuer, für die übrigen den einer Kopfsteuer trug6. Den gemeinen Pfennig hatten auch die Geistlichkeit und die Klöster zu zahlen. Allmählich wurde der gemeine Pfennig durch den dem staatsrechtlichen Charakter des Reiches mehr entsprechenden „Anschlag", eine der alten Städtesteuer nachgebildete Reichsmatrikularsteuer auf Grund der Wormser Matrikel von 1521, verdrängt6. Die Beibehaltung der damals erfolgten Veranlagung brachte, da die seitdem eingetretenen Territorialveränderongen unberücksichtigt blieben, vielfache Ungerechtigkeiten mit sich, aber die wiederholt beantragte Neuveranlagung kam nicht zustande. Seit dem westfälischen Frieden wurde es überhaupt streitig, ob der Reichstag berechtigt sei, Reichssteuern mit Stimmenmehrheit zu beschließen7. Zur Vereinnahmung der Reichssteuern wurden jedesmal besondere Legestätten angeordnet und Reichsschatz- oder Reichspfennigmeister eingesetzt. Das Reichskammergericht hatte einen eigenen Pfennigmeister als • Vgl. JPO. Art 5, § 26. PtfTTEB, a. a. 0 . 2, 84. Was die Kaiser an andere als an Seichsstände verpfändet oder verschrieben hatten, mußten sie in den Wahlkapitulationen versprechen, thunlichst an das Reich zurückzubringen. 4 Vgl. ständige Wahlkapitulation von 1711, Art. 11 (N. Samml. 4, 241). 5 Auf dem Wormser Beichstag von 1495 (N. Samml. 2, 15) wurde der gemeine Pfennig für ein Vermögen von 500—1000 Gulden, dem eine Rente von 25—50 Gulden gleichgeachtct sein sollte, auf 0,1 °/0 festgesetzt, während alle, die weniger als 500 Gulden besaßen, mit einer Kopfsteuer von */,< Gulden belegt wurden. Wer mehr als 1000 Gulden besaß, sollte vom Überschuß nach seiner „Andacht", d. h. seinem Ermessen, geben. Die Kopfsteuer sollte für jeden mit dem vollendeten 15. Lebensjahr beginnen, was man auf das ribuarische Recht zurückführen möchte, wenn nicht in dem Trier-Kölnischen RA. von 1512 (ebd. 2,138 f.) der Beginn der Steuerpflicht auf das vollendete 12. Jahr gesetzt wäre. Der gemeine Pfennig wurde ursprünglich nicht bloß für das Reichsheer, sondern auch Air den Unterhalt des Reichskammergerichts und des Reichsregiments (N. Samml. 2, 82) bestimmt. * Vgl. ZEÜMER, Städtesteuern 153 ff. Über ältere Anschläge für das Reichskammergericht vgl. § 74, n. 8. Die Anschläge wurden eine Zeitlang neben militärischen Zwecken auch fiir das Reichsregiment bestimmt. Vgl. N. Samml. 2,205.246. ' V g l . § 8 0 , n . 2.
Gesch. 1, 164 ff. 172 ff.
PÖTTER,
a. a. 0 .
78. 122.
EBDMANKSDSBFFBB,
Deutsche
§ 77. Das Reichspolizeiwesen.
839
Rendanten. Die Verausgabung der Gelder stand stellenweise unter strenger reichsständischer Aufsicht8. Die von Maximilian I. eingesetzte Hofkammer ist für das Reich nur von vorübergehender Bedeutung gewesen. § 77.
Das Reich9polizeiwesen.
Vgl. EICHHORN 4, 271 ff. 544 f. RA. von Worms 1495, §§ 36—44 (N. Samml. 2, 25 f., vgl. ebd. 28 f.), Lindau 1497, §§ 8—28. 33—46 (ebd. 31 ff.), Freiberg 1498, §§ 38—51 (ebd. 46 ff.), Augsburg von 1500, §§ 22—34 (ebd. 77 ff., vgl. 54 ff.), Trier und Köln 1512, Tit. 4, §§ 1—20 (ebd. 141 ff.), Nürnberg 1524, §§ 25—28 (ebd. 257 f.), Speier 1529, § 9 (ebd. 294). Eine in dem mittelalterlichen Staate nur den Stadtverwaltungen bekannte Aufgabe, die Fürsorge für das allgemeine Wohl, wurde nach dem Vorgang verschiedener dem 15. Jahrhundert angehörenden „Landesordnungen" seit dem Wormser Reichstag von 1495 als eine der wesentlichsten Aufgaben der Reichsgesetzgebung angesehen. Man faßte alles dahin Gehörige unter dem weiten Begriff der Polizeiordnung zusammen1 und verstand darunter namentlich Vorschriften über Kleidertrachten und Gastereien, Maßregeln gegen die Ausschreitungen des fahrenden Volkes sowie gegen Unzucht, Kuppelei, Gotteslästerung, überhaupt Störung des kirchlichen Friedens, Wucher, Mißbräuche in Handel und Wandel; auch Lehrlings- und Gesellenwesen, Bücherzensur, bezüglicher Bankerott, Apotheken- und Vormundschaftswesen wurden allmählich in den Bereich der Polizeiordnungen gezogen. Einen Hauptgegenstand bildete aber die Regelung des Münzwesens2. Die Prägungen von Reichs wegen hatten längst aufgehört. Jetzt handelte es sich darum, die Münzherren an die Beobachtung eines bestimmten Münzfußes zu binden und ihre Prägungen unter die Aufsicht des Reiches zu nehmen. Zur Ausübung der letzteren bediente man sich der Kreisverfassung. Die Reichskreise wurden angewiesen, jährliche Münzprobationstage abzuhalten, auch wurden besondere Kreismünzstätten eingerichtet, an denen die nicht im Besitz eigener Bergwerke befindlichen Reichsstände unter Aufsicht besonderer Kreisbeamten ihre Prägungen vorzunehmen hatten 3 . Nach der Münzordnung von 1559, durch welche die älteren MünzVgl. die ständige Wahlkapitulation von 1711, Art. 5 (N. Samml. 4, 236). Über den Sprachgebrauch vgl. EICHHORN 4, 272, Anm. a. Die erste vollständige Polizeiordnung kam 1530 auf dem Augsburger Reichstag zustande (ebd. 332 ff.), die zweite ebenda 1548 (ebd. 587 ff.), die dritte 1577 zu Frankfurt (ebd. 3, 879 ff.). Der Landesgesetzgebung wurde gestattet, die RPO. zu ermäßigen, also Ausnahmen zu machen, dagegen wurde verboten, sie landesgesetzlich zu vermehren. 1 Vgl. v. PBAÜN, Gründl. Nachricht von dem Münzwesen, 1784. GEBSTLACHEB, 9, 1475—1697. ZAOHABIÄ, Deutsches Staats- u. Bundesrecht' 2, 372 ff. 8 Vgl. WÜTTKE, Die Probationsregister des obersächsischen Kreises, Wiener numismat. Zeitschr. 29. 8
1
§ 77. Das Reichspolizeiwesen.
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Rendanten. Die Verausgabung der Gelder stand stellenweise unter strenger reichsständischer Aufsicht8. Die von Maximilian I. eingesetzte Hofkammer ist für das Reich nur von vorübergehender Bedeutung gewesen. § 77.
Das Reich9polizeiwesen.
Vgl. EICHHORN 4, 271 ff. 544 f. RA. von Worms 1495, §§ 36—44 (N. Samml. 2, 25 f., vgl. ebd. 28 f.), Lindau 1497, §§ 8—28. 33—46 (ebd. 31 ff.), Freiberg 1498, §§ 38—51 (ebd. 46 ff.), Augsburg von 1500, §§ 22—34 (ebd. 77 ff., vgl. 54 ff.), Trier und Köln 1512, Tit. 4, §§ 1—20 (ebd. 141 ff.), Nürnberg 1524, §§ 25—28 (ebd. 257 f.), Speier 1529, § 9 (ebd. 294). Eine in dem mittelalterlichen Staate nur den Stadtverwaltungen bekannte Aufgabe, die Fürsorge für das allgemeine Wohl, wurde nach dem Vorgang verschiedener dem 15. Jahrhundert angehörenden „Landesordnungen" seit dem Wormser Reichstag von 1495 als eine der wesentlichsten Aufgaben der Reichsgesetzgebung angesehen. Man faßte alles dahin Gehörige unter dem weiten Begriff der Polizeiordnung zusammen1 und verstand darunter namentlich Vorschriften über Kleidertrachten und Gastereien, Maßregeln gegen die Ausschreitungen des fahrenden Volkes sowie gegen Unzucht, Kuppelei, Gotteslästerung, überhaupt Störung des kirchlichen Friedens, Wucher, Mißbräuche in Handel und Wandel; auch Lehrlings- und Gesellenwesen, Bücherzensur, bezüglicher Bankerott, Apotheken- und Vormundschaftswesen wurden allmählich in den Bereich der Polizeiordnungen gezogen. Einen Hauptgegenstand bildete aber die Regelung des Münzwesens2. Die Prägungen von Reichs wegen hatten längst aufgehört. Jetzt handelte es sich darum, die Münzherren an die Beobachtung eines bestimmten Münzfußes zu binden und ihre Prägungen unter die Aufsicht des Reiches zu nehmen. Zur Ausübung der letzteren bediente man sich der Kreisverfassung. Die Reichskreise wurden angewiesen, jährliche Münzprobationstage abzuhalten, auch wurden besondere Kreismünzstätten eingerichtet, an denen die nicht im Besitz eigener Bergwerke befindlichen Reichsstände unter Aufsicht besonderer Kreisbeamten ihre Prägungen vorzunehmen hatten 3 . Nach der Münzordnung von 1559, durch welche die älteren MünzVgl. die ständige Wahlkapitulation von 1711, Art. 5 (N. Samml. 4, 236). Über den Sprachgebrauch vgl. EICHHORN 4, 272, Anm. a. Die erste vollständige Polizeiordnung kam 1530 auf dem Augsburger Reichstag zustande (ebd. 332 ff.), die zweite ebenda 1548 (ebd. 587 ff.), die dritte 1577 zu Frankfurt (ebd. 3, 879 ff.). Der Landesgesetzgebung wurde gestattet, die RPO. zu ermäßigen, also Ausnahmen zu machen, dagegen wurde verboten, sie landesgesetzlich zu vermehren. 1 Vgl. v. PBAÜN, Gründl. Nachricht von dem Münzwesen, 1784. GEBSTLACHEB, 9, 1475—1697. ZAOHABIÄ, Deutsches Staats- u. Bundesrecht' 2, 372 ff. 8 Vgl. WÜTTKE, Die Probationsregister des obersächsischen Kreises, Wiener numismat. Zeitschr. 29. 8
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Die Neuzeit.
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Ordnungen aufgehoben wurden4, bildete die kölnische Mark (S. 526) die Grundlage für alle Gold- und Silbermünzen. Aus der Mark zu 14 Lot 16 Grän reinen Silbers und 1 Lot 2 Grän Kupferzusatz wurden 9 1 j 2 Reichsgulden (auch Speziesgulden) zu 60 und 19 halbe Reichsgulden zu 30 Kreuzern geprägt. An Goldgulden sollten auf die Mark zu 18 Karat 6 Grän 72 Stück ausgebracht werden, außerdem wurde die mehrfach übliche Ausprägung von Dukaten (67 Stück auf die Mark zu 23 Karat 8 Grän) gestattet. Das Wertverhältnis von Gold zu Silber wurde nur im Höchstbetrag festgesetzt, indem ein Dukaten höchstens zu 104, ein Goldgulden höchstens zu 75 Kreuzern gerechnet werden sollte. Die Münzen trugen auf der einen Seite das Reichs-, auf der andern das Landesmünzzeichen6. Andere als die im Gesetz aufgeführten Münzen durften nicht geprägt werden, nur Heller und Pfennige blieben Landessache. Für alle Münzen bestand innerhalb des ganzen Reiches Annahmezwang, für Scheidemünzen aber nur bis zum Betrag von 25 Gulden. Die Ausfuhr inländischer Münzen ins Ausland und die Verwendung ausländischer Münzen innerhalb des Reiches wurde verboten. Die älteren inländischen Münzen wurden gesetzlich tarifiert. Verstöße gegen die Reichsmünzordnung wurden mit Suspension, unter Umständen selbst mit Entziehung des Münzrechts bedroht. Der Augsburger RA. von 1566 6 gestattete für den Binnenverkehr der einzelnen Territorien auch „ihre sonderbare Landmünzen" und verlangte nur, daß diese auf den Gehalt und Wert der Reichsmünzen reguliert und geordnet und der Aufsicht der Münzprobationstage unterstellt würden. Damit war den Münzeinungen, zu denen die Kreise ohnehin neigten, Raum gegeben7. Die folgenreichste Münzeinung war die 1690 zu Leipzig zwischen Kurbrandenburg, Kursachsen und Braunschweig- abgeschlossene8, durch die der sogenannte Leipziger Münzfuß begründet wurde. Diese knüpfte an den alten 1566 ausdrücklich zugelassenen „Thaler" (Reichs- oder Speziesthaler) zu 68 Krz., von dem neun auf die Mark feinen Silbers ausgebracht wurden, an und teilte ihn in 2 Gulden zu je 60 Krz.; die Neugulden beruhten also auf dem 18 Gulden-Fuß. Neben den Gulden wurden auch Thaler zu 90 Krz., 12 auf die Mark fein, geprägt. Dieser Münzfuß wurde 1738 zum Reichsmünzfuß erklärt9, gelangte aber als solcher nicht zur Durchführung. Dagegen kam es 1753 zu einer Münzkonvention zwischen Osterreich und Baiern auf Grundlage des 20 Gulden4
N. Samml. 3, 186 ff. Vgl. Goldmttnzordnung von 1495, ebd. 2, 27, und die
Reichsmünzordnungen von 1524 und 1548/51 (2, 261 ff. 616 ff. 634 f.). 5
So schon nach der Ordnung von 1495.
' GEHSTLACHEB 9, 1489. 7
Über den MQnzverband des schwäbischen, fränkischen und baierischen
Kreises vgl. LANOWEBTH y. SIHMEBN, a. a. 0 . (S. 825) 293 ff. 8
Sie schloß sich an den 1667 zwischen Brandenburg und Sachsen vereinbarten Zinnaer Münzfuß an. * GEBSTLACHEB 9, 1511 ff.
§ 78. Die Territorien.
841
fußes (Konventionsmünzfuß), während Preußen 1764 den 21 Guldenfaß (Graumannseher Münzfuß) einführte 10 . Eine Nebenart des Konventionsmünzfußes war der 24 Guldenfuß, der erst 1838 durch eine Münzkonvention der südwestdeutschen Staaten in einen 24 y 2 Guldenfuß, den sogenannten rheinischen Münzfuß, umgewandelt wurde 11 . Eine ebenfalls unter den Begriff der Reichspolizei fallende Neuerung war das Postwesen 12 . Es war niederländischen Ursprungs und zunächst nur zur Verbindung der burgundisch-habsburgischen Länder mit der österreichischen Hauptstadt bestimmt. Unter der Leitung der Herren von Taxis, die anfangs burgundische Beamte waren, 1595 aber die Bestallung als Reichsgeneralpostmeister erhielten, wurde das Postwesen allmählich auf das ganze Reich ausgedehnt. Die Kurfürsten hatten die Post schon 1570 als kaiserliches Regal anerkannt, doch wurde dem Kaiser das ausschließliche Recht zur Einrichtung neuer Posten schon im 17. Jahrhundert seitens der Reichsstände bestritten. Seit 1615 waren die Grafen von Taxis (seit 1754 Fürsten von Thum und Taxis) erblich mit dem Reichsgeneralpostamt als Reichsregal belehnt, doch kam letzteres nur teilweise zur Durchführung, da in Österreich, Kurbrandenburg, Kursachsen und einigen anderen Ländern eigene Landesposten errichtet wurden. § 78.
Die Territorien.
Vgl. S. 585 ff. EICHHOBN 3, 223—284. 4, 251 ff. 290 f. 316 ff. 549 ff. v. DANIELS,
Handbuch 4, 547 ff. v. SECKENDOBFF, Deutscher Fiirstenstaat, 1656. CAESARINOS FUERSTENEBIUS (G. W. LEIBNIZ), De iure suprematus et legationis principum 6erm a n i a e , 1677.
PFEFFINOEB, V i t r i a r i u s illustratus 3, 1052—1520. 4, 1—228.
PÖTTER,
HUt. Entwickelung 1, 324 ff. 2, 82 ff. 156 ff. 167 ff. 3, 258 ff. MOSER, Von der Landeshoheit in Regierungssachen, 1772; Von der deutschen Reichsst&nde Landen, 1769; Von der deutschen Unterthanen Rechten und Pflichten, 1744. E. S. ZACHARIÄ, Geist der deutschen Territorialverfassung, 1800. TEZNEB, Technik u. Geist des st&ndisch-monarch. Staatsrechts, 1901. v. ROTH, Staatsrecht deutscher Reichslande, 2 B d e , 1790—92. HELD, S t a a t u n d G e s e l l s c h a f t 2, 393 ff. WALTEB, D R G . § § 362—74. 642. ZÖPFL, D R G . 1 2, 413 ff. SCHULTE, D R G . § 102. y . MACBEB, F r o n h ö f e 2, 242 ff.
BEBGHAUS, Deutschland vor 100 Jahren, 2 Bde, 1859—1860.
v. D. NAHMER, Hand-
10
Aus der 12 lötigen Mark Silbers wurden 14 Thaler geprägt, der Thaler zerfiel in 24 Groschen, dieser in 12 Pfennige. Gleichzeitig wurde als preußische Goldmünze der Friedrichsd'or im Werte von 5 Thalern Gold eingeführt, ohne das Wertverhältnis desselben zu dem Thaler Silber gesetzlich festzustellen. Gold- und Silberwährung bestanden demnach selbständig nebeneinander, die erstere nur für solche Fälle wo die Zahlung vertragsmäßig oder gesetzlich in Golde geleistet werden mußte. Wo Silber zu leisten war, konnte die Annahme von Gold nicht verlangt werden. Vgl. SOETBEEB, Deutsche Miinzverfassung (1874) 1 f. » Vgl. § 84, n. 18. " Vgl. EICHHOBN 4 , 276 f.
GERSTLACHEB 9 , 1697 ff. PÜTTER, V o m
Reichs-
postwesen, 1790. KLCBEP, Das Postwesen in Deutschland, 1811. FLEOLEB, Zur Geschichte der Posten, 1858. HARTHANN, Entwickelungsgeschichte der Posten, 1867. Über die Anfänge eines deutschen Postwesens im 15. Jahrhundert vgl. BETTOENHÄÜSER, Die Mainz-Frankfurter Marktschiffahrt, 1896.
§ 78. Die Territorien.
841
fußes (Konventionsmünzfuß), während Preußen 1764 den 21 Guldenfaß (Graumannseher Münzfuß) einführte 10 . Eine Nebenart des Konventionsmünzfußes war der 24 Guldenfuß, der erst 1838 durch eine Münzkonvention der südwestdeutschen Staaten in einen 24 y 2 Guldenfuß, den sogenannten rheinischen Münzfuß, umgewandelt wurde 11 . Eine ebenfalls unter den Begriff der Reichspolizei fallende Neuerung war das Postwesen 12 . Es war niederländischen Ursprungs und zunächst nur zur Verbindung der burgundisch-habsburgischen Länder mit der österreichischen Hauptstadt bestimmt. Unter der Leitung der Herren von Taxis, die anfangs burgundische Beamte waren, 1595 aber die Bestallung als Reichsgeneralpostmeister erhielten, wurde das Postwesen allmählich auf das ganze Reich ausgedehnt. Die Kurfürsten hatten die Post schon 1570 als kaiserliches Regal anerkannt, doch wurde dem Kaiser das ausschließliche Recht zur Einrichtung neuer Posten schon im 17. Jahrhundert seitens der Reichsstände bestritten. Seit 1615 waren die Grafen von Taxis (seit 1754 Fürsten von Thum und Taxis) erblich mit dem Reichsgeneralpostamt als Reichsregal belehnt, doch kam letzteres nur teilweise zur Durchführung, da in Österreich, Kurbrandenburg, Kursachsen und einigen anderen Ländern eigene Landesposten errichtet wurden. § 78.
Die Territorien.
Vgl. S. 585 ff. EICHHOBN 3, 223—284. 4, 251 ff. 290 f. 316 ff. 549 ff. v. DANIELS,
Handbuch 4, 547 ff. v. SECKENDOBFF, Deutscher Fiirstenstaat, 1656. CAESARINOS FUERSTENEBIUS (G. W. LEIBNIZ), De iure suprematus et legationis principum 6erm a n i a e , 1677.
PFEFFINOEB, V i t r i a r i u s illustratus 3, 1052—1520. 4, 1—228.
PÖTTER,
HUt. Entwickelung 1, 324 ff. 2, 82 ff. 156 ff. 167 ff. 3, 258 ff. MOSER, Von der Landeshoheit in Regierungssachen, 1772; Von der deutschen Reichsst&nde Landen, 1769; Von der deutschen Unterthanen Rechten und Pflichten, 1744. E. S. ZACHARIÄ, Geist der deutschen Territorialverfassung, 1800. TEZNEB, Technik u. Geist des st&ndisch-monarch. Staatsrechts, 1901. v. ROTH, Staatsrecht deutscher Reichslande, 2 B d e , 1790—92. HELD, S t a a t u n d G e s e l l s c h a f t 2, 393 ff. WALTEB, D R G . § § 362—74. 642. ZÖPFL, D R G . 1 2, 413 ff. SCHULTE, D R G . § 102. y . MACBEB, F r o n h ö f e 2, 242 ff.
BEBGHAUS, Deutschland vor 100 Jahren, 2 Bde, 1859—1860.
v. D. NAHMER, Hand-
10
Aus der 12 lötigen Mark Silbers wurden 14 Thaler geprägt, der Thaler zerfiel in 24 Groschen, dieser in 12 Pfennige. Gleichzeitig wurde als preußische Goldmünze der Friedrichsd'or im Werte von 5 Thalern Gold eingeführt, ohne das Wertverhältnis desselben zu dem Thaler Silber gesetzlich festzustellen. Gold- und Silberwährung bestanden demnach selbständig nebeneinander, die erstere nur für solche Fälle wo die Zahlung vertragsmäßig oder gesetzlich in Golde geleistet werden mußte. Wo Silber zu leisten war, konnte die Annahme von Gold nicht verlangt werden. Vgl. SOETBEEB, Deutsche Miinzverfassung (1874) 1 f. » Vgl. § 84, n. 18. " Vgl. EICHHOBN 4 , 276 f.
GERSTLACHEB 9 , 1697 ff. PÜTTER, V o m
Reichs-
postwesen, 1790. KLCBEP, Das Postwesen in Deutschland, 1811. FLEOLEB, Zur Geschichte der Posten, 1858. HARTHANN, Entwickelungsgeschichte der Posten, 1867. Über die Anfänge eines deutschen Postwesens im 15. Jahrhundert vgl. BETTOENHÄÜSER, Die Mainz-Frankfurter Marktschiffahrt, 1896.
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Die Neuzeit.
buch des rhein. Partikularrechts III. 1832. PEBTHES, Das deutsche Staatsleben vor der Revolution, 1845. HÄCSSEB, Deutsche Geschichte* 1, 91 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 1, 642 ff. 781 f. 801ff.839 f. 2, 855 ff. 3, 691 ff. 763 ff. R I T T E S , Deutsche Geschichte 1, 27ff.256ff.— SCHRÖTTER, Fünf Abhandlungen aus dem österreichischen Staatsrecht, 1762 ff. v. LUSCHIN, Österr. Reichsgeschichte 263 ff. 393—482 (vgl. SOHREUEB, Kr. VJSchr. 3. Folge 3, 177 ff.); Geschichte d. Gerichtsw. in Österreich 273 ff. ADLEB, Organisation der Central Verwaltung unter Maximilian I., 1886. ROSENTHAL, Behördenorganisation Ferdinands I., 1887. SEIDLEB, Studien z. Gesch. u. Dogmatik d. österr. Staatsrechts (1894) 70—188. T E Z N E R , Landesfiirstl. Verwaltungsrechtspflege in Österreich, I. 1898 (GRÜNHUT'S Zeitschr. 24, 459 ff.). Beiträge z. Geschichte der niederösterreich. Statthaiterei, 1897. W O L F , Die Hofkammer Leopolds I., Wien. SB. 1853. NEUDEQQER, Geh. Rats- u. Hofexpeditions-Reformation in Österreich (1611—1615), 1898. v. HOCK u. BIEDERMANN, Der österr. Staatsrat, 1868—79. H I N T Z E , Der österr. Staatsrat im 16. u. 17. Jh., ZRG. 21, 137 ff. B E I D T E L , Über österr. Zustände 1740-92, Wien. SB. 1851, 2, 707 ff. 806 ff.; Veränderungen in den Feudalverhältnissen der österr. Staaten, ebd. 1852, 2, 925 ff. 1853, 2, 486 ff.; Geschichte d. österr. Staatsverwaltung 1740—1848, 2 Bde, 1896—98. S. ADLEB, Das GQltbuch von Nieder- u. Oberösterreich, 1898. v. DOMIN-PETBUSHEVEOZ, Neuere österr. Rechtsgeschichte, 1869. M E L L , Lage des steirischen Unterthanenstandes, 1896. VANCSA, Die ältesten Steuerbekenntnisse der Stände in Österreich u. d. E., Mitt. d. öst. Inst., Erg. 6, 458 ff. v. SARTORI-MONTECROCE, Beiträge z. österr. Reichs- u. Rechtsgeschichte I I . 1902. HINTZE, Der Österreich, u. d. preuß. Beamtenstaat im 17. u. 18. Jh., Hist. Zeitschr. 86, 401 ff. H . SCHULZE, Das preuß. Staatsrecht 9 , 2 Bde, 1888—1890 (1, 225 n. Litteraturangaben). BOENHAK, Gesch. d. preuß. Verwaltungsrechte, 3 Bde, 1884—86. ISAACSOHN, Gesch. d. preuß. Beamtentums, 8 Bde, 1874—84. E. LÖNINO, Gerichte u. Verwaltungsbehörden in BrandenburgPreußen, Verwaltungsarchiv 2, 217 ff. 437 ff. 3, 94 ff. 510 ff. SCHMOLLER, KBAUSKE, L Ö W E U. HINTZE, Behördenorganisation u. allg. Staatsverwaltung Preußens im 18. Jh. 1. II. 1 8 9 4 — 9 8 . VI. 1 . 2 . 1 9 0 1 . SCHHOLLEB, Umrisse u. Untersuchungen z. Verfassungs-, Verwaltungs- u. Wirtsch. - Geschichte, besonders des preuß. Staates im 1 7 . u. 1 8 . Jh., 1 8 9 8 ; Studien über die Wirtsch.-Politik Preußens 1 6 8 0 — 1 7 8 6 , Jahrb. f. Gesetzgeb. i. Deutsch. Reiche 8. 10. 11; Innere Verwaltung d. preuß. Staates unter Friedrich Wilhelm I., Preufi. Jahrb. 26; Städtewesen unter Friedrich Wilhelm L , Zeitschr. f. preuß. Gesch. 8 . 1 0 — 1 2 . ERDMANNSDÖBFFEB, Graf Waldeck 4 2 ff. K O S E B , Friedrich d. Gr. 1 , 3 2 1 — 3 8 8 . 3 9 4 ff. PHILIPPBON, Gesch. d. preuß. Staatswesens vom Tode Friedrichs d. Gr. bis 1 7 9 7 , 2 Bde, 1 8 8 0 — 8 2 . ZACKBZEWSKI, Die preuß. Reformen der ländlichen Steuern im 18. Jh. (SCHMOLLEB'S Forschungen 7, 2. 1887). W. SCHÜLTZE, Geschichte d. preuß. Regieverwaltung 1 7 6 6 — 1 7 8 6 (ebd. 7 , 3 . 1 8 8 8 ) . ALTHANN, Ausgewählte Urkunden z. brand.-preuß. Verfassungs- u. Verwaltungsgeschichte 1, 1 8 9 7 . BBEYSIG, Geschichte d. brandenburg. Finanzen 1 6 4 0 bis 1697, 1, 1895 (a. u. d. T.: Urkunden u. Aktenstücke z. Gesch. d. inneren Politik des Kurfürsten Friedr. Wilhelm von Brandenburg). Materialien u. Forschungen z. Wirtschafts- u. Verw.-Gesch. Ost- u. Westpreußens, seit 1 8 9 8 . H O R N , Verwaltung Ostpreußens seit der Säkularisation, 1 8 9 0 . FALCK, Schlesw.-Holst. Privatrecht 2. 3. (1831—38). W A L T E B , Das alte Erzstift u. die Reichsstadt Köln, 1866. RITTER, Zur Geschichte deutscher Finanzverwaltung im 16. Jh., Zeitschr. d. berg. Gesch.Vereins 20. v. BELOW U. G E I C H , Quellen z. Gesch. d. Behördenorgauisation in Jülich-Berg im 16. Jh., ebd. 30, 8 ff. v. B E L O W , Landtagsakten von Jülich und Berg 1, 1895; Die landständische Verfassung in Jülich u. Berg 3, 1890-91; Neuorganisation der Verwaltung i. d. deutschen Territorien des 16. Jh. (Territorium u. Stadt 283—298, zuerst Hist. Taschenbuch 1887, S. 303 ff.); Ursprung der Gutsherrschaft (Terr. u. Stadt 1 ff.); HB. d. Staats-Wiss., Suppl. 2, 461 ff.; Untergang d. mittelalterl. Staatewirtschaft, JBB. f. Nationalök. u. Stat. 76, 449 ff. 593 ff. SCHOTTHÜU.ER, Organisation der Centraiverwaltung in Kleve-Mark vor 1609 (SCHHOLLEB'S Forschungen 14, 4. 1896). v. M E I E B , Hannov. Verf.- u. Verw.-Gesch. 1680—1866,
§ 78. Die Territorien.
1. Übersicht.
843
2 Bde, 1898—1899. SPANQENBEBQ, Beitr. z. ält. Verf.- u. Verw.-Gesch. d. Fürstent. Osnabrück, Mitteil. d. Ver. f. d. Gesch. v. Osnabrück 25, 1—137. BÄR, Verw.Geschichte d. Reg.-Bez. Osnabrück, 1901. RACHFAHL, Organisation der Gesamtstaatsrerwaltung Schlesiens vor dem 30jährigen Kriege (ebd. 13, 1. 1894). SPAHN, Verfassungß- u. Wirtsch.-Gesch. d. Herzogtums Pommern 1478—1625 (ebd. 14, 1. 1895). y. B I L O W , Geschichtl. Entwickelang d. Abgabenverhältnisse in Pommern, 1843. — ROSENTHAL, Gesch. d. Gerichtswesens u. d. Verwalt-Organisation Baierns 409 ff. HOFFMANN, Geschichte d. direkt. Steuern in Baiern, 1883 (SCHHOLLER'S Forschungen 4 , 5). v. FBEYBERO, Pragmat. Gesch. d. baier. Gesetzgebung und Staatsverwaltung seit Maximilian I., 4 Bde, 1836—39. P Ö Z L , Bayerisches Verfassungsrecht 4 (1870) 3 ff. EID, Hof- u. Staatsdienst im Herzogt. Pfalz-Zweibrücken 1444 bis 1604, Mitteil. d. Hist. Ver. d. Pfalz 21. NEUDEQQEE, Beiträge z. Gesch. der Behördenorganisationen, 1887 — 98; Gesch. d.bayer. Archive, 1—4,1881—82(Archival. Zeitschr. 6. 7. NF. 1. 2. 4). 5, 1896; Hof-u. Staatspersonaletats der Wittelsbacher, Zeitschr. d. hist. Ver. f. Niederbaiern 26; Zur Geschichte der Reichsherrschaft Laber auf dem Nordgau, 1902. C . F. v. STALIN, Wirtemberg. Geschichte 4, 710 ff. BÖHLAU, Mecklenburgisches Landrecht 1, 90—172; Fiskus, landesherrliches und LandesVermögen in Mecklenburg, 1877 (Rostocker Progr. 1875). BAUMANN, Die Territorien des Seekreises 1800 (Badische Neujahrsblätter 1894). FABBICIÜS, Erläuterungen zum geschichtl. Atlas der Rheinprovinz 2, 1898. WUTTKJE, Einführung der Landaccise in Kursachsen, Heidelb. Diss. 1890. OPPEBHANN, Das sächsische Amt Wittenberg im Anfang des 16. Jh., 1897. B£SCHOBNEB, Das sächsische Amt Freiberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts, 1897. BBANDENBUBO, Moritz von Sachsen, I . 1898. KMIOTEK, Siedelung u. Waldwirtschaft im Salzforst, 1900 (SCHANZ, Wirtschafte- u. Verwaltungsstudien VIII.). SCHUTTES, Verfassung u. Verwalt. der belg. Provinzen Josephs II., Festgaben f. M. Büdinger, 1898, S. 381 ff. 1. Ü b e r s i c h t . Der noch in der zweiten Hälfte des Mittelalters in den Landvogteien zusammengefaßte Besitz des Reiches an unmittelbaren Reichslanden war durch Verleihung, Verpfändung oder Verjährung dahingeschwunden. Der Kaiser übte im Reiche nur noch oberherrliche Rechte aus, während die unmittelbare Landesherrschaft in anderen Händen ruhte. Selbst in den als Trümmer der Landvogteien übrig gebliebenen Reichsdörfern (§ 80) gab es kein unmittelbares kaiserliches Regiment mehr. Zu der Klasse der Reichsunmittelbaren gehörten, abgesehen von den Reichsbeamten, jetzt nur noch die Herrschenden; alle übrigen waren landsässig, d. h. einer Landesherrschaft unterworfen und dem Reiche nicht „ohne Mittel unterthan"1. Den Hauptbestandteil des Reiches bildeten die reichsständischen Territorien, deren Inhaber Sitz und Stimme auf dem Reichstag hatten. Dazu kamen die reichsunmittelbaren Herrschaften ohne Reichsstandschaft und die sogenannten Rezeßherrschaften. Die reichsständischen Territorien hatten mit Ausnahme der Reichsstädte und der zu diesen gehörigen Landgebiete ausschließlich monarchische Verfassung. Sie zerfielen, je nach ihrem Stimmrecht im Reichstag, in Kurfürstentümer, Fürstentümer und nichtfürstliche Territorien der Prälaten, Grafen und Herren. Mit Ausnahme Böhmens und seiner Nebenländer 1
Die nicht zur Regierung gelangten ebenbürtigen Familienglieder der landesherrlichen Häuser galten nicht als Unterthanen, sondern blieben reichsunmittelbar. Vgl. SCHULZE, Erstgeburtsrecht 381.
Die Neuzeit.
844
waren sämtliche Territorien auf die zehn Keichskreise verteilt und in der Reichsmatrikel veranschlagt. Sie waren die ordentlichen Teilnehmer an der Reichsregierung und den Reichslasten. In entsprechender Weise nahmen sie durch die Kreisstandschaft an der Kreisregierung und den Kreislasten teil. Neben einfachen Territorien gab es zusammengesetzte unter demselben Landesherrn, umgekehrt auch Territorien, die mehreren Herren gemeinschaftlich gehörten (vgl. S. 822). Wo die Hoheitsrechte über ein Territorium geteilt waren, galt im Zweifel der Inhaber der Gerichtsbarkeit als der eigentliche Landesherr2. Die meisten Territorien waren lehnbar, die Fürstentümer Reichslehen, die nichtfürstlichen Territorien größtenteils Reichsafterlehen, einige auch Allode oder unmittelbare Reichslehen. Der frühere formelle Unterschied zwischen Scepter- und Fahnlehen bestand nicht mehr, seit die Form der Belehnung für beide die gleiche geworden war3. Hinsichtlich der Entwickelung der landesherrlichen Gewalt standen sich alle reichsständischen Territorien gleich, der frühere Gegensatz der kurfürstlichen, fürstlichen und gräflichen Territorien hatte sich verloren4. Die reichsunmittelbaren Herrschaften ohne Reichsstandschaft5 gehörten größtenteils der Korporation der Reichsritterschaft (§ 80) an. Außerdem gab es etwa dreißig, die mit reichsständischen Territorien verbunden oder im Besitz von reichsständischen Nebenlinien waren; andere gehörten reichsunmittelbaren Stiftern oder weltlichen Herren, die ihre Reichsstandschaft wieder verloren hatten oder überhaupt nicht dazu gelangt waren6. Alle diese Herrschaften befanden sich außerhalb der Kreise, hatten also auch keine Kreisstandschaft. Ein reichsmatrikularmäßiger Anschlag bestand ' Vgl. S. 587. EICHHOBN 4, 263. Die Strafgerichtsbarkeit allein war dafür nicht ausreichend. Vgl. JPO. 5, § 44: Sola crimmalis iurisdictio, centgericht, soiumque im gladii et retentionis, patronatus, filialitatis neque comimotim neque divisim itts reformandi tributmt. Über Eigen- oder Unterherren innerhalb der Territorien vgl. S. 597 n. 8 Vgl. 794. Unter Karl V. standen noch die alten Formen in Gebrauch. Vgl. RA. von 1521, § 4 (N. Samml. 2, 173). * Vgl. JPO. 8, §§ 1. 2. 4. Ein eigentümliches Privileg, das der Pfalzgraf auf Grund eines ihm angeblich frfiher verliehenen Regals in allen Ländern des fränkischen Rechts beanspruchte und teilweise auch bis zum 18. Jahrhundert behauptete, war das viel umstrittene, wahrscheinlich aus Frankreich eingewanderte W i l d f a n g r e c h t (droit daubame, ius albanagit), kraft dessen er jeden „herkommenden Mann" ohne „nachfolgenden Herrn", d. h. jeden schutzlosen Fremden, nachdem er sich Jahr und Tag im Lande aufgehalten hatte, als pfalzgrfiflichen Leibeigenen in Anspruch nahm. Der Fremde wurde durch einen pfalzgrfiflichen Büttel aufgefordert, den Treueid zu leisten und sich in das Leibsbederegister eintragen zu lassen. Vgl. S. 808. K. BRDNNEE , Der Fremde im germ. Rechtsstaate, Zeitschr. f. vergl. Rechts- u. Staatswissenschaft 2, 65 ff.; Der pfälzische Wildfangstreit, 1896. 5
EBDHANNSDÖBFFER, a. a. 0 . 1, 378 ff.
Auch unter den reichsständischen Territorien der Grafenkurien führten verschiedene bloß deu Titel „Herrschaft". Vgl. v. BOBCH, Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 44, 383 ff. s Vgl. BEBQHAUS, Deutschland vor hundert Jahren 2, 205 ff.
§ 78.
Die Territorien.
2. Die Hausgesetze.
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nur für wenige von ihnen; auch zu den Kammerzielern wurden die meisten nicht herangezogen. Eezeßherrschaften waren solche Gebiete, bei denen der ursprüngliche Landesherr seine Landeshoheit unter Vorbehalt bestimmter Hoheitsrechte und Wahrung seiner persönlichen Reichsunmittelbarkeit an einen benachbarten Fürsten abgetreten hatte 7 . Von den geistlichen Territorien und Herrschaften war infolge der Reformation eine große Zahl teils geradezu säkularisiert8, teils durch Glaubensänderung der Inhaber in weltliche Hände gekommen. Die darüber entstandenen Streitigkeiten wurden durch den westfälischen Frieden auf Grund des Besitzstandes vom 1. Jan. 1624 entschieden9. Durch den RDHSchl. von 1803 wurden alle geistlichen Territorien bis auf das neugeschaffene Kurfürstentum Regensburg und den Deutsch- und Johanniterorden der Säkularisation unterworfen10. 2. Die H a u s g e s e t z e . In den weltlichen Territorien brach sich mehr und mehr die staatsrechtliche Auffassung Bahn; mit dem privatrechtlichen System der Erbteilungen wurde gebrochen und die Primogeniturordnung eingeführt u . Für die Kurfürstentümer (aber nicht die mit ihnen verbundenen Nebenländef) war dies schon durch die Goldene Bulle, für Würtemberg durch kaiserliches Privileg, gleichzeitig mit der Erhebung der Grafschaft zum Herzogtum (1495), geschehen. Im übrigen erfolgte die Änderung überall im Wege der Hausgesetzgebung, nachdem sich die Autonomie der regierenden Häuser gegenüber dem Widerstand einer romanisierenden Jurisprudenz mühsam zu allgemeiner Anerkennung durchgerungen hatte 12 . Die anfangs für notwendig, später nur noch für zweck' Eine solche teilweise Mediatisierung hatte bei der stolbergischen Grafschaft Wernigerode gegenüber Preußen und den schönburgischen Herrschaften gegenüber Sachsen stattgefunden. Vgl. v. DANIELS, a. a. 0. 4, 616. 8 Vgl. D O V B , Realencyklopädie f. prot. Theol. u. Kirche2, 14, 47 f. RITTER, a. a. 0. 1, 82 f. 191 ff. • Vgl. S. 811 n. JPO. 5, §§ 14 f. 21 f. 25 f. Über den sogenannten geistlichen Vorbehalt des Augsburger Religionsfriedens vgl. § 88, Anm. 2 und RITTES, a. a. 0. 1, 83 f. 191. 472. Der geistliche Vorbehalt und eine mit ihm verbundene kaiserliche Deklaration bestimmte, daß Inhaber geistlicher Lehen im Fall einer Glaubensänderung Amt und Lehen verlieren, die evangelisch gewordenen Unterthanen aber bei ihrem Bekenntnis belassen bleiben sollten. Die Berechtigung der Kapitel, in denen die Protestanten die Mehrheit hatten, zur Wahl eines protestantischen Fürsten, der dann den Titel Stiftsadministrator führte, blieb stillschweigend aufrechterhalten, nur die Reichsstandschaft: dieser Administratoren war seit Rudolf II. bestritten, bis sie durch den westfälischen Frieden nach Maßgabe des Normaljahres 1624 anerkannt wurde. 10
11
Vgl. S. 779. 823.
DOVE, a . a . 0 .
5 1 f. 5 4 f.
Vgl. S . 589 f. SCHULZE, Recht der Erstgeburt 344 ff. Vgl. H. SCHULZE, a. a. 0. 358ff.; Hausgesetze der regierenden Fürstenhäuser, 3 Bde, 1862—83; bei STOBBE, Rechtsquellen 2, 498 ff. MOSER, FamilienStaatsrecht derer teutschen Reichsstände, 2 Bde, 1775. HEFFTER, Sonderrechte der vormals reichsständischen Häuser Deutschlands, 1871. BESELER, Erbverträge 2, 2 S. 17 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht °1, 413 ff. 3, 719 ff. MEJER, BESELER, GIERKE, 12
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Die Neuzeit.
mäßig erachtete kaiserliche Bestätigung wurde ausnahmelos eingeholt 13 . Die Gesuche gingen- an den Reichshofrat, der die rechtliche Zulässigkeit zu begutachten und die Interessen der ungeborenen Familienglieder wahrzunehmen hatte. Die Entscheidung über eingelegte Widersprüche erfolgte durch den Kaiser persönlich. Die heute üblichen Kodifikationen der Hausgesetze waren vor 1806 unbekannt, man begnügte sich mit einzelnen Dispositionen in Haus-, Ehe-, Erbverträgen oder letztwilligen Verfügungen. Hauptsächlich handelte es sich um die Regelung der Successionsordnung, Apanagen und Sekundogenituren für die jüngeren Linien (in den katholischen Häusern gewährten die Kanonikate eine erwünschte Versorgung), Vormundschaft über die unmündigen Familienglieder 14 , Mißheiraten (S. 805 f.), Wittum und Heimsteuer für die Frauen und Töchter. Von besonderer Bedeutung für die Territorialverhältnisse waren die Erbverbrüderungen, durch die sich die vertragschließenden Häuser gegenseitig für den Fall des Aussterbens zu Erben einsetzten 15 . Soweit die Rechte der Agnaten durch ein Hausgesetz berührt wurden, war ihre Zustimmung erforderlich; die männlichen Descendenten mußten ebenfalls gehört werden, wenn auch prinzipielle Widersprüche derselben (z. B. gegen das Prinzip des Erstgeburtsrechts) unberücksichtigt blieben. Unmündigen Familiengliedern wurden seitens des Reichshofrates oder Reichskammergerichts für die erforderlichen Verhandlungen Spezialvormünder gesetzt. Der Zustimmung der Landstände bedurfte es nur, wo diese überhaupt das Mitwirkungsrecht bei wichtigeren Landesakten besaßen; aus Zweckmäßigkeitsgründen wurde sie nicht selten auch ohne rechtliche Verpflichtung- eingeholt. Das Recht der Erstgeburt, das sich in der Regel zugleich auf die Stammgüter des Hauses („Hausfideikommiß") miterstreckte und nur das freie (Schatull-)Vermögen unberührt ließ, wurde hausgesetzlich zuerst für die gesamten brandenburgischen Länder durch Familienstatut des Kurfürsten Albrecht Achilles (die „Achillea") vom 22. Februar 1473 (vom Kaiser bestätigt 24. Mai d. J.) festgesetzt1S. Dieses Familienstatut, dessen i. d. Zeitschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht 5, 229 ff. 540 ff. 557 ff. Wilda in Weisks's Rechtslexikon 1, 555 ff. K . Mauser bei B l ü n t s c h u u. B r a t e r , Staats- W B . 1, 611 ff.
18 Die Romanisten verlangten eine lex specialis in der Form eines kaiserlichen Privilegs. Seit POttbb u. Moser galt die Einholung der kaiserlichen Bestätigung nur noch für zweckmäßig, aber nicht mehr für unentbehrlich. w Vgl. Kraut, Vormundschaft 3, 140 ff. 15 Vgl. Bebeles, ErbvertrSge 2, 2 8. 90 ff. £. Löning, Erb Verbrüderungen zwischen Sachsen, Hessen, Brandenburg, 1867. M Vgl. § 50, n. 16. Die fränkischen Lande (Markgrafschaft Ansbach und Markgrafschaft Kulmbach oder Baireuth, oder „auf dem Gebirge") sollten eine Sekundo- und Tertiogenitur bilden, alle übrigen Besitzungen des Hauses unteilbar mit der Kurmark verbunden bleiben. Durch Vertrag mit dem unbeerbten letzten Sprossen der fränkischen Linie, Markgraf Christian Friedrich Karl Alexander, wurden beide Fürstentümer noch bei dessen Lebzeiten (1791) mit dem preußischen Staate vereinigt Der fränkische rote Adlerorden wurde infolgedessen zum zweiten preußischen Hausorden (nach dem schwarzen Adlerorden) erklärt.
§ 78. Die Territorien.
3. Inhalt der landesherrlichen Gewalt.
847
Grundsätze in der Folgezeit (1598, 1603, 1664, 1688) wiederholt bestätigt wurden, ist die Grundlage der mächtigen Entwickelung des brandenburgisch-preußischen Staates geworden. Dem brandenburgischen Beispiel folgte Sachsen (albert. Linie) 1499, Baiern 1578, Österreich 1584". Die zahlreichsten Übergänge zum Erstgeburtsrecht vollzogen sich während des 17. Jahrhunderts 18 , so daß für das 18. Jahrhundert nur noch wenige übrig blieben19. Am längsten wurde die privatrechtliche Erbteilung in Sachsen-Meiningen festgehalten, das erst 1802 dem allgemeinen Beispiel folgte; das letzte vom Kaiser bestätigte Hausgesetz war das von Meiningen. 3. Der I n h a l t d e r l a n d e s h e r r l i c h e n Gewalt beschränkte sich nicht mehr auf einen gewissen Inbegriff von Lehen, Hoheitsrechten und Vogteirechten. Was die Goldene Bulle den Kurfürsten für ihre kurfürstlichen Lande eingeräumt hatte, war im Laufe der Zeit teils durch Verleihung, teils durch unvordenklichen Besitz Gemeingut aller Reichsstände geworden; nur die alten Exemtionsprivilegien gegenüber dem Reichshofgericht wurden mit dem Wegfall des letzteren gegenstandslos, während die Kurfürsten daran festhielten, daß die Bestimmungen der Goldenen Bulle zu ihren Gunsten auch auf die neuen Reichsgerichte Anwendung finden müßten. Gegenüber der Kirche hatten die Fürsten mehrfach schon im 15. Jahrhundert ein weitgehendes Aufsichtsrecht erlangt 20 . In den protestantischen Ländern ging die gesamte bischöfliche Jurisdiktion {ius episcopale) auf die Landesherren über, die das ganze äußere Kirchenregiment über die evangelische Landeskirche in die Hand nahmen. Die Organe für das landesherrliche Kirchenregiment waren die Konsistorien und unter diesen die Superintendenten (Dekane). Nur die im Anschluß an Calvin gebildeten reformierten Gemeinden nahmen die auf dem Gemeindeprinzip beruhende Synodalverfassung an, die in Kleve-Mark auch auf die Lutheraner Anwendung fand. Den bedeutendsten Machtzuwachs erhielt die landesherrliche Gewalt durch das Recht des Religionsbannes (S. 811) und durch zahlreiche Säkularisationen von Klöstern und Stiftern. Auch in den katholischen Landesteilen hatte die religiöse Be17 Weitere Bestätigungen X621, 1703 und durch die pragmatische Sanktion Karls VI. von 1713, durch die der Übergang auf die weibliche (lothringische) Linie gesichert wurde. 19 Darunter Holstein 1608/1650, Hessen-Darmstadt 1606, Hessen-Kassel 1627, Baden 1615, Braunschweig-Wolfenbüttel 1636, Braunschweig-Lüneburg 1680, Oldenburg 1691, Sachsen-Eisenach, Sachsen-Gotha und Waldeck 1635. In Kurpfalz wurde die Primogenitur im Anschluß an die Bestimmungen des westfälischen Friedens stillschweigend angenommen. 19 Darunter beide Meklenburg (1701), Anhalt (1702, 1727), Sachsen-Weimar (1716/24), Hildburghausen (1703), Koburg (1746), Nassau (1761). 20 Vgl. v. BEZOLD, Geschichte der Reformation 88 f.. BBANDENBÜBG, Zur Entstehung des landesherrl. Kirchenregimentes im albert. Sachsen, Hist. VJSchr. 4, 195 ff.
Die Neuzeit.
848
wegung eine außerordentliche Erstarkung der Staatsgewalt gegenüber der Kirche herbeigeführt Noch mehr trug der 30 jährige Krieg zur Hebung der landesherrlichen Gewalt bei, so daß es sich im westfälischen Frieden zunächst nur darum handelte, den hergebrachten Rechten der Reichsstände ganz allgemein die reichsgesetzliche Bestätigung zu verschaffen. Sie erfolgte durch JPO. 8, § 1. Eine genauere Aufzählung wurde nur in betreff der Reichsstädte (liberi impera civitates) beliebt, indem diesen der westfälische Friede die volle Gleichstellung mit den übrigen Reichsständen gewährleistete: iisque rata et intacta maneant regalía, vectigalia, reditus annui, libertates, privilegia confiscandi, collectandi et inde dependentia aliaque iura ab imperatore et imperio legitime impetrata vel longo usu ante kos motus obtenta possessa et exercita, cum omnímoda iurisdictione intra muros et in territorio (8, § 4). Insbesondere wurde sämtlichen Reichsständen das während des Krieges schon in großem Maßstab von ihnen geübte Bündnisrecht zugestanden und nur der Vorbehalt gemacht, daß die Bündnisse nicht gegen Kaiser und Reich gerichtet sein dürften 21 . Ebenso wurde der Religionsbann (ias reformandi) als ein althergebrachtes, in dem ius territorii et superioritatis liegendes Recht aller Reichsstände bestätigt und nur in seiner Ausübung durch die Gewährleistung des konfessionellen Besitzstandes in dem Normaljahr 1624 beschränkt 22 . Durch die Festsetzung des Normaljahres wurde das seit der Reformation von protestantischen wie katholischen Reichsständen geübte und in dem Augsburger Religionsfrieden bestätigte Recht der Einziehung geistlicher Güter für die Zukunft aufgehoben 23 . Erst nach der Auflösung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIY. (1773) ergab sich eine neue Gelegenheit zu Säkularisationen, indem die Besitzungen des aufgelösten Ordens seitens der Staatsregierungen als herrenloses Gut eingezogen wurden 24 . Überhaupt aber machte sich in der staatsrechtlichen Theorie des 18. Jahrhunderts die Auffassung geltend, daß die Staatsgewalt kraft ihres dominium eminens zum gemeinen Besten die Aufhebung von Stiftern und Klöstern und die Einziehung ihrer Güter anzuordnen berechtigt sei. Während die protestantischen Fürsten durch den westfälischen Frieden verhindert waren, von dieser Theorie praktischen Gebrauch zu 21 JPO. 8, § 2: Cumprimis vero ius faciendi mter se et cum exteris foedera pro sua euiusqm conservatione ae seeuritate, singulis statibus perpetuo liberum esto, ita tarnen, ne eiusmodi foedera sint contra imperatorem et Imperium pacemque eius publicam vel hane imprimis transactionem, fiantque salvo per omnia iurammto, quo quisque imperatori et imperio obstrictus est. " Vgl. JPO. 5, § 80: cum eiusmodi statibua immediatis eum iure territorii et superioritatis ex eommuni per totum Imperium haetenus usitata praxi etiam ius reformandi exercitium religionis eompetat. Über die Bedeutung des Religionsbannes sowie des Normaljahres Tgl. ebd. §§ 30—37 und oben S. 811. Die österreichischen Erblande wurden von der Wohlthat des Normaljahres ausgenommen. ss Vgl. Augsb. RA. von 1555, § 19 (N. Samml. 8, 18). JPO. 5, §§ 31 f. DOVE, a. a. 0. 43 ff. 56 f. M
Vgl. DOVE 48.
§ 78. Die Territorien. 4. Verhältnis zum Beiche.
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machen, fand sie in den katholischen Ländern, selbst denen geistlicher Fürsten, nach dem Vorgang Josephs II. und des Kurfürsten von Mainz die ausgedehnteste Anwendung 26 . Auf diese Weise wurde die allgemeine Säkularisation des RDHSchl. von 1803 vorbereitet26. Der letztere beschränkte sich nicht auf die Mediatisierung der geistlichen Reichsstände (S. 845), sondern gab schlechthin „alle Güter der fundierten Kapitel, Abteien und Klöster" im ganzen Reiche „der freien und vollen Verfügung der betreffenden Landesfürsten" preis, „sei es zur Bestreitung der Kosten des Gottesdienstes, des Unterrichts und anderer Anstalten zum gemeinen Besten, sei es zur Erleichterung ihrer Finanzen"27. Die daraufhin von den meisten Staatsregierungen ergriffenen Maßnahmen trafen zwar auch einige protestantische Stiftungen, hauptsächlich aber die katholische Kirche, der fast ihr ganzes Vermögen zu Gunsten staatlicher Allgewalt entzogen wurde 28 . Erst der Zeit nach den Befreiungskriegen war es vorbehalten, dieses Unrecht wieder gut zu machen. Die landesherrliche Gewalt hatte sich zu einer wahren monarchischen Staatsgewalt umgebildet. Der französische Entwurf der westfälischen Friedensurkunde bezeichnete sie bereits als souverainite, was die Urkunde selbst mit ms territorn et superioritatis (Anm. 22) wiedergab. Eine ältere Bezeichnung war landesfürstliche Obrigkeit, für die nichtfürstlichen Reichsstände Landes- oder hohe Obrigkeit. Die Theorie faßte sie, in Anlehnung an den kirchlichen Sprachgebrauch, als Jurisdiktion auf, worunter außer der Gerichtsbarkeit auch die gesetzgebende Gewalt und die Vertretung der Unterthanen gegenüber dem Reiche verstanden wurde. Durch das Bündnisrecht traten die deutschen Staaten, wie ehedem die Hanse, aus den Bahnen des Reiches heraus und wurden zu europäischen Mächten mit eigener völkerrechtlicher Persönlichkeit 29 . 4. V e r h ä l t n i s z u m R e i c h e 3 0 Lagen die Saohen hier klar und einfach, so waren die Beziehungen der Einzelstaaten zum Reiche um so schwieriger juristisch zu erfassen und über ihre rechtliche Natur bestanden unter den Theoretikern wie den einander gegenüberstehenden staatlichen Parteien die verschiedensten Ansichten, nachdem es bei den westfälischen Friedensverhandlungen nicht gelungen war, eine die verschiedenen An25
Vgl. Dove 50. HOBLER, Eigentümer des Kirchengutes 49 £ Über das Folgende vgl. DOVE, a. a. 0. 52 ff. 57. 59 f. BEBOHATTS, Deutschland vor fünfzig Jahren 1, 363 f. 27 RDHSchl. §§ 34—36. Ausnahme zu Gunsten der Frauenklöster, die nur im Einvernehmen mit dem Diözesanbischof aufgehoben werden sollten (ebd. § 42). sä D e r Vorbehalt, daß die Domstifter, soweit sie bestehen blieben, ausreichend dotiert werden müßten, überließ die Hauptsache dem gnten Willen des Staates. Vgl- PÜTTES, a. a. 0. 3, 274 f. Streitig war eine Zeit lang, ob die Reichsfürsten gleich den Kurfürsten auch Gesandte ersten Ranges bei auswärtigen Regierungen beglaubigen könnten. Vgl. die S. 823 angeführte Schrift von LEIBNIZ. 26
V g l . GIEBKE, Genossenschaftsrecht 3, 691 ff. LE FÜR U. POSENEB, a. a. 0 . (S. 874) 1, 84 ff. R. SCHRÖDER, Deutsche Rechtageschichte. 4. Aufl. 54
850
Die Neuzeit.
Sprüche vermittelnde Formel zu finden81. Die kaiserliche Partei hielt an der historischen Souveränität des Kaisers fest und wollte den Reichsständen nur die ihnen erweislich gebührenden Rechte zugestehen, so daß im Zweifel die Vermutung für den Kaiser platzgreifen sollte. Einen praktischen Erfolg hatte diese Auffassung noch im 16. Jahrhundert mit dem Postregal, während wenig später auch landesherrliche Posten ohne oder selbst gegen den Willen des Kaisers in Aufnahme kamen 32 . Den entschiedensten Gegensatz gegen die kaiserliche Theorie bildete die des Hippolithus a Lapide (y. CHEMNITZ), der das Reich für eine souveräne Fürstenaristokratie und die Gesamtheit der Reichsstände für den wahren Träger der Staatsgewalt erklärte; dem Kaiser war nach ihm nur eine gewisse Oberleitung der Geschäftsführung und die Ausführung der Reichstagsbeschlüsse übertragen, außerdem waren ihm bestimmte unwesentliche Reservatrechte zu alleiniger Ausübung anheimgegeben. Die historische Auffassung, daß man es mit einer entarteten Monarchie zu thun habe, deren eigentliche Lebenskräfte auf die einzelnen Glieder übergegangen waren, ohne daß eine endgültige Abgrenzung zwischen ihnen und der früheren Zentralgewalt stattgefunden hatte, wurde von dem Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, HEBMANN CONBING (S. § 87), namentlich aber von SAMUEL PUFENDORF (Monzambano), und zwar unter Verzicht auf jede Möglichkeit einer juristischen Konstruktion {irreguläre aliquod corpus et monstro simile), vertreten 33 . Während PUFENDORF die Auffassung des Reiches als beschränkte Monarchie ebenso entschieden wie die Idee eines Staatenbundes (systema plurium eivitatum foedere nexarum) zurückwies, entging ihm wie seinen Zeitgenossen die von LUDOLPH HUGO (De statu regionum Germaniae, 1661) ausgegangene Hindeutung auf den Bundesstaat, weil seiner Zeit die bundesstaatliche Theorie noch zu fremd war, um sie für das Verständnis und die korporative Ausgestaltung der Reichsverfassung fruchtbar zu machen 34 . Die Territorialgewalt war eine wirkliche Staatsgewalt, ein Imperium, wie es ehedem dem Kaiser zugestanden hatte. Daher der Spruch: „Jeder Herr (Fürst) ist Kaiser in seinem Lande", „Quilibet status tantum potest in suo territorio, quantum imperator in imperio"36. Aber dieses Imperium 81 Vgl. ERDMANNSDÖBFFEB, a. a. 0 . 1, 5 2 ff. F . WEBER, Hippolithus a Lapide, Hist. Zeitschr. 2 9 , 2 5 4 ff. STINTZING U. LANDSBERG, Gesch. d. E W . 2 , 3 2 ff. Hauptvertreter der kaiserlichen Richtung war Dietrich Beinking, ebd. 3, 89 ff. 8! Vgl. S . 8 4 1 . STEPHAN, Geschichte der preußischen Post, 1 8 5 9 . GBOSSE, Postwesen der Kurpfalz im 17. u. 18. Jh., 1902 (Volksw. Abh. d. bad. Hochschulen 5, 4). 18 Vgl. S. 8 1 3 . STINTZING U. LANDSBERG 3 , 1 9 ff. Auch JOHANN LIMNÄUS vertritt die Auffassung, daß der Status Imperii aus Monarchie und Aristokratie gemischt sei. Vgl. ebd. 2, 211 ff. 84 Vgl. STINTZING u. LANDSBERG 3, 40; Noten S . 20. Eine Vergleichung der Reichsverfassung mit der Bundesverfassung der Generalstaaten, der Schweiz und der Vereinigten Staaten von Amerika erst bei PÜTTES, a. a. O. 2, 159 ff. '* Vgl. GBAF U. DIETHEBR, Eechtssprichwörter 4 8 7 . 492. Anzeiger f. Kunde d. deutsch. Vorzeit, 1866, S. 141.
§ 78.
Die Territorien.
4. Verhältnis zum Reiche.
851
war ein vom Reiche abgeleitetes, lehnbares, unter Umständen entziehbares; darin lag ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Bundesstaat, bei dem die Staatsgewalt der Bundesglieder das ursprüngliche, die Zentralgewalt das übertragene Element bildet; ein zweiter, verhängnisvollerer Unterschied lag darin, daß „dem Zeitbewußtsein der Staatsgedanke ganz allein in seiner Verkörperung als Obrigkeit faßlich war", man nicht „aus der Reichsgemeinde den Staat in sich selbst zu verlegen vermochte", daher „alles, was der Reichsgenossenschaft an staatlicher Bedeutung verloren ging, ausschließlich der Landeshoheit zuwachsen mußte" 36 . Im übrigen war das Imperium der Reichsstände in derselben Weise der Reichsgewalt untergeordnet, wie dies in Bundesstaaten seitens der Bundesglieder gegenüber der Bundesgewalt der Fall ist. Die Reichsstände hatten für die Steueranschläge des Reiches wie der Kreise aufzukommen, mußten sich im Falle des gemeinen Pfennigs selbst eine direkte Besteuerung von Reichs wegen gefallen lassen, an Reichskriegen und Reichsexekutionen hatten sie teilzunehmen und durften nicht neutral bleiben37, ihre Bündnisverträge durften nicht gegen Kaiser und Reich oder den gemeinen Frieden gerichtet sein. Sie waren zur Beobachtung der Reichsgesetze verpflichtet und durften sich landesgesetzliche Abweichungen nur gestatten, wo die Reichsgesetze sich keine absolute Geltung beilegten3S. Die höchsten Reichsgerichte waren obere Berufungsinstanz und Aufsichtsbehörde für die Landesgerichte. In den eximierten Territorien nahmen sie die gleiche Stellung wenigstens in Fällen der Rechtsverweigerung ein. In allen Territorien mußte für einen geordneten Instanzenzug, in den eximierten für drei Instanzgerichte gesorgt werden. Gegen Mißbräuche der Gewalt konnten die Unterthanen bei den Reichsgerichten gegen ihre Landesherren klagbar werden, während umgekehrt diese den Schutz des Reiches gegen ungehorsame Unterthanen zu beanspruchen hatten 39 . Eine weitere Beschränkung durch das Reich ergab sich aus den Reservatrechten, die überall im Reiche nur durch den Kaiser allein oder unter Zustimmung der Kurfürsten ausgeübt wurden (S. 814). Dahin gehörte u. a. die Errichtung neuer und Erhöhung bestehender Zölle, die nur von Kurbrandenburg auf Grund einer Verleihung Friedrichs III. als landesherrliches Recht in Anspruch genommen wurde40. Das kaiserliche Begnadigungsrecht beschränkte sich auf die von den Reichsgerichten verhängten Strafen. Für kaiserliche Gnadensachen, Standeserhöhungen, •• V g l . GIERKE, a. a. 0 .
31
1, 8 3 9 . 2, 8 3 1 .
854.
Wie wenig dies in Wirklichkeit beachtet wurde, zeigen Basel und Campo
Formio.
88 Aber die Reichsgesetze, soweit sie nicht besonders von Reichs wegen publiziert wurden, galten zunächst nur für die Reichsstände, deren Aufgabe es war, für die Publikation und den Vollzug innerhalb ihrer Gebiete selbst Sorge zu tragen. Vgl. S. 806. •• Vgl. S. 831. Ständ. Wahlkapitulation Art. 15 (N. Samml. 4, 243). 40 Vgl. RA. von 1576, §§ 118—120 (N. Samml. 3, 372). Preuß. ALR. II., Tit. 15, Abschn. 3. PÜTTEB, a. a. 0. 3, 264.
54*
Die Neuzeit.
852
Bestätigung kaiserlicher Notare u. dgl. pflegten die Kaiser in den einzelnen Territorien besondere Hofpfalzgrafen einzusetzen, wobei die Landesherren in der Regel mitzusprechen hatten 41 ; zuweilen wurden die Landesherren selbst zu Hofpfalzgrafen mit der comitiva maior ernannt, so daß sie, wenn auch nur im Namen des Kaisers, jene Akte auf eigene Hand vornehmen konnten (S. 816). Zunft-, Markt- und Stadtprivilegien wurden als ausschließliche Landessache behandelt, während bedeutendere Meßprivilegien vom Kaiser ausgehen mußten 42 . Moratorien zu bewilligen, war im allgemeinen Sache der Landesherren, der Kaiser sollte es nur nach eingeholten Berichten der Landesobrigkeiten thun 4S . Bei Begnadigungen, Volljährigkeitserklärungen, Ehelichkeitserklärung unehelicher Kinder konkurrierten die Landesherren mit dem Kaiser, zuweilen war dies auch bei der Verleihung des niederen Adels der Fall 44 . Auf die Erteilung von Monopolen mußte der Kaiser, wenigstens in späterer Zeit, durch die Wahlkapitulation verzichten 46 ; landesherrliche Patente wurden seit Ende des 18. Jahrhunderts häufiger 46 . Der Schutz des schriftstellerischen Urheberrechtes durch Bücherprivilegien wurde in Deutschland seit Anfang des 16. Jahrhunderts, und zwar ebensowohl durch die Kaiser wie die Landesherren, geübt 47 , doch hatten die kaiserlichen Privilegien schließlich nur noch Bedeutung für den Bücherhandel auf den kaiserlichen Messen, namentlich in Frankfurt, während der regelmäßige Schutz nur noch durch landesherrliche Privilegien erworben werden konnte 48 . Im allgemeinen sprach sich die Theorie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dahin aus: „Alles dasjenige, dessen rechtliche Wirkung sich nur innerhalb der Grenzen eines Landes äußert, ist in eines jeden Reichsstandes Landeshoheit begriffen. Alles, was seit der Zeit, als die Landeshoheit zu ihrer Vollkommenheit gediehen, erst neu in Gang gekommen ist oder künftig noch erdacht werden mag, gehört ohnehin für die Landeshoheit. Und alle 41 Vgl. PÜTTER 2 , 1 6 4 . 3 , 2 6 3 . Die kaiserlichen Notare mußten sich in manchen Ländern einer besonderen Landesprüfung unterziehen.
"
V g l . PÜTTEE 3 ,
48
Vgl. J R A . § 175.
44
266. PÜTTEB 3 , 2 6 9 ff.
Vgl. S. 807. 814 f. PÜTTEB 3, 271. EICHHOHN 4, 291 f. Das Preuß. ALR. II. Tit. 9, §§ 2, 9, 10, 13, 14, Anh. § 113, verbietet den Unterthanen, sich im Inland einer ihnen von „fremden Staaten" verliehenen Standeserhöhung ohne landesherrliche Erlaubnis zu bedienen. An eine Ausschließung kaiserlicher Standeserhöhungen kann dabei aber nicht gedacht sein. 45 Vgl. Ständige Wahlkapitulation Art. 7 (N. Samml. 4, 237). 48 Vgl. KLOSTERMANN, Geistiges Eigentum 2 , 1 9 5 . 47 Vgl. KLOSTEBXANN, a. a. 0 . 1 , 4 2 . GÜTERBOCK, Entstehungsgeschichte der Carolina 2 0 3 ff. WIGAND, Wetzlarsche Beiträge 1, 2 2 7 ff. Die Rechtlosigkeit aller nicht privilegierten Schriftsteller im 16. Jh. zeigt der Prozeß des Konr. Lagus. Vgl. MUTHEB , Zur Geschichte der Rechtswissenschaft 2 9 9 ff. PESCATORE , Greifsw. Vorles.-Verz. 1901, Beilage. 48 Vgl. N. Samml. 4, Zugabe S. 114 ff. PÜTTER, a. a. 0. 3, 272 f. Einen gesetzlichen Autorschutz für alle Landesangehörigen kennt bereits ALR. II. Tit. 20, §§ 1294 ff.
§ 78.
Die Territorien.
5. Landstände.
853
Rechte der Landeshoheit sind ausschließlich zu verstehen, daß sie nur ein jeder Reichsstand in seinem Lande auszuüben hat, ohne daß der Kaiser darin vorgreifen darf" 49 . 5. Die Landstände 6 0 . Die auf die Emanzipation vom Reiche gerichtete Politik der Reichsstände verfolgte zugleich im Inneren die Befreiung der landesfürstlichen Obrigkeit von den Landständen. Allerdings war die Stellung der letzteren nicht überall die gleiche. Fehlte es in den kleinsten Territorien und Herrschaften überhaupt an den Elementen, aus denen sich eine landständische Verfassung hätte entwickeln können, so war andererseits in den geistlichen Staaten durch die von den Kapiteln regelmäßig aufgestellten Wahlkapitulationen die Macht der Stände außerordentlich gewachsen, so daß an ihre erfolgreiche Bekämpfung nicht gedacht werden konnte. Wenn hier die Prälaten den wichtigsten Bestandteil der Landstände bildeten, so traten diese in den weltlichen, namentlich den protestantischen Staaten vielfach in den Hintergrund oder fehlten überhaupt. Andererseits fehlte in den südwestdeutschen Territorien der landsässige Adel, da der niedere Adel hier größtenteils seine Reichsunmittelbarkeit bewahrt hatte. Der Kampf der Landesherren gegen die Landstände ging nicht aus den Bestrebungen fürstlicher Willkürherrschaft hervor, er entbrannte vielmehr in den zusammengesetzten Territorien, für die es geradezu ein Lebensbedürfnis war, daß die Stände der einzelnen Landesteile verschwanden, um im Interesse der Staatseinheit entweder einem gemeinsamen Landtag oder dem absoluten Regiment der Landesherren platz zu machen. Ein Widerstand der Bevölkerung war dabei nicht zu besorgen, da die Stände thatsächlich nur ihre eigenen Interessen, aber nicht die des gesamten Volkes, am wenigsten die der Bauern, vertraten 51 . Eine gewisse Stütze fanden 49 Vgl. PÜTTER 3 , 274. ERDMANNSDÖRFFER 1, 57 f. 6 6 f. 73. 410 ff. Ständige Wahlkapitulation Art. 1 (N. Samml. 4, 234). Preuß. ALR. II. 13, §§ 1—15. 60 Vgl. S. 610 ff. und die dort angeführte Litteratur. W I L D A in W E I S K E S Rechtslexikon 6, 791 ff. S T B U V , Diskurs vom Ursprung der Landstände, 1741. H X B E R L I N , Grundlinien und Geschichte der teutschen Landstfinde (in SCHIÖZER'S Staatsanzeigen 67). STRUBEN, Nebenstunden 2 (17.69), Abh. 10. LOHMANN, Reichsgesetz von 1654 über die Steuerpflichtigkeit der Landstfinde, Bonner Diss. 1893. v. B E L O W , System u. Bedeutung der landstfindischen Verfassung (Territorium und Stadt 163—282); Entstehung der Rittergüter (ebd. 95 ff., zuerst JBB. f. Nationalök. u. Stat. 64); Hand-WB. d. Staatswissenschaften, Suppl. (1895) S. 672 ff. W I N T E R , Die märkischen Stände zur Zeit ihrer höchsten Blüte 1540 -50, Zeitschr. f. preuß. Gesch. 19. 20. v. W E E C H , Die badischen Landtagsabschiede, 1877. GOTHEIN, Landstände der Kurpfalz, ZGO. 42, 1 fi. B I E L F E L D , Gesch. d. magdeb. Steuerwesens, 1888 (SCHKOLLER'S Forsch. 8, 1). BERGMANN, Gesch. d. ostpreuß. Stände u. Steuern, 1901 (ebd. 19, 1). GLAOAU, Anna von Hessen, Marb. Diss. 1899. 51 Auch die Städte kamen im allgemeinen schlecht weg, da die Ritterschaft unter Berufung auf die Ritterdienste möglichste Steuerfreiheit für sich beanspruchte und sich nur dazu herbeiließ, ihre Hintersassen (Bauern und Mediatstädte) zur Landessteuer heranzuziehen. Vielfach kam es zwischen den Städten und der Ritterschaft zu Prozessen wegen ungleicher Besteuerung. Vgl. EICHHORN 4, 360,
854
Die Neuzeit.
die gegen die Stände gerichteten Bestrebungen schon in der Reichsgesetzgebung, indem die den einzelnen Reichsständen auferlegten Reichs- und Kreislasten unbedingt beschafft werden mußten und von den Landständen nicht verweigert werden konnten62. Die Reichsgesetze bestimmten dabei ausdrücklich, daß selbst vertragsmäßige Steuerbefreiungen einzelner Unterthanen und ganzer Korporationen (Kapitel, Klöster) dem gegenüber unwirksam sein sollten. Säumnis in der Entrichtung der Steuer sollte mit Verdoppelung des Betrages bestraft werden und den Landesherren deswegen gestattet sein, gegen die ungehorsamen Unterthanen bei einem der höchsten Reichsgerichte zu klagen. Nur wurde verlangt, daß die Steuern gleichmäßig umgelegt und auch die Kammergüter der Landesherren mit herangezogen, die Armen aber möglichst verschont würden 68 . Durch Reichsschluß von 1670 wurde festgesetzt, daß die Reichsstände auch berechtigt seien, von ihren Unterthanen „zu Reichs-, Deputations- und Kreiskonventen die nötigen Legationskosten zu erheben"". Yon besonderer Bedeutung wurden aber die Bestimmungen der Reichsexekutionsordnung von 1555 über die Kreishilfe „zu Vollziehung des hievor gesetzten Friedstands, Exekution und Handhabung des Landfriedens, zu Erhaltung gemeiner Sicherheit und Ruhe", wonach sich jeder Kreisstand in ständiger Bereitschaft halten und für genügende Befestigungen zum Schutze gegen Überfälle sorgen sollte, auch „daß derwegen eine jede Obrigkeit Macht haben soll, ihre Unterthanen, geistlich und weltlich, sie seien exempt, gefreiet oder nicht gefreiet", bis zum Betrage ihres reichsmatrikularmäßigen Anschlages „mit Steuer zu belegen"66. In weiterer Ausführung dieser Bestimmung setzte der JRA. von 1654 § 180 fest, daß die Unterthanen „zu Besetz- und Erhaltung der einem oder andern Reichsstand zugehörigen nötigen Vestungen, Plätzen und Guarnisonen ihren Landesfürsten, Herrschaften und Obern mit hilflichem Beitrag gehorsamlich an Hand zu gehen schuldig seien"66. Ein Reichsgutachten von 1670 wollte diese Bestimmung dahin ausgelegt haben, daß die Unterthanen „nicht allein zur Lands-Defensions-Verfassung, sondern auch zu Handhab- und Erfüllung der gedachtem Instrument» Pacis nicht zuwiderlaufenden Bündnissen, wie auch nicht nur zu Erhalt- und Besetzungen der nötigen, sondern indeNote m. Nur in der wfirtembergischen Verfassung (Tübinger Vertrag von 1514) überwog das städtische und das bäuerliche Element, da die Reichsritterschaft an den Landtagen nicht teilnahm. Vgl. ERDMANNSDÖBFFER 1, 66. BEBOHAUS, Deutschland vor 100 Jahren 1, 250 ff. PERTHES, Politische Zustände 1, 433 ff. " Vgl. die Reichsabschiede von 1507 § 8 (N. Samml. 2, 112), 1510 § 6 (133), 1530 § 118 (324), 1542 § 53 (454), 1543 §§ 24 f. (487), 1544 §§ 10 f. (498), 1548 § 102 (545), 1566 §§ 42—45 (3, 220), 1576 §§ 11—15 (355 f.), 1582 § § 1 0 - 1 4 (401), 1594 §§ 11—15 (429), 1598 §§ 11—15 (454), 1613 §§ 7 - 9 (524), 1654 § 14 (645), Reichsschluß von 1719, Art. 4 (4, 346). 68 64 Vgl. EICHHORN 4, 306 f. N. Samml. 4, 8 0 . o» RA. von 1555, §§ 54. 82 (N. Samml. 3, 24. 30). M N. Samml. 3, 674. Vgl. E. LOHMANN, Das Reichsgesetz v. 1654 über die Steuerpflichtigkeit der Landstände, Bonn. Diss. 1893.
§ 78.
Die Territorien.
5. Landstände.
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finite der Vestungen, Orte und Plätze, auch zur Verpflegung der Völker und andern hierzu gehörigen Notwendigkeiten ihren Landsfürsten, Herrschaften und Oberen die jedesmal erforderte Mittel und folgentlich alles, was an sie und so oft es begehrt wird, gehorsam- und unweigerlich darzugeben schuldig sein und daß einige Klage der Unterthanen weder bei dem kaiserlichen Reichshofrat noch Cammergericht hierwieder nicht angenommen [werden], auch den Landständen, Landsassen und Unterthanen einige privilegia und exemptiones nicht zu statten kommen sollen". Dieser Versuch, eine reichsgesetzliche Aufhebung des gesamten Steuerbewilligungsrechts der Landstände herbeizuführen, hatte zwar nicht den gewünschten Erfolg, da der Kaiser dem Reichsgutachten die Genehmigung versagte, es wurde aber doch erreicht, daß diejenigen Reichsstände, „so ein mehrers, als in Torangezogenem Paragraph begriffen, gegen Ihre Unterthanen und Landsassen rechtmäßig hergebracht", darin reichsgesetzlich bestätigt und die Unterthanen demgemäß „dem Herkommen und erheischender Notdurft nach" „zu contribuiren" angewiesen wurden67. Ein derartiges Herkommen war in einer Zeit, wo wiederholt bewilligte außerordentliche Steuern schon als herkömmlich behandelt zu werden pflegten, unschwer zu erreichen. In Baiern bestand es zu militärischen Zwecken schon vor dem 80jährigen Kriege68, und in Brandenburg wurde es in derselben Richtung durch den großen Kurfürsten zur Geltung gebracht68. Nur in Sachsen, Braunschweig, Hessen, Würtemberg und Meklenburg erhielten sich die Landstände in alter Weise (in Meklenburg gemeinsam für Schwerin und Strelitz), während ihr Einfluß in den übrigen Territorien mehr und mehr abgeschwächt wurde, indem die landesherrliche Gewalt ihnen nur noch die als hergebracht erwiesenen Rechte zugestand. In Osterreich, wo man bis zum 17. Jahrhundert mehrfach vergebens versucht hatte, Generallandtage aus Vertretern der Einzellandtage einzuführen, um eine größere Zentralisation auf ständischer Grundlage herzustellen, drehte sich der Kampf gegen die Landstände hauptsächlich um konfessionelle, in BrandenburgPreußen um militärische Fragen. Schließlich wurden in beiden Ländern und ebenso in Baiern die Landstände zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgedrückt, während die absolute Monarchie mit unbeschränktem Gesetzgebungs- und Besteuerungsrecht des Landesherrn durchgeführt wurde60. Der Hauptgrund für diesen Rückgang der landständischen Verfassung lag in der durch den westfälischen Frieden zugestandenen internationalen " Vgl. kaiserliche Resolution vom 12. Febr. 1671 (N. Samml. 4, 84). LACHER 7 , 9 8 9 . 58
69
Vgl.
GEBST-
993.
ERDMANNBDÖRFFER
1,
57.
In Brandenburg war der Landtagarezeß von 1653 entscheidend, der gegen die Eonzession einer Verstärkung der gutsobrigkeitlichen Rechte des Adels die vom Kurfürsten geforderten Steuern auf sechs Jahre bewilligte. 60 Gleichwohl vermochten im Jahre 1813 die ostpreußischen Stände von sich aus die Reorganisation des Heeres und die Wiedergeburt, des Vaterlandes vorzubereiten (S. 877).
Die Neuzeit.
856
Stellung der deutschen Reichsstände. Besaßen diese das Bündnisrecht, so war es selbstverständlich^ daß ihnen auch das Gesandtschaftsrecht und das Recht über Krieg und Frieden zukam. Hatte das Reich ihnen diese Rechte gewährt, so wollten sie sich diese durch ihre eigenen Stände nicht verkümmern lassen. Die Erträge der Kammergüter und der mit kriegführenden Staaten abgeschlossenen Subsidienverträge genügten nicht für die Bedürfnisse der vielfach nach Yersailler Muster eingerichteten Hofhaltungen, die Gesandtschaftskosten und den Sold für die Truppen. Landessteuera waren unentbehrlich, und es erschien nicht gerechtfertigt, wenn diese vorwiegend von solchen bewilligt werden mußten, die für ihre Person nichts bezahlten und jede Steuerbewilligung nur benutzten, um neue Freiheiten für sich herauszuschlagen. 6. Das Heerwesen 6 1 beruhte fast ausschließlich auf dem Söldnersystem. Man unterschied die Reisigen (zu Roß) und die Knechte (Fußoder Landsknechte). Bei der Reiterei sollte sich unter je zehn oder zwanzig Pferden ein regelmäßig ausgerüsteter „Kürisser" befinden. Als Regel wurde betrachtet, daß immer einige adeliche „Junker" mit einer gewissen Zahl von ihnen geworbener Reisigen, für die sie den Sold mitempfingen, in den Dienst traten; unter keinem Junker stehende „herrenlose Einspännige" sollten nur ausnahmsweise angeworben werden. Durch diese Anknüpfung an das Rittertum wurde der Reiterei ein mehr aristokratischer und landschaftlicher Charakter gewahrt, während sich die Landsknechte aus aller Herren Ländern und allen Ständen zusammenfanden; doch hielt man darauf, daß jedes Fähnlein von 300 bis 400 Mann mehrere berittene Führer der Schützenzüge hatte, die von Adel oder erfahrene Kriegsmänner waren. Die Anwerbung wurde regelmäßig einem „Obristen" übertragen, dem die Hauptleute der 8 bis 10 Fähnlein seines Regimentes, bei der Reiterei die Rittmeister, als Unterwerber dienten62. Oberst, Hauptleute und Rittmeister waren nicht bloß Offiziere, sondern zugleich Unternehmer, die geworbenen Truppen standen nur zu ihnen im Vertragsverhältnis und empfingen von ihnen den Sold. Die Errichtung des Regimentes geschah mit der „Musterung" vor den Musterungskommissaren des Kriegsherrn. Die Einzelnen wurden in die Musterrolle eingetragen. 81
Vgl. 8. 835 f. MOSER, Landeshoheit in Militärsachen, 1773. BARTHOLD, Geschichte der Kriegsverfassung 2 ! , 142 ff. SCHMOLLER, Umrisse u. Forschungen 247 ff. v. CROUSAZ, Organisation des brand.-preuß. Heeres®, 1873. PÄTEL, Organisation des hess. Heeres unter Philipp d. Großmütigen, 1897. v. STAÜDINGER, Gesch. d. baier. Heeres, I. 1901. M . LEHMANN, Hist. Zeitschr. 67, 254 ff. v. SCHRÖTTER, Brandenb.preuß. Heeresverfassung unter dem Gr. Kurfürsten, SCHMOLLEB'S Forsch. 11, 5 (1892). SCHWARTZ, Organisation u. Verpflegung der preuß. Landmilizen im 7jährigen Kriege, ebd. 7, 4 (1888). J A N T , Lehndienst u. Landfolge, Forschungen z. br. u. preuß. Gesch. 8, 2 S . 419ff. LOBENTZEN, Die schwedische Armee im 30jährigen Kriege, 1894. Das Reiterregiment hatte 4 Schwadronen, jede zu 250—300 Pferden unter einem Bittmeister; je 50 Pferde bildeten eine Rotte unter einem Rottmeister.
§ 78.
Die Territorien.
6. Heerwesen.
857
Mit der Verlesung des Artikelbriefes (S. 837) und der Vereidigung der Truppen auf diesen wurde die Musterung geschlossen. Die Generale pflegte der Kriegsherr selbst anzustellen63, die übrigen Offiziere wurden von den Obersten oder Hauptleuten ernannt, die Unteroffiziere zum Teil von den „Knechten" gewählt. Seine kriegerische Ausrüstung und seinen Unterhalt hatte jeder Mann selbst zu bestreiten; Wohnung, Feuerung und Lagerstroh wurden ihm gestellt (das sg. Servis); bei der Artillerie stellte der Kriegsherr auch das gesamte Artilleriematerial („Zeug"), zu dessen Aufbewahrung im Frieden die Zeughäuser dienten. Außer dem Solde, der durch die Hände der Obersten und Hauptleute ging, erhielten die Truppen Handgeld und für die Zeit, wo man ihrer Dienste nicht bedurfte, Wartegeld. Außerdem wurde ihnen ein bestimmtes Beuterecht und bei Erstürmung von Festungen ein Sturmsold zugestanden. Das Gerichtswesen war korporativ geordnet, jedes Regiment hatte seinen Schultheißen und zwölf Gerichtsleute als Urteilen Bei „Malefizsachen" wurden die Offiziere, Fähnriche und Feldwaibel neben den Gerichtsleuten zugezogen, öffentlicher Ankläger war der Frofoß. Bei dem sogenannten Spießrecht wurde das Urteil von dem versammelten Regiment als Gerichtsgemeinde gefällt und demnächst auch durch Vorhalten der Spieße beim Gassenlaufen vollstreckt. Durch die Einführung der stehenden Heere in Österreich, Brandenburg und einigen anderen Territorien wurde seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der privatrechtliche Charakter des Heerwesens beseitigt und das Heer auf staatsrechtlicher Grundlage neu aufgebaut Die Werbungen wurden jetzt von den Regierungen unmittelbar in die Hand genommen, die Obersten, Hauptleute und Rittmeister hörten auf Spekulanten zu sein und wurden zu Beamten. Das herren- und vaterlandlose Söldnertum der Truppen verlor sich, da sie auch im Frieden unter militärischer Zucht zusammengehalten wurden und die einzelnen Truppenteile eine militärische Überlieferung erhielten. An die Stelle der Artikelbriefe, die rechtlich nur Vertragsurkunden gewesen waren, traten die vom Staate erlassenen Kriegsartikel. Kleidung, Bewaffnung, Verpflegung der Truppen wurde Sache des Staates, die Besoldung nach festen Grundsätzen geregelt. Erst jetzt kam die Bezeichnung „Soldaten" auf. Eine Hauptsache war die Fürsorge für eine regelmäßige Ergänzung des Heeres. Das alte Recht der Landfolge oder „Reis' und Folge" war in gesetzlicher Anerkennung gebliebenM, aber nur selten und mit geringem Erfolg hatte man davon Gebrauch gemacht. Nur in den österreichischen Grenzprovinzen gegen die Türkei gab es organisierte Landesaufgebote66. In 88 Den Generalen konnte aber auch die Anwerbung eines ganzen Heeres übertragen werden. Der General, der ein solches Geschäft übernahm, war seinem Kriegsherrn nur durch seinen Vertrag (Kapitulation) und nur, soweit dieser reichte, zu Diensten verpflichtet. M Vgl. RA. von 1555, § 54 (N. Samml. 3, 24). 65 Vgl. LÜSCHIN v. EBENOREÜTH , a. a. 0 . 467 ff, Über sonstige Versuche in
Die Neuzeit.
858
Preußen versuchten Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., geregelte Landmilizen ins Leben zu rufen; auch Friedrich der Große hat in der Not des siebenjährigen Krieges seine Zuflucht zu ihnen genommen 66 . Militärisch spielten die Landmilizen immer eine untergeordnete Rolle, aber der ihnen zu Grunde liegende Gedanke der Wehrpflicht als einer allgemeinen Unterthanenpflicht wurde von entscheidender Bedeutung. In Preußen sprach, nach manchen Wandelungen, das Kantonreglement von 1733 zum erstenmal den Grundsatz aus, daß jeder Unterthan der Wehrpflicht unterliege, Jedem Regiment wurde ein besonderer Aushebungsbezirk (Kanton) überwiesen und für die Wehrpflichtigen jedes Kantons (Kantonisten) wurden Stammrollen angelegt, wie sie seit den Tagen Karls des Großen (S. 156) nicht mehr vorgekommen waren 67 . Zwar blieb noch während des ganzen 18. Jahrhunderts neben der inländischen Konskription die ausländische Werbung bestehen, auch enthielten die Kantonreglements so zahlreiche Ausnahmen, daß thatsächlich sich die Kantonpflicht auf die untersten Klassen der Bevölkerung beschränkte, während die übrigen befreit waren, aber die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht war doch damit angebahnt 68 , und wenigstens dem Landesadel wurde es ungeachtet seiner Befreiung vom „Enrollement" schon von Friedrich Wilhelm I. zur unbedingten Pflicht gemacht, sich dem Dienst im preußischen Offizierkorps nicht ohne zwingende Gründe zu entziehen 69 , dieser Richtung vgl. LORENTZEN , a. a. O. 6 f. ZGO. 40, 366. 47, 382. LAMPRECHT, Wirtschaftsleben 1, 1294. Das schwedische Heer unter Gustav Adolf beruhte großenteils bereits auf Aushebung. * Vgl. Protokolle der deutschen Bundesversammlung, 1816—28. Die Verhandlungen der Bundesversammlungen, 1846—48. v. METER, Repertorium zu den Verhandlungen der deutsch. BV., 1822.
B. SCHRÖDER , Deutsche Recbtsgeschichte. 4. Aufl.
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882
Die Neuzeit.
der einzelnen Bundesstaaten dadurch nicht gefährdet wurde. Bei Gefährdung des Bundesgebietes seitens einer auswärtigen Macht konnte, bei unmittelbarer Gebietsverletzung mußte der Bundeskrieg erklärt werden. •Er verpflichtete alle Bundesglieder zu bundesgemäßer Teilnahme und entzog ihnen bis zum Bundesfriedensschluß das Recht der einseitigen Verhandlung mit dem Feinde. Alle Beschlüsse der Bundesversammlung über Krieg und Frieden verlangten eine Zweidrittelmehrheit des Plenums 16 . Zu anderen Zwecken als der Verteidigung des Bundesgebietes konnte die Bundesversammlung keinen Krieg beschließen17. Auswärtige Händel, auch wenn einzelne Bundesglieder daran beteiligt waren, konnten dem Bunde höchstens Anlaß zu gütlicher Vermittelung geben; selbst wenn nicht zum Bunde gehörige Gebietsteile eines Bundesstaates feindlich besetzt wurden, lag an sich kein Anlaß zu einem Bundeskriege vor18. Die Kriegsverfassung des Bundes beruhte hauptsächlich auf den Bundesbeschlüssen vom 9. und 21. April 1821, 11. Juni 1822 und 4. Jan. 1855. Das Bundesheer bestand aus sieben von Österreich (3), Preußen (3) und Baiern (1) gestellten ungemischten und drei gemischten Armeecorps nebst einer Reserve-Infanteriedivision aus den nach Maßgabe der Bundesmatrikel gestellten Kontingenten der übrigen Bundesstaaten. Das Bundesheer als solches trat erst im Falle des Bundeskrieges zusammen, doch war auch im Frieden eine gewisse Präsenzstärke vorgeschrieben, über deren Aufrechterhaltung der Bund zu wachen hatte. Bei den gemischten Armeecorps und der Reserve-Infanteriedivision konnten Bundesinspektionen abgehalten werden. Die Heerverfassung der einzelnen Bundesstaaten beruhte jetzt allgemein auf der Aushebung mit Zulassung der Stellvertretung; die gebildeten Klassen unterlagen der Aushebung nur für den Kriegsfall. Die allgemeine Wehrpflicht bestand nur in Preußen (S. 877). Das Bundesheer trat zusammen, sobald der Bundestag die Mobilmachung beschlossen hatte. Die Bundesversammlung hatte sodann den Oberfeldherro und den Generalleutnant des Bundes zu wählen und in Pflicht zu nehmen. Die übrigen Befehlshaberstellen wurden von den Kontingentherren besetzt. Aus den matrikularmäßigen Beiträgen der Bundesstaaten wurde eine Bundeskriegskasse gebildet. Die beste Seite der Bundeskriegsverfassung war das Festungswesen. Die Bundesfestungen Mainz, Luxemburg und Landau, zu denen später noch Ulm und Rastatt kamen, standen, unbeschadet ihrer sonstigen staatlichen Beziehungen, in militärischen Angelegenheiten ausschließlich unter der Bundesversammlung. Die Besatzungsund Kommandanturverhältnisse waren durch Bundesbeschlüsse geregelt Die Festungswerke waren Eigentum des Bundes. Als technischer Beirat in allen Heeresangelegenheiten stand dem Bunde eine Bundesmilitärkommission zur Seite. 19
17 Vgl. WSchl.-A. 12. 40. 49. Vgl. WSchl.-A. 35. 39. Vgl. ebd. 37. 43. 46. 47. Vorläufige Verteidigungsmaßregeln und bewaffnete Neutralität konnten allen ausländischen Verwickelungen gegenüber vom engeren Rate beschlossen werden. Vgl. WSchl.-A. 38. 45. 18
§ 83.
Die Verfassung des Deutschen Bundes.
883
Selbsthilfe und Krieg von Bundesstaaten untereinander waren verboten. Nachdem die Einsetzung eines Bundesgerichts am Widerspruch der Mittelstaaten gescheitert war, begnügte man sich für die Streitigkeiten zwischen einzelnen Bundesstaaten mit der Anordnung eines bundesgesetzlich geregelten Austragverfahrens 1 9 . Die einzelnen Regierungen wurden verpflichtet, ihre gegenseitigen Streitigkeiten bei der Bundesversammlung anzubringen, die zunächst durch einen Ausschuß die gütliche Vermittelung versuchen, bei Erfolglosigkeit des Sühneversuches aber den obersten Gerichtshof eines von den Parteien zu wählenden unbeteiligten Bundesstaates als „Austrägalinstanz" mit der Entscheidung „im Namen und anstatt der Bundesversammlung" beauftragen sollte. Die Übernahme eines solchen Auftrages und der Gehorsam gegen die Entscheidung des Austraggerichtes galt als Bundespflicht. Dasselbe war der F a l l , wenn der Streit unter Gewährleistung des Bundes einem Schiedsgericht oder einem älteren Familien- oder Vertragsaustrage zum Schiedspruch übergeben war. Vorbeugende Maßregeln und ein beschleunigtes Verfahren fanden Anwendung, wenn Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern stattgefunden hatten oder zu besorgen waren oder eine Besitzstörung vorlag 2 0 . Ein Austragverfahren konnte auch bei Privatforderungen gegen mehrere Bundesregierungen eintreten, wenn es unter diesen streitig war, wer zu leisten habe 2 1 . I m Falle einer Widersetzlichkeit der Unterthanen gegen ihre Regierung sowie bei offenem Aufruhr oder gefährlichen Bewegungen in mehreren Bundesstaaten sollte der Bund auf Ansuchen der beteiligten Regierung, unter Umständen selbst ungerufen, zur Herstellung der Ordnung einschreiten, dagegen wurden Streitigkeiten zwischen den Landesherren und ihren Ständen ausdrücklich von der Zuständigkeit des Bundes ausgeschlossen 2 2 . In der Fürsorge für den Rechtsschutz der Unterthanen beschränkte sich die Bundesverfassung auf die Bestimmung, daß in jedem Bundesstaat von einer gewissen Größe ein oberstes Gericht dritter Instanz bestehen müsse, während sich die kleineren Staaten über die Errichtung gemeinsamer oberster Gerichte, an denen dann auch die Akten Versendung (S. 8 6 1 ) zugelassen werden sollte, zu verständigen hatten 2 3 . B e i Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege sollte der Bund die schuldige Regierung zur Gewährung der Rechtshilfe nötigen 2 4 . 19 Vgl. DBA. 11. WSehl.-A. 18—24. Austrägalordnung vom 16. Juni 1817 und 3. August 1820. v. LEONHARDT, Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, 1838-45. ZÖPFL, Archiv f. civil. Praxis 27, 388 ff. 20 Bei Besitzstöruugen sollte ein bei der Sache unbeteiligtes Bundesglied in der Nähe des zu schätzenden Gebietes die Thatsache des jüngsten Besitzstandes und die angezeigte Störung durch seinen obersten Gerichtshof summarisch untersuchen und darüber einen rechtlichen Bescheid abfassen lassen, dessen Befolgung für die verurteilte Partei Bundespflicht war. Vgl. WSclil.-A. 20. Die vorbeugenden Maßregeln gegen eine etwaige Selbsthilfe sollten seitens des Bundes vor allem in der Sorge für Aufrechtcrlialtung des Besitzstandes bestehen. Vgl. ebd. 19. 21 WSchl.-A. 30. M Ebd. 26—28. 61. 23 DBA. 12. 24 WSchl.-A. 29. 56*
884
Die Neuzeit
U m die einzelnen Bundesregierungen zur Erfüllung ihrer Bundespflichten, zum Gehorsam gegen die Bundesbeschlüsse und die unter der Auktorität oder Gewähr des Bundes ergangenen Austrags-Urteile oder Schiedsprüche, sowie zur Aufrechterhaltung der vom Bunde vermittelten Vergleiche anzuhalten, stand der Bundesversammlung nach Erschöpfung aller anderen bundesverfassungsmäßigen Mittel das Zwangsmittel der Bundesexekution zur Verfügung 25 . Bei Widersetzlichkeit oder aufrührerischen Bewegungen der Unterthanen konnte auch eine Exekution gegen die letzteren erfolgen, die aber auf Verlangen der beteiligten Regierung wieder eingestellt werden mußte 2 6 . § 84. Die Reformbestrebungen im Bunde und den Bundesstaaten bis 1848. H. SCHULZE, Lelirb. d. deutsch. Staatsrechts 1, 107 ff.; Preußisches Staatsrecht* 1, 96 ff. ZACHABIÄ, Staats- und Bundesrecht l 8 , 190 ff. G . M E T E R , Deutsch. Staatsrecht® 143 ff.; Das parlamentarische Wahlrecht (1901) S. 106 ff. v. T R E I T S C H K E , Preußische Jahrbücher 29, 313 ff. 409 ff. 30, 397 ff. 479 ff. 648 ff. v. K A L T E N B O R N , Geschichte der deutsch. Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806 bis 1856, 2 Bde, 1857. v. SYBEL, Begründung des Deutschen Reiches 1, 1889.
Der Deutsche Bund vermochte dem deutschen Volke nach den von diesem in den Befreiungskriegen gebrachten ungeheuern Opfern keine Befriedigung zu gewähren. Gegen das Ausland erwies er sich als kraftlos während er sich nach innen, zumal seit den sogenannten demagogischen Umtrieben, mehr und mehr zu einer allen volkstümlichen Kegungen feindlichen, die höchsten Güter der Nation in gehässigster Weise verfolgenden Polizeimacht verwandelte 2 . Während die Bundesakte von 1815 und die ersten Verhandlungen der am 5. Nov. 1816 eröffneten Bundesversammlung noch von nationalem Geist erfüllt waren und eine gewisse Fürsorge für die Interessen und Bedürfnisse der Nation zu erkennen gaben 3 , griff schon nach wenigen Jahren die entgegengesetzte Auffassung " WSchl.-A. 31—34. Exekutionsordnung vom 3. August 1820. » WSchl.-A. 32. 1 So bei der Luxemburger Angelegenheit. Vgl. § 83, n. 5. ZACHARIÄ, a. a. 0 . 1», 193 f. * Den Anfang machten die Karlsbader und Wiener Konferenzen von 1819, deren Ergebnis die in verfassungswidriger Weise von der Bundesversammlung angenommenen Karlsbader Beschlüsse von 1819 und die WSchl.-A. von 1820 waren. Vgl. A E Q I M , A U S dem Jahre 1819, 1861. Später folgten, nach den durch die Julirevolution hervorgerufenen Bewegungen, die Wiener Konferenzen von 1834. Die Ausnahmegesetze von 1819, die Zentraluntersuchungskommission zu Mainz, die Demagogenverfolgungen und andere Maßregeln lassen die ehemalige deutsche Bundesverfassung als eine der unnützesten und schädlichsten Einrichtungen der deutseben Geschichte erkennen. • Förderung der Religionsfreiheit (DBA. 16), Freigabe des Grundeigentumserwerbs für alle Deutschen, Auswanderungsfreiheit für alle, die nicht durch ihre Wehrpflicht gebunden waren, Aufhebung von Abschoß und Nachsteuer (ius detractus, gabella emigrationis) unter den deutschen Bundesstaaten (18), Verleihung
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Die Neuzeit
U m die einzelnen Bundesregierungen zur Erfüllung ihrer Bundespflichten, zum Gehorsam gegen die Bundesbeschlüsse und die unter der Auktorität oder Gewähr des Bundes ergangenen Austrags-Urteile oder Schiedsprüche, sowie zur Aufrechterhaltung der vom Bunde vermittelten Vergleiche anzuhalten, stand der Bundesversammlung nach Erschöpfung aller anderen bundesverfassungsmäßigen Mittel das Zwangsmittel der Bundesexekution zur Verfügung 25 . Bei Widersetzlichkeit oder aufrührerischen Bewegungen der Unterthanen konnte auch eine Exekution gegen die letzteren erfolgen, die aber auf Verlangen der beteiligten Regierung wieder eingestellt werden mußte 2 6 . § 84. Die Reformbestrebungen im Bunde und den Bundesstaaten bis 1848. H. SCHULZE, Lelirb. d. deutsch. Staatsrechts 1, 107 ff.; Preußisches Staatsrecht* 1, 96 ff. ZACHABIÄ, Staats- und Bundesrecht l 8 , 190 ff. G . M E T E R , Deutsch. Staatsrecht® 143 ff.; Das parlamentarische Wahlrecht (1901) S. 106 ff. v. T R E I T S C H K E , Preußische Jahrbücher 29, 313 ff. 409 ff. 30, 397 ff. 479 ff. 648 ff. v. K A L T E N B O R N , Geschichte der deutsch. Bundesverhältnisse und Einheitsbestrebungen von 1806 bis 1856, 2 Bde, 1857. v. SYBEL, Begründung des Deutschen Reiches 1, 1889.
Der Deutsche Bund vermochte dem deutschen Volke nach den von diesem in den Befreiungskriegen gebrachten ungeheuern Opfern keine Befriedigung zu gewähren. Gegen das Ausland erwies er sich als kraftlos während er sich nach innen, zumal seit den sogenannten demagogischen Umtrieben, mehr und mehr zu einer allen volkstümlichen Kegungen feindlichen, die höchsten Güter der Nation in gehässigster Weise verfolgenden Polizeimacht verwandelte 2 . Während die Bundesakte von 1815 und die ersten Verhandlungen der am 5. Nov. 1816 eröffneten Bundesversammlung noch von nationalem Geist erfüllt waren und eine gewisse Fürsorge für die Interessen und Bedürfnisse der Nation zu erkennen gaben 3 , griff schon nach wenigen Jahren die entgegengesetzte Auffassung " WSchl.-A. 31—34. Exekutionsordnung vom 3. August 1820. » WSchl.-A. 32. 1 So bei der Luxemburger Angelegenheit. Vgl. § 83, n. 5. ZACHARIÄ, a. a. 0 . 1», 193 f. * Den Anfang machten die Karlsbader und Wiener Konferenzen von 1819, deren Ergebnis die in verfassungswidriger Weise von der Bundesversammlung angenommenen Karlsbader Beschlüsse von 1819 und die WSchl.-A. von 1820 waren. Vgl. A E Q I M , A U S dem Jahre 1819, 1861. Später folgten, nach den durch die Julirevolution hervorgerufenen Bewegungen, die Wiener Konferenzen von 1834. Die Ausnahmegesetze von 1819, die Zentraluntersuchungskommission zu Mainz, die Demagogenverfolgungen und andere Maßregeln lassen die ehemalige deutsche Bundesverfassung als eine der unnützesten und schädlichsten Einrichtungen der deutseben Geschichte erkennen. • Förderung der Religionsfreiheit (DBA. 16), Freigabe des Grundeigentumserwerbs für alle Deutschen, Auswanderungsfreiheit für alle, die nicht durch ihre Wehrpflicht gebunden waren, Aufhebung von Abschoß und Nachsteuer (ius detractus, gabella emigrationis) unter den deutschen Bundesstaaten (18), Verleihung
§ 84. Die Reformbestrebungen im Bunde und den Bundesstaaten bis 1848.
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platz. Die unantastbare Souveränität und Gleichheit der im Bunde vereinigten Staaten und Scheinstaaten machte, bei der erforderlichen Einstimmigkeit, von vornherein jede verfassungsmäßige ßundesreform und jede organische Einrichtung oder gemeinnützige Maßregel des Bundes so gut wie unmöglich. Berücksichtigt wurde diese ünantastbarkeit der Einzelstaaten nur, wo es sich darum handelte, nationale Fortschritte zu verhindern. Wo diese von einer Bundesregierung begünstigt wurden, betrachtete sich die Bundesversammlung als den wahren Souverän, indem sie sich die offenbarsten Eingriffe in die Selbständigkeit der Einzelstaaten erlaubte. Das Volk galt als die zum Gehorsam verpflichtete Masse, als bloßes Objekt für die Regierenden. Die Lehrfreiheit der Universitäten wurde beschnitten, die Spruchthätigkeit der Juristenfakultäten in Strafsachen aufgehoben, die Preßfreiheit, soweit sie landesgesetzlich anerkannt war, mußte der Zensur weichen, die Versammlungsfreiheit wurde beseitigt, die Redefreiheit der Landtage auf das äußerste herabgedrückt 4 . Die Bekämpfung und möglichste Beseitigung aller konstitutionellen Verfassungen galt als eine der wesentlichsten Aufgaben der Bundesversammlung 6 . Man konstruierte deshalb in willkürlichster Weise ein sogenanntes monarchisches Prinzip unveräußerlicher Souveränitätsrechte 6 und suchte die einzelnen Bundesregierungen, soweit sie eine konstitutionelle Verfassung eingeführt hatten, zu Verfassungsbrüchen oder mindestens Verfassungsrevisionen im Sinne jenes Prinzipes zu nötigen 7 . Selbst die Magistrate der freien Städte wurden mit dem monarchischen Prinzip beglückt 8 . Für die Beschwerden der Unterthanen und Stände über Rechtsverletzungen seitens der Regierenden war die Bundesversammlung taub. Für die Beförderung des Handels und Verkehrs geschah von Bundes wegen nichts. Die einzigen Lichtseiten in der Thätigkeit des letzteren waren die Beschlüsse über die Monumenta Germaniae histórica und die in ihrer Art epochemachenden Bundesbeschlüsse vom 6. September 1832, 2. April und 5. November 1835, 9. November 1837, 22. April 1841 und 19. Juni 1845 über den Schutz des geistigen Eigentums 9 . landständischer Verfassungen (13), Gewährung gesetzlicher Privilegien für die mediatisierten Reichsstände und die Reichsritterschaft (14. 17). 4 Hiermit beschäftigten sich namentlich die sogenannten Ausnahmegesetze vom 10. April 1819, die erst durch die Bundesbeschlüsse vom 3. März und 2. April 1848 wieder aufgehoben wurden, und die Bundesbeschlüsse vom 28. Juni und 5. Juli 1832, sowie das Schlußprotokoll der Wiener Ministerialkonferenzen vom 12. Juni 1834. 6 Diesem Zwecke diente schon, wenn auch in verschämter Weise, die Auslegung der DBA. 12 in WSchl.-A. 54—58. 8 WSchl.-A. 57. 7 Hauptaufgabe der Beschlüsse vom 28. Juni 1832 und des Wiener Schlußprotokolls vom 12. Juni 1834. 8 WSchl.-A. 62. 9 Vgl. S. 852. KLOSTERMANN, Das geistige Eigentum 1 (1867), 51 ff. Schon DBA. 19 hatte eine Nachdrucksgesetzgebung in Aussicht gestellt. Eine wichtige Ergänzung der angeführten Bundesgesetzgebung bildeten die Bundesbeschlüsse vom 6. November 1856 und 12. März 1857.
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Erfreulicher als auf dem Gebiete des Deutschen Bundes waren die Verhältnisse in den Einzelstaaten10. Von den durch die Befreiungskriege zurückgewonnenen Gebieten deutscher Bundesstaaten wurde in denen des linken Rheinufers die bisherige französische Gesetzgebung aufrechterhalten, dasselbe geschah zum Teil in den rechtsrheinischen Gebieten der preußischen Rheinprovinz. Im übrigen fand überall die Aufhebung der französischen Gesetze im Wege der Landesgesetzgebung statt. Während dies im allgemeinen mit schonender Hand und unter Aufrechterhaltung manches Guten, das dem Zwischenreich der Fremden zu verdanken war, geschah, wurde in Hannover und Kurhessen eine vollständige, die französisch-westfälische Zwischenherrschaft aus der Geschichte ausstreichende Reaktion unternommen und mit der größten Härte ohne Schonung wohlerworbener Rechte durchgeführt11. Eine dringende Aufgabe aller Bundesstaaten mit katholischer Bevölkerung war die durch RDHSchl. 62 in Aussicht gestellte Neuregelung der katholischen Kirchenverfassung (S. 849). Sie erfolgte durch Vereinbarungen mit dem päpstlichen Stuhl, deren Inhalt durch die vom Papst erlassenen und von den Landesregierungen unter Wahrung der staatlichen Hoheitsrechte und der Gleichberechtigung der anerkannten Konfessionen publizierten Zirkumskriptionsbullen zum Gesetz erhoben wurde18. Die bei der Bundesverfassung zurückgewiesene Beteiligung des Volkes an der Regierung sollte nach DBA. 18 wenigstens innerhalb der einzelnen Landesverfassungen platzgreifen. Die Bestimmung: „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden", die in erster Reihe eine wahre Volksvertretung im Auge hatte, wurde aber durch WSchl.-A. 55 dahin ausgelegt, daß der Landesherr nach seiner Wahl entweder eine altständische oder eine Repräsentativverfassung einführen könne. Die den Ständen einzuräumenden Rechte wurden außerdem durch das in übertriebenem Sinne aufgefaßte monarchische Prinzip auf das äußerste begrenzt13 und die Bundesgewähr für die Landesverfassungen (WSchl.-A. 56. 60) thatsächlich nur zum Schutz altständischer Verfassungen ausgeübt14. Konstitutionelle Verfassungen kamen, teils im Wege der Ver10 u
Vgl.
ALTHANN, Ausgewählte Urkunden V g l . HÄUSSER, a . a . 0 . 4 , 4 6 0 ff.
(§ 82, n. 4).
" Zirkumskriptionsbullen hießen diese Erlasse, weil die neue Abgrenzung der Diözesen (cireumscribere) ihren Hauptinhalt bildete. Die nach ihren Eingängen benannten Bullen waren: für Preußen De salute animarum (1821), für Hannover Impensa Romanorum pontificum (1824), für die oberrheinische Kirchenprovinz Próvida solersque (1821) und Ad dominici gregis eustodiam (1827). In Baiern wurden die Ergebnisse des Konkordates vom 5. Juni 1817 mit einigen durch die staatsrechtlichen Verhältnisse gebotenen Abänderungen durch das als 2. Beilage der Verfassungsurkunde von 1818 erlassene Religionsedikt landesgesetzlich eingeführt, so daß die Bulle gesetzliche Geltung nur erlangte, soweit sie nicht der Landesverfassung widersprach. " Vgl. S. 885. WSchl.-A. 57—59. u Die altständische Verfassung Braunschweigs wurde vom Bunde gegen den
§ 84. Die Reformbestrebungen im Bunde und den Bundesstaaten bis 1848.
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einbarung mit den alten Ständen, teils durch einseitigen landesherrlichen Erlaß, zunächst nur in Nassau (1814/15), Waldeck, Schwarzburg-Rudolstadt und Sachsen-Weimar (1816), Hildburghausen (1818), Baiern und Baden (1818), Würtemberg (1819), Hessen-Darmstadt (1820), Altenburg und Koburg (1821), Meiningen (1829) zustande. In einigen dieser Staaten hatte die Rheinbundzeit mit der Vergangenheit so völlig gebrochen, daß es, namentlich mit Rücksicht auf die zahlreichen neuerworbenen Gebiete, vollständiger staatsrechtlicher Kodifikationen bedurfte. Die zum Teil an die „Charte constitutionelle" Ludwigs X V I I I . von 1814 anknüpfenden Verfassungsurkunden, die übrigens an dem monarchischen Prinzip festhielten, entsprachen den Anforderungen der Zeit so gut, daß sie alle folgenden Stürme überdauert und sich im wesentlichen bis zur Gegenwart erhalten haben. Einen neuen Anstoß für die konstitutionelle Entwickelung Deutschlands gab die französische Julirevolution. Repräsentativverfassungen erhielten 1831 Kurhessen und das Königreich Sachsen, das bis dahin streng an den altständischen Einrichtungen festgehalten hatte, 1832 Braunschweig, 1833 Hannover und Hohenzollern-Sigmaringen, 1835 Hohenzollem-Hechingen, 1841 Schwarzburg-Sondershausen. Die hannoversche Verfassung wurde, nachdem die Verbindung des Landes mit England durch den Tod Wilhelms III. gelöst worden war (1837), von Ernst August unter dem nichtigen Vorwand, daß er als Agnat seine Zustimmung nicht erteilt habe, umgestoßen und 1840 durch eine neue, mit einer ungesetzlichen Ständeversammlung vereinbarte Verfassung ersetzt. Die altständische Verfassung bestand jetzt nur noch in beiden Meklenburg, Oldenburg, Sachsen-Gotha, Anhalt und Reaß, mit gewissen Verbesserungen auch in Schaumburg-Lippe und Lippe. Schleswig-Holstein erhielt 1834 eine reformierte Verfassung, zum Teil sogar auf Grund des in keinem anderen deutschen Staate angenommenen direkten Wahlrechts, aber immer noch auf altständischer Grundlage und mit bloßem Beratungsrecht bei der Gesetzgebung. Österreich beharrte in einem verknöcherten Absolutismus, der sämtliche habsburgische Länder zusammenfaßte und den deutschen Charakter des Kaiserstaates infolgedessen stark in den Hintergrund treten ließ; in einzelnen Provinzen bestanden Provinziallandtage mit untergeordneten Befugnissen; wesentliche Reformen erfolgten nur in der Organisation der Zentralbehörden16. In Preußen wurde noch 1820 das Versprechen einer „reichsständischen Verfassung" seitens des Königs wiederholt, aber es kam nur zu der Einrichtung von Provinzialständen (1823—24) auf vorwiegend altständischer Grundlage und mit beschränkter Zuständigkeit, insbesondere auf dem Gebiete der Gesetzgebung nur mit beratender Stellung. Im übrigen wurde in landesväterlicher Fürsorge mit einem streng gewissenhaften Beamtentum an dem Ausbau des Staates Absolutismus des Herzogs geschützt (1830), während der hannoversche Verfassungsbruch und die Vertreibung der sieben Göttinger Professoren (1837) ungeahndet blieb. 15 Vgl. LÜSCHIM v. EBENQPEOTH, Österr. Reichsgeschichte 558 ff.
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auf Grundlage der Stein-Hardenbergischen Reformen gearbeitet. Die Heeres-, Civil- und Finanzverwaltung wurde weiter vervollkommnet. Seit 1829 wurde die regelmäßige Veröffentlichung des Staatshaushalts eingeführt. Die konstitutionelle Entwickelung kam erst unter Friedrich Wilhelm IY. mehr in Bewegung. Den Anfang machten die vereinigten ständischen Ausschüsse (1842), denen 1847 der vereinigte preußische Landtag, eine in Herrenkurie und Ständekurie geteilte Vereinigung der acht Provinziallandtage, folgte, aber auch dieser erhielt nur die Befugnisse, wie sie die alten Landstände besessen hatten, und den vom vereinigten Landtag gestellten Anträgen auf Einführung einer konstitutionellen Verfassung wurde keine Folge gegeben. Einer der wichtigsten preußischen Staatsakte war das Gesetz vom 26. Mai 1818 über den Zoll und die Gebrauchssteuer von ausländischen Waren und den Verkehr zwischen den Provinzen des Staates, wodurch sämtliche Binnenzölle aufgehoben und die Zollgrenzen an die Landesgrenzen verlegt wurden. Die vom preußischen Gebiet eingeschlossenen Enklaven der übrigen deutschen Staaten wurden nach und nach durch besondere Verträge mit dem preußischen Zollgebiet vereinigt; dasselbe geschah seitens der drei anhaltischen Herzogtümer, der Fürstentümer Waldeck-Pyrmont und Lippe und des Großherzogtums Luxemburg, das in diesem Verhältnis bis zur Gegenwart geblieben ist 16 . Nachdem eine Reihe von Einzelverträgen vorausgegangen war, traten in den Verträgen vom 22. und 30. März 1833 Preußen, beide Hessen, Baiern, Würtemberg und Sachsen zu dem „Zoll- und Handelsverein" zusammen, der zugleich die Anschlußstaaten des preußischen Zollgebietes mitumfaßte. Noch in demselben Jahre trat der thüringische Zollverein, dem Preußen und Kurhessen ebenfalls mit einigen Landesteilen angehörten, dem „GesamtZoll- und Handelsverein" bei17. Im Jahre 1835 folgten Baden und Nassau, 1836 Frankfurt a. M., 1841 Lippe und Braunschweig, das bisher dem 1834—36 errichteten „Steuerverein" angehört hatte, während Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe den Steuerverein fortsetzten, bis dieser auf Grund der Verträge vom 7. Septbr. 1851 und 1. März 1852 ebenfalls mit dem Zollverein verbunden wurde (1854). Schließlich umfaßte der Zollverein ganz Deutschland mit Ausnahme von Österreich, Liechtenstein, Holstein - Lauenburg, beiden Meklenburg und den drei Hansestädten. Der Zollverein war ein völkerrechtlicher Verein, der immer nur auf bestimmte Zeit (12 Jahre) abgeschlossen, aber regelmäßig, wenn ,e
Der Anschluß erfolgte 1842, zunächst auf sechs, später auf je zwölf Jahre. Die letzte Erneuerung (1865) wurde durch § 14 des Staatsvertrages vom 11. Juni 1872 über die Übernahme der Luxemburger Eisenbahnen in die Verwaltung des Deutschen Reiches in der Weise unkündbar gemacht, daß der Zollanschluß bestehen bleibt, solange das Reich die Eisenbahnverwaltung behält. " Vgl. AEQIDI, Aus der Vorgeschichte des Zollvereins, 1865.
WEBER, Der
deutsche Zollverein, 1869. NEBENIUS, Der deutsche Zollverein, 1835. liche Unterlage des Zollvereins bildete DBA. 11 und WSchl.-A. 6.
Die recht-
§ 85.
Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
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auch zuweilen erst nach schweren Krisen, wieder erneuert wurde. Sein Organ war die jährlich an einem vorher vereinbarten Orte zusammentretende Zollkonferenz, aus Bevollmächtigten der Vereinsstaaten bestehend; alle Beschlüsse mußten einstimmig gefaßt werden. Preußen vertrat zugleich seine Zollanschlüsse, hatte aber im übrigen kein Vorrecht, wenn ihm auch thatsächlich auf diesem Gebiet der materiellen Interessen die Führerschaft nicht entgehen konnte. Der Zollverein bildete ein einheitliches Verkehrsgebiet mit gemeinsamem Zoll- und Handelssystem, einheitlichem Zollgesetz und Zolltarif, einheitlicher Zollordnung. Auch über gleichmäßige Besteuerung innerer Erzeugnisse wurde eine Reihe von Vereinbarungen, z. B. über die dem ganzen Zollverein gemeinsame Rübenzuckersteuer, getroffen. Gemeinsame Grundsätze wurden hinsichtlich des Münz- und Gewichtsystems aufgestellt. Während die Münzkonvention von 1838 noch die kölnische Mark zu Grunde legte 18 , ging der Münzverein von 1857, dem auch Österreich und Liechtenstein beitraten, bereits von dem als Gewichtseinheit angenommenen Zollpfund von 500 Gramm aus 19 . Noch auf einem zweiten Gebiete hat der Zollverein für ganz Deutschland eine gewaltige Förderung gebracht, indem Preußen am 31. August 1847 auf Beschluß der Zollvereinskonferenz die deutschen Bundesregierungen zur Beschickung der Leipziger Wechselkonferenz einlud. Ihr Ergebnis war der am 9. Dezember 1847 vollendete Entwurf der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung. § 85.
Oer Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
ZACHARIÄ, Staats- und Bundesrecht 1 2 0 0 ff. SCHULZE, Deutsches Staatsrecht 1, 123ff. Gr. MEYER, Deutsches Staatsrecht 5 146ff. KLÜPFEL, Geschichte der deutschen Ginheitsbestrebungen, 2 Bde, 1872—73. WEIL, Quellen u. Aktenstücke z. deutschen Verfassungsgeschichte, 1850. ROTH U. MERK, Quellensammlung des deutschen öffentlichen Rechts seit 1848, 2 Bde, 1850—52. VOGEL, Studien zur Geschichte des Frankfurter Parlamente, 1881. BINDINQ, Versuch der Eeichagründung durch die Paulskirche, 1892. v. SYBEL, Begründung des Deutschen Reiches 1.—5. G. MEYER, Das parlamentarische Wahlrecht 174—216. — Getreuer Abdruck der Reichsverfassung von 1849 und der Erfurter Entwürfe bei BINDINQ, Staatsgrundgesetze 2, 1893.
Die ungeheuere Bewegung, die das deutsche Volk nach der französischen Februarrevolution durchzuckte, war in erster Reihe gegen den deutschen Bundestag und auf eine angemessene Beteiligung der Nation an der Regierung des Bundes und der Einzelstaaten, daneben auf innere 18 Vgl. S. 840. Die süddeutschen Staaten gingen von dem 24 Gulden-Fuße zum 24Vs Guldenfuße über, so daß der 14 Thalerfuß und der reformierte rheinische Münzfuß in dem Thaler (= l3/4 fl.) und dem 2 Thalerstück (= 3'/s fl.) eine beiden Systemen angepaßte Münze erhielten. " Aus dem Pfund feinen Silbers wurden 30 Thaler oder 45 fl. österreichisch oder 52 VJ fl- rheinisch geprägt. Vereinsmünze wurde der dem früheren Thaler gleichwertige Vereinsthaler zu l'/a fl. österr. und l'/4 fl. rheinisch.
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Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
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auch zuweilen erst nach schweren Krisen, wieder erneuert wurde. Sein Organ war die jährlich an einem vorher vereinbarten Orte zusammentretende Zollkonferenz, aus Bevollmächtigten der Vereinsstaaten bestehend; alle Beschlüsse mußten einstimmig gefaßt werden. Preußen vertrat zugleich seine Zollanschlüsse, hatte aber im übrigen kein Vorrecht, wenn ihm auch thatsächlich auf diesem Gebiet der materiellen Interessen die Führerschaft nicht entgehen konnte. Der Zollverein bildete ein einheitliches Verkehrsgebiet mit gemeinsamem Zoll- und Handelssystem, einheitlichem Zollgesetz und Zolltarif, einheitlicher Zollordnung. Auch über gleichmäßige Besteuerung innerer Erzeugnisse wurde eine Reihe von Vereinbarungen, z. B. über die dem ganzen Zollverein gemeinsame Rübenzuckersteuer, getroffen. Gemeinsame Grundsätze wurden hinsichtlich des Münz- und Gewichtsystems aufgestellt. Während die Münzkonvention von 1838 noch die kölnische Mark zu Grunde legte 18 , ging der Münzverein von 1857, dem auch Österreich und Liechtenstein beitraten, bereits von dem als Gewichtseinheit angenommenen Zollpfund von 500 Gramm aus 19 . Noch auf einem zweiten Gebiete hat der Zollverein für ganz Deutschland eine gewaltige Förderung gebracht, indem Preußen am 31. August 1847 auf Beschluß der Zollvereinskonferenz die deutschen Bundesregierungen zur Beschickung der Leipziger Wechselkonferenz einlud. Ihr Ergebnis war der am 9. Dezember 1847 vollendete Entwurf der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung. § 85.
Oer Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
ZACHARIÄ, Staats- und Bundesrecht 1 2 0 0 ff. SCHULZE, Deutsches Staatsrecht 1, 123ff. Gr. MEYER, Deutsches Staatsrecht 5 146ff. KLÜPFEL, Geschichte der deutschen Ginheitsbestrebungen, 2 Bde, 1872—73. WEIL, Quellen u. Aktenstücke z. deutschen Verfassungsgeschichte, 1850. ROTH U. MERK, Quellensammlung des deutschen öffentlichen Rechts seit 1848, 2 Bde, 1850—52. VOGEL, Studien zur Geschichte des Frankfurter Parlamente, 1881. BINDINQ, Versuch der Eeichagründung durch die Paulskirche, 1892. v. SYBEL, Begründung des Deutschen Reiches 1.—5. G. MEYER, Das parlamentarische Wahlrecht 174—216. — Getreuer Abdruck der Reichsverfassung von 1849 und der Erfurter Entwürfe bei BINDINQ, Staatsgrundgesetze 2, 1893.
Die ungeheuere Bewegung, die das deutsche Volk nach der französischen Februarrevolution durchzuckte, war in erster Reihe gegen den deutschen Bundestag und auf eine angemessene Beteiligung der Nation an der Regierung des Bundes und der Einzelstaaten, daneben auf innere 18 Vgl. S. 840. Die süddeutschen Staaten gingen von dem 24 Gulden-Fuße zum 24Vs Guldenfuße über, so daß der 14 Thalerfuß und der reformierte rheinische Münzfuß in dem Thaler (= l3/4 fl.) und dem 2 Thalerstück (= 3'/s fl.) eine beiden Systemen angepaßte Münze erhielten. " Aus dem Pfund feinen Silbers wurden 30 Thaler oder 45 fl. österreichisch oder 52 VJ fl- rheinisch geprägt. Vereinsmünze wurde der dem früheren Thaler gleichwertige Vereinsthaler zu l'/a fl. österr. und l'/4 fl. rheinisch.
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Reformen (Rede- und Preßfreiheit., Versammlungsfreiheit, Beseitigung der Patrimoniaigerichte, Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden u. dgl. m.) gerichtet Die Bundesversammlung überstürzte sich seit dem März 1848 in patriotischen Beschlüssen, die zum Teil ohne die erforderlichen Instruktionen der Regierungen gefaßt wurden. Die früheren freiheitsfeindlichen Bundesbeschlüsse und Ausnahmegesetze wurden aufgehoben, die früher als hochverräterisch betrachteten Reichsfarben als Bundesfarben und der Reichsadler als Bundeswappen angenommen, die Revisionsbedürftigkeit der Bundesverfassung und die Notwendigkeit einer Nationalvertretung ausgesprochen. Während auf Einladung der Bundesversammlung ein Ausschuß von 17 Männern des allgemeinen Vertrauens (nach den 17 Stimmen des engeren Rates) den Entwurf eines deutschen Reichsgrundgesetzes ausarbeitete, dessen Grundgedanken vollständig in die heutige Reichsverfassung übergegangen sind 1 , erwuchs den Reformbestrebungen der Bundesversammlung eine volkstümliche Konkurrenz in dem sog. Vorparlament^ einer aus freiem Antrieb zu Frankfurt zusammengetretenen Notabeinversammlung, zu der sich zahlreiche in Staats- oder Gemeindevertretungen hervorragende Männer eingefunden hatten. Obwohl dieser Versammlung jede amtliche Auktorität fehlte, erhielt das Vorparlament und der von ihm eingesetzte Fünfzigerausschuß bei der Ratlosigkeit der Bundesversammlung einen großen Einfluß auf das Reformwerk. Bei den auf Bundesbeschluß vom 30. März 1848 von sämtlichen Bundesregierungen angeordneten Wahlen einer Nationalvertretung zur Vereinbarung einer Reichsverfassung wurden die von dem Vorparlament entworfenen Grundzüge eines Wahlgesetzes maßgebend2. Am 18.Mai 1848 trat die „deutsche konstituierende Nationalversammlung" in der Paulskirche zu Frankfurt zusammen. Nachdem diese zunächst ein Gesetz über die provisorische Zentralgewalt beschlossen und daraufhin den Erzherzog Johann von Österreich zum Reichsverweser gewählt hatte, übertrug die Bundesversammlung am 12. Juli 1848 „namens der deutschen Regierungen" die Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse und Verpflichtungen an die provisorische Zentralgewalt und legte sie feierlich in die Hände des Reichsverwesers, indem sie erklärte, daß sie „ihre bisherige Thätigkeit als beendet" ansehe. Damit war die bisherige Bundesverfassung rechtlich aufgehoben und die Vollendung des Reformwerkes der provisorischen Zentralgewalt und der Nationalversammlung übertragen. Eine Verständigung mit den Einzelregierungen war rechtlich nicht mehr erforderlich, wohl aber durch die Staatsklugheit geboten. Das Reformwerk scheiterte, weil die Nationalversammlung in Überschätzung ihrer Macht von einer solchen Verständigung glaubte absehen zu können. Am 26. Nov. 1848 1 war
Verfasser des Entwurfes, dem zunächst keine weitere Folge gegeben wurde,
DAHLMANN.
8 Bei den Wahlen beteiligten sich auch die Provinzen Ost- und Westpreußen und ein Teil von Posen, deren Aufnahme in den Deutschen Bund durch Bundesbeschlüsse vom 11. und 22. April und 2. Mai erfolgt war.
§ 85.
Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
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wurde der von der Nationalversammlung als Reichsgesetz angenommene Entwurf der Leipziger Wechselkonferenz, die „Allgemeine Deutsohe Wechselordnung" (S. 889), im Reichsgesetzblatt verkündigt; ebenso am 27. Dez. die als Teil der Reichsverfassung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes" und am 12. April 1849 das Reichswahlgesetz. Die am 27. März 1849 beschlossene „Verfassung des deutschen Reiches" erhielt die Unterschrift des Reichsverwesers nicht; sie wurde ohne diese als „beschlossen und verkündigt" von der „deutschen verfassunggebenden Nationalversammlung" durch das Bureau derselben unter dem 28. März 1849 im Reichsgesetzblatt bekannt gemacht. Nach der „Verfassung des deutschen Reiches" sollte das bisherige Bundesgebiet einen konstitutionellen Bundesstaat bilden, mit einem erblichen „Kaiser der Deutschen" und verantwortlichen Reichsministern, sowie einem aus Staaten- und Volkshaus bestehenden Reichstag, das erstere zur einen Hälfte aus Vertretern der Regierungen, zur anderen aus Abgeordneten der Einzellandtage zusammengesetzt, das Volkshaus aus unmittelbaren, geheimen Volkswahlen hervorgehend. Die am 28. März von der Nationalversammlung vollzogene Kaiserwahl fiel auf Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der die Wahl am 3. April bedingt, am 28. April endgültig ablehnte, weil die Nationalversammlung die von ihm gestellte Bedingung der freien Zustimmung der Einzelstaäten zu der Reichsverfassung verwarf. Es folgte die Abberufung der preußischen Abgeordneten zur Nationalversammlung von seiten der preußischen Regierung, deren Beispiel die meisten übrigen Regierungen folgten. Damit war das Reformwerk der Jahre 1848—49 gescheitert. Die konstituierende Nationalversammlung löste sich auf. Die ohnmächtigen Versuche des in Frankfurt verbliebenen, dann nach Stuttgart übergesiedelten Restes der Versammlung (des „Rumpfparlamentes") zur Aufrichtung der Volkssouveränität und der Republik gehören nicht in die Rechtsgeschichte. Die ehemalige Bundesverfassung war seit dem 12. Juli 1848 aufgehoben und das Gesetz über die provisorische Zentralgewalt vom 28. Juni 1848 bot in dem nun eingetretenen Falle keine Handhabe, um dem gesetzlich unauflösbaren Bunde wieder eine verfassungsmäßige Organisation zu geben. Der Vertragsweg war das einzige Auskunftsmittel, das sogleich von der preußischen Regierung ergriffen wurde. Das am 26. Mai 1849 von Preußen, Hannover und Sachsen abgeschlossene Dreikönigsbündnis bezweckte, unbeschadet der Fortdauer des noch genauer zu regelnden Bundesverhältnisses mit Österreich, die Errichtung eines die übrigen deutschen Staaten umfassenden Bundesstaates unter dem Namen „Deutsches Reich". Der gleichzeitig vereinbarte Verfassungsentwurf schloß sich auf das engste an den Frankfurter Entwurf an, beseitigte aber die Übertreibungen des parlamentarischen Systems, trug der Selbständigkeit der Einzelstaaten größere Rechnung, ersetzte den Titel „Kaiser der Deutschen" durch „Reichsvorstand" und stellte dem letzteren, dessen Würde mit der Krone von Preußen verbunden wurde,
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für Akte der Gesetzgebung ein Fürstenkollegium zur Seite. Dem Dreikönigsbündnis traten sämtliche Bundesregierungen bis auf Baiern, Würtemberg, Luxemburg, Liechtenstein, Hessen-Homburg und Frankfurt bei, während Österreich gegen den Versuch eines engeren Bundes überhaupt Verwahrung einlegte. Nachdem Hannover und Sachsen sich wieder von dem Bündnis logesagt hatten, wurde der Verfassungsentwurf durch eine Zusatzakte dahin geändert, daß der Bund den Namen „Deutsche Union" erhalten sollte. Der am 20. März 1849 zu Erfurt eröffnete Reichstag nahm die Verfassung unverändert an. Aber die preußische Begierung hatte nicht die Kraft und bald auch nicht mehr den Willen, dem um sich greifenden Abfall der Verbündeten zu steuern. Die Deutsche Union blieb ein totgeborenes Kind, die Erfurter Verfassung ist nie ins Leben getreten. Ebensowenig hatte der von dem Vierkönigsbündnis aufgestellte Münchener Gegenentwurf einen Erfolg. Österreich und Preußen hatten sich nach der Auflösung der Nationalversammlung, da die von Preußen nicht mehr anerkannte provisorische Zentralgewalt des Reichsverwesers nur noch ein schattenhaftes Dasein führte, über eine gemeinsam zu übernehmende provisorische Bundesleitung verständigt, aber noch bevor diese ins Leben trat, berief Österreich als Präsidialmacht auf den 10. Mai 1850 eine außerordentliche Bundesplenarversammlung nach Frankfurt. Obwohl nur acht, später elf Regierungen, darunter die noch mit Deutschland im Kriege befindliche dänische, vertreten waren, erklärte sich die Versammlung für beschlußfähig und verfügte, nachdem sie sich am 2. September auch als engerer Rat konstituiert hatte, sofort die Bundesexekution gegen das schleswig-holsteinische und das kurhessische Volk, die für ihr Festhalten an Recht und Verfassung von dem Bunde gezüchtigt werden sollten. Nachdem Preußen sich im Olmützer Vertrage vom 29. Nov. 1850 unterworfen hatte und die zur Vereinbarung einer Bundesreform eröffneten Dresdener Konferenzen ergebnislos geblieben waren, wurde die Bundesversammlung im Mai 1851 wieder von sämtlichen deutschen Regierungen anerkannt. Der Bundestag hatte in den Jahren der Prüfung nichts gelernt und nichts vergessen. Die schmachvollste Reaktion im Bunde wie in den Einzelstaaten nahm ihren Anfang. In den Jahren der Bewegung hatten sämtliche Staaten die noch keine Repräsentativverfassung besaßen, eine solche erhalten; in anderen waren die bestehenden Verfassungen zum Teil neugestaltet worden. Die Verfassungsgesetze waren größtenteils im Wege der Vereinbarung zustande gekommen, der geringere Teil beruhte auf einseitigem Regierungserlaß. Überall hatte ein erfreulicher Fortschritt stattgefunden. Die Patrimonialgerichte waren größtenteils beseitigt, die Gerichtsverfassungen überhaupt in einer den modernen Anschauungen entsprechenden Weise reformiert, Strafrecht und Prozeß in derselben Richtung umgestaltet, Religions-, Gewerbe-, Preß- und Versammlungsfreiheit durchgeführt, die verschiedene Berechtigung der Standesklassen aufgehoben, das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden beseitigt u. dgl. m. An Auswüchsen der
§ 85. Der Deutsche Bund von 1848 bis 1866.
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Volksfreiheit und des parlamentarischen Systems fehlte es freilich nicht, und eine auf diese beschränkte Revision würde sich den DaDk der Nation erworben haben. Das genügte aber der Bundesversammlung und vielen Einzelregierungen nicht. In Österreich, Holstein, Sachsen, Würtemberg und beiden Meklenburg wurden die neuen Verfassungen auf Bundesbeschluß wieder aufgehoben und die früheren Zustände hergestellt. Am schroffsten waren die Verfassungsbrüche in Hannover und Kurhessen, beide vom Bundestag gutgeheißen und unter seinen Schutz genommen. Das „monarchische Prinzip" der Wiener Ministerialkonferenz kam wieder zu Ehren und wurde seitens der Bundesversammlung in willkürlichster Weise benutzt, um die Einzelregierungen zu mehr oder minder gewaltsamen Verfassungsrevisionen zu veranlassen oder darin zu bestärken 3 . Erst der Eintritt der Regentschaft des Prinzen von Preußen (1858) führte einen Umschlag herbei. Seit Preußen, von männlicher Hand regiert, sich wieder in verfassungsmäßigen Bahnen bewegte und einem gemäßigten Fortschritt huldigte, hatte die Reaktion auch in der Bundesversammlung allen Boden verloren. Die Bundesreform trat wieder in den Vordergrund. Ein von der sächsischen Regierung aufgestellter Entwurf hatte keine weiteren Folgen. Ein anderer, 1862 von neun Mittelstaaten in einer Konferenz zu Würzburg vereinbarter Entwurf, welcher der Bundesversammlung für gewisse Akte der Gesetzgebung eine aus Abgeordneten der Landesvertretungen gebildete Delegiertenversammlung zur Seite stellen wollte, wurde vom Bundestag abgelehnt. Ein neues Projekt einer sehr verwickelten Bundesverfassung wurde 1863 von Österreich einem auf seine Einladung in Frankfurt zusammengetretenen Fürstentag vorgelegt, scheiterte aber am Widerspruch des Königs von Preußen, der jede Beteiligung an den Verhandlungen ablehnte, wenn nicht eine wahre Nationalvertretung auf Grund allgemeiner Wahlen und die volle Gleichstellung beider Großmächte in betreff des Präsidiums in Aussicht genommen würden; außerdem verlangte Preußen für jede der beiden Großmächte ein Veto gegen alle nicht den unmittelbaren Schutz des Bundesgebietes betreffenden Bundeskriege. Der Gegensatz der beiden Großmächte trat noch einmal in den Hintergrund infolge des von beiden gemeinsam unternommenen deutschdänischen Krieges 4 , aber der den Krieg beendigende Wiener Friede 3 Die einzige verdienstrolle Leistung der Bundesversammlung aus dieser Zeit war der auf Antrag Baierns gefaßte Bundesbeschluß vom 18. Dez. 1856, durch den die Bundesstaaten zur Beschickung der Nürnberger Kommission behufs Ausarbeitung eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches eingeladen wurden. 4 In Dänemark hatte nach dem Tode Friedrichs VII. (15. Nov. 1863) auf Grund des Londoner Vertrages vom 8. Mai 1852 und des dänischen Thronfolgegesetzes vom 31. Juli 1853 Christian IX. den Thron bestiegen, während die Succession in Schleswig-Holstein, wo die Stände die Änderung des Thronfolgegesetzes nicht genehmigt hatten, verfassungsmäßig dem Hause Augustenburg zustand. Da aber das Haupt des letzteren, Herzog Christian, dem Londoner Vertrage zugestimmt hatte, so war damit nach lehnrechtlichen Grundsätzen für ihn und seine
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(30. Okt. 1864), in welchem Dänemark die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenbnrg zur Verfügung der beiden Verbündeten abtrat, brachte neuen Zündstoff. Zwar wurde die lauenburgische Frage durch den Gasteiner Vertrag (14. Aug. 1865) endgültig beigelegt, indem Osterreich gegen eine Geldentschädigung seine Ansprüche an Preußen abtrat, aber im übrigen kam es nur zu einem bedenklichen Provisorium, da Preußen die alleinige Verwaltung in Schleswig, Österreich die in Holstein übernahm, die Hoheitsrechte über beide aber bis zu endgültiger Entscheidung über das Schicksal der Herzogtümer gemeinsam blieben. Nachdem Österreich einseitig diese Entscheidung in die Hände des Bundestages gelegt und die holsteinischen Stände einberufen hatte, sah Preußen darin eine Kündigung des Gasteiner Vertrages und rückte zur Wahrung seines Mitbesitzes wieder in Holstein ein. Österreich wich einer Begegnung aus, beantragte aber bei der Bundesversammlung die Mobilmachung gegen Preußen. Das Bundesrecht bot dafür keine Handhabe, nur die Einleitung eines Austragverfahrens wegen Besitzstörung (S. 883) würde der Bundesverfassung entsprochen haben. Indem der österreichische Antrag am 14. Juni 1866 zum Bundesbeschluß erhoben wurde, machte sich die Bundesversammlung eines Verfassungsbruches schuldig, der für Preußen der Anlaß wurde, noch an demselben Tage seinen Austritt aus dem Bunde zu erklären. Ihm folgten die meisten norddeutschen Staaten. Die ausgetretenen bisherigen Bundesglieder vereinigten sich zu einem Schutz- und Trutzbündnis und zur Errichtung eines norddeutschen Bundesstaates in Anlehnung an die von Preußen kurz vor seinem Austritt in der Bundesversammlung vorgelegten „Grundzüge einer Bundesreform". Der Verlauf des Krieges entschied zu Gunsten des neuen Bundesstaates. Im Nikolsburger Präliminarvertrag vom 26. Juli und dem Prager Frieden vom 23. Aug. 1866 erkannte Österreich die Auflösung des Deutschen Bundes an, trat seine Ansprüche auf Schleswig-Holstein an Preußen ab und erklärte seine Einwilligung zu der Errichtung eines Norddeutschen Bundes unter preußischer Führung, sowie zu der Herstellung einer „nationalen Verbindung" desselben mit den süddeutschen Staaten. Nachdem die Verbündeten des Kaiserstaates in Einzelverträgen ebenfalls zugestimmt hatten, war die Bahn für die Neugestaltung des Deutschen Reiches geebnet. Am 24. Aug. 1866 löste sich der Rest der zuletzt nach Augsburg übergesiedelten Bundesversammlung auf.
Nachkommen das Successionsrecht beseitigt (S. 415). Es war daher gerechtfertigt, wenn Österreich und Preußen, zumal selbst durch den Londoner Vertrag gebunden, Christian IX. auch als Herzog von Schleswig-Holstein anerkannten und nur verlangten, daß die seit dem 15. Jahrhundert gewährleistete verfassungsmäßige Verbindung beider Herzogtümer (S. 389) aufrechterhalten und die Einverleibung Schleswigs in Dänemark rückgängig gemacht werde. Erst als dies verweigert wurde, schritten sie zum Kriege.
§ 86. Der Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches.
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§ 86. Oer Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches. LAB AND, Staatsrecht des Deutschen Reiches 1 4 , 3 — 5 1 ( 1 8 8 8 ) . H . SCHULZE, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes 1 , 1 4 6 — 1 7 6 ( 1 8 8 1 ) . G. MEYER, Deutsch. Staatsrecht5 1 5 4 ff. MEJEK, Einleitung in das deutsche Staatsrecht9, 1 8 8 4 . HÄNEL, Studien zum deutschen Staatsrechte, 2 Bde, 1 8 7 3 / 8 0 . THUDICHÜM, Verfassungsrecht des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Zollvereins, 1870. BINDINQ, Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889. v. SYBEL, Begründung des Deutschen Reiches 5. 6. 7. ( 1 8 8 9 — 9 4 ) . G. MEYEB, Das parlamentarische Wahlrecht 2 3 5 — 2 6 6 . L E FORT u. POSENEB, a. a. 0. (S. 874) 1, 117 ff. KLÖPPEL, Dreißig Jahre Deutscher Verfassungsgeschichte, I. 1900.
Durch Bündnisvertrag vom 19./21. Aug. 1866 hatten sich achtzehn norddeutsche Staaten, denen noch Hessen-Darmstadt (mit seinen nördlich des Mains belegenen Gebietsteilen), Reuß ä. L., Sachsen-Meiningen und das Königreich Sachsen in ihren mit Preußen abgeschlossenen Friedensverträgen vom 3. und 16. Sept., 8. und 21. Okt. beitraten, zu einem Schutz- und Trutzbündnis unter preußischer Führung und weiter zu seiner Umwandlung in ein verfassungsmäßiges Bundesverhältnis auf Grundlage der preußischen „Grundzüge einer Bundesreform" (10. Juni 1866) vereinigt. Der Entwurf der Bundesverfassung sollte durch Bevollmächtigte der verbündeten Regierungen ausgearbeitet und dann einem auf Grund des Reichwahlgesetzes vom 12. April 1849 (S. 891) zu wählenden Parlament „zur Beratung und Vereinbarung" vorgelegt werden. Soweit die Verfassung der einzelnen Staaten es erforderte, wurde von diesen die ständische Genehmigung des abgeschlossenen Bündnisvertrages eingeholt. Die Wahl des konstituierenden Reichstages erfolgte am 12. Febr. 1867, teils auf Grund einzelstaatlicher Ausführungsverordnungen zum Reichswahlgesetz, teils (nach dem Vorgang Preußens) auf Grund besonderer Landeswahlgesetze, in denen die landesgesetzliche Zustimmung zu dem vereinbarten Verfassungswerk vorbehalten blieb 1 . Eine nach Berlin einberufene Konferenz von Bevollmächtigten der verbündeten Regierungen hatte ihren auf Grund einer preußischen Vorlage ausgearbeiteten Entwurf einer Bundesverfassung am 7. Febr. 1867 zum Abschluß gebracht und die preußische Regierung mit der Vorlage und Vertretung bei dem Reichstage beauftragt. Der am 24. Febr. eröffnete Reichstag erteilte bereits am 16. April seine Zustimmung, und nachdem die von ihm beschlossenen Abänderungen des Entwurfes die einmütige Genehmigung der Regierungen gefunden hatten, wurde dem Reichstage am 17. April 1867 durch König Wilhelm im Namen der Verbündeten feierlich verkündet, daß die Regierungen die Bundesverfassung in dieser Gestalt nach Maßgabe der in den einzelnen Ländern bestehenden Verfassungen zur gesetzlichen Geltung 1
Da der I n h a l t der Bundesverfassung von den Regierungen lediglich mit dem konstituierenden Reichstage zu vereinbaren war, so konnte sich jener Vorbehalt, wie namentlich BINDINQ hervorhebt, nur auf die R e c h t s k r a f t der neuen Verfassung gegenüber den Einzelverfassungen beziehen.
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bringen würden. Eine formelle Publikation von Bundes wegen erfolgte nicht, da es dafür noch an den verfassungsmäßigen Organen fehlte. Dagegen fand in sämtlichen Bundesstaaten, nachdem die Durchbrechung der einzelnen Landesverfassungen durch die Bundesverfassung überall die erforderliche ständische Genehmigung erhalten hatte, eine landesgesetzliche Verkündigung statt2. Die Bundesverfassung trat am 1. Juli 1867 in Kraft. Unter Gegenzeichnung des am 14. Juli zum „Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes" ernannten Grafen von Bismarck-Schönhausen verkündigte König Wilhelm I. durch Publikandum vom 26. Juli, daß die in ihrem vollen Wortlaut mitgeteilte „Verfassung des Norddeutschen Bundes" von den verbündeten Regierungen „mit dem zu diesem Zwecke berufenen Reichstage vereinbart" und im ganzen Umfang des Norddeutschen Bundesgebietes unter dem 25. Juni verkündet worden und am 1. Juli in Kraft getreten sei, sowie daß der König die ihm „durch die Verfassung des Norddeutschen Bundes übertragenen Rechte, Befugnisse und Pflichten" für sich und seine Nachfolger in der Krone Preußen übernehme3. Der „Norddeutsche Bund" umfaßte, außer dem durch Einverleibung von Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt und Schleswig-Holstein und kleinere baierische und hessische Abtretungen vergrößerten Königreich Preußen, die sämtlichen nördlich der Mainlinie belegenen deutschen Staaten4, mit Ausnahme der holländischen Provinz Limburg und des souverän gewordenen Großherzogtums Luxemburg6. Der Norddeutsche Bund war ein Bundesstaat, dessen Regierung in die Hände des mit der Krone Preußen verbundenen Bundespräsidiums und des aus den Vertretern der Bundesregierungen gebildeten Bundesrates gelegt war6. Die Bundesgesetz* Über die rechtliche Bedeutung dieser Verkündigungen, die in der Zeit vom 21. bis 27. Juni (nicht, wie das Publikandum angiebt, am 25. Juni) erfolgten, vgl. Anm. 1. Für den Norddeutschen Bund selbst war die Bundesverfassung von vornherein Bundesgesetz, also gemeines Recht, nicht bloß übereinstimmendes Landesrecht der Einzelstaaten. ' Nr. 1 des Bundesgesetzblattes. * Nämlich Königreich Sachsen, die Großherzogtümer Sachsen-Weimar, Oldenburg, Meklenburg-Schwerin und Strelitz, die Herzogtümer Braunschweig, Anhalt, Sachsen-Meiningen, Altenburg und Eoburg-Gotha, die Fürstentümer SchwarzburgRudolstadt und Sondershausen, Waldeck, beide Reuß, Schaumburg Lippe und Lippe (Detmold), die freien und Hansestädte Lübeck, Hamburg, Bremen und die rechtsmainischen Teile des Großherzogtums Hessen, während Baiern auch mit seinen nördlich des Maines gelegenen Gebietsteilen außerhalb des Bundes blieb. ÜbeT das Verhältnis der Oberlausitz zu Österreich und der Stadt Wismar zu Schweden (S. 878) vgl. B B . SCHMIDT, Ansprüche auswärtiger Staaten auf gegenwärtiges deutsches Reichsgebiet, 1894. 6 Luxemburg wurde durch den Londoner Vertrag von 1867 unter der Garantie der europäischen Großmächte für neutral erklärt, nachdem Preußen auf sein Besatzungsrecht in der Bundesfestung Luxemburg verzichtet hatte. 6 Das Stimmenverhältnis im Bundesrat wurde nach den Vorschriften für das Plenum des ehemaligen Bundestages geregelt, indem Preußen unter Hinzurechnung der Stimmen von Hannover (4), Kurhessen (3), Holstein (3), Nassau (2) und Frank-
§ 86. Der Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches.
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gebung wurde durch den Bundesrat und den aus allgemeinen, direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgehenden Reichstag ausgeübt; die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen war zu einem Bundesgesetz erforderlich und ausreichend7, nur bei Gesetzvorschlägen über das Militärwesen und die Kriegsmarine sollte im Bundesrat die Stimme des Präsidiums, also Preußens, den Ausschlag geben, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtungen aussprechen würde. Die Ausfertigung und Verkündigung der Bundesgesetze und die Überwachung ihrer Ausführung stand dem Präsidium zu. Das Organ des Präsidiums war der von diesem ernannte verantwortliche Bundeskanzler. Der weitere Ausbau der Bundesverfassung erfolgte durch verschiedene Bundessteuergesetze (Tabak-, Braumalz-, Branntweinsteuer 1868, Wechselstempelsteuer 1869) und das Wahlgesetz vom 31. Mai 1869, das für die Reichstags wählen an die Stelle des Reichswahlgesetzes von 1849 trat, sodann durch die Errichtung des Bundesoberhandelsgerichts zu Leipzig (12. Juni 1869) 8 . Die Feststellung des Verhältnisses zu den süddeutschen Staaten war nach Art. 79 der Bundesverfassung besonderen, dem Reichstag zur Genehmigung vorzulegenden Verträgen vorbehalten, während ihr Eintritt oder der Eintritt eines derselben in den Bund auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung erfolgen sollte9. Schon gleichzeitig mit den zwischen Preußen und den süddeutschen Staaten abgeschlossenen Friedensverträgen (13., 17. und 22. Aug., 3. Sept. 1866) war es zu der Abschließung von Schutz- und Trutzbündnissen mit gegenseitiger Gebietsgewähr und der Einräumung des Oberbefehls über die gesamte süddeutsche Kriegsmacht an den König von Preußen für den Fall eines Krieges gekommen. Die süddeutschen Staaten hatten sich daraufhin gegenseitig zu einer der preußischen Wehrverfassung entsprechenden Heeresorganisation innerhalb ihrer Staaten verpflichtet und für die ehemaligen Bundesfestungen (Ulm, Rastatt, Landau, Mainz) eine gemeinfurt (1) auf 17 Stimmen kam; das Großherzogtum Hessen erhielt nur e i n e Stimme. Die Gesamtzahl der Stimmen belief sich auf 43. Vgl. § 83, n. 13. 7 Verfassungsänderungen bedurften im Bundesrat einer Zweidrittelmehrheit. 8 Dem Bundesoberhandelsgericht wurden später noch verschiedene andere reichsgesetzlich geregelte Gegenstände überwiesen. Im übrigen begnügte sich die Bundesgesetzgebung hinsichtlich des Gerichtswesens mit dem Gesetz über die Gewährung der Rechtshilfe vom 21. Juni 1869. Die Einheitlichkeit des Postwesens wurde dadurch erreicht, daß die 1866 noch in zehn norddeutschen Staaten erhaltene Thum- und Tazis'sche Post am 1. Jan. 1868 auf Grund eines Ablösungsvertrages von der Bundespostverwaltung übernommen wurde. Vgl. v. SYBEL, a. a. 0. 6, 32 ff. 9 In Art. 4 des Prager Friedens von 1866 hatte der Kaiser von Österreich sich damit einverstanden erklärt, daß die südlich der Mainlinie gelegenen deutschen Staaten „in einen Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem Norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt und der eine internationale unabhängige Existenz haben wird". Da der süddeutsche Bund nicht zustande kam, so war diese Abmachung gegenstandslos. B. SCBRSDKB, Deutsche Bechtageachlchte. 4. Aufl.
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schaftliche Festungskommission eingesetzt. Dazu kam der zunächst für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossene Zollvereinsvertrag vom 8. Juli 1867, der den früher auf rein völkerrechtlicher Grundlage beruhenden deutschen Zollverein (S. 888 f.) in bundesstaatlicher Richtung umgestaltete, indem der Reichstag des Norddeutschen Bundes durch den Hinzutritt süddeutscher Abgeordneten zum deutschen „Zollparlament", der Bundesrat durch Hinzutritt der süddeutschen Regierungsvertreter zum „Bundesrat des Zollvereins" erweitert und der Krone Preußen das Präsidium eingeräumt wurde10. Die Umbildung des Norddeutschen Bundes zum „Deutschen Reiche" vollzog sich infolge des deutsch-französischen Krieges am 1. Januar 1871 durch den Eintritt der vier süddeutschen Staaten in den Bund kraft der Versailler Verträge, die der Norddeutsche Bund am 15. November 1870 mit Baden und Hessen und am 23. November mit Baiern abgeschlossen hatte, und des entsprechenden Berliner Vertrages vom 25. November 1870 mit Würtemberg. Die verfassungsmäßige Genehmigung dieser Verträge (mit der durch dieselben bedingten Abänderung der Bundesverfassung) erfolgte im Norddeutschen Bunde im Wege der Bundes-, in den süddeutschen Staaten im Wege der Landesgesetzgebung, und zwar in Baiern erst am 21. Januar 1871, in den übrigen Staaten noch im Laufe des Jahres 1870 11 . Das Deutsche Reich war demnach keine Neugründung, sondern in allen Rechten und Verbindlichkeiten die Fortsetzung des Norddeutschen Bundes, dessen Gesetze mit wenigen Ausnahmen den Charakter von Reichsgesetzen erhielten18. Am 18. Jan. 1871 nahm König Wilhelm I. auf den im Namen der deutschen Bundesfürsten und freien Städte gestellten Antrag des Königs von Baiern für sich und seine Nachfolger in der Krone Preußen und dem Präsidium des Deutschen Reiches den Titel „Deutscher Kaiser" an. Die notwendig gewordene Neuredaktion der Verfassung des Deutschen Reiches erfolgte im Wege der Bundesgesetzgebung und wurde am 16. April 1871 verkündigt18. Durch Reichsgesetz vom 9. Juni 1871 wurde das durch den Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 abgetretene Gebiet von Elsaß-Lothringen in den Reichsverband aufgenommen, unter gleichzeitiger Organi10
Im Zollbundesrat erhielten, entsprechend dem Plenum der ehemaligen Bundesversammlung, Würtemberg vier, Baden und Hessen j e drei Stimmen; Baiern wurde von vier auf sechs Stimmen erhöht. Die Verkündigung der Vereinsgesetze sollte in den süddeutschen Staaten „in den daselbst geltenden Formen", also nicht durch das Präsidium, erfolgen. Als preußischer Zollanschluß blieb auch das Großherzogtum Luxemburg innerhalb des Zollvereinsgebietes, ohne an der Zollvereinsverfassung aktiv teilzunehmen. Vgl. § 84, n. 16. LABAND, a. a. 0 . 4 4 , 393.
" Vgl. Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes 1870, S. 627—662. Reichsgesetzblatt 1871, S. 9—26. 12 Art. 2 des baierischen Vertrages enthält ausdrücklich die Bestimmung: „Die Ver&ssung des Deutschen Bundes ist die des bisherigen Norddeutschen Bundes, jedoch mit folgenden Abänderungen". " Vgl. Beichsgesetzblatt 1871, S. 63 ff.
§ 86. Der Norddeutsche Bund und die Errichtung des Deutschen Reiches.
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sation als Reichsland und mit der Bestimmung, daß die Reichsverfassung dort mit dem 1. Jan. 1873 in Kraft zu treten habe. Die durch Vertrag vom 1. Juli 1890 von England abgetretene Insel Helgoland wurde dem Deutschen Reiche, unter Überweisung an Preußen, durch Reichsgesetz vom 15. Dez. 1890 einverleibt. Die seit 1884 erworbenen Schutzgebiete sind Nebenländer unter der Schutzgewalt und Gesetzgebung des Deutschen Reiches, bilden aber keinen Bestandteil des Reichsgebietes 14 . Die überaus verworrenen Zustände auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung1* wurden, mit Rechtskraft vom 1. Okt. 1879, durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877 neu geregelt 16 . Eine gewisse Einheitlichkeit bestand nur auf Grund der durch DBA. 12 gewährleisteten drei Instanzen. Die Oberlandesgerichte (Appellationsgerichte, in Hannover die großen Senate der Obergerichte) und die obersten Gerichtshöfe17 waren durchweg als Kollegialgerichte organisiert. Zum Teil waren auf Grund noch bestehender Exemtionen die Oberlandesgerichte zugleich Gerichte erster Instanz für gewisse privilegierte Klassen 18 . Die Reichsgesetzgebung hat diese Exemtionen aufgehoben und nur für die landesherrlichen Familien und das fürstliche Haus Hohenzollern den privilegierten Gerichtstand nach Maßgabe der Hausgesetze, für die Standesherren dagegen nur in Strafsachen das Recht der Austräge nach Maßgabe der Landesgesetze aufrechterhalten. Das in einzelnen Staaten noch in Übung 14 Vgl. die Schutzgebietsgesetze v. 17. April 1886, 19. März 1888 und 25. Juli 1900. Dazu die Gesetze über die Konsulargerichtsbarkeit v. 10. Juli 1879 und 7. April 1900. 16 Vgl. Entwurf des Ger.-Verf.-Gesetzes, Drucksachen des Reichstages, 2. Leg.Periode, 2. Sess. 1874, Nr. 4. FECHT, Gerichtsverfassungen der deutschen Staaten, 2 Bde, 1868. L. HAUFF, Gerichtsverfassung der deutschen Staaten, 1856. WShrend in beiden Meklenburg und in beiden Lippe im wesentlichen alles beim alten geblieben war, hatte sich in den übrigen deutschen Staaten die Neuorganisation teils durch die französische Gesetzgebung, teils, nach 1848, im Wege der eigenen Landesgesetzgebung vollzogen. Für Preußen, mit Ausschluß des Gebietes des französischen Rechts (Appellationsgerichtshof Köln), vgl. VO. v. 2. Jan. 1849 nebst Ges. v. 26. April 1851; für Hohenzollern Ges. v. 30. April 1851; für SchleswigHolstein, Kurhessen, Nassau VOO. v. 26. Juni 1867; für Hannover Ger.-Verf.-Ges. v. 1850 und 1859; für Baiern Ger.-Org.-Gesetz v. 1848 und Ger.-Verf.-Ges. v. 1861; für Würtemberg Ger.-Verf.-Ges. v. 1868; für Baden Ger.-Verf.-Ges. v. 19. Mai 1864. " Vgl. die als Taf. V beigefügte Übersichtskarte nach STAMMLEB. Gleichzeitig mit dem Ger.-Verf.-Gesetz traten in Kraft die Civilprozeßordnung v. 30. Jan. 1877, die Strafprozeßordnung v. 1. Febr. 1877, die Konkursordnung v. 10. Febr. 1877 und die Rechtsanwaltsordnung v. 1. Juli 1878. Einige Abänderungen des Ger.Verf.-Ges. sind durch Reichsgesetz v. 17. Mai 1898 (RGBl. 1898, S. 252 ff.) erfolgt. IT In Preußen bestanden früher zwei oberste Gerichtshöfe, das Obertribunal und für das Gebiet des französischen Rechts der rheinische Revisions- und Kassationshof, der 1852 mit dem Obertribunal vereinigt wurde. Dasselbe geschah 1874 mit dem 1867 für die neuerworbenen Landesteile errichteten Oberappellationsgericht ,a Ganz unberührt hatte sich der eximierte Gerichtstand nur in beiden Meklenburg und beiden Lippe erhalten. Die übrigen deutschen Staaten hatten zum Teil Exemtionen zu Gunsten der Standesherren, auf Grund der DBA. 14.
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gebliebene Rechtsmittel der Aktenversendung wurde aufgehoben. Als oberster Gerichtshof für das gesamte Reich wurde das Reichsgericht, mit dem Sitze zu Leipzig, das zugleich an die Stelle des früheren Reichsoberhandelsgerichts trat, errichtet19. Sehr verschieden gestaltet waren die Gerichte erster Instanz für bürgerliche Sachen. Während einige Staaten an der alten Verfassung mit Einzelrichter und Gerichtschreiber festhielten, andere in prinziploser Weise bald Einzelrichter, bald Kollegialgerichte entscheiden ließen, hatte sich in den meisten deutschen Staaten eine Sonderung in der Art vollzogen, daß alle geringeren Sachen durch Einzelrichter, die übrigen durch Kollegialgerichte entschieden wurden. In Preußen geschah dies in der Weise, daß in den einzelnen landrätlichen Kreisen Kreisgerichte und in den größeren Städten Stadtgerichte mit kollegialer Verfassung bestanden, die geringeren Sachen aber einzelnen Kreisrichtern als delegierten Richtern des Kollegiums, dem sie angehörten, überwiesen wurden20. Eine Berufung an das delegierende Kollegium gab es nicht. Im Gebiete des französischen Rechts, sowie in Baden, Baiern, Oldenburg, Braunschweig und den 1866 von Preußen neu erworbenen Landesteilen war das Gericht des Einzelrichters (Amtsgericht, Friedensgericht, in Baiern Land- und Stadtgericht) vom Kollegialgericht (Landgericht, Bezirksgericht, Kreisgericht), das dem französischen Arrondissementsgericht entsprach, vollständig getrennt und dem letzteren zugleich die Berufungsinstanz gegenüber den Entscheidungen des ersteren übertragen. Das Reichsgesetz hat diese an die karolingische Gerichtsordnung anklingende Organisation auf seine Amts- und Landgerichte übertragen. An die Stelle der früheren Handelsgerichte sind bei den Landgerichten, soweit ein Bedürfnis vorliegt, unter Beiziehung kaufmännischer Handelsrichter gebildete Kammern für Handelssachen getreten. In Strafsachen erster Instanz hielten beide Meklenburg und beide Lippe noch ganz an den alten Einrichtungen und dem Inquisitionsverfahren fest. In allen übrigen Staaten hatte man sich, der Einteilung der Delikte entsprechend, an die Dreiordnung der französischen Gerichtsordnung angeschlossen. Demgemäß entschieden über Übertretungen die oben erwähnten Einzelrichter, über Vergehen die Kollegialgerichte, über Verbrechen aber Schwurgerichte. In einigen Staaten war man in der Zuziehung des Laienelementes noch weiter gegangen: für "Übertretungen bestanden mehrfach Schöffengerichte, in Würtemberg hatten in allen drei Ordnungen der Gerichte und teilweise selbst in bürgerlichen Sachen Laienrichter mitzuwirken. Das Reichsgesetz nahm die Schöffengerichte und die Schwurgerichte auf, beließ es dagegen in der zweiten Ordnung bei den kollegial zusammengesetzten Strafkammern der Landgerichte. 19 Baiern hat l>is auf weiteres von der bedingten Erlaubnis, für ein begrenztes Gebiet einen eigenen obersten Landesgerichtshof zu halten, Gebrauch gemacht. 20 In manchen Städten, die kein Kreisgericht besaßen, hatten derartige Delegierte (Kreisgerichtsdeputationen) einen ständigen Sitz.
§ 87.
Die juristische Litteratur.
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Die Gerichtsverfassung des Reiches kennt nur staatliche Gerichte. Die Patrimonialgerichte in beiden Meklenburg und beiden Lippe wurden aufgehoben, ebenso die hier und da noch erhalten gebliebenen standesherrlichen Gerichte. Den in einigen Staaten noch anerkannten geistlichen Ehegerichten der bischöflichen wie protestantischen Konsistorien wurde jeder Eingriff in die bürgerliche Rechtssphäre entzogen. Als Sondergerichte blieben nur die Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichte, die in einigen Staaten bestehenden agrarischen und Gemeinde-Gerichte, die Gewerbegerichte, die Forst-, Feld- und Polizeirügegerichte und die verschiedenen Verwaltungsgerichte bestehen. Die notwendige Reform des Militärstrafverfahrens und der Militär-Gerichtsverfassung ist durch die Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dez. 1898 erfolgt.
Viertes Kapitel.
Die Rechtsquellen. STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen 2, 1864. STINTZINQ U. LANDS-
BERG, Gesch. d. deutsch. Rechtswissenschaft, 3 Bde, 1880—1889.
des deutschen Pfivatrechts 1, 1880. KBAUT, Grundriß 6 §§ 18—18.
ROTH, System A. B. SCHMIDT,
Geschichtl. Grundlagen des bürgert. Rechts im Großherz. Hessen, Gieß. Progr. 1893. AFFOLTER, D a s i n t e r t e m p o r a l e P r i v a t r e c h t 165 ff. 1 7 7 — 2 1 9 . 2 2 1 — 2 3 9 . 242 ff. 322 ff.
§ 87.
Die juristische Litteratur.
STOBBE 2 , 4 0 ff. 1 4 3 — 1 8 2 .
414—26.
STINTZINQ, G e s c h i c h t e
der
populären
Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867; Ulrich Zasius, 1857.
BÖHLAD, K r . V J S c h r . 2 3 , 525 ff. 26, 1 ff. MUTHEB, Z R G . 8, 99 ff. BRÜNNER,
RG. 1, 14 ff. SECKEL, Beiträge z. Geschichte beider Rechte im MA. I. 1898. v. AMIRA, G r u n d r i ß ! 2 ff. SIEGEL, R G . 8 1 ff. 108 ff. 128 ff. 145 ff. LUSCHIN V. EBENQREÜTH,
Österr. Reichsgeschichte 364 ff. REHM, Gesch. d. Staatsrechtswissenschaft (1896) 231 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 3, § 12; Johannes Althusius, 1880. GÜNTHER, Idee der Wiedervergeltung 2, 74 ff.
Nach der Rezeption der fremden Rechte war es die nächste Aufgabe der Wissenschaft, diese dem Volke zugänglich und verständlich zu machen. Dies geschah zum "Teil durch deutsche Rechtsbücher, in denen, wie schon in der Glosse zum Sachsenspiegel und Sächs. Weichbild, neben den benutzten einheimischen Quellen auch römisches und kanonisches Recht herangezogen wurde. Zu nennen sind hier 1 die Bearbeitungen des Sachsenspiegels von M e l c h i o r K l i n g (1542), die Erbrechtsregeln und die Schriften des L o r e n z F r i e s über würzburgisches Gerichtswesen, 1
Erwähnung verdient auch die „ S u m m a der r e c h t e w e g g n a n t " , vgl.
B5HIAU, ZRG. 8, 165 FF. 325.
STINTZINQ U. LANDSBERG 1, 12.
§ 87.
Die juristische Litteratur.
901
Die Gerichtsverfassung des Reiches kennt nur staatliche Gerichte. Die Patrimonialgerichte in beiden Meklenburg und beiden Lippe wurden aufgehoben, ebenso die hier und da noch erhalten gebliebenen standesherrlichen Gerichte. Den in einigen Staaten noch anerkannten geistlichen Ehegerichten der bischöflichen wie protestantischen Konsistorien wurde jeder Eingriff in die bürgerliche Rechtssphäre entzogen. Als Sondergerichte blieben nur die Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichte, die in einigen Staaten bestehenden agrarischen und Gemeinde-Gerichte, die Gewerbegerichte, die Forst-, Feld- und Polizeirügegerichte und die verschiedenen Verwaltungsgerichte bestehen. Die notwendige Reform des Militärstrafverfahrens und der Militär-Gerichtsverfassung ist durch die Militärstrafgerichtsordnung vom 1. Dez. 1898 erfolgt.
Viertes Kapitel.
Die Rechtsquellen. STOBBE, Geschichte der deutschen Rechtsquellen 2, 1864. STINTZINQ U. LANDS-
BERG, Gesch. d. deutsch. Rechtswissenschaft, 3 Bde, 1880—1889.
des deutschen Pfivatrechts 1, 1880. KBAUT, Grundriß 6 §§ 18—18.
ROTH, System A. B. SCHMIDT,
Geschichtl. Grundlagen des bürgert. Rechts im Großherz. Hessen, Gieß. Progr. 1893. AFFOLTER, D a s i n t e r t e m p o r a l e P r i v a t r e c h t 165 ff. 1 7 7 — 2 1 9 . 2 2 1 — 2 3 9 . 242 ff. 322 ff.
§ 87.
Die juristische Litteratur.
STOBBE 2 , 4 0 ff. 1 4 3 — 1 8 2 .
414—26.
STINTZINQ, G e s c h i c h t e
der
populären
Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867; Ulrich Zasius, 1857.
BÖHLAD, K r . V J S c h r . 2 3 , 525 ff. 26, 1 ff. MUTHEB, Z R G . 8, 99 ff. BRÜNNER,
RG. 1, 14 ff. SECKEL, Beiträge z. Geschichte beider Rechte im MA. I. 1898. v. AMIRA, G r u n d r i ß ! 2 ff. SIEGEL, R G . 8 1 ff. 108 ff. 128 ff. 145 ff. LUSCHIN V. EBENQREÜTH,
Österr. Reichsgeschichte 364 ff. REHM, Gesch. d. Staatsrechtswissenschaft (1896) 231 ff. GIERKE, Genossenschaftsrecht 3, § 12; Johannes Althusius, 1880. GÜNTHER, Idee der Wiedervergeltung 2, 74 ff.
Nach der Rezeption der fremden Rechte war es die nächste Aufgabe der Wissenschaft, diese dem Volke zugänglich und verständlich zu machen. Dies geschah zum "Teil durch deutsche Rechtsbücher, in denen, wie schon in der Glosse zum Sachsenspiegel und Sächs. Weichbild, neben den benutzten einheimischen Quellen auch römisches und kanonisches Recht herangezogen wurde. Zu nennen sind hier 1 die Bearbeitungen des Sachsenspiegels von M e l c h i o r K l i n g (1542), die Erbrechtsregeln und die Schriften des L o r e n z F r i e s über würzburgisches Gerichtswesen, 1
Erwähnung verdient auch die „ S u m m a der r e c h t e w e g g n a n t " , vgl.
B5HIAU, ZRG. 8, 165 FF. 325.
STINTZINQ U. LANDSBERG 1, 12.
Die Neuzeit.
902
namentlich sein Zentbuch 2 . Ein wertvolles, überwiegend rein deutschrechtliches Werk aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist das B ü g i s c h e L a n d r e c h t oder der W e n d i s c h - R ü g i a n i s c h e L a n d g e b r a u c h des Matthaeus Normann s . Mechanische Zusammenstellungen der Abweichungen des heimischen Rechts von dem römischen enthielten die sogenannten D i f f e r e n t i a e , während Werke aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, wie der Usus modernus pandectarum von S t r y k und S c h i l t e r ' s Praxis iuris Romani in foro Germanico das deutsche Recht in systematischem Zusammenhang mit dem römischen behandelten 4 . Den Notaren dienten verschiedene F o r m e l b ü c h e r oder Rhetoriken. Das römische Recht suchte man teils durch deutsche Übersetzungen, teils durch populäre Darstellungen zugänglich zu machen. Die älteste und ausfuhrlichste Darstellung des römischen Rechts in deutscher Sprache ist der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts wahrscheinlich in Schwäbischhall verfaßte „ K l a g s p i e g e l " , später „Richterlich Klagspiegel" genannt Das Werk behandelt das bürgerliche Recht, Strafrecht und Strafverfahren. Der Verfasser ist unbekannt Irrtümlich wurde später Sebastian Brant für den Verfasser gehalten, weil der Klagspiegel seit der 6. Auflage (1516) von ihm, und zwar als zweiter Teil des Laienspiegels, herausgegeben wurde 6 . Der L a i e n s p i e g e l (1509) war ein Werk des Ulrich Tenngier, Landvogt zu Hochstedt, früher Stadtschreiber zu Nördlingen 6 . Er schöpfte neben dem römischen und kanonischen Recht auch aus dem unmittelbaren Rechtsleben. Außer gemeinrechtlichen Quellen benutzte der Verfasser die italienische Jurisprudenz, besonders das Speculum des Durantis, ferner die Magdeburger Fragen, den Schwabenspiegel, den Klagspiegel und andere populäre Werke, die Bamberger Halsgerichtsordnung und die wichtigsten Reichsgesetze seiner Zeit. Der Laienspiegel sollte den bei der Rechtspflege beteiligten Laien als Handbuch dienen. Er umfaßte Privatrecht, Strafrecht und Prozeß; man hat ihn nicht mit Unrecht als eine „Realencyklopädie des gesamten weltlichen Rechtes" bezeichnet Er verdrängte alsbald die gesamte übrige Litteratur dieser Richtung 7 , nur der ihm von Seb. Brant als Anhang angefügte Klagspiegel vermochte sich neben ihm zu halten. Beider Ansehen verschwand erst, als 2
Vgl. ROCKINOEB, Magister Lorenz Fries, Abh. d. Münch. Ak. 11, 149 ff.; Über fränkisch-wirzb. Zentbücher, Münch. SB. 1872 ' Ausgaben: FBOMMHOLD, 1 8 9 6 (vgl. Z R G . 2 9 , LFF.). GADEBUSCH, 1 7 7 7 . D R E Y E S , Monumenta anecdota 1 , 1 7 6 0 . Vgl. H O H E Y E R , Historiae iuris Pomeranici capita quaedam, Berl. Dies. 1821. 4
V g l . STINTZINO U. LANDSBERG 3 , 5 4 FF. 6 4 FF.
» Vgl.
STINTZINO,
Popul. Litter. 337 ff. 4 5 1 ff.; Gesch. d. RW. 1, 43. 93.
• V g l . STINTZINO, a . a . 0 .
4 1 1 ff.
' Hervorzuheben sind noch die Schriften von P e r n e d e r u. Gobier (Mitte des 16. Jh.). Das „Statutenbuch" des letzteren ist eine bloße Kompilation aus seinen sonstigen Schriften und den Werken Perneders. Vgl. STINTZINO, Gesch. d. RW. 1, 573 ff. 582 ff. Besondere Berücksichtigung der Partikularrechte zeichnet die Werke von Meurer aus.
§ 87. Die juristische Litteratur.
903
der Laienstand gänzlich aus den Gerichten geschieden war. Aus der Praxis des Reichskammergerichts gingen die „Practicae observationes" des A n d r e a s Gaill (1578) hervor, ein Werk das sich bis tief in das 18. Jahrhundert des größten Ansehens erfreute, zahllose Auflagen und selbst eine Übersetzung ins Deutsche erlebte8. Die von den Italienern überkommene Neigung, den Prozeß in dramatischer Form, als Prozeß des Teufels gegen Christus oder Maria, zu behandeln, begegnet schon bei Tenngier9. Bemerkenswert in dieser Richtung sind die Schriften des bekannten ältesten deutschen Dramatikers J a c o b Ayrer (t 1605) 10 und die schon S. 706 erwähnten F a s t n a c h t s p i e l e . An den deutschen Universitäten wurde bis Mitte des 15. Jahrhunderts ausschließlich kanonisches Recht und lombardisches Lehnrecht gelehrt. Die einheimische Gesetzgebung wurde nur beim Strafrecht berücksichtigt. Als Schriftsteller auf dem Gebiete des Strafrechts ragten seit Mitte des 17. Jahrhunderts Berlich (1586—1638) und Benedict Carpzov (1595—1666) hervor11. Der erste Lehrstuhl für Naturrecht wurde 1661 in Heidelberg errichtet und mit S A M U E L P U F E N D O B F besetzt18. An derselben Universität war schon 1604 angeregt worden, die Professur des ius canonicum durch eine solche des ius Germanicum antiquum zu ersetzen, der Vorschlag wurde aber von der Fakultät abgelehnt. Ausgaben der Volksrechte und Kapitularien, aber noch ausschließlich zu antiquarischen Zwecken, wurden bereits im 16. und 17. Jahrhundert von Sichard, Herold und Lindenbrog veranstaltet. Unter den deutschen Publizisten der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ragt besonders J o h a n n e s A l t h u s i u s (1557—1638) hervor. Einer seiner heftigsten Gegner war der Begründer einer wissenschaftlichen deutschen Rechtsgeschichte, H e r m a n n Conring zu Helmstedt (1606—1681), dem wir außer seinem bahnbrechenden Werke De origine iuris Germanici (1643) und der staatsrechtlichen Schrift De Germanorum imperio Romano noch verschiedene andere Arbeiten über deutsche Verfassungsgeschichte und Staatsrecht verdanken13. Ein für seine Zeit musterhaftes, auch heute noch sehr wertvolles Werk war die zuerst 1631 erschienene „Inleiding tot de hollandsche rechtsgeleerdheit" des großen Völkerrechtslehrers Hugo de Groot 1 4 . Die auf Conring fußende rechtsgeschichtliche Forschung bewegte sich im übrigen zunächst auf dem Gebiete des Staatsrechts. Außer den schon S. 813 und 8
Vgl. BURCKHARD, Andreas Gaill, Würzb. Rekt.-Rede 1 8 8 7 . STINTZINO, Gesch. d. RW. 1, 495 ff. 9 Vgl. STINTZINO, Pop. Litter. 259 ff. 10 Vgl. ebd. 278. 11 Vgl. STINTZINO U. LANDSBERQ, Gesch. d. R W . 1 , 736; 2, 5 ff. 55 ff. " Vgl. S . 850. STINTZINO U. LANDSBERG 3 , TL ff., Noten S . 7 ff. BRESSLAU, Deutsche Biographie 26, 701 ff. VARRENTRAPP, Briefe von Pufendorf, Hist. Zeitschr. 70, 1 ff. 193 ff. TREITSCHKE, Preuß. Jahrbücher 35. 36. " Vgl. S . 850. STOBBE, Hermann Conring, 1870. STINTZINO U. LANDSBERQ 2, 3 ff. 165 ff. BRESSLAU, Deutsche Biographie 7, 446 ff. 14 Neueste Ausgabe von FOCKEMA ANDREA, 1 8 9 5 .
Die Neuzeit
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850 genannten Schriftstellern sind hier namentlich ßhez, Schweder, Textor, Pfeffinger, Lünig, Sagittarius, Obrecht und Datt1*, ferner Gundling 16 , J. J. Moser17, Häberlin 18 , J . S. Patter 19 , v. Ludewig20, Schmauß 21 , sämtlich dem 18. Jahrhundert oder dem Ende des 17. Jahrhunderts angehörig, hervorzuheben. Für die Wissenschaft des deutschen Privatrechts wirkten namentlich Schilter und Thomasius (1655—1728) 22 . Der letztere hat schon vor 1705 an der Universität Halle und sein Schüler Beyer seit 1707 an der Universität Wittenberg die ersten Vorlesungen über deutsches Privatrecht gehalten 23 . Um dieselbe Zeit erhielten verschiedene Universitäten eigene Lehrstühle für Partikularrechte. Der wissenschaftlichen Pflege des deutschen Privatrechts widmeten sich besonders Heineccius, Selchow und, schon in das 19. Jahrhundert hinüberreichend, Runde und Danz2*, der Geschichte des Privatrechts namentlich Brunnquell 26 . Auf vorwiegend antiquarischem Gebiet bewegten sich die Arbeiten von Estor, H. Chr. v. Senckenberg, Olenschlager, Grupen, Strube, Fr. Es. v. Pufendorf, Dreyer 26 . Als wirkliche Rechtshistoriker bewährten sich Mascov, Justus Moser, Beitemeier und Chr. G. Biener 27 . Sie sind als die Vorgänger der historischen Rechtsschule zu betrachten, durch die erst eine wahrhaft wissenschaftliche Methode begründet wurde 28 . Was v. Savigny auf dem Gebiete des römischen Rechts, das waren auf dem des deutschen Rechts vor allem K. F. E i c h h o r n 2 9 und J a c o b G r i m m 3 0 . § 88.
Die Relchsge$etze.
Vgl. § 72. STOBBE 2, 183—205. Ausgabe: Neue Sammlung (S. 777). Systematisch : GEBSTLACHEB, Handbuch der teutschen Reichsgesetze, 11 Bde, 1786—1794. Auszüge bei EMHINGHAUS, Corp. iur. Germ, academicum, 2 Bde, 1844—1856. LEHMANN, Quellen zur deutschen Reichs- und Eechtageschichte, 1891.
Seit Maximilian L hatte die Reichsgesetzgebung einen außerordentlichen Aufschwung genommen, der trotz der Unterbrechung durch die 11
18
Über diese vgl. Srnmixo u. LANDSBEHG 3, 40—48, Noten S. 21—28.
Ebd. 8, 122 ff., Noten S. 72 ff. Ebd. 3, 315 ff., Noten S. 212 ff. H. SCHULZE, J. J. Moser, 1869. 18 Ebd. 3, 430, Noten S. 276. " Ebd. 3, 331, Noten S. 217 f. FBEHSDORFF, D. Biographie 26, 749 ff. 80 21 Ebd. 3, 117 ff., Noten S. 68 ff. Ebd. 3, 125 ff., Noten S. 74 ff. " Ebd. 3, 55 ff. 71 ff., Noten S. 32 ff. 45 ff. 8 " Vgl. ebd. 3, 90. 137 ff., Noten S. 55. 88. 84 Ebd. 3, 179 ff. 356. 451. 453, Noten S. 122 ff. 226. 288 f. 85 Ebd. 3, 177, Noten S. 120. 88 Ebd. 3, 240—263. 269 f., Noten S. 157—177. 183 ff. " Ebd. 3, 128 f. 496. 498. 501, Noten S. 76. 316 f. " Das Programm der bist. Rechtsechule Zeitschr. f. gesch. RW. 1, 1 ff. 124 ff. 89 Vgl. FBENSDOBFF, Göttinger Festrede, 1881. SCHULTE, K. F. Eichhorn, 1884. LOEBSCH, Briefe von Eichhorn, 1881. 80 Vgl. HÜBNEB, Jacob Grimm u. das deutsche Recht, 1895. SCHERER, Jacob Grimm* (1885) 254 ff. 17
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850 genannten Schriftstellern sind hier namentlich ßhez, Schweder, Textor, Pfeffinger, Lünig, Sagittarius, Obrecht und Datt1*, ferner Gundling 16 , J. J. Moser17, Häberlin 18 , J . S. Patter 19 , v. Ludewig20, Schmauß 21 , sämtlich dem 18. Jahrhundert oder dem Ende des 17. Jahrhunderts angehörig, hervorzuheben. Für die Wissenschaft des deutschen Privatrechts wirkten namentlich Schilter und Thomasius (1655—1728) 22 . Der letztere hat schon vor 1705 an der Universität Halle und sein Schüler Beyer seit 1707 an der Universität Wittenberg die ersten Vorlesungen über deutsches Privatrecht gehalten 23 . Um dieselbe Zeit erhielten verschiedene Universitäten eigene Lehrstühle für Partikularrechte. Der wissenschaftlichen Pflege des deutschen Privatrechts widmeten sich besonders Heineccius, Selchow und, schon in das 19. Jahrhundert hinüberreichend, Runde und Danz2*, der Geschichte des Privatrechts namentlich Brunnquell 26 . Auf vorwiegend antiquarischem Gebiet bewegten sich die Arbeiten von Estor, H. Chr. v. Senckenberg, Olenschlager, Grupen, Strube, Fr. Es. v. Pufendorf, Dreyer 26 . Als wirkliche Rechtshistoriker bewährten sich Mascov, Justus Moser, Beitemeier und Chr. G. Biener 27 . Sie sind als die Vorgänger der historischen Rechtsschule zu betrachten, durch die erst eine wahrhaft wissenschaftliche Methode begründet wurde 28 . Was v. Savigny auf dem Gebiete des römischen Rechts, das waren auf dem des deutschen Rechts vor allem K. F. E i c h h o r n 2 9 und J a c o b G r i m m 3 0 . § 88.
Die Relchsge$etze.
Vgl. § 72. STOBBE 2, 183—205. Ausgabe: Neue Sammlung (S. 777). Systematisch : GEBSTLACHEB, Handbuch der teutschen Reichsgesetze, 11 Bde, 1786—1794. Auszüge bei EMHINGHAUS, Corp. iur. Germ, academicum, 2 Bde, 1844—1856. LEHMANN, Quellen zur deutschen Reichs- und Eechtageschichte, 1891.
Seit Maximilian L hatte die Reichsgesetzgebung einen außerordentlichen Aufschwung genommen, der trotz der Unterbrechung durch die 11
18
Über diese vgl. Srnmixo u. LANDSBEHG 3, 40—48, Noten S. 21—28.
Ebd. 8, 122 ff., Noten S. 72 ff. Ebd. 3, 315 ff., Noten S. 212 ff. H. SCHULZE, J. J. Moser, 1869. 18 Ebd. 3, 430, Noten S. 276. " Ebd. 3, 331, Noten S. 217 f. FBEHSDORFF, D. Biographie 26, 749 ff. 80 21 Ebd. 3, 117 ff., Noten S. 68 ff. Ebd. 3, 125 ff., Noten S. 74 ff. " Ebd. 3, 55 ff. 71 ff., Noten S. 32 ff. 45 ff. 8 " Vgl. ebd. 3, 90. 137 ff., Noten S. 55. 88. 84 Ebd. 3, 179 ff. 356. 451. 453, Noten S. 122 ff. 226. 288 f. 85 Ebd. 3, 177, Noten S. 120. 88 Ebd. 3, 240—263. 269 f., Noten S. 157—177. 183 ff. " Ebd. 3, 128 f. 496. 498. 501, Noten S. 76. 316 f. " Das Programm der bist. Rechtsechule Zeitschr. f. gesch. RW. 1, 1 ff. 124 ff. 89 Vgl. FBENSDOBFF, Göttinger Festrede, 1881. SCHULTE, K. F. Eichhorn, 1884. LOEBSCH, Briefe von Eichhorn, 1881. 80 Vgl. HÜBNEB, Jacob Grimm u. das deutsche Recht, 1895. SCHERER, Jacob Grimm* (1885) 254 ff. 17
§ 88. Die Reichsgesetze.
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Religionskriege bis zum Jahre 1654 anbielt. Der ständig gewordene Reichstag hat nichts Erhebliches mehr geleistet. Während die Reichsreformgesetze meistens nur vorübergehende Bedeutung behielten, kann man den ewigen Landfrieden von 1495 1 und den Augsburger Religionsfrieden von 1555, der sich zugleich als „gemeine Constitution aufgerichteten Landfriedens" bezeichnete2, gewissermaßen als Reichsgrundgesetze betrachten. Ein wahres Reichsgrundgesetz war aber das westfälische Friedensinstrument, das sich selbst als solches bezeichnete und die Aufnahme seiner Bestimmungen in den nächsten Reichsabschied und die Wahlkapitulation vorschrieb: imperii xanctio, imposterum mentales imperii, nominatim caesareae inserenda, obligans siasticos aeque ac politicos,
Sit haec transactio perpetua lex et pragmatica aeque ac aliae leges et constitutiones fundaproximo imperii recessui ipsique capitulationi non minus absentes quam praesentes, ecclesive status imperii sint sive non3. Bestätigt
wurde diese Bestimmung durch den JRA. von 1654, der die Friedensurkunden von Osnabrück und Münster seinem Text einfügte und sie feierlich vor ein gegebenes Fundamentalgesetz des heil. Reichs und immerwährende Richtschnur und ewige norma iudicandi erklärte 4 . Auch die
Wahlkapitulation, obwohl nach der Art ihres Zustandekommens überhaupt kein Reichsgesetz (S. 819 f.), hatte thatsächlich die Bedeutung eines Reichsgrundgesetzes. Sehr umfassend war die Reichsgesetzgebung über Verfassung und Verfahren des Reichskammergerichts (S. 829 ff.), Münzwesen (S. 840), Kreisverfassung (S. 825 f.) und Heerwesen (S. 834 f.), obwohl ea zu einer dauernden Regelung des letzteren nicht kommen wollte. Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 (8. 839) zogen auch einige privatrechtliche Verhältnisse in ihren Bereich, und dasselbe war bei der Notariatsordnung von 1512 der Fall 6 . Im übrigen beschränkte sich die Reichsgesetzgebung im Gebiete des Privatrechts auf einige Bestimmungen über die gesetzliche Erbfolgeordnung, und zwar hier in einer jede partikularrechtliche Abweichung ausschließenden Form 6 , während der Landes2 ALTMANN U. BERNHEIM 254. N- Samml. 2, 3 ff. Der Religionsfrieden bildet einen Teil des Augsb. RA. von 1555, §§ 7—30 (N. Samml. 3, 16 ff. Sonderausgabe von BRANDI, 1896). Den sog. geistlichen „Vorbehalt" des § 18 hatte König Ferdinand I. dem Religionsfrieden beigefügt, und zwar kraft einer ihm von den Reichsständen erteilten Vollmacht, wenn auch unter ausdrücklicher Verwahrung der evangelischen wie der katholischen Stände gegen die Annahme ihrer Einwilligung in die von ihnen bekämpften Bestimmungen und deshalb mit dem Zusatz, daß eine Einigung der Stände in diesem Punkte nicht zu erzielen gewesen sei. * JPO. 18, § 2. JPMunster. § 112. N. Samml. 3, 602. 619. * JRA. §§ 4—6, N. Samml. 3, 642. 5 N. Samml. 2, 151 ff. Art. 1 handelt von Testamenten, Art. 3 von Prozeßvollmachten. Das Vormundschaftsrecht behandeln RPO. von 1548, Art. 31, und von 1577, Art. 32, und RA. von 1570 (N. Samml. 2, 602. 3, 317 f. 394). * Freiburger RA. von 1498, § 37 (N. Samml. 2, 46) über das Eintrittsrecht der Enkel; Wormser RA. von 1521, § 18—20 (ebd. 2, 206) über das der Kinder 1
2
Die Neuzeit.
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gesetzgebung bei anderen das materielle Recht betreffenden Reichsgesetzen freier Spielraum gelassen zu werden pflegte7. Civilprozessualische Bestimmungen, namentlich die Abkürzung des Verfahrens bezweckend, wurden in den auch sonst sehr inhaltreichen JRA. von 1654 aufgenommen 8 . Weitaus das bedeutendste Reichsgesetz war die sogenannte C a r o l i n a (CCC., d. h. Constitutio Carolina Criminalis), die peinliche Halsgerichtsordnung (PHGO.) Karls V. von 1532» Wie auf dem Gebiete des Prozesses, so hatte auch auf dem des Strafrechts die Rezeption des römischen Rechts lediglich die Bedeutung einer Rezeption der italienischen Jurisprudenz gehabt, nachdem diese schon geraume Zeit vorher die volle Herrschaft über die italienische Praxis erlangt hatte; in Deutschland wurden ihre Erzeugnisse selbst von Schwarzenberg als die keiserlichcn recht bezeichnet. Die italienischen Juristen, von denen für Deutschland besonders Gandinus, Angelus Aretinus und Bartolus in Betracht kamen, entnahmen aus dem römischen Recht die Hervorhebung des im deutschen Strafrecht zu wenig berücksichtigten Schuldmomentes, die Unterscheidung zwischen dolus und culpa, die Lehre von der Notwehr und dem Versuch 10 . Sie betonten das öffentliche Prinzip des Strafrechts und verlangten Unabhängigkeit der Bestrafung von 'dem Willen des Verletzten. Im übrigen beließen sie es bei der germanischen Einteilung der Delikte und dem germanischen Strafensystem. Neben dem römischen Recht betrachteten sie die Statutarrechte und die consuetudo generalis als vollgültige Rechtsquellen und nahmen nichts aus den römischen Satzungen auf, was dem Rechtsbewußtsein ihrer Zeit widersprach. In Deutschland wurde die italienische Strafrechtsdoktrin hauptsächlich durch den Elagspiegel volkstümlich gemacht, weiter ging sie über in die Wormser Reformation von 1499 und die beiden Halsgerichtsordnungen Maximilians I. für Tirol (1499) und Radolfzell (1506)11. Hauptsächlich auf diesen Quellen beruhte die von Johann von Schwarzenberg verfaßte Halsgerichtsordnung des Bischofs
verstorbener Geschwister; Speierer RA. von 1529, § 31 (ebd. 2, 299) Uber die successio in capita für die Kinder der Geschwister unter sich. Vgl. S. 749. STOBBE 2, 203 f. ZRG. 31, 179 f. 7
8
V g l . S. 790. 851. 907. STOBBE 2 , 1 8 6 . JRA. §§ 3 4 — 1 0 3 . 1 0 7 ( N . Samml. 3 , 6 4 7 — 6 0 ) .
Diese Bestimmungen sollten auch bei den Landesgerichten zur Anwendung kommen, während § 137 der Wunsch ausgesprochen wurde, daß auch das reichskammergerichtliche Verfahren möglichst bei den Landesgerichten eingeführt werde. * Die peinliche Gerichtsordnung Karls V., her. v. KÖHLER U. SCHEEL, 1 9 0 0 . Vgl. GÖTEBBOCE, Entstehungsgeschichte der Karolina, 1876. HÄLSCHNER, Preuß. Strafrecht 1, 7 8 ff. v. B A R , Geschichte d. deutsch. Strafrechts §§ 4 0 — 4 5 . STOBBE 2, 241 ff. STÜTZING, Gesch. d. RW. 1, 621 ff. Über den Inhalt der Carolina vgl. GÜNTHER, Idee der Wiedervergeltung 1, 285 ff. 10 Vgl. KOHLER, Strafrecht der italien. Statuten v. 12. bis 16. Jh., Studien a. d. Strafrecht 2, 1 8 9 5 — 1 8 9 7 . 11
V g l . WAHLBERG, D i e m a x i m i l i a n i s c h e n H a l s g e r i c h t s o r d n u n g e n , i n HAIMERL'S
Viertelj.-Schrift 4, 131 ff.
§ 88. Die Reichsgesetze.
907
Georg von Bamberg, die sog. Bambergensis, von 1507, die gleichzeitig ebensowohl den Charakter eines Gesetzbuches wie den eines von Amts wegen zusammengestellten Lehrbuches des italienischen Strafrechts trug 1 2 . Vermöge ihres inneren Wertes, durch den sie ihre Vorgänger weit überragte, wurde die Bambergensis bald auch in verschiedenen Gerichten außerhalb des Bamberger Gebietes rezipiert, sie fand Eingang in den Laienspiegel und wurde der brandenburgisch-fränkischen HGO. von 1516 zu Grunde gelegt. Auch der auf Beschluß des Wormser Reichstages von 1521 noch in demselben Jahre verfaßte erste Entwurf der Carolina beruhte durchaus auf der Bambergensis, daneben auf dem „Correctorium in der Bamberg. HGO.", einer Sammlung bambergischer Entscheidungen und Verordnungen von 1507—1515 1S . Erst nach zwei weiteren Entwürfen (Nürnberg 1523, Speyer 1529) wurde der dem Augsburger Reichstag von 1530 vorgelegte vierte Entwurf auf dem Regensburger Reichstag von 1532 endlich angenommen l *. Die lange Verzögerung der gesetzgeberischen Arbeit wurde durch den einer einheitlichen Strafgesetzgebung widerstrebenden Partikularismus der Reichsstände veranlaßt, bis der Kaiser sich entschloß, dem Gesetz die sog. salvatorische Klausel beizufügen, wonach den alten wohlhergebrachten
und billichen gebreuchen nichts benommen sein, das
Gesetz also, soweit es nicht im einzelnen absolute Bestimmungen enthielt (Art. 218), gegenüber den bestehenden Partikularrechten nur subsidiäre Geltung haben sollte 18 . Aber in dieser Eigenschaft trat die Carolina in die Stelle des bisherigen gemeinen Rechts, sie war die erste und einzige von Reichs wegen ergangene Kodifikation und hat das deutsche Strafrecht und den Strafprozeß jahrhundertelang beherrscht 10 . Die Carolina war eine vielfach verbesserte Bearbeitung der Bambergensis und gleich dieser und den älteren Vorarbeiten zunächst eine Strafprozeßordnung, in welche die Bestimmungen über das materielle Strafrecht (Art. 104—180) an gelegener Stelle eingeschoben wurden.
" Ausgabe von KÖHLER U. SCHEEL, Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, II. 1902. Über Schwarzenberg, der einem alten fränkischen Rittergeschlecht angehörte und als Hofmeister des Bischofs von Bamberg Vorsitzender des fürstlichen Hofgerichts daselbst war, vgl. ebd. pg. 65 ff. HEBRMAHN , Johann von Schwarzenberg, 1841. SEITZ, Das Bamberger Hofgerichtsbuch mit den Urteilen Schwarzenbergs, ZRG. 2, 435 ff. BRDNNENIIEISTER, Quelle der Bambergensis, 1879. STINTZINO 1, 608 ff. 13
Ausgabe bei ROHLEB U. SCHEEL, a. a. 0 . 2, 121 ff. Über die Publikation vgl. GÜTERBOCK, a. a. O. 206 ff. Kurfürst Albrecht von Mainz, der ein besonderes Interesse für das Gesetz zeigte und von dem die ganze Anregung ausgegangen sein dürfte, hatte für seine Lande schon seit 1527 in seinen Stadtordnungen und anderen Erlassen die Einführung der HGO. nach dem Wormser Entwürfe von 1521 angeordnet. Vgl. Oberrheinische Stadtrechte 1, 179 f. 202. ZRG. 81, 181 f. 34, pg. 5. 15 Daß auch spätere Landesgesetze der CCC. vorgehen sollten, entsprach jedenfalls nicht der Absicht. Vgl. GÜTERBOCK 197. Über ihre Einführung in Polen vgl. D A R Q Ü N , ZRG. 23, 168 ff. M
Die Neuzeit.
908 § 89.
Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert.
2, 206 ff. 237 ff. 256—278. STINTZING, Gesch. d. RW. 1, 537 ff. 551 ff. v. EBENGBEUTH, Ostern Reichsgeschichte 345—364. 374 ff. MAUBENBRECHER, Rheinpreußische Landrechte, 2 Bde, 1830—1831. SIEGEL, RG.a 141 f. (gute Litteraturangaben). KLEINFELLEB, Deutsche Partikulargesetzgebung über CivilprozeS (Münchener Festgabe f. PLANCK, 1887). A. B. SCHMIDT, Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im GroBherzogtum Hessen, Gießener Univ.-Programm, 1893. MOTLOCH, i. d. Österreich. St.-WB. unter: Landesordnungen u. Landhandfesten. STOBBE
LTTSCHIN
Die Rezeption der fremden Rechte and die Ausbildung der Landeshoheit zu einer wahren Staatsgewalt gab im 16. Jahrhundert den Anlaß zu einer außerordentlich lebhaften Landesgesetzgebung, die überall, wo die Reichsgesetzgebung keine absoluten Bestimmungen traf, den Vortritt vor dieser hatte 1 . Es handelte sich hauptsächlich darum, den bei der Rechtspflege beteiligten Laien gewissermaßen durch amtliche Lehrbücher die für sie unentbehrlichen Kenntnisse zu übermitteln, andererseits aber auch das einheimische Recht vor den Übergriffen der gelehrten Juristen zu schützen, die einzig das geschriebene Recht als eigentliche Rechtshorm behandelten und das Gewohnheitsrecht nur berücksichtigten, wenn es von der sich darauf berufenden Partei nachgewiesen wurde. Dazu kam, daß die Rechtsanschauungen unter dem Einfluß der Rezeption vielfach andere geworden waren und eine Revision der bestehenden Ordnungen verlangten, die zahllosen Kontroversen unter den Rechtsgelehrten nur im Wege der Gesetzgebung abzuschneiden waren und der neu aufgekommene Begriff der „Polizei" ein bis dahin unbekanntes Gebiet staatlicher und gesetzgeberischer Fürsorge aufgeschlossen hatte. Während es in manchen Ländern nur zu Einzelgesetzen oder einer dürftigen Aufzeichnung einzelner Gewohnheitsrechte kam, wurde in anderen eine gewissenhafte Thätigkeit in der Abfassung ausführlicher Landrechte oder Landrechtsreformationen entwickelt. Vielfach wurden dabei fremde Land- oder Stadtrechte zu Grunde gelegt oder ohne Änderung einfach übernommen. Immer beschränkte man sich auf die wichtigsten Gegenstände, eine erschöpfende Behandlung wurde nicht beabsichtigt; subsidiär hatte sich der Richter an das gemeine Recht, bei einheimischen Rechtsinstituten an das Gewohnheitsrecht zu halten, soweit es nicht, wie in manchen Landrechten geschah, ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Den Hauptinhalt bildeten Gerichtsordnungen (Gerichtsverfassung und Civilprozeß) und Privatrecht; weniger geschah seit 1532 für Strafrecht und Strafprozeß, wo durch die Carolina ausreichend gesorgt war. In manchen Territorien handhabte der Landesherr das Recht der Gesetzgebung durchaus einseitig, ohne Mitwirkung der Stände, in anderen wenigstens bei solchen Gesetzen, die dem Lande keine Lasten auferlegten; andererseits gab es Territorien, in denen nichts ohne die Stände geschehen 1
Vgl.
S.
905 ff.
EICHHOBN
4, 292 ff.
PFEFFINGER,
Vitr. illustr. 3, 1149.
§ 89.
Die Landesgesetzgebung bis zum 18. Jahrhundert.
909
durfte 2 . Zuweilen zogen sich diese bei der Abfassung von Landrechten freiwillig, unter Berufung auf ihre mangelnde Rechtskenntnis, von der Mitwirkung zurück, was regelmäßig dahin führte, daß die mit der Abfassung betrauten Juristen der Arbeit ein römischrechtliches Gepräge gaben und das deutsche Recht großenteils verdrängten. Bei der Abfassung des würtembergischen Landrechts (1555) wurde das ausgezeichnete germanistische Material, das man durch Anfragen bei den Gerichten zusammengebracht hatte, als unbrauchbarer Wust beiseite geschoben und keiner Berücksichtigung gewürdigt 3 . Höchst mangelhaft waren die Einrichtungen für die Publikation der Gesetze. Man begnügte sich mit dem Druck, dem Ausruf durch einen Herold oder der Verlesung von den Kanzeln, in Rathäusern oder auf den Märkten, später begegnet auch die Bekanntmachung durch öffentlichen Anschlag. Zuweilen wurde, wie am Schluß des Solmser Landrechts, nach dem Vorbild der Weistümer jährliche Verlesung in den Gerichten vorgeschrieben. Im 16. Jahrhundert überwogen die Landrechte und Landesordnungen, die letzteren in der Regel mehr polizeilichen Inhaltes und an die Reichspolizeiordnungen anknüpfend oder deren Bestimmungen wiederholend. Daneben ergingen zahlreiche Einzelgesetze über die verschiedensten Gegenstände. Das 17. Jahrhundert und die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts waren an größeren gesetzgeberischen Erzeugnissen arm, dagegen überwucherte, wenn auch ohne jeden fruchtbaren Gedanken, die Einzelgesetzgebung. Innerhalb der Territorien wurde auch seitens einzelner Gerichtsherren eine gewisse Gesetzgebung in Aufstellung von Gerichtsordnungen, Dorfordnungen u. dgl. ausgeübt. Unter den Einzelgesetzen treten namentlich Gerichtsordnungen*, Halsgerichtsordnungen (S. 906f.), Lehnsmandate (-Edikte, -Konstitutionen), Wechselordnungen, Deichrechte, Bergrechte und in den protestantischen Ländern Kirchenordnungen hervor. Eine Kodifikation des Verfassungsrechtes war der Tübinger Vertrag von 1514 für Würtemberg (§ 78, n. 51) und die bairische Landesfreiheitserklärung von 1553. Von der großen Zahl der Landrechte sind hier nur die wichtigsten anzuführen 6 . Durch ihren rein deutschrechtlichen Charakter zeichnen sich aus die Landrechte von Jülich (1587), Kedingen, Hadeln (1583), das Wurster Landrecht (1611), das Bremische Ritterrecht (1577), die Neu2 Über Verhandlungen der österreichischen Stände mit Kaiser Maximilian II., den Entwurf einer Landtafel des Erzherzogtums Österreich betreffend, vgl. MOTLOCH, ZBGr. 34, 235 ff. 3 Mitteilungen aus den Materialien bei FISCHER, Versuch über die Geschichte der teutschen Erbfolge 2, 1778. REYSCHEB, Samml. altwfirtembergischer Statutarrechte, 1834. Benutzt sind sie bei WÄCHTER, Würt. Privatrecht. * Darunter von besonderer Bedeutung die sächsischen Prozeßordnungen. Vgl.
STOBBE 2 , 2 6 2 ff. 6
Eine erschöpfende Übersicht bei
STOBBE 2 ,
336—413.
910
Die Neuzeit
münsterschen Kirchspiels- und Bordesholmer Amtsgebräuche8. Im übrigen heben wir hervor: die bairische Landrechtsreformation von 1518 und das Landrecht von 1616, beide noch an den Grundlagen des Landrechts von 1346 festhaltend; die gut deutschen Tiroler Landesordnungen von 1526, 1532 und 1573 7 ; das Solmser Landrecht (Gerichts- und Landordnung der Grafschaft Solms), 1571 von dem Frankfurter Syndikus Fichard verfaßt, Gesetz- und amtliches Lehrbuch zugleich, wegen seiner Tüchtigkeit auch in vielen anderen fränkischen Gebieten als Gesetz angenommen8; das W ü r t e m b e r g e r Landreeht von 1555 (revidiert 1567, zuletzt 1610), hauptsächlich von dem Tübinger Professor Sichard, dem Herausgeber verschiedener Volksrechte, verfaßt, aber durchaus romanisierend, das deutsche Recht nur wenig berücksichtigend, übrigens vielfach bei anderen Landrechten, z. B. dem K u r p f ä l z e r von 1582/1610, als Votlage benutzt 9 ; die badische Erbrechts- und Vormundschaftsordnung von 1511 von Ulrich Zasius, fast ganz römisch10; die ausführliche badische Landesordnung und die aus dem würtembergischen und pfälzischen Recht geschöpften Landrechte von Baden-Baden (1588) und Baden-Durlach (1654); die Landgerichtsordnung des Herzogtums F r a n k e n (Würzburger Landrecht) von 1570 (revidiert 1580 und 1618); die k u r k ö l n i s c h e Reformation (1538) und das Landrecht (Rechtsordnung) von 1663, samt Erläuterungen von 1767; das Landrecht von J ü l i c h - B e r g (1555/64), überwiegendrömisch; das ostfriesische Landrecht von 1515, dasditmarsische von 1567; das Landrecht des Herzogtums (Königreichs) P r e u ß e n von 1620, revidiert 1684 und 1721 (dazu das preußische Seerecht von 1727); die brandenburgische Erbrechtskonstitution Joachims I., die sog. J o a c h i mica, von 1 5 2 7 n ; die erneuerten Landesordnungen von Böhmen und Mähren von 1627/28 ia . Von hervorragender Bedeutung für die Fortbildung des auf dem Sachsenspiegel beruhenden „geméinen Sachsenrechts" waren die in ganz Norddeutschland zu großem Ansehen gelangten sächsischen K o n s t i t u t i o n e n des Kurfürsten August von 1572 und die Decisiones electorales Saxonicae von 16611S. Die jüngsten der hier zu erwähnenden Landrechte waren das Bamberger (1769), das Mainzer (1755),
* Herausgegeben von SBESTERN-PAULT, 1 8 2 4 . ' Zu behaupten vermochte sich das rein deutsche Recht in Tirol gleichwohl nicht. Vgl. v. LUSCHIN 353 f. 382 ff. ' Vgl. FUCHS, Zur Geschichte der Solmser Gerichts- und Landordnung, ZRG. 8, 270 ff. A. B. SCHMIDT, a. a. 0. 72 ff. STINTZING, Gesch. d. RW. 1, 586 ff. • Vgl. STINTZING, Gesch. d. RW. 1, 543 ff. 10 Vgl. STOBBB 2, 390 f. Über Zasius vgl. STINTZING, Ulr. Zasius, 1857; Gesch. d. RW. 1, 155 ff. Über das von Zasius verfaßte Familienstatut der Herren von Rappoltstein BBEMEK, ZRG. 31, 170 ff. 11 Vgl. HEYDEMANK, Elemente der Joachiinischen Konstitution, 1811. "
V g l . v . LUSCHIN 3 5 7 ff. 3 8 6 f .
Vgl. MUTHER, Beitr. z. Gesch. d. sSchs. Konstitutionen u. des Sachsenspiegels, ZRG. 4, 168 ff. STINTZING, Gesch. d. RW. 1, 551 ff.
§ 90. Die Stadtrechte.
911
sowie das auf dem kölnischen Landrecht beruhende Trierer (1668/1714), das gleich dem Mainzer alle Statutar- und Gewohnheitsrechte für aufgehoben erklärte.
§ 90.
Die Stadtrechte1.
Der Unterschied zwischen Reichs- und Landstädten machte sich auf dem Gebiete der Gesetzgebung ganz besonders bemerklich. Während die ersteren zu voller Landeshoheit gelangten und dasselbe Gesetzgebungsrecht wie die Landesherren besaßen, wurde die Autonomie der Landstädte durch die Staatsgewalt mehr und mehr beschränkt und durch die Landesgesetzgebung verdrängt. Nur wo es zu keinen umfassenden Landrtjchtsaufzeichnungen kam, wurde den Städten eine freiere Bewegung gelassen, viele brachten es mit landesherrlicher Genehmigung zu amtlichen Aufzeichnungen ihrer Gewohnheitsrechte, Braunschweig (1532), Lüneburg ( 1 5 7 7 — 8 3 ) und Rostock (1597) sogar zu umfangreichen Stadtrechtsreformationen. I m allgemeinen bewegte sich die städtische Gesetzgebung in denselben Richtungen wie die der Territorien. Der Begriff der Reformationen, worunter man gänzliche Umarbeitungen älterer Rechtsquellen oder vollständige Neuredaktionen verstand, kam, wahrscheinlich aus Italien eingeführt, zuerst in den Städten zur Anwendung2. Das älteste, noch fast ganz deutschrechtliche Stadtrecht dieser Zeit sind die K ö l n e r Statuten von 1 4 3 7 , denen später (1570) noch eine Prozeßordnung beigefügt wurde 3 . Die bedeutendste unter allen, zugleich das älteste gedruckte Stadtrecht, war die N ü r n b e r g e r Reformation von 1479/84 (rev. 1 5 0 3 , 1 5 2 2 , neubearbeitet 1564), die erste vollständige Verarbeitung des gemeinen und einheimischen Rechts auf dem Gebiete des Privatrechts und Prozesses 4 , während die zum Teil auf der Nürnberger von 1484 beruhende W o r m s e r Reformation von 1499 mehr den Charakter eines amtlichen Lehrbuches des gemeinen Rechts, und zwar mit geringer deutschrechtlicher Beimischung, hatte". Wenig rücksichtsvoll gegen das ältere Recht erwies sich das F r a n k f u r t e r Stadtrecht von 1509, das auch in Wetzlar rezipiert wurde; dem von Fichard verfaßten Stadtrecht von 1578 (rev. 1611) hat das Solmser Landrecht sowie die Nürnberger und Wormser Reformation als Quelle gedient 6 . Das Stadtrecht von F r e i b u r g i. Breisg. von 1 5 2 0 war ein Werk des Ulrich Zasius; es verhielt sich gegenüber dem heimischen 1
Vgl. STOBBE 2 , 224 ff. 2 1 9 ff. GENQLEB, Städteprivilegien des 1 6 . — 1 8 . J h s .
(i. d. Erlanger Festschrift für Prinzregtnt Luitpold, 1901). 8 Vgl. KÖHNE, Die Reformation des Wormser Stadtrechts, 1897, S. 51 ff. * Als Reformation wurden die Kölner Statuten erst seit 1622 bezeichnet. Vgl. KÖHNE, a. a. 0 . 52.
4 Vor der Neubearbeitung von 1564 hatte man ein Gutachten des berühmten Ensisheimer Kanzlers Cantiuncula eingeholt. Vgl. BREMEB, Cantiunculas Gutachten über das Nürnberger Stadtrecht, ZRG. 28, 123 ff. 6 8
Vgl. STINTZINO, Gesch. d. R W . 1, 541 f. Vgl. STINTZING, a. a. 0 . 1, 546. 596 ff.
KÖHNE, a. a. 0 . 62 f. 66.
§ 90. Die Stadtrechte.
911
sowie das auf dem kölnischen Landrecht beruhende Trierer (1668/1714), das gleich dem Mainzer alle Statutar- und Gewohnheitsrechte für aufgehoben erklärte.
§ 90.
Die Stadtrechte1.
Der Unterschied zwischen Reichs- und Landstädten machte sich auf dem Gebiete der Gesetzgebung ganz besonders bemerklich. Während die ersteren zu voller Landeshoheit gelangten und dasselbe Gesetzgebungsrecht wie die Landesherren besaßen, wurde die Autonomie der Landstädte durch die Staatsgewalt mehr und mehr beschränkt und durch die Landesgesetzgebung verdrängt. Nur wo es zu keinen umfassenden Landrtjchtsaufzeichnungen kam, wurde den Städten eine freiere Bewegung gelassen, viele brachten es mit landesherrlicher Genehmigung zu amtlichen Aufzeichnungen ihrer Gewohnheitsrechte, Braunschweig (1532), Lüneburg ( 1 5 7 7 — 8 3 ) und Rostock (1597) sogar zu umfangreichen Stadtrechtsreformationen. I m allgemeinen bewegte sich die städtische Gesetzgebung in denselben Richtungen wie die der Territorien. Der Begriff der Reformationen, worunter man gänzliche Umarbeitungen älterer Rechtsquellen oder vollständige Neuredaktionen verstand, kam, wahrscheinlich aus Italien eingeführt, zuerst in den Städten zur Anwendung2. Das älteste, noch fast ganz deutschrechtliche Stadtrecht dieser Zeit sind die K ö l n e r Statuten von 1 4 3 7 , denen später (1570) noch eine Prozeßordnung beigefügt wurde 3 . Die bedeutendste unter allen, zugleich das älteste gedruckte Stadtrecht, war die N ü r n b e r g e r Reformation von 1479/84 (rev. 1 5 0 3 , 1 5 2 2 , neubearbeitet 1564), die erste vollständige Verarbeitung des gemeinen und einheimischen Rechts auf dem Gebiete des Privatrechts und Prozesses 4 , während die zum Teil auf der Nürnberger von 1484 beruhende W o r m s e r Reformation von 1499 mehr den Charakter eines amtlichen Lehrbuches des gemeinen Rechts, und zwar mit geringer deutschrechtlicher Beimischung, hatte". Wenig rücksichtsvoll gegen das ältere Recht erwies sich das F r a n k f u r t e r Stadtrecht von 1509, das auch in Wetzlar rezipiert wurde; dem von Fichard verfaßten Stadtrecht von 1578 (rev. 1611) hat das Solmser Landrecht sowie die Nürnberger und Wormser Reformation als Quelle gedient 6 . Das Stadtrecht von F r e i b u r g i. Breisg. von 1 5 2 0 war ein Werk des Ulrich Zasius; es verhielt sich gegenüber dem heimischen 1
Vgl. STOBBE 2 , 224 ff. 2 1 9 ff. GENQLEB, Städteprivilegien des 1 6 . — 1 8 . J h s .
(i. d. Erlanger Festschrift für Prinzregtnt Luitpold, 1901). 8 Vgl. KÖHNE, Die Reformation des Wormser Stadtrechts, 1897, S. 51 ff. * Als Reformation wurden die Kölner Statuten erst seit 1622 bezeichnet. Vgl. KÖHNE, a. a. 0 . 52.
4 Vor der Neubearbeitung von 1564 hatte man ein Gutachten des berühmten Ensisheimer Kanzlers Cantiuncula eingeholt. Vgl. BREMEB, Cantiunculas Gutachten über das Nürnberger Stadtrecht, ZRG. 28, 123 ff. 6 8
Vgl. STINTZINO, Gesch. d. R W . 1, 541 f. Vgl. STINTZING, a. a. 0 . 1, 546. 596 ff.
KÖHNE, a. a. 0 . 62 f. 66.
Die Neuzeit.
912
Recht erheblich rücksichtsvoller als die von demselben Gelehrten verfaßte badische Erbrechts- und Vormundscbaftsordnung7. Ausschließlich deutschrechtlich und nur eine Neuredaktion der älteren Statuten war das L ü b e c k e r Stadtrecht von 1586, das auch in den meisten mit lübischem Recht bewidmeten Städten angenommen wurde. Das H a m b u r g e r Stadtrecht von 1497, zu dem der Bürgermeister Langenbeck einen Kommentar schrieb, schloß sich noch ganz an das alte Hamburger Recht an; eine Verarbeitung desselben und der späteren Stadtrechtsnovellen oder „Rezesse", unter Benutzung verschiedener anderen Quellen, namentlich der Nürnberger Reformation, ist das Stadtrecht von 1603/5. • § 91.
Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung.
STOBBE 2, 4 2 6 ff. SIEGEL, E G 8 . 153 ff. SCHBÖDEB, R e c h t s k a r t e D e u t s c h l a n d s
(PETEBMANN, Geogr. Mitteilungen, 1870).
Vgl. unsere Tafel IV.
Die peinliche HGO. Karls V. war die erste wirkliche Kodifikation, durch die auf dem Gebiete des Strafrechts und Strafprozesses der Dualismus des einheimischen und des fremden Rechts überwunden wurde. Sie hatte zwei Jahrhunderte ausgereicht, aber mit den Anschauungen des 18. Jahrhunderts war sie unvereinbar. Ihr grausames Strafsystem war unzeitgemäß geworden, seit man den Zweck der Strafe nicht mehr in der Abschreckung, sondern in der sühnenden Gerechtigkeit erkannte. Man verlangte eine größere Abstufung der Strafbarkeit, Abschaffung der Tortur 1 . Auf dem Gebiete des Civilprozesses und des Privatrechts fehlte es noch an jeder Kodifikation, obwohl der Gedanke einer solchen seit dem 16. Jahrhundert die Geister beschäftigte2. Die Kodifikationsarbeiten, besonders angeregt von Leibniz, begannen zuerst in P r e u ß e n , unmittelbar nach dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen, der selbst die Grundzüge entwarf. Aber zunächst kam es nur zu dem wenig brauchbaren, von Cocceji verfaßten Projekt des Corporis iuris Fridericiani ( 1 7 4 9 — 5 1 ) 3 ; erst im letzten Jahrzehnt der Regierung Friedrichs wurden die Arbeiten unter dem Minister von Carmer wieder aufgenommen. Für jetzt erlangte B a i e r n den Vorsprung. Unter Kurfürst Maximilian III. wurden drei umfangreiche Gesetzbücher, deren Verfasser und Kommentator der Vizekanzler von Kreittmayr war, zustande gebracht 4 . Wirkliche Kodifikationen waren der Codex iuris Bavarici criminalis (Strafrecht und Strafprozeß) von 1751 und der Codex iuris Bavarici iudiciarii (Civilprozeß) von 1 7 5 3 , während das kurbaierische Landrecht 7
1
Vgl. STINTZINQ, a. a. 0 . 1, 169; Zasius 157 ff.
Vgl. GÜNTHER, Idee der Wiedervergeltung 2, 1 ff. Die Folter wurde in
Preußen 1740 durch Friedrich d. Gr. abgeschafft. 2
Vgl. SCHBÖDEB, Zum 1. Januar 1900, ZRG. 34, pg. 5 sqq.
* V g l . STINTZINQ U. LANDSBEBQ 3, 2 1 5 ff., N o t e n S. 1 8 8 ff. 4
Vgl. ebd. 3, 223 ff., Noten S. 142 ff.
Die Neuzeit.
912
Recht erheblich rücksichtsvoller als die von demselben Gelehrten verfaßte badische Erbrechts- und Vormundscbaftsordnung7. Ausschließlich deutschrechtlich und nur eine Neuredaktion der älteren Statuten war das L ü b e c k e r Stadtrecht von 1586, das auch in den meisten mit lübischem Recht bewidmeten Städten angenommen wurde. Das H a m b u r g e r Stadtrecht von 1497, zu dem der Bürgermeister Langenbeck einen Kommentar schrieb, schloß sich noch ganz an das alte Hamburger Recht an; eine Verarbeitung desselben und der späteren Stadtrechtsnovellen oder „Rezesse", unter Benutzung verschiedener anderen Quellen, namentlich der Nürnberger Reformation, ist das Stadtrecht von 1603/5. • § 91.
Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung.
STOBBE 2, 4 2 6 ff. SIEGEL, E G 8 . 153 ff. SCHBÖDEB, R e c h t s k a r t e D e u t s c h l a n d s
(PETEBMANN, Geogr. Mitteilungen, 1870).
Vgl. unsere Tafel IV.
Die peinliche HGO. Karls V. war die erste wirkliche Kodifikation, durch die auf dem Gebiete des Strafrechts und Strafprozesses der Dualismus des einheimischen und des fremden Rechts überwunden wurde. Sie hatte zwei Jahrhunderte ausgereicht, aber mit den Anschauungen des 18. Jahrhunderts war sie unvereinbar. Ihr grausames Strafsystem war unzeitgemäß geworden, seit man den Zweck der Strafe nicht mehr in der Abschreckung, sondern in der sühnenden Gerechtigkeit erkannte. Man verlangte eine größere Abstufung der Strafbarkeit, Abschaffung der Tortur 1 . Auf dem Gebiete des Civilprozesses und des Privatrechts fehlte es noch an jeder Kodifikation, obwohl der Gedanke einer solchen seit dem 16. Jahrhundert die Geister beschäftigte2. Die Kodifikationsarbeiten, besonders angeregt von Leibniz, begannen zuerst in P r e u ß e n , unmittelbar nach dem Regierungsantritt Friedrichs des Großen, der selbst die Grundzüge entwarf. Aber zunächst kam es nur zu dem wenig brauchbaren, von Cocceji verfaßten Projekt des Corporis iuris Fridericiani ( 1 7 4 9 — 5 1 ) 3 ; erst im letzten Jahrzehnt der Regierung Friedrichs wurden die Arbeiten unter dem Minister von Carmer wieder aufgenommen. Für jetzt erlangte B a i e r n den Vorsprung. Unter Kurfürst Maximilian III. wurden drei umfangreiche Gesetzbücher, deren Verfasser und Kommentator der Vizekanzler von Kreittmayr war, zustande gebracht 4 . Wirkliche Kodifikationen waren der Codex iuris Bavarici criminalis (Strafrecht und Strafprozeß) von 1751 und der Codex iuris Bavarici iudiciarii (Civilprozeß) von 1 7 5 3 , während das kurbaierische Landrecht 7
1
Vgl. STINTZINQ, a. a. 0 . 1, 169; Zasius 157 ff.
Vgl. GÜNTHER, Idee der Wiedervergeltung 2, 1 ff. Die Folter wurde in
Preußen 1740 durch Friedrich d. Gr. abgeschafft. 2
Vgl. SCHBÖDEB, Zum 1. Januar 1900, ZRG. 34, pg. 5 sqq.
* V g l . STINTZINQ U. LANDSBEBQ 3, 2 1 5 ff., N o t e n S. 1 8 8 ff. 4
Vgl. ebd. 3, 223 ff., Noten S. 142 ff.
§ 91. Die Kodifikationen und die nenere Landesgesetzgebung.
913
(Codex Maximilianeus Bavaricus civilis) von 1756 noch an der Subsidiarität des gemeinen Rechts festhielt. In P r e u ß e n 6 kam es unter Friedrich dem Großen nur zu einer Civilprozeßordnung (dem ersten Buche des „Corpus iuris Fridericiani") von 1781 und der Allgemeinen Hypothekenordnung von 1783. Die erstere wurde schon nach wenigen Jahren, unbeschadet ihres eigentümlichen, die Verhandlungsmaxime verdrängenden Inquisitionsprinzipes, einer Revision unterzogen. So entstand die allgemeine Gerichtsordnung von 1793, nebst Anhang von 1815 8 . Den Strafprozeß regelte die Kriminalordnung von 1805. Für die Kodifikation des gesamten materiellen Rechts wurde von Friedrich dem Großen eine Gesetzkommission eingesetzt, deren Seele der Rat Suarez war7. Der Entwurf wurde 1784—88 veröffentlicht und der Kritik übergeben. Die Publikation erfolgte durch Patent vom 20. März 1791 (Druck 1792) unter dem Titel „Allgemeines Gesetzbuch für die Preußischen Staaten". Das Gesetzbuch wurde aber noch vor Eintritt der Rechtskraft wieder zurückgezogen, um erst nach einer oberflächlichen Revision 1794 unter dem Titel „Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten" von neuem, und zwar für das ganze damalige Staategebiet mit Ausschluß des Fürstentums Neuenburg und Valengin, publiziert zu werden. Mit Rücksicht auf die Gebietsveränderungen des RDHSchl. erfolgte 1803 eine abermalige Publikation, bei der die inzwischen ergangenen Novellen als Anhangsparagraphen an den entsprechenden Stellen eingefügt wurden. Nach den Befreiungskriegen wurde das ALR. auch in die neuerworbenen Gebiete eingeführt; nur Neuvorpommern und Rügen sowie der rechtsrheinische Teil des Regierungsbezirks Koblenz (Bezirk des Justizsenats Ehrenbreitstein) behielten gemeines, das gesamte linke Rheinufer und ein Teil des rechten Rheinufers der Rheinprovinz französisches Recht. In den durch die französischen Kriege von Preußen abgetrennten Gebieten der bairischen Markgrafschaften Ansbach und Baireuth, des hannoverschen Ostfrieslands, der niederen Grafschaft Lingen und des Eichsfeldes, sowie in einem Teile von Sachsen-Weimar wurde das ALR. aufrechterhalten. Das ALR. zerfallt in zwei Teile, die Teile in Titel, die Titel in Paragraphen. Die Hauptbestandteile bilden das Privatrecht (Teil I. und Teil II. Tit. 1—6), Kirchenrecht (Teil II. Tit. 11) und Strafrecht (Teil II. Tit. 20). Die Titel 7—10 des II. Teils behandeln das Ständerecht: Bauernstand (Tit. 7), Bürgerstand (Tit. 8), Adel (Tit. 9), Beamtenschaft (Tit. 10). Bei dem Bauernstande werden auch die Dorfgemeinden, bei dem Bürgerstande die Städte (§§ 86—178), Zünfte und Gewerbe (§§ 179—474), Handelsrecht
6
Vgl.STINTZINCIU.LANDSBEBG3, 465ff., NotenS.297ff. STÖLZEL,C.Gr.Svarez, 1885. Über eine Gerichtsordnung von 1709 vgl. HASSENPFLUQ, Die erste Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs, 1895. 7 Die Kommission wurde zu einer ständigen Behörde, die dem König Auslegungs- und Ergänzungsvorschläge zu machen hatte, da die Richter Dunkelheiten oder Lücken des Gesetzbuches nicht selbst auslegen oder ergänzen sollten. 8
R.
SCHRÖDER ,
Deutsche Rechtageschichte. 4. Aufl.
5g
914
Die Neuzeit
(§§ 475—712. 1250—1388. 2452—64), Wechselrecht (§§ 713—1249), Seerecht (§§ 1389—1933. 2359—2451) und Versicherungsrecht (§§ 1934 bis 2358) abgehandelt. Teil II. Tit. 12—19 enthält Bestimmungen aus dem Gebiete des Staats- und Verwaltungsrechts, mit Einschluß der Regalien und des völlig bureaukratisch aufgefaßten Vormundschaftsrechts (Tit 18). Das ALB. trat an die Stelle der sämtlichen Quellen des gemeinen Bechts und gemeinen Sachsenrechts und nahm daher für sich nur subsidiäre Geltung hinter den Statuten und Provinzialrechten, deren Kodifikation ebenfalls ins Auge gefaßt wurde, in Anspruch8; dem Gewohnheitsrecht wurde subsidiäre Geltung hinter dem ALR. zugebilligt. Alle übrigen Privatrechtskodifikationen haben Prinzipalgeltung und lassen das Gewohnheitsrecht nur da zu, wo das Gesetz ausdrücklich darauf verweist. In Osterreich 9 beschränkten sich die Kodifikationsarbeiten auf Strafund Privatrecht. Sie begannen unter Maria Theresia und führten auf dem Gebiete des Privatrechts zu dem Entwurf eines Codex Theresianus, der aber die Genehmigung der Kaiserin nicht erhielt10. Eine neue, auch das materielle Strafrecht umfassende Halsgerichtsordnung (Constitutio criminalis Theresiana) trat 1769 ins Leben. Vom Privatrecht gelangte 1786 unter Joseph II. der das Familienrecht enthaltende erste Teil des Theresianischen Codex als „Josephinisches Gesetzbuch" zur Publikation, aber erst 1811 konnte das vollständige „Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch für das Kaisertum Osterreich" verkündigt werden. Die allgemeine Gerichtsordnung wurde 1781, das Strafgesetzbuch 1787, eine neue Prozeßordnung 1788 veröffentlicht. Das bürgerliche Gesetzbuch umfaßt in drei Teilen, die wieder in Hauptstücke zerfallen, 1502 durchgezählte Paragraphen. Das System ist ähnlich wie in den privatrechtlichen Teilen des ALB. Form und Ausdrucksweise des österreichischen BGB. sind gefälliger, weil die Verfasser die Anweisung erhalten hatten, sich auf die Prinzipien zu beschränken und auf keine Kasuistik einzulassen, während Friedrich der Große womöglich für jeden Fall eine besondere Bestimmung haben wollte. Die übergroße Kasuistik ist der Hauptfehler des ALB, das im übrigen sich durch Klarheit der Ausdrucksweise, gesunde Auffassung und Gründlichkeit vorteilhaft von allen anderen Kodifikationen unterscheidet. Beide Gesetzbücher enthalten neben dem unmittelbar übernommenen heimischen Recht, das immerhin gegenüber dem römischen stark in den Hintergrund tritt, viel unbewußt hineingetragenes, indem die Bedaktoren vielfach vom * Die das Familien- and Intestaterbrecht enthaltenden Titel 1—3 des II. Teils wurden anfangs suspendiert, doch wurde diese Maßregel spSter nur noch in der Mark Brandenburg, einigen pommerischen Kreisen und dem ehemaligen Herzogtum Westfalen aufrechterhalten. * Vgl. STIHTZING u. LANDBBEBO 3 , 519 ff., N o t e n S. 322 ff. v. LÜSCHIN, Öst.
Beichsg. 511 ff. v. DOMIN-PETBUSHEVECZ, Neuere Österreich. EG., 1869. 10
A u s g a b e u. K o m m e n t a r :
HABBAS V. HABRASOWBKT, 5 B d e , 1883—86.
Vgl.
SAXL, Eine alte Quelle des allgemeinen bürgert. Gesetzbuches, GBÜHHUT'B Zeitschr. 24, 425 ff.
§ 91.
Die Kodifikationen und die neuere Landesgesetzgebung.
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römischen Recht nur darum abwichen, weil sie unter dem Einfluß der Naturrechtsschule etwas anderes für ein Gebot der Vernunft oder der Natur der Sache hielten, während sie sich thatsächlich in deutschen Rechtsanschauungen bewegten. Mehr deutsches Recht als das ALR. und das österreichische BGB. enthält das 1804 als „Code civil des Français", veröffentlichte, dann nach dem Staatsstreich revidierte und 1807 als Code Napoléon von neuem publizierte französische Civilgesetzbuch, bei dessen Abfassung das in Nordfrankreich herrschende, rein germanische droit coutumier vielfach ausschlaggebend wurde11. Weitere französische Kodifikationen waren der Code de procédure civile von 1806, Code de commerce von 1807, Code d'instruction criminelle von 1808 und Code pénal von 1810. In Baden wurde das französische Civilgesetzbuch, in amtlicher deutscher Bearbeitung und mit wesentlichen Zusätzen, durch die Edikte vom 3. Febr. und 22. Dez. 1809 als Badisches Landrecht, mit einem Anhang „Von den Handelsgesetzen" (Code de commerce), publiziert, üie französischen Gesetzbücher erhielten in Deutschland während der napoleonischen Zeit eine weite Verbreitung. Infolge der Restauration wurde ihr Geltungsgebiet in der aus unserer Tafel IV ersichtlichen Weise eingeschränkt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhielten verschiedene schweizerische Kantone eigene Frivatrechtskodifikationen, unter denen das von Bluntschli verfaßte privatrechtliche Gesetzbuch des Kantons Zürich (1853—56) die erste Stelle einnimmt. Von Bundes wegen wurde am 14. Febr. 1881 das Bundesgesetz über das Obligationenrecht erlassen, später aber die Ausarbeitung eines schweizerischen Civilgesetzbuches in Angriff genommen. Die bisher bekannt gegebenen Vorentwürfe (verfaßt von E. HUBEB) lassen von dieser Gesetzgebung das Beste erhoffen. Das BGB. für das Königreich Sachsen wurde 1863 erlassen. Die in Hessen-Darmstadt und Baiern verfaßten Entwürfe und die späteren preußischen Kodifikationsarbeiten haben keinen Erfolg gehabt. Über die Frage einer allgemeinen Kodifikation für Deutschland bestand eine Zeit lang lebhafter Streit zwischen Savigny und Thibaut, den beiden Häuptern der historischen und der philosophischen Rechtsschule12. Durch den Zollverein kam die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (S. 889), durch den Bundestag das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (S. 893 n.) zustande. Die in den letzten Jahren 11
V g l . ZÖPFL, Z D R . 5, 110 FF.
18
Vgl. SIEGEL, RG'. 158 ff. v. SAVIGNV, Vom Berufe unserer Zeit zur Gesetzgebung, 1814; Zeitschr. f. gesch. Rechtswissenschaft 1, 373 ff. ACHIII V. ARNIM, ZRG. 26, 228 ff. THIBAUT, Uber die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, 1814. ZÖPFL, ZDR. 4, 91 ff. BEKKEB, Über den Streit der histor. u. philos. Rechtsschule, Heidelb. Rektoraterede, 1886. BIENEB, Abb. a. d. G e b i e t e der R G . (1848) 3 ff. RUDOBFF, S a v i g n y , Z R G . 2, 1 ff. v . BETHMAKN-HOLL-
WEG, Erinnerung an SAVIGNY, ebd. 6, 42 ff. Ubersicht über die 1879 gehaltenen Gedächtnisreden auf SAVIGNY bei BBINZ, Kr.VJSchr. 21, 473 ff. 22, 161 ff. Vgl.
LANDSBEHO, Deutsche Biographie 30, 425 ff. 58*
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des Deutschen Bandes hervorgetretenen Bestrebungen für ein allgemeines deutsches Obligationenrecht und eine allgemeine deutsche Civilprozeßordnung haben vortreffliche Vorarbeiten zu Tage gefördert; zu einer Gesetzgebung ist es nicht gekommen, weil Preußen es ablehnte, sich ohne eine Befoim der Bundesverfassung auf eine gemeinsame Gesetzgebung einzulassen. Unter den Strafrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts ragten die beiden baierischen Strafgesetzbücher von 1813 (verfaßt von Feuerbach) und 1861, das preußische von 1850, das österreichische von 1852/53 hervor. Unter den Civilprozeßordnungen nahmen die von Baiern (1869) und Hannover (1850) den ersten Bang ein. Während diese sich wesentlich an das französische Verfahren anschlössen, begnügte man sich in Preußen mit einer Verbesserung der AGO. von 1793 durch die Verordnungen vom 1. Juni 1833 und 21. Juli 1846; die Gerichtsverfassung wurde durch Verordnung vom 2. Januar 1849 völlig umgestaltet Die Verordnung vom 3. Januar 1849 (nebst Gesetz vom 3. Mai 1852) brachte endlich auch für Preußen die Beform des Strafprozesses mit öffentlichem und mündlichem Verfahren und Geschworenengerichten, in Anlehnung an das seit der napoleonischen Zeit von den süddeutschen Staaten angenommene französische Verfahren. § 92. Bundes- und Reichsgesetze seit 1867. Das durch Art 2 der Verfassung des Norddeutschen Bundes für die Verkündigung der Bundesgesetze bestimmte „Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes", eingeführt durch die Präsidialverordnung vom 26. Juli 1867x, behielt auch nach der Aufnahme von Würtemberg, Baden und Hessen zunächst noch die alte Bezeichnung bei und nahm erst, nachdem der Beitritt Baierns die Zustimmung des baierischen Landtages erhalten hatte, mit der am 27. Jan. 1871 ausgegebenen Nr. 4 den Titel „Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes", nach eingetretener Rechtskraft der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 aber mit Nr. 19 den Titel „Reichsgesetzblatt" an. Von den bedeutenderen Gesetzen des Norddeutschen Bundes sind außer den bereits S. 897 genannten hervorzuheben: das Gesetz vom 5. Juni 1869 über die Einführung der deutschen Wechselordnung und des deutschen Handelsgesetzbuches als Bundesgesetze, nebst den dasselbe teils ergänzenden, teils abändernden Gesetzen: dem Genossenschaftsgesetz v. 4. Juli 1868 1 Bundesgesetzblatt 1868, S. 24. Die Publikation neuer Gesetze in besonderen Gesetz- oder Regierungsblättern hatten nach dem Vorbild des „Bulletin des lois" der ersten französischen Bepublik im Laufe der Zeit sämtliche deutsche Regierungen angenommen. Die preußische Gesetzsammlung bestand seit 1806. Das ALB. £inl. § 1 1 kannte nur die Publikation durch öffentlichen Anschlag und auszugsweise Bekanntmachung in den provinziellen Intelligenzblättern.
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des Deutschen Bandes hervorgetretenen Bestrebungen für ein allgemeines deutsches Obligationenrecht und eine allgemeine deutsche Civilprozeßordnung haben vortreffliche Vorarbeiten zu Tage gefördert; zu einer Gesetzgebung ist es nicht gekommen, weil Preußen es ablehnte, sich ohne eine Befoim der Bundesverfassung auf eine gemeinsame Gesetzgebung einzulassen. Unter den Strafrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts ragten die beiden baierischen Strafgesetzbücher von 1813 (verfaßt von Feuerbach) und 1861, das preußische von 1850, das österreichische von 1852/53 hervor. Unter den Civilprozeßordnungen nahmen die von Baiern (1869) und Hannover (1850) den ersten Bang ein. Während diese sich wesentlich an das französische Verfahren anschlössen, begnügte man sich in Preußen mit einer Verbesserung der AGO. von 1793 durch die Verordnungen vom 1. Juni 1833 und 21. Juli 1846; die Gerichtsverfassung wurde durch Verordnung vom 2. Januar 1849 völlig umgestaltet Die Verordnung vom 3. Januar 1849 (nebst Gesetz vom 3. Mai 1852) brachte endlich auch für Preußen die Beform des Strafprozesses mit öffentlichem und mündlichem Verfahren und Geschworenengerichten, in Anlehnung an das seit der napoleonischen Zeit von den süddeutschen Staaten angenommene französische Verfahren. § 92. Bundes- und Reichsgesetze seit 1867. Das durch Art 2 der Verfassung des Norddeutschen Bundes für die Verkündigung der Bundesgesetze bestimmte „Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes", eingeführt durch die Präsidialverordnung vom 26. Juli 1867x, behielt auch nach der Aufnahme von Würtemberg, Baden und Hessen zunächst noch die alte Bezeichnung bei und nahm erst, nachdem der Beitritt Baierns die Zustimmung des baierischen Landtages erhalten hatte, mit der am 27. Jan. 1871 ausgegebenen Nr. 4 den Titel „Bundesgesetzblatt des Deutschen Bundes", nach eingetretener Rechtskraft der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 aber mit Nr. 19 den Titel „Reichsgesetzblatt" an. Von den bedeutenderen Gesetzen des Norddeutschen Bundes sind außer den bereits S. 897 genannten hervorzuheben: das Gesetz vom 5. Juni 1869 über die Einführung der deutschen Wechselordnung und des deutschen Handelsgesetzbuches als Bundesgesetze, nebst den dasselbe teils ergänzenden, teils abändernden Gesetzen: dem Genossenschaftsgesetz v. 4. Juli 1868 1 Bundesgesetzblatt 1868, S. 24. Die Publikation neuer Gesetze in besonderen Gesetz- oder Regierungsblättern hatten nach dem Vorbild des „Bulletin des lois" der ersten französischen Bepublik im Laufe der Zeit sämtliche deutsche Regierungen angenommen. Die preußische Gesetzsammlung bestand seit 1806. Das ALB. £inl. § 1 1 kannte nur die Publikation durch öffentlichen Anschlag und auszugsweise Bekanntmachung in den provinziellen Intelligenzblättern.
§ 92.
Bandes- und Reichsgesetze seit 1867.
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(dafür später Gesetz vom 1. Mai 1889 nebst Gesetz v. 12. Aug. 1896) und dem Gesetz über Aktien- und Aktienkommanditgesellschaften v. 11. Juni 1870 (dafür später Gesetz v. 18. Juli 1884); ferner das Gesetz über das Postwesen v. 2. Nov. 1867 (dafür später Gesetz vom 28. Okt. 1871), die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 (später, nach mannigfachen Abänderungen, in neuen Redaktionen vom 1. Juni 1883 und 26. Juli 1900 publiziert), das Strafgesetzbuch vom 31. Mai 1870 (in neuer Redaktion als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, beziehungsweise 26. Febr. 1876). Das Bundesgesetz über das Urheberrecht, vom 11. Juni 1870 a , erfuhr später eine umfassende Ergänzung durch die Reichsgesetze vom 9., 10. und 11. Jan. 1876, die Patentgesetze vom 25. Mai 1877 und 7. April 1891, das Markenschutzgesetz vom 30. Nov. 1874 und die Gesetze v. 1. Juni 1891 über den Schutz von Gebrauchsmustern und v, 12. Mai 1894 über den Schutz der Warenbezeichnungen. Von den Gesetzen des Deutschen Reiches sind die am 1. Oktober 1879 ins Leben getretenen Reichsjustizgesetze (Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar, Civilprozeßordnung vom 30. Januar, Strafprozeßordnung v6d 80. Friedberg (Hessen) 687 n. 866. Friedelehe s. Kebsehe. Friedebann 81. 113. 192. 625. 718 n. 719. 722. 726. 753. 759 n. 762. Frieden, Burg- 117 n. 852 n. 625. 760. Ding-F. 23. 32. 42 f. 74. 858n. Dorf-F. 760. Fest-F. 74. Gottes-F. 23 n. 31. 38. 42. 652. Haus-F. 74. 79. 343. 353 n. 356. Heer-F. 32. 38. 74. 117 n. 520. Herzogs-F. 117 n. 184. 353 n. Kirchen-F. 353 n. Königs-F. 26. 117. 853 n. Markt-F. 192. 853 n. 625.
f
Mühlen-F. 353 n. ßeichstags-F. 511. Schmiede-F. 353 n. Sippe-F. 63 n. 72. Sonder-F. 113. 343. 352 f. 354 f. 625. 760. Stadt-F. 760. Straßen-F. 353 n. Tempel-F. 74. Volks-F. 26. F. der Königswähler 479. gelobter Fr. (Hand-F.) 74. 79. 353 n. 760. gebotener 113. 343 n. 759 n. befriedete Personen und Sachen 113. 652. 760. Tage 652. Aufsagung des F. 78. Friedensbruch 73 ff. 78 ff. 82. 469. Vgl. Landfriedensbruch. Friedensgeld 26. 29. 81 f. 87. 116 n. 117. 130. 134.(167.) 188 f. 195. 341 n. 345. 353. 356. 758. Friedensgericht 900. Friedescbilling 719. Friedetage 652. Friedewirken vgl. Friedebann. Friedlosigkeit 73 ff. 76 ff. 81 f. 88. 112. 306 n. 339. 351. 354. 356. 373. 874 f. 466. 756 f. des Vermögens 76 f. 88. Abspaltungen 77. 82. 341 f. 372 £ Vgl. Acht, Todesstrafe. Friedrich I., Gesetze 410 n. 653 f. 694 f. 784. Friedr. II., Authenticae 784. Privilegien 468. 590. Friedr. I. von Preußen 780. 858. Friedr. d. Gr. 858. 872. 912 f. F. Wilhelm, der große Kurfürst 780. 855. F. Wilhelm I. von Preußen 858. 863 ff. F. Wilhelm IV. von Preußen 888. 891. Friedstatt 79. 113. Fries, Lorenz 901. Friesen, Friesland, fries. Recht 11 n. 52. 91. 94. 98. 121 n. 132. 174. 189 n. 190 n. 216. 217 n. 228. 248 ff. 270 n. 284n. 346n. 349. 437. 449f. 463. 514. 515 n. 516 n. 533. 562 ff. 570 n. 584. 587 n. 611 n. 616. 649. 668. 671 f. 675. 685. 701 n. 737 f. 756. 759 n. 760 n. 766 n. 771. Gerichtsverfassung 562 ff. Dingtaalen 706 n. frihals 51. 449 n. frilaz 49 n. 846 n. friling 51. 215 n. 450 n. friöieta 49 n. Fristen 13 n. 720. fro l l l n . frodanno 79 n. Fronbote (vgl. Bfittel, Gerichtsbote) 42 n. 174. 561 £ 604. 609. Frondienste 47. 160. 212. 219. 223. 226. 428. 432. 453. 457. 605. 799. 802.
808. 810.
Frone 174. Fronfeld 424. 430 ff. 458. 624. Fronhof, -Verfassung (Villikation) 198. 212. 424. 430 ff. 457. 565 n. 600. 607. 621. 633. fronteil 540.
Wort- und Sachregister. F r o n u n g 77 f. 81. (88.) 108. 342. 372 f. 375. 531. 719. 726. 751. 767. Fronurteile 42 n. Frostuthing 149 n. 228 n. Fruchterwerb 206. 711. überhangende Früchte 711. Fuero 240. de Cordova, F . juzgo 239. fiilcfreals, fulcfree 51 n. 225. Fünfte, der 193. Fundregal 541. 595. fand und prund 595 n. faniculus 205 n. furban 42 n. furio 37 n. furisto 28. H i n . Fürsprecher 69. 385. 462. 466. 582. 758. 765. F ü r s t (vgl. Landesherr, Reichs-Fürst) 21 ff. 28 ff. 30 ff. 35. 38. 40 ff. 46. 51 f. 54. 57. 59. 104. 216. 400. 486. 462 n. 528. 550. 559 f. 613. 700. 718. 805 f. 832. Gau-Fürsten 23. 28 ff. Geistliche Fürsten396. 399f. 402ff. 41 I n . 418ff. 441. 495 ff. 499 ff. 516 n. 518. 521 ff. 528. 544. 570 n. 572 n. 573. 598 n. 614. 628. 700. 794. 811 n. 821. 845 n. 849. 853. Stellung unter Lehnrecht 401 n. 402 ff. 495. 499 ff. 521 f. 524 n. 794. Investitur 401 n. 402 n. 403. 419. 500. 522. 794. Lehnsherren des Königs 401 n. 486. 521 n. von Laienfürsten 400. 521 n. Säkularisation 779. 845. 872. Fürstenbund 872. Fürstengenossen 28 f. 33 ff. 36 n. ¡52. 436. 455 n. 550. 559. 831. 843 n. Fürstenkollegium 892. Fürstenkonkordat 657. Fürstentümer, Erblichkeit 412. Fürst Primas 875. Fußvolk 157. 398. Vgl. Knechte, Landsknechte, {usus 65 n. fylki, fylkiskonungar, fylkis J>ing 11. 21. 29 n. 104. CUbe 284. 718. bei Kommendation 34. 166. bei Verträgen 63. 70 n. 85 n. bei Adoption und Eheschließung 68. 70. 308. 322. gabella hereditaria 530 n. emigrationis 884 n. gädelingas, gaten 33 n. 65. gafergaria 286 n. gage 274 n. gähe That 82 n. gaida et gisil 225 n. Gaill, Andr. 908. gairethinx 24. 41. 61. 225. 242 n. 292 337. Gallien, Gallier 1. 12. 17. 20. 22 n. 49.
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78. 122. 123 n. 144 ff. 159. 173 n. 192. 202. 216. 261. gamaldio 286 n. gamallus 41. Gandinus 906. Granerben, Ganerbschaften 275 f. 282 n. 317 n. 321 f. 328. 335. 337. 414 n. 425 n. 427 n. 437. 615 n. 723. 804. 870. Teilung mit und ohne Verzicht 722. Vgl. Hausgemeinderschaft. garba 193. gardingi 33 n. gardr, gards 16. 55. Garkost 767. Gärtner 425 n. 452 n. gasakjo 84. gasindi 33. 159. 180. gastaldius 129. Gast, Gastfreundschaft 52. 231. 452. 632. G.-Gericht 559 n. Gasteiner Vertrag 894. Gastung (vgl. Atz) 197. Gatte, Gattling 33 n. 65. Gau (vgl. Grafschaft, Go) 19 f. 37. 57. 121 S. 133. 145. 157. 167. 175. G.-Ding 20 n. 22. G.-Fürst 20. 27 f. 105. 126. G.-Gemeinde 57. G. - Könige 28 n. 104 ff. 111. 128. Teilung der Gaue 122. 392. Gaudenzische Fragmente 238 n. Gebäude, Eigentum an G. 206. 425 n. 431. 454. 632. 723. 727. fahrende Habe 206. G.-Steuern 533. 612 f. 862. gebotenes D i n g s. DingGebot u. Verbot (vgl. Bann, Bannrecht) 43. 114. 130. 591. 608. prozessualisches Gebot 84 f. gebreite 205. Gebück 424. gebundene Tage 652. Gedeih und Verderb 713 n. (741). Gedinge 742. am Lehen 406 f. vgl. Erbschafts-G. ( E r b r e c h t ) Gefahr im Prozeß 84. 362. 365. 765.: Gefährde vgl. Ungefähr. Gefährdeeid s. Eid. Gefährdung 851 n. Gefängnis s. Freiheitstrafe. Gefolge, Gefolgschaft (vgl. Trustis) 20 n. 26. 32 ff. 36. 39. 67 n. 82. 118. 141 f. 157. 159. 165 f. 173 n. 284 n. geheftete W u n d e 761. Geheimer B a t 598. 818. 833 f. 860. 864. 866. Geh. Justizrat 860. Geh. Staatsrat 866. Gehöferschaft 54. 58 n. 429. Geisel 220 f. 289. 338. Geislinger Statut 870 n. Geisteskranke 82. 732. 747. Geistliche (vgl. Fürsten, Klerus) 143 ff. 154. 230 n. 418 ff. 579. 681. 736. 754. 756. höhere 143. 601. niedere 143.
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Wort- und Sachregister.
184. im Staatsdienst 135. 138. 146. 160 n. 489. 524. in der Kanzlei 138 f. 489. als Urteiler 549 n. als Landstände 615. als Schreiber 138 f. 261. Befriedung 652. Wergeid 143 n. 146. 345. Gerichtstand 183 ff. 581 ff. Stellung im Lehnrecht 399 f. 402 ff. 407. 409 n. 501. 517 n. 524 n. 811 n. 845 n. Kloater-G. 751. Unfreie oder Hörige als G. 145. 219. 222. Strafen f ü r G. 184. 756. Steuerfreiheit 612. 637. 700. Steuerpflicht 519 n Siegel (838). 854. 862. geistliche Gerichte 1 8 1 n. 182 ff. 582 ff. 760 n. 785. 788. 901. geistlicher Vorbehalt 811 n. 822 n. 845 n. Gelage (vgl. Opfer) 68 n. 70 n. 479. Geld 13. 273. 727. G.-Wirtschaft 525. G.-Geschäfte 467 ff. Geleite 192 n. 479. 505. 511. 529. 534. 535 n. 588 n. 592 f. 604 n. 859 n. G.-Männer 530 n. 610 n. Gelnhausen, Oberhof 687 n. Johann von G. 673 n. 692 f. 705. geltaere 730 n. Gelübde (gelovede) 295. 474. 730. 753. Gem&chte 742. 753. gemein (nefarius) 74 n. Gemeinde (vgl. Land-G., Markgenossenschaft, Stadt) 16 f. 54. 57. 120. 123. 207 ff. 211. 425 f. 556. 709. G.-Wege 209. G.-Weide 204.206. Heimfallsrecht der G. 327. gemeiner Pfennig 519. 544. 831. 835. 838. gemeines Recht 259. 788 ff. 913. Vgl. Sachsenreeht. Gemeinheitsteilung 801. 803. gemeißelte Wunde 761. Gemenglage der Felder 58. 205. 424. 428. 430. 433 f. 799. gemöt 22 n. genealogia 16. 64. 207. 286 n. Generaldepartement, preuß. 864. Generaldirektorium, preuß. 864. 866. Generalfiskal 866. Generalkommission, preuß. 803. generatio 16. 332. genossami 455 n. Genossenschaftsgesetz 916. Gentilen 48 n. Gepiden 91. Ger s. Speer. Ger (Ackerstück) 204. 205 n. Gerade 307 f. 330 f. 456. 680. 735 ff. 740. 742. 751. Witwen- und Niftel-G. 736. Gerardus Niger 695. gerbagium 193. gerefa 127 n. gereide 425 n. gerhabe 60. .Gericht, bairisches 175. 557 f. 561. 603. burgundisches, gotisches 44 n. dänisches 44. friesisches 174. 562 ff. 599.
langobardisches 44. sächsisches 173. 558. 560 ff. 599. schwäbisches 166. 175. 557. 599. schwedisches 44. westfälisches 574 ff. — G. der Landesgemeinde 24. 45. 175. der Landtage 614. des Reichstages 513. 549. 832. 834. oberstes Landes-G. 602 f. 860. 865. 883. niederstes G. 175 n. 564 n. 603. 606. 629 n. 635. — agrarisches 901. bischöfliches 183 ff. Feldrüge-G. 606. 901. Forstrüge-G. 901. (iast-G. 192. geistliches 182ff. 587ff. 760n. 901. gelehrtes 859ff. Gemeinde-G. 606. 901. G e w e r b e - G . 640. 901. Gilde-G. 641. 644. grundherrliches 179 ff. 200. 453. 605 f. markgrfifliches 567 f. 571. Militär-G. 857. 901. missatisches 81 n. 136. 175n. 178. Polizei-Rüge-G. 901. standesherrliches 901. Verwaltungs-G. 865 f. 901. — Afterverleihung eines G. 402. 557. 576. 599. Teilung 413 n. 557. 604 f. Veräußerung,Verpfändung 576.604. Ledigwerden (Niederlegung) eines G. 112. 128. 131. 167. 170f. 185. 523. 546. 570. 600. 602. — G. und Verwaltung 607 ff. 833. 864. 875. — Vgl. Billigkeits-G., Ding, Diengt-G., Dorf-G., Fem-, Goding, Grafen-, Hals-, H o f , Hundertschafts-, Immunitfits-, Königs-, Kriegs , Land-, Landfriedens-, Lehns-G., Märkerding, Markt-, Nieder-, Not-, Ober-, Patrimoni&l-, Reichs-, Reichghof-, Reichskammer-, Schwur-, Send-, Sippe-, StillG., Reichshofrat, Zuständigkeit. Gerichtsbann 81 n. 114. Vgl. Bann, Bannleihe, Königsbann. Gerichtsbarkeit, Abstufung 171. hohe 24.. 26. 171. 184 f. 505. 507. 558. 565 ff. 586. 601. 639 n. 844. 870. 900. peinliche 24. 45 f. 171. 181. 184. 549. 559 f. 568. 572. 580. 591. 601. 603 f. 627. 832 f. 844 n. Immobiliar-G. 184 f. 555. 558. 562. 576. 601. 603. 627. 632. niedere 132. 168. 171. 181. 185. 200. 506. 565 f. 568. 570. 603. 605. 900. niederste 564 n. 606. 629 n. 635. kirchliche 182 ff. 582 f. 901. freiwillige 125. 167 f. 177. 268. 280. 283. 338. 384. 486. 548. 582 f. 604. 606. 627 n. 641 n. 701 ff. 705. 718 ff. 722. 724. 726. 753. 771. — G. über Hofbeamte und Ritterschaft 597. in Münzsachen 594. in Polizei- und Handelssachen 635. 639. 641 n. 900. Gerichtsbaum, -Brunnen 41 n. Gerichtsbote 554. 561 f. 639. 831. Recht der Begnadigung u. Strafumwandlung 339 n. 341 n. 561 n. 763. — Vgl. Büttel, Fronbote, Scherge, Schultheiß. Gerichtsbuch 732. 771. Vgl. Landtafel, Schreinsbuch, Stadtbuch. Gerichtsfolge 518.
Wort- und Sachregister. Gerichtsformeln 705. Gerichtsgefälle 26. 29. 126. 130 f. 134. 167. 195. 198. 200. 434. 531. Gerichtshalter 862. Geriehtsherr 808 f. Gerichtshoheit 26. 45. 112. 545. 570 ff. 587. 599. 844. 874. Gerichtsleihe (vgl. Bannleihe) 402. 413 n. 558. 562. 566 f. 570 f. 575 f. 603. 607. 870. Gerichtsordnungen 553. 788. 830. 908 f. 913. Gerichtsreform 789. 859 ff. 875. 877. 892. 899 ff. Gerichtsschreiber 139. 168f. 176n. 261 ff. 280 n. 551. 554. 562. 859. 861 f. 900. Gerichtsstand 559 f. 568. 575. 601. des Königs 113. 482 f. 504. 581. der Reichsgüter 178. 182. 547. der Fürsten, Reichsstädte, Reichsunmittelbaren 178. 530. 547. 549 f. 553. 559. 569 n. 581. 631. 642. 831 ff. 870. der Grafen 562. der Geistlichen 183 ff 581 ff. 601. des Adels, der Ministerialen 440. 445. 560. 568. 582. 601. 806. der Städte 601. 681. 643. der Stadtbewohner 631 ff. der Hintersassen und Vogteileute 50. 179 ff. (453. 459). 560. 566. 605. 62g. 631 n. der Freigelassenen 183. der Unfreien 179 f. 605. der Juden 469. 581^ Besondere Gerichtsstände 178. 182. 559. 581. 627. 806 f. 859. 899. Vgl. Exemtion. Gerichtsurkunde 169. 262 ff. 280 n. 548 n. 719. Gerichtsverfahren 82 ff. 268. 359 ff. 716. 764 ff. 789 f. 892. Vgl. Civilprozeß, Prozeß, Strafprozeß. Gerichtsverfassung 40 ff. 166 ff. 256 f. 545 ff. 599 ff. 829 ff. 856. 859 ff. 877. 892. 897. 899 ff. 916 ff. Gerichtszeugnis s. Dingzeugnis. Germagen 65. Germanen, Name 13. älteste Sitze und Zustände 11 ff. Ober- und Niedergermanien 13. Germania des Tacitus c. 7: 16, 25 f., 32, 38 f. — c. 11: 13 n., 22. — c. 12: 40-43, 45, 73 ff. — c. 13: 33 ff., 36, 67. — c. 14: 33 ff. — c. 18: 63 n., 72 n. — c. 19: 67 n., 74 n. — c. 20: 72. — c. 21: 73 n. — c. 24: 289 n. — c. 25: 48. — c. 26: 55ff. — c. 31: 54 n. — c. 32: 72 n. Gerücht (Gerüft) 37n. 77f. 88. 172. 358n. 363. 376 f. 559. 579n. 770. Vgl. Landgeschrei. Gesamtbürgschaft 123 n. 731. Gesamtdienste, Gesamtzinse 429. 612. 634. Gesatnthandverhältnisse 63. 286 n. 319. 405. 413 f. 429. 437. 710. 716. 723. 731.
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Gesandtschaften 146. 524. 825. 854. 856. 881
Geschäft 753. Geschäftsfähigkeit 269 ff. 319 n. 321 n. 323 ff. 411 n. 709. 753 n. geschiht, von 732. Geschlecht 18 ff. 19 n. 21 n. 22. 37f. 54. 63. männl. u. weibl. 72 n. 76 n. 80 n. 118 n. 271. 284. 308. 323 ff. 344. 347n. 358. 750. G.-Vormundschaft 72. 271. 298 ff. 304. 319. 323. 328. 710. G.-Älteeter 28. 30. 38. Aufnahme in ein G. 48. städtische Geschlechter 594. 637. Geschoßeigentum 723. gescho?, gewerf 542. Geschworene 563. Vgl. Schwurgericht. Gesetz, Gesetzgebung 24. 111 f. 115 f. 120. 134. 146. 152f. 228ff. 242n. 251 n. 254 ff. 258. 613 f. Hanse-G. 645. G.Blatt, G.-Sammlung 260. 916. preußische G.-Kommission 913. — Vgl. Bundes-,Landes-,Reichs-Gesetzgebung, Publikation. Gesetzsprecher 24. 32 n. 44 f. Gesinde 33. 46 f. 453 n. 458. 632. 710 n. 751 f. 767. 808. 810. gesift, gesiScundman 33 n. gespräche 765. gesta municipalia 125. 262. Geständnis 84. 362. 766. 768. 775. gevita 86 n. Gewährsmann (Gewere), Gewährschaft 378 f. 382. 409. 769. 770 n. Gewalt 355 n. G.-Brand 356. väterliche 66 ff. 271. 745. hausherrliche 64. 66. Vgl. Munt. Gewandfall 456. Gewann, Gewannsystem 58. 205. 430. 433. 799. Vgl. Gemenglage, geweald 82. gewedde 295. Gewerbe 640. 839. unehrliches 466. G.Gerechtigkeiten 433. G.-Steuer 613. G.-Freiheit 868. 876. 892. G.-Ordnung 917. G.-Gericht 640. 901. Vgl. Zunft Gewere 62. 274. 279 ff. ,714 ff. 727. 768. zu rechter Vormundschaft 715. landrechtliche, hofrechtliche, dienstrechtliche 716. eigenliche 715. raubliche 715. 717 n. fehlerhafte 715. habende, gemeine, bloße 715. rechte 583. 715. 719 f. 753. 769. an bewegl. Sachen 714. ledigliche 716. 723. gemeinschaftliche 716.728n. Leibzucht-Gr. 715. 721. G. des Mieters oder Pächters 715 n. Lehn-G. 406 n. 409. 411. 715 f. 721. Zins-G. 715. 721. 728n. Satzung-G. 715. 721. G. des Erben 717. 751. Erwerb der G. 277. 279 ff. 287. 717. 751. Schutz 716. Vertust 714. 715 f. Vgl. Besitz.
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Wort- und Sachregister.
J&ewere, Prozeß- (gelobte 6 . ) 767 n. 769 n. Vgl. Gefährdeeid. Gewerebürge 281. Gewerebuße 770 n. Gewette 116 n. 130. 570 n. Gewicht 13. 187. 18». 526. 594. 606. 635. 889. Gewinngeld 798. Gewinnsteuer .613. gewi??en, gewi^ende 775. Gewohnheitsrecht 15. 116. 313. 316 f. 336 n. 412. 537 n. 541. 595. 647. 656. 697. 711. 784 n. 739. 783. 786. 789 n. 792. 821. 855. 908. 914. Gewohnheitsverbrecher 774 ft. gezunft 229. gieidon 86. gift, gifta, giftarorS 68 n. 302. Giftmischerei 351 n. 357. Gilde 634. 639ff.644. Gericht, Versammlung 641. 644. Gesamt-G. 640. Kaufmanns-G. 636. 640. G.-Meister 641. Vgl. Hanse, Zunft, gipt, gipta 68 n. gitrôst, gitrôsteo 32. giwizo 86 n. glebae adscripti 49. 219 ff. 455. 457 n. Vgl. Hörige, Unfreie. Gleve 446 n. 516. Glieder, Verwandtschafts- 65. 332. Glockenklang, Recht des 608. Glossen 238. 286 n. 238. 244. 268. Malbergische 235. 268. des Corp. iur. civ. 786. 789. der Libri Feud. 695. 784. des Sachsenspiegels 663. des Sfichs. Weichbildrecnts 679. des Mainzer Landfriedens 654. Gnade 76. 113 n. 117. 145. 340 ff. 551 n. 580. 728. 763. 814. 851 f. Entziehung d e r G . 117. 128. 188 n. 342. 509. 632. 756. 758. G.-Lehen 795. G.-Sachen 487. 814. 816. 893. 851. Vgl. Halslösung, Strafumwandlung. Go (vgl. Gau) 122. 174. 560. 602. G.Ding 174. 557. 558. 559 n. 575 f. 577. 599. 601 n. 603. G.-Graf 121. 132 n. 174. 575. 599. 604. 622. 630 n. Gobier 881 n. Goldmünzen, Goldwährung 187 ff. 216. 256 n. 526 f. 593. 840. Goldene Bulle 656. 473. 478 f. 483. 488. 490. 510 f. 513. 526 f. 529. 541. 547. 590. 593. 595. 615 n. 709. 761. 784. 813. 819. 845. 847. 860 n. Görlitz, Lehnrecht 659 n. Rechtsbuch 668. Goslar 630. 669 n. 683. 866. Goten 43 n. 90 ff. 108 n. 127 f. 173. 203. 215 n. Gotlandslagen 228 n. Götter, Beleidigung der 73. 75 n. Gottesfrieden 23 n. 39. 42. 556. 636. 652 ff. 671.
Gotteshausleute vgl. Hörige, Unfreie, homines ecclesiastici. Gottespfennig 730. Gottesurteil 31. 43 n. 76 f. 86 f. 88. 257 n. 268. 366 ff. 384 f. 749 n. 759 n. 772 f. 774 n. liturgische Formeln 268. goftar 31. goftorä 18 n. 31. Gräberraub 74. 75 n. 355 n. Grade, Verwandtschafts- 334 n. Gradualordnung 749. 793. Graf 111 ff. 124—133. 137n. 156 ff. 515. Bedeutung des Wortes 127 n. Ein- u. Absetzung 128 f. 133 f. 136 n. 146. Lehn-G. 128. Fürst 495 f. nicht geforstete G. 437. 473. 495. Stellung zum Herzog 133 f. 588. zur Krongutverwaltung 197 f. zum geistlichen Gericht 183. 185. 384. Vollstreckungsbeamter 127. 129. 167. 372. Richter 129. 167 ff. 173 ff. 257. 558 ff. 562. 601. 627. ohne die höhere Gerichtsbarkeit 558 n. 563, 576. 587n. 596n. letztes Urteil 563 n. legt das Gericht des Unterrichters nieder 131. 167. 170 n. 600. militärische Aufgaben 128 f. 154 f. 157. 515; polizeiliche 129. 192. Bann 129 f. 173. 343 n. 569 n. Vorbann 177 n. 375. Verantwortlichkeit 128. 515. Gerichtsstand 178. 562. Einkünfte, Lehen 130. 195.525. 530f. Erblichkeit 12». Unter-, Vice-G. 130. 170. 174. 494 f. 558. 567. 570 f. 588.600.607. Ministerial-G. 128. 439. 445. 495 n. 558 n. 571. 576. Vertreter des G. 127. 130 f. 167. 170. 174. 193. 562 f. 570 f. 576. Titular-G. 495. 805. Grafenversammlung 179. 554. Grafen u. Herren 465. 510. 614. 821 f. 826 f. 829 n. 832. G.-Rechte als Kern der Landeshoheit 587. 591. Grafengericht (vgl. Landgericht) 168 ff. 173 f. 181 f. 185. 257. 444 f. 559. 568. 575. 599 f. 603. 623. Niederlegung bei Anwesenheit des Königs 170 f. 600. Grafenkurien im Reichstage 821 f. Grafenschatz (vgl. Bede) 130. 157. 450. 515. 516 n. 533. 591. 610. 634. 719 n. Grafenstand 466. Grafschaft 120. 121 f. 123. 168. 171. 182. unteilbar 557. 571 n. 589. Afterleihe 401. 558. 570 ff. Verkleinerung 121. 392. 395. erledigte 133. 558. 588. 607. Verbindung mehrerer 133. 495. 558. 567. 588. mit einer Mark 134. 395. 567 n. 571. in Händen geistl. Fürsten 396. 494. 498. Verhältnis zum Bistum 145. Exemtion von der G. 200. 396. 557. staatlicher Charakter 557 f. allodiale G. 589. grundherrliche 396. 566. Domanial-G. 396. 564. Stadt-G. 396. 627. friesische Grafschaften 174. Verfall der G.-Verfassung 396. 572. 607.
Wort- und Sachregister. Gràgas 228 n. gras (Landmaß) 450 n. Gregor VII. 499. Grenze, Begehung 57 n. 62. 277. Frevel 762. Regelung 207 n. Schutz 39. 57. Streitigkeiten 86. 207. 366. Zeichen 424. Greuthungi 91. greve 641 n. grietman 564. 596 n. Grimm, Jacob 904. Grimowald 243. Groningen 671. 685. Groot, Hugo de 903. Groß-Hof-Justiziariat 550 n. Großkauzier 865. Grundbücher 702 f. 719. 917 n. Grunddienstbarkeiten 804. Grundeigentum 52—59. 202 ff. 422 ff. 795 ff. privates 55. 59. 206 ff. 275. Erwerb, Übertragung 62f. 276ff. 717ff. 804. 807. 884 n. städtisches 626 f. 632 f. — Bedeutung für Wehrpflicht u. polit. Rechte 36. 58 n. Verhältnis zum Bergbau 540 f. — Großgrundbesitz 211. 287 f. 433 f. - Vgl. Eigentum, Feldgemeinschaft, Flurzwang, Gemenglage, Grundherrschaft, Gutsherrschaft. Gründerleihe 624. 721 f. 727. Grundherrschaft 47 n. 50. 157. 159. 161. 179. 200 f. 212. 216 f. 264. 426. 430. 433 f. 452 n. 461. 516. 605 f. 609. 712. 796. 802. 808 f. Erwerb von Hoheitsrechten 587 ff. grundherrlicbes Gericht 179. 200. 453. 566. 605. 797. grundherrliche Grafschaften 396. 506. grundherrliche Dörfer 212 f. (429). 809. Allmenden 212. 427. (429. 606). Märkte und Städte 191. 615 n. 623 f. 626. 628. 868 f. Grundrechte des deutschen Volkes 891. Grundruhrrecht 196. 535. Grundschuld 727. Grundsteuer 193. 612 f. 862. 863 n. Grundzins 50 n. 164. 287. Grupen 904. gudja 31. guerpir 294 n. GulaJ)ing 149 n. 228 n. Gülte 727. Gundling 904. Gundobad 101 f. 241. Gunthram 97. 115. 119 n. Gürtel, mit dem G. umfangen 566. Güterfall 808 n. Gütergemeinschaft 72. 312 f. 315 f. 680. 734 n. 737 f. 740 ff. 757. 791. fortgesetzte 741. 791. vertragsmäßige 744. von Todes wegen 791. Aufhebung, Ausschließung 743 f. 746 n. Gutlalagh 228 n. Gutsbezirke, Entstehung 211. 798 ff. 801.
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Gutsentziehung 287. 432. 799. gutsherrlich-bäuerliches Verhältnis 697 727. 797 ff. Regulierung 801 f. Gutsherrschaft 796. 802. 855 n. Haare packen, abschneiden 68. 70 n. 221 n. 758. Habe 273. Häberlin 904. Hadeln, Landrecht 909. Hadersleben 685. haester hand 82 n. Hafenzölle 191. Haflidascra 228 n. Haftung und Schuld 787. H. für Kinder, Knechte, Tiere 46. 83. 179. 27* n. 321. 349 f. 362. 732 f. 745. für leblose Sachen 83. 349. persönliche H. 63. 289ff.294f. 712. 724. 738. 741. 752. beschränkte 350. Sach-H. 274. 289. 335. 349 f. 712. 713 n. 724. 728. 730. 738. 741. 752. Vgl. Verantwortung, haga 55. hagastald, haistald, hagustaldos 33 n. 457 u. 459 n. Hagensprache 425. haiflichen 82 n. haistan, haistera handi 82 n. halbedel 464 n. Halbfreie s. Hörige. Halbhufher, Halbspänner 425. Halle 680. Schöffenstuhl 861 n. Halm, H. und Mund, H.-Wurf 61. 277 f. 294 f. 718. Hals und Hand, Strafen an 406 n. 756. Halsfang 80 n. Halseigen 808. Halsgericht 756. H.-Ordnungen 906 f. 909. 914. Karls V. 861. 906. 912. Bämberger 907. Maximilians I., Radolfzeller, Tiroler 906. Halslösung (vgl. Lösung) 77 n. 209 n. 339 n. 466 n. 561 n. 763. Hamaland 96. 132 n. 251. Hamburg 643. 866 ff. (875). Stadtrecht 682 f. 912. hamedii 86. Hammerwurf 428. Hand, H. und Mund 42 n. 60. 78. 279. 403. 718. 730. Erheben der H. 152 n. 473. H.-Reichung, H.-Schlag 34. 61 n. 62. 114. 158. 162. 366 n. 402. 718. 730. 733. H. und Halm 295 n. H.Gelübde, H.-Treue 60 n. 85. 293. 474. 730. eiserne H. 471 n. 569 n. — Abhauen der H. 352 n. 357. 466 n. 756 f. 770 n. — H.-Änderung 798. — H. muß H. wahren 273. 377 n. 381. 710. — Vgl. ärgere H., Lösung der H. Handel 51. 447 n. 467. 469. H.-Monopol 640. H.-Gericht 641 n. 897. 900. H.-
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Wort- und Sachregister.
Recht 913. H.-Gesetzbuch 893 n. 915 ff. H.-Sachen 632. Handfeste 62. 263. 474. 673. 677. Handgeld s. Lohngeld. Handgelderreichung 863. Handgemal 14. 58 n. 437 n. 445 n. 648. handhafte That 45. 78 f. 88. 172. 184. 341. 351 n. 357. 363. 376. 559. 578. 580. 757. 762 n. 770. 774 n. 775. handla^ 49 n. Handlohn (vgl. Ehrschatz) 456. 633 n. handsal 62. Handschuh 62. 162. 192. 277. 280 n. 294. 301. 373. 403. 471. 570 n. 625. 718. 722 n. Handsekret des Königs 492 n. Handwerk, Handwerker 219. 447 n. 452. 622. 624. 637. 640. 710 n. H.-Ämter 639. Lohnarbeit u. Marktarbeit 640 n. Vgl. Gewerbe, Zunft. Hängen als Strafe 39. 76 n. 340. 580. 757. Vgl. Galgen, Hals. Hannover 805 n. 815. 819. 871. 878 ff. 886. 887. 891 f. 896. 916. Kurfürstentum 860 n. Königreich 879 n. Hanse 641. 643 f. H.-Bund 643 ff. 867 f. Bann 646. Rezesse 646. 868. H.-Tage, Quartiere, Schutzgenossen 646. Steuern 646. 868. freie Reichs- u. Hansestädte 868. 875. 878. 896 n. H.-Graf 641 n. hantalön 376. hantrada 225 n. Hardenberg, Graf 876. haribannatores 129. hariman s. Heermann, harizhut 116 n. harmiscara 342 n. haro 37 n. Hasdingen 31 n. hasla 42 n. hasteo 82 n. Hauberggenossenschaft 54. 429. Häuptling 28. 436. 563. Hauptmann im Heere 520. 857. Statthalter 598 n. Schuldner im Gegensatz zum Bürgen 731. Hauptrecht 808. 810. Hauptstädte 615 n. Haus u. Hof, Eigentum an 55. 58. Vgl. Gebäude. Hausbriefe 726. Hausdienerachaft 218. Hausfideikommiß 846. Hausfrieden 74. 79. 352 n. 356. 760. Hausgemeinderschaft (Gemeinschaft des Hausvermögens) 62. 65. 67. 72. 276. 307 n. 321 ff. 326. 32« ff. 385 n. 336 f. 739 f. 748. Vgl. Ganerben. Hausgenossen (Münzer) 526 n. 594. 632. Hausgesetz (vgl. Autonomie) 805 n. 806. 815. 818. 833 n. 845 ff. 870. 899. Haushalt, eigener 58. 822 n. 426.
Hausleihe 206 n. 453. 624. 626. 632 f. 677. 716. 721. 723. Vgl. Erbbaurecht, Erbleihe, Wurtzins, Zinseigen. Häusler 425. 431. 452. Hausmann 438. Hausmarke 14. 58 n. 277 n. 437 n. 700n. Hausmeier 97 f. 109 f. 135. 140 ff. 151. 162. 176 f. 198. 262. Hausrat, Verpfändung 713. Haussteuer 450 n. 516 n. 611 n. 743. Haussuchung 377. Haut u. Haar, Strafe an 351. 756. 758. 761. Hautwunde 761. 771. Heberolle, grundherrliche 702. Heer 15. 22. 356. H.-Verfassung 36 ff. 102. 129. 133 f. 153 ff. 397 f. 436 f. 513 ff. 638. 794 f. 806. 829. 834 ff. 856 ff. 866. 877. 882. 897. — Aufgebot 37. 48. 112. 129. 154 f. 156 f. 514 ff. 517 n. 519. 591. 615 n. - H.-Bann 114 f. 116 n. 129. 154 f. 157 f. 161 n. 195. 197 n. 514. — H.-Fahrt 20 n. 155 f. 409. 439. 514 ff. 543. 588. 634. 638. 642. 794. 869. — Leistungen zur H.Fahrt 156. 197. 517. 520. 829. — H.Flucht 39. 154. 177. 354. — H.-Frieden 32. 39. 74. 118 n — H.-Führer 25 f. 30. 38. 111. 133. 157. 518. 812. 836. 882. 897. — H.-Gliederung 16 ff. 37. 157. 518. 836. — H.-Pflicht 36. 39n. 47. 50. 115n. 145. 153ff. 157. 162. 201. 223. 437. 450 n. 514 f. 034. 858. 875. 877. 882. (897.) — Befreiungen 155. 516 ff. 611 n. 642. 858. 869. 875. 877. — H.-Matrikel 519. — H.-Schau 22. 149 ff. 154. 1 5 7 . — Strafen im H. 39. 154. — H.-Wagen 197. 612 n. 634. Heerdzins 456. Heergeräte, Heergewäte 34 n. 284 n. 309. 329. 440. 456. 736. 751. Heerhorn 45 n. Heerkönige 23. 27. 35. 39. 59 n. Heermalder 156 n. 450 n. Heermann 16 n. 34 n. 48. 51. Heerpfeil 37 n. 48. Heerpfühl s. federwat. Heerschild, H.-Ordnung 74 n. (162). 398 ff. 402 n. 410 n. 412. 421 n. 437 n. 442. 448. 495. Aufgabe des H. 420. Heerscbilling 156 n. 450 n. Heersteuer (vgl. Grafenschatz, Ritterpferdgeld) 156 f. 162 n. 450 n. 516 f. 611. 634. 794. Heerung 74. 356. Heftwunde 761. hegemal, heimael 41 n. Hegung, Ding- 23 f. 31. 39 n. 42. 174. 562. 719. Hehlerei (vgl. helan) 352 n. Heideknecht,1 Heidereiter 610 n.
Wort- und Sachregister. Heidentum 11. 14. 30f. 51. 62. 73 f. 75. 106. 108. 249. 357. 362. 367. heil, heil al 37 n. Heilbronn, Oberhof 687 n. heim 17. Heimburge 425. 603. 606. 641 n. heimding 426. Heimfallsrecht 195. 207 f. 211. 214. 224. 279. 327. 334 f. 337. 428 n. 440. 456. 530 f. 588. 595. 642. 723. 736. 751. Vgl. Lehen. Heimführung der Braut 11. 303. Heimgericht 425. Heimgereide 425 n. 606. 622 n. heimliches Gericht 578. 605. heimlicher Rat 599. Heimlichkeit bei Missethaten 73. 77. 79. 354. 355 n. 356. 760. heimscbnaete 428 n. Heimsteuer 743. f ü r Wittum 744. Heimsuchung (vgl. Hausfrieden) 116 n. 343. 352. 356. 760. Heineccius 904. Heinrich IV. 468. 652 f. 670. — H. VI. 413 n. 419. — H. VII. 784. — H. der Löwe 393 f. 495. 516 n. 555 n. heinried 425 n. ' heiptugri hendi 82 n. Heiratgut 743. für Wittum 744. Heiratsteuer 222. 455. 743. Heiratszwang s. Ehe-Zwang. Heisteuer 743. helan, heln, hehlen 73 n. Helgoland 899. Helsingelagen 228 n. hendinos 26 n. Henker s. Gerichtsbote. heorSgeneätaa 33 n. Herausforderung 760 n. heraS 18. 122. h.-J>ing 149. h.-konungr 19 n. 104. Herberge (vgl. Quartierlast) 130. 197. 201. 511. 523 f. 544. 612 n. 615 n. 633. 642. 665 n. 867. here, heriraita 74 n. herecumbol 38 n. heredi 307. hereditas 273. aviatica 330 n. herescaph 16 n. hereteäm 74 n. heriro, herro 60. H i n . herisliz 39n. 74. 154. 354. herkommender Mann 816. 844 n. Herminonen 11 f. 64. 91 ff. Hermunduren 27. 91 f. hernaifr 74 n. Herold, B. Joh. 903. Herrending 608. Herrenfall 164. 288 n. 404. 406. 571. Herrengunst 271. 458. 798. herrenloses Gut (vgl. Heimfallsrecht) 102. 195. 208 ff. 211. 283 n. 532. 626.
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Herrenstand (vgl. Adel, Edelinge, Freie Herren) 215 ff. 436 f. 441 n. 442 ff. 464. 510. 512 n. 561. 568. 585. 611. 648. 719 n. 723. 804 f. außerhalb des Lehnsbandes 442. Herrlichkeit 597 n. Herrschaften, reichsunmittelbare 844. Unter-H. 597 n. 615. herschaft 587. 589 n. 720 n. hersir 19 n. herskjöldr 74 n. Heruier 11. 92. 100 f. Herzog, Herzogtum 20 n. 23. 25. 30. 35. 39. 106. 583. Amts-H. 97. 120. 132 f. 154.157. Stammes-H. 97 f. 116n. 118 n. 120. 133 f. 154. 179. 244 ff. 254. 284. 353 n. 392 ff. 475. 487. 494. 503. 525. 530. 555. 569. 571 f. 587 f. 589. 596. 602. 613. Territorial H. 393 ff. 494. 555 n. 587. 613. Grenz-H. 134. H.-Bann 570 n. H.-Frieden 117 n. 118 n. 134. 353 n. langobard. H. 29 n. 121 n. 127. 134 n. 149. 262. Herzogskorn 432. 612 n. Hessen 95. Landgrafen 505 n. Großherzogtum 896 n. 898. Kur- 819. 878. Heuermann 450 n. 451 n. Hildesheim, Stadtrecht 683. Hilichberedung, Hilichgeld 742 f. Hinkmar v. Reims 268. Hintersassen 115 n. 159 f. 179 ff. 217 f. 223. 453. 465. Vgl. Vogtleute, Zinsleute. Hippolithus a Lapide 850. Hirschberg, Landgericht 574. hir9, hirffmenn 33. hläford 33 n. 165. Hlodhsere 253. hlöS 356. hlust, hlyst, hljoäs 23 n. Hochäcker 57 n. Hochgericht 603 f. Hoch- und Deutschmeister 780 n. 822. 872. Hochverrat 117. 154. 358. Hochzeitsmahl 733 n. Hofämter (vgl. Erzämter) 108 n. 138 ff. 218 f. 439. 442. 476. 486 ff. 596 f. 795. 815 ff. Hofdienst 216. 218. 438 f. Hofdomesticus 142. 197 f. Höfesystem 16. 59. 203. 423. 426. 430. Hoffahrt 146. 159. 162. 409. 509 f. 524. 613 f. 633. 794. Hofgeistlichkeit 138. 140. 489. Hofgenossenschaft 46. 424. 429. 440. 455. 457. Hofgericht, königliches (vgl. Königsgericht, Reichs-H) 113. 139 f. 142. 175. 478. herzogliches 134. 179. 555. 587. fürstliches 582. 602. 631. 643. 789. 797. 859f. märkisches 568. grundherrliches (vgl. Bauding, Fronhot) 605. 607. 716. 722. 797.
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Wort- und Sachregister.
Hofgerichtskanzlei, Hofgerichteschreiber 139. 176. 262, 492 f. 551. Hofgerichtsnotare 140. 493 n. Hofgerichtssiegel 140. 262. 551. Hofhörige 457. 810. Hofkammer 817. 839. 864. 865 n. Hofkanzlei (vgl. Kanzlei, Reichskanzlei) 816 f. 864. Hof kanzler (vgl. Kanzler, Reichskanzler) 816. Hof kapeile, Hofkapellan 139 f. 160 n. 177 n. 489. 498. 524 n. 598. Hofkriegsrat 864. Hofmark, H.-Gericht 565 n. 603. 802. Hofmarschall s. Marschall. Hofmeister 486. 553. 598. 603. 610. 859. 907 n. H a u s H . 486. Reichs-H. 486. 493. Oberst-H. 487. 493 f. 815. 818. Hofordnung 817 n. Hofpfalzgraf 487. 784. 807 n. 816. 852. Hofrat 138. 486. 493. 553. 599. 602. 816 f. 860. 864. Ho (recht 180. 252. 621.625.640. 650. 658. Hofregiment 817. Hofreiter 598. Hofrichter 486. 492. 550 f. 572. 602. 859. 907 n. Hofschenk 138. Hofschreiber 493. Hofschule 140 f. 489. Hofschulze 601. Vgl. Dorfschulze, Schultheiß. Hofsprache 605. Hofsteuer 543. Hoftage 508. 555. 613 f. hofwere 206 n. hSfSingi 28. Hogericht, Hograf 575. 604. Hoheitsrechte, privatrechtlich aufgefaßt 434. 545. 576. 589. 604 f. 837. 844. Hohenzollern 805 n. höldr 437 n. 450 n. Holländische Rechte 674. 685 f. Holstein 61 n. 93. 389. 497. 871. 879. 887. 892 ff. 896. Hölting, Holzgericht, Holzgraf 426. Holzknecht 610 n. homagium, hominium 402. homo 158. 402. bonus h. 217. h. denarialis 224. ecclesiasticus 181 n. 226. 305. Francas 165. 217 n. ligius 439. 445 n. 451 n. 616 n. migrans 208. 211. 381 n. regius 181 n. 226. Romanus 226. synodalis 486 n. Honschaft 603 n. Horcher 600 n. 765.
Rechtsfähigkeit 222 f. 271 f. Buße, Wergeid 206. 223. 272. 346. Prozeßfähigkeit 223. Strafrecht 341 n. Fehderecht 223. Ergebung in Hörigkeit 224. Freilassung 224 f. 425 n. 431. 454. Loskauf 224. 272 n. — H. im Heere 154n. 223. (450n.). Vgl. Aldien, Lassen, Vogtleute, Zinsleute. Hornungsgabe 284 n. hospes 100 f. 452. hospitalitas 101 f. 211 n. hostenditium 517. hostilicium 197. hostis bannitus 154 n. ad hostem 197. Hotmann, Franz 912 n. hovastat 205 n. H a b d i n g 605. huesscattinge 533 n. H u f e 58 n. 164. 205 f. 424. 450 n. 460 f. Arten 205 n. 430. 432 f. Vgl. Flurordnung, Gewannlage, Königshufe. Hugo Ludolf 850. huisgeld 533 n. Hulde 141. 402. 569. 572. Huldigung 474 n. 500 n. 642. 867. Hummeleeding 603. hundafatns 19 n. Hundding 603. Hundert, die, im Heere 18n. 36. 38. 157. Hundertschaft 18 f. 22. 37. 41. 120. 122 f. 126 f. 131. 145. 157. 166 ff. 170 f. 174. 182. 208 n. 426. 558 ff. 562. 599. H.Gericht 40 ff. 167 f. 171. 181. 185. 559. 599. 601. 603. Vgl. centenarios, Go. hundred 18. 42 n. 122. 123 n. Hunne, hunno 19 n. 31 n. 127. 132 n. 175. 599. 603. Vgl. centenarius. Hunsigoer K ü r e n 675 n. huntari 122. 563 n. húskarlar 33. huslatha, -lotha, -zins 533. Hut, als Wahrzeichen 108 n. 302 n. 403. 471. 569 n. 625. Hypotheken 726 f. — H.-Bücher 791. H.-Ordnung» 791. 913.
tactivas, iectivus 363. 372. jafnaitareidr 80 n. J a g d 196. 210. 427. 461. 536 f. 595 n. 762. 804. 890. 892. Jägermeister 597. 610 n. J a h r 13. Einteilung 55. binnen seinen Jahren 270. 709. J . und T a g (208). 373. 375 n. 404. 416 n. 426 n. 457. 496. 581. 558. 606. (666 n). 715. 717. 720. 744 n. 751. 757. 767. 808. 844 n. Hange 47 n. 58. 154 n. 179 f. (194). 206. Jahrgeschenke an König oder Fürsten 212. 218. 221 ff. 226. 269. 271. 305. 22. 26 f. 29. 150 n. 194. 201. 541. 424 f. 431 f. 454 ff. 458 f. 465 f. 630. jarl 51. 808 ff. in Städten 458 n. 621. 625. 631. j artein 700. 633. 640. 808. 810. Geistliche 147. Idioten 269. 222 f. Ehen 222. 224. 272. 455. 810. Iglau, Oberhof, Berg- u. Stadtrecht 692.
Wort- und Sachregister. Ilzstadt, Dienstrecht 694 n. Imbreviatur 169 n. 701. Immobiliargeschäfte 60. 61 f. 207. 440. 468 n. 583. 603. 606. 641 n. 702 f. 772. 791. Immobiliarprozeß 184. 207. 278 n. 283. 359. 382. 385. 555. 558. 576. 583. 627. 716. Immunität 114. 192. 199 ff. 326. 506. 557. 560. 566 f. 621. 623. 627. Bann 113. 201. Beamte 181 f. 192. 200 f. Gericht 180 f. 185. 198. 200. 223. 226. Vgl. Vogtei. imperium merum 587 n. indiculi regales 177. 262. commonitorii 262 n. 384. inquisitionis, de iudicio evindicato, de iustitia facienda 262 n. Indogermanen b. Arier. Indossament 704. Ine, König 253. ineum 368. infidelitas 117 n. 354. Informatio ez spec. Sax. 661 n. Ingelheim 565 n. 573. 676. 773 n. ing, ingen, als patronym. Endung 16 n. ingeburo 47 n. ingenuus 50. 215 n. 217. Ingväonen 11 f. 64. 91 ff. Inhaberpapier 709. 728 n. 732. 766 n. iniuste invadere 359. 382. inkneht 47 n. Innsbruck, Stadtrecht 690. Innung (Tgl. Gilde, Zunft) 639. in pans 225 n. Inquisition 137. 178. 385 f. I.-Privileg 386. 697. I.-Verfahren, -Prinzip 774 f. 913. Vgl. Zeugen. Insatz 767. I.-Biicher 702. Inseln 535. insidia verborum 765. Inspektionsdepartement 865. Instanzenzug (vgl. Berufung, Rechtszug) 859 ff. Gewährleistung 851. 859. 883. Instleute 810. Instrumentant pacis Osnabr. (IPO.) et Munster. (IPM.) 905. internationale Beziehungen s. Ausland. Interpretatio, römische, westgotische 238. 240 f. Interregnum 484. 794. 813. intertiatio 378. Intervenient, bei Rönigsurkunden 699. introitus 200 n. Investitur, investitura 62 n. 166. 281 f. 283. 287. 402 ff. 522. 582. 717. 721 f. 794. reale 277. 280. symbolische 280 ff. 403. 718. L-Symbole 162. 166. 277. 279 ff. 403 f. 499 f. 592 n. 722. 794. — I. des Königs 479. der Kurfürsten 819 n. des Reichskanzlers 489 n. 492, der geistlichen Fürsten 499 ff. 522. 794. der Pröpste 814. — I.-Abgaben 524.542. |
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Joch, Juchert, iugerum 205. iodute 37 n. Johann voq Buch 658. 662. 669. von Gelnhausen 673 n. 692 f. 705. von Neumarkt 705. Johanniterorden 822. 875. Jordanus von Osnabrück 707. Joseph I I . 914. Josephin. Gesetzbuch 914. Irmin 11. 23 n. Irrtum 348 n. als Ehehindernis 462 n. Isidor von Sevilla 661. 665. Island 5. 30. 44 n. 228 n. 270 n. Istrien 99. 121. Istväonen 11. 64. 91. Italien, italien. Recht 2. 7. 102. 119. 132. 137 n. 139. 156. 170 n. 173 n. 176 n. 185. 231. 243 f. 257. 259. 261 f. 267 f. 288 f. 388. 390. 480. 487. 489. 493 n. 501 ff. 508 ff. 523 n. 541. 548. 549 n. 550. 648. 699. 701. 779. 787. 833. § 40 passim. itio in partes 812. 824. Juden 178 n. 195. 226 f. 232 n. 367 n. 369 n. 426 n. 459 n. 467 ff. 510. 542. 595. 624. 637. 641. 648. 652. 729 n. 771 n. 812. 837. 876. Gerichtsstand 469. 581. Privilegien 468 f. 672. 710. 812. J.-Regal, J.-Kchatz, J.-Schutz 227. 468 f. 542. Leibzoll 470. 812. J.Gemeinde , Bischof 469. jüdisches Recht 227. 232 n. 648. iudex 28. 44 n. 175. 200. 229. 244 n. 5Q6. 565. fisci 197 pacis 556. provincialis 507. 568. generalis 556. 568. iudicium 169. 229. Dei 86. aquae ferventis 368. aquae frigidae 368 n. provinciale 559. 568. secretum 578. supremum 563 n. iudicia Wiemari 251. Jülich, Landrecht 909. JüngsterReichsabschied(JRA.) 823. 905 f. iuniores 159. 219. J u r a Prutenorum 676. iuramentum fractum, planum 365 n. iuratores synodi 584. iurisdictio 123 n. 849. juristische Personen 709. j. Litteratur 233. 238. 240. 243 f. 249. 252 f. 264 ff. iumalis 205. ius albanagii 530 n. 844 n. civile 677. conductus 529. detractus 884 n. primae noctis 455 n. recadentiae, revolutionis 750. reformandi 811 f. 844 n. 848. regalium 418. spolii 419. territorii et superioritatis 849. episcopale 847. regale montanorum 673. iussio 262. iustitia 123 n. 313. 317. 612 n. Justizdepartement 865 f. Justiziarien 862. iustitiarius curiae 550. Justizkollegium 865. Juten 90. 94. Jütisches Low 229 n. 685. Juthungen 93. [738n.
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Wort- und Sachregiater.
Kabelländer 428 n. Kabinet 865. K.-Ministerium 864. 876. K.-Order 865. Raichen, freies Gericht 564 n. 574. 622 n. Kaiser, Römischer (vgl. König) 99. 109 ff. 470. 472. 480. 485. 784. 813. Krönung 111. 480 f. 544.813. Niederlegung der Krone 873. Residenz- u. Audienzpflicht 813. Ratihabition der Reichsgesetze 814. 823. Reservatrechte 814. Ernennungsrechte für die Reichsgerichte 814. 830. K. der Deutschen 891. Deutscher K. 898. K. von Österreich, von Frankreich 872. Kaiserrecht 662 n. 666. 784. Kleines K. 441 n. 668. Kalkar, Stadtrecht 686. Kammer 469. 544. 599. 794. 860. Kammerbote 503. Kämmerer 140. 199. 439. 487 ff. 511. 597 f. 815 n. Kammermeister 597. Kammergericht, königliches 553 f. 599. 786. 830. fürstliches 603. 859 f. Vgl. Reichs-K. Kammerguter 434. 604. 608 f. 854. 862 f. 875. Kammerj ustizdeputation 865. 877. Kammerknechte 468 f. Kammerkollegium 864. Kammernotar 492 n. Kammerprokurator 551. 864. Kammemchter 831. Kammerschreiber 493. 551. Kammerzieler 831. 838. 845. 869 n. kämpf liehe Ansprache s. Ansprache. Kampfvertrag 87. 770 n. kampfwürdige Wunde 761. k. Ungericht 772 kanonisches Recht 66 n. 71. 144. 208. 303 n. 305 f. 333 n. 467. 573 n. 579. 665. 680. 700 n. 712 f. 716. 725. 730. 733. 748. 754. 785. 787 ff. 902. Kanton-Reglement, Kantonisten 858. 877. Ritterkanton 870. Kanzlei (vgl. Hof-K., Reichs-K.) 138 f. 146. 860. Hofgerichts-K. 139. 176. 492. 551. K. des Reichskammergerichts 831. K. als oberstes Landesgericht 603. 860. K.-Formeln 266. 705. K.-Taxen 816. Kanzler 138. 262. 598. 859 f. Vgl. Erz-, Hof-, Reichs-K. Kapitalsteuer 838. Kapitalverbrechen 347. Vgl. Ungericht, Firinwerk. Kapitularien 646. 903. Vgl. capitula. c&pitu l &rift. Kapitulation 857 n. Vgl. Wahl-K. kär&l käf1 51 Karl d. Gr. 98 ff. 110 f. 146. 229. 233. 237. 247 f. 251. 254 f. 260. sagen-
hafter Gesetzgeber 626 n. 646. 654. 657. 662. 666 n. 668 n. 671. 672 n. 697 n. seine Gerichtsverfassung 169. 172 f. 557 f. 599 ff. 900. — Karl Martell 98. 144. 157. 161. 163. Karl d. Kahle 99. Karl III. (der Dicke) 388. Karl IV. 656. 784. Karl V. 813. 826. 906. Karlmann 98. ,163. Karlsbader Beschlüsse 884 n. Kärnthen, Herzogtum 393. 488. Pfalzgraf 503. Karolinger 97 ff. 111. 388. Kastner 609. 786. Kauf 63. 70 n. 284. 296 n. 297. 729. feiler K. 635. eine Frau kaufen 70 n. 733. K.-Gut, K.-Schatz 450 n. 724. 745. 752 n. Kaufleute 624. 626. 632. Kaufmannsgilde 467. 636. 640. 641 n. Kawerzen 468. 595 n. Kebsehe, Kebskind 71. 110. 304. 311. 330. 451 n. ked 564. Kedinger Landrecht 909. Keller, Kellner, cellerarius 198. 609. Kelten 1. 12. 17. 20. 22 n. 49. 78 n. Kennemerland 686. Kent 94. 228 n. 252. 353. Vgl. Angelsachsen. Kerbholz, Kerbzettel 699. 700 n. . kerl 51. Kesselfang 77 n. 294 n. 368. 772. kethere 564. Ketzerei 583. 660. 760. Kind folgt dem Vater 463. 465. der Mutter 47 51. 57. 71. 232 n 457 n. 463 f. 809 f. der ärgeren Hand 46. 305. 454. 463 n. 464 ff. Teilung nach dem Geschlecht 809. neugeborenes 67 f. 269. uneheliches 68. 110. 337 n. 466. (579). 746. 814. 852. Kebs-K. 110. 330. Aufnahme des K. 67 f. (753 n.) Kindesannahme vgl. Adoption. — Tötung des K. 67. 321. 745. Verkauf 66. 321. 745. rechtswidrige Handlungen eines K. 83. 732. Kirche 112 n. 115 n. 116 n. 143 ff. 151 f. 182. 199ff. 225. 230n. 254. 286f. 367. 377 n. 386. 433. 725. 763. 772. Organisation 143 ff. 246. 395. Reorganisation der kath. K. 886. K. und Staat 129. 144 ff. 161. 163. 183. 306. 480 ff. 485. 497 ff. 517. 521 ff. 811 f 813. 847 f. Königsschutz 113. 163. 194. 522 n. K. -Frieden 652. Privilegien u. Freiheiten 193. 199 f. 336. 637. Gerichtsbarkeit 182 ff. 226. 582 ff. 901. Einfluß auf das weltliche Recht 179. 340. 351. 357 f. 474. 578. 712 f. 754. 760 n. 763 f. Kathedral K. 147 f. 521. Tauf-, P f a r r - K . 145. 147 n. Vgl. Eigen-K.
Wort- and Sachregister. Kirchengut 144. 146. 161. 163 f. 199 ff. 263. 286. .353 n. 500. 590 n. 799. Kirchenleute, K.-Muntleute 181 n. 183. 218. 226. 305. Kirchenordnungen 909. Kirchenpfründen 147. 160 n. 164. 283. 403. 485 n. 524. 544. Kirchspiel 145. 564. 642n. K.-Gericht 603. freiw. Gerichtsbarkeit der K. 627 n. 701 n. 719 n. Klage 74. 81. 85. 359. 362. regelmäßige Voraussetzung des Gerichtsverfahrens 74. 756. K. von Amtswegen 383 f. 579 f. 773. Einteilung 766. 770 n. um Gut (fahr. Habe) 171. 273. 359. 376 ff. 381. 710 f. 767 f. um Eigen 171. 768. 770 n. um Schuld 171. 185. 766 ff. (770). um Erbschaft 769. peinliche 770. gemischte 380. 770 f. schlichte 364. 767 f. begründete 364. 767 ff. K.-Änderung 770 n. K.-Mann 564. Klagspiegel 902. 906. Klenkok, Johann 663. Kleve, Stadtrecht, Oberhof 686. Klerus (vgl. Geistliche), Nationalität, Recht 143. 230 n. Eintritt in den K. 1-15. Kling, Melchior 901. Klöster 516 n. 517. Reichs-K. 113. 147 f. 195. regierende K . 143 f. K.'als Kirchherren 147. als Sendherren 585. Revisionen 137. Reformen 467. königl. Schutzklöster 114. 522 n. Knappe 434. 446. 517. K.-Lehen 446 n. Knechte (vgl. Unfreie) 46. Edel-K. 446. Fuß-Kn. 835 f. 856. Kriegs-Kn. 517. Knie, Verwandtschafts- 65.322. K.-Setzung 68. 70 n. Knut d. Gr. 253. Kodifikationen 230. 239. 907. 912 ff. 916 ff. Kohlenbergbau 539. Kohlenwald 96. 234. Kollegialgerichte 8J.9. 871. 898 f. Kollegialsystem 864. 876 f. Kollegiatstifter 814 n. Vgl. Propstei. Kölmer 797. Köln 124. 641 n. 642. 646. 702 f. 867. Stadtrecht 626. 686 f. 690. 911. Reformation 910. Dienstrecht 694. kölnische Mark 526. 840. 841 n. 889. Erzbischof als Herzog 393. 555n. 577n. Statthalter der westf. Gerichte 577 f. 580. Erzkanzler 478 n. 489. Kurfürst 475 f. 478 n. 860 n. krönt den König 479. mediatisiert 819. 845. Kolonen. Kolonat 48. 160. 821. Kolonisationsgebiete 432 £ 452. 459 ff. 624. 633. 648 f. 670 n. 697. 798. Kolonisationsverträge 430. 433. 624. 721. Kolonistendörfer 430.
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Kommendation 114. 158 f. 160 n. 162. 164 n. 165 f. 180. 402. Kommentatoren des röm. Rechts 786. Kommissar, kaiserlicher 552. 832. Kondominate 586. 600 n. 822. 844. Konfiskation s. Fronung, Vermögenseinziehungen. König (vgl. Kaiser), germanischer 21. 23. 25 ff. 80 £ 104.ff. Klein-K. 104 f. 234. Stammes-K. 106. 111. Ober-K. 109. Vorsitzender des Fürstenrates 23. des Landesdinges 23. 25. Dingfahrt 31 n. 107. Priester 23. 25. 31. 39. Haartracht 109 n. Einnahmen 22. 26 f. — Fränkischer K . 106 ff. Rechtsnachfolger des Landesdinges 112. 117 f. 155. 175. 210. 224. Titel 111. — Deutscher K . 470 ff. Titel 470. 480. 813. — Wahrzeichen des K. 25. 107 f. 471. 479. Wühl 23. 25. 51. 97 f. 109. 152. 471 ff. 483. 648. 813 f. Designation 472. päpstliche Approbation 480 f. 813. Wählbarkeit 481. Erblichkeit 25 n. 51 f. 108 ff. 471 f. 813. Schild- und Thronerliebung 25. 97 n. 107 n. Umfahrt 109. Krönung 110 f. 475. 479 fi. 483. 648. 813 f. Salbung 98. 110. unmündiger K . HO. 478. 483 f. 813 f. fränkisches Recht 388. 483 f. 648 f. Reichsteilungen 96 ff. 109. — Inhalt der königlichen Gewalt 25 ff. 30 f. 111 ff. 234. 254 ff. 485 f. 814. 827. 850. 86T. Gerichtsbarkeit, oberster Richter (26). 112 f. 134. 175 ff. 184. 482. 545 ff. 550 f. 553. 562 n. 569 ff. 577: 580 f. 814. 833 f. 870. seine Anwesenheit legt alle Gerichte nieder 113. 128. 170f. 185 n. 523. 546. 570. 580. verhängt Acht und Todesstrafe 112. 117. 177. 342. 374 f. 548. 550. 551 n. 834. Btraft nach Ermessen 76 n. 249 n. 342. 354. 358. begnadigt 117. 342. 581. 814. 852. entzieht die Gnade 117. 128. 183 n. 342. 509. 756. Obervormundschaft 303. 325. Inquisitionsrecht 137. 385 f. 532 n. 697. Beamtenhoheit (26). 118. 128 f. (133 f.) 135 ff. Landesorganisation 118. Kirchenhoheit 144 ff 499. 501. 521 f. erste Bitte 524 d. 814. Kriegsherr, oberster Lehnsherr 25 f. 32. 35. 38. 129. 134. 150 n. 154 ff. 157 f. 161 ff. 398. 400. 486. 514. 516. 518. 582. 814. Lehnsmann geistlicher Fürsten 401 n. 486. 521 n. Bann- u. Verordnungsrecht . 113ff. 254ff. 342. 471. 468. 538. erteilt Gnadenakte, Befreitingen, Privilegien 118. 189. 191 f. 199 ff. 385 f. 429. 487. 509. 512. 516. 627. 814 f. Standeserhöhnngen 441 n. 448. 807. 814. 816. 629 n. Freilassung vor dem K . 48 n. 224 f. bestätigt Landes- u. Haus-
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Wort- und Sachregister.
gesetze 815. 833 n. 847. Berufung u. Leitung des Reichstages 509 ff. 814. gesetzgeberische Initiative,Ratihabition u. Publikation der Reichsgesetze 814. 823 f. 855. Vertretung des Reiches nach außen 26. 112. 486. 814. 828. Residenz 111. 485. 814. Audienzpflicht 814. Wergeid 80 n. 354 n. Richter über den König 113. .482 f. 504. 550. 581. Absetzung, Bannung des K. 27. 98. 481 f. Vertreter des K. 136. 139. 141. 176. 482 ff. 509. 549 f. 553. 577. 814. Römischer K. 470. 472. 484 f. 548 f. 814. Königin 70 n. 110. 484. Königsbann (vgl. Bannleihe) 114. 130. 136. 155. 172 n. 173. 178. 196. 201. 209 n. 224 f. 257. 259. 352 n. 357 f. 486. 557. 562. 569 f. 577. 600. 625. der Grafen 130. 173. 343 n. 569 n. 570 n. höherer 257. 343 n. 531. 570 n. Königsbote 81 n. 99. 134 ff. 146. 154 f. 169 ff. 172 n. 175 n. 178. 185 n. 198. 201 n. 255 n. 256. 282 n. 383. 554. 613. Btändiger 137. 487 n. 502 f. in Italien 137 n. 487 n. 502 f. Königsbrief (vgl. K.-Urkunde) 154. 209 n. 211. 225 n. 262. 283. 718. Königsdienst 215 f. 232 n. 345. 374 n. Königsfrieden 26. 114 n. 117. 471. Königsgericht (vgl. Hofgericht, Kammergericht, Reichshofgericht, Reichshofrat) 81 n. 112 ff. 116. 152. 175 ff. 184 f. 257. 262. 278 n. 283. 351. 370. 374. 383 n. 384 ff. 504 n. 766. 770. 773. Königsgut 26. 47. 51. 59. 118. 196. 198. 284 f. 353 n. 521. 717 f. Königshufe 205 n. 430. 432 f. Königsland 26. 102 n. 210. 216. 430. Königsleute 218. 226. 305. Königsnotar 493 n. Königapfalzen 111. 485. Königsschatz 119. Königsscheffel 194 n. Königsschenkung 101 n. 117. 164. 211 ff. 283 ff. 328. 544. konigsschielde 533 n. Königsschutz (K.-Munt) 113 f. 129. 160. 163. 178. 195. 226 f. 232. 271n. 272. 303. 325. 343 n. 468 f. 486. 522 n. 542. Königssklaven 47. 218. 350 n. Königssprache 117 n. König98teuer 516 n. 611. Königsstraße 397. 535. 652. Königsstuhl 558. Königsurkunde 225 n. 262 f. 283. 361. 490. 648. 698 f. 816. Anfechtung 209 n. 262. Königszeugen (koninges orkenen) 563. Königszins 193 f. 217 n. 221. 533. 542. 611. Konkordate 499 f. 656 f. 886.
Konkurs 773. K.- Ordnung, deutsche 917 f. Konrad II., Lehnsgesetz 412. 694. K. von Mure 705. Konsistorium 847. 866. 901. Konskription s. Aushebung. Konstabel 641 n. Konstanz 626. 632. 642. 688. Konkordat 656. Konsul, Chlodovech 107 n. römischer 102. Kontribution 863 n. Konzilien 151. 153. 179 n. Kopfsteuer, Kopfzins 193. 221 f. 224. 455. 458. 519 n. 808. 810. 838. Kopialbacher 701 f. Körperschaften 709 f. lehnsunfähig 407. Körperverletzung 60 f. 344. 353. 761. Korporationsgericht 469. 645. Korrespondenztage, reichsrittersch. 870. Kossäten 425 n. 452 n. Köter 425. koufstat 624. krafa 381. Kraftloserklärung von Urkunden 771 n. Krakau 665. Krautland 205. Kreise, Reichs- 555. 781 f. 825 f. 828 f. 830. 833. 836. 839f. 844. 869. K.-Tage. Stände 828 f. 844. K.-Deputationen 817. 829. K.-Lasten 836. 854. K.Hauptmann, -Direktor, ausschreibender Fürst 828 f. K.-Oberet 828. 836. K.Banktage 829. K.-Generäle, K.-Operationskasse, K.-Exekution 829. 836. K.-Polizei 829. K.-Kanzlei 828. Brandenburgisch - preußische Kreisverfassung (K..-Tag, K.-Direktor, K.-Einnehmer) 865. 900. Ritter-K. 870. Krei8gericht 900. v. Kreitmayr 912. Kreuz 107 f. 114 n. 192. 373. 471. 528n. 570 n. 593 n. 625. K. Probe 257 n. 367. 379. K. - Weg 225. Krieg und Frieden 24. 26. 112. 134. 152. 439 n. 512. 514. 814. 825. 881. Kriegsartikel 857. 877. 880. Kriegs- u. Domänenkasse 863. K.- und D.-Kammer 865. 876. Kriegsgefangene 46. 219. 459. Kriegsgericht 857. (901). Kriegskommissariat 865. Kriegsräte 865. KriegsrUstung (vgl. Heergewäte, Waffen),. Heimfall 34 n. 162. 404 n. 412 n. 440. Kriminalordnung, preußische 913. Krone 107. 470. Kronfideikommißfond 863. Krongüter 26. 129. 136 n. 137. 142. 153. 178. 182. 197 f. 430. 503 f. 506 f. 532. 564. Immunität 200. Inventarisation 198. 263. Revision 137. K.-
Wort- und Sachregister.
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Landdrostei 601. Landesallmende 209. 420. 532. Landesaufgebot s. Landfolge. Landesding, allgemeines 21 ff. 28. 30. 32. 34 n. 37. 38 ff. 41 ff. 45 ff. 49. 111 f. 149 ff. 155. 176. 210. 224. Landesflucht 354. Landesfreiheiten 672. bairische 909. Landesführer 562. 564. 576 n. 598 n. Landesgemeinde 8. Landesding. Landesgesetze 134. 614. 670 ff. 805 n. 815. 855. 908 ff. 918. Verhältnis zu den Reichsgesetzen 655. 790. (805 nj. 851. 905 ff. 908. Landeshauptmann 610. Landesherr 396. 586. Wahl des L. 615. Obermärkerschaft 427. ins reformandi 811 f. 844n. 847 f. 867. 870. ius episcopale 847. Richter 567 f. 570. 601 f. 860. entzieht die Gnade 756. Landeshoheit, Entstehung 586 ff. 614. Inhalt 532 f. 537. 541. 591 ff. 847 ff. geteilte 558 n. 587. 600 n. 844. niedere 587. 870. Landeskulturedikt, preuß. 801. Landesordnungen 839. 909 f. Landesrecht s. Landrecht. Landesverrat 39. 74. 76 n. 353. Landesverweisung 758. 762. 812. Landflüchtigkeit 62 n. 76 n. Landfolge 47. 129. 133. 154. 514. 518. 591. 608. 633 f. 857. Vgl. Gerichtsfolge. Landfrage 771. 775. Landfrieden (Landheeg) vgl. Laudwehr. Landfrieden 117. 122. 129. 133. 258 n. 510. 554. 578. 587. 608. 651 ff. 755. 774.829. L.-Bündnisse, -Einungen 397 n. 552. 556. 634. 654. 755. L.-Gericht, -Versammlung 179. 505 f. 554 ff. 574. labor 207 n. 576. 587. 600. 602. 613. 639. 652. Kommissionen 556. Bezirke 556.825. Hauptlacina 369 n. leute 508. 55«. L.-Bruch 531 n. 759 f. Ladung 45. 84. 86. 181. 360. 362. 374n. 833. Beeidigung des L. 655. 672. pro560 n. 580. vinzieller Charakter 655. 670. Ausgang laesowerpire 62 n. 277. für die Reichsgesetzgebung 651 ff. die lag 14. LandesgesetzgebuDg 670 ff. einzelne lagmann, laghmaper 44. Reichs-L. 653 ff. friesische 670. ronlaghsaga 24. 44 n. kalischer 653. sächsischer 654. 660 f. lagthing 22. westfälischer 577.655n. Elsasser653n. Lähmung 761. Frankfurter 654. 660. Mainzer 528. lahslit 81 n. 550f. 612n. 643n. 654. 660. 664f. 674. Laienspiegel 902. 907. Nürnberger 653. rheinfränkischer Laientrauung 733 f. (Weißenburger) 653. 660 n. WürzLaienzehnt 522 n. burger 654. 660. ewiger 653 n. 782. lakina s. lacina. 905. Handhabung des ew. L. 782. lammesland 428 n. Vgl. pactus pro tenore pacis. lancea 65 n. Landgemeinde (vgl. Dorf) 510. 612. 616. land 562. 616. Landabtretung 49. 93. 100 ff. 208 n. 622. 635. 638. 641. Landbuch 211. 278. schweizerische Land- Landgericht (vgl. Grafengericht) 172. bücher 674. 444 f. 546. 556 ff. 558 f. 566f. 568. Landdekan 584. 571. 577. 599 ff. 627. 703. 716. 832. R. Schröder , Deutsche Rechtageschichte. 1. Aufl. 60 Schenkungen 284 ff. 328. Gerichtsbarkeit auf den K. 182. Krönungsmahl 476. 479. 487. Kronvassallen 162. 165. 288. Krümper 877. Krüppel 751. Küchenmeister 140. 142. 487. 597. Kulm 680. Handfeste 673. kulmisches Recht 454. 797. Kultusverbände 11. 21 f. 31. kumbel 38 n. Kummer 726. Kündigung, bei Rente oder Satzung 724 f. 728 Kundschaft 771. kuni 65 n. Kunkelmagen 65. Kur, Kürspruch 474 f. Küren, die friesischen siebzehn 671. Kurfürsten 479 n. 504. 513. 519. 521. 527. 541. 547. 552. 586. 590 f. 593. 595. 656. 709. 761. 814. 819 f. 823. 827. 830. 838. 845. 860 n. Herkunft 474 ff. Investitur 819 n. K.-Kollegium 511. 666 n. 820. 824 f. 838. Kurfürsten tum, Unteilbarkeit 478. 590. Pi'imogeniturordnung 478. 590. Exemtion 602. verbundene Gebiete 590 n. 860. Verleihung 838. Einkreisung 826. Kurhessen 887. Kurien der Landtage 616. des Reichstages 821 f. des Bundestages 880. Kurland 682. Kurmede 456. Kürrecht 101 n. 334 f. 750. Kurrheinischer Kreis 826 n. Kurverein 511n. 513. 820.827. von Rense 479 ff. 552. 656. von Boppard, von Bingen 514 n.
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Wort- und Sachregister.
900 f. königliches L. (vgl. Femgericht) 547. 573 ff. 605. 834. 870 n. höheres 568 f. 577. 601 f. niederes 568. 577. 603 f. 607 f. 631. 859. 861. patrimoniales 604. friesische L. 561 ff. Landgeschrei (vgl. Gerücht) 37. 45. 518. 579 n. Landgraf 505. 530. 555. 587 n. Landgüterordnung 804. Landherren 442. 586 n. 673. Landkapitel 584. Landkasten 862. Landkommissar 865. Landleute, Landmänner (Bitter) 442. Landmarschall 598. 610 n. Landmilizen 857. 858 n. Landrat 865. Landrecht 228. 232. 239. 244. 259. 458. 648. 658. 727. Landrechte oder L.Bücher 670 ff. 909 f. nordische 228. friesische 24 Landrechte 671. bairisches 561. 673. 693. 910. österr. 674. schlesisches oder Breslauer 669. 675. LandrechtBbuch 666. Landrecht (Abgabe) 193 f. 196. 199.210. 429 f. 432. 533. 721. Landreiter 609. Landrichter 558. 565. 568 f. 572. 574. 597. 608. Landsassen 212. 441 n. 450n. 452 f. 458. 560. Landschenkung 163 f. 210 ff. 283 ff. 284. 328. 718. Landschreiber 609. Landshut, Stadtrecht 690. Landsiedler 212. 452. unfreie 47. 48. 59. L.-Leibe 431 n. 452 n. Landsknechte 514. 837 n. 856. Landstände 566 n. 614 ff. 643. 672. 797. 812 n. 846. 853 ff. 862. 865. 868. 875. 885. 887. 908. Vgl. Landtag. Landsturm 877. landeJ>ing 44 n. Landtafel 703. 719 771. Landtag (vgl. Landstände) 555. 587. 598. 613 ff. der Königsboten 136. der Herzoge 134. 612. preuß. vereinigter L. 888. L.-AusschuS 865. L. als außerord. Gericht 554. 602. 613. Landtaiding 568. Landteilung,permanische, mit den Römern 100 ff. 201 f. Landvogt, Landvogtei 507 f. 532. 536. 545. 556. 565. 574. 610. 825. 843. 870. Landwehr (vgl. Landfolge, Landmiliz) 154 n. 877Landwehr (Landfrieden, Grenzwall) 39. 424. Landzwang 760. Lanfrancus 244 n. Langobarden, langob. Recht 11 f. 44. 61. 90 ff. 98. 102. 105 f. 108 n. 113 n. 118.
120. 121 n. 128. 146. 149 f. 173. 187. 215. 220 n. 222 f. 225. 228. 230 f. 232n. 238 n. 242 ff. 259. 262. 267 f. 270 n. 271 n. 288 f. 291 n. 292 ff. 298 f. 300 f. 313. 320. 330. 366 n. 382 n. 694. 787. Vgl. Italien, Libri feudorum. Lantfrid I. 245. Lassen, Liten, Laßbauern, Lassiten 49 f. 58 n. 215. 221 n. 222f. 226. 346. 453n. 454. 455 n. 462 n. 798. Laßgüter, lassitisches Recht 433 n. 798. 800 f. Vgl. Hörige. Läten 49. latro, latrocinium 355 n. Laubbusch (Wahrzeichen) 192. laudatio 474. laudemium 440 n. 798. Lauenburg 879 n. 894. Gericht auf der Brücke 555 n. launegild s. Lohngeld, lausafe 273 n. lazzus 49. 58 n. lebendig begraben 39. 76 n. 368 n. 756. Lebensalter 270. Lebensfähigkeit 269. 310 n. Ledigmann 439. Ledigwerden von Fahn- oder Gerichtslehen 496. von Gerichten u. anderen Regalien 131. 167. 170 f. 185. 523. 545. 546. 570. 576 n. 579. 600. 642. 867, legatus, legatio 135. Legestetten 838. legislatores 44 n. 169 n. 229. 258 n. Legitimation 68. 487. 746. 814. 852. Lehen, Lehnstaat, Lehnwesen 128 f. 157 ff. 275. 288. 396. 401. 495 f. 515. 573. 581. 649. 721 n. 792 ff. Entstehung, Bedeutung 158 ff. 397 f. Beseitigung (Allodifikation) 596. 607. 794 f. 875. rechtes L. 398 f. 408. 445 n. Mann-L., Ritter-L. 398. 448. an Eigen 398. 412 n. 581. an Kirchengut 486. 521 f. Amts-L. (vgl. Gerichts-L.) 130. 164. 195. 198. 399. 401. 487. 507 n. 558. 562. 567. 575. 594. 598. 600. 603. 628. 631. 638. an Hofämtern 795. Pfand-L. 407. 722. wiedergebliches L. 407 f. Burg-L. 399. 409 n. Bauer-L. 399. Kirchen-L. 399. Knappen-L. 399. Dienstmann-L. 399 f. 439. 444. Gnaden-L. 795. Thron-L. 794 f. Gesamt-L. 405. 407. 413 ff. 723. 819. Gedinge am L. 406. 410. 413. 420. L. mit Gedinge, mit Unterschied 406. Anwartschaft, Anwartung 406 f. 410. 793. Leibgedinge an L. 409. 722. veräußerl. L. 410 n. Neu-L. 404. AfterL. 288. 401 f. 410 f. 413 n. 571. 582. L.-Fähigkeit 398 f. 409. 412. 445. 447. 707. 758. 794. 807. L.-Eid 158. 402. (570). 794. L.-Errichtung404. 522. L.-Vertrag 404. L.-Auftrag 404. 410 n. 414. 717. Belehnung (vgl. In-
Wort- und Sachregister. vestitur) 121 f. 794. Lehnserneuerung 164. 288 n. 402 n. 404. 406. 408. 414 n. 416 f. 422. 501. 522. (571). 794. 818. L.-Folge 398 n. 399. 404. 406. 409. 411. 412n. L.-Dienst 158 f. 162 n. 405. 409. 416 f. 421. 486. 514 f. 794. 836. 863 n. L.-Treue 409. 509. L.-Träger 405 ff. 413 ff. 642. 709. L.-Vormundschaft 416f. 793. L.-Herr, Verfügungen 398 n. 410 f. L.-Retrakt 410 n. 416 n. 723. 793. Verwirkung seiner Rechte 421 f. L.-Mann 402. seine Rechte 401. 410f. 415n. 421. 595. 711 n. 793f. L.Gewere 406 n. 715 f. 721. L.-Schulden 793. L. • Succession 398 n. 399. 406. 412 ff. 597. 716 n. 793. 893 n. L.-Teilung 406. 41 On. 413f. Auflassung oder Kündigung des L. durch den Mann 280 n. 408. 410 n. 412. 420. 721. 794. Heimfall 163. (407). 417. 420. 721. 723. Entziehung 399 n. 408. 409 n. 415 n. 421. 516. (522 f.). 723. 758. 769. 828. 845 n. Ober- u. Untereigentum 522. 716 n. 723. 793. Lehnrecht, Quellen 658. 669. 694. 792 f. 909. Säehs. L. 658. Schwäb. 665. Görlitzer 659 n. Vgl. Libri Feudorum. Lehnrechtsbuch 666. Lehnsadel 446. Lehnsbrief 794. Lehnschulze 434. 562 n. 563. 596 n. 603. 797. Lehnsgericht 408 f. 581 ff. 605. 716 n. 722. 794. Lehnskanon 795. 863 n. Lehnsprozeß 548 n. 581 f. 767. Lehnstaxen 495. 524. 542. 794. Lehn wäre 404 n. 798. Leibbede, Leibhuhn, Leibzins 222. 808. 810. 844 n. Leibeigene (vgl.Unfreie) 457ff. 466. 808ff. 811 n. 844 n. in Städten 458. 808. Leibesstrafen 342 n. 348. 353. 758. Leibfall 808 n. Leibgedinge 409. 721. 743 n. Vgl. Leibzucht. leibliche Beweisung (vgl. Augenschein) 794. Leibrente 729. Leibzeichen 108. Leibzins s. Kopfzins, Leibbede. Leibzucht 275. 309 n. 312 n. 315. 320. 409. 716. 721 f. 738. 742. Leicheuraub 75 n. 355 n. Leiche 50 f. 212 f. 275. 286 ff. 296 n. 404 n. 714 n. 721 f. freie L. 286 f. 431 ff. 452 ff. 624. 632 f. 721 f. 797 f. hofrechtliche 49 f. 212. 217 ff. 222. 424. 429 f. 453. 456. 605. 716. 722 f. 798 f. 801 f. 808. 809 n. 810. lebenslängliche 286. 721 n. 802. kirchliche 164. 286 ff. slawische 432 f. Leihe-
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zwang 800 ff. Investitur 287. 721 f. L.-Brief 164. 286. 722. Erneuerung 286. Auftrag 213. 287. 424. 721. 727. Entziehung 287. 297 n. 425 n. 432. 769. 799 f. Heimfall 721. Veräußerung 194 n. 287. 721. 798. Leinpfad 534. Leipzig 680. 900. Oberhof, Schöffenstuhl 789 n. 860 n. 861 n. Leistung s. Einlager. Leitkauf 730. len 162 n. Leovigild 91. 238. Lestinnes, Reichstag 144 n. 163 n. lesan, lesen 14 n. Leten 48 f. Letten 1. 90. letus 49. 222.. Vgl. Lassen, leudes 217. leudesamio 109. 110 n. leudis, leuda, leodis 80 n. Leumund, Verfahren auf 774 f. L.-Brief 776. Leutkircher Haide 574. lex 229 f. 242. 255 f. 647 n. 670 n. lex emendata 233. 235 f. lex loci 228 n. leges restitutae 790. Lex Alamann. 244 f. 188 n. 207. 230. 246. 250 f. 254. 665. Angl, et Wer. 248. 228. 250 f. 330 n. Baiuw. 245. 188n. 230. 254. 665. Burg. 241. 211 n. 238 n. 298 f. Chamav. 251.228. 255 n. Eurici 237. 234. 238 n. 243 n. 246. 303 n. Fris. 248 ff. 190 n. 228. 230. 255 n. 270 n. 327. Ribuaria 236. 160. 181 n. 188 n. 245 n. 247 f. 250. 254. 279 n. Rom. Burg. 241. 242 n. Rom. Cur. 252. 268. Rom. Wis. 237 ff. 241. 252. 666. Salica 233 ff. 111. 166. 187. 189. 203. 207 f. 214 n. 232 n. 236 f. 327 f. 329 n. 338. 371 f. 382. 647 n. 670. Saxonum 247 f. 78 n. 80 n. 190 n. 250. 311 f. Thuring. 248. 228. Wisig. 239. 318 n. — Leges barbarorum 229. Anglorum 253. Edwardi 253. Henrici I. 253n. — L. Bellimontis 451 f. L. legum 238 n. L. Quicumque 695. Leyden, Phil, von 707. Libellarvertrag 286 n. liber (der Freie) 215 n. 217. Liber cartularii 267. constitutionum 241. edictus 242. iudiciorum 239. Papiensis 244. 267. Libri Feudorum 694f. 397ff. (passim.). 656. 784. 789 f. 793. Liber antiquus. originalis 211. libertus 48 f. lidiscarti 761. Lidlohn 767. ligius homo 439. 445 n. 551 n. Limburg 878 n. 896. Dienstrecht 693. Limes, römischer 13. 93. Lindenbruch 903. 60*
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Wort- und Sachregister.
Linealgradualordnung 338. 748. 793. Linealordnung 793. liodthing, liodwarf 22 n. 558 n. Lippstadt 6s4. Liquidation, Erbschafts- 752. Iitemonium 222. litterae apertae, clausae, patentes 698. litus s. Lassen. Liutprand 248. Livland 312 n. 682. 694. loben 474. 730. locator 433. lögmaSr, lögsögumaftr 44 n. lögsaga 24. 44 n. 229. Lohngeld (Handgeld, launegild) 63. 70 n. 86n. 162n. 284. 297. 301 f. 309f. 322. 365. 722. 730. 733. (752 n). 857. Lohnkämpfer 367 n. 466 n. Loire 96. 202 f. 234. Lokalverwaltung 607 ff. 864 f. Lombarda 244. 694. L.- Kommentare 244 n. Lombarden (Bankiers) 468. 711 n. Lombardgeschäft 468 n. Lombard. Lehnrecht s. Libri Feudorum. Lombardische Rechtsschule 244. 267 f. 315. 330 n. 647. Krönung 480. Los, Losen 14. 30 n. 42 n. 49. 58. 101. 149 n. 366. 750. L.-Urteil 76 f. 87. 367. Acker-L., L.-Äcker 101. 202. 207. 211. 276 n. 428 n. Lösung des Halses, der Hand, der Glieder 77 n. 209 n. 340 ff. 347. 349. 351. 355. 358. 466 n. 561 n. 763. 770 n. der Acht 342 n. 375. 581. der Knechtschaft oder Hörigkeit 220 n. 221 n. 224. 808 f. des Pfandes 274. 290. 293. 712. 724 f. 837. — Königs-L. 80 n. Losung, lösunge (Näherrecht) 722 n. Lothar I. 99. — L. III. 418 n. Lehnsgesetz 410 n. 694. Lothringen 236 n. 889. 392 f. 398. 490. 495 n. 503 f. 778. 898. lotting, lutthing s. liodthing. Lübeck 397 n. 534 n. 535 n. 645 f. 861. 875. Recht 681 ff. 736. 790. 912. v. Ludewig 904. Ludolf von Hildesheim 705. Ludwig d. Fr. 99. 111. 236. 255. 260. der Deutsche 99. der Baier 673. 690. 786. Luft macht frei 460. 633. Lugier 11 n. Lüneburg 683. 911. Lüneviller Frieden 779. 872. Lupoid von Bebenburg 707. Lust und Unlust 23. 39 n. Lusterer 600 n. Lutherische Kirche 811. Luxemburg 879. 888 n. 896 n. 898 n. Luzarn-Stadtrecht 688.
msegburg 16 n. maegS 16. 64. 332 n. Magdeburg 642. Oberhof 679 ff. 860 n. Recht 626 n. 669 f. 691. 735. 790. Fragen 681. M.-Breslauer Recht 679. M.-Görlitzer Recht 679. M.-Goldberger Recht 679. Mage, Magschaft 33 n. 65. 165. 329. 748. Grenzen 65. Erbrecht der M. 328 f. Magiscampus 151. magister cognicionum 551. curiae 486. in der Kanzlei 491. Magistrat 868. magnates, magnati 217 n. 436. Magnus godi 228 n. Magsühne 79 n. 80. 344 f. mahal, mäl, mallus 21 n. 41. 167. 177 n. mallus legitimus, publicus 167. 171. 177 n. mahalstat, malloberg 41. 57. 167. 235. Mahlschatz 733 n. Mahnung 290 f. 370 ff. Mahnverfahren 380. Mähren 691 f. Vgl. Böhmen. Maiestas Carolina 673. 784. Majestätsbeleidigung, M.-Verbrechen 117. 209 n. 354. 516. 531. 595. 761. Maifeld 151 f. 154. 157. 258. Mailand, Lehnhof 695. Liber constitutionum 695. Mainz 472. 642. Erzbischof 144. Erzkanzler 489. 815. Kurfürst 475 f. 479. Übertragung auf Regensburg 819. Landrecht 910. Gerichtsformeln 705. Landfriede, Reichstag (von 1235) 528. 550f. 612n. 643n. 654. 660. 664f. 674. 775. maior 198. 219. m. natu 217 n. Majorat 750. 793. Majordomus (vgl. Hausmeier) 98. 140 ff. 494. malahereda 308. Malbergische Glosse 235. 268. mallus, malloberg s. mahal. malman 41 n. 451. malo ordine 359. 382. manahoubit 46. mancipium 219. 224. 271. 457. mancosus 188 n. Mandate, königliche 262. 698. mangseid 80 n. Manifest 263. Mannheiligkeit 77. Mannentage 614. mannitio 84. 360. 362. 366 n. 372. 374 f. 382. Mannschaft 109. 141. (165). 400 n. 402. 409 n. 422. 445 n. 486. 570. 794. Mannsfall 164. 287 n. 404. mansio, mansionarius 49. 140. 159n. 197. manslahta 74.
Wort- und Sachregister. manauarius, massarius 219. 271. 455. mansus 58 n. 205. absus 212 n. 425. vestitus 212 f. 287. ingenuilia 212. 455 n. litilis 212. 222. 455 n. servilis 212. 219. 455 n. indominicatus 212 f. 287. regalis 430. Mantel 70 n. 301. 302 n. M.-Kind 746. M.-Recht der Witwe 738 n. manu firmare 62. 263. manus collecta 356. marca 40 n. 57 n. 122. 563 n. marchfutter,marchmutte, marchrecht 432. 533 n. 611 n. marchio, marchiaus 134. Maria Theresia 914. iriaritagium 455. 743. Mark (Gewicht), Kölnische 526. 840. 841 n. Mark, gemcine(vgl. Allmende, Aufteilung) 606. M.-Beamte 426 f. -Einung 426 f. 606. -Frevel 426. 606. 762. Genossenschaft 56ff. 62. 120. 207ff. 212. 276n. 426 ff. 537. 540 n. 606. 622. 635. -Geschworene, -Schöffen 427. 606. -Hörigkeit 427. 461. -Kondominate 427 n. -Losung 207. 428 n. -Meister 426 f. -Weistum 697. oberster Märker 606. Mark (Markgrafschaft) 120. 134. 392. 494. 516 n. 567 ff. 571 f. 614. einheitliches Gebiet 567. 571. ohne Königsbann 569. 572. Verbindung mit Grafschaften 134. 395. 567 n. 571. Märkerding (Markrecht), Märkerordnung 426 f. 606. 698. Markfelder 428 n. Markgraf 134. 154. 530. 567 f. 569 n. 571 f. 588. 591. 59ß. Markomannen 12. 27. 92. Markrecht s. marcbfutter. Markt 191. 529. 593f. 608. 615. 620—627. 633 n. täglicher 623. Wochen- 191. 623. 626. Jahr- 191. 623. 625. 627. Proviant- 517. — M.-Abgaben 634 n. -Bann 108 n. 192. 625. 640. -Fahne 625. -Frieden 114. 191 f. 625. -Gemeinde 624 f. -Gericht 192. 627. 640. -Herr 623 ff. -Kreuz 108 n. 114n. 192. 625 f. -Polizei 192. 635. 640. -Privileg, -Recht 588. 591. 622 ff. 626 ff. 815. 852. -Regal 191. 627 f. -Richter 131 n 182 n. 192. -Zeichen 192. 625 f. -Zoll 191. 625. grundherrliche Märkte 191. 623. Erwerb auf dem Markt 711. Markzahl, nach 745. 773. Mars Thingsus 23 n. Marsen 11 n. Marschalb, Marschall 140. 198. 439. 487 ff. 511. 518. 598. 605 n. 815. M. Gericht 598. Hof M. 598. 817. Land-M. 598. 610 n. Erz-M. 476. 488. Marschhufen 432. 451. 454. Marachkommissar 865.
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Marsilius von Padua (Marsiglio Mainardino) 707. Märzfeld 149 ff. 154. 157. 243 n. 258. Maß- und Gewicht 594. 606. 635. 889. massarius 271. Matrikel, Heeres- 519. 835. Wormser 835 f. 838. Reichs-M. 821. 844. Bundea-M. 881 f. Ritter-M. 870. Matrikularsteuer 543f. 829. 835 f. 838. 844. 881. Mattiaker 95. Maximilian I. 782. 816 f. 826. 863. 906. Kurfürst M. III. von Baiern 912. medem 193. 429 f. 533. 721. Medemblik, Stadtrecht 685. Mediatisierung, des germanischen Volksadels 215 f. von Reichsständen 497 ff. 521. 589. 641. 779. 805. 845. 849. 867. 872. 875. 878. 896. der Reicharitterachaft 806. 872. 875. der Reichsdörfer 871. mediocres (mediani, medii) 216. Meersen, Vertrag 389. Mehrheitsprinzip 426 n. 473. 479. 511. 710. 773. 821. 824. 827. 838. Meier, M.-G. 180. 197. 219. 431 f. 452 ff. 461. 506. 565. 601. 605. 609. 802. 808. Meineid 86. 349 n. 357. 369. 388. 583. Meinthat, Meinwerk, mein und mort 74. Meißen, Mark 392. (494.) 568. 572n. 680. Meißener Rechtsbuch 669. 680. Meklenburg 810 f. 878. 887 f. meldfeoh 347 n. 356 n. meliores 217 n. memoratorium 262. Menapier 12. Meran, Stadtrecht 690. Mercia 94. 253 n. Merowinger 29 n. 31 n. 96 ff. 104. 107. 109 f. I I I . 138 f. Mease 852. 867. Messerzücken 351 n. 762. Meßprivileg 852. Meßseil 205 n. meta 70. 299 ff. 313. meteban 342 n. metewunde 761. metfio 313 n. Metz 635 n. 642. 702. 778. Pfalzgraf 503. Meuchelmord 354. Meurer 902 n. meziban 342 n. Miete 298 n. 713. 716 n. 767. miles perpetuus885. milites (eigeneRitter) 400. 438 n. 442. 446. 693. m. Romanus 345 n. Militärdepartement 866. millenarius 19. Miniaterial 591. Miniaterialen (Dienstmannen) 49 n. 126. 128. 140. 218. 430. 436. 438 ff. 448.
950
Wort- und Sachregister.
451 n. 453 n. 463 ff. 500. 517 n. 575 f. 579n. 582. 585n. 597. 614 f. 624. 632. 638. 657. 659. 672. 693. 716 n. Herkunft 438. durch Ergebung 440. 443 f. durch Erhebung 440. Ehen 440. 464 n. Unfreiheit 438 f. 440 ff. 445. Freilassung 441. Lehen 398 f. 400. 439 f. 445. 608. Dienste 438 f. 487. 514. 597. Beamte 126. 438. 565. 597. 608. 622. 628. 631. Grafen 128. 445. 495. 558 n. 571. 576. 597. Landstände 614f. Eid 439. Vermögensrechte 440. Disziplinargewalt des Herrn.. 440. Lossagung vom Herrn 441. Überweisung an andere Herren 440 f. 574. Gerichtsstand, Schöffenbarkeit 440. 444f. 558. 560. 565. 568. 582. Hebung des Standes 438 f. 442 ff. 560. 660. Reichs.-M. 441. 487. 507. 514. 544. 547. fürstliche 441. 549. niedere 458. Ministerien 864 ff. ministerium 123 n. 169. 198. minoflidus 212. 216 f. 425 n. Minorat 750. minores 216 f. miserabiles personae 116 n. 583. misaaticum 120. 135. 179. missatisches Gericht 136. 175n. 179. 385. Missethaten, Einteilung 73. 81. 348. 757. 906. absichtslose 80f. 348ff. 759. 771. missio in bannum 373. 719. in bona 373 n. Mission, angelsSchsische, irische 143. missus dominicas (fiBcalis, palatinus, regalis) 134 ff. 177. missi constituti, directi, maiores 137. discurrentes 135. 137. m. comitis 131. 167. 170. Immunitfttsbeamter 200. Mißheirat (vgl. Ehe) 71. 304f. 454. 462 ff. 564 ff. 806 f. Mitbelehnung 405. Miteigentum nach Bruchteilen 724. nach Wertbeträgen 724. 728. mit realen Ausweisungen 723. zur gesamten Hand 276. 723. Mitgift 298. 743. mitnio, mitthio, mitio 180 n. 182 n. Mittelfreie 216. 218. 436 n. 449 n. Mittelhausen, Gericht 555 n. Mitvorsitz im Gericht s. Beisitz, modius regis 194 n. moetsone 80 n. momper 60. monarchisches Prinzip 885 ff. 893. Mondzeiten, polit. Bedeutung 23. 44. moneta, monetarius 189. Monopol 852. monseigneur 162. Monumenta Germaniae 8. 885. Monzambano 850. Moratorium 852. Mord 73 n. 74. 76 n. 345 f. 354. 760. M.Brand 356.
mordio 37 n. mordliche Wunde 761. morganatica 304. Morgen 205. Morgengabe 70 f. 72 n. 272 n. 285 n. 301 n. 304. 310—319. 364n. 715 n. 742ff. gelobte 730. 739n. gesetzliche 317. 742n. Verschmelzung der M. mit dem Wittum 311. 317. Beweis der M. 318. M. des Mannes 744. Morgensprache 641. mortgage 724. Mosaisches Becht 762. Moser, J J. 904. Moser, Justus 904. Mühlen 206 n. 534. Mühlhausen (Thür.) 684 n. 822. Mülhausen (Elsaß) 778 n. München, Stadtrecht 690. Münchweiler, Hofrecht 697 n. Mündigkeit 71 f. 110 f. 154. 167. 171. 270 £ 416. 519n. 709. 747. 766. 838n. des Königs 110. 484. der Kurfürsten 479. mundium, mundius 60. 299. 301. facere 272 n. 299 n. liberare 326. mundling 60. mundoaldus 60. mundr 70 n. Mundsühne 80 n. Münster, Bischof von 554 n. Stadtrecht 674 n. Munt (vgl. Vormundschaft) 49. 60. 66 f. 70. 180. 222. 225. 232. 299. 328. väterlicher 271. 821. 346. über Hörige 49 f. 225 f. (346). öffentlichen Rechts 346. Königs-M. vgl. Königsschutz. M.-Brüche 70 n. 304. 314. 358. M.-Kauf 70 n. Rückkehr in den 299. 323. 326. 328. M.-Mann (vgl. Schutzhörige) 632. M.Schatz 51. 70. 299. muntporo, muntwalt 60. Münze, Münzwesen 102. 187ff. 216. 234. 235 n. 250 f. 525 ff. 593 f. 625. 839 f. M.-Bann (Verruf) 527. -Fuß 187ff. 190. 525 f. 839 ff. -Meister 189 f. 594. 631. -Probation 832. -Regal 189. 526f. 588. 591.593. -Stätten 190ff. 525 ff. in den Kreisen 839. -Verbrechen 760. -Vereine 528. 840. 889. -Verleihung 189. 525 f. 593. 814. 819. -Währung i88. 251. 526 n. 840 f. Entziehung des M.Rechtes 840. Münzergenossenschaft(vgl.Hausgenossen) 190. 594. Murten, Stadtrecht 689. Musteil 736. Musterung 837. 856 f. muta 191 n. Mutschierung 405. 408. 414. 723. Mutter, Folge nach der 47. 51. 71. 232 n. 457 n. 463 f. 809 f. M.-Recht 64. 71.
Wort- und Sachregister. 330 n. M.-Bruder 63. 71. Vormundschaft der M. 323. 748. Vgl. Kind. Mutung 404. 416 n. 417. 421. bei Bergbau 540. 595.
951
Nordgermanen, nordgerm. Recht 1. 5. 11. 14. 23. 25f. 30. 40n. 43f. 48. 61f. 71 n. 80n. 83. 85ff. 90. 92. 104ff. 108n. llOn. 112. 116n. 122. 149. 162n. 197n. 215 n. 228. 259. 269 n. 270 n. 275 n. 291. 293. 299. 302. 304. 325. 330. 339. 349 f. 353. 368 n. 381 n. 382 n. 437 n. 696. Nordhausen 683. 822. Nordschwaben 94. 661 n. Normaljahr (1624) 811 f. 845. 848. v. Normann, M. 902. Normannen 7. 112. 672 n. Northumbrien 94. Norwegen 5. 11. 44 n. 104. 106. 110 n. 141 n. 149 n. 215 n. 220. 228 n. 270 n. 277 n. 284 n. 437 n. Notar, Notariat 138 f. 169 n. 261. 486. 491. 493. 701. 785. 816. 852. notarius curiae 493. 551. N.-Ordnuiig 701. 905. Notbede 613. Not-Gericht 45. 172. 376. 559. 579n. 580. 604. 608. N.-Pfändung 714. N.-Verkauf 66. 275 n. 321 n. 324 n. 337 n. 723 n. 735. 739. 745 n. von Frau und Kindern 66. 321. 745. N.-Raub 75 n. notitia 242. 251. 262. 264. 699. indicati 263. nötnäma, nötnumft 355 n. 358. Notorietät 78. 775. Notstand 348 n. Notwehr 341 n. 756. 906. Notzucht 358. 760. novale, vgl. Neubruch. Novempopulonia 121. Nowgorod 644 f. 682. Nürnberg 510. 629 n. 630 n. 867. 875. Oberhof 692. Reichsregiment 827 f. Reformation 911 f. Landgericht 574. 577. Buiggraf 497. 574. Handelsgesetzbuch-Kommission 893 n. Formeln 706 n.
Nachbar 58. 211. (425 n.) -Losung (62). 207 f. 275. 428 n. Eideshelfer 365 n. -Zeugnis 86. 719 n. 769. 771. Dorffluren zu N.-Recht 211. 216. 424. Nachdruck s. Urheberrecht, nachfolgender Herr 457. 460. 808f. 844n. Nachschreiber 551. Nachsteuer 809. 884 n. Nacht, Zeitrechnung nach 13. Nachtverbrechen 75 n. 760. Näherrecht s. Vorkaufsrecht, näma 75 n. Namengebung 67. 269. nasthait 318 n. Nationalversammlung, konstituierende 890. Natur der Sache 914. Naturalleistungen der Unterthanen (vgl. servitium regis) 196 f. 198. 518. 524. 544. 612. 615 n. 633. Naturalwirtschaft 13. 156. 187 ff. 525. Neffe 66 n. Neidingswerk 74. Nerthus 11 n. Neubruch 206. N.-Zehnt 430. 522 n. Neubach 278. Neuching 246. Neuenbürg (Neuchatel) 780. 879 n. Stadtrecht von N. im Breisgau 690 n. Neumarkt 681. Neumünster, Kirchspielgebräuche 706 n. 909 f. Neuß, Stadtrecht 687 n. Neustrien 97. 119 f. 123. 141. 150. nexti cantichio 372 n. 881. Niederbrennen des Hauses 78 n. 757. Niedergericht 131. 545. 565 ff. 570. 599 ff. Obarzala 78. 603. 623. 627. Niederlande 778.863. 871. 879 n. Recht Oberacht 580. 757. 685 f. 751 n. 756. Vgl. Flämische Oberappellationsgericht 860. 883. 899. Kolonien. Obereigentum 426 f. 434. 452. 522. 639. Niederlassung (vgl. Ansiedlung) 207 f. 723. 793. Oberfemgericht 581 n. 275. 426. 809. 811. Oberförster 610 n. Niederrheinischer Kreis 826 n. Niedersächsischer Kreis 826 n. Oberhof 566 f. 568. 605. 631. 650. 677. Nikolsburger Präliminarien 894. 689f. 772. 789. 860. landesgerichtlicher Nimwegen 685. 604. wirtschaftlicher 198. Oberkonsistorium 866» nobilis 51. 215 n. 216 n. 436 f. 449. Oberkriegskollegium 866. nodröf 74 n. Oberlandesgericht (859ff. 865f.) 877. 899. nominatio 474. städtisches 867. Umbildung in Kolnona 164. 522 n. legialgerichte 859. Nordalbingien 93. Norddeutscher Bund 812. 874. 880 n. Obermärker 57. 427. 429. 533. 596. 605. 801. 894 ff. 916. Verhältnis zu den süddeutschen Staaten 897. Eintritt der- Oberpräsident 877. selben 898. Oberrechnungskammer 866.
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Wort- und Sachregister,
Oberrecht 675 n. Oberrevision,-Deputation,-Kollegium 866. Oberrheinischer Kreis 826 n. Obersächsischer Kreis 826 n. Oberschulkollegium 866. Obertribunal, preußisches 860. Obertus de Orto 695. Obervormundschaft 71. 321. 324 n. 325. 747 f. obinfeudatio 410 n. oblatio 287. 404. Obligation 726. Obligationenrecht, deutsches 916 f. schweizerisches 915. obnoxiatio 220. Obrigkeit, hohe, Landes-, landesfürstliche 849. Obrist 857 f. obsequium 160. 166. 180. Observanz 806. obstagium s. Einlager. octava der Ehefrau 313. oeconomus 201. 610. Odovakar 92. (101). 106. Ödungen 57 n. 207. 428 n. 799. Ofen 669. Offa 253 n. offenes, offenbares Ding 579. öffentlicher Glaube 261. 701. officialis, officiatus 438. 608. bischöflicher Offizial 584. 719 n. 732. 754. dessen Siegel, freiwill. Gerichtsbarkeit (583). 700. 705. officium 639. Offiziere 856 f. Pflicht des preu£. Adels 806. 858. Öffnungen 696. Öffnungsrecht 519. 592 n. ofledene 759 n. Oheim 64. 66 n. 72. Ohrzupfen der Zeugen 86 n. Olenschlager 904. Olmütz 681. Vertrag 892. ombecht 563. Onolzbach 574. Opfer, O.-Stätte, O.-Gemeinschaften (vgl. Gelage) 11. 22. 25. 31. 41. 42 n. 45 n. 76. 640. Oppenheim, Oberhof 687 n. optimates 216 n. 217 n. orator 385. 564. orator terrae 564. ordäl 43 n. 87. Ordensverleihung 448. Orderpapier 709. 728 n. 732. 766 n. ordines iudiciorum Dei 268. ordo equestris maior, minor 446. orf 273 n. . Ort, Ritter- 870. ortern 405 n. v. Ösfeld, H. 659 n. Osnabrück 633. Ostangeln 94.
ostarstuopha 194 n. Österreich 394. 396 n. 414 n. 416 n. 442. 494 n. 516 n. 556 n. 567 f. 588 n. 591. 595 n. 596 n. 601. 610 n. 703. 771 n. 781. 795n. 800. 811. 816f. 822f. 826f. 847. 848 n. 855. 857. 860. 863 ff. 868. 877. 880. 887 f. 891 ff. Herzogtum 394. Kaisertum 872. privil. minus 591 n. maius 591 n. 594 ff. Landrecht 672 f. Landfriede 674. Gesetzbücher 909 n. 914. 916. Ostfalen 93. 247. 258 n. 560. 574 735. Ostfranken, Ostreich 388. Ostfriesen 249. 719 n. Ostgermanen 2. 11. 21. 26. 31. 48. 90. Ostgötalagen 228 n. Ostgoten 44 n. 90 f. 100 f. 173 n. 238 n. 240. 267. ostiarius 140. Ostmark 390. 567. Otto I., Kaiser 393. 480. 502 f. 626 n. overbode 174. 561. 575. 598. overtal 78. offal, oifalsborinn, offalsmenn 52. 437 n. 449 n. 450 n. Pacht, P.-Gut, Pächter 287 n. 431. 452 ff. 716 n. 725. 792. 799 ff. pactum, pactus 229 f. 235. 245 f. 647 n. 670 n. Alamann. 245. 254n. pro tenore pacis 123. 127 n. 236 n. 260. pagus, pagellus 18 n. 20. 122. 563 n. palatium 111. 197. palatini 138. pancarta 263. pantaidinge 697. Papianus 242 n. Papienser Rechtsbuch 244. 694. 706. Papst, Haupt der fränkischen Kirche 143 f. salbt den König 98. krönt den Kaiser 99. 110. 480 f. 544. 813. Approbationsrecht 474. 477 f. 480 f. bannt 481. herzogliche Rechte 184. 189. P.Wahl 474. Siegelrecht 700. para 20. parangariae 197. paratae 197. paraveredi 197. Parchimer Recht 682 n. Parentelenordnung 66 n. 332 ff. 748. 792. pares 159. Pariser Frieden 878 Konzil 260 n. Parität 812. 824 f. 830. 834. 837. parlude, parskalk 49. 222. parocbi 451 n. Partikularrechte 228. 238 n. 243. 248 f. 251 f. 256. 258. 790. 914. pascuaria 193. Passau, Stadtrecht 690. pastus 197. Pate 745 n. Patent (vgl. litterae) 698. 852. P.-Gesetz 917.
Wort- und Sachregister. paterna paternis 750. patricius Komanorum 99 n. l l l n . fränkischer 132. Patrimonialgericht 862. 892. 901. Patriziat s. Geschlechter, patrocinium 159. Patronat, Kirchen- 525. 583. S44 n. patTonus 226. pauperes 217. Pavia, Rechtsschule, Rechtsbuch 244. 267 f. 694. pecunia 273. peinliche Frage 775. Perneder 902 n. persönliche Rechte 120. 231 ff'. 254. 256. 344. 647 f. Peter von Andlau 707. von Vinea 705. petitio 542. 612. die friesischen petitiones 671. Pettau, Stadtrecht 690. Pfaffensöhne 448 n. Pfahlbürger 638. Pfählen, Strafe 756. Pfalz, Königs- 111. 118. 152. 176. 193. 197 f. 485. P.-Gericht 176. 244n. 502f. P.-Graf 139. 176. 262. 384. 473n. 487n. 492. 502ff. 550. 629n. 844n. in Baiern 494 n. 503. Schwaben (Tübingen) 503. Sachsen 484. 503. Kärnten 503. bei Rhein (Lothringen) 495 n. 504. Erzamt 476. 488. 504. 815. 819. Kurfürst 475 f. 819. Reichsvikar 483 f. 504. 814. Gerichtsbarkeit 482 f. 504. 550. P.-Münzstätte 190. P.-Notar 139. 423n. P.-Schöffen, -Richter 170n. 176n. 550n. P.-Städte 628. P.-Siegel 139. 262. Pfand 274. 370 n. an beweglichen Sachen 273. 711. 726. an unbeweglichen Sachen 288. 724 ff. an Schiffen, Hausrat u. dgl. 713. am ganzen Vermögen 713. an der Person 220 f. 290. an Ämtern und Hoheitsrechten 604. 609. 628. Nutzpfand 275. 712. 724. Verfallpfand 221. 274. 289. 712. 724 f. 727. Verkaufspfand 712. 724 f. Proprietäts-P. 288. 725. Kisten-, Schrein-P. 712. 726. essendes 712. Faust-P. 273. 712. 726. Hypothek 289. 713. 725 f. Schein-P. 293. 295. 297 n. Strafgedinge 274 n. 727. ausschließliche P.-Haftung 274. 712. 713 n. 724. 726. accessor. P.Haftung 713. 726. Aufgebot 712. Einlösung 274. 288 ff. 293. 725. Untergang des P. 274. 712. Übereignung 373. 712. 726. P.-Betreibung 712. 726. P.-Verschreibung 289. 725. mehrfache Verpfändung 726. Afterverpfändung 725 Pfandlehn 407. Pfändung 81. gerichtliche 371 ff. 375. 714. 726. außergerichtliche 88. 290 f. 370 f. 381. 714. 729 n. durch den Bür-
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gen 290 ff. 319 n. 371. den Rentengläubiger 728. P.-Klausel 289. 798. unerlaubte P. 831. Vieh-P. 274n. 714. Pfandwehrung 375. 771. Pfantner 714 n. 729 n. Pfarrer, freiw. Gerichtsbarkeit 701. 719n. 732. Pfeffinger 904. Pfeil, Freilassung mit dem 225 n. Pfennig 190. P.-Meister 831. Pflege, Pfleger 558. 560. 572. 598 n. 609 n. 611. 729 n. 742 f. 747. Pfleghafte 450. 452 n. 454. 560. 574. 632. pfleglose Hufen 212 n. 425. Pflegschaft 747. Pflichtteilsrecht 276. 41Gn. 762. Pflugrecht 712. Pflugschar, glühende 368. Pfund, germanisches 13. fränkisches 187. 189 n. P.-Geld 646. P. als Landmaß 450 n. pincerna 140. Pippin der Ältere 98 n. von Heristall 98. 142. der Kleine 98. HO. 163. 261. placitum 126. 139. 152. 167 n. 170. 173. 179. 262. Pienipotenz 833. plewat 761. poena dupli 292. 295. 303 n. 854. pogwunde 761. Polen 389. 703. 781. 810. 871. Recht 572 n. 676. Polizei 114. 122. 129. 219. 591. 594. 604n. 608. 629. 635. 640. 839 f. 865. 908. P.-Ordnungen 678. 696. 839. polyptycha 264. Pommern 389. 795. Popularklage 774 n. portenaere, porzensere 608. possessio 185 n. 273. Post 795 n. 841. 850. 864. 897 n. 917. potentes 159. 217 n. potestas 201. praebendarii 458. praeceptum, praeceptio 254. pr. regis 113. 209 n. 211. 262 f. 283. 284 n. 37Kn. 718. praeco 561. praedium libertatis 437 n. praefectus 561. praemium 80 n. praepositus 201. praestaria 164. 286. Prag, Stadtrecht 692. Frieden 894. 897 n. Pragmatische Sanktion 847 n. Prälaten 442. 615. 826 f. 832. 853. Kurien im Reichsfürstenrate 821 f. Prämonstratenser 391. 522 n. precaria, precarium 164. 286 ff. 453 f. 612. 721. oblata 287. 721. Verbo regis 164.
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Wort- und Sachregister.
Preisgebung des Verbrechers 46 n. 81. 88 n. 342. 732. Preßburg, Friede 867. 872. Preßrecht 864. 890. 892. pretium 31 In. emptionis, nuptiale 299. pudicitiae 347 n. Preußen 780 f. 794 f. 799 ff. 803. 806 n. 846 f. 857 f. 862 ff. 868. 871. 876. 879. 882. 887f. 891-896. 912f. 916. Ordensland 431. 569n. iura Prutenorum 676. Landrecht 910. Allgem. Gesetzbuch 913. Allgem. Landrecht 791. 793 n. 800. 803. 807. 852. 868. 913. Gerichtsverfassung 860. 877. 900. Priester 23. 25 f. 30 ff. 39. 42 f. 76. 132n. 145. 184. 219. primates, primores 217 n. Primogenitur s. Erstgeburtsrecht, princeps 27. H i n . 217 n. 400. imperii 494. principis dignitas 33 n. Prinzipalkommissarius 824. Privilegien 115 f. 399 n. 468 f. 487. 512. 552. 657. 699. 722. 818. 833. 852. de non appellando 547. 571 n. 602. 832. 860. de non evocando 546 f. 574. maius394n.591n.595n.596n. minus 394 n. 557 n. 591 n. proceres 217 n. proconsul 107 n. rofessio 446. iuris 231. 647. rofoß 857. Prokuratoren der Reichsgerichte 552. 831. Prologe der L. Salica 234. der L. Alam. 245 n. der L. Baiuw. 245 n. des Ssp. 659. proprietas 273. 589 n. 720. proprisio 206. Propst, Propstei 494. 498. 524. 566. protectores 32. 34 n. Protest, Ungehorsams- 374. 380. Protonotar 491. 493. 524. 551. 598. Provence 97. 121. 238. 240. provendarii 458. provincia 121 n. provinciales Austriae 443. Provinzialen s. Römer. Provinzen 120 f. 145. 877. Kirchen-P. 143 f. 145. P.-Landesjustizkollegium 865. P.-Landtage 868.887 f. P.-Rechte, nordische 228 f. P.-Verwaltung 864 f. 877. 887. Provisionalbelehnung 582. Prozeß, Bußen 84. 366 n. 372. 374 f. 381. -Fähigkeit 223. 225. 324. 362. 747. -Fristen 362. -Kaution 377. 731. 762 n. •Leitung 84. 360. 362 f. 366 n. 765. Formenstrenge 84. 234 n. 765. vgl. Gerichtsverfahren, -Ordnung. Prozeßdramen 706. 903. Prügelstrafe 39. 220 n. prutigepa 68 n. Pseudoisidor 183. 261. 582.
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Publikation der Gesetze 258. 657. 814. 824. 851 n. 869. 897. 909. 916. der Norddeutschen Bundesverfassung 896. der Reicbsverfassung 891. 898. pueri 446. regia 49n. 126. 128. 140. 218. Pufendorf 850. 903 f. pulislac 761. Purgoldt 706 n. Pütter 904. Quaden 24 n. 91. 105. Quadripartitus 253. Quaestiones ac mónita 244. quarta, langobard. 313. 315. 319. Quartierlast (vgl. Herberge) 518. 825. 837. Quasifelonie 415 n. 421. Bache (vgl. Blutrache, Fehde) 46 n. 79. 81. 350. 355 n. 357. Rachinburgen 44. 167 ff. 172. Rädern, Strafe 340. 756. Radolfzell, Stadtrecht 623 n. 624. 631 n. 632. 688. HGO. 906. rahan 75 n. Raimund von Peniafort 666. Raitkammer 864. rftn 73 n. Rangfahrten 640 n. rannsökn 377. Ranshofer Gesetze 670. raptus 358. Rasen und Zweig 62. 277. 279 n. 718. Treten unter den R.-Streifen 68 n. Rastadt, Frieden 778. Ratchis 243. ratgeve 644. Ratihabition der Reichsgesetze 814. 824. Ratsdiener 642 n. Raub 39 n. 74 f. 123. 273 n. 355. 377. 383. 466 n. 534. 583. 758 n. 760. R.-Ehe 69. 304. R.- u. Wechselverträge 440. 455 f. 809. rauba 75 n. Rauchzins 456. Ravenna, Exarchat 99 n. ravestissement 739 n. Reallast 612. 727. 798 f. Realrecht 202 n. Realvertrag 296. 729. Recapitulatio legis Salicae 236 n. recessus imperii 824. Recht 14. R. und Rede 14 n. 78. von R. wegen 78. 82. 88. Rechtlose 34. 39. 77. 82. 170n. 342. 368 f. 421. 466. 746. 751. 756. 772. Rechtsbelehrung 605. 861. Vgl. Aktenversendung, Oberhof, Weistum. Rechtsbücher 658 n. 694. 706. R. nach Distinktionen 668. 680. Rechtsfähigkeit, Beginn 67. 269. 271.
Wort- und Sachregister. Rechtsgangbücher 663. 670. Rechtsgebot 43. 172. 257. Rechtsgelehrte 533. 603. 783 £ (passim.) 789. 792. 830 ff. 859 f. 861 f. 867. Rechtsgeschäfte, Form 60f. 232. Rechtskraft der Urteile 177. 386. 546. 551. Rechtspflege und Verwaltuag 607 ff. 875. Rechtsprecher vgl. Gesetzspreeher. Rechtssprichwörter 15. 75 n. 82 n. 228. 270n. 300n. 312. 334f. 348 352n. 383. 449 n. 455 n. 460. 463. 621. 633. 701. 710f. 715n. 728. 735. 742. 745. 748n. 750 f. 753 n. 756. 762 n. 790. 850. Rechtsschule, historische 904. 915. philosophische 915. papienser 244. 694. Rechtsunterricht 785 n. 903. Rechtsverweigerung 81 f. 84f. 88. 177. 374. 421. 547. 559. 571 n. 574. 580. 583. 714 n. 832. 883. Rechtsvorträge 24. 44n. 228. 671 n. 696. 909. vgl. Weistum. Rechtswissenschaft, vergleichende 1. Rechtszug 369f. 547. 566. 570. 580f. 631. 645. Vgl. Berufung, Instanzen, Oberhof, Urteilschelte, record 771 n. Rectitudines singul. person. 253. rector 234. redditus 729. Rede 14 n. 78. redjeva 564. redlicher Besitzer, Erwerber 380n. 710f. Reebningverfahren 207. 428 n. Rees, Stadtrecht 687 n. Refercndarius 138. 552. 816. Reformation, kirchliche 845. 848. Landund Stadtrechts-R. 792. 908. 911. Arnsberger 578n. Frankfurter 570n. Sigmunds 782. Friedrichs III. 792 n. reformierte Kirche 811. 847. refutatio feudi 420. Regalien 210. 401 n. 403. 420. 470. 499 f. 592ff. 608. 609. 795n. 841. 844n. 862. R.-Recht 418ff. 523. 525n. 526. 591. Sperre 502. 523. Klagen um R. 547. Regalität des Münz wesens 189. 526. 593. regalis 106 n. Regensburg 630n. 642. 690n. Kurfürst, Erzkanzler 815. 819. 845. Regesten 263. Regierung 860. 864 f. 876 f. Regiment 857. 864. R.-Ordnung 823. 826. 828. Registerbücher 701. regnum Francorum 388. Saxonum, Teutonicum 389 n. Regredienterbin 793. Reich, Funkisches 111. 388. 470. Deutsches 389 n. 813. 891. 898. — Römisches 111. 470. 813. Auflösung 873. Reichenauer Formeln 266. Reichs-Abschied 152. 824. Jüngster 823.
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— -Äbte, -Äbtissinnen, -Abteien 399. 495 f. 498 ff. 521. 524. 542. — R.-Adel 806. — R.-Archiv 521 n. -Defensionalverfassung 836. — R.-Deputation 825. 834. R.D.H.-Schl. 779. 819. 823. 845. 849. 867. 871. 886. -Dörfer 871. — R.-Einnahmen (Verwaltung, Verwendung) 544 f. — R.-Festuogen 518 f. 591. 825. 837. — R.-Fürsten 390. 395. 403. 494ff. 507n. 508ff. 514ff. 521. 530. 544. 549. 553. 589. 593. 595. 794. 805. 814. 832. R.-Fürstenrat 511. 820ff. 823 f. — R.-Generale 812. 836 f. — R.-Gerichte 806. 813 f. 829. 851. 854. 873. 897. 900. — R.-Gesetze 115f. 149. 152f. 232. 253ff. 359. 511. 650ff. 805c. 806. 824 ff. 904 ff. 916 ff. Ratihabition 814. (823). R.-Gesetzblatt 891. 916. Zuständigkeit der R. - Gesetzgebung 256 ff. 655. 824. 851. 917.— R.-Grafen (vgl. Grafen und Herren) 805 f. - R.Grundgesetze 259 n. 820. 905. - R.Gutachten 824. — R . - G u t , R.-Güter (vgl. Revindikation) 118. 405 n. 479 u. 485 n. 507. 512. 520. 531. 547. 819. — R.-Heer 514 ff. 829. 834 ff. — R.-Hofgericht 441 n. 492. 502. 504. 546ff. 570. 671n. 581 f. 602. 657. 698. 757. — R.Hofmeister 493. 553. — R.-Hofrat 794. 817 f. 838 f. 846. 855. 859. RHR.Ordnung 818. 834. — R.-Hofrichter 550f. — R.-Insignien (R.-Kleinodien) 107 f. 470f. 479. 521 n. — R.-Kammergericht 782. 788f. 812. 829ff. 834. 859. 867. 906 n. RKG. - Ordnungen 788 f. 830. — R.-Kanzlei, R.-Kanzler 489 ff. 493. 498. 524. 544. 553. 698. 816. 818. 833. ftir Burgund 489 f. für Italien 489. 491. — R.-Kirchen 146f. 195. (230n). 386. 498. 512 n. 566. R.-Kirchengut 147. 163. 201. 495. 498. 521 ff. 543. 628. niederes 420. 485 n. 524. - R.Kreis 556. 825 ff. — R.-Kriege 512. 514. 825. 835. 851. 871 f. R.-Kriegsrat 837. — R.-Lasten, Verpflichtung der Reichsstände zu ihrer Bestreitung 854. — R.-Lehen 398. 485 n. 507. 512. 514 f. 814. 818. 820. 828f. 833. 838. 844. — R.-Ministerium (817). 891. — R.-Münzen 525 ff. 840. — R.-Operationskasse 836. — R.-Organisation 118. — R.-Pfandschaften 545. 641. 837 f. 866. — R.-Polizeiordnung 812. 889. 905. — R.-Pröpste 498. 524. 814. — R.-Rat 782. — R.-Reform 781 f. — R.-Regiment 825 ff. — R.- Ritterschaft 806. 812. 815. 824 n. 836. 854 n. 867. 869 f. 872 f. 875. 885 n. — R.-Schluß 824. — R.-Siegel 491 f. — R.-Stände 152. 510. 805. 812. 836. 843 f. 850 f. Verhältnis zum Reiche 849 ff. — R.Steuern 510. 519. 524. 542 f. 782. 829.
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Wort- und Sachregister.
831. 835 839. 844. 868 f. — R.-Teilungen 97ff. 109. 118n. 119. 152. 471 f. — R.-Unmittelbare 806. 831 ff. 838. 843. 845. 870. — R.-Verweser 141. 484. 504. 510. 549 f. 890 f. — R.-Vikariat 483f. 504f. 813f. R.-Vikariats-Hofgericht 482. 485n. 504. 549 f. 794. — R. - Visitationsdeputation 831. — R.Vögte, R.-Vogteien (vgl. Landvogt) 896. 506f. 515. 518. 544 f. 564 f. 627. 630. 866. - R.-Vorstand 891. — R. Wälder 506. — R. Wappen 471. — R.-Weistümer 511. 655. Reichsstädte 515. 518. 523n. 542ff. 547. 553. 628. 630. 641 f. 668. 812. 827. 837. 848. 866 f. 911. freie 866. 879. 896 n. Reichsstandschaft der R. 510. 823. Lehnsfähigkeit 399n. 642. Gerichtsstand 547. 553. 642. Landgebiete 642. 867. Hoheitsrechte 642. 867. 886. 911. Metiatisierungen 641. 867. 872. 875. 896. Reichstag, fränkischer I I I f. 136 ff. 149 ff. 176. 194. 255n. 259. mittelalterlicher 441 n. 484. 508ff. 521. 523. 526. 642n. neuerer Zeit 779. 782. 794. 812. 820ff. 867.880. des Frau kfurter Entw urfes 891. Erfurter 892. des Nordd. Bundes 895. 897. ala Gericht 513. 549. 833 f. Zuständigkeit 153. 509. 511 ff. 514f. 518. 529. 825. 834 f. 837 f. Ort 510 f. 823. Berufung 508ff. 814. 820. 823. 827. Leitung 511. 823 f. Umwandlung in eine ständige Versammlung 823. R.Kollegien 511. 820. reifa 205 n. Reihefahrten 640. reipus 235 n. 302 f. Reis' und Folge 857. Vgl. Landfolge, reisender Richter, König 41 167 f. 546. 558. 567 f. 671. 576. 602. 610n. Reisige 219. 438. 806. 835 f. 856. Reiterbestallung, Reiterrecht 837. Reiterdienst, Reiterheere 34. 37. 151 n. 157f. 161 ff. 165. 398. 514. 797. Rekkared 91. 239. Rekkessuinth 239. Reklamationsrecht 114. 178. 183. 547. 565n. 772n. 773n. Rekognition der Urkunden 138 f. 490 ff. 697. Relegation der Bauern 799. relevium 404 n. Religion, Bann 811 f. 844n. 847f. 867. 870. -Freiheit 811 f. 875. 884 n. 892. Augsb. R.-Frieden 811. Reluition (vgl. Heersteuer) 836. Remedius von Chur 252. Remissorien, Repertorien 236 n. 268. 706. Rente 193. 544. 632. (724). 727 f. kündbare, unkündbare 728. L e i b - R . 729. vorbehaltene 727. Seelgeräts-R. 727.
als Miteigentum 724. 728. Auflassung, Rückauflas9ung 728. Sicherstellung 728. Betreibung 714. 728. Rangordnung 728. Sachbaftung 728. R.-Bank 803. -Brief 728 n. 803. -Gut 804. -Kauf 545. 724. 727. -Lehn 409 n. -Steuer 613. 838. Ablösungs-R. 802f. Rentmeister 610. renunciatio 718. rep 205 n. reparia 301 n. Repgau, Eike von 444f. 659ff. 603. 679n. Replik 363. Requisitionen, militärische 517. 520. gerichtliche 181. 200. reroub 75 n. 355 n. res 185n. 273. praestita 381 n. Reacrvatrechte, kaiserliche 814. 833. 852. Residenzpflicht des Kaisers 814. Rethoriken 902. Retrakt, gutsherrlicher 798. Lehns-R. 410n. 416n. 723. Reval 682. Revestierung 278 n. 283. 382. Revindikation von Reichs- oder Sriftsgütern 507. 532. 614. Revision, Rechtsmittel 834. Revokatorienklage 410n. 416 n. Rezeption der fremden Rechte 487. 608. 696. 783 ff. 859. 901. 906. Einfluß auf das deutsche Privatrecht 787. 790 f. der Libri Feudorum 696. 789. des Sachsenspiegels 649. 662. des Schwabenspiegels 667. des kl. Kaiserrechts 668. Rezeßherrschafteu 845. rhedo 307. Rheinbund 873 ff. 878. -Akte 795. 874. Rheingauer Landrecht 674. Ribuarier 91. 96f. 106. 124. 145n. 150n. 169. 228. 251. 270. 271 n. 280. 314. 316f. Recht (vgl. Lex Rib.) 236f. 251. 853. 484. 719. (838n). Herzogtum 132n. 393. 555n. Richter, Eigenschaften 462. 466. 571. 758. Bann 42. 172. 360. Rechtsgebot 43. 172. 257. Prozeßleitung 84. 360. Thätigkeit bei Urteilsfindung 43f. 172. 257. 859. selbsturteileDder 44. 173. 257. 549n. 561. 786n. 861. 862 n. Urkundungsbefehl 262. 719n. Siegelung 700. Recht der Straffestsetzung oder Umwandlung 76 n. 341 n. delegierter R. 552. gemeiner R. 569. schweigender R. 600 n. — Bezeichnung für den Fürsten 28. 586 n. für Urteiler 557. — Vgl. reisender Richter. Richtsteig 663. 670. Riga 623 n. 682. Ring u. Stab 403. 499 f. Ripen 682. rita 14 n.
Wort- und Sachregister.
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584. 606. 756. 774 ff. 861. Geschworene, Ritter, Ritterschaft, Ritterstand (34). 161 f. Zeugen 137. 183. 383 f. 584. 427. 434. 436f. 438ff. 446ff. 510. 516. 537. 598. 602. 615. 723. 760. 789. 856. Rügen, Insel 389. Landrecht 80 n. 902. höherer und niederer Ritterstand 436. Rumpfparlament 891. 446. 465. eigene, einschildige, ein- Runen 14. 61 n. spännige 400. 442f. 445. 446n. Steuer- ruoda 80 n. freiheit 434. 612. — R.-Bünde 870. ruogstab 35 n. -Biirtigkeit 400. 412 n. 447 f. 465. -Ge- Ruprecht, Fragen 570 n. von Freising lübde 446. -Gerichte 565. -Güter 433f. 669. 673. 690. 615 n. 794 ff. 799. 807. -Hauptleute, | Rüstringer Satzungen 672. Kantone, Kreise 870 f. -Lehen 398. j Ryswicker Friede 778. 434.447. -Matrikel 870. -Orden 446 f. -Pferd, Pferdgelder 516. 794f. 835f. 863 n. -Rechte 694. -Schlag 398. 446 f. Sacebaro 111. 126f. 131. 167. -Spiegel 446n. 450n. 514n. 707. Vgl. Sache 84 n. 126 n. bewegt u. unbewegl. Reichs-Ritterschaft. 219. 271. 273. 713f. 744f. unkörperRittmeister 856 f. liche 274f. 714. 727. Unfreie als Sache Robot 799. 46. 60. 218ff. 271. 457. Vertretung Rodel. Rotel 696. einer Sache 715. Rodung 209f. 211. 428 f. Sachfälligkeit 363. 365. 374f. 382n. vogatio testium 85 n. 263. 366n. Sachsen 49 f. 52. 60. 81 n. 91. 93 f. 98. Rolandsbilder 626. 105n. 117n. 121n. 122. 127. 130. 173. 189n. 190n. 215f. 219n. 221n. 222f. Romanus miles, possessor, tributarius, 226n. 247. 255. 270n. 275. 278n. 295. 345 n. homo 226. ! 343 n. 346 n. 557. Herzogtum 393 f. Römer, römische Einrichtungen 13. 32. i 555 n. Pfalzgrafscbat't 503 f. Kur38. 441). 49 55. 61 n. 90. lOOff. 107 n. fürstentum 456. 819. 824. 871. Erzamt 109. 112n. 117 f. 122. 124f. 127f. 131. 488. Reichsvikariat 484. Königreich 138. 143. 156. 173 186f. 191ff. 196. 874. 880. — S.-Recht 312. 649. 718. 208f. 216. 219. 221. 223n. 261 ff. 290. 722. 730. gemeines S. -Recht 736 n. 322n Wergeid 102n. 345n. im Heer 790. 910. sächs. Decisionen, Konsti112. 153. S45n. Ehen mit Germanen tutionen 910. Bürgerl. Gesetzbuch 915. 102. 223 n. 232 n. Römisches Gebiet Sachsenspiegel 658 ff. 132 n. 400. 441 n. 120n. 134. 444. 453n. 475. 482 f. 540. 545. 550n. Römisches Recht 8. 117 n. 122. 124 f. 128. 569. 585n. 601. 606n. 649f. 654. 664f. 182f. 186. 200. 225f. 229ff. 232. 233n. 667. 675. 679. 692. 735. 742. 748. 752 D . 235n. 236n. 237—241. 252. 267. 286f. 790. Vorreden 658 f. 661. 665. Bilder, 292n. 295. 298n. 303n. 306. 311n. 314. Übersetzungen 51 n. 663. 730n. Glossen 322 n. 323. 345 n. 358. 478. 487. 541. 663. 686n. Bearbeitungen 664f. 669. 554. -587 n. 650. 661. 665. 680. 693. articuli reprobati 663 f. Extravaganten 706. 713. 731. 746. 752 n. 783 ff. 810. 661 n. vermehrter S. 669. holländ. S. 901. 906. 909. 914 f. Vulgarrecht 100. 669. 103. 226 230. 240 252. 276ff. 286. 787. Sachwalt, Sachwaltiger 84. 731. Römermonat 835 f. sacire 278n. Römerstädte s. Stadt. sagio, sajo 33n. 173n. 371 n. regis 125n. Romfahrt 510. 517. 543. 657n. saiga 188n. Ronkalische Reichstage, Gesetze 510. 695. saiaina 278 n. Rostock 867. 911. Säkularisation 161. 163. 822. 844f. 847ff. Rote Erde 580n. Sale, sala, salunga 63. 281 f. 718. Rotenburg, Landgericht 574. Herzog von Salbuch 264. 523. 702. R. 395 n. Salbürge s. Salmann. Rothari 242. 246. 258n. Salgut 59 n. 327 f. 424. Rothe, Johann 446 n. 669n. 707. ealicus(dominicus) 212ff. 425n. salisches Rottbuschgemeinschaft 428. (Erb-)Gesetz 108. 214n. 328. 478. 647n. Rottland 194. 206. 210. 428. 721. Salier 95ff. 102. 104ff. 120. 149f. 314. 317. salisches Recht (vgl. Lex. Salica) Rottweil, Hofgericht 574. 577. Rottzehnt, -Zins 430. 522 n. 96. 139. 177n. (224). 232n. 255. 270n. Rückcnbrechen 76 n. 353. Rückfall 77n. 355n. R.-Recht 34 n. 739. Salland 212f. 424. Vgl. Wiederkehr. Salmann 280 n. 281 n. 388. 445 n. 638 n. Rudolf I. 477. Rudolfsbuch 668. 709. 7 l 5 n . 716n. 724. Riige, -Gericht, -Verfahren 383f. 578ff. salvatorische Klausel 907.
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Wort- und Sachregister.
Salzburg 144f. 264n. 265f. 489. 498f. Scherge (vgl. Gerichtsbote) 167 n. 561. 609. 667 n. Amt 609. 673. 819. Salzehnt 522 n. Scherre, Schern s. Scharherr. Salz, Regal 196. 210. 538. ff. 595. Zehent Schicht 541. 540. Schichtung vgl. Abschichtung. Salzwedel 741 n. Schiedsgericht (vgl. Austrag) 556. 789. Samenweg 205 n. 832. 862. 883. Sankt Maximin 516 n. Dienstrecht 694. Schiffe, Verpfändung 713. sapientes 44 n. 229. 258 n. Schiffelländereien 428 n. sariandi 519. Schild (vgl. Heerschild) 39. 42 n. 107. satrapa 28. 105 n. 625. zum Sch. geboren 447. Sch.Satzung (vgl. Pfand) 273 f. 545. 712. Erhebung 25. 97 n. 107 n. 715 n. 721. landrechtliche 724. 726. Schilling 190. an Lehen 407 f. 722. stadtrechtliche Schilter 902. 904. 724. 726. zu Kistenpfandrecht 726. Schirmvogtei 523 n. 596. Tod-S. 220. 725. S. mit Miete oder Schisma 760 n. Pacht 713. 725. Strafgedinge 274 n. Schläge (Felder) 204. 727. Auflassung 721. 724. Fertigung Schläge, trockene 606. 770. 713. 724. 726. Kündigung 724. Schlagschatz 189. 525. 593. v. Savigny 786. 915. Schlesien 389. 432. 569 n. 780. 864. Saxmund 250. Landrecht 669. 675. scabinus 169. 173 n. Schleswig 389. 650. 685. 789. 887. 892. scaftlegi 154 n. 893. scah, scächroub 75 n. 355 n. Schlettstadt, Stadtrecht 690 n. scalc, scealc 46. scara, scararii, scaremanni, scario 127n. schloßgesessener Adel 592 n. Schloßhauptmannschaft 610. 140. 206 n. 426 n. 438. Scepter 107. 470. 793n. Lehen 403f. Schlüsselgewalt 735. Schlüeselrecht der Witwe 738 n. 485 n. 498 ff. 502. 794. 844. Schadensersatz 274 n. 335. 347. 356. 380 n. Schmauß 904. 711. 732. 745. 768. mehrfacher 291. Schöffen 136 n. 137 n. 169 ff. 174 f. 176 n. 449. 557. 560 f. 564. 575. 578 f. 295. 775. 600 ff. 604 ff. 622. 629. 635. 638. 667 n. schädliche Leute 774f. 789. 861. -Bücher 693. 702. -Meister Schädlichkündigung 775. 635. -Stuhl 560. 861 n. Schandgemälde 731. Schöffenbarfreie 436 n. 444 f. 560. 585 n. Schar, Schare 426 n. 660 f. Scharbeil 426 n.Schöffengericht 900. Scharherr, Scharmeister 426 f. schola militiae (35 n). 141. scholares Scharwerk 799. 141. Schatullvermögen 846. 863 f. Schatz, Bedeutungen: aerarium 119. 140. scholderer 729 n. 199. thesaurus 540n. 541. pecus273n. Schonen 149 n. denarius 190. Bede, Schoß, Grafen- Schoß (gremium) 65. 68. 746. Sch.Sch. 610. Sch.-Kammer 864. -Meister Setzung 68. Wurf 62. 817. 819. 838. Sch.-Regal 595. Frei- Schoß s. Bede, Grafenschatz. schoßbare lassung durch Sch.-Wurf 177. 224 f. Leute 451. 458. schotinge 62. schoub 108 n. 373. Scheidemünze 187. 840. Schein, blickender 773. zum Sch. gehen Schrae 678. Schranne 558. 774 n. schreiben 14 n. Scheinprozeß 282 f. Schelmschimpfen 731. Schreiber, oberster 598. Urkunden-Schr. schelta 175. 262 f. 362. Schreimannen 78. 88. 363. 366 n. 376 f. Schelte vgl. Eid, Urteil, Zeugen. 559. 770. Schemnitz, Stadtrecht 692. Schenk 140. 198. 439. 476. 478. 487 f. Schrein, Amt 719 n. -Bücher, -Karten 469 n. 627 n. 641 n. 702 f. 597. 815 n. Erz.-Sch. 488. Schenkung 34. 63 n. 70 n. 213f. 232. 275. Schuld, -Schein 297n. -Klage 185. 583. 766. -Bekenntnis, gerichtlich 726. 773. 284 ff. 309. 321. unter Ehegatten 285 n. -Bücher 701. -Haft 373. 459. 767. 313. 318. 743. wiederholte 288 n. -Knechtschaft 46 n. 88 n. 220. 290. Königs-Sch. 102 n. 198. 284 f. 544. 373. 459. -Versprechen 712. 724. 726. scherfa 307.
Wort- und Sachregister. 729n. 730. -Verträge 63. 293fl. 729ff. -Zumessung 348 ff. 758. Vgl. Haftung, schuldigere, schuldensere 730 n. Schulkollegium 865. Schultheiß, Schulze (vgl. centenarius, Lehn-Sch.) 31 n. 42n. 131 f. 167. 170n. 171. 174 f. 183. 185. 192. 200f. 280 n. 281 n. 437. 458 n. 506. 561ff. 565 n. 599f. 601. 603 f. 608. 628. 861. ostfälischer 174. 483. 561 f. 569. 575. friesischer 174f. 563f. 572n. Erb-Sch. 433 f. Orts-Sch. 865. Schulzenrecht, fries. 675 n. Schupflehen 798. 802. Schuppos, Schupposser 425 n. schütten 274 n. Schutz (vgl. Königs-Sch., Munt), Hörigkeit 159 ff. 180. 223 225 f. 269. 808. Sch.-Juden 178n. 195. 227. Sch.-Genossen 641 n. Schutzgebiete, deutsche 899. Schwaben (vgl. Alamannen) 11. 91. 93. 117 n. 557. 565 n. Nord-S. 93. Herzogtum 392. 395. 495. Pfalzgrafschaft 503. Schwäb.-Bund 644 n. 869. achwäb. Hecht 664. 666. schwäb. Kreis 826 n. Schwabenspiegel 665 ff. 478. 481 n. 483. 490 n. 541. 561n. 573 n. 613n. 668 f. 674 f. 688. Bearbeitungen 669. Übersetzungen 668. Schwägerschaft 64 n. 65 n. Schwarzenberg, Johann von 906 f. Schweden (vgl. Nordgermanen) 5 f. 11. 26 n. 44. 149n. 228n. 284n. 291. Reichsstand 779. 821. 871. 878. schweigender Richter 600 n. Schweine-Zehnt, -Zins 50n. 193. 194n. Schweinskopf 37. Schweiz 396n. 506. 510. 518. 565n. 616. 734. 778. 789. 837 n. 915. Kodifikationen 915. Schweriner Recht 555 n. 669 n. 682 n. Schwert 42n. 62n. 107. 280n. 302n. 403. 471. 569n. 625. 793n. Zwei S. 480. 485. S.- und Spindelteil (315 ff.). 738 f. S.-Leite 36 n. 447. -Mage65. 71. 300. 323. 328ff. 479. -Träger 108n. 488. -Zücken 351 n. 762. Schwurgericht 875. 900. 916. scire, scirgemot 121 n. 149. -gerSfa 129. scotatio 62. scriban 14 n. sculdasia 132. scutiferi 446. secretarii 491. 493. securitas 286 n. See, über S. gekommene Waren 380n. 711. Seeland, Provinzialrecht 149 n. 229n. Seelgeräte 275. 281 n. 583. 754. S.-Rente 727. seil 205n.
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I Sekretierung 492 n. | selbmündig 225. 271. Selbstanzeige 82. 348. Selbstbürgschaft 281 n. 293. 295. 731. Selbstverfluchung 24. 62." Selbstverwaltung 565. 621 f. 635. 641. selisuocha 377. selja, sellan 63 n. Semnonen 11. 93 f. Semperfreie (-leute, -barones) 436 n. 585 n. 666 n. Senat 29 n. Senckenberg 904. Send 183. -Gericht 183. 384. 578. 583 ff. 774. -Herr 584 f. -Rechte 670. 697. -Schöffen 584. sendbare Leute 436n. 585. Seneschalk 141. 142. 198. 219. senior, Senioren 33n. H i n . 154n. 157. 161 f. 226 n. 402. 515. Seniorat 750. Septem causas 236 n. 268. Septimanien 91. 98. 121. 239. sermo 43 n. regis 117 n. servi, serviles 46. 457. 693. casati 219. 455. cotidiani 457. regis 218. ecclesiae 218. servientes 438 n. 446. 519. servitium 544. 612. 615 n. 633. regis 130. 157. 196. 201. 518. 524. 542. Servituten, öffentlichen Rechtes 870. Setzrecht 750. sessio triduana 287. shupanie 19 n. Sibidatum, Reichstag 656. Sichard 903. 910. Sicherheitsleistung, -Haft 770 n. Sieben, Zahl 167. 170. 176. 661. Eid 580.775. Kampf 773. der Siebente 193. Siebenbürgen 391. 432 n. Siebeneichen, Gericht 555 n. Siegel 491 ff. 698 ff. 771. Reichs-S. 138. 698. Pfalz-S. 139. Hofgerichts-S. 698. authentisches 700 n. zur Beglaubigung für andere 700 f. Sigibert, König 97. Sigismund, Sigmund, König der Burgunden 241. Kaiser 781. signifer 108 n. 598 n. Silberwährung 188. 840. Simonie 500. 760 n. Simplum, Truppen- u. Steuer- 835 f. sind 33 n. sinista 26 n. 31. sinnen 404. Sippe, Sippschaft 37. 54. 63 f. 305. Gliederung 65 f. 329 f. 748. Begrenzung 66. 333. 750. im Heere 16. Teilnahme an Fehde, Sühne und Wergeid 79 f. 344 f. Vormundschaft 69. 71. 300. 321. 324 n. 325. 328 n. S.-Gericht 66. 72 n. 82 n. 84. 305. 325. Lösung des S.-Bandes 72. 78. Sjsellandske lov 229 n.
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Wort- und Sachregister.
Sisebut, Westgotenkönig 239. akalks 46. ' Skänelagen 229 n. skeltata 174. skeyting 62. skirskotan 86 n. Sklave, Bedeutung des Wortes 457 n. S.Delikte (vgl. Haftung) 341 n. 349 ff. Handel 47 n. 459. Ehen 46. 71. S. von Hörigen 222. von Juden 469. sköggangr 77 n. slatha 74. Slawen, slawische Gebiete, slawisches Recht 12. 19 n. 78 n. 90. 390 f. 432 f. 459. 533. Smälandslagen 228 n. smarden, smurden 459. Soedermannalagen 228 n. Soest 681. 684. 786. Sold 440. (518). 519 f. S.-Ritter 517. 519. 638. Soldaten 857. Söldner 514. 519 f. 794. 806. 835. 887. 856 ff. soldarii 519. solidns 187 ff. 190. aolis collocatio 45 n. Solmser Landrecht 910. solsadia, solsatire, sölsetr 45 n. 374. Sondergemeinden 637. 639 ff. Sonderrechte 650. 658. Sonnenlehen 398. Sonntag 173. Bors 58. 101. 207. 211 n. Souveränität 849. 874. 885. Spaltzettel, Spanzettel 699. Spanien, spanisches Recht 2. 7. 239 f. 261. Mark 99.121. Spanier im Frankenreich 181 n. spatarius 108 n. 140. Speculum iudiciale 788. 902. Speer 60 f. 63 n. 68 n. 70. 85. 107. 405. 471. 516. S.-Reichung (vgl. Gairethinx, Waffenreichung) 25. 47 n. 61. 70. 277 n. 292. 322 n. 338. 474 n. S.-Magen 65. -Träger 108 n. Speier 642. 829. Judenprivileg 468 n. speiantes 159 f. 180. 223. Spezialbefebl, königl. 170 n. 197. 200 n. Spezialverleihung des Bergwerkseigentums 540 f. Spiel, Spielschuld 63 n. 714. 729. 752. Spießrecht 857. Spill-, Spindelmagen 64 f. 72 n. 302. 308. 329 f. Spion, Spionage 39. 76 n. 77 n. Spoleto, Herzogtum 99. Spolienrecht 419 f. 523. 525 n. 591. sponsalia 300. sponsalitia largitas 314. Sprache 41 n. 117 n. 152 n. 508. deutsche S. vgl. Deutsch. Vulgärlatein 233. Sprecher 564. Sprachkollegium 861.
Spurfolge 122 f. 376 ff. squire 447. Staatenhaus im deutschen Reichstag 891. Staatsgut und Kölligsgut 198. 520. Staatskanzler 876. Staatsministerium 866. 876. Staatsrat 876. Staatsrechtstheorien 849 f. Stab, Wahrzeichen 37 n. 42 n. 45. 61 f. 79. 85. 107 f. 301 u. 365. 403. 471. 593n. S.-Brechen79. S.-Reichung 162n. 292 ff. 718. S.-Träger 108 n. Vgl. festucatio. stabön 294 n. Stadt 16. 122. 123 ff. 616 ff. 866 ff. Begriff 620. Entstehung 621 ff. 626. 641 n. Gründung 590 n. 623 f. 626 ff. 852. Arten 626. römische 124. 621 ff. 624 n. 626 f. 632. 633 n. königliche (vgl. ReichsS.) 628. 641 f. freie 543. 628. 642. Bischofstadt 626 f. 642. Landes-S. 515.628. 630 f. 641 ff. 865. 868. 911. grundherrliche (Mediat-S.) 615 n. 628. 643. 868. Gerichtsstand 601. 631. 642 f. Exemtion 609. 622. 627. 630 f. Landstandschaft 615. 643. Heerpflicht 515. 516 n. 634. Münzwesen 525. 527f. 594. Einwohnerschaft 621. 626 f. 631 f. Geschlechter 637. Grundbesitzverhältnisse 626 f. 632 f. — S.-Bote 637. 639. — S.-Bücher 678. 701 ff. 713. 720. 726. 732.771. — S.-Frieden 625.636.639.652. 760. — S.-Gericht 627. 613 ff. 639. 703. 860 ff. 867. 890. — S.-Herr 626. 640. — S.-Kreuz 626. — S.-Mauer 620 ff. 625. — S.-Rat 622. 634 ff. 640. 867 f. — S.-Recht 626. 650. 658. 676 f. 723. 815. 852. 911 f. — S.-Schreiber 637 f. 786. 867. - S.-Schultheiß 628. 639. — S.Siegel 637. 700. — S.-Verweisung 758. 775. — S.-Vogt 507. 627n. 628. 630. 638. — Alt- und Neustadt 624. Städtebund, rheinischer 643. westfälischer 643 n. schwäbischer 643. Städtekollegium im Reichstag 511. 823. Städteordnung, preußische 876. Städtesteuern 527. 542ff. 612. 642f. 646. 837. Städtetage 543. stafa 62. Staffelgericht 176. Stahlhof, Londoner 644. Stämme 11. 90 f. 120. 145. 518. Stammesherzog (vgl. Herzog) 97 f. 117n. 118n. 120. 133 f. 150. 154. 179. 254. 474. König 106. 111. -Recht 120. 130. 228. 231. 254. 549. 647. -Reiche 90. -Versammlung 22. 49n. 106. 111. 134.149f. 242. 244. 258. Stammgut 330n. 437. 449n. 564. 723. 750. Stammrolle 156. 858.
Wort- und Sachregister.
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Stand 45ff. 58. 71. 214ff. 346. 434ff. 461 f. stipula, stipulatio 61. 294n. 295 f. interposita 296 n. subniza 294 n. 296 n. 549. 804 ff. Erhöhung 486. 814. 822. stiura 542. Aufhebung der S.-Vorrechte 892. Stockwerkseigentum 723. Stände 614 n. Standesherren 795. 805. 875. 885n. 399n. Strafangriff 184. Strafbarkeit, Erhöhung 352. 354. 901 f. Strafe, System 76 ff. 232. 339 ff. 756 ff. 762. atantia 295 n. 906. 912. sakrale 76. öffentliche 652. Stapelrechte 640 n. 814. peinliche 76 f. 339 f. 756 f. an Hautu. stapsaken 85 n. Haar 348. 758. Zusatz-S. 342 n. (344 n). Statthalter 484. 598n. 610. 817. 828. 352. ablösbare 340 ff. 347. 349. 351. der heimlichen Gerichte 577. 580 f. 357 f. 466 n. 561 n. nach Ermessen 76n. S.-Rat 828. 249 n. 342. 354. 358. 756. S. im Heere statutarische Portion 736 n. Vgl. Ehe39. — S.-Gedinge 195. 274 n. 727. gatten. -Klausel 195. 341 n. -Gesetzbücher Statutarreuhte, Exemtion von denselben 892. 906 ff. 912 ff. 915 ff. -Prozeß 83. 807. 359. 559. 892. 901 f. 906. 908. 912 ff. staua 43 n. 915 ff. -Knechtschaft 76 n. 220. 342. Staveren 672n. 685. 358.459. — S -Umwandlung(vgl. Gnade) stefiia 84. 76 n. 117. 340 ff. 756. 758. 763. — S.stehende Heere 857. Vollzug 76 f. 88. 340. 355n. 763. -Um* Steiermark 442. 673. bildung des S.-Rechts 788. 892. 902 f. v. Stein, Freiherr 876. 888. 906. 912. Steinigung 76 n. 340. Straflosigkeit 67. 75. 77 ff. 81 f. 87 f. 341 n. stelan, stein, stehlen 75 n. 351. 357. Stellinga 449 n. Strandregal 196. 210. 533. 595. Stellvertreter im Gericht 50 n. 67. 101 n. Strasburg 629n. 630n. 634 n. 642. 701 n. 114. 159. 180. 186. 201. 223. 225. 7l9n. 778. Formeln266. Stadtrecht687. 270. 318. 321. 324. 362. 382 n. 384 f. Straßen, Bau 129. 197. 201. 529. 535. 440. 458. 552. 716 n. 732. 747. 765 f. 638 n. -Frieden 118. 604 n. 'Gericht 831. 905 n. in sonstigen Rechtsange535. 604. -Raub 774. -Regal 209 f. 397. legenheiten 709. 715. 747. in Lehn529. 535. 592. sachen 407. 409 n. 416 f. 794. im Heer- Streitgedinge 362 n. 363. 375. 382. 384. dienst 156f. 162n. 515. 858. 875. 882. Strohwisch 108 n. 373. 471. 569 n. 625. — S. des Königs (vgl. Reichsverweser, Strom, Bett 535. -Regal 208 f. 397. 427 n, -vikar) 128. 136. 139. 141. 176. 482 ff. 534 f. 537..587n. 593n. -Zoll 191. -Bau509. 549 f. 553. 577. 814. des Richters ten 129. 535 n. 127. 131. 167. 170. 174. 176. 550. Strudis 370 n. 562 f. 567 ff. 572. 582. 603. des Kanz- Stryk 902. lers 491 f. bei der Königswahl 479. Stuhl (vgl. Frei-S.), -Freie 451 n. -Herren Stendal 681. Glosse 663. 577. 579. 587 n. steora 194n. stuofa 194 n. Sterbfall 431. 440. 456. 605. 808. Sturmsold 857. Steuern.(vgl.Bede) 115n. 118.192ff. 201n. Suarez 913. 510. 519. 524. 542 ff, 6 1 0 £ 782. 829. Subdiakon 184. 831. 835. 838. 844. 868 f. 876. 889. 897. subregulus 106 n. landstfindische 566 n. 613. 853 ff. 862 f. Subsidien 195. städtische 527. 542 ff. 612. 637 f. 642. subsidium caritativum 836. 869. regiuni 643 n. 646. 837. reichsritterschaftliche 542. 870. Befreiungen 200. 543 n. 544. 611 ff. subsidiäres Recht 790. 907 f. 918 f. 838. 854 f. Vgl. Ungeld, Gebäude-, Sueben, Sueven 11 f. 19. 37. 53. 89. 91. 93 f. Grundsteuer. Sugambern 95. Steuerräte 865. suggestio 384. Steuerverein 888. Sühne 40 n. 69. 70 n. 80 f. 85. 180. 182. Stift, als Sendherr 585. evangelisches 185. 293. 466 n. 752. Í56. 758. 763. 822. st.-mäßiger Adel 447. 807. S t verboten 352. 356. Vogt 182. 186. 516n. 566. 570. 588. 596. Summa Aegidiana 665. curiaeregis 705. 607. 627. St.-Administrator 822 n. 845 n. dictamini8 705. decretalium 660n. feuStiftung, milde 129. 275. 709. dorum 695. legum 706. de poenitentia 665. prosarum 705. der rechte stille Wahrheit 776. st. Frage 775. Weg 901 n. legum Langobardorum ¿44. Stillgericht 578 ff. sunnis 84. 374 n. stipendiarii 458. 61 B. SOHRÖDEB, Deutsche Kechtsgeschichte. 4. ull.
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Wort- und Sachregister.
euona, suonari, auonetuol 85 n. Superintendent 847.' Supplikation an den LandeBherrn 860. Surrogat 735. suscepti 159. Sussex' 94. Bvfis-scara 276 n. Syagrius 96. Syndikatoklage 832. Syndikus 786. 867. Synode, Bynodus 146. 151 f. 183 f. synodalia 152. 436 n. 585 n. Synodalverfassung 847. tabularii 181 n. 183. 226. Tilg, zu seinen T. kommen 417 n. 709. T. Löhner 637. 801. T.-Werk 205. T.Werker 457. tagadinc 45 n. taka 110 n. Talion 762. tallia 542. 612 n. Tanfana 11 n. tangano 85 n. 362 f. tanodo 314. Tassilo 164 n. 246 f. Taufe 269. Taufkirche 585. Tausch, Tauschhandel 13. 63. 273. 279 n. 296 n. Tausendschaft 19. 28. 37. Führer 19. 28. taxaga 75 n. Teck, Herzog von 395 n. teiding, teidingen 45 n. Teilbau 430. 540. Teilnahme an Verbrechen 351. 762. Teilrecht 739. 791. Teilung der Grafschaften, Territorien 557. 821. 845 ff. der Grundstücke 801 f. des Hausvermögens 322. 333 n. 336 f. Teilzettel 699. 732. teloneum 191 n. Tempel, Gut 57. -Frieden 74. -Schändung 76 n. -Raub 249. T.-Bünde 11. Eigen- oder Haustempel 30. Tenngier, Ulr. 902. teoda 177 n. terminus 121 n. terra 273. salica 212 ff. 214 n. terragium 193. 430. Territorial-Kommission, Rezeß 878. -Prinzip 232. 239. 243 f. 254. 256. 259 f. 647 f. Territorial-Stimmen im Reichstag 821. Territorien, Entstehung 396 f. Abrundung 596. zusammengesetzte 616. 844. 853. 859. reichsstSndische 843. ohne Reichsstandschaft 843 f. städtische 867. gemeinschaftliche 586. 600 n. 822. 844. territorium 121 n. tertia, fränkische 315 ff. 319. Testament 72. 232. 420 n. 487. 583. 754. 787. 905 n. Vollstrecker 754. testamen-
tum 262. regis 209 n. 211. 283. vgl. Verfügung von T. w. testatio 372. 380. testes rogati, per aures tracti 86 n. 263 n. 277 n. synodales 584. testimoniatio 139. 176. 262. texaga 75 n. Thäler 616. Theodebald 97 n. Theodebert 97. Theoderich I. 97, II. 97. (Franken), der Große 92. 97. 240. Edikt 238 n. 240. 245 n. Theoderich I. (Westgote) 237. thesaurarius 140. 199. Thervingi 91. Theudis, Westgotenkönig 237 n. Thibaut 915. Thingsus, Mars 23 n. 42. thing, thinx, thingatio 21. 41. 61 n. 337. thiot 11. thiotmalli, thiodothing 22 n. thiudans 25. (177 n.). Thomaaius 904. Thron, Erhebung 107. Folge 108 f. 615. 845 ff. -Lehn 794 f. thunchinium 126. 167 n. thunginus 111. 126f. 129. 150. 167. 177n. 372. Thüringen 49f. 91. 92ff. 97f. lOln. 109. 121 n. 174. 190 n. 219 n. 222. 228. 230. 248. 392. 494. 649. 740 f. Landgrafschaft 505. 555. Thum und Taxis 795 n. 841. 897 n. tie, tigge 41 n. Tiere, Haftung für 83. 349 ff. 732. T.Prozesse, -Strafen 349 n. tiodute 37 n. Tirol, Landrecht 910. Halsgerichtsordnung 906. Landstände 616. Tocco, Carolus de 244 n. Tochterdorf 59 n. Tod, bürgerlicher 342 n. Todesstrafe 24. 39. 45 f. 76 ff. 88. 112. 117. 128. 137. 154. 177. 184. 248 n. 262. 305. 339 f. 342. 353 ff. 356 ff. 361. 375 f. 383. 580. 644 f. 756. Arten 75 n. 340.756. Abschwfichungen 340. sakrale 76. 339. Vollziehung 74 f. 86. 131. 167. 172. 339 f. 763 n. Vgl. Lösung des H&Ises. Todesurteil 75 f. 112. 177. 563 n. Todfall s. Sterbfall, toft 55. toi, toloneum 191 n. tolva 563. torf unde twig 62. Totenschau, gerichtliche 774. Totenteil 72. 336. 456 n. 530 n. Toter erbt den Lebendigen 335. 717. 751. Totteilung 722. 739. Totschlag, Tötung 74. 80. 179 n. 343. 351 n. 354. 583. 760. vermessentlich
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Wort- und Sachregister. 354. unabsichtlich 756. in Notwehr 341 n. 756. Straflosigkeit (46). 67. 75. 77 ff. 81. 87 f. 218 n. 290. 321. 341 n. 343 n. 351 n. 357. 376. (458). 745. 756. 762 n. Toul 642. Stadtrecht 686. tractoria 197. 201. traditio 277. 281. 800. 718. cartae 263. 278 ff. 281 n. 288 n. 289. 296 n. 301. 314. 338. 701. 718 n. 726. iterata 288 n. Traditionsbücher 264. 701. trae ok taka 293. transactum 288 n. transitoria, transitura, trastara 191 n. Trauung 70 f. 292. 300 ff. 322 n. 733 f. Schein-T. 301. tremissis, tremissus 187. 190 n. Treue (vgl. fides, Handtreue, Schuldversprechen) 290 n. T.-Pflicht 33. 67 n. 117 n. T.-Gelöbnis 34. 61 n. 160 n. 712. 724. 730. T.-Bruch 35. 39. 82. 117n. 284 f. 304. 354. 394. 408. 421. 509. treuga Dei 652. Heinrici 660. 755. Treuhänder 224 f. 278 n. 417 f. 709. 725. 743. 754. 765 n. Vgl. Salmann. treuwa 60 n. 652 n. 730. Trevirer 12. Triboker 15 n. Tribunal 860. Ober.-T. 860. tribunus 31 n. 131. 167. 599. 601. Tribut 49. 195. 541. tributariua (194). 221. 345 n. triduana possessio 287. 338. 718 n. triens 187. Trier, Erzkanzler 478 n. 490. Kurfürst 475 f. 478 n. 479. 819. Landrecht 911. Tripartita 253 n. Tritt- und Trattrecht 205 n. Trost 32. Truchseß 35 n. 140. 142. 439. 486. 488. 597. 815. 818. ti-uht 32. Trupp 15 n. 17 n. trustis 32. 123. 141. 157. 159. 161. 162 n. 216. 218. 356. 377. Abschichtung 141. 165. trygäir 80. Tübinger Vertrag 854 n. 909. Tuibanten, Twente 23 n. tuitio 113. tun 17. 40. 55. tunchinium s. thunchinium. tung 55. tuom 43. turniermäßiger Adel 447. 807. turnliute 608. tutor, tutela 226 n. Überfall, Überhang 711. übernächtige That 78. 770. Ubier 50. 96. Übersagung 79. 775.
Übersiebenung 775. Überteuerung 724. Ugo, lomb. Jurist 244 n. 694 f. tiheilagr 77. Ulfljodslög 228 n. umferj> 62. Umschlagsrecht 640 n. Umstand 168. 561. unbilde 15 n. Undankes 732. underdinge 773 n. Unedelmann 450n. 462n. unfaehde 80. Unfallshaftung 83. Unfreie (vgl. Leibeigene) 36. 41. 46 ff. 50. 58. 80n. 101 n. 154n. 218ff. 271. 346. 369. 383. Entstehung 46. 48. 66. 219 f. 290. 305. 321. 340. 342. 355. 358. 459. 463. 808f. 844n. Ehen 47. 71. 219f. 305. 456n. 459. 463. 466. 808ff. Unzucht mit Freien 357. Missethaten 46. 83. 85. 179f. 271. 841n. 849f. 732. 756. Wergeid 346. flüchtige 232 (vgl. nachfolg. Herr). Beendigung der Unfreiheit (vgl. Freilassung) 221. 224 ff. 455n. 458. 808f. bewegliche oder unbewegliche Sachen 219. 271. U. als Geistliche 145. 219. als Beamte 126. im Heere 159 n. Schutz gegen den Herrn 756 n. Ungarn 391. 650. Ungefähr 82 f. 348 ff. 732 f. 759. U.-Buße 349. Ungehorsam, Protest 44 n. 64. 381. Verfahren 81. 360 n. 373 ff. 580. 770. ungehür 74. Ungeld 527. 612 f. 638. Vgl. Accise. ungelücke, ungeschiht 732. Ungenossame 809. Ungericht 756. 759. ungewerte Leute 425 n. Universalsuccession 752. Universitäten (vgl. Aktenversendung) 487n. 785. 789. 814. 867. 885. 908. unram, unramelinges 732. unriuchte here 74 n. Unscheltbarkeit 262. 861. 771. Untereigentum 723. 793. 797. Untergenossen 462. 549. 552. Untergericht s. Niedergericht. Untergraf 130. 170. 495. 558. 562. 570f. 588. 599. Unterhaltsanspruch 269 f. Unterherrschaft 587. 597 n. 615. 844 n. Unterpfalzgraf 139. Unterrichter 192. 559. 599 f. Unterschied 744. Unterschlagung 355. 377. Unterthanen, Widersetzlichkeit 851. 854. 883. Klage gegen den Landesheim 831. 851. 855. 883. Untervogt 567. 601. 61*
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Wort- und Sachregister.
Varn, Stadtrecht 690. vkssus, vassallus 158 f. 162. 165. 180. 218. 402. 514 n. Vassailen 136. 158 ff. 217. 436. Vgl. Heerschild, Lehen, vastinge 730. Vater, Recht 64 f. Gewalt (vgl. Munt) 64. 66f. 271. 320ff. 328. 346. 733. 745f. 766. Aufhebung 271. 322. 746. als Vormund 71. Träger des Hausvermögens 326. vapaeifr, vafiaverk 83. väamäl 14. vi, vibönd 39 n. 42 n. veizla 162 n. Vektigalrecht 193. 210. veme, vemer, vemedine 575 f. Venetien 99. Verantwortung 160. 179 f. 223. 324. Verbannung 340. 342. 343 n. 358. 758. Verbrechenkonkurrenz 352 f. verbum 42 n. regia 113. 114 n. 116 n. 117 n. Verdun 643. Vertrag 99 f. 119. 388. veredi 197. Verfahren von Amts wegen 352. 356. 382 f. 756. 774 ff. 906. heimliches 775. Verfangenschaft 72n. 811 f. 3l7n. 737ff. 743. 791. Verfässungsgesetze 886. 891 ff. 895. 898. Verfemung 580. Verfestung 177 n. 342n. 559. 757. 770 f. Verfluchung, Selbst- 24. 62. Verfügungen, Vergabungen von Todes wegen 283 n. 287 f. 319 n. 320. 338. 411. 716 n. 753. Vgl. Testament. Verhaftung 775. Verbandlungsprinzip 84. 360. 913. Veijährung 362. 380. 383. 720. 770 f. 795. Verklarung 83 n. 348. 763 n. Verknechtung 76 n. 81. 220. 342. 858. 459. Vgl. Notverkauf. Verkoppelung s. Zusammenlegung. Verlassung 277. Verleihung des Bergbaurechts 540 f. Verliegenschaftung 713. 745. Verlober 299 ff. 321. 733. Verlobung 71. 299 ff. 313. 743. Bruch 303 f. Vermählung 30.0. Vermögen, Einziehung(vgl. Fronung) 77 f. 81. 88. 134. 183 n. 195. 335 342. 343 n. 353n. 354. 358. 372f. 375 455. 521n. 531. 757. 761. Vorenthaltung 297. 359. Yadium s. wadia. Zerstörung 78 n. 358. 757. Verordnung, königliche 113. 115f. 259. valvasor, vai vasin us 160n. 400. Vandalen l l n . 31 n. 57n. 89. 91f. 101. Verrat 760. Vgl. Hochverrat, Treubruch, verreden 79. 128 n. Verreichung 718. Vangionen 15 n. verrufen 79. v&pnatak 24. 41 f. 97 n. 152 n. Versailler Verträge 898. vare 84, 765. Versammlungsrecht 885. 890. 892. vargr 75. verschieden 62n. 277. varii 15 n. 274 n.
Unterzug 455 n. unwena lawa 327. Unzucht 66. 74. 76 n. 299 n. 357. 583. 760. Uplandslagen 228 n. uppeaga 24. 229. upsate 760 n. Uptalsbom 397 n. 671 f urbar 540. U.-Gericht 605. Urbarien 198. 264. 698. 702. 799. nrba 620. Urbuch 278. urchundo 86 n. Urfehde 80. 343. 763. urgiht 775. Urheberrecht 852. 885. 917. Urkunde, Geschäfts- 262 f. 294. Beweis262 f. 767 n. 771. Privat- 262 f. 361. 698 f. öffentliche 262. 548 n. 698 f. Schreiber 262. 362. verlorene 263. Aufgebot 771 n. Schelte 262. 361 f. 368. (771). -Geld 86 n. 365. 687. 733. Vgl. Beweis, carta, Gerichtsurkunde, traditio cartae, Kanzlei, Königs-U. arsale 742 f. ursasse 744 n. Urteil 43. 75f. 77 f. 80f. 85. 167. 172f. 175 f. 177. 184. 363. letztes 551n. 563 n. 572n. 601 n. 627. -Ausgabe 43. 257. 564. 772. 861. -Bitte 85. 363. -Buch 551. -ErfUUungsvertrag 81. 85. 88. 293 ff. 363. 370. 372 ff. 380. 767. -Frage 43.177. 363. 512. 549. 602. 765. Rechtskraft 177n. 386. 546. 551. 772f. -Schelte 178. 195. 369 f. 385. 462. 547. 561. 582. 677. 772. Vorschlag 43 f. 167 f. 470. 772. -Vollstreckung (vgl. Pf&ndung, Strafvollzug) 76f. 81. 88. 111. 127. 129. 131 f. 167 f. 171 f. 174. 181. 200. 370 ff. 561. 579. 627. 782. 829. 832 f. Hegungs-U. 42 n. 562. Vgl. Beweis, Folge, Vollbort, Weistum. Urteiler 43ff. 112. 167ff. 171f. 174f. 462. 464. 466. 475. 557. 561. 565. 582. 600. 602ff.605 f. 629. 758. 859 ff. im Königsgericht 176. 549f. 582n. im Kammergericht 553. usus modernus pandectarum 902. ususfructus maritalis 791. ütlagh, ütlegit 77. utbeizla 381. Utarecht 145n. 686. ugheischen, urheischen 546 n.
Wort- und Sachregister. Verschollene 747. verschweigen, sich 531. 719. 721. Vgl. Gewere (rechte), J a h r und Tag, Verjährung. Verschwender 747. Versprechen, Bruch 771. Verstümmelungsstrafe 340. 355 n. 357. 756. 761. Versuch, Strafbarkeit 82. 351. 762. 906. verteidigen 45 n. Verträge, Form 60 ff. 289 ff. 730 f. 787. Entgeltlichkeit 63. 85 n. 284. 297. 761. Bar-V. 63. 289. 296 f. zu Gunsten Dritter 732. 766 n. internationale 60 n. 512. 530 n. 533. 645. 814. 882. V.Strafen 62. 195. Verwahrlosung 733. Verwaltung, Bann 113. -Gericht 865 f. 901. Organisation 260. der Zentral-V. 138 ff. 197. 597 ff. 864 ff. 876. 887. mittlere 127 ff. 610. 864 ff. 876 f. 887. niedere 126. 130 f. 197 f. 607 ff. 864 f. grundherrliche 430 f. -Exekution 116. 258. Verwaltungsgemeinschaft, eheliche 306. •319. 715 n. 735 f. 737 f. 743. 787. 791. Verwandte (vgl. Geschlecht, Magen, Sippe, Zeugen), Eidhelfer 86. 365 n. 366 n. halbbürtige 750. Tötung von V. 354. Grenze 66. 333. Zerschneidung des Bandes 224 f. Verweisung 73 n. 774. verzollen 78. 117 n. Verzicht 297. bei Erbteilung 275. 337. 722 f. bei Auflassung 61 n. 722. Verzug des Schuldners 290 f. vestigii minatio 376. vestitura 206 n. 274. 282. Veto, kaiserliches 814. 823. 854. Vetternbuße 80. Vetterschaften 66. 333 n. via lacina 351 n. 369 n. vicaria, vicarius 123. 131 f. 136 n. 167. 170 n. 171 n. 172. 181. 280 n. vicecomes 130. 170. 174. Vgl. Untergraf, vicedominus 130. 145. 170. 201. 494. 610. vicinus 58 n. 208. 211. 425 n. vicissitudo 284 n. Vidimus 701 n. Viehgeld 14. 79. 273 n. Viehpfändung 274 n. Vielweiberei 71. 110. vierendele 66 n. Vierteilung, -Strafe 756. Viertelshauptleute 610 n. vierzehn Nächte 13 n. vif-gage 725. vig 74. vili, viliaverk 82. villa 17. 197. 203 n. villicus 180. 198. 565. 601. vingiaef 302.
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virga pastoralis 403. Visitation, der Diözesen 384. des Reichshofrates 833. der Reichsgerichte (Visitations-D.) 831 f. 834. vitafe 381 n. vite 74. vitni 86 n. vitöf) 15 n. Vizekanzler 138 n. 491 f. 816 ff. 824. Viztum 602. 610. Vgl. vicedominus. vijierlagh 33. vocatus, vogatus 200. Vogt, Vogtei (vgl. ad vocatus, Stifts-V.) 137 n. 159. 182. 186. 200 f. (215). 226 n. 452. 506 f. 540. 572. 596. 604. 608. hohe 396. 506. 566 f. 600. 604 f. niedere 182. 200. 560 n. 566 f. 601. 604. grundherrliche 629. 630 n. über Bergwerke 540. 541 n. Obermärker 427. Vogtei als Amt 607. 609. V.-Ding, -Gericht 600 f. 603. Unter-V. 567. V.Leute (vgl. Hörige) 218. 452 n. 453 f. 457 n. Vöhden 428 n. Vokabularien 706. Volk f ü r Heer 15. 514 n. Völkerschaft 11. 20. 121. Völkerwanderung 39 n. 59 n. 89 ff. volkfrei 48. 51. Volkland 26. 54. 57n. 149n. 210f. 2I3n. Volklandskönige 104 f. 149. Volks-Frieden 26. 117. Gericht, Umwandlung 859. -Haus 891. -Justiz 339. 357. 757. -Recht 113. 114. 116. 120. 130. 136. 175. 178. 211. 213 n. 220. 222. 227. 228 ff. 233 ff. 254 ff. 257. 282 f. 343 n. 360. 383 n. 647 f. 649. 655. 718. 903. -Versammlung 21 ff. U l f . 229. Vollbort (vgl. Folge) 24. 41. 43. 152. 167 f. 172. 175. 178 n. 257. 370. 473. 561. 564. 772 n. Vollgericht 41. 167. 170 f. 174. 563. 600. Voll- und Neumond 23. 37. 44. Vollhufner, Vollspänner 425. Volljährigkeit 321 f. 324. 417 n. 747 f. 815. 852. Vollstreckungsklausel 773. Vorbann 42 n. 342 n. 351. 373 n. 375. 757. Vorbedacht 760 n. Vorbehalt, fraulicher 743. 787. geistlicher 811 n. 822 n. 845 n. 872 n. 905 n. Vorberufung der Enkel 749. 753 n. vorderunge 766 n. vordere Hand, Berufung an 551 n. 773. Voreid 362. 378. Vorflucht 773. vorhure 456. 633 n. Vorkaufsrecht 101 n. 207. 276. 288 n. 456. 594. 640n. 722n. 723. 726n. 870n. Vorlesungen, juristische 244. 904. Vormund, Vormundschaft (vgl. Munt) 36.
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Wort- und Sachregister.
60. 323 ff. 328. 462. 466. 487. 709. I 746ff.765.839.905 n. 914. Gesamt-V.71. | 325. 328 n. Individual-V. 71. gekorener 733. gesetzter 326. Ober-V. 71. 322. 325 f. 747 f. Altera-V. 71. 747. Geschlechts-V. 71. 271. 298ff. 304. 307f. 709. 733. 747. über Volljährige 271 f. 324. 709. 766. eheherrliche 306. 709. nutzliche 275. 324. 416f. 748. fürsorgliche 748. Aussteuerpflicht 308. Verantwortung, Vertretung 324. 766. Erbrecht 329 n. Balemundung 325. 748. V.-Gewere 717. Zuchtgewalt 324. Ehebewilligung 327. — Regierungs-V. 110 f. 479. 484. Vorparlament 890. vorsate 760 n. vorschotinge 62. Vorsprecher des Rechtens 561. Vgl. Fürsprecher. Voruntersuchung 184. Votum ad imperatorem 833. votum regis 226 n. vrönunge 372. Wachdienst 129. 156. 201. 638. Wachszinsige 226. 454. 457 n. wacta 156. 197. 201. wadia, wadium 49 n. 270. 274. 277 n. 291 ff. 292 f. 359 n. 382. wadiatio 293. 294 n. waepengetaec 42 n. Waffen (vgl. Gairethinx, Heerschild, v&pnatak, Bewaffnung), im Ding 22. 41. 172 n. -Fähigkeit (vgl. Heerschild) 22. 24. 47. -Reichung 25. 34. 89 n. 48 n. 61. 67 f. 70. 162. 166. 224f. 277n. 292. 301 f. 310f. 338. 403f. 447. 474n. -Schau 22. 150n. -Verbot 22 n. 23 n. 172n. 652. -Probe 22. 36. Eid auf die W. 24. 86. Wegwerfen der W. 25. W. von Geistlichen 583. W.-Rührung 24. 41 f. 97n. 152n. 225. 473. Wagegelder 634. Wahl, politische 23 ff. 28 ff. 31. des Richters, Gesetzsprechers, Vogtes 28. 38 n. 44. 126 f. 132. 137 n. 167. 172. 174f. 201. 564. 575. 600. 603. 628. der Markbeamten 426. der Schöffen 169. (584). 638. des Stadtrates 636 f. der Bischöfe und Äbte 144. 474. 499 ff. des Herzogs 30. der Fürsten 28. 413 n. 615 n. des Königs, vgl. König. Wahldekret 474. Wahlgesetz, Reichs- 890f. 895. 897. Wahlkapitulation, Reichs- 814. 819f. 825. 834. 837f. 852 f. 870. 905. ständige 820. W. der geistlichen Fürsten 616. 853. Wahnsinnige 83. 732. 747. Währschaftsbücher 702. Währung 188f. 251. 526n. Wahrzeichen 25. 37 n. 45. 60 ff. 70. 78.
84. 107 f. 114n. 162n. 225 n. 277. 293. 295. 300. 302 n. 365. 373. 403. 420. 470 f. 528 n. 569 n. 592 n. 593 n. 625 f. 718. 722 n. 794. Vgl. Investitursymbol. Waibel (vgl. Gerichtsbote) 561.609.667n. Waisen 116n. 583. Walahfrid Strabo 268. walaraub 75 n. 355 n. Walcausus 243. Wald (vgl. Almende), -Eigentum 210n. 427. -Bote, -Graf, -Meister 427. -Gänger 77. -Hufe 432. 451. 454. -Recht 454. -Schutzgesetzgebung 804. -Wechselwirtschaft 56. 203. -Genossenschaften 54. waldbrond 356. wandelang 60 n. Wandelung 765. wanhoede 733. wanteporo 385. wanto 60 n. Wappen 437 n. 447. 487. 700 n. 807. warda 156. 197. warens 379. warf 22 n. waregang, wargengus 232 n. wargida, wargus 75. 81 n. warlöse 733. Warnen, Werinen 11 n. 92. 228. 248. Warner im Gericht 765. Wasconia 121. Wasser, Bauten 535. -Recht804. -Tauche 351 n. -Urteil 368 n. 773 n. -Weihe 67. 269. watschar 276 n. wealh 49 n. Wechsel 593 f. -Bank 189. 527. -Geschäft 468 n. -Güter 428 n. -Recht, -Ordnung 889. 891. 909. 914 ff. Vgl. Raub- u. Wechselverträge, wedde 295. wederstadinge 729 n. 752 n. Wegebau 129. Wegegeld 191. Wegelagerung 762. wehadinc 87. Wehrhaftmachung 22. 33 f. 36 f. 47 f. 67. 71 f. 111. 338. Wehrpflicht 36. 47. 153 ff. 162. 197. 450 n. 514 f. 634. 638. 877. 882. 897. Vgl. Aushebung, Heer. Weiber (vgl. Geschlecht), befriedet 652. im Lehnsverhältnis 407. 409. W.Lehen 405 n. 413 n. 416. 793. Erbrecht 328 ff. strafbare Handlungen 350. Bußen 344. Weichbild 15 n. 641 n. 677. mehrere Weichbilder 642 n. Hausleihe, Hauszins, Rente 623. 727. Sächs. W. 679. Weide, ewige (55). 204. W.-Gelder 193. 199. W.-Gerechtigkeit 803. W.-Strang 76 n.
Wort- und Sachregister.
967
Weinbauer 454. Widerlegung 744. Weinbergsbifang 428. Widersacher 84. Weingarten, Hofrecht 693. Widersagung 421. Weinkauf 86 n. 365. 456. 730. 733 n. 798. widrigild 340 n. weisat, weisunge 808 n. Wiederanfall 749 n. Weise des Lehnrechts 670 n. Wiederkauf, Verkauf auf 713. 725. 728. Weistum 15. 228. 234. 248 n. 250 f. 255. Wiederkehr 284. 744. 750 n. 258. 264. 602 f. 696 f 702. 771. Wiek-Öselsches Lehnrecht 669. Reichs-W. 512.655. Stadtrechts-W. 677. Wien, Stadtrecht 690 f. 707 n. Konkordat Wenden, friesische 671 n. 657. Kongreß 878. Konferenzen 884 n. wendische Gebiete 389. -Städte 645 f. 885 n. Schlußakte 880. 884 n. 886. Wenzel, König v.Böhmen, Bergrecht673. Friede 893. Werber, Werbung 520. 857. 877. Wiener-Neustadt, Stadtrecht 691. 707 n. Were 206 n. wiffa, wiffatio 108n. 373. 382n. Wergeid 46n. 51 f. 58n. 80. 87n. 143n. Wihtraed 253. 159. 188n. 190n. 216. 218. 222f. 229. wijssheit 558 n. 232. 250. 352 n. 355. 358. 437 n. 458. Wikingerzüge 106. 461. 466. 652. 756. 769n. W.-Beträge Wildbann 114. 196. 210. 427. 429. 505. 250 n. 344 ff. erhöhtes 146. 216 ff. 245 f. 536 f. 595. 354. dreifaches 118. 126. 129. 137. 141. Wildfang 538 n. 595 n. 150. 165. 216 f. 345 f. 347 n. 354. neun- Wildfangsrecht 808. 844 n. faches 346. halbes 770n. Bruchteile Wilhelm I., Prinzregent 893. König von des W. 346. W. des Königs 80 n. 354 n. Preußen, Bundespräsident des Nordd. der Fürsten 29. der Geistlichen 143n. Bundes 896. deutscher Kaiser 898. 146. 345. des Thäters 341 n. 347n. Wilhelm der Eroberer 253. Articuli Wil350. W.-Sehuld 46 n. Ablehnung des helmi 253 n. W . von Occain. 707. W. 343. Teilnahme der Lippe 80 f. Wilihelmus 244 n. 345. W. und Hufe 206. Willebriefe 512f. 704. weijan 85. 274 n. .Willkür 678. Weriner vgl. Warnen, Wimpfen, Oberhof 687 n. werpitio 61. 277. 280n. 294n. 295n. wirdira 347. 353 n. 356. Werttarif, gesetzlicher 188. Wirt 711 n. 766. Wesel 684. Wisby 644 f. 682. Wismar 778. 868. 878. Wessex 94 f. 228 n. 252. Westfalen 93. 247. 258n. 312. 318n. 319. wissend machen 579. 577. 587 n. Herzogtum 394. 555 n. witan 44 n. Königreich 795. 874. 878. westfälisches witan, wite 74. 81 n. Recht 228 n. 312. 661. 684. 736. 741. witenagemöt 149. westfälischer Friede 778. 811. 818ff. Wittenberg, Hofgericht 861. 821. 823f. 830. 834. 837f. 845. 848. wittiskalk 126. 855. 867. 905. westf. Kreis 826 n. Wittum 70. 285 n. 298 f. 302 ff. 307. 310ff. Westfriesen 228. 249. 314—318. 321 n. 409. 455 n. 733. 739. Westgermanen 2. 11. 21. 27. 48. 60 f. 743. Verbriefung 314. 316 f. VerWestgötalagen 228n. schmelzung mit der Morgengabe 311. Westgoten, weatg. Recht 38n. 44n. 91. 317. W. des Mannes 744. 97f. 99. 101. 106. 118. 173n. 181 n. Witwe 70. 116n. 222n. 232. 271 n. 298n. 187. 202. 220n. 227. 230. 236n. 237 ff. 299f. 302. 312f. 319. 323. 326. 328. 242n. 267. 269. 270n. 271 n. 310. 313. 463. 583. 736. 738. 751. 314 n. 330. 366 n. wizi, wizen 74. Westmannalagen 228 n. wizzöd 15 n. Wette (wadja, wetteschatz) 273 f. 289 ff. Wlemar 250 f. 292 f. 729 n. 756. 763. 771. W. geben wohlgeborene Leute 451 n. und nehmen 730. W.-Bürge 377. W.- Wolf 76. Vertrag 63 n. 293 f. 297 n. 300 ff. 363. Worms 93. 99. 642. Judenprivileg 468. 371 n. 381. 729 n. 733. 759 n. Konkordat 403. 499 ff. 521. 666. MaWetzlar 687 n. 830. 911. trikel 835 f. 838. Reformation 906. 911. wie, wich, wik 17. 74. 621 n. Reichstag 782. 826. 828. 830. 838 n. 907. wichgraf 630 n. woSbora 385. widern 147. 299. writan 14 n. widerdonum, widergift, widerlön 284n. Wrogen, hohe 756. Vgl. Rfige. widereid 362. 364 n. Wucher 467. 469. 583. 729n. 752. 812. 839. widergeld 80n. 341 n. -Gesetze 713. 725. -Privileg 595n. 812.
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Wort- und Sachregister.
zieh 41 n. ziht 85. Zins 424. Grund-Z. 50f. 164. 193n. 198. 286 f. 798. 810. ausgebliebener 287. 297 n. 432. 767. Eintreibung 765 f. Pfändung um Z. 714. Freiheit 433 f. Z.-Verbot 725. Z.-Versprechen 751. Z.-Fufi 545. Z.-Tag 633. Berg- u. Salz-Z. 196. Schutz-Z. 195. erster Z. 727. Verzugs-Z. 297 n. zinsbares Darlehn 467. Z. f. Pfand 725. Vgl. Anerkennungszins, Hausleihu, Leihe, Gewere, Wurtzins. Zinseigen 433. 624. 632f. 716. 721. 724. 727. 798. y r f e 273n. ZiDsleute 452 ff. 457 n. Vgl. censuales, Wacbszinsige. Zadruga 19 n. Zirkumskriptionsbullen 886. Zahlungsaufforderung 290 f. zise 613. Zähringen, Herzog von 395 n. Z i u l l . 23.38. 41 n. 42. 45n. Ziuwarenll. zascön 74 n. Zoll, Zollregal, Zollprivileg 191. 512. 523. Zasius 910 f. 528 f. 536. 573. 588. 591. 625. 814. 819. 851. 888. Befreiungen 191. 201. 528 f. Zauberei 74. 76 n. 357. 760. 593. Markt-Z. 191. Zehnt 147 n. 164. 193 f. 195 n. 430. 522 n. Zöllner, Zollschreiber 530 n. 609. 631. 433. 540. 583. 803. -Freiheit 522 n. Zollverein 888. 898. Zollkonferenz 889. Zehntschaft 38 n. 157. Zollbundesrat, Zollparlament 898. ZollZeidlerrechte 697. anschlüsse 888. 898 n. Zollgesetze 889. Zeitrechnung, german. 13. 55. 898 u. Zeige 204. Zuckersteuer 889. Zender, Zenderei 603. Zugeid, Zugift 743. Zensur, Bücher- 885. Zent 122. 558. 599f. 603. 839. Z.-Gericht Zunft (229). 622. 637. 639 ff. 852. 868. 506. 599 ff. 844 n. Z.-Graf 599 f. 603. -Zwang 640. 876. Z.-Meister 638. 641. Vgl. Hundertschaft. Vgl. Gewerbe, Gilde, gezunft. Zentralgewalt, provisorische 890 ff. Zurechnung 82f. 348f. 732. 771. 906. Zentralverwaltung 138 ff. 198 f. 545. 597 f. Zürich, privatr. GB. 915. Zusammenlegung der Felder 801. 803. 863 f. 876. 887. Zuständigkeit der Gerichte 24. 45. 167. Zerstörung des Hauses 77. 358. 757. 172n. 173. 177f. 181f. 184f. 379. 458. Zerstückelung, als Strafe 340. 462. 646f. 554f. 558f. 568. 574. 578ff. Zerter 699. 732. 581 ff. 699. 601. 604 ff. 627. 769. 831 ff. Zetergeschrei 37 n. 899 ff. der Reichsgesetzgebung 255 ff. Zeugen 82. 85 ff. 277. 290. 360 f. 365f. 655. 825. 917. des Deutsch. Bundes 385. 463. 466. 758. 766 n. 767 n. 768 f. 883. der Landtage 614. 854 f. 774. Geschäfts-Z. 277. 280 f. 365 f. 371 n. 381 n. 733. 754. Inquis.-Z. 137. Zwangsenteignung 535. 540. 691 n. 799. (176). 385. 532 n. 563 n. 771. 775. Zwangsvergleich 773. Rüge-Z. 385. Z. über Thatsacheii 86. Zwangsvollstreckung 714. 726. 767. Vgl. 365 f. Urkunds-Z. 86. 365. 381. 754. Urteilsvollstreckung. bei Urkunden 262f. 362. 698f. 701. Zweig als Rechtssymbol 62. 403. 593 n. Zufall-Z. 86. 364 n. 366 n. Erfahrungs- Zweikampf 87 f. 177. 255 n. 318 n. 361. Z. 86. Verwandtenzeugnis 225. 463 n. 365 f. 367. 370. 375 n. 379. 447. 462. Nachbar-, Gemeindezeugnis 86. 361. 466. 548. 551 n. 759n. 769. 772f. 770n. 365. 719 n. rogatio 86 n. 263. 277n. Zwing und Bann 43. 601. 608. 365 f. per aures tracti 86 n. 263 n. Zwölfer 563. 277 n. Ladung 86. 170. 360. 366. >egn 215 n. Pflicht 86 n. 365 f. Eid 366. Ver»eov 46. 219. nehmung 366 n. 385. Legitimation unglausn 44. 360 f. 366. Schelte 88 n. 362. 366. 368. >iubs 74n. 370. 385. (772). Vgl. Dingzeugnis, >iuda, t>io® 11. Eideshelfer, >ius 46. zeventuig, zeven buren 563 n. ?rsell 46.
wunne and weide 425 n. Warm, Nikolaus 654. 663. 670. 679. Wurster Landrecht 909. Wurt, Wurtzins 205 n. 424. 632 f. 727. Würtemberg 802. 854 n. 879 f. 887. 898. 899n. 900. 916. Herzogtum497. Königreich 874. Landrecht 792. 909 f. Rurfürstentum 819. Würzburg, Herzogtum, Landgericht 393. 555. 574. 587 n. 600 n. 605 n. Landrecht 859. Landfrieden 660. Würzburger Entwurf einer Bundesreform 893. Wüstung 78. 358. vgl. Odung.
Erläuterungen zu Tafel V. Karte der Gerichtsorganisation des Deutschen Reiches1 (nach B . Stammler). Das Reichsgericht in Leipzig. Oberstes Landesgericht für Bayern in München. XXVIII Oberlandeagerichte. 173 Landgerichte. (Die eingeklammerten Zahlen bedeuten die Amtsgerichte.)
I. Berlin.
IT. Marienwerder.
(Du Oberlandesgericht führt die 31. Danzig (9). Bezeichnung „Kammergericht".) 32. Elbing (8).
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
10. 11. 12. 13. 14. 15. 16 17. 18.
Berlin I (1). Berlin II (16). Kottbus (12). Frankfurt a. O. (11). Guben (10). Landsberg a. W. (15). Neu-Ruppin (15). Potsdam (11). Prenzlau (12).
36. 37. 38. 39. 40. 41. II. Breslau. 42. Beuthen i. O. Schi. (5). 43. Breslau (5). Brieg (6). Glatz (11). 44. Gleiwitz (6). 45. Glogau (15). 46. Görlitz (10). 47. Hirschberg i. Schi. (12). 48. Liegnitz (8).
19. NeisBe (8). 20. Öls (10).
21. Oppeln (14). 22. Ratibor (10). 23. Schweidnitz (10).
III. Posen. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30.
33. Graudenz (5). 34. Könitz (9). 35. Thorn (9).
Bromberg (8). Gnesen (6). Lissa (8).. Meseritz (9). Ostrowo (8). Posen (9). Schneidemühl (13). 1
Y. Königsberg. Alienstein (10). ßartenstein (17). Braunsberg (10). Insterburg (6). Königsberg i. Pr. (8). Lyck (10). Memel (4). Tilsit (6).
Tl. Stettin. Köslin (12). Greifswald (11). Stargard (14). Stettin (15). Stolp (7).
VII. Naumburg. 49. 50. 61. 52. 53. 54. 55. 56. 57.
Dessau (11). Erfurt (12). Halberstadt (8). Halle a. S. (18). Magdeburg (18). Naumburg (15). Nordhausen (14). Stendal (15). Torgau (1$).
VIIL Celle. 58. Aurich (9). 59. Detmold (9).
60. 61. 62. 63. 64. 65. 66.
Göttingen (12). Hannover (16). Hildesheim (11). Lüneburg (12). Osnabrück (16). Stade (11). Verden (21).
IX. Klei. 67. Altona (26). 68. Flensburg (20). 69. Kiel (22).
X. Cassel. 70. Cassel (34). 71. Hanau (22). 72. Marburg (20).
XI. Frankfurt a. M. 73. 74. 75. 76. 77.
Frankfurt a. M. (2). Hechingen (5). Limburg a. L. (14). Neuwied (14). Wiesbaden (16).
XII. Hamm. 78. Arnsberg (19). 79. Bielefeld (14). 79 a. Bochum (5). 80. Dortmund (8). 81. Duisburg (8). 82. Essen (9). 83. Hagen (11). 84. Münster (18). 85. Paderborn (17).
XIIL Köln. 86. Aachen (16). 87. Bonn (9).
Ergänzt und berichtigt nach der Deutschen Justizstatistik, Jahrg. X, 1901. Die Zahlen 79a. und 131a. wurden gewählt, um die Erläuterungen mit Tafel V im Einklang zu erhalten.
970
Erläuterungen zu Tafel V.
88. 89. 90. 91. 92. 93. 94.
XVIII. Zweibrttcken. 119. Frankenthal (6). 120. Kaiserslautern (9). 121. Landau (6). 122. Zweibrücken (9).
Cleve (9). Düsseldorf (12). Elberfeld (11) Koblenz (20). Köln (9). Saarbrücken (14). Trier (16).
95. 96. 97. 98. 99. 100. 101'.
XIV. München. Deggendorf (7). Landshut (8). München I (2). München I I (14). Passau (9). Straubing (7). Traunstein (13).
102. 103. 104. 105. 106.
XV. Augsburg. Augsburg (8). Eichstätt (9). Kempten (10). Memmingen (11). Neuburg a. D. (11).
XVI. Nürnberg. Amberg (11). Ansbach (11). Fürth (8). Nürnberg (8). Regensburg (12). Weiden (11). XVII. Bamberg. 113. Aschaffenburg (10). 114. Bamberg (15). 115. Bayreuth (10). 116. Hof (8). 117. Schweinfurt (15). 118. Würzburg (11).
107. 108. 109. 110. 111. 112.
XIX. Stuttgart. Ellwangen (7). Hall (7). Heilbronn (9). Ravensburg (8). Rottweil (8). Stuttgart (8). Tübingen (9). Ulm (8). XX. Karlsruhe. 131. Freiburg i. B. (10). 131a. Heidelberg (4). 132. Karlsruhe (10). 133. Konstanz (9). 134. Mannheim (3). 135. Mosbach (9). 136. Offenburg (9). 137. Waldshut (6).
123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130.
138. 139. 140. 141. 142. 143.
XXI. Colmar. Colmar (15). Metz (13). Mülhausen (II). Saargemünd (11). Straßburg (15). Zabern (12).
XXII. Darmstadt. 144. Darmstadt (18). 145. Gießen (20). 146. Mainz (11).
147. 148. 149. 150. 151. 152. 153.
X ^ I I I . Dresden. Bautzen (18). Chemnitz (17). Dresden (14). Freiberg (15). Leipzig (15). Plauen (12). Zwickau (16).
154. 155. 156. 157. 158. 159. 160. 161.
XXIV. J e n a . Altenburg (6). Eisenach (8). Gera (8). Gotha (8). Greiz (3). Meiningen (21). Rudolstadt (13). Weimar (8).
XXV. Braunschweig. 162. Braunschweig (24). XXVI. Oldenburg. 163. Bückeburg (2). 164. Oldenburg (14). 165. 166. 167. 168.
XXVII. Rostock. Güstrow (19). Neustrelitz (10). Rostock (9). Schwerin (15).
XXVIII. Hamburg. 169. Bremen (2). 170. Hamburg (3). 171. Lübeck (4).
Verlag Ton VEIT & COMP, in Leipzig.
HANDBUCH DER URKUNDENLEHRE für Deutschland und Italien. Von
Dr. Harry Bresslau, o. ö. Professor an der Universitüt Straßburg.
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Erster Band.
gr. 8.
1889. geh. 20
Jt.
GESCHICHTE DES
GELEHRTEN UNTERRICHTS auf den deutschen Schulen und Universitäten vom A u s g a n g des Mittelalters bis zur Gegenwart. Mit besonderer Büoksioht auf den klassischen Unterricht. Von
Dr. Friedrich Faulsen, o. ö. Professor a n der Universität Berlin. Zweite, umgearbeitete und s e h r erweiterte Auflage.
Zwei Bände.
Erster Band: Der gelehrte Unterricht im Zeichen des alten Humanismus. 1450—1740. Zweiter Band: Oer gelehrte Unterricht im Zeichen des Neuhumanismus. 1740—1892.
gr. 8. 1896 u. 1897. geh. 30 Jt, geb. in Halbfranz 34 Jt. „Wenn diese Deutung der historischen Thatsachen nicht gänzlich fehlgeht, so wäre hieraus für die Zukunft zu folgern, daß der gelehrte Unterricht bei den modernen Völkern sich immer mehr einem Zustande annähern wird, in welchem er aus den Mitteln der eigenen Ert^nntnis und Bildung dieser Völker bestritten wird."
MARKT UND STADT IN IHREM RECHTLICHEN
VERHÄLTNIS.
Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Stadtverfassung von
Dr. Siegfried Rietschel, o. ö.. Professor an der Universität Tübingen.
gr. 8. 1897. geh. 6
Ji.
DEUTSCHE
RECHTSQUELLEN DES MITTELALTERS. Gesammelt und herausgegeben von
Herrm. Wasserschieben,
Doktor der Theologie und der Bechte, Geheimrat
gr. 8.
1892. geh. 8
Ji.
Verlag TOD VEIT & COMP, in Leipzig.
NORDGERMANISCHES
OBLIGATIONENRECHT. Von
Karl von Amira,
o. 5. Professor der Rechte an der Universität Hänchen.
Erster Band. Altschwedisches Obligationenrecht, gr. 8. 1882. geh. 25 Ji. Zweiter Band. Westnordisches Obligationenrecht, gr. 8. 1895. geh. 30 Ji. Das nordgermanische Obligationenrecht bringt auf Grund unmittelbarer Quellenforschung aus dem nördlichen (skandinavischen) Teile der germanischen Stammesrechte alles zur Darstellung, was man unter Obligationenrecht zu verstehen pflegt. Der d r i t t e (Schlufi')Band wird das a l t d ä n i s c h e Obligationenrecht und eine komparative Zusammenfassung der Hauptresultate enthalten.
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PONTIFICUM
ROMANORUM
ab 'condita ecclesia
ad annum post Christum n&ntnm MCXCVIII edidit
Philippus Jaffe. Editionem secundam correctam et auctam aiupiciis
Oullelml Wattenbach. Professoris Berollnensis
ouraverunt S. Loewenfeld, F. Kaltenbrunner, P. Ewald. Duo volumina. 4. 1885—1888. cart. 94 Ji.
HERZOGSEINSETZUNG UND HULDIGUNG IN KÄRNTEN.
Ein verfassungs- und kulturgeschichtlicher Beitrag von
Paul Puntschart,
Professor der Rechte an der Universität Graz.
Mit fünf Abbildungen, gr. 8. 1899. geh. 8 J i 80 Sp.
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