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German Pages 312 [314] Year 2019
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg Lateinamerika Jahrbuch • Band 8
Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg
LATEINAMERIKA JAHRBUCH 1999 Herausgegeben von Klaus Bodemer, Heinrich-W. Krumwiede, Detlef Nolte und Hartmut Sangmeister
Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 1999
Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg
Verbund Stiftung Deutsches Übersee-Institut
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Lateinamerika Jahrbuch ... / Institut für Iberoamerika-Kunde, Hamburg.- Frankfurt am Main : Vervuert Erscheint jährlich. - Aufnahme nach 1992 ISSN 0943-0318 1992 © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1999 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Konstantin Buchholz Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigen Papier Printed in Germany ISBN 3-89354-427-5
INHALT Seiten
Teil I: Aufsätze Harald Barrios Konsolidierung der Demokratie: Zur Substanz eines strapazierten Konzeptes Rupert F. J. Pritzl Institutionelle Reformen in Lateinamerika. Einige Überlegungen aus institutionenökonomischer Sicht
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Bolfvar Lamounier Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika. Eine Untersuchung von sechs Ländern
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Matthias Witt Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung. Erfahrungen und Perspektiven aus Lateinamerika und der Karibik
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Teil II: Entwicklungen in Ländern und Regionen Informationen zu einzelnen Ländern: Basisdaten - Kennziffern - Chronologien 1998
1 gg
Cono Sur
110
Argentinien Chile Paraguay Uruguay
111 123 132 138
Brasilien
146
Andenregion
160
Bolivien Ekuador Kolumbien Peru Venezuela
161 171 181 189 199
Mexiko
210
Zentralamerika
220
Costa Rica El Salvador Guatemala Honduras Nikaragua Panama
224 231 237 246 253 261
Karibischer Raum
268
Haiti Kuba Kennziffern zu den Klein- und Kleinststaaten der Region
269 277 288
Lateinamerika allgemein
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Kennziffern zur demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Gesamtwirtschaftliche Eckdaten 1998 Außenwirtschaftliche Eckdaten 1998
303 306 307
Technische Erläuterungen zu der Datenbank IBEROSTAT
308
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
312
Teil I
Barrios: Konsolidierung der Demokratie
Harald Barrios
Konsolidierung der Demokratie: Zur Substanz eines strapazierten Konzeptes I.Einleitung Ende der 90er Jahre weisen die politischen Systeme Lateinamerikas mit wenigen Ausnahmen demokratische Regime auf. Dieses Faktum ist für sich genommen bemerkenswert genug. Darüber hinaus sind aber vor allem die bisherige Lebensdauer der Mehrzahl dieser Demokratien sowie das erreichte relativ hohe Niveau politischer Partizipation in historischer Perspektive, d.h. im diachronen Vergleich betrachtet, außergewöhnlich für Lateinamerika. Die mit der (Re-)Demokratisierungswelle seit 1979 etablierten Regime besitzen in einer Reihe von Fällen einen "inklusiveren" Charakter 1 , als dies während früherer Phasen demokratischen Regierens der Fall war. Autoritäre Involutionen blieben selten und wurden relativ rasch überwunden. Anders gesagt: Noch nie in der lateinamerikanischen Geschichte wurden so viele Länder so lange so demokratisch regiert. Hierfür hat die Politikwissenschaft trotz aller Bemühungen bislang keine überzeugenden Erklärungen anzubieten. Konsens besteht in der Forschung allein dahingehend, daß die heutigen lateinamerikanischen Demokratien weiterhin als fragil einzuschätzen seien. Jedoch darüber, wie weit die lateinamerikanischen Demokratien auf dem Wege zur Konsolidierung vorangekommen sind, welche demokratischen polities mehr, welche weniger konsolidiert sind, und nicht zuletzt dar1
Beispielsweise verfügen heute auch die Analphabeten ober das Wahlrecht, und die Kommunalregierungen werden in einer Reihe von Ländern direkt gewählt.
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über, welche konkreten Gefährdungen für die Fortdauer demokratischen Regierens bestehen, liegen keine präzisen, d.h. falsifizierbaren Aussagen vor. Wenn der Ertrag vergleichender Politikwissenschaft trotz intensiver Forschung dieserart gering ist, dann liegt der Verdacht nahe, daß dies auf Schwächen der angewandten Konzepte zurückgeht. Es seien deshalb im folgenden die zentralen Konzepte der Konsolidierungsforschung kritisch überprüft.
2. Zum Demokratie- und Transitionsbegriff Die prozeßbegleitende Forschung der 70er und 80er Jahre, die nach den Ursachen, Verlaufmustern und Ergebnissen der Systemwechselprozesse der "dritten Welle" (Huntington 1991) fragte, stand zunächst vor der Herausforderung, mit der Demokratie als einem empirisch überprüfbaren Regimetyp den Zielpunkt des Regimewechsels festzulegen, ohne den es nicht denkbar gewesen wäre, Demokratisierungsprozesse eindeutig zu bestimmen und zu vergleichen. "Sollen überhaupt konkrete, real existierende polities auf den Charakter ihrer Regime hin befragt werden können, so ist ein Begriff von Demokratie notwendig, der hinreichend pragmatisch ist, um bestehende Regime als 'demokratisch' (und mithin andere bestehende Regime als 'nicht-demokratisch') zu identifizieren" (Dunn 1992: 248). Die spezifische Problematik von Demokratiekonzepten zum Zwecke der Typologisierung geht zum Teil darauf zurück, daß "Demokratie" nach verbreitetem Sprachgebrauch nicht nur eine bestimmte, in der Wirklichkeit vorzufindende Herrschaftsform meint, sondern als Inbegriff erstrebenswerter politischer Ordnung gilt. Hier bot die Unterscheidung Robert Dahls (1971) eine Klärung, die die Demokratie als empirisch faßbaren Regimetyp vom Menschheitsideal der Herrschaft durch das Volk differenziert. Zwar fand sein Benennungsvorschlag "Polyarchie" kaum Akzeptanz, der Grundgedanke einer identifizierbaren Herrschaftsform, die sich durch konsistente Kriterien von nichtdemokratischen Herrschaftsformen unterscheidet, setzte sich dennoch durch. Diese Bemühung um ein pragmatisches Verständnis von Demokratie zum Zwecke des Vergleichs entbehrte im übrigen keineswegs einer normativen Grundierung (Nohlen 1982: 64): Der Unterschied zwischen Demokratie und NichtDemokratie wird dabei nicht als akademischer (im Sinne von der Lebenswelt entrückter) verstanden, sondern als solcher substantieller Natur, d.h. er wurde und wird von Menschen in konkreten Situationen leidvoll erfahren (Barrios 1999a: 39). 10
Barrios: Konsolidierung der Demokratie
Zugleich aber führte die pragmatische Zielsetzung, einen Begriff zu erarbeiten, der geeignet wäre, real existierende Regime zu klassifizieren (zur Konzeptualisierung von Regimen siehe Lawson 1993), dazu, die Frage nach dem Charakter eines gegebenen Regimes von seinem programmatischen Gehalt zu trennen. Folglich wurde ein Minimalkatalog von Kriterien erstellt, die ein Regime als demokratisch qualifizieren und die nach Dahl und der nachfolgenden Forschung die im klassischen Menschenrechtskanon aufgeführten liberalen Schutz-, Freiheits- und Partizipationsrechte umfassen. Dieser Minimalkatalog zum Zwecke der Bestimmung demokratischer Regime sollte nicht durch zusätzliche Merkmale, wie etwa soziale Gerechtigkeit, erweitert werden. Diese stellen erstrebenswerte Politikergebnisse dar, d.h. sie sind geeignete Kriterien, um Aussagen über die Regimeperformanz, weniger über den Regimecharakter zu treffen. "There is a distinction between desirable characteristics and defining features of democracy" (Holden 1993: 6). Selbstverständlich bedeutete dies nicht, daß die qualitative Ausgestaltung der Demokratie, insbesondere im Sinne von mehr sozialer Gerechtigkeit, nicht als wünschenswert gegolten hätte. Vielmehr sah man in der Etablierung einer Demokratie (im Sinne eines empirisch faßbaren Regimetyps) sogar die notwendige Voraussetzung dafür, die regulative Idee sozialer Gerechtigkeit als Richtschnur politischen Handelns überhaupt öffentlich einfordern zu können (vgl. Nohlen 1982). Für den synchronen wie den diachronen Vergleich eröffnete der pragmatische Begriff von Demokratie, mittlerweile in geradezu akribischer Weise operationalisiert (Inkeles 1991), die Chance, auch bei höheren Fallzahlen ohne eine unvertretbare Mißachtung spezifischer Kontexte die Performanz verschiedener Regimetypen in den unterschiedlichen Politikfeldern zu testen (Regimetyp als unabhängige, Politikergebnisse als abhängige Variable). Bewährt hat sich die auf überprüfbaren Kriterien beruhende Definition des Regimetyps Demokratie überdies im diachronen Vergleich: Im historischen Längsschnitt erlaubt sie festzustellen, wann ein Demokratisierungsprozeß in einem konkreten Land mit der Etablierung eines demokratischen Systems abgeschlossen ist. Eine ausschließlich normative Zielbestimmung der Demokratisierung dagegen wäre auf eine Verlängerung der Transitionsprozesse ins Unendliche hinausgelaufen. In der Forschungspraxis hätte dies eine kaum überschaubare Menge von Fällen entstehen lassen, die permanent als in der Übergangsphase befindlich hätten geführt werden müssen. Einzelne Ausnahmefälle blieben zwar weiterhin strittig (z.B. Chile nach 1990), vornehmlich dann, wenn die Kategorien von Dahl et al. nicht voll-
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kommen erfüllt waren2. Im großen und ganzen aber war auf dieser Basis Einigkeit darüber möglich, ob wir es in einem konkreten Fall mit einer Demokratie zu tun haben oder (noch) nicht. Um Phasen des Übergangs oder des Wandels von solchen der Regimestabilität abzugrenzen, benötigte man freilich nicht nur einen Endpunkt, sondern auch einen Anfangspunkt des entsprechenden Prozesses. Hinsichtlich dieser Schwierigkeit gelang es jedoch, durch Anleihen bei rational choice und anderen entscheidungstheoretischen Ansätzen überzeugend herauszuarbeiten, was einen genuinen Demokratisierungsprozeß von einem Liberalisierungsprozeß unterscheidet (Linz 1978; Nohlen 1982; O'Donnell/Schmitter 1986; Przeworski 1992; Mainwaring 1992); somit war eine Abgrenzung der Transition von einem "Vorher" möglich3.
3. Der Begriff der Konsolidierung der Demokratie Wenden wir uns nun dem Konzept der Konsolidierung der Demokratie zu. Hierunter verstand man konventionell: 1. einen Prozeß, im Verlauf dessen die Mindeststandards von Demokratie inhaltlich weiter ausgestaltet und durch weitere Komponenten in einer Weise bereichert werden, die geeignet ist, die Qualität der Demokratie so weit zu erhöhen, daß ihr Fortbestand gesichert ist; 2. einen prospektiv anvisierten point of no return, jenseits dessen der bereits erfolgte Übergang von einem nichtdemokratischen zu einem demokratischen Regime irreversibel wird. Beide Dimensionen wurden üblicherweise zusammen gedacht. Das Konzept erwies sich als nützlich, als es galt, die Phase der Transition von einem autoritären zu einem demokratischen Regime von einer nachfolgenden Phase zu unterscheiden (vgl. beispielsweise Nohlen/Barrios 1989), von der man annahm, daß sie durch das Bestreben einer Reihe von Akteuren gekennzeichnet sein würde, das neu etablierte demokratische Regime zu festigen. Eine nicht-konsolidierte Demokratie wurde daher als eine etablierte, aber (vorläufig noch) bedrohte Demokratie ver2
Seit kurzem wird diese nur naherungsweise Erfüllung der Minimalstandards, vor allem desjenigen der Rechtstaatlichkeit, in einer Reihe von Fällen verstärkt thematisiert (vgl. Ahrens/Nolte 1999). Die bestehenden Defizite rechtfertigen es jedoch m.E. nicht, diesen Landern den auf der Basis der besagten Minimalstandards definierten Status als Demokratie abzusprechen.
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Die Verwendung "mikrotheoretischer" Ansätze (Merkel 1994) auch in explikativer Absicht (O'Donnell/Schmitter/Whitehead 1986; Przeworski 1991, 1992) trug freilich dazu bei, daß die vergleichende Forschung über Transitionsprozesse sich auf endogene Faktoren konzentrierte, die Kontingenz betonte und dabei einen Überhang an unabhängigen Variablen produzierte (besonders deutlich bei Huntington 1991; zur Kritik vgl. Remmer 1995a sowie Ruhl 1996). Zudem geriet die Erforschung des breakdown of democracy ins Hintertreffen, die Ergebnisse der alteren Forschung wurden vielfach fortgeschrieben, ohne sie im Lichte der Ergebnisse, welche die vergleichende Transitionsforschung erbrachte, zu überprüfen (kritisch Remmer 1991; von Beyme/Nohlen 1991).
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Barrios: Konsolidierung der Demokratie
standen, während eine konsolidierte Demokratie als eine nicht (mehr) oder kaum bedrohte Demokratie galt. Der Schwerpunkt lag zunächst prospektiv und zunehmend auch präskriptiv auf dem Prozeß fortschreitender Konsolidierung der demokratischen Regime; dagegen wurde nicht oder nur wenig erforscht, unter welchen Bedingungen demokratische Konsolidierungsfortschritte in Lateinamerika in der Vergangenheit (also vor den autoritären Regimen der 60er und 70er Jahre) wieder rückgängig gemacht worden waren (vgl. die Kritik bei von Beyme/Nohlen 1991). Auf den zyklischen Charakter, den die Regimewechsel in Lateinamerika in der Vergangenheit hatten, wurde zwar immer wieder hingewiesen, der Zyklus wurde aber nicht durch(re)konstruiert. Zu diesem Zwecke hätte man nämlich die Ergebnisse der älteren breakdown of ctemocracy-Forschung im Lichte derjenigen der jüngeren Konsolidierungsforschung systematisch überprüfen müssen, was jedoch nur vereinzelt geschah (vgl. z.B. Nohlen/Solari 1988)4. Die Verwendung des Konsolidierungsbegriffs blieb somit auf die Phase nach dem jeweils jüngsten Regimewechsel zur Demokratie beschränkt; im Gegensatz zum pragmatischen Demokratiebegriff wurde das Konzept "Konsolidierung der Demokratie" nicht als Instrument der diachronen Längsschnittanalyse über mehrere Regimewechsel hinweg zu nutzen versucht (vgl. z.B. Mainwaring et al. 1992). Folglich problematisierte man die dem Konsolidierungsbegriff inhärente teleologische Komponente auch nicht weiter, sondern nahm deterministische Konnotationen stillschweigend in Kauf. Die Konsolidierung der Demokratie konnte somit als ein unilinearer, mal langsamerer, mal rascherer Prozeß hin zu einem Zustand gesicherten Fortbestands der Demokratie gedacht werden, den man den Demokratien der OECD-Welt umstandslos unterstellte, ohne nach deren Konsolidierungsdeterminanten zu fragen (vgl. Mainwaring et al. 1992: passim). Auf diese Weise vergab man sich die Möglichkeit, die hochinteressante Frage (Remmer 1991) zu verfolgen, ob die vor allem im Zeitraum 1930 bis 1980 in Lateinamerika zu beobachtende Pendelbewegung zwischen Autoritarismus und Demokratie durch Faktoren bedingt war, deren Wirksamkeit nach der jüngsten (Re-)Demokratisierungswelle nachgelassen hat. Die Frage, ob ein Ausbrechen aus dem Zyklus der Regimewechsel gelungen ist oder nicht, ließ man als vorläufig nicht beantwortbar auf sich beruhen. Freilich würde ein Versuch der Beantwortung eine intensivere Suche nach den Ursachen der Regimewechsel, sowohl vom *
So war z.B. die Behauptung O'Donnells und Schmitters (1986), die Transitionsprozesse vom Autoritarismus zur Demokratie unterschieden sich grundsatzlich von den Prozessen in entgegengesetzter Richtung (zur Kritik siehe Remmer 1991: 484 und Mainwaring 1992: 331) geeignet, eine Überprüfung der Ergebnisse der breakdown ofdemocracy-Forschung abzuwehren.
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Autoritarismus zur Demokratie, als auch in reverser Richtung, voraussetzen. Die Erforschung der Konsolidierungsbedingungen demokratischer Regime müßte ergänzt werden durch eine Erforschung der Konsolidierungsbedingungen nicht-demokratischer Regime (so auch Hadenius 1994: 66). Allein diachron vergleichende Analysen von Phasen der Konsolidierung wie der "De-Konsolidierung" (vgl. Merkel 1995: 39) demokratischer wie nicht-demokratischer Regime Lateinamerikas (Regimewechsel als abhängige Variable) versprechen Aufschlüsse über kausale Zusammenhänge, welche sowohl über die Ergebnisse der älteren Regimewechselforschung (Lipset 1959; Moore 1969; Lipset/Solari 1967; Scott 1967; Rustow 1970; O'Donnell 1973) als auch der bisherigen Transitions- und Konsolidierungsforschung (vgl. die Systematisierung bei Nohlen/Thibaut 1994b) hinausreichen. Freilich könnte man überlegen, ob eine andere Begrifflichkeit einem solchen Unterfangen neuerlicher diachron vergleichender Forschung nicht zuträglicher wäre. Das systemtheoretische Instrumentarium, auf das die historisch-genetisch vorgehende Transitionsforschung der ersten Stunde5 mit Bedacht verzichtete, wäre dann daraufhin neu zu begutachten, ob es sich eignet, die Determinanten von Regimestabilität in Lateinamerika herauszuarbeiten. Die zyklischen Regimewechsel der Vergangenheit ließen sich dann beispielsweise als prolongierte Regimeinstabilität begreifen, die es zu erklären gilt. Aber zwingend erscheint ein Rekurs auf Begriffe systemtheoretisch-funktionalistischer Provenienz nicht, schon eine (selbst)kritischere Verwendung des Konsolidierungsbegriffs würde weiterhelfen. Zu diesem Zweck müßte man allerdings die unbesehene Verknüpfung des Fortbestands eines demokratischen Regimes mit seinem qualitativen (institutionellen, sozialen etc.) Niveau (wie z.B. von Valenzuela 1992 vertreten) hinterfragen. Doch es war im Gegenteil so, daß die häufig mit dem Konsolidierungsbegriff implizit verbundene normative Annahme, eine stetige Qualitätssteigerung der Demokratie6 sei die unerläßliche Voraussetzung ihres Überlebens, immer stärker betont wurde. Dies war eine Reaktion auf die Beobachtung, daß die zwischen 1978 und 1990 etablierten lateinamerikanischen Demokratien weiterexistierten, ohne daß die für ihre Konsolidierung geforderten qualitativen Bedingungen (vor allem diejenige einer verbesserten sozialpolitischen Performanz im Sinne eines verstärkten sozialen Ausgleichs) er5
Es handelte sich im übrigen teilweise um dieselben Personen, die zuvor mit strukturalistischen oder funktionalistischen Ansätzen gearbeitet hatten; vgl. dazu Mainwaring 1992: 327.
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Wobei an dieser Stelle anzumerken ist, daß die Vorstellung einer zu erreichenden sozioökonomischen Qualität eines demokratischen Regimes demokratietheoretisch ohnehin fragwürdig ist, zumindest in einer pluralistischer Perspektive, die von einer gewissen Anzahl widerstreitender Interessen ausgeht ("Gemeinwohl a posteriori', Fraenkel 1964).
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Barrios: Konsolidierung der Demokratie
füllt wurden. Anstatt nun diese Bedingungen zu revidieren, behalf man sich zunehmend damit, zwischen einer bloßen Persistenz der Demokratie und ihrer "echten" Konsolidierung zu unterscheiden (vgl. z.B. Valenzuela 1992; Schmitter 1995; Ruhl 1996). Auf diese Weise gelang das Kunststück, zugleich eine aktuell nicht gefährdete Fortdauer der Demokratie zu konstatieren und ihre "echte", langfristige Konsolidierung als immer stärker gefährdet einzuschätzen. Das Problem dabei war nur, daß die mangelnde Operationalisierung das Auseinanderhalten von Persistenz und Konsolidierung behinderte (vgl. die Schwierigkeiten des jüngsten Versuchs, demokratische Konsolidierung zu operationalisieren: Gasiorowski/Power 1998: 743f.). In der Konsolidierungsforschung ergaben sich im wesentlichen zwei Strömungen, die an dem Junktim zwischen der Lebensdauer eines demokratischen Regimes und seiner "demokratischen Qualität" festhielten. Beide argumentierten auf der Basis empirisch-analytischer Forschung vorwiegend präskriptiv. 1. Die Vertreter eines institutional engineering suchten eine Konsolidierung anhand verläßlicher Mechanismen politischer Partizipation, Verbesserung demokratischer accountability und institutioneller Absicherung fairen politischen Wettbewerbs nachzuweisen (vgl. etwa die von Merkel et al. herausgegebenen Systemwechsel-Reader), ohne daß sie nennenswerte Anstrengungen unternahmen, das für eine definitive Konsolidierung erforderliche Maß an Institutionalisierung prospektiv zu bestimmen. Während methodologisch reflektierende Forscher frühzeitig darauf hinwiesen, daß die Funktionsweisen politischer Institutionen im jeweiligen historischen und sozio-ökonomischen Kontext betrachtet werden müssen und die hinter den institutionellen Erscheinungsformen liegenden Verhaltensmuster der relevanten Akteure entscheidend sind (vgl. insbesondere Nohlen 1988 und Nohlen/Solari 1988), gingen andere Autoren von bestimmten Institutionengefügen, Parteiensystemen (deren Klassifizierung vorwiegend numerischen und mechanistischen Kriterien folgte) oder Akteurskonstellationen in "konsolidierten" Demokratien (zumeist der OECD-Länder) aus, ohne den Kausalzusammenhang dieser unabhängigen Variable zur abhängigen Variable der Stabilität von Demokratie in ihrem Herkunftskontext zu hinterfragen. Dabei wurden aus dem europäischen Kontext stammende, nicht überprüfte Annahmen über institutionelle Ressourcen demokratischer Kontinuität in die für Lateinamerika formulierten Rezepturen übertragen. Am weitesten ging hierin Arend Lijphart, der seine consociational democracy, ursprünglich ein analytisches Konzept des empirischen Vergleichs, ohne weitere Umschweife präskrip15
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tiv verwandte (Lijphart 1977)7. Im gleichen Stil empfahl Juan Linz den Lateinamerikanern, den Präsidentialismus aufzugeben und zum Parlamentarismus europäischer Prägung überzugehen (Linz 1987). Hierzu ist die nötige Kritik bereits stringent ausgeführt worden (Nohlen/ Fernández 1991; Thibaut 1996). Wie unbrauchbar die politikberatend gemeinten Ergebnisse des "institutionellen Ingenieurwesens" im Stile von Lijphart, Linz oder Sartori aus der Akteursperspektive mitunter sind, läßt sich allein daran ablesen, daß beispielsweise Lijphart (1977; 1984) die Verhältniswahl anpreist, während Sartori (1994: 69ff.) eher für die Mehrheitswahl eintritt. Während Linz (1985; 1990), wie erwähnt, dem Parlamentarismus gegenüber dem Präsidentialismus den Vorzug gibt, plädiert Sartori für einen Semi-Präsidentialismus (Sartori 1994: 136f.). Gerade bei den beiden genannten Autoren läßt sich zeigen, daß diese vermeintlich pragmatisch orientierte, auf Expertenwissen beruhende Argumentationsweise in einem fragwürdigen, intuitiven Verfahren Kontextvariablen einzelner Fälle (Lijphart: Niederlande; Sartori: Italien; Linz: Spanien und Argentinien) als Teil der unabhängigen Variablen begreift, statt die etablierten Standards des induktiven, komparativen Arbeitens einzuhalten. 2. Die zweite Strömung behauptete, daß eine Konsolidierung der Demokratie ohne eine verbesserte soziale Performanz des Systems unmöglich sei (vgl. etwa Valenzuela 1992; Whitehead 1992). Auch hier wurden aus dem europäischen Kontext stammende Annahmen über demokratiestabilisierende Politikergebnisse unkritisch übernommen. Selten wurde der gegenüber dem europäischen Wohlfahrtsstaat der fordistisch-keynesianischen Ara verschiedenartige lateinamerikanische Staatstyp der 80er Jahre (Nohlen/Fernández 1988; Boeckh 1997) unmittelbar nach dem Scheitern der jahrzehntelang verfolgten Varianten der importsubstituierenden Industrialisierung berücksichtigt. Ebensowenig wurde thematisiert, inwiefern Wohlfahrtseinbußen zur neuerlichen Destabilisierung bereits "konsolidierter" Demokratien beitragen. Vergleichende Analysen demokratischer Regime der Zwischenkriegszeit (Berg-Schlosser/De Meur 1994) ergaben nämlich erhebliche Unterschiede hinsichtlich der stabilitätsrelevanten Verarbeitung der mit der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre einhergehenden dramatischen Verarmung breiter Teile der Bevölkerung. Die a priorí-Annahme einer generellen Fragilität der Demokratie, die viele Studien zur Konsolidierung der demokratischen Regime der "dritten Welle" prägt (Mainwaring et al. 1992: passim; zur 7
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Auf derselben Linie liegen seine jüngeren Beitrage, in denen er parlamentarische den prasidentiellen Regierungssystemen, Verhältniswahl der Mehrheitswahl und dezentrale Staatsformen dem Zentralismus vorzieht (Lijphart 1990).
Barrios: Konsolidierung der Demokratie
Kritik vgl. Remmer 1998: 615), müßte allein schon aufgrund dieses Befundes in Zweifel gezogen werden (vgl. dazu Schmidt 1995). Des weiteren wären auch die Veränderungen, die in den OECD-Demokratien hinsichtlich der Organisation von sozialer Sicherheit in den 80er Jahren zu beobachten waren (vgl. die komparative Wohlfahrtsstaatsforschung, z.B. Esping-Andersen 1996; Schmid/Niketta 1999), bezüglich ihrer Auswirkungen auf Regimestabilität in eine systematische, diachron vergleichende Untersuchung einzubeziehen. Dies erforderte freilich eine sorgfältigere Operationalisierung von "Wohlfahrt" als dies das naive Verständnis bietet, das in der Konsolidierungsforschung vorherrscht, die zumeist nicht einmal zwischen gegensätzlichen sozialen Interessen unterscheidet. Auffällig bei der hier unter 2. geführten Richtung der Konsolidierungsforschung war, daß das bereits erreichte Niveau der Transitionsforschung verlassen wurde. So berücksichtigte man die constraints, unter denen politische Entscheidungen fallen, die noch in der vergleichenden Analyse der Transitionsprozesse eine große Rolle gespielt hatten, nur am Rande, anstatt sie in den Mittelpunkt zu stellen (Sunkel 1995: 121 weist, wenn auch zaghaft, auf die constraints hin, untersucht sie jedoch nicht). Da ein Zusammenbruch der demokratischen Regime in den 90er Jahren ausblieb, obwohl kein sozialer Ausgleich im von den genannten Autoren gemeinten Sinne erfolgte, geriet diese Argumentationslinie, wie bereits ausgeführt, in Notstände, die man mit der Unterscheidung von Persistenz und Konsolidierung zu mildern suchte. Die Mahnung Karen Remmers, überraschende empirische Befunde müßten erklärt und nicht etwa "wegerklärt" werden, blieb solcherart unbeachtet (Remmer 1991; vgl. auch Nolte 1999: 25). Für beide Strömungen gilt, daß ihre von nicht hinterfragten Annahmen ausgehende Thesenbildung im Extremfall dazu führen kann, daß Faktoren, die eigentlich zugunsten der Stabilisierung der demokratischen Regime wirken, als konsolidierungsgefährdend angesehen werden (Valenzuela 1992; Whitehead 1992). In einem weiteren Argumentationsstrang versuchte man operationalisierend, die Konsolidierung der Demokratie an der Zustimmung aller relevanten Akteure zu den demokratischen Spielregeln festzumachen (Huntington 1991; Valenzuela 1992; Nolte 1999: 26). Denkt man diesen Vorschlag freilich weiter, so stellt sich die Frage, ob die Akzeptanz der Spielregeln nicht als revozierbar konzipiert werden müßte. Selbstverständlich bedeutet dies nicht, daß man von vornherein unterstellt, die Zustimmung zu den demokratischen
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Spielregeln werde auch tatsächlich widerrufen. Vielmehr wird die Möglichkeit der Rücknahme offen gelassen, während der Konsolidierungsbegriff impliziert, daß das Einverständnis mit den demokratischen Regeln nach einem ominösen Zeitpunkt X nicht mehr zurückzunehmen sei. Forschungstechnisch dürfte es jedenfalls schwierig sein, ein vorläufiges Akzeptieren von einem unbedingten Akzeptieren zu unterscheiden. Tatsächlich hat man versucht, eine Meßbarkeit dadurch zu erreichen, daß man die reguläre Abhaltung einer zweiten kompetitiven Wahl, in der die Auswahlmöglichkeiten und die Wahlfreiheit des Wählers effektiv gesichert sind (Nohlen 1990: 18f.), nach Abschluß der Transition als Indikator für eine fortgeschrittene Konsolidierung betrachtet (Valenzuela 1992). Die Bereitschaft von gewählten Repräsentanten wie auch von ihren Herausforderern, die Spielregeln des pluralistischen politischen Wettbewerbs und der demokratischen Machtzuteilung unabhängig vom Wahlausgang zu akzeptieren, werde hierdurch getestet8. Dieser Vorschlag bot aber nur scheinbar eine Lösung, da dieser und verwandte Indikatoren, wie etwa die des ersten friedlichen Machtwechsels zwischen entgegengesetzten politisch-ideologischen Lagern (Barrios 1995; Garsiorowski/Power 1998: 746f.) in der Praxis weich gehandhabt wurden. Mit anderen Worten: Auch nach Bestehen dieser Tests galten die betreffenden demokratischen Regime noch nicht als konsolidiert; zudem gab es weiterhin keine Möglichkeit, präzise Aussagen darüber zu machen, wie weit sie von diesem Ziel noch entfernt waren. Dies verweist auf einen weiteren Aspekt der Operationalisierungsproblematik, nämlich die für einen synchronen Vergleich essentielle Meßbarkeit eines Mehr oder Weniger: Es ist bislang nur schwer feststellbar und intersubjektiv überprüfbar, ob eine bestimmte demokratische polity stärker konsolidiert ist als eine andere. Ist die Demokratie in Argentinien heute stärker konsolidiert als in Chile, oder umgekehrt? Für beide Thesen gibt es vor dem Hintergrund der vorliegenden Operationalisierungsversuche gute Argumente. Wie sind außerdem die beiden genannten Fälle im Vergleich zu Uruguay einzuschätzen, das bei Ruhl (1996: 10) als konsolidierte Demokratie geführt wird9 (übrigens ohne daß dies auf der Grundlage einer transparenten Operationalisierung geschehen würde)? Daß diese Unklarheit für die Erforschung der Determinanten von Regimestabilität ein Manko darstellt, liegt auf der Hand. Ein Arbeiten mit ' '
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Dabei wird bislang die zunehmende Akzeptanz demokratischer Spielregeln seitens der relevanten Akteure vorwiegend fortschrittsoptimistisch als Lernprozeß begriffen, nicht als Ausdruck spezifischer Interessen. Gillespie (1992: 206) weicht der Frage, ob es sich bei Uruguay um eine konsolidierte Demokratie handelt, elegant aus: "Wether consolidation is complete in any given nation may be a misleading question, in the sense that democracies are in a constant process of adapting to new challenges."
Barrios: Konsolidierung der Demokratie
mittleren bis hohen Fallzahlen erfordert eine Hierarchisierung nach einer präzise operationalisierten abhängigen Variablen10. Um eine elaborierte, genaue Operationalisierung wird man jedenfalls nicht herumkommen, soll die Forschung über Regimestabilität und Regimewechsel ertragreicher an Aussagen über Kausalzusammenhänge für Theorien mittlerer Reichweite werden, auf die sie ja, ihren Selbstbekundungen nach, zielt. Den bisher anspruchsvollsten Versuch in dieser Richtung stellt Merkels "Mehrebenenmodell" dar, das eine institutionelle, repräsentative Verhaltens- und civic culture-Konsolidierung sequentiell voneinander unterscheidet (Merkel 1995). Freilich müßten diese "Ebenen" - so räumt Merkel selbst ein - hierarchisch geordnet, hinsichtlich ihrer Sequenz aber wohl eher flexibler gehandhabt werden. Da es sich um Maximalkriterien handelt, sind sie überdies wenig geeignet, genauer zu bestimmen, wie weit die untersuchten Fälle von Demokratien in der Konsolidierungsphase von den Zielvorgaben noch entfernt sind.
4. "Defekte Demokratien" Aus den Aporien der Konsolidierungsforschung könnte also am ehesten eine Flexibilisierung der Konzepte verbunden mit einer Präzisierung der Operationalisierung einen Ausweg weisen. In den letzten Jahren unternommene Versuche, die schwierige Operationalisierung von Konsolidierung durch neue Typenbildungen zu umgehen, schaffen dagegen neue Dilemmata, ohne die alten zu lösen. Dabei wird so vorgegangen, daß eine Demokratie minderer Qualität von einer Demokratie hoher Qualität unterschieden wird. Dies ist etwa bei O'Donnells delegative democracy der Fall, der eine höhere Demokratieform, representative democracy, gegenübergestellt wird (O'Donnell 1994), oder auch bei Merkels "defekten Demokratien" (Merkel 1999), die wohlweislich nicht mit "perfekten Demokratien" konfrontiert werden. Einfacher macht es sich Schmitter (1995), der kurzerhand einen eigenen Typus "nicht-konsolidierte Demokratie" einführt. Dem minderen Demokratietypus werden sämtliche empirischen Beobachtungen, die man zuvor als Konsolidierungshindernisse betrachtet hatte, als dauerhafte Charakteristika zugeschrieben. Zweierlei bleibt dabei ungeklärt: 1. Handelt es sich bei der den minderen Demokratien gegenübergestellten konsolidierten Demokratie um einen Realtyp oder um einen Ideal10
Eine Verwendung des Stabilitäts- statt des Konsolidierungsbegriffs würde hierbei nicht eo ipso eine Verbesserung bringen, außer daß ersterer es wohl eher nahelegen würde, in einzelnen Fallen Konsolidierungsrückschritte (bzw. wieder steigende Instabilität) auch als solche wahrzunehmen.
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typ im Weber'schen Sinne? Ist ersteres der Fall, dann müßte begründet werden, woran denn diese zweifelsfreie Konsolidierung abzulesen ist und welche die entscheidenden unabhängigen Variablen zur Erklärung dieses outcome sind. Ist dagegen letzteres der Fall, dann kämen bei der Abgleichung real-existierender demokratischer Regime mit dem Idealtyp einer Demokratie maximaler Qualität ausschließlich Defizitanalysen zustande. Alle Demokratien wären dann mehr oder weniger "defekt". Gerade dieses Mehr oder Weniger aber gilt es doch zu messen und zu erklären. Gegenüber der Konsolidierungsdebatte hätte man somit nichts gewonnen. Ferner drohen O'Donnell, Schmitter und Merkel hinter die nützliche Unterscheidung von Polyarchie und Demokratie zurückzufallen: Mit der Dahl'schen Differenzierung von normativer Demokratiediskussion einerseits und der Identifizierung real-existierender Regime als demokratisch (oder nichtdemokratisch) andererseits, war nämlich nicht die Vorstellung einer infiniten Annäherung an einen Idealtyp verbunden. 2. Wird eine Entwicklung vom minderen zum konsolidierten Demokratietypus weiterhin für möglich gehalten oder nicht? Wenn ja, ist nicht einzusehen, warum den Konsolidierungs- oder Stabilisierungsproblemen plötzlich der Status von dauerhaften Defekten attestiert wird, zumal man nicht weiter danach fragt, welche Dauer ihnen einzuräumen ist. Auf diese Weise hat man das Problem, klare Aussagen darüber zu machen, wann eine Demokratie konsolidiert ist bzw. wie weit sie von diesem Ziel noch entfernt ist, zwar elegant umsegelt, aber nicht gelöst. Geht man dagegen davon aus, daß ein Übergang von einer minderen Demokratie zu einer konsolidierten Demokratie nicht möglich ist, so gerät man bei einer Persistenz der demokratischen Regime minderer Qualität in zunehmenden Erklärungszwang, warum Demokratien fortbestehen, ohne konsolidiert zu sein. Konsequenterweise müßte man den Konsolidierungsbegriff aufgeben, hätte dann aber die Persistenz minderer Demokratien zu erklären - insofern also wiederum nichts gegenüber dem bereits erreichten, unbefriedigenden Stand der Konsolidierungsdebatte gewonnen. Wenn die Bildung eines Typus minderer Demokratie dagegen als Alternative zu Dahl's Unterscheidung von Demokratie und Nicht-Demokratie auf der Grundlage klar definierter Mindeststandards gemeint ist, so wird die Abgrenzung von defekten Demokratien gegenüber Nicht-Demokratien schwierig. Im Extremfall kann dies darauf hinauslaufen, daß man demokratische und autoritäre Regime, die hinsichtlich desselben Maximalkriteriums Mängel aufweisen (wenn auch in höchst unterschiedli-
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chem Maße) in einer Kategorie führt. Tatsächlich nennt Merkel (1999: 293) die Schweiz bis 1971 und Südafrika bis 1990 als "typische Beispiele" "exklusiver Demokratien", einer von drei von ihm eingeführten Ausprägungen des Typus "defekte Demokratie". Eine solche Verwischung der Grenze zwischen Demokratie und Autoritarismus widerspricht freilich den oben dargelegten normativen Grundierungen der Transitionsforschung, die den Unterschied zwischen Demokratien und Nicht-Demokratien als einen fundamentalen, lebensweltlich erfahrenen versteht. Aber zurück zur Konsolidierungsforschung, für deren Probleme die skizzierte Typenbildung m.E. auch deshalb kaum konstruktive Beiträge bietet, weil die bisherige Diskussion um die "defekten Demokratien" die Lebensdauer von Demokratien nicht thematisiert. So sehr es zu begrüßen ist, daß nicht mehr a priori von der Fragilität demokratischer Regime ausgegangen wird, so wenig ist es sinnvoll, die Frage, ob und in welchem Maße der Fortbestand der Demokratie in konkreten, zu untersuchenden Fällen bedroht ist, gar nicht mehr aufzuwerfen. Eine sinnvollere Flexibilisierung des Konzeptes Konsolidierung der Demokratie könnte angesichts der oben entwickelten Kritik folgendermaßen aussehen: Da die Voraussetzung, die demokratische Herrschaftsweise müsse im konkreten Fall irreversibel sein, bevor das Gütesiegel "konsolidierte Demokratie" vergeben werden kann, sich unseren Überprüfungsmöglichkeiten entzieht, sollte diese Bedingung aufgegeben werden. Um mögliche Mißverständnisse sofort auszuräumen: Die normative Forderung nach Irreversibilität bleibt selbstverständlich bestehen! Hier geht es lediglich um die Frage, mit welchen Kriterien man die analytische Kategorie der demokratischen Konsolidierung verknüpft. Die Annahme, junge Demokratien seien so lange in ihrer Existenz akut gefährdet, bis sie den Zeitpunkt oder das erforderliche Niveau an demokratischer Qualität überschritten haben, um als konsolidiert zu gelten, trägt in der konkreten Arbeit vergleichender Forschung nicht: Auf der einen Seite wird aufgrund der fehlenden Präzision bei der Bestimmung dieser Schwelle letztlich keine der jungen Demokratien in das Lager der konsolidierten Demokratien aufgenommen, zumindest nicht im wissenschaftlichen Konsens11. Entsprechend werden diese Demokratien weiterhin als hoch gefährdet angesehen (auch wenn sie gar nicht mehr so jung sind). Dies aber kann eine folgenschwere Fehleinschätzung sein und den Blick auf die eigentlichen Stabilitätsbedingungen der demokratischen Regime verstellen. Die Er"
Dieser besagt bislang, daß von den in der dritten Welle entstandenen Demokratien (von Beyme 1994 und Schmidt 1995 sehen die Systemwechsel der vormals kommunistisch beherrschten Länder als vierte Welle) bislang lediglich die sQdeuropäischen "jungen Demokratien" als konsolidiert einzustufen sind, im übrigen ohne dies auf für den interregionalen Vergleich taugliche Kriterien zu stützen.
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fahrung zeigt, daß viele Forscher, die von der pauschalen Annahme einer extremen Gefährdung der neuen oder relativ neuen demokratischen Regime ausgehen, vorrangig nach Faktoren suchen, welche eine Konsolidierung vermeintlich verhindern (vgl. z.B. Whitehead 1992). Stabilisierende Faktoren werden so möglicherweise übersehen oder fehlinterpretiert. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung, konsolidierte Demokratien könnten zwar Funktions- und Legitimitätsprobleme haben, nicht jedoch existentiell gefährdet werden, unter normativ-demokratietheoretischen Gesichtspunkten fragwürdig. Die vermeintliche Bestandsgarantie für konsolidierte Demokratien trägt deterministische Züge, die destabilisierende Tendenzen in etablierten Demokratien12 a priori zur Petitesse erklärt. Aus dieser Überforderung der prognostischen Reichweite politikwissenschaftlicher Thesenbildung könnten voreilige Schlüsse bezüglich der Demokratieentwicklung in den Industrieländern gezogen werden. Rückt diese Flexibilisierung des Konzeptes nicht die demokratische Konsolidierung in die Nähe der bloßen Persistenz demokratischer Regime (s. oben)? Dies trifft sicherlich zu, gleichwohl scheint es möglich, auf der Operationalisierungsebene Kriterien zu entwickeln, die Konsolidierung von Persistenz abgrenzt, ohne daß auf die teleologische Komponente eines auf Irreversibilität zielenden Konsolidierungsverständnisses zurückgegriffen werden muß. Dabei könnte man bei dem Einverständnis der relevanten Akteure mit dem Regelsystem des Regimetyps Demokratie ansetzen. Anstatt die Dauerhaftigkeit dieses Einverständnisses zu untersuchen, was, wie gesagt, kaum meßbar sein dürfte, ließe sich auf die mehr oder weniger ausgeprägte Neigung abheben, autoritäre Alternativen zur Demokratie zu unterstützen. Persistenz wäre dann als Situation zu konzeptualisieren, in der relevante Akteure eine hohe Zustimmung zu anderen Regimetypen erkennen lassen, ohne daß diese vorderhand wirksam werden. Auf diese Weise ließe sich der unterschiedliche Gefährdungsgrad demokratischer Regime bestimmen, ohne daß auf das teleologische Moment von Konsolidierung rekurriert werden müßte.
5. Regimeperformanz, Legitimität und Regimestabilität Von zentraler Bedeutung in der Konsolidierungsdebatte ist nach wie vor der Zusammenhang von Regimeperformanz, Legitimität und Regime-
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Etwa die rechts- und linksextremistischen Destabilisierungsstrategien im Italien der 70er Jahre.
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Stabilität13. Innerhalb der älteren Diskussion um den Zusammenhang von Modernisierung und Demokratieentwicklung hatte bereits O'Donnell (1973) zu zeigen vermocht, daß in Lateinamerika bestimmte Entwicklungsniveaus nicht mit bestimmten Regimetypen korrespondieren. Gegen die von Lipset und anderen Modernisierungstheoretikern geprägte Vorstellung, Entwicklungsfortschritte in Richtung Industrialisierung führten zu einer Demokratisierung der politischen Systeme, richtete er die These, daß ein fortgeschrittener Industrialisierungsgrad im lateinamerikanischen Kontext die Etablierung bürokratisch-autoritärer Systeme nach sich ziehe. Der Zusammenbruch demokratischer Regime auch in den stärker industrialisierten lateinamerikanischen Ländern und die Etablierung von Militärregimen neuen Typs in den 60er und 70er Jahren schien dies zunächst zu stützen. Mit der Entwicklung der späten 70er und frühen 80er Jahre büßte die O'Donnell'sche These freilich einiges an Plausibilität ein: Die Entwicklungspolitiken der Militärregime der 70er Jahre überwanden die integrale Entwicklungskrise keineswegs, sondern vertieften sie eher noch. Auch diese Regime vermochten sich in diesem Kontext nicht zu konsolidieren. Die Widersprüche des Modells der importsubstituierenden Industrialisierung in seinen verschiedenen Spielarten (schwerlich als unilinearer Modernisierungsprozeß interpretierbar) hemmten zweifellos eine Stabilisierung auf der Ebene des politischen Regimes; dies mag heute, nach dem in den 80er und 90er Jahren erfolgten paradigmatischen Wechsel von staatsinterventionistischen zu marktzentrierten Entwicklungsstrategien, deutlicher erkennbar sein, als für die zeitgenössische Forschung. Die sich hier bietenden Forschungsmöglichkeiten sind gleichwohl auch heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Obwohl also die Verknüpfung von bestimmten policy outcomes - in der älteren Forschung verstanden als Entwicklungserfolge im Sinne des Modernisierungsdenkens - mit Regimestabilität bzw. -instabilität zweifelhaft geworden war, tauchten die bekannten Annahmen in der jüngeren Konsolidierungsforschung in neuem Gewände wieder auf: Ohne eine soziale Entwicklung werde es zu einem Verfall der hohen Anfangslegitimität der neuen demokratischen Regime kommen, was ihre Konsolidierung unmöglich mache. Dieser auf den ersten Blick plausiblen Annahme liegt jedoch sowohl ein verkürztes Verständnis von Legitimität, als auch der lateinamerikanischen Entwicklungsproblematik zugrunde: 13
Es ist zu unterscheiden zwischen einer normativ verstandenen Legitimität, aufgrund derer Regime, welche die Menschenrechte achten, als qualitativ höher zu bewerten sind, als solche, die sie verletzen, und einer empirischen Legitimität, verstanden als Unterstützung von Institutionen, Regeln und Verfahren, aber auch politischer Entscheidungen seitens der Bevölkerung: Das letztere, empirische Legitimitätsverständnis im Sinne von Eastons Systemmodell ist dasjenige, das in der Konsolidierungsdebatte verwendet wird.
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1. Die integrale Entwicklungskrise, in der sich Lateinamerika nach dem endgültigen Scheitern der importsubstituierenden Industrialisierung Anfang bis Mitte der 80er Jahre befand, wird unterschätzt. Die Verschuldungskrise engte die makroökonomischen Handlungsspielräume in dramatischer Weise ein: Die Entscheidungsfindung war nicht durch Alternativen zwischen durch po//'cy-Netzwerke gestalteten Optionsmenüs geprägt, wie wir dies in den Industrieländern auch in Krisensituationen (noch) gewohnt sind, sondern durch auch nach lateinamerikanischen Maßstäben exzeptionell schmale Handlungskorridore. Ererbte und neu entstandene constraints zwangen die Regierungen, unabhängig von ihren Intentionen und programmatischen Orientierungen, eine Reihe von ad-hoc Maßnahmen zu implementieren, welche schließlich die Neuerung eines ganzen Sets von policies notwendig machten (vgl. Barrios 1999b). Eine Bagatellisierung dieser entwicklungsstrategischen Wandlungsdynamik und ihrer weitreichenden Konsequenzen, die das gesamte soziale Gefüge sowie das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft betreffen, zu einem Problem von good govemance (Whitehead 1992; O'Donnell 1994) wird jedenfalls der Größe der Herausforderung nicht gerecht, der sich die demokratischen Regierungen gegenübersahen. Entsprechend inadäquat fallen die Beurteilungen der seit der Transition erreichten Politikergebnisse mitunter aus (vgl. Whitehead 1992; Sunkel 1995). 2. Der Wechsel der Entwicklungsstrategien, der sich über mehrere Jahre hinzog, forderte einerseits schmerzliche soziale Einbußen, schuf jedoch in anderen Bereichen auch Zugewinne. Einige Ergebnisse der sogenannten neoliberalen Politiken, vor allem die niedrige Inflationsrate, aber auch der Zustrom externen Kapitals, das in Form von Direktinvestitionen auch neue Arbeitsplätze hat entstehen lassen (während andere Arbeitsplätze zweifelsohne vernichtet worden sind), wurden vor dem Hintergrund des Bankrotts früherer Entwicklungsstrategien durchaus als Errungenschaften angesehen (vgl. die empirische Untersuchung von Weyland 1998). Die Verteilung der Kosten und Gewinne des Strategiewechsels war sicherlich alles andere als egalitär, die verschiedenen sozialen Gruppen profitierten in sehr unterschiedlichem Maße von dieser Entwicklung bzw. hatten in unterschiedlichem Maße unter ihr zu leiden. Es ist jedoch ein verbreiteter Irrtum anzunehmen, daß die besitzenden Schichten pauschal von marktwirtschaftlichen Reformen profitieren, während allein die lohnabhängige und marginalisierte Bevölkerung die Kosten trägt. Zum einen läßt sich zeigen, daß gerade im informellen Sektor und bei den working poor die Beendigung der Hyperinflation hoch willkommen war
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(Weyland 1998). Zum anderen wirkt sich die neue Weltmarktorientierung und die gerade erst beginnende Erhöhung des Wettbewerbs auf den traditionell oligopolistischen Binnenmärkten durchaus stratifizierend auf die Unternehmerschaft aus. Während einige Gruppen hier zweifellos profitieren, sind andere von Konkurs und sozialem Abstieg bedroht. Eine Bestimmung des Leistungsprofils der demokratischen Regime wird somit vieldeutiger und differenzierter sein müssen, als es die alarmistische These von der erodierenden Legitimität behauptet. Unterschiedliche Gruppen beurteilen die Leistungen der demokratischen Regime je nach ihren Interessen unterschiedlich. 3. Empirische Legitimität muß von daher gerade in sozial stark polarisierten Gesellschaften wie den lateinamerikanischen differenziert konzeptualisiert werden. Sie ist nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit passiver Massenloyalität, sondern muß die (permanente oder vorübergehende) Loyalität der Eliten gegenüber dem Regime einbeziehen. Das komplexe Verhältnis zwischen Elite und Masse (Boeckh 1998) und die Rivalitäten und Verflechtungen zwischen den Teileliten (Lipset/Solari 1967; Higley/Gunther 1992) wurden zwar auch in der Transitionsforschung thematisiert, meist jedoch in bezug auf die Frage, welche Anteile einerseits den Eliten, andererseits den Massenbewegungen an Verlauf und Ergebnissen der (Re-)Demokratisierungsprozesse jeweils zukam. Im Zusammenhang von Legitimität (im Easton'schen Sinne von diffuser und spezifischer Unterstützung) und Regimestabilität wurden die Eliten jedoch kaum behandelt. Die in Lateinamerika traditionell bedeutsame Rolle demokratisch nicht legitimierter Machtgruppen, insbesondere der ökonomischen Oligarchie und des Militärs, läßt deren Regimepräferenz jedoch zu einer entscheidenden Frage im Hinblick auf die Konsolidierungschancen der Demokratie werden. Bei dem Operationalisierungsversuch von Konsolidierung als Zustimmung der relevanten Akteure zum Regelwerk der Demokratie tauchte dieser Gedanke zwar auf. Die mangelnde Unterstützung oder gar die offene Ablehnung des demokratischen Regimes seitens eines dieser Akteure stellt demnach eine Bedrohung der Demokratie bzw. ein gravierendes Konsolidierungshindernis dar. Es wurde jedoch nicht systematisch vergleichend danach gefragt, auf welchen perzipierten Nutzen oder Vorteil die Zustimmung der relevanten Akteure zu einem bestimmten Regime jeweils gründete und an welche Bedingungen sie geknüpft war. Die Erforschung dieser Frage verspricht Aufschlüsse über den Grad der Verbindlichkeit, den die Akzeptanz demokratischer Herrschaftsformen seitens der zentralen Akteure besitzt.
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In diesem Kontext sind die von Przeworski (1992: 107) und Remmer (1991) formulierten Einwände14 gegen das in der Konsolidierungsliteratur vorherrschende Legitimitätsverständnis (vgl. z.B. Diamond/Linz/Lipset 1989; Mainwaring 1992: 304ff.) fruchtbar zu machen. Bislang bewege sich die Debatte in einem tautologischen Zyklus, wonach Regimestabilität auf Legitimität und Legitimität auf Regimestabilität beruhe (ebd.). Aus dieser Lage kann ein Legitimitätsverständnis herausführen, das weder ausschließlich funktionalistisch auf "Legitimitation durch Verfahren" (Luhmann) oder auf "Legitimität als Geltungsüberzeugung" basiert (Merkel 1995: 52), noch auf die aus der perzipierten Effektivität des Systems bezüglich seiner materiellen Leistungsperformanz resultierende Massenunterstützung beschränkt ist. Ein im doppelten Sinne pluralistischer Legitimitätsbegriff, der zum einen anerkennt, daß empirische Legitimität sich aus verschiedenen Quellen speist (Nohlen 1998), zum anderen berücksichtigt, daß Unterstützungsleistungen unterschiedlicher sozialer Gruppen gemäß ihren jeweiligen Interessen differieren können, wäre der lateinamerikanischen Wirklichkeit sozial extrem heterogener Gesellschaften angemessener. Die Bewertung der Effektivität des Regimes (im Sinne seiner materiellen Leistungsfähigkeit) sowie der Anerkennungswürdigkeit der politischen Ordnung und ihrer Regeln seitens der verschiedenen sozialen Gruppen, auf der ihre spezifische und diffuse Unterstützung beruht, orientiert sich zudem nicht an einem vorgegebenen, abstrakten Maßstab. Ihre normativen wie materiellen Erwartungshorizonte (Nohlen 1998: 351) entwickeln sie vielmehr konkret auf der Grundlage ihrer historischen Erfahrungen. Im individuellen wie kollektiven Gedächtnis sind die Verfahrensweisen und die Politikergebnisse früherer Regime verzeichnet (wenn auch natürlich durch die jeweils spezifische Wahrnehmung gemäß der jeweiligen Interessenlage der sozialen Gruppen gefärbt). Auch der externe Kontext, etwa die Leistungsprofile der Regime der Nachbarländer, spielt für die Bilanzierung der Regimeperformanz durch Individuen und Gruppen eine bedeutsame Rolle. Vorstellungen über die - früheren wie heutigen - Erfahrungen anderer Gesellschaften werden zur Bestimmung und Bewertung der eigenen Lage herangezogen. Die Perzeption von Fremderfahrung ist dabei im übrigen durch ideologische Orientierungen und Wertvorstellungen geprägt, also durch Elemente der Politischen Kultur. Kurzum: Die Evaluierung der gegenwärtigen Regimeleistungen erfolgt in diesem Zusammenhang der Wahrnehmung von Eigen- und Fremderfahrung; sie bestimmt letztlich, was an Veränderungen 14
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Remmer wies darauf hin, daß "democratic regimes may enjoy a high degree of legitimacy but nevertheless succumb to military takeover' (Remmer 1991: 490).
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für möglich gehalten wird - im übrigen auch an Veränderungen zum Schlechteren. Hoffnungen und Befürchtungen der verschiedenen sozialen Gruppen werden somit von Gesellschaft zu Gesellschaft differieren und je nach Zeitpunkt unterschiedlich ausfallen. Legitimität ist somit nicht nur pluralistisch, sondern auch relational zu konzeptualisieren. Ein solcher pluralistischer und relationaler Legitimitätsbegriff kann die Gewährung oder Entziehung der Zustimmung zur Demokratie durch relevante Akteure, etwa der Unternehmer oder des Militärs, besser fassen als ein Legitimitätsverständnis, das, stets auf der Makroebene verharrend, undifferenziert auf die Gesamtbevölkerung bezogen ist. Die Frage, ob die Wirtschaftseliten (die vielzitierte "Oligarchie") unter demokratischen Herrschaftsbedingungen ihre Interessen bedroht sehen (etwa durch die Sozialrevolutionäre Programmatik wichtiger Parteien), wie dies in den 60er Jahren der Fall war, oder ob sie bei einer Reduzierung des ideologischen Spektrums im politischen Angebot davon ausgehen können, daß auch bei einem freien politischen Wettbewerb sich keine Positionen durchsetzen werden, die ihren Interessen zuwiderlaufen, wie dies in den 90er Jahren der Fall ist, spielt für die Regimepräferenz dieser sozialen Gruppe eine erhebliche Rolle. Die Frage, ob das Militär, wie in den 60er und 70er Jahren, über ein politisches Projekt verfügt, das die Streitkräfte zu einen und zur Machtübernahme zu motivieren vermag, ist für das Überleben der Demokratie von entscheidenderer Bedeutung, als die auf der Makroebene gemessene diffuse Unterstützung seitens der Gesamtbevölkerung (vgl. Remmer 1991). In den 90er Jahren war ein solches politisches Projekt des Militärs nicht erkennbar (Nunn 1995; Pion-Berlin 1990, 1992). Es bleiben aber die Bedingungen vergleichend zu erforschen, unter denen zentrale Akteure von der Demokratie abweichende Regimepräferenzen entwickeln. Schließlich macht es für die Konsolidierungschancen eines demokratischen Regimes einen erheblichen Unterschied, ob Akteure wie Unternehmer, Gewerkschaften, Parteien, Intellektuelle in der Demokratie lediglich eine Arena zur Austragung antagonistischer sozialer Interessen sehen, die bei deren Nichtdurchsetzung wieder zur Disposition gestellt wird. Oder ob sie aufgrund der Erfahrungen mit der Verletzung des eigenen Schutzanspruchs und der Mißachtung der eigenen materiellen Interessen durch autoritäre Regime den demokratischen Spielregeln einen Eigenwert zubilligen (Nohlen 1994). Dort, wo in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Regimewechsel stattgefunden haben, haben alle Akteure ein Bewußtsein davon, daß es außer der Demokratie auch andere Herrschaftsformen gibt. Die vor dem Hintergrund des oben ausgeführten Erfahrungshorizonts bestehende Attraktivität oder eben mangelnde Attraktivität der
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Regimealternativen für die einzelnen sozialen Gruppen bzw. Akteure ist in hohem Maße bestimmend für deren jeweilige Regimepräferenz (die wiederum wichtig für die Regimestabilität ist) - und nicht allein die Bewertung der Performanz des gegenwärtigen Regimes. Auch in diesem Sinne, d.h. bezogen auf die momentane Anziehungskraft alternativer Regimeoptionen bzw. deren fehlender Attraktivität, ist Legitimität als relational zu begreifen.
6. Fazit Wie wir gesehen haben, gehen die offenkundigen Schwierigkeiten der politikwissenschaftlichen Demokratisierungs- bzw. Systemwechselforschung, konsistente Aussagen zur Konsolidierung der Demokratie in Lateinamerika zu entwickeln, im Kern auf Mängel in der Konzeptualisierung und Operationalisierung demokratischer Konsolidierung zurück. Die bedeutendsten Schwächen des gängigen Konsolidierungskonzepts liegen zum einen in seinem impliziten teleologischen Gehalt. Zum anderen im mangelnden Konsens bezüglich einer Formulierung präziser Mindeststandards, wann eine polity als konsolidierte Demokratie gelten kann. Beide Defizite stehen untereinander in einem engen Zusammenhang: Da Konsolidierung gemäß diesem Verständnis eine Irreversibilität demokratischen Regierens impliziert sowie ein (nicht näher bestimmtes) qualitativ hohes Niveau hinsichtlich der Regimeperformanz zur Voraussetzung hat, fällt es schwer, verbindliche Mindestqualifikationen für die Konsolidierung demokratischer Regime zu formulieren. Statt dessen etabliert man Maximalkriterien (die man überdies nicht präzise genug fixiert), ohne zu überprüfen, ob diese in den gegebenen Kontexten überhaupt erfüllbar sind. Die Folge ist eine permanente Reproduktion von Defizitanalysen, die sich einer sinnvollen Anwendung des methodologischen Instrumentariums der induktiv arbeitenden vergleichenden Politikwissenschaft entziehen. Mit anderen Worten: Diese Vorgehensweise ist ungeeignet, um genauere Angaben darüber machen zu können, wie weit die betreffenden demokratischen Regime bereits auf ihrem Weg zur Konsolidierung vorangekommen sind, d.h. welche unter ihnen mehr, welche weniger konsolidiert sind. Eine Gefahr des Verharrens auf diesem Forschungsstand liegt u.a. in der Mißdeutung möglicherweise stabilisierender oder konsolidierender Faktoren. Beispielsweise wird eine Zu(Remmer 1995a: 115; vgl. auch Bradford nahme der policy insulation 1994; Geddes 1994), Voraussetzung einer erfolgreichen Durchsetzung von Sachpolitiken, in der Konsolidierungsdebatte nicht selten als Demokratiedefizit verkannt. Es geht jedoch in Lateinamerika darum, den Staat 28
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aus seiner Einbettung in informelle Netzwerke herauszulösen, welche die Staatstätigkeit zugunsten mächtiger sozioökonomischer Interessen manipulieren, bzw. diese klientelistischen Strukturen durch neue informelle Institutionen (po//cy-Netzwerke) zu ersetzen, welche die Implementierungseffizienz des Staates erhöhen (Boeckh/Rubiolo 1999; Faust/ Dosch 1999; Barrios/Röder 1999). Versucht wurde hier, Auswege aus dem beschriebenen Dilemma der Konsolidierungsforschung anzupeilen. So könnte eine gewisse Flexibilisierung des Konzeptes der demokratischen Konsolidierung weiterhelfen: Zum einen dahingehend, daß man den (empirischen, nicht etwa den normativen) Anspruch auf Irreversibilität aufgibt, der die prognostischen Möglichkeiten unserer Disziplin ohnehin überfordert. Zum anderen, indem die a príorí-Festlegung eines notwendigen Niveaus von (sozialen, wirtschaftlichen) Regimeleistungen zugunsten einer flexibleren Vernetzung von Legitimität, Regimeperformanz und Akteurspräferenzen fallen gelassen wird. Legitimität ist dabei als relational zu konzeptualisieren, sozioökonomische Interessengegensätze sind mitzudenken. Auf der Operationalisierungsebene sollte die Zustimmung relevanter Akteure zum demokratischen Regelwerk ernst genommen werden. Dabei scheint es forschungspragmatisch sinnvoller zu sein, nach eventuell bestehenden Gefährdungspotentialen für die Demokratie zu fragen, statt vergebens nach der endgültigen, nicht mehr revozierbaren Akzeptanz der Demokratie als "the only game in town" zu suchen. Die aus der Sicht der verschiedenen Akteure noch vorhandene, wieder zunehmende oder aber weiter abnehmende Attraktivität von autoritären Regimealternativen, die in Lateinamerika für absehbare Zeit noch im kollektiven Bewußtsein präsent bleiben werden, kann dabei darüber Auskunft geben, ob und in welchem Maße demokratische Regime gefährdet sind.
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Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
Rupert F. J. Pritzl
Institutionelle Reformen in Lateinamerika Einige Überlegungen aus institutionenökonomischer Sicht1 1.
Einleitung
Nach der „década perdida" (der verlorenen Dekade) hat nahezu auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent eine Abkehr von der lange Zeit betriebenen Strategie des desarrollismo und „cepalismo" hin zu einer marktwirtschaftlichen und nach außen orientierten Entwicklungsstrategie stattgefunden. Die mit dem Ziel der ökonomischen Transformation eingeleiteten wirtschaftlichen Reformen haben in den 90er Jahren in vielen Ländern Lateinamerikas zu beachtlichen makroökonomischen Erfolgen geführt. Die Inflation wurde drastisch reduziert und Geldwertstabilität erreicht. Die Defizite der öffentlichen Haushalte, die eine der wesentlichen Ursachen der langanhaltenden Inflation und der makroökonomischen Instabilität in Lateinamerika waren, sind durch Sanierungsmaßnahmen sowie Reformen des Finanz- und Bankensystems deutlich verringert und unter Kontrolle gebracht worden. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum hat in der ersten Hälfte der 90er Jahre im Durchschnitt ca. 3,3% erreicht, so daß das Pro-Kopf-Einkommen - nach einer Stagnation in den 80er Jahren - nun leicht gestiegen ist (vgl. IDB 1997: 219ff.). Das wiedergewonnene Vertrauen des Auslandes in die weitere Reformfähigkeit und -Willigkeit Lateinamerikas spiegelt sich auch in den hohen Kapitalzuflüssen nach Lateinamerika wieder, die von 1990 bis 1996 insgesamt über US$ 300 Mrd. erreicht haben (vgl. Weltbank 1997b: 7). 1
Die Ausführungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder.
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
Neben diesen beachtlichen ökonomischen Erfolgen sind auch Fortschritte bei der Konsolidierung der Demokratien in Lateinamerika zu verzeichnen. In nahezu allen lateinamerikanischen Ländern hat sich die politische Transition von Militärdiktaturen zu demokratischen Systemen vollzogen, und es wurden - wie die Beispiele einzelner Länder zeigen politische Probleme und Regierungskrisen innerhalb des demokratischen Systems erfolgreich bewältigt (vgl. Nolte 1997). Allerdings neigen einige politische Systeme in Lateinamerika noch dazu, demokratische Regierungs- und Legitimierungsmuster mit semi-autoritären Entscheidungsprozessen und populistischen Politikelementen zu verbinden. Zu Anfang des 21. Jahrhunderts stehen viele Länder Lateinamerikas weiterhin vor der drängenden ökonomischen Herausforderung, die Zahlungsbilanzungleichgewichte abzubauen, die Auslandsverschuldung zu verringern sowie den Kapitaldienst zu erleichtern. Allein durch die Abwertung des brasilianischen Real im Januar 1999 hat sich der Auslandsschuldendienst Brasiliens um 40% erhöht. Darüber hinaus sind auch die weiterhin noch ungelösten gravierenden sozialen Probleme in Form von Arbeitslosigkeit bzw. Unterbeschäftigung und Armut sowie die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen zu bewältigen. Die fortschreitende Globalisierung eröffnet den Ländern Lateinamerikas vielfältige Chancen zur Wohlstandssteigerung. Sie verlangt aber auch eine stärkere Einbindung ihrer Volkswirtschaften in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung und eine Verbesserung ihrer nationalen Wettbewerbsfähigkeit. Dies ist nicht zuletzt dadurch zu erreichen, daß der Staat als „Bereitsteller der institutionellen Infrastruktur" (Weltbank 1997a) die Kapazität und die Qualität der staatlichen Institutionen erhöht, um eine zukunftsorientierte und adäquate Wirtschaftspolitik entwickeln und umzusetzen zu können. Die Kompetenz der staatlichen Institutionen beeinflußt nicht nur die nationale Wettbewerbsfähigkeit, sondern ist in hohem Maße auch für die Art und Umsetzung der Wirtschaftspolitik verantwortlich. Dauerhafte makroökonomische Erfolge lassen sich nur dann erzielen, wenn auch die institutionelle staatliche Infrastruktur gesamtwirtschaftlich wachstumsfreundliche Anreize vermittelt, den Wirtschaftssubjekten rechtlich zuverlässig Handlungsoptionen gewährleistet und so Grundvoraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum schafft. Mit grundlegenden wirtschaftlichen und politischen Reformen in Lateinamerika wurde in der Mehrzahl der Länder Lateinamerikas bereits seit Mitte der 80er Jahre begonnen. Doch ist die Agenda der institutionellen Reformen noch nicht abgeschlossen, vielmehr sind weitere Anstrengungen erforderlich, um die marktwirtschaftlichen und demokratischen institutionellen Strukturen zu festigen und die bisherigen Erfolge zu sichern (vgl. IRELA 1997). Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Reformmaßnahmen durch eine zielgerichtete und effiziente Sozialpolitik zu 34
Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
begleiten. Die Weltbank spricht in einer jüngeren Studie „Beyond the Washington Consensus" von der Notwendigkeit einer zweiten Generation der institutionellen Reformen (vgl. Weltbank 1998). Die folgenden Ausführungen gliedern sich wie folgt: Im 2. Kapitel werden die Grundlagen der Neuen Institutionenökonomik mit ihren zentralen Elementen (Theorie der „Property Rights" und Transaktionskostenansatz) kurz dargestellt. Aufgrund ihrer spezifischen Sichtweise kann die Institutionenökonomik zur Analyse der gesellschaftlichen Institutionen und zur Bestimmung des Reformbedarfes beitragen. Das 3. Kapitel stellt das Konzept des Rent-Seeking als spezielle Form von Interessengruppenpolitik dar und analysiert die Rentiergesellschaften, die sich in vielen Ländern Lateinamerikas durch zahlreiche Staatseingriffe in den zurückliegenden Jahrzehnten herausgebildet haben und die ein zentrales Hemmnis für die weitere wirtschaftliche Entwicklung bilden. Anschließend werden aus einer institutionenökonomischen Sichtweise im 4. Kapitel die grundlegenden institutionellen Voraussetzungen herausgearbeitet, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Lateinamerika fördern und in den „Reformen der zweiten Generation" umgesetzt werden sollten. Diese Reformmaßnahmen sollen die institutionellen Voraussetzungen für eine wettbewerblich ausgerichtete Wirtschaft sowie für eine effektive Einbindung der Volkswirtschaft in den Weltmarkt schaffen. Erste Erfolge der ersten institutionellen Reformmaßnahmen zeichnen sich bereits ab und geben Anlaß zu verhaltenem Optimismus.
2.
Grundlagen der Neuen Institutionenökonomik
Die neuere wirtschaftswissenschaftliche Forschung hat verstärkt darauf hingewiesen, daß soziale Institutionen in erheblichem Maße das wirtschaftliche Wachstum und die gesellschaftliche Entwicklung bestimmen (vgl. u.a. North 1991, 1992; Olson 1991, 1996; Brockmeier 1997; Lin/ Nugent 1995 und Bomer/Brunetti/Weder 1995). Demnach beeinflussen die institutionellen gesellschaftlichen Strukturen das Verhalten der Wirtschaftssubjekte und legen die relative Vorteilhaftigkeit verschiedener Aktivitäten in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht fest. „After all, the prevailing laws and legal procedures of an economy are prime determinants of the profitability of activities such as rent-seeking ..." (Baumol 1990: 918). Institutionen entscheiden darüber, ob sich bestimmte Aktivitäten für die Gesellschaft als produktiv (d.h. Unternehmertätigkeiten im Sinne Schumpeters), unproduktiv (d.h. ftenf-Seefc/ng-Aktivitäten) oder gar als destruktiv (in der Regel Kriegshandlungen) erweisen. Die Neue Institutionenökonomik beschäftigt sich mit der Analyse von politischen, ökonomischen, juristischen und sozio-kulturellen Aspekten
35
Lateinamerika Jahrbuch 1999
der gesellschaftlichen Entwicklung und versucht Antworten auf die Frage zu geben, welchen Einfluß alternative institutionelle Arrangements auf das Verhalten der Individuen und auf die gesellschaftliche Entwicklung haben. Ziel der Reform gesellschaftlicher Institutionen ist es, die Opportunitätskostenkalküle der Wirtschaftssubjekte so zu verändern, daß individuell vorteilhaftes Handeln auch zu einem gesamtwirtschaftlich erwünschten Handeln führt. Dies war schon das Programm des Liberalismus von Adam Smith und der klassischen Ordnungsökonomik von Walter Eucken. Unter einer „Institution" werden vereinfacht alle verhaltensleitenden und erwartungsstabilisierenden Strukturen verstanden, die das menschliche Verhalten regeln und somit für andere vorhersehbar gestalten. Douglass C. North (1991: 97) definiert eine Institution als „the humanly devised constraints that structure political, economic and social interaction". Die Institutionen bilden daher die „verhaltensleitenden gesellschaftlichen Spielregeln", die die gesellschaftliche Unsicherheit verringern und die wohlfahrtserhöhende Arbeitsteilung ermöglichen. Die Verhaltensleitung und -Stabilisierung kann durch formale oder durch informelle Institutionen erfolgen. Beispiele für formale Institutionen sind die geschaffenen Marktordnungen (für Kapital-, Arbeits- oder Gütermärkte), die allgemein verbindliche und regelmäßige Verhaltensweisen vorsehen, oder Verträge, die bestimmte Zahlungs- und Leistungspflichten beinhalten, sowie die „Property Rights". Beispiele für informelle Institutionen sind Bräuche, Sitten und Konventionen. Die explizite Berücksichtigung des Einflusses von formalen oder informellen institutionellen Handlungsbeschränkungen bei der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung stellt einen Fortschritt gegenüber der traditionellen neoklassischen Wirtschaftstheorie dar, die den institutionellen Rahmen des Wirtschaftens bekanntlich in den gegebenen „Datenkranz" verwiesen und aus der Betrachtung ausgeklammert hatte (vgl. Schenk 1992). Die Eigentums- und Verfügungsrechte (,,Property Rights") werden als institutionell sanktionierte Handlungsrechte aufgefaßt, die dem Inhaber dieser Rechte einen Anspruch auf ein Tun oder Unterlassen bestimmter Handlungen einräumen. Diese Handlungsrechte gelten sowohl für die privaten als auch für die staatlichen Akteure und beinhalten somit Handlungsmöglichkeiten und Verhaltensbeschränkungen zugleich. Property Rights werden in die Rechte der Nutzung, der Einbehaltung von Erträgen, der Veränderung von Form und Substanz sowie der Übertragung einer Ressource unterschieden (vgl. Richter/Furubotn 1996: 79ff.). Ziel ist es, daß Individuen verläßlichere Erwartungen hinsichtlich des Verhaltens anderer Akteure bilden und weniger Ressourcen für die Vereinbarung, den Abschluß, die Durchführung und die Kontrolle von ökonomischen Transaktionen aufwenden müssen. Effiziente gesellschaftli36
Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
che Institutionen sollen dafür sorgen, daß wirtschaftliche Handlungen mit den geringsten Transaktionskosten durchgeführt werden. Letztlich ermöglicht die durch Institutionen bewirkte Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten überhaupt erst Handlungsalternativen, die aufgrund der großen Unsicherheit ohne Institutionen nicht existent wären. In einer institutionenökonomischen Sichtweise werden Güter und Leistungen als ein Bündel von Handlungs- und Verfügungsrechten aufgefaßt, so daß der Tausch von physischen Gütern dem Tausch von Property Rights entspricht. Da der Wert der Güter und Leistungen von der Ausgestaltung der Rechte bestimmt wird, hat ein Eingriff in diese Handlungsrechte einen spezifischen und in der Tendenz vorhersehbaren Einfluß auf die Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen und auf die Verteilung des Einkommens (vgl. Richter 1990: 575). Der Wert der Handlungsrechte wird erhöht, wenn die ökonomischen Handlungsmöglichkeiten ausgeweitet werden.
3.
Rent-Seeking und Rentiergesellschaften in Lateinamerika
Das Konzept des Rent-Seeking geht auf Wettbewerbs- und regulierungstheoretische Vorstellungen zurück und basiert auf einer Analyse der gesellschaftlichen Kosten, die von diskretionären staatlichen Eingriffen in den Wirtschaftsprozeß hervorgerufen werden (z.B. in Form von staatlichen Monopolen, Beschränkungen oder Regulierungen) (vgl. Tullock 1993). Als Rente werden die Zahlungen an den Rechtsinhaber einer Ressource definiert, die über den Einkommen liegen, die in der nächstbesten Verwendung der Ressourcen erzielt werden können. Renten entstehen vor allem dort, wo staatliche Eingriffe und Regulierungen direkt oder indirekt zu künstlichen Wettbewerbs- und Preisverzerrungen und somit zu staatlich gewährten Einkommens- oder Transferzahlungen führen. Staatliche Eingriffe von Politikern und Bürokraten begründen viele neue oder verändern bereits bestehende Eigentumspositionen und schaffen so privilegierte und staatlich geschützte Rentenpositionen, um deren Aneignung sich einzelne Personen (individuelles Rent-Seeking) oder gesellschaftlich organisierte Gruppen (kollektives Rent-Seeking) bemühen. Unter „Rent-Seeking" (oder: „rentismo") lassen sich daher die vielfältigen Bemühungen verstehen, staatliche Eingriffe in die (marktwirtschaftliche) Allokation herbeizuführen und sich die hierdurch geschaffenen (Renten-) Einnahmen anzueignen. Das Rent-Seeking läßt sich als ein Vorgang bezeichnen, bei dem im politisch-bürokratischen Prozeß (d.h. auf dem politischen Markt) individuell oder kollektiv Einfluß auf die Veränderung der Handlungs- und 37
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Verfügungsrechte zu nehmen versucht wird. Während es auf dem ökonomischen Markt zu einem in der Regel freiwilligen Tausch von Rechten zwischen prinzipiell gleichgeordneten Wirtschaftssubjekten kommt, findet auf dem „politischen Markt" eine Beeinflussung bzw. Veränderung der Verfügungs- und Nutzungsrechte durch politische Akteure statt, die anderen hoheitlich übergeordnet sind. Eine solche hoheitliche Macht zur Beeinflussung bzw. Veränderung der Eigentumsrechte besitzen Politiker und Bürokraten, wenn sie per Gesetz oder per Verordnung Regulierungen bzw. Lizenzierungen einführen bzw. verändern oder Beschränkungen der Handlungsfreiheit vornehmen und diese - notfalls auch mit staatlicher Gewalt - für die übrigen Wirtschaftssubjekte verbindlich durchsetzen (können). In einer Erweiterung dieses Rent-Seeking-Konzeptes geht es um die Durchsetzung von politisch gewährten Privilegien zu Lasten Dritter. Da den Politikern und Bürokraten zum Teil erhebliche Ermessens- und Entscheidungsspielräume eingeräumt werden, innerhalb derer ihr hoheitliches Handeln nur unzureichend kontrolliert werden kann, verbleiben ihnen relativ große und zum Teil willkürlich nutzbare Handlungsmöglichkeiten. Bestimmte Ausprägungen der politischen Systeme in vielen Ländern Lateinamerikas (so z.B. ein starkes Übergewicht der Exekutive, eine politische Abhängigkeit der Judikative und ein in der Praxis unzureichend verwirklichtes Rechtsstaatsprinzip) führen dazu, daß Politiker und Bürokraten in vielen Fällen nur eine geringe Kontrolle ihres Verhaltens befürchten müssen. Politiker und Bürokraten können daher ihre hoheitliche Macht auch dafür einsetzen, die Eigentumsrechte sowohl im Rahmen der Privatisierungen der ehemals staatlichen Unternehmen als auch an den privaten Gütern neu- oder umzudefinieren, um sich selbst und anderen politische Einkommenserzielungsmöglichkeiten zu schaffen. Man kann daher von einem illegalen Markt für Property Rights sprechen, auf dem die öffentlichen Amtsträger die Eigentums- und Verfügungsrechte illegal verkaufen bzw. beeinflussen können (vgl. Pritzl 1997a: 221 ff.). Es geht folglich um alle Arten von Einkommen oder einkommensmäßiger Privilegierung, die nicht über den ökonomischen Markt geschaffen, sondern unter Umgehung oder Verzerrung des ökonomischen Marktes auf politischem Wege umverteilt werden: Das Rent-Seeking bezeichnet somit - allgemein gesprochen - das Ausnutzen politischer Einkommenserzielungsmöglichkeiten zur Aneignung stabiler politischer Renten, das Profit-Seeking hingegen das Ausnutzen ökonomischer Einkommenserzielungsmöglichkeiten zur Erreichung temporärer ökonomischer Renten. Die Rent-Seeking-AMvWäten hängen in direkter Weise vom Umfang und von der Art der hoheitlichen Macht der Politiker und Bürokraten sowie von ihrem Entscheidungs- und Ermessensspielraum ab. Das institu38
Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
tionelle Umfeld (so z.B. das politische System und die politische Kultur) sowie die staatliche Wirtschaftspolitik tragen erheblich dazu bei, daß die politischen Einkommenserzielungsmöglichkeiten die ökonomischen übersteigen. Daher sind gerade in den Ländern in einem erheblichen Ausmaß Reni-See/c/ng-Aktivitäten zu erwarten, in denen z.B. umfangreiche staatliche Regulierungen der privatwirtschaftlichen Aktivitäten vorgenommen, eine Vielzahl von staatlichen bzw. halbstaatlichen Unternehmungen betrieben, ausgedehnte öffentliche Verwaltungsapparate unterhalten und vielfältige interventionistische Eingriffe des Staates in die Wirtschaft vorgenommen werden. Auch die Art des politischen Systems hat einen erheblichen Einfluß auf das Ausmaß des unproduktiven Rent-Seeking. In autoritären politischen Systemen müssen sich die regierenden Politiker stets um eine hinreichende politische Unterstützung durch die mächtigen gesellschaftlichen Gruppen bemühen und dafür einen Austausch von unmittelbarer materieller Besserstellung gegen politische Unterstützung praktizieren. Mehr noch als in demokratischen Systemen werden Politiker in autokratischen Systemen daher tendenziell eine Politik der gezielten staatlichen Umverteilung (v.a. eine spezielle Interessengruppenpolitik, die umfangreiches Rent-Seeking begünstigt) und somit eine primär redistributiv ausgerichtete staatliche Wirtschaftspolitik betreiben. Zudem werden sich die regierenden Politiker und Bürokraten möglichst umfassend gegen jegliche Beschränkungen ihres Handlungsspielraums und somit ihrer Veränderungsmöglichkeiten der individuellen Verfügungs- und Nutzungsrechte zur Wehr setzen und sich die Möglichkeit einer politisch motivierten Neu- oder Umdefinition der Eigentumsrechte offenhalten (vgl. Pritzl/Schneider 1998 und Pritzl 1997a: 163ff.). In dem Maße, in dem in einigen Ländern Lateinamerikas zum Teil noch immer auf einzelne autokratische Politikelemente zurückgegriffen wird, werden bestimmte Charakteristika einer machtpolitisch orientierten und redistributiven Wirtschaftspolitik fortgesetzt. Wenn das institutionelle Umfeld Rent-Seeking-AktivWàien zuläßt, dann werden die gesellschaftlichen Gruppen vielfältige Anstrengungen unternehmen, um die politischen Entscheidungsträger so zu beeinflussen, daß sie von deren Entscheidungen profitieren. Die volkswirtschaftlichen Ressourcen werden aus den eigentlich produktiven Tätigkeiten auf dem „ökonomischen Markt" abgezogen und in den „politischen Markt" gelenkt. In statischer Sicht ist Rent-Seeking somit Ausdruck der gesellschaftlichen Verteilungskonflikte um bereits bestehende Rentenpositionen, in dynamischer Sicht aber auch Ausdruck der Bemühungen, diese rentenversprechenden Positionen durch staatliche Eingriffe erst künstlich herbeizuführen (Rentenschaffung), sich die politischen Zahlungen selbst anzueignen (Rentenumlenkung) bzw. die einmal erreichte Position gegenüber anderen abzusichern (Rentenverteidigung). Ein einzelner 39
Lateinamerika Jahrbuch 1999
staatlicher Eingriff und die mit ihm verbundene privilegierte Behandlung (in Form von direkter Rentengewährung oder Bevorzugung im Wettbewerb) wird daher vielfältige weitere ftenf-See/c/ng-Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen und zu verschiedenen Zeiten hervorrufen und somit eine gesellschaftliche Umverteilungsdynamik bewirken. Es ist daher zu erwarten, daß die gesellschaftlichen Gruppen sich organisieren und mit distributiven Forderungen an Politiker und Bürokraten herantreten. Diese wiederum werden - wenn das institutionelle Umfeld es ihnen erlaubt - den Interessengruppen in ihren Wünschen nach Privilegierung entgegenkommen. Es ist nicht schwer sich auszumalen, wie auf diese Weise ein dynamisches Zusammenspiel von Anbietern von und Nachfragern nach staatlich regulierenden und rentenverschaffenden Eingriffen zustande kommt und über viele Jahrzehnte hinweg aufrecht erhalten werden kann. Die über viele Jahrzehnte verfolgte entwicklungspolitische Strategie des desarollismo und „cepalismo" hat in vielen Ländern Lateinamerikas zu einer Vielzahl an staatlichen Eingriffen geführt und in den 80er Jahren ein schier unüberschaubares Geflecht an staatlichen Regulierungen, Reglementierungen und Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten hinterlassen. Es ist kaum verwunderlich, daß sich ein Übermaß an diversen Verteilungskoalitionen herausgebildet hat und systemimmanent die politischen Einkommenserzielungsmöglichkeiten dominierten. Viele lateinamerikanische Gesellschaften haben sich auf diese Weise zu „Rent-Seeking-Societies" (Buchanan/Tollison/Tullock 1980) oder Rentiergesellschaften entwickelt, in denen die Schaffung von wechselseitigen Abhängigkeiten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie korporatistische staatliche Kontrollen und klientelistische Praktiken tragende Prinzipien waren. Das Rent-Seeking führt nicht zu einer Erhöhung des wirtschaftlichen Wachstums und einer Zunahme des Wohlstandes einer Gesellschaft, sondern stellt nur eine „aufwendige" Umverteilung des bereits Erwirtschafteten dar und bewirkt daher eine gesellschaftlich unerwünschte Fehlallokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen (vgl. Murphy/Shleifer/Vishny 1993). Eine erhebliche Kapitalflucht, eine Zunahme des informellen Sektors, eine langanhaltende Inflation und ein nur mäßiges wirtschaftliches Wachstum waren die Folgen. Es kam zu einer Verkrustung der wirtschaftlichen und politischen Strukturen, zu einem ordnungspolitischen Verfall des Staates (mit den hinreichend bekannten Mängeln wie z.B. ineffiziente Aufgabenerfüllung, hohe Verwaltungskosten, Ressourcenverschwendung) sowie zu einer Zementierung der staatlichen Ungleichbehandlung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Viele Gesellschaften wurden unfähig, auf eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angemessen zu reagieren und die für wirt-
40
Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
schaftliches Wachstum und gesellschaftliche Entwicklung erforderlichen Anreize zu schaffen (vgl. Pritzl 1997a: 235ff. und Weede 1997). Diese verkrusteten und inflexiblen Strukturen bilden zentrale Hemmnisse der Modernisierung der lateinamerikanischen Regionalkultur (vgl. Esser 1998). Diese gesellschaftlichen Verkrustungen aufzubrechen und die gesellschaftliche Anpassungsfähigkeit wiederherzustellen, ist Ziel der grundlegenden Wirtschaftsreformen, mit denen seit Anfang der 90er Jahre in vielen Ländern Lateinamerikas begonnen wurde und die nun einer institutionellen Fundierung bedürfen. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Reformen kann Chile als Modellfall für bestimmte Reformmaßnahmen gesehen werden (vgl. Sangmeister 1998a).
4.
Grundlegende institutionelle Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum
Die Neue Institutionenökonomik und die Ordnungsökonomik liefern Empfehlungen für die grundlegenden Ausgestaltung der gesellschaftlichen Institutionen, die wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Entwicklung begünstigen. Die nationalstaatlichen Institutionen können als Ergebnis des politischen Willensbildungsprozesses des Landes begriffen werden. Inwieweit die Institutionen die nachfolgend dargelegten Voraussetzungen erfüllen, hängt entscheidend sowohl von der Fähigkeit des politischen Systems als auch von der Bereitschaft der politischen Eliten ab, die wachstumsfördernden institutionellen Arrangements auch tatsächlich einzuführen. Eine Veränderung des institutionellen Umfeldes ist nicht als eine einmalige Auswahl eines für alle Zeiten optimalen institutionellen Arrangements zu sehen, es geht vielmehr um die bestmögliche Veränderung des bisher bestehenden institutionellen Umfeldes in überschaubaren und für alle nachvollziehbaren Schritten. Dies kann nur in einem gesellschaftlichen Lernprozeß realisiert werden, in dem die bestmöglichen Lösungen für die drei Problembereiche zumindest angestrebt werden: Wahl des für jede Gesellschaft adäquaten institutionellen Arrangements, Einführung der gewählten Institutionen und Gewährleistung des Erhalts der Institutionen. In formaler Hinsicht sollten die Institutionen den grundlegenden Kriterien entsprechen, die an gesellschaftliche Regeln gestellt werden (vgl. Brennan/Buchanan 1993): (1) Die Institutionen sollten allgemeingültig sein und sich auf abstrakte Regeln gesellschaftlicher Prozesse, nicht aber auf dessen spezifische Ergebnisse beziehen (Kriterium der Allgemeingültigkeit). (2) Die Institutionen sollten bestimmt sein, d.h. nur solche Handlungen unterbinden, deren Umstände den einzelnen Akteuren 41
Lateinamerika Jahrbuch 1999
realistischerweise im Vorfeld bekannt sind (Kriterium der Bestimmtheit). (3) Die Institutionen sollten offen bzw. negativ formuliert sein, d.h. eine endliche Zahl von spezifischen Handlungen ausschließen, um gleichzeitig eine prinzipiell unendliche Zahl von Handlungen bzw. zukünftigen Handlungsoptionen zu ermöglichen. Dies bedeutet zugleich, daß die Institutionen zukunftsbezogen sein sowie - im Hinblick auf eine größere politische Akzeptanz - die zukünftige Position des einzelnen in der Gesellschaft im unklaren belassen sollten (Kriterium der Offenheit). In materieller Hinsicht sollten die gesellschaftlichen Institutionen die nachfolgenden Kriterien erfüllen (vgl. Brennan/Buchanan 1993, Mummert 1998, Lin/Nugent 1995): A. Die gesellschaftlichen Institutionen sollten die Handlungsrechte über die knappen Ressourcen spezifizieren und diese möglichst Individuen und nicht Kollektiven zuordnen. Die vollständige Zuordnung der Property Rights beinhaltet die weitgehend uneingeschränkte Nutzung der Ressourcen sowie die ungeteilte Verantwortung der Rechtsinhaber für die Folgen der Nutzung. Durch diese eindeutige Zuordnung von Handlungsergebnissen und Handlungsfolgen (Gewinn, Verlust und Haftung) werden die stärksten Anreize zum Erhalt, zur Vermehrung und zur bestmöglichen Verwendung des Eigentums geschaffen. Unvollständig zugeordnete Property Rights werden externe Effekte hervorrufen, die unweigerlich das Trittbrettfahrerproblem sowie die mögliche Übernutzung von Kollektivgütern (tragedy of the commons) zur Folge haben. Tätigkeiten und Aufgabenbereichen, die der private Sektor besser zu erfüllen in der Lage ist, sollten daher privaten Akteuren übertragen werden. Mit der Zuordnung der wirtschaftlich relevanten Handlungsrechte sollte man auch versuchen, einen Mentalitätswandel zu erreichen, der der viele Jahrzehnte geschürten Anspruchshaltung großer Teile der Bevölkerung und der anerzogenen Staatsorientierung vieler Unternehmen entgegenwirkt. In vielen Fällen ist der Staat nicht mehr annähernd in der Lage, die an ihn gestellten Forderungen zu erfüllen. Daher ist nicht vom vielfach über(be-)lasteten Staat eine Lösung ökonomischer Probleme zu erwarten, sondern eher von den Fähigkeiten und Möglichkeiten der Individuen. Die Ausweitung der individuellen Handlungsmöglichkeiten muß daher auch mit einer Rückbesinnung auf die Eigenverantwortung und auf die selbstverantwortliche Gestaltung des Lebensbereiches einhergehen. Seit Mitte der 80er Jahre haben viele Länder Lateinamerikas mit der Privatisierung der staatlichen Unternehmen begonnen und bis heute bereits einen großen Teil in privates Eigentum überführt. Durch RentSeeking herausgebildete und noch immer existierende Beziehungsnetze und -konstellationen haben bei den Privatisierungen allerdings dazu bei42
Pritzl: Institutionelle Reformen in Lateinamerika
getragen, daß bestimmte Personen bzw. gesellschaftliche Gruppen den bevorzugten Zuschlag bei den Eigentumsübertragungen erhalten haben und ihre wirtschaftliche Macht und Vermögen weiter steigern konnten. Auf diese Weise wurde zwar formal privates Eigentum geschaffen, doch ist in vielen Fällen nur ein ehemals staatliches Monopol in ein nun privates Monopol überführt worden, weil nicht gleichzeitig mit der Privatisierung auch die dazugehörigen Rechte und Pflichten angepaßt und die wirtschaftlichen Strukturen dereguliert wurden. So haben z.B. die „mächtigen Familien" in Argentinien durch die Privatisierungen ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Macht weitgehend erhalten bzw. vergrößern können.
B. Das institutionelle Arrangement sollte sicherstellen, daß den Akteuren die größtmögliche Handlungsfreiheit in der Ausübung ihrer Property Rights verbleibt. Wie oben bereits dargestellt, hängt der Wert und der wirtschaftliche Nutzen eines Gutes direkt vom Umfang und von der Ausgestaltung der Handlungsrechte ab. Daher sollten individuelle Handlungsrechte möglichst nur dann eingeschränkt werden, wenn berechtigte Anliegen Dritter oder das Allgemeinwohl dies erforderlich machen. Handlungsbeschränkungen, die die wirtschaftliche Dynamik und Innovationsfähigkeit bebzw. verhindern, sollten auf ein Mindestmaß reduziert werden. Eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung basiert konstitutiv auf dem Privateigentum und auf der individuellen Handlungs- und Dispositionsfreiheit. Hierdurch ist sichergestellt, daß die Individuen die von ihnen selbstgesetzten Ziele eigenverantwortlich anstreben und daß die individuellen Wirtschaftspläne sinnvoll miteinander kombiniert werden. Es ist ureigene Aufgabe des Staates, die für die Wirtschaft erforderlichen Rahmenbedingungen in Form der Wirtschaftsordnung zu schaffen. Hiermit ist zugleich die Interdependenz von wirtschaftlicher und politischer Freiheit angesprochen, die schon im klassischen Liberalismus bei Adam Smith oder in der „Freiburger Schule" bei Walter Eucken deutlich herausgearbeitet wurde. Neue empirische Untersuchungen können einen deutlichen langfristigen Zusammenhang zwischen individueller Freiheit und wirtschaftlichem Wachstum belegen (vgl. Gwartney/Lawson/Block 1996). Wie die ökonomische Betrachtung der Wirtschaftsgeschichte darlegt, ist das Ausmaß der individuellen Handlungsfreiheit langfristig mit der Problemlösungsfähigkeit einer Gesellschaft positiv korreliert (vgl. North 1992). Handlungsfreiheit und Wettbewerbsdruck bewirken, daß Innovation und Kreativität des einzelnen zu neuen Produktionsverfahren, zu neuen Produkten und Erfindungen und somit zu einem dynamischen und innovativen Aktionsverhalten führen. Durch die Schaffung institutioneller Vorkehrungen für die bestmögliche Nutzung der Handlungsfreiheit 43
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ist es möglich, die verkrusteten Wirtschaftsstrukturen aufzubrechen und zentrale Hemmnisse der Modernisierung der lateinamerikanischen Regionalkultur abzubauen. In seinen „Grundsätzen der Wirtschaftspolitik" hat Walter Eucken (1952) die Bedingungen aufgezeigt, die für die Schaffung und Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung erfüllt sein müssen, um die größtmögliche Handlungsfreiheit zu garantieren und gleichzeitig den gesellschaftlichen Nutzen der individuellen Handlungen zu gewährleisten. Die konstituierenden Prinzipien beinhalten u.a. die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems auf den Märkten, die Stabilität des Geldwertes, die Schaffung und Gewährleistung von Privateigentum und von Vertragsfreiheit sowie die Sicherung offener Märkte. Die regulierenden Prinzipien sehen eine konsequente Wettbewerbspolitik und Kartell- bzw. Monopolaufsicht sowie eine ausgleichende Sozialpolitik vor. Diese grundlegenden Prinzipien zur Einführung und Sicherung einer marktwirtschaftlichen Ordnung haben vor allem in den mittel- und osteuropäischen Transformationsländern wieder stark an Aktualität gewonnen und sind auch den Ländern Lateinamerikas zu empfehlen (vgl. Dürr 1994). C. Die gesellschaftlichen Institutionen sollten einen Leistungswettbewerb zwischen den wirtschaftlichen Akteuren schaffen und gewährleisten. Der Leistungswettbewerb ist ein evolutionärer und ergebnisoffener gesellschaftlicher Prozeß und als solcher die treibende Kraft der gesellschaftlichen Entwicklung. Wettbewerb bedeutet, daß sich die Individuen fortwährend bemühen (müssen), die besten Ideen, die effizientesten Produkte und Verfahren und die vielversprechendsten Problemlösungen am Markt durchzusetzen. Die Wettbewerbsordnung soll sicherstellen, daß sich die gesellschaftlich besten Problemlösungen durchsetzen und dadurch die Verfolgung des Einzelinteresses auch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dient. Beschränkungen des Wettbewerbs zugunsten bestimmter Interessen bzw. Interessengruppen führen zu einer Verringerung der Effizienz, der Dynamik, der Innovationsfähigkeit und somit der Problemlösungskompetenz in der Gesellschaft. Das marktwirtschaftliche Wirtschaftssystem bildet die Rahmenordnung für Wettbewerb im ökonomischen Bereich, das demokratische System bildet den Rahmen für Wettbewerb im politischen Bereich. Es muß daher oberstes Ziel aller Reformmaßnahmen sein, die Bedingungen für den gesellschaftlichen Wettbewerbsprozeß nachhaltig zu verbessern. Die Privatisierungen verfehlen ihren eigentlichen Zweck, wenn sie nur als Mittel zur Maximierung der Privatisierungserlöse und zur Sanierung der jährlichen Defizite im staatlichen Budget eingesetzt werden, so notwendig dies z.B. auch im Falle Brasiliens war und zur Einhaltung der mit dem IWF im März 1999 vereinbarten Auflagen auch weiterhin ist. So hat 44
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Brasilien seit Beginn der Privatisierungen im Jahr 1990 bisher daraus Einnahmen in Höhe von insgesamt über US$ 85 Mrd. erzielt (bfai-lnfo Lateinamerika, 7/1999). Die Privatisierungen sind vielmehr in erster Linie als wichtiger Beitrag zu den grundlegenden mikroökonomischen Reformmaßnahmen zu sehen, um eine effizientere Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und die marktwirtschaftlichen Strukturen dauerhaft zu stärken. Daher sollten die Privatisierungen durch flankierende institutionelle Vorkehrungen unterstützt werden wie z.B. Wettbewerbsrecht, Kartell- und Monopolverbot, Insolvenzrecht und eine staatliche Mißbrauchsaufsicht sowie effizient funktionierende staatliche Institutionen zur Durchsetzung dieser Vorkehrungen. In den vergangenen Jahren hat sich in vielen Ländern Lateinamerikas erwiesen, daß hierzu ebenso ein effektiver Schutz des geistigen und des gewerblichen Eigentums (z.B. in Form von Patent-, Marken- und Urheberrechten sowie des gewerblichen Rechtsschutzes) gehört, den auch die Welthandelsorganisation (WTO) im Rahmen der TRIPs-Abkommen (Agreements on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) von allen Staaten einfordert. Gleichzeitig sollte sich der Staat sämtlicher Tätigkeiten enthalten, die einerseits bestimmte Interessengruppen gegenüber anderen bevorzugen und private Wettbewerbsbeschränkungen unterstützen sowie andererseits Wettbewerbsbeschränkungen oder Ausnahmebereiche konstituieren. Eine Reduzierung des Ermessensspielraumes des Staates und ein Verzicht auf die vielfältigen staatlichen Interventionen, die über viele Jahrzehnte praktiziert wurden, wird dann auch zu einer Abkehr von der Staatszentrierung vieler Unternehmer führen und zu einer Verringerung der volkswirtschaftlich ineffizienten Reni-See/c/'ng-Aktivitäten beitragen. Weiterhin sollten die institutionellen Reformen so gestaltet werden, daß sie Anreize für eine effiziente Allokation der volkswirtschaftlichen Ressourcen und für wirtschaftliches Wachstum schaffen. Hierzu zählt z.B. eine grundlegende Reform des in vielen Ländern Lateinamerikas überkommenen und veralteten Steuersystems (u.a. die Gewichtung von direkten und indirekten Steuern), um stärkere Anreize für eine wirtschaftliche Betätigung zu schaffen. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen sollte auch besonderer Wert auf die Verbesserung des institutionellen Umfeldes für KMUs gelegt werden. Erforderlich sind daher wirtschaftspolitische Maßnahmen, die z.B. darauf abzielen, die Kosten der Produktion zu reduzieren, positive externe (Lern-)Effekte zu erzielen und die internationale Kooperation weiter zu verstärken (vgl. Esser 1997). Auch die staatlichen Sozialversicherungssysteme sind so zu reformieren, daß die sozialpolitischen Ziele (insbesondere die Absicherung der Bevölkerung gegen soziale Risiken) zusammen mit bestimmten wirt45
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schaftspolitischen Zielen (insbesondere die Förderung der Kapitalmarktentwicklung und des wirtschaftlichen Wachstums) erreicht werden und gleichzeitig auch die langfristige Finanzierbarkeit sichergestellt ist. So wurde in Chile im Jahr 1981 das Rentensystem auf das Kapitaldekkungsverfahren umgestellt. In sieben weiteren lateinamerikanischen Ländern wurden entsprechende Reformmaßnahmen - mit einer Modifikation bzw. mit einem Wechsel des bisherigen Systems - durchgeführt (vgl. Mesa-Lago/Kleinjans 1997: 33ff.). Die Schwächeren und Ärmsten in der Gesellschaft sollten in die Lage versetzt werden, gleichberechtigt am Markt teilzunehmen, und es sollte zugleich sichergestellt sein, daß ihre Fähigkeiten angemessen über den Markt entlohnt werden (vgl. Hemmer 1997). Eine zielgruppenorientierte effiziente Sozialpolitik sollte danach trachten, die Benachteiligten durch eine Verbesserung ihres Marktzugangs sowie einer Stärkung ihrer Marktfähigkeiten zu fördern. Sozialpolitik sollte daher auch als eine Art Befähigungspolitik gestaltet und insbesondere auf die Stärkung der „Property Rights" ausgerichtet werden. So wird z.B. durch den Abbau von oftmals überflüssigen Regulierungen und Lizenzierungen die Aufnahme wirtschaftlicher Tätigkeiten erleichtert und die Notwendigkeit verringert, in den informellen Sektor auszuweichen. Eine Verbesserung des Banken- und Kreditsystems wird vor allem für die bisherigen „autoempleados" sowie für die KMUs eine große Erleichterung in der Fremdfinanzierung und eine Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten ihrer Eigentumsrechte bringen. Angesichts des bis Ende der 80er Jahre in vielen Ländern Lateinamerikas vorherrschenden korporatistischen und populistisch orientierten sozialpolitischen Handelns des Staates ist die konzeptionelle Umorientierung der Sozialpolitik, die in den 90er Jahren in einigen Ländern Lateinamerikas festzustellen ist, daher nachdrücklich zu unterstützen (vgl. Sottoii 1998). Hierzu gehören auch verstärkte Anstrengungen im Bereich von Bildung und Ausbildung (Investitionen in Humankapital). Aber auch der Abbau von Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Märkten sowie die Deregulierung überreglementierter und überregulierter Arbeitsverhältnisse sind wichtige Elemente einer Befähigungspolitik. Bildungsinvestitionen führen zu einer Verbesserung der Arbeitsproduktivität und tragen somit zu einer Verbesserung der individuellen Einkommenssituation bei. Die Arbeitsgesetze und die staatliche Arbeitsmarktpolitik sollten die Mobilität der Arbeitskräfte und die Flexibilität der Löhne fördern, um so die internen Ressourcen und Fähigkeiten mobilisieren und deren bestmögliche Allokation sichern zu können (vgl. Sangmeister 1998b). Eine Liberalisierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte wird darüber hinaus auch die bestehende Privilegierung der Arbeitsplatzbesitzer, der Beschäftigten im formalen Sektor und der organisierten Gruppen tendenziell verringern. In diesem Zusammenhang wäre auch die Rolle der Ge46
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werkschaften zu überprüfen, die in einigen Ländern und Wirtschaftssektoren über viele Jahrzehnte über große politische Macht verfügten. D. Die gesellschaftlichen Institutionen sollten die Transaktionskosten möglichst reduzieren. Bei der Veränderung des gegebenen institutionellen Arrangements kommen grundsätzlich zwei Möglichkeiten in Frage: Wahl eines geeigneten neuen und Verbesserung des bestehenden institutionellen Arrangements. Im Gegensatz zu den Transformationsländern, die nach dem Wegbrechen der kommunistisch-zentralverwaltungswirtschaftlichen Ordnung die Möglichkeit der Wahl eines Neuarrangements hatten, ist für Lateinamerika allein die Frage der bestmöglichen Verbesserung der bestehenden institutionellen Ordnung relevant. Hiermit ist zugleich das Problem der politischen Durchsetzbarkeit der institutionellen Veränderungen angesprochen. Es ist zu erwarten, daß sich diejenigen gesellschaftlichen Gruppen, die von der bisherigen Situation profitiert haben, gegen jede Veränderung des Status quo zur Wehr setzen werden. Ein institutionelles Neuarrangement kann man realistischerweise nur dann einführen, wenn die potentiellen Verlierer für ihren Verlust kompensiert werden. Die Arbeit von Hernando de Soto über den informellen Sektor in Peru hat deutlich gemacht, daß informelle Property Rights und informelle institutionelle Regelungen in einer „second-best"-Lösung zwar individuell durchaus effizient sein, jedoch niemals einen vollwertigen Ersatz für formale Property Rights und formale Institutionen bilden können (vgl. de Soto 1987). Gleichzeitig hat de Soto anhand zahlreicher Beispiele aus verschiedenen Sektoren (z.B. verarbeitendes Gewerbe, Wohnungsbau, Transportwesen) gezeigt, daß ein Rechtssystem, das Wirtschaft und Gesellschaft in einen formalen und einen informellen Sektor teilt und die Menschen diskriminiert, eine zentrale Ursache der wirtschaftlichen Unterentwicklung ist (vgl. Brockmeier 1997: 129ff.). Ein Mindestmaß an Rechtssicherheit und Planungssicherheit ist insbesondere für längerfristige Investitionen unabdingbar und kaum ohne eine eindeutige Zuordnung und verläßliche Durchsetzung von Property Rights herzustellen (vgl. Pritzl 1997b). Eine grundlegende Modernisierung des Staates kann nicht nur zu einer effizienteren Aufgabenerledigung beitragen, sondern auch die gesellschaftlichen Transaktionskosten (insbesondere im wirtschaftlichen Bereich) verringern. Grundlegende und konsistente Reformen der Verfassungen, der Verwaltungen und der Justiz können maßgeblich zu einer Stabilisierung des gesellschaftlichen Umfeldes und mithin zu einer größeren Vorhersehbarkeit des staatlichen Handelns beitragen (vgl. Weltbank 1997a: 29ff.). Die wirtschaftlichen Vorteile eines funktionierenden Rechtssystems ergeben sich hierbei insbesondere aus der schnelle47
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ren, effizienteren und zuverlässigeren Gewährleistung von Abschluß, Durchsetzung und Kontrolle von Verträgen über die Nutzung der Property Rights. Auch Verfassungs- und Verwaltungsreformen sind nicht zuletzt deshalb von ökonomischer Relevanz, als dadurch das Handeln der Politiker und Bürokraten an bestimmte Verfassungsbestimmungen bzw. Verwaltungsvorschriften gebunden und damit transparenter und vorhersehbarer gemacht werden. E. Die gesellschaftlichen Institutionen sollten stabil sein und das staatliche Handeln transparent machen, um die Erwartungsbildung der Individuen zu erleichtern. Hiermit ist die Glaubwürdigkeit (credibility) des Handelns der staatlichen Akteure angesprochen, der neue empirische Studien einen großen Einfluß auf das wirtschaftliche Wachstum beimessen (z.B. Borner/Brunetti/ Weder 1995). Neben dem Inhalt der gesellschaftlichen Regeln und der betriebenen Politik kommt insbesondere der Glaubwürdigkeit der Regierung und ihres Handelns (also der Vorhersehbarkeit und Konsistenz ihres Handelns) eine erhebliche Bedeutung zu (vgl. Weltbank 1997a: 29ff.). Glaubwürdigkeit des Regierungshandelns ist durch eine (Selbst-) Bindung des Verhaltens an Regeln und Gesetze sowie durch eine Verringerung des diskretionären Ermessensspielraumes zu erreichen. Hierfür bieten sich vor allem drei Maßnahmen an (vgl. Borner/Brunetti/Weder 1995: 75ff.): (1) Schaffung von Reputation durch eine glaubhafte Selbstbeschränkung im Regierungsverhalten, Kontrolle des Regierungshandelns durch die Möglichkeit (2) der Abwanderung ins Ausland und (3) der Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung. Wichtig ist hierbei, daß Glaubwürdigkeit nicht durch die Regierenden einseitig hergestellt oder durch einen „wohlwollenden Diktator" befohlen werden kann (,,Credibility cannot be established by decree" (S. 17)). Glaubwürdigkeit ist vielmehr die Einschätzung des Regierungshandelns durch die Bevölkerung, die sich die Regierung nur durch überzeugende und vertrauenschaffende Leistungen in der Vergangenheit für die Zukunft erwerben kann. Vor allem Brasilien hat - aufgrund der erst spät mit dem Piano Real im Jahr 1994 durchgeführten Reformen - noch Beweise einer konsistenten und glaubwürdigen Wirtschafts- und Reformpolitik zu erbringen (vgl. Nunnenkamp 1997). Viele Länder Lateinamerikas haben reiche Erfahrungen mit einer stark schwankenden, inkonsistenten und unvorhersehbaren Wirtschaftspolitik, die wirtschaftliches Wachstum erheblich behindert hat und einige Länder Lateinamerikas von zu Beginn des 20. Jahrhunderts reichen Ländern zu heute eher Ländern mittleren Einkommens werden ließ. Wenn sich Defizite in diesem Bereich mit auf das - von Brunetti (1998) konstatierte hohe Niveau an legislativer Instabilität und Intransparenz sowie auf eine unglaubwürdige Politik zurückführen lassen, so sind weitere Anstren48
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gungen zur Verbesserung der Arbeit des Parlamentes und zur Aufwertung seiner Bedeutung in der Gesellschaft zu unternehmen. Ein zentrales Element bildet die Einführung und Etablierung des Prinzips des verfassungsmäßigen Rechtsstaats. Das Rechtsstaatsprinzip soll das Handeln der staatlichen Akteure an Recht und Gesetz binden (rule of law), im Umfang begrenzen und auf diese Weise das staatliche Handeln vorhersehbarer machen, aber gleichzeitig auch das staatliche Handeln gewährleisten. Vor allem der Aspekt der Gewährleistung staatlichen Handelns ist in den Ländern Lateinamerikas von Bedeutung, in denen großen Teilen der Bevölkerung der Zugang zum Rechtssystem erschwert (z.B. aufgrund eines übertriebenen Formalismus), eine gewisse Justizverweigerung und Untätigkeit der Polizei- und Ordnungsbehörden durchaus verbreitet ist und demzufolge eine ausgeprägte Rechtsunsicherheit existiert (vgl. Dakolias 1995; Waldmann 1998 und Ahrens/ Nolte 1999). In einigen Ländern Lateinamerikas (z.B. in Kolumbien) ist der Kampf um die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols nach wie vor eine große Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat. Neben der Rechtsbindung des staatlichen Handelns (Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes) ist das Gebot der Rechtssicherheit ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. Die wesentlichen Elemente der Rechtssicherheit lassen sich in der Rechtsklarheit, Rechtszugänglichkeit, Rechtskontinuität und Rechtsdurchsetzung sehen, die zur Verringerung der gesellschaftlichen Unsicherheiten beitragen sollen. Darüber hinaus müssen auch die grundlegenden Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit und das Verbot rückwirkender Gesetze erfüllt werden (vgl. Albrecht 1988: 738ff.). Letztlich muß die rechtliche Infrastruktur geschaffen werden, um die Durchführung und Durchsetzung von Verträgen zu gewährleisten. Wenn zur Durchsetzung von Zahlungsansprüchen bei Streitigkeiten z.B. in Argentinien vom Beschreiten des offiziellen Rechtsweges abgeraten wird und demgegenüber eher außergerichtliche Streitschlichtungsmöglichkeiten empfohlen werden, so macht dies die Unzulänglichkeit des argentinischen Justizsystems und dessen prohibitiv hohe Transaktionskosten deutlich (vgl. hierzu auch Nino 1995). Wenn der im März 1999 abgesetzte paraguayische Staatspräsident, Raul Cubas, dem Obersten Gerichtshof des Landes mit der (selbstherrlichen) Begründung, daß „kein Gericht dem Staatspräsidenten etwas zu sagen habe", nicht Folge leistet, so kommt hierin ein hohes Maß an präsidialer Willkür zum Ausdruck. Es ist daher kaum verwunderlich, daß in den politisch unruhigen Monaten in Paraguay ein erheblicher Investitionsrückgang zu verzeichnen war (bfai-lnfo Lateinamerika, 5/1999). Viele Länder Lateinamerikas können in den vergangenen Jahren bereits erste Erfolge vorweisen, vertrauenschaffende staatliche Institutio49
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nen herauszubilden und eine berechenbare Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die Deutsch-Brasilianische Auslandshandelskammer Säo Paulo hat im August 1997 bei 600 Unternehmen eine Umfrage zum Investitionsklima und den wirtschaftspolitischen und politischen Standortfaktoren Brasiliens durchgeführt (vgl. DIHT 1998: 30ff ): Demnach geben 52% der befragten Unternehmen an, daß „unerwartete Gesetzesänderungen oder Veränderungen der Politik ihre Unternehmenstätigkeit beeinflussen könnten". Auch wenn kaum ein befragtes Unternehmen mit einem verfassungswidrigen Regierungswechsel rechnet (nur 16% äußerten entsprechende Befürchtungen), so meinen knapp 62% der Unternehmen, daß es „bei einem verfassungsmäßigen Regierungswechsel große Änderungen in der Wirtschaftspolitik geben könnte." Auch eine Befragung von deutschen Managern, die mit dem Lateinamerikageschäft vertraut sind, ergab, daß Lateinamerika nicht mehr als der „Krisenkontinent" gesehen wird und daß die eingeleiteten wirtschaftlichen und politischen Reformen in Lateinamerika - vor allem im Vergleich mit anderen Weltregionen - als positiv eingeschätzt und als irreversibel empfunden werden (vgl. Krumwiede/Nolte 1998).
5.
Schlußbemerkungen
Mit der Globalisierung in den 90er Jahren geht eine Ausbreitung marktwirtschaftlicher und demokratischer Strukturen einher. Manche Kritiker der Globalisierung befürchten, daß die Globalisierung zu einer Verengung nationaler politischer Gestaltungsspielräume führen werde. Wenn hiermit autoritäre Experimente oder populistische Politikelemente im politischen Bereich und staatszentrierte interventionistische Wirtschaftsmodelle im wirtschaftlichen Bereich für die weitere Zukunft ausgeschlossen werden könnten, so wäre diese Verengung des Gestaltungsspielraumes durchaus zu begrüßen. Eine konsequente Liberalisierung des Außenhandels kann als glaubwürdiges Zeichen für die Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen im Inland verstanden werden. Hinzu kommt, daß die Notwendigkeit der Globalisierung auch dazu beitragen kann, interne wirtschaftliche oder politische Entwicklungshemmnisse abzubauen. Die Globalisierung sollte daher auch für Lateinamerika als Chance zur grundlegenden Verbesserung der institutionellen Strukturen gesehen werden. Hierbei kann es nicht darum gehen, überall auf der Welt ein identisches marktwirtschaftliches System zu errichten. Die Institutionenökonomik stellt statt dessen zentrale Voraussetzungen bzw. Kriterien heraus, die für eine funktionierende Wettbewerbsordnung berücksichtigt werden müssen. Die spezifische Ausgestaltung jeder marktwirtschaftli-
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chen Ordnung kann und wird daher von Gesellschaft zu Gesellschaft danach variieren, wie die Marktmechanismen mit den politischen Institutionen, mit den ethischen Werten und gesellschaftlichen Überzeugungen sowie mit den jeweiligen historischen Erfahrungen jeder Gesellschaft in Einklang gebracht werden können. Es wird in einem entscheidenden Maße darauf ankommen, daß jede Gesellschaft in einem gesellschaftlichen Lernprozeß die entwicklungsadäquaten gesellschaftlichen Institutionen entwickelt und ein gesellschaftlicher Grundkonsens über die gesellschaftliche Ordnung entsteht. Die Institutionenökonomik legt besonderen Wert auf die erforderliche Einführung rechtsstaatlicher Elemente. Zentrale Elemente des Rechtsstaates sind die Bindung der staatlichen Gewalt an Recht und Gesetz und eine gewaltenteilige Kontrolle des staatlichen Handelns, ein funktionsfähiges und unabhängiges Rechtssystem sowie ein gesetzmäßiges und nachvollziehbares Verwaltungshandeln. Nur wenn ein regelgeleitetes und Vorhersehbarkeit ermöglichendes „rule of law" eingeführt und institutionell gesichert wird, sind grundlegende institutionelle Voraussetzungen für eine dauerhafte wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gegeben (insbesondere Vorhersehbarkeit und Planbarkeit des staatlichen Handelns). Die Bemühungen um die Herausbildung effizienter gesellschaftlicher Strukturen können durch regionale Integration und multinationale Kooperation unterstützt werden, wenn sie - wie z.B. im Mercosur - einen stimulierenden Reformdruck ausüben und gleichzeitig bestimmte unerwünschte Handlungsoptionen ausschließen (z.B. Demokratieklausel). Allerdings sollte eine regionale Integration nur als Ergänzung, nicht aber als Ersatz für weltweite Handelsliberalisierungen z.B. im Rahmen der WTO gesehen werden. Unerwünschte ftenf-Seefr/ng-Aktivitäten und schädliche Einflüsse von Interessengruppen können dauerhaft nur dadurch vermieden werden, daß sich der Staat in seiner Ermessensausübung und in seinem Einflußbereich glaubhaft begrenzt und sich diskretionärer Eingriffe enthält, die bestimmte gesellschaftliche Gruppen besserstellen können. Ein „starker Staat" ist ein sich selbst beschränkender und weitgehend regelkonform handelnder Staat, der sich nicht von gesellschaftlichen Interessengruppen zur Befriedigung von Partikularinteressen instrumentalisieren läßt und Vertrauen in die Handlungs- und Problemlösungsfähigkeit schafft. Die Einführung marktmäßiger und dezentraler Strukturen, die Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft, eine konsequente Privatisierung sowie eine zielgruppenorientierte Sozial- und Befähigungspolitik sind daher durch grundlegende institutionelle Vorkehrungen abzusichern. Hier kann es sich beweisen, ob der Staat zu grundlegenden Reformen fähig und bereit ist und ob die politischen Akteure die hierfür erforderliche politische Steuerungsfähigkeit und Steuerungswilligkeit be51
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sitzen. „Reform of state institutions is long, difficult, and politically sensitive. But if we now have a better sense of the size of the reform challenge, we are also much more aware of the costs of leaving things as they are:'(Weltbank 1997a: 15).
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Bolívar Lamounier
Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika Eine Untersuchung von sechs Ländern1 Trotz unterschiedlicher Meinungen in wirtschaftlichen Fragen scheint im politischen Bereich zwischen den heftigsten Verteidigern und Kritikern liberaler Reformen in einigen Punkten Übereinstimmung zu herrschen. In bezug auf Lateinamerika scheinen alle der Ansicht zu sein, daß die politischen Systeme der Region hinreichend flexibel und offen für eine Neugestaltung sind, um sich der Logik der Marktkräfte anpassen zu können. Ausgehend von dieser gemeinsamen Prämisse pflegen die authentischen Liberalen einen allmählichen Wechsel hin zu einer reifen kapitalistischen Demokratie nordamerikanischer Prägung vorherzusehen; die Kritiker entgegengesetzter ideologischer Prägung sagen hingegen eine Krise katastrophalen Ausmaßes voraus, gefolgt von autoritären Regierungen, die möglicherweise jene der jüngeren Vergangenheit noch an Grausamkeit übertreffen2. '
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Dieser Artikel beruht auf Arbeiten für das Forschungsprojekt .Winners and Losers of Neoliberal Experiments", koordiniert von Atul Kholi (Princeton University) und Albert Fishlow (Council on Foreign Relations, New York). Anderson (1996) spricht von einem Risiko .explosiver sozialer Spannungen". Touraine (1996) schreibt, .daß sich überall auf der Welt die Gesellschaften auflösen, ein Zerfall der individuellen Persönlichkeiten stattfindet, daß Institutionen wie Schulen und Städte von Gewalt heimgesucht werden und daß sich legitime Staaten bedroht fühlen...", daß nach 20 Jahren der Anpassung .selbst in Großbritannien die liberale Lesung nicht in der Lage ist, das Problem zu läsen, zu dessen Verschärfung sie beigetragen hat". Auch der .Economist" (1996) zeigte sich-wenn auch in gemäßigterer Form - besorgt Ober die Nebenwirkungen der liberalen Reformen; in der Titelgeschichte .Latin America's Backlash" der Novemberausgabe heißt es: J IT)f- s O) CO 00 en o" m
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Lamounier Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika
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Doktrin von Pinochet. In Peru wurde im ersten Wahlgang der Liberale Vargas Llosa gewählt und nicht Fujimori, der erst aus dem zweiten Wahlgang als Sieger hervorging. Möglicherweise deutlicher liberal geprägt waren in dieser Epoche die Präsidentschaftswahlen in Brasilien und Mexiko. In Brasilien besiegte Collor de Mello 21 andere Kandidaten, von denen viele den damals in ganz Lateinamerika auftauchenden liberalen Diskurs ablehnten oder sich ihm nur widerstrebend anschlössen; in Mexiko hatte der traditionell nationalistische und interventionistische PRI mit der Wahl Carlos Sahnas de Gortari bereits die liberale Richtung eingeschlagen. Anders sah es bei den Wahlen zwischen 1993 und 1995 aus. In vier Ländern (Argentinien, Chile, Peru und Mexiko) galt der Sieg einer liberal ausgerichteten Politik als wahrscheinlich, in Brasilien stillschweigend als selbstverständlich, nachdem Cardoso den Piano Real in Kraft gesetzt hatte. Eine Ausnahme stellt Venezuela mit den Wahlen von Rafael Caldera 1993 und Hugo Chävez im Jahre 1998 dar. Das „Mandat" der Wähler erscheint außerordentlich eindeutig, sofern man es an der Ende der achtziger Jahre einsetzenden Realisierung liberaler Politiken mißt. In allen sechs Ländern konnten die Präsidenten die Wahlen sicher gewinnen, und/oder es gelang ihnen, Krisensituationen, die zu einer Lähmung des politischen und wirtschaftlichen Lebens hätten führen können, zu überwinden, indem sie der Inflationsbekämpfung und marktorientierten Reformen absoluten Vorrang einräumten. Der durchschlagende Erfolg, den sie zu Beginn ihrer Amtszeiten erzielten, ließ vielerorts Befürchtungen aufkommen, ein neuer „Cäsarismus" stünde bevor; solche Befürchtungen wurden noch dadurch verstärkt, daß in einigen Ländern häufig auf Dringlichkeitsdekrete zurückgegriffen wurde, zu denen es augenscheinlich keine Alternative gab. Die uneingeschränkte Unterstützung seitens der Bevölkerung in der ersten Phase der liberalen Reformen ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, daß diese Unterstützung im weiteren Verlauf der Reformen zunehmend schwächer werden kann, nämlich in dem Maße, in dem die sozialen Kosten der Anpassung höher zu werden scheinen als ihre Gewinne und Zweifel an der „Nachhaltigkeit" von Reformen und Demokratie geäußert werden.
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Spezifisch nationale Faktoren und die Nachhaltigkeit von Demokratie Globalisierung und liberale Reformen haben in Lateinamerika bereits deutliche Wirkungen gezeigt; dazu gehören beispielsweise die Wahl einer ganzen Generation von Präsidenten, die mit diesen Reformen identifiziert werden, sowie der signifikante Rückgang ideologischer Fraktionen. Aber es wäre übereilt zu glauben, Globalisierung und Reformen würden eine vollständige Umgestaltung oder Vereinheitlichung der politischen Systeme Lateinamerikas hervorrufen. Während in der einschlägigen Diskussion meist die Frage nach der politischen Nachhaltigkeit liberaler Reformen gestellt wird, soll hier umgekehrt gefragt werden, inwieweit wirtschaftliche Stabilisierungsmaßnahmen und Reformen des öffentlichen Sektors die Demokratie bedrohen. Meiner These zufolge beeinträchtigen liberale Reformen Stabilität und Qualität der Demokratie so wie dies in zurückliegenden Dekaden bei staatsinterventionistischen Politiken der Fall war. Stabilität und Qualität der Demokratie werden auch zukünftig von einer Reihe länderspezifischer „nicht-ökonomischer" Faktoren abhängen; dazu gehören beispielsweise institutionelle Arrangements, Stärke und Art der Erfahrungen mit autoritären Regimen sowie andere Faktoren, wie historische Traditionen und politische Kultur. Mittelfristig können sich Wirtschaftskrisen oder anhaltende wirtschaftliche Schwierigkeiten negativ auf die demokratische Stabilität auswirken, ebenso wie Armut, ungleiche Einkommensverteilung, Veränderungen der wirtschaftlichen Bedeutung von Branchen oder Regionen; Gefährdungen der Demokratie können möglicherweise aber auch durch gesellschaftliche Werte oder durch den Leistungsabstand gegenüber wettbewerbsfähigeren kapitalistischen Volkswirtschaften bedingt sein, auf die sich Lateinamerika vermutlich zubewegt. Diese hypothetischen Überlegungen beziehen sich allerdings auf indirekte Auswirkungen liberaler Reformen, da sie mögliche Ursachen negativer Rückkoppelungsprozesse politischer Unterstützung betreffen. Kurzfristige direkte Auswirkungen liberaler Reformen betreffen in erster Linie die Unterstützung der Bevölkerung, der Parteien und des Parlamentes für die jeweiligen Politiken; diese Auswirkungen betreffen auch die politische Unterstützung von Regierungen, die solche Reformpolitiken vorschlagen oder zu verwirklichen suchen. Letztendlich betreffen diese Auswirkungen auch die Unterstützung jener Institutionen, die den Regierungen Legitimität verleihen; oder mit anderen Worten, direkte Auswirkungen liberaler Reformen beeinflussen die politische Unterstützung der Demokratie. Die Bewer-
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
tung einzelner politischer Ereignisse oder Aktionen - und seien sie auch noch so spektakulär - ist in diesem Zusammenhang allerdings sehr schwierig, da sich als Gegenbeispiel für jeden Protest leicht Unterstützungsaktionen für die Regierungen oder für liberale Politiken finden lassen. So war beispielsweise in Peru die Besetzung der japanischen Botschaft durch ein Kommando der Guerillabewegung Movimiento Revolucionario Túpac Amaru (MRTA) ohne Zweifel eine spektakuläre Aktion; aber welche Bedeutung ist ihr beizumessen angesichts der offensichtlich hohen Unterstützung, die Fujimori und seiner Politik entgegengebracht wurde, nachdem dieser den Ort des Geschehens betreten hatte. Dasselbe gilt für Aktionen der Zapatistas in Mexiko und für die zahllosen Demonstrationen gegen Arbeitslosigkeit und gegen die Politik Menems in Argentinien. Nachdem die Arbeitslosenquote in Argentinien zwischen 1993 und 1996 von 9 auf 18% angestiegen war, sank - einer Meinungsumfrage von Iberobarömetro zufolge - die Zustimmung der Bevölkerung zu der Politik Menems Ende 1996 rapide auf nur noch 17% (LAWR 1996a, 1996b). Allerdings sind die Zusammenhänge in den hier untersuchten sechs lateinamerikanischen Ländern wesentlich komplexer, wenn man über die bloße Popularität der Präsidenten hinausblickt. So erhielt der venezolanische Präsident Rafael Caldera zwar nach Menem die zweitniedrigste Zustimmungsrate, aber seine schlechte Plazierung kann nicht auf einen dezidiert liberalen Reformkurs zurückgeführt werden. In Peru gab es zwar Anzeichen für eine sinkende Popularität Fujimoris, aber in den von Iberobarömetro durchgeführten Umfragen sprachen sich noch 58% der Bevölkerung für die Politik des peruanischen Präsidenten aus. Für den mexikanischen Präsidenten Ernesto Zedillo wurde eine Zustimmung von immerhin 45% ermittelt, für den chilenischen Präsidenten Eduardo Frey lag sie bei 41% und in Brasilien erzielte Fernando Henrique Cardoso 51%; dem brasilianischen Präsidenten war es offensichtlich gelungen, die im Laufe des Jahres erlittenen Popularitätsverluste wieder auszugleichen. Der Vergleich der sechs lateinamerikanischen Länder wird noch interessanter, wenn man nicht nur die Popularität der Präsidenten betrachtet. Eine Meinungsumfrage, die Mitte 1996 von Latinobarömetro - einem Konsortium lateinamerikanischer Meinungsforschungsinstitute - durchgeführt wurde, zeigte bei den wirtschaftlichen Erwartungen der Bürger einen deutlichen Gegensatz zwischen Argentinien, Mexiko und Venezuela auf der einen Seite sowie Brasilien, Chile und Peru auf der anderen Seite. Die Befragten in der ersten Ländergruppe waren deutlich pessimistischer als die in der zweiten Gruppe - obwohl sich in Peru 76% der
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Lamounier: Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika
Befragten besorgt über die hohe Arbeitslosigkeit äußerten. Brasilianer, Chilenen und Peruaner beurteilten ihre persönliche wirtschaftliche Situation weitaus häufiger als befriedigend oder gut, und sie waren zudem häufiger der Ansicht, daß ihre Situation in diesem Jahr besser als im Vorjahr sei und sich innerhalb der kommenden zwölf Monate noch verbessern könne. Auch die gesamtwirtschaftliche Lage wurde von den Befragten in Brasilien, Chile und Peru häufiger als gut oder befriedigend eingeschätzt und für besser als die des Vorjahres befunden; für das darauffolgende Jahr wurde eine weitere Verbesserung für wahrscheinlich gehalten. Die Besorgnis über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den kommenden zwölf Monaten war bei den Befragten in Mexiko (70%), in Argentinien (71%) und in Venezuela (81%) größer als in Brasilien (66%) und in Chile (53%). Auch bei der Einschätzung des Armutsproblems zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Ländergruppen: So waren in Chile 47%, in Peru 27% und in Brasilien 23% der Befragten der Meinung, daß der Anteil der Armen an der Gesamtbevölkerung während der vergangenen fünf Jahre konstant geblieben sei oder sich gar verringert habe, während in Argentinien nur 6% der Befragten diese Ansicht vertraten, in Mexiko 5% und in Venezuela nur 3%. Diese kurzfristigen Einschätzungen und Erwartungen stimmten offensichtlich mit der Einschätzung langfristiger sozialer Aufwärtsmobilität überein. Gefragt, ob ihre Möglichkeiten zur Verbesserung des Lebensstandards größer seien als die ihrer Eltern, gaben 71% der Brasilianer eine zustimmende Antwort, 59% der Chilenen und 45% der Peruaner, während lediglich 40% der Argentinier, 42% der Venezolaner und 38% der Mexikaner ihre Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensumstände für besser einschätzten als die ihrer Eltern. Das gleiche Muster zeigte sich auch bei den Antworten auf die Frage nach den voraussichtlichen Chancen der nachfolgenden Generation, verglichen mit denen der eigenen Generation. Der deutliche Unterschied in der Einschätzung ökonomischer Sachverhalte zeigt sich allerdings weder bei den politischen Erwartungen im allgemeinen, noch in der Bewertung der Demokratie im besonderen. Gefragt, ob sie auf ihr Land stolz seien, waren Venezolaner und Peruaner häufiger als Argentinier, Chilenen und Mexikaner dazu bereit, die Frage positiv zu beantworten; die geringste Zustimmung auf diese Frage ergab sich bei den Brasilianern. Die Frage, ob sie - wenn möglich - in einem anderen Land leben möchten, bejahten 51% der Peruaner, 44% der Venezolaner, 41% der Brasilianer, 40% der Chilenen und 35% der Mexikaner; die Argentinier, die sich bei den Einschätzungen der wirtschaftlichen Situation offensichtlich als „pessimistischer" zeigten, lagen 73
Lateinamerika Jahrbuch 1999
bei der Frage nach dem Wunsch zum Leben in einem anderen Land mit nur 25% zustimmender Antworten an letzter Stelle. Die gegenwärtige politische Lage ihres Landes wurde von 74% der Peruaner und 67% der Chilenen zwischen recht gut und sehr gut eingeschätzt; in Argentinien und Brasilien taten dies 47% der Befragten, in Mexiko 40% und 38% in Venezuela. 25% der Brasilianer und 21% der Peruaner hofften, daß sich die politische Situation innerhalb von zwölf Monaten verbessern könne, während in den vier anderen Ländern lediglich 10% der Befragten diese Hoffnung teilten. Am krassesten war der Unterschied zwischen den Einschätzungen der Demokratie im allgemeinen sowie der Bewertung ihrer konkreten politischen Umsetzung einerseits und den Einschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung andererseits. In Argentinien sprachen sich mit Abstand die meisten Befragten dafür aus, die Demokratie zu verteidigen, trotz der hohen Arbeitslosenquote, welche die niedrige Zustimmung für den argentinischen Präsidenten Menem weitgehend erklärt; 71% der befragten Argentinier waren der Meinung, die Demokratie sei jeder anderen Regierungsform vorzuziehen. Erstaunlicherweise folgte an zweiter Stelle Peru, wo sich 63% der Befragten für die Demokratie aussprachen, gefolgt von Venezuela mit 62% positiver Antworten. In Chile befürworteten 54% der Befragten eine demokratische Staatsform, im Vergleich zu 53% in Mexiko und nur 50% in Brasilien. In der Umfrage äußerten sich die Befragten auch dazu, ob und in welchem Maße sie mit dem „Funktionieren" der Demokratie im eigenen Land zufrieden waren. Wie zu erwarten, war die Zufriedenheit relativ gering. Argentinien lag mit 34% positiver Antworten auch bei dieser Frage an erster Stelle, gefolgt von Venezuela mit 30% und Peru mit 28%. In Chile lag der Anteil positiver Antworten bei 27%, in Brasilien bei 20% und in Mexiko bei 12%. In gewisser Hinsicht sind diese Zustimmungsraten besorgniserregend; denn wie Tabelle 4 zeigt, hat in allen sechs Ländern die Zufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Demokratie funktioniert, abrupt abgenommen (vgl. Latinobarömetro 1995). Es liegt auf der Hand, daß Umfrageergebnisse, die sich auf abstrakte Begriffe wie Demokratie beziehen, immer in Frage gestellt werden können. Selbst wenn die Umfrageergebnisse als verläßlich angesehen werden, gibt es wahrscheinlich in der Politikwissenschaft keine einheitliche Meinung über verursachende Faktoren und deren Gewichtung. Diese Überlegungen werden jedoch hier nicht weiter verfolgt. Eine eingehendere Betrachtung verdient allerdings die offensichtliche Diskrepanz zwischen starkem Rückhalt der Demokratie im „pessimistischen" Argentinien, aber schwachem Rückhalt im „optimistischen" Brasilien, eine Diskrepanz, die symptomatisch ist. Dieser Kontrast war schon bei den ersten 74
Lamounier: Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika
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Dominikan Republik (PROCOMUNIDAD)
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Ekuador (FISE)
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—
250.000
El Salvador (FIS)
< 200.000 200.000-250.000
—
250.000
Honduras (FHIS)
< 50.000
...
500.000
Nikaragua (FISE)
< 150.000 100.000-400.000
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400.000
Peru (FONCODES)
< 150.000 150.000-250.000
—
250.000
50.000-500.000
Quelle: Goodman etal. (1997: 91f.)
In Tabelle 4 sind die zentralen Merkmale der Vergabevorschriften für die Beschaffung von Fremdleistungen dargestellt. Dabei sind drei Vergabeverfahren zu unterscheiden: die einfache Vergabe (Kauf einer Leistung ohne Ausschreibung nach Vorlage von mindestens zwei Vergleichsangeboten), die landesweite Ausschreibung (Veröffentlichung der Leistungsmerkmale mit der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten) und die internationale Ausschreibung. Mit diesen unterschiedlichen Vergabeverfahren gehen unterschiedlich intensive Möglichkeiten der Kontrolle einher. 92
Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
Aus Tabelle 4 geht hervor, daß die Vergabevorschriften von Fonds zu Fonds erheblich voneinander abweichen. Es bleibt jedoch offen, ob neben dem Grundsatz der Flexibilität des Fonds auch die Erfordernisse einer - grundsätzlich sinnvollen - Prüfung der Angemessenheit öffentlicher Ausgaben ausreichend Beachtung finden; diese Frage stellt sich vor allem in El Salvador, Peru und Nikaragua, wo Aufträge erheblichen Umfangs ohne Ausschreibung vergeben werden können. Neben der Bereitstellung technischer Unterstützung hat der Sozialfonds während der Projektrealisation auch die Aufgabe, den Projektfortschritt zu überwachen (Projektmonitoring). In dieses Monitoringsystem sind nicht nur Angestellte des betreffenden Fonds involviert, sondern auch freie Mitarbeiter. Letztere werden unter Vertrag genommen, um den Projektfortschritt ständig zu begleiten und zur Lösung allfälliger technischer Probleme beizutragen. Die Angestellten der Fonds haben bei dem Projektmonitoring die Aufgabe, in regelmäßigen Abständen vor Ort den tatsächlichen Projektfortschritt festzustellen und die Einhaltung der technischen Standards sowie der Zeitplanungen zu überwachen. Ein Projekt gilt als abgeschlossen, wenn die Arbeiten vertragsgemäß ausgeführt wurden und die Zielgruppe den Projekterfolg konstatiert. Die finanzielle Abwicklung der Maßnahmen ist ähnlich standardisiert: Die Kalkulation des Projektbudgets erfolgt auf der Grundlage der erforderlichen Standardkomponenten, die mit einem einheitlichen Preis angesetzt werden. Das so berechnete Budget wird durch den Sozialfonds an den Projektträger in mehreren Tranchen ausgezahlt. Die Freigabe der Tranchen zur Auszahlung ist mit dem Ergebnis der regelmäßigen Prüfungsmissionen verknüpft. Die Schlußtranche wird eine gewisse Zeit nach der Übernahme der fertigen Leistung durch die Zielgruppe zur Auszahlung freigegeben (vgl. Witt 1998: 276). Intensive entwicklungspolitische Zusammenarbeit. Wenn auch in Lateinamerika eine Reihe von Institutionen existieren, die ähnliche Aufgaben wie die Sozialfonds übernehmen, so ist für letztere charakteristisch, daß sie in nennenswertem Umfang aus Mitteln der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unterstützt werden (vgl. Tabelle 5). Wie Tabelle 5 zu entnehmen ist, überstieg das gesamte Mittelvolumen, das im Zeitraum von 1986 bis 1998 insbesondere von den Entwicklungsbanken - Weltbank, Interamerikanische Entwicklungsbank und bilaterale finanzielle Zusammenarbeit - über Sozialfonds abgewickelt wurde, deutlich den Betrag von einer Milliarde US-Dollar. Die Finanzierungsvereinbarungen zwischen den Geberorganisationen und der jewei-
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
Tabelle 5: Sozialfonds und entwicklungspolitische Zusammenarbeit - Angaben in Mio. US-Dollar Land Bolivien (FSE) Bolivien (FIS) Chile (FOSIS) Ekuador (FISE) El Salvador (FIS) Guatemala (FONAPAZ) Guatemala (FIS) Honduras (FHIS) Nikaragua (FISE) Panama (FES) Peru (FONCODES) Haiti (FAES) Guyana (SIMAP) Dominikan. Republik (PRO-COMUNIDAD)
Finanzierungsvolumen wie htiger Geber Weltbank IADB BMZ 41,6 38,7 15,0 78,2 60,0 20,0 0,4 16,0 TZ-Unt. 30,0 30,0 6,7 — 153,9 10,0 — 6,7 45,0 — 20,0 20,0 80,0 63,0 45,0 55,0 60,3 32,0 — — 38,3 150,0 18,0 150,0 — 39,4 11,3 — 10,2 33,3 — 30,0 10,0
Quellen: Goodman et al. (1997: 10); Boschmann/Witt (1998: 20). Erlauterungen: IADB Interamerikanische Entwicklungsbank BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung TZ Technische Zusammenarbeit
ligen Regierung sehen in der Regel die Vergabe zweckgebundener Darlehen zu ODA-Konditionen vor, deren Auszahlung in mehreren Tranchen erfolgt. Eine Ausnahme bildet der chilenische FOSIS. Im Gegensatz zu den anderen Fonds, die in erster Linie durch Darlehen gefördert werden, wird FOSIS von der Bundesregierung im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit unterstützt. Die jeweilige Regierung finanziert jeweils nur einen geringen Teil der Ausgaben des Fonds, in der Regel zwischen 10% und 15% des Gesamtbudgets. Ausnahmen stellen FONCODES/Peru und FOSIS/Chile dar; beide Sozialfonds werden zu einem erheblich größeren Teil als die anderen Fonds aus nationalen Haushalten finanziert. Während dies im Falle von FONCODES offenbar auch mit innenpolitischen Faktoren in Peru in Zusammenhang steht, kann die Sonderstellung von FOSIS mit dessen besonderem Arbeitsauftrag erklärt werden.
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Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
4. Wirkungen und offene Fragen 4.1 Direkte Wirkungen für arme Zielgruppen Einkommen und Beschäftigung. Bei der Diskussion der Einkommensund Beschäftigungswirkungen der Sozialfonds müssen zwei Ansätze unterschieden werden. Wie oben erwähnt, stand bei der Gründung von Sozialen Nothilfefonds und von Sozialen Wiederaufbaufonds die Intention im Vordergrund, die Durchführung von Infrastrukturprojekten durch spezielle Abwicklungsverfahren direkt mit der Schaffung von Arbeitsplätzen zu verknüpfen. Im Gegensatz dazu werden im Falle der Sozialen Investitionsfonds die Teilziele Arbeitsbeschaffung und Errichtung von Infrastruktur voneinander getrennt und spezielle Programme für Arbeitsbeschaffung aufgelegt. Typische Beispiele für Fonds der ersten Kategorie sind FSE/Bolivien sowie die Fonds in El Salvador (FIS), Ekuador (FIS) und Honduras (FHIS) in ihrer jeweils ersten Förderphase. Diese Fonds verpflichteten die von ihnen geförderten Institutionen, bei der Durchführung von Infrastrukturprojekten lokale Arbeitskräfte zu beschäftigen. Dies wurde unter anderem dadurch erreicht, daß eine bestimmte Lohnquote vertraglich vereinbart wurde: Der Vertragspartner mußte sicherstellen, daß 5% des Projektvolumens für Lohnkosten lokaler Arbeitskräfte verausgabt wurden. Die quantitative Wirkung der Sozialfonds auf die Arbeitsmärkte war jedoch gering. Die Zahl der in den geförderten Projekten Beschäftigten bezogen auf die arbeitsfähige Bevölkerung lag zwischen 0,3% (FIS/EI Salvador) und 1,0% (FSE/Bolivien); der FSE als in dieser Hinsicht erfolgreichster Fonds schuf ein Äquivalent von 21.000 Mannjahren. Trotzdem gelang es nicht, die Arbeitslosigkeit entscheidend zu lindern (Goodman et al. 1997: 21). Zudem wurden erhebliche Probleme bei der Verpflichtung lokaler Arbeitskräfte deutlich. Lokale Arbeitskräfte wurden z.B. zu niedrigen Lohnsätzen temporär engagiert und führten in erster Linie bloße Handlangertätigkeiten aus. Gleichzeitig mußten sich Dorfgemeinschaften vertraglich verpflichten, Eigenleistungen in Form unentgeltlicher Arbeitsleistungen zu erbringen. Dies rief erhebliche Irritationen bei der Zielgruppe hervor. Als Konsequenz wurde bei Sozialen Investitionsfonds von dem Anspruch, Arbeitsmarktpolitik mit den Investitionen in Infrastruktur zu verbinden, weitgehend Abschied genommen. In der Regel wird nun auf die Festschreibung von Lohnquoten verzichtet. Aber es werden besondere Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung durchgeführt, für die im Durch95
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schnitt 5-6%, in seltenen Ausnahmefällen mehr als 10% der Gesamtausgaben eines Sozialfonds bereitgestellt werden (Berar Awad 1998: 12). Die Beschäftigungswirkungen bleiben jedoch weiterhin relativ klein (Bigio 19998: 45). Hinsichtlich der Prioritäten seiner Programme nimmt der chilenische FOSIS eine Sonderstellung ein: 46% der Gesamtausgaben wurden für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bereitgestellt (Berar Awad 1998: 12). Allerdings bleiben auch dessen Arbeitsmarktwirkungen im nationalen Maßstab vernachlässigbar gering (Goodman et al. 1997: 21). Über die Beschäftigungseffekte der Sozialfonds liegen nur wenige disaggregierte Daten vor. Da es sich bei der Mehrzahl der Projekte der Sozialfonds um Baumaßnahmen handelt, ist zu vermuten, daß in erster Linie männliche Arbeitskräfte unter Vertrag genommen werden. Darauf scheinen auch die vorliegenden Daten hinzuweisen. Einen besonders frauenorientierten Ansatz stellt ein Pilotprojekt des honduranischen FHIS dar. In diesem Projekt können sich die Vertragspartner des FHIS dazu verpflichten, in ihren Bautrupps 25% Frauen anzulernen und zu beschäftigen. Dafür wird ihnen ein Aufschlag vor 10% auf die Lohnkosten gewährt. Wenn auch die Erfahrungen mit desem Instrument noch nicht vollständig ausgewertet sind, deuten erste Ergebnisse darauf hin, daß dies ein vielversprechender Weg zur Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ist (Vandever Webb 1995: 34). Bereitstellung sozialer Infrastruktur. Wie oben gezeigt wurde, werden von Sozialfonds in erheblichem Umfang Mittel eingesetzt, um Enrichtungen des Gesundheitswesens, des Bildungswesens und der Sanitärversorgung zu errichten respektive zu verbessern. Diese Investitionen sind eine Voraussetzung dafür, daß die arme Bevölkerung auch h entlegenen Regionen mit sozialen Dienstleistungen versorgt wird. Da über diese langfristigen Wirkungen keinerlei Daten vorliegen kann das Ausmaß nicht abgeschätzt werden. Angesichts der augenfälligen Unterversorgung der ländlichen Bevölkerung in Lateinamerika mt Gesundheitsdiensten und angesichts ihres niedrigen Bildungsstandes, der auch auf Unzulänglichkeiten der Bildungsinfrastruktur zurückzuführen ist, erscheint diese Art der Investitionen grundsätzlich sinnvoll und dringend notwendig. Die bloße Existenz sozialer Infrastruktur hat jedoch z.T. keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Armen; vielmehr stellen sich diese häufig erst mittel- bis langfristig ein, beispielsweise wenn durch die Intervention des Sozialfonds Kindern im schulpflicitigen Alter der Schulbesuch ermöglicht oder die Gesundheitsversorging in 96
Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der Öffentlichen Verwaltung
entlegenen Regionen dauerhaft verbessert wird. Aus diesem Grund ist es dringend geboten, den dauerhaften Betrieb der Einrichtungen zu sichern. Wirtschaftliche Infrastruktur und produktive Projekte. Durch die Förderung von Projekten, deren Hauptziel die Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur ist, können Sozialfonds einen Beitrag zur Förderung der lokalen und regionalen Wirtschaftstätigkeit leisten. Es kann zu einer Stimulierung der lokalen Produktion und Vermarktung kommen, die in erster Linie Produzenten zugute kommt, die über eine nur geringe Kapitalausstattung verfügen. Dabei ist besonders hervorzuheben, daß Sozialfonds in der Lage sind, Investitionen in Gebieten vorzunehmen, die teilweise nie zuvor von regulären Regierungseinrichtungen erreicht wurden (Berar Awad 1998: 8). Demgegenüber muß ihre Fähigkeit, Kleinkreditprogramme zu unterstützen, als gering veranschlagt werden. Da Sozialfonds grundsätzlich keine eigenen Projekte abwickeln dürfen, beschränkt sich ihre Rolle im Kleinkreditbereich auf die Weitergabe von Mitteln der internationalen Geber an Kleinkreditorganisationen. Die Kriterien für die Evaluierung potentieller Vertragspartner im Kleinkreditbereich unterscheiden sich von den Verfahren im Infrastrukturbereich; sie erfordern unter anderem bankspezifische Kenntnisse, über die Sozialfonds in der Regel nicht verfügen und deren Erwerb zeit- und kostenintensiv ist.
4.2 Armutsorientierung der Verwaltungsverfahren Targeting der Zielgruppen. Wenn auch von Infrastrukturinvestitionen generell ein Wachstumsschub für die lokale Wirtschaft zu erwarten ist, sind sie nicht perse armutswirksam. Das Ausmaß der Wirkungen für die Armen hängt von der Ausgestaltung des Investitionsprozesses und der regionalen Verteilung der Investitionen ab. Die Identifizierung und spätere Erreichung der Zielgruppen ist eine der zentralen Voraussetzungen dafür, daß die Armen von den Projekten der Sozialfonds direkte Nutzen ziehen. Daher muß dem regionalen und sozialen „Targeting" dieser Wirkungen Beachtung geschenkt werden. Die Definition der Zielgruppen des jeweiligen Sozialfonds steht in engem Zusammenhang mit seinem Hauptziel. Soziale Nothilfefonds, die in Verbindung mit wirtschaftlichen Reformprogrammen eingerichtet wurden, fokussieren ihre Aktivitäten qua Gesetz in der Regel auf die Benachteiligten der Reformmaßnahmen, die sogenannten „newly poor" 97
Lateinamerika Jahrbuch 1999
(Berar Awad 1998: 7); soziale Wiederaufbaufonds definieren in der Regel die Bevölkerung der ehemaligen Bürgerkriegsgebiete als ihre Zielgruppen (Boschmann/Witt 1998: 22f.). Demgegenüber richten sich die Programme der Sozialen Investitionsfonds zumeist an die gesamte arme Bevölkerung. Eine Eingrenzung nach weiteren sozialen oder ethnischen Kriterien findet nicht statt. Um die geförderten Projekte bestmöglich auf die so definierten Zielgruppen zu fokussieren, werden sogenannte Armutskarten erstellt. Dies sind Landkarten, in denen anhand von einem oder mehreren Sozialindikatoren der lokalen Bevölkerung (z.B. „Bevölkerungsanteil mit Zugang zu Trinkwasser") die geographische Verteilung der Armen nach Regionen erfaßt wird. Die Armutskriterien und die regionale Abgrenzung sind von Fonds zu Fonds verschieden. Diese Karten dienen dem Zweck, die gewünschte regionale Verteilung der Investitionen vorab zu planen und dabei die Priorität auf besonders arme Verwaltungseinheiten zu legen (Berar Awad 1998: 7). Die Entwicklung der Armutskarten stellt unzweifelhaft einen Fortschritt in bezug auf die Identifizierung der Armen dar. Die Anwendung der Karten in ihrer derzeitigen Form wirft jedoch eine ganze Reihe methodischer Fragen auf. Insbesondere drei Einschränkungen sind hier zu erwähnen. Erstens hängt die Qualität der Armutskarten entscheidend von der Auswahl der verwendeten Armutsindikatoren ab. Hier zeigt sich, daß die verwendeten Indikatoren häufig nur geringe Aussagekraft für die Planung der Projekte des jeweiligen Sozialfonds haben; beispielsweise ist die Kindersterblichkeit in einer Region kein geeigneter Indikator für den Bedarf an Schulbauten. Dagegen kann man einwenden, daß Armutsindikatoren häufig untereinander stark korrelieren. Ob das auch für die tatsächlich verwendeten Indikatoren gilt, ist jedoch nicht geklärt (Boschmann/Witt 1998: 26). Zweitens wird die Funktionsfähigkeit der Armutskarten entscheidend von der Abgrenzung der Erhebungseinheiten bestimmt. Ein wirksames Targeting ist nur möglich, wenn alle Bewohner einer Erhebungseinheit zumindest in ähnlichen Bedingungen leben. In der Regel sind die Karten der lateinamerikanischen Sozialfonds eher grob gerastert. Erhebungseinheiten sind Landkreise oder Bezirke, innerhalb derer offenkundige Verteilungsunterschiede zu vermuten sind. Folgendes Problem der Karten wiegt aber wohl am schwersten: Ungeachtet der Vorplanung der Investitionen werden Projekte, wie oben dargestellt, im Antragsverfahren und nach dem „Windhundprinzip" vergeben. Vergleicht man jedoch die Vorplanungen mit den tatsächlich vergebenen Projekten so wird ersichtlich, daß die Projektanträge aus armen und,
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Witt: Oer Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
stärker noch, aus extrem armen Regionen nicht dem vorab geplanten Mittelvolumen entsprechen. Als Ergänzung zu Armutskarten wird versucht, die Einkommenswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsgruppen zu konzentrieren, indem die Arbeit für Sozialfondsprojekte mit einem niedrigen Lohnsatz bezahlt wird. Dadurch ist für nicht-arme Gruppen eine Teilnahme an den Beschäftigungsmaßnahmen nicht attraktiv. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, daß durch die Anwendung dieser beiden Instrumente die Leistungen der Sozialfonds in Lateinamerika und der Karibik in der Vergangenheit hauptsächlich den Armen zugute kamen. Da sich die Armutsgrenzen und die Meßindikatoren von Land zu Land erheblich unterscheiden, sind allerdings die Ergebnisse der Targetingprozeduren nur bedingt miteinander vergleichbar (vgl. Tabelle 6). Die Tabelle 6 läßt erkennen, daß die Sozialfonds - mit Ausnahme des FAES/Haiti - vorrangig Projekte in Regionen mit überwiegend armer Bevölkerung förderten. Dies ist grundsätzlich ein positiver Beitrag zur Entwicklung einer Armutsorientierung der staatlichen Verwaltung. Kritisch ist anzumerken, daß die gängigen Instrumente zum Targeting der Ausgaben nicht geeignet genug sind, um bestimmte soziale Gruppen zu identifizieren. Ein Beispiel, an dem dieses Manko besonders deutlich wird, ist die Zielgruppe „weibliche Bevölkerung" und darunter spezifisch die Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand (Berar Awad 1998: 8). Antragsprinzip und Partizipation. Ein weiterer Beitrag zur Armutsorientierung der Verwaltungsabläufe liegt darin, daß die lokale Bevölkerung - die spätere Zielgruppe - an der Ausgestaltung und Realisierung der Projekte mitwirkt. Dies wird dadurch bewirkt, daß Projekte grundsätzlich im Antragsverfahren vergeben werden, und das beinhaltet die Mitwirkung bei der Projektplanung, Einbindung in die Projektrealisierung und Mitsprache bei der Endabnahme der Maßnahmen. Allerdings variiert die Qualität der Mitwirkungsrechte, die der Zielgruppe eingeräumt werden, von Fonds zu Fonds. In einigen Fällen wird ausschließlich Vertretern der Zielgruppe ein Anhörungsrecht gewährt; ein Beispiel ist der honduranische FHIS, in dessen Programme eine ganze Reihe von NGOs involviert werden (vgl. Vandever Webb et al. 1995: 12). Diese Verfahren sind grundsätzlich zu begrüßen, werfen jedoch die Frage nach der Legitimation der Vertreter auf. In anderen Fällen haben die lokalen Anwohner ein direktes Mitwirkungsrecht. Hinzu kommt, daß sich Kompetenzen der Zielgruppe in den einzelnen Stadien
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Tabelle 6: Targeting ausgewählter Sozialfonds in Lateinamerika und der Karibik Land (Fondsname) Bolivien (FIS) Chile (FOSIS)
Dominikanische Republik (PROCOMUNIDAD) Ekuador (FISE) El Salvador (FIS) Guatemala (FIS) Haiti (FAES)
Nikaragua (FISE)
Peru (FONCODES)
Indikator 31% der Ausgaben wurden in den ärmsten Provinzen Boliviens getätigt, nur 36% gingen an nicht-arme Provinzen. In einer Fallstudie (180 Projekte) wurde festgestellt, daß 10% der Ausgaben für extrem arme Bevölkerungsgruppen verwendet wurden, 58% für sehr arme und arme und nur 18% für nichtarme Gruppen. Nutznießer verfügen in der Regel nicht über ein Jahreseinkommen, das die Armutsgrenze (US$ 1.040) übersteigt. 80% der Ausgaben wurden in den ärmsten 40% der Munizipien getätigt, wohingegen nur 3% in die reichsten 40% flössen. 26% der Ausgaben wurden in den fünf ärmsten (von 14) Provinzen getätigt, 46% in den vier reichsten. Allerdings zählen 60% der Nutznießer zu den Armen (mit einem monatlichen Familieneinkommen von weniger als US$ 172). 20% der Ausgaben wurden in den 30 ärmsten Munizipien getätigt, 32% in den folgenden 64 und 2% der Ausgaben in den 18 reichsten Munizipien. 73% der Projekte wurden in den neun Departments realisiert, die der Hauptstadt am nächsten liegen. In die sechs übrigen Departments (Bevölkerungsanteil: 47%), in denen die Armut konzentriert ist, wurden nur 31% aller Projektmittel vergeben. 70% aller Projekte wurden in ländlichen Regionen durchgeführt. 84% der Projekte liegen in Regionen mit hoher oder extremer Armut. In den ärmsten Regionen (Bevölkerungsanteil 15%) wurden 22% der Projekte realisiert. In armen, nicht aber extrem armen Regionen (Bevölkerungsanteil 53%) 62% der Projekte und in reichen Regionen (Bevölkerungsanteil 32%) 16%. Die ProKopf-Ausgaben in den ärmsten Distrikten beliefen sich auf US$ 32, in weniger armen auf US$ 27 und in nicht-armen auf US$ 13. 75% der Ausgaben wurden in armen und sehr armen Distrikten getätigt, zusätzlich 5% in extrem armen Distrikten. Die Pro-KopfAusgaben beliefen sich in den ärmsten Distrikten auf US$ 32, in sehr armen auf US$ 36, in armen auf US$ 57 und in den reichsten Distrikten auf US$ 2,60. 65% der Projekte wurden in ländlichen Regionen realisiert, etwa die Hälfte aller Nutznießer gehören zur indigenen Bevölkerung.
Quelle: Goodman et al. (1997:17).
je nach Fonds unterscheiden. Daher kann keine generelle Aussage über die Intensität der Partizipation getroffen werden, jedoch stellt die Existenz partizipativer Planungsvorgänge einen wichtigen Schritt bei der Steigerung der Armutsorientierung der Verwaltungsvorgänge dar.
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Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
4.3
Modernisierung der staatlichen Verwaltung. Finanzierung von Vorhaben der regionalen und lokalen Behörden.
Staatliche Verwaltungen in Lateinamerika sind üblicherweise weitgehend zentralisiert. Entscheidungen - auch über lokale Belange - werden entweder von Einrichtungen der Zentralregierung direkt getroffen oder durch die Gesetzgebung stark reglementiert und lassen den untergeordneten Behörden in der Regel nur wenig Spielraum. Dies führt zu einem erheblichen „urban bias" der Verwaltungsentscheidungen. Im Gegensatz zu den hierarchisch geprägten Verwaltungsverfahren der regulären Einrichtungen des öffentlichen Dienstes zählen in der Regel lokale und regionale Behörden, die für lokale Projekte finanzielle Unterstützung beantragen, zu den zahlenmäßig wichtigsten Kooperationspartnern der Sozialfonds. Aus der Sicht der Armen ist dies insofern zu begrüßen, weil die Entscheidungsprozesse besser nachvollzogen werden können und ihre Möglichkeiten zur Einflußnahme tendenziell zunehmen. Für die Gebietskörperschaften hat dies den Vorteil, daß die finanzielle Förderung von Projekten durch die Sozialfonds das lokale Budget entlastet und dadurch die Abhängigkeit von Zuweisungen des Zentralstaates verringert wird (Berar Awad 1998: 16). Dies zeigt sich besonders deutlich im Falle des bolivianischen FIS, der durch seine Einbindung in das „Sistema National de Cofinanciamiento" zu einer offiziellen Finanzierungsquelle der Munizipien geworden ist und somit das Fehlen eines formalisierten vertikalen Finanzausgleichs zum Teil kompensieren soll. Zudem werden die lokalen Behörden bei der Antragstellung und der Projektabwicklung technisch beraten, was ihre Kapazität zur Planung und Implementierung lokaler Projekte steigert. Weil Sozialfonds qua Statut mit einer Reihe von - öffentlichen oder privaten - lokalen Trägern zusammenarbeiten und sich nicht auf bestimmte staatliche Institutionen beschränken (vgl. Witt 1998: 243), trägt diese Beratung zudem zur Dekonzentration der Verwaltung bei. Schnelligkeit und Entbürokratisierung. Die dargestellten Ausnahmen von üblichen Verwaltungsvorgängen und die Standardisierung der Prüfungsvorgänge haben zur Folge, daß Sozialfonds schnell über Förderanträge entscheiden und diese auch umsetzen können. Sie sind in der Regel weitaus schneller als herkömmliche staatliche Institutionen. Über die Projektbearbeitungszeit liegen nicht für alle Fonds Daten vor. Die existierenden Daten deuten aber darauf hin, daß einige Sozial101
Lateinamerika Jahrbuch 1999
fonds durchaus in der Lage sind, ihre Fördermaßnahmen in relativ kurzer Zeit abzuwickeln. Beispielsweise beträgt die Zeitspanne von der Antragstellung bis zur Fertigstellung eines Projekts im Falle des Nikaraguanischen FISE durchschnittlich 61 Tage, der peruanische FONCODES bewilligt Projekte durchschnittlich in 247 Tagen und bei dem honduranischen FHIS beträgt die Bearbeitungszeit im Durchschnitt rund 150 Tage. Eine Ausnahme bildet hier der salvadorianische FIS, dessen durchschnittliche Projektbearbeitungszeit bei rund 18 Monaten liegt (Boschmann/Witt 1998: 44). Als weiteres Indiz für die Schnelligkeit der Fonds kann die Gesamtzahl der in einem angegebenen Zeitraum realisierten Projekte gelten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 7 zusammengefaßt. Außerdem wird in der Tabelle über den durchschnittlichen Förderbetrag der Projekte informiert. Tabelle 7: Leistungen der Sozialfonds Land (Fondsname) Zeitraum Durchschnittlicher Realisierte Förderbeitrag je Projekte Projekt - Anzahl - in US-DollarBolivien (FIS) 1991-95 73.355 2.158 Chile (FOSIS) 1991-95 34.327 5.200 Dom. Rep. 1995-96 45.886 316 (PROCOMUNIDAD) Ekuador (FISE) 1993-95 21.153 5.011 El Salvador (FIS) 1990-96 21.160 6.456 Guatemala (FIS) 1993-95 12.603 2.456 Honduras (FHIS) 1990-95 19.616 5.526 1991-94 27.160 Nikaragua (FISE) 3.461 Peru (FONCODES) 1991-96 37.300 16.752 Quelle: Goodman et al. (1997: 67).
Der Auswertung ist ein Bekenntnis vorauszuschicken: Ein Manko jeder Analyse, das auch der vorliegende Beitrag wegen fehlender Daten nicht beheben kann, ist die mangelnde Vergleichsmöglichkeit mit traditionellen Organisationen des öffentlichen Sektors. Immerhin macht die Betrachtung des durchschnittlichen Förderbeitrags je Projekt das Bestreben der Fonds deutlich, in erster Linie kleine Projekte zu fördern. In dieser Hinsicht stellt der bolivianische FIS eine Ausnahme dar. Wirft man einen Blick auf die Anzahl der realisierten Projekte, so läßt sich erahnen, zu welchen Managementleistungen Sozialfonds in der La102
Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
ge sind; immerhin werden von einigen Fonds jährlich rund 1.000 (FOSIS/ Chile, FISE/Ekuador, FIS/EI Salvador und FHIS/Honduras), im Falle von FONCODES/Peru sogar rund 3.000 Kleinmaßnahmen abgewickelt.
4.4 Offene Fragen öffentliche Verschuldung. Wie oben dargestellt, werden Sozialfonds in erster Linie aus Darlehen entwicklungspolitischer Geber und nur in geringem Maße aus dem laufenden Haushalt finanziert. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Vergabekonditionen und ungeachtet der sozialpolitischen Rechtfertigung der Darlehen, auf die weiter unten eingegangen wird, ist die Frage zumindest diskussionswürdig, inwieweit eine langfristige Kreditfinanzierung der Sozialfonds gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist. In langfristiger Betrachtung ist eine sorgfältige Abwägung der Kosten mit dem aus den Projekten resultierenden Nutzen notwendig. Folgt man diesem Kriterium, rückt die Nutzungsdauer der geförderten Investitionen, d.h. deren Nachhaltigkeit, in den Blickpunkt. Mittelfristig sind zudem Liquiditätswirkungen der Verschuldung zu beachten, da einige Empfängerländer, wie z.B. Bolivien, zu den sehr hoch verschuldeten Ländern zählen. Nachhaltigkeit. Da Sozialfonds ausschließlich fördernd tätig werden und kein Mandat für den Betrieb der geförderten Einrichtungen besitzen, werden Projekte nach Abschluß der Förderphase an einen staatlichen oder privaten Betreiber übergeben. Da Sozialfonds in der Regel ausschließlich Investitionskosten finanzieren, muß der Betreiber sicherstellen, daß die Kosten des laufenden Betriebs und der Instandsetzung, die nach dem Abschluß der Förderung entstehen, gedeckt sind. Diese Kosten können jedoch sowohl den Investitionsbetrag als auch die Zahlungs- und Managementfähigkeit des Betreibers übersteigen. Insbesondere bei technisch aufwendigeren Projekttypen, die in kommunale Trägerschaft übergeben werden sollen, hat sich gezeigt, daß aufgrund fehlender technischer Kapazität und geringer finanzieller Ausstattung der Kommunen nach relativ kurzer Zeit Wartung, Instandhaltung und Reparaturen eingeschränkt werden und die ursprünglich sinnvolle Investition nur kurze Zeit nutzbar ist. Diese Problematik betrifft offenbar in erster Linie Straßenbaumaßnahmen und Wasserprojekte (Boschmann/Witt 1998: 48). Ein zusätzliches Problem betrifft Projekte, die von mittelamerikanischen Sozialfonds in ehemaligen Bürgerkriegsgebieten, beispielsweise 103
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in Guatemala und El Salvador, implementiert wurden. In einigen dieser Regionen waren staatliche Institutionen über einen langen Zeitraum nicht präsent. Der Wiederaufbau staatlicher Strukturen nimmt einen längeren Zeitraum in Anspruch als die Realisierung einzelner Projekte durch die Sozialfonds. Dadurch existiert keine leistungsfähige staatliche Trägerstruktur, die Projekte nach dem Abschluß der Förderung langfristig betreiben und ihre Finanzierung aus öffentlichen Budgets sicherstellen könnte. Effizienz staatlicher Investitionen. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht handelt es sich bei den durch Sozialfonds geförderten Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur um spezielle staatliche Investitionen. Vergleicht man die staatlichen Investitionen in Basisinfrastruktur mit den Ausgaben der Sozialfonds, so wird deutlich, daß das Gewicht der Fonds sowohl gemessen an der Höhe der Mittel als auch an der Zahl der Projekte in einigen Ländern höher ist als das der regulären Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Schätzungen zufolge werden in den Ländern, in denen Sozialfonds existieren, durchschnittlich 10% bis 20% der gesamten öffentlichen Investitionsausgaben durch Sozialfonds abgewickelt; in Ausnahmefällen beläuft sich dieser Prozentsatz auf bis zu 40% (vgl. Berar Awad 1998: 23). Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage nach der gesamtwirtschaftlichen Effizienz dieser Investition an Bedeutung. Die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Sozialfonds wird auf der Kostenseite vornehmlich durch zwei Faktoren negativ beeinflußt. Erstens verursacht das by-passing der regulären Verwaltungsstrukturen dem jeweiligen Staat Transaktionskosten, da zusätzlich zu den laufenden Kosten der regulären Strukturen auch die des jeweiligen Sozialfonds (da sich die Regierung in der Regel verpflichtet, die Gehälter der Mitarbeiter zu übernehmen) den Staatshaushalt belasten. Zweitens erschwert die Nicht-Integration der Sozialfonds in die Abläufe des öffentlichen Sektors eine Abstimmung zwischen diesen beiden Parallelstrukturen. Dies führt zu Doppelinvestitionen und trägt - zumal bei Beachtung des Antragsprinzips bei der Förderung - nicht zur Vermeidung gesamtwirtschaftlich unsinniger Projekte bei. Ein allfälliger Ausweg aus diesem Dilemma bestünde in der weitergehenden Integration in die staatlichen Strukturen. Allerdings bedeutet eine stärkere Integration zwangsläufig einen Verlust an Flexibilität. Ownership. Die vorangegangenen Betrachtungen haben gezeigt, daß sich Sozialfonds in bezug auf die Amtsgewalt, Finanzierung und die Regelungen der Arbeitsabläufe deutlich von den regulären Institutionen des 104
Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
jeweiligen Landes abheben. Aus diesem Grund wird ihnen von den Gebern oft der Status „autonomer" bzw. „unabhängiger" Organisationen beigemessen, die „outside the realm of a ministry" (Carvalho 1994: 8) handeln können. Wenn diese Institutionen unabhängig handeln, stellt sich die Frage, wer Sozialfonds finanziert und wer die administrative und fachliche Aufsicht ausübt. Formal werden Sozialfonds aus Mitteln der jeweiligen Regierung finanziert. Dabei werden die laufenden Personalkosten zumeist aus dem regulären Staatshaushalt bezahlt, wohingegen die Projektkosten durch Darlehen der Geber an die Regierung abgedeckt werden; diese Darlehen werden als nicht-rückzahlbare Mittel an die Sozialfonds weitergereicht. Auch die politische Kontrolle ist Aufgabe der Regierung. Die Rolle der Geber beschränkt sich formal auf die Beratung der Fonds. Sozialfonds werden aber in einigen Fällen von den Gebern durch interne Prüfungsmechanismen und externe Kontrollen sehr intensiv überwacht. Darauf weist das Beispiel des honduranischen FHIS hin (vgl. Bigio 1998: 81). Dies ist ein Indiz dafür, daß die „Ownership" der jeweiligen Regierung an einem Sozialfonds - und damit auch der Spielraum für eine stärkere Integration in staatliche Strukturen - erheblich eingeschränkt ist.
5. Fazit und entwicklungspolitische Empfehlungen Unter Rückgriff auf die eingangs formulierten Thesen können die Erkenntnisse des vorliegenden Beitrags folgendermaßen zusammengefaßt werden. Erstens: Sozialfonds sind in der Lage, einen unmittelbaren Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten. Es konnte gezeigt werden, daß in erheblichem Umfang Investitionen in die soziale oder wirtschaftliche Infrastruktur vorgenommen werden. Da sich die damit geschaffenen Einrichtungen in erster Linie in armen Regionen befinden, werden hierdurch die Voraussetzungen für eine Verbesserung der Versorgung armer Bevölkerungsgruppen mit sozialen Dienstleistungen beziehungsweise für eine Erleichterung der Produktion geschaffen. Ob diese Einrichtungen tatsächlich in erster Linie von den Armen genutzt werden, ist durch beneficiary assessments zu klären. Im Vergleich dazu sind die direkten Beschäftigungs- und Einkommenswirkungen eher als gering anzusetzen.
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Zweitens: Sozialfonds können zur Entwicklung von Instrumenten für die stärkere Armutsorientierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik beitragen. Die Betrachtungen haben gezeigt, daß Sozialfonds Verfahren zur Armutsorientierung in der Verwaltung eingeführt haben und aufgrund ihrer spezifischen Managementkapazität mittelbar zur Armutsbekämpfung beitragen können. Dies gilt für die Entwicklung von Mechanismen zum Targeting der Maßnahmen und für die Beteiligung der Zielgruppen. Auch wenn diese Verfahren im Einzelfall mehr oder weniger stark verbesserungswürdig erscheinen, kann durch Targeting und partizipative Methoden die Wirksamkeit der Politik für die Armen unzweifelhaft gesteigert werden. Drittens: Sozialfonds liefern Ansatzpunkte für eine Reform des öffentlichen Sektors. An dieser Stelle sind zwei Ansatzpunkte zu erwähnen, die durch eine Neuordnung der staatlichen Strukturen eine allgemeine Wirkung ausüben können. Diese sind die stärkere Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen, durch die die Verwaltung quasi „an die Armen heranrückt". Zum anderen kann der Abbau bestehender bürokratischer Hürden zu einer Beschleunigung der Entscheidungsfindung führen. Einschränkend wurde deutlich gemacht, daß eine Reduzierung der staatlichen Bürokratie zwar wünschenswert erscheint, dieser Vorgang jedoch Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse erfordert, die bisher nicht eingeleitet wurden. Viertens: Sozialfonds dürften als Insellösungen im öffentlichen Sektor nur bedingt nachhaltige Wirkungen erzielen. Sozialfonds haben in Lateinamerika und der Karibik dazu beigetragen, negative Wirkungen von Wirtschaftsreformen zu lindern; damit konnte ein Verwaltungsdefizit zu einem gewissen Teil kompensiert werden. Vor diesem Hintergrund - d.h. zur Lösung einer fest umrissenen Aufgabe und für eine kurze bis mittlere Zeitspanne - war die besondere Stellung der Fonds im öffentlichen Dienst zu verstehen und auch zu rechtfertigen. Eine nachhaltige Wirkung auf den öffentlichen Sektor war nicht geplant und auch nicht zu erwarten gewesen. In der Zwischenzeit hat sich jedoch ein Wandel der Aufgabenstellung vollzogen: Die Fonds gehen nun in quasi permanente oder permanente Organisationen über. Wie gezeigt werden konnte, bedeutet dies, daß ein erheblicher Teil der staatlichen Investitionstätigkeit über eine Parallelstruktur abgewickelt wird, die durch regelmäßig erneuerte Kreditarrangements finanziert wird und eigene, von den herkömmlichen Institutionen des öffentlichen Sektors unabhängige Kriterien anwendet. Spill 106
Witt: Der Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung
overs auf andere Institutionen der öffentlichen Verwaltung finden nicht statt. Auch wenn die angewendeten Kriterien und Verfahren innovativ gestaltet sind und gegenüber den herkömmlichen Verfahren eine deutlich größere Wirksamkeit und Armutsorientierung entfalten, darf dennoch nicht vergessen werden, daß der Einführung dieser neuen Verfahren keine gesellschaftliche Diskussion vorangegangen ist und die zeitweise notwendige Etablierung von Parallelstrukturen Abstimmungsprozesse erschwert. Insbesondere der letzte Punkt, verbunden mit der strikten Anwendung des Antragsprinzips auf Seiten der Sozialfonds, verhindert in der Regel eine Gesamtplanung der staatlichen Investitionen und dadurch einen effizienten Einsatz aller zur Verfügung stehenden Mittel. Aus diesen Gründen ist für eine längerfristige Anwendung der Sozialfonds eine Reform des Konzepts in zwei Punkten erforderlich. Erstens dürfte eine stärkere Koordination mit den herkömmlichen Institutionen der staatlichen Verwaltung unerläßlich sein. Dies bedeutet, Sozialfonds stärker mit den regulären staatlichen Behörden zu verknüpfen, und impliziert nicht zuletzt eine weitergehende Integration in die regulären öffentlichen Haushalte, unter Berücksichtigung der seit langem von den Gebern erhobenen Forderung nach stärkerer Beteiligung der Regierung an der Finanzierung der Fonds (vgl. bspw. Goodman et al. 1997: 64).
Zweitens haben Sozialfonds mittlerweile eine Vielzahl komplexer Aufgaben übernommen. Dazu gehören in erster Linie die Planung und Abwicklung von Finanzierungsprojekten, die Überwachung von Bauarbeiten und die technische Beratung. Zudem tragen Sozialfonds implizit oder explizit zur Planung der Sektoren, in denen sie tätig sind, und damit in beschränktem Maße zur Politikplanung bei. Eine Konzentration dieser Aufgaben im Sozialfonds war für die ursprünglich geplante kurzfristige Existenz der Fonds sinnvoll. Da sich nunmehr jedoch der Trend zeigt, daß die Fonds permanente Einrichtungen werden, muß über die Aufgabenstellung sowie über Einrichtungen zur politischen und administrativen Kontrolle der Aufgabenerfüllung nachgedacht werden. Unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen mit dem Sozialfonds sind für die zukünftige Tätigkeit folgende Perspektiven naheliegend: Vor dem Hintergrund, daß Sozialfonds sich als vergleichsweise effektive und effiziente Durchführungsorganisationen erwiesen haben, liegt es nahe, diese in Zukunft noch stärker als bisher in die Durchführung von Programmen im Gesundheits- und Bildungssektor einzubinden. Ziel dieser Vorgehensweise wäre es, eine zentrale Behörde zur Abwicklung al107
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ler Investitionsvorhaben einzurichten. Als Voraussetzung dafür muß die Bereitstellung von Mitteln für diese Investitionen gesichert werden. Eine Alternative dazu kann darin bestehen, den Sozialfonds die nationale Planung der Investitionen im Gesundheits- und Bildungssektor zu übertragen. Wie oben dargestellt wurde, haben sie in der Vergangenheit eine Planungskompetenz gewonnen. Dies sollte sie befähigen, im nationalen Rahmen an der Erarbeitung der Entwicklungsplanung mitzuwirken. Die Aufgabe dieser Sozialplanungsbehörde bestünde darin, die nationale Investitionstätigkeit zu koordinieren und zu diesem Zweck einen für alle nationalen Akteure verbindlichen Investitionsplan zu erstellen.
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Teil II Entwicklungen in Ländern und Regionen
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Argentinien
Argentinien Amtlicher Name: Präsident: Im Amt seit: Vizepräsident:
República Argentina Carlos Saúl MENEM 8. Juli 1989 (wiedergewählt am 15. Mai 1995) Carlos RUCKAUF
Nächste Präsidentschaftswahlen: Oktober 1999 Regierungspartei: Partido Justicialista (PJ) (Peronistische Partei) Kabinett (Stand Juni 1999): Kabinettschef: Jorge RODRÍGUEZ; Außeres: Guido DI TELIA; Inneres: Carlos CORACH; Wirtschaft und Finanzen: Roque FERNANDEZ; Verteidigung: Jorge DOMÍNGUEZ; Justiz: Raúl GRANILLO OCAMPO; Arbeit und Sozialversicherungswesen. Ermän Antonio GONZALES; Gesundheit und Soziales: Alberto MAZZA; Bildung und Kultur: Susana DECIBE; Sekretariat für Naturschätze und nachhaltige Entwicklung; Maria Juli ALSOGARAY.
Wichtigste Oppositionsparteien/-bQndnisse im Parlament: Unión Civica Radical (UCR); Frente por un País Solidario (FREPASO). Sitzverteilung im Parlament (Stand: Dezember 1997): Abgeordnetenhaus (257 Sitze): PJ: 118; UCR: 70; FREPASO: 35; andere: 34. Senat (72 Sitze): PJ: 38; UCR: 20; Provinciales: 12, FREPASO: 2.
Chronologie 1998 In der Außenpolitik stand der weitere Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen sowohl zum M E R C O S U R , als auch zu den USA und Europa im Vordergrund. Brasilien bleibt im Rahmen des M E R C O S U R Argentiniens wichtigster Wirtschaftspartner, doch auch die Beziehungen zum Nachbarland Chile wurden ausgebaut. Die Innenpolitik wurde 1998 von dem beginnenden inner- und zwischenparteilichen Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen im Oktober 1999 geprägt. Dabei ging es vor allem um die Kandidatenbestimmung der Parteien: auf der einen Seite die kontroverse Diskussion über die vom aktuellen Präsidenten Menem angestrebte, aber laut Verfassung nicht mögliche erneute Wiederwahl, auf der anderen Seite die Rivalität zwischen den beiden Oppositionsparteien UCR und Frepaso um den gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten der Alianza, der erstmalig in „primaries" durch die Bevölkerung bestimmt wurde. Im Laufe des Jahres wurden die Anzeichen einer Spaltung der Peronisten über die Frage der Kandidatur von MENEM immer offensichtlicher, da sich auch der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Eduardo DUHALDE, Hoffnungen auf eine Nominierung als Präsidentschaftskandidat der PJ machte. Dieser innerparteiliche Machtkampf verhinderte leider, daß sich die Regierungspolitik auf die Bekämpfung der drängenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes konzentrierte. Nach einer Studie der C E O P ist die Arbeitslosigkeit die hauptsächliche Sorge der argentinischen Bevölkerung, dicht gefolgt von der wachsenden Kriminalität und Unsicherheit sowie der Korruption. Diese Aussage wird unterstützt von einer Studie der Sociedad de Estudios Laborales (SED), nach der Instabilität das zentrale Merkmal
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der Arbeitsbeziehungen in Argentinien ist: Mehr als 4 0 % der Arbeitnehmer fürchten, im nächsten Jahr ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Nach dem offiziellen Jahresbericht 1998 des Statistischen Amtes (INDEC) über die Höhe und Verteilung der Gehälter verdienen 55% der Arbeiter weniger als 700 Pesos brutto im Monat, während die Anzahl der Arbeiter mit höheren Löhnen immer mehr abnimmt. Fast 75% der argentinischen Arbeiter verdienen weniger als zum Lebensunterhalt ihrer Familie notwendig ist. Nach Angaben der Weltbank wird in Argentinien die Ungleichheit in der Einkommensverteilung und die Kluft zwischen Arm und Reich immer deutlicher. Während Mitte der 70er Jahre die reichsten Haushalte noch über achtmal soviel Einkommen wie die ärmsten verfügten, sind es heutzutage schon 25mal soviel. Auf die reichsten 20% der Bevölkerung im Großraum Buenos Aires entfallen 51% der Jahreseinkommen, auf die ärmsten 10% dagegen nur 1,6%. Man kann sagen, daß Wirtschaftswachstum und Preisstabilität keinen Wohlstand für die Massen brachten, sondern daß im Gegenteil sogar im Zuge der Privatisierung sichere Arbeitsverhältnisse verschwanden. Obwohl die Arbeitslosigkeit bis auf 12,4% im Oktober gesenkt werden konnte, blieb die Situation auf dem argentinischen Arbeitsmarkt problematisch, da rund 80% der neuen Arbeitsplätze dem Niedriglohnsektor oder Zeitarbeit zuzurechnen sind. Die Beschäftigungsrate liegt bei 36,9% der argentinischen Bevölkerung. In der Wirtschaftspolitik mußten die anfänglichen hohen Erwartungen und Ziele reduziert werden, da auch Argentinien im Zuge der zunehmenden weltweiten Verflechtung nicht von den Auswirkungen der Asien- und Rußlandkrise sowie den Währungsturbulenzen im Nachbarland Brasilien verschont blieb. Nach vorläufigen Angaben des Wirtschaftsministeriums wuchs die argentinische Wirtschaft 1998 um 4,2% (1997: 8,4%). Die ausländischen Direktinvestitionen waren im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, sie lagen bei US$ 5,8 Mrd. Nach Daten der CEPAL betrug die Jahresinflationsrate 1998 1% (1997: 0,3%). Als problematisch könnten sich in Zukunft das wachsende Handelsbilanzdefizit (US$ 7,2 Mrd. gegenüber US$ 5,5 Mrd. für 1997) und die hohe Auslandsverschuldung (1998: US$ 118,2 Mrd.) erweisen. Die größte finanzpolitische Problematik bleibt die effiziente Steuererhebung, denn die Steuereinnahmen sind weiterhin rückläufig. Die Justiz machte nach wie vor durch eine oft umstrittene, jedoch immer die Regierungspolitik absichernde, Rechtsprechung auf sich aufmerksam. Daneben zeigte sie sich weder dazu in der Lage, die an der Tagesordnung stehende Korruption wirksam einzudämmen, noch zur Aufklärung der politischen Skandale und Verbrechen beizutragen. Im Vordergrund standen noch immer die Ermittlungen in dem Mordfall CABEZAS (vgl. Jahrbuch 1997), in deren Verlauf sich der vermeintliche intellektuelle Drahtzieher YABRAN, ein enger Freund der Regierung MENEM, das Leben nahm. Fast ebenso große Aufmerksamkeit nahm der Skandal um die illegalen Waffenverkäufe der Armee nach Kroatien und Ekuador in Anspruch, dessen Untersuchung schon zum Rücktritt von hohen Ministern und Funktionären geführt hatte. Die Diskussion um die Vergangenheit und die Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur beschäftigte nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die argentinische Justiz. Neben der gerichtlichen Untersuchung der Existenz eines systematischen Plans der Entführung und Zwangsadoption von mindestens 200 Minderjährigen während des sogenannten proceso, die zur Verhaftung einiger Ex-Militärs führte, gelangen auch Beweise über die illegale Bereicherung von Militärs an ihren Repressionsopfern an die Öffentlichkeit und vor das Gericht. Große 112
Argentinien
Teile der argentinischen Bevölkerung hegen nun die Hoffnung, daß die Straffreiheit der Verbrecher endlich ein Ende haben wird, und damit der Gerechtigkeit zum Sieg verhotfen wird. Januar 2.1.
In einer Neujahrsansprache an die Kelper bekräftigt der englische Premierminister Tony BLAIR Sicherheitsgarantien und das Recht auf Selbstbestimmung für die Bewohner der Falkland-Inseln.
7.1.
Präsident MENEM kündigt an, daß das Gebäude des berüchtigten Folterzentrums ESMA (Escuela de Mecánica de la Armada), in dem während der Militärdiktatur schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden, nach der Verlegung der dort stationierten Einheiten abgerissen werden soll, um an gleicher Stelle ein nationales Denkmal zur Versöhnung zu errichten. Dies stößt auf heftigen Protest von Seiten der Opposition und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen, die das Gebäude als Gedenkstätte und Mahnmal erhalten wollen.
8.1.
Die argentinische Regierung legt bei der kubanischen Regierung Protest gegen die Nichtakkreditierung und Verweigerung von Einreisevisa argentinischer Journalisten anläßlich des Papstbesuches ein.
12.1.
Ein Interview mit dem ehemaligen Marineoffizier Alfredo ASTIZ, einer Symbolfigur der Militärrepression, in dem er seine eigenen Taten und die der Armee im allgemeinen verherrlicht und verteidigt, erregt großes Aufsehen in der Öffentlichkeit. Mit der Begründung, daß er dem Prestige der Armee und anderer Institutionen erheblichen Schaden zugefügt hätte, wird ASTIZ am 26.1. per Dekret des Präsidenten unehrenhaft aus der Marine entlassen.
17.-20.1. Staatsbesuch des kanadischen Präsidenten CHRÉTIEN in Argentinien in Begleitung einer Untemehmerdelegation von 380 Personen. Februar
2.-5.2.
Unter der Voraussetzung einer Zusage der argentinischen Regierung, zumindest für 1998 ein Wachstum von über fünf Prozent und eine deutliche Verringerung des Haushaltsdefizits anzustreben, gewährt der Internationale Währungsfonds (IWF) Argentinien einen Kredit über US$ 2,8 Mrd. Staatsbesuche von Präsident MENEM im Libanon und in Ägypten dienen der Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem MERCOSUR und dem Mittleren Osten. In der Schweiz wird durch die Untersuchungen des spanischen Richters Baltazar GARZÓN ein geheimes Bankkonto des Gouverneurs von Tucumán, Antonio Domingo Bussi, entdeckt. Es wird angenommen, daß sich auf dem Konto die Vermögen von Repressionsopfern der Militärdiktatur befinden, die sich Bussi widerrechtlich angeeignet hat. Bussi hatte dieses Konto bei der Darlegung seiner Vermögensverhältnisse während seiner Zeit als nationaler Abgeordneter vor dem Kongreß verschwiegen. 113
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März Nach einer Umfrage des Centro de Estudios para la Nueva Mayoría im Großraum Buenos Aires erfährt die Wirtschaftspolitik mit 13,3% den niedrigsten Zustimmungswert seit 1989. Nach einer Umfrage in 11 Städten von Sobres-Ibope hat sich nach Ansicht von 61% der Befragten die wirtschaftliche Situation in den vergangenen drei Jahren verschlechtert und nur für 13% verbessert. Die Amtsführung von Präsident MENEM wird von 12,2% als gut, von 31,4% als mittelmäßig und von 54% als schlecht beurteilt. 25.3.
Der argentinische Senat hebt die Gesetze .Punto Finaf (vom 23.12.1986) und „Obediencia debida" (vom 4.6.1987), die die Strafverfolgung von Militärs für während der Militärdiktatur begangene Menschenrechtsverletzungen eingeschränkt hatten, einstimmig auf. Da die beiden Gesetze jedoch nicht für gegenstandslos erklärt werden, hat die Aufhebung keine strafrechtlichen Konsequenzen. Am 15.4. werden beide Gesetze vom Präsidenten unterschrieben und veröffentlicht.
25.3.
Die Zeitschrift .Noticias" wird durch ein Gericht zu einer Entschädigungszahlung von US$ 150.000 verurteilt, da sie eine wahrheitsgemäße Reportage über ein uneheliches Kind von MENEM und einer Abgeordneten veröffentlicht hatte. 29.-31.3. Staatsbesuch von Präsident MENEM in Australien zur Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen. April 1./2.4. 3.4.
6/7.4.
Staatsbesuch von Präsident MENEM in Neuseeland. Der Bürgermeister von Buenos Aires, Fernando DE LA RÚA, sichert sich die Präsidentschaftsnominierung seiner Partei UCR. Er wird im November mit der Frepaso-Kandidatin Graciela FERNÁNDEZ MEIJIDE um die Nominierung für den Kandidaten der Alianza konkurrieren. Anfang April warnt eine Delegation des IWF, daß sich Argentinien aufgrund einer Kombination von wachsendem Handelsbilanzdefizit (Februar: US$ 5,8 Mrd.) und zunehmender Außenverschuldung in einer gefährlichen „Vor-Krise" befände. Nach IWF-Meinung solle Argentinien sein heutiges Wirtschaftswachstum drosseln und eine „Überhitzung" vermeiden. Das Rezept: weniger Staatsausgaben, höhere Zinsen, noch mehr Flexibilität der Arbeitsbeziehungen. Staatsbesuch des italienischen Regierungschefs Romano PRODI in Argentinien in Begleitung von 200 Unternehmern. Am 6.4. Unterzeichnung eines Rahmenvertrages („Tratado General de Amistad y Cooperación Privilegiada") zum Ausbau der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen. Präsident MENEM ernennt den ehemaligen Gouverneur von Tucumán und Popsänger Ramón ORTEGA, in der argentinischen Öffentlichkeit besser bekannt als Palito, zum Sekretär für Sozialentwicklung. Damit versucht
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Argentinien
MENEM, ORTEGA als seine Alternative zu Eduardo DUHALDE für die Präsidentschaftskandidatur des PJ zu stärken. 29.04.
Der ehemalige Konzentrationslager-Aufseher Dinko SAVIC, der 1947 mit Unterstützung des Vatikans nach Argentinien flüchten konnte, wird auf ein Auslieferungsgesuch der kroatischen Regierung hin verhaftet.
Mai Nach der Arbeitslosenstatistik des INDEC liegt die Arbeitslosenquote im Mai bei 13,2% (Oktober 1997:13,7%).
15.5.
Mit dem Kauf von 8,33% der Aktien von Aerolíneas Argentinas wird American Airkines die Kontrolle der Luftfahrtgesellschaft übernehmen.
21.5.
Der zwielichtige Unternehmer Alfredo Nallib YABRAN, der Kopf einer mafiaähnlichen Bande sein soll, entzieht sich seiner kurz bevorstehenden Festnahme durch Selbstmord. Zwei Tage vorher war ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden, da eine Zeugin ihn im Mordfall des Pressephotographen CABEZAS als Auftraggeber schwer belastet hatte. YABRAN, dessen enge und sehr lukrative Beziehungen mit der Regierung und dem Präsidenten MENEM selbst die Brisanz des Falles erhöhen, soll der intellektuelle Drahtzieher des Verbrechens sein. Nachdem Mitte April ein iranischer Staatsangehöriger in Verbindung mit dem Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires verhaftet wurde, kündigt die argentinische Regierung die Reduzierung der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf ein Minimum auf.
26.-30.5. Präsident MENEM reist zu Staatsbesuchen nach Schweden (26.-28.5), Norwegen (28 /29.5.) und Finnland (29./30.5.).
Juni 4.6.
Trotz aller Zweifel an der Selbstmordversion und an der Identität der Leiche schließt die Richterin Graciela PROSS LAPORTE die Untersuchungen über den Fall YABRAN. Es bleiben viele Fragen über die Hintergründe des Vorfalls offen.
5.6.
Der Versuch, den General Bussi durch einen politischen Prozeß von seinem Posten als Gouverneur der Provinz Tucumän abzusetzen, scheitert. Nachdem er 52 Tage von seinem Amt suspendiert gewesen war, stimmen im entsprechenden Parlamentsausschuß 16 Abgeordnete für seine Absetzung, 12 äußern sich dagegen, wodurch die notwendige 2/3 Mehrheit verfehlt wird.
10.6.
Treffen von Präsident MENEM mit dem französischen Staatspräsidenten CHIRAC im Rahmen seines Besuchs zur Eröffnungszeremonie der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich.
9.6.
Ex-Juntachef und -Diktator Jorge VIDELA wird als Verantwortlicher für die Entführung von mindestens fünf Minderjährigen, deren Eltern während der 115
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Diktatur ermordet wurden, verhaftet. Der Tatbestand der Entführung und Zwangsadoption Minderjähriger ist von der Amnestieregelung ausgenommen. 23.-30.6. Eine Reise durch Osteuropa führt Präsident MENEM nach Rußland (24.628.6.), in die Ukraine (28.6.-30.6.) und nach Armenien (30.6 ). In Begleitung von einer Wirtschaftsdelegation werden während des Verlaufs der Reise mehrere Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. Juli Der syrische Waffenhändler Monzer AL KASSAR, dem enge Verbindungen zum kürzlich verstorbenen Alfredo YABRAN zugeschrieben werden, wird der Finanzierung und Unterstützung des Anschlags auf die israelische Botschaft in Buenos Aires 1992 angeklagt. 15.7.
Vize-Wirtschaftsminister Carlos RODRÍGUEZ verkündet überraschenderweise seinen Rücktritt. Sein Nachfolger wird Pablo GUIDOTTI.
17.7.
Der Parteikongreß des PJ findet aus Protest gegen die Wiederwahlpläne von Präsident MENEM ohne den DuHALDE-Flügel statt. Dagegen sichern die anwesenden Abgeordneten MENEM jegliche Unterstützung sowie rechtliche Schritte hinsichtlich seiner Wiedenwahl zu.
21.7.
In einer öffentlichen Erklärung gibt MENEM seinen Verzicht auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur 1999 - die nach der Verfassung ausgeschlossen ist - bekannt. Der Gouverneur von Buenos Aires DUHALDE demonstriert Zufriedenheit angesichts der überraschenden Entscheidung des Präsidenten, durch die das von ihm für September vorgesehene Plebiszit über die Wiederwahl von MENEM nicht mehr notwendig ist. In der Öffentlichkeit, die sich in Meinungsumfragen mehrheitlich gegen eine erneute Kandidatur ausgesprochen hatte, wird der Entschluß mit Skepsis beurteilt; da von einem taktischen Manöver von MENEM ausgegangen wird.
22 /23.7. Staatsbesuch des südafrikanischen Präsidenten MANDELA in Argentinien, der anschließend als Ehrengast am XIV. Gipfeltreffen des MERCOSUR teilnimmt. Die Präsidenten des MERCOSUR unterzeichnen eine Reihe von Dokumenten hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen und politischen Integration der Region.
August 13.8.
Nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshof mit einer Stimmenmehrheit von fünf zu vier (der üblichen Mehrheit zugunsten der Regierung) sollen keine weiteren Fälle von Verschwundenen unter der Militärdiktatur mehr untersucht werden. Mit dem mutmaßlichen Suizid des früheren Marinekapitäns Horacio ESTRADA sind bereits vier Personen unter verdächtigen Umständen ums Leben gekommen, die mit dem illegalen Waffenverkauf an Ekuador in
116
Argentinien
Verbindung standen. Kurz vor seinem Tod hatte ESTRADA noch vor der Justiz über seine Rolle bei dem Deal ausgesagt. Aufgrund der Asienkrise haben die argentinischen Börsenkurse (MerValIndex) in den vergangenen zwölf Monaten bis Mitte August 53% an Wert verloren.
September Die von Präsident MENEM erneut vorgeschlagene baldige Einführung einer gemeinsamen Währung (US$) in den MERCOSUR-Ländern wird von den anderen Mitgliedern mit Skepsis beurteilt. 2.9.
Der peronistischen Partei (PJ) gelingt es, eine unternehmerfreundliche Reform der Arbeitsgesetzgebung im Kongreß durchzubringen. Das Gesetzesprojekt beschneidet durch die Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen die Ansprüche der Arbeiter bei Entlassungen und Zeitverträgen erheblich. Die in Opposition zum Gewerkschaftsdachverband CGT stehenden Arbeiterorganisationen rufen als Protest zu einem landesweiten eintägigen Streik auf.
22.9.
Der Korruptionsbericht von "Transparencia Internacional" (TI), der die Wahrnehmung und Meinung von Unternehmern und ausländischen Investoren hinsichtlich des Korruptionsgrades der verschiedenen Länder zu messen versucht, stellt Argentinien an die 61. Position von 85 untersuchten Ländern. Damit gehört Argentinien zu den korruptesten Ländern der Welt. Präsident MENEM kritisiert die Untersuchung jedoch als unvollständig und subjektiv.
Oktober Der frühere Wirtschaftsminister Domingo CAVALLO verkündet offiziell seine Präsidentschaftskandidatur für seine eigene Partei Acción para la República. 4.10.
Der Unternehmer Marcelo CATTANEO, dem nachgesagt wurde, eine Schlüsselrolle in dem IBM-Nationalbank-Skandal gespielt zu haben, wird vier Tage nach seinem Verschwinden in Buenos Aires tot aufgefunden. Nachdem zuerst wie in dem Fall ESTRADA von einem Selbstmord ausgegangen wird, erhöhen sich bald die Indizien, daß es sich um Mord handelt.
5.10.
Eduardo César ANGELOZ, Ex-Gouverneur der Provinz Córdoba, wird in dem ersten Prozeß des Landes wegen illegaler Bereicherung eines hohen Politikers einstimmig freigesprochen. Das bedeutet, daß er sein Mandat im Senat wieder wahrnehmen kann, das Anfang 1996 suspendiert worden war.
6.10.
MENEM reist überraschend in die USA, um vor der Jahresversammlung von IWF und Weltbank zu sprechen. Er will deutlich machen, daß Argentinien der internationalen Finanzkrise zum Trotz seine Versprechen einhält und den Kurs der Wirtschaftspolitik beibehält. Daneben trifft er sich mit 117
Lateinamerika Jahrbuch 1999
den anderen Finanzministern der Region sowie mit US-Präsident CLINTON in Washington. 9.10.
Erneuter Kurswechsel von MENEM hinsichtlich seiner Wiederwahl 1999: Im Falle einer Reform der Verfassung stünde er bereit. Dieser Schritt wird als politischer Versuch interpretiert, die Opposition zu irritieren und die Aufmerksamkeit von dem Waffenskandal und dem Fall CATTANEO abzulenken. Bundesstaatsanwalt Carlos VILLAFUERTE RUZO schließt die Untersuchung des Todesfalles von Carlos MENEM Junior ab, der 1995 bei einem Hubschrauberzusammenstoß ums Leben kam. Dagegen fordern Präsident MENEM und seine Ex-Frau ZULEMA die Wiedereröffnung der Untersuchung, da sie nicht an einen Unfall glauben.
27.-31.10. Die offizielle Reise von Präsident MENEM nach Großbritannien ist der erste Staatsbesuch eines argentinischen Präsidenten seit 38 Jahren. Im Zentrum des Besuches stehen Treffen mit potentiellen Wirtschaftspartnern Argentiniens sowie die kontrovers diskutierte Frage der Malvinas-Inseln, auf die MENEM gegenüber dem englischen Premierminister Tony BLAIR Anspruch erhebt. Auf Anordnung des Präsidenten MENEM soll der Generalbevollmächtigte Nicolás BECERRA die Vorgehensweise des Staatsanwalts Carlos STORNELLI im Fall der illegalen Waffengeschäfte untersuchen. Die Juristenvereinigung weist die Anweisung von MENEM als eine unakzeptable Einmischung in die Arbeit der Judikative zurück, und BECERRA lehnt die Weisung ab.
November 10.11.
Bundesstaatsanwalt Adolfo BAGNASCO lädt Ex-Admiral und Mitglied der ersten Militärjunta Emilio MASSERA wegen des Verdachts der Entführung von 15 in dem berüchtigten Verhaftungs- und Folterzentrum ESMA geborenen Kindern vor. Präsident Carlos MENEM bekräftigt die Position seiner Regierung über die Menschenrechtsprozesse im Ausland und beharrt auf dem Prinzip der gerichtlichen Territorialität, das es verbieten würde, Verfahren wie das vom spanischen Richter Baltasar GARZÓN gegen PINOCHET angestrengte, in Drittländern durchzuführen.
12.11.
In dem ersten offenen Brief von Präsident MENEM an die Einwohner der Falkland-Inseln ruft er zu Versöhnung auf, um die alten Wunden zu heilen. Dies steht in einem Zusammenhang zu seiner in England verkündeten Politik des Aufbaus engerer Beziehungen zu den Inseln. Südafrika verweigert weiterhin die von Argentinien geforderte Ausweisung des früheren Leutnants Diego PALLEROS, der als Zwischenmann in die illegalen Waffenverkäufe an Kroatien und Ekuador verwickelt sein soll.
29.11.
118
In der ersten „offenen Kandidatenkür" des Landes wird der UCR-Bewerber Fernando DE LA RÚA mit 65% der Stimmen zum Präsidentschaftskandidaten der Alianza gewählt. Die unterlegene Frepaso-Aspirantin Gra-
Argentinien
ciela FERNANDEZ MEIJIDE wird nun für den prestigereichen Gouvemeursposten der Provinz Buenos Aires kandidieren und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, für das Amt des Vize-Präsidenten. Die Entscheidung zugunsten der moderateren Haltung des politisch erfahreneren DE LA RÚA war in dieser Deutlichkeit nicht erwartet worden und demonstriert die Kontinuität der traditionellen Parteien in Argentinien.
Dezember Chacho ÁivAREZ (Frepaso) wird offiziell zum Vize-Präsidentschaftskandidaten der Alianza für die allgemeinen Wahlen 1999 ernannt. Alfredo BAGNASCO, Richter im Fall gegen die Verantwortlichen der Kindesentführung während der Militärdiktatur, erläßt gerichtliche Vorladungen gegen drei frühere Mitglieder des Militärregimes: Ex-Präsident General Reynaldo BIGNONE, Ex-Armeechef General Christino NICOLAIDES sowie Ex-Marinechef Admiral Rubén FRANCO. Bereits in Haft befinden sich die früheren Junfamitglieder Jorge Rafael VIDELA und Emilio MASSERA. 8.12.
Der Senat sanktioniert das lange umstrittene Steuerreformgesetz, das die Mehrwertsteuer IVA auf Kabelfernsehen, medicina propaga und Werbung ausdehnt (10,5%).
10.12.
Bei dem XV. Gipfel der Mitglieder des MERCOSUR können Fortschritte in den zwei konfliktreichen Sektoren der Automobil- und Zuckerindustrie erzielt werden.
16.12.
Die Unterzeichnung des Abkommens über die Hielos continentales anläßlich des Staatsbesuchs des chilenischen Präsidenten Eduardo FREI bedeutet die Beilegung des letzten territorialen Konflikts zwischen den beiden Nachbarstaaten. Die Einigung wird als Beginn einer neuen Ära der bilateralen Beziehungen mit einer wachsenden diplomatischen Wiederannäherung zwischen Santiago und Buenos Aires angesehen, die sich schon in dem PINOCHET-Fall und der Malvinas-Frage angedeutet hatte.
20.12
Der Kandidat des PJ gewinnt die Wahlen in der Provinz Córdoba mit 48% der Stimmen. Die Niederlage des bisherigen Amtsinhabers Ramón MESTRE wird auf seine Aufkündigung der Allianz mit dem Frepaso und den Verschleiß der seit Mitte der 80er Jahre regierenden Radikalen Partei (UCR) zurückgeführt. Nina Elsemann
119
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Währung:
Buenos Aires 2.766.889 Argentinischer Peso
ARGENTINIEN Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 1S-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachsturasrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
28,094 30,5 61,4 82,9 24.1 3,3 13 33,8 53.2
32,527 30,6 60,5 86,5 21 2.9
35,22 28,6 ¿2 88,4 19 2,7 1.5 24,6 73,9
35,677 28,4
12,2
27 60,8
62,1 88,6 19,9 2,6
54,52 1,5 1,3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tagl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
55 125 34,8 38 69.6 370 93,9
125,2 25,2 28 71.6 373 95,7
131,8 22 25 73
76962 2890 9897 13182 -4774 2465 788 9297
141234 3220 14800 6846 4552 -2145 1836 6222
298734 8410 27037 27910 -3787 7570 4885 19719
325012 8950 28494 34758 -10119 13176 6298 22425
66,8 9.4 25,3 23,8 6,4 41,2 29,5 52,4
77,1 3.2 14 19,7 8.1 36 26,8 55,9
78,6 3,3 18.5 18,1 6,9 32,1 22.3 60,9
78,5 3,1 20,1 18.4 6,6 32,9 22,5 60,5
27157 10181 4182 2329 37,3 3,5 100,8
62223 46905 6161 2717 37 -1.8 2314
105170 67609 14012 5904 44,1 4,8 0,2
123221 73955 19969 876 58,7 8.6 0,5
22 24 73,1 96.5
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
120
-0.9 5,2 12,2
Argentinien
ARGENTINIEN BSP pro Kopf und reale Wachstumsrate des BIP
Jahre BSP
Wachstumsraten
ARGENTINIEN Bruttoinvestitionen und Ersparnis (in % des BIP)
Jahre ,
Investitionen
t
Ersparnis
Lateinamerika Jahrbuch 1999
ARGENTINIEN Außenhandel und Kapitalbilanz
89
90
ß ä Warenexport
9S
92 93 Jabre ] Warenimport
96
97
Saldo der Kapitalbilanz
ARGENTINIEN Auslandsverschuldung
88
89
90
91
92 93 Jahre
Gesamtverschuldung
122
D
94
9 5 9 6 9 7
Schuldendienst
Chile
Chile Amtlicher Name: República de Chile Präsident: Eduardo FREI RUIZ-TAGLE Im Amt seit: 11. März 1994 Nächste Präsidentschaftswahlen: Dezember 1999 Regierungskoalition: Concertación de Partidos por la Democracia, zusammengesetzt aus: Partido Demócrata Cristiano (PDC), Partido Socialista (PS), Partido por la Democracia (PPD) und kleineren Parteien wie Partido Radical (PR). Kabinett (Stand: Juli 1999): Außeres: Juan Gabriel VALDÉS; Inneres: Raúl TRONCOSO; Finanzen: Eduardo ANINAT URETA; Wirtschaft: Jorge LBVA; Öffentliche (Bauarbeiten: Jaime TOHA; Landwirtschaft: Angel SARTORI; Bergbau: Sergio JIMÉNEZ; Wohnungs- und Städtebau: Sergio HENRIQUEZ; Gesundheit: Alex FIGUEROA; Verteidigung: Edmundo PÉREZ YOMA; Justiz: Soledad ALVEAR; Arbeit; Germán MOLINA; Präsidialamt. José Miguel INSULZA; Secretario General de Gobierno Carlos MLADINIC ALONSO. Oppositionsparteien im Parlament: Bündnis Pacto Unión por Chile bestehend aus: Renovación Nacional (RN), Unión Democrática Independiente (UOI), Unión de CentroCentro Progresista (UCCP) und Partido del Sur (PDS). Sitzverteilung im Parlament seit den Wahlen vom 11. Dezember 1997: Abgeordnetenhaus (120 Sitze): PDC: 39; PPD: 16; PS: 11; PR: 4; RN: 25; UDI: 21; UCCP: 1; PDS: 1; Sonstige: 2. Senat (47 Sitze): PDC: 14; PS: 4; PPD: 2; RN: 7; UDI: 9; UCCP: 1 - Neun weitere Senatoren wurden ernannt; darüber hinaus General PINOCHET auf Lebenszeit.
Chronologie 1998 Der Wachstumstrend der chilenischen Volkswirtschaft hält auch 1998 an. Das Bruttoinlandsprodukt nahm um 4% zu. Allerdings wird im Vergleich zu den Vorjahren (durchschnittliches Wachstum 1991-1998 = 6,9%) eine Negativentwicklung sichtbar. Nachdem die ausländischen Direktinvestitionen 1995, mit einem Gesamtvolumen von US$ 3,5 Mrd., ihren Höchststand erreicht hatten, betrugen sie 1998 nur noch US$ 2,5 Mrd. Die Inflationsrate beträgt 4,2% und ist somit die niedrigste seit 38 Jahren. Das Handelsbilanzdefizit stieg auf US$ 5,2 Mrd. (7% des BIP). Chile war 1998 mit US$ 30,7 Mrd. im Ausland verschuldet. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika CEPAL bezifferte die Arbeitslosenquote mit 6,1%, wobei der informelle Sektor nicht berücksichtigt sein dürfte. Die Reallöhne waren im Berechnungszeitraum um 2,5% gestiegen. Obwohl von über fünf Millionen Erwerbstätigen 1998 nur 12,4% gewerkschaftlich organisiert waren, haben die sozialen und wirtschaftlichen Konflikte in Chile zugenommen. Im Norden kam es zu Streiks im Handels- und Transportsektor. Die dort Beschäftigten sahen ihre Region gegenüber der Hauptstadt-Region benachteiligt und wandten sich gegen die zentralistische Politik der Regierung. Heftige Auseinandersetzungen gab es erneut im Bildungssektor: Einen Monat blieben Schulen und Universitäten geschlossen, weil die Lehrenden für angemessene Gehälter auf die Straße gingen. Auch die indigene Bevölkerung verschaffte sich Gehör. Die Mapuche 123
Lateinamerika Jahrbuch 1999
versuchten ihren Lebensraum mit Demonstrationen und Landbesetzungen gegen die Interessen der Energiewirtschaft zu verteidigen. Problematisch bleibt die Einkommensverteilung in Chile. Trotz wirtschaftlicher Prosperität leben ca. 28% der Chilenen in Armut (letzte Erhebung 1996). Auf das reichste Fünftel der Bevölkerung entfallen immer noch über die Hälfte der Einkommen. Zum Ende des Jahres beherrschte die PINOCHET-Affäre die Tagespolitik. Es kam zu Spannungen innerhalb der Regierungskoalition. Die Protagonisten des Übergangsprozesses im Regierungslager gestanden ein, daß es Absprachen gab, PINOCHET und seine Familie vor Strafverfolgung zu schützen. Und auch die chilenische Gesellschaft bot ein gespaltenes Bild. Die Verhaftung des Ex-Diktators und deren Folgen machten deutlich, wie es um die chilenische Demokratie steht. Regierungsmitglieder, die die Transition für beendet erklärt hatten, mußten sich eines Besseren belehren lassen. Neben autoritären Tendenzen der chilenischen Rechten, trug das Militär maßgeblich zu den Zweifeln an der jungen Demokratie bei. Die Oberkommandierenden der Streitkräfte übten über den Nationalen Sicherheitsrat massiven Druck auf die Regierung aus. Beim Nationalen Sicherheitsrat handelt es sich um eine Erblast aus Zeiten des Militärregimes. Im Senat findet sich jedoch keine Mehrheit für die zur Abschaffung des Organs notwendige Verfassungsreform. Der Fall PINOCHET spielte auch in der Außenpolitik eine wichtige Rolle. Trotz der diplomatischen Differenzen mit Spanien und Großbritannien bemühte sich die Regierung FREI, den Verhandlungen über eine stärkere Öffnung der europäischen Märkte für chilenische Exporte nicht zu schaden und insbesondere das Rahmenabkommen mit der EU nicht zu gefährden. Die letzte noch ausstehende Territorialstreitigkeit mit Argentinien über die hielos continentales wurde beigelegt. Als assoziiertes Mitglied nahm Chile regelmäßig an den Treffen der M E R C O S U R Staaten teil. Daneben wurde weiterhin eine Politik der bilateralen Handelsabkommen betrieben. Die neu geschlossenen bzw. erweiterten Verträge mit Kanada und Mexiko lassen eine Orientierung in Richtung NAFTA erkennen.
Januar 5.1.
8.1. 14.1.
Abweichend von der Tradition, das älteste Mitglied zu wählen, wird Roberto DAVILA zum Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gewählt. Er gilt als Befürworter der anstehenden Reformen im Justizbereich. Die chilenische Zentralbank reagiert auf die Asienkrise, indem sie den Leitzinssatz von 6,5% auf 7% erhöht. Nachdem mehrere christdemokratische Abgeordnete die Einleitung eines politischen Verfahrens gegen General PINOCHET gefordert hatten, kommt es im Parlament zu Tumulten. Die rechtsgerichtete Opposition verläßt aus Protest den Sitzungssaal. PINOCHET verzögert sein für Januar geplantes Ausscheiden aus dem Amt des Oberbefehlshabers bis Mitte März.
124
Chile
16.1.
Präsident FREI zieht den schon länger geplanten Wechsel im Verteidigungsministerium vor und ernennt Raul TRONCOSO zum neuen Verteidigungsminister.
20.1.
Staatsbesuch des kanadischen Premierministers CHRÉTIEN in Chile. Er wird von einer großen Unternehmerdelegation begleitet. Im Verlauf des Besuches werden mehrere Handelsabkommen unterzeichnet, u.a. ein Abkommen zur Doppelbesteuerung.
Februar 2.2.
Die Zentralbank korrigiert erneut den Leitzins. Wie im Vormonat wird dieser um 1,5%, auf nunmehr 8,5%, erhöht. Außerdem gibt dasselbe Organ im Februar bekannt: Nach Neuberechnungen sei das BIP im Jahresdurchschnitt 1989-1996 nicht um 7,2%, sondern um 8,2% gewachsen.
20.2.
Nach mehr als einer Woche verlassen Mapuche-Indianer das von ihnen besetzte Land bei Purén (9. Region). Die Araukaner sehen sich als rechtmäßige Eigentümer des Gebietes. Sie fordern die Regierung auf, das Land von den derzeitigen Besitzern zu kaufen und den indígenas zurückzugeben.
März 10.3.
Nach 25 Jahren gibt PINOCHET das Oberkommando des Heeres an General IZURIETA ab. Zuvor hatte die Heeresführung ihm den Titel „Comandante en jefe benemärito"
11.3.
verliehen.
PINOCHET legt seinen Eid als Senator auf Lebenszeit ab. Als Abgeordnete der Sozialistischen Partei und der Partei für die Demokratie Bilder von ermordeten und verschwundenen Regimegegnern hochhalten, kommt es zu Ausschreitungen im Senat. Der erweiterte Vorstand der Christdemokratischen Partei hatte vorher mit 21 zu 20 Stimmen - gegen die Empfehlung d e s Parteivorsitzenden KRAUSS und d e s Präsidenten FREI - für ein politi-
16.3.
20.3.
27.3.
sches Verfahren gegen PINOCHET votiert. Elf Abgeordnete der Concertaciön stellen im Kongreß einen Antrag auf ein politisches Verfahren gegen PINOCHET wegen dessen Verfehlungen als Oberkommandierender des Heeres seit 1990. Staatsbesuch des spanischen Ministerpräsidenten AZNAR in Begleitung von potentiellen spanischen Investoren. Der Regierungschef betont die Wichtigkeit der lateinamerikanisch-europäischen Beziehungen, bei denen er Chile in einer Vorreiterrolle sehe. Nach einer Studie der Vereinten Nationen herrscht in der chilenischen Bevölkerung trotz Modernisierung und Wachstum Zukunftsangst angesichts sozialer Probleme im Gesundheits- und Erziehungswesen sowie vor der steigenden Arbeitslosigkeit.
125
Lateinamerika Jahrbuch 1999
April 8.4.
Nachdem Grundbesitzer drohen, die Mapuche auf eigene Faust von ihren Ländereien im Süden Chiles zu vertreiben, kommt es zum Kompromiß: Von Regierungsseite wird den Besetzern ein anderes Gebiet in der Region mit ähnlichen Eigenschaften zugewiesen. In den folgenden Monaten kommt es zu weiteren Landbesetzungen in der neunten Region.
9.4.
Mit 62 zu 55 Stimmen wird die politische Klage gegen PINOCHET vom Abgeordnetenhaus abgelehnt. Unter den Antragsgegnern finden sich auch zwölf Mitglieder der Regierungskoalition. 18./19.4. Der zweite 'Gipfel der Amerikas' findet in Santiago de C hile statt. Bei dem Regierungstreffen bekräftigt US-Präsident Bill CLINTON sein Interesse am NAFTA-Beitritt Chiles. Die Staatschefs von Mexiko und (Chile vereinbaren, das bestehende Handelsabkommen (Acuerdo de Complementaciön Econömica) zu erweitern und zu vervollkommnen. Am IRande der Konferenz wird kritisiert, daß soziale und umweltpolitische Probleme Amerikas in den Gesprächen ausgeblendet blieben.
Mai 6.5.
Eine 40tägige Belagerung der „Villa Baviera" (ehemals Colonia Dignidad) durch die Polizei endet erfolglos. Der deutsche Sektenführer Paul SCHÄFER wird nicht gefunden.
8.5.
Gegen die beiden bereits verhafteten Geheimdienstgeneräle a.D. CONTRERAS und ESPINOZA wird auch vor einem argentinischen Gericht ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Argentinier legen dien Ex-Militärs zur Last, 1974 an der Ermordung des ehemaligen Oberkommandierenden des chilenischen Heeres Carlos PRATS in Buenos Aires beteiligt gewesen zu sein.
9.5.
Der Vorstand der Christdemokratischen Partei wählt dem Senator Andrés ZALDIVAR einstimmig zum Präsidentschaftskandidaten (der Partei für die Wahl im Dezember 1999. Erstmals nach der Reform des Ernennungsverfahrens für den Obersten Gerichtshof wird ein vom Präsidenten vorgeschlagener Richterkandidat vom Senat abgelehnt. Die Opposition sowie die ernannten Senatoren verhindern die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Ernennung des Richters Milton JUICIA. 1994 hatte JUICIA 15 Geheimpoliizisten die Beteiligung an der brutalen Hinrichtung von kommunistischen Parteifunktionären nachgewiesen. Drei von ihnen konnten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt werden. JUICIA hatte maßgeblich an der Strafrechtsreform mitgewirkt und war von seinen Richterkollegen 1997 zum „Richteir des Jahres" gewählt worden.
13.5.
18.5.
126
Germán QUINTANA wird neuer Planungsminister. Er hat die Aufgabe, das Ministerium bis zum Jahr 2000 aufzulösen.
Chile
Juni 4.6.
Aus Protest gegen die wirtschaftliche Lage in der nördlichen Grenzregion kommt es in Arica zu einem 24stündigen Generalstreik, vor allem im Handels- und Transportsektor. Auch Schulen und Universitäten werden bestreikt.
6.6.
Die Regierung verabschiedet einen Plan zur Verringerung der Umweltbelastungen im Großraum Santiago (Plan de Prevención y Descontaminación Atmosférica). Das Programm ist auf einen Zeitraum von 14 Jahren angelegt und soll eine entscheidende Schadstoffreduzierung bewirken. Die Kosten werden sich voraussichtlich auf ca. US$ 900 Mio. belaufen. Gladys MARIN wird zur Präsidentschaftskandidatin der Kommunistischen Partei gewählt. Die Sozialistische Partei und die Partei für die Demokratie hatten sich bereits gemeinsam auf den sozialistischen Kandidaten Ricardo LAGOS geeinigt. Präsidentschaftskandidat der konservativen Unión Demócrata Independiente ist Joaquín LAVIN, Bezirksbürgermeister des Stadtteils Las Condes (Santiago). Erklärungen des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, Roberto DAVILA, das Oberste Gericht habe während der Militärdiktatur nicht unabhängig agieren können, sorgen für eine politische Kontroverse.
6.6
18.6.
Juli 2.7.
Im Zuge der chilenischen Strafrechtsreform wird ein Gesetz verabschiedet, das die Rechte des Verhafteten definiert: u.a. das Recht zu schweigen und das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen. Grundsätzlich lehnt sich die Strafrechtsreform stark an die deutsche und italienische Verfahrensordnung an. Das Verfahren wird demnach vom Ministerio Público, der die Funktion eines Staatsanwaltes hat, geleitet. Hinsichtlich der verfahrensabschließenden Entscheidungen unterliegt der Ministerio Público jedoch einer strengen richterlichen Kontrolle.
14.7.
Die International Trade Comission der USA bestätigt die Entscheidung des Handelsministeriums, nach der die chilenischen Lachsimporte nun endgültig mit Strafzöllen belastet werden. Grund seien Dumpingpreise und somit eine Benachteiligung der heimischen Anbieter.
18.7.
Das Centro de Estudios Públicos veröffentlicht Umfrageergebnisse, nach denen 41% der Befragten die augenblickliche Situation des Landes als schlecht beurteilen. 9% bezeichnen die Lage als gut. Die Arbeit der Regierung FREI empfinden 3 7 % der Befragten als positiv, 3 6 % urteilen negativ über die Amtsführung.
August 1.8.
Präsident FREI nimmt eine umfassende Kabinettsumbildung vor: Neuer Minister im Präsidialamt wird John BIEHL, neuer Innenminister wird Raul TRONCOSO, José Florencio GUZMAN übernimmt das Ressort Verteidigung, 127
Lateinamerika Jahrtuch 1999
Minister für öffentliche Arbeiten wird Jaime TOHA, Wirtschafts- und Energieminister wird Jorge LEIVA, Germán MOLINA wird neuer Arbeitsminister. 15.8.
Nach Angaben des Innenministeriums halten sich etwa 55.000 illegale Einwanderer in Chile auf. Den größten Anteil unter ihnen bilden mit ca. 4 0 . 0 0 0 die Peruaner.
19.8.
Im chilenischen Senat wird einstimmig beschlossen, daß der 11. September (Jahrestag des Militärputsches gegen Allende) ab 1999 kein Feiertag mehr sein soll: Der Entscheidung war eine Übereinkunft zwischen PINOCHET u n d Senatspräsident ZALDIVAR v o r a u s g e g a n g e n . A b 1999 soll
jeweils der erste Montag im September als Dia de la Unidad Nacional gefeiert werden. 25.8.
Die Produktion der 1987 gegründeten Tageszeitung „La Época" wird aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt.
29.8.
Wegen des Baus eines Staudamms am Bfo-Bio sollen PehuencheIndianer umgesiedelt werden. Aufgrund dieser Ankündigung kommt es zu Konflikten zwischen dem Energieunternehmen ENDESA, der Regierung und den indígenas. Nach Sitzblockaden und Landbesetzungen durch die Pehuenche muß der Bau des Damms eingestellt werden.
September 6.9.
11.9.
17.9.
18.9.
Senator Ricardo NüftEZ wird zum neuen Präsidenten der Sozialistischen Partei gewählt. Sein Vorgänger Camilo ESCALONA wird neuer Generalsekretär der Partei. Am 25. Jahrestag des Staatsstreiches gegen die Unidad Populär kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Neben Sachschäden in Millionenhöhe haben die Auseinandersetzungen zwei Tote, 77 Verletzte und 327 Verhaftungen zur Folge. Um den negativen Effekten der Asienkrise entgegenzuwirken, nimmt die Zentralbank erneut eine radikale Erhöhung des Leitzinses vor. Mit der Aufstockung auf 14% soll eine Beruhigung der Märkte erreicht werden. Gleichzeitig wird die Anpassung in einer Erweiterung der Dollarbandbreite von 5,5% auf 7% deutlich. Der Senat beschließt die Privatisierung der wichtigen chilenischen Häfen Valparaiso, San Antonio und San Vincente Talcahuano.
Oktober 14.10. 15.10.
128
Die Zentralbank nimmt die Leitzinserhöhung des Vormonats teilweise zurück und legt den neuen Zinssatz bei 12% fest. Aufgrund eines Ermittlungsverfahrens der spanischen Justiz, das auf Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur basiert, wird Augusto PINOCHET in London von Scotland Yard verhaftet.
Chile
17.10.
Nachdem Lehrer in allen Landesteilen seit Anfang des Monats mit Streiks auf ihre Unterbezahlung aufmerksam gemacht hatten, kommt es in Santiago zu Massenkundgebungen, an denen sich zwischen 15.000 und 20.000 Demonstranten beteiligen.
20.10.
Präsident FREI trifft im spanisch-französischen Grenzort Bayona mit dem spanischen Regierungschef AZNAR zusammen, um sich für die Belange des unter Arrest stehenden Senators Augusto PINOCHET einzusetzen. In Chile finden derweil Kundgebungen sowohl für die Freilassung des ExDiktators als auch Manifestationen von PINOCHET-Gegnern für die Auslieferung an die spanische Justiz statt.
28.10.
Der Lehrerstreik wird nach 27 Tagen beendet. Für die nächsten drei Jahre ist eine Gehaltserhöhung von jeweils 10% vorgesehen. Der spanische Staatsgerichtshof bestätigt die Zuständigkeit der spanischen Justiz im Fall PINOCHET. Dies ermöglicht dem Ermittlungsrichter GARZÓN, weiterhin die Auslieferung zu betreiben.
31.10.
November 4.11.
Der chilenische Senat beschließt mit 24 zu 23 Stimmen, wegen der Festnahme von Augusto PINOCHET eine offizielle Protestnote an die spanische und an die englische Regierung zu verfassen. Auf Wunsch der Militärs tritt der Nationale Sicherheitsrat zusammen, um den Fall PINOCHET ZU erörtern. Diese Institution gibt den Oberkommandierenden der Streitkräfte die Möglichkeit, direkten Einfluß auf die Regierungsspitze zu nehmen. Die englischen Lordrichter heben eine eventuelle diplomatische Immunität
11.11.
25.11.
v o n PINOCHET auf. Allerdings m u ß d e r Innenminister J a c k STRAW d e r A u s -
25.11. 26.11.
30.11.
lieferung an die spanischen Behörden noch zustimmen. Die Zentralbank korrigiert erneut den Leitzins. Mit 8,5% ist wieder der Stand des Monats Februar erreicht. Nachdem die Streitkräfte schon seit Tagen unter erhöhter Alarmbereitschaft gestanden hatten, ruft der Oberkommandierende IZURIETA 2.000 Offiziere und Unteroffiziere aus dem ganzen Land in Santiago zusammen. Außenminister INSULZA (Sozialistische Partei) reist nach Europa, um bei der spanischen und englischen Regierung einen Richtungswechsel im Fall PINOCHET ZU erwirken.
Dezember 5.12.
Bei den Wahlen des zentralen Gewerkschaftsverbandes (CUT) gewinnt die Liste der Kommunistischen Partei (PC) mit 35,2% die relative Mehrheit.
129
Lateinamerika Jahrbuch 1999
12.12.
Im Nationalen Sicherheitsrat üben die Vertreter der Streitkräfte massiven Druck auf die Regierung aus. Wenn PINOCHET nicht nach Chile zurückkehre, sei die Transition in Gefahr, so die Generäle.
16.12.
Chile und Argentinien legen ihren letzten Grenzkonflikt bei. Präsident FREI und sein argentinischer Amtskollege MENEM unterzeichnen in Buenos Aires ein Übereinkommen, das die Grenze in der Region der Hielos Continentales festlegt.
18.12.
Nachdem der britische Innenminister dem spanischen Auslieferungsgesuch stattgegeben hat, wird der Lordrichter HOFFMAN, wegen Kontakten zu Amnesty International für befangen erklärt. 1999 muß die höchstrichterliche Instanz Großbritanniens von Neuem über die Immunität PINOCHETS entscheiden.
30.12.
Wegen der Festnahme PINOCHETS sendet die Regierung FREI einen Beschwerdebrief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Chile besteht auf dem Territorialprinzip und sieht seine nationale Souveränität gefährdet.
Daniel
130
Fiemes
Chile
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
Santiago 756.945 Chilenischer Peso
CHILE Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschart (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
11,147 36,8 57.8
14,419 ^
22.2
2.8 20.9 25,1 54
13,099 30.5 63.6 83,3 23,5 2,6 19,3 25.2 55,5
14,622 29 64.2 84,2 19,6 2,4
70 114 31.6 35 69,3 1230 91,4
87 107,1 16 20 73,7 901 93,9
114 11,1 13 73
27572 2150 5968 7052 -1971 3241 213 4128
30307 2190 10221 9166 -485 2658 654 6784
68570 4360 18771 20219 -3744 5384 3561 15520
77082 4820 20608 22218 -4057 7406 3467 17845
70,7 • 2,4 21 16.9 7,2 37,3 21.4 55,5
61.9 9,7 25.1 28,4 8.2 39,2 18.5 52,5
65,3 10,2 26.6 24,5 8 31,5 15,7 60,5
65.5 10 26.9 24,5 7,5 31.2 15.3 61.3
12081 4705 2706 1193 43,1 8,1 35,1
19227 10426 2772 1792 25,9 3,7 26
27403 4883 6142 1594 31.5 7,4 7,4
31440 4364 4418
81.2
84 19.3 2,3 15.4 26.6 58
22,21 1,6 1,6
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
II 13 75,2 95.2
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: aus). Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnitt!, jahrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
20,4 7.1 6.1
3,4 7,7 10,2
131
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Paraguay Amtlicher Name: República del Paraguay Präsident: Luis GONZALEZ MACCHI* Im Amt seit: 29 März 1999 •-» Nächste Prästdentschattswaftlen: 2003 Regierungspartei: Asociación Nacional Republicana (ANR) (Cotorado-Partei) Kabinett (Stend April 1999); Außeres. Miguel ABDÖN SAGUIER; Inneres: Watter BOWER; Finanzen und Wirtschaft: Federico ZAYAS CHIRIFE; Industrie und Handel: Guillermo CABALLERO VARGAS; Justiz und Arbeit: Srvio FERREIRA: Verteidigung. Nelson ARGAÑA; öffentliche Bauten und Kommunikation: José Alberto PLANAS; Landwirtschaft und Ernährung: Luis Atoerto WAGNER; Erziehung: Nicanor DUARTE FRUTOS; Gesundheit: Martín CHIOLA.
Opposition im Parlament: Alianza Opositora bestehend aus Partido Liberal Radical Auténtico (PLRA) und Encuentro Nacional (EN) Sfaverte«ung im Parlament (aufgrund der Wahlen vom 10.5 1988): Abgeordnetenhaus (80 Sitze): ANR: 44; Alianza Opositora; 36 Senat (45 Sitze): ANR: 24; Alianza Opositora 21 " Senatsprawdent Luis GONZALEZ MACCHI wurde am 29 3 1999 zum Präsidenten vereidigt Sein Vorganger Raul CUBAS hatte zurücktreten und das Land verlassen müssen, weil er vermutlich in den Mord an Vizepräsident Luis Maria ARGASA verwickelt war bzw dessen Auftraggeber, Ex-General Lino OVIEDO gedeckt hatte Seitdem steht Präsident GONZALEZ einem Kabinett der nationalen Einheit vor dem auch Politiker der Opposition angehören
Chronologie 1998 Die politische Entwicklung in Paraguay war im ersten Halbjahr von den Auseinandersetzungen in der Colorado-Partei zwischen den Anhängern des ehemaligen Oberbefehlshabers des Heeres, Lino OVIEDO, auf der einen Seite und den Anhängern des Parteivorsitzenden Luis Maria ARGAKIA bzw. von Präsident WASMOSY auf der anderen Seite geprägt. OVIEDO war 1996 von WASMOSY aus der Armee entlassen worden, weil er einen Putschversuch unternommen hatte, aber bisher für sein Vergehen noch nicht abgeurteilt worden. Er hatte sich im September 1997 in den parteiinternen Wahlen um die Präsidentschaftskandidatur gegen ARGAKIA durchgesetzt und hätte vermutlich auch die nationalen Präsidentschaftswahlen gewonnen. Präsident WASMOSY, Teile der Colorado-Partei, die Opposition und nicht zuletzt auch die militärische Führung, die sich aus Gegnern OVIEDOS zusammensetzte, versuchten eine Kandidatur und den möglichen Wahlsieg des ehrgeizigen Ex-Generals mit allen Mitteln zu verhindern. Ein militärisches Sondergericht verurteilte ihn im März zu zehn Jahren Haft, und der Oberste Gerichtshof bestätigte mit knapper Mehrheit das Urteil. Noch kurz vor Ende der Amtszeit von Präsident WASMOSY verabschiedete der Kongreß auf dessen Veranlassung ein Gesetz, mit dem das Begnadigungsrecht für zukünftige Präsidenten eingeschränkt wurde. Damit sollte eine vorzeitige Haftentlassung von OVIEDO verhindert werden. Zwischenzeitlich war Raul CUBAS, der nach OVIEDO für das Amt des Vizepräsidenten nominiert worden war, zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Co/orado-Partei ernannt worden. ARGAKIA kandidierte für 132
Paraguay
das Amt des Vizepräsidenten. Trotz der internen Querelen gewann die ColoradoPartei die Präsidentschaftswahlen im Mai mit deutlichem Vorsprung und verfügt seitdem in beiden Häusern des Kongresses über eine Mehrheit der Mandate - sie ist aber innerlich zwischen Anhängern von OVIEDO, ARGAÑA und WASMOSY zerstritten und deshalb nur bedingt als Fraktion handlungsfähig. Das zweite Halbjahr war geprägt von den Konflikten zwischen Präsident Raúl CUBAS, der als Strohmann von OVIEDO galt, und der Parlamentsmehrheit (einschließlich von Teilen der Regierungspartei und des Vizepräsidenten ARGAÑA) sowie später auch mit dem Obersten Gerichtshof. CUBAS hatte OVIEDO unmittelbar nach seiner Amtsübernahme begnadigt, indem er versuchte, eine Formulierungslücke in der Gesetzgebung auszunutzen. Der Oberste Gerichtshof erklärte die Begnadigung im Dezember für ungültig. Die Regierung weigerte sich jedoch, das Urteil umzusetzen und OVIEDO wieder in Haft zu nehmen. Bestrebungen des Kongresses, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident CUBAS einzuleiten, scheiterten, weil die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht vorhanden war - denn OVIEDO verfügte auch innerhalb des Parlaments über eine Anhängerschaft. Präsident CUBAS nahm überdies ehemalige Weggefährten von OVIEDO, die nach dem Putschversuch entlassen worden waren, wieder in die Streitkräfte auf und besetzte die militärische Führung um. Zum Jahresende war noch nicht absehbar, welchen Ausgang der Konflikt zwischen dem Präsidenten und OVIEDO auf der einen Seite und der Parlamentsmehrheit und der Justiz auf der anderen Seite nehmen würde. Die politischen Konflikte wie auch die ausufernde Korruption unter Präsident WASMOSY führten dazu, daß die wirtschaftliche Bilanz für 1998 negativ ausfällt. Im Juli mußten mehrere Banken interveniert und geschlossen werden. Im gesamten Jahr kam es zu schweren Arbeitskonflikten mit Schwerpunkten im Transportsektor, bei den Lehrern und im Gesundheitswesen. Dort gab es über einen Zeitraum von sechs Monaten immer wieder Arbeitsniederlegungen. Das BIP stagnierte, pro Kopf der Bevölkerung ging es sogar um 2,7% zurück. Die Inflationsrate stieg erstmals seit vier Jahren wieder an. Das Jahr schloß mit einer Inflationsrate (Dezember) von 14,6% (1997 6,2%).
Januar Nach 30 Tagen militärischen Arrests wegen Beleidigung des Präsidenten soll der ehemalige Oberkommandierende des Heeres, Lino OVIEDO, das Gefängnis verlassen. Statt dessen wird seine Haft verlängert und vor einem vom Präsidenten eingesetztem militärischen Sondertribunal ein Verfahren wegen des Umsturzversuchs im Jahr 1996 eingeleitet. Nachdem das Gerücht aufkam, ein (Zivil-)Richter könnte die Freilassung von OVIEDO anordnen, überfliegen Kampfflugzeuge die Hauptstadt, und eine Panzerkolonne durchquert Asunción. Der Richter gibt daraufhin den Fall ab. Februar Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Carlos MOJOLI, beklagt Druck des Militärs, nachdem er am 3.2. die Einschreibung von Lino OVIEDO als Kandidaten der Co/orado-Partei akzeptiert und sich geweigert hatte, die Wahlen im Mai zu verschieben. 133
Lateinamerika Jahrbuch 1999
März Präsident WASMOSY unternimmt mehrere Versuche, den Wahltermin zu verschieben, scheitert jedoch am Widerstand von Opposition, der Wahlbehörde und Teilen der Regierungspartei sowie aufgrund von Druck aus dem Ausland (USA, EU, MERCOSUR, OAS). General OVIEDO wird am 9.3. von einem Militärgericht wegen seines Umsturzversuches vom April 1996 zu 10 Jahren Haft verurteilt {„por haber cometido delitos contra el orden y la seguridad de las fuerzas armadas e insubordinación"). OVIEDOS Anwälte legen Berufung gegen das Urteil ein. Ende des Monats bestätigt das Oberste Gericht die Kandidatur OVIEDOS für die Präsidentschaftswahlen, die von Teilen der Colorado-Partei angefochten worden war. Durch eine Erhöhung der Mindestlöhne kann die Regierung einen für den 25.3. geplanten Generalstreik abwenden. April Mitte
Der Generalstaatsanwalt fordert die Annullierung des Verfahrens gegen OVIEDO und die Ansetzung eines neuen Prozesses. Gleichwohl bestätigt der Oberste Gerichtshof am 17.4. mit fünf gegen vier Stimmen das Urteil gegen OVIEDO. Einen Tag zuvor war eine Bombe in der Tiefgarage des Gerichtsgebäudes explodiert.
Mitte
Daraufhin wird Raúl CUBAS neuer Präsidentschaftskandidat der ColoradoPartei, der ursprünglich hinter OVIEDO als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten nominiert worden war. Der OVIEDO in den innerparteilichen Wahlen unterlegene ARGAÑA wird neuer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. Ein sechstägiger Streik im öffentlichen Transportwesen zur Durchsetzung von Arbeitsgesetzen führt zu beachtlichen ökonomischen Störungen und zu Unterrichtsausfall in Schulen und Universitäten. Bereits im März hatten die Arbeitnehmer im Transportsektor mit einem 24stündigen Streik die Wirtschaft lahmgelegt.
Mitte
Mai 10.5.
134
Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Paraguay siegt die regierende Colorado-Partei gegen die Alianza Democrática aus Partido Liberal und Encuentro Nacional. Zum Präsident gewählt wird Raúl CUBAS mit 53,9% der Stimmen, auf seinen Gegenkandidaten Domingo LAINO entfallen 42,4% der Stimmen. Bei den Parlamentswahlen (Abgeordnetenhaus) erhalten die Colorados 53,8% und das Wahlbündnis Alianza Democrática 42,7% der Stimmen. Im Senat hat die Colorado-Partei zukünftig
Paraguay
24 (zuvor 20), die Opposition 21 (zuvor 25) Sitze, im Abgeordnetenhaus lautet das Verhältnis 44 (38) gegen 36 (42). Juni 23.6.
Präsident WASMOSY unterzeichnet ein Gesetz, das zuvor vom Kongreß verabschiedet worden war, nach dem der Präsident keinen Häftling begnadigen darf, der nicht mindestens die Hälfte seiner Strafe abgesessen hat. Damit soll eine vorzeitige Haftentlassung von General OVIEDO verhindert werden.
Juli Acht Banken müssen aufgrund von Liquiditätsproblemen von der Zentralbank interveniert werden. Seit 1995 mußten bereits 48 Unternehmen im Finanzsektor geschlossen werden. Aufgrund der politischen Konflikte gelingt es der Regierung nicht, bis zum Jahresende ein Gesetz zur Sanierung des Finanzsektors zu verabschieden. August Präsident Raül CUBAS tritt am 15.8. sein Amt an. Drei Tage später (am 18.8.) wandelt der Präsident per Dekret die 10jährige Haftstrafe von General OVIEDO in eine dreimonatige Arreststrafe um, die abgegolten ist, und hebt die Entlassung aus dem Heer auf. ExPräsident WASMOSY flüchtet daraufhin in die argentinische Botschaft, in der er übernachtet. Noch im gleichen Monat leitet Präsident CUBAS eine Neubesetzung des militärischen Oberkommandos ein und setzt den Chef der Marine in den Ruhestand, der im Verfahren gegen OVIEDO als militärischer Staatsanwalt agiert hatte. September Ein umbesetztes militärisches Sondergericht spricht General OVIEDO nachdrücklich vom Vorwurf des Putschversuchs frei und rehabilitiert ihn. Der Oberste Gerichtshof erklärt noch im gleichen Monat dieses Urteil für ungültig. Mitte September endet nach Zugeständnissen der Regierung ein 86 Tage dauernder Streik im Gesundheitssektor
135
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Oktober Ein Mißtrauensvotum gegen den Justizminister wegen des OviEDO-Falles erreicht im Abgeordnetenhaus nicht die notwendige Stimmenzahl (54). Für den Antrag stimmen 45 Abgeordnete, dagegen 25. Präsident CUBAS kündigt an, 220 nach dem gescheiterten Putschversuch von 1996 entlassene Offiziere wieder in die Streitkräfte aufzunehmen. Nach einem 24stündigen Streik der Lehrer stimmt der Kongreß Lohnerhöhungen zu. Ein weiterer Streik im November endet erfolglos. November Am 27. November tritt das neue Strafrecht in Kraft, das zusammen mit der ab Mitte 1999 geltenden neuen Strafprozeßordnung zu einer grundlegenden Reform im Justizwesen beiträgt. Ein Generalstreik von drei Dachverbänden gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung am 25.11. stößt auf geringen Widerhall. Dezember Am 2.12. erklärt der Oberste Gerichtshof - nach Antrag des Parlaments mit fünf gegen vier Stimmen die Begnadigung von OVIEDO für verfassungswidrig und fordert seine erneute Inhaftierung. Präsident CUBAS lehnt dies ab und wirft dem Obersten Gerichtshof einen Eingriff in die Kompetenzen des Präsidenten vor. In einer gemeinsamen Erklärung beider Kammern des Parlaments vom 15.12. wird die Regierung von Präsident CUBAS für tyrannisch und diktatorisch erklärt sowie die Befolgung des Urteils des Obersten Gerichtshofs und die sofortige Inhaftierung von General OVIEDO gefordert. Detlef Nolte
136
Paraguay
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt Fläche (in qkm): Wahrung:
Asunción 406.752 Guaraní
PARAGUAY Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN
1980
1990
1996
1997
3,114 42,1 54,5 41,7 37,3 5,2 48,6 20,5 30,9
4,219 40,5 56 4S,7 35,1 4,6 2,1 27,6 70,3
4,955 40 55,5 53,1 30 3,9
5,085 40,S 56 53,8 31,3 3,8
13 134 49,8 61 66,8 1460 85.9
23 101,8 31,4 37 68,1 1538 90,3
107,2 24 45 69 1250
23 28 69,7
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
4579 1460 701 1314 -618 453 30 783
5265 1190 1609 2094 -170 29 70 675
9673 1880 4547 5023 -317 495 246 882
10180 2000 4343 4960 -483 345 221 796
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in *> des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
75,7 6 31,7 18.3 28,6 27,4 16 43,9
77,2 6.2 22,9 16,6 27,6 23,1 17,3 49,1
72,8 9.9 22,5 17,3 23,7 22,1 15.4 54,2
67,2 12.5 22.8 20,3 22,6 21,9 14,2 55,5
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
954 630 145 66,2 18,6 14,8 22,8
2104 1712 325 90,1 16,3 3,1 38,1
2162 1399 240 107 5 1,3 9,8
2052 1488 228
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 1S-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
12,56 3,1 2,8
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tagl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
92,5
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
5 3,5 7
3,7 2,8 16,1
137
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Uruguay Amtlicher Name: Präsident: Im Amt seit:
República Oriental del Uruguay Julio Maria SANGUINETTI CAIROLO I.März 1995
Vizepräsident:
H u g o FERNANDEZ FAINGOLD
Nächste Präsidentschafts- bzw. allgemeine Wahlen: November 1999
Regierung: Seit der Wahl vom 27.11.1994 bildet der Partido Colorado (PC) mit der ehemaligen Regierungspartei Partido Nacional (PN) eine Koalitionsregierung, um den Frente Amplio (jetzt: Encuentro Progresista) aus der Regierung fernzuhalten. Kabinett (Stand Juni 1999): Äußeres: Didier OPERTTI; Inneres: Luis HIERRO; Wirtschaft und Finanzen: Luis MOSCA; Industrie und Energie: Julio HERRERA; Landwirtschaft und Fischerei: Sergio CHIESA; Bildung und Kultur: Samuel LICHTENSZTEJN; Arbeit: Ana Lia PINEYRUA; Verteidigung. Juan Luis STORACE; Tourismus: Benito STERN. Oppositionsparteien im Parlament: Encuentro Progresista (EP); Nuevo Espacio (NE). Sitzverteilung ifn Parlament: Abgeordnetenhaus (99 Sitze): PC: 32; PN: 31; EP: 31; NE: 5. Senat (31 Sitze): PC: 11; PN: 10; EP: 9; NE: 1.
Chronologie 1998 Das innenpolitische Klima war 1998 durch relative Ruhe geprägt. Im Mittelpunkt der politischen Debatte standen die parteiinternen Auseinandersetzungen über die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten sowie Probleme der öffentlichen Sicherheit. Auf wirtschaftspolitischem Gebiet sorgten insbesondere die Finanzkrise in Asien und Rußland und ihre Auswirkungen auf die Länder des MERCOSUR für Schlagzeilen. In keinem der drei politischen Lemas (vgl. Jahrbuch 1998) konnte man sich bis zum Jahresende auf einen Spitzenkandidaten einigen; die Entscheidung wurde mithin auf die im April 1999 stattfindenden primaries vertagt. Im Bereich der Staatsreform gab es nur wenige Impulse. Die bereits unter der Regierung LACALLE auf den Weg gebrachte Rationalisierung des öffentlichen Sektors wurde fortgesetzt. Der Versuch der Gewerkschaften und eines Teils des Fronte Amplio, das Rahmengesetz über die Privatisierung des Elektrizitätssektors durch einen Volksentscheid zu Fall zu bringen, scheiterte. Trotz der Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten und ihrer Auswirkungen auf Lateinamerika bot die wirtschaftliche Entwicklung Uruguays 1998 keinen Grund zur Beunruhigung. Die Inflationsrate sank zum ersten Mal seit vier Dekaden mit 9,4% unter die magische 10-Prozent-Marge (1997: 15,2%; 1996: 24%) - ein Ergebnis der sieben Jahre zuvor eingeleiteten Austeritätspolitik. In jenem Jahr (1991) hatte die Inflation noch bei 133% gelegen. Das BIP legte um rund 3% zu. Im ersten Quartal hatte das Wachstum noch 7% betragen, sank dann jedoch rapide ab. Mit 138
Uruguay
2,76% durchschnittlichem Wachstum wiesen die 90er Jahre sogar einen historischen Höchststand auf. Nach Angaben des Industrieministers Julio HERRERA wuchs die Industrieproduktion um 3,8%. Der Industriesektor kam für 8 3 % der Warenexporte auf. Der bereits im dritten Jahr in Folge zu beobachtende leichte Anstieg der Reallöhne (Januar bis November 1998: 1,83%) und Renten erhöhte die Kaufkraft der Konsumenten und die Nachfrage nach Konsumentenkrediten. Die Zahl der Beschäftigten stieg in absoluten Zahlen, die Arbeitslosigkeit pendelte sich bei 10% ein (gegenüber 11,9% 1997). Dank erhöhter Steuereinnahmen, gesunkener ölpreise und einer sparsamen Ausgabenpolitik der öffentlichen Hand konnte das Haushaltsdefizit mit 1,2% konstant gehalten werden. Die Peso-Abwertung lag mit 8,25% unterhalb einer Größenordnung, die man eigentlich im Gefolge der Finanzkrise in Fernost und Rußland erwartet hatte. Im Außenbereich war das Bild widersprüchlich: Im Unterschied zur Voijahresentwicklung war der Außenhandel 1998 kein Wachstumsmotor. Die extraregionale Nachfrage ging insbesondere in der zweiten Jahreshälfte zurück; der Anstieg der Exporte betrug gegenüber dem Vorjahr noch ganze 2 % (1998: 14%). Verantwortlich dafür waren insbesondere die wirtschaftlichen Einbrüche bei einer Reihe von Kunden (Folge u.a. der internationalen Finanzkrise) und die verschlechterte Wettbewerbsposition uruguayischer Produkte im Gefolge der Abwertungen bei verschiedenen Handelspartnern. Da auch die Importe nur einen bescheidenen Zuwachs erfuhren, erhöhte sich in der Bilanz das Zahlungsbilanzdefizit (von 1,6% des BIP 1997 auf 2,4% 1998). Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen erreichten 1998 US$ 4,31 Mrd. (1997: US$ 4,26 Mrd.), die Importe US$ 4,59 Mrd. (1997: US$ 4,45 Mrd.). Bei den Exporten konnten Verluste bei den traditionellen Produkten durch Zuwächse bei den nichttraditionellen Produkten überkompensiert werden. Die Exporte nach Asien gingen um ein Drittel zurück, während die nach Brasilien gleichblieben und die nach Argentinien anstiegen. Die Tourismusbranche erlitt infolge des schlechten Wetters in den Sommermonaten erhebliche Einbußen. Der Rückgang der externen Nachfrage, die Abwertungen bei verschiedenen (vor allem asiatischen) Handelspartnern, die rezessiven Tendenzen in den Nachbarländern sowie schließlich die Beibehaltung des inländischen Sparkurses hatte für die uruguayische Wirtschaft insgesamt preisdämpfende Effekte. Unproblematisch blieb auch 1998 der Zugang zu internationalem Kapital. Insgesamt war das Jahr 1998 für die uruguayische Wirtschaft - trotz der Turbulenzen im regionalen Umfeld - positiv. Es dürfte den Verantwortlichen jedoch schwer fallen, diesen Trend angesichts des wirtschaftlichen Einbruchs im Nachbarland Brasilien auch 1999 zu halten. Für dieses Jahr erwartet die Wirtschaftsequipe der Regierung ein Wachstum des BIP von 1%, ein Haushaltsdefizit von 1,5% des BIP, eine Inflationsrate von 5 % sowie einen leichten Anstieg der Kaufkraft der Beschäftigten und Rentner. Trotz anhaltender Krisentendenzen im regionalen und internationalen Umfeld ist die Regierung SANGUINETTI offensichtlich entschlossen, an ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik festzuhalten. Februar 2.2.
Präsident SANGUINETTI ernennt drei neue Minister mit dem Ziel, den bisherigen Regierungskurs bis zum Ende seiner Amtszeit zu konsolidieren:
139
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Luis HIERRO (Innenminister), Didier OPERTTI (Außenminister) und Sergio CHIESA (Landwirtschaftsminister).
Mitte
Nach Angaben der Oficina Nacional del Servicio Civil sind im öffentlichen Dienst 230.340 Uruguayer beschäftigt; das entspricht 16% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung. Rund 27% arbeiten zusätzlich im Privatsektor. Im Rahmen der Staatsreform wurden 1996 und 1997 rund 9.300 Stellen abgebaut. In einem Dokument mit dem Titel .Für Einheit und Erneuerung des Frente Amplio" übt der von Danilo ASTORI geführte Fren/e-Flügel Asamblea Uruguay (AU) scharfe Kritik an dem Vorschlag von Tabaré VAZQUEZ, den Frente Amplio in der Mitte des Parteienspektrums durch das (von VAZQUEZ angeführte) Bündnis Encuentro Progresista (EP) zu ersetzen. Es sei ein Irrtum zu glauben, dadurch könne die Linke im bürgerlichen Lager mehr Stimmen gewinnen.
März 8.3.
Das von den Gewerkschaften und Teilen der Linken angestrengte und am 8. März durchgeführte erste Volksbegehren über das neue Rahmengesetz für die Elektrizitätsindustrie - es wird zur Privatisierung der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft UTE führen - erreicht lediglich 15,3% der Stimmen. Für ein Referendum sind laut Verfassung jedoch 25% erforderlich. Auch das zweite Volksbegehren am 17. Juni bleibt mit 22,1% Zustimmung unter dem erforderlichen Quorum. Tabaré VAZQUEZ und Danilo ASTORI, die Protagonisten des Volksentscheids, übernehmen die Verantwortung für den Fehlschlag und versprechen eine sorgfältige Analyse seiner Ursachen.
16.3.
In einer Antwort auf den Menschenrechtsbericht des U.S. State Department wiederholt die uruguayische Regierung ihre Weigerung, das Schicksal der Verschwundenen während der Militärdiktatur neu aufzurollen. Dies würde - so die offizielle Argumentation - gegen den Geist und Buchstaben des „Schlußpunktgesetzes" von 1986 verstoßen und einen Rückschlag für den Versöhnungsprozeß in der uruguayischen Gesellschaft bedeuten.
April 2.4.
140
Tabaré VAZQUEZ schließt die Möglichkeit aus, wiederum die Präsidentschaft des Frente Amplio zu übernehmen, die er im September 1997 wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem linken Frente-Flügel aufgegeben hatte. Zugleich plädiert er für einen politischen Pakt des Inhaltes, daß jene, die die demokratischen Spielregeln nicht akzeptierten, sich selbst aus dem Linksbündnis ausschließen müßten (autoexclusión). Als Folge dieses Vorschlags kommt es am 18. April innerhalb des Frente zu einem Kompromißpapier, das politische und ideologische Festlegungen enthält, die
Uruguay
es VAZQUEZ ertauben sollen, wiederum die Präsidentschaft des Linksbündnisses zu übernehmen. 23.4.
Präsident SANGUINETTI zieht eine positive Bilanz seiner bisherigen dreijährigen Regierungszeit. Dabei unterstreicht er als besondere Erfolge seiner Präsidentschaft den Rückgang der Inflation von 45% auf unter 10%, den Anstieg der Reallöhne um 3%, einen Sozialetat von 24% des BIP und 74% des Gesamthaushalts sowie eine Arbeitslosenrate unter 10%. Vorrangige Aufgaben für den Rest seiner Amtszeit seien die Konsolidierung der begonnenen Reformen und die Erhöhung der öffentlichen Sicherheit.
Juni Das Nationale Amt für Statistik veröffentlicht eine Studie über die Strukturentwicklung der uruguayischen Wirtschaft. Danach waren von zehn heute aktiven Unternehmen sieben bereits zu Beginn der Demokratisierung aktiv. Drei Viertel der Unternehmen entfallen heute auf die Bereiche Handel und Dienstleistungen - ein klarer Beleg für den in den letzten Jahren erfolgten Strukturwandel.
Juli Die bisherige Präsidentschaft SANGUINETTIS wird von der uruguayischen Wählerschaft laut einer Umfrage von „Factum" weder als besonders gut noch als besonders schlecht, mithin neutral beurteilt (28% sind zufrieden, 34% unzufrieden, 32% weder noch). Das Urteil über seinen Vorgänger im Amt, LACALLE, fiel seinerzeit erheblich schlechter aus (11% zufrieden, 63% unzufrieden, 19% weder noch). Die Werte für Mariano ARANA, den Fronte A/np/Zo-Oberbürgermeister von Montevideo, liegen zwischen gut bis sehr gut (46% zufrieden, 3% nicht zufrieden, 29% weder noch). Mitte
Truppenverbände Uruguays und Argentiniens führen in der argentinischen Provinz Entre Rios gemeinsame Manöver durch mit dem Ziel, sich durch eine Koordinierung der Kräfte auf den Gebieten Logistik, operative Planung und Ausbildung für künftige Friedenseinsätze im Rahmen der Vereinten Nationen zu qualifizieren.
August Nach verschiedenen Umfragen führt der Frente Amplio vor dem Partido Nacional (2. Platz) und dem Partido Colorado (3. Platz) bei den Päsidentschaftswahlen 1999. Spitzenkandidaten sind demnach im Frente Amplio Tabaré VAZQUEZ und bei den Colorados Jorge Luis BATLLE. Das Rennen im Partido Nacional ist demgegenüber zwischen den konkurrierenden Bewerbern LACALLE und VOLONTÉ noch offen. Auf Bitten des Vizepräsidenten und Parteivorsitzenden der PGP, Hugo BATALLA, entläßt Präsident SANGUINETTI den bisherigen Erziehungsmini-
141
Lateinamerika Jahrbuch 1999
ster Samuel LICHTENSZTEJN. Neuer Erziehungsminister wird Yamandü FAU, bislang (einziger) Abgeordneter der PGP im Parlament.
September Anfang
Im Partido Nacional kommt es zum Bruch der Wahlallianz zwischen dem Ex-Minister Alvaro RAMOS und Alberto VOLONTÉ. Auch im Frente Amplio verschärft sich die Auseinandersetzung zwischen den Rivalen ASTORI und Tabaré VAZQUEZ über die (von VAZQUEZ favorisierte) Öffnung zur Mitte und die Frage, ob die Linkskoalition in die parteiinternen Vorwahlen mit nur einem Kandidaten (nämlich Tabaré VAZQUEZ) oder mit dem Doppelgespann VAZQUEZ-ASTORI gehen soll.
9.9.
Nach dem jährlich von der UNDP erstellten Human Development-Index verschlechterte sich Uruguay um eine Position und nimmt nunmehr unter insgesamt 174 erfaßten Ländern den 38. Rang ein (1990: 30). In Lateinamerika rangiert Uruguay auf dem 4. Rang, hinter Chile (31), Costa Rica (34) und Argentinien (36). Bis 1994 hatte das Land die Rangliste in Lateinamerika angeführt (1995/96: Platz 3,1997/98: Platz 4).
Mitte
Das Statistische Amt belegt die vorwiegend negativen Auswirkungen der Asienkrise auf die uruguayische Volkswirtschaft. Mit Ausnahme der Sektoren Telekommunikation, Transport und Fischerei kam es im ersten Halbjahr 1999 zu Wachstumseinbußen von durchschnittlich 1,5% (im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum) sowie zu einem Rückgang von Beschäftigung und Steueraufkommen. Die verminderte externe Nachfrage, insbesondere der asiatischen Länder, kann dank des etwa gleichbleibenden Handelsvolumens mit Brasilien und dem Anstieg der Exporte nach Argentinien in Grenzen gehalten werden.
12.-27.9. Laut einer vom Meinungsforschungsinstitut Factum durchgeführten Umfrage führt Juan A. RAMIREZ die Präsidentschaftskandidatenliste im Partido Nacional an; beim Partido Colorado liegen der (bereits bei vier Präsidentschaftswahlen erfolglose) Jorge BATLLE und Luis LÓPEZ HIERRO gleichauf; in dem Linksbündnis Frente Amplio übertrifft der ehemalige Oberbürgermeister von Montevideo, Tabaré VAZQUEZ, seinen Herausforderer Danilo ASTORI um das Dreifache. Oktober
Anfang
142
In der Colorado-Partei entbrennt ein Disput über die Frage, welcher Kandidat der Partei am glaubwürdigsten das Erbe des am 29. Juli 1998 verstorbenen Jorge PACHECO ARECO, Führer des rechten Parteiflügels Unión Colorado Batllista (UCB), antreten könne. Um diese Rolle streiten Pablo MILLOR von der Cruzada 94 und Jorge BATLLE vom Foro Batllista. Laut Angaben des Statistischen Amtes sinkt die Inflationsrate zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten unter die 10-Pozent-Marke.
Uruguay
Die Möglichkeit einer Regierungsübernahme des Frente Amplio im Jahr 2000 löst im radikalen Flügel dieses Linksbündnisses eine Krise aus, die
17.10.
auf d e m Kongreß des Movimiento
de Liberación
Nacional
Tupamaros
(MPL) voll zum Ausbruch kommt. Dabei geht es insbesondere um die Frage, bis zu welchem Grade ein Festhalten an dem historischen Programm der Bewegung die Wahlchancen der Linken beeinträchtigt bzw. ein Abrücken davon den Kampf gegen den „Hauptfeind" - den .Neoliberalismus" - schwächt. Kontrovers beurteilt wird zudem die Frage, unter welcher Bezeichnung die Linke in die Wahlen gehen soll, als Encuentro Progresista - dies der von Tabaré VAZQUEZ geführte Zusammenschluß - , als Frente Amplio (Option von ASTORI) oder schließlich unter der Kompromißbezeichnung Encuentro
Pogresista
- Frente
Amplio.
Mitte
Die Gewerkschaftsgruppierung Espacio Paraninfo veröffentlicht ein Dokument, in dem im Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT eine Repräsentationskrise diagnostiziert wird. Sie manifestiere sich am deutlichsten im Rückgang der Mitgliedschaft (1987 bis 1996: von 29% auf 15%). Das Führungsgremium stelle eher ein „Mobilisierungskomitee" als ein echtes Direktorium dar. Keiner respektiere hier den Willen der Mehrheit; anstelle des Kampfes gegen den Neoliberalismus werde die interne Debatte favorisiert. Die Schwäche der Gewerkschaften spiegelten die Schwächen jedweder kollektiver Strategie im Zeitalter fortschreitenden Individualismus und der Alleinherrschaft neoliberalen Denkens wider.
Mitte
Um die bisherige Vorherrschaft des Frente Amplio in den Nachbarschaftsräten ( Consejos Vecinales) in Montevideo zu brechen, beschließen die beiden Traditionsparteien Partido
28.10.
29.10.
Colorado
und Partido Nacional,
bei den
nächsten Kommunalwahlen mit eigenen Kandidaten und Programmangeboten anzutreten. Tabaré VÁZQUEZ, Präsident der Linkskoalition Encuentro Progresista, spricht sich für eine Erhöhung der Sozialausgaben auf 12% des BIP aus. Davon seien 5% für Erziehung, 3% für Gesundheit und 4% für den Wohnungsbau vorzusehen. Zur Finanzierung sei eine Vermögenssteuer einzuführen und die Mehrwertsteuer zu modifizieren. Außerdem müsse die Klein- und Mittelindustrie besondere Förderung erfahren. Präsident SANGUINETTI vergleicht die gegenwärtige europäische Suche nach dem „Dritten Weg" (Tony BLAIR) mit dem uruguayischen Batllismo. In beiden gehe es um eine Versöhnung von Sozialismus und Liberalismus.
November Anfang
Nach einer Studie der Interamerikanischen Entwicklungsbank weist Uruguay zusammen mit Costa Rica die gerechteste Einkommensverteilung in Lateinamerika auf. Mit einem Gini-Koeffizienten von 0,40 liege das Land erheblich unter dem lateinamerikanischen Durchschnitt von annähernd 0,60. TABARÉ VAZQUEZ übt scharfe Kritik a m Regionalismus, an der Globalisie-
rung und dem Ellenbogenkapitalismus. Er kündigt an, im Falle eines 143
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Wahlsiegs der Linken protektionistische Politiken durchzuführen sowie die Handelsverträge des MERCOSUR zu revidieren. 20.-22.11. Auf dem 3. Außerordentlichen Kongreß des Frente Amplio wird zum ersten Mal in der Geschichte des Linksbündnisses eine offene Wahl zwischen den beiden Kontrahenten Tabaré VAZQUEZ und Danilo ASTORI für die parteiinternen Wahlen des Präsidentschaftskandidaten vereinbart. Ergänzend weist der Kongreß den im September des Vorjahres von VÁZQUEZ einseitig verkündeten Rücktritt von der Präsidentschaft des Frente zurück. Dieser verspricht, die Präsidentschaft wiederum zu übernehmen, ohne jedoch ein Datum zu nennen.
Dezember Nach verschiedenen Umfragen nehmen die Kandidaten Luis HIERRO (Partido Colorado), der Ex-Präsident Luis A. LACALLE (Partido Nacional} und Tabaré VAZQUEZ (Frente Amplió) in ihren „lemas" die vorderen Plätze für die am 25. April 1999 stattfindenden Vorwahlen zur Bestimmung der jeweiligen Präsidentschaftskandidaten ein. Drei von vier Umfrageinstituten geben dem Frente Amplio die besten Chancen für den Wahlsieg im November 1999; lediglich das Institut Factum prognostiziert ein Kopf-anKopf-Rennen zwischen dem Frente und den Colorados im ersten Wahlgang Nach der vorläufigen Jahresbilanz der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) wuchs die uruguayische Wirtschaft 1998 um 2,3%. Mit den Währungsreserven konnte das Handelsbilanzdefizit problemlos ausgeglichen werden. Bezüglich der Auswirkungen der Finanzkrise in Asien und Rußland warnt die CEPAL vor Zinserhöhungen zum Schutz der einheimischen Währung sowie vor Abwertungen mit dem Ziel, Exporte und die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Eine solche Politik erhöhe lediglich das Risiko der Inflation, der Verschuldungssumme und der fälligen Zinsen und könne zu realen Lohnsenkungen führen. Klaus Bodemer
144
Uruguay
IBEROSTAT Sund:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:
Montevideo 177.414 Peso Uruguayo
URUGUAY Jahr 1980
1990
1996
1997
2,914 27 62,5 85.2 19,1 2,7 15,7 29,1 55,2
3,106 26 62,5 88,9 17,8 2.5 14,2 33 52,8
3,242 25 62,6 90,5 18,7 2,2
3,266 25 62,6 90,7 17.7 2.4
110 36,6 42 70,4 513 94.7
106,7 21,2 24 72,6 272 96,5
118,2 17,5 22 73,5 270
16,4 19,8 73,7
10131 2920 1526 2144 -709 715 290 2401
8362 2620 2159 1659 186 -181 0 1446
19128 5780 3847 3974 -233 222 137 1892
19971 6130 4256 4450 -321 651 160 2067
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
75,8 12.5 17,3 11,7 13,5 33.7 25,9 52.8
69,1 13,9 11 17 11,1 32 26.3 56.9
73,8 13,8 12,6 12,4 8,9 27 lt.4 64,1
73,8 13,7 12,8 12,5 8,5 27,1 18,3 64,4
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
1660 1127 299 169,3 18,8 5,8 63,5
4415 3045 987 428 40,8 0,9 112,5
5901 4099 665 367 15,4 5,3 28,3
6652 4528 742
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertility ts rate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 19*0-90: 1990-97:
4,03 0,6 0,6
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
97.4
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
15,4 5,1 19.8
1 3.7 45,4
145
Lateinamerika Jahitouch 1999
146
Brasilien
Brasilien Amtlicher Name: República Federativa do Brasil Präsident: Fernando Henrique CARDOSO Im Amt seit: 1. Januar 1995, wiedergewählt am 4 10.1998 Nächste Präsidentschafts-, Parlaments- und Gouverneurswahlen: Oktober 2002 Vizepräsident: Marco MACIEL Regierungskoalition: Seit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten regieren der Partido da Social-Democracia Brasileira (PSDB) und der Partido da Frente Liberal (PFL) in einer Koalition, der später die Parteien Partido Trabalhtsta Brasileiro (PTB), Partido do Movimento Democràtico Brasileiro (PMDB) und Partido Progressista Brasileiro (PPB) beigetreten sind. Kabinett (Juli 1999): Äußeres: Luis Felipe LAMPREIA; Justiz und Inneres: José Carlos DIAS; Planung: Marius TAVARES; Finanzen: Pedro MALAN; Entwicklung/Handel/Industrie. Ctóvis CARVALHO; Arbeit. Francisco DORNELLES; Bildung: Paulo Renato DE SOUZA; Kultur. Francisco CORREA WEFFORT; Gesundheit: José SERRA; Landwirtschaft: Pratini DE MORÁIS; Bergbau und Energie: Rodolfo TOURINHO; Verteidigung: Éicio ALVARES; Agrarreform: Raul JUNGMANN. Oppositionsparteien im Parlament: Partido dos Trabalhadores (PT), Partido Democrático Trabalhista (PDT), Partido Socialista Brasileiro (PSB) und kleinere Parteien, wie Partido Popular Socialista (PPS), Partido Comunista do Brasil (PCdoB); Partido Social-Cristäo (PSC); Partido de Mobiliza$äo Nacional (PMN); Partido Social-Democràtico (PSD); Partido Verde (PV); Partido Social-Liberal (PSL) und Partido Liberal (PL). Sitzverteilung im Parlament (Stand März 1999): Abgeordnetenhaus (513 Sitze): PFL: 106; PMDB: 82; PSDB: 99; PPB: 60; PT: 58; PTB: 31; PDT: 25; PSB: 19; andere: 33. Senat (81 Sitze): PMDB: 27; PFL: 19; PSDB: 16; PT: 7; PPB: 5; PSB: 3; PDT: 2; PTB: 1; PPS: 1.
Chronologie 1998 Ein Wechselbad optimistischer Erwartungen und herber Enttäuschungen charakterisierte das Jahr 1998 ökonomisch und politisch. Einerseits versprach man sich von den anstehenden Privatisierungen der Telekommunikations- und Elektrizitätsgesellschaften Rekordeinnahmen in harten Devisen, die zur Entschärfung der Zahlungsbilanzsituation und damit zur weiteren Stabilisierung der nationalen Währung Real beitragen würden. Dies traf zwar ein, aber die Auswirkungen der Asienkrise (seit 1997) und nun auch die der Rußland-Krise hoben diese positiven Wirkungen wieder auf. Die Regierung sah sich erneut zu strikten Sparmaßnahmen und erheblichen Steuererhöhungen gezwungen. Die Zentralbank sorgte ihrerseits mit ihrer fluktuierenden Zinspolitik (mit Spitzen von jährlich mehr als 40%) für einen stop-and-goKurs, der schließlich das Wirtschaftswachstum auf 0,7% (gegenüber 3,2% 1997) drosselte. Hohe Zinsen und Absatzrückgang zwangen die Unternehmen zu Kosteneinsparungen, die sich in Stellenkürzungen und sinkenden Reallöhnen niederschlugen. Die ermittelte Arbeitslosigkeit (d.h. die Anzahl derjenigen, die angegeben hatten, in der Woche vor der Befragung mindestens einmal auf Arbeitssuche gewesen
147
Lateinamerika Jahrbuch 1999
zu sein) stieg von 7,2% im Januar auf 8,1% im November. Für Säo Paulo wird eine Zunahme der Arbeitslosigkeit von 16,6% im Januar auf 17,7% im November angegeben, was realistischer erscheint. Vor diesem Hintergrund war die tendenziell sinkende Inflationsrate (0,7% für das gesamte Jahr 1998, nach 7,5% im Vorjahr) ein schwacher, wenn auch wichtiger Trost. Politisch stand Brasilien im Zeichen eines Superwahljahres mit Präsidentschafts-, Parlaments- und Gouverneurswahlen im Oktober. Insgesamt brachten sie den Wunsch des Wählers nach .stabilitätspolitischer Kontinuität mit sozialen Korrekturen" zum Ausdruck, da sowohl der wiedergewählte Präsident als auch die Regierungsparteien ihre Mehrheit behaupten konnten, gleichzeitig aber Stimmen- und Sitzverluste, ja sogar den Verlust der Regierung wichtiger Bundesstaaten wie Rio de Janeiro und Rio Grande do Sul an Kandidaten mit deutlich sozialer Ausrichtung hinnehmen mußten. Daß im Laufe des Jahres die Entwicklung ökonomischer Indikatoren wie Leistungsbilanz und öffentliches Haushaltsdefizit eine erhebliche Verschlechterung erfuhren, ist nicht nur eine Folge des Superwahljahres und der Asien- sowie Rußlandkrise, sondern auch ein Ergebnis binnenwirtschaftlicher Engpässe aufgrund nicht durchgeführter Strukturreformen (allen voran Agrar- und Steuerreform), die eine Korrektur der nach wie vor sehr großen Einkommensdisparitäten hätten bringen können: Den unleugbaren Fortschritten der Agrarreform stehen die überproportional steigenden Zahlen von Landarbeitslosen gegenüber, die Opfer der Modernisierung wurden. Die Steuerreform im Parlament wurde 1998 überhaupt nicht vorangebracht. Das Berichtsjahr war deshalb - wie bereits all die Jahre zuvor - durch steigende Konflikte in Stadt und Land geprägt. Februar 4.2.
7.2.
7.2.
14.2.
17.2.
148
Mit Finanzierung u.a. von der Weltbank wird der Banco da Terra gegründet. Seine Aufgabe: Langfristige (bis zu 20 Jahren) und günstige (mit Jahreszinsen von bis zu 12% jährlich) Finanzierung von Landkauf und Infrastruktur in Agrarreformsiedlungen. Im Rahmen einer Aktion der brasilianischen Bundesregierung zur Einschulung aller Kinder im schulpflichtigen Alter C,Toda Changa na Escola") beginnt die nationale Einschulungswoche, an deren Ende 460.000 neue Schulkinder als Erfolg verbucht werden konnten. Bei der Räumung von zwei besetzten Farmen in Marilena (Bundesstaat Paraná) wird ein Mitglied der Landlosenbewegung MST mit einem Kopfschuß getötet; zwei weitere werden verletzt. Die in Costa Rica festgenommene Rechtsanwältin Jorgina FERNANDES reist nach Rio de Janeiro zur Verbüßung einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe. Sie war wegen Versicherungsbetrugs am Nationalen Renteninstitut INSS im Wert von umgerechnet US$ 112 Mio. verurteilt worden. Leutnant Osmarinho CARDOSO DA SILVA FILHO, Angehöriger der Militärpolizei, wird zu 22 Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte 1997 die Entführung der Tochter vom Landesabgeordneten Luiz ESTÉVAO in Brasilia organisiert.
Brasilien
März 5.3.
Nach Beschluß eines Gerichts in Brasilia soll die Anklage gegen die Jugendlichen, die am 20.4.1997 den indlgena Galdino Jesus DOS SANTOS bei lebendigem Leibe verbrannt hatten, nicht auf Mord, sondern auf Körperverletzung mit Todesfolge lauten. Damit bleibt ihnen ein Geschworenenverfahren erspart.
5.3.
Adelson BRITO, führendes Mitglied der Landlosenbewegung MST, der 1997 die Besetzung der Farm Do Salto bei Rio de Janeiro mitorganisiert hatte, wird auf der Farmzufahrt von fünf Schüssen getötet aufgefunden.
11.3.
Mit 56 Stimmen und 16 Gegenstimmen bei einer Enthaltung wird die Verwaltungsreform vom Senat verabschiedet. Damit wird u.a. die Entlassung von Beamten wegen "unzulänglicher Leistung" ermöglicht.
15.3.
Entsprechend den Bestimmungen des Privatisierungsgesetzes beschließt Staatspräsident CARDOSO, ausländischen Unternehmen die Möglichkeit zu einer bis zu 100%igen Beteiligung an der Privatisierung der Telebräs, der Embratel und der (bisher öffentlichen Unternehmen vorbehaltenen) Mobilfunkverbindungen des sog. A-Netzes sowie einer bis zu 48%igen Beteiligung im Fall des B-Netzes zu eröffnen. 4.000 Mitglieder der Landlosenbewegung MST besetzen in elf Landeshauptstädten einen Tag lang öffentliche Gebäude (darunter das Bundesfinanzministerium und das Nationale Institut für Agrarreform in Brasilia), um ihrer Forderung nach einer beschleunigten Ansiedlung und nach besseren Finanzierungsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Eine Sonderkommission des Justizministeriums zur Aufklärung von Todes- und Vermißtenfällen unter der Militärdiktatur gibt offiziell zu, daß Zuzu ANGEL, Mutter eines 1971 vom Militär gefolterten und ermordeten politischen Häftlings, am 14.4.1976 von Agenten des Militärregimes ermordet wurde. Zuzu ANGEL war den Militärs aufgrund ihrer Recherchen zur Aufklärung des Todes ihres Sohnes aufgefallen. Bei der Räumung einer besetzten Farm in Parauapebas, Parä (in unmittelbarer Nähe des Sitzes vom Carajäs-Projekt der inzwischen privatisierten Bergbaugesellschaft CVRD), werden die Führer der lokalen Landlo-
17.3.
25.3.
26.3.
s e n b e w e g u n g , Onallcio BARROS ARAÜJO u n d V a l e n t i m SILVA SERRA, v o n
27.3.
31.3.
privaten Sicherheitskräften getötet. Zwei Tage später werden neun Farmer vorläufig festgenommen. 85 der 122 Militärpolizisten, die am 2.10.1992 eine Gefängnisrebellion in Carandiru (Säo Paulo) mit der Ermordung von 111 Strafgefangenen niedergeschlagen haben, sollen nach einem Gerichtsurteil vor ein Geschworenengericht gestellt werden. Der Einsatzleiter, Ubiratan GUIMARAES, ist inzwischen Landesabgeordneter in Säo Paulo und genießt parlamentarische Immunität. Verheerende Waldbrände, die während des ganzen Monats März im Amazonas-Bundesstaat Roraima gewütet haben, werden schließlich vom aufkommenden Regen gelöscht. Die Bundesregierung hatte erst am 25.3. in der Waldbrandbekämpfung dem brasilianischen Heer die zentrale Lei149
Lateinamerika Jahrbuch 1999
tung der Aktionen übertragen. In einer Note verurteilt das Europäische Parlament den unzureichenden Einsatz der brasilianischen Regierung. Im September wird wegen erneuter Waldbrände der Notstand in 40 Munizipien von sieben Bundesstaaten Amazoniens ausgerufen. Ferner verbietet die Umweltbehörde IBAMA jede Waldrodung in 52 Munizipien von Rondônia sowie in neun Munizipien von Acre.
April 15.4.
Dem Bundesabgeordneten und Bauunternehmer Sérgio NAYA (PPB) wird das parlamentarische Mandat entzogen. Hintergrund: Ein von seiner Firma gebautes Hochhaus in Rio de Janeiro war aufgrund von Statik- und Materialfehlern am 22. Februar zusammengebrochen und hatte acht Menschen unter sich begraben; 352 Familien wurden obdachlos.
15.4.
Die Stromgesellschaft des Bundesstaates Säo Paulo Eletropaulo Metropolitana wird zum Mindestgebot von US$ 1,77 Mrd. von der Light-Gàs (Light-Gruppe) ersteigert. 1998 werden noch 16 weitere Stromerzeuger privatisiert, darunter die dem Land Säo Paulo gehörende Elektro (ersteigert am 16.7. von der US-amerikanischen Gruppe Enron für US$ 1,27 Mrd.) und die den südlichen Bundesstaaten gehörende Gerasul, die am 15.9. mitten in den Turbulenzen der Rußlandkrise von der belgischen Tractebel für US$ 800 Mio. - eine unerwartet geringe Summe - gekauft wird.
19.4.
Kommunikationsminister Sérgio MOTTA (58, PSDB), einer der politischen „Grundpfeiler" der Regierung CARDOSO, erliegt einer Lungenkrankheit. Zwei Tage später stirbt Luis Eduardo MAGALHAES (43, PFL) an einem Herzinfarkt. Auch er war als Chef der Regierungsfraktion im Abgeordnetenhaus ein treuer politischer Weggefährte von Präsident CARDOSO und galt als potentieller Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2002.
24.4.
Mit dem Kauf von 55% des Kapitals der brasilianischen Bank Excel Econòmico (Wert der Operation: US$ 500 Mio.) leitet die spanische Bank Banco Bilbao-Vizcaya (18. Platz in der Banken-Weltrangliste) eine Phase verstärkter Konzentration im Finanzsektor ein. Im gleichen Monat kauft die brasilianische Großbank Itaü für US$ 225 Mio. die sechstgrößte Bank Argentiniens, Banco del Buen Ayre. In den Folgemonaten kommt es zu weiteren Bankenkonzentrationen: Die holländische ABN Amro Bank kauft sich am 8.7. mit R$ 2,1 in die Holding der brasilianischen Banco Real ein (40% der stimmberechtigten Anteile); am 14. September übernimmt Itaü für R$ 583 Mio. die landeseigene Bank von Minas Gerais Bemge; am 17. 11. ersteigert dieselbe ABN für R$ 182,9 Mio. die landeseigene Bank von Pernambuco Banco do Estado de Pemambuco, und am 25.11. erhält sie die Genehmigung zum Kauf von 100% der ordentlichen Anteile des Banco Real. Die Schweizer Gruppe Crédit Suisse First Boston kauft im September für umgerechnet US$ 675 Mio. den Banco Garantia.
150
Brasilien
Auch bei den Wirtschaftsunternehmen außerhalb des Finanzsektors verstärkt sich der Konzentrationsprozeß: Zwischen Januar und Juli geht die Aktienmehrheit der Kaufhauskette Mesbla
an die United
Comércio
e In-
dùstria (Mansur-Gruppe) über; die italienische Parmalat übernimmt 51% des Kapitals von Batávia und damit die Kontrolle über Brasiliens viertgrößten Schokoladehersteller Neugebauer, die französische Usinor, weltweit drittgrößter Stahlhersteller, erwirbt für umgerechnet US$ 720 Mio. die Kapitalmehrheit der brasilianischen Stahlhütten Itabira und CST, die Supermarktkette Päo de Agúcar
kauft die Rede Barateim
de
Supermerca-
dos-, die US-amerikanische Newel Companies übernimmt 50% des Kapitals des größten brasilianischen Topfherstellers Panex. Die größte Buchhandlung Lateinamerikas, Ática Shopping Cultural (Säo Paulo) geht für schätzungsweise R$ 30 Mio. an die französische Pinault-Printemps Redoute. Die deutsche Schiffahrtsgesellschaft Hamburg-Süd übernimmt die NavegagSo Alianga, Brasiliens größte brasilianische Reederei. Eine der fünf größten Geflügelhandelsgesellschaften Brasiliens, die Frangosul, wird vom französischen Unternehmen Doux erworben. 29.4.
Das sog. "Gesetz Pelé" wird mitsamt der Durchführungsverordnung von Staatspräsident CARDOSO verkündet. Demnach sollen binnen drei Jahren die Ablösesummen für einen Mannschaftswechsel von Fußballspielern graduell abgeschafft und die Sportabteilungen der Verbände in regelrechte Unternehmen umgewandelt werden.
Mai I.5.
Zu Haftstrafen von zwei bis vier Jahren verurteilt ein Militärgericht 22 der 44 angeklagten Offiziere der Militärpolizei von Rio de Janeiro wegen Beteiligung am Korruptionsnetzwerk von Castor DE ANDRAOE, der wegen des Betriebs von verbotenen Glücksspielen und wegen Bestechung mehrfach vorbestraft ist.
II.5.
Nach einem Bericht der Bundespolizei wurden bis zum 7.5. insgesamt 43 Fälle von Plünderungen von Lebensmittelläden in den von einer Dürre betroffenen nordöstlichen Bundesstaaten Cearä, Pernambuco, Piaui, Sergipe, Paralba und Rio Grande do Norte registriert. Zur gleichen Zeit wird ein Antrag auf Beugehaft wegen Anstiftung zur Plünderung gegen den Führer der Landlosenbewegung, Joäo Pedro ST£DILE, von der Justiz in Rio de Janeiro abgewiesen. ST£DILE wird auch vom Vorwurf der öffentlichen Aufwiegelung und der Aufforderung zu illegalen Landbesetzungen freigesprochen. In Pernambuco werden in den Monaten Mai, Juni und Juli immer wieder Lkws geplündert und deren Lebensmittelladungen zu den Zeltlagern der Landlosenbewegung MST gebracht.
19.5.
2.500 Bürgermeister und Gemeinderäte aus ganz Brasilien versammeln sich in Brasilia und versuchen, sich Zutritt zu dem Regierungssitz zu verschaffen, um dem Staatspräsidenten einen offenen Brief mit ihren Forderungen zum Schutz der Munizipien zu übergeben. Sie werden von der Po-
151
Lateinamerika Jahrbuch 1999
lizei daran gehindert und überstellen den Brief schließlich dem Bundessenat. 20.5.
Aus allen Landesteilen kommend, versammeln sich in Brasilia 15.000 Demonstranten zu einem von der Gewerkschaftszentrale CUT organisierten "Nationalen Tag für Beschäftigung und soziale Rechte" vor dem Parlament. Bei Zusammenstößen mit der Polizei werden 21 Personen verletzt.
23.5.
Der progressive Erzbischof von Säo Paulo, Kardinal Evaristo ARNS, tritt in den Ruhestand. Zu seinem Nachfolger wird der als gemäßigt geltende Bischof Cläudio HÜMMES berufen.
28.5.
Gegen den Gouverneur von Santa Catalina, Paulo Afonso VIEIRA (PMDB), wird Anklage wegen mißbräuchlicher Ausstellung von öffentlichen Schuldtiteln für die Bezahlung von gerichtlich erwirkten Forderungen erhoben. Auch der Gouverneur von Pernambuco, Miguel ARRAES (PSB), der Bürgermeister von Säo Paulo, Celso PITTA (PPB), sowie sein Vorgänger im Amt, Paulo MALUF (PPB), werden im gleichen Zusammenhang gerichtlich verfolgt. Celso PITTA wird vorgeworfen, als Finanzminister der Regierung MALUF Schuldtitel in Höhe von R$ 1.23 Mrd. ausgestellt zu haben. (Das Verfahren war bis Ende 1998 noch nicht abgeschlossen.)
Juni 10.6.
Für die Präsidentschaftswahlen vom Oktober kürt die Arbeiterpartei PT ihren Ehrenvorsitzenden, Luis Inäcio LULA DA SILVA, zum Kandidaten. Am 14.6. wird Ciro GOMES, ehemaliger Nachfolger von Fernando Henrique CARDOSO im Amt des Finanzministers, als Kandidat der Sozialistischen Volkspartei PPS offiziell aufgestellt. Am 20.6. wird Fernando Henrique CARDOSO für die Koalition aus der sozialdemokratischen Partei PSDB, der liberalen PFL und der rechtskonservativen PPB zum Präsidentschaftskandidaten bestimmt; am 29.6 tritt der PTB der Koalition bei. Am 28.6. beschließt der PMDB, keinen eigenen Kandidaten aufzustellen und die Wiederwahl von Fernando Henrique CARDOSO nicht zu unterstützen.
13.6.
Lucio COSTA, neben dem Architekten Oscar NIEMEYER der maßgebliche Stadtplaner der Hauptstadt Brasilia, stirbt im Atter von 96 Jahren in Rio de Janeiro an Altersschwäche.
19.6.
Die Telefongesellschaft des Bundesstaates Rio Grande do Sul CRT wird mit dem Gebot von R$ 1,17 Mrd. vom spanisch-brasilianischen Konsortium Telefönica do Brasil Holding ersteigert.
19.6.
Nach Bekanntwerden von mehreren Fällen ungewollter Schwangerschaft bei Frauen, die die Antibabypille „Microvlar" von Schering do Brasil eingenommen hatten, wird das Pharmaunternehmen von Amts wegen für fünf Tage geschlossen; außerdem werden R$ 3 Mio. als Strafgeld erhoben. Das Unternehmen gibt zu, zwischen Januar und April 1998 zwei Tonnen Schein-Antibaby-Pillen hergestellt und verpackt zu haben mit dem Ziel, lediglich die Verpackungen zu testen. Am 1.10. wird ein Gerichtsverfahren
152
Brasilien
gegen den Vorsitzenden von Schering do Brasil, Rainer Manfred Michael BITZER, und den für die Pharmaherstellung verantwortlichen Direktor, Walter Frederico SCHENCK, eröffnet. 25.6.
Der bisherige Vorsitzende der Brasilianischen Bischofskonferenz CNBB, der konservative Erzbischof von Salvador (Bahia), Kardinal Lucas MOREIRA NEVES, wird zum Vorsitzenden der römischen Bischofskongregation ernannt und übergibt den Vorsitz der CNBB seinem Stellvertreter, dem fortschrittlichen Bischof von Pelotas (Rio Grande do Sul), Jayme
30.6.
Die beiden Führer der Landlosenbewegung in der Region Pontal do Paranapanema (Bundesstaat Säo Paulo), José RAINHA JR. und seine Frau Diolinda ALVES DE SOUZA, werden zu zwei Jahren Gefängnis wegen der Besetzung der Farm Säo Domingos (in Sandovalina, Säo Paulo) verurteilt. Da sie nicht vorbestraft sind, wird die Strafe auf Bewährung ausgesetzt.
CHEMELLO.
Juli 10.7.
Die Dozenten der Bundesuniversitäten beenden ihren am 31. März begonnenen Vorlesungsstreik, nachdem ihre Gehälter aufgrund eines präsidentiellen Erlasses um 11%-48% erhöht wurden. Ziel des Streiks war u.a. zu verhindern, daß das mittels einer einstweiligen Verordnung durch den Staatspräsidenten verfügte Förderungsprogramm für Universitätsdozenten im Grundstudium ( graduagäo ) PID vom Parlament bestätigt wird. Den Dozenten zufolge beschränkte sich das PID auf Dozenten mit einem Mindestdeputat von 40 Wochenstunden. Diese Forderung war vom Parlament bereits am 13.5. erfüllt worden.
29.7.
In der größten Privatisierungsauktion des Jahres wird das zuvor in zwölf Einzelgesellschaften aufgeteilte staatliche Telefonsystem der Telebrás in Einzelauktionen versteigert. Die Gesamteinnahmen betragen umgerechnet US$ 18,9 Mrd., rund 63,8% mehr als der festgesetzte Mindestpreis. Wichtigster Abnehmer war die Telefónica de España, die den Zuschlag für die Telesp von Säo Paulo (US$ 5 Mrd.) und für die mobilen Telefongesellschaften vom Südosten und Osten des Landes erhielt. Nach Schätzungen der 1997 für den Telekommunikationsbereich eingerichteten Regulierungsbehörde ANATEL werden die neuen Eigentümer in den nächsten drei Jahren insgesamt US$ 60 Mrd. investieren müssen, um die Kaufbedingungen - darunter die Einrichtung von 14 Millionen neuen Telefonleitungen - zu erfüllen. Vom März bis Oktober werden die Konzessionen für den Betrieb des B-Netzes in Säo Paulo (Ersteigerer ist das brasilianischschwedische Tess-Konsortium; Gebot: R$ 1,32 Mrd.), Rio de Janeiro und Espirito Santo (brasilianisch-koreanisches ABC-A/gar-Konsortium; R$ 1,5 Mrd.), Minas Gerais (brasilianisch-italienisches Konsortium Maxitel\ R$ 520 Mio.) und in der Nordregion (brasilianisches Konsortium Inepar, R$ 60,55 Mio.) vergeben.
153
Lateinamerika Jahrbuch 1999
August 2.8.
Nach einem Beschluß der für die Flexibilisierung des staatlichen Erdölmonopols am 16.1.98 eingerichteten Regulierungsbehörde ANP soll die staatliche Erdölgesellschaft Petrobras die Kontrolle über 7,1% aller bekannten potentiellen Erdölfundstellen Brasiliens (bacias sedimentäres) behalten.
12.8.
Der Oberste Wahlgerichtshof lehnt ein Gesuch des ehemaligen Staatspräsidenten Fernando COLLOR DE MELLO auf Zulassung seiner Präsidentschaftskandidatur für die Oktoberwahlen endgültig ab. Die Richterin Maria Tereza CARCOMO LOBO erkennt dem 1980 verstorbenen Dichter und Komponisten Vinicius DE MORAIS posthum eine Amnestie zu. Er war 1969 aufgrund des "Institutionellen Akts Nr. 5" - eine Art selbst erlassenes Ermächtigungsgesetz für das autoritäre Militärregime - aus dem diplomatischen Dienst entlassen worden. Als Folge der Amnestierung erhalten die Nachkommen rückwirkend eine Rentenerhöhung. Wegen Beteiligung an dem Gemetzel vor der Candeläria-Kirche in Rio de Janeiro im Jahr 1993, bei dem acht Straßenkinder im Schlaf ermordet wurden, wird der ehemalige Militärpolizist Marco Aur6lio ALCANTARA ZU insgesamt 204 Jahren Haft verurteilt.
14.8.
25.8.
September 7.9.
8.9.
154
Am Tag der Nationalen Unabhängigkeit veranstalten die Bewegung der Landlosen MST, der Dachverband der Sozialbewegungen und die Bischöfliche Kommission für die Landpastoral in 20 Landeshauptstädten unter dem Motto „Grito dos Excluidos" ("Aufschrei der Ausgegrenzten") Protestkundgebungen gegen die Politik der Zentralregierung. Angesichts der Auswirkungen der Rußlandkrise, die voll auf Brasilien durchzuschlagen drohen, ergreift die Regierung erste Maßnahmen zur Sanierung der öffentlichen Haushalte (das nominale Defizit erreichte in den ersten sieben Monaten des Jahres 7% des BIP); die Ausgaben- und Investitionskürzungen des Bundes betragen umgerechnet R$ 4 Mrd. noch für das Jahr 1998 und weitere Kürzungen um R$ 8,6 Mrd. für 1999. Mitten in der heißen Phase des Präsidentschaftswahlkampfes werden außerdem die Leitzinsen drastisch angehoben (von 19,2% im August auf 49,75% im Oktober). Dennoch beträgt die Kapitalflucht allein im Monat September US$ 21,5 Mrd. Zum Vergleich: Bis Ende September betrug der gesamte Zufluß an Direktinvestitionen US$ 18 Mrd. (ein Drittel davon im Rahmen des Privatisierungsprogramms), womit Brasilien hinter China zum weltweit zweitgrößten Empfängerland wurde. Da die Handels- und die Dienstleistungsbilanz stark negativ ausfallen, muß die Zentralbank verstärkt auf Auslandskredite und auf die eigenen Währungsreserven zurückgreifen, mit der Folge, daß Brasiliens Auslandsverschuldung steigt (bis Ende Juni auf US$ 228,186 Mrd.) und die Währungsreserven von US$ 74,6 Mrd. im April auf US$ 42,3 Mrd. Ende Oktober fallen.
Brasilien
18.9.
21.9.
Nach einem Gerichtsentscheid sollen die Familienangehörigen des 1971 in Rio de Janeiro ermordeten politischen Häftlings Rubens PAIVA eine Entschädigung in Höhe von R$ 620.000 erhalten. Wegen Medikamentenfälschung (es handelt sich um „Androcur" für die Behandlung von Prostataleiden) wird der brasilianische Pharmabetrieb Veafarm, Santo André, geschlossen und dessen Direktor festgenommen. Am 9.11. werden weitere Anteilseigner in Untersuchungshaft genommen.
Oktober 4.10.
Fernando Henrique CARDOSO wird mit 53,06% der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang zum Präsidenten wiedergewählt; auf LULA entfallen 31,7%, auf Ciro GOMES 11% der gültigen Stimmen. Trotz Wahlpflicht gehen 21,5% der Wähler gar nicht zur Wahl, 8% der Stimmzettel sind leer und 10,7% ungültig. Am selben Tag finden Parlamentswahlen (1/3 des Senats, Abgeordnetenhaus und 27 Landesparlamente) sowie die Wahl der Gouverneure von 27 Bundesstaaten (einschl. des Bundesdistrikts Brasilia) statt. Von den 21 Gouverneurskandidaten, die sich erneut zur Wahl stellen, werden nur 14 wiedergewählt. Auf die Oppositionsparteien entfallen sechs der 27 gewählten Gouverneure. Im Abgeordnetenhaus erhält die bisherige Regienjngskoalition 381 Sitze (15 weniger als 1994), während die Opposition auf 132 Sitze (+15) kommt. Im Senat entfallen 68 (-1) von insgesamt 81 Sitzen auf die Regierungsparteien.
9.10.
Der ehemalige Militärpolizist Otävio Lourengo GAMBRA wird von einem Zivilgericht wegen Mordes und anderer Delikte zu 65 Jahren Haft verurteilt. Er hatte bei einer Polizeidurchsuchung in der Favela Naval (Säo Paulo) Anfang 1997 einen wehrlosen Autofahrer erschossen. Zuvor war er von einem Militärgericht zu lediglich drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Weitere Beteiligte werden zu milderen Strafen verurteilt. Die Umweltbehörde IBAMA verbietet in den südlichen Munizipien des Amazonas-Bundesstaates Parä so lange jede weitere Ausbeutung und Verarbeitung sowie den Verkauf und Transport von Tropenholz, bis eine entsprechende Bestandsaufnahme durchgeführt ist.
27.10.
28.10.
Gut drei Wochen nach den Wahlen erläßt der wiedergewählte Präsident CARDOSO ein neues Maßnahmenpaket mit zusätzlichen Einsparungen in Höhe von R$ 28 Mrd. (3% des BIP) zur Sanierung der öffentlichen Haushalte im Jahre 1999. Bereits am 18. November werden die ersten Maßnahmen vom Parlament angenommen: Renten- und Pensionsempfänger des Privatsektors müssen fortan einen Rentenbeitrag zahlen, und der Sozialbeitrag Cofins, bislang nur von Nicht-Finanzunternehmen geleistet, soll nun auch von Banken gezahlt werden. Die Entscheidung über eine Anhebung und Fristverlängerung der CPMF (Provisorische Steuer auf Finanzbewegungen, die sog. "Schecksteuer") wird jedoch verschoben. Um den dadurch bedingten Einnahmenausfall in Höhe von R$ 5,4 Mrd. auszugleichen, erhöht die Regierung am 30.12. Steuern und Sozialbeiträge der Unternehmen. 155
Lateinamerika Jahrbuch 1999
November 4.11.
Die Ausführungsbestimmungen zu dem am 3.6. verkündeten Krankenversicherungsgesetz werden erlassen. Demnach wird der Krankenversicherungsmarkt für ausländische Gesellschaften geöffnet, die Karenzzeiten werden verkürzt, die Verpflichtung zur Deckung sämtlicher Krankheiten und Organverpflanzungen sowie eine Preisdifferenzierung nach sieben verschiedenen Altersgruppen eingeführt.
10.11.
Das Eisenbahnunternehmen von Säo Paulo Malha Paulista wird zum Preis von US$ 240 Mio. an ein von der Bergbaugesellschaft CVRD und den Pensionsfonds des Banco do Brasil und der Bundessparkasse CEF gebildetes Konsortium verkauft. Damit ist die Privatisierung des gesamten öffentlichen Eisenbahnnetzes in Brasilien abgeschlossen.
13.11.
Michel CAMDESSUS, Generaldirektor des IWF, kündigt ein Stützungspaket für Brasilien in Höhe von US$ 41,5 Mrd. an, an dem sich neben dem IWF, der Weltbank und dem BID auch mehrere Industrieländer beteiligen sollen.
23.11.
Kommunikationsminister MENDONQA DE BARROS tritt zurück, nachdem (mittels illegal abgehörter Telefongespräche) bekannt wird, daß er im Zusammenhang mit der Versteigerung der Telebrás-Gesellschaften vom 29.7. das Konsortium Opportunity begünstigt haben soll. Mit ihm zusammen treten der Präsident und der Vizepräsident der Nationalen Entwicklungsbank BNDES, André LARA RESENDE und Pio BORGES, zurück. Bei einem Zusammenstoß zwischen Mitgliedern der Landlosenbewegung MST und Sicherheitskräften der Farm Säo Francisco in Paraná wird der Landlose Sétimo GARIBALDI getötet. Eine Anklage gegen zehn Militärpolizisten wegen Beteiligung an einem 1993 angerichteten Gemetzel in der Favela Vigárío Geral, Rio de Janeiro, bei dem 21 Personen getötet wurden, endet mit Freispruch.
27.11.
28.11.
Dezember 2.12.
9.12.
156
Der IWF stellt die erste Tranche (US$ 5,3 Mrd.) des 41,5-Mrd.-Pakets bereit. Am selben Tag findet die Regierungsvorlage, die eine Anhebung des Rentenbeitrags für Beamte und die Einführung eines Rentenbeitrags für Rentner des öffentlichen Dienstes vorsieht, nicht die erforderliche Mehrheit im Parlament. Zwischen der Metallarbeitergewerkschaft der ABC-Städte sowie von Taubaté im Großraum Säo Paulo und der Geschäftsleitung von Volkswagen do Brasil wird Einvernehmen über die Verkürzung der Arbeitszeit von 42 auf 35 Wochenstunden und über eine 15%ige Kürzung des Monatslohnes erzielt. Im Gegenzug verpflichtet sich die Geschäftsleitung, die Entlassung von Betriebsrentnern auf Dezember 1999 zu verschieben und in den nächsten fünf Jahren sog. "Programme freiwilliger Kündigungen PDV" aufzustellen. Außer VW sind auch Ford und Fiat zu erheblichen Produkti-
Brasilien
onskürzungen gezwungen, da der Autoabsatz teilweise um mehr als 20% zurückging. 16.12.
Drei Jahre und neun Monate nach Beginn der parlamentarischen Behandlung wird die Verfassungsänderung zur Rentenreform verkündet. Eine der wichtigsten Neuerungen besteht darin, daß die Renten sowohl im Privatsektor als auch im öffentlichen Dienst nicht mehr nach einer Mindestbeschäftigungszeit, sondern nach einer Mindestbeitragszeit bzw. einem Mindestalter gewährt werden.
16.12.
Die am 4.10. gewählte Bundesabgeordnete Ceci CUNHA (PSDB) wird in Maceió zusammen mit ihrem Ehemann, ihrem Schwager und dessen Mutter von Killern ermordet. Als „Auftraggeber" wird der als Nachrücker gewählte Talvane ALBUQUERQUE (PTN) verdächtigt. Präsident CARDOSO gibt die Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft bekannt. Sie besteht zum Großteil aus Mitgliedern des alten Kabinetts: Pedro MALAN (Finanzen), José SERRA (Gesundheit), Paulo Renato
23.12.
SOUZA
(Erziehung),
Francisco
TURRA
(Landwirtschaft),
Paulo
PAIVA
(wechselt vom Arbeits- auf das Planungsressort über), Luiz Felipe LAMPREIA (Auswärtiges), Francisco WEFFORT (Kultur) und Raul JUNGMANN
(Agrarpolitik). Als Neuerung wird die Umbenennung des Industrie- und Handelsministeriums in Ministério
do Desenvolvimento,
Indùstria
e Co-
mércio mit Celso LAFER an der Spitze angesehen. Femer wird die administrative Zusammenfassung der bisher drei Militärministerien (Heer, Marine und Luftwaffe) mit der Ernennung von Élcio ALVARES zum Verteidigungsminister unter vorläufiger Beibehaltung der drei Ressorts eingeleitet. 27.12.
29.12.
In Parà wird Francisco FONSECA DOS SANTOS, Mitglied der Landlosenbewegung MST, in eine Falle gelockt und ermordet. Auch in Vale do Paraiba (Säo Paulo) werden im Dezember zwei Mitglieder der MST ermordet. Das Heer entsendet 300 Soldaten in die südliche Region des Bundesstaates Parà, um weitere Landkonflikte zu vermeiden. Seit Mai steht die Koordinierung aller Aktionen des Bundes und der Bundesstaaten zur Räumung von besetzten Farmen in Süd-Parä unter der Verantwortung der Heeresstreitkräfte. Nach einer Statistik der Bischöflichen Kommission für Landpastoral fanden vom Januar bis zum 4.12. 390 Farmbesetzungen statt. Offiziellen Statistiken zufolge wurden 1998 bis zum 4.12. 78.095 Familien (1997: 81.994) angesiedelt.
31.12.
Die Entführer des Unternehmers Abilio DINIZ (zwei Kanadier, zwei Argentinier, fünf Chilenen und ein Brasilianer), die seit Dezember 1989 im Gefängnis von Säo Paulo ihre Strafen abbüßen, beenden ihren seit dem 16.11. andauernden Hungerstreik, nachdem die brasilianische Regierung die Abschiebung in ihre Heimatländer, wo sie ihre Reststrafen verbüßen sollen, zusagt. Die spektakuläre Entführung hatte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl von 1989 stattgefunden. Gilberto
Calcagnolo
157
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7.99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Wahrung:
Brasilia 8.511.965 Real
BRASILIEN Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE K E N N Z I F F E R N
1980
1990
1996
1997
121,67 38,1 57.8 66,2 30,7 3,9 36,7 26,6 36,7
147,94 34,8 60,9 74,7 23,6 2,7 23,3 22,7 S4
161,51 31.2 64 78,9 21 2,4
163,70 30,7 64,5 79,S 20,6 2,3
62 109 70 86 62,7 1080 74,9
72 115,3 47,8 83 65,4 735 81,6
123,4 36 42 67
34 44 67
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro K o p f (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
234873 2190 21869 27826 -12831 9682 1544 6880
464989 2670 35170 28184 -3823 4594 324 9176
774946 4340 52872 66770 -23602 32492 11667 59704
820381 4790 60256 79817 -33840 26434 18610 51730
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
69.7 9,2 23,3 21.1 II 43,7 33,4 45,3
59,3 19.3 20,2 21,4 8,1 38,7 26,5 53,2
62,2 19,2 20,7 18,6 8 35,5 22,9 56,5
63,2 18.2 21.3 18,6 8,1 35,2 22,8 56.7
71520 41375 14757 7909 63.3 9,1 82,8
119877 87669 8169 2256 22,2 -4,3 2947,7
179480 95016 25073 10637 42,3 2,8 15,8
193663 86745 38091 1884 57,4 3,2 6,9
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
243,26 2 1,5
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
83.9
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
158
2,3 1.9 475,7
Brasilien
BRASILIEN BSP pro Kopf und reale Wachstumsrate des BIP
8 8 8 9 9 0
91
9 2 9 3 9 4 9 5 9 6 9 7 Jahre
S S BSP
Wachstumsraten
BRASILIEN Auslandsverschuldung
88
89
90
91
92 93 Jahre
94
95
96
97
Gesamtverschuldung _Q_ Schuldendienst
159
Lateinamerika Jahrbuch 1999
160
Bolivien
Bolivien Amtlicher Name: Präsident Im Amt seit: Vizepräsident:
República de Boüvia Hugo BANZER SUAREZ 6. August 1997 Jorge Femando QUWOGA RAMIREZ
Nächste Präsidentschaftwählen 2002 Regierungskoalition: Bei den Wahlen am 1.6.1997 errang Generai Hugo BANZER mit 22,3* der Stimmen einen relativen Sieg. Mit dem am 4.6.1997 geschlossenen Parteienbündnis Compromiso por Boüvia verfügte er Ober eine sichere Mehrheit, um Anfang August im Parlament als Präsident auf fönf Jahre gewählt zu werden, Das BOndnis vereint 96 der 130 Sitze in der Abgeordnetenkammer und 24 der 27 Sitze im Senat; es umfaßt folgende Parteien: Acción Democrática Nacionalista (AON) (BANZER-Partei, rechtes politisches Spektrum), Movimiento de la Izquierda Revolucionaria (MIR), geführt von ExPräsident Jaime PAZ ZAMORA und Unión Cívica Solidaridad (UCS). Kabinett (Stand Juli 1999): Außeres: Javier MURIUO DE LA ROCHA; Inneres; Guido E. NAYAR PARADA; Finanzen: Herbert MUELLER COSTAS; Verteidigung. Luis Femando KIEFFER GUZMAN; Justiz und Menschenrechte: Ana Maria CORTÉS; Arbeit Leopoldo LÓPEZ Cossto: Außenhandel und Investition: Jorge CRESPO VELASCO; Wirtschaftliche Entwicklung: Jorge PACHECO; Landwirtschaft: Oswaklo ANTEZANA VACA DIEZ; Entwicklung und Umwelt Erick Alberto REYES VILLA; Soziale Kommunikation und Erziehung: Tito Hoz DE LA VILLA.
Oppositionsparteien im Parlament Movimiento Nacionalista Revolucionario (MNR), Izquierda Unida (IU); Movimiento Bolivia Libre (MBL). Sitzverteilung im Parlament seit der Wahl vom 1.6.1997 (vierjährige Legislaturperiode) Abgeordnetenhaus (130 Sitze): ADN: 33; MNR: 26; MIR: 25; UCS: 21; Condepa: 17; MBL 4: IU: 4. Senat (27 Sitze): ADN: 13: MNR: 3; MIR: 6; Condepa: 3; UCS: 2
Chronologie 1998 Im Mittelpunkt des ersten Amtsjahres der Regierung BANZER standen die Bemühungen, den externen Kapitalzufluß - speziell der weichen Kredite - zu konsolidieren, die Antidrogenpolitik zu verbessern und die Megakoalition derart zu stärken, daß sie auch unpopuläre Maßnahmen wie die Neugestaltung des Bonosol und der Participación popular mittragen würde. Die Durchsetzung des Drogenbekämpfungsplans von BANZER führte während des ganzen Jahres zu blutigen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitsorganen. Die militanten Kräfte wehrten sich nicht nur gegen die Herabsetzung der "Vernichtungsprämie" und die Umwandlung der individuellen gegen eine Entschädigung für die comunidad, sondern vor allem gegen die gewaltsame und nicht mit den Bauern abgestimmte Vernichtung der Anbauflächen durch Polizei und Militär. Präsident BANZER verkündete, daß er mit Hilfe der internationalen Gebergemeinschaft das Land bis 2002 aus dem circulus vitiosus des Drogengeschäftes herausführen werde. Vor allem die USA übten laufend Druck aus, bei weiter zunehmendem Tempo und ohne Verletzung der Menschenrechte die Kokavernich-
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tung voranzutreiben. Angesichts der Entschlossenheit von BANZER, seinen Plan durchzuziehen, steigerten die USA nicht nur den Jahresbetrag auf US$ 49 Mio., sondern sichern für das nächste Jahr wieder eine Anhebung zu. Die Spannungen in der Megakoalition, speziell mit Condepa, steigerten sich gegen Jahresmitte. Anfang August trennte sich BANZER von dieser in sich zerfallenden Partei. Er wechselte vier Minister seines Kabinetts aus (prominentester Neuling: Herbert MUELLER) und konsolidierte die Macht der ADN. Der mit dem Koalitionspartner MIR nicht abgesprochene Rücktritt des Gesundheitsministers führte zu einer Distanzierung der beiden großen Parteien. Auf der Grundlage eines neuen IWF-Abkommens und der damit verbundenen makroökonomischen Auflagen sowie neuer BID-Hilfen konnte Bolivien die Bedingungen für die Entlastung der Auslandsschuld für hochverschuldete kleine und arme Länder erfüllen. Gleichzeitig sagten die Geber beim Koordinierungsgespräch ausreichend Mittel sowohl für den Ausgleich als auch für die Bekämpfung der Armut zu. In der ersten Hälfte des Jahres gab Präsident BANZER die Transformation des Bonosol in eine Sparanlage bekannt (Begründung: Finanz- und Liquiditätsmangel). In der zweiten Jahreshälfte kündigte er die Umgestaltung und Ergänzung der Bürgerpartizipation an den lokalen und regionalen politischen Entscheidungen und die Dezentralisierung an. Damit sollte die Entwicklung der Munizipien stärker auf eine eigene Finanzierungsbasis gestellt und die Beteiligung in produktive Aktivitäten kanalisiert werden. Anhänger und ehemalige Mitglieder der Regierung SÁNCHEZ DE LOZADA (einschließlich des Ex-Präsidenten) mobilisierten Protestaktionen. In der Frage eines freien Zugangs zum Pazifik für Bolivien blieben die Positionen verhärtet, und es kam zu keiner wirklichen Annäherung gegenüber Chile. Vor der OAS beklagte sich Bolivien vielmehr, daß das Nachbarland die Grenze vermint habe. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen im Chapare riefen die neue Ombudsfrau auf den Plan, die ein Zweigbüro im Kokagebiet eröffnet hatte, um zur Befriedung des Gebietes beizutragen. Das Verfassungsgericht konnte sich nach langen Verzögerungen ebenfalls rechtlich und organisatorisch etablieren. Januar 18.1.
Die Central Obrera Boliviana (COB) weist das Angebot von Arbeitsminister LÓPEZ von rd. 8% Lohnerhöhung zurück. Der Generalsekretär der COB kritisiert, daß im Staatshaushalt keine Mittel für Verbesserungen von Sozialleistungen vorgesehen seien. Die COB kündigt für den 1. April einen unbefristeten Streik an, falls die Regierung den Forderungen nicht nachkommt.
21.1.
Der Drogenbekämpfungsplan der Regierung BANZER „Por la dignidad. Estrategia en la lucha contra el narcotráfico 1998-2002" besteht aus vier Bereichen: Förderung des Anbaus von alternativen Produkten, Prävention und Wiederherstellung von ehemaligen Anbaugebieten, Vernichtung von illegalen Kokapflanzungen, Durchsetzung des Verbots des Kokaanbaus. Mehr als 70% der Finanzierung sind für alternative Kulturen vorgesehen.
27.1
Das Finanzministerium und die Verwaltungsgesellschaft der Pensionsfonds einigen sich, aus Liquiditätsgründen vorübergehend keine Bonosol auszuzahlen. Gleichzeitig beginnt Ex-Präsident SANCHEZ DE LOZADA eine
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Bolivien
Kampagne zur Verteidigung der unter seiner Regierung geschaffenen Beteiligung der Bolivianerinnen über 60 Jahre an den privatisierten bzw. kapitalisierten ehemaligen Staatsunternehmen. Die Regierung kündigt als Ersatz ein Sparkonto für die 3,5 Millionen unter die Gesetzgebung fallenden Personen an (6.4.).
Februar 1.2.
Die Drogenbekämpfungseinheit Fuerza Especial de Lucha contra el Narcotráfico beginnt mit 3.000 Mann, den "sanitären" Gürtel um die Anbaugebiete zu kontrollieren. Mit finanzieller Unterstützung der internationalen Gebergemeinschaft will Bolivien bis zum Jahr 2002 den Ausstieg aus den "Koka-Kokain-Geldwäsche-Geschäften" schaffen.
17.2.
Präsident BANZER und sein argentinischer Amtskollege MENEM unterzeichnen einen Vertrag, mit dem die Situation der rd. 700.000 illegal in Argentinien lebenden Bolivianer "großzügig" geregelt werden soll. Viele von ihnen waren als Folge der Massenentlassungen im Zuge der Anpassung und der Privatisierung der Staatsuntemehmen auf Arbeitssuche ins Nachbarland gegangen.
27.2.
Die Justizministerin Ana Maria CORTÉS DE SORIANO kündigt an, daß der ordentliche Haushalt keine Positionen für die Implementierung der zu schaffenden Institutionen des Ombudsmannes, des Verfassungsgerichtes und des Consejo de Judicatura vorsieht. Letzterer ist mit seinen vier Mitgliedern ein begehrliches Objekt für die parteipolitische Klientelwirtschaft.
28.2.
Eine Regierungsdelegation unter Vizepräsident Jorge QUIROGA und Innenminister Guido NAYAR verhandelt in Washington über die finanzielle Unterstützung von US$ 48,3 Mio. Im Rahmen des Programms zur Vernichtung von illegalen Koka-Anpflanzungen, zur Bekämpfung des Drogenhandels und zur Förderung der alternativen Landwirtschaft will die Regierung CLINTON den ursprünglich vorgesehenen Betrag auf US$ 12 Mio. kürzen, obwohl Bolivien zum dritten Mal das Erreichen der Planziele bescheinigt wurde.
März 6.3.
Angesichts der starren Haltung der USA in der finanziellen Unterstützung der Drogenbekämpfung intensiviert die Exekutive ihre Bemühungen in den EU-Ländern und Asien. Sie schließt kleinere Programme mit China und Spanien ab; auch Japan sagt Kooperation zu. Die Kokaanbauer und ihre organisierten Vertretungen, sechs Föderationen und speziell der Abgeordnete Evo MORALES, protestieren inzwischen weiter gegen die Regierungsentscheidung, den Betrag pro vernichtetem Hektar von US$ 2.500 auf US$ 1.650 zu senken.
16.3.
Die COB ruft zu einem dreitägigen Streik auf, nachdem sich die Regierung geweigert hat, mit einem neuen Tarifangebot (mehr als 6,5% Lohnerhö-
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hung für die Lehrer, 5,5% für die Angestellten im Gesundheitswesen und 3,2% für die anderen Bereiche) in die Verhandlungen zu gehen. 19.3.
Die UN-Kommission für Menschenrechte prüft bolivianische Berichte über die Verminung der Grenze durch Chile. Die Vollversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten erklärt sich trotz des Protestes des chilenischen Botschafters vor der OAS, Diego PORTALES, bereit, erneut die Frage des freien Zugangs von Bolivien zum Pazifik auf die Geschäftsordnung zu setzen. Der peruanische Präsident FUJIMORI bestätigt dem bolivianischen Präsidenten BANZER, daß 1999 die Verbindungsstraße BolivienPeru fertiggestellt werde und damit das Land einen Zugang zum Pazifik habe (27.3.).
26.3.
Die Journalistin Ana Maria ROMERO DE CAMPERO wird vom Kongreß mit großer Mehrheit zur ersten Ombudsfrau Boliviens gewählt. Als zunächst wichtigste Aufgabe dieser neuen demokratischen Institution kündigt sie eine Verbreitungskampagne über Ziele, Aufgaben und Nutzungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger an. Grundlage für die Einrichtung war das Gesetz Nr. 1818 vom 22. September 1997.
April 2.4.
Streikende Lehrer und Kokabauern blockieren die wichtigste Verkehrsader des Landes von Cochabamba nach Santa Cruz und werden von Sicherheitskräften bedrängt. Die Auseinandersetzungen fordern ein erstes Todesopfer. Innenminister NAYAR unterstreicht, daß er keine weiteren Ausschreitungen dulden werde. Er dementiert, daß der Einsatz von Tränengas zum Tode eines campesino geführt habe. Die Demonstrationen fordern in den folgenden Tagen weitere sechs Todesopfer und Verletzte; eine Vielzahl von Personen wird verhaftet. Die COB verweigert weiterhin Gespräche mit dem Arbeitsministerium über die ihrer Ansicht nach unzureichenden Lohnangebote.
3.4.
Die vier Mitglieder des Consejo de la Judicatura nehmen ihre Arbeit auf. Justizministerin CORTÉS kündigt an, daß sie US$ 160.000 als Arbeitsgrundlage für die neue Institution zur Verfügung stellt. Er wird - wie auch das Verfassungsgericht - im Gebäude des Justizministeriums in der Hauptstadt Sucre seinen Sitz haben.
15.4.
Verteidigungsminister KIEFFER erklärt, daß im tropischen Tiefland von Cochabamba Militär bei der Bekämpfung des Drogenhandels und -absatzes zum Einsatz kommt. Auch wenn der Minister nicht von einer Militarisierung der Zone sprechen will, sind mittlerweile 3.000 Soldaten im Einsatz. Pro Tag werden etwa 25 ha Kokapflanzungen vernichtet.
22.4.
Im Plan Operativo de Acción, der Investitionen von US$ 5,6 Mrd. vorsieht, sind US$ 4,8 Mrd. für Investitionen in den sozialen Sektoren vorgesehen; im Durchschnitt 7% Wachstum p.a. sollen bis 2002 erzielt werden. Der Plan wird der Koordinierungsgruppe der Geber in Paris präsentiert, die US$ 941 Mio. für das erste Jahr zusagen sowie Bolivien unterstützen, um
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Bolivien
23.4.
in den Genuß der Vorteile für arme hochverschuldete Länder zu kommen (3.5.). Die Regierung erzielt eine erste Annäherung mit den streikenden Lehrern. Sie erhalten 7,5% Gehaltserhöhung, erhöhtes "Lehrmaterialgeld", Rückzahlung der Abzüge für nicht gearbeitete Tage. Die verhafteten Lehrer werden freigelassen. Eine Einigung mit den Kokabauem kommt zunächst nicht zustande, da die Regierung es ablehnt, die Soldaten abzuziehen. Der Präsident, das Kabinett, die Antidrogeneinheit und die COB vereinbaren jedoch eine "Gefechtspause". Gleichzeitig schließt die Regierung Verträge über die freiwillige Vernichtung von Pflanzungen sowie über den Anbau alternativer Produkte mit Organisationen der Kokabauern im Chapare ab.
Mai 10.5.
Der trügerische Frieden, in dem der Chapare einige Wochen lebt, wird durch blutige Auseinandersetzungen zwischen Kokaanbauern, Polizei und Militär unterbrochen. Die militante Spitze um Evo MORALES droht mit "fünf Jahren Krieg", wenn die Regierung weiter gewaltsam die Pflanzungen zerstört und die Familien vertreibt. Präsident BANZER kündigt trotz Toter, Verletzter und Verhafteter an, daß er mit dem „Plan Dignidad" (Würde) fortfahren werde. US$ 507 Mio. stehen für die nächsten vier Jahre für den Anbau alternativer Produkte sowie die Erschließung neuer Gebiete im Chapare und im Oriente zur Verfügung.
29.5.
60 weitere Organisationen schließen sich dem Plan BANZERS an, freiwillig die Kokapflanzungen zu vernichten. Als Kompensation fördert die Regierung (abgesehen von der Entschädigung) Investitionen in den Comunidades. Gleichzeitig breiten sich die militanten Aktionen bis zur Grenze des Departements Beni aus. Die Abgeordnetenkammer fordert den Innen-, Verteidigungs- und Justizminister für den 2.6. auf, Auskunft über die Aktionen im Chapare und mögliche Menschenrechtsverletzungen zu geben. Die Ombudsfrau kündigt an, im Chapare ein Büro aufzumachen, um zu einer friedlichen Lösung des Konfliktes beizutragen.
Juni 3.6.
Die Spannungen in der Megakoalition um Ämter (und Pfründe) nehmen zu. Speziell ADN und Condepa, die den Präsidenten des Unterhauses stellen will, reiben sich zunehmend. Eine Kabinettsumbildung bahnt sich an.
13.6.
Der Präsident des Nationalen Wahlgerichtes und die Opposition im Parlament kritisieren scharf, daß die Registrierungsbehörde an die Exekutive transferiert wird. Die Partei Movimiento de Bolivia Libre (MBL) äußert die Befürchtung, daß die Glaubwürdigkeit der Wahlen zurückgehen und Manipulationen vorgenommen werden könnten.
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
17.6.
Die Weltbank beschließt, den Plan zur Armutsbekämpfung mit einem weichen Kredit (40 Jahre Laufzeit bei 15 tilgungs- und zinsfreien Jahren) über US$ 445 Mio. zwischen 1999 und 2002 zu unterstützen.
Juli 6.7.
24.7.
Ivo KULJIS, Minister für wirtschaftliche Entwicklung, tritt zurück. Nachfolger im Amt wird Jorge PACHECO. Auch Landwirtschaftsminister Freddy CONDE verläßt das Kabinett; er wird ersetzt durch Oswaldo ANTEZANA. Entsprechend der Koalitionsvereinbarung beharrt Condepa darauf, zwei Minister zu stellen. Der Präsidentenposten im Abgeordnetenhaus geht an die MIR. Nach einem langwierigen Prozeß des Zusammenstellens der Vorschlagsliste wählt das Parlament die fünf Mitglieder des Verfassungsgerichtes und ihre Vertreter. Diese jüngste Institution in der Demokratie Boliviens konstituiert sich schließlich am 5. August.
August 4.8.
8.8.
9.8.
10.8.
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Präsident BANZER kündigt an, daß Condepa die Koalition verläßt. Gleichzeitig nimmt er zwei weitere Kabinettsänderungen vor: Herbert MUELLER wird Finanzminister und ersetzt Edgar MILLARES, und Amparo BALLIVAN wird Wohnungsbauministerin (vorher: Eddy ESCÓBAR). ADN stärkt mit den freiwerdenden Condepa-Posten die eigene Machtbasis. Sie kontrolliert nunmehr neun Ministerien, MIR drei und die Unidad Cívica Solidaridad (UCS) bzw. NFR je ein Ministerium. Der Prozeß der participación popular wird gemäß BANZER neu ausgerichtet und soll zur Heranbildung von produktiven Munizipien führen, die eigenständig Finanzierung schaffen bzw. Gelder einwerben können. Die Anhänger der vorhergehenden Regierung mobilisieren gegen diese Maßnahme. Die internationale Gebergemeinschaft reagiert positiv und sagt Finanzierung für die Implementierung zu. Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB/BID) erläßt Bolivien US$ 155 Mio. Schulden. Aufgrund der Erleichterungen für arme hochverschuldete Länder gehen ab September die Auslandsverpflichtungen um rund US$ 430 Mio. zurück. Das bedeutet eine Entlastung von etwa US$ 500 Mio. in den nächsten fünf Jahren. Rund 1.000 Kokabauern des Chapare beginnen ihren dritten Protestmarsch auf La Paz. Die Anführer und Abgeordneten Evo MORALES und Román LOAYZA erklären, daß sie eine Revision des Plan Dignidad, die Beendigung der gewaltsamen Vernichtung der Pflanzungen, die Demilitarisierung des Chapare und den Schutz der Kokabauern fordern. Die USA entscheiden angesichts der Entschlossenheit der Regierung BANZER, den Plan trotz der hohen sozialen Kosten mit aller Härte fortzuführen und die Finanzierung für die Drogenbekämpfung für 1998/99 um 7,8% auf US$ 49 Mio. aufzustocken (25.8.).
Bolivien
September 1.9.
Die soziale und die politische Situation verkompliziert sich für die Regierung BANZER: Die militanten Teile der Kokabauern aus dem Chapare marschieren auf La Paz zu, ein Hungerstreik bedroht die Fertigstellung der Gaspipeline zwischen Bolivien und Brasilien, die Polizei unterdrückt massiv Demonstrationen der campesinos in den Yungas, und die COB droht permanent mit Mobilisierung, Demonstrationen und landesweiten Streiks.
5.9.
Die Ombudsfrau Ana Maria CAMPERO, die im Chapare ein Büro eröffnet hat, äußert öffentlich, daß der Konflikt zwischen Regierung und Kokabauern ein chronisches Stadium erreicht hat. Die Positionen sind verhärtet, und es ist keine Lösung in Sicht. Die Situation der Menschenrechte ist sehr prekär und fluktuierend, je nach dem, wie groß der Widerstand der Bauern gegen die gewaltsame Vernichtung ihrer Kokafelder ist.
10.9.
Der Druck der USA auf die bolivianische Regierung wächst, daß der AntiDrogenplan ohne Verletzung der Menschenrechte umgesetzt werden muß. Sollte das nicht der Fall sein, würde die finanzielle Unterstützung verringert. Die Regierung steht vor dem Dilemma, daß für die campesinos und ihre Organisationen allein die Förderung alternativer Produkte einen Ausweg darstellt. Das läßt sich aber nur mittel- bis langfristig verwirklichen. Die Erklärungen der US-Botschafterin haben zur Folge, daß Innenund Landwirtschaftsminister die Vertreter der Kokabauern zu einem Dialog vor Ort einladen. Die Kokabauern antworten mit Hungerstreiks am Sitz der COB (15.9 ), darunter auch der Abgeordnete Evo MORALES von Izquierda Unida.
18./19.9. Die Regierung vereinbart mit dem Internationalen Währungsfonds für die nächsten drei Jahre, das Haushaltsdefizit auf 2,0% des BIP und die Inflation auf 4,5% zu senken, ein neues Arbeitsgesetz zu verabschieden und die Steuergesetzgebung anzupassen. Weltbank und FMI beschließen endgültig, daß Bolivien in das Programm zur Schuldenerleichterung aufgenommen wird, um seine Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern (23.9.) 28.9.
Während die Bauern mit der erneuten Blockierung der Verbindung Cochabamba-Sta. Cruz drohen, versuchen Innen- und Landwirtschaftsminister wiederum, mit der COB in einen Dialog über die Kokaproblematik einzutreten. Im Chapare beginnt die Regierung mit den 64 Entwicklungsprojekten über insgesamt US$ 19 Mio. als Ausgleich für die freiwillige Vernichtung von Kokafeldem.
Oktober 3.10.
Die Regierung einigt sich mit der COB darauf, daß die Vernichtung der Kokapflanzungen in Zukunft abgestimmt mit den campesinos verläuft. Diese beenden daraufhin den Hungerstreik und kehren in den Chapare zurück. Eine weitere Konzession ist, daß - obwohl ab 1.10. die individuelle Prämie durch die gemeinschaftliche Entschädigung für die comunidad ersetzt wird - sie nochmals für sieben Tage in Höhe von US$ 800 pro ha 167
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freiwillig vernichteter Pflanzungen gezahlt wird. Jahresziel von BANZER sind inzwischen 10.000 ha. 9.10.
Der mit dem Koalitionspartner MIR nicht abgestimmte Rücktritt von Gesundheitsminister MARINKOVIC und dem Chef der Zollbehörde, Rubén CASTEDO - ihnen wird Korruption mit überfakturierten Impfstoffen vorgeworfen - führt zu Auseinandersetzungen zwischen ADN und MIR. BANZER suspendiert die erste Zusammenkunft der Führungen der politischen Parteien.
27.10.
Bolivien fordert, daß die Konfliktbeilegung mit Chile über einen Zugang zum Pazifik - wie im Fall von Ekuador und Peru - durch Vermittlernationen geschieht. Chile ist dagegen nur bereit, im Rahmen des gültigen Vertrages von 1904 eine technisch-organisatorische Lösung mit Bolivien zu suchen.
November 5.11.
Während die Zusammenstöße in den Kokagebieten sich radikalisieren, entschädigt die Regierung gemeinschaftlich 3.500 Familien, zusammengeschlossen in 295 Organisationen, die freiwillig ihre Pflanzungen vernichten. Der Ombudsmann des Chapare, Godofredo REINIQUE, nimmt seine Arbeit auf. Die Folge sind erste Konfrontationen zwischen Innenminister NAYAR und der Ombudsfrau Ana Maria DE CAMPERO als Folge der Denunzierungen über die Verletzung der Menschenrechte.
17.11.
Die Abgeordnetenkammer beschließt den Bericht der Menschenrechtskommission über den am 17.7.1980 ermordeten Sozialistenführer Marcelo QUIROGA, dessen sterbliche Reste in Zeiten der Regierung SANCHEZ DE LOZADA gefunden worden waren. Der Prozeß gegen die Täter kann eingeleitet werden.
26.11.
Die Regierung BANZER erreicht die externe finanzielle Konsolidierung. In den Wachstumszielen bleibt sie aufgrund der schweren Schäden von El Niño, den niedrigen Preisen für Rohstoffe und der internationalen Nachfragekrise hinter den Vorgaben zurück.
Dezember 4.12.
Die Regierung BANZER beschließt einen Plan zur Entwicklung des tropischen Teils des Departements Cochabamba mittels Verbesserung der Infrastruktur, Wiederherstellung des Flughafens Chimor6 für den zivilen Flugverkehr, Verbesserung der Telekommunikation und Förderung von Investitionen.
5.12.
Der Plan für die Sicherheit der Bürger, den die Regierung ausarbeitet, beruht auf vier Eckpfeilern: Polizei, Einwanderungsbehörde, Prävention und Haft mit Rahmengesetzen über Waffenbesitz, Sicherheit der Bürger, Straßenverkehr, Einwanderung, Alkoholausschank und Tabakverkauf sowie über Strafmaß und -Implementierung.
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Bolivien
11.12.
Die Diskussion und Abstimmung über die Ley Orgánica de Gobiernos Municipales, das das Gesetz über die Bürgerbeteiligung und die Dezentralisierung ergänzen soll, wird laut Erklärung der MIR-Abgeordneten Erica BROCKMANN verschoben.
31.12.
Die Inflation ist 1998 leicht steigend (CEPAL: 7,8%). Durch Produktionsverluste in der Landwirtschaft (- 3,1%) als Folge von El Niño und den Verfall der Rohstoffpreise sinken die Exporterlöse. Bei gleichzeitig steigenden Importen erhöht sich das Leistungsbilanzdefizit. Zusammen mit einem geringeren Kapitalzufluß und sinkender Inlandsaktivität stagniert das Wachstum des BIP mit 4,5% auf dem Niveau der Vorjahre. Mechthild Minkner-Bünjer
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Lateinamerika Jahrtuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Währung:
BOLIVIEN La Paz 1.098.381 Boliviano
Jahr 1980
1990
1996
1997
5,355 43.2 53,5 45.5 39.3 5,5 46,4 19,7 33,9
6,573 44 52,8 55,6 36,1 4,9 15,7 25,1 59,1
7,588 40,4 54.6 61.4 34 4,4 2.1 28,8 69,1
7,767 40,2 55,9 62,2 33,2 4,4
34 87 117,8 170 52,2 1540 69,1
52.8 88.6 81 124 58.3 2222 78,4
92 67 102 61
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro K o p f (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
2750 550 1030 833 -6 232 91 553
4867 730 977 1086 -199 255 26 511
7530 930 1313 1731 -380 611 472 1302
7977 970 1362 2049 -705 950 599 1359
Privater V e r b r a u c h (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der L a n d w i r t s c h a f t a m BIP (in %) Anteil der Industrie a m BIP (in %) davon: Verarbeitendes G e w e r b e (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
66,9 14 16,8 19,1 18 29 14,6 53
76,9 11,7 12,5 11,4 15,4 30,3 17 54,3
76,1 12,6 16,5 11.3 16.2 33,2 18,7 50,6
74,8 15,1 18,7 10,1 16.3 32,9 18,7 50,8
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: ö f f e n t l i c h e V e r s c h u l d u n g (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % d e r Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
2702 2181 366 220 35 -0.9 47,2
4275 3687 385 144 38,6 4.6 17,1
5200 4265 413 182 30.7 4.1 12,4
5247 4144 475
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 J a h r e n (in %) davon: im Alter von 15-64 J a h r e n (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in d e r L a n d w i r t s c h a f t (in %) Erwerbspersonen in d e r Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im J a h r e 2050 (in Mio.) Durchschnittliche j ä h r l i c h e Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
16,97 2,1 2,4
2. S O Z I A L E K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Z u g a n g zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % d e r M i n d e s t b e d a r f s n o r m ) Säuglingssterblichkeitsziffer (O-l Jahr) K i n d e r s t e r b e z i f f e r ( 0 - 5 Jahre) L e b e n s e r w a r t u n g bei d e r G e b u r t (in Jahren) E i n w o h n e r je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
66 96 61,5 83,6
3. W I R T S C H A F T L I C H E K E N N Z I F F E R N
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
170
0 4,2 10,4
32,5 4.2 4.7
Ekuador
Ekuador Amtlicher Name: República del Ecuador Präsident: J a m i l MAHUAD WITT ( D P ) Im Amt seit: 10. August 1998 Vizepräsident: G u s t a v o NOBOA BEJARANO Nächste Parlaments- und Präsidentschaftswahlen: 2002. - Nächste Amtseinführung des Präsidenten: 15.1.2003 (Änderung gemäß Art. 164 der neuen Verfassung vom 05.6. 1998, die am 10.8.1998 in Kraft trat). Kabinett (Stand Juli 1999): Äußeres: José AYALA LASSO; Inneres: Ana Lucia ARMUOS; Finanzen: Fidel JARAMILLO; Außenhandel, Industrialisierung, Fischerei: Héctor PLAZA S.; Verteidigung: Jorge GALLARDO ROMAN; Arbeit: Angel POLIBIO CHAVES; Gesundheit: Edgar RODAS; Soziales: Guillermo CELI; Erziehungswesen: Vladimiro ALVAREZ GRAU; Wohnung und Stadtentwicklung: Teodoro PEÑA; öffentliche Arbeiten: Raúl SAMANIEGO; Energie: Patricio RIBADENEIRA; Tourismus: Rocío VASQUEZ; Umwelt: Yolanda KAKABADSE; Landwirtschaft und Ernährung: Emilio GALLARDO. Der Generalsekretär des Präsidialamtes, Ramón Yu LEE, hat Ministerrang. Oppositionsparteien: Partido Rodolsista Ecuatoriano (PRE) und Movimiento Popular Democrático (MPD). (Die Parlamentsallianzen sind i.d.R. nicht stabil; hinzu kommen die Abgeordneten der Allianzen, die je nach Interessenlage als 'Satelliten' an den großen Parteien „andocken".) Sitzverteilung im Parlament (120 Sitze) aufgrund der Wahl vom 31. Mai 1998: Parteien: DP: 32, PSC: 26, PRE: 24; ID: 16; Pachakutik: 6; FRA: 3; PCE: 2; MPD: 2; CFP: 1. - Allianzen: DP-ID-PSC: 2; DP-FRA: 1; DP-Pachakutik: 1; Pachakutik-PSE-ID: 1; NP-PSE-Pachakutik: 1; FRA-PSE: 1; PSC-CFP: 1.
Chronologie 1998 Im Mittelpunkt des Jahres 1998 standen die Bemühungen, die Demokratie des Landes mittels der Ausarbeitung einer neuen Verfassung und vorgezogener Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wieder auf eine demokratische Grundlage zu stellen sowie den Grenzkonflikt mit Peru definitiv zu lösen. Die Arbeit der Verfassunggebenden Versammlung ( W ) , in der die Parteien Democracia Populär (DP) und Partido Social Cristiano (PSC) die Mehrheit bildeten, beschränkte sich im Januar und Februar auf die Revision der Artikel, die für die verfassungsgemäße Durchführung der kommenden Wahlen erforderlich waren. Die W entschied, den Posten des Vizepräsidenten, die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen und das Einkammerparlament beizubehalten. Gleichzeitig wurden das präsidiale System gestärkt und die parteipolitische Kohäsion im Parlament attraktiver gemacht, um die Regierbarkeit des Landes zu verbessern. Erstmals kandidierten für die Präsidentschaftswahlen am 31. Mai zwei Frauen: Maria Eugenia LIMA (Movimiento Populär Democrätico) und Rosalia ARTEAGA (Alianza Nacional-MIRA), und erstmals trat kein Kandidat der stärksten Partei des Landes, der PSC, an. Obwohl die W intern mit der Exekutive und Legislative schwere Konflikte durchstehen mußte, konnte die Verfassung am 5.6.1998 in Riobamba beschlossen und für ihre Inkraftsetzung am 10.8.1998 an das Parlament übergeben werden.
171
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Der erste Wahlgang verlief gemäß den Prognosen: Jamil MAHUAD WITT, ExBürgermeister von Quito und Kandidat der DP, sowie Alvaro NOBOA, Bananenmagnat und Kandidat der Bucaram-Partei Partido Rodolsista Ecuatoriano (PRE), erreichten die zweite Runde. Von den 121 Abgeordneten des Parlaments entfielen auf die Parteien DP, PSC und FRA, die später je nach Sach- und Interessenlage mit der ID und Pachakutik eine Allianz bildeten, 61 Sitze. Die zweite Wahlrunde beendete Jamil MAHUAD am 12. Juli mit einem knappen Vorsprung von etwa 102.000 Stimmen vor NOBOA. Die Mehrheit der Bevölkerung und des Auslandes begrüßte den Wahlausgang und setzte große Erwartungen in MAHUAD. Nach der Amtsübergabe widmete sich der neue Präsident vor allem der Lösung des Grenzkonfliktes mit Peru. Auf Druck der Garantiemächte, speziell der USA, kam eine Regelung auf der Grundlage des Protokolls von Rio de Janeiro von 1942 zustande. MAHUAD und sein peruanischer Amtskollege FUJIMORI unterschrieben im Beisein der Garantiemächte bzw. Ihrer Vertreter am 26.10. die Acta Presidencial de Brasilia. Ekuador verlor endgültig das von ihm mehr als 50 Jahre beanspruchte Territorium im Amazonas, erhielt allerdings Rechte für freien Handel und Schiffahrt. Trotz Widerständen wurden die Verträge von beiden Parlamenten ratifiziert. Bezüglich der Durchsetzung von Maßnahmen zur Stabilisierung der prekären wirtschaftlichen Situation zeigte sich Präsident MAHUAD weniger entschlossen. Die Krise verschärfte sich. Als sich seine Regierung gegen Jahresende der Problematik annahm, hatte sie in einigen Entscheidungen keine glückliche Hand. Durch die Abschaffung der Einkommenssteuer stieg das Haushaltsdefizit von 2,5% auf 6% des BIP. Das Wachstum stagnierte; die Inflation näherte sich der 45%-Marke. Die Regierung konnte kein kohärentes Programm vorlegen, wie sie den Haushalt sanieren, ausländisches Kapital anziehen, das Wachstum ankurbeln und den Wiederaufbau nach den schweren Schäden durch El Niño in Gang setzen würde. Januar 8.1.
Die erste Machtprobe zwischen Parlament und Asamblea Nacional betrifft deren Selbsternennung zur Nationalen Verfassunggebenden Versammlung. Der Kongreß stellt fest, das Land habe eine gültige verfassungsgemäße Ordnung mit funktionierender Gewaltenteilung.
17.1
Die Verfassunggebende Versammlung ( W ) beginnt mit neun Kommissionen und nach der programmatischen Abstimmung des Partido Social Cristiano (PSC) mit der Democracia Populär (DP) unter der Präsidentschaft von Ex-Präsident Osvaldo HURTADO (DP) und dem Vizepräsidenten Marcelo SANTOS (PSC) die Revision der Verfassung. Sie beschließt zunächst über sämtliche die nächsten Wahlen betreffende Artikel, wie z.B. über das Einkammersystem des Parlaments und die 2. Wahlrunde bei Präsidentschaftswahlen. Beides wird beibehalten (29.1.) Danach wird der zeitliche Ablauf der bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen festgelegt, um die Fristen einhalten zu können.
17.1.
Das Parlament setzt den Minister für Energie und Bergbau, Raul BACA CORBO, wegen einer für das Land schädlichen Erdölpolitik ab.
172
Ekuador
29.1.
Die Vertreter der indigenen Bewegung unter Führung der CONAi und der Basisorganisationen drohen mit Protestmärschen, falls ihre Vorschläge für die sozialen Fragen in der Verfassung nicht berücksichtigt werden.
Februar 2.2.
4.2.
Der peruanische Präsident FUJIMORI und Interimspräsident ALARCÓN treffen sich in Tumbes/Peru, um den Wiederaufbau der von El Niño zerstörten Küstenprovinzen zu koordinieren und ihren Willen zur Lösung des Grenzkonfliktes zu bekräftigen. Präsident ALARCÓN vereidigt die neuen Minister für Inneres, Edgar RIVADENEIRA, und für Arbeit, J o s é GUERRERO BERMÚDEZ.
7.2.
Angesichts der schlechten Wirtschaftslage präsentiert die Junta Monetaria Interimspräsident ALARCÓN neue Vorschläge zur Verringerung des Haushaltsdefizits, wie Abbau der Subventionen bei Elektrizität und Gas, 10% generelle Ausgabeneinsparung, Aufhebung der Befreiung von der Mehrwertsteuer und erneute Einführung von 4% Importzuschlag.
16.2.
Die W beschließt, die Amtszeit des Präsidenten um fünf Monate zu verlängern und das Datum der Amtsübergabe an den nächsten Präsidenten vom 10. August auf den 15. Januar zu verlegen.
17.2.
Die Verhandlungen über die Art der Handels- und Schiffahrtsrechte auf dem Amazonas (d.h. mit souveränem oder von Peru administriertem Zugang) sowie die Festlegung des Grenzverlaufs der restlichen 78km in der Cordillera El Cóndor sind entscheidend für den Friedensschluß mit Peru, der gemäß der Erklärung von Brasilia bis Ende Mai erreicht werden soll.
26.2.
Präsident ALARCÓN ernennt General César DURAN ABAD zum neuen Oberkommandierenden der Streitkräfte. Dieser löst am 1.3. turnusgemäß General Paco MONCAYO ab. MONCAYO gibt bekannt, daß er in den kommenden Präsidentschaftswahlen nur kandidieren werde, wenn sich die zentrumslinken Kräfte einigen.
27.2.
Die USA bestätigen Ekuador offiziell die Erfüllung der Ziele der Antidrogenpolitik (certification). Damit ist eine von Ekuador dringend benötigte finanzielle Unterstützung verbunden.
27.2.
Die Familie ARISMENDI RESTREPO will ihren Druck auf den ekuatorianischen Staat mit Hilfe der Interamerikanischen Menschenrechtskommission verstärken, um die sterblichen Überreste ihrer beiden 1988 von der Polizei getöteten Söhne aufzufinden. Die Staatsanwaltschaft hatte den Mord an den beiden Jungen zugegeben.
März 1.3.
Das Oberste Wahlgericht bestimmt als Termin für die Präsidentschaftsund Parlamentswahlen den 31. Mai dieses Jahres. Die Mitte-LinksParteien (Izquierda Democrática, Pachakutik, Partido Socialista Ecuatoriano) und Vertreter von Basisorganisationen einigen sich, Ex-General Pa173
Lateinamerika Jahrbuch 1999
co MONCAYO als gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu präsentieren (10.3.). 15.3.
Die Alianza Nacional-Movimiento Independiente por una República Auténtica (MIRA) wählt die derzeitige Vizepräsidentin, Rosalia ARTEAGA, in ihre Führung und stellt sie Ende März als Präsidentschaftskandidatin auf.
19.3.
Gemäß Revision der Verfassung wird der nächste Präsident des Parlaments aus der Partei/Bewegung mit der höchsten Abgeordnetenzahl für zwei Jahre gewählt werden. Ziel ist, die Parlamentsarbeit mittels einer stabileren Führung und klaren Sitzverteilung zwischen den Parteien zu verbessern.
26.3.
Der PSC, Ekuadors stärkste Partei, wird erstmalig keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten stellen. Die Führer der Partei, León FEBRES CORDERO und Jaime NEBOT SAADI, wollen sich auf die Parlamentswahlen konzentrieren, um stärkste Fraktion zu werden. Ziel ist, auf diese Weise für den Wiederaufbau der durch die El Niño-Katastrophe verwüsteten Provinzen über den neuen Haushalt Finanzmittel und Sonderregelungen zu erreichen.
April 1.4.
Der Movimiento Popular Democrático (MPD) stellt Maria Eugenia LIMA als ihre Kandidatin für die Präsidentschaft auf.
12.4.
Laut einer Meinungsumfrage ist die Akzeptanz von Interimspräsident Fabián ALARCÓN in der Bevölkerung von 71% im Februar 1997 auf 22% im März 1998 gesunken. Die Parlamentsblöcke, bestehend aus dem MPD, Pachakutik und PRE kündigen einen Mißtrauensantrag ( juicio político) gegen ALARCÓN an. Ihm wird Zweckentfremdung von Staatsgeldern, Schutz für steuerhinterziehende Unternehmer und Mißbrauch von Spenden für die Geschädigten der El Niño-Katastrophe vorgeworfen, womit er „gegen die nationale Ehre" verstoßen habe (17.4.)
21.4.
Die Verfassunggebende Versammlung akzeptiert den Rücktritt ihres Präsidenten und der Vizepräsidenten, Osvaldo HURTADO und Marcelo SANTOS. Grund ist, daß sowohl Interims- als auch Kongreßpräsident die Verlängerung der W um eine Arbeitswoche über den 30. April hinaus blockieren. Sechs Tage später verlängert die W ihre Einsatzzeit in einem "Verfahrenspaket", in dem über andere Termine im Plenum entschieden wird (z.B. Datum des Berichts der Verfassungskommission), bis zum 8. Mai.
29.4.
Der Consejo de Seguridad Nacional beschäftigt sich in Anwesenheit und nach Befragung der Vertreter der drei Gewalten und der W mit Lösungen für die politische Krise, die durch den Machtkampf zwischen den demokratischen Institutionen entstanden ist.
174
Ekuador
Mai 4.5.
Nachdem die W am 30.4. die Räume der Kriegsakademie verlassen mußte, nimmt sie ihre Arbeit zur Fertigstellung der neuen Verfassung in der Universidad Andina „Simón Bolívar" wieder auf, und zwar unabhängig davon, was Parlament oder Interimspräsident zur "Torpedierung" ihrer Arbeit beschließen werden.
8.5.
Das Parlament erklärt Interimspräsident ALARCÓN in sämtlichen Punkten, die Bestandteil des Mißtrauensantrages des Linksblockes waren, für nicht verantwortlich, weder im straf- noch im zivil- oder verwaltungsrechtlichen Sinn. Ex- Minister César VERDUGA wird dagegen für die Unterschlagung von öffentlichen Geldern zur Verantwortung gezogen werden.
12.5.
Außenminister José AYALA LASSO beginnt Konsultationen, um Unterstützung und Konsens für die ekuadorianische Position bei den am 18.5. beginnenden Verhandlungen der technischen Kommissionen zu erreichen. Diese tagen in den Hauptstädten der vier Garantiemächte. Die Präsidentschaftswahlen, zu denen sechs Kandidaten angetreten sind, gewinnen mit 36% bzw. 32% Jamil MAHUAD WITT von der DP und Alvaro NOBOA vom PRE. Auf den Plätzen drei bis sechs landen Paco MONCAYO (ID-Pachakutik), Freddy EHLERS (Nuevo Pais), Maria Eugenia LIMA (MDP) und Rosalia ARTEAGA (MIRA). Die Stichwahl wird für den 12.7. angesetzt.
31.5.
Juni 2.-4.6. 3.6.
22.6.
Die W trifft sich in Riobamba zur abschließenden Beratung und Verabschiedung der neuen Verfassung, die am 10.8.1998 in Kraft treten wird. Nach dem Partido Social Cristiano, der die Mehrheit bei den Parlamentswahlen errungen hat, gibt auch Izquierda Democrätica offiziell bekannt, daß sie Jamil MAHUAD im zweiten Wahlgang unterstützen wird. Der zweite Dialog von Cusln, Forum von Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen und Persönlichkeiten, erzielt Konsens darüber, daß die neue Verfassung - wie von der W vorgesehen - mit der Amtsübergabe an den neuen Präsidenten in Kraft tritt.
Juli 12.7.
Zweiter Wahlgang der Präsidentschaftswahlen: Jamil MAHUAD WITT gewinnt mit einem unerwartet knappen Vorsprung vor Alvaro NOBOA. Während dieser das Wahlergebnis anzufechten versucht, beginnt MAHUAD bereits über Außenminister AYALA LASSO diplomatische Kontakte mit Peru, um den Fortgang des Friedensprozesses nicht zu unterbrechen.
15.7.
Der Fronte Ecuatoriano de Derechos Humanos, Zusammenschluß von 25 Nichtregierungsorganisationen mit Projekten in 21 Provinzen des Landes, fordert Jamil MAHUAD auf, in seiner Amtszeit dem Kampf gegen die Armut und für innere Sicherheit Vorrang einzuräumen.
175
Lateinamerika Jahrbuch 1999
20.7.
Laut dem Obersten Wahlgericht sind im 2. Wahlgang 4.383.464 gültige und 526.828 ungültige Stimmen abgegeben worden sowie 49.766 Blankowahlzettel. Davon entfielen 2.242.836 Stimmen auf MAHUAD WITT und 2.140.628 auf NOBOA. Nicht gewählt haben trotz Wahlpflicht 2.112.468 Personen.
24.7.
Der gewählte Präsident MAHUAD kündigt an, daß er Außenminister AYALA LASSO im Amt bestätigen werde. Er trifft mit Interimspräsident ALARCÖN zusammen, um sich über die Friedensverhandlungen mit Peru zu informieren. Gemeinsam geführte Gespräche mit den Präsidenten der USA und Brasiliens bereiten den Fortgang des Prozesses vor.
30.7.
Die Spannungen im ekuatorianisch-peruanischen Grenzgebiet nehmen erneut zu, nachdem angeblich ekuatorianische Soldaten wieder auf peruanisches Territorium vorgedrungen sind. Ende Juni waren zwei peruanische Soldaten durch Personenminen getötet worden. Der neue Konflikt kann jedoch durch diplomatische Bemühungen entschärft werden.
August 1.8.
Die am 31.5. gewählten 121 Abgeordneten treten zur konstituierenden Sitzung des Kongresses zusammen und wählen Juan José PONS von der Democracia Popular zu ihrem Präsidenten. Die Partei des Präsidenten hat keine Mehrheit und ist auf die Unterstützung von PSC, ID und eine der kleinen Parteien angewiesen.
6.8.
Das Parlament spricht sich für die Fortsetzung der Verhandlungen mit Peru aus, um einen würdigen, gerechten und definitiven Frieden mit dem Nachbarland zu erreichen. Gemäß Umfrage sind auch 58% der Bevölkerung dafür.
10.8.
Jamil MAHUAD übernimmt die Amtsgeschäfte als Staatspräsident, die neue Verfassung tritt in Kraft, das Oberkommando der Streitkräfte und die Spitzen der drei Waffengattungen werden neu besetzt. An die Spitze der Streitkräfte tritt General Patricio NÚÑEZ.
13.8.
Die Verabschiedung der Zusammensetzung der 17 Kommissionen des Parlaments gemäß Vorschlag des Fraktionsvorsitzenden der Regierungspartei Democracia Popular gelingt in Allianz mit PSC, ID, Pachakutik und der Konservativen Partei, aber ohne den Frente Radical Alfarista (FRA). Dagegen bereitet es Schwierigkeiten, die erforderlichen Mehrheiten für die Wahl des Präsidenten des Rechnungshofes, des Obersten Wahlgerichtes sowie des Direktoriums der Zentralbank im Parlament zu erreichen.
20.8.
Präsident MAHUAD erklärt, daß der Friedensschluß mit Peru noch vor Ende des Jahres erreicht werden könne. Die Verhandlungen werden fortgesetzt, und die Präsidenten FUJIMORI und MAHUAD WITT treffen in Panama zusammen und ratifizieren die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen. Die Verhandlungen werden mit den restlichen acht Punkten des Vertrages über Handel und Schiffahrt in Buenos Aires fortgesetzt (4.9.).
176
Ekuador
September 14.9.
Angesichts der sich verschärfenden Wirtschaftskrise und der sich akkumulierenden Rückstände bei der Auszahlung von Löhnen und Gehältern im staatlichen Sektor bringt Präsident MAHUAD einen Vorschlag zum Abbau der Subventionen von Haushaltsgas und Elektrizität sowie zur Erhöhung des Preises für Dieseltreibstoff ins Parlament ein. Als Kompensation für die Bevölkerung an der Armutslinie ist eine direkte Ausgleichszahlung vorgesehen. Dagegen kündigt die Coordinadora de Movimientos Sociales (CMS) einen unbefristeten Protest an und beginnt mit Demonstrationen. Im Parlament fällt die Regierungsallianz auseinander. Der PSC avisiert einen Gegenvorschlag, Pachakutik und ID fordern, die Maßnahmen zurückzunehmen. Gleichzeitig sinkt die Popularität des Präsidenten um 13 Prozentpunkte.
20.9.
Die Basisorganisationen kündigen einen landesweiten Streik gegen die Sparpläne des Präsidenten für den 1. Oktober an. Der PSC präsentiert seinen Anpassungsvorschlag: Ersatz der Einkommenssteuer durch die Besteuerung von Kapitalbewegungen (1%); Maximalansatz für den Staatshaushalt; Begrenzung der Untervertragnahme von Personal im öffentlichen Sektor; Gefängnisstrafe für Steuerhinterziehung.
22.9.
27.9.
In Brasilia erzielen die Präsidenten FUJIMORI und MAHUAD Konsens über die Vereinbarung betreffend freien Handel und Schiffahrt. MAHUAD hatte die Terms vor dem Treffen dem Sicherheitsrat von Ekuador vorgetragen.
Oktober 1.10.
1.10.
9.10.
14.10.
22.10.
US-Präsident CLINTON fordert die Präsidenten MAHUAD und FUJIMORI in
einem Brief auf, einen definitiven Friedensschluß zu erreichen. Das Parlament distanziert sich von MAHUADS Sparvorschlägen (vgl. 14.9.) und stellt sich hinter die öffentlichen Proteste, indem es das Recht auf Streik als legitim anerkennt. In den folgenden Tagen kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen sowie zu Repression durch die Sicherheitskräfte. Die Vertreter der indigenen Organisationen suchen den Dialog mit der Regierung. Die Präsidenten MAHUAD und FUJIMORI treffen sich auf Einladung von Bill CLINTON in Washington. Danach ersuchen sie die Garantiemächte, einen Vorschlag zur Erreichung des Friedensschlusses zu machen. Das Parlament beschließt eine Resolution, in der es Präsident MAHUAD auffordert, im Sinne der Erhaltung des sozialen Friedens im Lande seine Sparmaßnahmen zurückzunehmen. Gleichzeitig stimmen 97 der 121 Parlamentarier dafür, daß der Vorschlag der Garantiemächte für eine definitive Lösung des Grenzkonfliktes unterstützt werden soll. Die Präsidenten MAHUAD und FUJIMORI reisen zu gemeinsamen Konsultationen nach Argentinien und Chile, um gegenüber den Garantiemächten die eigene Position klarzustellen. Einen Tag später übermitteln die Garan177
Lateinamerika Jahrbuch 1999 tiemächte MAHUAD und FUJIMORI ihren bindenden Vorschlag für die Kon-
fliktlösung. 26.10.
MAHUAD und Fujimori unterschreiben in Brasilia den Friedensschluß, der
das Protokoll von Rio de Janeiro von 1942 anerkennt und Ekuador einen von Peru administrierten Zugang zum Amazonas garantiert. 30.10.
Das Außenministerium übersendet die Verträge von Brasilia dem Parlament zur Ratifizierung. Präsident MAHUAD berät angesichts der sich verschärfenden Situation im Lande in Dauersitzungen mit dem Finanzminister, der Zentralbank und der Bankenaufsichtsbehörde über die Steuerreform, den Modernisierungsplan und die prekäre Situation des Finanzsystems.
November Die Comisión de Control Cívico de la Corrupción
8.11.
legt einen Plan vor, auf
dessen Grundlage sie bis zum Jahre 2003 die Korruption mittels Vorbeugung, Untersuchung, Kontrolle und Stärkung der Institutionen in den Griff bekommen will. 10.11.
Das zweite Treffen der Bürgermeister und Präfekten aus Ekuador und Peru findet in Huaquillas statt. Sie fordern von den Zentralregierungen den Bau der Verbindungsstraßen zwischen beiden Ländern und die Beteiligung an der Ressourcenverteilung für die Integration.
15.11.
Der Friedensvertrag könnte eine gemeinsame und koordinierte Entwicklung der Streitkräfte der beiden Länder im Grenzgebiet einleiten. Zunächst beschließen die regionalen Militärführungen bei einem Treffen in Bagua, regelmäßige Kameradschaftstreffen zwischen den Einheiten zu organisieren. Innenministerin Ana Lucia ARMIJOS kündigt an, daß Militär und Polizei mittels abgestimmter und gemeinsamer Aktionen gegen die stark zunehmende Kriminalität und den Drogenhandel vorgehen werden. Das Parlament ratifiziert den Vertrag der Grenzintegration mit Peru und verweist das Abkommen über Handel und Schiffahrt an den Präsidenten zurück, da allein dieser gemäß Art.161 der Verfassung, ausgelegt mittels eines juristischen Gutachtens, ratifizieren muß.
17.11.
21.11.
Dezember 1.12.
Das Gesetz 98-17 über den Reordenamiento
6.12.
Área Tributario y Financiera tritt in Kraft, mit dem u.a. die Kapitalbewegungen mit einer Steuer von 1% belegt werden. Auch die neue Regierung unterstützt die indigenen Organisationen in ihrer Klage auf Schadensersatz gegen die Texaco, die ein viertel Jahrhundert mit ihrer Suche und Ausbeutung von Erdöl das Amazonasgebiet verschmutzt hat.
178
en Materia Económica
en el
Ekuador
14.12.
Der Kongreß beginnt mit der Debatte des Voranschlages für den Staatshaushalt 1999, der aufgrund von mehr als 45% Inflation drastische Einsparungen bei den Ausgaben vornehmen muß.
27.12.
Präsident MAHUAD verkündet, daß die Verschuldung des Landes aufgrund von schweren wirtschaftspolitischen Fehlern in der Vergangenheit ein nicht mehr tolerables Niveau erreicht hat. Die Regierung verhandelt mit dem IWF über ein Stand by-Abkommen als Grundlage für die dringend erforderliche Umschuldung. Mechthild Minkner-Bünjer
179
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt. Fläche (in qkm): Wahrung:
Quito 283.561 Sucre
EKUADOR Jahr 1980
1990
1996
1997
7,961 44,7 51,7 47 36.2 5 38,6 19,8 41,6
10,264 40,1 54,5 55,1 29,3 3,7 6,9 26,8 66,3
11,698 35,9 58,5 59,6 26 3.1 6.6 21,6 71,8
11,937 35,3 60,3 60,3 24,9 3
36 88 73,6 101 63,3 820 81,8
55 100,2 45,2 83 68,1 654 88,3
11733 1370 2887 2946 -642 980 70 1257
10685 980 3262 2365 -360 345 126 1009
19040 1500 5750 4621 III 1449 447 2011
19768 1570 6000 5787 -743 1520 577 2213
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
59,6 14,5 26.1 25,9 12,1 38.1 17.7 49,8
68,5 8,6 17,5 22,9 13,4 38 19,4 48,6
63,9 11,7 17,3 24,4 11,9 37,2 21,7 50,9
67,2 11,6 20,2 21,2 12,1 35,1 21,4 52.8
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
5997 3300 1008 473 33,9 4.9 13
12109 9867 1084 474 33 3 48,5
14495 12444 1321 669 22,7 2 24,4
14918 12376 1891
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
21,19 2,6 2,2
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
101,7 34 40 70
33.1 39 70,2 90,7
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USJ) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USJ) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
180
2 3,6 33,3
31 3,4 30,6
Kolumbien
Kolumbien Amtlicher Name:
República de Colombia
Präsident:
Andrés PASTRANA ARANGO
Im Amt seit. 7. August 1998 Vizepräsident: Gustavo BELL Nächste Präsidentschaftswahlen: 2002 Regierung:
Partido Social Conservador (PSC).
Kabinett (Stand: Juli 1999): Außeres: Guillermo FERNANDEZ DE SOTO; Inneres: Néstor Humberto MARTÍNEZ; Finanzen: Juan Camilo RESTREPO; Justiz: Parmenio CUÉLLAR; Entwicklung: Femando ARAUJO; Verteidigung: Luis Fernando RAMIREZ; Außenhandel: Marta Lucia RAMIREZ; Landwirtschaft: Carlos MURGAS; Umwelt: Juan MAYR M.; Arbeit: Hernando YEPES; Bergbau: Luis Carlos VALENZUELA; Kommunikation: Claudia DE FRANCISCO; Bildung: G e r m á n BULA ESCOBAR.
Oppositionsparteien im Parlament: Partido Liberal (PL); Unión Patriótica (UP); Alianza Democrática M-19 (AD-M-19); Nueva Fuerza Democrática (NFD); Movimientos Religiosos; Indígenas. Sitzverteilung im Parlament (Stand: März 1999): Abgeordnetenhaus (165 Sitze): PL: 98; PSC: 52; andere: 15. Senat (102 Sitze): PL: 58; PSC: 28; andere: 16.
Chronologie 1998 Zentrales Ereignis des Jahres 1998 waren das Ende der Amtszeit von Präsident SAMPER, der Wahlkampf und die Amtsübernahme der Regierung unter Andrés PASTRANA. Nachdem die vergangenen vier Jahre von der krisenhaften Zuspitzung der verschiedenen inneren Konflikte und extrem schlechten Beziehungen zu den USA geprägt waren, drückten die kolumbianischen Wählerinnen und Wähler unter anderem durch eine hohe Wahlbeteiligung ihren Wunsch nach Wandel aus. Auch wenn die Liberale Partei ihre Mehrheiten in Parlament und Senat verteidigen konnte, konnten sich doch überraschend viele unabhängige Kandidaten durchsetzen. Der Sieg bei den Präsidentschaftswahlen von Andrés PASTRANA und seiner „Alianza para el Cambio" kann insbesondere deshalb als deutliches Zeichen für den Wandel interpretiert werden, weil sein Gegenkandidat, Horacio SERPA, ebenfalls mit dem Proceso 8.000 in Verbindung stand und nicht nur in Karikaturen als Kandidat der Kontinuität der Administration SAMPER betrachtet wurde. Auch wenn die Zahl der Morde im Vergleich zu den Vorjahren auf 23.096 (1997: 25.379) zurückging, war die Gewalt auch weiterhin eines der zentralen Probleme des Landes. Die verschiedenen Initiativen zur Befriedung des Landes führten bisher eher zu einer Intensivierung der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Paramilitärs, Streitkräften und Guerilla. Auch wenn Präsident PASTRANA stets darauf hingewiesen hat, daß dies ein langer und schwieriger Prozeß sein werde, sind die Aussichten auf substantielle Fortschritte angesichts der mehrfachen Verschiebung von Gesprächen
181
Lateinamerika Jahrbuch 1999
eher gering. Vor diesem Hintergrund und angesichts weltweiter wirtschaftlicher Probleme durchläuft die kolumbianische Wirtschaft eine ihrer schwersten Krisen. Insbesondere Korruption und das gestiegene Staatsdefizit werden hierfür verantwortlich gemacht. Januar Mitte
25.1.
Der Chef der Antidrogenbehörde der Nationalen Polizei veröffentlicht einen Bericht, wonach die kolumbianische Regierung im Jahr 1997 41.800 Hektar Kokafelder und 7.000 Hektar, auf denen Schlafmohn angebaut wird, vernichtet habe. US-amerikanische Stellen gehen aber nach der Auswertung von Satellitenaufnahmen davon aus, daß die Anbauflächen für Drogen in Kolumbien insgesamt auch 1997 weiter zugenommen haben. Die Liberale Partei proklamiert den ehemaligen Innenminister Horacio SERPA URIBE z u m Präsidentschaftskandidaten. O b w o h l SERPA populär ist
und ihm keine gerichtsverwertbaren Delikte zur Last gelegt werden, haftet ihm der Makel der Beteiligung am Proceso 8.000 an. Da er sich in der Vergangenheit nicht von Präsident SAMPER distanzierte, gilt er als Kandidat der .Kontinuität". Februar 9.2.
In Madrid unterzeichnen Vertreter der zweitgrößten Guerillagruppe Ejército de Liberación Nacional (ELN) und die Unterhändler von Präsident SAMPER eine Absichtserklärung für Friedensverhandlungen. Das Abkommen wird erst Ende März bekannt und in weiten Kreisen als „Wahlkampfhilfe" für den Präsidentschaftskandidaten der Liberalen betrachtet.
14.2.
Der langjährige Chef des ELN, der spanische Ex-Priester Manuel PÉREZ, stirbt an einer Gelbsucht, was allerdings erst Wochen später öffentlich bekannt wird. In den Reihen des ELN verschärft sich damit die interne Auseinandersetzung zwischen militaristischen und gesprächsbereiten Gruppen.
24.2.
In Bogotá wird Victor CARRANZA festgenommen. Dem größten Smaragdhändler des Landes wird vorgeworfen, paramilitärische Todesschwadronen organisiert zu haben und Auftraggeber zahlreicher Massaker zu sein. Bereits 1990 war er wegen ähnlicher Vorwürfe inhaftiert, nachdem auf ihm gehörenden Ländereien ein Massengrab mit 50 Toten gefunden worden war. Aus Mangel an Beweisen wurde er nach kurzer Zeit wieder freigelassen und bemühte sich seither um das Image eines respektablen Geschäftsmannes. Mitte der 80er Jahre hatte CARRANZA in blutigen Auseinandersetzungen mit anderen Smaragdhändlern die Oberhand gewonnen; er kontrolliert etwa 50% der Branche in Kolumbien.
Ende
Nach zwei Jahren auf der „Schwarzen Liste" erhält Kolumbien 1998 zumindest die bedingte „Zertifizierung" der US-Regierung, im Kampf gegen Drogenanbau und -handel zu kooperieren. Damit beginnt ein Prozeß der
182
Kolumbien
Wiederannäherung und Verständigung in den gespannten bilateralen Beziehungen, der nach dem Regierungswechsel in Kolumbien im August zu einer weitgehenden Normalisierung führt.
März 2.3.
Beginn einer Offensive der größten Guerillagruppe des Landes, den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC), im Departement Caquetá. In den folgenden Tagen werden mindestens 63 Soldaten getötet. Dies stellt die schwerste Niederlage der kolumbianischen Streitkräfte in den vergangenen 50 Jahren dar.
8.3.
Bei den Parlamentswahlen kann die regierende Liberale Partei ihre absolute Mehrheit in Senat und Parlament verteidigen. Die Senatoren und Abgeordneten, die persönlich die meisten Stimmen erhielten, waren allerdings durchweg unabhängige Kandidaten wie z.B. die ehemalige Liberale Ingrid BETANCOURT, die Journalistin Maria Isabel RUEDA oder Ex-Gue-
15.3.
Der ehemalige Generalstaatsanwalt Alfonso VALDIVIESO zieht seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen zurück und kündigt seine Unterstützung für den konservativen Kandidaten, Andrés PASTRANA, an.
Mitte
Die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien stehen auch in diesem Jahr wieder auf der Tagesordnung der Sitzung der UNMenschenrechtskommission in Genf (16.3.-24.4.). In ihrem Bericht kritisiert die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte die „schwerwiegenden, massiven und systematischen" Menschenrechtsverletzungen. Die Regierung weist dagegen in ihrer Replik diesen Vorwurf ebenso wie die Anschuldigung der Verbindungen zwischen Militärs und Paramilitärs zurück. Bereits am 10.2. hatten zahlreiche NROs und Menschenrechtsgruppen aus Kolumbien ihre Besorgnis über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Land zum Ausdruck gebracht und die Verlängerung des Mandats des Büros der Hochkommissarin in Bogotá sowie die Berufung eines Sonderberichterstatters gefordert.
rillachef Antonio NAVARRO WOLFF.
Ahnlich kritisch äußert sich auch der jährliche Bericht des US-State Department zur Lage der Menschenrechte in Kolumbien. Dort werden insbesondere der Mangel an Aktivitäten von Polizei und Militär gegen die Todesschwadronen und die herrschende Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen kritisiert. 25.3.
Außenministerin Maria Emma MEJIA tritt zurück, um in das Wahlkampfteam des Liberalen Horacio SERPA als Vizepräsidentin einzutreten.
April 18.4.
Nach massiven Todesdrohungen verläßt der Friedensberater des Präsidenten, José Noè Rlos, das Land. Innenminister LÓPEZ dementiert, daß die Auslandsreise des Beraters etwas mit Drohungen zu tun habe. Sie sei
183
Lateinamerika Jahrbuch 1999
vielmehr geplant gewesen und stehe in Zusammenhang mit einer Veranstaltung zum Friedensprozeß in Pamplona, Spanien. Am gleichen Tag wird der bekannte Menschenrechtsanwalt Eduardo UMANA MENDOZA erschossen. UMAAA, der vor allem für die Rechte v o n
Gewerkschaftern eingetreten war, hatte zuletzt unter anderem die Angehörigen von Opfern des Sturmes auf den Justizpalast (November 1985) vertreten. Das Militär hatte damals den von Mitgliedern der M-19 besetzten Justizpalast gewaltsam gestürmt, wobei alle Guerilleros und die dort als Geisel festgehaltenen obersten Richter des Landes ums Leben kamen, mehr als hundert Menschen gelten seither als verschwunden. Auch die Archive des Gerichts über Menschenrechtsverletzungen des Militärs wurden bei der vom damaligen Präsidenten, Belisario BETANCUR, erst im nachhinein „genehmigten" Aktion zerstört.
Mai Mitte
Die Auseinandersetzungen im Menschenrechtsbereich eskalieren. In Bogotá wird am 12. Mai der ehemalige Verteidigungsminister Fernando LANDAZABAL REYES erschossen, wofür die Polizei das E L N verantwortlich
macht. Das Militär durchsucht die Räumlichkeiten der Menschenrechtsorganisation Justicia y Paz und entwendet sensible Unterlagen, vor allem Zeugenaussagen über Menschenrechtsverletzungen. 19.5.
Ende
31.5.
Tausende Kolumbianer aus so unterschiedlichen Gruppen wie dem Gewerkschaftsverband CUT und dem Industriedachverband ANDI demonstrieren am Jahrestag der Ermordung von Elsa ALVARADO und Mario CALDERÓN im ganzen Land für den Frieden. Die Staatsanwaltschaft in Antioquia beendet die Ermittlungen gegen das deutsche Ehepaar Werner und Ida MAUSS wegen der Beteiligung an der Entführung von Brigitte SCHONE. Das Ehepaar MAUSS darf Kolumbien daraufhin verlassen. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen zeichnet sich durch eine hohe Wahlbeteiligung von 52% der Wahlberechtigten aus: Die unabhängige Kandidatin Noemi SANIN erreicht mit 26,8% der abgegebenen Stimmen das beste Ergebnis, das ein unabhängiger Kandidat je erzielte. In der Hauptstadt Santafé de Bogotá war die Kandidatin der „Opción Vida" sogar eindeutige Siegerin. Landesweit erhielt der Kandidat der Liberalen Partei Horacio Serpa 34,5%, Andrés PASTRANA wurde mit 34,3% knapp zweiter. Im zweiten Wahlgang am 21. Juni wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet.
Juni 6.6.
Mit der F e s t n a h m e v o n Alberto ORLANDOS GAMBOA in Barranquilla glaubt
die Polizei den Chef des letzten großen Drogenkartells festgenommen zu haben. Letztlich hat die Zerschlagung der Kartelle aber nur zur Dezentra-
184
Kolumbien
lisierung des Handels und zur Diversifizierung der Drogen geführt. Neben Koka wird in Kolumbien in wachsendem Maß Heroin produziert. 21.6.
Der Kandidat der Konservativen Partei, Andrés PASTRANA, siegt bei der Stichwahl mit einer Rekordbeteiligung von 12 Millionen Wählern unerwartet klar mit einem Vorsprung von 500.000 Stimmen. Das Ergebnis wird als Signal für den Wunsch nach Wandel und einem Bruch mit der Vergangenheit gewertet. PASTRANA gewinnt mit der Unterstützung einer breiten und sehr heterogenen Koalition, die von den FARC bis hin zu Ex-General Harald BEDOYA, der selbst im ersten Wahlgang nur 2% der Stimmen erhielt, reichte.
Juli 9.7.
Der gewählte Präsident trifft in den Bergen mit den Führern der FARC, Manuel MARULANDA GJirofijo") und Jorge BRICEÑO G,Mono Jojozusammen, um die Chancen für einen Friedensprozeß auszuloten. PASTRANA möchte in den ersten 90 Tagen seiner am 7. August beginnenden Amtszeit, einen Dialog ohne Vorbedingungen mit den FARC beginnen.
13.-15.7. Vertreter der kolumbianischen Zivilgesellschaft und des ELN treffen unter Vermittlung der deutschen katholischen Bischofskonferenz im bayrischen Himmelspforten zu Beratungen über eine Beendigung des bewaffneten Kampfes zusammen. Nach der zweitägigen Klausurtagung wird die .Erklärung von Himmelspforten" verabschiedet. Im August sollen die Gespräche in Kolumbien im Rahmen einer Asamblea de la Sociedad Civil" fortgesetzt werden. 22.7.
Das Nationale Statistikamt DANE veröffentlicht erste Auswertungen aus der jüngsten Haushaltsbefragung. Demnach können fast elf Millionen Kolumbianer nicht alle Grundbedürfnisse befriedigen, ein Drittel dieser Gruppe lebt sogar in extremer Armut. Die ärmste Region des Landes ist die Atlantikküste.
Ende
Die Tatsache, daß Andrés PASTRANA als noch nicht amtierender Präsident in Washington von US-Präsident Bill CLINTON empfangen wird, ist ein deutliches Zeichen für eine Entspannung der bilateralen Beziehungen.
August 4.8.
Beginn einer militärischen Offensive von FARC und ELN zur „Verabschiedung" des scheidenden Präsidenten Ernesto SAMPER, bei der es mindestens 140 Tote gibt.
7.8.
Amtsübernahme der Regierung PASTRANA. In dem neuen Kabinett sind zahlreiche liberale Dissidenten vertreten, obwohl der Vorsitzende der Liberalen, Horacio SERPA, seine Partei aufgerufen hatte, in die „loyale Opposition" zu gehen. Prominentestes liberales Kabinettsmitglied ist der neue Innenminister Néstor Humberto MARTÍNEZ, der zuletzt Justizminister in der Regierung SAMPER gewesen war. In seiner Rede zur Amtsübernahme nennt PASTRANA für seine vierjährige Amtszeit drei große Ziele: 185
Lateinamerika Jahrbuch 1999
den Kampf gegen die Korruption, die Suche nach Frieden mit den bewaffneten Organisationen und den Kampf gegen Armut und soziale Ungleichheit. Ende
Anläßlich der Jahrestagung der Asociación Nacional de Industriales (ANDI) wirbt der neue Finanzminister Juan Camilo RESTREPO für sein Programm zur Strukturanpassung. Oberstes Ziel sei es, das in den vergangenen Jahren stark gewachsene Staatsdefizit zu reduzieren.
September 21.9.
In einem Brief an den Präsidenten schlägt der Chef der FARC, Manuel MARULANDA, einen umfassenden Austausch von Gefangenen und Häftlingen vor. In seinem Antwortschreiben verweist der Friedensbeauftragte des Präsidenten, Victor G. RICARDO, auf den bevorstehenden Beginn der Friedensgespräche.
23.9.
Ein 24-Stunden-Streik von Regierungsangestellten gegen den angekündigten Sparkurs der Regierung legt weite Teile des öffentlichen Lebens lahm.
Oktober 19.10.
Das Nationale Statistikamt DANE gibt bekannt, daß Kolumbien mit 17% im September 1998 die höchste Rate städtischer Arbeitslosigkeit seiner Geschichte erreicht hat. Experten gehen davon aus, daß die Zahl der Arbeitslosen bis zum März 1999 weiter ansteigen wird.
29.10.
CODHES (Consultarla para los Derechos Humanos y el Desplazamiento) veröffentlicht einen Bericht, wonach allein im zweiten Trimester des Jahres fast 30.000 Menschen gewaltsam von ihrem Wohnort vertrieben wurden. Besonders schwer betroffen ist nach wie vor die Region Urabá in Antioquia.
November 7.11.
186
Beginn der Demilitarisierung von fünf Gemeinden mit einer Fläche von 40.000 Quadratkilometern im Süden des Landes. Dort sollen dann die Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC stattfinden. Gleichzeitig kommt es aber zu einer Vielzahl von Anschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Armee und Guerilla, die den bisherigen Optimismus dämpfen und den Kritikern von Friedensgesprächen in allen Lagern Auftrieb geben. Die Regierung zieht allerdings erst Mitte Dezember auch die letzten 130 Soldaten aus der Region ab. Das blockiert ebenfalls den Fortgang der Gespräche, was Ende des Monats an einem ergebnislosen Treffen zwischen Manuel MARULANDA und Victor G. RICARDO deutlich wird.
Kolumbien
Dezember 2.11.
Anläßlich des Treffens amerikanischer Verteidigungsminister in Cartagena unterzeichnen die Regierungen Kolumbiens und der USA ein Abkommen über militärische Zusammenarbeit. Das Abkommen sieht die Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe vor, in deren Rahmen das kolumbianische Militär Ausbildung, Training und Ausrüstung für den Kampf gegen Drogenhandel und -Produktion erhalten soll. Darüber hinaus enthält das Programm auf Drängen US-amerikanischer Gruppen auch eine Komponente der Ausbildung in Menschenrechtsfragen und der Reform des Militärkodex.
11.12.
Die Vereinigung der paramilitärischen Gruppen Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) fordert in einem Schreiben ihre Einbeziehung in Friedensgespräche und macht Vorschläge zur .Humanisierung des Krieges" zum Schutz der Zivilbevölkerung. Die Paramilitärs haben in den vergangenen Monaten verstärkt die direkte militärische Auseinandersetzung mit der Guerilla gesucht, indem sie in von diesen kontrollierte Gebiete vordrangen. In einer Studie des Internationalen Roten Kreuzes werden die Paramilitärs für 80% der in diesem Jahr bisher 187 begangenen Massaker verantwortlich gemacht. Sabine Kurtenbach
187
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand;
7,99
Hauptstadt: F l i e h e (in qkm): Währung:
KOLUMBIEN Bogotá 1.138.914 Kolumbianischer Peso
Jahr 1980
1990
1996
1997
28,447 41,7 53.1 63,9 31 3,9 34.2 23,5 42.3
34,97 35,4
39,285 324 62 73,1 23 2,7 1,3 29.8 68.9
40,042 33.7 61.8 73,5 24,5
64 108 41,4 58 65,9 1240 84,4
68 109,6 30,4 40 68,9 952 88,7
33385 1190 5328 5454 -206 890 51 6473
40270 1180 8679 6858 542 -2 484 4452
85850 2050 14564 16839 -4946 7098 3208 9690
95745 2180 15861 18784 -5682 6323 5192 9611
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes G e w e r b e (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
70,2 10,1 19,1 19,7 19,4 31,6 23,3 49
65,2 10.3 18,5 24,3 16,2 36,7 19,9 47
67,5 16,1 19,4 16,4 11.5 33,5 17,2 55
67,8 16,4 18,8 15,8 11.5 19,8 17,2 68,8
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
6940 4088 951 688 16 4,1 26,5
17222 14671 3889 1701 40,9 4 29,1
28900 14854 5401 2036 34,6 2 20,2
31777 15273 4527
I. D E M O G R A P H I S C H E K E N N Z I F F E R N Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
60,6 70 27,3 3,1 1.4 30,9 67,7
2,8
62,28 2,1 1,9
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-S Jahre) Lebenserwartung bei der G e b u r t (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
115 25 31 70
24 30 70,2 91
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USX) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
188
3,8 4,1 22,4
26,6 3,1 18.5
Peru
Peru Amtlicher Name. Präsident: Im Amt seit:
República del Perú Alberto Kenya FUJIMORI FUJIMORI 28. Juli 1990 (wiedergewählt im April 1995)
Vizepräsident:
Ricardo MÁRQUEZ FLORES
Nächste Präsidentschaftswahlen: 2000 Regierungspartei. Cambio 90-Nueva Mayoría Kabinett (Stand April 1999): Präsident des Ministerrates (Premierminister), Wirtschaft und Finanzen: Victor JOY WAY; Äußeres: Fernando DE TRAZEGNIES; Inneres: General José VILLANUEVA RUESTA; Justiz: Jorge BUSTAMANTE; Verteidigung: General Carlos BERGAMINO; Landwirtschaft: Belizario DE LAS CASAS; Industrie/Tourismus/Integration: César Luna VICTORIA LEÓN; Energie und Bergbau: Daniel HOKAMA; Arbeit und Soziales: Pedro FLORES; Frauen/Entwicklung: Maria Luisa CucuuZA; Bildung: Felipe Ignacio GARCIA ESCUDERO; Gesundheit: Alejandro AGUINAGA; Wohnungsbau/Transport/Kommunikation: Alberto PANDOLFI; Fischerei: Gustavo CAILLAUX ZAZZALLI; Präsidialamt: Eduardo MQSQUEIRA. Sitzverteilung im Parlament (120 Sitze) (entspricht nicht mehr dem Wahlergebnis von 1995): Cambio 90-Nueva Mayoría. 71; Unión por el Perú (UPP): 8; Partido Aprista Peruano (PAP/APRA): 7; Partido Popular Cristiano-Renovación; 6; Democracia en Acción: 6; Acción Popular: 6; Grupo Parlamentario Independiente: 6; unabhängig: 9.
Chronologie 1998 Das Jahr 1998 war vor allem durch die Entwicklung von vier komplexen Problembereichen geprägt: die permanente „Vergewaltigung" der Demokratie in Verfahren und Institutionen, sowohl durch die Regierungsallianz Cambio90-Nueva Mayoría im Parlament als auch durch die Exekutive und durch parastaatliche Einrichtungen. Besonders umstritten waren die juristischen, institutionellen und personellen Manipulationen, um eine gesetzliche Grundlage für die dritte Kandidatur von Präsident FUJIMORI für die Wahl im Jahre 2000 zu schaffen. Die politische Unterwanderung von Institutionen, die mit dem gesamten Ablauf der Wahlen befaßt sind, sowie der Justiz beschäftigten interne und ausländische Organisationen. Mit Besorgnis verfolgten sie die Auflösung der Reste des Rechtsstaates in Peru. Legale Mittel gegen diese Entwicklung fruchteten nichts. So blieb nur der sich über das ganze Jahr hinziehende Protest der Zivilgesellschaft, getragen vor allem von der jungen Generation. Berichte, Besuche, Forderungen sowie Denunzierungen bei internationalen Menschenrechtsorganisationen konnten die „Rechtsbeuger" nicht in die Schranken verweisen. Für die Kommunalwahlen am 11. Oktober präsentierten sich neben den traditionellen Parteien populistische Bewegungen, die aber die Wähler auch nicht überzeugen konnten. In vielen Fällen waren Nachwahlen erforderlich, da keiner der Kandidaten die erforderlichen 20% erhielt, um als Bürgermeister gewählt zu werden. Auch die Intervention der Geheimdienste in das zivile Leben, die brutalen Methoden des Mundtotmachens von "Kritikern" und "Überläufern'' sowie die anhaltende Einflußnahme auf Präsident FUJIMORI, speziell durch den Geheimdienstberater Vla189
Lateinamerika Jahrbuch 1999
dimiro MONTESINOS, erodierten das sehr schwache demokratische System Perus weiter. Militante Teile von Sendero Luminoso verübten Terrorakte; die Drogenmafia operierte von verschiedenen Stützpunkten aus. Außenpolitisch verhandelte FUJIMORI einen für ihn annehmbaren Friedensschluß mit Ekuador im Rahmen des Protokolls von Rio de Janeiro von 1942. Die Bewohner des Amazonas Departements Loreto, stark beeinflußt durch ihre Marginalisierung, wandten sich in militanten Protesten gegen die Verträge. Die Übergabe mittels Privatvertrag von 1qkm von Tiwinza an Ekuador war ein symbolischer Preis. Er führte vielfach zur vollständigen Ablehnung der Verträge. Diese gewähren Ekuador freien Handel und freie Schiffahrt auf dem Amazonas und seinen Zugängen und sehen einen vielgestaltigen Entwicklungsplan für das gesamte Grenzgebiet zwischen beiden Ländern vor. Ziel ist, über die gemeinschaftliche wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung die Bevölkerung insgesamt und speziell der Grenzgebiete einander näher zu bringen. FUJIMORI erhoffte sich durch den außenpolitischen Erfolg sein international und national ramponiertes Image aufzupolieren. Seine Popularität stieg zwar Ende Oktober an, fiel jedoch bis Ende 1998 wieder unter 30% der Befragten. Die wirtschaftliche Entwicklung brachte 7,5% Wachstum des BIP 1997; ging 1998 auf rund 2,5% zurück als Folge der schweren Schäden durch El Niño, der Exportund Deviseneinbrüche sowie der sinkenden internen Nachfrage. Die Inflationsrate blieb niedrig, allerdings nahmen Auslandsverschuldung und Belastung des Staatshaushaltes durch Zinsen und Tilgungen weiter zu. Das Defizit im Staatshaushalt und in der Leistungsbilanz war vor allem aufgrund der fallenden Rohstoffpreise und des geringeren Kapitalzuflusses und als Folge der allgemeinen Finanzkrise steigend. Die Dollarisierung der Wirtschaft begann trotz der niedrigen Inflation als wichtiges Mittel, um sich vor Abwertungen aufgrund von hohen Reservenabflüssen zu schützen. Obwohl die Opposition bisher kein Mittel gefunden hat, um demokratisch legitimiert und mit erfolgreichen Kandidaten gegen FUJIMORI mobil zu machen, zeichnet sich doch mehr Kohäsion in ihren Reihen ab. Interne Wahlen für die Ermittlung der Kandidaten stehen auf dem Programm. Experten sind allerdings der Meinung, daß erst Wahlen mit massivem Übergewicht der neuen Generation, die jetzt das Protestpotential bildet, aus der politischen Krise herausführen werden. Januar 1.1.
Nach offiziellen Angaben haben Militärgerichte zwischen 1992 und 1997 mehr als 360 Personen wegen Vaterlandsverrats zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Experten fordern die Regierung auf, für etwa 8.000 Personen, die zu Unrecht des Terrorismus angeklagt sind, eine ad hocKommission einzusetzen bzw. eine spezielle Amnestie zu erlassen. Bei den Angeklagten handelt es sich in der Mehrzahl um campesinos (7.1.).
16.1.
Der O m b u d s m a n n Jorge SANTISTEBAN NORIEGA fördert die Einsetzung v o n
29.1.
Friedensrichtern, um die sozialen Konflikte unter der indigenen Bevölkerung des Amazonasgebietes beizulegen. Das Parlament beschließt mit der offiziellen Mehrheit von Cambio 90Nueva Mayoría, daß - entsprechend dem Rahmengesetz für die Dezentralisierung - die Regionalisierung des Landes auf der Grundlage der de-
190
Peru
partamentalen Einteilung durchgeführt wird. Dafür werden vorläufige regionale Verwaltungsrate gebildet, die dem Präsidialamt unterstehen. Februar 5.2.
11.2.
19.2.
24.2.
Die Dirección Nacional contra el Terrorismo (Dincote) nimmt erneut einen Rechtsanwalt wegen „Vaterlandsverrat" fest. Er verteidigt Personen, die vor den tribunales sin rostro z.B. des „Vaterlandsverrats" angeklagt sind. Die Militärgerichtsbarkeit verurteilt die beiden Offiziere, die die Ex-Agentin des Geheimdienstes, Leonor LA ROSA schwer gefoltert hatten, zu acht Jahren Gefängnis. Der peruanische Staat finanziert die Behandlung der gesundheitlichen Folgeschäden in einer orthopädischen Spezialklinik in Mexiko, auf Druck der UN-Menschenrechtskommission auch in anderen Ländern. Justizminister Alfredo QUISPE CORREA verkündet, daß das Urteil des Verfassungsgerichtes, das eine dritte Kandidatur von Präsident FUJIMORI für verfassungswidrig erklärt, aufgrund der Nichtzuständigkeit seiner Mitglieder keine Bedeutung hat. Peru und Kolumbien vereinbaren, verstärkt in der Bekämpfung von Produktion und Vermarktung von Kokain sowie Geldwäsche zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig „zertifizieren" die USA der peruanischen Regierung zum dritten Mal in Folge Kooperation und Erfüllung der Auflagen in der Bekämpfung der Drogenkriminalität.
März 10.3.
14.3.
19.3.
26.3.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission läßt die Anklage des Ex-Präsidenten des Fernsehkanals Frecuencia Latina, Baruch IVCHER BRONSTEIN, gegen den peruanischen Staat zu. Der Medienmann klagt gegen die Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft mittels eines einfachen Verwaltungsaktes. Allein als peruanischer Staatsbürger hat er das Recht, Eigentum im Medienbereich zu haben. Die sieben Mitglieder des Consejo Nacional de la Magistratura treten aus Protest gegen Gesetz 26.933 zurück, durch das sie ihre Kompetenz, Richter und Staatsanwälte zu kontrollieren und abzusetzen, an die Exekutivkommission des Ministerio Público verlieren. Die Weltbank teilt der Regierung mit, daß sie ihre Finanzierung von US$ 22,5 Mio. zugunsten einer Stärkung der Justiz aufgrund der Verletzung der Gewaltenteilung einfriert. Der Bürgermeister von Lima, Alberto ANDRADE, prangert die Einmischung von Politik und Wirtschaft in das Rechtswesen an. Ziel sei die Vorbereitung von Betrugsmanövern bei den kommenden Munizipalwahlen. Ferner denunziert er eine Zunahme der Gewalt und die Intervention des Geheimdienstes in den staatlichen und privaten Institutionen.
191
Lateinamerika Jahrbuch 1999
30.3.
Peru und Bolivien vereinbaren, im Rahmen ihrer Kooperation die Gespräche über das gemeinsame Management des Titicaca-Sees, eine Konzession Boliviens für den Hafen llo sowie die Mobilisierung der Finanzierung für den Bau der Eisenbahnlinie Puno-Desaguadero-Huaqui wieder aufzunehmen. In einer zweiten Vereinbarung stimmen beide Regierungen zu, daß der Privatsektor eine Pipeline von La Paz bis llo baut, um Erdölderivate zu transportieren.
April 3.4.
Während seines ersten öffentlichen Auftritts als Führer der Bewegung Somos Perú fordert der Bürgermeister von Lima, Alberto ANDRADE, Präsident FUJIMORI auf, die Gewaltenteilung zu respektieren sowie Gewalt und soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen.
14.4.
Delia REVOREDO, Ex-Verfassungsrichterin und Dekanin des Colegio de Abogados, und ihr Mann, der Unternehmer Jaime MUR, bitten um politisches Asyl in Costa Rica wegen Verfolgung und Bedrohung durch lokale Behörden.
15.4.
Die ad hoc-Kommission, die der Exekutive zu Unrecht wegen Terrorismus verurteilte Personen zur Begnadigung empfiehlt, wird durch Gesetz 26.940 bis zum 31.12. verlängert. Mehr als 900 Fälle müssen beurteilt werden; bisher wurden rund 370 Personen aus der Haft entlassen.
18.4.
Nach seinem Treffen mit dem Interimspräsidenten von Ekuador, Fabián ALARCÓN, bekräftigt Präsident FUJIMORI sein Ziel, bis Ende Mai einen definitiven Friedensschluß zu erreichen.
Mai 12.5.
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission läßt eine Klage von Parlamentariern gegen den peruanischen Staat wegen unrechtmäßiger Amtsenthebung von drei Verfassungsrichtern zu.
20.5.
Präsident FUJIMORI fordert den Chef der US-Drogenpolizei, Barry MCCAFFREY, auf, die Pressefreiheit in Peru zu respektieren. Gleichzeitig verteidigt er die Arbeit des „Beraters" des Geheimdienstes Vladimiro Montesinos. Das ruft die Menschenrechtsorganisationen auf den Plan, die dem Geheimdienst eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen schwerster Art vonwerfen.
Juni 2.6.
Nach Meinungsumfragen sind nur 38% der Befragten mit der Regierungsführung von Präsident FUJIMORI einverstanden.
3.6.
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) „testiert" Peru, daß sich die Situation der Menschenrechte 1997 zwar generell verbessert hat. Jedoch stellt sie weiterhin eine Einschränkung der Pressefreiheit fest sowie
192
Peru
die Aufrechterhaltung des Ausnahmezustandes und die Suspendierung der demokratischen Rechte in verschiedenen Provinzen, Folterung durch den Geheimdienst und sehr schlechte Bedingungen in den Gefängnissen. Nur 31% der mehr als 17.000 in Haft befindlichen Personen sind verurteilt. 4./5.6.
Mehr als 20.000 Menschen, meist Studenten und Schüler, demonstrieren in Lima und in der Provinz mit Vertretern der Gewerkschaften gegen die Einschränkung der demokratischen Grundrechte. Die Polizei geht gewaltsam gegen sie vor.
4.6.
Der überraschend zum Premier und Präsidenten des Ministerrates ernannte Javier VALLE RIESTRA wird vereidigt. Er erklärt, daß er den Posten akzeptiert habe, um zur Verteidigung des Rechtsstaates beizutragen. Die Mehrheit sieht darin einen weiteren Akt der Manipulation des FUJIMORISystems, um sich nach außen einen demokratischen Anschein zu geben.
18.6.
Mit DS 024-98 werden die Kompetenzen des Präsidenten des Ministerrates stark eingeschränkt; verschiedene dezentralisierte Organisationen werden an das Finanzministerium transferiert.
18.6.
Präsident FUJIMORI »begnadigt" die Ex-Agentin Leonor LA ROSA. Sie war trotz der Folterungen durch Offiziere des Geheimdienstes - weiter von einem Militärgericht wegen Ungehorsams angeklagt.
24.6.
Die peruanische Regierung hat die Begnadigung der als Terroristin und Angehörige des MRTA angeklagten US-Bürgerin Lori BERENSON abgelehnt. Das Ersuchen war durch Premierminister Javier VALLE RIESTRA übermittelt worden.
26.6.
Die Interamerikanische Entwicklungsbank wird Peru mit US$ 250 Mio. im Kampf gegen den Kokaanbau unterstützen.
Juli 3.7.
Die Exekutive beruft das Parlament zu einer außerordentlichen Sitzungsperiode ein. Premier VALLE RIESTRA stellt einen Bericht der Regierung über acht Jahre "erfolgreiche" Politik FUJIMORIS zur Diskussion.
4.7.
Venezuela liefert die Terroristin und Angehörige des Sendern Luminoso, Cecilia NÜREZ CHIPANA, aus. Es ist die erste Auslieferung dieser Art an Peru durch ein anderes Land.
10.7.
Nach offiziellen Angaben haben 63% der Peruaner Zugang zu Frischwasser, nur 50% haben eine Form der Abwässerbeseitigung. In den ländlichen Gebieten ist die Situation mit Anteilen von nur 32% bzw. 11% dramatisch. Das gilt besonders für die Selva, wo drei von vier Personen in Armut leben.
14.7.
Fast 50% aller Peruaner, die einen formellen oder informellen Arbeitsplatz haben, verdienen weniger als sie zur Deckung der elementaren Grundbedürfnisse der Familie (5 Mitglieder) von 938 Soles pro Monat benötigen.
25.7.
HURTADO MILLER, ein Gefolgsmann von FUJIMORI, wird in den Kommunalwahlen als Kandidat der Bewegung Vamos Vecinos für das Amt des Bürgermeisters von Lima antreten. 193
Lateinamerika Jahrbuch 1999
31.7.
Jorge BACA CAMPODÖNICO, seit fünf Jahren Wirtschafts- und Finanzminister, tritt zurück, nachdem Präsident FUJIMORI eine obligatorische Erklärung der Unternehmer über ihre Vermögensverhältnisse außer Kraft setzen möchte. Nach einer Aussprache mit FUJIMORI nimmt er seine Abdankung zurück.
August 1.8.
Die Liberalisierung des Telefonmarktes für den traditionellen Telefonverkehr und für Ferngespräche tritt vorzeitig in Kraft (vereinbart für Mai 1999). Telefónica del Perú stimmt nach einer Anpassung der Tarife, des Service und der Einrichtung neuer Linien zu, ihre Monopolstellung aufzugeben. Sie will Investitionen über US$ 1,5 Mrd. vornehmen, um ihre Marktposition zu verbessern.
2.8.
Premier VALLE RIESTRA droht seinen Rücktritt an, falls nicht eine Reihe von gegen die Verfassung verstoßenden Gesetzen geändert werden. Die Spannungen zwischen dem Premier und Parlamentspräsident Victor JOY WAY nehmen zu. VALLE RIESTRA besteht darauf, daß das Parlament in Fragen der Konsolidierung der demokratischen Verfahren und Institutionen kooperiert.
5.8.
Die Auswirkungen der El Niño-Katastrophe, durch die vor allem die Fischmehl- und Fischölherstellung schwer getroffen wurden, bewirken einen mehr als 7%igen Rückgang des Wachstums im verarbeitenden Gewerbe.
7.8.
Die Dachverbände der organisierten indigenen Bevölkerung des Amazonasgebietes fordern von FUJIMORI Mitsprache bei der Festlegung der Konditionen für die Ausbeutung der Gasfelder von Camisea.
12.8.
Vertreter des Foro Democrático, darunter César RODRÍGUEZ RABANAL, einer ihrer Gründer, legen bei Premier VALLE RIESTRA Beschwerde gegen das Büro für Wahlverfahren ein. Es hat wiederum auf der Grundlage von Gesetz 26.670 die Prüfung der Unterschriften für das Referendum über die Gültigkeit der Ley de interpretación auténtica gestoppt. Dieses Gesetz modifiziert die Bedingungen des Gesetzes 26.300 über die Beteiligung und Kontrolle der Bürger am politischen Leben. VALLE RIESTRA nimmt diesen "Vorfall" als weiteren Anlaß, um seinen Rücktritt als Premier und Präsident des Ministerrates öffentlich bekanntzugeben. Zu seinem Nachfolger wird am Tag darauf wiederum Alberto PANDOLFI berufen.
20.8.
Präsident FUJIMORI entläßt ohne Vorankündigung seinen „Weggefährten" seit 1990, General Nicolás de BARI HERMOZA RIOS, sowohl als Oberkommandierenden der Streitkräfte als auch als Chef des Heeres. Seine Posten übernimmt General César SAUCEDO SANCHEZ, bisher Verteidigungsminister. HERMOZA RIOS, der den „Selbstputsch" von FUJIMORI im April
1992 unterstützt hatte, gilt als Kritiker des Friedensprozesses mit Ekuador. Der Chef des Geheimdienstes (SIN), Julio SALAZAR MONROE, wird neuer Verteidigungsminister.
194
Peru
21.8.
Der Jurado Nacional de Elecciones bestätigt die Resolution der ONPE über die Suspendierung des Verfahrens zur Prüfung der Unterschriften für das Referendum und die Übertragung des gesamten Verfahrens an den Kongreß. Oer Ombudsmann bedauert in der Öffentlichkeit diese Entscheidung, da sie den Rechtsstaat und die Demokratie weiter in Frage stelle. Am 25.8. übersendet ONPE ein Gesetzesprojekt an das Parlament, Interpretación in d e m sie die Aufhebung des Gesetzes 26.657 ( Ley de Auténtica del Articulo 112 de la Constitución) vorschlägt. Daraufhin be-
schließt die Verfassungskommission, sich endlich des kontroversen Themas anzunehmen und es dem Plenum zur Abstimmung vorzulegen. Dieses stimmt mit den 67 Stimmen der Regierungsallianz und einer Enthaltung gegen die Durchführung der Volksbefragung über eine erneute Kandidatur von Präsident FUJIMORI bei den Wahlen im Jahre 2000. Gemäß Meinungsumfrage sind 73% der Bevölkerung für ein Referendum. 28.8.
Der Verfassungsrechtler Enrique BERNALES, Direktor der Comisión
Andina
de Juristas, sieht in dem Widerstand der Zivilgesellschaft die einzige Alternative, um gegen den Zusammenbruch des Rechtsstaates und der demokratischen Ordnung in Peru anzugehen. Die Opposition im Parlament präsentiert eine "Klage" bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gegen den peruanischen Staat wegen Verletzung des demokratischen Systems. September 2.9.
Für die Kommunalwahlen stellen fünf Wählergemeinschaften und Parteie n Kandidaten auf: Vamos Vecinos, A P R A , Acción Popular, Perú und Somos Perú.
3.9.
9.9.
10.9.
Unión por el
18 Monate nachdem die zerstückelte Leiche der Ex-Agentin des militärischen Geheimdienstes (SIE), Mariella BARRETO RIOFANO, gefunden wurde, wird die Untersuchung gegen den SIE und die paramilitärische Gruppe Colina, die 1992 eine Studentengruppe ermordet hat, mangels Beweisen eingestellt. Der Präsident des Iberoamerikanischen Verbandes der Ombudsleute äußert sich am Rande des Kongresses in Lima besorgt über die Festnahme von Rechtsanwälten, die mutmaßliche 'Terroristen" verteidigt haben. Mit den Stimmen von Cambio 90-Nueva Mayoría werden die Einschränkungen der Kompetenzen des Consejo
Nacional
de Magistratura
und
damit die politische Unterwanderung der Justiz mittels Abstimmung durch das Parlament sanktioniert. 19.9.
Die von ihrem Posten suspendierte Verfassungsrichterin Delia REVOREDO denunziert auf einem vom „Miami Herald" organisierten Kongreß die Rechtsunsicherheit in ihrem Land. Diese sei auch für ausländische Investitionen gefährlich.
24.9.
Die peruanische Diplomatie, einschließlich Außenminister FERRERO COSTA, erklärt als unannehmbar, daß durch die noch ausstehende Grenzzie-
195
Lateinamerika Jahrbuch 1999
hung Tiwinza und der Militärposten Süd auf ekuadorianischem Territorium liegen würden. 27.9.
Bei ihrem dritten persönlichen Treffen erzielen die Präsidenten von Peru und Ekuador FUJIMORI und MAHUAD Konsens über die Vereinbarungen betreffend den freien Handel und die Schiffahrt auf dem Amazonas, die am 12./13. September in Buenos Aires von den Delegationen formuliert worden sind.
30.9.
Der Minister des Präsidialamtes, Tomás GONZALEZ REATEGUI, muß vor einen Untersuchungsausschuß des Kongresses aussagen. Es gilt zu klären, ob es während seiner Amtszeit als Präfekt von Loreto Mißwirtschaft und Unterschlagung gegeben hat.
Oktober 1.10.
Die peruanische Regierung weist den von der Weltbank eingefrorenen und danach konditionierten Kredit für die Bekämpfung der Korruption in der Justiz zurück. Er ist an die Bedingungen geknüpft, den Rat der Magistrate wieder in seine Funktionen einzusetzen.
3.10.
Der Rücktritt von Außenminister FERRERO COSTA und seinem Stellvertreter sowie einem weiteren Mitglied der Kommission steht im Zusammenhang mit den Verträgen über Handel und Schiffahrt, Bestandteil der Konfliktlösung mit Ekuador. Präsident FUJIMORI entscheidet sich für eine persönliche Weiterführung der Verhandlungen.
8.10.
Die USA gewähren dem Journalisten José ARRIETA politisches Asyl. Aufgrund seiner Recherchen für das regimekritische Programm von Frecuencia Latina wird er vom peruanischen Geheimdienst bedroht.
14.10.
Der Kongreß stimmt der von Präsident FUJIMORI eingebrachten Initiative zu, daß die Garantiemächte die Lösung des strittigen Punktes der Grenzziehung zwischen den beiden Ländern auf der Grundlage des Protokolls von Rio verpflichtend für die Konfliktparteien vorschlagen.
25.10.
Das gemeinsame Kommando von Streitkräften und Polizei übermittelt FUJIMORI seine institutionelle Unterstützung bezüglich des verpflichtenden Vorschlagsverfahrens zur Erreichung eines Friedensschlusses mit Ekuador. Währenddessen kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen in Iquitos gegen die Vereinbarungen.
26.10.
D i e P r ä s i d e n t e n FUJIMORI und MAHUAD unterzeichnen in G e g e n w a r t der
Garantiemächte die Acta Presidencial de Brasilia (mit ihren Verträgen), die einen dauerhaften Frieden zwischen Peru und Ekuador schafft und Endpunkt des Prozesses ist, der am 17.2.1995 mit der Declaración de Paz de Itamaraty begonnen hatte. 28.10.
196
Die Regierung von Kanada bietet Unterstützung an, um das Grenzgebiet von Tretminen zu säubern. Die Proteste in Lima und Iquitos gegen den Friedensschluß, vor allem gegen die Abgabe von "1 qkm Tiwinza" und die Gewährung von freiem Handel und Schiffahrt für Ekuador, gehen weiter.
Peru
Die Bevölkerung der Amazonasregion fühlt sich materiell benachteiligt und aufgrund mangelnder Information "hintergangen". November Anläßlich des Jahrestages der durch die paramilitärische Einheit Colina ermordeten Studenten und ihres Professors fordern die Angehörigen von rund 5.000 Verschwundenen die Bildung einer "Wahrheitskommission".
2.11.
3.11.
Die Handels- und Industriekammer von Loreto protestiert gegen die Gewährung von steuerlichen Privilegien an ekuadorianische und ausländische Unternehmen aufgrund der beiden Freihandelszonen. 6.11. Das Parlament stimmt einer Erhöhung der Quote Perus von knapp US$ 500.000 am IWF zu, um in den Genuß von höheren Kreditbeträgen kommen zu können. 10.-13.11. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission informiert sich vor Ort über die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte, über Rechtsstaat und Demokratieentwicklung. Noch vor Ort fordert sie die Regierung auf, die verfassungsgemäße Situation in der Justiz und der Militärgerichtsbarkeit und die Meinungs- und Pressefreiheit wieder herzustellen. Ferner mahnt sie eine Revision der Amnestie für die Mitglieder der Gruppe Colina durch ein Militärgericht an. 13.11
Das Parlament ratifiziert die Verträge über die Grenzintegration mit Ekuador und über Handel und Schiffahrt mit 85 bzw. 84 Ja-Stimmen.
Dezember 1.12.
Parlamentarier beschuldigen die Regierung, daß sie die Korruption in der Justiz fördere; denn die bisher identifizierten Richter seien sämtlichst unter dieser Regierung mit dem Ziel ernannt worden, u.a. die Gesetze zugunsten einer erneuten Kandidatur FUJIMORIS ZU manipulieren. Dem widerspräche nicht, daß Organisationen wie Human Rights Watch einen Rückgang der politischen Gewalt in einem beliebig verwendbaren demokratischen Rahmen feststellen würde. Gleichzeitig sei die Kriminalität stark ansteigend. Die Streitkräfte geben auch für ihren Bereich bekannt, daß anstatt 164 von Militärs begangenen Menschenrechtsverletzungen 1992 im Jahre 1998 nur drei Fälle denunziert wurden.
10.12
Die Regierung hat 90 Tage Zeit, um sich zu den Empfehlungen bezüglich der Klage von 26 Parlamentariern bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission zu äußern. In der Klage fordern die Abgeordneten die Regierung auf, die suspendierten Verfassungsrichter wieder einzusetzen. Wenn das nicht geschehe, könnte sie eine Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof in Costa Rica einreichen. Mechthild
Minkner-Bünjer
197
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstade Fliehe (in qkm): Wahrung:
Lima 1.285.216 Nuevo Sol
PERU Jahr 1980
1990
1996
1997
17,324 43,2 53,2 64,6 35,5 4,5 40,3 18,3 41.7
21,569 38.2 58 68,9 28,8 3,7 35,8 18 46,2
23,947 34,6 59,8 71,3
24,371 35,3 60,3 71,7 26,6 3,2
47 99 81 126 60,4 1389 79,7
61 81,7 54 75 65,8 943 85,6
90,2 41,5 58 68 1000
40 52 68,5
20651 1050 4631 3970 -101 780 27 2804
32802 1000 4120 4086 -1384 1812 41 1891
61013 2460 7315 9982 -3619 4557 3242 10990
63849 2610 8356 10842 -3407 5084 2030 11306
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
57,5 10,5 29 32 10,2 42 20,2 47,8
70,2 8,2 21,1 21,6 7,3 38,2 27 54,6
73 8 23,5 19 7,4 36,9 23,2 55,7
67,5 11,7 24,6 20,8 6,9 36,4 22,9 56,7
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
9386 6218 2151 964 44,5 3.1 59,1
20064 13629 475 247 10,7 -5,4 7481,7
29342 20580 2931 721 35,2 2,5 11.5
30496 20177 2936
. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
3,1 5.9 21.6 72,5
42,29 2,2 1,8
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
88,7
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnitt), jahrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
198
-0,6 4,2 40,1
30,9 7,2 8.6
Venezuela
Venezuela Amtlicher Name: República de Venezuela Präsident: Hugo CHAVEZ FRIAS (Movimiento Quinta República / MRV) Im Amt seit: 2. Februar 1999 Nächste Pariamentswahlen: November 2002 Kabinett (Stand Juli 1999): Außeres: Miguel Angel BURELLI RIVAS; Inneres: Asdrúbal AGUIAR; Finanzen. Maritza IZAGUIRRE PORRAS; Koordination und Planung: Teodoro PETKOFF; Industrie und Handel: Freddy ROJAS PARRA; Justiz: Hilarión CARDOZO; Verteidigung: Vizeadmiral Tito Manglio RINCÓN BRAVO; Arbeit: Maria BERNARDONI DE GOVEA; Landwirtschaft: Raúl ALEGRETT RUIZ; Bildung: Antonio Luis CARDENAS COLMENTER; Umwelt: Rafael MARTÍNEZ MONROE; Transport und Kommunikation: Julio MARTÍ. Sitzverteilung im Parlament (Stand Juni 1999): Abgeordnetenkammer (207 Sitze): Polo Patriótico - einschl. Movimiento Quinta República / MRV (vgl. Chronologie 15.01.98): 75; Acción Democrática (AD): 62; COPEf: 27; Proyecto Venezuela (PV): 20; Causa-R: 6; Convergencia Nacional: 5; sonstige: 12. Senat (53 Sitze): AD: 20; Polo Patriótico (einschl. MRV): 18; COPEI: 7; Proyecto Venezuela (PV): 3; Convergencia Nacional: 2; Causa-R: 1; sonstige: 2. Im Juli 1999 wurde eine neue Verfassunggebende Versammlung gewählt. Bereits im Vorfeld dieser Wahl waren etliche der im November 1998 gewählten Kongreßabgeordneten und Senatoren zurückgetreten, um für die Asamblea Constituyente zu kandidieren. Nach der Wahl erklärte sich die Versammlung als Ausdruck des souveränen Volkswillens zum obersten Staatsorgan, dem die anderen poltischen Institutionen untergeordnet sind; sie hat sich damit das Recht vorbehalten, diese wie auch die Organe der Justiz zu kontrollieren und gegebenenfalls aufzulösen.
Chronologie 1998 Innenpolitisch brachte das Berichtsjahr das Ende des Zweiparteiensystems in Venezuela. Ein mit harten Bandagen geführter Wahlkampf führte zu einer Polarisierung in der venezolanischen Gesellschaft, wie sie in der Vergangenheit nicht üblich war. Verlierer in diesem Wettstreit waren die beiden großen Parteien Acción Democrática und Copei, die zunehmend als Ursache für Filz, Korruption und Vetternwirtschaft im Lande gesehen wurden. Dies hatte der frühere Putschgeneral Hugo CHAVEZ FRIAS mit großem Erfolg zu nutzen gewußt. Er gewann die Präsidentschaftswahlen als selbsternannter Interessenvertreter der Armen und konsequenter Kämpfer gegen die Korruption. Gleichzeitig gelang es ihm, den einzigen ernsthaften Konkurrenten Henrique SALAS ROMER als Sprachrohr der Reichen hinzustellen. Die gegen ihn gerichtete Kampagne von SALAS ROMER, CHAVEZ sei der Kandidat des Untergangs, verpuffte dagegen weitgehend. Im wirtschaftlichen Bereich wurde das Land 1998 von einer immer tiefer werdenden Rezession erfaßt. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um fast 1%. Hauptgrund dafür ist die einseitige Abhängigkeit vom Erdöl, das bis vor kurzem noch für rund ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts, für drei Viertel der Exporterlöse und für 45% der Staatseinnahmen verantwortlich war. Durch den starken Verfall des Erdölpreisniveaus am Weltmarkt gingen die Erdölexporteinnahmen Venezuelas 1998 um fast 199
Lateinamerika Jahrbuch 1999
4 0 % auf US$ 12 Mrd. zurück. Trotz umfangreicher Haushaltskürzungen von US$ 2,5 Mrd. konnte ein Anstieg des Regierungsdefizits auf fast 9 % nicht verhindert werden. Das Inflationstempo verringerte sich leicht auf 30%. In der Handelsbilanz erzielte Venezuela zwar immer noch einen Überschuß von US$ 3,4 Mrd.; dieser Betrag lag aber deutlich unter dem Plus des Vorjahres von US$ 11,6 Mrd. Die Leistungsbilanz rutschte erstmals seit 1993 wieder in die roten Zahlen: Sie wies ein Defizit von US$ 1,7 Mrd. auf. Die Rezession führte 1998 zu einem Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens um 3%. Außerdem waren nach offiziellen Angaben Ende des Jahres 11% der 9,9 Mio. wirtschaftlich aktiven Venezolaner arbeitslos. Die Zahl der Personen, die ihren Lebensunterhalt in der Schattenwirtschaft verdienen mußten, hatte sich gleichzeitig auf 49,5% erhöht. Etwa vier Fünftel der Venezolaner verfügte über ein unzureichendes Einkommen. Fast die Hälfte von ihnen war nicht einmal mehr in der Lage, die Grundbedürfnisse zu decken. Das bedeutet, daß sich 1998 die soziale Lage in Venezuela dramatisch verschlechtert hat.
Januar 11.1.
Die venezolanische Steuerbehörde Semeat suspendiert die Lizenzen von 600 der insgesamt 2.100 Zollagenten wegen Schmuggel und Zollhinterziehung.
15.1.
Hugo CHAVEZ FRÍAS läßt die Bewegung V. Republik (Movimiento Quinta República / MVR) offiziell als Partei eintragen, damit er für sie als Präsidentschaftskandidat antreten kann.
16.1.
Bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Wärtern kommen im Gefängnis La Planta bei Caracas fünf Häftlinge ums Leben; weitere 14 werden verletzt.
19.1.
Energieminister Erwin ARRIETA kommt unter Beschuß, da er angeblich Flugzeuge der staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA für private Reisen benutzt haben soll.
22.1.
Der bisherige Botschafter Venezuelas in Bolivien, Héctor MALDONADO LIRA, wird neuer Industrie- und Handelsminister.
26.1.
Acción Democrática beschließt, trotz des Widerstands der Gewerkschafter in den eigenen Reihen die Privatisierung der vier staatlichen venezolanischen Aluminiumwerke zu unterstützen.
Februar 15.2.
Angesichts sinkender Erdölexporteinnahmen verfügt die Regierung Budgetkürzungen von umgerechnet US$ 1,26 Mrd.
18.2.
Der venezolanische Kongreß gibt in einer gemeinsamen Sitzung der beiden Kammern grünes Licht für die Privatisierung der staatlichen Aluminiumholding Corporación Aluminios de Venezuela. Der dabei festgelegte hohe Mindestpreis und andere ungünstige Bedingungen für mögliche Käufer (z.B. Kündigungsstopp für 18 Monate, umfangreiche Modemisierungs- und Um-
200
Venezuela
weltschutzinvestitionen) lassen trotz dreimaliger Wiederholung die Privatisierung wegen Mangel an Interesse scheitern. März 2.3.
5.3.
9.3. 11.3.
11.3.
14.3.
17.3. 22.3.
26.3. 27.3.
27.3.
31.3.
Acción Democrática kündigt die bisherige stille Koalition mit der Regierung auf und verbündet sich mit der Oppositionspartei Copei bei der Wahl der Parlamentsvorsitzenden. Als Ergebnis wird Copei-Vertreter Pedro Pablo AGUILAR zum neuen Senatspräsidenten gewählt und das AD-Mitglied Ixora ROJAS zur neuen Präsidentin des Abgeordnetenhauses. Die Landwirte von Guárico besetzen aus Protest gegen die Agrarpolitik der Regierung die Erdölanlagen in diesem venezolanischen Bundesstaat. Insbesondere geht es ihnen um die niedrigen Importzölle für Mais, die zu einem ruinösen Wettbewerb für venezolanische Produzenten führten. Unterzeichnung eines Vertrages mit Jamaika über die Zusammenarbeit im Bereich des Tourismus. Carlos TABLANTE, Chef der venezolanischen Rauschgiftbekämpfungsbehörde, leitet ein Verfahren gegen zehn venezolanische Richter ein wegen angeblicher Zusammenarbeit mit der Rauschgiftmafia. Als Ergebnis der VI. Verhandlungsrunde über die Wirtschaftskooperation Chile-Venezuela wird eine völlige Zollbefreiung für die Waren auf den Ausnahmelisten in 10 Jahren vereinbart. Einwöchige offizielle Reise von Präsident Dr. Rafael CALDERA nach Holland, Belgien, Deutschland und Frankreich, dabei u.a. Entgegennahme der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn. Unterzeichnung eines Investitionsschutz- und -förderungsvertrags mit Belgien. Vereinbarung über eine Reduzierung der Erdölexportmengen zwischen Venezuela, Mexiko und Saudi-Arabien, um ein weiteres Absinken des Erdölpreisniveaus am Weltmarkt zu verhindern. Venezuela verpflichtet sich, die tägliche Exportmenge um 200.000 Faß zu verringern. Nach einer vorübergehenden Erholung setzt der Erdölexportpreis seine Abwärtsbewegung fort. Nach Angaben der venezolanischen Regierung gibt es mittlerweile 52 Brandherde im Urwaldgebiet an der Grenze zu Brasilien. Nach Angaben der Innenpolitischen Kommission des Abgeordnetenhauses leiden 80% der Cuiba-Indianer und 65% der Yaruro-Indianer unter krasser Unterernährung. Ramón RAMIREZ LÓPEZ, bisher Präsident des nationalen Agrarinstituts, wird zum neuen Landwirtschaftsminister ernannt. Sein Vorgänger Raul ALEGRETT RUIZ hatte zwei Tage zuvor seinen Rücktritt eingereicht, um einem möglichen /mpeacftmeni-Verfahren im Kongreß wegen der Genehmigung billiger Getreideimporte zu entgehen. Erstmalig in der Geschichte Venezuelas verklagt eine Frau den venezolanischen Staat vor der Interamerikanischen Kommission der Menschenrechte.
201
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Klägerin ist Carmen CLEARY PARIS, der bei einem Scheidungsverfahren das Recht auf Verteidigung verwehrt worden war.
April 1.4.
Beginn der Erfassung der Wahlberechtigten für die anstehenden Präsidentschafts-, Parlaments,- Gouverneurs-, Regional-, Kommunal- und Bürgermeisteiwahlen durch den nationalen Wahlrat.
10.4.
Das Büro für Indianerfragen im Bildungsministerium beschließt eine Überarbeitung der Stundenpläne des zweisprachigen Unterrichts für 25 Indianerethnien.
13.4.
Mehr als 100.000 Mitarbeiter der Institutionen des staatlichen Gesundheitsdienstes treten in einen unbefristeten Streik wegen der Nichtbezahlung von Gehaltszuschlägen (z.B. Transport, Essen, Kleidung) seit etwa einem Jahr.
14.4.
Ein Gericht in Caracas erläßt zum zweiten Mal Haftbefehl gegen den früheren Präsidenten Carlos Andrés PÉREZ wegen der Veruntreuung von Staatsgeldem. Der 75 Jahre alte Politiker wird erneut unter Hausarrest gestellt. Zusammen mit seiner ehemaligen Sekretärin und Lebensgefährtin, die inzwischen in den USA lebt, soll er während seiner Amtszeit Gelder zweifelhafter Herkunft auf ein Konto in New York überwiesen haben.
15.4.
Zweitägiger Staatsbesuch des mexikanischen Präsidenten Ernesto ZEDILLO in Venezuela. Im Rahmen des Besuches unterzeichneten beide Länder ein Rechtshilfeabkommen, das auch die gegenseitige Auslieferung von Kriminellen vorsieht, sowie ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Energie.
18.4.
5. Konsultativtreffen der Gouverneure der Bundesstaaten auf beiden Seiten der venezolanisch-kolumbianischen Grenze.
19.4.
In Caracas beginnt die VIII Conferencia Regional Inteneligiosa e Intercultural. Teilnehmer sind katholische Priester, evangelische Pfarrer, jüdische Rabbiner, buddhistische Mönche und Vertreter von 80 weiteren Glaubensrichtungen aus Lateinamerika und der Karibik, darunter auch indianischer Urreligionen. Ziel ist die Vereinbarung einer Charta der Vereinten Religionen.
20.4.
Präsident CALDERA trifft zu einem Staatsbesuch in Peru ein.
22.4.
Weitere Budgetanpassung von umgerechnet US$ 294 Mio. werden verfügt.
Mai 3.5. 4.-9.5.
202
Präsident CALDERA unterzeichnet ein Finanzierungsabkommen mit 42 Nichtregierungsorganisationen, die im sozialen Bereich tätig sind. 99. ordentliche Sitzungsperiode der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) in Caracas. Zu Venezuela werden vor allem Übergriffe der Polizei und unerträgliche Haftbedingungen in den Gefängnissen kriti-
Venezuela
siert. Bei insgesamt 38.000 Häftlingen seien manche Gefängnisse um das siebenfache überbelegt. 7.5.
Treffen der Präsidialkommissionen Kolumbiens und Venezuelas für gemeinsame Integration und Grenzfragen in Mènda unter Beteiligung der Außen* und Transportminister beider Länder.
13.5.
Aufsplittung der ursprünglich für Dezember 1998 geplanten Präsidentschafts-, Parlaments-, Gouverneurs-, Regional- und Kommunalwahlen. Danach werden am 6.12.98 lediglich die Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Abgeordneten zum nationalen Parlament und zu den Parlamenten der Bundesstaaten sowie die Gouverneure sollen bereits am 8. November gewählt werden. Die Wahlen für die Bürgermeister und Gemeindeparlamente werden auf den 6.6.1999 verschoben.
14.5.
Die Mehrzahl der Delegierten des außerordentlichen Parteitages der sozialchristlichen Copei spricht sich für die Nominierung von Irene SAEZ zur Präsidentschaftskandidatin aus. Von den insgesamt 1.532 Teilnehmern unterstützen 976 die unabhängige Politikerin, während 540 von ihnen Eduardo FERNANDEZ als eigenen Copei-Kandidaten vorziehen würden.
15.5.
Erhöhung des monatlichen Mindestlohnes um 33% auf Bolívares 100.000. Rund 70% der abhängig beschäftigten Venezolaner müssen mit maximal zwei Mindestlöhnen auskommen. Nach Angaben der Gewerkschaften verschlingt aber alleine die Basisversorgung mit Nahrungsmitteln im Monat Bolívares 177.000.
19.5.
Gemäß einem "shadow accord" mit dem Internationalen Währungsfonds wird der IWF die Umsetzung des wirtschaftlichen Stabilisierungsprogramms der Regierung überwachen. Wenn Venezuela die angestrebten Ziele erreicht, könnte das Land über einen Standtoy-Kreditvon US$ 1,6 Mrd. verfügen. Das Abkommen hat vor allem den Charakter einer vertrauensbildenden Maßnahme.
25.5.
In Peking findet das zweite ordentliche Treffen der Gemischten Kommission Venezuela-China statt. Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Ausweitung des chinesischen Direktengagements im Erdölsektor Venezuelas und ein verstärkter Export des Brennstoffes Orimulsion nach China.
26.5.
Bei der Niederschlagung einer Meuterei im Gefängnis Los Pinos kommen 7 Häftlinge ums Leben.
Juni 1.-3.6.
28. Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Caracas. Die meisten der insgesamt 59 Resolutionen, die während der dreitägigen Sitzung verabschiedet werden, beschäftigen sich mit Menschenrechtsproblemen und der Bekämpfung der Herstellung, des Handels und des Gebrauchs von Rauschgift. Außerdem wird ein Sonderprogramm zur Unterstützung der Länder beschlossen, die am meisten unter dem Klimaphänomen El Niño gelitten haben.
203
Lateinamerika Jahrtuch 1999
3./4.6.
Auf der Sitzung des nationalen Parteivorstandes der AD wird Luiz Alfaro UCERO nominiert. Der bis dahin amtierende Parteisekretär, der fast 78 Jahre alt ist, gilt als graue Eminenz dieser Partei.
7.6.
Präsident CALDERA trifft zu einem offiziellen Staatsbesuch in der Schweiz ein. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Besuch hält CALDERA auf dem 86. Jahrestreffen der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf als Hauptredner einen Vortrag zum internationalen Arbeitsrecht.
8.6.
Die Seestreitkräfte Kolumbiens und Venezuelas beginnen das einwöchige gemeinsame Manöver Caribe XII-98.
11.6.
Der venezolanische Kongreß verabschiedet das neue Gesetz über die Förderung der Petro- und Kohlechemie. Damit soll ein stärkeres privatwirtschaftliches Engagement in diesen Bereichen ermöglicht werden.
12.6.
Nationalkongreß des Movimiento al Socialismo (MAS). Eine Mehrheit, der der Parteivorsitzende Teodoro PETKOFF nicht angehört, spricht sich für die Unterstützung des früheren Putschgenerals CHAVEZ FRIAS bei den Präsidentschaftswahlen aus.
24.6.
Die OPEC-Mitgliedsstaaten vereinbaren eine erneute Drosselung ihrer Förderung um zusätzliche 1,355 Mio. Faß pro Tag. Davon entfallen 525.000 Faß pro Tag auf Venezuela. Auch diese Maßnahme kann ein weiteres Absinken des Exportpreisniveaus für venezolanisches Erdöl nicht verhindern.
25.6.
Nationalkongreß des Industriedachverbandes Confederación Venezolana de Industriales unter dem Motto "Die Strategie Venezuelas ist die Industrie".
30.6.
Rücktritt von Finanzminister Freddy ROJAS PARRA aus persönlichen Gründen. Nachfolgerin wurde die Wirtschaftswissenschaftlerin Maritza IZAGUIRRE, die bis dahin als offizielle Vertreterin Venezuelas bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington tätig war.
Juli 1.7.
Im Zusammenhang mit der Neubesetzung des Finanzressorts nimmt Präsident CALDERA eine kleine Kabinettsreform vor: Minister für Transport und Kommunikation wird Julio MARTI, bisher verantwortlich für Stadtentwicklung. Sein Nachfolger in diesem Ressort wird Luis GRANADOS, bisher Präsident des nationalen Wohnungsinstitutes. Zum neuen Innenminister wird der bisherige Präsidialsekretär Asdrübal AGUIAR ernannt. Er tauscht damit den Posten mit dem bisherigen Amtsinhaber José Guillermo ANDUEZA. Neuer Gouverneur des Bundesdistrikts der Hauptstadt wird Moisés OROZCO GRATEROL, bisher Transport- und Kommunikationsminister; neuer Chef der nationalen Drogenbekämpfungskommission wird Raúl DOMÍNGUEZ.
2.7.
Austritt von Planungsminister Teodoro PETKOFF aus dem Movimiento al Socialismo. Der MAS-Mitbegründer hatte sich für diesen Schritt aus Protest gegen die offizielle Unterstützung der Partei für die Präsidentschaftskandidatur von CHAVEZ FRIAS entschieden. PETKOFF hatte statt dessen SALAS RÖMER favorisiert.
204
Venezuela 10.7.
10.7.
16.7.
21.7. 27.7.
Die Superintendencia
Nacional
Tributaria
beschließt die Intervention der
wichtigsten Zollbehörden des Landes, nachdem sich gemäß einer Untersuchung des Nationalen Investitionsförderrates Conapri 85% der befragten Unternehmen über die Korruption der Zollbehörden beschwert hatten. Die Polizei- und Armeeangehörigen, die am 29.10.88 in El Amparo 14 Fischer erschossen hatten, werden bei einem Revisionsverfahren von einem ad hoc-Militärgericht mit der Begründung freigesprochen, sie hätten in legitimer Verteidigung ihres Lebens gehandelt. Maria Bello DE GUZMAN, Präsidentin des Frauenrates Venezuelas, übergibt der Regierung den Nationalen Plan für die Frau, der in 215 Punkten Vorschläge für die Verbesserung der Situation der Frau in der Gesellschaft und für mehr Gleichberechtigung enthält. Die Präsidentin des Nachbarlandes Guyana, Janet JAGAN, trifft zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Venezuela ein. Der südafrikanische Bergbau- und Energieminister Penuell MPAPA MADUNA
führt in Caracas Gespräche mit seinem Amtskollegen und mit Präsident CALDERA.
27.7.
Der frühere venezolanische Finanzminister Luis Raúl MATOS AZÓCAR wird zum neuen venezolanischen Exekutivdirektor der Interamerikanischen Entwicklungsbank ernannt. Er ersetzt damit Maritza IZAGUIRRE (vgl. 30.6 ).
August 2.8.
8.8. 16.8.
28.8.
Der venezolanische Senat genehmigt Präsident CALDERA Sondervollmachten zur Verabschiedung einschneidender wirtschaftlicher Reform- und Sanierungsmaßnahmen per Dekret (Ley Habiiitante). Dazu gehört z.B. die Schaffung eines makroökonomischen Stabilisierungsfonds, der aus Privatisierungseinnahmen und/oder aus außergewöhnlich hohen Erdöleriösen gespeist werden soll, das Gesetz über die Schuldenrefinanzierung, das Gesetz über die Modernisierung des Zollwesens und eine umfassende Sozialversicherungsreform. Einen Tag zuvor hatte auch die Mehrheit der Abgeordneten die Sondervollmachten gebilligt. Allerdings verweigerten die Parlamentarier in drei Fällen ihre Zustimmung zur Regierungsvorlage. Nicht genehmigt wurde die Umwandlung der Luxus- und Großhandelssteuer in eine allgemeine Mehrwertsteuer, die Neuregelung des Elektrizitätssektors und der Freizeitbereich der Sozialversicherungsreform. Offizieller Beginn des Wahlkampfes. Innenminister Asdrübal AGUIAR und der Minister für Grenzangelegenheiten, POMPEYO MARQUEZ, treffen in San José (Bundesstaat Bolivar) mit Vertretern der Indianervölker Pemón, Arawak, Akawayo und Karifia zusammen, die seit dem 27.7. die Verbindungsstraße zu Brasilien blockiert halten. Die Indianer erklären sich mit der Beendigung der Straßensperre einverstanden. Dafür sagt die Regierung den Beginn offizieller Verhandlungen über die Forderung nach Rückgabe der traditionellen Stammesgebiete zu. Der venezolanische Kongreß ratifiziert das Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Dieser Vertrag sieht die Ge205
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Währung von Sonderrechten für die indianischen Ureinwohner vor. Dies schließt die Anerkennung der Rechte am Grund und Boden der Stammesgebiete ein sowie die Respektierung der traditionellen Organisationsformen und der Kultur der Indianer. Ein weiterer Aspekt ist der Schutz der Umwelt in den Gebieten, die von Indianern bewohnt werden. 28.8.
Nach siebenjährigen Verhandlungen unterzeichnen die Vereinigten Staaten und Venezuela ein Abkommen über die Vermeidung der Doppelbesteuerung.
September 1.9.
Ärzte im öffentlichen Dienst beginnen Streiks um bessere Löhne. Eine Woche später befinden sich bereits 6.000 Ärzte im Ausstand. Viele der Streikenden sind nicht bereit, Notfälle zu versorgen. Damit verstoßen sie gegen ein Regierungsdekret, das Ärzte dazu verpflichtet, eine grundlegende medizinische Versorgung zu garantieren. Nach vier Todesfällen durch die Abweisung von Notfällen eröffnet die Staatsanwaltschaft am 17.9. ein Untersuchungsverfahren .
2.9.
Sowohl der venezolanische Senat als auch das Abgeordnetenhaus geben dem Gesetz über die Förderung privatwirtschaftlicher Aktivitäten im Petrochemiesektor ihre Zustimmung. Danach können bis zu 49% der Anteile an der staatlichen Pequivön an private Investoren abgegeben werden.
4.9.
Die venezolanische Regierung beschließt ein Paket von 40 Maßnahmen zur Konsolidierung des Staatshaushaltes und zur Stärkung ihres Wirtschaftsprogramms, darunter erneute Ausgabenkürzungen von über US$ 1 Mrd., die Streichung von Subventionen, Einnahmenerhöhungen von über US$ 2 Mrd. durch außerordentliche Erträge (z.B. Privatisierungserlöse) und durch die Steigerung der ordentlichen Steuereinnahmen aus dem Nichterdölsektor (vor allem durch eine stärkere Bekämpfung der Steuerhinterziehung).
8.9.
Der venezolanische Verteidigungsminister Tito Manlio RINCÖN BRAVO unterschreibt in Brasilia zusammen mit seinem brasilianischen Amtskollegen ein Abkommen über die militärische Zusammenarbeit der beiden Länder. 9.9. Der stellvertretende Premierminister Chinas, Wu BANGGUO, trifft zu einem offiziellen Besuch in Venezuela ein. 17.9. Präsident CALDERA eröffnet das IV. Treffen iberoamerikanischer Ministerinnen und Frauenbeauftragter in Caracas, das dem Thema der Gleichberechtigung und gleicher Chancen für die Frauen der Region gewidmet ist. 28.9.-25.10. Die Marine Venezuelas und Angehörige der US-Spezialeinheit "Seals" führen im venezolanischen Marinestützpunkt in Turiamo, Bundesstaat Aragua, ein gemeinsames Ausbildungsprogramm durch.
206
Venezuela
Oktober 12.10
16.10
Präsident CALDERA ratifiziert das "Gesetz zum umfassenden Schutz der Kinder und Heranwachsenden", das mit der Unterstützung von 150 Nichtregierungsorganisationen ausgearbeitet wurde. Das Investitionsschutz- und Förderabkommen zwischen Venezuela und Deutschland wird ratifiziert und tritt in Kraft.
November 8.11.
Aus den Kongreß- und Regionalwahlen geht Acción Democrática (AD) zwar erneut als stärkste Partei hervor, verliert aber einen Großteil ihrer Sitze und Gouvemeursposten, so daß sie auf den Status einer Minderheit absinkt. Bei den Kongreßwahlen gewinnt AD 24,2% der Stimmen. Am relativ erfolgreichsten ist MVR von CHAVEZ FRIAS, die aus dem Stand rund 2 0 % der Stimmen erhält. Dies bedeutet, daß MVR zur zweitstärksten politischen Kraft des Landes vor der konservativen Copei aufrückt, die sich mit 12% der Stimmen begnügen muß. Den vierten Platz besetzt ebenfalls eine neue Partei: Proyecto Venezuela (PV), die die Präsidentschaftskandidatur des unabhängigen Politikers SALAS ROMER unterstützt. Obwohl diese Partei über keinen eigenen Apparat verfügt, gelingt ihr mit einem Stimmenanteil von über 10% ein Achtungserfolg. Die sozialistische MAS muß sich dagegen bei rund 9% der Stimmen mit dem fünften Platz zufriedengeben. Die fünf größten Fraktionen unter den insgesamt 189 Kongreßabgeordneten stellen nunmehr AD mit 62 Mandatsträgem, MVR mit 45, Copei mit 27, PRVZL mit 21 und MAS mit 19. - Unter den 48 Senatoren führt ebenfalls AD mit 19 Mandaten. Auf den nächsten Plätzen folgen hier: MVR 13, Copei 7, MAS 4 und Convergencia 2. - Der Einfluß von CHAVEZ FRIAS im Kongreß ist allerdings stärker als die Zahl der direkten MVR-Mandate. Im Rahmen des linksnationalistisch orientierten Bündnisses "Polo Patriótico" wird MVR mit etwa einem Dutzend kleinerer Parteien und Gruppierungen zusammenarbeiten. Dieses Bündnis verfügt über rund 34% der Kongreßsitze. - Bei den Gouvemeurswahlen dominiert AD in 8 der 23 Bundesstaaten, gefolgt von Copei mit 7. Auf MVR entfallen 4, auf MAS 2 sowie auf Convergencia und PRVZL je 1 Gouvemeursposten. - Insgesamt beteiligen sich an den Kongreß-, Gouverneurs- und Regionalwahlen 55% der 10,6 Mio. wahlberechtigten Venezolaner.
23.11.
Die Präsidenten Brasiliens und Venezuelas weihen die neue Schnellstraße ein, die Manaos im Norden Brasiliens mit der venezolanischen Karibikküste verbindet. Dadurch ist es nunmehr möglich, in zwölf Stunden von Manaos nach Caracas zu gelangen. Die Frachtkosten verringern sich um rund ca.
27.11.
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen versuchen die traditionellen politischen Kräfte des Landes, ein Anti-Chávez-Bündnis unter dem Namen "Toconchá" (Todos contra Chávez - Alle gegen Chávez) zu schmieden. Acción Democrática erklärt den Verzicht auf den eigenen Kandidaten und bisherigen Generalsekretär, Luis Alfaro UCERO, und beschließt statt dessen die
50%.
207
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Unterstützung von SALAS RÖMER. UCERO sträubt sich jedoch vehement gegen diesen Beschluß, so daß ihn das nationale Exekutivkomitee der AD am 30.11. aus der Partei ausschließen muß. Am 3.12. ersetzt auch die christdemokratische COPEI ihre bisherige Kandidatin Irene SAEZ durch SALAS ROMER.
Dezember 6.12.
Der 44jährige ehemalige Oberstleutnant Hugo CHAVEZ FRÍAS - Kandidat des linksnationalistischen Bündnisses Polo Patriótico unter Einschluß von MVR - gewinnt die Präsidentschaftswahlen mit großem Abstand zu seinem ernsthaftesten
Gegenkandidaten
SALAS
ROMER:
Für
CHAVEZ
stimmen
56,2% der Wähler und für SALAS ROMER 39,97%. Die übrigen neun Bewerber bleiben weit abgeschlagen auf der Strecke. Die Wahlbeteiligung beträgt 64%. 10.12.
Mit Dekret 3.080 wird die nationale Kommission der Sozialpartner (Comisión Tripartita) in eine ständige Institution umgewandelt. Der Kommission gehören Vertreter der Regierung, der Gewerkschaften und der Unternehmerorganisationen an.
15.12.
15 Vertreter der Indianerorganisation Partido Político Pueblo Unido Multiétnico de Amazonas überbringen CHAVEZ FRIAS einen Katalog mit Forderungen zur Anerkennung ihrer Rechte auf kulturelle Eigenständigkeit, Selbstverwaltung und Eigentum an den traditionellen Stammesgebieten.
15.12.
CHAVEZ FRIAS bricht zu einem offiziellen Besuch Brasiliens, Argentiniens und Kolumbiens auf. In den ersten beiden Ländern geht es vor allem um Unterstützung für eine baldige Aufnahme Venezuelas in den Mercosur. Außerdem informiert er sich in Argentinien über den Erfolg des Wirtschaftsmodells. Im Falle Kolumbiens steht die Stärkung der Andengemeinschaft und die Intensivierung der besonderen Beziehung zwischen beiden Ländern im Mittelpunkt der Gespräche.
21.12.
Höflichkeitsbesuch von CHAVEZ FRÍAS in Mexiko. Diskutiert wird die Möglichkeit einer weiteren Reduzierung der Erdölproduktion, um dem Preisverfall auf dem internationalen Markt entgegenzuwirken. Peter Rösler
208
Venezuela
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt Fliehe (in qkm): Währung;
Caracas 912.050 Bolivar
VENEZUELA Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN
1980
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1990
1996
1997
22,311 35,7 59,2 86,1 25,3 3
22,777 35,3 60,5 86,4 24,8
21 25,2 72,8
15,091 40,7 56,1 79.4 32,9 4.2 16,1 28.4 55.5
19,502 38,2 58,1 84 28,6 3,4 12,7 25,1 62,2
79 112 36 42 68,3 700 84,9
80 100,5 24.6 27 71.2 641 90,1
21,4 28 72
69369 4350 19968 15130 4728 164 55 4293
48593 2700 18806 9451 8279 -2161 76 12733
70292 3070 25280 14779 8914 -1751 1676 16020
87480 3480 25120 18282 4684 -280 4611 17704
54,9 11,8 26,4 33,3 4.8 46,4 16 48,8
62,1 8,4 10,2 29,5 5.4 50,2 20,5 44,4
63,4 5 16,7 31,6 4,2 46,4 17,7 49,3
66,9 6,2 17,7 26,9 4.1 40,7 16.1 55.2
29344 10614 6037 3065 27,2 -4,5 21,5
33170 24509 4990 3242 23,2 6.5 40,7
35347 28455 4503 2141 16.5 -0.5 99,9
35541 26680 8634
42,15 2.6 12,3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
92
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) KapitalEilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
31.3 io
0,7 3.8 50
209
Lateinamerika Jahrbuch 1999
210
Mexiko
Mexiko Amtlicher Name:
Estados Unidos Mexicanos
Präsident:
E r n e s t o ZEDILLO PONCE DE LEÓN
Im Amt seit: 1 Dezember 199* Nächste Präsidentschaftswahlen: Juli 2000 Regierungspartei:
Partido Revolucionario Institucional (PRI)
Kabinett (Juli 1999): Äußeres: Rosario GREEN MACIAS; Inneres: Dtódoro CARRASCO ALTAMIRANO; Finanzen: José Ángel GURRIA TREVIÑO; Handel und Industrieförderung: Herminio BLANCO MENDOZA; Justiz: Jorge Luis MADRAZO CUÉLLAR; Landwirtschaft: Romaneo ARROYO MARROQUIN; Energie: Luis TÉLLEZ KUENZLER; U m w e l t : Julia CARABIAS LILLO: V e r -
teidigung: General Enrique CERVANTES AGUIRRE; Tourismus: Oscar ESPINOZA VILLARREAL; Bildung: Miguel LIMÖN ROJAS; Verkehr und Kommunikation Carlos Ruiz SACRISTÁN; Arbeit und Soziales: Javier BONILLA GARCIA; Zentralbankprásident: Guillerrno ORTIZ MARTÍNEZ.
Regierungschef von Mexiko-Stadt (Jefe de Gobierno): Cuauhtémoc CARDENAS SOLÓRZANO (PRD) Oppositionsparteien im Parlament: Partido Acción Nacional (PAN); Partido de la Revolución Democrática (PRD); Partido Verde Ecologista Mexicano (PVEM); Partido del Trabajo (PT). Sitzverteilung im Abgeordnetenhaus seit der Neuwahl vom 6. Juli 1997 (500 Sitze): PRI: 239; PRD: 125; PAN: 121; PVEM: 8; PT: 7. Sitzverteilung im Senat seit der Nachwahl vom 6. Juli 1997 (128 Sitze): PRI: 77; PAN: 33; PRD: 16; PVEM: 1; PT: 1. Anfang August 1999 schlössen sich die drei im Parlament vertretenen sowie fünf weitere kleine Oppositionsparteien zu einer „Allianz für Mexiko" zusammen. Kernpunkt eines Sieben-Punkte-Plans ist die Verständigung auf einen Wahlmodus, mit dem ein gemeinsamer Präsidentschaftskandidat aufgestellt werden soll. Umfragen zufolge hätte ein solches Oppositionsbündnis gute Chancen, die Präsidenten- und Parlamentswahlen im Jahr 2000 zu gewinnen und die „ewige" Regierungspartei PRI von der Macht zu verdrängen. Die Haltbarkeit dieser Allianz bleibt abzuwarten.
Chronologie 1998 Für Mexiko war im Berichtsjahr der Beginn der Neuordnung der politischen und der handelspolitischen Beziehungen von herausragender Bedeutung. Nachdem bereits Anfang Dezember 1997 das „Abkommen über wirtschaftliche Partnerschaft, politische Koordinierung und Zusammenarbeit" („Rahmen- oder Globalabkommen") zwischen der EU und Mexiko unterzeichnet worden war, wurde seit November 1998 über den Abschluß eines mexikanisch-europäischen Freihandelsabkommens verhandelt. Grundlage für diese Verhandlungen bildet das sogenannte „Interimsabkommen", das in der ersten Jahreshälfte vom mexikanischen Senat und vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde und seit dem 1. Juli 1998 in Kraft ist. Im Gegensatz zum NAFTA-Vertrag enthält das mexikanisch-europäische Vertragswerk eine Demokratie- und Menschenrechtsklausel, die sich im Berichtsjahr durch die In211
Lateinamerika Jahrbuch 1999
tervention nationaler und internationaler NGOs zu einem heiklen Verhandlungsgegenstand entwickelte, nachdem sich die Menschenrechtslage in Mexiko laufend verschlechterte. Im Chiapas-Konflikt bewegte sich nur wenig. Bischof Samuel Ruiz trat Ende Mai vom Vorsitz der Versöhnungskommission CONAI zurück, und diese Institution löste sich auf. Im Spätherbst kam es zu einer vorsichtigen Wiederannäherung zwischen der Parlamentskommission COCOPA und der Zapatistischen Befreiungsfront EZLN. Die Militarisierung und die Paramilitarisierung schritten fort. Der härtere Kurs der Regierung machte sich auch in der Ausweisung zahlreicher Ausländer bemerkbar. Das mexikanische Institut für Kriminalitätsstudien (Imeco) stellte für 1998 fest, daß das organisierte Verbrechen immer häufiger vom Staat geschützt wird und die Staatsstrukturen für sich ausnutzt. Programme zur Verbrechensbekämpfung zeigten keine nachhaltige Wirkung; statt dessen war eine Zunahme staatlicher Gewalt zu beobachten. Die UN-Menschenrechtskommission sprach von einer "allgemeinen Schwächung des Rechtsstaats". Innenpolitisch standen zudem die Gouverneurs- und Kommunalwahlen in zehn bzw. 14 Bundesstaaten im Mittelpunkt der Diskussion. Sie lenkten den Blick auf die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 und die Kandidatenkür. Der PRI gewann mit sieben von zehn Gouverneurswahlen in den entscheidenden Bundesstaaten an Boden, womit sich die Aussichten für einen oppositionellen Gegenkandidaten wieder verringerten. Innerhalb des PRI setzte sich - abweichend vom traditionellen dedazo, bei dem der Amtsinhaber seinen Nachfolger aussuchte - das Verfahren interner Vorwahlen für die Bestimmung eines Kandidaten durch. Der PRD konnte ebenfalls eine positive Bilanz ziehen, während der PAN an Zustimmung verlor. Im Jahresverlauf wurde erkennbar, daß nur ein Zusammengehen von PRD und PAN die Regierungspartei PRI besiegen könnte. Der Streit um die Reformierung des Finanzsystems spaltete jedoch die beiden Oppositionsparteien. Wirtschaftlich konnte Mexiko nach Angaben der CEPAL 1998 zwar weiter aufholen, das Wachstum des BIP betrug aber nur 4,5% und entsprach damit nicht den Erwartungen am Jahresanfang. Hierfür wurden die fallenden Ölpreise am Weltmarkt und die Unbeständigkeit kurzfristiger ausländischer Kapitalzuströme verantwortlich gemacht. Die Angespanntheit der Finanzmärkte führte zu einer strengen Geldpolitik und zu Haushaltskürzungen, die überproportional die arme Bevölkerung betrafen. Die Armut in Mexiko nahm trotz anhaltenden Wirtschaftswachstums nach CEPALAngaben zu. Das Pro-Kopf-Einkommen sank, und die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums verschärfte sich. Januar 3.1.
212
Präsident Zedillo nimmt eine Kabinettsumbildung vor: Innenminister Emilio CHUAYFFET wird entlassen und durch den bisherigen Landwirtschaftsminister Francisco LABASTIDA OCHOA ersetzt. Außenminister Angel GURRIA wechselt ins Finanzressort, nachdem sein Vorgänger Giullermo ORTIZ zum neuen Zentralbankchef ernannt worden war. Neue Außenministerin wird Rosario GREEN MACIAS. Die neuen Regierungspolitiker werden dem traditionellen PRI-Lager zugerechnet. Das Revirement erfolgt kaum zwei Wochen nach dem Massaker von Acteal (vgl. Jahrbuch 1998).
Mexiko
12.1.
Bei landesweiten Protestmärschen fordern mehr als 100.000 Menschen das Ende der Gewalt in Chiapas. In mehreren lateinamerikanischen, nordamerikanischen und europäischen Städten kommt es ebenfalls zu Kundgebungen vor den mexikanischen Botschaften.
Februar 26.2.
Die Clinton-Administration erteilt Mexiko die certification zur Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung, obwohl im Vorfeld Anschuldigungen gegen mexikanische Regierungsbeamte wegen Verstrickung in den Drogenhandel in der nordamerikanischen Presse laut wurden. Die Erteilung der certification trifft auf Kritik im US-Kongreß.
26.2.
Mexiko weist den seit 32 Jahren in Mexiko lebenden französischen Pater Jean CHANTEAU des Kirchenkreises San Cristóbal de las Casas aus. Gegen ihn werden Anschuldigungen wegen politischer Aktivitäten erhoben. Er hatte öffentlich die Regierung für das Massaker von Acteal verantwortlich gemacht. Regierungsstellen wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Vorfall äußern. Die Ausweisung wird als Ausdruck eines härteren Kurses der Regierung im Chiapas-Konflikt und der Schwächung der Position von Bischof Samuel Ruiz gewertet.
März 15.3.
26.3.
Die Regierung legt im Parlament einen neuen Gesetzesvorschlag für die Änderung der Rechte der indigenen Bevölkerung vor, der sowohl in den eigenen Reihen als auch bei der Opposition und dem EZLN auf Kritik stößt. Einige Abgeordnete des PRD geben ihrem Unmut durch einen Hungerstreik Ausdruck. Präsident ZEDILLO legt im Parlament einen Gesetzesvorschlag zur Reformierung des Finanzsystems vor. Unter anderem sieht dieser eine Verlagerung einiger Kompetenzen vom Finanzministerium zur Zentralbank vor, um deren Position zu stärken. Streitpunkt ist der Skandal um den nationalen Sparschutzfonds Fobaproa, dessen Schulden nach den Vorstellungen der Regierung vom Staatshaushalt übernommen werden sollen.
April 11.-28.4. Präsident ZEDILLO reist in den folgenden Wochen mehrmals nach Chiapas. Die Positionen zwischen Regierung, Vermittlungskommission CONAI und dem EZLN verhärten sich aufgrund gegenseitiger Schuldzuweisungen, eine Lösung des Konfliktes zu verhindern. Mai 6.5.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Familienclan ORANTES, bekannte Unternehmer und Lokalpolitiker in Tuxtla Gutiérrez, Gruppen 213
Lateinamerika Jahrbuch 1999
von Paramilitärs gebildet, mit Waffen ausgerüstet und unterstützt haben. Man vermutet, daß ein Kreis von Unternehmern und Großgrundbesitzern hinter den Aktivitäten der Paramilitärs steht und von öffentlicher Seite geduldet wird. 11.5.
Die Welle von Ausweisungen ausländischer Beobachter hält an: eine Gruppe von 135 Italienern muß das Land verlassen, nachdem sie das Hauptquartier des EZLN besucht haben. Die Regierung begründet das Vorgehen mit dem Eingriff in nationale Angelegenheiten. Die Italiener kündigen an, den Vorfall vor die EU zu bringen.
13.5.
Das Europäische Parlament in Straßburg verabschiedet das "Interimsabkommen", das als Grundlage für die Verhandlungen des mexikanischeuropäischen Freihandelsabkommens dienen soll.
13.5.
Präsident ZEDILLO nimmt eine weitere Kabinettsumwandlung vor: Esteban MOCTEZUMA BARRAGÁN übernimmt das Ministerium für soziale Entwicklung, José Antonio GONZALEZ FERNÁNDEZ tritt die Nachfolge von Arbeitsminister Javier BONILLA GARCIA an. MOCTEZUMA kehrt damit in das Kabinett ZEDILLOS zurück, dem er zuvor schon als Innenminister angehört hatte.
18.5.
"Casablanca'-Affäre: Ein Bericht der US-Regierung über Geldwäsche und Drogenhandel und die Verstrickung mexikanischer Banken belastet das Verhältnis der beiden Staaten zueinander. Trotz eines beschlossenen gemeinsamen Vorgehens gegen Geldwäsche hatten die USA seit drei Jahren Untersuchungen durchgeführt und damit ihr Mißtrauen gegenüber der mexikanischen Regierung und die Bedeutungslosigkeit der vereinbarten Strategie demonstriert.
24.5.
Die Gouverneurswahlen in Yucatán bringen als klaren Sieger den PRIKandidaten Cervera PACHECO hervor, der sich allerdings gegen Vorwürfe des Amtsmißbrauchs verantworten muß.
Juni 7.6.
In El Charco im Bundesstaat Guerrero überfällt die Armee nachts eine Gruppe von EPR-Kämpfern. Elf Guerilleros kommen ums Leben, weitere 21 werden verhaftet. Der Überfall löst eine Fluchtbewegung der ansässigen Bewohner aus.
8.6.
Samuel Ruiz, Bischof von San Cristóbal de las Casas, legt den Vorsitz der vermittelnden Kommission CONAI nieder, womit sie sich auflöst. Ruiz zieht damit die Konsequenzen aus der verfolgten Strategie der Regierung, die eher eine militärische als politische Lösung des Konflikts anstrebt. Ruiz hatte kritisiert, daß die Regierung die Interessen des EZLN nicht angemessen berücksichtigt, während sie dem Bischof anlastet, daß er zu sehr Partei für den EZLN ergriffen habe.
10.6.
Bei der Entwaffnung der autonomen Gemeinde "San Juan de la Libertad" durch das Militär werden neun Personen getötet, sieben verletzt und 50 festgenommen. Nach Aussagen der Bewohner geht das Militär mit äußerster Härte und mit großem Aufgebot vor, um Sympathisanten des
214
Mexiko
EZLN unter den Dorfbewohnern auszumachen und den Status der Selbstverwaltung aufzuheben. Juli 1.7.
Das Interimsabkommen zwischen der EU und Mexiko tritt in Kraft (vgl. April und 13.5.).
5.7.
Die Wahlen in Durango, Zacatecas und Chihuahua ergeben zwei Siege für den PRI und einen für den PRD durch den ehemaligen PRIKandidaten Ricardo MONREAL. Großer Verlierer des Tages ist der konservative PAN, der die Regierung von Chihuahua an den PRI-Kandidaten Patricio MARTINEZ abgeben muß. Dieses ist das erste Mal, daß ein von der Opposition regierter Bundesstaat an den PRI zurückfällt. Die Niederlage hat interne Folgen für den PAN, da sie die Position Francisco BARRIOS' gegenüber dem Gouverneur von Guanajuato, Vicente Fox QUESADA, als möglicher Präsidentschaftskandidat schwächt.
15.7.
Gegen Zentralbankchef ORTIZ und andere Unternehmer wird Anzeige erstattet wegen Veruntreuung von Geldern im Zusammenhang mit dem Bankrott des World Trade Centers.
22.7.
Sozialminister Esteban MOCTEZUMA gibt die Daten über die in Armutslagen befindliche mexikanische Bevölkerung bekannt, die das Statistische Bundesamt monatelang auf Anordnung der Regierung zurückgehalten hat. Unter der Regierung ZEDILLO ist die Zahl der in Armut lebenden Mexikaner von 17 auf 26 Mio. gestiegen. Besuch des UNO-Generalsekretärs Kofi ANNAN in Mexiko. Seine Zurückhaltung mit Äußerungen zum Chiapas-Konflikt wird von den NGOs als diplomatische Höflichkeit gewertet.
22 +23.7.
27.7.
Paramilitärs in Chiapas halten zwei Mitglieder der US-Botschaft fest. Die US-amerikanische Regierung gibt zu, daß die US-Armee und Angestellte der Botschaft zwecks Beobachtung der Situation bereits mehrmals durch Chiapas gereist sind, und rechtfertigt das Vorgehen damit, daß der Chiapas-Konflikt angesichts seiner Bedeutung Auswirkungen auf die Beziehung beider Staaten zueinander haben kann.
Ende
Außenministerin Rosario GREEN trifft in Österreich führende EU-Politiker. Mexiko erhofft sich von Österreich und Deutschland Unterstützung bei den Verhandlungen zum Freihandelsvertrag.
August 2.8.
Bei den Gouverneurswahlen in Veracruz, Oaxaca und Aguascalientes stärkt der PRI durch zwei gewählte Gouverneure in Veracruz und Oaxaca seine Stellung, muß aber Aguascalientes an den PAN abgeben. Obwohl der Bundesstaat eine geringe Rolle auf nationaler Ebene spielt, war dieser Sieg für den PAN wichtig nach den Niederlagen bei den vorherigen Wahlen und der Sorge, die konkurrierende Stellung an den PRD abzugeben.
215
Lateinamerika Jahrbuch 1999
3.8.
Der PRD veröffentlicht eine Liste von Unternehmern, die Gelder aus dem Fobaproa bezogen haben. Unter ihnen befinden sich die vier wohlhabendsten Männer Mexikos. Die Diskussion um die Handhabung der durch den Fonds entstandenen Schulden entfacht erneut die Diskussion und zeigt die entschlossene Haltung des PRD, sich gegen den Gesetzesentwurf zu stellen (vgl. 26.3.).
17.8.
"Schwarzer Freitag" an der mexikanischen Börse. Die Regierung kündigt korrigierende Maßnahmen an, doch bis Anfang September kommt es zu weiteren Abwertungen des Pesos gegenüber dem US-Dollar und zu dem niedrigsten Stand des Börsenindexes seit zwei Jahren. Erste Anzeichen von Kapitalflucht machen sich bemerkbar.
30.8.
Der PRD organisiert ein nationales Referendum zur Frage über Fobaproa, an dem drei Millionen Mexikaner teilnehmen, die sich gegen die Pläne von Präsident ZEDILLO aussprechen. Angesichts der relativ geringen Beteiligung fällt das Referendum aber politisch nicht ins Gewicht. Der PAN kritisiert das populistische Vorgehen des PRD und vertritt eine Lösung durch das Parlament.
September 1.9.
Vierter Rechenschaftsbericht des Präsidenten. ZEDILLO stellt die wirtschaftliche Entwicklung in den Vordergrund und erwähnt mit keinem Wort den Konflikt in Chiapas. Die öffentliche Kritik an seiner Rede ist groß.
3.9.
Anhaltende Regenfälle verursachen im Soconusco an der Pazifikküste von Chiapas schwere Überflutungen, die 400 Tote fordern und Hunderttausende obdachlos machen. Trotz der Präsenz des Militärs in den nahegelegenen Konfliktzonen von Chiapas laufen die Hilfsaktionen nur langsam an. Das Parlament einigt sich, eine überparteiliche Kommission zur Untersuchung des Fobaproa zu bilden. Es bestehen jedoch weiterhin so gegensätzliche Positionen hinsichtlich des Gesetzentwurfs, daß der PRD einige Tage später die Verhandlungen verläßt.
15.9.
Oktober 4.10.
Bei den Kommunalwahlen in Chiapas und Oaxaca gewinnt der PRI mit großer Mehrheit. In einigen Teilen von Chiapas ist die Wahlbeteiligung aufgrund der Überschwemmungen sowie eines Boykottaufrufs durch den EZLN nur sehr gering.
18.10.
Der EZLN zeigt sich bereit, die Verhandlungen mit der parlamentarischen Kommission COCOPA wieder aufzunehmen. Unterdessen wird berichtet, daß die Konfliktzone stark militarisiert wird.
25.10.
Der PRI-Kandidat Tomás YARRINGTON gewinnt die Gouverneurswahlen in Tamaulipas souverän mit 53% der Stimmen und erzielt das beste Ergebnis der letzten 10 Jahre.
216
Mexiko
November Anfang
Argentinien und Mexiko schließen ein Abkommen im Rahmen des ALADI, das Mexiko bis Ende 2001 den Export zu vorteilhaften Tarifen einräumt. Die bilaterale Handelsausweitung auf Mexiko verärgert Brasilien.
9.11.
Bei den Gouverneurswahlen in Puebla, Sinaloa und Tlaxcala und den Kommunalwahlen in Michoacán muß der PRI eine Niederlage an eine Koalition aus PRD, PVEM und PT in Tlaxcala hinnehmen. In den übrigen Bundesstaaten kann sich der PRI behaupten. Vor allem in Puebla kann der PRI-Kandidat Melquíades MORALES einen überragenden Sieg gegenüber seinen Kontrahenten verzeichnen. Hauptverlierer ist der PAN, der in keiner Wahl signifikante Ergebnisse erzielen kann. Beginn der formalen Verhandlungen über den Freihandelsvertrag zwischen Mexiko und der EU. Die australische Polizei nimmt auf Ersuchen der mexikanischen Behörden den Bankier Carlos CABAL PENICHE fest, der seit 1994 auf der Flucht ist. Ihm werden verschiedene Wirtschaftsdelikte unter der Regierung SALINAS angelastet. Am selben Tag erscheint in den USA eine Erklärung des ExPräsidenten SALINAS, in der er sich selbst und seine Regierung verteidigt.
9.11. 11.11.
Staatsbesuch des französischen Präsidenten Jacques CHIRAC in Mexiko, bei dem die Länder eine Reihe von Abkommen zur Zusammenarbeit abschließen. 20.-22.11. Neuaufnahme der Friedensgespräche: 30 Vertreter des EZLN treffen sich mit der parlamentarischen Kommission COCOPA in San Cristóbal de las Casas. Beide Seiten zeigen wenig Gesprächsbereitschaft. 2.-16.11.
Dezember 4.12.
12.12.
17.12.
Eine kritische Rede des kubanischen Präsidenten Fidel CASTRO führt zu einer Belastung des traditionell guten Verhältnisses zwischen Mexiko und Kuba. CASTRO entschuldigt sich einige Wochen später für seine Wortwahl. Der Kongreß verabschiedet den abgeänderten Gesetzesvorschlag über Fobaproa. Der PAN läßt seine Forderung fallen, das Gesetz nur zu billigen, wenn der Zentralbankchef ORTIZ zurücktritt. Der PRD verurteilt das Verhalten des PAN. Durch das Gesetz fällt Fobaproa weg und wird durch ein neues Institut für den Schutz von Banksparguthaben ersetzt. Bei der Parlamentssitzung kommt es zu Ausschreitungen von Besuchern gegen die Abgeordneten. Schon am Anfang der Woche hatten 30.000 Menschen in Mexiko-Stadt gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung protestiert. Die Wirtschaft begrüßt dagegen die Entscheidung. Der EZLN kündigt an, er werde im März 1999 ein nationales Referendum über die Rechte der indígenas durchführen. Die Regierung erklärt das Vorhaben für überflüssig, will es aber bei relevanten Ergebnissen „berücksichtigen". Am Jahrestag des Massakers von Acteal kommt es fünf Tage später zu einem Zwischenfall in Los Plátanos, bei dem ein Kind getötet und mehrere indígenas verletzt werden. Astrid Hake und Wolfgang Grenz 217
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Währung:
Ciudad de Mixico 1.938.201 Nuevo Peso
MEXIKO Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 13 Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Ceburtenrate Fertilität! rate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
67,57 46,3 30,1 66.3 34 4,7 36,6 29 34.4
83,226 37.1 59.2 72,5 27,9 3,3 28.3 23,7 48
92,74 35.5 59,2 73.6 26 2,9 22,5 22,5 55
94,349 34.5 61,1 73,8 24.6 2,8
62 121 51 74 66,8 1240 83
79,5 129,7 36,4 46 70,4 909 87,6
130,9 32 36 72 830
31 38.4 72
223505 2990 22622 27601 -10422 12897 2090 4180
262953 2830 48805 51915 -7451 9484 2634 9863
329449 3640 106898 100283 -2330 4076 9185 19433
402963 3700 121829 122424 -7451 15412 12477 28797
65,1 10 27,2 24,9 8.2 32.8 22,1 59
69,6 8,4 23,1 22 7,2 26 19,1 66,8
64,9 9,7 23,3 25,4 5,6 26.1 19,8 68.3
65,3 8.3 26,4 26,4 5,3 26 19,9 68,7
57365 33902 10958 6068 44,4 11,8 26.4
104431 75962 11311 7304 20.7 5,1 26.7
157848 94161 40793 11722 35.4 5,2 34,4
149690 84755 42453
154,12 2,1 2,7
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
90
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
218
2,3 1,8 19,3
32,4 7 20,6
Mexiko
MEXIKO
BSP pro Kopf und reale Wachstumsrate des BIP
Wacbstumsraten
MEXIKO
Bruttoinvestitionen und Ersparnis (in % des BIP)
89
90
91
92
93
94
Jabre
Investitionen
Ersparnis
219
Lateinamerika Jahrbuch 1999
220
Zentralamerika
Zentralamerika Chronologie 1998 Januar 27.1.-7.2. In Guatemala findet das jährliche Manöver der zentralamerikanischen Streitkräfte mit denen der USA und der Dominikanischen Republik statt. Hauptziel von Fuerzas Aliadas Humanitarias de 1998 ist das Training humanitärer Einsätze und die Abstimmung der nationalen Konzepte für Katastrophenhilfe. Februar 4.2.
Auf einem Mini-Gipfel in San Salvador vereinbaren die Präsidenten von Guatemala, El Salvador, Honduras und Nikaragua Veränderungen beim zentralamerikanischen Parlament (PARLACEN). Die Zahl der Abgeordneten soll künftig vor allem aus Kostengründen von bisher 20 auf 10 pro Land reduziert werden. 10.-11.2. Treffen der Außenminister von EU und Zentralamerika mit dem Generalsekretär des SICA (Sistema de Integración Centroamericano) in Costa Rica (San José XIV). Vertreter aus Kolumbien, Mexiko und Venezuela nehmen ebenso teil wie Vertreter aus Belize und der Dominikanischen Republik. Ziel des Treffens ist die Verstärkung der Kooperation zwischen beiden Regionen. Die EU hat die Demokratisierung Zentralamerikas zwischen 1994 und 1998 mit US$ 1,5 Mrd. unterstützt. Schwerpunkte der Kooperation sind die Konsolidierung des Rechtsstaates und die Modernisierung der Verwaltung, die Unterstützung der Sozialpolitik und der regionalen Integration sowie der Einbeziehung Zentralamerikas in den Weltmarkt. Die EU ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner der Region.
März 24.-26.3
Internationale Konferenz zur Bekämpfung des Drogenhandels in Costa Rica: Zentralamerika hat nach Einschätzung der US-amerikanischen Drogenbehörde DEA seine Rolle als Transitregion des Kokahandels zwischen den Andenländem und den USA konsolidiert. In den vergangenen Jahren sei beispielsweise in El Salvador auch die Geldwäsche zum wachsenden Problem geworden.
30.3.
Die für die Energieversorgung zuständigen Minister beraten in Managua über eine Studie der CEPAL, in der Möglichkeiten einer regionalen Gasversorgung aus Mexiko evaluiert werden. Die Verbindung der verschiedenen Gasleitungen soll die Versorgungssicherheit in der Region verbes221
Lateinamerika Jahrbuch 1999
sern, Kosten sparen und die Umweltverschmutzung verringern. Ende des Jahres konkretisiert sich diese Planung für eine erste Teilstrecke aus Mexiko nach Guatemala.
April Dürre und zahlreiche Waldbrände sind die sichtbarsten Zeichen, die El Niño in Zentralamerika verursacht. Betroffen ist vor allem die Produktion von Grundnahrungsmitteln in Honduras und Nikaragua. Wasser wird in vielen Ländern rationiert.
Mai 22.5.
CODEHUCA veröffentlicht in Costa Rica seinen Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte. Straflosigkeit, Militarismus und Intoleranz werden darin als Haupthindemisse bei der Durchsetzung der Menschenrechte genannt.
29.-30.5. Neunte Verhandlungsrunde über ein Freihandelsabkommen zwischen Mexiko und den Ländern des Triángulo Norte (Guatemala, Honduras und El Salvador) Im Mittelpunkt der Beratungen steht die Liste der Produkte, die zollfrei gehandelt werden sollen.
Juni 25.6.
Der Leiter des ILO-Büros für Zentralamerika, lan CHAMBERS, unterzeichnet mit dem niederländischen Botschafter in Costa Rica ein Projektabkommen zur Verbesserung der Organisation und Verhandlungsfähigkeit von Frauen in Maquilabetrieben. Die niederländische Regierung unterstützt das Projekt für drei Jahre mit US$ 2 Mio.
Juli Mitte
Die Vereinigung der guatemaltekischen Kaffeeproduzenten ANACAFE unternimmt einen Vorstoß zur Gründung eines Frente Cafetalero Centroamericano. Durch den Zusammenschluß könnten die zentralamerikanischen Cafeteros nach Brasilien weltweit zum zweitwichtigsten Exporteur werden.
15.-17.7. Präsidentengipfel Zentralamerika-Mexiko (Tuxtla Gutiérrez III) in San Salvador. Neben der Diskussion von Freihandelsabkommen stehen die Migration und der Kampf gegen den Drogenhandel auf der Tagesordnung.
222
Zentralamerika
August 17.-21.8. In Guatemala findet der I Congreso Regional de Medio Ambiente y Desarrollo Sostenible statt. Wissenschaftler diskutieren mit Vertretern von Regierungen und NGOs über die ökologischen Auswirkungen der neuen Weltwirtschaftsordnung und die Notwendigkeit, die Zivilgesellschaft beim Umweltschutz stärker zu beteiligen. 25.8.
Zentralamerikanische und taiwanesische Regierungsvertreter diskutieren in El Salvador über die Möglichkeiten einer strategischen Allianz. Geplant sind eine verstärkte Kooperation und taiwanesische Investitionen im Agrarsektor sowie die Förderung des Tourismus.
29.-31.8. In Puerto Rico treffen die zentralamerikanischen Außenminister mit den Gouverneuren der US-Südstaaten zusammen. Beraten wird über eine Intensivierung von Handel, Investitionen und Tourismus. September 22.9.
Im Jahresbericht von Transparency International zur weltweiten Korruption schneiden die zentralamerikanischen Länder durchweg schlecht ab. Auf einem Index zwischen 10 (nicht korruptionsanfällig) und 1 erhalten sie folgende Werte: Costa Rica 5.6, El Salvador 3.6, Guatemala 3.1, Nikaragua 3.0 und Honduras 1.7.
Oktober 12.10.
Anläßlich der umstrittenen Feierlichkeiten zum Jahrestag der „Entdeckung Amerikas" fordern die indigenen Völker Zentralamerikas erneut die Lösung ihrer Probleme, vor allem verbesserten Zugang zu Land. 25.10.-2.11. „Mitch", einer der schwersten Hurrikans der Geschichte wirft die Länder der Region in ihrer Entwicklung um 10 bis 20 Jahre zurück. November 5.11.
In San Salvador wird der Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika und der Dominikanischen Republik unterzeichnet. Er umfaßt 6.000 Produkte, von denen der Handel mit 12 (vor allem Milchprodukte) in den kommenden 6 Jahren schrittweise gesenkt wird. Sabine Kurtenbach
223
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Costa Rica Amtlicher Name: República de Costa Rica Präsident: Miguel Angel RODRÍGUEZ ECHEVERRÍA Im Amt seit: 8 . Mai 1998 Vizepräsidentinnen: 1. Astrid FISHEL VOUO; 2. Elizabeth ODIO BENITO Nächste Präsidentschaft«- bzw. allgemeine Wahlen: Februar 2002 Regierungspartei:
Partido Unidad Social Cristiana (PUSC)
Kabinett (Stand Juni 1999): Außeres: Roberto ROJAS LOPEZ; Justiz und Inneres: Mónica NAGEL; Wirtschaft/Außenhandel/Wissenschaft' Samuel GUZOWSKI; Finanzen: Leonel BARUCH GOLDBERG; Öffentliche Sicherheit: Juan Rafael LIZANO; Landwirtschaft: Esteban BRENES; Bildung: Guillermo VARGAS; Kultur: Astrid FlSHEL; Gesundheit: Rogelio PARDO; Umwelt und Energie: Elizabeth ODIO; Frauen: Gloria VALERIN RODRÍGUEZ; Wohnungswesen: José Anton» LOBO SOLERA; öffentliche Bauten und Verkehr: Rodolfo MÉNOEZ MATA; Planung/lnformation/Präsidialamt: Roberto TOVAR FAJA. Oppositionsparteien ton Parlament: Partido Liberación Nacional (PLN); Fuerza Democrática (FD); Partido Acción Laborista Alajuelense (PALA); Partido Renovación Costarricense (PRC); Partido Integración Nacional (PIN); Movimiento Libertario (ML). Sitzverteilung im Parlament (57 Sitze): PUSC: 27; PLN: 23; FD: 3; PALA: 1; PRC: 1;
PIN: 1; ML' 1.
Chronologie 1998 Aus den Präsidentschafts- bzw. allgemeinen Wahlen Anfang des Jahres ging der Kandidat der bisherigen Oppositionspartei PUSC, Miguel Angel RODRÍGUEZ, knapp als Sieger hervor. Der Regierungswechsel brachte keine großen Veränderungen mit sich. RODRÍGUEZ zeigte sozialpolitisches Engagement, indem er versprach, Armut und Arbeitslosigkeit abzubauen; ansonsten liegt er jedoch mit seiner Wirtschaftspolitik auf neoliberalem Kurs. Er will die Privatisierung des Telekommunikationssektors sowie einiger Banken forcieren und den Staatshaushalt durch den Abbau der Inlandsschuld entlasten, da noch immer ein Drittel des Haushaltes durch Zinsen aufgezehrt wird. Der Bereich der Spitzentechnologien soll weiterhin ausgebaut werden. Zur Durchsetzung seiner Ziele ist RODRÍGUEZ auf die Kooperation der Opposition angewiesen, da der PUSC im Abgeordnetenhaus nicht über die absolute Mehrheit verfügt. Der neue Präsident rief eine nationale Konzertierte Aktion ins Leben und band damit Opposition und Zivilgesellschaft in die Entscheidungsprozesse ein. Diese Konzertierte Aktion lief nach anfänglichen Widerständen erfolgversprechend an. Auch die wirtschaftliche Entwicklung verlief im Berichtsjahr positiv. Die Schäden durch den Hurrikan Mitch waren vergleichsweise gering und beeinträchtigten die Ökonomie des Landes nicht schwerwiegend. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs um 5,5% - die zweithöchste Rate in ganz Lateinamerika - , während sich die Inflationsrate nur leicht auf 12,4% erhöhte. Besonders dynamisch entwickelten sich die Exporte, die einen Wert von US$ 4,8 Mrd. erreichten. Wesentlichen Anteil daran hatten die anlaufenden Ausfuhren des Telekommunikationsgiganten Intel. Die verarbeitende Industrie erwies sich als Konjunkturmotor. Für das kommende Jahr ist mit einer wei-
224
Costa Rica
teren Belebung durch den High Tech-Sektor zu rechnen, da Intel dann seine Produktion steigern und weitere Unternehmen ins Land ziehen wird. Produktionszuwächse konnten auch in der Landwirtschaft verzeichnet werden. Zwar litt der Kaffeeanbau unter den Auswirkungen des Hurrikans Mitch, doch verzeichnete die Bananenwirtschaft eine Rekordernte, die zu Ausfuhrsteigerungen führte. Die Einnahmen durch den Tourismus steigerten sich ebenfalls erheblich. Februar 1.2.
An den Präsidentschafts- bzw. allgemeinen Wahlen beteiligen sich nur rd. 70% der stimmberechtigten Bevölkerung; 10% weniger als noch vor vier Jahren. Die wenig erfolgreiche Amtsperiode von José Maria FIGUERES und der glanzlose Wahlkampf der Oppositionspartei PUSC ließen bereits eine große Stimmabstinenz erwarten. Miguel Angel ROORIGUEZ - Kandidat der PUSC - gewinnt mit 46,6% nur knapp vor seinem Konkurrenten José Miguel CORRALES von der noch bis Mai amtierenden PLN (44,6%). Auch im Parlament erringt seine Partei nur einen knappen Sieg mit 27 Abgeordneten. Die 57 Sitze verteilen sich wie folgt: PUSC 27, PLN 23 und fünf kleinere Parteien mit insgesamt sieben Sitzen. Da der PUSC die absolute Mehrheit von 29 Vertretern im Parlament nicht erreichen konnte, wird er sich mit den kleinen Parteien arrangieren müssen. Von Fall zu Fall wird er auch auf Allianzen mit dem PLN angewiesen sein, denn viele Parlamentsentscheide bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. So ruft denn der frisch gewählte Präsident auch in einer seiner ersten Ansprachen zu einer nationalen Kozertierten Aktion auf. Der PLN reagiert ablehnend.
März 9.-13.3.
Seine erste Reise nach der Wahl führt Miguel Angel RODRÍGUEZ nach Nikaragua, El Salvador, Honduras, Guatemala, Belize und Mexiko. Hauptthemen in Zentralamerika sind der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen sowie die Absage Costa Ricas an eine zügige politische Integration der Region. Erst sollten die sozialen Bedingungen verbessert und die Streitkräfte abgebaut werden. Im Zusammentreffen mit dem mexikanischen Präsidenten Ernesto ZEDILLO wird vor allem die Reaktivierung des Freihandelsabkommens zwischen beiden Ländern erörtert. Dieses wurde 1994 unterzeichnet, führte jedoch nicht zu der erhofften Intensivierung des Handels.
18.3.
Der führende Hersteller von Mikroprozessoren Intel nimmt seine erste Fabrikationsanlage in Costa Rica in Betrieb. In dieser Anlage sind 800 Personen beschäftigt, wöchentlich werden 56.000 Pentium-Il-Prozessoren produziert. Das Exportvolumen von 1998 wird auf US$ 700 Mio. geschätzt. Drei weitere Produktionsstätten sind von seiten Intels geplant; innerhalb von drei Jahren will das US-amerikanische Unternehmen ein Drittel seiner Gesamtproduktion von Mikroprozessoren in Costa Rica an225
Lateinamerika Jahrbuch 1999
siedeln. Darin sollen die jährlichen Exporte einen Wert von US$ 3,5 Mrd. erreichen. Weitere Investoren im Bereich der Spitzentechnologie werden durch Intel angezogen. So beabsichtigt das US-amerikanische Unternehmen Photocircuits eine Fabrikationsanlage im Wert von US$ 40 Mio. zu errichten, die mindestens 700 Personen beschäftigen wird.
April 23.4.
Der Arbeitsminister der noch amtierenden PLN-Regierung, Fand AYALES, tritt von seinem Amt zurück. Ihm werden von der Staatsanwaltschaft u.a. Erpressung, Fälschung öffentlicher Dokumente, Unterschlagung und Betrug vorgeworfen. AYALES hatte die Vergabe von Arbeitsgenehmigungen an nikaraguanische Saisonarbeiter aus dem Arbeitsministerium ausgegliedert und an die private Stiftung für humane Entwicklung in Zentralamerika (Fundehca) übertragen. Fundehca kassierte US$ 5 und mehr pro Arbeitsgenehmigung von den Nikaraguanern. Gründer und Vorsitzender dieser Stiftung ist AYALES.
Ende
Dem nikaraguanischen Minister für Bau- und Transportwesen wird die Einreise nach Costa Rica ohne Visum verweigert. Eine offizielle Protestnote der nikaraguanischen Regierung wird überreicht, da für Diplomaten beider Länder eine Ausnahmeregelung gilt. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist bereits sehr gespannt, da sich bislang keine Lösung für das Problem der illegalen Einwanderer aus Nikaragua abzeichnet. Costa Rica weist arbeitsuchende Nikaraguaner immer häufiger an der Grenze zurück. Zwischen 12.000 und 18.000 Personen sollen in den ersten drei Monaten des Jahres abgewiesen worden sein. Der Versuch FIGUERES', die bereits im Land lebenden Nikaraguaner zu einer Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus' und entsprechender Sozialversicherung zu bewegen, ist gescheitert. Nur ca. ein Fünftel der rd. 250.000 illegalen Arbeiter beantragte eine Arbeitsgenehmigung. Costa Rica will seine Grenzkontrollen weiter verstärken, um die illegale Einwanderung einzudämmen.
Mai 6.5.
Ein Gesetz zum Schutz der Artenvielfalt wird verabschiedet, das genetisches Material unter die Obhut des Staates stellt. Die drei wesentlichen Aspekte dieses Gesetzes sind: erstens die Gründung einer nationalen Kommission für Artenschutz, die sich aus Vertretern von Regierung, Wirtschaft, Wissenschaft und Umweltverbänden zusammensetzt und politische Richtlinien erarbeiten soll. Zweitens wird der Zugang zu biologischen Materialien beschränkt, wenn die kulturellen, sozialen oder spirituellen Traditionen indigener Gemeinschaften dabei verletzt werden. Als dritter Punkt soll auch das geistige Eigentum von Gemeinden geschützt werden, indem der Staat die Kenntnisse und Gebräuche indigener Dörfer und lokaler Gemeinschaften anerkennt und schützt.
8.5.
Miguel Angel RODRIGUEZ tritt das Präsidentenamt an.
226
Costa Rica
Juni 5.-11.6.
Präsident RODRIGUEZ bereist eine Woche lang die USA. Inhaltliche Akzente setzt er dabei auf die Entwicklung neuer Formen der Drogenbekämpfung, seine Forderung nach verstärktem Truppenabbau in Zentralamerika, die Reaktivierung der Iniciativa de la Cuenca del Caribe, in der die USA den karibischen Anrainerstaaten Importvergünstigungen gewährt, sowie die Anwerbung ausländischer Großunternehmen durch diverse Investitionsanreize in Costa Rica.
Mitte
Auf dem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York zum Thema Drogen fordert der Präsident seine zentralamerikanischen Amtskollegen auf, die Ausgaben für Verteidigung um 50% zu senken und die Gelder dem Bildungssektor zugute kommen zu lassen. Außerdem sollten Teile des Heeres zu Polizeieinheiten für die Drogenbekämpfung umgewandelt werden. Bei der Drogenbekämpfung sollte der Prävention und Rehabilitation größere Bedeutung beigemessen werden.
Juli 14.7.
Ein Gesetz zur außergerichtlichen Konfliktlösung (Ley de Resolución Altema de Conflictos) tritt in Kraft. Damit entsteht ein völlig neues juristisches Procedere, mit dem Streitigkeiten durch autorisierte Schlichter und ohne Anrufung der Gerichte gelöst werden können, selbst bei anhängigen Prozessen. Ausgenommen sind Entscheidungen über Freiheit und Leben von Personen sowie das allgemeine Arbeitsrecht. Die Beteiligten sparen Zeit und Geld mit diesem neuen Verfahren, da ein Zivilprozeß durchschnittlich 5 bis 8 Jahre dauert. Für den Gerichtshof bedeutet es eine enorme Entlastung, da die personellen Mittel den momentanen Anforderungen nicht genügen.
Mitte
Die seit Jahren üblichen kleineren Streitereien zwischen Costa Rica und Nikaragua um den Grenzfluß San Juan nehmen eine neue Dimension an. Die nikaraguanische Regierung teilt mit, daß sie in Zukunft keine costaricanische Polizei mehr auf dem Fluß dulden werde. Sie beruft sich dabei auf den Vertrag von 1858, der Nikaragua die Souveränität über den Fluß zusichert und Costa Rica lediglich die kommerzielle Nutzung gewährt. Er schließt den Verkehr von bewaffneten oder Kriegsschiffen explizit aus. Von costaricanischer Seite wird dagegen protestiert, da sie zur Absicherung ihrer Handelsschiffe sowie ihrer eigenen Grenze gegen Drogenschmuggel und illegale Einwanderer bewaffnete Personen benötigt. Nikaragua bietet daraufhin einen Kompromiß an: unbewaffnete Polizei wird geduldet; für bewaffnete Personen muß eine Genehmigung aus Managua eingeholt und pro Schiff ein nikaraguanischer Polizist geduldet werden. Costa Rica lehnt diesen Vorschlag ab; die Verhandlungen gehen nur schleppend weiter. In der costaricanischen Öffentlichkeit wird gemutmaßt, daß diese Offensive Nikaraguas als eine Reaktion auf die restriktivere Einwanderungspolitik Costa Ricas erfolgte.
227
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Mitte
Das US-amerikanische Unternehmen MKJ Exploration erhält von der costaricanischen Regierung einen Vertrag zur Erdölförderung an Land und offshom. Die Investitionen sollen sich auf US$ 20 Mio. belaufen. Bei erfolgreichen Bohrungen mit einem täglichen Ausstoß von mindestens 1.000 barwl erhält Costa Rica 15% der Produktion. Zuletzt waren in den 70er und 80er Jahren mit Hilfe der Mexikaner Probebohrungen durchgeführt worden, die erfolglos verliefen.
August 7.-9.8.
Präsident RODRÍGUEZ reist zum Amtsantritt der neu gewählten Präsidenten nach Kolumbien und Ekuador. Begleitet wird er von Rafael Ángel CALDERÓN, Expräsident Costa Ricas, den er vor Ort als zukünftigen Generalsekretär der OAS propagiert. Auch auf seiner Zwischenstation in Trinidad und Tobago nutzt er die Gelegenheit hierzu. Weitere wichtige Themen sind dort das Freihandelsabkommen, das Mitte 1999 ratifiziert werden soll, sowie der mögliche Austausch von Botschaftern zwischen beiden Ländern.
Oktober 28.10.
Die EU teilt die Exportquote für Bananen unter ihren vier Hauptlieferanten - Ekuador, Costa Rica, Kolumbien, Panama - und den sog. Sonstigen (mit 9,4%) auf. Costa Rica werden 25,6% zugesprochen, das bedeutet ab Januar 1999 einen Export von 36 Mio. Bananenkartons, einem Drittel der nationalen Produktion. Im Land soll die Quote gleichmäßig unter den Produzenten verteilt werden, ohne Begünstigung spezieller Gruppen.
Ende
Die Regierung setzt die Mindestlohnerhöhung für den privaten Sektor auf 6,5% fest. Damit steigt der Mindestlohn zum 1. Januar 1999 um US$ 15 auf monatlich US$ 240 an. Von Arbeitnehmerseite waren 10% gefordert und von der Wirtschaft 6% geboten worden. Es wird vereinbart, daß bei der nächsten Neubewertung Mitte kommenden Jahres die Lohnerhöhung an die Inflationsrate von 1998 angepaßt werden soll.
Ende
Der Hurrikan Mitch führt zu starken Überschwemmungen in Guanancaste und vor allem in der Region Paclfico Central. Doch sind die Auswirkungen nicht so verheerend wie in den Nachbarländern. Nach ersten Schätzungen sind 10 Tote und insgesamt 5.000 Hochwassergeschädigte zu verzeichnen. Die Verluste in Landwirtschaft und Infrastruktur werden auf US$ 47,8 Mio. geschätzt.
November British Airways und die niederländische Fluggesellschaft Martinair starten wöchentliche Direktflüge nach Costa Rica.
228
Costa Rica
29.11.
Der Haushalt für 1999 wird ohne große Auseinandersetzungen verabschiedet. Er liegt mit rd. US$ 3,1 Mrd. um 28% über dem jetzigen Etat. Der im September vorgelegte Haushaltsentwurf war noch auf heftige Kritik gestoßen, da dem System von Steueranreizen für nichttraditionelle Exporte (CAT) 4,1% des Gesamthaushaltes zufließen sollen, während sich z.B. der Gesundheitsbereich mit 2,2% und die öffentliche Sicherheit mit 2,4% begnügen müssen. Gerade in den letzten Monaten waren die CATs verstärkt in Mißkredit geraten, da zahlreiche Fälle von Korruption bekannt wurden. Gegen diverse Unternehmen laufen Ermittlungen, einige Eigentümer sitzen bereits in Haft.
Ende
Die von Präsident RODRIGUEZ direkt nach seiner Wahl vorgeschlagene und im Juni dann tatsächlich angelaufene Konzertierte Aktion schließt ihre erste große Arbeitsphase erfolgreich ab. Zehn Themen von nationalem Interesse wurden von Sonderkommissionen bearbeitet: Korruption, Ländliche Entwicklung, Rentensystem, Arbeitslosenversicherung, Versicherungswesen, Telekommunikation, Straßenhändler, Lohnpolitik, gewerkschaftliche Rechte, Fonds für Sozialprojekte. In allen Bereichen konnte Konsens erzielt werden, für die sechs zuletzt genannten werden der Regierung bereits Gesetzesvorlagen präsentiert. Während die Konzertierte Aktion zu Beginn auf große Skepsis sowohl unter den Politikern als auch in der Bevölkerung stieß, wird sie nun überwiegend positiv beurteilt. Im nächsten Jahr soll eine zweite Verhandlungsrunde zu einem neuen Themenkatalog anlaufen.
Dezember 1.12.
Zwischen Costa Rica und den USA wird ein Abkommen zur gemeinsamen Drogenbekämpfung unterzeichnet. Seit gut einem Jahr drängt die USA darauf, mit ihren Küstenwachbooten und Aufklärungsflugzeugen costaricanisches Hoheitsgebiet im Einsatz gegen Drogenschmuggel befahren bzw. überfliegen zu dürfen. Mit anderen Ländern der Region bestehen bereits derartige Verträge. In Costa Rica schließt die Verfassung dieses explizit aus; das Parlament muß eine Sondergenehmigung beschließen. Die auf zehn Jahre befristete Vereinbarung wird nun dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Susanne Schmidt
229
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:
San José 31.100 Costa Rica Colón
COSTA RICA Jahr
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN
1980
1990
1996
1997
2,284 42,2 54,4 43,1 30,3 3,7 30,8 23,1 46,1
3,049 36.1 59,8 47,1 27,3 3,1 25,9 25,9 48.2
3,42 34,6 59,3 49,8 23 2.7 21.6 23,3 55,1
3,464 33,8 61,3 50,3 23,2 2,8
72 116 20,1 29 72,7 960 91,7
93 117,3 14.8 16 75,4 800 93,9
120 12 15 77 1250
12 14,8 76,5
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
4815 2020 1195 1661 -664 826 48 197
5709 1790 1963 2346 -424 183 160 525
9025 2620 4080 4221 -97 -59 422 1001
9521 2680 4478 4667 -254 430 50 1262
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
65,5 18,3 26,6 16,2 17,8 27 18,6 55,2
61,3 18,2 27,3 20,5 15,9 23,6 19,4 60,5
60,2 17,8 22,9 22 15.6 24,1 18.4 60,3
62,6 12,4 26,8 25 14,7 23,2 17,2 62
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
2744 1700 354 179 29,1 0.8 18.1
3756 3063 501 206 23,9 3,6 19
3488 2923 588 215 13,9 -0,6 17,5
3548 2840 558
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
6,9 2,9 2,4
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der G e b u r t (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
95
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
230
2,2 3,5 18
11,8 3,2 13,2
El Salvador
El Salvador Amtlicher Name: República de El Salvador Präsident: Francisco FLORES Im Amt seit: I.Juni 1999 Nächste Präsidentschaftswahlen: 2003 Regierungspartei:
Alianza Republicana Nacionalista (ARENA)
Kabinett (Stand Juli 1999): Äußeres: Maria Eugenia BRIZUELA DE AVILA, Inneres: Mario ACOSTA OERTEL; Finanzen: José Luis TRIGUEROS; Wirtschaft: Miguel LACAYO; Justiz: Rubén MEJIA PENA; Verteidigung: General Juan Antonio MARTÍNEZ VARELA; Arbeit und Soziales: Jorge NIETO; Bildung: Evelyn JACIR DE LOVO; Landwirtschaft: Salvador URRUTIA; Umwelt: Ana Maria MAJANO. Oppositionsparteien: Frente Farabundo Marti de Liberación Nacional (FMLN); Partido Demócrata Cristiano (PDC); Movimiento Renovación Social Cristiano (MRSC); Movimiento Auténtico Salvadoreño (MAS); Partido de Conciliación Nacional (PCN); Partido Renovación Social Cristiana (PRSC); Partido Demócrata (PD); Convergencia Democrática (CD); Movimiento de Unidad (MU); Movimiento de Solidaridad Nacional, Partido Liberal Democrático (PLD). Sitzverteilung im Parlament seit dem 16. März 1997 (84 Sitze): ARENA: 28; FMLN: 27; PCN: 11; PDC: 7; PDC-PD: 3; PRSC: 3; PLD: 2; CD: 2; MU: 1.
Chronologie 1998 Januar 19.1.
Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichnen die Präsidenten von El Salvador und Honduras ein Abkommen zur Beendung der Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden zentralamerikanischen Ländern. Die langwierigen Auseinandersetzungen konnten durch einen Beschluß des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag im Jahre 1992 nicht abschließend geregelt werden. In dem nunmehr geschlossenen Abkommen verpflichten sich die beiden Staaten, innerhalb eines Jahres den strittigen 370 km langen Grenzabschnitt zu demarkieren.
Februar Mitte
Etwa 1.000 Veteranen des salvadorianischen Bürgerkrieges protestieren in San Salvador für einen Schuldenerlaß und andere staatliche Maßnahmen, die die effektive Reintegration ehemaliger Soldaten und Guerillakämpfer in die Gesellschaft erleichtern sollen.
24.2.
Mit Unterstützung der US-amerikanischen Luftwaffe findet rund um den llopango See in der Nähe San Salvadors ein Militärmanöver statt. Unter
231
Lateinamerika Jahrtuch 1999
dem Namen „Preparing to save Lives" werden die salvadorianischen Soldaten in den neuesten Such- und Lebensrettungstechniken unterwiesen. 25.2.
Der Kongreß verabschiedet gegen die Stimmen der Regierungspartei ARENA das erste Umweltschutzgesetz des Landes.
Ende
Auf Einladung der OAS kommen in San Salvador Delegierte aus insgesamt 34 Staaten zur „Second
Hemispheric
Conference
on Security
and
Confidence-Building Measures" zusammen. Zum Abschluß der dreitägigen Konferenz verabschieden die Teilnehmer die „Erklärung von San Salvador", in der sie sich unter anderem zu einer erhöhten Dialogbereitschaft zur Lösung von Grenzstreitigkeiten sowie zu einem verstärkten Informationsaustausch zwischen den nationalen Sicherheitskräften verpflichten. Ende
Die salvadorianische Tageszeitung „La Prensa Gräfica" veröffentlicht ein internes Dokument, aus dem mehrere Korruptionsfälle in verschiedenen Einheiten der nationalen Polizei hervorgehen.
März 3.3.
Die Außenminister der zentralamerikanischen Staaten kommen in San Salvador zu einem inoffiziellen Treffen zusammen, um den Zustand des Integrationsprozesses in der Region zu diskutieren.
3.3.
Aus Anlaß einer Rundreise durch die zentralamerikanischen Staaten besucht der Präsident der Weltbank, James WOLFENSOHN, El Salvador. WOLFENSOHN zeigt sich mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Landes zufrieden, mahnt jedoch eine wirkungsvollere Bekämpfung der Inflationsrate und eine Effizienzsteigerung in der finanziellen Administration an. Seit dem Ende des Bürgerkrieges 1992 hat die Weltbank dem Land Kredite in einer Gesamthöhe von US$ 233,5 Millionen zur Verfügung gestellt
29.3.
Die Regierungspartei ARENA stellt den 38 Jahre alten Francisco FLORES als Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahlen im März 1999 auf. Als Nachfolger für FLORES, der bislang das Amt des Parlamentspräsidenten innehatte, bestimmt eine parlamentarische Kommission den Kongreßabgeordneten der ARENA Juan DUCH.
April Anfang
232
Gegenüber einer Delegation des Lawyer's Committee for Human Rights erklären vier Mitglieder der ehemaligen Nationalgarde ( Guardia National), denen die Ermordung von drei amerikanischen Nonnen und einer Kirchenmitarbeiterin im Jahre 1980 zur Last gelegt wird, sie hätten im Auftrag von hochrangigen Militärs des Landes gehandelt. Die Soldaten bestätigen mit dieser Aussage die Ergebnisse des Berichtes der Wahrheitskommission, der 1993 im Auftrag der Vereinten Nationen erstellt wurde. Darin kamen die Ermittelnden zu dem Schluß, daß der ehemalige Verteidigungsminister, General José Guillermo GARCIA, sowie der damalige Chef
El Salvador
der Nationalgarde von El Salvador, Carlos Eugenio VIDES CASANOVA, über den Befehl zur Ermordung der Kirchenfrauen informiert waren.
Mai 15.5.
Roberto ORELLANA tritt aus persönlichen Gründen von seinem Amt als Präsident des Banco Central de Reserva zurück. Sein Nachfolger wird der bisherige Stellvertreter Gino BETTAGLIO.
21.5.
Durch ein Abkommen mit der salvadorianischen Regierung kann ein seit Ende April andauernder Streik der Ärzteschaft des Landes beendet werden. Obwohl dem Abkommen keine genauen Angaben über das Ausmaß des Lohnanstiegs zu entnehmen sind, zeigten sich die Mediziner zufrieden und hoffnungsvoll, nunmehr in einen effizienten Dialog mit der Regierung über die Refonmierung des Gesundheitssystems eintreten zu können.
22.5.
Laut Angaben der Comisiön para la Defensa de los Derechos Humanos en Centroam6rica (CODEHUCA) sind in den vergangenen Jahren in El Salvador pro Jahr mehr Menschen ums Leben gekommen als zu Zeiten des Bürgerkrieges. Während zwischen 1979 und 1991 im Jahresdurchschnitt 5.416 Todesopfer registriert wurden, ist die Anzahl der Opfer seit 1994 auf etwa 7.500 angestiegen. El Salvador ist damit, gemessen an seiner Einwohnerzahl, das gewaltreichste Land des Kontinents.
Juni 2.6.
Der Banco Interamericano de Desarrollo veranstaltet in San Salvador eine zweitägige Konferenz zu dem Thema „Friedliche Koexistenz und Sicherheit im Zentralamerikanischen Isthmus, in der Dominikanischen Republik und in Haiti". Nach Aussage der Teilnehmer stellt das hohe Ausmaß an Gewalt die Staaten Lateinamerikas und der Karibik vor zunehmende Probleme. Die soziale Gewalt sei ein Hindernis für die allgemeine Entwicklung der Region, indem sie die Lebensqualität der Menschen verschlechtere und zu einer unnötigen Verschwendung von Ressourcen und damit zur Verminderung der wirtschaftlichen Produktivität führe. Femer behindere sie private Investitionen sowie eine effektive Administration.
Mitte
Innenminister Hugo BARRERA weist Forderungen nach Ausrufung des Ausnahmezustandes angesichts der permanent ansteigenden Kriminalitätsrate entschieden zurück. Man könne der Situation nicht durch eine Beschneidung der konstitutionellen Rechte wirksam begegnen. Vielmehr fordere er den Ausbau der polizeilichen Infrastruktur.
Ende
Drei der vier ehemaligen Nationalgardisten, die 1983 wegen der Ermordung von drei amerikanischen Nonnen und einer Kirchenarbeiterin zu 30 Jahren Haft verurteilt worden waren, werden aus dem Gefängnis entlassen.
233
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Juli 2.7.
Das salvadorianische Parlament wählt Eduardo Antonio PEÑATE POLANCO zum neuen Obmann für Menschenrechtsfragen (Procurador para la Defensa de los Derechos Humanos). Nach dem Ende der Amtszeit von Victoria Marina DE AVILÉS im April hatte es unter den politischen Parteien wochenlange Diskussionen um die Nachfolge gegeben.
7.7.
Präsident CALDERÓN bietet dem kolumbianischen Präsidenten PASTRANA offiziell Hilfe bei der Herbeiführung einer friedlichen Lösung zur Beendigung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Guerillagruppierungen FARC und ELN sowie der kolumbianischen Armee an. Die spanische Telefongesellschaft Telefónica de España (TdE) erhält den Zuschlag zum Erwerb von 51% am Aktienpaket der salvadorianischen Mobilfunkgesellschaft Intel. Die Festnetzgesellschaft CTE-ANTEL geht ebenfalls zu 51% an France-Telecom. Damit ist der Prozeß der Privatisierung im Bereich der Telekommunikationswirtschaft abgeschlossen.
Mitte
27.7.
Präsident CALDERÓN schlägt im Kongreß vor, zur Bekämpfung der hohen Kriminalitätsrate im Lande die Todesstrafe wieder einzuführen.
August 11.8.
In Reaktion auf Anschuldigungen aus den Reihen der mexikanischen Regierung, ehemalige Mitglieder der salvadorianischen Guerilla würden die zapatistischen Freiheitskämpfer aus dem Bundesstaat Chiapas ausbilden und mit Waffen versorgen, kündigt Präsident CALDERÓN eine offizielle Untersuchung dieser Vorwürfe an.
Mitte
Die Oppositionspartei FMLN (Frente Farabundo Marti para la Liberación Nacional) kann sich auf einer Klausurtagung aufgrund von heftigen internen Auseinandersetzungen über den Kurs der Partei nicht auf die Nominierung eines Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im März 1999 einigen. Keinem der zwei Kandidaten, Héctor SILVA (Bürgermeister der Hauptstadt) und Victoria DE AVILES (ehemalige Obfrau für Menschenrechtsfragen), gelingt es, eine absolute Mehrheit der Delegierten für sich zu gewinnen.
September 27.9.
234
Die Oppositionspartei FMLN stellt ihre Kandidaten für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten bei den Wahlen im März 1999 vor. Nach zwei gescheiterten parteiinternen Wahlgängen einigte sich die Partei darauf, den ehemaligen Guerillaführer und jetzigen Parteivorsitzenden Facundo GUARDADO sowie Marta VALLADARES ('Nidia Diaz') als dessen Stellvertreterin in das Rennen gegen die rechtsgerichtete ARENA-Partei zu schicken. Beide gelten als Vertreter einer eher pragmatischen, gemäßigten Linie.
El Salvador
Oktober 29.10.
Repräsentanten der Wirtschaft und zivilgesellschaftlicher Organisationen in El Salvador rufen die Bevölkerung zu Demonstrationen gegen die steigende Kriminalitätsrate im Lande auf. Pro Tag werden im Durchschnitt 17 Menschen ermordet. Nach Aussagen der Handelskammer belaufen sich die Verluste durch Raub und Diebstahl auf mehrere Millionen Dollar pro Jahr. Die mit dem Friedensvertrag aus dem Jahre 1992 geschaffene Polizei sei zu unerfahren und außerdem zu schlecht ausgerüstet, um die sich ausbreitende organisierte Kriminalität wirksam zu bekämpfen.
Ende
Der Hurrikan Mitch hinterläßt in den zentralamerikanischen Staaten eine Spur der Verwüstung. Im Vergleich zu den Nachbarstaaten ist El Salvador aber nur in geringen Maßen von der Naturkatastrophe betroffen. Nach offiziellen Meldungen beläuft sich die Zahl der Toten auf 240. Etwa 84.000 Menschen mußten evakuiert werden.
November 9.11.
In San Salvador treffen sich die Regierungschefs der zentralamerikanischen Staaten Guatemala, Honduras und Nikaragua, um mit El Salvadors Präsidenten CALDERÖN die internationalen Reaktionen auf den Hurrikan Mitch zu diskutieren.
Mitte
Auftakt des offiziellen Wahlkampfes für die Präsidentschaftswahlen im März 1999.
Ende
Die salvadorianischen Sicherheitsbehörden kündigen an, an den Grenzübergängen des Landes schärfere Kontrollen einführen zu wollen. Als Begründung führen die Behörden die erhöhte Seuchengefahr an, die von den Regionen ausgeht, in denen es durch den Hurrikan Mitch zu extremen Überschwemmungen gekommen war.
Dezember 7.12.
In der Hauptstadt San Salvador treffen sich die zentralamerikanischen Gesundheitsminister, um die Auswirkungen des Hurrikan „Mitch" zu bewerten und um zu einem gemeinsamen Handlungsplan gegen die Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen zu kommen. Astrid Nissen
235
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROST AT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
San Salvador 21.041 El Salvador Colón
EL SALVADOR Jahr 1980
1990
1996
1997
4,586 45,9 51,2 41,6 36,2 4.9 43,2 19.3 37,5
5,11 44,2 52,3 43,9 30 3,7 7.4 29,1 63,5
5,798 40,3 54,4 45,3 31 3.6 28.1 24,9 47
5,928 36,6 58,8 45.6 27,8 3,2
53 99 84,2 120 57,1 3030 66,2
46 104,1 45,6 54 65,6 1205 72,6
108 34 40 68
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
3574 760 1214 1170 34 212 6 382
4801 930 973 1624 -152 17 2 596
10359 1690 2202 3534 -169 358 -7,2 1110
11264 1810 2706 3885 96 380 11,3 1444
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
71,8 14 13,3 14,2 38 21,9 16.5 40,1
88,9 9,9 13,9 1.2 17,1 26,2 21,7 56,6
88,2 9,3 15,3 2,5 12,9 27,2 20,8 59,8
86,5 9 15 4,5 12.9 27,6 21.2 59,5
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
911 499 95,8 60,7 7,5 -11,8 17,4
2148 1913 208 84,1 15,3 4.8 24
2914 2317 316 137 9.5 1.8 9.8
3282 2427 279
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
11,36 1,1 2,3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
32 39 69,4 77,1
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
236
-1,5 5,2 9,8
7 4 4.5
Guatemala
Guatemala Amtlicher Name: República de Guatemala Präsident: Alvaro ARZÚ IRIGOYEN Im Amt seit: 14. Januar 1996 Vizepräsident: Luis FLORES ASTURIAS Nächste Präsidentschafts- bzw. allgemeine Wahlen: November 1999 Regierungspartei:
Partido de Avanzada Nacional (PAN)
Kabinett (Stand Juli 1999): Äußeres: Eduardo STEIN BARILLAS; Inneres: Rodolfo Adrián MENDOZA ROSALES; Verteidigung: Brig.Gen. Héctor Mario BARRIOS CELADA; Finanzen: Irma TOLEDO; Wirtschaft: Juan José SERRA CASTILLO; Landwirtschaft: Mariano VENTURA; Bildung: Arabela CASTRO; Arbeit und Soziales: Luis Felipe LINARES LÓPEZ. Oppositionsparteien im Parlament: Frente Republicano Guatemalteco (FRG); Frente Democrático Nueva Guatemala (FDNG); Unión Democrática (UD); Partido Democracia Cristiana Guatemalteco (PDCG); Movimiento de Liberación Nacional (MLN). Sitzverteilung im Parlament (80 Sitze): PAN: 41; FRG: 22; PDCG: 1; FDNG: 5; MLN: 1; UD 1; Independientes de Dignidad: 4; Parteilose: 5.
Chronologie 1998 Mehr als ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages stand auch 1998 noch die Umsetzung der Friedensagenda im Vordergrund der Politik. Guatemala befindet sich weiterhin vor der schwierigen Aufgabe, die Probleme einer Nachkriegsgesellschaft zu bewältigen und durch politische, sozioökonomische und juristische Reformen die Basis für eine stabile Entwicklung und Demokratisierung der Gesellschaft zu legen. Im Zentrum der Wirtschaftspolitik der Regierung ARZÚ steht die neoliberale Modernisierung des Staates und die Schaffung stabiler Voraussetzungen für die Privatisierung der Staatsbetriebe und von Anreizen für ausländische Investitionen. Nach vorläufigen Angaben der CEPAL wuchs das Bruttoinlandsprodukt im Berichtsjahr 1998 um 4,5%, was eine geringfügige Steigerung im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Wie die Inflationsrate (7,4% für 1998 gegenüber 7,1% für 1997) stieg auch die städtische Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr an (1998: 5,9% (+ 0,9%)), wobei Angaben über die Beschäftigung auf dem Land völlig fehlen. Die Auslandsverschuldung betrug Ende 1998 US$ 2,4 Mrd. und das Handelsbilanzdefizit lag bei US$ 1,3 Mrd. 1998 konnte eine beachtliche Steigerung der ausländischen Direktinvestitionen erreicht werden (US$ 6 0 0 Mio. gegenüber 85 Mio. im Vorjahr). Da die internationalen Hilfsgelder und Kredite für den Wiederaufbau an die Erfüllung des ausgehandelten Friedensvertrags gebunden sind, nahm die Diskussion über die Umsetzung verschiedener Einzelpunkte der Agenda einen breiten Raum in der Arbeit des Kongresses ein. Von großer Bedeutung und damit auch besonders umstritten, waren die Fragen der Integration von Guerilla und Armee in eine demokratisierte Gesellschaft, Situation der Menschenrechte, Identität und Rechte der Indígenas, Erstellung eines
237
Lateinamerika Jahrtuch 1999
Katasters, Reformen des Steuersystems, des Justizsystems und des staatlichen Sicherheitsapparates. Überschattet wurde das Jahr durch den Mord an dem Leiter des Menschenrechtsbüros des Erzbistums von Guatemala, Bischof Juan GERARDI, der im April von bisher unbekannten Tätern mit einem Pflasterstein erschlagen wurde. Die brutale Ermordung des 75-jährigen Bischofs, der als konsequenter Fürsprecher der Menschenrechte bekannt war, löste internationale Empörung aus. Obwohl Präsident ARZÜ eine schnelle Untersuchung des Falls versprach, muß angesichts des gegenwärtigen Klimas der Straffreiheit in Guatemala daran gezweifelt werden. Im weiteren Verlauf des Jahres mehrten sich die Zeichen der versuchten Vertuschung einer Beteiligung der Armee. Nur zwei Tage vor seinem Tod hatte GERARDI den Abschlußbericht des Projekts der katholischen Bischofskonferenz "Wiederherstellung der historischen Erinnerung" (REMHI), das durch finanzielle Unterstützung von MISEREOR und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ermöglicht wurde, in der Öffentlichkeit vorgestellt. In dem Abschlußbericht, der im Gegensatz zur offiziellen guatemaltekischen Wahrheitskommission die Verantwortlichen für die während der Diktatur begangenen Verbrechen namentlich nennen konnte, werden Militär und paramilitärische Gruppen für 90% der Verbrechen verantwortlich gemacht. Der Ende Februar 1999 der Öffentlichkeit vorgestellte 3.500 Seiten starke Abschlußbericht der guatemaltekischen "Kommission zur historischen Aufklärung" lastet dem Staat sogar 93% der untersuchten Menschenrechtsverletzungen an und spricht von einem Völkermord, den Staat und Armee Anfang der achtziger Jahre während der Militärdiktatur von Efrain Rlos MONTT an den Mayas begangen hätten. In den von der Kommission ausgesprochenen Empfehlungen, die jedoch für die Regierung nicht verbindlich sind, wird ein "Nationales Wiedergutmachungsprogramm" gefordert. Angesichts der Haltung des Präsidenten ARZÜ, der sich bei der Zeremonie weigerte, den Bericht der Kommission selbst in Empfang zu nehmen, muß daran gezweifelt werden, daß die Anregungen der Kommission Gehör finden. Die Ermordung von GERARDI war der traurige Höhepunkt zunehmender politischer Gewalt in Guatemala. Die wachsende Kriminalität und Unsicherheit der Bevölkerung sowie die Defizite der Justiz bei der Strafverfolgung werden weiterhin als das Hauptproblem der guatemaltekischen Gesellschaft angesehen. Gegen Jahresende wurde die Diskussion über die Menschenrechte und die Straflosigkeit der Verbrechen von der Katastrophe durch den Hurrikan Mitch in den Hintergrund gestellt. Mitch verschlimmerte die sowieso schon prekäre sozioökonomische Situation des Landes und machte deutlich, daß für Guatemala aus eigener Kraft allein kein Ausweg aus der Krise möglich sein wird. Januar 1.1.
238
Mit dem Beginn des neuen Jahres tritt die 3. Phase der Erfüllung des Friedensabkommens von Oslo in Kraft, die bis Dezember 1999 reicht. Ein neues Steuerpaket wird rechtskräftig, das eine Erhöhung der Steuerlast auf 9,7% im laufenden Jahr und auf 12% im Jahre 2000 gewährleisten soll. Die Reform ist im Friedensvertrag festgelegt, da die internationalen Geldgeberinstitutionen zur Deckung der finanziellen Eigenbeteiligung
Guatemala
Guatemalas eine Erhöhung des nationalen Steueraufkommens verlangen, und daran ihre weitere Hilfe koppeln. 27.1.
Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Kuba, die seit 1961 ausgesetzt waren. Die Entscheidung, die in Zusammenhang mit dem Besuch von Papst JOHANNES PAUL II auf Kuba gebracht wird, zieht nicht nur die Kritik der USA nach sich, sondern löst auch in Guatemala selbst innenpolitische Diskussionen aus.
31.1.
Angesichts der enormen Informationsfülle über Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges wird das Mandat der "Kommission zur Ermittlung der historischen Wahrheit" (CEH) um zunächst 6 Monate und dann nochmals um weitere sechs Monate bis zum 31.1.1999 verlängert. Anschließend sollen die gesammelten Dokumente für einen Abschlußbericht ausgewertet und analysiert werden. Obwohl die Kommission auf die Unterstützung und Mitwirkung zahlreicher ziviler Organisationen zählen konnte, beklagt der Vorsitzende Christian TOMUSCHAT die fehlende Bereitschaft von Regierung und Armee zur Mitarbeit und Aufklärung.
Februar 4.2.
Der Kongreß verabschiedet das Dekret 9-98, das durch die Gleichstellung lokaler und ausländischer Investoren fremdes Kapital anziehen soll. Ein Haupthindernis für Investitionssteigerungen bleibt jedoch die anhaltende Kriminalität und die Unfähigkeit von Regierung und Justiz, bei der Strafverfolgung und im Strafvollzug zur Lösung der Probleme wirksam beizutragen. Das Mandat der UN-Kontrollkommission (MINUGA) wird bis zum 31.12. 1998 ausgedehnt.
17.2.
Die Regierung ARZÜ und die Dauerkommission der guatemaltekischen Flüchtlinge in Mexiko (CCPP) erklären das Ende der ersten Phase des Rückführungsprozesses. Obwohl die Rückkehr der Flüchtlinge noch längst nicht beendet ist, will die Regierung dieses Kapitel abschließen und sich anderen Bereichen des Friedensabkommens zuwenden. Es wird befürchtet, daß durch diese politische Entscheidung auch die Aufmerksamkeit der Hilfsorganisationen gegenüber den Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung der Flüchtlinge in die guatemaltekische Gesellschaft nachlassen wird.
26.2.
Als Reaktion auf Proteste und Kritik von verschiedenen Seiten zieht Präsident ARZÜ die Gesetzesinitiative für eine einheitliche Steuer auf Immobilien und Grundeigentum durch einen Eilantrag zurück. Damit tritt das alte Gesetz, das schon bis zum 31.12.1997 gültig war, wieder in Kraft. Kritiker sehen in dieser Entscheidung einen Rückschritt für ein gerechteres Steuersystem.
239
Lateinamerika Jahrbuch 1999
März 1.-7.3.
Anfang
Während der Visite des Weltbankpräsidenten James WOLFENSOHN in Zentralamerika bekommt die Regierung ARZÜ Kredite in Höhe von US$ 76 Mio. zugesprochen. Ein Streik von mehreren Hundert Arbeitern auf Bananenplantagen an der Atlantikküste, durch den vier Fincas lahmgelegt waren, wird mit Waffengewalt beendet.
April 1.4.
14.4.
20.4.
24.4.
Präsident ARZÚ startet zu einer Reise in mehrere Länder Südamerikas. Endstation ist seine Teilnahme am Gipfeltreffen der 34 amerikanischen Staats- und Regierungschefs am 18./19.4. in Santiago de Chile, auf dem die Freihandelszone der Amerikas (ALCA) offiziell beschlossen wird. Die Menschenrechtskommission der UNO schließt bei ihrer jährlichen Sitzung einstimmig den "Fall Guatemala" und beendet damit nach 19 Jahren die internationale Beobachtung des Landes. Die internationale Staatengemeinschaft spricht der Regierung zu, daß in Guatemala keine systematischen Verletzungen der Menschenrechte mehr begangen würden. Diese Entscheidung ruft Kritik und Bedauern bei den Vertretern verschiedener nationaler Menschenrechtsorganisationen hervor. Der Jahrhundertprozeß" gegen die Verantwortlichen des Massakers von Xamán vom 5.10.1995 beginnt. Es ist das erste Mal in der guatemaltekischen Geschichte, daß Militärs als Hauptverantwortliche eines solchen Vorfalls angeklagt sind. Vorstellung des Abschlußberichts der kirchlichen REMHI-Kommission (Kommission zur Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses): „¡Guatemala: Nunca más!" in Guatemala-Stadt. Drei Jahre lang sammelten die REMHI-Mitarbeiter rund 8.000 Zeugenaussagen, um die schwersten Menschenrechtsverletzungen während des 36jährigen Krieges zu dokumentieren und dadurch den Opfern nach jahrzehntelanger Verurteilung zum Schweigen wieder Gehör zu geben. Zu den Opfern des Bürgerkrieges zählen ca. 150.000 Tote, 50.000 Verschwundene, 200.000 Waisen und rund 1 Mio. Flüchtlinge. Der vom Menschenrechtsbüro des Erzbistums von Guatemala präsentierte Bericht registriert 476 Massaker und 55.021 Opfer des bewaffneten Konflikts zwischen 1960 und 1996, V* von ihnen Indígenas. Militär und paramilitärische Todesschwadrone werden für 90% der Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.
26.4.
Bischof Juan GERAROI, der als Koordinator des Erzbischöflichen Menschenrechtsbüros von Guatemala-Stadt für den REMHI-Bericht mitverantwortlich war, wird erschlagen. Der Mord löst weltweite Empörung aus. GERARDI war einer der prominentesten Verteidiger der Menschenrechte und Fürsprecher der indigenen Bevölkerung in Guatemala.
30.4.
Der 24jährige Carlos Enrique VIELMAN MEANI wird wegen des Mordverdachts an Bischof GERARDI verhaftet. Menschenrechtsorganisationen
240
Guatemala
glauben nicht an einen "gewöhnlichen" Kriminellen, sondern gehen von einem politisch motivierten Verbrechen aus. Mai 6.5.
Ermordung des FDNG-Politikers und Bürgermeisters von Santa Cruz del Quiché, Luis YAT ZAPETA. Auch andere Oppositionspolitiker und Kirchenmitarbeiter erhalten Todesdrohungen. Die Todesschwadron Jaguar Justiciero (Rächender Jaguar) bekennt sich zu dem Mord an GERARDI. Die Regierung will den Fall herunterspielen, doch zwei Tage später wird eine Gruppe von 60 Menschenrechtsaktivisten durch ein Kommuniqué der rechten Bewegung mit dem Tode bedroht.
Juni 7.6.
Mitte
26.6.
Die Gemeindewahlen in 30 von 330 Gemeinden des Landes bestätigen die vorherrschende Tendenz zur Wahlenthaltung, die diesmal 61% beträgt. Die Regierungspartei PAN gewinnt in 22 Gemeinden; doch die Opposition spricht von Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen. Der Geschäftsmann und ehemalige Botschafter Guatemalas in Washington Pedro Miguel LAMPORT ersetzt Alejandro AREVALO als Finanzminister. Letzterer wird Präsident der zentralamerikanischen Bank für Wirtschaftsintegration (BCIE). Vertreter des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (PNUD) präsentieren einen Bericht über die mögliche Gleichstellung von indigenen Sprachen mit dem Spanischen und lösen damit eine neue Debatte über die multiethnische Gesellschaft Guatemalas aus.
Juli 15.-17.7. Auf dem Gipfeltreffen "Tuxtla Gutiérrez III" in San Salvador schließen die Präsidenten der zentralamerikanischen Länder mit Mexiko ein Abkommen über Wirtschaft, Umwelt, Migration und die Bekämpfung des Drogenhandels. 20./21.7. Erste offizielle Visite von UN-Generalsekretär Kofi ANNAN in Guatemala. 22.7. Nachdem sich der erste Tatverdacht im Fall GERARDI als unhaltbar herausgestellt hatte, wird der Priester Mario ORANTES verhaftet. Andere Indizien sprechen für die Beteiligung von mindestens zwei Militärs an dem Mordfall.
241
Lateinamerika Jahrbuch 1999
August Dramatischer Sturz der Landeswährung Quetzal gegenüber dem USDollar. September 11.9.
Im Alter von 68 Jahren stirbt Ricardo RAMIREZ DE LEÓN (Comandante Rolando MORAN). Als Mitbegründer der URNG war er einer der führenden Verhandlungspartner während des Friedensprozesses. Die Reintegration der ehemaligen Guerillakämpfer in die Gesellschaft hat er nicht mehr erlebt.
20.9.
Bei Nachwahlen in der Gemeinde Chinautla erringt der PAN mit 60% der Stimmen den Sieg (Wahlenthaltung 71%).
Oktober Ex-Diktator Rlos MONTT darf auf Beschluß des Kongresses nicht für die Präsidentschaftswahlen 1999 kandidieren. Dieser Entscheidung war eine heftige Diskussion über die Reform der Art. 186 und 281, die die Präsidentschaftskandidatur von Ex-Golpisten und -Caudillos verhindern, vorausgegangen. 12.-15.10. Nach monatelangen Verhandlungen werden 18 Reformen der Carta Magna im Parlament verabschiedet, vier davon als direktes Ergebnis des Friedensvertrages. Laut Verfassung ist Guatemala nun als "plurikulturelle Nation" mit verschiedenen Sprachen und Ethnien definiert. 16.10.
Der Vorsitzende der MINUGUA, Jean ARNAULT, legt den 3. Bericht über die Erfüllung der im Friedensvertrag festgelegten Maßnahmen und Ziele im Zeitraum von Januar bis Juli 1998 vor. Die Einschätzung des Falls GERARDI als einen politisch motivierten Vorfall löst bei der Regierung Unzufriedenheit aus und bestärkt diese in der Ablehnung des Mandats der UN-Mission.
21.10.
Staatsanwalt Otto ARDÖN erhebt eine offizielle Anklage gegen den Priester Mario ORANTES wegen des Mordverdachts an GERARDI und übergibt dem Richter die Beweise, nach denen GERARDI durch die Bisse des Schäferhundes von ORANTES gestorben sei. Kirche und Menschenrechtsorganisationen bezweifeln diese Theorie, da sie von der Verantwortung des Militärs für den Mord überzeugt sind. Sie interpretieren das Vorgehen als eine Finte, um die wirklichen Verantwortlichen zu schützen, die niemals vor Gericht kommen sollen.
22./23.10. Beim Treffen der Konsultativgruppe präsentiert die Regierung ihren Bericht über die Umsetzung der Friedensagenda während der letzten 18 Monate. Präsident ARZÜ war es gelungen, einen Konsens in den vier wichtigsten Themen der Agenda (Verfassungsreform, Steuerreform, Bodenfondgesetz, Reform des Justizwesens) zu erlangen. Das Treffen wird von der Regierung als Erfolg angesehen, doch die zu erwartenden aus242
Guatemala
ländischen Finanzmittel für den Friedensprozeß bleiben weiterhin von der Erfüllung der ausgehandelten Kompromisse durch die Regierung abhängig. Die Weltbank stellt ihre Strategie und ihre Finanzhilfe für Guatemala vor: Von den versprochenen US$ 411,5 Mio. Anleihen und US$ 8 Mio. Spenden wurden bisher erst US$ 84,47 Mio. ausgezahlt, wobei für Dezember weitere US$ 134 Mio. erwartet werden. 26.-31.10. Hurrikan Mitch wütet über Zentralamerika und hinterläßtauch in Guatemala ein Bild großer Zerstörungen. Präsident ARZÜ verhängt den Ausnahmezustand über das Land. Eine Regierungskommission unter Vorsitz des Vizepräsidenten Luis FLORES reist nach Washington, um internationale Unterstützung sowie einen neuen Zeitplan zur Schuldentilgung zu erbitten. 27.10.
Mehrere Menschenrechtsorganisationen legen einen Gesetzesentwurf vor, der Familienangehörigen der ermordeten und verschwundenen Opfer die Möglichkeit geben soll, vom Staat über die militärischen Archive Informationen und nähere Umstände über die Verbrechen zu erfahren. Die Gesetzesinitiative soll über die Oppositionspartei "Demokratisches Bündnis Neues Guatemala" (FDNG) in das Parlament eingebracht werden.
November 5.11.
9.11.
23.11. 26.11.
Ende
30.11.
Unterzeichnung des Freihandelsvertrags zwischen Zentralamerika und der Dominikanischen Republik, der voraussichtlich im Januar 1999 in Kraft treten soll. Er umfaßt 6.000 Produkte der Region und soll bei der nächsten Zusammenkunft der Präsidenten in Guatemala ratifiziert werden. Mit dem Verkauf der Telefongesellschaft TELGUA an die Gesellschaft LUCA S.A. gelingt der Regierung der bis dahin größte Akt von Privatisierung in der Geschichte Guatemalas. Die Hoffnung auf eine Besserung des Services wird getrübt durch die prompte Entlassung von 2.500 Angestellten. Staatsanwalt Otto ARDÖN verzichtet auf die Weiterführung des Falls GERARDI; am 15.12. scheidet er aus dem Amt. Mit der PAN-Mehrheit billigt der Kongreß die Dekrete 1-98 und 2-98, die dem Präsidenten in der Katastrophensituation zusätzliche Machtbefugnisse geben. Nach einem Bericht des früheren Hauptstaatsanwalts Acisclo VALLADARES war Bischof GERARDI das Opfer einer außergerichtlichen Hinrichtung. Der von der katholischen Kirche in Auftrag gegebene Report sieht den Priester ORANTES als Leidtragenden einer gezielten Desinformationskampagne und verlangt, endlich die wahren Verantwortlichen des Verbrechens zur Rechenschaft zu ziehen. Drei Ex-Mitglieder der Zivilen Selbstverteidigungspatrouille PAC werden wegen der Massaker von Rio Negro und Agua Fria 1982 zum Tode verurteilt. Menschenrechtsorganisationen bedauern, daß die intellektuellen Haupttäter nicht angeklagt werden, sondern weiterhin von der Straflosigkeit der Menschenrechtsverbrechen profitieren.
243
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Dezember Mit der Einschreibung in das Wahlregister wird die ehemalige Guerillabewegung Revolutionäre Nationale Einheit Guatemalas (URNG) 16 Jahre nach dem Zusammenschluß von vier Guerillabewegungen zur offiziellen Partei. 10./11.12. Zusammenkunft der fünf Präsidenten Zentralamerikas mit Vertretern der Weltbank, des IWF, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und verschiedener Hilfsorganisationen in Washington, um über Mittel für den Wiederaufbau nach Mitch zu diskutieren. Vorläufige Schätzungen der Schadensbilanz für Guatemala sprechen von 268 Toten, 121 Vermißten und 734.198 betroffenen Menschen (6,3% der Gesamtbevölkerung). Dazu sind noch die Schäden in Infrastruktur, Umwelt, Wirtschaft und Produktion zu zählen, so daß die Wiederaufbaukosten des Landes noch nicht abzusehen sind. Die Wirtschaftsprobleme des Landes werden durch die Auswirkungen des Hurrikans noch verstärkt. Das Bankensystem befindet sich in einer Liquiditätskrise und die Wirtschaft ist durch eine wachsende Dollarisierung und den Verlust des Quetzal gegenüber dem US$ gekennzeichnet. Nina Elsemann
244
Guatemala
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstade Fläche (in qkm): Währung:
GUATEMALA Ciudad de Guatemala 108.889 Quetzal
Jahr 1980
1990
1996
1997
6,82 46 51,1 37,4 43,5 6,3 56,9 17,1 26
8,749 46 50,8 38 39,3 5,3 35.5 17,5 47
10,243 44,6 52 39,2 35 4.6
10,519 44,1 52,5 39,5 33,7 4,5
39 93 83,8 57,4 2180 53,8
60,1 98,4 56.2 94 61.4 220 61.5
96,6 41 56 66
43 54,6 64,2
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
7879 1220 1731 I960 -163 -74 III 753
7650 970 1568 1812 -213 135 48 362
15678 1480 2796 3540 -452 722 77 948
17772 1580 3187 4193 -624 790 84 1173
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
78,9 8 15,9 13.1 24,8 22 16,6 53,2
83,6 6.6 13.6 9,8 25,9 19,8 54,3
87 5.1 12,7 7,9 24,1 19,7 14 56,3
87 4,9 13,8 8,1 23,6 20 13,8 56,4
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
1180 563 145 67 7,9 3,8 10,6
3080 2478 214 112 12,6 3,1 41.2
3775 2755 355 160 11 3 11,1
4086 2834 362
I. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 1} Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsra te Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsraie der Bevölkerung (in *>) 1980-90: 1990-97:
29,35 2,5 2,7
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
66,6
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
9,9 4,3 9,2
1,1 3.9 12,2
245
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Honduras Amtlicher Name: Präsident: Im Amt seit: 1. Vizepräsident:
República de Hondura« Canos Roberto F L O R E S F A C U S S É 27 Januar 1998 William HANDEL
Nächste Präsidentschafts- und allgemeine Wahlen. November 2001 Regierungspartei: Partido Liberal de Honduras (PIH) Kabinett (Stand März 1999): Außeres: Roberto F L O R E S BERMÚDEZ; Inneres und Justiz: Délmer URBIZO PANTING; Finanzen: Gabriela NÚÑEZ; Industrie/Handel/Tourismus: Reginalde PANT1NG PEÑALBA; Verteidigung,'Öffentliche Sicherheit: Cristóbal C O R R A L E S CALIX; Landwirtschaft und Ernährung: Pedro Arturo SEVILLA; Bildung: Ramón CALIX FIGUEROA; Arbeit und Soziales: Andrés Victor ARTIL.ES; Naturressourcen und Umwelt Elvin Ernesto SANTOS: Gesundheit. Marco Antonio ROSA; öffentliche (Bau)Arbeiten/Transport/Wohnungsbau: Tomás LOZANO R E Y E S ; Tourismus: Norman GARCIA PAZ; Präsidialamt: Gustavo Adolfo ALFARO ZELAYA. Oppositionsparteien im Parlament: Partido Nacional de Honduras (PNH); Partido de Innovación y Unidad Social Demócrata (PINU-SD); Partido de Unificación Democrática (PUD); Partido Demócrata Cristiano de Honduras (PDCH). Sitzverteilung im Parlament (128 Sitze): PLH: 67; PNH: 55; PINU-SD: 3; PUD: 1; PDCH: 2.
Chronologie 1998 Honduras hatte im Berichtsjahr vor allem unter den Folgen des Klimaphänomens El Niño und dem Hurrikan Mitch zu leiden, die die wirtschaftlichen Wachstumsgrundlagen in erheblichem Maße zerstörten. Die Schäden durch den Hurrikan Ende Oktober 1998 waren so verheerend, daß sie alle vorherigen Ereignisse überschatteten. Ziel der neuen Regierung war die Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation mittels einer rigorosen Haushaltspolitik, Bekämpfung der Inflation und Abwenden einer weiteren Abwertung der Landeswährung Lempira gegenüber dem US-Dollar. Man erwartete ein positives Wirtschaftswachstum von 5,1%. Der Hurrikan Mitch veränderte die Lage grundlegend. Durch die teilweise oder gänzliche Vernichtung der Exporternten und der Infrastruktur konnte der bis Oktober gute Wachstumsrhythmus der Exporte nicht gehalten werden. Bei gleichzeitig gestiegenen Importen schloß die Leistungsbilanz mit einem Defizit von 5 % des BIP. Die durchschnittliche Inflationsrate lag bei 16% und damit höher als im Vorjahr. Durch den Hurrikan stieg auch die Armut in der Bevölkerung. Die Versorgung mit sozialen Grunddiensten, der Zugang zu wirtschaftlich relevanter Infrastruktur sowie die Wohnsituation verschlechterten sich v.a. für die in Armut lebende Bevölkerung aufgrund der Zerstörungen erheblich. Der seit Januar amtierende Präsident Carlos FLORES FACUSSÉ konnte seine Stellung durch einen personalistisch-zentralistischen Stil stärken. Dabei diente ihm sogar der Hurrikan als Vorwand, seine Position auszubauen. Das Militär verlor dagegen an 246
Honduras
Einluß und Ansehen. Mit der Verabschiedung des Polizeigesetzes und der beschossenen Militärreform wurde die letzte Phase der Entmilitarisierung der Gesellschaft von Honduras fortgesetzt und die zivile Macht gefestigt. Die Aufdeckung der Verstrickungen von Militärs in Korruptions- und Drogenaffären hatte das Ansehen der Streitkräfte in der Bevölkerung absinken lassen. Das durch den Übergang der Streitkräfte zur zivilen Kontrolle entstandene Machtvakuum führte zu einem Anstieg der Kriminalität und machte wieder auf die Mängel des Justizsystems aufmerksam. Das Problem der Straflosigkeit konnte nicht gelöst werden.
Januar 19.'.
Die Präsidenten von Honduras und El Salvador unterzeichnen die Konvention über "Nacionalidad y derechos adquiridos" in den Grenzgebieten. Nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag vom 11.1.1992 über die Festlegung der Grenze zwischen Honduras und El Salvador blieben mehrere Tausend Honduraner und Salvadorianer auf jeweils fremdem Staatsgebiet wohnhaft. Die Konvention sieht vor, die vor 1992 bestehenden Rechte zu respektieren und die Gesetze des jeweils anderen Staates anzuerkennen. Problematisch waren in der Vergangenheit besonders Eigentumsverhältnisse und wirtschaftliche Aktivitäten sowie die Nationalität der nachgeborenen Kinder. Am 1.4. wird die Konvention vom Kongreß einstimmig verabschiedet.
21.'.
Nikaragua nimmt vor seiner Küste honduranische Fischer in Gewahrsam und löst damit einen Konflikt zwischen Nikaragua und Honduras über den Grenzverlauf der Hoheitsgewässer aus. Nikaragua verweigert Honduras in der Bucht von Fonseca den Zugang zum Pazifik, obwohl ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes Honduras das Recht auf seine Hoheitsgewässer zuspricht. Der Konflikt geht so weit, daß Nikaragua eine bewaffnete Auseinandersetzung androht. Honduras schlägt vor, den Grenzverlauf durch Bojen zu markieren und dringt auf eine schnelle Lösung.
27.1.
Amtsantritt von Präsident Carlos FLORES FACUSSÉ. In seiner Regierungserklärung ruft er zur nationalen Einheit auf und verspricht, das neoliberale Wirtschaftsmodell einer Überprüfung zu unterziehen sowie die Armut und die Korruption auf allen Ebenen des Staates zu bekämpfen. Hauptanliegen seiner Regierung sind Sozialpolitik und wirtschaftliche Konsolidierung des Landes, um in Neuverhandlungen mit dem IWF zu treten. Dem neuen Kabinett gehören sowohl Mitglieder aus dem Gewerkschafts- als auch aus dem Untemehmerbereich an.
Februar Anfang
Das Klimaphänomen El Niño mit drastischen Temperaturschwankungen und anhaltender Hitze verursacht hohe Schäden in der Landwirtschaft. Schätzungen zufolge wird ein Verlust von 100.000 ha Anbaufläche verzeichnet. Es kommt zu Versorgungsengpässen von Wasser und Elektrizität.
247
Lateinamerika Jahrtuch 1999
4.2.
Die Richterin des zweiten Strafgerichts in Tegucigalpa, Lilliam MALDONADO, läßt 19 Archive des Geheimdienstes beschlagnahmen, in denen die Fälle von mehr als 7.000 Personen verzeichnet sind. Die Zuversicht von Menschenrechtsgruppen wird allerdings geschmälert durch das Urteil des Richters MERLO, das den Ausspruch der Amnestie auf den wegen Menschenrechtsverletzungen angeklagten Major SALAZAR ausweitet. Sechs Tage später wird ein Vertreter des Menschenrechtskomitees (CODEH) in Copän, Emesto SANDOVAL BUSTILLO, in Santa Rosa de Copän auf der Straße erschossen.
11.2.
Mehr als 2.000 ehemalige Arbeiter der Standard Fruit Company in den Plantagen von Isletas und Coyoles Central besetzen die Straßen in Tocoa und Trujillo, um den Transport der Bananen zu blockieren. Sie machen damit auf die durch das Pestizid Nemagön verursachten schweren körperlichen Schäden aufmerksam und fordern von dem amerikanischen Unternehmen Entschädigungen von US$ 50.000 für jeden Arbeiter. Beklagt werden v.a. Unfruchtbarkeit, Hauterkrankungen und Störungen bei Neugeborenen.
18.2.
Außenminister MARTINEZ JIM£NEZ trifft sich mit seiner Amtskollegin ALBRIGHT in Washington, um die Legalisierung der Honduraner in den USA zu betreiben. Immigranten aus Honduras sind aus dem Gesetz der Opfer des Kommunismus ausgeschlossen, das bisher Nikaragua, El Salvador und Guatemala umfaßt.
März 23.3.
Die Weltbank gewährt Honduras einen Kredit über US$ 45 Mio. für den Fondo Hondumño de Inversión Social.
30.3.
Die USA leiten gegen Honduras Wirtschaftssanktionen wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht ein. Die USA hatten Honduras in den vergangenen Monaten auf die „Piraterie" der Kanäle 6 und 21 hingewiesen und die Regierung aufgefordert, etwas zum Schutz des geistigen Eigentums zu unternehmen. Von den Sanktionen sind die Exportprodukte Holz, Früchte und Tabak betroffen, die von der Liste bevorzugter Einfuhrbedingungen genommen werden. Für die honduranische Wirtschaft entsteht ein Verlust von US$ 5 Mio. im Jahr.
April 16.4.
In Santo Domingo unterzeichnen die Präsidenten von Honduras, Nikaragua, El Salvador und Costa Rica den Freihandelsvertrag mit der Dominikanischen Republik. Ziel des Abkommens ist die Ausweitung und Diversifikation des Waren- und Personenverkehrs zu Bedingungen des freien Wettbewerbs. Die Hindernisse für einen freien Kapitalfluß sollen aufgehoben werden.
17.4.
Aufgrund der anhaltenden Abschiebungen von Honduranern aus den USA protestieren Hunderte von Bauern vor der US-Botschaft in Tegucigalpa.
248
Honduras
Im Land herrscht eine antiamerikanische Stimmung, die in verschiedenen Manifestationen zum Ausdruck kommt. In Miami treten indessen Honduraner in den Hungerstreik, um ihrem Unmut gegen die nordamerikanische Abschiebungspraxis Ausdruck zu verleihen. Präsident FLORES bittet bei einem Besuch in Miami die Honduraner um Geduld und legt in mehreren Gesprächen mit US-Abgeordneten und dem Botschafter in Honduras den USA nahe, die Ungleichbehandlung seiner Landsleute im Vergleich zu anderen Migranten aus Zentralamerika zu beenden. 24.4.
Die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) gewährt Honduras in diesem Jahr einen Kredit in Höhe von US$ 220 Mio. für Projekte im Sozialwesen.
Mai 12.5.
20.5.
28.5.
Der Foro Nacional de Convergencia (FONAC) - eine konzertierte Aktion von Vertretern der Regierung, Unternehmern, Gewerkschaftern, Bauern und Berufsverbänden - nimmt seine Arbeit auf. Der Kongreß verabschiedet das neue Polizeigesetz, das den Übergangsprozeß der Polizei von der Kontrolle der Streitkräfte zur zivilen Kontrolle abschließt. Die Polizei untersteht damit dem geschaffenen Ministerium für Sicherheit. Die neuen Polizeiorgane werden Ende des Jahres ihre Tätigkeit aufnehmen. Die EU finanziert fünf Projekte im Gesundheitswesen sowie in der ländlichen und städtischen Infrastrukturentwicklung in Höhe von US$ 29,5 Mio. Darüber hinaus erhält Honduras US$ 45 Mio. aus den für die Integration Zentralamerikas vorgesehenen Fonds.
Juni Anfang
2.6.
22.6.
Die beabsichtigte Reform des Art. 107 der Verfassung, die ausländischen Investoren den Erwerb von Grund und Boden zum Bau von Tourismusanlagen an der Küste ermöglichen soll, löst unter der dort siedelnden indigenen Bevölkerung Besorgnis und Protest aus. Da ihre Landtitel bisher von der Regierung nicht anerkannt wurden, befürchtet sie, daß sie vertrieben werden und umsiedeln müssen. Das Oberste Gericht hat zum zweiten Mal den Antrag des haitianischen Außenministeriums auf Auslieferung des ehemaligen haitianischen Polizeichefs Oberstleutnant Joseph Michael FRANÇOIS abgewiesen, der sich seit 1996 in Honduras aufhält. FRANÇOIS wird wegen mutmaßlicher Drogengeschäfte und Beteiligung am Putsch gegen Präsident ARISTIDE 1991 von den USA verfolgt. Die Entscheidung des Gerichts belastet auch das ohnehin angespannte Verhältnis zu den USA. Angesichts der zunehmenden Geschäfte der Drogenhändler setzt Präsident FLORES den Ausschuß zur Drogenbekämpfung unter Vorsitz der Vizepräsidentin Gladys CABALLERO ein. Mitte des Monats war es zu verschiedenen Entführungen und Morden im Departamento Colón gekom249
Lateinamerika Jahrbuch 1999
men. Unter den Opfern befanden sich auch Mitglieder der Streitkräfte. Die Polizei nimmt an, daß es sich bei den Vorfällen um Streitigkeiten zwischen den lokalen Drogenkartellen handelt. Die USA haben daraufhin Honduras ihre Unterstützung angeboten. 30.6.
Die USA heben im April verhängte Wirtschaftssanktionen gegen Honduras auf, nachdem gegen die Eigentümer der Kanäle 6 und 21 wegen Ausstrahlung nordamerikanischer Filme ohne Berücksichtigung der Urheberrechte Strafgelder verhängt wurden.
August 5.8.
6.8.
21.8.
Aus Protest über die ungerechtfertigte Verurteilung eines US-Amerikaners in Honduras kürzen die USA ihre Hilfe, die für die Modernisierung des Justizsystems bestimmt war. Die Reaktion der USA belastet erneut das Verhältnis beider Staaten. Die deutsche Regierung finanziert US$ 89 Mio. für Infrastruktur im Sozialwesen, Umweltschutz, Bildung, ländliche Entwicklung und Unterstützung von Kleinunternehmern. Angesichts der zunehmenden Kriminalität in Honduras beschließt die Regierung einen Plan zur Verbrechensbekämpfung, der unter anderem zusätzliche finanzielle Mittel für die Polizei beinhaltet. Ausgelöst wurde das rasche Vorgehen der Regierung durch die Entführung einer Nichte des Präsidenten sowie die Flucht von Gewaltverbrechern aus dem Gefängnis.
September 4.9.
18.9.
Die Anwältin Elizabeth CHUIZ SERRA wird von Präsident FLORES zur ersten
Ministerin für Innere Sicherheit ernannt. Die Öffentlichkeit ist überrascht. Der Kongreß verabschiedet die Reform des Art. 15 der Verfassung, womit die Autonomie der Streitkräfte aufgehoben wird, der Posten des Chefs der Streitkräfte wegfällt und das Verteidigungsministerium gestärkt wird. Die als historisch angesehene Entscheidung setzt dem 41 Jahre währenden Parallelismus von ziviler und militärischer Macht ein Ende.
Oktober 5.10.
12.10.
250
Der Mord an dem in mehreren wichtigen Fällen ermittelnden Staatsanwalt Pedro GARCIA VILLANUEVA sowie die Entführung des bekannten Unternehmers Carlos Alberto MENDIETA veranlaßt die Regierung, den Etat der Polizei aufzustocken. Mehr als 2.000 Mitglieder des Comité Coordinador de Organizaciones Populares e Indígenas (COPIN) fordern in einem Protestmarsch die Erfüllung des 1994 unterzeichneten Abkommens, das den indigenen Bevölkerungsgruppen die alten Siedlungsgebiete zurückgeben soll und den Bau von Infrastruktur, Bildung und Gesundheit garantiert. Gleichzeitig besetzt
Honduras
COPIN den Zugang zu den Maya-Ruinen von Copán, die als touristische Attraktion gelten. Elf Tage darauf geht die Regierung auf die Forderungen des COPIN ein und unterzeichnet ein Abkommen. 25.10.-2.11. Der Hurrikan Mitch tobt über Zentralamerika, verursacht große Schäden und fordert eine hohe Zahl an Todesopfern. Am schwersten ist Honduras betroffen. Schätzungen zufolge ist das Land um 15 Jahre in seiner Entwicklung zurückgeworfen. Es entsteht ein Schaden von ca. US$ 4 Mrd. 30% - 50% der Nahrungsmittelproduktion, rund 70% der Straßen und Brücken, etwa 85.000 Wohnungen sowie 2.800 Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen werden durch den Hurrikan teilweise oder ganz zerstört. 30.10.
Präsident FLORES verkündet den nationalen Notstand, der einige Grundrechte der Bürger aussetzt. Gleichzeitig legt FLORES dem Parlament eine Reihe von Gesetzen vor, die ihn ermächtigen, über seine Kompetenzen hinaus als Präsident in Schlüsselfragen persönliche Entscheidungen treffen zu können.
November 3.11.
Angesichts der dramatischen Situation, in der sich das Land nach dem Hurrikan befindet, ruft Präsident FLORES die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung auf. Als erste entsenden Mexiko, die USA und Japan Hilfsgüter nach Honduras.
Ende
Präsident FLORES bildet ein von ihm geführtes Sonderkabinett, dem Präsidialamtsleiter Gustavo ALFARO ZELAYA und die Minister Tomás LOZANO REYES (öffentliche Arbeiten), Moisés STARCKMANN (internationale Kooperation) und Finanzministerin Gabriela NÚÑEZ zugehören. Als Sonderberater werden dem Kabinett der Chef der Zentralbank, Emln BARJÚN, und Kanzler Fernando MARTINEZ zur Seite gestellt. Ziel des Ausschusses ist die Ausarbeitung eines Wiederaufbauplanes für die nächsten drei Jahre. Astrid Hake
251
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand: Hauptstadt: Flache (in qkm): Währung:
7,99 Tegucigalpa 122.088 Lempira
HONDURAS Jahr 1980
1990
1996
1997
3,569 48,2 49,1 34,9 43,3 6.5 60,5 16,2 23,3
4,879 44,7 52,1 40,7 38 5,2 50,1 16,7 33,2
5,818 43,4 52,7 44,4 35 4,5
5,986 42,9 53,9 45 33,5 4,3
41 96 70 103 60 1510 60,9
64,3 98,3 50 65 66,8 1370 67
99,1 44,2 50 67
36 48 69,4
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
2566 700 942 1128 -317 278 6 159
3058 700 1032 1127 -51 220 44 46.6
4010 690 1922 2254 -355 296 91 257
4491 740 2191 2511 -272 360 122 587
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
70,4 12,6 24,8 17 23,7 24,3 15 52
66,5 14 22,9 19,5 22,4 26,4 16.3 51,2
63,4 15,3 32 21,3 21,7 30,9 18.3 47,4
62,9 15,3 32 21,8 19,7 28,4 16.3 51.9
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
1472 976 207 120 21,4 0,6 18,1
3724 3426 389 178 35,3 0,1 23,3
4533 3845 564 174 26,7 3 23.8
4698 3910 505
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
13,92 3,2 3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-3 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
70,6
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
252
2,3 3,3 20,4
20,9 4,5 20,2
Nikaragua
Nikaragua Amtlicher Name: República de Nicaragua Präsident. Amoldo ALEMAN LACAYO Im Amt seit: 10. Januar 1997 Vizepräsident: Enrique BOLAÑOS Nächste Präsidentschafts- bzw. allgemeine Wahlen: 2002 Regierungspartei: Alianza Liberal (AL) Kabinett (Stand März 1999): Äußeres: Eduardo MONTEALEGRE; Inneres: Jaime CUADRA SOMARRIBA; Finanzen: Esteban DUQUE ESTRADA; Wirtschaft und Entwicklung: Noel SACASA; Verteidigung: Pedro Joaquín CHAMORRO BARRIOS; Justiz (Generalstaatsanwalt): Julio CENTENO; Bildung/Kultur/Sport: José Antonio ALVARADO; Familie: Humberto BELLI PEREIRA; Umwelt und Nationale Ressourcen: Roberto STADHAGEN; Landwirtschaft: Mario DE FRANCO; Arbeit: Wilfredo NAVARRO MOREIRA; Transport und Infrastruktur: Jaime BONILLA.
Oppositionsparteien im Parlament: Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN); Partido del Camino Cristiano (PCC); Partido Conservador Nicaragüense (PCN) sowie sieben weitere Parteien und/oder Allianzen, die nach der Abspaltung des Movimiento de Renovación Sandinista (MRS) 1990 und dem Zerfall der Unión Nacional Opositora (UNO) extrem instabil sind. Sitzverteilung im Parlament (93 Sitze) seit der Wahl am 20. Oktober 1996: AL: 42; FSLN: 36; PCC: 4; PCN: 3; andere: 8.
Chronologie 1998 Die nikaraguanische Regierung unter Präsident Arnoldo ALEMAN LACAYO errang 1 9 9 8 beachtliche Erfolge in Verhandlungen mit internationalen Geberorganisationen (IWF, Weltbank, Pariser Club usw.). Voraussetzung dafür war die strikte Durchführung von Strukturanpassungsmaßnahmen. Die Spannungen mit dem Nachbarland Costa Rica und innerstaatliche Konflikte, etwa im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung von Teilen der /nd/gena-Organisation Yätama, konnten nicht endgültig gelöst werden. Das folgenschwerste Ereignis des Jahres war zweifellos Hurrikan Mitch. Er hat das Land in seiner Entwicklung um Jahre, wenn nicht um Jahrzehnte zurückgeworfen. Januar 8.1.
9.1.
Zwischen den Regierungen von Nikaragua und Costa Rica scheitern Verhandlungen, in denen die Konflikte um Fischfangrechte an der Atlantikküste und um die nikaraguanischen Immigranten in Costa Rica geregelt werden sollten. Wegen Streitigkeiten über die Zusammensetzung von Parlamentspräsidium und -kommissionen setzt das Abgeordnetenhaus (Asamblea Legislati253
Lateinamerika Jahrbuch 1999
va) seine Sitzungen aus. Verhandlungen zwischen Liberalen und Sandinisten und die Anrufung einer Schlichtungsinstanz ( Tribunal de Apelaciones) sowie des Obersten Gerichtshofs sollen zu einer von allen Parteien gebilligten Umbesetzung der Gremien führen. 22.1.
Die Regierung ALEMAN einigt sich mit dem Internationalen Währungsfond (IWF) auf ein neues Programm zur Strukturanpassung. Die wichtigsten Punkte des Programms sind: Reduzierung des Haushaltsdefizits, das 1997 bei 28% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) lag, auf 20% des BIP 1998 und weiter auf 9% im Jahr 2000; Abbau von 3.000 Stellen im öffentlichen Sektor bis 1999; Steigerung der Steuereinnahmen für 1998 um ca. US$ 55 Mio.; Erhöhung der Strom- und Wassertarife um 1,5 % monatlich.
30.1.
Das offizielle Parteiorgan der FSLN „La Barriada" stellt seinen Betrieb wegen Bankrotts ein. Der Direktor Tomas BORGE kündigt an, Investoren zu suchen und „La Barriada" als linke aber unabhängige Zeitung unter demselben Namen wiederzugründen.
Februar Anfang
Ein Angebot der Regierung Costa Ricas, an illegale Einwanderer aus Nikaragua zeitlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, ist mit der Bedingung verbunden, daß Nikaragua den costaricanischen Fischern die Nutzung der umstrittenen Fischgründe erlaubt. Unter Hinweis auf seine Souveränitätsrechte lehnt Nikaragua den Vorschlag ab. Bilaterale Verhandlungen, die für diesen Zeitraum geplant waren, finden daraufhin nicht statt.
17.2.
Zur ersten einberufenen Parlamentssitzung seit dem 9.1. erscheinen die sandinistischen Abgeordneten aus Protest gegen die noch unveränderte Besetzung des Präsidiums und der Kommissionen nicht. Die Sitzung findet trotzdem statt, da über die Hälfte der Mandatsträger, 48 von 93, erschienen sind.
18.2.
Präsident ALEMAN kündigt ein Programm zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe in der Landwirtschaft an. Die neue Agrarpolitische Strategie, die in Zusammenarbeit mit dem IWF ausgearbeitet wurde, sieht eine stärkere Beteiligung des privaten Banksektors in diesem Bereich vor. Die bisher staatlich organisierte Kreditvergabe durch BANADES (Banco Nacional de Desarrollo) wird privatisiert und fortan vom neu gegründeten Fondo de Crédito Campesino
durchgeführt.
März 1.3.
Bei Regionalwahlen in den Provinzen Costa Atläntica
Sur und Costa At-
läntica Norte gewinnt die PLC jeweils mit einfacher Mehrheit und ist deshalb auf die Bildung von Koalitionen angewiesen. Zweitstärkste Kraft wird die FSLN. Laut Wahlbeobachtern der OAS lag die Wahlbeteiligung nur bei rund 40%.
254
Nikaragua
2.3.
Die Adoptivtochter Daniel ORTEGAS, Zoilam6rica NARVAEZ, beschuldigt den Ex-Präsidenten, der immer noch eine unangefochtene Führungsrolle unter den Sandinisten innehat, sie in ihrer Kindheit und Jugend wiederholt sexuell mißbraucht zu haben. Verschiedene Persönlichkeiten aus der FSLN lassen verlautbaren, daß die Partei unverändert hinter ihrem Generalsekretär steht.
15.3.
Ein Streik von ca. 2.800 Ärzten staatlicher Krankenhäuser veranlaßt Gesundheitsminister Lombardo MARTINEZ zu der Drohung, 30% des medizinischen Personals zu entlassen. Damit könne man monatlich US$ 17.000 einsparen, mit denen dann den Gehaltsforderungen der verbleibenden Arzte teilweise nachgekommen werden könnte. Die Streikenden befinden sich schon seit zwei Wochen im Ausstand und verlangen Gehaltserhöhungen von bis zu 1.000%.
23.3.
Nachdem die Regierung ALEMAN in einem Brief an den IWF ihre Vorhaben zur Strukturanpassung erläutert hat, erhält sie von diesem die Zusage für das Unterstützungsprogramm ESAF II (Enhanced Structural Adjustment Facility II). Dadurch wird Nikaragua in den Genuß von IWF-Geldern in Milliardenhöhe kommen, die zur Förderung des Agrarsektors, im sozialen Bereich und zur Tilgung von Auslandsschulden verwendet werden sollen. Das Vorgängerprogramm ESAF I war 1996 ausgesetzt worden, weil Nikaragua die damit verbundenen Auflagen nicht mehr erfüllt hatte.
April 2.4.
Nach Verhandlungen in Genf verkünden die Geberländer (Grupo Consultativö) des IWF-Programms ESAF II, die von Nikaragua geforderte Summe von US$ 1,2 Mrd. noch auf das Anderthalbfache aufzustocken. Sie sichern der Regierung ALEMAN insgesamt US$ 1,8 Mrd. zu; jeweils 600 Mio. in den Jahren 1998-2000. Zu einer Protestkundgebung der sandinistischen Gewerkschaft CST (Central Sandinista de Trabajadoms) gegen die Strukturanpassungspolitik der Regierung erscheinen statt der angekündigten 10.000 nur etwa 3.0004.000 Menschen.
22.4
In Verhandlungen mit dem Pariser Club, einem Zusammenschluß der 14 wichtigsten Gläubigerländer, erreicht Nikaragua für die nächsten drei Jahre eine erhebliche Minderung seiner Schuldenleistung. Statt der vorgesehenen US$ 70 Mio. jährlich müssen nur 3,5 Mio. gezahlt werden. Die Vereinbarung ist allerdings an die Einhaltung der von der Regierung geplanten Maßnahmen zur Strukturanpassung geknüpft.
Mai 1.5.
Ein Flugzeug, das von Präsident ALEMAN und anderen Regierungsfunktionären zu Dienstreisen benutzt wurde, wird beschlagnahmt, als bekannt wird, daß es in den USA als gestohlen gemeldet ist. Bei Untersuchungen werden in der Maschine Kokainspuren gefunden. ALEMAN streitet ab, von 255
Lateinamerika Jahrbuch 1999
der Herkunft des Jets oder dessen Verwendung zum Drogentransport gewußt zu haben. 11.5.
Ein nikaraguanischer Militärposten bei Puerto Cabezas wird von Kämpfern der /nd/gena-Organisation Yätama überfallen. Es gibt einen Toten und drei Verletzte. Die Yätama, die 1990 die Waffen niedergelegt hatte und reguläre Partei in der Provinz Costa Atläntica Norte wurde, droht mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes. Die Regierung erfülle ihre Zusagen in bezug auf die Resozialisierung von ehemaligen Kämpfern und bezüglich der Selbstbestimmung ethnischer Minderheiten nicht.
23.5.
Trotz der Anschuldigungen wegen sexuellen Mißbrauchs an seiner Adoptivtochter wird Daniel ORTEGA auf dem Parteitag der FSLN in seinem Amt als Generalsekretär der Partei bestätigt. 418 von 429 Delegierten stimmen für ORTEGA.
Juni 10.6.
Der Streik der Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitswesens endet nach vier Monaten. Die Streikenden einigen sich mit Gesundheitsminister Lombardo MARTÍNEZ unter anderem auf umfangreiche Lohnerhöhungen (Ärzte 100%, Krankenschwestern 55%).
16.6.
Das Parlament verabschiedet ein Gesetz zur Privatisierung des Telekommunikationsunternehmens ENITEL (Empresa Nicaragüense de Telecomunicaciones). In einer ersten Phase werden 40% der Aktien verkauft, deren Erlös zu ca. einem Drittel (ca. US$ 60 Mio.) zur Armutsbekämpfung genutzt werden soll (Agrarsektor, soziale Projekte, Infrastruktur, Wohnungsbau).
18.6.
Das Parlament beschließt, die bisher staatliche Bank BANIC (Banco Nicaragüense de Industria y Comercio) zu privatisieren. Entgegen des ursprünglichen Vorhabens der Regierung, 65% der Aktien ohne weitere Beschränkungen zu verkaufen, limitiert das Parlament die Menge der Anteile auf 51% und schließt staatliche Funktionsträger als Käufer aus, um damit illegitime Bereicherung von Regierungsmitgliedern zu verhindern.
Juli 1.7.
Ein Freihandelsabkommen mit Mexiko tritt in Kraft. Damit fallen die Zollschranken für fast alle landwirtschaftlichen Ausfuhrprodukte Nikaraguas. Die Regierung ALEMAN erhofft sich einen Anstieg der Exporte um US$ 25 Mio. Die USA billigen Nikaragua zum fünften Mal in Folge das sog. waiverZertifikat zu. An Länder, in denen Besitz von US-Bürgern konfisziert ist, darf nach einem Gesetz der USA keine Entwicklungshilfe geleistet werden. Ausgenommen sind nur solche Staaten, in denen ausreichende Bemühungen zur Entschädigung oder Rückgabe festgestellt werden und de-
256
Nikaragua
nen deshalb der waiver-Status erteilt wird. Nikaragua sichert sich somit Hilfsleistungen von ca. US$ 135 Mio.
August Anfang
Die Spannungen in der Provinz Costa Atläntica Norte spitzen sich zu. Das Militär verstärkt seine Truppenpräsenz in der Krisenregion um 100 Mann, da sich etwa 70 ehemalige Kämpfer der Yätama (s. 11.5.1998) wiederbewaffnet haben.
11.8.
Nachdem Ende Juli Vertreter der nikaraguanischen Armee den Sicherheitskräften Costa Ricas erlaubt hatten, nach vorheriger Absprache bewaffnete Pratrouillenfahrten auf dem zu Nikaragua gehörenden Grenzfluß Rio San Juan durchzuführen, erklärt das nikaraguanische Parlament die Übereinkunft für ungültig. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern geraten daraufhin erneut in eine Krise.
September Anfang
Informelle Gespräche zwischen Präsident ALEMAN und Oppositionsführer ORTEGA über eine Umgestaltung der Verfassung und des Wahlgesetzes führen zur Bildung einer offiziellen Kommission von zehn gesellschaftlich relevanten Organisationen. Die paritätisch zusammengesetzte Kommission soll in einem nationalen Dialog (Diälogo National) zur Konsensfindung bezüglich einer grundlegenden politischen Reform beitragen.
Mitte
Die Gesundheitsbehörden warnen vor einer Epidemie der Tropenkrankheit Denguefieber. Es seien um 7.000 Fälle gemeldet worden, zwölfmal mehr als im Vorjahr. Als Gründe für die Ausbreitung der Infektion werden die schlechte Ernährungslage und mangelnde medizinische Versorgung genannt.
16.9.
Der Generalstaatsanwalt (Procurador General de Justicia), Julio CENTENO GOMEZ, beschuldigt den Chef des Rechnungshofes (Controlaria General del Estado), Agustln JARQUIN ANAYA, in einem Bericht an das Parlament schwerer Unregelmäßigkeiten und der persönlichen Bereicherung. Der Fall wird zur weiteren Untersuchung der Anti-Korruptionskommission der Asamblea National übergeben.
Oktober 8.10.
Die Parlamentsfraktion der FSLN bringt einen "Gesetzentwurf gegen den Nepotismus" ein. Nahe Verwandte von Präsident ALEMAN und Vizepräsident Enrique BOLAHOS bekleiden entgegen den Bestimmungen der Verfassung wichtige Ämter in der politischen und administrativen Führung des Landes. Die FSLN fordert, die Amter gemäß der Mehrheitsverhältnisse im Parlament an die Parteien zu verteilen, und beansprucht für sich etwa 40% der Posten.
257
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Mitte
Die Regierung ALEMAN treibt ihre Pläne voran, eine Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik zu bauen, indem sie eine Kommission aus Regierungsmitgliedern und verschiedenen Repräsentanten der Zivilgesellschaft einrichtet. Diese soll entscheiden, welches Unternehmen den Zuschlag für das Großprojekt bekommen soll. Der "trockene Kanal" (canal seco) soll aus einer Eisenbahnstrecke für Hochgeschwindigkeitszüge, Versorgungsstraßen und Hafenanlagen bestehen.
26.-31.10. Mit Hurrikan Mitch verwüstet eine der schlimmsten Naturkatastrophen des Jahrhunderts große Teile Zentralamerikas. In Nikaragua, dem nach Honduras am zweitstärksten betroffenen Land, werden rund 4.000 Tote und 7.000 Vermißte gemeldet. Etwa ein Viertel der Bevölkerung ist von den Schäden direkt betroffen (Obdachlosigkeit, Zerstörung von Ackerland, anderen Produktionsmitteln usw.). Die materiellen Schäden belaufen sich nach vorläufigen Schätzungen auf über US$ 1 Mrd.
November 9.11.
Bei einem Treffen der Regierungschefs der von Hurrikan Mitch betroffenen Staaten in San Salvador erbittet Präsident ALEMAN von der internationalen Gemeinschaft den Erlaß sämtlicher Schulden für Nikaragua. Gleichzeitig stellt ALEMAN klar, daß die Strukturanpassungspolitik seiner Regierung auf jeden Fall beibehalten wird.
10.11.
Die Regierungen Kubas, Frankreichs und Österreichs kündigen an, Nikaragua seine bilateralen Schulden von US$ 50 Mio., 63 Mio. und 42 Mio. zu erlassen.
Mitte
Zahlreiche internationale Persönlichkeiten besuchen das Land, um sich einen Eindruck von den durch Mitch verursachten Schäden zu verschaffen und kündigen Hilfe für die Opfer an. Unter ihnen sind Heidemarie WIECZOREC-ZEUL (Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und Ludger VOLMER (Staatsminister im Auswärtigen Amt) aus Deutschland, der spanische Thronfolger Felipe DE BORBÓN Y GRECIA, EU-Kommissarin Emma BONINO, der panamaische Präsident Ernesto PÉREZ BALLADARES, der französische Präsident Jacques CHIRAC und die First Lady der USA, Hillary CLINTON. Letztere übermittelt die Nachricht eines Schuldenerlasses von US$ 54 Mio. seitens der Vereinigten Staaten.
19.11.
Nachdem Präsident ALEMAN ein Angebot Fidel CASTROS, medizinisches Personal nach Nikaragua zu entsenden, zunächst ausgeschlagen hatte und die nikaraguanischen Rettungsmannschaften nur von costaricanischen und mexikanischen Helfern unterstützt wurden, stimmt er dem kubanischen Vorschlag nun doch zu. Der Grund für die Meinungsänderung sei, daß die Gefahr von Epidemien steige und nikaraguanische Arzte ihrer Entsendung in die Krisenregionen teilweise nicht nachkämen.
258
Nikaragua
Dezember 1.12.
Die Regierung kündigt zwei Nothilfeprogramme für die von Hurrikan Mitch betroffenen landwirtschaftlichen Kleinbetriebe an. Das erste (Programa de Siembra de Apante) soll 60.000 Bauern durch niedrig verzinste Kredite zur Aussaat von Bohnen und Mais befähigen. Das zweite (Programa de Rehabilitación de Fincas Productivas) soll es weiteren 40.000 Betrieben ermöglichen, von ihren zerstörten Böden auf Land auszuweichen, das in Staatsbesitz ist.
3.12.
Zu einem Protestmarsch der FSLN, der sich gegen den Stellenabbau im Rahmen des Strukturanpassungsprogramms der Regierung richtet, beteiligen sich anstatt der erwarteten 10.000 nur ca. 1.500 Teilnehmer.
Mitte
Spanische und US-amerikanische Militäreinheiten treffen ein, um v.a. beim Wiederaufbau von Brücken und Straßen zu helfen. Die Regierung der USA gibt außerdem bekannt, Nikaragua 90% seiner bilateralen Schulden erlassen zu wollen. Bei Gesprächen in Washington, an denen die zentralamerikanischen Staaten sowie die wichtigsten internationalen Geberländer und -Organisationen teilnehmen, erhält Nikaragua Zusagen über Finanzhilfen in Milliardenhöhe.
30.12
Angesichts der kritischen Situation, in der sich Zentralamerika nach dem Hurrikan Mitch befindet, beschließt die US-Einwanderungsbehörde INS (Inmigration and Naturalization Service), Ausweisungen von illegalen Migranten aus den betroffenen Ländern für 18 Monate auszusetzen. Diese Regelung ermöglicht ca. 60.000 Nikaraguanern, vorerst nicht in ihre Heimat zurückkehren zu müssen. Peter Peetz
259
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkra): Wahrung:
Managua 130.000 Córdoba Oro
NIKARAGUA Jahr 1980
1990
1996
1997
2,921 47,5 50 53,4 45,6 6,3 46,5 15,8 37,7
3,827 46,3 50,9 59,4 39 4,7 15,4 24,3 60,3
4.55 44,3 52,7 62,6 33 4
4,677 43,6 53,4 63,1 32,2 3,9
46 99 84 143 58,7 2381 58,1
54 97,8 54,8 75 64,5 1563 61.3
97 44 57 68
43 57 68,1
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
2144 650 495 907 -411 239 0 75,1
1099 320 392 682 -305 447 0 165,5
1971 380 806 1298 -435 517 97 202,9
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
82.5 19,7 16,8 -2,2 23,3 31,5 25,7 45,2
58.7 43.5 19,2 -2.2 31,1 21,3 16,9 47,6
84,3 12.9 27,7 2.8 34,2 21,9 16 43,9
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
2190 1668 115 69.1 22.3 5 35.3
10708 8281 15,8 U.4 3,9 0 7485,5
5932 5125 219 87,5 24 4,7 11,6
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
9,92 2,5 2,8
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
63,4
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
260
-1,1
2,4
2215 410 863 1609 -601 834 173 382,3
22,2 34 21,5 15,5 44,5 5677 4819 326 31,7 5,1 7,3
Panama
Panama Amtlicher Name: República cié Panamá Präsidentin: Mireya Moscoso (Partido Arnulfmta) im M r t seit; 1 September 1999 Nächste Präsidentschafts- bzw. allgemeine Wahlen: 2004 Regierung: Koalition ,Unión por Panamá': Partido Amutfista (PA), Movimiento Libera! Republicano Nacionalista (MOtlRENA), Cambio Democrático (CO) und Movimiento de Renovación Nacional (MORENA). Die Zusammensetzung des Kabinetts stand zum Zeitpunkt der Drucklegung noch nicht fest. Oppositionsparteien im Parlament: .Nueva Nación' zwischen dem Partido Revolucionario Democrático (PRO) und den kleinen Parteien Partido Solidaridad (PS), Partido Liberal Nacional (PLN) und Movimiento Papa Egoró (MPE). - Acción Opositora". Partido Demócrata Cristiano (PDC) und Partido Renovación Civilista (PRC) Sitzverteilung im Parlament (71 Sitze) seit den Wahlen vom Mai 1999 PRD: 34; PS: 4; MPE: 2; PLN; 1; PA: 18; MOLIRENA: 3; CD: 2; MORENA: 1; PDC: 5. PRC: 1.
Chronologie 1998 Die innenpolitischen Auseinandersetzungen wurden geprägt von den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai 1999. Offiziell begann der Wahlkampf zwar erst im Sommer mit der Aufstellung der Kandidaten, doch fand im ersten Halbjahr 1998 mit der Entscheidung über eine Verfassungsänderung, die die unmittelbare Wiederwahl des Präsidenten ermöglichen sollte, ein Quasi-Wahlkampf statt. Die Volksabstimmung Ober die Verfassungsänderung spaltete die Nation. Präsident Balladares und seine Partei erlitten eine schwere Niederlage. Der von ihnen eingebrachte Entwurf wurde von einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Neben der allgemeinen Unzufriedenheit mit seiner Wirtschaftspolitik dürften auch die unpopulären Regierungsentscheidungen zu den großen Arbeitskämpfen in diesem Jahr zum Imageverlust der Regierung beigetragen haben. Auch in der Außenpolitik gab es leichte Spannungen. Animositäten zeigten sich bei der VR China, die die zunehmenden Wirtschaftsaktivitäten Taiwans in Panama ablehnen. Die USA wiederum sahen ihre hegemoniale Stellung durch die wachsende wirtschaftliche Einflußnahme der Volksrepublik China gefährdet. Hinzu kommt, daß die Verhandlungen zwischen den USA und Panama um die gemeinsame Einrichtung eines internationalen Anti-Drogenzentrums - und dem damit verbundenen Verbleib von US-Militärs noch über das Jahr 2000 hinaus - scheiterten. Die wirtschaftliche Entwicklung Panamas wurde von drei Faktoren gebremst: Erstens verursachte der Hurrikan Mitch Schäden in der Landwirtschaft; zweitens beeinträchtigte die Großwetterlage El Niño durch die außergewöhnliche Trockenheit die Stromversorgung und vor allem die Schiffahrt. Besonders negativ wirkten sich drittens die Folgen der Asienkrise bzw. der allgemeine Konjunkturrückgang in Lateinamerika auf die Exporte, hier vor allem auf die Freizone Colón, aus. Trotzdem 261
Lateinamerika Jahrbuch 1999
konnte ein moderates Wachstum des Bruttosozialproduktes von 3,5% erzielt werden, bei einer Inflationsrate von 1,4%. Zurückzuführen war dieses auf die Investitionstätigkeit durch Privatisierungsvorhaben im Energiesektor und durch Infrastrukturausbau. Im Tourismussektor waren ebenfalls hohe Zuwächse zu verzeichnen. Januar Anfang
Der IWF bewilligt einen Drei-Jahres-Kredit in Höhe von US$ 162 Mio. zur Unterstützung des mittelfristigen Wirtschaftsreformprogramms (19982000) der Regierung. Die im letzten Jahr vom Parlament genehmigte Privatisierung der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft (Instituto de Recursos Hidráulicos y Electrificación - IRHE) wird eingeleitet. IRHE wird in acht Gesellschaften aufgeteilt; vier für die Stromerzeugung, eine für die Übertragung und drei für die Verteilung von Strom. Bei den Verteilergesellschaften sollen 39% in Händen des Staates und 10% bei den Beschäftigten verbleiben, 51% gehen an Private. Die Stromerzeuger werden zu 49% an den Privatsektor verkauft. Lediglich die Übertragung von Strom soll weiterhin rein staatlich bleiben. Von den 5.000 Beschäftigten des IRHE sollen 90% übernommen werden. Für Abfindungszahlungen sind von der Verwaltung des IRHE US$ 90 Mio. zugesagt worden.
März Mitte
Das Parlament stimmt einer Initiative zur Änderung des Privatisierungsgesetzes zu. Nun kann die Regierung beim Verkauf von Staatsunternehmen bis zu 100% der Anteile direkt veräußern. Die Belegschaften erhalten für 180 Tage ein Vorkaufsrecht auf 5-20%, die danach ebenfalls vom Staat verkauft werden. Der Finanzdirektor der Verwaltungskommission für die Kanalzone schlägt vor, den Kanal nach seiner Übergabe an Panama zu privatisieren, um ihn international wettbewerbsfähig zu machen. Dieser Vorschlag stößt bei Gewerkschaften und Nationalisten auf Ablehnung.
April Ende
262
Das Parlament stimmt in erster Lesung dem Entwurf eines Gesetzes zum Umweltschutz zu. Diese Vorlage ersetzt ein bereits vor zwei Jahren erarbeitetes Papier, das zwar vom Parlament angenommen, dann aber vom Präsidenten verworfen wurde. Vorgesehen sind jetzt die Einrichtung zweier nationaler Organisationen, die Umweltschutzbestimmungen erarbeiten und ihre Einhaltung überwachen sollen. Schädigungen der Umwelt werden benannt und als Ordnungswidrigkeit eingestuft, die mit Geldbußen bis zu US$ 10 Mio. belegt werden können. - Der alte Entwurf hatte außerdem hohe Strafen für Umweltverschmutzer sowie die Einbindung der indigenen
Panama
Gemeinschaften in den Umweltschutz vorgesehen. Anfang Juli tritt das Gesetz in Kraft. Mai Anfang
Raúl ARANGO, Minister für Handel und Industrie, tritt von seinem Amt zurück, um am Wahlkampf teilzunehmen. Er ist Vorsitzender des Partido Liberal Nacional, einer der Parteien, die die Wiedenwahl des Präsidenten
Mitte
Das chinesische Unternehmen Great Wall Panamá S.A. erhält die Konzession zur Einrichtung einer Freien Produktionszone auf der Insel Telfer nahe der karibischen Mündung des Kanals. Auf einer Fläche von 150 ha sollen dort Lohnveredelungsunternehmen der Elektro- und Textilbranche angesiedelt werden. Vom dritten Geschäftsjahr an muß Great Wall Panamá S.A. 2,5% seiner jährlichen Bruttoeinnahmen bzw. eine Mindestsumme von US$ 100.000 als Abgabe zahlen. Die panamesische Regierung erhofft sich von der neuen Produktionszone die Schaffung von rd. 10.000 Arbeitsplätzen. Z.Zt. beträgt die Arbeitslosenrate in Panama 13,7%, und 41% der Bevölkerung leben in Armut. Das Klimaphänomen El Niño führt zu einer katastrophalen Trockenheit in Panama, die den Wasserstand im Kanal auf den niedrigsten Stand seit seiner Eröffnung im Jahre 1914 fallen läßt. Der maximal zulässige Tiefgang für durchfahrende Schiffe muß von den üblichen 12 Metern auf 10,8 m gesenkt werden.
27.5.
Der bereits seit 57 Tagen andauernde Streik der Hafenarbeiter in Puerto Armuelles endet mit einem Entscheid des Arbeitsministeriums zugunsten der Bananengesellschaft Chiriqui Land Company (CHIRILANCO). Der Streik war im Februar ausgebrochen, als die CHIRILANCO ankündigte, daß sie ihre Verpackungs- und Transportanlagen des Pazifikhafens Puerto Armuelles in den Hafen von Rambala am Atlantik verlegen werde. Dabei sollten 270 Arbeiter entlassen werden. 5.000 Hafenarbeiter traten daraufhin in den Streik, womit das wirtschaftliche Leben des Distriktes Barü fast zum Erliegen kam. Die Gewerkschaft fordert die angemessene Entschädigung der betroffenen Arbeiter sowie allgemeine Verbesserungen der Arbeitsbedingungen. Außerdem wird die Einhaltung der 1997 zwischen der CHIRILANCO und der Gewerkschaft ausgehandelten Konditionen eingeklagt. Die Verhandlungen scheitern, und die Verluste werden auf US$ 60 Mio. geschätzt. Das Arbeitsministerium tritt als Vermittler auf, und letztendlich erhält die CHIRILANCO von Regierungsseite die Genehmigung, 257 Arbeiter zu entlassen. Ausschlaggebend sind dabei von der CHIRILANCO angeführte Effizienzsteigerungen durch den Umzug und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Bananenexporte für Panama.
PÉREZ BALLADARES unterstützen.
Juni Anfang
Die USA zeigen sich besorgt über die umfangreichen Investitionen der Volksrepublik China in der Kanalzone. Eine Delegation des US-amerikanischen Zentrums für Nationale Sicherheit bereist eine Woche lang Pa263
Lateinamerika Jahrbuch 1999
nama, um sich vor Ort über die zunehmende Einflußnahme Hongkongs in Infrastrukturprojekten zu informieren und darauf hinzuweisen, daß der Kanal als strategisch wichtig für die US-Sicherheit angesehen werde. Vor allem die 1997 erteilten Konzessionen für die Häfen Baiboa und Cristóbal werden kritisiert. Die Volksrepublik China wiederum fühlt sich in der Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen in Panama eingeschränkt durch die Intensivierung der Verhandlungen mit taiwanesischen Unternehmen. Panamesische Regierungsvertreter sichern den USA die Zuständigkeit für die nationale Sicherheit in Panama bis zum Jahr 2000 zu und bemühen sich gleichzeitig darum, Investoren sowohl aus Hongkong als auch aus Taiwan anzuwerben. Das Ausschreibungsverfahren für die Privatisierung des staatlichen Wasserversorgungs- und -entsorgungsuntemehmens IDAAN läuft an. Bis zum Dezember soll eine Vorauswahl unter den interessierten Firmen stattfinden, so daß die Ausschreibung im Januar 1999 beginnen kann. Es wird eine Konzession für 30 Jahre erteilt. Zur Sanierung des Unternehmens werden Investitionen in Höhe von US$ 500 Mio. über die Laufzeit veranschlagt. Von Seiten der Arbeitnehmerschaft werden keine Proteste erwartet, da IDAAN bereits 1996 in seine Statuten einen Betrag von US$ 19,4 Mio. für einen Sozialplan aufgenommen hat. 23.6.
Die Protestkundgebungen der Mitglieder der Bauarbeitergewerkschaft SUNTRACS eskalieren in der Hauptstadt. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen 21 Polizisten verletzt und 37 Arbeiter festgenommen werden. Seit zwei Tagen gehen die Bauarbeiter auf die Straße, da die Vereinbarungsfrist für einen Tarifvertrag ergebnislos abzulaufen droht. Trotz fünfmonatiger Verhandlungen zwischen SUNTRACS und dem Dachverband der Bauwirtschaft CAPAC sind noch immer 21 Punkte zu Lohnfragen strittig.
Ende
Das Parlament stimmt dem von der Regierungspartei eingebrachten Antrag auf Verfassungsänderung für eine unmittelbare Wiederwahl des Staatspräsidenten zu. Die letzte Entscheidung liegt nun beim panamesischen Volk, das Ende August eine Volksabstimmung abhalten wird. Die Opposition hat sich zu einer Allianz gegen die Wiederwahl zusammengeschlossen, der Frente para la Democracia, und führt eine großangelegte Kampagne gegen die Verfassungsänderung durch. Sie argumentiert, daß Panamas Demokratie noch zu jung und das Risiko eines Machtmißbrauchs bei Wiederwahlmöglichkeit zu groß sei. Von seiten der Regierung wird die Schaffung einer langfristigen, damit kontinuierlichen und stabilen Wirtschaftspolitik als Gegenargument angeführt. Die Diskussionen tragen Züge eines vorgezogenen Wahlkampfes. Ein Ja zur Wiederwahl bedeutet für den Präsidenten und seine Partei die Chance, im Jahre 1999 wieder an die Macht zu kommen und die Kanalübernahme zu steuern.
8.7.
Das Gesetz Nr. 45 zum Zwangsschiedsspruch, in der panamesischen Öffentlichkeit auch Anti-Streik-Gesetz genannt, tritt in Kraft. Es war bereits im Mai - z.Zt. der großen Bananenstreiks - im Parlament verabschiedet, bisher aber noch nicht veröffentlicht worden. Dem Arbeitsministerium wird
264
Panama
nunmehr das Recht eingeräumt, ein Schiedsverfahren einzuleiten, wenn sich die sozioökonomischen Bedingungen der Einwohner einer Region oder des gesamten Landes durch das Andauern eines Streiks bedeutend verschlechtern. Die Gewerkschaften protestieren gegen diese Einschränkung der Tarifautonomie, und auch Vertreter der ILO sprechen sich für eine Neufassung dieses Gesetzes aus. 19.7.
22.7.
SUNTRACS hatte für den 20. Juli einen Streik angekündigt, der nach offiziellen Schätzungen ca. 400 Projekte im Bausektor betreffen würde. Im letzten Moment kann dieser durch eine Einigung zwischen den beiden Tarifparteien vermieden werden. Die Kompromißlösung sieht u.a. eine Stundenlohnerhöhung von US$ 0,20 bis zum Jahr 2001 vor. Das Arbeitsministerium begrüßt die friedliche Beilegung des Konfliktes, da sonst das neue Gesetz Nr. 45 Anwendung gefunden hätte. Von den Gewerkschaften wird diese neue Regelung abgelehnt, und eine weitere Eskalation wäre zu befürchten gewesen. Die Mindestlöhne werden angehoben. Sie variieren sowohl nach Beschäftigungsart als auch nach Region. Panama ist in drei sog. Arbeitsregionen unterteilt, wobei die höchsten Löhne in der Hauptstadt, San Miguelito und Colón gezahlt werden. In der Landwirtschaft liegen die Stundenlöhne bei US$ 0,80; in den großen Industrien, im Bau und im Handel bei US$ 1,08.
August 30.8.
Bei der mit Spannung erwarteten Volksbefragung zur unmittelbaren Wiedenwahl des Präsidenten erhalten die Regierungspartei PRD und PÉREZ BALLADARES eine Abfuhr: Fast zwei Drittel der abgegebenen Stimmen sprechen sich gegen die Wiederwahl aus. Damit wird der PRD unter Druck gesetzt, sein Image bis zu den Wahlen im Mai 1999 erheblich aufzubessern und schnellstens einen neuen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen. Als erste Konsequenz treten sowohl der Minister für Arbeit und Soziales, Mitchell DOENS, als auch der Minister für Wohnungsbau, Francisco SANCHEZ CÁRDENAS, zurück. Beide hatten sich als Befürworter der Wiederwahl in der Kampagne des PRD hervorgetan. Nachfolger sind Reynaldo RIVERAS und G e r a r d o SOLIS.
September Anfang
Die Verhandlungen zwischen Panama und den USA über die gemeinsame Einrichtung eines internationalen Anti-Drogenzentrums (Centro Multilateral Antidrogas - CMA) auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Howard am Pazifikausgang des Kanals sind gescheitert. Nach monatelangen Gesprächen war es im Dezember 1997 zu einer ersten Vereinbarung gekommen, die im Juni diesen Jahres zu einem endgültigen Vertrag führen sollte. Panama besteht darauf, daß das Zentrum international besetzt und von einem zivilen Aufsichtsrat überwacht wird, damit es nicht als getarnte USMilitärbasis über das Jahr 2000 hinaus fungieren kann. Dieses wird zwar auch von den Unterhändlern der USA beteuert, aus unterrichteten USKreisen verlauten jedoch gegenteilige Informationen. Die USA verhandeln 265
Lateinamerika Jahrbuch 1999
nun mit Ländern wie Honduras, Peru, Ekuador über mögliche Stützpunkte für ein Anti-Drogenzentrum. Das Fehlschlagen der Verhandlungen um das CMA veranlaßt Außenminister Alberto ARIAS zum Rücktritt. Sein Nachfolger wird Jorge Eduardo RITTER, der auch das Ministerium für Kanalangelegenheiten leitet. Er war bereits unter NORIEGA für kurze Zeit Außenminister (1988-89). Die ersten Teilgesellschaften des IRHE werden verkauft. Ein spanisches Unternehmen erwirbt die Anteile zweier Verteilergesellschaften, die dritte geht an ein US-amerikanisches Konsortium. Die erzielte Kaufsumme von US$ 300 Mio. übersteigt die von der Regierung erwarteten Einnahmen um US$ 160 Mio. Mit diesen sollen nun soziale Projekte finanziert werden. Oktober 27.10.
Präsident PÉREZ BALLADARES gibt bekannt, daß die US-amerikanischen Arbeitskräfte in der Kanalzone nach Übergabe des Kanals Ende 1999 Lohneinbußen hinnehmen müssen. Bisher liegen ihre Löhne um durchschnittlich 15% über denen der Einheimischen. Ca. 7% der Arbeitnehmer sind US-Amerikaner. Dadurch sollen jährlich US$ 35 Mio. eingespart und in Bildungsprogramme investiert werden. Die Gesamteinnahmen für den Kanal betragen im Fiskaljahr 1998 (bis Ende September) US$ 545,7 Mio. Für die Präsidentschaftswahlen im Mai 1999 stellen die Parteien ihre Kandidaten auf. Die Regierungspartei PRD benennt den knapp 35jährigen Martin TORRIJOS ESPINO - Sohn des berühmten Generals Omar TORRIJOS, der Panama von 1968-81 regierte. Martin TORRIJOS zählt zum rechten Flügel der Partei und gilt als enger Mitarbeiter von PÉREZ BALLADARES. Der Partido Democrático Cristiano postuliert den Bankier Alberto VALLARINO als Präsidentschaftskandidaten. Für den Partido Amuifista tritt zum zweiten Mal Mireya Moscoso an.
Ende
November Anfang
Der über Mittelamerika ziehende Hurrikan „Mitch" verursacht in Panama vergleichsweise nur geringe Schäden. Lediglich die Kaffeewirtschaft ist stark betroffen; rd. 25% der Ernte gehen durch den Hurrikan verloren.
Dezember Ende
Die Parteienlandschaft gliedert sich für den Wahlkampf um die Präsidentschaft in drei große Blöcke auf. Je vier der zwölf eingeschriebenen Parteien bilden eine Koalition mit jeweils einem Präsidentschaftskandidaten: Nueva Nación (PRD, PLN, Solidaridad, Papa Egoró), Unión por Panamá (PA, MOLIRENA, MORENA, CD) und Acción Opositoria (PDC, PL, PRC, PNP). Laut Meinungsumfragen liegt Martin TORRIJOS in der Beliebtheitsskala an der Spitze, gefolgt von Mireya Moscoso und zuletzt Alberto VALLARINO.
Susanne Schmidt
266
Panama
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
PANAMA Ciudad de Panama 77.0S2 US-Dollar und Baiboa (nur Münzen)
Jahr 1980
1990
1996
1997
1,95 43,1 53 50,4 29.6 3,7 31.8 18,2 50,1
2,398 35 60,4 53,7 25,9 3 26 16 58
2,674 33 61,7 56 22 2,6
2,719 32,6 62,1 56,4 22,5
77 103 32 36 70,1 980 85,6
82 102,8 26,2 31 72,4 1000 88,8
103,4 22 25 74 830
21 25,7 74
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS} davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
3810 1660 3422 3394 -329 -341 -47 117
5313 2210 4438 4187 208 267 132 344
8244 3030 7426 7531 -73 696 330 866
8739 3080 8276 8581 -343 1135 1275 1148
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
44,9 17.6 28,1 37,5 9,6 21 11.8 69,5
56,9 18.1 16.8 25 10.5 16.2 10.5 73,3
52,6 15,4 29,1 32 8,2 18,4 9,4 73,4
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
2975 2271 488 256 6,2 1.1 13,8
6678 3988 345 224 6,2 8,1 0,8
6069 5136 901 491 10,1 2,5 1,3
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tirate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2030 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
4,36 2,1 1,8
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
91,1
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
34,5
6338 5074 1590 16,4 4,7 1,3
3,7 5,1 2,8
267
Lateinamerika Jahrbuch 1999
268
Haiti
Haiti Amtlicher Name: République d'Haïti Präsident: René GARCIA PRÊVAL Im Amt seit: 7. Februar 1996 Nächste Präsidentschaftswahlen: 2001 Regierungsbündnis: „Lavalas", das die Organisation du Peuple en Lutte (OPL) mit dem Mouvement pour L'Organisation du Pays (MOP) und dem Parti Louvri Baryé (PLB) zusammenfaßt. Kabinett (August 1999): Premierminister und Inneres: Jacques-Edouard ALEXIS; Außeres: Emmanuel Fritz LONGCHAMPS; Wirtschaft und Finanzen: Fred JOSEPH; Handel und Industrie: Gérald GERMAIN; Justiz: Camille LEBLANC; Bildung/Jugend/Sport: Paul Antoine BIEN-AIMÉ; Kultur: Jean-Robert VAVAL; Soziales: Mathilde FLAMBERT; Gesundheit: Michaèlle Amédée GÉDÊON; Landwirtschaft: François SÉVÉRIN: öffentliche (Bau)Arbeiten/ Transport/Kommunikation: Serge RAPHAEL; Planung und internationale Kooperation: Anthony DESSOURCES; Frauenfragen: Nonie MATHIEU; Umwelt: Yves CADET; Haitianer in Übersee: Jean GÉNÉUS. Oppositionsparteien im Parlament: Front National pour le Changement et la Démocratie (FNCD); Congrès National des Mouvements Démocratiques (KONAKOM); Mouvement Koumbite National (MKN); Parti National Progressiste Révolutionnaire (PANPRA); Rassemblement des Démocrates Chrétiens (RDCH). Sitzverteilung im Parlament seit den Wahlen vom 9.4.1997 (Endauszählung 25.5.1997): Abgeordnetenhaus (83 Sitze): OPL: 68; FNCD: 2; KONAKOM: 1; MKN. 1; PANPRA: 1; RDCH: 1; Sonstige: 9. Senat (27 Sitze): OPL: 17; FNCD: 1; KONAKOM: 1; RDCH: 1; Sonstige: 7. Das Abgeordnetenhaus wurde am 11. Januar 1999 aufgelöst. Präsident PRÉVAL regiert seitdem per Dekret.
Chronologie 1998 Das Berichtsjahr war von großen politischen Turbulenzen sowie einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Landes gekennzeichnet. Die politischeKrise, die bereits die zweite Hälfte des Jahres 1997 dominiert hatte, stand auch 1998 im Vordergrund des Geschehens. Das Gerangel im Parlament sowie im Oberhaus um die diversen Kandidaten für das Amt des Premierministers war symptomatischfür die derzeitige politische Handlungsunfähigkeit, deren Ursachen in den Auseinardersetzungen zwischen der von Jean-Bertrand ARISTIDE geführten La Fanini Lavaas und der Regierungspartei OPL (Organisation du Peuple en Lutte) zu suchen sind. De mit den Querelen in Parlament und Senat verbundene allgemeine Unzufriedenheit über die politische Klasse sowie die weiterhin katastrophale wirtschaftliche Lagefür die Mehrheit der Bevölkerung führte zu einer Zunahme an sozialen Unruhen und Demonstrationen in verschiedenen Orten des Landes. Während dieser Protestverarstaltungen kam es wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischei Demonstranten und den Einsatzkräften speziell ausgebildeter Polizeieinhei269
Lateinamerika Jahrbuch 1999
ten. Bei diesen Einheiten, die in erster Linie von den Vereinigten Staaten ausgebildet und ausgerüstet wurden, handelt es sich einerseits um die CIMO (Compagnie d'Intervention
et de Maintien
de l'Ordre) und andererseits um die sogenannte Grou-
pe d'Intervention. Nach Angaben der Zivilen Beobachtermission der Vereinten Nationen in Haiti (MICIVIH) zeichneten diese Einheiten für insgesamt 13 Todesfälle im Verlauf der ersten fünf Monate des Jahres 1998 verantwortlich. In weiteren 150 Fällen wurde von übermäßiger Gewaltanwendung seitens der Sicherheitskräfte berichtet. Das Justizsystem des haitianischen Staates ist auch weiterhin nicht in der Lage, diese und andere Menschenrechtsverletzungen in angemessener Art und Weise zu ahnden. Januar 29.1.
Haitianische Sicherheitskräfte verhaften einen der Verantwortlichen für das Massaker von Jean Rabel, bei dem im Jahre 1987 mindestens 140 Bauern umgebracht worden waren. Remy LUCAS, Angehöriger einer reichen Familie mit großem Landbesitz in der Region, war bereits 1990 verhaftet worden, gelangte jedoch nach dem Militärputsch 1991 wieder auf freien Fuß.
Februar 1.2.
4.2.
6.2.
10.2.
24.2.
Der Leiter des Sicherheitsdienstes der Aristide Foundation
for
Democracy,
Jean-Baptiste BOCENET, wird auf offener Straße erschossen. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird in Port-au-Prince der bekannte haitianische Musiker Jean GESNER HENRY, genannt Koupe Kloue, beerdigt. Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und örtlichen Polizeieinheiten kommen in Mirebalais zwei Menschen ums Leben. Die Demonstranten, bei denen es sich um Mitglieder einer Bürgerwehr gehandelt haben soll, hatten vor der Polizeistation gegen eine Verhaftung protestiert. Die Regierung der Dominikanischen Republik kündigt an, verstärkt gegen illegale Einwanderer aus Haiti in den nördlichen Regionen des Landes vorgehen zu wollen. Durch einen tragischen Unfall kommen während eines Karnevalsumzuges in Port-au-Prince sechs Menschen ums Leben. Mindestens 30 weitere erleiden schwere Verletzungen, als ein außer Kontrolle geratener Festwagen direkt in die dicht gedrängt am Straßenrand stehende Menschenmasse fährt.
März 2.3.
270
Die haitianische Regierung bittet Panama offiziell um die Auslieferung von General Raoul C£DRAS, der dort seit 1994 im Exil lebt. Der ehemalige Oberbefehlshaber der haitianischen Armee hatte im Jahre 1991 den
Haiti
Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand ARISTIDE angezettelt. In Haiti erwartet CÉDRAS ein Gerichtsverfahren wegen Totschlags, Folter und illegaler Verhaftungen. Aus Protest gegen die Politik der Regierung unter Präsident René PRÉVAL besetzen Mitglieder der Organisation Mouvement Résistance National (MORENA) die Nationalstraße Nr.1 zwischen Gonaives und l'Estere. Die haitianische Zollbehörde beschlagnahmt 405 kg reines Kokain auf dem internationalen Flughafen in Port-au-Prince. 22.3.
Präsident PRÉVAL nominiert Herve DENIS, der im Vorjahr bereits einmal an der fehlenden Zustimmung des Parlaments gescheitert war, für das Amt des Premierministers.
April 5.4.
Die US-amerikanische Außenministerin Madeleine ALBRIGHT trifft zu einem eintägigen Besuch in Haiti ein.
5.4.
Ein Sonderkommando der haitianischen Polizei stürmt ein autonomes Frauen-Gesundheitszentrum in Port-au-Prince. Nach Angaben der Betreiberinnen des Zentrums entsteht bei dem Einsatz ein Sachschaden von mehr als US$ 250.000. Die Polizei gibt als Begründung für das Vorgehen den Verdacht auf Waffenschmuggel an.
7.4.
Das haitianische Unterhaus bestätigt die Nominierung von Herve DENIS für das seit Juni 1997 vakante Amt des Premierministers.
9.4.
Panama lehnt den von der haitianischen Regierung gestellten Auslieferungsantrag für General Raoul CSDRAS ab.
15.4.
Der haitianische Senat verweigert seine Zustimmung zur Nominierung von Herve DENIS für das Amt des Premierministers.
23.4.
Trotz der zahlreichen internationalen Hilfsleistungen leben nach Angaben der Weltbank noch immer 80% der haitianischen Bevölkerung in absoluter Armut. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von US$ 250 ist auch weiterhin das niedrigste in der gesamten westlichen Hemisphäre und eines der geringsten in der Welt. Mehr als 50% der Bevölkerung sind Analphabeten, und die jährliche Landflucht von rund 13.000 Haitianerinnen und Haitianern in die Hauptstadt Port-au-Prince sorgt hier für ein problematisches überdurchschnittliches Anwachsen der Stadtbevölkerung.
Mai 5.5.
Das US-amerikanische International Republican Institute gibt die Gründung der Conférence Haitien des Parties Politiques (CHPP) bekannt, ein Zusammenschluß von insgesamt 26 „oppositionellen" Parteien. Ein großer Teil dieser Parteien ist dem extremen rechten Lager zuzuordnen, in dem sich die Befürworter des Putsches von 1991, die alten Recken der DuvALiER-Diktatur sowie deren neuere Ableger tummeln. Zu den weiteren Mitgliedern gehören auch die politischen Organisationen von Leslie 271
Lateinamerika Jahrbuch 1999
MANIGAT (ehemaliger Präsident), Marc BAZIN (ehemaliger Premierminister), Serge GILLES oder dem bekannten ehemaligen Bürgermeister von Port-au-Prince, EVANS.
15.5.
Die zivile Beobachtermission der Vereinten Nationen in Haiti (MICIVIH) unterstützt offiziell die Bemühungen der haitianischen Regierung um eine Rückführung von hochrangigen ehemaligen Offizieren der Armee. Diese sollen für die von ihnen zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur von 1991 bis 1994 vor Gericht gestellt werden.
Juni 3.6.
Nach 22 Monaten kehrt der Vorsitzende der Partei Mobilisation pour le Développement National (MDN), Hubert DE RONCERAY, nach Haiti zurück. Er hatte das Land verlassen, nachdem die Sicherheitsbehörden einen Haftbefehl gegen ihn erlassen hatten. Ihm sowie dem ehemaligen Diktator General Prosper AVRIL werden die Beteiligung an Plänen zum Sturz der Regierung zur Last gelegt. Scheinbar unbehelligt konnte er nunmehr seine Absicht verkünden, bei den nächsten Parlamentswahlen wieder zu kandidieren.
Anfang
Nach offiziellen Angaben werden im Verlauf des Monats etwa 150 illegal auf den Bahamas lebende Haitianer nach Haiti zurückgeführt.
8.6.
Im Zuge eines internationalen Kolloquiums zum Thema „Globalisierung und Umweltschutz" in Port-au-Prince fordern verschiedene haitianische Umweltschutzorganisationen sowie andere Vertreter und Vertreterinnen der Zivilgesellschaft die Regierung auf, mit Hilfe eines Entwicklungsplanes der massiven Verschwendung der natürlichen Ressourcen des Landes ein Ende zu setzen und die Probleme der Armut, der Bildung und des Gesundheitssystems in den Mittelpunkt ihres politischen Handelns zu stellen. Gleichzeitig fordern sie eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen des Umweltskandals in Gonaives, bei dem vor zehn Jahren toxische Abfälle vor der Küste der Stadt verklappt wurden.
9.6.
Um einen möglichst ungestörten Empfang der Übertragungen von der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich zu ermöglichen, kündigt das staatliche Stromversorgungsunternehmen EDH eine Erhöhung der täglichen Megawattleistung in Port-au-Prince während der Weltmeisterschaft an. Um das instabile Stromnetz der Stadt nicht zu überfordern, sollen während des Empfangs andere elektrische Geräte, wie beispielsweise Kühlschränke oder Klimaanlagen, abgeschaltet werden.
19.6.
Zum ersten Mal seit 60 Jahren besucht ein Staatsoberhaupt der benachbarten Dominikanischen Republik offiziell Haiti. Insgesamt werden vier Abkommen unterzeichnet, die für verbesserte Regelungen in den Bereichen Tourismus, kultureller Austausch und Grenzabgaben sowie in den Postverbindungen zwischen den beiden Staaten sorgen sollen.
Ende
Nach Angaben des United Nations Fund for Population wächst die Bevölkerung Haitis derzeit um 1,2% pro Jahr. Ohne eine Kontrolle des Wachs-
272
Haiti
tums wird die Bevölkerung bis zum Jahr 2040 auf 20 Millionen anwachsen. Juli 15.7.
Präsident PRGVAL nominiert den Erziehungsminister Jacques-Edouard ALEXIS für das Amt des Premierministers.
Mitte
Präsident PR£VAL sowie die Mehrheitsfraktion der OPL im Parlament verständigen sich über die Notwendigkeit zur Einsetzung eines neuen Wahlausschusses, der möglichst schnell neue Parlaments- und Kommunalwahlen vorbereiten soll.
August 3.8. 4.8.
Der katholische Priester Jean PIERRE-LOUIS wird in Port-au-Prince auf offener Straße erschossen. Nach offiziellen Ankündigungen werden insgesamt 315 Polizisten, denen Drogenschmuggel, Korruption und Menschenrechtsverletzungen angelastet werden, aus dem Dienst entlassen.
September I.9. II.9.
Bei einem bewaffneten Überfall in einem Vorort von Port-au-Prince wird ein Mitglied der Präsidentengarde des Nationalpalastes erschossen. Anläßlich einer Gedenkveranstaltung zum 10. Jahrestag des Massakers in der Kirche St. Jean Bosco, bei dem 20 Menschen starben und weitere 80 Personen schwer verletzt wurden, ruft der Dachverband der haitianischen Menschenrechtsorganisationen zu einer konsequenteren strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen für dieses und andere Verbrechen auf.
14.9.
Vor der Küste Floridas werden mehrere 100 haitianische boat-people von der US-amerikanischen Küstenwache aufgegriffen. In Reaktion auf Äußerungen des US-amerikanischen Botschafters in Portau-Prince, Timothy CARNEY, unterstreicht Außenminister Fritz LONGCHAMPS in einem Radiointerview die Zugehörigkeit der einige Kilometer vor der haitianischen Westküste gelegenen Insel Navassa zum haitianischen Staatsgebiet. Seit über 100 Jahren machen die Vereinigten Staaten in unregelmäßigen Abständen Besitzansprüche geltend, hauptsächlich um den reichhaltigen Vogeldung auf der unbewohnten Insel abbauen zu können.
22.9.
Der tropische Wirbelsturm Georges hinterläßt auf seinem Weg durch die Staaten der Karibik eine Spur der Venwüstung. In Haiti kommen nach offiziellen Angaben mindestens 180 Menschen ums Leben; etwa 200.000 Menschen werden obdachlos. Der geschätzte Gesamtschaden beläuft sich auf US$ 200 Mio.
273
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Oktober 1.10.
Nach offiziellen Angaben hat der Wirbelsturm Georges unter den haitianischen Arbeitern auf Zuckerrohrplantagen in der Dominikanischen Republik mindestens 82 Menschenleben gefordert.
Anfang
Die US-amerikanische Küstenwache greift in der ersten Oktoberwoche mindestens 462 haitianische Flüchtlinge in Booten auf und bringt sie zurück nach Port-au-Prince. Auch kubanische Marineeinheiten fangen 600 Menschen ab, von denen rund die Hälfte umgehend nach Haiti rückgeführt wird. Insgesamt wurden nach Angaben der nationalen Migrationsbehörde seit Januar 1998 6.000 Haitianer und Haitianerinnen repatriiert.
15.10.
Zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft rufen zu Demonstrationen anläßlich des vierten Jahrestages der Rückkehr zur konstitutionellen Ordnung auf. Die Mitglieder der Regierung sowie die Abgeordneten des Parlaments werden aufgefordert, die politische Krise des Landes, ausgelöst durch den Rücktritt des Premierministers Rosny SMARTH im Juni 1997 und die sich anschließende Verweigerungshaltung des Parlaments, endlich zu beenden und sich den drängenden sozio-ökonomischen Problemen des Landes zu widmen. Während einer Demonstration vor dem Parlament in Port-au-Prince werden Parlamentarier und Parlamentarierinnen von Demonstranten daran gehindert, das Gebäude zu betreten. Mehrere tausend Anhänger der Organisation Fanmi Lavalas bereiten ihrem Vorsitzenden Jean-Bertrand ARISTIDE bei seiner Rückkehr von einer einwöchigen Europareise einen frenetisch bejubelten Empfang vor dem internationalen Flughafen in Port-au-Prince.
20.10.
Die für den November geplanten Parlaments- und Kommunalwahlen werden aufgrund der politischen Krise auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.
November 25.11.
Der UN-Sicherheitsrat verlängert das Mandat der internationalen Polizeieinheit in Haiti (MIPONUH) um ein weiteres Jahr. Die Aufgabe der Polizeimission besteht in der Ausbildung der 1994 reformierten nationalen Polizei des Landes.
26.11.
Nach Protestaktionen von Schülerinnen und Schülern in dem nordhaitianischen Ort Plaisance kommt es zu direkten Auseinandersetzungen mit der örtlichen Polizei. Mit Straßenblockaden hatten die Jugendlichen die lokale Verwaltung unter Druck setzten wollen, um so die dringend notwendige Instandsetzung ihrer Schule herbeizuführen. In den darauffolgenden Tagen kommt es wiederholt zu Übergriffen der Polizei auf Bewohner des Ortes. Dabei gibt es mindestens fünf Schwerverletzte.
Ende
Zum Abschluß einer Rundreise durch Zentralamerika und die Karibik besucht Hillary CLINTON, Ehefrau des US-amerikanischen Präsidenten Bill CLINTON, Haiti. Sie trifft mit Präsident René PRÉVAL zusammen und be-
274
Haiti
sucht einige Teile des Landes, die besonders schwer von den Auswirkungen des Wirbelsturms Georges betroffen sind. Dezember 6.12.
Mit deutlichen Worten macht Präsident René PRÉVAL vor einer Bauernversammlung in Kenscoff auf die prekäre Situation des Landes aufmerksam. Dabei verurteilt er sowohl die extreme Ungleichverteilung des Reichtums in Haiti als auch das ambivalente Verhalten der Geberländer, die - so PRÉVAL - nur an einer Ausbeutung des Landes interessiert seien.
9.12.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen beschließt die Verlängerung des Mandates für die zivile Beobachtermission MICIVIH bis zum Ende des Jahres 1999. Zugleich fordert sie die haitianische Regierung eindringlich auf, der seit 18 Monaten anhaltenden politischen Krise im Lande ein Ende zu setzen.
16.12.
Auf einer Versammlung seiner Organisation Fanmi Lavalas verkündet der ehemalige Präsident Jean-Bertrand ARISTIDE seinen festen Willen, mit den Wahlen im Dezember 2000 an die Macht zurückzukehren.
Mitte
Das haitianische Parlament sowie der Senat stimmen der Nominierung von Jacques Edouard ALEXIS für das Amt des Premierministers zu. Nach Aussagen der Beratergruppe Groupe Cnoissance verzeichnet Haiti für das Jahr 1998 ein Wirtschaftswachstum von 3%. Die Inflationsrate fiel unter die 10-Prozent-Marke. Derartige makroökonomische Veränderungen, die auf die strikte Strukturanpassungspolitik der Regierung PRÉVAL zurückzuführen sind, hätten jedoch noch keine positiven Auswirkungen auf die katastrophale wirtschaftlichen Situation der haitianischen Bevölkerungsmehrheit gezeitigt.
30.12.
Astrid Nissen
275
Lateinamenka Jahrtuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
Port au Prince 27.750 Gourde
HAITI Jahr 1980
1990
1996
1997
5,353 42 54,2 23,7 36,7 5.9 70 8.2 21,8
6,473 38,8 57,4 28,8 35,8 5,1 67,8 9 23,2
7,336 40,2 54,8 32,4 32 4,3
7,492 41,7 54,7 33 31,9 4,4
12 96 122,8 200 51 7180 30,9
41 74,5 85,5 130 53,1 7143 39,3
72 130 55
71,1 125 53,7
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt p r o Kopf (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
1462 270 306 481 -101 66 13 26.7
2981 410 318 515 -22 29 8 10.2
2959 360 192 782 -46 76 4 115
2815 380 218 809 -60 60 4 82,8
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
81,9 10 16,9 8.1 34 27
102,1 6,3 9,5 -8,4 31.4 18,7 9 49,9
97,4 7,1 10,2 -4,5 30,3 19,7
39
93,4 7.7 12,2 -1.1 33 21,8 15,7 45
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: ö f f e n t l i c h e Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
302 242 25,7 7,6 6,2 7,6 17,8
889 751 32,9 14,7 10.1 -0,1 21.3
897 836 26,6 13,1 13,9 2,7 20,6
1057 897 34,7
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate FertiliUtsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2030 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in *>) 1980-90: 1990-97:
17,52 1,9 2,1
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 5 Jahre) Lebenserwartung bei der G e b u r t (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
45,8
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
276
-0,3 -3,4 25,3
50
15,9 1,1 20,6
Kuba
Kuba Amtlicher Name: Präsident: Im Amt seit: Regierung:
Repüblica de Cuba Fidel CASTRO RUZ 1959 Paitido Comunista de Cuba (PCC) - Politbüro
Kabinett: Äußeres: Felipe PÉREZ ROQUE; Inneres: Abelardo COLOMÉ (BARRA; Justiz: Roberto DIAZ SOTOLONGO; Wirtschaft und Planung: José Luis RODRÍGUEZ GARCÍA; Außenhandel: Ricardo CABRISAS RUIZ; Auslandsinvestitionen: Ibrahim FERRAOAZ GARCIA; Finanzen- Manuel MILLARES RODRÍGUEZ; Arbeit und Soziales: Salvador VALDÉS MESA; Bildung Luis I. GÓMEZ GUTIÉRREZ; Landwirtschaft: Alfredo JORDAN MORALES; Zuckerwirtschaft: UHses ROSALES OEL TORO; Kultur: Abel PRIETO; Tourismus: Osmany CIENFUEGOS GORRIARAN; Verantwortlicher für Wirtschaftsfragen im Politbüro (mit zentralen politischen Voltmachten): Carlos LAGE DAVILA. Parlament. Asamblea Nacional del Poder Popular (601 Sitze). Letzte Wahl des Parlaments am 11 Januar 1998.
Chronologie 1998 Politisch war das Jahr 1998 in Kuba dominiert von dem fünftägigen Besuch von Papst JOHANNES PAUL II. Im Januar. Die Visite des Papstes fand nicht nur international ein enormes Medienecho, sondern wurde auch in Kuba zu einem Massenereignis, das Hunderttausende auf die Straße brachte - und das, obwohl der Katholizismus in Kuba nie Volksreligion war und die katholische Kirche in den 39 Jahren seit der Revolution starker Diskriminierung ausgesetzt war. Der Papst kritisierte offen die staatliche Bildungs- und Familienpolitik und forderte darüber hinaus mehr politische Freiheiten in Kuba, aber auch ein Ende des US-Embargos. Die kubanische Regierung verbuchte den Papstbesuch als Erfolg; es wäre nicht zu größeren regierungsfeindlichen Kundgebungen gekommen, vielmehr hätte der Besuch die Aussöhnung des Staates mit der Kirche unterstrichen - und international hätte der Papstbesuch die Isolierung der US-amerikanischen Kuba-Politik gezeigt. Auch Regimegegner zogen ein positives Fazit, da der Papst (sowie einige der kubanischen Bischöfe) wie nie zuvor ein öffentliches Forum hatte, um ihre der kommunistischen Herrschaft offen widersprechende Botschaft zu vermitteln - und dafür vom Volk begeistert gefeiert worden wären. Es gilt als sicher, daß die katholische Kirche in Kuba durch den Papstbesuch enorm an Akzeptanz sowohl durch die Regierung als auch durch das Volk gewonnen hat und zu einer zentralen Institution des Landes avanciert ist. Die Öffnung gegenüber der Kirche und die dem Papst zugesagte Freilassung von rund 200 Gefangenen gingen jedoch keineswegs mit einer allgemeinen politischen Liberalisierungstendenz einher. Die nach den Wahlen vom Januar neu zusammengesetzte Nationalversammlung beschwor die Kontinuität und bestätigte Fidel CASTRO und weitere Schlüsselfiguren in ihren Ämtern. Nur einen Monat nach dem Papstbesuch lancierte CASTRO dann eine fulminante Attacke gegen den berühmtesten Filmemacher Kubas, den im Vorjahr verstorbenen Tomás GUTIÉRREZ ALEA, und schokkierte damit die Kulturwelt der Insel. Das Jahr 1998 war Insgesamt weniger durch
277
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Öffnung als eher durch eine Verhärtung der innenpolitischen Situation gekennzeichnet. Auch die Kuba-Politik der USA erlebte infolge des Papstbesuchs nur begrenzte Modifikationen. So wurden die Embargobestimmungen für Medikamentenlieferungen und Geldsendungen von Exilkubanern gelockert. Trotz breiter Kritik blieb die bisherige Konfrontations- und Embargopolitik jedoch Leitlinie Washingtons. Der internationale Konflikt um das sogenannte „Helms-Burton-Gesetz" wurde zum einen durch die wiederholte Aussetzung des Kapitels III (Klagerecht für Alteigentümer in den USA) in Grenzen gehalten, zum anderen einigten sich die USA und die Europäische Union auf einen modus vivendi, demzufolge Firmen aus EU-Staaten weitgehend von den extraterritorialen Ansprüchen des US-Gesetzes ausgenommen werden. Entgegen den höheren ursprünglichen Prognosen wurde 1998 ein Wachstum von gerade noch 1,2% erzielt. Zwar setzte sich der Boom der Tourismusindustrie fort, und die Überweisungen von Auslandskubanem wurden zu einer der wichtigsten nach manchen Schätzungen sogar der wichtigsten - Devisenquelle des Landes. Doch der Sturz der Zuckerproduktion auf nur 3,2 Mio. t, der Fall der Weltmarktpreise für Zucker und Nickel, der fortdauernde Devisenengpaß sowie die Schäden durch Dürre und durch den Hurrikan Georges waren gravierende Negativfaktoren. Hinzu kam, daß die Wirtschaftspolitik 1998 zwar die Dollarisierung der Ökonomie und die Außenöffnung weiter vorantrieb, Reformen in der Binnenwirtschaft jedoch bremste und teilweise wieder zurücknahm. Insbesondere die 1993 legalisierte „Arbeit auf eigene Rechnung" wurde als ideologisch bedenklich bezeichnet und mit einer Reihe weiterer Einschränkungen versehen. Januar 11.1.
Die Wahlen zur Nationalversammlung - dem kubanischen Parlament ergeben nach offiziellen Angaben eine 95%ige Zustimmung für die offizielle Einheitsliste. 13.1. Im Vorfeld des Papstbesuchs kann Kubas katholischer Kardinal Jaime ORTEGA eine halbstündige Fernsehansprache an das Volk halten. Seit der Revolution 1959 hatte es keine derartige Öffnung staatlicher Medien für die Kirche gegeben. 18.1. US-Präsident CLINTON macht zum vierten Mal von seinem Recht Gebrauch, den international umstrittenen Artikel III (Klagerecht für Alteigentümer in den USA) des Helms-Burton-Gesetzes für weitere sechs Monate auszusetzen. 21.-25.1. Der fünftägige Kubabesuch von Papst JOHANNES PAUL II. wird zum Massenereignis. Die Messen werden vom staatlichen Fernsehen übertragen, Hunderttausende von Kubanern nehmen live an ihnen teil. Von Fidel CASTRO wird JOHANNES PAUL II. mit allen Ehren empfangen. Der Papst setzt sich für größere Freiräume für die Kirche ein und kritisiert insbesondere die staatliche kubanische Bildungs- und Familienpolitik. Darüber hinaus spricht er sich -wenn auch in vorsichtiger Sprache - für die individuellen Menschenrechte und eine politische Öffnung in Kuba aus (das ständig wiederholte, zentrale Wort seiner Messe in Havanna ist „Libertad"). Unter Ausschluß der Öffentlichkeit überreicht er CASTRO ein Gnadengesuch für 278
Kuba
rund 300 Gefangene. Daneben verurteilt JOHANNES PAUL II. aber auch den Kapitalismus neoliberaler Prägung und kritisiert direkt die US-Politik, indem er ein Ende des Embargos fordert. „Kuba möge sich der Welt öffnen, und die Welt möge sich Kuba öffnen", so der Papst. Große Aufmerksamkeit findet zudem die Ansprache des Erzbischofs von Santiago de Cuba, Meurice ESTIU, bei der dortigen Messe. In harten und offenen Worten kritisiert er die KP-Herrschaft: Einige hätten „das Vaterland mit einer Partei, die Nation mit einem historischen Prozeß der letzten Jahrzehnte und die Kultur mit einer Ideologie verwechselt"; das Volk müsse „lernen, die falschen Messianismen zu entlarven". Live vom Fernsehen übertragen (zudem im Beisein von Raül CASTRO und anderen Politbüromitgliedern) ist eine derartige Kritik am politischen System ohne Beispiel im sozialistischen Kuba. 27.1.
Kuba und Guatemala nehmen wieder diplomatische Beziehungen auf.
Februar 12.2.
Die kubanische Regierung kündigt die Freilassung von mehr als 200 Gefangenen als Reaktion auf die Gnadengesuche des Papstes an. Es ist dies die größte Amnestie in Kuba seit 1979. Unter den Freigelassen befinden sich auch zahlreiche aus politischen Gründen Inhaftierte. Für 22 von ihnen ist die Freilassung mit der Auflage verbunden, anschließend ins Exil zu gehen. Die im Vorjahr verhafteten Führer der „Arbeitsgruppe der internen Dissidenz" um Vladimiro ROCA bleiben inhaftiert.
24.2.
Fidel CASTRO wird von der kubanischen Nationalversammlung für weitere fünf Jahre zum Staatspräsidenten gewählt. Bestätigt werden auch der Wirtschaftsbevollmächtigte Carlos LAGE als einer der Vizepräsidenten des Landes sowie Ricardo ALARCÓN als Präsident der Nationalversammlung. Neu in den Staatsrat gewählt wird Wirtschaftsminister José Luis RODRÍGUEZ.
CASTRO greift im Laufe seiner anschließenden siebenstündigen Rede massiv den Spielfilm „Guantanamera" als „konterrevolutionäres Filmchen" an, was Kubas Kultuiwelt schwer schockiert. Die bereits vor über einem Jahr in Kubas Kinos gezeigte Komödie war der letzte Film des bedeutendsten kubanischen Filmemachers Tomás GUTIÉRREZ ALEA, der als Aushängeschild für die Möglichkeit einer kritischen Position innerhalb der kubanischen Revolution stand. Er war im Jahr zuvor an Krebs gestorben und im Beisein von Politbüromitgliedern mit allen Ehren beigesetzt worden. 26.2.
Kuba präsentiert ein Ersuchen um Beobachterstatus bei den Verhandlungen über die Zukunft des Lomé-Abkommens zwischen der EU und den sogenannten AKP-Staaten (mehrheitlich ehemalige europäische Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum) im September.
279
Lateinamerika Jahrbuch 1999
März 4.-6.3. 12.3.
20.3.
Im mexikanischen Cancün findet ein bilateraler „Unternehmergipfel" zwischen US-amerikanischen und para-staatlichen kubanischen Firmen statt. Der langjährige Leiter der Lateinamerika-Abteilung der kubanischen KP, Manuel PIKIEIRO LOSADA, stirbt 64jährig bei einem Autounfall. PIREIRO war von 1974-1992 der zentrale Verantwortliche der kubanischen Regierung für die Beziehungen zu den Guerillabewegungen auf dem Kontinent. Unter anderem war er 1978 maßgeblich an der Wiedervereinigung der in drei Fraktionen gespaltenen Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) in Nikaragua beteiligt gewesen, was ein Jahr später den Sturz der SOMOZADiktatur möglich gemacht hatte. Die US-Regierung gibt eine Reihe von Erleichterungen in den Beziehungen zu Kuba bekannt. Erlaubt wird unter anderem die Sendung von Medikamenten sowie Geldübenweisungen bis zu US$ 1.200 pro Jahr an Verwandte. Humanitäre Hilfe aus den USA soll, vermittelt über die Kirche oder andere Nichtregierungsorganisationen, wieder aufgenommen werden; für humanitäre Ziele werden auch Direktflüge wieder zugelassen. Damit nimmt die US-Regierung weitgehend jene Sanktionsmaßnahmen zurück, die sie infolge der „Flugzeugkrise" vom 24. Februar 1996 verhängt hatte. Sie begründete diese Maßnahmen ausdrücklich mit den humanitären Bitten des Papstes. Der Kubasonderberichterstatter der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, Carl Johan GROTH, kritisiert in seinem Bericht die kubanische Regierung wegen der Verletzung von Menschenrechten, aber auch die Embargopolitik der USA.
April 2.4.
Spanien ernennt als neuen spanischen Botschafter in Kuba Eduardo JUNCO BONET. Mit dessen Amtsantritt und Empfang durch Fidel CASTRO am 29. April endet eine anderthalb Jahre andauernde diplomatische Krise. Ausgelöst worden war diese, als Kuba im November 1996 dem damaligen spanischen Botschafter, José CODERCH, die Akkreditierung entzogen hatte. 18.-19.4. Auf dem „Zweiten Gipfel der Amerikas" in Santiago de Chile sprechen sich insbesondere Kanada, Mexiko und Brasilien gegen die Isolationspolitik Washingtons gegenüber Kuba aus. Kuba ist das einzige Land der Hemisphäre, das von den Gipfeltreffen ausgeschlossen ist. 21.4. In der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen findet erstmals seit sieben Jahren die alljährlich von den USA eingebrachte Verurteilung Kubas wegen Menschenrechtsverietzungen keine Mehrheit. Die Frist läuft ab, innerhalb derer die EU ihre Klage vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die USA wegen der extraterritorialen Aspekte des Helms-Burton-Gesetzes hätten erneuern müssen.
280
Kuba
23.4.
Im US-Kongreß lancieren kubano-amerikanische Abgeordnete eine Gesetzesinitiative, die eine direkte Unterstützung der internen kubanischen Opposition durch die US-Regierung verlangt.
26.-28.4. Der Besuch des kanadischen Premierminister Jean CHRÉTIEN in Kuba unterstreicht die große Bedeutung Kanadas als Handelspartner sowie als politischer Dialogpartner der kubanischen Regierung. CHRÉTIEN übergibt Fidel CASTRO eine Liste mit Namen von politischen Gefangenen, von denen die kubanische Regierung einige wenige Tage später (am 4. Mai) ins Exil nach Kanada entläßt. 28.4.
Der US-Senat beschließt das Einfrieren von Hilfsleistungen an Staaten, die am Weiterbau des kubanischen Atomkraftwerks Juraguä beteiligt sind. Diese Maßnahme betrifft vor allem Rußland.
Mai 5./6.5.
Die AKP-Staaten beschließen bei ihrem Treffen in Barbados, Kuba als Beobachter in die Lom6-Verhandlungen aufzunehmen.
15.5.
Eine begrenzte Lockerung des US-Embargos für die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten nach Kuba tritt offiziell in Kraft.
Mitte
Die Zuckerrohrernte, traditionelles Rückgrat der Ökonomie der Insel, verzeichnet mit 3,2 Mio. t einen Rückgang um 24% gegenüber dem Vorjahr.
18.5.
Die USA und die EU einigen sich auf ein Abkommen über das HelmsBurton-Gesetz, demzufolge Firmen aus EU-Staaten weitgehend von dessen extraterritorialen Ansprüchen ausgenommen werden. Die USRegierung akzeptiert sämtliche bislang von EU-Unternehmen in Kuba getätigten Investitionen (und nimmt damit die rückwärtige Wirkung des Gesetzes zurück); sie verspricht ferner, sich im Kongreß für eine Aussetzung der strittigen Kapitel III und IV für die europäischen Staaten einzusetzen. Im Gegenzug sagt die EU zu, im Rahmen des Multilateralen Investitionsabkommens weltweit gegen Investitionen in enteigneten Besitz vorgehen zu wollen. Darüber hinaus wird die EU Listen mit USamerikanischen Eigentumsansprüchen auf Kuba verteilen, die nicht nur jene 5.911 Titel umfaßt, die zum Zeitpunkt der Enteignung tatsächlich USamerikanisch waren, sondern auch die ungleich größere Zahl der von der Revolution enteigneten Kubaner, die erst danach in die USA ins Exil gingen und später die US-Staatsbürgerschaft annahmen. Damit akzeptiert die EU implizit einen der politisch gravierendsten und juristisch fragwürdigsten Punkte des Helms-Burton-Gesetzes.
Juni 1.-2.6.
Auf der Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten in Caracas wird ein Antrag Mexikos abgelehnt, die OAS-Mitgliedschaft Kubas wieder herzustellen.
281
Lateinamerika Jahrbuch 1999
11.6.
29.6.
Erstmals seit rund zwei Jahren findet ein Direktflug mit humanitären Hilfsgütern aus den USA nach Kuba statt. Organisiert worden war der Flug von der katholischen Kirche Floridas. Kuba wird von der EU als Beobachter an den Neuverhandlungen des Lom6-Abkommens zugelassen.
Juli Mitte
US-Präsident CLINTON setzt Artikel III des Helms-Burton-Gesetzes für ein weiteres halbes Jahr aus.
22.7.
Fidel CASTRO fordert vor der Nationalversammlung weitere Einschränkungen gegen selbständig Wirtschaftende in Kuba. In der Folge werden eine Reihe von Regeln erlassen, die die Möglichkeiten der rund 200.000 legal „auf eigene Rechnung Arbeitenden" weiter beschneiden (und in der Folge zu einem spürbaren Rückgang der Zahl der Lizensierten führen).
Ende
Bei seinem Staatsbesuch in der Karibik reist Fidel CASTRO neben Jamaika und Barbados auch nach Grenada. Der offizielle Empfang durch die Regierung Grenadas setzt einen symbolischen Schlußstrich unter den „Kalten Krieg" in der Karibik. In Grenada war es zu der einzigen militärischen Konfrontation zwischen regulären kubanischen und US-amerikanischen Truppen seit der Revolution gekommen, als die USA 1983 mit einer Invasion die linke Regierung Grenadas stürzten. Als „internationalistische Helfer" waren damals kubanische Bauarbeiter und Soldaten unter anderem mit dem Ausbau des Flughafens der Insel beschäftigt gewesen. Als sie Widerstand gegen die US-Invasion leisteten, waren mehrere von ihnen ums Leben gekommen.
August Mitte
Ein Dekret zur Erhöhung der Produktivität und Eigenständigkeit der kubanischen Staatsunternehmen wird erlassen, das an Erfahrungen in den Unternehmen der Armee ansetzt. Demzufolge werden u.a. die Löhne weiter ausdifferenziert und direkter an das Unternehmensergebnis gekoppelt. Zunächst wird dieses Dekret als Testlauf nur in 95 Unternehmen Anwendung finden. 20.-22.8. Fidel CASTRO nimmt am Gipfeltreffen der Staatschefs der Karibik in der Dominikanischen Republik teil. 22.8.
Chile und Kuba unterzeichnen ein Abkommen zur Förderung des bilateralen Handels, das zahlreiche Produkte von allen Zöllen befreit.
September Anfang
282
Im Osten Kubas herrscht die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Angesichts der Notlage ruft das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zu Nahrungsmittelspenden auf. Rund 615.000 Menschen
Kuba
benötigen bis zur Ernte im Mai nächsten Jahres Nahrungsmittel, erklärte die UN-Organisation; den Schaden für Kuba beziffert sie auf US$ 60 Mio. Tariferhöhungen fürTelefondienste sowie die Wasser- und Gasversorgung treten in Kraft. Dies ist Teil eines Modernisierungsplans, der öffentliche Investitionen von US$ 900 Mio. für die Telekommunikation, US$ 50 Mio. für die Gas- und weitere US$ 10 Mio. für die Wasserwerke vorsieht. 4.9.
Fidel CASTRO beginnt einen zweitägigen Staatsbesuch der Südafrikanischen Republik. Vor dem Parlament in Kapstadt erklärt er, nur mit Geduld und Zurückhaltung könnten die Gräben zwischen armen Schwarzen und reichen Weißen überwunden werden. CASTRO hatte zuvor an der Konferenz der blockfreien Staaten im südafrikanischen Durban teilgenommen.
8.9.
Die kubanische Polizei nimmt bei einer Operation gegen Regierungsgegner mindestens sechs Dissidenten in Havanna fest. Bei einem kirchlichen Fest zu Ehren der Schutzheiligen Kubas werden etwa 20 Dissidenten vorübergehend festgenommen. Kuba wird sechs mutmaßliche Schlepper aus den USA, darunter fünf Exilkubaner, vor Gericht stellen, erklärt das kubanische Außenministerium. Sie seien derzeit auf der Insel in Untersuchungshaft. Kubas Parteizeitung „Granma" ergreift in der Lewinsky-Affäre Partei für US-Präsident Bill CLINTON. „Politische Gründe und falscher Puritanismus" hätten sich zusammengeschlossen, um den Führer des mächtigsten Landes der Welt an den Pranger zu stellen, so das KP-Organ. In Florida werden zehn Personen unter dem Verdacht festgenommen, Spionage für Kuba betrieben zu haben. Der Festnahme waren vierjährige Ermittlungen der Bundespolizei FBI vorausgegangen. Indirekt gibt CASTRO später die Spionagetätigkeit zu und verteidigt diese als Notwendigkeit angesichts der Aggressionen der USA.
9.9. 11.9.
12.9.
14.9.
19.9.
Die Gebeine der deutschen Mitkämpferin Guevaras, Tamara BUNKE, werden in Bolivien entdeckt. Am 13. Dezember werden sie nach Kuba überführt und im Che-Guevara-Mausoleum in Santa Clara beigesetzt.
21.9.
Zwei italienische Touristen sind in Kuba erschossen worden, teilt die italienische Botschaft in Havanna mit. Die Leichen der beiden Männer habe man bereits am 14. September mit Schußverletzungen an einer Straße rund 30 Kilometer östlich der Hauptstadt Havanna gefunden. Gewalttätige Angriffe auf Urlauber sind auf Kuba bislang äußerst selten gewesen.
24.9.
Der Hurrikan Georges fordert drei Menschenleben und verursacht schwere Schäden vor allem in den Provinzen Camagüey und Las Tunas. Die kubanische Justiz hat fünf- bis sechsjährige Haftstrafen für vier Führer der „Arbeitsgruppe der Internen Dissidenz" beantragt. Die Angeklagten darunter Vladimiro ROCA, Sohn eines der Gründer der Kommunistischen Partei Kubas - hatten im Vorfeld des V. Parteitags der KP 1997 das Dokument „La Patria es de Todos" veröffentlicht, in dem das sozialistische Regime scharf kritisiert wurde. Seit ihrer Festnahme am 17. Juli 1997 sind sie ohne Urteil inhaftiert.
25.9.
283
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Oktober 2.10.
Das US-Außenministerium zeigt sich enttäuscht darüber, daß Kuba Lebensmittelhilfen aus Washington nicht annehmen will. Die USA hatten sich nach einem Aufruf des Welternährungsprogramms der UNO bereiterklärt. bis zu einem Drittel der erbetenen Nahrungsmittel bereitzustellen unter der Auflage, daß die Verteilung international überwacht wird und auf den Hilfsgütern gekennzeichnet würde, daß sie aus den USA stammen. Dies hatte Kuba abgelehnt. Die UN-Vollversammlung verurteilt einmal mehr mit überwältigender Mehrheit das Wirtschaftsembargo der USA gegen Kuba. Der Appell wird von 157 Ländern unterstützt, darunter auch alle EU-Staaten. Gegen die Resolution stimmten lediglich die USA und Israel. Weitere zwölf Nationen enthielten sich der Stimme.
14.10.
In den USA lanciert eine Gruppe hochrangiger konservativer Politiker eine Initiative für eine parteiübergreifende Kommission, die die Washingtoner Kubapolitik und auch das Embargo auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen soll. Zu den Unterstützern zählen unter anderem die ehemaligen USAußenminister Henry KISSINGER und Lawrence EAGLEBURGER. 18.10.
21.10.
22.10. 29.10.
Mit einer großangelegten Polizeioperation gehen die kubanischen Behörden gegen Prostitution und Kriminalität, insbesondere im Umfeld der Touristenzentren vor. In der sogenannten „Operación Lacra" (Operation schwärende Wunde) werden auch vier der bekanntesten Diskotheken Havannas geschlossen. CASTRO nimmt am Iberoamerikanischen Gipfel in Porto (Portugal) teil. Dort kritisiert er den von Spanien angestrengten Prozeß gegen Chiles ExDiktator PINOCHET. Dies sei eine unzulässige Anwendung ausländischer Justiz auf Angelegenheiten eines lateinamerikanischen Staates. Zu bedenken sei auch, daß Pinochets Immunität Teil des ausgehandelten Übergangs zur Demokratie in Chile war und deren Verletzung auch für die Linke negative Auswirkungen nach sich ziehen könne. Das deutsch-kubanische Investitionsschutz- und -förderabkommen tritt offiziell in Kraft. In Kuba werden drei Guatemalteken und zwei Salvadorianer wegen Terrorismus vor Gericht gestellt. Ihnen wird vorgeworfen, einer von Exilkubanern in den USA finanzierten Söldnergruppe anzugehören, die zwischen 1997 und 1998 Sprengstoffanschläge auf Hotels und öffentliche Einrichtungen in Kuba verübt hatte.
November 4.11.
284
Die nikaraguanische Regierung schlägt offenbar aus politischen Gründen ein Angebot Kubas aus, nach dem verheerenden Hurrikan Mitch Ärzte in das zentralamerikanische Land zu entsenden. Im Nachbarland Honduras haben kubanische Mediziner bereits mit der Behandlung der Katastrophenopfer begonnen.
Kuba
5.11.
Zwei Organisationen der Exil-Kubaner beantragen in Spanien einen internationalen Haftbefehl gegen Fidel CASTRO wegen Völkermordes, Folter und Terrorismus. Angeklagt werden auch Fidels Bruder und Armeechef, Raul CASTRO, Tourismusminister Osmany CIENFUEGOS und ein hoher Diplomat, Carlos AMAT. Der durch die Verhaftung des früheren chilenischen Präsidenten Augusto PINOCHET in London motivierte Antrag wird von der spanischen Justiz am 19.11. abgelehnt, da „diese Strafbestände nicht vorliegen". Die Kläger kündigen Berufung an.
8.11.
Als erstes Land Lateinamerikas will Kuba den Euro als Zahlungsmittel im internationalen Kreditverkehr und im Außenhandel einführen. Bereits bei Beginn der Währungsunion Anfang 1999 soll der Zahlungsverkehr mit den elf europäischen Teilnehmerländern auf Euro umgestellt werden.
9.11.
Kuba wird in die lateinamerikanische Integrationsvereinigung ALADI aufgenommen. Damit verpflichtet sich Kuba zur Gewährung der in der ALADI üblichen gegenseitigen Zollvergünstigungen. Seit 1986 hatte Kuba Beobachterstatus.
9.-12.11. Ein viertägiger Kubaaufenthalt des spanischen Außenministers Abel MATUTES dient u.a. der Vorbereitung des mit großen Erwartungen verbundenen Staatsbesuchs von König JUAN CARLOS in Kuba, der für 1999 geplant ist. 11.11.
Kuba erläßt dem von Hurrikan Mitch verwüsteten Nikaragua sämtliche Schulden in Höhe von US$ 50,1 Mio. und fordert den Rest der Welt auf, das Gleiche zu tun.
28.11.
Sechs Dissidenten werden bei Auseinandersetzungen vor einem Gericht in Havanna festgenommen. Sie hatten an einer Protestkundgebung gegen den Prozeß gegen einen regierungskritischen Journalisten teilgenommen.
Dezember 1.12.
Das Weihnachtsfest wird rehabilitiert. Der 25. Dezember soll „für Christen und Nichtchristen, Gläubige und Ungläubige" fortan offizieller Feiertag sein, so ein Beschluß des Politbüros (der am 6. Dezember vom Staatsrat bestätigt wird). Im Vorjahr hatte Fidel CASTRO im Vorfeld des Papstbesuchs Weihnachten erstmals seit fast 30 Jahren wieder zum Feiertag erklärt, dies jedoch als einmalige Maßnahme bezeichnet.
6.12.
Kubas Fußballverband vereinbart mit dem Bonner SC eine Kooperation, demzufolge bis zu 15 kubanische Nationalspieler plus Trainer beim viertklassigen Bonner SC Kost, Logis und Zahlung ihrer Versicherungsbeiträge erhalten, um sich unter deutscher Anleitung auf die Fußballweltmeisterschaft 2002 vorzubereiten. Als Gegenleistung darf der BSC die kubanischen Nationalspieler in seinem Kader spielen lassen.
8.12.
Nach Angaben der US-Regierung gingen in den ersten elf Monaten des Jahres 732 Kubaner in den USA an Land und konnten damit politisches Asyl beanspruchen. Im Jahr zuvor waren es 186 gewesen. Dabei seien zunehmend Schlepperbanden im Spiel, die die Flucht der Kubaner in Schnellbooten organisieren. 285
Lateinamerika Jahrbuch 1999
11.12.
Der Film „La vida es silbar" („Das Leben ist pfeifen") des kubanischen Regisseurs Fernando PÉREZ gewinnt beim XX. Internationalen Filmfestival in Havanna den Preis als bester Spielfilm. Der kritische Film war zuvor in der kubanischen Presse scharf angegriffen worden.
21.12.
Auf der Sitzung der kubanischen Nationalversammlung werden Haushalt und Wirtschaftsplan für 1999 verabschiedet. Wirtschaftsminister José Luis RODRÍGUEZ nennt vor den Delegierten ein Wachstum von nur 1,2% für 1998. Gründe seien der Rückgang der Weltmarktpreise für Zucker und Nickel, der „Wirtschaftskrieg" der USA sowie die langandauemde Trokkenheit im Osten der Insel und die Auswirkungen des Hurrikans Georges. Auch die internationale Finanzkrise erschwere es Kuba, an Kredite heranzukommen. Auch wenn Weihnachten wieder offizieller Feiertag ist, bleibt der Weihnachtsmann persona non grata. Die offizielle Gewerkschaftszeitung „Trabajadores" geißelt ihn als Symbol US-amerikanischer Konsumhaltung, kultureller Hegemonie und geistiger Kolonisation und rügt staatliche Geschäfte, die ihre Auslagen mit dem Weihnachtsmann dekorierten. Dieser passe ebenso wenig ins sozialistische Kuba wie Weihnachtsbäume oder der englische Gruß „Merry Christmas". Bert Hoffmann
286
Kuba
IBEROSTAT Stand:
7,99
Haupttadt: Flache (in qkm): Wahrmg:
La Habana 110.861 Kubanischer Peso
KUBA Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN BevMkerungszahl (in Mio.) da'on: unter 15 Jahren (in %) da'on: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geturtenrate FerùlitStsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Gestützte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate de- Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
9,71 31,9 60,5 14 2 23.8 28,5 47,7
10,625 23,1 68,5 73.5 17.6 1.7 18.1 30 51,9
11,019 22,1 68,8 76.2 13.5
1.6
11,059 21 9 ¿9 76.6 13.7 1.5
82 122 19.6 22 73,6 700 92
97,7 132 10,7 13 75 275 94,7
93 95,7 8 10 75,9
7,2 9.2 76.1
9,2 35,2 24,4 55,6
7,6 34,8 27 57,6
7,4 36,5 28,5 56,1
7,8
2.5
68,1
11,28 0,9 0,6
2. S02IALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tilg. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauilingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) KinJersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebinserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einvohner je Arzt Alpiabetisierungsquote (in %)
95,6
3. WIITSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Brutoinlandsprodukt (in Mio. USS) Brutosozialprodukt pro Kopf (in USS) Aus'uhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Leixungsbilanz (in Mio. USS) Kaptalbilanz (in Mio. USS) da'on: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Besnnd an Währungsreserven (in Mio. USS)
13685 1406
Printer Verbrauch (in % des BIP) Staasverbrauch (in % des BIP) Brutoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruioinlandsersparnis (in % des BIP) Anfeil der Landwirtschaft am BIP (in %) Ancil der Industrie am BIP (in %) da'on: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Ancil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
13 53 34
Ausandsverschuldung (in Mio. USS) d f o n : öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schildendienst (in Mio. USS) d»on: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schildendienst in % der Exporterlöse Wadistumsrate des BIP (in %) Inflitionsrate (in %) Durhschnittl. jlhrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durhschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
4545 4545
-0,5
-3,7
287
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Wahrung:
ANTIGUA U N D BARBUDA St.John's 442 East Caribbean Dollar
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschart (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
Jahr
1980
1990
1996
1997
0,061
0,064 33,1 39 35,4 20,1 1,8 75 8 17
0,066 25.8
0,066 24,2
36 21,3
36,2 17,5 1,7
34,6 16,5 2,1
0,099 0,5 0,5
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
31,5 71,3 2313
100 96,4 20,6 23,6 73,8 1299 96
96,6 25,4 75 910
17,3 21 75,5
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in K>) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
288
112 1390 104 132 -19 15,59 20 7,8
395 5590 345 341 -31 5,21 61 27,5
498 7330 422 471 -40 3.55 25 47,7
7,1 18,1 5,3 74,8
61 16,8 27,4 22,2 4,1 19,9 3.3 75,9
49,8 17,4 32,9 32,8 3.7 18,8 2.1 77,5
262
224
14 2,8 4.1 3.5 7
7,3 4,2 1.7 5,8 4
19 5,2 2,7 2,6
7380
50,7
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fliehe (in qkm): Währung:
Nassau 13.864 Bahamian Dollar
BAHAMAS Jahr 1980
1990
1996
1997
0.21 38.6 57,1 75,1 24,2 3,3 5.8 13,5 80,7
0,256 33,2 62,9 83,6 19,6 2,1 5.2 15,2 79,6
0,284 28,6 64,5 86,9 20,7
0,289 30,8 64,3 87,3 20,3 2,3
30 35 68,2 1064 93,4
94,1 115,4 28,4 29 71,8 775 95
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
1335 6180 5752 5694 -75 4,9 4 92
3105 11730 1784 1653 -37 59 -17 158
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
61,7 12,5 18,3 25,8
63,6 13 22.3 11.9 2.6 8.3 2.7 89,1
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
227 108 25 8 1.9 6,5 12,1
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Ceburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
0,435 2 1,5
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
102,7 18,4 73
17 20,7 73.7 95,8
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
266 266 45.2 18,6 2,5 1.1 4,7
3750 12100 1851 2003 -263 1657 88 171
4000 12300 1888 2247 -472 396 210 227
4 3,2 361 361 93,5 31 5,1 4,2 1.4
398 362 114 6 3 0,5
2,8 0,7 2,9
289
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Wahrung:
Bridgetown 431 Barbados Dollar
BARBADOS Jahr 1980
1990
1996
1997
0,249 31,5 58,7 40,2 16,6 2 9,9 20,9 69,2
0,258 24,1 64,6 44,8 15,7 1,7 6,7 21,9 71,4
0,264 23,1 65,3 47,8 13,3
0,265 22,6 65,9 48,4 13,5 1.6
98 21 29 72,3 1167
100 135,1 11,7 13 74,9 877 99,5
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in US$) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
861 3290 574 613 -17 49 2 81
1712 6520 873 878 -8 41 10 117
1994 6840 1247 1130 104 -7 10 290
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
62,5 14,9 24,5 22,6 9,9 22,5 11,9 67,5
63,6 20,2 18.8 16,2 5.2 18.3 8 76.5
63,8 21,5 12,6 14,6 6.1 14.6 6.1 79,3
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
166 98 25,2 11.1 4,2 4,7 14,4
683 504 140,7 48,6 15,1 -4,8 3,1
581 382 101,2 39,7 7,5 4,3 2,4
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
0,306 0,3 0,4
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) TSgl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-3 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
134,7 14,2 76
14 17,2 76,1
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
290
1,5 0,5 0,8
7010 7,7 -18 13,6 265
644 350 102,7 12,1 7,9 3 7,7
Karibischer Raum
IBEROSTAT Sund:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
Belmopan 22.966 Belize Dollar
BELIZE Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
0.146 46,6 47,9 49,4 39,1 5,7 38,5
0,189 42,2 53,5 47,5 35,2 4,4 33,6 19 47,4
0,222 41 54,3 46,5 23,3
0,23 40 55,3 46,5 31,5 3,7
72
80 109,8 44,6 49 73,2 1564 91,2
0,4g 2,5 2,6
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
60 70 65,1 2200
120,3 70 1670
32 39,6 74,7
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
195 1380 110 133 -9 11 0 12,7
403 2190 245 248 15 22 17 70
640 2690 309 321 -7 37 11 58
649 2670 317 362 -40 27 8 59
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
71,9 17,2 24,1 10,9 27,4 30,9 23,9 41,7
54,9 14.5 28.4 30,6 21.7 26,6 15,6 51,7
70,5 13,7 19,4 15,8 21.4 26,2 16,6 52,4
59,2 19.3 23,6 21,5 23,5 27,8 16.1 48,8
63 50 3.6 3,1
154 137 20,1 7,1 7,5 10,6 3
288 252 39,5 12,8 12 1.5 6,4
383 199 30,8 4,9 9,2 2,6 1
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationärste (in %) 1990-97:
15,2
4,7 4,4 3,7
291
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt Flache (in qkm): Wahrung:
DOMINICA Roseau 750 East Carribean Dollar
Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in *>) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
0,073
0,072 40,9 53,3 67,7 23 2,7
0,074 31,1 60,8 69,9 19.1
0,074 29,7 62,2 70 21,5 1.9
118 18,4 23 73,2 2174 97
125,3 16,2
236 2970 114 145 -40 25,3 18 22,9
243 3040 118 149
0 5,1
166 2260 89 134 -44 13,5 13 14,5
92,4 27,3 50,9 -19,7 30,7 20,9 4.8 48,4
64,7 20,5 40,8 14,8 25 18,6 7,1 56,4
63 20,6 29,7 16,4 20,8 21,4 7,3 57,8
58,7 20,9 33 20,4 20,5 21 6.4 58,5
13,9
88 80 5,8 1.9 5.8 5,3 3,2
110 94 6,8 3 5,3 2.8 1,7
98 86 10,8
63,4 24,8 3,9
0,097 1,2 0,3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) TSgl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
12.6 7800
74
15.8 19.2 76
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistunesbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
59 800 16 55 -14
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jahrl. Wachstumsrate des BIP (in *>) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
292
14,3
4,3 2,2 3,7
19,9 23,9
8,2 1.9 2.4
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstade Fliehe (in qkm): Währung:
DOMINIKANISCHE REPUBLIK Santo Domingo 48.734 Dominikanischer Peso
Jahr
1980
1990
1996
1997
5,697 45,3 51,6 50,5 32,9 4,2 45,7 15,5 38.8
7,11 37,9 58,8 58,5 28,2 3,4 24,8 29 46,2
7,964 34.7 60 62,6 26 3 14,5 23.6 61,9
8,107 34,4 61,4 63,2 25,6 3
55 105 76,2 92 64,2 1760 73,7
63 92 50,8 78 69.1 671 79,4
97 40 47 71
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: BUSl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)
6631 1170 1271 1919 -720 673 93 279
7095 880 1832 2233 -280 351 133 68
13299 1580 6095 6689 -110 430 380 357
15039 1750 6420 7124 -163 564 421 396
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
77 7,6 25,1 15,4 20,1 28,3 15,3 51,6
79,6 5,1 25,1 15,3 13.4 31,4 18 55.2
73,1 5,2 24 21,7 12,9 31.6 17 55,4
70,2 7,7 24,5 22.1 12,4 32.3 17 55,3
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationärste (in %)
2002 1220 379 179 25.3 6,1 16.8
4372 3420 232 85,9 10.4 -5,8 50,5
4332 3524 448 198 6.3 7,3 5.4
4239 3460 461
I. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
13,14 2,3 1,9
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
40 47 70,9 82,5
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
6.2 8.2 8,3
2,3 3,8 11,5
293
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Flache (in qkm): Wahrung:
St. George's leorje'
GRENADA Jahr
East Caribbean Dollar
. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
0,09
0,094 35,9
32,9 25,4 3.8
34,2 25,9 3,1
0,095 34,7 57,9 36,2 21,3
0,096 35,4 57,3 36,6 3.6
0,134 0,7 0,3
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
39,4 66,9 4400
114 30,8 37 69,7 2041 96
110,5 14,3
24 29 71,8
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USX) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
84 970 38 60 0 12 0 12,9
221 2320 93 139 -46 22 13 17.6
295 3010 132 193 -58 29 18 35,7
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
84,6 20,4 27,1 -5 24,7 13,1 3.8 62,2
60,7 21,5 38,1 17,8 13.4 18 6.6 68,6
70,2 17,4 33.3 12.4 9,7 20,3 6,7 70
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) lnflationsrate (in %)
16 12 2,3 0,7 5,9 -0.4 21,8
103 90 3,2 1,5 3 5,2 2,7
120 100 8,9 3 5,7 4,3 2
Durchschnitt!, jahrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. lnflationsrate (in %) 1990-97:
294
5,8 2 3,2
3140
0 42,7
105 92 9 4,7 1.2
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fliehe (in qkm): Währung:
Georgetown 214.969 Guyana Dollar
GUYANA Jahr 1980
1990
1996
1997
0,759 43.8 52,8 30.5 30,5 3,5 26,8 26 47,2
0,795 34.5 61.3 33.2 25,7 2.6 21,8 25,2 53
0,839 31,9 64,2 36
0,848 31,4 64,6 36.5 21,9 4,3
72 109 68,2 90 61 6200 94,6
79,1 95,5 63,8 90 62,7 5882 97,1
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
603 770 409 494 -129 85 0,6 12.7
397 350 236 412 -150 165 6,5 28.7
717 750 728 613 -50 III 53 329.7
699 -68 63 47.5 315,5
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
55,4 24,2 32,8 20,4 23,4 35,8 12,1 40,9
72,4 13,6 31,1 14 38.1 24,9 10.3 37
57.7 17 30,4 25,3 38,9 33,8 10,3 27,3
58,6 18,3 32,2 23,1 35.8 34 11.5 30,2
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
810 607 88,8 30,7 21,6 1,7 14
1945 1757 295 120 117,6 -3 63.6
1631 1370 105 32 15.1 7,3 7,1
1611 1345 133
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in *>) 1980-90: 1990-97:
1,24 0,S 0,9
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
100.3 59 65
58 78 64,4 98
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jahrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
782 800
17,6 6.2 3.6
-3,1 6,5 26,7
295
Lateinamerika Jahrtuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:
Kingston 10.950 Jamaican Dollar
JAMAIKA Jahr 1980
1990
1996
1997
2,133 45,9 49,7 46,8 27,6 3,7 31,3 16,4 52,3
2,404 34,7 59,2 51,5 25,2 2,9 26.1 22,6 51,3
2,538 30,4 61,4 54,2 22.8 2,3
2,554 32,3 61.3 54,7 23,8 2,7
86 119 21,2 39 70.7 2040 77,4
83.4 110,2 15,2 16 73,2 1754 82,7
109,9 12 14 74
11,6 14,3 74.5
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in ÜS$) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
2652 1220 1363 1408 -136 267 28 105
4239 1650 2464 2390 -312 348 138 168
4070 1590 3143 3811 -238 419 180 880
4135 1550 3177 3984 -376 213 80 682
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
63,8 20,3 15,9 15,9 8,2 38.3 16,6 53.5
62,2 14 27,9 23,8 6,5 43,2 19,5 50,4
62,2 15.6 34,4 22,2 8,3 36,5 16,7 55,2
60.6 17.8 34.5 21,6 8 35,1 16,3 56,9
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
1913 1430 280 159 19 -5,8 27,3
4671 3943 662 260 26,9 5,5 22
3981 3124 674 228 17,2 -1.8 26.4
3913 2921 641
DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Atter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
3,89 1.1 0,7
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
85,5
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN
Durchschnittl. jfthrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
296
1,5 1 32,8
16.2 -2,4 9,7
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstade Flüche (in qkm): Währung:
SAINT KITTS UND NEVIS Basseterre 269 East Carribean Dollar
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
Jahr
1980
1990
1996
1997
0,044
0,042 34,9 54,7 34,6 22 2,7
0,041 29,3 56 34 19,7
0,041 29,3 56 34 20,5 2,4
90,6 24
22
35,9 26,8 3,3
0.056 -1,2 -0,4
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
100
2778
100 III 26,1 42.8 67,2 1111 92
70
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
48 1090 32 47 -3 1,1 1
157 3600 82 132 -47 2,4 49 16,3
247 5820 119 183 -68 34 17 32,7
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
71,2 20,9 38,1 7,9 15,9 26,6 15,2 57,5
59 26,5 56,2 14,5 6,4 29.1 12.8 64,4
38,8 40,7 46,4 20,5 5,6 24,6 10,7 69,8
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
8,3
45 44 3 1.5 2,9 2.1 4,2
58 56 6 2 4,3 5,9 2,5
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
15,1 17,7
267 6260 134 182
36,1
62 60 5,9 3,9 3 8,6
6 4,2 4
297
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
HauptstadtFlache (in qkm): Wahrung:
SAINT LUCIA Castries 616 East Carribean Dollar
Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in K>) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
0,124
0,15 34,9 54,7 37,2 27 3,3
0,158 34,2 59.2 37,3
0,159 34,6 58,7 37,4 20,7 2,4
109 19.1 24 69.8 2778 93
115,8 17
37,3 30,6 4,4
0,235 2 0,9
2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tagl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
68 2775
70
16 29 70,4
3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
133 840 87 135 -33 31.4 31 8.3
399 2100 282 320 -57 3.8 45 44,6
598 3470 356 413 -80 8.7 23 56,1
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
75,4 17,5 34,3 7,1 11,7 24,8 9,3 63,4
71.1 14,7 25,7 14.2 14,5 18.4 8.1 67,1
68,5 14,4 19 17,1 10,7 19,7 6,7 69,6
14
80 73 6,4 3,2 2,1 3.3 4,7
140 120 12,4 6,2 3,3 1.9 1
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
298
19,5 6,2 3,1 2,9
3510
61
152 119 13 2,1 0
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt Fläche (in qkm): Wahrung:
ST.VINCENT U N D G R E N A D I N E N Kingstown 389 East Caribbean Dollar
Jahr
1980
1990
1996
1997
0,098
0,107 35,4 59,5 40,6 21,2 2.6
0,112 30,4 63,2 49,4
0,112 29,5 63,9 50,8 20,7 2,2
109 20,9 26 70,5 2174 84
100,7 18
60 640 39 63 -9 7 1,1 7,3
198 1740 130 152 -24 18,6 8 26,5
275 2360 147 184 -35 4,1 18 30,2
Privater Verbrauch (in *> des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes G e w e r b e (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
89 23 38,2 -12 14,3 26.5 10,5 59,2
62,4 17,5 31.1 20,1 18.5 22,9 8.5 58,6
53,3 26,8 31.6 19,9 12,6 25.3 8,5 62.1
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
11 10 0,4 0.3 I 2 17,2
59 57 4,1 1,8 2,8 5 7,6
213 86 13,9 8,6 8.3 1 4.4
1. DEMOGRAPHISCHE K E N N Z I F F E R N Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 13 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertili tltsra te Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in d e r Industrie (in %) Erwerbsperconen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
27,2 28.3 3,6
0,174 1 0,7
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in K>) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 5 Jahre) Lebenserwartung bei d e r G e b u r t (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
31 67,1 4182
73 200
17,7 20,5 72,9
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt p r o K o p f (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
287 2420 182
31,2
258 86 17,4 3.8 0,4
6,9 2,9 3
299
Lateinamerika Jahrbuch 1999
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fliehe (in qkm): Wahrung:
Paramaribo 163.820 Surinaamse Gulden
SURINAM Jahr
1. DEMOGRAPHISCHE K E N N Z I F F E R N
1980
1990
1996
1997
0,355 39,8 55,8 44,8 27,6 3,9 19.9 19,8 60,3
0,402 35,6 60,4 46,8 29 2,6 3,7 19,3 77
0,41 33,4 61,6 49,7 22,7
0,412 32,3 62,7 50,3 20,2 2,2
88 41,6 52 66,4 1264
98 102 34,2 38 68,7 1376 94,9
883 2570 1094 1174 32 19 18 221,1
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsra te Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2030 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
0,711 1 1,1
2. S O Z I A L E K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer ( 0 - 1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 3 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
105,9 25 71
29 33 70
318 1340 869 840 67 -32 -77 41,9
482 1050 329 402 9,6 38 54 145,6
544 1320 672 599 25 45 56 165
57,7 21,3 26,4 21 9.1 38,9 18,6 52
52,6 25,2 21,4 22,2 11,2 27,3 13,3 61,5
29,4 9 12,7 35.8 12,5 51,5
23,9
27,4 28
126
178 148 15
158 140 20,9
-7,4 14,1
0,1 21,7
2,9 6,9 -0,7
3,3 4,7 7,1
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro K o p f (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
Durchschnittl. jähr], Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. j l h r l . Inflationsrate (in %) 1990-97:
300
-1,2 -0,8 138
11.3 33,7 11,1 55
Karibischer Raum
IBEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: R i e h e (in qkm): Währung:
TRINIDAD UND TOBAGO Port of Spain 5.182 Trinidad and Tobago Dollar
1. D E M O G R A P H I S C H E K E N N Z I F F E R N
Jahr
I9S0
1990
1996
1997
1,082 37,3 58,4 63,1 28,6 3,3 10,2 38,6 51,2
1,236 32,7 61,9 69.1 21,9 2,4 12,3 27,2 60,5
1,297 29,3 64,S 72,2 14 2,1
1,307 28,3 65,5 72,7 16,2 1,9
93 113 35 40 68 1370 94,9
96 110,7 17,8 24 71,1 943 96,8
107,1 16,9 15 73
12 14.8 72,8
Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)
6236 5410 3139 2434 357 139 185 2813
5068 3650 2289 1427 459 -149 109 513
5649 3970 2839 1786 -37 176 400 564
5892 4250 2698 2857 -579 841 1000 723
Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie a m BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)
45,9 12 30,6 42,1 2,2 60,2 8,6 37,7
59 11,9 12.6 29,1 2.6 47,8 8,7 49,6
61.4 10,9 17.2 27,7 1,8 46,1 8.6 52,1
74,9 10,2 21,8 14,9 1.7 45,9 9.4 52,4
Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % d e r Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)
829 712 230 54,4 6,8 6.2 17,5
2512 1782 449 216 19.3 1.5 11,1
2241 1870 474 194 16.3 3,5 3,4
2161 1528 547
Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 1S-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in d e r Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2050 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1,89 1,3 1,1
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Sauglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 5 Jahre) Lebenserwartung bei der G e b u r t (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
97,8
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N
Durchschnitt! jahrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
19,6 3,2 3,6
-2,1 1,9 7,2
301
Lateinamerika
1BEROSTAT Stand:
7,99
Hauptstadt: Fläche (in qkm): Wahrung:
LATEINAMERIKA 20.428.466
Jahr
1. D E M O G R A P H I S C H E K E N N Z I F F E R N Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 20S0 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1980-90: 1990-97:
1980
1990
1996
1997
360,3 39,6 55,9 64,9 31,2 4,1 34,3 25,8 39,9
438,9 36 59,3 71.1 26,2 3.1 25,5 24 50,5
486,1 33,3 61,6 73,8 23 2,8
493,9 32.8 62,1 74,2 23,2 2,7
56 60,5 82 64.7 1230 79,7
69 116 41.1 55,5 68 730 85
116,8 33 41.3 70
31.8 41.1 69,6
782093 2160 114161 129051 -27429 35021 5711 48417
1142541 2240 169226 148226 -1542 16808 7029 58123
1888533 3660 304063 317213 -37116 63745 37285 164684
2088919 3940 335490 375905 -63428 77875 55251 175010
67,9 9,8 24,1 22,3 10 40,1 28,5 49.8
65 13.4 19,4 21.6 8,5 35,9 22,8 55,6
66.1 13,7 20,8 20,2 7,8 33,2 21.4 59,1
66,8 13 22 20,2 7,7 32,5 21,3 59,9
257264 144797 46299 24601 36.3 6,9
475366 354616 45580 21962 24,6 -0,8 661,7
669212 413603 106962 39044 32 3.5 21,7
703669 399951 130643 42448 35,5 5,2 12,2
810,43 2,1 1,7
2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer ( 0 - 5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)
87,3
3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) A u s f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil d e r Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % d e r Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1980-90: 1990-97: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1990-97:
1,6 3,1 206,7
303
Lateinamerika Jahrbuch 1999
LATEINAMERIKA
BSP pro Kopf und reale Wachstumsrate des BIP
Jahre S S BSP
Wachstums raten
LATEINAMERIKA
Bruttoinvestitionen und Ersparnis (in % des BIP)
Jahre , 304
Investitionen
Ersparnis
Lateinamerika
LATEINAMERIKA Außenhandel und Kapitalbilanz
96
Saldo der Kapitalbitanz
i Warenimport
Warenexport
97
LATEINAMERIKA Auslandsverschuldung
88
89
90
91
92 93 Jahre
94
95
96
97
Gesamtverschuldung _Q_ Schuldendienst
305
Lateinamerika Jahrbuch 1999
Lateinamerika Gesamtwirtschaftliche Eckdaten 1998
Land
Argentinien Bahamas Barbados Belize Bolivien Brasilien Chile Costa Rica Dominikan. Rep. Ekuador El Salvador Guatemala Guyana Haiti Honduras Jamaika Kolumbien Mexiko Nikaragua Panama Paraguay Peru Surinam Trinidad & Tobago Uruguay Venezuela
BIP* In BIP' pro Jährlich« Wachstum* rat* Mio. US$ Kopf In US$ d M BIP" (In %) 4.5 2,5 3,3 3,4 4,6
Jihrilch« Inflation« rat*c (In %)
Haushaltsdefizit/ -Obanchua" in % d«s BIP -1,1 -0,6* -2,7' -2,3* -4,0
242.764 3.384 1.899 530 7.660 529.989 59.770 7.937 9.201 16.775 7.907 10.945 615 1.654 4.128 4.137 65.912 338924 2.197 7.672 7.539 54.208 318 5.988
6.720 11.428 7.084 2.308 963 3.196 4.033 2.175 1.118 1.378 1 306 1.013 712 217 671 1.654 1.749 3.537 492 2.772 1.443 2.186 728 4.436
-1,9 1,8 4.8 4,0 3,9 -0,5 1,0 3,4 4,5
0.9 1.4 -1,3 -0,7 7,6 3,0 5,0 11.6 4,8 36,1 2,5 7,0 5,0 12,7 13,7 9,6 19,0 15,9 17,0 0,6 11,5 7,2 21,1 4,0
11.349 74.870
3.504 3.221
2,5 -0,7
10,8 35,8
0,1 3,3 6,2 7,3 1,0 3,5 4,9 -3,0 3,1 3,0
-7,9 +0,8 -1,3 +1,1* -6,5 -1,9 -2,1* -2,2' -1,0 -1,0 -7,2* -2,3 -1,3 -2,1 -0,7 -1,5' +0,9 -15,7' -1,8* -0,8 -4,5
' Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar von 1990. b Bruttoinlandsprodukt zu konstanten Marktpreisen, in US-Dollar von 1990. c Verbraucherpreisindex. ° Operationales Defizit (-) bzw. Oberschuß (+) des öffentlichen Gesamthaushalts. * Nur Haushalt der Zentralregierung. .. Nicht verfügbar. Quelle: Banco Interamericano de Desarrollo, Washington, D C.; Internet: www.iadb.org (15 04.1999)
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Lateinamerika
Lateinamerika Außenwirtschaftliche Eckdaten 1998
Land
Argentinien Bahamas Barbados Belize Bolivien Brasilien Chile Costa Rica Dominikan. Republik Ekuador El Salvador Guatemala Guyana Haiti Honduras Jamaika Kolumbien Mexiko Nikaragua Panama Paraguay Peru Surinam Trinidad & Tobago Uruguay Venezuela
Saldo dar Handelsbilanz In Mio. US*
Saldo der Leistungsbilanz In Mio. USS -11.940 -594 +4
Saldo der Kapitalbllanz* In Mio. US*
-29 -674 -34.945 -4.546 -280 -387
+23 +670 +26.454 +2.817 +131 +695
-628 -1.283 -1.434 -26 -365 -335 -1.793 -2.644 -7.771 -778 -1.338 -782 -2.613 -68 -247
-1.032 -83 -1.000 -70 -10 -156 -383 -5.906 -16.179 -616 -1.240 -318 -4.141 -115 -572
+682 +386 +1.242 +93 +81 +281 +500 +5.290 +12.620 +566 +1.220 +253 +4.780 +76 +800
-850 +3.431
-430 -1.715
+790 -619
-3.540 -1.061 -831 -69 -608 -6.438 -2.496 -215 -2.609
+13.840 +490 -4
Zentral« Terms of DevisenTrade reserven Index In Mio. US$ 1990-100 24.876 347 294 44 1.094 64,1 43.938 15.985 89,5 1.063 115,0 502 109,6 1.786
75,4
1.344 277
109,3 100,8 81,9
818 8.397 31.799 350 955 784 9.834 783
99,4
78,2 87,6
2.590 14 849
' Saldo der Bilanzen des lang- und kurzfristigen Kapitalverkehrs; Nettokapitalimport: + , Nettokapitalexport: -. .. Nicht verfügbar. Quelle: Banco Interamericano de Desarrollo, Washington, D.C.; Internet: www.iadb.org (15.04.1999).
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
Technische Erläuterungen zu der Datenbank IBEROSTAT A. Die Datenbank IBEROSTAT Die Datenbank IBEROSTAT umfaßt derzeit 33 Staaten in Lateinamerika und der Karibik mit ca. SO Kennziffern zur demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung. Die Dateien für die Landertabellen enthalten Werte für die Jahre 1970, 1980 und 1988ff.; in den Graphik-Dateien sind Werte für die Jahre 1983ff. aufgenommen. Damit die Daten eine größtmögliche internationale und intertemporale Vergleichbarkeit gestatten, sind sie nahezu ausschließlich aus den Statistiken internationaler Organisationen zusammengestellt, die den Vorteil haben, daß die nationalen Daten Harmonisierungs- und Standardisierungsprozeduren sowie Plausibilitatskontrollen unterworfen werden. Dadurch können sich allerdings zum Teil erhebliche Abweichungen gegenober den in nationalen Quellen nachgewiesenen Daten ergeben. Nicht für alle Staaten sind die Datensatze in IBEROSTAT vollständig, da einzelne Lander der Region nur über eine unzulängliche statistische Infrastruktur verfügen und/oder Daten nicht bzw. nicht rechtzeitig veröffentlicht werden. In einzelnen Zeitreihen sind Brüche infolge methodologischer und/oder deflatorischer Änderungen bei der Erhebung und/oder Kompilierung der Daten vorhanden. Für das Lateinamerika Jahrbuch 1999 wurden alle Zeitreihen ab 1980 an die revidierten und aktualisierten Daten in den World Development Indicators 1999 der Weltbank angepaßt; dadurch ergeben sich teilweise erhebliche Abweichungen gegenüber den Angaben in früheren Ausgaben des Lateinamerika Jahrbuchs. Bei der Interpretation der Tabellen und Graphiken sollten auch die folgenden technischen Hinweise berücksichtigt werden.
B. Tabellen Demographische Kennziffern: Bei den Bevölkerungszahlen handelt es sich um Schatzwerte zur jeweiligen Jahresmitte, unter Berücksichtigung der jeweils letzten Volkszahlungsergebnisse. Die Angaben zum prozentualen Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung sind für Landerquervergleiche nur bedingt geeignet, da in den einzelnen Landern unterschiedliche Definitionen des Begriffs .stadtisch* Verwendung finden. Die (rohe) Geburtenrate gibt die Anzahl der Lebendgeburten je 1000 Einwohner und Jahr an. Die Fertilitätsrate bezeichnet die durchschnittliche Kinderzahl, die eine Frau gebaren würde, falls sie
308
bis zum Ende ihres gebarfahigen Alters lebt und in jeder Altersstufe in Obereinstimmung mit den altersspezifischen Fmchtbarkeitsziffem Kinder zur Welt brachte. Die statistischen Angaben zur Beschaftigtenstruktur nach Wirtschaftsbereichen sind nur sehr begrenzt intertemporal und international vergleichbar; die Ausgangsdaten sind nahezu ausschließlich Ergebnisse von Stichprobenerhebungen unterschiedlicher Qualität; dabei liegt überwiegend das Labour-Force-Konzept zugrunde, vereinzelt auch das ErwerbspersonenKonzept oder das Beschaftigten-Konzept. Der Sektor Landwirtschaft umfaßt Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischfang; zum Industriesektor gehören - neben dem Verarbeitenden Gewerbe - auch Bergbau, Bauwirtschaft, Strom-, Wasser- und Gasversorgung; alle übrigen Bereiche der Wirtschaft sind dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Bei den Angaben zu der geschätzten Bevölkerung im Jahre 2050 handelt es sich um Projektionen (mittlere Variante) der Vereinten Nationen auf der Basis der landerspezifischen Altersstrukturen des Jahres 1995. Die Wachstumsraten der Bevölkerung sind Periodendurchschnitte, die auf der Grundlage der Bevölkerungsstande zur jeweiligen Jahresmitte berechnet werden. Soziale Kennziffern: Die Angaben zur Trinkwasserversorgung beziehen sich auf den Zugang zu unbedenklichem Wasser; Trinkwasserversorgung gilt als gegeben, wenn innerhalb der Städte in akzeptabler Entfernung (200 Meter) und auf dem Lande mit vertretbarem Zeitaufwand Zugang zu einer unbedenklichen Wasserversorgung besteht, die gereinigtes Oberflachenwasser oder ungereinigtes, aber unverseuchtes Wasser etwa aus Bohrlöchern, Quellen und Leitungsanschlüssen - einschließt. Bei den Daten handelt es sich um Schatzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO, die nur eingeschränkt international vergleichbar sind. Das tagliche Kalorienangebot pro Kopf wird von der FAO errechnet, indem der Kaloriengegenwert des Nahrungsmittelangebots eines Landes durch seine Bevölkerungszahl dividiert wird. Die Mindestbedarfsnorm pro Kopf mißt die Kalorien, die erforderlich sind, um ein normales Niveau der wirtschaftlichen Aktivität und Gesundheit in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, wobei ihrem Alters- und Geschlechtsaufbau, dem durchschnittlichen Körpergewicht und dem landesspezifischen Klima Rechnung getragen wird; für Lateinamerika und die Karibik wird eine Mindestbedarfsnorm von 2380 Kalorien pro Kopf und Tag zugrunde gelegt. Bei der Interpretation der Kennziffer tagliches
Lateinamerika Jahrbuch 1999 Kalorienangebot in Prozent der Mindestbedarfsnorm ist zu berücksichtigen, daß sie ein Potential mißt, aber nichts über den tatsächlichen Emährungsstatus einer Bevölkerung aussagt. Die Säuglingssterblichkeitsziffer mißt die Anzahl der Sauglinge, die je 1000 Lebendgeburten pro Jahr vor Vollendung des ersten Lebensjahres sterben. Die Kindersterbeziffer gibt für ein gegebenes Jahr an, wieviele Kinder je 1000 Lebendgeburten bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres sterben. Aus der Differenz zwischen Säuglingssterblichkeitsziffer und Kindersterbeziffer ergibt sich die Zahl der Todesfalle bei Kindern im Alter zwischen einem und fünf Jahren je 1000 Lebendgeburten. Die Lebenserwartung bei der Geburt gibt die Anzahl der Jahre an, die ein Neugeborenes leben würde, wenn es wahrend seines ganzen Lebens den gleichen altersspezifischen Sterblichkeitsrisiken ausgesetzt wäre, wie sie zum Zeitpunkt seiner Geburt in der Gesamtbevölkerung vorherrschen; die Daten lassen nicht die in einigen lateinamerikanischen Staaten erheblichen Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Stadt- und Landbevölkerung erkennen. Die Alphabetisierungsquote mißt den Prozentsatz der Bevölkerung im Alter von (in der Regel) 15 Jahren und darüber, der lesen und schreiben kann; es handelt sich überwiegend um Schatzwerte der UNESCO. Die internationale Vergleichbarkeit der Alphabetisierungsquote ist nur sehr eingeschränkt möglich, da beachtliche Unterschiede in den Definitionen und in der Qualität der Ausgangsdaten bestehen. Wirtschaftliche Kennziffern. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezieht sich auf die Bruttowertschöpfung von (Wirtschafts-)ln- und Ausländem innerhalb der geographischen Grenzen eines Landes, während das Bruttosozialprodukt (BSP) die Bruttowertschöpfung von (Wirtschafts-)lnländer quantifiziert, unabhängig von deren geographischem Standort. Der Unterschied zwischen Bruttoinlandsprodukt und Bruttosozialprodukt ergibt sich durch den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen In- und Ausland. Das BIP ist zu (laufenden) Marktpreisen angegeben. Eine volle internationale Vergleichbarkeit der Daten ist wegen der Unterschiede im Umfang und in der Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden statistischen Informationen nicht gewährleistet. Darüber hinaus ergeben sich Verzerrungen durch die Umrechnung der in den verschiedenen nationalen Wahrungen ausgedrückten Ursprungsdaten in US-Dollar. Die BSP-proKopf-Schatzwerte werden von der Weltbank durch Division der BSP-Werte zu laufenden USDollar-Preisen durch die Bevölkerungszahlen zur jeweiligen Jahresmitte nach einem speziellen Verfahren (Atlas-Verfahren) berechnet; für die Umrechnung der in nationaler Währung ausgedrückten Werte in US-Dollar werden u.a. die
Wechselkurse einer gleitenden Dreijahresperiode verwendet sowie der Infiationsunterschied zwischen Berichtsland und den USA berücksichtigt. Durch dieses Verfahren wird die internationale Vergleichbarkeit der BSP-Daten verbessert, die aber von den Angaben in den nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erheblich abweichen können. Die Angaben über Ausfuhr und Einfuhr von Waren und Dienstleistungen werden, entsprechend der Zahlungsbilanz-Definition, zu fob-Werten nachgewiesen. Der Saldo der Leistungsbilanz, der sich aus der Zusammenfassung von Handels-, Diensdeistungs- und Übertragungsbilanz ergibt, enthält nicht die empfangenen/geleisteten öffentlichen Transferzahlungen von der/an die übrige Welt. Durch die Neufassung des .Balance of Payments Manuar (5. Auflage, 1993) des International Monetary Fund (IMF) wird die Leistungsbilanz in Abstimmung mit den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen neu abgegrenzt; sie enthält neben den Waren- und Dienstleistungstransaktionen sowie den Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen In- und Ausland nur noch die .laufenden Übertragungen". Einmalige Vermögensübertragungen (z.B. Schuldenerlasse, Erbschaften, Schenkungen) sind ausgegliedert. Nach dem neuen Zahlungsbilanzkonzept entspricht der Saldo der Leistungsbilanz der Differenz zwischen inländischer Ersparnis und Nettoinvestition. Die Änderungen bei der Zuordnung der Standardkomponenten in der Zahlungsbilanzstatistik sollen ab 1995 berücksichtigt werden, was aber noch nicht bei allen Ländern der Fall ist. Sofern für zurückliegende Jahre die Revisionen, die sich durch das neue Präsentationskonzept der Zahlungsbilanzstatistik ergeben, nicht durchgeführt werden, ist ein intertemporaler Vergleich der Leistungsbilanzsalden nur bedingt möglich. Der Saldo der Kapitalbilanz ergibt sich aus der Veränderung der langfristigen und kurzfristigen (privaten und staatlichen) Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland, ohne Berücksichtigung der Zentralbank-Transaktionen; ein positiver Wert bedeutet Nettokapitalimport, ein negativer Wert Nettokapitalexport. Die Angaben zu den ausländischen (Netto-)Direktinvestitionen beziehen sich auf Kapitalbewegungen, durch die ein ausländischer Investor eine dauerhafte und effektive Beteiligung am Management oder an der Kontrolle eines Unternehmens erhalt; Portfolioinvestitionen von Ausländem sind in diesen Angaben nicht enthalten. Der Bestand an (zentralen) Währungsreserven ergibt sich als die Summe aus Sonderziehungsrechten, IMF-Reserveposition, Gold- und Devisenbeständen der nationalen Zentralbank. Die Angaben zu der Struktur der Nachfrage beziehen sich auf das BIP zu Marktpreisen (in konstanten Preisen unterschiedlicher Basisjahre; teilweise auch zu laufenden Preisen). Der private Verbrauch entspricht dem Marktwert aller Waren
309
Lateinamerika Jahrbuch 1999 und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten sowie von privaten Organisationen ohne Erwerbszweck gekauft oder als Einkommensersatz bezogen werden; soweit statistisch erfaßt, sind auch der Eigenverbrauch der Landwirtschaft berücksichtigt sowie die kalkulatorische Miete für Wohnraum, der vom Eigentümer genutzt wird. Der Staatsverbrauch entspricht im wesentlichen den laufenden Ausgaben auf allen Regierungsebenen für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen (einschließlich der Investitionsausgaben für Verteidigungszwecke). Die Bruttoinlandsinveslition umfaßt die Ausgaben und Aufwendungen für die Aufstockung des (privaten und staatlichen) Anlagevermögens zuzüglich des Nettowerts von Vorratsveränderungen. Die Bruttoinlandsersparnis ergibt sich als Summe aus Bruttoinlandsinvestition und dem Saldo von Handels- und Dienstleistungsbilanz (jedoch ohne die darin enthaltenen Faktoreinkommen) bzw. durch Subtraktion des gesamten Verbrauchs vom BIP. Die Kennzahlen zur sektoralen Entstehungsstruktur der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beziehen sich auf das BIP zu Marktpreisen (in laufenden Preisen). Der landwirtschaftliche Sektor umfaßt Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei; zu dem Industriesektor gehören Bergbau, verarbeitende Industrie, Energie- und Wasserwirtschaft sowie die Bauwirtschaft; alle übrigen Wirtschaftsbereiche sind dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Das Verarbeitende Gewerbe umfaßt die Hauptabteilung 3 der International Standard Industrial Classification (ISIC). Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit der Strukturdaten sind zum Teil erheblich eingeschränkt, da die Wertschöpfung der Subsistenzlandwirtschaft sowie die .informellen" Aktivitäten in den übrigen Wirtschaftsbereichen im allgemeinen statistisch nicht erfaßt werden. Die Auslandsverschuldung umfaßt den gesamten Bestand lang- und kurzfristiger Schulden privater und staatlicher Institutionen gegenüber der übrigen Welt einschließlich IMF-Kredite sowie rückständiger Zinszahlungen. Die Angaben zur öffentlichen Auslandsverschuldung beziehen sich auf die langfristigen staatlichen und staatlich garantierten Kreditverpflichtungen gegenüber dem Ausland. Der Schuldendienst ergibt sich als Summe aus Tilgungs- und Zinszahlungen, die tatsächlich in Devisen, Waren oder Dienstleistungen erbracht wurden (einschließlich des Rückkaufs und der Gebühren für IMF-Kredite). Die Schuldendienstquote gibt den Schuldendienst in Prozent der Exporterlöse für Waren und Dienstleistungen an. Die Daten zur Auslandsverschuldung sind überwiegend dem Debtor Reporting System der Weltbank entnommen; sie weichen zum Teil erheblich von den Angaben in nationalen Statistiken ab. Die Wachstumsrate des BIP gibt den prozentualen Zuwachs des BIP zu konstanten Marktpreisen gegenüber dem Vorjahre an. Die durch-
310
schnittlichen jährlichen Wachstumsraten des BIP für die Jahre 1965-60 und 1981-90 beziehen sich auf das reale BIP zu Marktpreisen. Als Inflationsrate ist der Anstieg der Konsumgüterpreise gegenüber dem Vorjahre angegeben. Als durchschnittliche jahrliche Inflationsrate für die Periode 1990-97 ist überwiegend der implizite BIPDeflator angegeben, der sich ergibt, wenn man den Wert des BIP zu laufenden Preisen durch den Wert des BIP zu konstanten Marktpreisen dividiert, wobei die Bewertung jeweils in nationaler Währung erfolgt; die so definierte Inflationsrate entspricht nicht dem Preisindex für die Lebenshaltung privater Haushalte, der üblicherweise zur Messung der Inflation verwendet wird.
C. Graphiken Die BSP-pro-Kopf-Daten sind nominale Werte in bezug auf den US-Dollar (siehe auch die entsprechenden Erläuterungen zu den BSP-Angaben des Tabellenteils); die jährlichen Wachstumsraten beziehen sich auf die realen (preisbereinigten) BIP-Werte. Die prozentualen Anteilswerte der Investitionen und der Ersparnis am BIP beziehen sich auf die Bruttoinlandsinvestitionen bzw. Bruttoinlandsersparnis. Bei den Exporten und Importen handelt es sich überwiegend um die in der Außenhandelsstatistik registrierten Warenausfuhren und -einfuhren. Die Angaben zur Gesamtverschuldung beziehen sich auf den Bestand lang- und kurzfristiger Auslandsschulden privater und staatlicher Institutionen (vergl. die entsprechenden Erläuterungen zu den Verschuldungsdaten des Tabellenteils); der Schuldendienst in Prozent der Exporterlöse für Waren und Dienstleistungen ist auf der Grundlage der tatsächlich geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen berechnet.
D. Quellen Economic Commission for Latin America and the Caribbean: Economic Panorama of Latin America, Santiago de Chile, verschiedene Jahrgänge. — : Economic Survey of Latin America and the Caribbean, Santiago de Chile, verschiedene Jahrgänge. — : Statistical Yearbook for Latin America and the Caribbean, Santiago de Chile, verschiedene Jahrgänge. Inter-American Development Bank: Annual Report, Washington, D.C., verschiedene Jahrgänge. — : Economic and Social Progress in Latin America, Washington, D.C., verschiedene Jahrgänge. International Monetary Fund: Direction of Trade Statistics Yearbook, Washington, D.C., verschiedene Jahrgänge.
Lateinamerika Jahrbuch 1999 — : IMF Economic Reviews. Public Information Aktuelle sozioökonomische Daten und Zeitreihen Notices, verschiedene Jahrgänge. für lateinamerikanische und karibische Staaten United Nations: Demographic Yearbook, New im Internet: • Caribbean Community: York, verschiedene Jahrgange. http://www.caricom.org — : National Accounts Statistics, New York, ver• Caribbean Development Bank: schiedene Jahrgange. http://www.cdbank.org — : Statistical Yearbook, New York, verschiedene • Economic Commisson for Latin America and Jahrgänge. the Caribbean: http://www.eclac.org — : World Population Prospects. The 1996 Re- • Inter-American Development Bank: vision, New York 1998. http://www.iadb.org United Nations Development Programme: Human • International Monetary Fund: Development Report, New York/Oxford, verhttp://www.imf.org schiedene Jahrgange. • Mercado Común del Sur: World Bank: World Development Indicators 1999 http://www.mercosur.org on CD-ROM, Washington, D C 1999. • World Bank: http://www.worldbank.org — : Global Development Finance 1998 on CDROM. Washington , D C 1998. — : World Bank Atlas, Washington, D.C., verschiedene Jahrgange. — : World Development Report, New York, verschiedene Jahrgange.
Weitere Informationen zu der Datenbank IBEROSTAT sind erhältlich bei: Professor Dr. Hartmut Sangmeister Ruprecht-Karts-Universitat Heidelberg Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für international vergleichende Wirtschafts- und Sozialstatistik Hauptstraße 126 D-69117 Heidelberg Telephon ++49 / 6221/ 542924 und 542925 Telefax ++49 / 6221 / 543589 e-mail: [email protected]
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Lateinamerika Jahrbuch 1999
An diesem Band haben mitgewirkt: Harald Barrios, Dr.phil., Institut für Politikwissenschaft, Universität Tübingen (Aufsatz Konsolidierung der Demokratie)', Klaus Bodemer, Dr.phil., geschäftsführender Direktor des Instituts für Iberoamerika-Kunde (IIK-Hamburg) (Mitherausgeber Redaktion; Chronologie Uruguay); Gilberto Calcagnotto, M.A., wiss. Mitarbeiter, IIKHamburg (Chronologie Brasilien)-, Daniel Dräger, Student, Universität Münster (Länderinformationen, Korrekturen)', Nina Elsemann, Studentin, Universität Hannover (Chronologien Argentinien und Guatemala)', Daniel Fiemes, wiss. Hilfskraft, IIKHamburg (Chronologie Chile), Wolfgang Grenz, Dipl.Hdl., wiss. Mitarbeiter, IIKHamburg (Schriflleitung und Gesamtkonzept; Chronologie Mexiko); Astrid Hake, Studentin, Universität Göttingen (Chronologien Honduras und Mexiko); Ilse Heinbokel, IIK-Hamburg (Textverarbeitung); Cord Hinrichs, Dipl. Volksw., Universität Heidelberg (IBEROSTAT); Bert Hoffmann, Dipl. Pol., wiss. Mitarbeiter, LAI/FU Berlin (Chronologie Kuba); Sabine Klapdor, Studentin, Universität Heidelberg (IBEROSTAT); Heinrich-W. Krumwiede, Dr. phil., wiss. Mitarbeiter, Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen, und apl. Prof., Universität Augsburg (Mitherausgeber, Redaktion); Sabine Kurtenbach, Dr.phil., wiss. Mitarbeiterin, IIK-Hamburg (Chronologien Kolumbien, Zentralamerika allg.); Bolívar Lamounier, Politikwissenschaftler, Direktor des Instituto de Estudos Sociais e Económicos de Säo Paulo (IDESP) (Aufsatz Politische Auswirkungen liberaler Reformen in Lateinamerika); Mechthild Minkner-Bünjer, Dipl.Hdl., Dipl.Kfm., wiss. Mitarbeiterin, IIK-Hamburg (Chronologien Bolivien, Ekuador und Peru); Astrid Nissen, Dipl.Pol., wiss. Mitarbeiterin, IIKHamburg (Chronologien El Salvadorund Haiti); Detlef Nolte, Dr.phil., wiss. Mitarbeiter und stellv. Direktor, IIK-Hamburg (Mitherausgeber, Chronologie Paraguay); Peter Peetz, wiss. Hilfskraft, IIK-Hamburg (Chronologie Nikaragua; Länderinformationen); Rupert F.J. Pritzl, Dr. rer.pol., Abteilung Außenwirtschaft im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, München (Aufsatz Institutionelle Reformen in Lateinamerika); Peter Rösler, stellv. Geschäftsführer, Ibero-Amerika Verein, Hamburg (Chronologie Venezuela); Hartmut Sangmeister, Prof.Dr., Institut für international vergleichende Wirtschafts- und Sozialstatistik, Universität Heidelberg (Mitherausgeber, Koordination Datenbank IBEROSTAT); Susanne Schmidt, Dipl.Volksw., Berlin (Chronologien Costa Rica und Panama); Stephen Wehner, Dipl.Math., Universität Heidelberg (IBEROSTAT); Matthias Witt, Dr.rer.pol., GTZ Bukarest (Aufsatz Beitrag von Sozialfonds zur Reform der öffentlichen Verwaltung).
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