Lateinamerika Jahrbuch 1995 9783964567307

Allgemeiner Länderteil sowie Aufsätze zu den Themen: Militär u. Sicherheitspolitik im südlichen Lateinamerika - Auswärti

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German Pages 340 [342] Year 2019

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Table of contents :
INHALT
Teil I: Aufsätze
Lateinamerikanische politische Zusammenarbeit in den 90er Jahren
Wie sicher ist die Sicherheit? Militär und Sicherheitspolitik im südlichen Südamerika
Auswärtige Kulturpolitik und die kulturelle Präsenz Lateinamerikas in Deutschland
Teil II: Entwicklungen in Ländern und Regionen
Übersichten über regionale Integrationsbündnisse und -prozesse
Informationen zu einzelnen Ländern: Basisdaten - Kennziffern - Chronologien 1994
Cono Sur
Brasilien
Andenregion
Mexiko
Zentralamerika
Karibischer Raum
Lateinamerika allgemein (Kennziffern zur demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung mit Graphiken)
Technische Erläuterungen zu der Datenbank IBEROSTAT
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
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Lateinamerika Jahrbuch 1995
 9783964567307

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg Lateinamerika Jahrbuch • Band 4

Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg

LATEINAMERIKA JAHRBUCH 1995 Herausgegeben von Albrecht von Gleich, Heinrich-W. Krumwiede, Detlef Nolte und Hartmut Sangmeister

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 1995

Institut für Iberoamerika-Kunde • Hamburg

Verbund Stiftung Deutsches Übersee-Institut

Die Deutsche Bibliothek - CI P-Einheitsaufnähme Lateinamerika Jahrbuch ... / Institut für Iberoamerika-Kunde, Hamburg.- Frankfurt am Main : Vervuert Erscheint jährlich. - Aufnahme nach 1992 ISSN 0943-0318 1992-

© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1995 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Konstantin Buchholz Printed in Germany ISBN 3-89354-423-2

INHALT

Seiten

Teil I: Aufsätze Alicia Frohmann Lateinamerikanische politische Zusammenarbeit in den 90er Jahren

9

Bernhard Moltmann Wie sicher ist die Sicherheit? Militär und Sicherheitspolitik im südlichen Südamerika

25

Nikolaus Werz Auswärtige Kulturpolitik und die kulturelle Präsenz Lateinamerikas in Deutschland

48

Teil II: Entwicklungen in Ländern und Regionen Übersichten über regionale Integrationsbündnisse und -prozesse -

Gemeinsamer Zentralamerikanischer Markt (MCCA) Andenpakt (Abkommen von Cartagena) Karibische Gemeinschaft und Karibischer Gemeinsamer Markt (CARICOM) Vereinigung Karibischer Staaten (ACS) Lateinamerikanisches Wirtschaftsbündnis (SELA) Lateinamerikanische Integrationsvereinigung (ALADI) Amazonaspakt Rio-Gruppe Dreier-Gruppe Gemeinsamer Markt der Länder des Cono Sur (MERCOSUR) Nordamerikanisches Freihandelsabkommen (NAFTA/TLC) Organisation Amerikanischer Staaten (OAS/OEA)

81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 92 94

Informationen zu einzelnen Ländern: Basisdaten - Kennziffern - Chronologien 1994 Cono Sur Argentinien Chile Paraguay Uruguay

96 97 109 121 126

Brasilien

132

Andenregion

154

Bolivien Ekuador Kolumbien Peru Venezuela

155 165 174 187 201

Mexiko

216

Zentralamerika

232

Costa Rica El Salvador Guatemala Honduras Nikaragua Panama

236 241 246 253 258 263

Karibischer Raum

268

Gesamt-Chronologie (außer Haiti und Kuba) Lünderkennziffern zu den Klein- und Kleinststaaten der Region Chronologie Haiti Chronologie Kuba

269 297 311 323

Lateinamerika allgemein (Kennziffern zur demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung mit Graphiken)

331

Technische Erläuterungen zu der Datenbank IBEROSTAT

335

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

340

Teil I

Prohmann: Politische Zusammenarbeit

Alicia Frohmann

Politische Zusammenarbeit Lateinamerikas in den 90er Jahren Einleitung Bei der Betrachtung der innerlateinamerikanischen Beziehungen Mitte der 90er Jahre erkennen wir sowohl im ökonomischen als auch im politischen Bereich ein komplexes Netzwerk von Kooperationsbeziehungen. Außerhalb von Lateinamerika - wo die Elemente der gemeinsamen Identität der Region wesentlich klarer erscheinen als von innen betrachtet - stellen sich die Geradlinigkeit und die Dynamik dieser Verbindungen als logisch und normal dar. Die Zusammenarbeit zwischen den lateinamerikanischen Ländern - so wie wir sie Mitte der 90er Jahre beobachten - ist ein ziemlich neues Phänomen, das sich erst während der letzten Dekade entwickelt hat. Im politischen Bereich sind die Contadora-Gruppe, der Prozeß von Esquipulas und die Rio-Gruppe zu nennen. Sie konsolidierten sich nach dem Kalten Krieg im Zuge des Erneuerungsprozesses der OAS. Zu den jährlichen Versammlungen der Rio-Gruppe (Staatschefs) und der OAS (Außenminister) kamen in den 90er Jahren die Iberoamerikanischen Gipfeltreffen und 1994 der Hemisphärengipfel in Miami hinzu. Die jüngste Initiative (Mai 1995) auf dem Gebiet der politischen Zusammenarbeit ist der Vorschlag des Lateinamerikanischen Parlaments an die Außenminister der Rio-Gruppe, eine Lateinamerikanische Gemeinschaft der Nationen zu konstituieren. Dieser Vorschlag wird von den Staatschefs der 14 Mitgliedsländer dieser Gruppe auf dem Präsidentengipfel in Quito im September dieses Jahres diskutiert und evaluiert werden. Obwohl die ALADI als Verhandlungsrahmen über Zollpräferenzen beibehalten wurde und auch der Anden-Pakt fortbestand, entwickelten sich im ökonomischen

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Bereich der MERCOSUR, der CARICOM, der Gemeinsame Zentralamerikanische Markt, die Dreier-Gruppe und eine Vielzahl bilateraler Verträge. Seit dem Hemisphärengipfel von 1994 gibt es die Perspektive der Bildung einer ganz Amerika umfassenden Freihandelszone im Jahre 2005. Der vorliegende Artikel behandelt vor allem das Thema der politischen Zusammenarbeit in Lateinamerika, ausgehend von der Hypothese, daß dieser Prozeß ein eigenständiger lateinamerikanischer Beitrag zum Ende des Kalten Krieges ist, welcher der Integrationsentwicklung im ökonomischen Bereich vorausgeht und für diese eine unentbehrliche Grundlage bildet.

1.

Die 80er Jahre: Von der Atomisierung zur Übereinstimmung

Die Periode von Ende der 70er bis Anfang der 80er Jahre war gekennzeichnet durch den Zustand einer Fragmentierung und Isolierung der lateinamerikanischen Nationen. Mangels eines gemeinsamen politischen Willens dominierten die bilateralen Beziehungen sowohl zwischen den lateinamerikanischen Ländern selbst, als auch gegenüber der industrialisierten Welt. Die regionalen Initiativen, die in den vorausgegangenen Dekaden ihre Blüte erlebt hatten (ALALC, Anden-Pakt, CECLA, SELA) wurden erheblich geschwächt, und die politische wie ökonomische Integration Lateinamerikas schien zum Scheitern verurteilt zu sein. Die OAS, die sich als eine funktionale Institution innerhalb der Logik des Kalten Krieges entwickelte, hatte einen politischen Legitimationsverlust in Lateinamerika erlitten und wurde eher als ein Instrument der US-Politik denn als eine Regionalorganisation wahrgenommen. Die Lateinamerikaner fühlten sich innerhalb der OAS oftmals von Washington manipuliert. Die Organisation stand für die regionale Hegemonie der Vereinigten Staaten und für Strategien Washingtons im Rahmen der Ost-West-Konfrontation. Unterschiedliche Faktoren hatten zur Erosion der regionalen Integrationsbestrebungen beigetragen. Im politischen Bereich wirkten die autoritären Regime, die die Mehrheit der südamerikanischen Länder regierten, mit bei der Beseitigung der gemeinsamen Integrationsvorschläge, zu denen man in der Vergangenheit gelangt war1. Zudem erschwerten sie die Suche nach einer gemeinsamen politischen und kulturellen Identität. Die einzigen gemeinsamen Nenner der Militärregierungen schienen die brutale Repression, die kriegerischen Bedrohungen zwischen Grenzstaaten und die Zustimmung zur Doktrin der Nationalen Sicherheit unter Schirmherrschaft der Vereinigten Staaten zu sein. Im ökonomischen Bereich trugen die Energiekrise und der Teufelskreis wachsender Auslandsverschuldung dazu bei, die ökonomischen Interessen der lateinamerikanischen Länder zu differenzieren, mit

Die meisten Integrationsbemühungen dieser Perlode wurden von politischen Mitte-Links-Koalitionen betrieben und erhielten keinerlei Unterstützung von Seiten der Unternehmer oder der Streitkräfte.

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

der Folge der Zerstörung des größten Teils der regionalen Integrationsübereinkünfte, die bis dahin erreicht worden waren2. Aus diesen Gründen existierten in Lateinamerika Anfang der 80er Jahre, als die Reagan-Administration erneut die Hegemonie der USA in der Region etablierte und der Krieg im Süd-Atlantik und die Schuldenkrise die große politische wie ökonomische Verwundbarkeit der Region offenbarten, keine bedeutenden regionalen Institutionen, die diesen Problemen effizient hätten begegnen können. In diesem Kontext vollzog sich die Eskalation des Konflikts in Zentralamerika ausgelöst durch eine Vielzahl interner, politischer Faktoren, ebenso wie durch ernsthafte Menschenrechts- und Sozialentwicklungsprobleme und solche sozialer Gerechtigkeit - mit einer zunehmenden Intervention der USA in der Region. Zentralamerika wurde von der Reagan-Administration als ein nahegelegener Schauplatz der Ost-West-Konfrontation wahrgenommen. Die Konflikte in Zentralamerika - vor allem die in Nikaragua und El Salvador - waren ein typisches Beispiel dessen, was Robert Pastor einen "mit internationaler Rivalität verbundenen Bürgerkrieg" genannt hat, das heißt, ein Konflikt, "der durch den Kalten Krieg nicht ausgelöst aber verschärft wurde" (Pastor 1993). Die besondere Verbindung zwischen lokalem Konflikt und internationaler Rivalität hat den Regierungen der Dritten Welt historisch auferlegt, nach regionalen oder subregionalen Mechanismen der politischen Kooperation zu suchen (Yopo 1989). Das Unvermögen der etablierten Institutionen des Interamerikanischen Systems, den Konfliktsituationen, die die Sicherheit ihrer Mitglieder ernsthaft bedrohte, effizient zu begegnen, war ein Anreiz für die Suche nach eigenen Mechanismen seitens der lateinamerikanischen Länder. Im Falle der kollektiven lateinamerikanischen Diplomatie zu Beginn und Mitte der 80er Jahre, entschied sich eine Reihe von Ländern zum Handeln. Denn in dem Maße, in dem der zentralamerikanische Konflikt eskalierte und sich in einen Krieg verwandelte, begann er sich in eine Bedrohung für den Frieden und den beginnenden Transitionsprozeß zur Demokratie im übrigen Lateinamerika zu verwandeln. Die Zwangsjacke der Ost-West-Konfrontation schien jegliche Möglichkeit einer friedlichen Verhandlungslösung auszuschließen und nährte die wachsende politische und ideologische Polarisierung in anderen Teilen der Region3.

2

Dies war eine Integration 'nach innen', die tatsächlich die Anwendung des ImportsubstltutionsModells auf einer regionalen oder subregionalen Ebene anstrebte. Der Kollaps dieses Integrationstyps Ist eng verbunden mit dem Verschwinden des Modells der Impoitsubstitution in vielen der lateinamerikanischen Länder.

'

Um es mit den Worten des ehemaligen argentinischen Außenministers, Dante Caputo, zu sagen: "Wenn sich ein Krieg in dieser Region etablierte, würden sich seine Auswirkungen auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent fortsetzen. Von Mexiko bis Feuerland sähen sich unsere Gesellschaften durcheinander gebracht, polarisiert und radikalisiert. Und radikallsierte und polarisierte Gesellschaften sind ein besonderer Anreiz für Konflikte und Sticheleien der Supermächte (...). Wir sähen uns erneut verwickelt In eine uns fremde Konfrontation, die Fahnen hißt, welche nicht die unsrigen sind und uns ausbeutet mit Losungen, die keinesfalls das nationale oder das regionale Interesse repräsentieren* (Caputo 1986).

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

In diesem Kontext begann eine Gruppe demokratischer, lateinamerikanischer Staaten mit einem diplomatischen Vorstoß die kollektive Einmischung zu suchen, um eine friedliche Übereinkunft in Zentralamerika zu erreichen: der Contadora-Prozeß begann.

2.

Von der Contadora- zur Rio-Gruppe

Zwischen 1983 und 1993 entwickelte sich die gemeinsame lateinamerikanische Diplomatie dramatisch über klar differenzierte Etappen hinweg sowohl in bezug auf die teilnehmenden Länder, als auch auf wechselnde relative Prioritäten. Zwischen 1983 und 1985 war die Contadora-Gruppe - zu der Kolumbien, Mexiko, Panama und Venezuela zählten - ein wesentlicher Akteur im zentralamerikanischen Konflikt. Es gelang ihr, eine größere kriegerische Eskalation zu vermeiden, die Möglichkeit eines friedlichen Verhandlungsabkommens am Leben zu erhalten und die Parameter für zukünftige Friedensabkommen zu entwerfen. 1985 bildeten vier demokratische Länder Südamerikas - Argentinien, Brasilien, Peru und Uruguay - die sog. Unterstützungsgruppe, um das politische Gewicht des Friedensvorschlags der Contadora-Gruppe zu verstärken. Ein Haupthindernis für die Aktivitäten der Contadora-Gruppe war die Stärke der diplomatischen, militärischen und politischen Offensive der Reagan-Administration in Zentralamerika. Noch so ausgewogene Vorschläge der Contadora-Gruppe zur Friedensförderung in der Region wurden durch die USA mit dem Vorwurf weggewischt, die Gruppe begünstige in Wirklichkeit die sandinistische Regierung. In der ideologisch aufgeladenen Atmosphäre Anfang 1985 war für Washington die Tatsache, nicht ausdrücklich die Absetzung der sandinistischen Regierung zu verfolgen, praktisch gleichbedeutend damit, eine Marionette der kubanischen und sowjetischen Interessen zu sein. Als Argentinien, Brasilien, Peru und Uruguay Mitte 1985 die Unterstützungsgruppe bildeten, um ein umfassendes Friedensabkommen zu erwirken, schien dies die Reichweite die Konspiration gegen die USA nur zu bestätigen. Die Contadora-Gruppe war genau in jener Zwangsjacke gefangen, aus der sie sich zu befreien versuchte: die Auswirkungen der strategischen Rivalität des lokalen Konflikts, den sie lösen wollte, drohten ihr Vorhaben zu disqualifizieren. Die USA folgten einer strikten Logik der militärischen Konfrontation, während die Contadora-Gruppe die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Lösung der internationalen Streitereien ablehnte. Obwohl die Contadora-Gruppe eine weitere Regionalisierung des Krieges verhindern konnte, waren die USA in der Lage, die Kriterien festzulegen, denen zufolge die Wurzel des Obels die sandinistische Regierung in Nikaragua war und die anderen Konflikte und Länder eine entsprechend sekundäre Bedeutung einnahmen. Für die zentralamerikanischen Regierungen, die gegenüber dem US-amerikanischen Druck besonders verwundbar sind, wurde es praktisch unmöglich, sich an dem Verhandlungsprozeß zu beteiligen, den die Contadora-Gruppe vorsah (Rojas Aravena und Solfs Rivera 1988:75).

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

Das Engagement der Contadora-Gruppe für den Frieden in Zentralamerika stieß auch auf andere Schwierigkeiten: Insbesondere Mexiko wurde als ein Land mit subregionalen Hegemonie-Ansprüchen in Zentralamerika angesehen. Deshalb wurde den Initiativen der Gruppe häufig mit Mißtrauen begegnet4. Dennoch erzielte die Initiative der Contadora-Gruppe beträchtliche Erfolge: -

-

-

-

Die gemeinsamen Anstrengungen zur Erlangung eines Verhandlungsfriedens in Zentralamerika begründeten einen Konsultations-, Dialog- und Konzertationsprozeß zwischen zunächst vier und später acht Ländern Lateinamerikas über einen längeren Zeitraum hinweg. Dies war eine einzigartige Erfahrung und ein Lernprozeß, der kollektive Initiativen begünstigte, die die Region mit erheblichem Erfolg während der letzten Dekade in Angriff nahm, um anderen Themen zu begegnen. In bezug auf den zentralamerikanischen Konflikt erlaubten die Anstrengungen der Gruppe die Herausbildung eines gewissen Klimas gegenseitigen Vertrauens, das den Dialog zwischen den Zentralamerikanern erleichterte. Indem sie den Weg für Esquipulas II öffnete, war die Contadora-Initiative erfolgreich. Die Ziele, Prinzipien und Inhalte des Friedensplans der Contadora fixierten die Parameter, innerhalb derer die nachfolgenden Abkommen erlangt wurden. Durch die Entwicklung eines umfassenden Friedensplans und die Unterstützung des Dialogs zwischen den Gegnern, erreichten die Contadora und ihre Unterstützungsgruppe die politischen Kosten einer kriegerischen Eskalation in die Höhe zu treiben und einige der schärfsten Spannungen zu lösen. Sie trugen nicht nur dazu bei, die Politik der USA zu isolieren, die in großen Teilen Lateinamerikas und anderen Teilen der Welt in zunehmendem Maße kritisch betrachtet wurde. Sie erreichten auch, einige der unversöhnlichsten Haltungen der sandinistischen Regierung in den Verhandlungen zumindest teilweise abzuschwächen. Sie steigerten die Kenntnis und das internationale Bewußtsein über das Ausmaß des Konflikts in Zentralamerika und hinsichtlich der Notwendigkeit, ein Verhandlungsabkommen zu erreichen. Dies bremste auch den US-amerikanischen Aktivismus in der Region. Die Contadora- und ihre Unterstützungsgruppe hatten zumindest einen Teilerfolg im Versuch, den zentralamerikanischen Konflikt von der Ost-West-Konfrontation zu lösen, indem sie die sozialen und ökonomischen Dimensionen und die Elemente der Nord-Süd-Konfrontation hervorhoben, die die Wurzeln vieler zentralamerikanischer Probleme bilden. Die regionalen Anstrengungen zur Lösung des Konfliktes in Zentralamerika müssen als einer der wesentlichen Beiträge Lateinamerikas zur Beendigung des Kalten Krieges angesehen werden.

Schließlich vereinigten sich beide Gruppen 1986 in der Rio-Gruppe oder Gruppe der Acht. Das politische Szenarium hatte sich inzwischen verändert, und kurioserweise trug eine Initiative, deren Zweck es gewesen war, die Contadora-Gruppe zu

4

Obwohl internationale Analytiker diese Schwierigkeit nicht oft anführen, war das Mißtrauen gegenüber Mexiko In den Debatten unter zentralamerikanischen Regierungsvertretern über die Contadora-Aktivitäten ohne Frage wichtig. Siehe hierzu Herrera-Lasso 1988 und Solls 1993.

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

stärken, letztendlich dazu bei, die Initiative aufzulösen und ihren Charakter zu verändern. Die Rio-Gruppe hatte ein wesentlich deutlicheres südamerikanisches PolitikProfil, und ihr Hauptziel wandelte sich sehr schnell in die Konsolidierung des demokratischen Prozesses in allen Ländern der Region um. 1990 schlössen sich Chile, Ekuador, Bolivien und Paraguay der Rio-Gruppe an, und die zentralamerikanischen und karibischen Länder wurden aufgefordert, sich durch einen Repräsentanten entsprechend zu beteiligen. Heute umfaßt die RioGruppe die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder, hat aber ihren Charakter einer ziemlich losen Gruppe beibehalten, mit der definierten Absicht gegenseitiger Konsultation und Konzertation. Es erscheint fast leichter zu beschreiben, was die Rio-Gruppe nicht ist, als sie genauer zu definieren. Sie ist weder ein multilateraler, internationaler Organismus, noch eine repräsentative und ausführende Regionalinstitution und auch keine Gruppe von Ländern, die aufgrund eines ad-hoc-Zwecks gegründet wurde. Sie ist ein Mechanismus des politischen Dialogs, der Konsultation, der Konzertation und der Suche nach einem Konsens. Die Entwicklung dieser neuen Modalitäten zur Behandlung der regionalen Konflikte war ein langsamer und abgestufter Prozeß. Er beinhaltete, von vergangenen Erfahrungen zu lernen und gegenseitige Vertrauensbeziehungen aufzubauen. Das Fehlen einer Institutionalisierung der Rio-Gruppe ist häufig kritisiert worden, aber es ist genau dieser Aspekt, dem sie sowohl ihren Zusammenhalt als auch ihr Fortdauern verdankt, obwohl von ihm auch Schwächen und Unbestimmbarkeiten ausgingen. Anfänglich wurde die Gruppe als ein prinzipiell reaktiver Organismus aufgefaßt. In jüngster Zeit hat sie allerdings erreicht, besser geplante Strategien zu entwickeln, wenigstens gegenüber ihren Gesprächspartnern in der Europäischen Gemeinschaft und in der asiatisch-pazifischen Region. Die Rio-Gruppe hat im Laufe der Jahre unterschiedliche Prioritäten gehabt: zunächst, zwischen 1983 und 1986, die Suche nach einem verhandelten und friedlichen Abkommen in Zentralamerika; später, gegen Ende der 80er Jahre, die Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses in der Hemisphäre; und schließlich, nach 1990, gemeinsame Bemühungen für eine erfolgreichere Partizipation in der Weltwirtschaft. Es bleibt abzuwarten, ob sie in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf dem Weg der Etablierung einer Gemeinschaft der lateinamerikanischen Nationen voranschreitet. Auch wenn sie keinen direkten Einfluß auf die unterschiedlichen nationalen Prozesse des Übergangs zur Demokratie hatte, gelang es der Rio-Gruppe gegen Ende der 80er Jahre doch, in Lateinamerika das Prinzip der demokratischen Legitimität als Hauptkriterium internationaler Legitimität einzuführen. Tatsächlich etablierte die Gruppe aufgrund der Panama-Krise das Prinzip, daß Demokratie eine fundamentale Voraussetzung dafür ist, an dem Konzertationsmechanismus teilzuhaben. Seit 1990 hat die Gruppe ökonomischen Themen und ihrer Rolle als lateinamerikanischer Gesprächspartner mit anderen Teilen der Welt (insbesondere den Industrieländern) eine stärkere Bedeutung beigemessen und nicht ernsthaft in die Krisensituationen der Mitgliedsländer oder die Konflikte in anderen Teilen der Hemisphäre eingegriffen.

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

Die internationale Verurteilung der Menschenrechtsverletzungen in Kuba ist ein Thema, das die Rio-Gruppe seit Ende der 80er Jahre beschäftigt hat. In ihrer Mehrheit waren die lateinamerikanischen Länder sehr kritisch gegenüber den von den USA angewandten Methoden, um Veränderungen in Kuba zu erreichen. In den 90er Jahren, vor allem nachdem der US-Kongreß das Torricelli-Gesetz verabschiedet hatte, hat die Rio-Gruppe die Haltung eingenommen, gleichzeitig die Blockade der USA zu verurteilen und den Übergang zur Demokratie in Kuba zu fördern. Das Gesetzesvorhaben der US-Senatoren Helms/Burton von 1995, das Sanktionen der USA gegen Personen oder Unternehmen anderer Länder vorsah, die Geschäfte mit Kuba abwickeln, wurde von der Rio-Gruppe kategorisch abgelehnt, weil dies die Anwendung von Gesetzen der USA in Drittländern ermöglichen würde. Die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder hat in dieser Frage eine ähnliche Haltung eingenommen. Am Golfkrieg 1991 nahm die Rio-Gruppe als Institution nicht teil, obwohl einige ihrer Mitglieder sich den alliierten Streitkräften anschlössen, die einen Rückzug des Iraks aus Kuwait erwirkten. In der Eigenschaft als lateinamerikanisches Forum diskutierte die Rio-Gruppe die ökonomischen Auswirkungen des Golfkrieges und bot an, in Übereinstimmung mit den internationalen Gesetzen, Mechanismen zu entwickeln, um die Suche nach einem Friedensabkommen zu unterstützen. Im Februar 1992 unterstützte die Rio-Gruppe aktiv den Staatschef eines seiner Gründungsmitglieder, Venezuela, nachdem ein Militärputsch fast die Amtsenthebung des Präsidenten Carlos Andrés Pérez bewirkt hätte. Im März desselben Jahres wies die Gruppe jegliche Initiativen zurück, die die institutionelle Ordnung eines jeglichen Landes umstürzen. Gleichzeitig brachte sie aber ihre Opposition gegen multilaterale Militäreinsätze zum Ausdruck, die der Verteidigung einer demokratischen Regierung dienen. Sie trat emphatisch dafür ein, das demokratische System in allen Ländern der Region zu konsolidieren, um den demokratischen Bankrott zu vermeiden. Dies war ebenfalls der konzeptionelle Rahmen, in dem die Rio-Gruppe den Krisen in Peru, Haiti, Surinam und Guatemala begegnete. Ausdrücklich verurteilt wurden der Zusammenbruch der demokratischen Institutionen und die Verletzungen der Menschenrechte. Die Gruppe kam zu dem Schluß, Maßnahmen, die die OAS im Verhältnis zu den genannten Ländern ergreifen könnte, zu unterstützen. Peru wurde nach dem Selbstputsch im April 1992 vorläufig aus der Gruppe ausgeschlossen, später aber wieder zugelassen. Das jüngste Beispiel von Distanzierung der Gruppe angesichts eines Konfliktes ist der Fall des Krieges aufgrund alter Grenzstreitigkeiten zwischen Peru und Ekuador 1995. Ihre Rolle befand sich auf dem untersten Niveau; sie überließ in diesem Falle die Versuche einer Konfliktlösung den Garanten des Protokolls von Rio de Janeiro von 1942 (Argentinien, Brasilien, USA und Chile). Dieser Fall ließ ernsthafte Zweifel aufkommen, sowohl hinsichtlich der Zuverlässigkeit innerlateinamerikanischer Kooperationsbeziehungen als auch bezüglich der Fähigkeit der Länder der Region, ihre Meinungsverschiedenheiten friedlich zu lösen. Klar aber ist, daß sich die Rio-Gruppe selbst derzeit nicht als eine Institution versteht, die aktiv in die Lösung dieser Art von Konflikten eingreifen sollte. Tatsäch-

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

lieh hat sie öffentlich ihr Unvermögen in diesem Sinne zugegeben. Sie sieht ihre aktuelle Rolle eher darin, "eine internationale Atmosphäre zu schaffen, die die Demokratie begünstigt" (Solana 1992), als darin, ein spezifisches Werkzeug zu benutzen, um das demokratische System eines bestimmten Landes zu verteidigen oder einen Friedensprozeß zu erleichtern. In den 90er Jahren haben sich die globalen Bedingungen gewandelt, und die lokalen Konflikte laufen nicht mehr direkt Gefahr, sich in einen Teil eines übergeordneten strategischen Konflikts zu verwandeln. Innerhalb dieses neuen Kontextes scheint sich die Rolle unabhängiger Initiativen wie diejenigen der Rio-Gruppe ebenfalls verändert zu haben. Während in den 80ern die Initiativen der Gruppe sehr isoliert und in gewissem Sinne widersprüchlich zu den USA und der OAS waren, gibt es heute zusätzlich andere Foren, um die Themen des Friedens und der Demokratie in der Hemisphäre zur Sprache zu bringen. Die Prioritäten der Rio-Gruppe haben sich eindeutig verändert. Die internen Konflikte und die politischen Probleme erfahren nur noch eine Aufmerksamkeit zweiten Grades, während Themen wie Handelsliberalisierung, Protektionismus, regionale Integration, Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der internationalen Wirtschaft, dauerhafte Entwicklung und Linderung der Armut im Moment die wesentlichen sind.

3.

Die Veränderungen in der OAS

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ist die Institution, die das Interamerikanische System umfaßt. Obwohl ihre Ursprünge in der Ersten Internationalen Konferenz Amerikanischer Staaten von 1889/90 und in der Panamerikanischen Union liegen, ist die OAS - so wie wir sie heute kennen - eine Schöpfung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1948 und Mitte der 60er Jahre wurden im Rahmen der OAS oder von ihr ausgehend 40 Streitfälle gelöst und eine Vielzahl von Instanzen (wie z.B. die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) und die Interamerikanische Menschenrechtskommission) geschaffen, die für das Funktionieren des Interamerikanischen Systems bedeutsam sind, (Ball 1969; Scheman 1988; Stoetzer 1993). Dennoch trat die OAS schon in der zweiten Hälfte der 60er Jahre in eine Krisenperiode ein, die sich in den 70ern und 80ern in eine langwierige Agonie verwandelte. Die Doktrin der Nationalen Sicherheit und die aufeinanderfolgenden, von den Vereinigten Staaten angetrieben Invasionen und Interventionen in Staatsstreichen zerstörten das Prinzip der Nicht-Intervention. Dies war der lateinamerikanischen Diplomatie immer vorenthalten worden. Auf der anderen Seite schienen die Vereinigten Staaten nicht mehr an den multilateralen Instanzen interessiert zu sein, da sie in den 70er Jahren bilaterale Beziehungen und in den 80ern eine im wesentlichen unilaterale Außenpolitik bevorzugten (Vaky 1993). Die Politik der Vereinigten Staaten in Zentralamerika, ihre Haltung im Südatlantik-Krieg und die Invasionen in Grenada und Panama führten dazu, daß die OAS - was die Lösung von Proble-

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

men und Konflikten betrifft, unter denen die Region litt - bis zur politischen Irrelevanz verkümmerte. Innerhalb dieses Vakuums begannen andere Instanzen innerlateinamerikanischer Kooperation zu entstehen, wie die Contadora-Gruppe, das Esquipulas-Abkommen und die Rio-Gruppe. Historisch gesehen erhielten lateinamerikanische Organisationen, die die USA ausschlössen und sich parallel zur OAS entwickelten, die Mißbilligung Washingtons. Sie stellten implizit oder explizit die Legitimität und den Führungsanspruch der interamerikanischen Institutionen in Frage. Dabei entstand die Rio-Gruppe nicht so sehr als eine Alternative zur OAS, sondern eben aus der Notwendigkeit einer regionalen Initiative heraus, die sich einer größeren Legitimität als die OAS erfreuen würde. Im Kontext der Folgezeit des Kalten Krieges und angesichts des internen Reformprozesses der Organisation und ihrer formalen Verpflichtung zur Demokratie scheint es heute möglich, die OAS in Lateinamerika erneut politisch zu legitimieren. 1990 markierten zwei Ereignisse den Beginn des Transformationsprozesses und der Relegitimierung der OAS. Eines war die effiziente Überwachung der Wahlen in Nikaragua und des Wiedereingliederungsprozesses der Contras. Dies war die erste einer Reihe ähnlicher Initiativen in bestimmten Teilen der Hemisphäre, die die Hoffnung auf die Möglichkeit kollektiver Unterstützung der Demokratie wieder ermutigte. Ein zweiter Markstein war die von US-Präsident Bush verkündete Initiative für die Amerikas. Sie schien eine neue Epoche einzuleiten, in der Sicherheitsfragen als bislang vorherrschender Schwerpunkt der US-Lateinamerikapolitik abgelöst wurden durch Themen wie Handel mit und Investitionen in der Subregion. Die Bush-Initiative wurde in Lateinamerika sehr gut aufgenommen, schien sie doch ein erneuertes Interesse der Vereinigten Staaten an den Nachbarn im Süden zu zeigen, innerhalb von Parametern, die mit den lateinamerikanischen Interessen zu diesem Zeitpunkt übereinstimmten. Die Erklärung von Santiago im Juni 1991, in der alle Teilnehmer der 21. OASGeneralversammlung einer "kollektiven Verpflichtung gegenüber der Demokratie und zur Erneuerung des Interamerikanischen Systems" zustimmten, bedeutete in der Tat eine Redefinition der grundlegenden Aufgaben und Ziele der Organisation. Es bestätigte sich dasselbe Prinzip, das schon vorher die Rio-Gruppe geformt hatte: Außerhalb der demokratischen Legitimität gibt es keine Möglichkeit einer internationalen, politischen Legitimität. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Reaktionen der lateinamerikanischen Länder auf institutionelle Umstürze, wie diejenigen in Haiti, Peru und Guatemala, in Abstimmung mit der Santiago-Deklaration belebt. Die Anstrengungen der OAS, eine Rückkehr dieser Länder zur demokratischen Ordnung zu erreichen, führten in dem einen oder anderen Fall zu unterschiedlichen Ergebnissen. In Peru kümmerte sich Fujimori tatsächlich um die Verbesserung seines eigenen Images und das seiner Regierung, indem er teilweise dem von der OAS und von der internationalen Staatengemeinschaft ausgeübten Druck nachgab. Im Fall des Selbst-Putsches von Serrano in Guatemala ermöglichten im wesentlichen die schnelle Reaktion der guatemaltekischen Zivilgesellschaft und der Druck von Seiten Mexikos und der Vereinigten Staaten mit der Unterstützung der OAS eine Rückkehr zur institutionellen Ord-

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

nung. Die Mission der OAS in Haiti erwies sich als wesentlich schwieriger: Das durch die Caputo-Mission erwirkte Abkommen von 1993 (Amnestie für die haitianischen Militärs, Rückkehr von Aristide und Rücktritt von Cedras) wurde von den Putschisten Haitis nicht eingehalten. Praktisch veränderte sich die Situation erst nach der militärischen Besetzung der Insel durch eine Intervention multinationaler Streitkräfte, angeführt von den Vereinigten Staaten. Diese Erfahrungen schienen zu zeigen, daß der Erfolg von OAS-Initiativen für die Demokratie im wesentlichen von den Signalen der Vereinigten Staaten abhängt. In den Fällen Perus und Guatemalas gab es von Beginn an eine klare Position zugunsten der institutionellen Wiederherstellung. Im Falle Haitis gab es dagegen grundsätzlich eine gewisse Ambivalenz, ausgelöst durch die Zweifel, ob Washington wirklich eine Wiedereinsetzung von Aristide in sein Amt wünschte. All diese Fälle sind reaktiv: Die interamerikanische Gemeinschaft reagiert auf bestimmte Fälle von Umstürzen der demokratischen institutionellen Ordnung. Aber es existiert zwischen den Mitgliedsländern auch die Auffassung, daß die OAS eine präventive Funktion übernehmen könnte: Erziehung zur Demokratie, Wahlbeobachtung (s. Tabelle) sowie eine Debatte über die Frage, welches die Elemente sind, die zur Stärkung des demokratischen Systems beitragen. Dies sind einige der Aufgaben, die auf die neue Einheit zur Förderung der Demokratie hinweisen.

Organisation Amerikanischer Staaten Wahlbeobachtungsmissionen 1990 1991 1992 1993 1994

Nikaragua, Haiti El Salvador, Surinam, Paraguay Peru, Paraguay Peru, Honduras, Venezuela Panama, Dominikanische Republik

Quelle: Organisation Amerikanischer Staaten

Auf der anderen Seite stellen die grundlegenden Ebenen der politischen Kooperation und vor allem diejenigen, die mit der Verteidigung der Demokratie verbunden sind, in bestimmter Weise das in Frage, was traditionell ein unantastbarer Grundsatz der lateinamerikanischen Diplomatie war: das Nichteinmischungsprinzip. Dieses Prinzip war ein fundamentales Werkzeug beim Versuch der Eindämmung der Interventionskräfte der europäischen Mächte im 19. sowie der USA im 20. Jahrhundert. Die (zumindest relative) Aufgabe des Prinzips der Nichteinmischung, die die neuen Mechanismen der kollektiven Aktion in der Praxis erfordern, wäre nur dann realistisch, wenn die interventionistischen Impulse aufhörten. Das Ende des Kalten Krieges hat bis zu einem gewissem Grad den US-Interventionismus abgeschwächt, da die internen lateinamerikanischen Konflikte nicht länger ausschließlich 18

Frohmann: Politische Zusammenarbeit

mit der Brille der Nationalen Sicherheit der USA betrachtet wurden. Trotzdem, und das hat die jüngste Vergangenheit bewiesen, wird diese Macht weiterhin vor allem in ihrer unmittelbaren Einflußzone - Zentralamerika und Karibik - mit all ihrem Gewicht agieren. Deswegen wird das Prinzip der Nichteinmischung als Schutzschild möglicherweise weiterhin notwendig sein. In diesem Bereich hat sich eine gewisse Debatte entwickelt. Einerseits herrscht aus der lateinamerikanischen Perspektive, die der Förderung und Stärkung von Demokratie zuneigt, ein gewisses Mißtrauen vor gegenüber Vorstellungen, das Prinzip der Nichteinmischung aufzugeben - insbesondere in der OAS, die ja ein traditionelles Hegemonieinstrument der USA war. Andererseits sehen die Fürsprecher der Verteidigung der Demokratie im Norden in der Nichteinmischung häufig ein Hindernis für kollektives Handeln im Sinne der Erhaltung von Demokratie und Frieden (Reed/Kaysen 1993).

4.

Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt

4.1.

Die Europäische Union

Seit 1990 haben sich die Außenminister der Rio-Gruppe regelmäßig mit ihren Kollegen der Europäischen Union (EU) getroffen und mit ihnen verhandelt. Diese Zusammenkünfte finden abwechselnd in beiden Regionen und jährlich während der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York statt. Die Mitgliedsländer sehen diese multilaterale Verhandlungsebene u.a. auch deshalb als nützlich an, um ihre eigenen nationalen Interessen voranzutreiben. Die EU hat deutlich gemacht, daß sie multilaterale Verhandlungen den bilateralen vorzieht. So müssen z.B. im Falle bevorzugter Wirtschaftsverbindungen, die Chile mit der EU sucht, parallel zu den bilateralen Verhandlungen auch Gespräche mit der Rio-Gruppe und dem MERCOSUR geführt werden. Für die Rio-Gruppe symbolisiert diese Art der Beziehungen die Anerkennung als regionale Gruppierung durch die wichtigste Staatengemeinschaft der industrialisierten Welt, wo sich einige ihrer wichtigsten Auslandsinvestoren und Handelspartner befinden und die außerdem weltweit als das wichtigste Modell ökonomischer Integration gilt. Auf der anderen Seite hat Lateinamerika als Gegengewicht zur Hegemonie der USA in der Region traditionsgemäß besonders enge Beziehungen mit den europäischen Ländern gesucht. In den Jahren der Militärherrschaft und des Übergangs zur Demokratie hat die politische Standhaftigkeit der meisten europäischen Länder zugunsten der Demokratie in Lateinamerika auch der Stärkung historischer Bande gedient. Die Europäische Gemeinschaft sympathisierte seit Anbeginn mit der Rio-Gruppe. Diese Verbindungen gehen zurück auf die Zeit der Contadora-Gruppe, als die Suche nach einer friedlichen Verhandlunsglösung des zentralamerikanischen Konfliktes eine bedingungslose Unterstützung der Euopäer erfuhr. Seit 1990 hat die EG die lateinamerikanischen Kooperationsbemühungen zugunsten der Stärkung der

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Demokratie unterstützt. Die Verpflichtung der Rio-Gruppe zum Integrationsprozeß ermutigte die EG ebenfalls, um ihr Integrationsmodell in andere Entwicklungsregionen der Welt zu exportieren. Interregionale und bilaterale Handelsfragen haben einen bedeutenden Platz in den Verhandlungen beider Staatengemeinschaften eingenommen. Rio-Gruppe und Europäische Gemeinschaft entwickelten auch ein gemeinsames Vorgehen, um eine Beendigung der Uruguay-Runde des GATT zu forcieren. Auch wenn die Verhandlungen zwischen beiden Gruppen keine Lösung bestehender, bilateraler Handelskontroversen gebracht hat, nehmen die Lateinamerikaner doch wahr, daß die multilateralen Verhandlungen eine Stärkung ihrer eigenen Verhandlungskraft und ihrer Perspektiven bezüglich des Europahandels darstellen. Auf der anderen Seite haben formale Gespräche mit Behörden der asiatisch-pazifischen Region begonnen, und Japan hat akzeptiert, daß innerhalb der G-7 auch Standpunkte der Rio-Gruppe Gesprächsgegenstand werden können.

4.2.

Die Vereinigten Staaten

Wie oben erwähnt, haben die Vereinigten Staaten immer regionalen lateinamerikanischen Zusammenschlüssen mißtraut, in denen sie nicht vertreten waren und die parallel zur OAS bestehen. Sie erkannten darin eine Infragestellung der Legitimität der Organisation und ihrer Führungsrolle innerhalb der interamerikanischen Beziehungen an. Ungeachtet ihres Interesses an Lateinamerika haben die US-Administrationen die Existenz der Rio-Gruppe lange Zeit als gültigen regionalen Gesprächspartner ignoriert. Über Jahre hinweg versuchte die Gruppe vergeblich, einen Dialog mit Washington über ökonomische und politische Themen aufzubauen. Während der 80er Jahre erschwerte die Unsicherheit des US-Regierungsdiskurses in bezug auf Demokratie (immer dem Auf und Ab des Ost-West-Konflikts untergeordnet) jegliche Art der Annäherung. Der aktuelle Kontext der Beziehung hat sich grundlegend verändert: Der Kalte Krieg ist beendet, die Rio-Gruppe hat sich konsolidiert und agiert als legitimer Gesprächspartner gegenüber anderen Industrieländer-Blöcken. Die Regierung unter Bill Clinton hat als erste die Existenz der Rio-Gruppe wirklich anerkannt. In dem offiziellen Schreiben, das Präsident Clinton im Oktober 1993 an den Präsidentengipfel der Rio-Gruppe in Santiago richtete, erbat er die Unterstützung seiner lateinamerikanischen Amtskollegen für die NAFTA. Die Staatschefs der Länder der Rio-Gruppe gaben dem NAFTA-Projekt nicht nur ihre Unterstützung, sie brachten ebenfalls ihren Wunsch zum Ausdruck, daß dieser Schritt ein erster in Richtung auf eine Freihandelszone der gesamten Hemisphäre wäre. Beim Hemisphärengipfel in Miami 1994 wurden in diesem Punkt ebenfalls Fortschritte erzielt:

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

Es wurde allgemein der Wille geäußert, bis zum Jahr 2005 eine Amerikanische Freihandelszone (ALCA) zu bilden5. Auf politischer Ebene behält Lateinamerika trotz der grundlegenden internationalen Veränderungen ein gewisses Mißtrauen gegenüber dem US-Aktivismus in der Region aufrecht. In der Praxis haben sich die lateinamerikanischen Länder interventionistischen Initiativen klar entgegengestellt, auch wenn diese auf Regime, in denen demokratische Brüche oder Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben, gerichtet waren. Dafür zeigte sich die Rio-Gruppe gegenüber multilateralen Initiativen der Vereinten Nationen oder der OAS offener, sofern diese nicht die Anwendung von Waffengewalt beinhalten.

5.

ökonomische Integration in Lateinamerika

Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat es auf dem Gebiet der ökonomischen Integration in Lateinamerika, so wie wir sie gemeinhin verstehen, beträchtliche Veränderungen gegeben. Wenn in den 60er und 70er Jahren von Integration gesprochen wurde, dachte man an eine Integration "nach innen", d.h. an ein Programm wirtschaftlicher Komplementierung zwischen sich ähnelnden Nachbarstaaten mit ziemlich autarken und protektionistischen Tendenzen, die danach strebten, Importsubstitution in größerem Maßstab zu erreichen. Dieses Integrationsmodell nutzte sich im Zuge der Erschöpfung des Entwicklungsmodells der Importsubstitution ab. Zu Beginn der 80er Jahre hatte es sich in ein obskures Objekt der Begierde verwandelt, in einen lateinamerikanischen Mythos mehr, der sich nie konkretisieren würde. Im Kontext der Veränderungen des internationalen Systems und der Restrukturierungs- und Liberalisierungsprozesse der Ökonomien Lateinamerikas in den 90er Jahren modifizierten sich sowohl das Konzept als auch die Realität der Integration drastisch. Heute haben wir es mit einer Integration "nach außen" zu tun, offen für ausländische Investitionen als Kapitalquelle, für Technologie und für Strukturen zum Aufbau exportfähiger Produkte. Innerhalb dieser neuen Integrationsmodalität hängt die Zuwendung von Ressourcen grundsätzlich mehr von den Marktsignalen und vom Wettbewerb ab als von interventionistischen Politiken, auch wenn der Staat und multilaterale Instanzen den Rahmen in direkter Zusammenarbeit mit den Unternehmern und manchmal auch mit den Arbeitnehmervertretern festlegen. Zur Zeit haben sich praktisch alle Länder der Region auf die eine oder andere Form von Integration eingelassen (bilateral, subregional, regional oder hemisphärenübergreifend). Dies beinhaltet im allgemeinen den Abbau von Zollschranken und nicht-tarifären Hemmnissen. Es umfaßt aber auch Themen wie Energieintegration, Kapitalbewegungen, Dienstleistungen, Transporte, Patente und gelegentlich auch Arbeitsrechts- und Umweltfragen.

9

Ein im Juni 1995 in Denver abgehaltenes kontinentales Treffen der Handelsminister diente dem Zweck, diesem Ziel näher zu kommen.

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Somit gibt es in bezug auf die Integrationsprozesse eine Vielzahl von Modalitäten einer variablen Geometrie mit differenzierten Kompromiß- und Überlappungsebenen. Einige dieser Modelle, die ansteigende Verpflichtungs- und Koordinationsniveaus implizieren, seien im folgenden kurz beschrieben: -

-

-

-

-

Das Rahmenabkommen ist ein erster Schritt, eine zukünftige Absichtsbekundung im Bereich des Handels, der Investition und anderen Themen, die Teilbereiche definieren. Es ist eine Art Koordinatensystem, in dem eine Übereinkunft über die Themen erlangt wird, die später verhandelt werden, sowie über deren Charakter und die Verhandlungsabsicht. Im allgemeinen geht es anderen Schritten der Integrationsverpflichtung voraus, konkretisiert sich aber nicht immer in reiferen Abkommen. Es ist der am meisten verbreitete Typ von Handelsvereinbarungen, und praktisch alle lateinamerikanischen Länder besitzen eine Vielzahl von Rahmenabkommen bilateralen Typs. Das ökonomische Ergänzungsabkommen beinhaltet konkrete Übereinkünfte zweier oder mehrerer Partner, innerhalb festgelegter Fristen eine Reihe von Maßnahmen durchzuführen, um die Integration in den Bereichen des Handels, der Investition, der Dienstleistungen u.a. voranzutreiben. Es beinhaltet nicht notwendigerweise den Abbau von Zollschranken, reguliert allerdings nicht-tarifäre Bereiche und fördert die Integration in bestimmten Sektoren, wie z.B. Energie, Transport, Kapitalmarkt etc. Dieser Abkommenstypus findet sich häufig im Rahmen der ALADI und ist eine restriktivere Option als das Freihandelsabkommen. Das Freihandelsabkommen ist ein ökonomisches Ergänzungsabkommen, das neben anderen Maßnahmen zur Erleichterung des Güter- und Kapitalumschlags eine teilweise oder weitreichende Zollentlastung innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorsieht. Meistens ist es auf die Behandlung von Bereichen des Handels, der Investition und der Dienstleistungen ausgerichtet. Bis vor kurzem bezog es andere Themen nicht ein, wie zum Beispiel Arbeits- oder Umweltangelegenheiten; diese beginnen in jüngster Zeit, bei Handelsvereinbarungen eine gewisse Bedeutung zu spielen. Die Zollunion schließt die Verpflichtungsebenen der zuvor beschriebenen Prozesse ein, impliziert allerdings wesentlich stärker Interdependenzen sowie politische und ökonomische Koordination, da gemeinsame Außenzölle festgelegt werden. Dem Gemeinsamen Markt liegen die vorher genannten Verpflichtungen zugrunde. Hinzu kommen die Koordinierung makroökonomischer Wirtschaftspolitik und möglicherweise eine gemeinsame Währung, die persönliche Bewegungsfreiheit, die Koordinierung der Kultur- und Sozialpolitiken und die Bildung einer gemeinsamen und repräsentativen, politischen Institution. Im Rahmen dieser Integrationsform erhalten die supranationalen und gemeinschaftlichen Elemente eine immer größere Bedeutung.

Die Prozesse wirtschaftlicher Integration und Blockbildung sind ein Charakteristikum der gegenwärtigen Etappe ökonomischer Globalisierung. Noch läßt sich nicht abschätzen, ob sie sich im Rahmen wachsender Vielseitigkeit als komplementär zum Liberalisierungsprozeß der internationalen Wirtschaft zeigen werden (der

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Frohmann: Politische Zusammenarbeit

sogenannte "offene Regionalismus"), oder ob sie sich als neoprotektionistische Defensivimpulse erweisen, die zu "Handelskriegen" zwischen den Blöcken führen. Der von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay gebildete "Gemeinsame Markt des Südens" MERCOSUR ist das fortgeschrittenste Beispiel der neuartigen Integrationsformen der 90er Jahre. Er beinhaltet nicht nur den graduellen Zollabbau und die Festlegung eines gemeinsamen Außenzolls, sondern auch eine neue Form, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten in Angriff zu nehmen, bei der es grundlegend auch um politische Kooperation geht. Chile und Bolivien verhandeln über Assoziierungsformen mit dieser Ländergruppe, und es ist wahrscheinlich, daß sich in Zukunft im gesamten "Cono Sur" Lateinamerikas ausgeweiteter MERCOSUR entwickeln wird. Den anderen Pol der Integrationsdynamik bildet die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA, die die USA, Kanada und Mexiko vereint und zu der in naher Zukunft eventuell Chile hinzustoßen wird. Im Falle einer Ausdehnung der NAFTA auf den Rest der Hemisphäre ist es schwierig vorherzusehen, inwieweit der Hegemonieanspruch der USA den Integrationsprozeß trüben wird. Auf jeden Fall ist auch in diesem Falle klar, daß die neue Integrationsdynamik auf den neuartigen innerlateinamerikanischen Kooperationsbeziehungen und denen zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika beruht.

Schlußfolgerungen Die unabhängigen Initiativen lateinamerikanischer Zusammenarbeit zugunsten des Friedens und der Demokratie haben in den Zeiten der Krisen und Schwierigkeiten der 80er Jahre ihre Möglichkeiten unter Beweis gestellt. Wenn es nötig wäre, könnten sie es auch ein weiteres Mal. In dem Versuch, die während der letzten Dekade verlorenen Jahre in puncto Entwicklung zu kompensieren, bewegen sich die gemeinsamen diplomatischen Bemühungen heute vorwiegend in andere Richtungen. Vielleicht gehen sie dabei - mit einer gewissen Fahrlässigkeit - von einer beachtlichen Stabilität des regionalen politischen Kontextes aus. Während der ersten Hälfte der 90er Jahre beherrschten die ökonomischen Themen die Agenda der lateinamerikanischen Zusammenarbeit. Die demokratische Stabilität der Region wurde vorausgesetzt und den Mechanismen der OAS die Funktion zugewiesen, eventuelle "Brände" zu löschen. Zur Mitte dieser Dekade erscheint die Stabilität der politischen Prozesse erneut zweifelhaft. Auf der anderen Seite steht das Zusammenspiel zwischen politischer Stabilität und ökonomischer Entwicklung auf der Tagesordnung. Bei der Erfolgssuche in diesen beiden Bereichen wie auch bei der virtuosen Verknüpfung beider Prozesse könnte die Kapazität der politischen Kooperation der Länder Lateinamerikas ein entscheidender Faktor sein. Aus dem Spanischen Obersetzt von Roman Herzog und Wolfgang Grenz

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

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Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

Bernhard Moltmann

Wie sicher ist die Sicherheit ? Militär und Sicherheitspolitik im südlichen Südamerika 1.

Einleitung

1.1

Veränderte Bedingungen von Sicherheit

Kriegslärm tönt im Jahr 1995 auf dem amerikanischen Kontinent Die mexikanische Regierung setzte massive Truppenkontingente in der Provinz Chiapas ein, um einen bewaffneten Aufstand niederzuschlagen. Die Militäroperation verlief parallel zu Versuchen, den Konflikt um Land und Schutz der indigenen Bevölkerung auf friedlichem Wege zu schlichten. Zwischen Ekuador und Peru war zur gleichen Zeit der Streit um den ungeklärten Verlauf der Grenze im Quellgebiet des Amazonas zu einem handfesten Krieg eskaliert. Beide Konflikte gehören in das "klassische" Arsenal von Konflikttypologien. Es geht um Grenzverläufe und die Steuerung von gesellschaftlichen Spannungen (Gantzel/Schlichte 1994:13). Die Verschränkung zwischen innenpolitischen Problemen und dem Einsatz militärischer Mittel ist offensichtlich. Das Militär wird herangezogen, um bestehende Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren. Stimmen, die diesen Zusammenhang aufdecken (Vargas Llosa 1995), sehen sich dem Vorwurf des Vaterlandsverrats gegenüber. Hoffnungen, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes die internationalen Beziehungen in Lateinamerika ohne Rücksicht auf ideologische Orientierungen und unter pragmatischen Gesichtspunkten zu gestalten, sind noch nicht Wirklichkeit geworden. Die bisherigen Vorstellungen von Konfliktursachen, die in Kriege und Waffeneinsatze münden, treffen heute auf die Wahrnehmung von Bedrohungen anderen Ursprungs. Das Verständnis von Sicherheit ist in Fluß gekommen. Traditionell bestimmte sich die Sicherheit durch die 'territoriale Integrität und die Freiheit der Ei25

Lateinamerika Jahrbuch 1995

genbestimmung' (Richard Löwenthal). Der Nationalstaat war das unangefochtene Subjekt der Sicherheit. Die Bedrohung der nationalen Sicherheit wurde vorrangig in militärischen Bezügen gesehen (Zürn 1995:254). Heute zeichnet sich angesichts der Wahrnehmung ökonomischer und ökologischer Gefährdungen eine Neudefinition dessen ab, was nationale Sicherheit ausmacht. Staatenübergreifende, organisierte Kriminalität, der internationale Drogenhandel oder die Zerstörung natürlicher Ressourcen stellen neue Bedrohungen dar. Der Nationalstaat dient immer weniger als ausreichender Bezug dessen, was als Sicherheit gilt. Räumliche und sachliche Bezüge der Sicherheit verändern sich. Dieser Wandel stellt die klassischen Instrumente der Sicherheitspolitik und die Rolle der Streitkräfte, des Militärs als Garanten der Sicherheit in Frage. Mit dem Ende des Ost-West-Konfliktes ist zudem das global wirksame Konfliktmuster in der internationalen Politik geschwunden, dem sich andere regionale Konflikte unterordnen ließen. Konfliktzonen in Asien, Afrika oder Lateinamerika sind nicht mehr Schauplätze eines Interessengegensatzes zwischen den USA und der früheren Sowjetunion, die hier mit politischer Unterstützung, Waffenlieferungen und ideologischer Flankierung präsent waren. Den "externen" Feind gibt es nicht mehr. Die Bedrohung durch einen von außen kommenden Gegner kann nicht mehr beschworen werden, um in innergesellschaftlichen oder -politischen Kontroversen den Widersacher zu stigmatisieren. Gleichzeitig ist im weltweiten Durchschnitt das Potential an militärischer Rüstung zurückgegangen, jedoch am geringsten außerhalb der unmittelbaren Spannungszonen des Ost-West-Konfliktes. Das Niveau der weltweiten Rüstungsausgaben liegt aber immer noch über dem der siebziger Jahre (Globale Trends 93/94:147). Außerdem bleiben die Ursachen vieler früherer Konflikte weiterhin präsent, soweit sie in der Disparität zwischen Arm und Reich, der Instabilität politischer Herrschaftsformationen, dem Streit um Grenzziehungen oder die Auseinandersetzungen um die Nutzung natürlicher Ressourcen begründet waren und sind.

1.2

Das Militär: Die Frage nach seinen politischen Funktionen und seinem Image

Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika richten sich auf die veränderten Konstellationen des internationalen Systems ein. Unter wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten bilden sich neue regionale Zentren heraus: Im Norden des Kontinents entstand die NAFTA. Argentinien und Brasilien mit den kleineren Nachbarstaaten gehen ökonomisch und politisch unter dem Dach der Wirtschaftsintegration des MERCOSUR das Experiment einer neuen Allianz ein. Die in sich geschwächte Andenregion operiert mit wechselnden Orientierungen (Varas Fernández 1993: 27ff.). Militär und Politik im südlichen Südamerika stehen vor einer doppelten Aufgabe: Sie müssen ihre strategischen Konzepte und Planungen der heutigen außenpolitischen Situation anpassen. Gleichzeitig haben sie den innenpolitischen Wandel von autoritären zu demokratischen Regimen zu verkraften. Dies geschieht jedoch weit26

Moltniann: Militär und Sicherheitspolitik In Südamerika

gehend im Schatten der öffentlichen wie wissenschaftlichen Aufmerksamkeit. Jeder frühere Militärputsch und Staatsstreich weckten noch Interesse. Der politische Transformationsprozeß der siebziger und achtziger Jahre zog umfangreiche Studien nach sich (O'Donnel/Schmitter/Whitehead, 1986 und Diamond/Linz/Lipset 1989). Aber die Streitkräfte selbst und ihr neues Verhältnis zu Politik und Gesellschaft blieben weitgehend davon ausgespart. Spiegelt sich darin eine ungewohnte Normalität, oder handelt es sich um eine gravierende Forschungslücke? Politik und Wissenschaft, Freunde wie Gegner des Militärs waren in früheren Zeiten immer schnell bei der Hand, die politisch-gesellschaftliche Rolle des Militärs mit treffenden Schlagworten zu charakterisieren. Die Gegenwart tut sich damit schwer. Für die politische Funktion des Militärs und seine gesellschaftliche Bedeutung gibt es heute keine einfachen, eindeutigen Bezeichnungen mehr. Die Streitkräfte selbst müssen sich von früheren Images verabschieden, und dies in einer Situation, die sie selbst als Krise erleben. Welches waren solche Images, die sie selbst beanspruchten oder ihnen zugeschrieben wurden? -

-

-

-

Der caudillo und der Coronet des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: Mit dem Einsatz von Charisma und Gewalt, dem gesellschaftlichen Einfluß und wirtschaftlichen Macht konnten Offiziere unmittelbar Einfluß auf die Gestaltung politischer Verhältnisse nehmen. Heute gilt der kubanische Staatschef Fidel Castro, der einmal angetreten war, einen caudillo zu stürzen, als letzter Repräsentant diese Typus. Die "Exponenten einer neuen Mittelklasse": Im Zuge der wirtschaftlichen Modernisierung und der sozialen Differenzierungen bildeten sich in den lateinamerikanischen Gesellschaften während der fünfziger und sechziger Jahre neue gesellschaftliche Segmente heraus, denen das politische System unter dem Kuratel der traditionellen Oligarchien und Eliten keine politische Teilhabe gewährte. Das Militär bot den idealen Ort, die Interessen der neuen Mittelklasse politisch zu artikulieren. Die "bewaffneten Technokraten" oder die "Bürokraten in Uniform": Der militärische Apparat und seine Spitzen usurpierten in einer Phase politischer und sozialer Instabilität die Macht. Dabei stützten sie sich auf ihre organisatorische Effizienz, ihre Aufgeschlossenheit für technologisch-wissenschaftliche Innovation, ihre nationalistischen Aspirationen und ihr Gewaltpotential. Sie beanspruchten, wirtschaftliche Modernisierungen einzuleiten, gesellschaftlichen Widerstand zu unterdrücken und die zerfallenden politischen Institutionen zu transformieren. Das Ergebnis waren die autoritären Militärregime in den siebziger und frühen achtziger Jahren, eingeleitet durch die Machtübernahme des Militärs in Brasilien im Jahr 1964. "Hüter der Verfassung": Nach dem Niedergang der Militärdiktaturen traten die Soldaten weiterhin als Garanten des nationalen Interesses und ihrer Institutionen auf. Sie begaben sich damit in eine gewisse Distanz zum politischen Alltagsgeschäft, ohne jedoch auf ihr Recht zur Einflußnahme zu verzichten. Der Anspruch stützte sich auf das Bewußtsein, das politische Organ eines Staates zu sein, das alle Umbrüche und Systemwechsel unangefochten überstanden hätte und das Gewissen der Nation repräsentiere. 27

Lateinamerika Jahrbuch 1995

Während der achtziger Jahren haben sich in den Staaten Südamerikas demokratisch-repräsentative Regierungssysteme durchgesetzt, die sich vornahmen, den Primat der Politik über das Militär durchzusetzen und dafür Rückhalt in der Gesellschaft finden. Die Jahrzehnte lang prägende Symbiose von Politik und Militär in Südamerika zerbricht. Der Wandel des Verhältnisses zwischen Militär, Politik und Gesellschaft, skizziert an dem wechselnden Image des Militärs, signalisiert die Umbrüche der zurückliegenden Jahre. Dieser Aufsatz stellt sich nun folgenden Fragen: (1) Welches sind die zukünftigen sicherheitspolitischen Optionen für Militär und Politik im südlichen Südamerika? Auf welche Bedrohungen stellen sich beide ein? Wie reagieren sie auf die neuen Gefährdungen und den Wandel der Sicherheitslage? (2) Wie verhalten sich Militärs gegenüber den sich stabilisierenden demokratischen Regimen? Gelingt es ihnen, sich von ihren früheren Leitbildern zu verabschieden, ihren Frieden mit den jetzigen Gegebenheiten zu schließen, ohne unbotmäßige materielle oder politische Kompensationen zu verlangen? Finden sich die Streitkräfte mit den wirtschaftlich und finanziell oktroyierten Reduktionen der Gelder ab, die für Verteidigung und militärische Sicherheit zur Verfügung stehen? Beide Fragestellungen berücksichtigen die Verschränkung von Innen und Außen, die für die südamerikanische Staatenwelt noch immer konstitutiv ist. Mag sich auch in verschiedenen Sektoren des öffentlichen Lebens zeigen, daß das Gewicht des Staates und dessen Kompetenz abnehmen, die Rahmenbedingungen für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu gestalten - es wird vom "verletzten Leviatham" (Reis Veloso 1991) gesprochen - , so bleiben die Streitkräfte eine Institution und ein Symbol staatlicher Autorität.

2.

Die Streitkräfte in Südamerika: Stärke und Ausrüstung

2.1

Militärische Stärke und Verteidigungsausgaben

Der globale (allerdings nicht in allen Regionen feststellbare) Trend, Rüstungsausgaben zu reduzieren (Renner 1994:5), hat auch die Staaten Südamerikas erreicht. Ohnehin gehörte Lateinamerika, auch in den Hochzeiten des Ost-West-Konflikts, stets zu den Regionen der Welt mit den niedrigsten Miliärausgaben, gemessen aim jeweiligen Bruttosozialprodukt. An den aktuellen Rüstungswettläufen in anderen Teilen der Welt hat Südamerika nicht teil. Hier standen zwischen 1972 und 1988 vier Staaten - Nikaragua, Chile, Kuba und Guyana - an der Spitze. Am weitesten ist Argentinien mit den Truppenreduzierungen gegangen. Im Zuge der Militärreform gegenüber den achtziger Jahren sollen bis zum Jahr 1995 im Heer die Zahl der Offiziere um 5.000 Mann und die der Unteroffiziere um 24.000 Mann verringert werden. Viele Soldaten verlassen freiwillig die Armee, weil der Sold kaum 28

Moltmann: Militär und SicherhsitspolUlk in Südamerika

Militärausgaben In Mio. US$ (konstante Preise 1991) (Angaben nach Rojas Aravena 1994)

Argentinien Bolivien Chile Peru Südamerika (insges.)

1981

1985

1991

4.755 154 844 2.192 11.880

4.517 O.A. 990 3.121 12.960

2.449 117 ca.1.010 506 12.930

ausreicht, um den Lebensunterhalt zu sichern. Das Gehalt eines hohen Richters war 1992 z.B. dreimal so hoch wie das eines Generals (Clarin, Buenos Aires 1.3.93). Inzwischen wurden auch die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und die Weichen gestellt, um eine Berufsarmee aufzubauen. Die Regierung reagierte damit auf die sinkende Akzeptanz des Militärdienstes in der argentinischen Bevölkerung, aber auch auf die Schwierigkeiten, die Mittel für den Unterhalt der Streitkräfte aufzubringen. In Zukunft soll der Anteil der Militärausgaben nicht mehr als 0,5% des BSP betragen (Pägina 12, Buenos Aires 28.5.94). In Brasilien gilt wie in den anderen südamerikanischen Staaten zwar noch die allgemeine Wehrpflicht. Über 75% der in Frage kommenden Jugendlichen scheiden aber aus gesundheitlichen und berufliZahl der Soldaten In Südamerika (nach: IISS 1993:226f. und IISS 1994:205ff.) in den Streitkräften (00)

Argentinien Bolivien Brasilien Chile Kolumbien Ekuador Guyana Paraguay Peru Surinam Uruguay Venezuela

Rerservisten (00)

paramilit.Truppen (00)

1985

1993

1993

1993

1.027.0 27.6 276.0 101.0 66.2 42.5 6.6 14.4 128.0 2.0 31.9 49.0

69.8 33.5 336.8 93.0 146.4 57.5 1.7 16.5 115.0 1.8 25.6 79.0

377.0 n.a. 1.115.0 50.0 60.7 100.0 1.5 45.0 188.0 n.a. n.a. 8.0

22.240 30.0 385.6 31.0 79.0 5.9 1.5 8.0 60.0 n.a 1.2 23.0 29

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chen Gründen aus. Vor allem Angehörigen der Mittel- und Oberschicht gelingt es, sich vom Militärdienst zu befreien. Der Anteil an Hochschulabsolventen beträgt weniger als 1%. Gleichzeitig häufen sich die Klagen über den schlechten Gesundheitszustand der Rekruten, die unter Unterernährung, geringem Körperwuchs oder schlechten Zähnen leiden (Wesson 1986:66). Die Zahlen der aktiven Soldaten weisen immer noch von Jahr zu Jahr größere Schwankungen auf. Die vorgegebenen Sollstärken werden nicht erreicht. Auf der einen Seite fallen erhebliche Truppenreduzierungen zwischen 1985 und 1993 ins Gewicht, wie zum Beispiel in Argentinien. Auf der anderen Seite stehen große Zuwächse, die zum Teil innerstaatlichen Konflikten, wie in Kolumbien oder Venezuela, geschuldet sind. Zu den paramilitärischen Einheiten werden unterschiedlich zugeordnete Truppenteile gezählt. Zum Teil unterstehen sie dem militärischen Kommando, zum Teil dem Innenministerium oder den jeweiligen Distrikts-, Provinz- oder Staatsverwaltungen. Die Kosten, die jährlich für die Streitkräfte aufgewandt werden, spiegeln die prekäre Situation, in der sie sich befinden. Militärausgaben südamerikanischer Staaten (Quelle: UNDEP 1991, Tabelle 19 und 1994, Tabelle 21)

Argentinien Bolivien Brasilien Chile Ekuador Guyana Kolumbien Paraguay Peru Venezuela

Militärausgaben (% des BSP)

Verhältnis der Militärausgaben zu denen für Erziehung und Gesundheit (in %)

1960 1986 1990/91

1980 1986 1990/91

2,1 2.0 1,8 2,8 2,4 k.A. 1,2 1,7 2.0 2,5

1,5 2,4 0,9 3,6 1,6 k.A 1,0 1,0 6,5 1,6

3,3 3,1 1,7 3,3 1,4 1,9 2,7 1.0 2,1 2,0

62 105 72 60 104 k.A 57 94 59 40

31 73 16 59 30 k.A. 28 83 217 25

51 57 23 68 26 21 57 42 39 33

Das Jahr 1960 steht für die Phase vor dem Aufschwung autoritärer Militärregime in Südamerika, der im Jahr 1980 seinen Höhepunkt erreichte. Das Jahr 1986 zeigt diese Tendenzen im Niedergang, und das Jahr 1990/91 markiert den Übergang zu demokratischen Herrschaftsverhältnissen in den meisten südamerikanischen Staaten. Unabhängig von den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen hatten die Ausgaben für die Streitkräfte in der Mehrzahl der südamerikanischen Staaten einen 30

Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

gleichbleibenden Anteil am Bruttosozialprodukt. Das Verhältnis bewegt sich eher am unteren Rand vergleichbarer Nationen in anderen Weltregionen. Beobachter weisen darauf hin, daß der politische Anspruch des Militärs sind nicht proportional auf entsprechende Ausgabensteigerungen ausgewirkt habe (Stepan 1988:75). Schwankungen ergeben sich allerdings im Verhältnis der Militärausgaben zu jenen für Erziehung und Gesundheit. Hier spiegeln sich punktuelle politische Prioritäten und aktuelle politische Krisen.

2.2

Rüstungsindustrie, Rüstungsimporte und -exporte

Der enge finanzielle Rahmen und wirtschaftliche Restriktionen, denen die südamerikanischen Volkswirtschaften ausgesetzt sind, zeigen sich auch bei den Bemühungen, den Stand der militärischen Ausrüstung zu erhalten. Vor allem stehen die Streitkräfte vor der Schwierigkeit, mit den permanenten Innovationen der military technological revolution Schritt zu halten. Konventionelle Waffenträger werden gegenüber Systemen der Informationsbeschaffung, Instrumenten für Kommando und Kontrolle sowie gegenüber den Präzisionswaffen eine immer geringere Rolle spielen (Harkavy 1994:24). Während die südamerikanischen Staaten bis in die achtziger Jahre die Waffen und Ausrüstungsgüter, die sie nicht selbst produzierten, aus verschiedenen Quellen des westlichen Blocks erhielten, zeichnet sich jetzt ein Umschwung ab. Die Vereinigten Staaten haben verschiedene, früher geschlossene und dann in den siebziger Jahren sistierte Abkommen der militärischen Kooperation wieder aufgenommen und versorgen die Partner in Südamerika mit Waffen aus eigenen Beständen oder mit Lizenzen zum Nachbau von Waffen, vor allem Flugzeugen älterer Generation. So hat der Luftwaffen- und Wehrtechnikkonzern Lockheed die bisher vom argentinischen Militär betriebene Flugzeugfabrik in Cördoba übernommen und investiert im Gegenzug US$ 270 Mio. in die Modernisierung von 18 der 40 Skyhawk-Militärjets, die Argentinien in den USA erworben hatte. Gleichzeitig soll das in Argentinien produzierte Trainingsflugzeug vom Typ "Pampa" in den U S A angeboten werden. Das wachsende Interesse der USA, die lateinamerikanischen Streitkräfte mit Waffen aus den eigenen Arsenalen auszustatten, wird mit nordamerikanischen Sicherheitsinteressen begründet (Time Nr. 51, 19.12.94). Außerdem könne man andere Anbieter verdrängen. Insgesamt ist jedoch - parallel zu globalen Tendenzen - der Anteil Mittel- und Südamerikas an den weltweiten Rüstungseinfuhren nach 1990 erheblich zurückgegangen. Die südamerikanischen Staaten hatten im Jahr 1987 einen Anteil von 3,9% an den weltweiten Waffeneinfuhren, an denen der Entwicklungsländer 5,9%. Im Jahr 1993 waren die Länder Südamerikas nur noch mit 3,1% an den Gesamteinfuhren der Entwicklungsländer beteiligt. Im Zeitraum zwischen 1989 und 1993 standen Chile mit Einfuhren von US$ 894 Mio. an 41. Stelle, Brasilien mit Einfuhren in Höhe von US$ 839 Mio. an 44. Stelle. Argentinien findet sich in dieser, die fünfzig größten Importeure umfassenden Liste nicht (SIPRI-Yearbook 1994, Tabelle 13.9). Die materiellen Einbußen, gepaart mit fehlenden Aussichten auf Besserung, haben innerhalb der Streitkräfte Unruhe und Protest hervorgerufen. Sie fühlen sich

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

gegenüber anderen staatlichen Institutionen vernachlässigt und warnen die politische Führung ihrer Länder, daß sie nicht mehr garantieren könnten, ihren Auftrag wahrzunehmen, abgesehen von den befürchteten Gefährdungen für Ordnung und Gehorsam in der Truppe (so die Sprecher der Offiziersvereinigungen in Brasilien gegenüber dem Staatspräsidenten, in: Gazeta Mercantil, Säo Paulo, 11.3.93). Außerdem sorgen sich die Spitzen des Militärs darum, daß qualifizierte Offiziere ihre Reihen verlassen und sich im zivilen Leben eine Tätigkeit suchen. In den zurückliegenden Jahren brach auch die eigene Rüstungsindustrie in Argentinien und Brasilien zusammen, die in den siebziger und achtziger Jahren den Staaten eine gewisse Unabhängigkeit von Importen garantiert und zugleich nicht unwesentlich dazu beigetragen hatten, Devisen zu erwirtschaften (Franko-Jones 1992 und Conca 1992). Beide Länder haben inzwischen ihre weltweit bedeutende Rolle als Waffenproduzenten und -exporteure verloren. Mit dem gesamten Niedergang des Marktes für Großwaffensysteme fielen sie der Dominanz der "klassischen Anbieter" vor allem aus den westlichen Industriestaaten, Rußland und China zum Opfer (Harkavy 1994:25). Die brasilianischen und argentinischen Unternehmen mußten ihren Betrieb einstellen oder wurden, soweit sie unter staatlicher Regie standen, privatisiert. Versuche, entstandene Defizite staatlicherseits aufzufangen, scheiterten. Auch Forschungsvorhaben wurden reduziert oder beendet (Costa 1990:103). Prominentes Beispiel ist das Schicksal der brasilianischen Flugzeugwerke EMBRAER: Brasilianische Kapitalgeber unter Einschluß einer US-amerikanischen Investitionsbank haben inzwischen 60% des stimmberechtigten Kapitals der Firma übernommen und wollen mindestens US$ 100 Mio. in das geschrumpfte und überschuldete Unternehmen investieren. Dessen Verluste sollen sich in den letzten vier Jahren auf eine Milliarde US-Dollar addiert haben. Militärische Kooperationsvorhaben mit italienischen und argentinischen Partnern brachten nicht den erwarteten Erfolg. Während im Jahr 1990 noch US$ 600 Mio. umgesetzt wurden, waren diese im Jahr 1993 auf US$ 300 Mio. gesunken bei US$ 100 Mio. Verlusten. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 12.000 Beschäftigten im Jahr 1990 auf 6.000 Personen im Jahr 1993. Die neuen Geldgeber hoffen auf Interessenten für einen Kleinjet für 58 Passagiere und größere Bestellungen von Trainingsflugzeugen aus den USA (FAZ 9.10.94). Die Weltbank engagierte sich mit einem Konversionsprogramm in der argentinischen Rüstungsindustrie mit einem Kredit in Höhe von US$ 200 Mio., um 30.000 Arbeitern, der Hälfte der Beschäftigten, den Übergang in andere Industriebereiche zu ermöglichen. Allein Chile, dessen heimische Rüstungsindustrie nicht den hohen technologischen Standard seiner Nachbarn erreicht hatte, sondern auf Kleinwaffen, Munition und Radfahrzeuge konzentriert war, bemüht sich, die Fertigung aufrecht zu erhalten. Kooperationen, wie mit der Volksrepublik China, sollen weitere Märkte erschließen. Insgesamt haben sich nicht die Erwartungen (Stepan 1988:84) bestätigt, daß der militärisch-industrielle Komplex in Argentinien oder Brasilien eine Plattform für die Militärs bilden könnte, um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluß zu wahren.

32

Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

3.

Die Schatten der Vergangenheit

3.1

Das politische Vermächtnis der Militärregime

Die Schatten der langwährenden Militärdiktaturen ragen noch in den heutigen politischen Alltag. Sie wurzeln in dem innermilitärischen Diskurs über Sicherheit und Nation und brechen auf, wenn sich Öffentlichkeit und Justiz mit den Folgen der Menschenrechtsverletzungen aus jener Zeit konfrontiert sehen und das Verlangen nach Sühne und Gerechtigkeit laut wird. In Brasilien tun sich die Streitkräfte schwer, die früheren Maßnahmen der Repression zuzugeben. Das Problem der desaparecidos (der Verschwundenen) belastet als Hypothek der Vergangenheit die Streitkräfte. In Argentinien hat die Regierung den Tod von mehr als 7.000 Personen während der Militärherrschaft dokumentiert. In Chile wurde nicht nur die Zahl von 2.200 Toten festgestellt, sondern den Hinterbliebenen auch der Anspruch auf eine Rente zuerkannt (Istoé, Sáo Paulo, 24.3.93). Repräsentanten des Militärs und ihnen nahestehende gesellschaftliche Gruppen ringen heute darum, die Zerschlagung demokratischer Strukturen und Institutionen durch die harten Militärregime zu rechtfertigen. Die Argumente von dem "nationalen Notstand", in dem sich die Nation unter dem Vorzeichen ideologischer und sozialer Konfrontationen befunden habe, werden dazu immer wieder beschworen. Ebenso virulent ist noch die damals von Militärs vertretene Behauptung, daß die militärische Intervention in die Politik letztlich das Ziel verfolgt habe, an Stelle einer formalen Demokratie Grundlagen für eine authentische Demokratie zu legen (Farer 1993:730). Angesichts des Versagens von zivilen Politikern, der Unfähigkeit der politischen Parteien und der Bedrohung durch einen ideologisch fixierten Terrorismus seien die Streitkräfte der letzte Garant dafür gewesen, die Nation zu schützen und die Entwicklung des Landes zu fördern (Werz 1991). In den achtziger Jahren hatte sich die staatliche Macht unter der Ägide des Militärs erschöpft. Aus heutiger Sicht sind die südamerikanischen Militärregime zum Opfer eines regime overstretch geworden der Unfähigkeit autoritärer, sich auf die Macht des Militärs stützender Regime, die Kontrolle der Dynamik von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik in Händen zu behalten (Perruci 1994:200). In Argentinien besiegelte die militärische Niederlage des Landes im Falkland/ Malvinas-Krieg 1982 das Schicksal der militärischen Herrschaft. In den übrigen Staaten des südlichen Südamerikas vollzog sich der Prozeß der Transformation der autoritären Regime hin zu demokratischen Verhältnissen langsamer und unter Mitwirkung der früheren Machthaber. Sie drangen darauf, daß nicht Rache, sondern Versöhnung das leitende Prinzip sein sollte (Alain Touraine, in: El Financiero, México 15.10.93). Dies hieß, daß die Militärs soweit wie möglich die Konditionen des Überganges mitbestimmen und, vor allem, ihre persönlichen wie institutionellen Interessen gewahrt sehen wollten. Die unter diesen Vorzeichen zustande gekommenen Demokratien bezeichnet der erste, nach dem Ende der Militärdiktatur frei gewählte chilenische Staatspräsident Patricio Aylwin nach dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 1994 als nicht gefährdet, aber als unvollkommen (Interview in: El País, Madrid, 4.5.94). Um den Übergang zur Demokratie überhaupt zu ermöglichen, sei 33

Lateinamerika Jahrbuch 1995

ein Arrangement mit den Militärs notwendig gewesen. Die Generäle hätten in Chile auch dafür eingestanden, daß in den Streitkräften keine Unruhe wie in Argentinien aufgebrochen und Protest unter Kontrolle gehalten worden sei. Der Oberbefehlshaber des chilenischen Heeres, General Augusto Pinochet Ugarte, ist als Solitär aus der Vergangenheit weiterhin in der Innenpolitik des Landes und der internationalen Sicherheitspolitik des Subkontinents gegenwärtig. Rückblickend erscheinen die Person des Generals Pinochet und seine damalige Rolle als paradigmatisch für das Denken und Handeln vieler Offiziere, die die Militärregime in Südamerika seit den sechziger Jahren führten. Im Jahr 1915 geboren, 1970 zum Divisionsgeneral befördert, war er 1973 an dem Putsch gegen den damaligen Präsidenten Salvador Allende maßgeblich beteiligt und trat dann an die Spitze der Junta und des folgenden, harten Militärregimes. Mit der 1981 in Kraft getretenen Verfassung übte er für weitere acht Jahre das Amt des Staatspräsidenten Chiles aus, zusammen mit den Funktionen des Ministerpräsidenten und des Oberbefehlshabers der Streitkräfte. Nachdem er bei einem Plebiszit am 5.10.19S8, dem massive öffentliche Proteste gegen das Regime vorangingen, keine Mehrheit für die Verlängerung seiner Amtszeit fand, erklärte er sich mit dem Ende seiner Regierung im Jahr 1990 einverstanden. Er übergab die Regierungsgeschäfte an den 1989 gewählten zivilen Politiker Patricio Aylwin, blieb aber Oberbefehlshaber des Heeres, Mitglied des Senats und des Nationalen Sicherheitsrates. Pinochet sieht keinen Anlaß, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen und hält seine politischen Meinungen im In- und Ausland lebendig. So erklärte der General in einem Interview (Búsqueda, Montevideo, 10.3.93), daß die Welt doch besser gewesen sei, als es noch die Sowjetunion gab und der Kommunismus herrschte. Heute müsse man sich dagegen wehren, daß die einzige verbliebene Weltmacht, die USA, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten eirsmische. Es fehlt letztlich ein Gegengewicht. Die Tatsache, daß in den siebziger Jahiren nahezu alle südamerikanische Staaten autoritäre Regime gehabt haben, führt Pinochet mit darauf zurück, daß ihr Gegner, der internationale Terrorismus, auch staatenübergreifend operiert habe. Die größte Gefahr für Lateinamerika sieht Pinochet heute im internationalen Drogenhandel und in den weiterhin agierenden Guerilla-Bewegungen. Demgegenüber könne kein Staat auf Streitkräfte verzichten. Mit solchen Gedanken liefert der General Pinochet ein politisches Testament und baut zugleich an seinem eigenen Denkmal, das an die von ihm geprägte politische Geschichte erinnert. Allerdings schwindet der Rückhalt des Generals in den chilenischen Streitkräften. Nicht in allen Fällen gelang es Pinochet, die der Menschenrechtsverletzung angeklagten Angehörigen der Streitkräfte vor dem Zugriff der zivilen Justiz zu bewahren. Die von ihm durchgesetzte Amnestie kollidiert mit internationalen Verträgen, die Chile unterzeichnet hat und auf deren Einhaltung die Justiz besteht. Trotzdem bleibt das politische Leben Chiles nicht frei von Auseinandersetzungen angesichts des unklaren Verhältnisses zwischen den Autonomieansprüchen des militärischen Sektors und den Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit. In Argentinien dagegen ist der Bruch mit der Vergangenheit sehr viel konsequenter vollzogen worden. Die Chefs der Militärjuntas sahen sich vor Gerichte gestellt und mußten Verurteilungen hinnehmen. Besorgt um das Machtgleichgewicht 34

Moitmann. Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

steuerten die beiden, auf das Militärregime folgenden Präsidenten Raul Alfonsin und Carlos Menem jedoch einen vorsichtigen Kurs, einerseits dem öffentlichen Bedürfnis nach Achtung der Rechtsvorschriften Genüge zu tun, andererseits die Interessen des Militärs zu berücksichtigen. Gleichzeitig leiteten sie eine grundlegende Reform der Streitkräfte ein, die inzwischen ihre Früchte trägt. Heute agieren die Protagonisten der früheren Militärregierungen im politischen Abseits. In Brasilien hat es keine strafrechtliche Verfolgung früherer General-Präsidenten gegeben. Sie selbst leben zurückgezogen und distanziert vom politischen Tagesgeschäft. Treten sie öffentlich auf, wie zum Beispiel beim Gedenken des Todestages des Marschalls Castello Branco, unter dessen Führung im Jahr 1964 die zivile Regierung des damaligen Präsidenten Goulart durch ein Militärregime ersetzt wurde, so wird dies zwar registriert, ist aber vor allem eines Photos der in Eintracht nebeneinander sitzenden alten Männer wert, die in früheren Jahren oft kontroverser Meinung gewesen waren.

3.2

Die Bändigung der nuklearen Aspirationen

Die Nuklearprogramme, die in den siebziger Jahren vor allem Argentinien und Brasilien unter militärischer Ägide betrieben, weckten das Mißtrauen der Nachbarländer, aber auch der Industriestaaten. Beide Länder waren dem Nichtverbreitungsvertrag (NPT) nicht beigetreten und zögerten zudem, den Vertrag von Tlatelolco aus dem Jahr 1967 zu unterzeichnen, der eine atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika vorsieht. Gemeinsam mit anderen Staaten der Dritten Welt kritisierten sie den diskriminierenden Effekt des NPT, weil er sie davon abhielte, sich uneingeschränkten Zugang zur Nukleartechnologie zu erschließen. Die atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika sei für sie solange wertlos, so lange die Atommächte keine Sicherheitsgarantien für den Subkontinent abgäben. Stattdessen beharrten argentinische wie brasilianische Militärs darauf, die Nukleartechnologie auch zu militärischen Zwecken nutzen zu wollen. Die Gefahr eines atomaren Wettrüstens in Südamerika stand im Raum. Erst mit dem Regimewechsel in Argentinien und Brasilien veränderten sich die Vorzeichen (Überblick bei Redick 1994). Im Zusammenhang der MERCORSUR-Kooperationen einigten sich Argentinien und Brasilien über eine wechselseitige Inspektion ihrer nuklearen Anlagen, die Einrichtung einer gemeinsamen Kontrollbehörde und eine ausschließlich zivile nukleare Zusammenarbeit. Im Jahr 1991 kam es zu Abmachungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), umfassende Sicherheitsstandards und deren Kontrollvorschriften zu übernehmen (ifüll scope safeguards) und sich damit faktisch dem NPT-Regime zu unterwerfen. Argentinien ist ihm am 28.1.95 förmlich beigetreten. Am 18.1.1994 setzten Argentinien und Chile den Vertrag von Tlatelolco in Kraft. In Brasilien war es dem gemeinsamen Einfluß des Außenministeriums und führender Militärs zu danken, daß das innenpolitisch gelähmte Parlament diesen Vertrag am 30.5.94 ratifizierte. Gegenwärtig steht allein die Unterzeichnung durch Kuba noch aus. Das Land hatte bisher den Vorbehalt geltend gemacht, den Vertrag erst dann zu akzeptieren, wenn alle anderen Staaten ihn angenommen hätten (IISS, Military Balance 1994/95:195f.). Die

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Schritte der lateinamerikanischen Staaten öffneten ihnen neue zivile nukleare Kooperationen, zum Beispiel mit den USA, die während der zurückliegenden zwanzig Jahre eingefroren waren. Auch Rußland knüpfte seine atomare Zusammenarbeit mit Brasilien daran, den Vertrag von Hatelolco zu respektieren. Parallel zu dem Rückzug von den Vorstellungen, die nukleare Technologie auch militärisch nutzen zu wollen, gaben Argentinien und Brasilien auch andere Großmachtattitüden auf, die die Militärregime für sich reklamiert hatten. So verzichtete Brasilien auf seine Hoheitsansprüche in der 200 Meilen-Zone vor seinen Küsten und schloß sich der UN-Seerechtskonvention aus dem Jahr 1982 an. Ebenso unterzeichnete es im Jahr 1992 die "Amerikanische Konvention über Menschenrechte". Argentinien erklärte sich bereit, dem UN-Register seine Aus- und Einfuhren an Waffen anzuzeigen. Gleichzeitig verabschiedeten sich Brasilien und Argentinien von geopolitischen Visionen, die ihre Sicherheitspolitik bislang bestimmt hatten, sei es in Amazonien (Brasilien) oder in der Antarktis (Argentinien) (Weise 1994:409).

4.

Konturen eines neuen Profils der Sicherheitspolitik

4.1

Die Demokratie als Grundlage einer kontinentalen Sicherheit: die Reform der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)

Als im Jahr 1967 in Uruguay die Präsidenten Lateinamerikas zu einem "AmerikaGipfel" zusammenkamen, wurden von den 35 Staaten nur 16 demokratischen Systemen zugerechnet. Bei dem Miami-Gipfel im Dezember 1994 waren es außer Kuba 34 Präsidenten, die sich auf ein aus Wahlen hervorgegangenes Mandat stützten, auch wenn in vielen Fällen eher von einer "low intensity democracy" (Farer 1993:716) gesprochen werden muß. Die weltweite Demokratisierungsbewegung, die auch die sozialistische Staatenwelt zum Einsturz gebracht hatte, hatte ebenfalls die politische Landkarte Lateinamerikas verändert. Die Staaten des südlichen Südamerikas grenzen an einen "Krisenbogen", gebildet von Venezuela, Kolumbien und Peru. In Venezuela provozierten die innenpolitischen und sozialen Konflikte immer wieder militärische Unruhen und Putschversuche. Ihnen konnten die Regierungen zwar jeweils Herr werden, zahlten aber den Preis dafür, mit den aufbegehrenden Obristen zweifelhafte Kompromisse schließen zu müssen und letztlich an Autorität einzubüßen. Kolumbien wird derzeit von dem Kampf des Staates gegen die internationale Drogenökonomie erschüttert. Hier operieren die gewalttätigsten Guerilla-Bewegungen und die einflußreichsten Drogenkartelle. Das Land hat sich zur Drehscheibe für den unkontrollierten Waffenhandel in Lateinamerika entwickelt. Mit seinen Seezugängen zum Golf von Mexiko und zum Pazifik und den Landgrenzen zu Ekuador, Panama, Venezuela, Brasilien und Peru bietet Kolumbien ideale Bedingungen für den Waffenschmuggel. Er kann aus eigenen Kräften kaum eingedämmt werden und bedroht die Sicherheit der Anrainerstaaten. In Peru organisierten Präsident Fujimori und die Streitkräfte gemeinsam im April 1992 einen "autogolpe", einen Staatsstreich von oben, gegen die übrigen Verfas-

36

Moltmann: Müitär und Sicherheitspolitik in Südamerika

sungsorgane des Staates. Ihm folgte ein bedingungsloser Kampf gegen den Terrorismus auf Kosten rechtsstaatlicher Prinzipien. Die politischen Parteien wurden entmachtet und die Rechte des Parlamentes und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Eine Stärkung der Militärjustiz sicherte die Loyalität der Streitkräfte. Der Putsch fand bei einzelnen Offizieren in anderen Ländern unverhohlene Zustimmung angesichts der Krisen, in die Vorwürfe der Korruption und Unfähigkeit die eigenen Regierungen und Parlamente gestürzt hatten. Gleichzeitig weckte der Staatsstreich aber auch Befürchtungen, daß andere Militärs diesem Beispiel folgen könnten. Die Absicht, die Demokratie als Grundprinzip staatlicher Ordnung und Zusammenarbeit auf dem gesamten amerikanischen Kontinent zu verankern, prägt die Debatte um die Zukunft der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) als regionaler Sicherheitsorganisation unter dem Dach der Vereinten Nationen. Der OAS sind eine Reihe militar- und sicherheitspolitischer Organe zugeordnet (Varas Fernández 1993:60 ff). -

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de Defensa hat ihren Sitz in Washington, D.C./USA. Die Junta Interamericana Die Junta, 1942 gegründet, sieht sich als erste multilaterale militärische Organisation dieses Jahrhunderts und wurde im Jahr 1945 dauerhaft etabliert. Sie erhielt den Status einer beratenden Einrichtung der OAS. Aufgabe dieser Einrichtung ist es, die Hemisphäre vor jeglicher äußerer Bedrohung zu schützen. Im Jahr 1963 leistete sie militärisch-technische Hilfe, um Waffenverstecke in Venezuela ausfindig zu machen. Die Waffen stammten aus Kuba. Im Jahr 1965 bereitete sie die militärischen Operationen in der Dominikanischen Republik binnen von 72 Stunden vor. Während der Krisen zwischen Honduras und El Salvador in den Jahren 1969 und 1976 entsandte sie Beobachter, im Jahr 1972 nach Belize. Im Jahr 1990 beteiligte sich die Organisation in Nikaragua, vorhandene Minenfelder zu räumen (Henriquez Riffo 1994:66f.). Das Colegio Interamericano de Defensa hat nicht die angestrebte prägende Kraft gehabt, unter den beteiligten Staaten eine gemeinsame Militärdoktrin herauszubilden. Der Akzent liegt vor allem auf der Anpassung der Ausbildungsstandards und der Verbesserung der Kommunikation. Die Reunión de Comandantes de las Fuerzas Armadas wurde in den sechziger Jahren auf Einladung des US-Verteidigungsministeriums geschaffen. Die wichtigste Gruppierung war hier die seit 1960 jährlich, ursprünglich in Panama, dann wechselnd in verschiedenen Hauptstädten, stattfindende Versammlung der Oberbefehlshaber der Heere. Die Treffen dienen dazu, sich über die Beurteilung der internationalen sicherheitspolitischen Lage auszutauschen, die Verbindungen unter den Streitkräften zu verbessern und vor allem die Geheimdienstaktivitäten abzustimmen. Subregionale Aktivitäten militärischer Kooperation: Vor dem Falkland/MalvinasKrieg spielte die regionale Kooperation zwischen Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay in dem Comando del Area Marítima del Atlántico Sur eine Rolle. Sie beabsichtigte, die Region aus dem Ost-West-Konflikt mehr und mehr herauszuhalten und insgesamt eine strategische Autonomie zu erlangen. Seit 1985 stehen Peru und Chile in einer engeren militärischen Kooperation, die regelmässige Treffen der militärischen Führung einschließen, um die Rüstungsniveaus 37

Lateinamerika Jahrbuch 1995

aufeinander abzustimmen, sich über Bedrohungsvorstellungen auszutauschen, bilaterale Kommunikation zu fördern und Spannungen in den Grenzregionen abzubauen. In jüngerer Zeit tritt die gemeinsame Abwehr des Terrorismus und des Drogenhandels in den Vordergrund. Informelle Treffen finden zudem zwischen den Streitkräften Argentiniens, Brasiliens und Uruguays statt. In Zeiten des Kalten Krieges hatte sich die inter-amerikanische Kooperation vor allem auf den Tratado Interamericano de Asistencia Reciproca (TIAR) und den Rahmen der Organisation Amerikanischer Staaten gestützt (Child 1980). Beide Einrichtungen sicherten die nordamerikanische Hegemonie über den Süden des Kontinents und entsprachen der US-Politik, ein System regionaler Allianzen zur Eindämmung sowjetischen Einflusses zu schaffen. Nach der Hochphase in den fünfziger und sechziger Jahren wurde das Sicherheitssystem durch die zunehmenden Tendenzen nationaler Autonomie der lateinamerikanischen Staaten in Frage gestellt. Die nordamerikanische Menschenrechtspolitik unter Präsident Carter trug ebenso zur Erosion bei wie die Parteinahme der USA unter Präsident Reagan zugunsten der Contra in Nikaragua und zugunsten der britischen Seite im Falkland/MalvinasKonflikt 1982. Auf breite Ablehung in der OAS stieß die nordamerikanische Invasion in Grenada im Jahr 1983. Umgekehrt ließen sich südamerikanische Staaten immer weniger in jeden Konflikt in der Region im Interesse der USA hineinziehen. Mit der nordamerikanischen Intervention in Panama im Dezember 1989 brach das interamerikanische System faktisch zusammen (Varas Fernández 1993:56ff.) und ließ sich auch 1994 bei der Regelung der politisch-institutionellen Krise in Haiti nicht wieder aktivieren. Bei der Regelung regionaler Konflikte waren eine gewisse Konkurrenz der Mechanismen der OAS mit denen der UNO zu verzeichnen. Mit der "Deklaration von Santiago", verabschiedet im Juni 1991 in Santiago de Chile, bestätigten die Mitgliedsstaaten der OAS ihre Verpflichtung zur Demokratie und zur Erneuerung des interamerikanischen Systems. Man kam überein, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die repräsentative Demokratie zu stärken und zu verteidigen. "Irreguläre Unterbrechungen demokratischer Entscheidungsprozesse" sollten verhindert, die Erhaltung der Demokratie ein wichtiger Baustein zur regionalen Sicherheit werden (Halperin 1991). Am 14.12.92 wurde die Charta der OAS dahingehend geändert, daß die Mitgliedschaft eines Landes in der Gemeinschaft suspendiert werden könne, wenn eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt werde. Die Brüchigkeit der Willensbekundungen zeigte sich jedoch schon wenige Monate später. Im Fall des "kalten Putsches" in Peru legte außer Kanada, Costa Rica, Panama und Venezuela kein weiterer Staat Protest ein. Eine Delegation der OAS erreichte nur, daß der peruanische Präsident bewegt wurde, politische Häftlinge zu entlassen und eine neue Verfassung zur Abstimmung zu stellen, die die geschaffenen Verhältnisse bestätigte. Der Präsident blieb aber unangefochten im Amt. Im Fall Haitis wurde schließlich nach eigenen fehlgeschlagenen Vermittlungsversuchen den Vereinten Nationen und den USA die Initiative zum Handeln überlassen. Als Angelpunkt einer wirksamen Reform des OAS-Systems erwies sich erneut die Problematik des Rechts auf Interventionen von außen in innere Angelegenheiten 38

Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

eines Mitgliedstaates. Entsprechend der UN-Satzung garantiert auch die OAS ihren Mitgliedern das Recht auf Souveränität und Verteidigung im Falle eines militärischen Angriffes. Dessen Abwehr wird als originäre Aufgabe der Streitkräfte anerkannt. In Frage gestellt wird diese nun durch Tendenzen, den Schutz und die Verteidigung demokratischer Institutionen kollektiv und in regionaler Verantwortung wahrzunehmen. Der Schutz vor Interventionen (Art. 18 und 19 der OAS-Satzung) konkurriert mit anderen, für die Gemeinschaft der OAS grundlegenden Prinzipien, daß "soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit die Grundlagen eines dauerhaften Friedens sind und die Grundrechte der Individuen ohne Rücksicht auf Rasse, Nationalität, Glauben und Geschlecht anzuerkennen sind." (Art. 29 der OAS-Satzung) (Farer 1993:721). Die Mitgliedstaaten der OAS scheuen einen langfristigen und weitreichenden militärischen Eingriff in das politische System eines ihrer Mitgliedstaaten, schon in Erinnerung an frühere fragwürdige Aktionen in Zentralamerika und in der Karibik. Die zögernde Umsetzung der feierlich beschlossenen Prinzipien regionaler Zusammenarbeit bleibt nicht ohne Kritik in der Öffentlichkeit. Einer der prominentesten Sprecher ist der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa. Er wendet sich dagegen, den Anspruch auf Souveränität an die Interessen der Staaten und der jeweiligen Machthaber zu koppeln: "Denn die einzige wahre Souveränität ist diejenige, die sich Völker erkämpfen, weil sie sich von Tyrannen befreien, sich eine erträgliche Existenz sichern und innerhalb des Rechts leben." (Vargas Llosa 1994). Gleichzeitig warnt der Schriftsteller vor weiterhin bestehenden Machtgelüsten der Offiziere. Die Passivität und das nachträgliche Klagen der OAS angesichts des Putsches in Peru würden Soldaten in anderen Ländern animieren, wieder die Macht zu ergreifen, um "Immoralität und politiquería" zu beseitigen (Búsqueda, Montevideo, 30.12.93). Trotz der eher ernüchternden Reaktionen auf die Hoffnungen, die OAS im Sinne eines demokratisch ausgerichteten regionalen Sicherheitssystems zu reformieren, fehlt es nicht an Stimmen, die für das Modell kollektiver Sicherheit auf dem amerikanischen Kontinent eintreten. Diese kommen derzeit vor allem aus Argentinien, wie die Voten des Vertreters des Landes bei der OAS, Hernán Patiño Mayer, oder des Oberbefehlshabers des Heeres, General Martin Balza, zeigen. Die bisherigen Vertragssysteme, insbesondere der Rio-Pakt vom Jahr 1947, erwiesen sich angesichts heutiger Herausforderungen als antiquiert. Es fehle an Mechanismen kollektiver Konfliktprävention und friedlicher Streitbeilegung. Eine kooperative Sicherheitspolitik in Amerika hätte zunächst intraregionale Konflikte zu vermeiden, indem sie die bestehenden Grenzen anerkenne. Die Streitkräfte seien eindeutig defensiv auszurichten und sollten auf alle offensiven Komponenten verzichten. Gemeinsam wäre gegen jede Form der Aggression vorzugehen. Zu Maßnahmen, um die militärische Sicherheit international zu entwickeln, gehöre die Transparenz bei der Entwicklung militärischer Technologien und der Bewertung von Rüstungspotentialen. Massenvernichtungswaffen seien zu zerstören. Die Soldaten müßten daran interessiert sein, die Demokratien zu stärken und die Menschenrechte zu achten. Dieses Bestreben solle die Militärs einigen. Neue Ziele der Politik seien die wirtschaftliche Integration und der Schutz der Umwelt (Clarín, Buenos Aires 10.11.93 und 19.11.93).

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

4.2

Außenpolitische Determinanten

Für die sicherheitspolitische Positionsbestimmung im südlichen Südamerika ist immer noch die Politik der Vereinigten Staaten maßgebend. Deren Hin- und Herschwanken haben jedoch mehr Irritation als Zustimmung geweckt (Brock 1993). Nach 1990 schien zunächst das Bild einer unipolaren, von der dominierenden Rolle der USA geprägten Weltordnung vorherrschend: Die USA seien als 'Sieger* aus dem Ost-West-Konflikt hervorgegangen und seien in der Lage, mit ihrem wirtschaftlichen und militärischen Potential die globale Entwicklung zu kontrollieren (Toro Dávila/Varas Fernández 1992:9). Später zeigte sich zunehmend, daß die globalen politischen Strukturen in eine "segmentierte Globalität" übergingen. Auf der einen Seite nehmen die wirtschaftlichen Integrationsprozesse an Intensität zu. Auf der anderen Seite wachsen Differenzierung und Diversifikation. Die bisher vor allem territorial definierten politischen Einheiten - die Staatenwelt - sieht sich neuen Konstellationen gegenüber, die von einer staatenübergreifenden Homogenität der Interessen gekennzeichnet sind. Militärische Optionen lösen sich zunehmend von den wirtschaftlichen Interessen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Akteure in der internationalen Politik: Die Staaten sehen sich supranationalen, regionalen und nichtstaatlichen Akteuren gegenüber - eine Vorstellung, die nationalstaatlich ausgerichteten Militärs zunächst Verwirrung und Schrecken einjagt. Die Interpretation der Rolle der USA als einer Macht mit "Führungsanspruch ohne Hegemonie" (Varas Fernández 1992:25) nahm ihnen den sicherheitspolitischen Fixpunkt im internationalen System. Ob die Militärs darauf mit einer selbständig betriebenen Integration antworten, etwa auf die wachsende wirtschaftliche Zusammenarbeit, vor allem im MERCOSUR, ist noch offen. Während brasilianische und paraguayische Stimmen sich dafür aussprechen, um nicht vollkommen in den Sog der USA zu geraten, halten uruguayische und argentinische Offiziere sich zurück. Für diese wäre eine Integration der Streitkräfte - parallel zu den wirtschaftlichen und politischen Bemühungen - eine angemessene Reaktion auf die veränderte Weltordnung. Die südamerikanischen Staaten und Streitkräfte müßten sich rechtzeitig wehren, geopolitisch marginalisiert zu werden, zumal sie nicht in ein Bündnis, vergleichbar mit der NATO, einbezogen seien (Página 12, Buenos Aires 19.6.93). Inzwischen zeichnet sich für die US-Politik gegenüber seinen südlichen Nachbarn ab, daß der bisher vorherrschende Bilateralismus von einem Denken in kontinentaler Perspektive abgelöst wird und die intraregionale Kooperation gestärkt werden soll (Mols 1994:484f.). Nicht mehr die zwischenstaatlichen Beziehungen zu einzelnen der Staaten stehen im Mittelpunkt, sondern der Bezug zum gesamten Subkontinent. Die westliche Hemisphäre ist der größte Exportmarkt der USA und die einzige Region, in der die USA einen Handelsüberschuß erzielten. Bei der angestrebten Liberalisierung des Handels rechnet die nordamerikanische Wirtschaft mit einer Verdreifachung ihrer Exporte bis zum Jahr 2003. Die USA setzen darauf, daß ein Multilateriamus positive Wirkung entfalte, wie bei den gemeinsamen Anstrengungen, den internationalen Drogenhandel zu bekämpfen. Einen vorläufigen Höhepunkt

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Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik in Südamerika

fand die nordamerikanische Politik in dem Amerika-Gipfel, der im Dezember 1994 in Miami/USA stattfand. Ein neuer Horizont für außenpolitische Wirkung eröffnet sich den südamerikanischen Streitkräften mit dem zunehmenden Bedarf der Vereinten Nationen an international einzusetzenden Truppen im Rahmen von friedensherstellenden und -erhaltenden Missionen unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrates. Sich hier zu engagieren, gäbe den Soldaten sinnvolle Aufgaben, demonstrierte ihren professionellen Standard und sicherte ihnen die Unterstützung der Bevölkerung - so die Erwartung führender uruguayischer und argentinischer Militärs (Busqueda, Montevideo, 24.6. 93). Die Einsätze seien zudem ein Beweis für die friedlichen Absichten des Landes. Die Wahrnehmung der Aufgaben stelle die Offiziere vor bisher unbekannte Herausforderungen, beginnend mit der Tatsache, tatsächlich vollständige Einheiten kommandieren zu müssen. Gleichzeitig sichere das militärische Engagement im Rahmen der UN dem Land eine höhere internationale politische Präsenz. Wirtschaftlich und finanziell trügen die internationalen Aufträge dazu bei, die eigenen Aufwendungen für den Unterhalt der Streitkräfte zu reduzieren - eine Hoffnung, die trog, wie sich bei der Entsendung argentinischer Truppen in den Irak zeigte. Bolivien, Paraguay und Peru setzen ihre Streitkräfte nicht in internationalen Zusammenhängen ein. Die Sonderrolle Brasiliens, das bisher darauf verzichtet hat, den Vereinten Nationen größere Truppenkontingente zur Verfügung zu stellen, wird sich in dem Maße ändern, in dem die Aussichten Brasiliens wachsen, einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat einzunehmen. Mit der Präsenz von südamerikanischen Soldaten auf internationalen Schauplätzen wachsen auch Aspirationen auf eine zunehmende weltweite Bedeutung. Annäherung und Mitgliedschaft in der NATO werden als erstrebenswerte Ziele in politischen wie militärischen Zirkeln artikuliert. Kontakte zu europäischer Streitkräften, voran der Bundeswehr, werden hergestellt. Was die politische Führung, vor allem in Argentinien, im Rahmen ihrer Politik betreibt, dem Schatten der Dritten Welt zu entkommen, trifft auf Zurückhaltung bei den Militärs und des Verteidigungsministers Funktionen südamerikanischer Soldaten als Beobachter und bei "Friedensmissonen" der Vereinten Nationen: Zahl der entsandten Soldaten (nach: IISS 1994:205 ff)

Argentinien Brasilien Chile Kolumbien Ekuador Guyana Uruguay Venezuela

Truppen

Beobachter

1.428

66 86 6 4 8

500 884

89 24

Polizeieinsatz 26 91 23 50 6 10

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Einsatzorte südamerikanischer Soldaten als Beobachter und bei "Friedens-Missionen" der Vereinten Nationen (nach: IISS 1994:205 ff) Argentinien Angola (Beobachter, Polizei), Kroatien (Truppen, Beobachter, Polizei), Zypern (Truppen), El Salvador (Beobachter), Irak/Kuwait (Ingenieure, Beobachter) Brasilien

Angola (Beobachter, Polizei), Kroatien (Beobachter, Polizei), El Salvador (Beobachter, Polizei), Mosambik (Beobachter, Polizei), Uganda/Ruanda (Beobachter)

Chile

El Salvador (Polizei), Indien/Pakistan (Beobachter), Naher Osten (Beobachter)

Kolumbien

Kroatien (Beobachter, Polizei), Ägypten (Truppen), El Salvador (Beobachter, Polizei)

Ekuador

El Salvador (Beobachter)

Guyana

El Salvador (Beobachter)

Uruguay

Ägypten (Truppen), Indien/Pakistan (Beobachter), Irak/Kuwait (Beobachter), Liberia (Beobachter), Mosambik (Truppen, Beobachter, Polizei), Ruanda (Beobachter), West-Sahara (Beobachter)

Venezuela

Kroatien (Beobachter), El Salvador (Beobachter), Irak/Kuwait (Beobachter), West-Sahara (Beobachter)

Oscar Camilliön. Die NATO solle nicht auf den Südatlantik ausgedehnt werden, liefere aber Beispiele für eine wirksame sicherheitspolitische Kooperation. Die UNO sei als Rahmen attraktiver, weil sie keinen hegemonialen Interessen zugeordnet sei (Pägina 12, Buenos Aires 13.10.93). 4.3

Neue Bedrohungen in der Region

Für die Formulierung sicherheitspolitischer Optionen und daraus abgeleiteter Strategien für Politik und Streitkräfte bietet die Analyse möglicher Bedrohungen immer noch die entscheidende Grundlage. Aus der Sicht eines einzelnen Staates gilt weiterhin: "Zu Bedrohungen zählen alle Faktoren, die der Erfüllung der Ziele eines Staates entgegen stehen. Sie stellen eine der wichtigsten Variablen dar, um Sicherheitspolitik und -Strategien zu definieren. Diese schließen militärische Maßnahmen ebenso ein wie wirtschaftliches und politisches Handeln." (Cruz Johnson/Varas Fernández 1993:1). Bleiben der Nationalstaat und mit ihm die nationalen Streitkräfte die zentralen Bezugspunkte, leiten sich daraus die Grundzüge der nationalen Verteidigung ab, denn "es gibt kein generelles Schema, das alle Bedürfnisse befriedigt" (ebenda, S. Vllf.). Diese herkömmlichen Vorstellungen sehen sich nun mit Heraus42

Möllmann: Militär und Sicherheitspolitik In Südamerika

forderungen konfrontiert, die zum Teil von außen hineingetragen sind, zum Teil in Staat und Gesellschaft selbst ihren Ursprung haben: den Streit um die ökologische Sicherheit - die internationale Drogenökonomie - politisch-soziale Instabilitäten neue Formen des Terrorismus. Unter dem Stichwort "ökologische Sicherheit" sind ökologische Imperative, wirtschaftliche Interessen und politische Ambitionen eine aktuell brisante Symbiose eingegangen. In dem peruanisch-chilenischen Krieg im Jahr 1889 ging es bereits um die für die Herstellung von Schießpulver wichtigen Guano-Vorkommen im umstrittenen Grenzgebiet zwischen beiden Staaten. Heute zählen zu ökologisch begründeten Konflikten jene, "die sich aus den Folgewirkungen spezifischer Formen der Ressourcennutzung ergeben. In der Regel wird es sich dabei um einen Raubbau an Naturressourcen handeln, der zu einer ungleichmäßigen und ungleichzeitigen Einengung menschlicher Existenzmöglichkeiten führt (Wasser- und Bodenverknappung, Klimaveränderung, Ozonabbau) und bei den unmittelbar Betroffenen Reaktionen hervorruft (z.B. ökologisch bedingte Migration), die auch bei den weniger oder (noch) nicht Betroffenen auf Widerstand stoßen" (Brock 1994:448). Diese Konfliktformation macht an nationalstaatlichen Grenzen nicht Halt, kollidiert aber mit den politischen Prioritäten, die den "nationalen Interessen" verpflichtet sind. So wehrte sich Brasilien zum Ausgang der achtziger Jahre vehement dagegen, den Schutz der Regenwälder in der Amazonas-Region in internationale Verantwortung zu übergeben. Brasilien sah darin eine Intervention und den Versuch, den Aufstieg des Landes - so der damalige Präsident Sarney - zur Weltmacht zu verhindern. Auch spätere Regierungen verfochten den Grundsatz im Einklang mit den Interessen des Militärs, einerseits den Schutz der natürlichen Ressourcen zu ihrer eigenen Sache zu machen, andererseits jede Einmischung von außen abzuwehren (Gazeta Mercantil, Säo Paulo 24.8.93 und 25.8.93). Mit einem weitflächig angelegten Radarsystem soll das Gebiet überwacht und einem unkontrollierten Eingriff der Riegel vorgeschoben werden. Gleichzeitig setzten die Streitkräfte gegen den Protest von Umwelt- und Indianerorganisationen ein umfangreiches Programm in Gang, um die Region militärisch zu erschließen und zu sichern, nicht zuletzt unter dem Vorwand, damit auch Übergriffe von kolumbianischen Guerillagruppen zu verhindern. Die Pläne dazu waren schon in den siebziger Jahren in der Ära des Militärregimes und seiner geopolitischen Visionen aufgestellt worden. Die ergriffenen Maßnahmen haben jedoch nicht verhindert, daß Fragen der ökologischen Sicherheit weiterhin auf der internationalen Agenda stehen. Die internationale Drogenökomie hat sich - ähnlich wie die ökologische Sicherheit - zu einem sicherheitspolitisch relevanten Bedrohungsfaktor entwickelt, der nationale Grenzen überschreitet und Staaten wie Gesellschaften in Südamerika in ihrem Zusammenhalt von innen her gefährdet. Boliviens Volkswirtschaft ist nach Schätzungen zu 75% von der Drogenökonomie abhängig. In Peru trägt die Drogenproduktion und der Drogenhandel zu mehr als 21% zum Bruttosozialprodukt bei. Für Kolumbien wird der Anteil der Drogenökonomie am Bruttosozialprodukt mit 23% eingeschätzt. Brasilien entwickelt sich mehr und mehr zum Schauplatz für die Produktion und den Umschlag von Drogen. Seine Grenzen nach Kolumbien, Ekuador und Peru erlauben einen nahezu unkontrollierten Handel. Führende Politiker,

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

Polizisten und Soldaten sind inzwischen in Verdacht geraten, mit dem Drogengeschäft in Verbindung zu stehen. Paraguay hat seit der Diktatur Alfredo Stroessners eine wichtige Mittlerrolle im Cono Sur. Als Zentrum finanzieller Transaktionen rückt Uruguay mehr und mehr in den Vordergrund. Argentinien gewinnt als wichtiger Handelsplatz und Ausfuhrland für Bolivien und Paraguay auch für den internationalen Drogenhandel, vor allem nach Europa, zunehmende Bedeutung. Chile ist derzeit das einzige Land Südamerikas, in dem das Drogengeschäft noch keinen Einfluß ausübt. Angesichts der wachsenden Bedeutung des pazifischen Raumes für den Absatz und die Vermarktung von Drogen, vor allem für Drogen bolivianischer Herkunft, könnte sich dies jedoch ändern (Angaben nach Proceso, México 16.8. 1993). Die internationale Staatengemeinschaft hat auf die sich ausdehnende Drogenökonomie unter Führung der USA mit einer Reihe von koordinierten Programmen reagiert. Diese zielten darauf, den Anbau von Vorprodukten, zum Teil gewaltsam, zu unterbinden, Substitutionsproduktionen anzubieten und Verarbeitung und Handel zu kontrollieren. Diesen Maßnahmen wurde jedoch nicht in gleichem Maße in den Abnehmerländern entsprochen (Heinz 1993). Die südamerikanischen Militärs registrieren die Unfähigkeit ihrer nationalen Regierungen, den Drogenanbau und -handel einzuschränken. Sie wehren sich gleichwohl gegen die Präsenz auswärtiger Polizei- und Militärpersonen auf ihrem Staatsgebiet. Weitverbreitet ist bei ihnen auch die Weigerung, Polizeifunktionen zu übernehmen und selbst in der Bekämpfung der Drogenökonomie aktiv zu werden. Dies käme einer Entprofessionalisierung gleich und würde die Stellung der Streitkräfte innerhalb der Verfassungsinstitutionen beeinträchtigen. Bei einem Seminar der OAS über vertrauensbildende Maßnahmen und Mechanismen der Sicherheit in Lateinamerika im Jahr 1994 wurde die Armut als der größte Feind des Friedens auf dem Subkontinent bezeichnet (El Financiero, México 19.2.94). Die Zahl der absolut Armen hat sich in den achtziger Jahren von 91 auf 130 Millionen Menschen erhöht. Das untere Fünftel der Bevölkerung muß mit etwa 4% des Einkommens der Region auskommen, während das obere Fünftel mehr als 50% des Volkseinkommens auf sich vereinigt. Nur Chile hat neben Costa Rica seine Armutsrate (von 1987 45% auf heute 33%) verringern können (Angaben nach FAZ 10.12.94). Die wirtschaftliche und soziale Marginalisierung stellt vor allem in metropolitanen Zonen wie in Säo Paulo, Rio de Janeiro oder Buenos Aires die öffentliche Ordnung in Frage. Die argentinische Regierung hat auf zurückliegende Unruhen in der Bevölkerung, die Erstürmung von Gouverneurspalästen, Justizgebäuden und Verkaufsstellen reagiert, indem sie ein "Supersekretariat für innere Sicherheit" schuf. Ihm soll eine mobile Einsatztruppe in Stärke von 3.000 Mann unterstellt werden, ausgerüstet mit automatischen Waffen kurzer Reichweite, Wasserwerfern, Straßenkampfgerät, Mörsern und Hubschraubern. Von der Präsenz dieser Truppe erhofft sich die Regierung eine "abschreckende Wirkung". In Uruguay hat die Regierung gegen den Widerstand der Opposition die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen, daß die Streitkräfte auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Land, wie es für andere Staaten bereits gilt, eingesetzt werden können. Zu dem gleichen Zweck entsandte die Bundesregierung Brasiliens im Oktober 1994 Militäreinheiten in die Stadt Rio de Janeiro, um dort Polizeiaufgaben zu 44

Moltmann: Militär und Sicherheitspolitik In Südamerika

übernehmen. Hier waren zwischen 1985 und 1991 2,4 mal soviel Menschen wie in New York ermordet worden. Auch der peruanischen Guerilla-Bewegung des Sendern Luminoso seien weniger Menschen zum Opfer gefallen. Als wichtigste Ursachen dieser Zustände gelten Drogenhandel, Korruption einerseits, das Bevölkerungswachstum, die Verarmung und die Arbeitslosigkeit andererseits. Damit entsprechen die Verhältnisse bereits dem, was der nordamerikanische Journalist Robert D. Kaplan unter dem Stichwort "The Coming Anarchy" in dem Zusammentreffen von ökologischer Krise, Unregierbarkeit von Staaten, Kriminalisierung des Streits um Ressourcen und den Zusammenbruch politisch-sozialer Systeme auf einen Nenner gebracht hat (Kaplan 1994).

5. Fazit Neuorientierung ist für die Streitkräfte im südlichen Südamerika selbst, aber auch für ihr Verhältnis zur Politik angesagt. Sie gehen in diesen Prozeß unter ungünstigen Vorzeichen, wenn sie ihren traditionellen politischen Statuts bewahren und gleichzeitig sich den heutigen internationalen und innenpolitischen Konstellationen anpassen wollen. Die Last der autoritären Regime unter Führung von Militärs wiegt noch immer schwer. Die zivilen Regierungen kämpfen um den Erhalt staatlicher Autorität und der Regierungsfähigkeit. Gleichzeitig stehen sie unter dem Druck, sich den veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen anzupassen und den Konzeptionen wirtschaftlicher und politischer Integration Gestalt zu verleihen. Hinzu kommt die Konfrontation mit neuen Bedrohungen, die aus der prekären sozialen Lage, aus der internationalen Drogenökonomie und deren kriminellen Energien sowie aus den ökologischen Krisen herrühren. Sie alle sprengen den bisherigen Rahmen, Sicherheit in Kategorien nationalen Interesses und nationalstaatlicher Politik zu denken. Die Krise des Staates in Südamerika, die in den vorangehenden Jahrzehnten Gegenstand theoretischer Debatten war, ist jetzt vielerorts mit Händen zu greifen: Das staatliche Gewaltmonopol löst sich auf, Korruption und Versagen staatlicher Organe greifen um sich; die Effektivität von Rechtsstaat und öffentlicher Verwaltung steht auf dem Spiel. Die versprengten Appelle an die Größen der Nation und das Pochen auf nationale Souveränität klingen zunehmend hohl. Die Streitkräfte im südlichen Südamerika suchen den Ausweg aus ihrer eigenen Krise in einem neuen Professionalismus. In Organisationsfragen und bei der Beherrschung moderner Waffentechnologien die Standards westlicher Demokratien zu erreichen, das Verhältnis von militärischer Macht und ziviler Autorität neu zu ordnen und sich als zuverlässiger Partner der Politik zu beweisen, gelten als Voraussetzungen, öffentliche Anerkennung als konstitutiver Faktor der Sicherheitspolitik zu finden und eine Kompetenz zu besitzen, die nicht von anderen Institutionen übernommen werden kann. Dabei halten die Streitkräfte an ihrem Anspruch fest, die Verantwortung für die Verteidigung des staatlichen Territoriums wahrzunehmen und darin auch eine Begrenzung ihrer politischen Rolle zu sehen (Stellungnahme des

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Lateinamerika Jahrbuch 1995

argentinischen Verteidigungsministers Oscar Camilliön in: Clarin, Buenos Aires 18.8.93). Die Gefahr eines militärischen Putsches und einer Machtübernahmen seitens des Militärs in den Staaten des südlichen Südamerikas werden trotz punktueller Unruhen innerhalb der Streitkräfte allgemein als gering eingeschätzt. Die zivilen Regierungen bemühen sich, die Streitkräfte aus tagespolitischen Kontroversen herauszuhalten, was seitens der militärischen Führung mit politischer Zurückhaltung beantwortet wird, zumal der wirtschaftliche und gesellschaftliche Status bis an die Schmerzgrenze für die Soldaten zurückgegangen ist. Dies gilt auch für ihre Vertretung in den Regierungen: allein Brasilien hält noch daran fest, daß die drei Streitkräfte mit Offizieren in den Kabinetten präsent sind. Die Sicherheit im südlichen Südamerika ist weiterhin ein umstrittenes Gut. Ungewiß ist aber auch, ob die Streitkräfte als traditionelle Sachwalter der Sicherheit von Staat und Nation diejenigen sein werden, die als Retter in der Not auftauchen. Eher könnten sie sich in der Rolle jener Soldaten wiederfinden, deren Weg in einem aussichtslosen und erniedrigenden Kampf gegen sozialen Aufruhr endete, wie es der brasilianische Journalist und Soldat Euclides da Cunha in der Reportage "Os Sertöes" vor über neunzig Jahren so eindringlich beschrieben hat.

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96

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

62,9 740 39 63 0,3 12 0 12,9

202 2120 106,6 156,6 -28

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

72,4 27,6 32,9 0 24 13

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)

16,6 12,8 2,3 0,8 6

Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

63

222 2380 123,3 171,8 -18,4

12,9 17,6

216 2340 99,9 150,6 -19,9 33,1 22,6 25,9

74,2 21,7 29,7 4,1 16,9 19,4 5,4 63,7

69,2 14 36,2 16,8 13,9 20 5,6 66,1

69,1 18,2 31,7 12,7 13,7 19,4 5,2 66,9

103,8 91,1 3,1 1,5 2,9 5,6

109,1 97,9 5,9 2 4,9 1,2 4,4

139,2 96,2 8.2 2,9 6,7 -0,4 3,4

18,5 26,9

5,5 2,1

303

IBEROSTAT Stand:

8,95

Hauptstadt Fliehe (in qkm): Währung:

Georgetown 214.969 Guyana Dollar

GUYANA Jahr

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

0,79 43,8 52,8 30,5 31,5 3,5 26,8 26 47,2

0,8 34,5 61,3 34,6 25,6 2,8

0,806 33,4 62,8 34,6 24,5 2.6 27 26 47

0,812

72 109 64,6

79,1 108 51 67.2 64.2 6220 96,4

48 64 65,1

63,3 35,2 2,5

1,141 0,5

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

61 6200

83 46,8 65,5

97

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in ÜSS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wahrungsreserven (in Mio. USS)

591 760 411 538 -129 85 0,6 13

396 240 236 412 -163 165 0 29

280 320 378 465 -147 198 0 188

326 350 404 522 -143 166 0 247

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

51.8 28,9 29,8 19,3 23 36 12 41

60,9 13.6 29,5 25,5 27,5

45,2 20,7 32,9 34,1 31,4 29,2 13,9 39,4

61,7 20,2 29,5 18,1 30,6 31,2 13,3 38,2

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)

794 598 89 31 21,6 1.7

1960 1663 303 132 128,4 -5

1878 1666 99 48 26,2 8,3 28,2

1938 1727 91 42 22,5 8,4 10

Durchschnitt!, jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

304

0,5 -3,3 31

IBEROSTAT Stand:

8.S5

Hauptstadt Fläche (in qkm): Währung:

Kingston 10.950 Jamaican Dollar

JAMAIKA Jahr

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertili tätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

2,13 45,9 49.7 46.8 26,4 3,7 31.3 16.4 52,3

2,39 34,7 59.2 52.3 22,9 2.4

2,394 33,2 60,1 52,4 23,9 2,4 26 24 50

2,415

86 119 18,4

72 114 16 20 73 2044 98,4

72 14 17 73.6

61.7 52.8 21 2,3

3,509 1,3 1,3

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner j e Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

70,8 2040

13,6 16,6 73,7

99

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in ÜSS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

2679 1220 1422 1678 -166 267 28 105

4151 1670 2464 2863 -263 336 138 168

3158 1450 2319 2542 117 96 87 324

3826 1440 2458 3059 -239 353 139

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

66 20,4 15,7 13,6 8 37 55

55,8 15 29,6 29.6 5 46 20 49

59,7 9.5 28,5 30,8 5,9 47,6 18,7 46,5

60,5 13.2 34.7 26,3 8 41 18 51

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)

1903 1421 280 159 19 -6,2

4598 3873 705 285 28,6 4,1

4394 3686 695 214 23,6 1.4 77.3

4279 3604 494 208 20,1 1.2 22,1

Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

1,4 2,2 14,8

305

IBEROSTAT Stand:

8,95

Hauptstadt: FlSche (in qkm): Währung:

SAINT KITTS UND NEVIS Basse Terre 261 East Carribean Dollar

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitatsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschlute Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

Jahr

1980

1990

1992

1993

0,044

0,04 34,9 54,7 48,9 22,8 2,6

0,042

0,041

41,3 26,8 3,3

40,7 21,3 2,6

55,9 41,3

0,047 -0,6 -0,5

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tagl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindenterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

100

2740

100 111 36,4 42,8 69,6 2183 92

34 68

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

48 1090 32,9 48,6 -2.7 1,1 I

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

16 26,7 15,2 57,3

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffenüiche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

306

6,1 6.5

160 3620 78,9 141,3 -50,2 50.4 48,8 16,3

179 4120 114,1 148,3 -20,5 24 13,7 26.2

59 18,4 21,8 14,5 8,6 27,7 13,7 63,7

55,3 17,7 39,6 27 6,1 25,8 11,9 68,1

37,1 36,1 2,6 1,5 3,2 1,9

43,3 39,3 2,6 1,1 2,3 3,6 3,3

195 4410

30 29,4 40

42,6 39,5 4 1,4 4 2,1

IBEROSTAT Stand:

8.S

Hauptstade Fläche (in qkm): Währung:

SAINT LUCIA Castries 622 East Carribean Dollar

Jahr

1. DEMOGRAPHICHE KENNZIFFERN Bevölkerungszal (in Mio.) davon: unter 1.'Jahren (in %) davon: im Alte von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersone in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersone in der Industrie (in %) Erwerbspersone im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevikerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittlich jährliche Wachstumsrate der Bevälkerug (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

0,124

0.15 34,9 54,7 46,4 26,7 3,2

0,156

0,158

41,9 30,6 4,4

46,8 21,3 3,2

54,6 47,3

0,199 1.4

2. SOZIALE KENIZIFFERN Bevölkerung mi Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienagebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterbliakeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziftr (0-5 Jahre) Lebenserwartun bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Azt Alphabetisierunsquote (in %)

68 2775

109 18,8 22,6 71,5 3831 93

17 70

3. WIRTSCHAFTICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprdukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodkt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Wren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Wasn u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanzin Mio. USS) KapiUlbilanz (ii Mio. USS) davon: ausl. Dfcktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Wähungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrach iin % des BIP) Staatsverbrauch in % des BIP) Bruttoinlandsinwtitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersarnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Indiurie am BIP (in %) davon: Verarbitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienileistungssektors am BIP (in %) Auslandsvenchidung (in Mio. USS) davon: Offentfche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (n Mio. USS) davon: Zinszatungen (in Mio. USS) Schuldendienst i % der Exporterlöse Wachstumsrate es BIP (in %) Inflationsrate (ir%) Durchschnitt), jhrl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jhrl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

113 840 87,5 135,4 -33,3 31,4 30,9 8,3

397 2800 295.7 369 -55,3

75,4

71,1

34,3 7,1 11,7 24,8 9,3 63,5

25,7 14,2 12,2 14,3 6,9 73,5

45,4 44,6

73,8 66,8 2,6 2,9 2 3,7

478 3220 327,6 405,3 -55,3 61,8 46,4 55,5

496 3380

70,1 14,7 24,1 15,2 13,4 20 7,5 66,6

68,7 14,7 24,6 16,6 10,8 20,9 7,4 68,3

97,6 89,5 11,6 4,4 3,5 7 5,9

101,2 96,8 11,1 5,1

60 59,9

3,6 1

6 2.6

307

IBEROSTAT Stand:

8,93

Hauptstadt: Flache (in qkm): Währung:

ST.VINCENT UND GRENADINEN Kingstown 388 East Caribbean Dollar

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

Jahr

1980

1990

1992

1993

0,1

0,107 35,4 59,5 20,6 23,2 2,6

0,109

0,11

43,5

59,2 44,6

16,8 28,3 3.6

2,5

0,147 1,3 0,9

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

31 67,1 4182

109 23 26,4 70,4 3756 84

20,1 71,3

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in ÜSS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

58 620 40 65 -9 7 1 7

198 1750 124,8 166,3 -7,9

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

78,3 40,3 -2,5 14,6 26 11 60,4

67,2 17,8 30,3 15 19,3 22,9 8.7 57,8

10,6 10,3 0,4 0,3 1.1 7,8

59,4 57.3 4 1.8 3,2 5

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: Öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

308

7,6 4,9

7,7 26,5

227 2040 129,5 170,1 -16,7 28 18,9 33,4

235 2120

10

31,3

18

62,6 61 4,5

1.8

3,5 6,5 4,1

86,2 62,4 5.4 2.5 1.4 5,2

IBEROSTAT Stand:

5,95

Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:

Paramaribo 163.265 Surinaamse Gulden

SURINAM Jahr 1980

1990

1992

1993

0,35 39,8 55,8 44,8 27,6 4,3 19,9 19,8 60,3

0,422 35,6 60,4 47,4 31 3,4

0,438 34 61,8 48,7 30,5 2,7 20 20 60

0,447

88

98 126 38,7 48,2 67,9 1264 94,9

68 28 34 70,2

898 2590 639 703 15 10 10 221

1584 1760 489 480 33 -15 -43 42

407 1260 364,3 379,4 11 -49 -30 18

420 1180

Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

58 21 26,2 20,8 9,1 29 15 62

56,2 25.1 20,5 18,7 10,6

50,2 27,8 23 22 14,3 23.5 10,6 62,2

50,1 27,4 23,2 22,5 22 24.2 14.3 53,8

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %)

27,4

123

-6,6

-1.1

4,2 43,7

-2,8 143,5

1. DEMOGRAPHISCHE K E N N Z I F F E R N Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachs;tumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

60,6 49,2 2,6

0,668 -1,1 1,8

2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

46,6 64,8 1264

27,2 70,5

96

3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in %) 1981-90:

-9 -4 21,1

-1,4 12,9

309

IBEROSTAT Stand:

9,95

Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:

TRINIDAD UND TOBAGO Port of Spain 5.130 Trinidad and Tobago Dollar

1. D E M O G R A P H I S C H E

KENNZIFFERN

Bevölkerungszahl (in M i o . ) davon: unter 15 Jahren (in % ) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in % ) Städtische Bevölkerung (in % ) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in % ) Erwerbspersonen in der Industrie (in % ) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in % ) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in M i o . ) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in % ) 1965-80: 1981-90: 2. S O Z I A L E

Jahr

1980

1990

1992

1993

1,082 37,3 58,4 56,9 20,3 3,1 10,2 38,6 51,2

1,236 32,7 61,9 69,1 25,5 2,8

1,265 34,5 59,9 70,2 23,4 2,7 10 33 57

1,278

93 113 21,2

96 114 25 17 72 943 96,1

96 18 20 71,6

17,6 20,6 71,8

61,3 70,7 21 2,4

1,779 1,2 1,3

KENNZIFFERN

Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in % ) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner j e A r z t Alphabetisierungsquote (in % ) 3. W I R T S C H A F T L I C H E

68,8 950

KENNZIFFERN

Bruttoinlandsprodukt (in M i o . US$) Bruttosozialprodukt pro K o p f (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. U S $ ) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in M i o . USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in M i o . USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

6236 4950 3371 2972 335 227 185 2813

5068 3600 2321 1863 430 -225 109 513

5440 4020 1738 1399 122 -84 178 190

4670 3830 1642 1340 33 223 185 228

Privater Verbrauch (in % des B I P ) Staatsverbrauch (in % des B I P ) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des B I P ) Bruttoinlandsersparnis (in % des B I P ) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in % ) Anteil der Industrie am BIP (in % ) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in % ) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in % )

45,9

46

51,7 16 16,6 32,7 3 48 13 49

64,7 12,8 12,3 22,5 3,4 40,8 14,8 55,8

66 12,3 13,1 21,7 3 43 9 55

828 712 230 54 6,8 8

2310 1853 388 194 16,7 1.5

2364 1698 572 176 27,7 -1,7 6,4

2137 1704 620 136 37.8 -1.7 10,7

30,6 42,1 2 52

Auslandsverschuldung (in M i o . USS) davon: öffentliche Verschuldung (in M i o . USS) Schuldendienst (in M i o . USS) davon: Zinszahlungen (in M i o . USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in % ) Inflationsrate (in % ) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in % ) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in % ) 1981-90:

310

4,8 -2,9 11

Haiti

Haiti Amtlicher Name: République d'Haïti Präsident: Jean Bertrand ARISTIDE Im Amt vom 2.2. bis 30.9.1991 (Militärputsch) und nach US-Intervention erneut seit dem 17. Oktober 1994 Nächste Präsidentschaftswahlen: Voraussichtlich Ende 1995; im Gespräch ist aber auch eine Verlängerung der Amtsperiode um 3 Jahre aufgrund der Exilzeit von ARISTIDE. Regierung: Seit den Parlamentswahlen vom 25.6.95, den Nachwahlen vom 13.8.95 sowie den Stichwahlen vom 17.9.95 regiert die Partei von Präsident ARISTIDE, die Organisation Politique Lavala. Kabinett (Stand: August 1995): Premierminister: Smarck MICHEL; Äußeres: Claudette WERLEIGH; Innen: General Mondesir BEAUBRUN; Wirtschaft: MarieMichele REY; Handel und Industrie: Roger PÉRAUDIN; Umwelt: Yves André WAINWRIGHT; Soziales: Mathilde FLAMBIER; Staatliche Verwaltung: Jacques DÉBROSSE; Justiz: Joseph EXHUMÉ; Verteidigung: Wiltham LHÉRISSON; Öffentliche Arbeiten: Georges ANGLADE. Oppositionsparteien im Parlament: Front Nacional pour le Changement et la Démocratie (FNCD), Congrès National des Forces Démocratiques (CONACOM), Parti Nationaliste Progressiste Révolutionaire Haïtien. Sitzverteilung im Parlament seit den Parlamentswahlen vom 25.6./13.8./17.9. 1995: Abgeordnetenhaus (83 Sitze): OPL: 67 (übrige Sitzverteilung bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt) Senat (27 Sitze): OPL: 17 (übrige Sitzverteilung bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt)

Chronologie Aufgrund zunehmenden internationalen Drucks erfolgt nach langem Zögern am 19. September 1994 eine US-amerikanische Intervention - gemeinsam mit einer internationalen Eingreiftruppe - gegen die Militärdiktatur unter Führung von General CEDRAS. Die Wiedereinsetzung des im Dezember 1990 gewählten und nach nur achtmonatiger Amtszeit durch einen Militärputsch entmachteten Präsidenten Jean Bertrand ARISTIDE ist das tragende Ereignis des Jahres. Ziel ist die Wiederherstellung bzw. der allmähliche Aufbau demokratischer Strukturen in Haiti. Aus Gründen der Übersichtlichkeit greift die vorliegende Chronologie auf einige Ereignisse des Vorjahres (1993) zurück. 311

Lateinamerika Jahrbuch 1995

1993 Juni 4.6.

Mit der Resolution 841 verhängt die UNO ein Öl- und Waffenembargo über Haiti.

2.7.

Nach Vermittlung des UNO-Sondergesandten Dante CAPUTO kommt es zum Vertrag von Governors Island, in dem die Modalitäten für eine Rückkehr des abgesetzten Präsidenten ARISTIDE nach Haiti geregelt werden. Es wird eine Übergangsregierung unter dem Interimspremier Robert MALVAL eingesetzt. Die UNO setzt das verhängte Embargo vorübergehend aus.

Oktober 5.10.

Bewaffnete paramilitärische Gruppen verhindern die Landung amerikanischer und kanadischer Soldaten einer technischen Mission für Wiederaufbau. General C£DRAS fühlt sich an den ausgehandelten Vertrag nicht mehr gebunden. Eine Rückkehr von Präsident ARISTIDE rückt damit erneut in unbekannte Ferne.

13.10.

Aufgrund des Vertragsbruches durch die haitianische Militärjunta verhängt die UNO mit der Resolution 871 erneut ein Öl- und Waffenembargo. Bankkonten von Haitianern im Ausland werden eingefroren.

1994 Januar 8.1.

Bei einem Pressegespräch erklärt US-Präsident CLINTON, daß er die Chancen für die Rückkehr von ARISTIDE in das Präsidentenamt für düster halte.

10.1.

ARISTIDE stimmt einer Haiti-Konferenz in Miami zu; es gilt allerdings als unwahrscheinlich, daß sich die Militärmachthaber Haitis daran beteiligen.

16.1.

In Miami findet die Haiti-Konferenz statt, ohne die Beteiligung haitianischen Militärs und rechtsgerichteter Parteien. Die "vier Freunde Haitis" (USA, Kanada, Frankreich und Venezuela) schlagen eine umfassende Amnestie für das haitianische Militär vor. Faktisch bleiben die Beschlüsse bedeutungslos.

312

Haiti

Mitte

Ein Tanker mit 1,2 Mio. Litern Treibstoff für humanitäre Einsätze erreicht Port-au-Prince. Am nächsten Morgen sind 300.000 Liter "verdunstet".

25.1.

Beginn der Rückkehr der UNO/OAS Menschenrechtsmission nach Haiti. Sie war Ende 1993 aufgrund der politischen Situation evakuiert worden.

Februar 14.2.

Ein neuer Vorschlag der US-Regierung sieht die Einsetzung eines zivilen Premierministers vor, welcher dann eine Regierung mit breiter Zustimmung in allen Teilen der Bevölkerung bilden soll. Als weiteren wegbereitenden Schritt soll das haitianische Parlament ein Amnestiegesetz für die am Putsch beteiligten Militärs verabschieden. ARISTIDE äußert seine Empörung über diesen Plan und verweigert jegliche Gespräche.

19.2.

Brief haitianischer Parlamentarier an UNO-Generalsekretär Boutros GHALI mit folgenden Forderungen: 1. Absetzung der Militärregierung durch: a) strikte Sanktionen des UNOSicherheitsrates und b) Unterbindung der Warenströme aus der Dominikanischen Republik. 2. Verabschiedung aller im Vertrag von Governors Island vorgesehenen Gesetze, z.B. zur Trennung von Armee und Polizei sowie der Amnestiegesetzgebung durch das haitianische Parlament. 3. Beginn der UNO-Mission zur Professionaüsierung der Armee, Ausbildung der Polizei. Fortsetzung der zivilen UNO/OAS-Menschenrechtsmission. 4. Einsetzung eines Premierministers. 5. Rückkehr von Präsident ARISTIDE zehn Tage nach Einsetzung des Premierministers. 6. Aufhebung aller Sanktionen nach Erfüllung der Punkte 1 .-5. 7. Ratifizierung des Premierministers durch das Parlament. 8. Wiederaufnahme der Wirtschaftshilfe für Haiti. Die US-Einwanderungsbehörde will eine Gebühr von US$ 103 pro Asylantrag erheben, eine für "boat-people" unerschwingliche Summe.

März 8.3.

Der Plan haitianischer Parlamentarier zur Wiederherstellung der Demokratie wird von ARISTIDE abgelehnt. Die US-Regierung und die UNO unterstützen hingegen den Plan.

313

Lateinamerika Jahrbuch 1995

15.3.

Die zivile UNO/OAS Menschenrechtsmission in Haiti berichtet erstmals von Vergewaltigungen 1 als Repressionsmaßnahme. Im Februar war es zu mindestens 20 politisch motivierten Vergewaltigungen und 50 Morden gekommen. 20 Personen verschwanden spurlos. Für die überwiegende Zahl der Vorfälle werden die Front Révolutionaire pour l'Avancement et le Progrès d'Haïti (FRAPH) sowie die "attachés", eine informelle Ansammlung von Schlägern, verantwortlich gemacht.

21.3.

Der Vizekanzler der Dominikanischen Republik behauptet, außer humanitärer Hilfe würden keine Güter die Grenze nach Haiti passieren.

31.3.

Die deutsche Botschaft in Port-au-Prince wird mit der Begründung geschlossen, ihre Aufgaben nicht mehr wahrzunehmen zu können.

April 4.4.

ARISTIDE behauptet, die US-Botschaft in Port-au-Prince sei in den Putsch gegen ihn verwickelt gewesen. Dies wird vom US-Sonderbeauftragten Lawrence PEZZUU.0 energisch zurückgewiesen.

5.4.

Immer mehr Hilfsorganisationen müssen ihre Arbeit aufgrund der katastrophalen Verhältnisse einstellen.

9.4.

Angesichts zunehmender Gewalttaten durch die haitianische Militärjunta teilt ARISTIDE der CUNTON-Administration mit, daß er das 1981 geschlossene Repatriierungsabkommen für haitianische Flüchtlinge in sechs Monaten kündigen werde.

14.4.

Americas Watch und andere Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die Repatriierung haitianischer Flüchtlinge als "unmoralisch und inhuman". Nach Berichten der UNO/OAS-Mission sind bei politisch motivierten Gewalttaten seit dem Putsch über 3.000 Menschen ums Leben gekommen.

22.4.

Auf der angeblichen Suche nach bewaffneten Partisanen richten haitianische Soldaten in Gona'ives ein Massaker an. Mindestens 28 Menschen sterben.

27.4.

Der amerikanische Sonderbeauftragte für Haiti, Lawrence PEZZULLO, tritt nach einem Gespräch mit US-Außenminister CHRISTOPHER zurück. Der Versuch, eine Lösung der Krise auf diplomatischer Ebene zu erreichen, kann somit als gescheitert angesehen werden.

1

314

Vergewaltigungen waren bis zu diesem Zeitpunkt in Haiti nahezu unbekannt. Die Idee, Vergewaltigungen als Repressionsmaßnahme einzusetzen, stammt offensichtlich aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Haiti

Mai 3.5.

US-Präsident CLINTON erklärt, daß es für die derzeitigen Machthaber in Haiti an der Zeit sei zu gehen. Die USA behielten sich zur Lösung der Krise alle Optionen offen.

7.5.

Der UNO-Sicherheitsrat befürwortet einstimmig die Verhängung eines Handelsembargos über Haiti - mit Ausnahme von Lebensmitteln und Medikamenten. Der Militärjunta wird eine Rücktrittsfrist bis zum 21. Mai gesetzt, bevor die Sanktionen in Kraft treten. Präsident CLINTON ernennt den Präsidenten des United Negro College Fund, William GRAY, zu seinem neuen Sonderberater. Außerdem weist er die amerikanische Küstenwache an, Visaanträge haitianischer boat-people künftig auch auf hoher See zu bearbeiten. ARISTIDE begrüßt die eingeleiteten Maßnahmen, bemängelt aber, daß sie nicht weit genug gingen.

12.5.

Die Militärregierung ernennt den 81jährigen Emile JONASSAINT, oberster Richter des Kassationshofs, zum vorläufigen Präsidenten. Die USA, UNO und OAS protestieren gegen diesen Schritt und erkennen JONASSAINT nicht an.

21.5.

Nach Aussagen haitianischer Geschäftsleute wird das Embargo die Militärs nicht treffen, da diese am Warenschmuggel verdienen. Nach Expertenmeinung werden rund 50% des haitianischen Spritbedarfs durch den Schmuggel aus der Dominikanischen Republik gedeckt. Der Benzinpreis liegt inzwischen bei US$ 7 pro Gallone (= ca. DM 2,90/1). Ein kanadisches, ein argentinisches sowie acht US-amerikanische Kriegsschiffe beteiligen sich an einer Seeblockade Haitis zur Durchsetzung des Embargos.

22.5.

Die vom UNO-Sicherheitsrat gesetzte Frist zum Rücktritt der haitianischen Militärjunta verstreicht. Innerhalb der OAS gibt es insbesondere von Brasilien Vorbehalte gegen eine militärische Lösung des Konfliktes.

24.5.

Die amerikanische Fregatte Antrim gibt Warnschüsse auf zwei Frachter ab, die versuchen, die Seeblockade zu umfahren. Ein panamaisches Schiff wird gestoppt und durchsucht, während das zweite entkommen kann.

26.5.

Bei einem Treffen zwischen dem UNO-Gesandten CAPUTO, dem US-Beauftragten GRAY und dem Präsidenten der Dominikanischen Republik BALAGUER sagt dieser zu, die Grenze nach Haiti vollständig zu schließen, um auf diese Weise den Schmuggel zu unterbinden.

Juni 8.6.

Die 24. Vollversammlung der OAS fordert in Beiern (Brasilien) die konsequente Durchsetzung der internationalen Sanktionen gegen Haiti und schließt auch eine militärische Intervention nicht aus. Die USA führen eine Reihe von bilateralen Gesprächen, unter anderem mit Kanada, Ve315

Lateinamerika Jahrbuch 1995

nezuela und Argentinien, zur Bildung einer internationalen Schutztruppe, die die Sicherheit und Ordnung nach der Absetzung der haitianischen Militärregierung gewährleisten soll. Es wird bekannt, daß die USA der Dominikanischen Republik im Gegenzug für die Schließung der Grenze zu Haiti finanzielle Zusagen gemacht haben. Auch sollen Unregelmäßigkeiten bei der dominikanischen Präsidentschaftswahl nicht weiter verfolgt werden. 13.6.

Die USA zögern mit der Durchführung einer militärischen Operation gegen Haiti aufgrund größerer Meinungsverschiedenheiten mit den Staaten der Region. Angesichts einer möglichen Invasion verhängt die haitianische de facfo-Regierung den Ausnahmezustand.

29.6.

Die verschärften Sanktionen lösen eine Flüchtlingswelle aus. In der letzten Juni-Woche nimmt die amerikanische Küstenwache nahezu 3.000 boat-people auf. Präsident CUNTON ordnet an, das Flüchtlingslager auf dem US-Marinestützpunkt Guantänamo im südlichen Kuba wiederzueröffnen. Durch die Weigerung ARISTIDES, seine Landsleute zum Bleiben aufzufordern, kommt es zu neuen Spannungen zwischen ihm und US-Präsident CLINTON.

30.6.

Der UNO-Sicherheitsrat stimmt mit 15:0 Stimmen für einen Antrag der USA, mit den Vorbereitungen für eine militärische Invasion Haitis zu beginnen. Der amerikanische Senat weist mit 65:34 Stimmen eine Eingabe der Republikaner zurück, Präsident CUNTON per Gesetz zu zwingen, eine Invasion Haitis durch den Kongreß genehmigen zu lassen.

Juli 4.7.

Die amerikanische Administration kündigt an, rund 2.000 Marineinfanteristen auf vier zusätzlichen Schiffen vor der haitianischen Küste zu stationieren. Diese Maßnahme zielt darauf ab, im Notfall amerikanische Staatsbürger und Ausländer befreundeter Staaten evakuieren zu können. Seit Anfang des Monats wurden 7.000 Bootsflüchtlinge aufgegriffen.

6.7.

Der amerikanische Sonderbeauftragte William GRAY kündigt an, daß bis auf weiteres politisch Verfolgte haitianische Flüchtlinge nicht mehr in den USA, sondern nach einer neuen Vereinbarung in Panama Asyl erhalten sollen. Panamas Präsident Guillermo ENDARA wird daraufhin von der Opposition scharf kritisiert. Aus Angst vor Übergriffen stellt die Menschenrechtsmission der UNO/OAS ihre Arbeit in Haiti wieder ein. Nach dem Willen der de facto-Regierung soll sie innerhalb von 48 Stunden das Land verlassen, da sie "illegal" operiere.

8.7.

Panama zieht seine Zusage, 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen, zurück.

14.7.

Mehrere hundert Marineinfanteristen führen auf einer Insel der Bahamas eine Landeoperation durch, die offenbar als Vorbereitung einer Invasion auf Haiti dienen soll. Nach Angaben von Beobachtern der UNO/OAS, die

316

Haiti

inzwischen Haiti verlassen haben, gab es allein im Juni 1.143 angezeigte Fälle von Mißhandlungen durch Behörden. 15.7.

Laut einer Umfrage befürworten 51% der US-Bürger eine multinationale Intervention in Haiti, 75% lehnen aber einen Alleingang der USA ab. In diesem Zusammenhang stimmen rund 62% der derzeitigen Politik der CUNTON-Administration zu, die haitianischen Bootsflüchtlinge nicht in die USA zu lassen.

23.7.

Während einer Sitzung des Lateinamerikanischen Parlamentes (Pariatino) in Tegucigalpa wird beschlossen, Präsident ARISTIDE zu bitten zurückzutreten, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Dieser Schritt soll eine friedliche Lösung der Krise ermöglichen. Verschiedene zentralamerikanische Länder bieten an, zeitweilig Bootsflüchtlinge aufzunehmen.

30.7.

Der Linienflugverkehr zwischen Haiti und allen anderen Staaten wird eingestellt. Lediglich die französiche Air France unterhält noch eine Verbindung nach Paris via Point-a-Pitre.

31.7.

Die Vollversammlung der UNO billigt in ihrer Resolution 940 mehrheitlich eine Invasion Haitis. Von ARISTIDE wird der Beschluß begrüßt.

August 1.8.

Die Air France stellt als letzte Fluggesellschaft den Flugverkehr mit Haiti ein.

2.8.

Der Widerstand der republikanischen Opposition im amerikanischen Kongreß wächst. Sie machen geltend, daß eine Militärinvasion Haitis der Zustimmung des Kongresses bedarf, eine Forderung, die bei der Invasion von Grenada und Panama von der damals demokratischen Opposition erhoben worden war. Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Mexiko und Venezuela sind mit einer diplomatischen "Mission in letzter Minute" bemüht, eine Verhandlungslösung zu erreichen.

4.8.

Präsident CLINTON weist Spekulationen über eine Invasion Haitis als "verfrüht" zurück. Gleichzeitig bezeichnet er die haitianische Militärjunta als "Diktatoren" und wirft ihnen Menschenrechtsverletzungen vor. Die haitianische Führung zeigt sich mit dem lateinamerikanischen Vermittlungsvorschlag einverstanden. Nach Worten des haitianischen Parlamentspräsidenten will General C£DRAS bis spätestens Januar 1995 zurücktreten; dies bedeute aber nicht, daß Präsident ARISTIDE zurückkehren könne.

6.8.

General C£ORAS hält eine Invasion durch die USA für unabwendbar, da die Entscheidung, sie durchzuführen, längst gefallen sei. Er betont, daß es bei einem Einmarsch zu Blutvergießen auf beiden Seiten kommen werde, für das einzig die amerikanische Regierung die Verantwortung zu tragen habe. Sein Angebot, Gespräche aufzunehmen, wird von dem USSonderbeauftragten GRAY als unglaubwürdig zurückgewiesen. Ein Ver-

317

Lateinamerika Jahrbuch 1995

mittlungsversuch der fünf lateinamerikanischen Staaten (vgl. 2.8.) wird auf Druck Washingtons ausgesetzt. 9.8.

Die Militärjunta beginnt mit der Mobilisierung einer Bürgerwehr. Rund 1.500 Personen sollen sich eingeschrieben haben.

17.8.

Rund 90% aller Betriebe Haitis sind aufgrund der Auswirkungen des Embargos inzwischen geschlossen; die Verwaltung hat vollständig aufgehört zu funktionieren. Nach Angaben von NGOs hat das Embargo mitteloder unmittelbar den Tod von 12.000 bis 15.000 Menschen verursacht.

September 10.9.

Auf einem Gipfel der Rio-Gruppe lehnt diese den Wunsch der USA nach Unterstützung einer Invasion ab.

12.9.

US-Außenminister CHRISTOPHER teilt mit, daß die gegenwärtige multinationale Eingreiftruppe 1.500 Mann aus 17 Staaten umfaßt. Präsident CLINTON läßt erklären, daß es vor einer Invasion nicht notwendig sei, den Kongreß zu befragen.

16.9.

In einer Fernsehansprache kündigt CLINTON an, daß die Invasion Haitis unmittelbar bevorstehe, für General CÉDRAS und seine Junta sei die Zeit abgelaufen.

17.9.

Der ehemalige US-Präsident Jimmy CARTER trifft in Haiti ein, um Gespräche mit den Machthabern aufzunehmen. Sie werden als "allerletzte Chance" einer friedlichen Machtübergabe bezeichnet. In Port-au-Prince kommt es zu Hamsterkäufen. Bewohner der Elendsviertel fliehen aufs Land, aus Angst vor Repressalien.

18.9.

Quasi in letzter Minute kann Jimmy CARTER die Militärmachthaber zum Rücktritt bewegen. Der_ bereits erteilte Invasionsbefehl wird daraufhin ausgesetzt. Nach der Übereinkunft sollen General CÉDRAS, Polizeichef Michel FRANÇOIS und Generalstabschef Phillipe BIAMBY bis spätestens 15. Oktober zurücktreten und "frühzeitig und ehrenvoll" in Pension gehen. Der Plan sieht vor, daß Präsident ARISTIDE aus dem Exil zurückkehrt. Ferner wird eine Generalamnestie für die Sicherheitskräfte vereinbart, die vom Parlament verabschiedet werden soll. Die amerikanischen Truppen werden friedlich landen, um die Sicherheit und Ordnung zu garantieren. - Von ARISTIDE ist keine Stellungnahme zu dieser Entwicklung zu erhalten.

19.9.

Am Nachmittag landen die ersten Einheiten der US-Armee in Haiti und besetzen strategische Schüsselpositionen. Bis zum Abend sind es rund 3.000 Soldaten. Die Gesamtstärke soll zunächst 15.000 Mann betragen, zu denen weitere 2.000 Soldaten der multinationalen Eingreiftruppe stoßen werden. Der amerikanische Kongreß spricht sich in einer Nachtsitzung für einen schnellstmöglichen Abzug der US-Truppen aus.

318

Haiti

20.9.

ARISTIDE äußert seine Mißbilligung über das Abkommen mit den Mitgliedern der Militärjunta. Der Sonderbeauftragte der UNO, Dante CAPUTO, tritt aus Protest zurück. Die Kosten der Operation, die den Namen Uphold Democracy trägt, werden auf US$ 500-700 Mio geschätzt. Eine Demonstration von ARISUDE-Anhängern, die den ankommenden Soldaten zujubeln, wird von der Polizei brutal niedergeschlagen, ohne daß die Soldaten eingreifen. Polizisten erschießen einen Demonstranten, ein weiterer wird vor den Augen amerikanischer Soldaten erschlagen. Ungeklärt ist, ob die abgesetzten Militärführer im Land verbleiben dürfen. Die Europäische Union erklärt, sich am Wiederaufbau Haitis beteiligen zu wollen. Der kommandierende US-General SHELTON erklärt, die Situation im Lande sei ruhig und stabil.

21.9.

Der noch amtierende Informationsminister ermahnt die in- und ausländische Presse, "Anstrengungen zu einer objektiven Berichterstattung zu unternehmen". Er verweist auf eine Anzahl haitianischer Journalisten, die ermordet wurden, weil sie "nicht objektiv" berichtet hätten. Die amerikanische Öffentlichkeit zeigt sich empört darüber, daß die US-Soldaten bei Übergriffen von Polizei und attachés nicht eingreifen dürfen. ARISTIDE erneuert seine Forderung nach einer Entwaffnung der Polizei, Armee und der paramilitärischen Verbände. Die amerikanische Administration weigert sich bisher, diesen Schritt zu gehen. Der UN-Sicherheitsrat wird die Sanktionen vor der Rückkehr von ARISTIDE nicht lockern.

22.9.

Die Interventionsstreitkräfte beginnen mit der Entwaffnung des haitianischen Militärs und besetzen dessen Basen und Kasernen. Präsident CLINTON bekundet, daß ein weiteres brutales Vorgehen der Polizei gegen friedliche Demonstranten nicht toleriert würde. General CÉDRAS erklärt, daß er nach seiner Demission im Land bleiben werde. Amnesty International fordert angesichts der brutalen Übergriffe der Polizei gegen Demonstranten das Eingreifen der amerikanischen Streitkräfte. Die Dominikanische Republik öffnet wieder offiziell ihre Grenze zu Haiti.

24.9.

In Cap Haïtien kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen amerikanischen Soldaten und der Besatzung eines Polizeipostens, als diese das Feuer auf die Amerikaner eröffnen. Neun Haitianer, die zu den attachés gerechnet werden, sterben, weitere neun werden festgenommen. Als Reaktion auf den Zwischenfall werden in Cap Haïtien Kasernen und Polizeiposten von haitianischen Bürgern gestürmt. Der größte Teil der erbeuteten Waffen und Munition wird den Amerikanern übergeben.

27.9.

Die US-Armee startet eine Waffenrückkaufaktion. Für eine Pistole gibt es US$ 50, für ein Maschinengewehr US$ 300. Jeder Bürger ist aufgerufen, vorhandene Waffen abzugeben.

28.9.

Die USA heben die Handelsbeschränkungen gegen Haiti auf. Innerhalb der nächsten Tage soll wieder der normale Flugverkehr etabliert werden. Die Vermögen der Militärführung (betroffen sind rd. 600 Personen) blei-

319

Lateinamerika Jahrbuch 1995

ben eingefroren. Die US-Truppen übernehmen das Polizeihauptquartier von Port-au-Prince und werden somit faktisch zur Ordnungsmacht. 30.9.

Bei einem Angriff der attachés auf eine Demonstration zum Gedenken an die Opfer des Militärputsches kommen acht Menschen zu Tode, über 40 werden verletzt. Die US-Truppen greifen nicht ein.

Oktober 5.10.

Der ehemalige Polizeichef Michel FRANÇOIS flüchtet in die Dominikanische Republik.

12.10.

General CÉDRAS und der frühere Stabschef BIAMBY verlassen mit ihren Familien Haiti in Richtung Panama.

17.10.

Präsident ARISTIDE kehrt aus dem Exil nach Port-au-Prince zurück. In einer Rede beschwört er die nationale Einheit. Ein Wiederaufbau sei nur mit allen Kräften des Landes möglich. Der UN-Sicherheitsrat hebt alle Sanktionen gegen Haiti auf.

25.10.

ARISTIDE designiert den Unternehmer Smarck MICHEL als Premierminister.

30.10.

In einer Ansprache an die Nation ruft ARISTIDE die Haitianer auf, Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen.

31.10.

Durch eine Präsidialverordnung erklärt ARISTIDE die Chefs de Section2 für illegal. Vielfach sind Armee und attachés in den Provinzen bisher nicht entwaffnet und regieren weiter willkürlich. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Teil der OAS) fordert, die Entwaffnung dieser Gruppen schneller zu vollziehen.

November 1.11.

Die haitianische Regierung und eine kanadische NGO gründen eine Kommission zur Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen aller Militärdiktaturen seit 1986. Die amerikanischen Truppen übergeben die Kontrolle des Flughafens an Polizeitruppen aus Bangladesh.

7.11.

Der Leiter des US-Generalstabs, SHALIKASVIU, gibt bekannt, daß die Truppen in Haiti bis zum 1. Dezember um 6.000 auf 9.000 Mann verringert werden sollen.

10.11.

Nach den Wahlerfolgen der Republikaner bei den Kongreßwahlen in den USA fürchtet die haitianische Regierung einen schnelleren Abzug der

Die berüchtigten 'Chefs de Section' sind die Vertreter des Staates auf unterster Verwaltungsebene. In der Vergangenheit waren sie der verlängerte Arm des militärischen Repressionsapparats und mit fast omnipotenten Befugnissen ausgestattet.

320

Haiti

amerikanischen Truppen und die Straffung der zugesagten Hilfsmaßnahmen. In einer Rede kündigt Premier MICHEL die Privatisierung staatlicher Unternehmen an. Diese würden an Personen veräußert, die sie auch profitabel betreiben könnten. 17.11.

In einem Brief an die haitianische Bischofskonferenz verzichtet Präsident ARISTIDE auf sein Priesteramt. Es sei 'eine schmerzliche Entscheidung angesichts des unverminderten Drucks des Vatikans". Der Vatikan hatte als einziger Staat die Putschistenregierung anerkannt.

24.11.

Die US-Truppen stellen die Entwaffnung ein, obwohl bekannt ist, daß insbesondere die FRAPH noch Waffen besitzt.

28.11.

Rund 90% der Verwaltungsgebäude sind verwüstet und geplündert; das Telefonsystem ist auf 40.000 funktionsfähige Anschlüsse geschrumpft.

Dezember 5.12.

In ländlichen Gebieten, die von den US-Streitkräften oder internationalen Polizeieinheiten schlecht geschützt werden, kommt es weiterhin zu Übergriffen der attachés. Seit der Rückkehr von ARISTIDE sind 15.199 Flüchtlinge freiwillig aus den amerikanischen Auffanglagern zurückgekehrt.

6.12.

Die internationale Wirtschaftshilfe kommt nur schleppend in Gang, was den Unmut der Bevölkerung hervorruft und längerfristig destabilisierend auf die neue Regierung wirken kann.

7.12.

Eine große Anzahl von Offizieren wird in den Ruhestand versetzt.

28.12.

Entlassene Soldaten versuchen in das Hauptquartier einzudringen. Dabei kommt es zu einer Schießerei. Amerikanische Soldaten verhaften 20 Personen.

30.12.

Der Chef der FRAPH, Emmanuel CONSTANT, flüchtet angesichts eines drohenden Prozesses nach Washington. In der Bevölkerung mehrt sich die Unzufriedenheit über das Vorgehen der internationalen Kräfte. Aufgrund von Unkenntnis der Lage kommt es wiederholt zu willkürlichen Verhaftungen. Andererseits wird insbesondere den US-Truppen vorgeworfen, nicht entschieden genug durchzugreifen.

Wolfram

Pfennig

321

IBEROSTAT Stand:

8,9 5

Hauptstade Fläche (in qkm): Währung:

Port au Prince 27.750 Gourde

HAITI Jahr

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 15 Jahren (in 9b) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilitätsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in 9b) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in 9b) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

5.02 42 54,2 24,6 41,8 5,2 70 8,2 21,8

6,49 38,8 57,4 28,3 36 4,8

6,715 40,2 55,7 29,8 34,4 48 68 9 23

6,(39

12 96 132,4

41 89 95 130 56 7143 53

41

55,9 30,4 4,8

13,128 1,7 1.9

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in 9b) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in 9b)

51.9 7180

86 124 56,6 7304 55

84,2 56.9

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. USS) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS)

1462 270 309 498 -101 66 13 27

2760 420 365 453 -39 19 8 10

1832 380 131 316 6 -5 8

1455 350 136 361 13 -12

Privater Verbrauch (in 9b des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in 9b des BIP) Bruttoinlandsenparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in 9b) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in 9b) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %)

81,9 10 16.9 8.1 34 27

90,2 9 10,9 1.1 31

99,4 7 3.7 -6,4 39,8 15,8 12,3 44,4

104,2 7,3 3.7 -11,5 39,8 16 10.7 44,2

883 745 33 15 9 -2

772.8 625,9 4,9 4,9 3,7 -14,8 25,3

773 617,6 4,5 4,5 3.3 -2,6 46,2

39

Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in 9b der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in 9b) Inflationsrate (in 9b) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in 9b) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jährl. Inflationsrate (in 9b) 1981-90:

322

302 242 26 8 6,2 7,6

2,9 -1 6,7

Kuba

Kuba Amtlicher Name: Präsident: Regierung:

República de Cuba Dr. Fidel CASTRO RUZ Partido Comunista de Cuba (PCC) - Politbüro.

Kabinett (Stand: Juli 1995): Äußeres: Roberto ROBAINA; Inneres: Abelardo COLOMÉ (BARRA; Wirtschaft und Planung: José Luis RODRIGUEZ GARCÍA; Finanzen: Manuel MILIARE; Justiz: Carlos AMAT; Arbeit und Soziales: Salvador VALDÉS MESA; Beauftragter für alle Wirtschaftsfragen im Politbüro: Carlos LAGE (mit zentralen politischen Vollmachten). Parlament: Asamblea Nacional del Poder Popular (589 Sitze). (Erste Direktwahl des Parlaments unter Fidel CASTRO am 24.2.93)

Chronologie 1994 Im Sommer 1994 erreicht die Krise Kubas ihren Höhepunkt. Die Zahl der illegalen Flüchtlinge, die auf Flößen die Insel in Richtung Florida verlassen, war parallel zur wirtschaftlichen Krise seit 1990 kontinuierlich angestiegen. Allein in den ersten sieben Monaten 1994 werden (nach offiziellen kubanischen Zahlen) nicht weniger als 15.000 Fluchtversuche registriert. Im August eskaliert diese Fluchtbewegung. In Havanna kommt es am 5. August zu den ersten offenen Unruhen gegen die Regierung Fidel CASTROS. Nach wenigen Stunden und ohne Blutvergießen wird der Aufruhr niedergeschlagen. In der Folge tritt Fidel CASTRO die Flucht nach vorne an und öffnet die Grenzen. Ein Massenexodus ist die Folge. In weniger als einem Monat verlassen über 32.000 Kubaner auf halsbrecherischen Rößen die Insel. Der Ansturm dieser balseros (von span. balsa = Floß) schafft eine internationale Krise. US-Präsident CLINTON verfügt neue Sanktionen gegen Kuba, die das bestehende Wirtschaftsembargo weiter verschärfen. Derweil werden die kubanischen Rüchtlinge in den USA nicht mehr als "Freiheitshelden" empfangen, sondern in Zwischenlager in der US-Marinebasis Guantänamo verfrachtet. Durch den Druck der Massenemigration sieht sich CLINTON ZU Zugeständnissen gezwungen. Per Vertrag sichern die USA Kuba zu, künftig 20.000 legale Einreisevisa pro Jahr auszugeben. Im Gegenzug läßt CASTRO die Grenzen wieder schließen. Der 5. August und die folgende ba/sero-Krise markieren ein deprimierendes Stimmungstief in der seit fünf Jahren sich verschärfenden Wirtschaftskrise. Auch die Regierung versteht dies offensichtlich als Alarmsignal. Nur eine Woche nach Schließung der Grenzen wird die Zulassung der Bauernmärkte bekanntgegeben - der bislang wichtigste Reformschritt für Kubas Binnenwirtschaft. Die Legalisierung von Märkten für Handwerksprodukte folgt. Dennoch bleiben die Reformen äußerst vorsichtig und ihr Tempo hinter vielen Erwartungen zurück.

323

Lateinamerika Jahrbuch 1995

Trotz eines neuen Negativrekords in der Zuckerrohrernte können die Exporteinnahmen 1994 ein Plus von 3,5% verzeichnen. Auch das rigide Sparprogramm zur Sanierung der Staatsfinanzen beginnt Erfolge zu zeigen. Das Haushaltsdefizit wird um offiziell 72% (I) gegenüber 1993 gesenkt. Und erstmals gewinnt der kubanische Peso auf dem Schwarzmarkt wieder an Wert gegenüber dem US-Dollar. Noch im Mai bei bis zu 1:140 gehandelt, liegt der Kurs am Jahresende 1994 bei rund 35-50 Pesos pro Dollar. Wenn auch auf sehr niedrigem Niveau, so scheint doch die Stabilisierung der kubanischen Währung zunächst gelungen.

Januar Anfang

In den Betrieben werden "Arbeiterparlamente" eingerichtet, um die wirtschaftlichen Probleme zu diskutieren. Sie sollen vor allem dem angekündigten, aber von der Nationalversammlung am 29. Dezember 1993 vertagten Sparprogramm zur Sanierung der Staatsfinanzen den Weg bereiten.

Februar Ende

Das Budget für Armee und Verteidigung ist 1994 auf die Hälfte des Vorjahres reduziert worden, gibt die Parteizeitung "Granma" bekannt.

März Mitte

Im US-Kongreß bringt der Demokratische Abgeordnete Charles RANGEL eine Gesetzesinitiative zur Aufhebung des US-Embargos gegen Kuba ein.

April 22.4.

Die für Wirtschaftsfragen zuständigen Ministerien werden umstrukturiert und neue Minister ernannt. José Luis RooRlGUEZ wird Kopf des neuen Ministeriums für Preise und Finanzen (zuvor zwei getrennte Staatskomitees). Weitere neue Ministerien: für Wirtschaft und Planung, für Tourismus, für Auslandsinvestitionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Arbeit und Soziale Sicherheit sowie für Wissenschaft, Technologie und Umwelt. Die übergeordnete Stellung von Carlos LAGE als für Wirtschaftsfragen zuständiges Politbüro-Mitglied bleibt unangetastet.

22.-24.4. In Havanna findet eine große Konferenz mit 225 Exilkubanern statt. Das Treffen unter dem Titel "Die Nation und die Emigration" soll eine Geste der Annäherung sein. Politische Diskussionen bleiben jedoch ausgeklam324

Kuba

mert. Im Anschluß kommt es in Miami zu heftigen Attacken radikaler Exil-Kubaner gegen Teilnehmer an dem Treffen. Die Anwältin Magda MONTIEL DAVIS erhält Todesdrohungen.

Mai 1.5.

Die Nationalversammlung beschließt ein rigides Sparprogramm zur Sanierung der Staatsfinanzen. Das Maßnahmenpaket umfaßt: Streichung der Millionen-Subventionen für die defizitären Staatsbetriebe; drastische Preiserhöhungen für Alkohol (Bier um 100%) und Tabak (Zigaretten um 566%), aber auch für Benzin (um 270%), Strom (um 122%), Wasser sowie der Gebühren für Post- und Telefondienste; schrittweise Erhöhung der Abgaben für "auf eigene Rechnung" Arbeitende sowie für die UBPCLandwirtschaftskooperativen; Preiserhöhung für Essen in Kantinen und Mensen; etliche bisher kostenlose Leistungen sollen künftig bezahlt werden. "Wenn wir halbherzige Maßnahmen ergreifen, sind wir verloren", erklärt Fidel CASTRO. Bildungs- und Gesundheitssystem sollen aber weiterhin kostenlos bleiben. Gleichzeitig wird eine Kampagne zur Konfiszierung "illegal erworbenen Eigentums" lanciert.

28.5.

Eine Gruppe von 114 ausreisewilligen Kubanern dringt in die belgische Botschaft ein, um ihre Ausreise zu erzwingen. Die kubanischen Behörden erklären, daß mit gewaltsamen Aktionen niemand die Ausreise erreichen werde.

Juni 4.6.

Eine Gruppe Kubaner entführt ein Boot, um damit in die USA zu fliehen. Es ist der erste Fall einer ganzen Serie derartiger Vorfälle. Bis zum 25. August werden nicht weniger als 25 Bootsentführungen zum Zwecke der Flucht registriert.

12.6.

Die Botschaftskrise weitet sich aus. 21 ausreisewillige Kubaner dringen in die deutsche Botschaft ein. Am 15. Juni flüchten neun weitere in die Vertretung Chiles. Eine politische Kettenreaktion entsteht daraus allerdings nicht. Bis zum 30. Juni können fast alle Besetzer zur Aufgabe überredet werden. Einige wenige Flüchtlinge harren noch bis zum Jahresende in der deutschen Botschaft aus.

Mitte

Die nationale Telefongesellschaft "Emtel Cuba" wird zu 49% an die mexikanische "Domos'-Holding verkauft. Dieses Abkommen gilt als die größte Privatisierung seit der Revolution 1959.

20.6.

Die Regierung gibt bekannt, daß die Zuckerrohrernte 1994 mit rd. 4 Mio. t noch unter dem Vorjahresergebnis liegen werde.

325

Lateinamerika Jahrbuch 1995

Juli 13.7.

41 Flüchtlinge (nach offiziellen kubanischen Angaben: 32) sterben, als der von ihnen entführte Schlepper "13 de Marzo" auf hoher See sinkt nach Zeugenaussagen durch direktes Rammen und Beschuß durch die kubanische Küstenwacht, nach Darstellung CASTROS durch einen bedauerlichen Unfall.

24.7.

Der Parteisekretär der Stadt Havanna, Jorge LEZCANO, verliert seinen Posten. Sein Nachfolger wird Politbüro-Mitglied Esteban LAZO, bis dahin Erster Sekretär von Santiago de Cuba. In den Tagen zuvor waren auch in fünf weiteren Provinzen die Parteichefs ausgewechselt worden.

26.7.

Erstmals hält Fidel CASTRO bei den Feiern zum "Tag der Revolution" nicht selbst die Rede, sondern überläßt dies seinem Bruder, Vize-Präsident und Armee-Chef Raúl CASTRO.

August 3.8.

Im Hafen von Havanna entführen Flüchtlinge eine Personenfähre nach Casablanca. Die Sitzung der Nationalversammlung, des normalerweise nur zweimal im Jahr zusammentretenden kubanischen Parlaments, wird eröffnet.

4.8.

Die Sitzung der Nationalversammlung geht zu Ende mit dem (wie immer einstimmigen) Beschluß über weitere Sparmaßnahmen und den Aufbau eines neuen Steuersystems. Die Regierung verkündet im Fernsehen die Hinrichtung eines Kubaners, dem mehrere Raubüberfälle in Bussen in Havanna zur Last gelegt werden. Flüchtlinge entführen die Fähre nach Regia. Dabei wird der Unteroffizier Gabriel LAMOTH getötet. Am Abend gibt es im Hafen von Havanna weitere Versuche, Boote zu entführen. Derweil kursieren Gerüchte, daß aus Miami Schiffe kommen würden, um Kubaner mit nach Florida zu nehmen. Hunderte von Bewohnern Havannas sammeln sich in der Hafengegend und warten auf Fluchtmöglichkeiten.

5.8.

326

Es kommt zu den ersten offenen Unruhen gegen die Regierung CASTRO. In den Morgenstunden räumt die Polizei die Hafengegend. Einige Personen werden festgenommen, die Zone für den Verkehr gesperrt. Gegen 11 Uhr fliegen Steine gegen Polizisten, aber auch gegen Fensterscheiben von Dollarshops und Devisenhotels im Zentrum von Havanna. Aus der Menge werden "Nieder mit Castro'-Parolen gerufen. Nach wenigen Stunden und ohne Blutvergießen haben die Sicherheitsorgane die Lage wieder unter Kontrolle. (Das Fernsehen meldet später 275 Festnahmen.) Die Regierung mobilisiert ihre Gefolgschaft und die KP-nahen Organisationen zu Gegendemonstrationen. Fidel CASTRO persönlich inspiziert den

Kuba

Ort des Geschehens. Am Abend tritt er im Fernsehen auf und verlangt von den USA eine Änderung ihrer Einwanderungspolitik, die Kubaner zu illegalen Fluchten motiviere, aber gleichzeitig keine Visa für legale Einreisen gewähre. Kuba könne nicht länger "die Küstenwache für die USA spielen*. 7.8.

Die Totenfeier für den getöteten Unteroffizier LAMOTH wird als Massendemonstration für die Regierung organisiert.

8.8.

Bei einer Bootsentführung im Hafen von Mariel kommt ein weiterer kubanischer Grenzsoldat ums Leben.

13.8.

Fidel CASTRO macht seine Drohung wahr und öffnet die Grenzen. In einer Fernsehansprache erklärt er, daß künftig kein Kubaner durch Grenztruppen an der Flucht gehindert werde, sofern dies "mit eigenen Mitteln', d.h. ohne die Entführung von Booten geschehe. An den folgenden Tagen sind Fluchtwillige an der Nordwestküste Kubas damit beschäftigt, lebensgefährliche Flöße aus Autoreifen, Styroporplatten und Holzplanken zu zimmern. Die Fluchtbewegung weitet sich zu einem Massenexodus aus.

15.8.

Nach der Trauerfeier für den gestorbenen Grenzsoldaten besetzen in Mariel mehr als 100 Kubaner einen ausländischen Tanker, um mit ihm die Insel zu verlassen.

19.8.

US-Präsident CLINTON kündigt an, daß künftig keine kubanischen Bootsflüchtlinge mehr in die USA gelassen würden. Stattdessen sollen sie in Auffanglagern der US-Marinebasis Guantánamo im Osten der kubanischen Insel untergebracht werden.

20.8.

US-Präsident CLINTON verfügt Sanktionen gegen Kuba, die das Wirtschaftsembargo gegen die Insel weiter verschärfen. Dollarüberweisungen aus den USA an Verwandte auf der Insel werden verboten, und die Zahl der direkten Flüge Miami-Havanna wird reduziert.

21.8.

Der Stabschef des Weißen Hauses, Leon PANETTA, droht die Möglichkeit einer "totalen Seeblockade" gegen Kuba an.

23.8.

Die Zahl der balseros erreicht ihren Höhepunkt: Allein an einem Tag werden 3.253 Flüchtlinge von der US-Küstenwache aufgenommen. Die kubanische Regierung verkündet Reiseerleichterungen.

25.8.

Die Regierung gibt eine Reihe von Umbesetzungen bekannt. Der bisherige Ideologie-Verantwortliche des Politbüros, José Ramón BALAGUER, verliert sein einflußreiches Amt. In acht Provinzen Kubas wird der führende KP-Sekretär ausgewechselt. Divisionsgeneral Sixto BATISTA wird als Vorsitzender der "Komitees zur Verteidigung der Revolution" (CDR) abgelöst. Sein Nachfolger wird der bisherige Chef des Kommunistischen Jugendverbands (UJC), Juan CONTINO. Neue UJC-Vorsitzende wird seine Stellvertreterin Maria Victoria VELAZQUEZ.

29.8.

Washington und Havanna kündigen die Aufnahme von "Gesprächen über Migrationsfragen" in New York an. Leiter der kubanischen Delegation ist

327

Lateinamerika Jahrbuch 1995

nicht der junge Außenminister ROBAINA, sondern sein Vorgänger im Amt, der erfahrene Diplomat Ricardo ALARCÖN. Die kubanische Regierung gibt bekannt, daß sie den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen werde. Bislang hatte sie dies immer abgelehnt, da das Abkommen die Länder der Dritten Welt diskriminiere und das Herrschaftsmonopol der Atomstaaten festschreibe. Ein Hirtenbrief der katholischen Bischöfe Kubas ruft die Regierung zum Dialog mit den USA, aber auch zum "inneren Dialog" mit der kubanischen Bevölkerung auf. September 8.9.

Außenminister

ROBAINA trifft sich in Madrid mit Ramón CERNUDA, Eloy GUTIÉRREZ MENOYO und Alfredo DURÁN, drei moderaten Politikern des

kubanischen Exils in Miami.

9.9.

Die Regierungen der USA und Kubas unterzeichnen in New York ein Migrationsabkommen, das der öa/sero-Krise ein Ende setzt. Darin sichern die USA verbindlich 20.000 legale Einwanderungsvisa pro Jahr für kubanische Staatsbürger zu. Kuba feiert diese Normalisierung als diplomatischen Erfolg.

10.9.

Die kubanische Regierung verkündet die erneute Schließung der Grenzen. Illegale Ausreisen würden nun wieder unterbunden und juristisch belangt. Emigrationswillige Kubaner müßten bei der US-Interessenvertretung legale Visa beantragen.

17.9.

Armeechef Raúl CASTRO gibt die Wiederzulassung der Bauernmärkte ab 1. Oktober bekannt. Dies ist zweifelsohne der bislang wichtigste Schritt bei der Reform der kubanischen Binnenökonomie. Auf den Märkten dürfen (von wenigen Ausnahmen abgesehen) alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse frei gehandelt werden. Uber den Preis entscheiden allein Angebot und Nachfrage. Alle Anbieter müssen allerdings nachweisen können, daß sie zuvor ihren Plan gegenüber dem Staat erfüllt haben. 1986 hatte Fidel CASTRO die damals bestehenden Bauernmärkte abgeschafft, da sie "Keimzellen des Kapitalismus" seien.

Oktober 1.10.

Eröffnung der Bauernmärkte.

5.10.

Die US-Regierung hebt das Verbot direkter Telefonverbindungen zwischen den USA und Kuba auf, die bislang unter das Wirtschaftsembargo fielen. Die kubanische Telefongesellschaft wird dabei, wie international üblich, die Hälfte der Einnahmen erhalten.

Mitte

Neuer Ideologie-Chef der KP wird Colonel Rolando ALFONSO.

328

Kuba

15.10.

Eine Gruppe von sieben bewaffneten Exilkubanern wird nach ihrer Landung in Kuba verhaftet, gibt die Regierung bekannt.

30.10.

Auch Kubas Zuckerindustrie, bislang noch von Joint-ventures ausgeschlossen, wird künftig für ausländische Investoren geöffnet, gibt Carlos LAGE bekannt. Erste Verhandlungen würden auch im Bereich des Immobiliensektors geführt.

November 12.11.

Die russische Armee will weiterhin ihre radioelektronischen Anlagen im kubanischen Lourdes betreiben. Diese seien zur Überwachung der Abrüstungsverträge unverzichtbar. Als Gegenleistung für die Nutzung wird Rußland jährlich Öl im Wert von US$ 200 Mio. liefern.

16.11.

José AYALA, UN-Hochkommissar für Menschenrechte kommt zu einem mehrtägigen Besuch nach Kuba. Er spricht sowohl mit Dissidenten als auch mit Regierungsvertretern.

22.11.

Carlos LAGE - Kubas oberster Wirtschaftsverantwortlicher - erklärt, die Wirtschaftskrise habe ihre Talsohle durchschritten. 18 der 21 Industriezweige zeigten 1994 ein Wachstum auf. Die Exporteinnahmen seien gegenüber 1993 um 3,5% gesteigert worden (nicht zuletzt durch die hohen Zuckerpreise auf dem Weltmarkt).

Dezember 1.12.

Eröffnung von Märkten für Handwerks- und Industrieprodukte.

9.-11.12. Bei dem Gesamtamerikanischen Präsidentengipfel in Miami bleibt Kuba ausgeschlossen. Exilkubanische Gruppen organisieren Anti-Castro-Demonstrationen, während die Regierung in Havanna gegen die fortdauernde Embargo-Politik Washingtons protestiert. 24.12.

In Spanien trifft Carlos LAGE hinter verschlossenen Türen den Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Michel CAMDESSUS. Konkrete Ergebnisse werden nicht bekannt. Vorangegangen waren dem zwei Besuche des IWF-Exekutivdirektors Jacques DE GROOTE in Havanna um die Jahreswende 1993/94. Das Treffen in Madrid ist ein weiterer Schritt der Annäherung zwischen der Regierung in Havanna und dem IWF. Bert

Hoffmann

329

IBEROSTAT Stand:

8,95

Hauptstadt: Fläche (in qkm): Wahrung:

La Habana 110.861 Kubanischer Peso

KUBA Jahr

1. DEMOGRAPHISCHE KENNZIFFERN Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter IS Jahren (in %) davon: im Alter von 15-64 Jahren (in %) Stadtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertili tätsra te Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 2025 (in Mio.) Durchschnittliche jahrliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

9,72 36,9 61 68 14,1 1.9 23,8 28,5 47,7

10,63 22,4 69,4 75 17,4 1,8

10,822 22,7 68,8

10,896

16,2 1,9 24 29 47

68,5 75 1,8

12,993 1,5 0,9

2. SOZIALE KENNZIFFERN Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

122 19,6 73 700

97,7 132 11,7 14,2 75,9 530 93,3

11 76 267 95

11,8 13 75 274

3. WIRTSCHAFTLICHE KENNZIFFERN Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in US$) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Einfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USS) Leistungsbilanz (in Mio. USS) Kapitalbilanz (in Mio. USS) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährl. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jahrl. Inflationsrate (in 96) 1981-90:

330

13685 1406

13 53

12

34 4545 4545

-0,5

-14

-10

0,8

IBEROSTAT Stand:

9,95

Hauptstadt: Fläche (in qkm): Währung:

LATEINAMERIKA 20.428.466

Jahr

1. DEMOGRAPHISCHE K E N N Z I F F E R N Bevölkerungszahl (in Mio.) davon: unter 13 Jahren (in %) davon: im Alter von 13-64 Jahren (in %) Städtische Bevölkerung (in %) Geburtenrate Fertilità tsrate Erwerbspersonen in der Landwirtschaft (in %) Erwerbspersonen in der Industrie (in %) Erwerbspersonen im Dienstleistungssektor (in %) Geschätzte Bevölkerung im Jahre 202S (in Mio.) Durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Bevölkerung (in %) 1965-80: 1981-90:

1980

1990

1992

1993

376,3

436,1 35,9 59,5 71,5 27,9 3,4

457,66 35.7 59.5 73 26 3,2 25 25 50

466,3

1230 78

79 116 51,7 60 67,4 1180 84

79 114 46 60 67,7 1210 85

43 52.2 ¿9

761322 2130 124546 155942 -30539 34721 6115 57064

1140172 2280 170145 177468 -3549 16984 7725 58152

1305548 2730 193514 236110 -34163 49352 13631 96728

1473914 2950 201213 245484 -44421 69200 16139 118301

66,5 10,6 24,3 22,9 9,1 39 26,6 51.9

66,2 12 19,4 21.5 10,4 36,4 24,6 53,2

62,3 18,6 20 19.1 9,8 36,5 25,1 53,7

60,3 18 20.1 18,6 9,4 37,1 24,8 53,5

257363 144739 46265 24580 37,1 5,7

432467 323253 44186 21518 26 0 550,5

499963 353684 54086 23128 27,9 2,7 143,5

525747 365172 59208 23935 29,4 3,8 228,9

64,9 32,4 25,8 41.9

58,8 74 26 3,1

701,56 2,5 2,1

2. SOZIALE K E N N Z I F F E R N Bevölkerung mit Zugang zu Trinkwasser (in %) Tägl. Kalorienangebot (in % der Mindestbedarfsnorm) Säuglingssterblichkeitsziffer (0-1 Jahr) Kindersterbeziffer (0-5 Jahre) Lebenserwartung bei der Geburt (in Jahren) Einwohner je Arzt Alphabetisierungsquote (in %)

56

85

3. WIRTSCHAFTLICHE K E N N Z I F F E R N Bruttoinlandsprodukt (in Mio. US$) Bruttosozialprodukt pro Kopf (in USS) Ausfuhr von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. USJ) E i n f u h r von Waren u. Dienstleistungen (in Mio. US$) Leistungsbilanz (in Mio. USJ) Kapitalbilanz (in Mio. USJ) davon: ausl. Direktinvestitionen (in Mio. USS) Bestand an Währungsreserven (in Mio. USS) Privater Verbrauch (in % des BIP) Staatsverbrauch (in % des BIP) Bruttoinlandsinvestitionen (in % des BIP) Bruttoinlandsersparnis (in % des BIP) Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %) Anteil der Industrie am BIP (in %) davon: Verarbeitendes Gewerbe (in %) Anteil des Dienstleistungssektors am BIP (in %) Auslandsverschuldung (in Mio. USS) davon: öffentliche Verschuldung (in Mio. USS) Schuldendienst (in Mio. USS) davon: Zinszahlungen (in Mio. USS) Schuldendienst in % der Exporterlöse Wachstumsrate des BIP (in %) Inflationsrate (in %) Durchschnittl. jährt. Wachstumsrate des BIP (in %) 1965-80: 1981-90: Durchschnittl. jähr!. Inflationsrate (in %) 1981-90:

6 1 229,5

331

Lateinamerika Jahrbuch 1995

LATEINAMERIKA B S P pro Kopf und reale Wacbstumsrate des BIP

83

84

85

86

87

88 Jahre

BSP

n

89

90

91

92

Wachstumsraten

LATEINAMERIKA Bruttoinvestitionen und Ersparnis (in % des B I P )

Jahre a

332

Investitionen

»

Ersparnis

93

Lateinamerika Jahrbuch 1995

LATEINAMERIKA Außenhandel und Kapitalbilanz

83

84

85

86

87

88 89 Jahre

90

91

i Warenimport

^Warenexport

92

93

94

. Saldo der Kapitalbilanz

LATEINAMERIKA Auslandsverschuldung

83

84

85

86

87

8 89 Jahre

Gesamtverschuldung

90

91

92

93

94

. Schuldendienst

333

Datenbank IBEROSTAT

Technische Erläuterungen zu der Datenbank IBEROSTAT

unter Berücksichtigung der jeweils letzten Volkszählungsergebnisse. Die Angaben IBEROSTAT ist ein Datenbank-Prozum prozentualen Anteil der Stadtbevölgramm, das in Zusammenarbeit mit dem kerung an der Gesamtbevölkerung sind Institut für Iberoamerika-Kunde in Hamfür Länderquervergleiche nur bedingt burg am Institut für international vergleigeeignet, da in den einzelnen Ländern chende Wirtschafts- und Sozialstatistik unterschiedliche Definitionen des Begriffs der Universität Heidelberg entwickelt "städtisch" Verwendung finden. Die (rowurde. Die Datenbank IBEROSTAT he) Geburtenrate gibt die Anzahl der umfaßt derzeit 33 Staaten in LateinameLebendgeburten je 1.000 Einwohner und rika und der Karibik mit ca. SO KennzifJahr an. Die Fertilitätsrate bezeichnet die fern zur demographischen, sozialen und durchschnittliche Kinderzahl, die eine wirtschaftlichen Entwicklung. Die DaFrau gebären würde, falls sie bis zum teien für die Ländertabellen enthalten Ende ihres gebärfähigen Alters lebt und Werte für die Jahre 1970, 1980 und in jeder Altersstufe in Übereinstimmung 1988ff.; in den Graphik-Dateien sind mit den altersspezifischen FruchtbarkeitsWerte für die Jahre 1983ff. aufgenomziffern Kinder zur Welt bringen würde. men. Damit die Daten eine größtmögliDie statistischen Angaben zur Beschäftigche internationale und intertemporale tenstruktur nach Wirtschaftsbereichen sind Vergleichbarkeit gestatten, sind sie nahenur sehr begrenzt intertemporal und zu ausschließlich aus den Statistiken international vergleichbar; die Ausgangsinternationaler Organisationen zusamdaten sind teilweise Ergebnisse von Stichmengestellt, die den Vorteil besitzen, daß probenerhebungen unterschiedlicher die nationalen Daten HarmonisierungsQualität und beziehen sich entweder auf und Standardisierungsprozeduren sowie Erwerbspersonen oder auf Erwerbstätige Plausibilitätskontrollen unterworfen weroder auf Beschäftigte. Der Sektor Landden. Dadurch können sich allerdings zum wirtschaft umfaßt Land- und ForstwirtTeil erhebliche Abweichungen gegenüber schaft, Jagd und Fischfang; zum Industrieden in nationalen Quellen nachgewiesesektor gehören auch Bergbau, Bauwirtnen Daten ergeben. Nicht für alle Staaschaft, Strom-, Wasser- und Gasversorten sind die Datensätze in IBEROSTAT gung; alle übrigen Bereiche der Wirtvollständig, da einzelne Länder der schaft sind dem Dienstleistungssektor Region nur über eine unzulängliche zugeordnet. Bei den Angaben zu der statistische Infrastruktur verfügen oder geschätzten Bevölkerung im Jahre 2025 Daten nicht veröffentlicht werden. handelt es sich um Projektionen (mittlere Variante) der Vereinten Nationen auf der Basis der länderspezifischen AltersB. Tabellen strukturen des Jahres 1990. Die Wachstumsraten der Bevölkerung sind PerioDemographische Kennziffern: Bei den Bevölkerungszahlen handelt es sich um dendurchschnitte, die auf der Grundlage A. Die Datenbank IBEROSTAT

Schätzwerte zur jeweiligen Jahresmitte,

335

Lateinamerika Jahrbuch 1995

der Bevölkerungsstände zur jeweiligen Jahresmitte berechnet werden. Soziale Kennziffern: Die Angaben zur Trinkwasserversorgung beziehen sich auf den Zugang zu unbedenklichem Wasser; Trinkwasserversorgung gilt als gegeben, wenn innerhalb der Städte in akzeptabler Entfernung (200 Meter) und auf dem Lande mit vertretbarem Zeitaufwand Zugang zu einer unbedenklichen Wasserversorgung besteht, die gereinigtes Oberflächenwasser oder ungereinigtes, aber unverseuchtes Wasser - etwa aus Bohrlöchern, Quellen und Leitungsanschlüssen - einschließt. Bei den Daten handelt es sich um Schätzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO, die nur eingeschränkt international vergleichbar sind. Das tägliche Kalorienangebot pro Kopf wird von der FAO errechnet, indem der Kaloriengegenwert des Nahrungsmittelangebots eines Landes durch seine Bevölkerungszahl dividiert wird. Die Mindestbedarfsnorm pro Kopf mißt die Kalorien, die erforderlich sind, um ein normales Niveau der wirtschaftlichen Aktivität und Gesundheit in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, wobei ihrem Alters- und Geschlechtsaufbau, dem durchschnittlichen Körpergewicht und den landesspezifischen Klima Rechnung getragen wird; für Lateinamerika und die Karibik wird eine Mindestbedarfsnorm von 2380 Kalorien pro Kopf und Tag zugrunde gelegt. Bei der Interpretation der Kennziffer tägliches Kalorienangebot in Prozent der Mindestbedarfsnorm ist zu berücksichtigen, daß sie ein Potential mißt, aber nichts über den tatsächlichen Ernährungsstatus einer Bevölkerung aussagt. Die Säuglingssterblichkeitsziffer mißt die Anzahl der Säuglinge, die je 1.000 Lebendgeburten pro Jahr vor Vollendung des ersten Lebensjahres sterben. Die Kindersterbeziffer gibt für ein gegebenes Jahr an, wieviele Kinder je 1.000 Lebendgeburten bis zur Vollendung des fünften

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Lebensjahres sterben. Aus der Differenz zwischen Säuglingssterblichkeitsziffer und Kindersterbeziffer ergibt sich die Zahl der Todesfälle bei Kindern im Alter zwischen einem und fünf Jahren je 1.000 Lebendgeburten. Die Lebenserwartung bei der Geburt gibt die Anzahl der Jahre an, die ein Neugeborenes leben würde, wenn es während seines ganzen Lebens den gleichen altersspezifischen Sterblichkeitsrisiken ausgesetzt wäre, wie sie zum Zeitpunkt seiner Geburt in der Gesamtbevölkerung vorherrschen; die Daten lassen nicht die in einigen lateinamerikanischen Staaten erheblichen Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Stadt- und Landbevölkerung erkennen. Die Alphabetisierungsquote mißt den Prozentsatz der Bevölkerung im Alter von (in der Regel) 15 Jahren und darüber, der lesen und schreiben kann; es handelt sich Uberwiegend um Schätzwerte der UNESCO, die als wenig zuverlässig gelten; die internationale Vergleichbarkeit der Alphabetisierungsquote ist nur sehr eingeschränkt möglich, da beachtliche Unterschiede in den Definitionen und in der Qualität der Ausgangsdaten bestehen. Wirtschaftliche Kennziffern: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezieht sich auf die Bruttowertschöpfung von In- und Ausländern innerhalb der geographischen Grenzen eines Landes, während das Bruttosozialprodukt (BSP) die Bruttowertschöpfung der (Wirtschafts-)Inländer quantifiziert, unabhängig von deren geographischem Standort. Der Unterschied zwischen Bruttoinlandsprodukt und Bruttosozialprodukt ergibt sich durch den Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zwischen In- und Ausland. Das BIP ist überwiegend zu (laufenden) Marktpreisen angegeben, in einigen Fällen auch zu Faktorkosten. Eine volle internationale Vergleichbarkeit der Daten ist wegen der Unterschiede in den

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nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sowie im Umfang und in der Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden statistischen Informationen nicht gewährleistet. Darüber hinaus ergeben sich Verzerrungen durch die Umrechnung der in den verschiedenen nationalen Währungen ausgedrückten Ursprungsdaten in US-Dollar. Die BSP-pro-Kopf-Schätzwerte werden von der Weltbank durch Division der BSP-Werte zu laufenden USDollar-Preisen durch die Bevölkerungszahlen zur jeweiligen Jahresmitte nach einem speziellen Verfahren (Atlas-Verfahren) berechnet; für die Umrechnung der in nationaler Währung ausgedrückten Werte in US-Dollar werden u.a. die Wechselkurse einer gleitenden Dreijahresperiode verwendet sowie der Inflationsunterschied zwischen Berichtsland und den USA berücksichtigt. Durch dieses Verfahren wird die internationale Vergleichbarkeit der BSP-Daten verbessert, die aber von den Angaben in den nationalen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen erheblich abweichen können. Die Angaben über Ausfuhr und Einfuhr von Waren und Dienstleistungen (einschließlich Überweisungen von Gastarbeitern in ihre Heimatländer) werden, entsprechend der Zahlungsbilanz-Deflnition, zu fob-Werten nachgewiesen. Der Saldo der Leistungsbilanz, der sich aus der Zusammenfassung von Handels-, Dienstleistungs- und Ubertragungsbilanz ergibt, enthält nicht die empfangenen/geleisteten öffentlichen Transferzahlungen von der/an die übrige Welt. Der Saldo der Kapitalbilanz ergibt sich aus der Veränderung der langfristigen und kurzfristigen (privaten und staatlichen) Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland, ohne Berücksichtigung der Zentralbank-Transaktionen; ein positiver Wert bedeutet Nettokapitalimport, ein negativer Wert Nettokapitalexport. Die Angaben zu den ausländischen (NeUo-)Direktinvestitionen beziehen sich

auf Kapitalbewegungen, durch die ein ausländischer Investor eine dauerhafte und effektive Beteiligung am Management oder an der Kontrolle eines Unternehmens erhält; Portfolioinvestitionen von Ausländern sind in diesen Angaben nicht enthalten. Der Bestand an (zentralen) Währungsreserven ergibt sich als die Summe aus Sonderziehungsrechten, IMFReserveposition, Gold- und Devisenbeständen der nationalen Zentralbank. Die Angaben zu der Struktur der Nachfrage beziehen sich auf das BIP zu Marktpreisen (in konstanten Preisen unterschiedlicher Basisjahre; teilweise auch zu laufenden Preisen). Der private Verbrauch entspricht dem Marktwert aller Waren und Dienstleistungen, die von privaten Haushalten sowie von privaten Organisationen ohne Erwerbszweck gekauft oder als Einkommensersatz bezogen werden; soweit statistisch erfaßt, sind auch der Eigenverbrauch der Landwirtschaft berücksichtigt sowie die kalkulatorische Miete für Wohnraum, der vom Eigentümer genutzt wird. Der Staatsverbrauch entspricht im wesentlichen den laufenden Ausgaben auf allen Regierungsebenen für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen (einschließlich der Investitionsausgaben für Verteidigungszwecke). Die Bruttoinlandsinvestition umfaßt die Ausgaben und Aufwendungen für die Aufstockung des (privaten und staatlichen) Anlagevermögens zuzüglich des Nettowerts von Vorratsveränderungen. Die Bruttoinlandserspamis ergibt sich als Summe aus Bruttoinlandsinvestition und dem Saldo von Handels- und Dienstleistungsbilanz (jedoch ohne die darin enthaltenen Faktoreinkommen) bzw. durch Subtraktion des gesamten Verbrauchs vom BIP. Die Kennzahlen zur sektoralen Entstehungsstruktur der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beziehen sich auf das BIP zu Faktorkosten (in laufenden Preisen, teilweise auch zu konstanten 337

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Preisen unterschiedlicher Basisjahre). Der landwirtschaftliche Sektor umfaßt Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei; zu dem Industriesektor gehören Bergbau, verarbeitende Industrie, Energie- und Wasserwirtschaft sowie die Bauwirtschaft; alle übrigen Wirtschaftsbereiche sind dem Dienstleistungssektor zugeordnet. Das Verarbeitende Gewerbe umfaßt die Hauptabteilung 3 der International Standard Industrial Classification. Aussagefähigkeit und Vergleichbarkeit der Strukturdaten sind zum Teil erheblich eingeschränkt, da die Wertschöpfung der Subsistenzlandwirtschaft sowie die "informellen" Aktivitäten in den übrigen Wirtschaftsbereichen im allgemeinen statistisch nicht erfaßt werden. Die Auslandsverschuldung umfaßt den gesamten Bestand lang- und kurzfristiger Schulden privater und staatlicher Institutionen gegenüber der übrigen Welt einschließlich IMF-Kredite sowie rückständiger Zinszahlungen. Die Angaben zur öffentlichen Auslandsverschuldung beziehen sich auf die langfristigen staatlichen und staatlich garantierten Kreditverpflichtungen gegenüber dem Ausland. Der Schuldendienst ergibt sich als Summe aus Tilgungs- und Zinszahlungen, die tatsächlich in Devisen, Waren oder Dienstleistungen erbracht wurden (einschließlich des Rückkaufs und der Gebühren für IMF-Kredite). Die Schuldendienstquote gibt den tatsächlich geleisteten Schuldendienst in Prozent der Exporterlöse für Waren und Dienstleistungen an. Die Daten zur Auslandsverschuldung sind überwiegend dem Debtor Reporting System der Weltbank entnommen; sie weichen zum Teil erheblich von den Angaben in nationalen Statistiken ab. Bei intertemporalen Vergleichen ist zu berücksichtigen, daß in den Angaben zur Auslandsverschuldung für das Jahr 1970 die kurzfristigen Auslandskredite nicht enthalten sind.

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Die Wachstumsrate des BIP gibt den prozentualen Zuwachs des BIP zu konstanten Marktpreisen gegenüber dem Vorjahre an; in einzelnen Fällen gelten die Angaben für das reale Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten. Die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten des BIP für die Jahre 1965-80 und 198190 beziehen sich auf das reale BIP zu Marktpreisen. Als Inflationsrate ist überwiegend der Anstieg der Konsumgüterpreise gegenüber dem Voijahre angegeben. Die durchschnittliche jährliche Inflationsrate für die Periode 1981-90 ist identisch mit dem impliziten BIP-Deflator, der sich ergibt, wenn man den Wert des BIP zu laufenden Preisen durch den Wert des BIP zu konstanten Marktpreisen dividiert, wobei die Bewertung jeweils in nationaler Währung erfolgt; die so definierte Inflationsrate entspricht nicht dem Preisindex für die Lebenshaltung privater Haushalte, der üblicherweise zur Messung der Inflation verwendet wird.

C. Graphiken Die BSP-pro-Kopf-Daten sind nominale Werte in bezug auf den US-Dollar (siehe auch die entsprechenden Erläuterungen zu den BSP-Arigaben des Tabellenteils); die jährlichen Wachstumsraten beziehen sich auf die realen (preisbereinigten) BIP-Werte. Die prozentualen Anteilswerte der Investitionen und der Ersparnis am BIP beziehen sich auf die Bruttoinlandsinvestitionen bzw. Bruttoinlandserspamis. Bei den Exporten und Importen handelt es sich um die in der Handelsbilanz registrierten Warenausfuhren und -einfuhren zu fob-Werten. Die Angaben zur Gesamtverschuldung beziehen sich auf den Bestand lang- und kurzfristiger Auslandsschulden privater und staatlicher Institutionen (vergl. die entsprechenden Erläuterungen zu den Verschuldungsda-

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ten d e s Tabellenteils); der Schuldendienst in Prozent der Exporterlöse für W a r e n und Dienstleistungen ist auf der Grundlage der tatsächlich geleisteten Tilgungs- und Zinszahlungen berechnet.

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Weitere Informationen zu der Datenbank I B E R O S T A T sind erhältlich bei: Professor Dr. Hartmut Sangmeister Institut für international vergleichende Wirtschafts- und Sozialstatistik Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Ruprecht-Karls-Universität H e i d e l b e r g Hauptstraße 126 D-69117 Heidelberg T e l e f o n 0 6 2 2 1 / 5 4 2 9 2 4 und 542925 Telefax 0 6 2 2 1 / 5 4 3 5 8 9

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An diesem Band haben mitgewirkt: Guilherme de Almeida-Sedas, Dipi.Dok., Institut für Iberoamerika-Kunde (IIK-HamPetra Bendel, M.A., wiss. Mitarbeiterin, IIK-Hamburg burg) (Länderinformationen); (Chronologien Zentralamerika); Gilberto Calcagnotto, M.A., wiss. Mitarbeiter, IIKHamburg (Chronologie Brasilien); Esteban Cuya, DIML, Nürnberg (Chronologie Peru); Alicia Frohmann, FLACSO, Santiago de Chile (Aufsatz Politische Zusammenarbeit Lateinamerikas); Jens Gehrmann, Student, Universität Kiel ('Redaktionsassistenz, Integrationsbündnisse und Länderinformationen); Kerstin Gerbode, Studentin, Universität Hamburg (Chronologie Bolivien); Ilse Helnbokel, IIK-Hamburg (Textverarbeitung); Albrecht von Gleich, Dr.rer.pol., geschäftsführender Direktor, IIK-Hamburg (Mitherausgeber; Redaktion); Wolfgang Grenz, Dipl.Hdl., wiss. Mitarbeiter, IIK-Hamburg (Schriftleitung und Gesamtkonzept); Erwin Helgelmann, Student, Universität Hamburg (IIK) (Korrekturen); Bert Hoffmann, Dipl.Pol., wiss. Mitarbeiter, IIK-Hamburg (Chronologie Kuba); Rainer Huhle, Dr.phil., Nürnberg (Chronologie Peru); Patrick Kopischke, Student, Universität Köln (Chronologie Brasilien); Heinrich-W. Krumwiede, Dr.habil., wiss. Mitarbeiter, Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen (Mitherausgeber; Redaktion); Sabine Kurtenbach, Dr.phil., wiss. Mitarbeiterin, IIK-Hamburg (Chronologie Kolumbien); Bernhard Moltmann, Dr.phil., Direktor, Evangelische Akademie Arnoldshain (Aufsatz Militär und Sicherheitspolitik); Detlef Nolte, Dr.phil., wiss. Mitarbeiter und stellv. Direktor, IIKHamburg (Mitherausgeber; Chronologien Cono Sur); Hartmut Peters, Kartograph, Geogr. Inst., Universität Kiel (Karten); Wolfram Pfennig, Student, Universität Hamburg (Chronologie Haiti); Anja K. Possekel, Dipl.Geogr., Geogr. Inst., Universität Hamburg (Karte Karibischer Raum); Martina Ratermann, Studentin, Universität Münster (Chronologie Ekuador); Peter Rösler, stellv. Geschäftsführer, Ibero-Amerika Verein, Hamburg (Chronologie Venezuela); Wolf-Dietrich Sahr, Dr.rer.nat., Tübingen (Gesamtchronologie Karibischer Raum); Hartmut Sangmeister, Prof. Dr., Institut für international vergleichende Wirtschafts- und Sozialstatistik, Universität Heidelberg (Mitherausgeber; Koordination Datenbank IBEROSTAT); Nikolaus Werz, Prof. Dr., Universität Rostock (Aufsatz Auswärtige Kulturpolitik); Markus Ziener, Dipl.Voiksw., Universität Heidelberg (IBEROSTAT).

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