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German Pages 434 [436] Year 2020
Benjamin Peter L’andalú – Sprache, Dialekt oder lokale Mundart?
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
Herausgegeben von Éva Buchi, Claudia Polzin-Haumann, Elton Prifti und Wolfgang Schweickard
Band 444
Benjamin Peter
L’andalú – Sprache, Dialekt oder lokale Mundart? Zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen
ISBN 978-3-11-065674-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-065977-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-065862-0 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2020934272 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt die leicht abgeänderte Version meiner Dissertationsschrift, die ich 2018 erfolgreich an der Christian-Albrechts-Universität eingereicht und verteidigt habe, dar. Da ich den Weg nicht alleine bestritten habe und viele Menschen, ohne die diese Arbeit nicht entstanden wäre, mir über Jahre hinweg zur Seite gestanden haben, soll das Vorwort dazu dienen, ihnen von Herzen zu danken. An erster Stelle gebührt mein herzlichster Dank meinem Doktorvater und Mentor Elmar Eggert, bei dem ich bereits an der Ruhr-Universität Bochum lernen durfte, der in mir die Passion für die Romanistik geweckt hat und der an der Christian-Albrechts-Universität aus dem Glauben an meine Fähigkeiten heraus mein Dissertationsbetreuer wurde. Ich danke ihm für die vielen Gespräche auf professioneller, aber auch persönlicher Ebene, die mich ermutigt haben, mein Dissertationsvorhaben aufzunehmen, voranzutreiben und in schwierigen Stunden nicht aufzugeben. Seiner erstklassigen Betreuung und Unterstützung ist es zu verdanken, dass ich als sein Schüler die Arbeit nun vorlegen kann. Einen herzlichen Dank auch für die Einbettung an den Lehrstuhl als Assistent und für die zahllosen Ratschläge, die mich auf meinem wissenschaftlichen und persönlichen Weg begleitet haben und es weiter tun werden. Ebenfalls spreche ich meiner Zweitbetreuerin Lieselotte Anderwald für ihre jahrelange fachliche und persönliche Unterstützung in allen Lagen meinen herzlichen Dank aus. Auch ihr ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass die Arbeit inhaltlich das werden konnte, was sie ist. Durch ihre Einladung durfte ich zusätzlich am sprachwissenschaftlichen Kolloquium der Anglistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel teilnehmen, dessen TeilnehmerInnen, Berit Johannsen, Johanna Gerwin, Robert Daugs, Mila Lüttjohann und Jana Fischer, ich auch an dieser Stelle für die Hinweise und Anregungen bezüglich meiner Arbeit danke. Lidia Becker danke ich für die Erstellung des Drittgutachtens, die Bereitschaft der Teilnahme an der Prüfungskommission sowie für ihren fachlichen und persönlichen Beistand. Die Forschungsarbeit in Andalusien wäre ohne die tatkräftige Unterstützung von Rafael Romero Domínguez sowie die Bereitschaft der Fachschaft am Instituto de Educación Secundaria Ramón y Cajal, mir Einblicke in ihren Unterricht zu geben und mit mir in den Interviews bereitwillig ihre Konzeptionalisierungen des Andalusischen zu teilen, nicht entstanden. Ihnen bin ich daher zu großem Dank verpflichtet. Außerdem danke ich allen SchülerInnen, die mir voller Freude Rede und Antwort für meine soziolinguistischen Interviews gestanden haben, sowie ihren Eltern für deren Einwilligung. https://doi.org/10.1515/9783110659771-202
VI
Vorwort
Für die anregenden Fachdiskussionen sowie die persönlichen Gespräche, aber vor allem für die jahrelange enge Freundschaft danke ich ganz besonders Ingrid Paulsen. Die stundenlangen Gespräche über enregisterment sowie über Aghas und Silversteins Theorien waren für die Entwicklung meiner Gedanken sehr fruchtbar und unerlässlich. Ein weiterer Dank geht an Beke Hansen für die vielen Fachgespräche, aber auch für die bedingungslose persönliche Unterstützung in der Endphase der Redaktion der Arbeit sowie für die Korrektur des Manuskripts. Britta Steinke danke ich für die kritische Überprüfung des Manuskripts auch in Zeiten, in denen viel zu tun war. Darüber hinaus danke ich ihr für die Zeit, die wir gemeinsam als Kollegen am Lehrstuhl von Elmar Eggert verbracht haben. Für die sehr gründliche und grundlegende Korrektur einzelner Kapitel danke ich David Reuter, vor allem aber für die stetige Unterstützung während der Endredaktion und für die Freundschaft, die uns verbindet. Außerdem danke ich Roberto Floriano Gonzalo für den Beistand und die vielen Ratschläge über die letzten Jahre hinweg. Ein herzlicher Dank geht auch an meine Bochumer Kollegin und vor allem Freundin, Corinna Albert, für die konstante Ermutigung, nicht aufzugeben. Für die vielen Ratschläge und immer passenden Worte danke ich meiner guten Freundin und Kollegin Lydie Karpen. Auch bei Facundo Reyna Muniain möchte ich mich für die vielen inhaltlichen Diskussionen über Varietäten bedanken. Großer Dank gebührt den Reihenherausgebern Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard für die Aufnahme in die Reihe sowie Christine Henschel von de Gruyter, die mich im Publikationsprozess geduldig begleitet und mir immer wieder wichtige Hinweise gegeben hat. Zuletzt gilt mein tiefster Dank meiner Familie, die mich im Alltag bedingungslos unterstützt und geduldig getragen hat: meinen Eltern Gabriele und Frank sowie meinem Partner Daniel Buchda. Ihr habt mich konstant aufgefangen, mich ermutigt und immer an mich geglaubt. Ohne eure Unterstützung wäre mein Weg ein anderer geworden. Euch widme ich dieses Buch. Benjamin Peter Kiel, Dezember 2019
Inhaltsverzeichnis Vorwort
V
Grafikverzeichnis
XIII
Kartenverzeichnis
XV
Schaubildverzeichnis
XVII
Tabellenverzeichnis
XIX
1
Einleitung
2
Positionierung der Studie in der Forschung, Analysematerial und methodische Vorüberlegungen 13 Positionierung der Arbeit in der anthropologischen interpretativen Diskurslinguistik 13 Sprachliches Material und Diskursbereiche 26 Diskurslinguistik, methodisches Vorgehen und Analyseschritte 32
2.1 2.2 2.3
3 3.1 3.2
3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 4 4.1 4.1.1 4.1.2
1
Das Andalusische als strukturelle Varietät: diatopische und diastratische Einteilung einiger charakteristischer Merkmale Die Qualität von /a/ in , und 45 Phonologische Opposition durch Vokalqualität und die Behauchung bzw. Elision von implosivem /s/ und die Behauchung bzw. Elision weiterer Konsonanten (heheo) Der ceceo und der seseo 50 Die Behauchung von lateinischem /f/ in Anlaut 53 Die Behauchung von /x/ 55 Der yeísmo 56 Die Alternanz bzw. Apokope von /r/ und /l/ 57 Die Deaffrizierung von /tʃ/ 58 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument 59 Epistemologische Grundannahmen 62 Sprachideologie, Diskurs und Wissen 62 Identität und Sprache 68
39
47
VIII
4.2 4.3
5 5.1 5.2 5.3 5.4
6 6.1 6.2 7
Inhaltsverzeichnis
Indexikalität, indexikalische Ordnung und das indexikalische Zeichen in der Soziolinguistik 73 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein 74 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung und Bewertung diskursiver Varietäten 93 Soziale Funktionalität verschiedener Indexikalitätsgrade 93 Register und die Konstitution diskursiver Varietäten 114 Enregisterment-Prozesse als Prozesse der ideologischen Institutionalisierung einer diskursiven Varietät 133 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen und Verfahren zur operationalisierbaren Anwendung höherer Indexikalitätsgrade 144 Methodisches Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion und Bewertung diskursiver Varietäten 161 Analyseschema 161 Explikation des Analyseschemas 163
Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen des Andalusischen 169 7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache 179 7.1.1 Darstellung der salienten Merkmale 187 7.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 191 7.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 197 7.1.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 199 7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien 200 7.2.1 Diskursausschnitt: YouTube-Video bzw. TV-Reportage Habla andaluza: la identidad lingüística de Andalucía 202 7.2.1.1 Darstellung der salienten Merkmale 207 7.2.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 210 7.2.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 215
IX
Inhaltsverzeichnis
7.2.1.4 7.2.2 7.2.2.1 7.2.2.2 7.2.2.3 7.2.2.4 7.2.3 7.2.3.1 7.2.3.2 7.2.3.3 7.2.3.4 7.2.4 7.2.4.1 7.2.4.2 7.2.4.3 7.2.4.4 7.2.5 7.3 7.3.1 7.3.1.1 7.3.1.2 7.3.1.3 7.3.1.4
Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 217 Diskursausschnitt: YouTube-Video bzw. TV-Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento 219 Darstellung der salienten Merkmale 222 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 227 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 229 Diskursausschnitt: Lied der Gruppe FRAC Denominasión de orihen 230 Darstellung der salienten Merkmale 233 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 237 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 241 Diskursausschnitt: Blogeintrag von Enrique Benítez FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú 242 Darstellung der salienten Merkmale 249 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 254 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 256 Zusammenfassung 257 Diskursbereich: Diskurse an Schulen 258 Diskursausschnitt: Interview mit der Fachschaft Lengua Castellana y Literatura 262 Darstellung der salienten Merkmale 264 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 266 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 267
224
235
250
265
X
7.3.2 7.3.2.1 7.3.2.2 7.3.2.3 7.3.2.4 7.3.3 7.3.3.1 7.3.3.2 7.3.3.3 7.3.3.4 7.3.4 7.4 7.4.1
7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.1.3 7.4.1.4 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.4.2.3 7.4.2.4
Inhaltsverzeichnis
Diskursausschnitt: Interviews mit einer 8. und 9. Klasse 267 Darstellung der salienten Merkmale 271 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 271 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 273 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 275 Diskursausschnitt: Lehrmaterial 276 Darstellung der salienten Merkmale 285 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 287 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 290 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 293 Zusammenfassung 294 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse und Diskurse zur Institutionalisierung 296 Diskursausschnitt: Tomás Gutier (2010) La lengua andaluza und Antonio Narbona Jiménez/Rafael Cano Aguilar/Ramón Morillo-Velarde Pérez (32011) El español hablado en Andalucía 300 Darstellung der salienten Merkmale 308 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 310 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 312 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 327 Diskursausschnitt: Manuel Rodríguez Domínguez (2017) El andaluz, vanguardia del español 329 Darstellung der salienten Merkmale 332 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 333 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 336 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 340
Inhaltsverzeichnis
7.4.3 7.4.3.1 7.4.3.2 7.4.3.3 7.4.3.4 7.4.4 7.4.4.1 7.4.4.2 7.4.4.3 7.4.4.4 7.4.5 8
Diskursausschnitt: Francisco García Marcos (2008) Bases de planificación lingüística para Andalucía 341 Darstellung der salienten Merkmale 345 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 345 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 346 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 350 Diskursausschnitt: Zoziedá pal ehtudio ‘el andalú 352 Darstellung der salienten Merkmale 358 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen 360 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät 364 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse 370 Zusammenfassung 371
8.3
Das re-enregisterment des Andalusischen und seine Revalorisierung als diskursive Varietät 375 Zusammenfassender Überblick der Ergebnisse 377 Bewertung der Revalorisierung und der re-enregistermentProzesse des Andalusischen 383 Ausblick 388
9 9.1 9.2
Bibliographie 393 Empirische Datengrundlage (Diskursausschnitte) Literatur 394
8.1 8.2
Internetquellen Sachregister
409 411
393
XI
Grafikverzeichnis Grafik 1 Grafik 2 Grafik 3 Grafik 4 Grafik 5 Grafik 6 Grafik 7
Absolute Verteilung der salienten Merkmale auf T-Shirts mit Dialektaufdruck 189 Szene aus der Reportage Tesis: Habla Andaluza 204 Absolute Verteilung der salienten phonetischen Merkmale in der Reportage Tesis: Habla Andaluza 210 Szene aus der Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento 220 Rasgos de la modalidad lingüística andaluza (Junta de Andalucía 2017) 280 Ausschnitte aus del Canto Pallares, José, et al., Lengua Castellana y Literatura 1. Nuevo Juglar. Sevilla, Vicens Vives, 2010 282 La lengua andaluza (Gutier 2010) 313
https://doi.org/10.1515/9783110659771-204
Kartenverzeichnis Karte 1 Karte 2 Karte 3 Karte 4 Karte 5 Karte 6
Zonen der Palatalisierung von , und (Jiménez Fernández 2014, 21) 46 Zonen der phonologischen Unterscheidung durch Veränderung der Vokalqualität (Jiménez Fernández 2014, 21) 49 Zonen des Gebrauchs des seseo, ceceo und der Distinktion von /s/ : /θ/ (Jiménez Fernández 2014, 34) 51 Zonen des Gebrauchs der Behauchung lateinischen /f/ (Jiménez Fernández 2014, 49) 54 Zonen des Gebrauchs von /x/ als [x] bzw. [h] (Jiménez Fernández 2014, 54) 56 Zonen des Gebrauchs des yeísmo (Jiménez Fernández 2014, 60) 57
https://doi.org/10.1515/9783110659771-205
Schaubildverzeichnis Schaubild 1 Schaubild 2 Schaubild 3 Schaubild 4 Schaubild 5 Schaubild 6 Schaubild 7 Schaubild 8
Mikrokontextuelle Semiotik des indexikalischen Zeichens nach Silverstein (2003, 195) 80 Soziokultureller Makrokontext für das Verwenden eines indexikalischen Zeichens (Silverstein 2003, 201) 82 The enregisterment process between a structural and a discursive level 116 Diskursive und strukturelle Varietät und damit verbundene Untersuchungsobjekte 132 Metapragmatische soziale Positionierung (Spitzmüller 2015, 131) 146 Strukturelle und diskursive Varietät und ihre Adaption auf Indexikalitätsgrade 154 Re-enregisterment und neue Valorisierung diskursiver Varietäten 157 Zusammenfassung der re-enregisterment-Prozesse sowie der diskursiven Konstruktionstypen des Andalusischen 380
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Tabellenverzeichnis Tabelle 1
Auflistung der Diskursbereiche und -ausschnitte des metapragmatischen Materials der Studie 29 Tabelle 2 Auflistung der salienten Merkmale in den Aufdrucken der Dialekt-T-Shirts 187 Tabelle 3 Auflistung der salienten Merkmale in der Reportage Tesis: Habla Andaluza 207 Tabelle 4 Auflistung der salienten Merkmale in der Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento 223 Tabelle 5 Auflistung der salienten phonetischen Merkmale im Lied Denominación de orihen der FRAC 234 Tabelle 6 Auflistung der salienten Merkmale des Blogeintrages FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú 250 Tabelle 7 Bewertungen und diskursive Zuschreibungen der salienten Merkmale im Schulmaterial 286 Tabelle 8 Darstellung der phonologischen Unterschiede der Konsonanten zwischen dem Andalusischen und Kastilischen in Rodríguez Domínguez (2017, 268ss.) 334 Tabelle 9 Darstellung der syntaktischen Unterschiede zwischen dem Andalusischen und Kastilischen in Rodríguez Domínguez (2017, 119ss.) 335 Tabelle 10 Zusammenfassung gängiger salienter Merkmale und ihrer Valorisierung 378
https://doi.org/10.1515/9783110659771-207
1 Einleitung Das Andalusische wurde traditionell sowohl von den SprecherInnen selbst als auch von solchen anderer Varietäten in Spanien mit negativen Werten versehen, häufig mit sozial niedrigen Strata verknüpft und oftmals wurde ihm auch der Status als eigene Varietät abgesprochen (cf. Snopenko 2007). Im Hinblick auf dieses Spannungsfeld sind jedoch neuere Tendenzen zu beobachten, bei denen dem Andalusischen ein höherer sozialer Wert als Varietät zugeschrieben wird, wobei es zu einer Revalorisierung kommt. Sprachliche Varietäten wie das Andalusische stellen für SprecherInnen in diesem Zusammenhang sinnhafte Einheiten dar, mithilfe derer sie sich als Gruppen konstituieren und von anderen Gruppen abgrenzen oder abgegrenzt werden. Hierzu wird strukturelle Sprachvariation von den SprecherInnen selbst zu für sie sinnhaften Einheiten geformt, die als diskursive Einheiten mit verschiedenen sozialen Werten versehen werden. Im Zuge der Revalorisierung wird das Andalusische u.a. als authentische Sprache der AndalusierInnen sprachideologisch gerahmt, wobei Sprachideologien als gesellschaftliche Konzeptionalisierungen und Vorstellungen über Sprache zur diskursiven Konstruktion herangezogen werden und als Interpretationsfolie dienen.1 So wird beispielsweise der Verknüpfung des Andalusischen mit SprecherInnen unterer sozialer Strata der Gesellschaft Andalusiens ein potentes Gegennarrativ entgegengesetzt, welches das Andalusische aus diesem marginalisierten Status herauslöst und es als Sprache aller AndalusierInnen und sogar als mündlichen Regionalstandard setzt. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass es in Andalusien selbst einen höheren Stellenwert erhält, in distanzsprachliche Bereiche, die traditionell dem Standardspanischen zugeschrieben wurden, vordringt und in Konkurrenz dazu gestellt wird. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung ergibt sich aus diesem Zusammenhang: Es soll untersucht werden, auf welche Weise in Andalusien das Andalusische im postfranquistischen Spanien als Varietät mittels salienter Merkmale diskursiv konstruiert und in den letzten Jahrzehnten neu bewertet wird. Bei der Analyse der Fragestellung wird von zentraler Wichtigkeit sein, wie die Varietät metapragmatisch besprochen, aufgewertet und von anderen Sprachformen (diatopische/diastratische Varietäten, Standardvarietäten) abgegrenzt wird. Hierbei wird davon ausgegangen, dass sich die Revalorisierung der Varietät durch das aktive Heranziehen salienter Merkmale in ihrer Funktion als Indices, welche mit sozialen Werten versehen und Gruppen homogenisierend zugeschrieben werden, materialisiert. Die salienten Merkmale fungieren hierbei als Indices für die sie verwendende Gruppe, die mit ihr verbundende Identität und die ihr zugeschriebenen prototypischen Eigenschaften. Im gleichen Zuge wird die Vorstellung
1 Weiteres zum Konzept der Sprachideologien cf. Kapitel 4.1.1. https://doi.org/10.1515/9783110659771-001
2
1 Einleitung
der Existenz des Andalusischen als objektive und klar abgrenzbare Varietät auf diskursiver Ebene konstruiert. Da ein Hauptaxiom der Arbeit darin besteht, dass eine Varietät diskursiv konstruiert wird, sind die diskursiven Konstruktionsprozesse des Andalusischen und die damit einhergehenden Bewertungen zentraler Gegenstand dieser Arbeit, welche folglich grundsätzlich konstruktivistisch ausgerichtet ist.2 Es ist bei der Analyse der Neubewertung des Andalusischen als diskursive Varietät von zentraler Bedeutung, von den strukturellen Merkmalen auszugehen, welche diskursiv zur Konstruktion des Andalusischen als diskursive Varietät, zu ihrer Revalorisierung und der damit zu erzielenden sozialen Neubewertung der AndalusierInnen insgesamt eingesetzt werden. Folglich ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit, dass diatopische und diastratische Varietäten nicht statisch sind und nicht von allen SprecherInnen einer bestimmten Region oder einer sozialen Gruppe genutzt werden, sondern dass SprecherInnen diese je nach Intention und Redekontext kreativ nutzen und zwischen verschiedenen Sprachformen wechseln, um spezifische Ziele zu erreichen. Um die Revalorisierung des Andalusischen untersuchen zu können, ist auch die Stellung der Sprachen in Spanien im Allgemeinen zu betrachten. Hierbei ist im postfranquistischen Spanien ein komplexer Zusammenhang zwischen dem romanischen Kontinuum einerseits und den daraus diskursiv «geschaffenen» Standardsprachen andererseits festzustellen: Das Kastilische3 als einzige offizielle Sprache Gesamtspaniens sowie das Katalanische, Galicische und Baskische (als nichtromanische Sprache) sind in den jeweiligen Regionen durch die Verfassung anerkannte ko-offizielle Sprachen und im Hinblick auf ihre politische Einordnung und ihren Status gefestigt. Die Basis für die sprachliche Kategorisierung des Andalusischen und die damit zusammenhängende rechtliche Definition sind dagegen nicht genau geklärt, wie im folgenden Ausschnitt der sprachpolitischen Zielsetzung in Bezug auf das Andalusische im andalusischen Autonomiestatut von 2007 unter den Rubriken «Objetivos básicos de la Comunidad Autónoma» («Título preliminar») bzw. «Medios de comunicación social» («Título VIII) deutlich wird: «Artículo 10.4. La defensa, promoción, estudio y prestigio de la modalidad lingüística andaluza en todas sus variantes.» «Artículo 213. Reconocimiento y uso de la modalidad lingüística andaluza. Los medios audiovisuales públicos promoverán el reconocimiento y uso de la modalidad lingüística andaluza, en sus diferentes hablas» (Junta de Andalucía 2007).
2 Mehr zum Foucaultschen Konzept des Diskurses cf. Kapitel 4.1.1. Die Genese und Konstitution diskursiver Varietäten wird in Kapitel 5 ausführlich dargestellt. 3 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird zwischen den Bezeichungen Kastilisch und Spanisch konzeptionell nicht unterschieden.
1 Einleitung
3
Dem Autonomiestatut zufolge weise das Andalusische, welches als «modalidad lingüística» bezeichnet wird, Varianten oder auch «hablas» auf, was impliziert, dass unter einem überordnenden Konzept Subeinheiten zu finden seien. Jedoch wird keine genauere Definition angegeben, was eine Modalität sein soll und in welchem Verhältnis sie zum Standardspanischen steht. Im Bereich der spanischen Sprachwissenschaft haben sich einige Definitionen und Einteilungen des Andalusischen etabliert, welche im Laufe dieser Arbeit näher dargestellt werden. Jedoch wird an dieser Stelle bereits ersichtlich, dass rechtlich von der Existenz des Andalusischen als eine abgrenzbare Einheit mit dazugehörigen Subeinheiten ausgegangen wird. Die Bewertung dieser Modalität gegenüber anderen Modalitäten oder auch Sprachen ist im postfranquistischen Spanien nicht mehr nur – wie bereits zuvor angesprochen – negativ, sondern es ist in der Zeit nach der Transición4 zunehmend ein Aufwertungsprozess zu beobachten. Im Zuge dieser Revalorisierung kommt es auch zu einer endogenen sozialen Neubewertung des Andalusischen als prestigeträchtiger Varietät, welche vom Standardspanischen auf vielfältige Art und Weise abgegrenzt wird. Endogene Revalorisierung meint hier eine positive Besetzung des Andalusischen als diskursive Varietät durch andalusische AkteurInnen als DiskursteilnehmerInnen. Diese Aufwertung geschieht vor allem über den Fokus auf (sprachliche) Variation als sozialen Wert für sich (z.B. das Andalusische ist eine alle SprecherInnen einschließende Varietät), indem das Andalusische als diskursive Varietät aufgefasst wird, die wiederum Subeinheiten – die hablas andaluzas – umfasst, bei welchen die interne Variation als «Reichtum» des Andalusischen – el andaluz – gerahmt wird. Die Inklusion der Variation in die Identitätskonstruktion ist dabei von entscheidender Bedeutung, wie Lacomba (2006, 304s.) betont: Er nimmt für die andalusische Kultur eine diskursive Existenz an, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die AndalusierInnen sich trotz ihrer kulturellen und sprachlichen Diversität doch gemeinsam als AndalusierInnen fühlen. In diesem Sinne spricht Lacomba (2006, 305) von mehreren Andalucías, die gemeinsam ein zusammenhängendes Andalusien bilden und eine eigene, sich von den Kulturen des Nordens unterscheidende, gemeinsame Kultur aufweisen. Hierbei diene die sprachliche und kulturelle Diversität als symbolisches Kapital für die diskursive Konstruktion eines Andalusiens. Was die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Andalusischen betrifft, so gilt es hinlänglich als eine der am besten beschriebenen Varietäten des Spanischen.5 In diesen Darstellungen wird oftmals nicht das Andalusische als sol-
4 Der Terminus Transición bezeichnet die Übergangsphase von der Franco-Diktatur zur Demokratie in Spanien (1975–1978). Für eine Definition und Diskussion des Terminus siehe Callado Seidel (2013). 5 Eine genauere Darstellung erfolgt in Kapitel 3.
4
1 Einleitung
ches strukturell für sich beschrieben, sondern es wird über die Devianz des Andalusischen vom Standardspanischen, das als Vergleichsfolie dient, gesprochen. Hierbei werden oftmals varietäteninterne Charakteristika auf struktureller Ebene beschrieben oder aber externe historische Prozesse zur Explikation interner Wandelphänomene angeführt. Eine solche dichotomische Aufteilung der Geschichte einer Sprache in interne und externe Faktoren führt per se zu Untersuchungsebenen, die entweder die Entwicklung sprachinterner Bestandteile im Sinne einer historischen Grammatik ins Zentrum rücken oder aber externe soziale Faktoren, die mit Sprache und ihrer Entwicklung bzw. sozialen Stellung als verknüpft angesehen werden, nachzeichnen. In diesem Metadiskurs ergibt sich ein Positivismus, durch den die neutrale Beschreibung des Andalusischen als ontologisches und durch die Wissenschaft produziertes Wissen erreicht werden soll. Hierbei werden das Andalusische sowie die Geschichtsschreibung über diese Varietät oftmals nicht als die diskursive Setzung, die sie sind, gekennzeichnet, sondern als objektives Faktum dargestellt. Del Valle (2013, 6) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine Sprache durch eine Sprachgeschichtsschreibung, welche Sprache positivistisch objektiviert und von ihrem sozialen Gebrauch löst, zwangsläufig diskursiv reifiziert wird und dieses diskursiv geschaffene Objekt nicht mit der Sprache in ihrer konkret materialisierten Form in einzelnen Sprechakten verwechselt werden darf. Er prangert rein interne Sprachbeschreibungen aufgrund der Trennung der Sprache von ihren SprecherInnen an, da «scientificity in language study had come at the tremendous cost of surgically removing it from speakers, from the act of speaking and therefore from the contextual conditions of language’s existence». Aus dieser Klage lässt sich das Desiderat ableiten, Sprache als in den SprecherInnen verankert zu beschreiben und hierbei konkret nachzuzeichnen, wie die Geschichte einer Sprache von ihren SprecherInnen in spezifischen historischen Erzeugungsbedingungen konstruiert wird und welche Prozesse dazu führen, dass die dingliche Konzeptionalisierung einer Sprache aktiv durch und von SprecherInnen erreicht wird, sie also diskursiv konstruiert wird.6 Dies impliziert, dass nicht allein das Sprechen von Sprache 6 Bochmann (2005) geht in diesem Zusammenhang auf die diskursive Konstruktion neuer romanischer Sprachen im 20. Jahrhundert ein und gibt am Beispiel der Romania an, dass kulturelle Konzeptionen verschiedenster sozialer AkteurInnen die Genese des Konzepts einer Einzelsprache bedingen. Somit spielt es eine Rolle, welche Varietät eine Gesellschaft als ihre Sprache ansieht, aber beispielsweise auch, wie philologische Arbeiten für politische Zwecke eingesetzt werden. Sichtbar wird dies daran, dass z.B., wie Bochmann (2005, 6ss.) beschreibt, in der Geschichte der romanistischen Linguistik immer wieder das Problem der Anzahl der romanischen Sprachen bestand und neue romanische Sprachen – wie beispielsweise das Rätoromanische oder Frankoprovenzalische – «entdeckt» bzw. «erfunden» wurden. Es handelt sich also um Prozesse «soziale[r] und kulturelle[r] Umwertung bereits vorhandener sprachlicher Ensembles
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Gegenstand sprachwissenschaftlicher Analysen sein sollte, sondern auch das Machen einer Sprache durch handelnde SprecherInnen und das daraus entstehende diskursive Produkt. Hierzu sind Ideologien zu betrachten, die diese Prozesse generieren und tradieren. In vielen Forschungsrichtungen der Sprachwissenschaft stellt der Gegenstand – also die Sprache – selbst eine Abstraktion dar. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass in vielen sprachwissenschaftlichen Ansätzen dieses abstrahierte System einer historischen Einzelsprache untersucht wird und eben nicht sprachliche Strukturen in ihrem tatsächlichen Auftreten selbst, sodass eigentlich Aussagen über eine Abstraktion gemacht werden, die dann generell als der Sprache eigen angesehen werden. Für den hispanophonen Raum ist zu konstatieren, dass das Spanische als kodifizierte Sprache durch die Real Academia Española insofern sprachideologisch konstruiert wird, als dass das Spanische als Sprache auf Grundlage der Sprechweise der gente culta – der gebildeten Schichten – beschrieben wird. Es erfolgt eine sprachideologische Setzung, bei welcher allein diese diastratischen Register zur Sprache selbst erhoben werden, was u.a. in Gal/ Irvine (2000, 38) als sprachideologischer Prozess gesehen wird und mithilfe des Konzepts erasure – «a process in which ideology, in simplifying the sociolinguistic field, renders some persons or activities [. . .] invisible» – beschrieben werden kann. Die Sprache derjenigen, die nicht gehobenen Schichten angehören, wird somit ideologisch ausgeblendet und scheint nicht Teil dieser Sprache zu sein. In diesem Zusammenhang ist eine Illustration dessen, wie Sprachgeschichte traditionell geschrieben und Sprache mit einigen Sprechergruppen des Spanischen in Spanien verknüpft sowie bewertet wurde, einem Auszug aus Menéndez Pidals (1950 [1926], 475) Orígenes del español zu entnehmen: «Castilla, al emanciparse así de la tradición de la corte visigoda tan seguida en León, al romper así con una norma común a toda España, surge como un pueblo innovador y de excepción. Retengamos esta característica que nos explicará la esencia del dialecto castellano. Castilla, que, caracterizada por su derecho consuetudinario local, se opone al derecho escrito dominante en el resto de España, es la región que da la lengua literaria principal de la Península [. . .]».
Die Bezeichung der KastilierInnen als «pueblo innovador», das heißt die Verknüpfung dieser Eigenschaft mit der Entwicklung der von ihnen gesprochenen diatopischen Varietät, die dann für ganz Spanien die literarische Hochsprache sein sollte, ergibt sich aus einer Charakterisierung dieser sprachlichen Varietät als
und ihren nachfolgenden Ausbau zu Standardsprachen: was bisher als diatopische Varietät oder subalterne Sprachform galt, wird zur Sprache «erhoben», womit sich gleichzeitig der gesellschaftliche Wert des jeweiligen Idioms enorm erhöht». Diesen Prozess bezeichnet Bochmann (2005, 15) als soziolinguistische Individuation.
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Sprache, da die Entwicklung – im Gegensatz zu anderen diatopischen Varietäten – als «innovativ» dargestellt wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass diese Form des Spanischen positiv besetzt und subtil mit einem höheren ideologischen Wert bestückt wird. Die Wertzuschreibung zu bestimmten Erscheinungsformen einer Sprache trägt also erheblich zur diskursiven Konstruktion der abstrahierten Sprache bei, die dann als die Sprache selbst imaginiert und reifiziert wird. Die Zuschreibung bestimmter Eigenschaften durch soziale AkteurInnen – also solche, die sowohl Zugang zum Diskurs als auch eine Wirkungsmacht auf dessen Ausgestaltung haben – erfolgt aber nicht nur für die Sprache an sich, sondern es findet auch gleichzeitig eine Aufwertung derjenigen statt, die diese Varietät sprechen. Die diskursive Konstruktion sowie die sprachideologische und soziale Implementierung der auf eine spezifische Art valorisierten Varietät in einer Gruppe kann mit Hilfe der theoretischen Grundannahmen zum enregisterment (Agha 2007) erkannt und beschrieben werden, da hierbei die soziale Rolle einer reifizierten Varietät für die SprecherInnen eine zentrale Rolle spielt. Für SprecherInnen des Andalusischen kann in diesem Zusammenhang zunächst eine exogene Konstruktion ihrer Sprachbzw. Sprechform konstatiert werden, welche seit dem 16. Jahrhundert auf negativen Stereotypen basiert und welche den SprecherInnen Autorität in Bezug auf das Spanische, also eine Selbstbestimmung bei der Konzeptionalisierung ihrer eigenen Sprechweise, abspricht (Snopenko 2007, 56ss.). Wie bereits zuvor erwähnt, sind nun im postfranquistischen Spanien endogene Gegenreaktionen von SprecherInnen zu beobachten, die sich in Abgrenzung von dieser traditionellen, exogenen Bewertung das Andalusische als diskursive Varietät und die Diskurshoheit über dessen Konstruktion und Bewertung als ihre eigene Sprache wiederaneignen. Um diese Neubewertung des Andalusischen als diskursive Varietät untersuchen zu können, sollen nach einer Darstellung der sprachlichen Substanz – die häufigsten salienten Merkmale – deren diskursive Funktionen aufgezeigt werden, um den Gebrauch dieser Merkmale bzw. Indices sowie ihre Verknüfung mit sozialen Eigenschaften und Werten herauszuarbeiten. Nach diesem Schritt soll eine Analyse ihrer Funktion für die diskursive Konstruktion von Varietäten und die damit einhergehende Bewertung erarbeitet werden. Mithilfe dieser theoretischen Fundierung wird anschließend ein methodisches Rahmenmodell zur Analyse der Bewertung diskursiver Varietäten erstellt, welches dann im Analyseteil auf das sprachliche Material angewendet werden soll. Diesem Vorgehen entsprechen die Kapitel dieser Arbeit wie folgt: In Kapitel 2 wird die Studie in der Forschung positioniert und es werden methodische Vorüberlegungen angestellt. Zunächst erfolgt in Kapitel 2.1. die Verortung der Studie im Bereich der Soziolinguistik, der anthropologischen Linguistik und der Ethnographie, woraufhin in Kapitel 2.2. das methodologische Grundkonzept erläutert wird. In Kapitel 2.3. werden das methodische Vorgehen sowie die einzelnen Analyseschritte erläutert, welche im Hinblick auf das empirische
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sprachliche Analysematerial erarbeitet werden. Um eine möglichst repräsentative Analyse der diskursiven Konstruktion des Andalusischen und seiner Revalorisierung zu ermöglichen, ist es notwendig, eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien zu untersuchen. Hierbei handelt es sich u.a. um wissenschaftliche Sprachbeschreibungen, Interviews mit SprecherInnen, semiakademische Abhandlungen zur lengua andaluza, aber auch um kommodifizierte Güter für die Tourismusindustrie. Nach diesem Schritt wird das Andalusische als diatopische Varietät in Kapitel 3 charakterisiert. Dazu werden die in der Forschungsliteratur am häufigsten dargestellten Merkmale diatopisch und diastratisch eingeordnet, was für die Analyse der Neubewertung der diskursiven Varietät von zentraler Bedeutung ist, da sie in ihrer Funktion als Indices als Werkzeuge zur diskursiven Konstruktion fungieren. Aus diesem Grunde ist es notwendig, zunächst das Andalusische als strukturelle Varietät anhand der Forschung zur Diatopik des Spanischen zusammenfassend darzustellen, d.h. die intradialektale Variation aufzuzeigen. Auf der Basis der Darstellung der sprachlichen Variation wird dann die Analyse der diskursiven Varietät sowie ihrer diskursiven Konstruktion erst möglich, denn es ist zu verdeutlichen, welche tatsächlich vorhandene breite Variation7 das Andalusische aufweist, um darstellen zu können, welche wenigen Merkmale davon als emblematisches Register übergeneralisiert werden. Denn nur einige sehr saliente Merkmale werden zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen metapragmatisch herangezogen, ohne dass zwangsläufig alle SprecherInnen diese Merkmale – wie z.B. den seseo oder ceceo – nutzen bzw. realisieren. Nach dieser Darstellung soll im 4. Kapitel herausgearbeitet werden, wie die strukturellen Merkmale zusätzlich zur kommunikativen noch eine soziale Funktion erhalten und somit zu Indices werden. Zunächst werden in Kapitel 4.1. die epistemologischen Grundannahmen in Bezug auf die Konzeptionen von Diskurs
7 An dieser Stelle muss vorab angemerkt werden, dass es bei einer derartigen Darstellung nicht um eine Beschreibung des Andalusischen selbst geht, sondern um eine Illustration und Deskription der typischen Charakteristika des Andalusischen in den Standardlehrwerken. Hier ist zu betonen, dass die Charakteristika eben nur in Abgrenzung zur kastilischen Standardsprache als solche angegeben werden, wobei in keinem Lehrwerk die gesprochene Sprache in Andalusien selbst systematisch analysiert wird. Folglich handelt es sich nicht um eine Beschreibung des Andalusischen sui generis, sondern vielmehr um eine Darstellung der Unterscheidungsmerkmale, da Untersuchungen verschiedener linguistischer Ebenen (z.B. im Bereich der Morphosyntax) der gesprochenen Sprache nicht vorliegen. Durch dieses Desiderat ist es schwierig zu beweisen, dass sich das Andalusische z.B. in großen Bereichen der Syntax nur sehr unwesentlich vom Kastilischen unterscheide – wie es z.B. Narbona/Cano/Morillo (2011, 104; 263) behaupten. Dennoch ist die kurze Illustration in dieser Arbeit nötig, da, auch wenn die sprachliche Realität Andalusiens nicht en détail dargestellt werden kann, ein Überblick darüber entsteht, welche Variationsphänomene rekurrierend in der Forschungsliteratur besprochen werden.
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und Sprachideologie sowie Identität dargestellt, um zu verdeutlichen, welche Präsuppositionen bei dieser Arbeit als Hintergrundfolie dienen. Danach erfolgt in Kapitel 4.2. eine Darstellung der strukturellen Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices, denen eine Ordnung zugrunde liegt, welche Silverstein (2003) als ordered indexicality konzeptioniert. Das zugrunde liegende Theorem des von mir als geordnete Indexikalität übersetzten Begriffs ist hierbei von hoher Relevanz, da zur Konstruktion der diskursiven Varietät des Andalusischen saliente strukturelle Merkmale herangezogen werden, welche zur deiktischen Referenz auf die diskursive Varietät genutzt und zur Verknüpfung mit außersprachlichen Eigenschaften der SprecherInnen eingesetzt werden. So kann beispielsweise der ceceo emblematisch für die diskursive Varietät selbst stehen, aber auch als Abweichung der Norm oder als Variationsphänomen innerhalb einer Varietätenkette beschrieben werden. In Kapitel 5 wird der Zusammenhang dieser Ebenen in Bezug auf die Entstehung diskursiver Varietäten herausgestellt. Zunächst wird die Taxonomie der indexikalischen Ordnung 1. bis 3. Grades nach Johnstone et al. (2006) bzw. Spitzmüller (2015) als operationalisiertes Analysewerkzeug zur Bestimmung der Funktion von Indices in das von Agha (2003 bzw. 2007)8 ausführlich theoretisierte Konzept des enregisterment eingebettet. Agha (2003, 231) versteht unter diesem Konzept Prozesse, «through which a linguistic repertoire becomes differentiable within a language as a socially recognized register of forms». Das Repertoire, das er als die Gesamtheit der zur Konstruktion genutzten salienten Merkmale ansieht, steht dann für ein Register,9 welches innerhalb einer Sprachgemeinschaft als sozial und situativ distinktiv betrachtet wird. Dieses Register wird somit als inhärent andersartig dargestellt und wahrgenommen,10 sodass diese sprachliche Andersartigkeit11 im Falle diskursiver Varietäten – nicht zwangsläufig in derselben Art für strukturelle Varietäten – auch mit einer sozialen Andersartigkeit verknüpft wird. Die Verknüpfung eines Registers bzw. einer diskursiven Varietät mit sozialen Eigenschaften wird in ihrer Prozesshaftigkeit von Agha (2003) enregisterment genannt. Der englische Terminus beinhaltet also semantisch den Prozess des Verknüpfens von salienten Merkmalen einer gesellschaftlichen Gruppe mit sozialen Eigenschaften
8 Aghas Aufsatz von 2003 wurde in seinem Werk von 2007 in Kapitel 4 inkludiert, sodass es sich grundsätzlich um die gleichen Aussagen handelt. 9 Die Verwendung des Terminus Register wird im theoretischen Teil der Arbeit diskutiert und von anderen Begriffen, wie z.B. dem der Varietät, abgegrenzt. 10 Der Frage, inwiefern es sich um endogene oder exogene Zuschreibungen handelt, wird im Kapitel 4 näher nachgegangen, denn beide Ebenen sind für die Konstruktion zu berücksichtigen. 11 Hierunter fallen z.B. morphologische, phonetische oder syntaktische Merkmale, welche vom Standard abweichen.
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derselben, bei der gleichzeitigen Differenzierung von anderen Registern. Er verweist auch auf ihre Unterscheidbarkeit innerhalb der Sprachgemeinschaft sowie auf das Ergebnis als nun entstandenes sozial unterscheidbares Register im Sinne einer diskursiven Varietät.12 Im Zuge der Analyse der o.g. Theoreme in Bezug auf das Andalusische muss auch das Konzept der Sprachideologien (cf. Woolard 2012) herangezogen werden, um die den enregisterment-Prozessen inhärente diskursive Konstruktion einer Varietät mittels ideologischer Interpretationsfolien der sprachlichen Realität als endogenen und exogenen Akt der Identitätskonstruktion beschreiben zu können. Denn im Zuge dieser Konstruktion steht nicht die strukturelle Varietät in all ihren Ausprägungen im Vordergrund, sondern eine abstrahierte diskursive Varietät, die in identitätsstiftenden Diskursen zur Besetzung dieser Gruppe mit bestimmten Eigenschaften eingesetzt werden. Das, was Agha (2003; 2007) in diesem Zusammenhang als Register auffasst, wird in dieser Arbeit als diskursive Varietät gefasst. In Kapitel 5 wird die grundlegende konzeptionelle Unterscheidung zwischen struktureller und diskursiver Varietät begründet, um beide Konzeptionen in einem ersten Schritt zu verdeutlichen und darauffolgend die Vorteile dieser Unterscheidung sowie den Unterschied zu Agha (2003; 2007) aufzuzeigen. Dies ist notwendig, da auf Objektebene zwischen a) den sprachlichen Formen, b) ihrem Auftreten selbst und c) der Konstruktion von Sprache im Sprechen über sie unterschieden werden muss. Erst dadurch ist das zu untersuchende Objekt genau zu definieren und klar abzugrenzen. Die Erweiterung des Modells erlaubt es, die gegenwärtigen re-enregistermentProzesse des Andalusischen theoretisch zu fassen. Es konnte in diesem Zusammenhang ein Modell entwickelt werden, welches die sprachideologische Neufassung von Varietäten und die damit einhergehende Neubewertung darstellt. Wie sprachliche und identitäre Neubewertungen ko-okkurrieren, kann anhand der sprachideologischen Setzung in diesem Modell erkannt werden. Grundsätzlich wird aus dem Modell Folgendes ersichtlich: Identitäten, die sich auch mithilfe der diskursiven Varietät konstituieren, rekurrieren auf die Distinktion von anderen Gruppen, was wiederum eine Rückkoppelung mit der Sprache zur Folge hat. Hierbei entstehen die Narrationen, Bezüge und Wertzuschreibungen in Diskursen zur eigenen Sprachvarietät und zu ihrem Verhältnis zu anderen Varietäten nicht ex nihilo, sondern sie sind in gesellschaftliche Schemata eingebettet. Diese Schemata sind, wie bereits angesprochen, als (Sprach-)Ideologien aufzufassen, deren
12 Der Varietätenbegriff umfasst im Rahmen dieser Arbeit die sonst übliche Unterscheidung von diastratischen und diatopischen Varietäten, sodass die Zuweisung von strukturellen Merkmalen sowohl zu sozialen Gruppen als auch zu geographischen Räumen zusammengedacht wird.
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Untersuchung vor allem in der anglistischen Forschung eine lange Tradition hat (Woolard 2007, 129s.). In Bezug auf den Terminus Ideologie sagt sie Folgendes: «Al usar este término nos referimos a representaciones de la intersección entre el lenguaje y la dimensión social de la actividad humana, la carga de intereses morales y políticos inscritos en estas representaciones [. . .]. Tal como indica esta definición, las ideologías lingüísticas no representan solamente el lenguaje, sino que exhiben los lazos íntimos que lo unen a nociones tales como identidad y comunidad, nación y estado, o moralidad y epistemología [. . .]. Están, por lo tanto, profundamente imbricadas en las estructuras sociales y en el ejercicio del poder. Constituyen un instrumento al servicio no sólo de la interacción verbal sino también de la acción política y de la imposición, fortalecimiento y disputa de las jerarquías sociales [. . .]. Las ideologías no son necesariamente herramientas manipuladas conscientemente por las élites que conspiran para consolidar su poder. En el sentido en que utilizamos aquí el término, la ideología se entrelaza con el poder social y político porque organiza los procesos de significación que constituyen a los seres humanos como sujetos sociales y producen su relación con la sociedad».
In diesem Sinne ist Ideologie eben nicht als (ggf. abzulehnendes) Wertesystem oder als nicht sozial konformes Konstrukt bestimmter sozialer Gruppen zu sehen, sondern als intrinsische Handlung menschlicher Gesellschaften, die mittels eigener – wie Woolard es ausdrückt – Prozesse der Bedeutungsgebung die Welt erschließen und einordnen. Dies impliziert, dass Sprache nicht nur ein System zur verbalen Kommunikation ist, sondern darüber hinaus soziale Ordnungen und Hierarchien in Sprechakten auch immer geschaffen und mit ausgedrückt werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Konzepte wie Standardsprache nicht per se als neutral zu bewerten sind, sondern diskursiv durch sozial starke Gruppen so konstruiert werden, dass die Annahme besteht, es handele sich um eine neutrale Sprache, eben um die Sprache selbst. Hierdurch wird die Sprachform einer bestimmten Gruppe als Hintergrundfolie gesetzt, von welcher aus alle anderen Formen bewertet werden (cf. Rodríguez-Iglesias 2015). Es muss hinzugefügt werden, dass diese Hintergrundfolie von sozial dominanten Gruppen durchgesetzt wird, sodass andere soziale Gruppen dadurch einerseits als deviant erscheinen und ihnen andererseits ihre (sprachliche) Eigenständigkeit abgesprochen wird. In Bezug auf das Andalusische ist hier zu erwähnen, dass die Bewertung und Einordnung des Andalusischen eben in der Mehrzahl der Fälle vor der Hintergrundfolie des Kastilischen als Standard und dessen sozial übergeordneter Position stattfindet, sodass es selten zu einer Beschreibung der Sprachformen des Andalusischen selbst kommt, sondern nur zu einer Darstellung der (salientesten) Unterschiede zum (Nord-)Kastilischen. Auf Grundlage der theoretischen Fundierung wird in Kapitel 6 das methodische Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion und Bewertung diskursiver Varietäten erarbeitet. Hierbei ist ein Analyseschema entwickelt worden, dessen
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Analyseschritte nach einer ersten knappen Darstellung in einem zweiten Schritt expliziert werden. Das erarbeitete Schema ermöglicht in Anlehnung an die Arbeiten zur Diskurslinguistik von Spitzmüller/Warnke (2011), Wortham/Reyes (2015) und Bendel Larchers (2015) eine differenzierte Abfolge bei der Analyse der indexikalischen Ordnung, sprachideologischen Setzungen, diskursiven Konstruktionen sowie der re-enregisterment-Prozesse. In Kapitel 7 erfolgt dann die Einordnung und Analyse des empirischen sprachlichen Materials, das für diese Arbeit ausgewählt wurde, um die (Neu-)Bewertung des Andalusischen als diskursive Varietät zu untersuchen. Hierbei werden Materialien aus dem Bereich der kommodifizierten Sprache (Kapitel 7.1.), öffentliche Diskurse in Medien (Kapitel 7.2.), an Schulen (Kapitel 7.3.) und in (semi-)akademischen Kontexten (Kapitel 7.4.) herangezogen, um damit eine möglichst breite gesellschaftliche Streuung abzubilden. Im Gegensatz zu dialektologischen und klassisch soziolinguistischen Studien über das Andalusische, die eher im Bereich der Analyse gesprochener Sprache – also auf struktureller Ebene – zu verorten sind, stellen geschriebene Manifestationen des Andalusischen sowie metapragmatische Redeakte eine wichtige Materialisierung und Aktualisierung der Diskurse über das Andalusische dar, weshalb diese als Analysematerial dieser Arbeit herangezogen werden. Anhand der Analyse wird aufgezeigt, auf welche Weise saliente strukturelle Merkmale als Indices aufgrund ihrer sozialen Funktionen aufgegriffen werden, um das Andalusische als diskursive Varietät zu konstruieren und es mit neuen Bewertungen zu versehen. In Kapitel 8 erfolgt eine Zusammenfassung, Interpretation und Einordnung der Ergebnisse in Bezug auf die re-enregisterment-Prozesse des Andalusischen und eine Herausarbeitung des Stellenwertes dieser Prozesse für die Revalorisierung der diskursiven Varietät. Es stellt das Kapitel dar, in welchem eine Synthese der Ergebnisse stattfindet, welche dann in einem zweiten Schritt durch das Heranziehen des zuvor erarbeiteten theoretischen Rahmens eingeordnet und interpretiert werden, um Aussagen über die Ausgestaltung der Revalorisierungsprozesse und über ihre gesellschaftliche Wertigkeit treffen zu können. In diesem Kapitel werden zusätzlich zur Darstellung der Leistungen der Analyse die Grenzen der Arbeit aufgezeigt und ein Ausblick auf weitere Forschungsbereiche zum Thema eröffnet.
2 Positionierung der Studie in der Forschung, Analysematerial und methodische Vorüberlegungen Das folgende Kapitel dient zur Skizzierung der Frage, wie die vorliegende Arbeit in der bestehenden Forschung positioniert wird, welches sprachliche Material in dieser Arbeit analysiert wird sowie welche Methoden dabei herangezogen werden. Das Kapitel dient daher der Darstellung des Analysematerials und der methodischen Vorüberlegungen, um einen Horizont auf die im weiteren Verlauf der Arbeit folgenden theoretischen und methodischen Kapitel zu eröffnen. Aufgrund dieses Aufbaus soll in diesem Kapitel auf einen zentralen Forschungsüberblick verzichtet werden, da in den Hauptteilen der Arbeit der Forschungsstand während der eigentlichen Erarbeitung des theoretischen (Kapitel 4 und 5) und methodologischen (Kapitel 6) Ansatzes sowie des Analyseteiles (Kapitel 7) jeweils am Anfang der (Unter-)Kapitel diskutiert wird. Dies bedeutet konkret, dass eine Zusammenfassung der für die jeweiligen Kapitel wichtigen Forschungsansätze und -beiträge auch an ebendiesen relevanten Stellen in den Kapiteln selbst erfolgen wird.
2.1 Positionierung der Arbeit in der anthropologischen interpretativen Diskurslinguistik Wie bereits in der Einleitung, angeklungen ist vorab festzuhalten, dass die vorliegende Arbeit nicht einem einzigen klassischen Feld der Soziolinguistik zugeordnet werden kann, da gegenstandsorientiert ein Vorgehen gewählt wird, welches verschiedenen wissenschaftlichen Traditionen – vor allem derjenigen der Soziolinguistik und der interpretativen Diskurslinguistik – zuzuordnen ist, aber gleichzeitig auch stark durch die anthropologische Linguistik, Ethnographie und Glottopolitik13 geprägt ist. Darüber hinaus sind die Prämissen der
13 Für den Bereich der Glottopolitik, dessen Fundament von Guespin/Marcellesi (1986) gelegt wurde, sind für den hispanistischen Bereich vor allem Arnoux (2000), del Valle (2007) sowie Arnoux/del Valle (2010) als einordnende Arbeiten hervorzuheben. Glottopolitische Untersuchungen beschäftigen sich vor allem mit dem sozial verhandelten politisch-ideologischen Wert von Sprachen bzw. diskursiven Varietäten. In Unterscheidung zur Ausrichtung der glottopolitischen Forschung geht es in der vorliegenden Arbeit jedoch um diskursive Konstruktionsprozesse der Varietät selbst mittels salienter Merkmale sowie ihre im Diskurs verhandelte soziale Bewertung. Hierbei stellt die politische Instrumentalisierung einen weiteren Faktor im https://doi.org/10.1515/9783110659771-002
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Critical Discourse Analysis sowie die Forschung im Feld der Sprachideologien von zentraler Bedeutung. Grundsätzlich ist diese Arbeit in die Tradition der soziolinguistischen Forschung, welche von Labov (1972) ausging, einzuordnen, muss jedoch von der Variationslinguistik Labovscher Prägung deutlich abgegrenzt werden. In der soziolinguistischen Forschung wird traditionellerweise sprachliche Variation in Bezug auf ihre Korrelation mit bestimmten sozialen Kategorien wie z.B. das soziale Geschlecht oder soziale Schichten untersucht (cf. Eckert 2012).14 In der vorliegenden Studie soll aber nicht die soziolinguistische Variation im Vordergrund stehen, sondern der diskursive Rückgriff auf Merkmale in verschiedenen Diskursbereichen zur Aufwertung des Andalusischen. Coupland (2007, xii) beschreibt die Notwendigkeit eines entsprechenden Schrittes wie folgt: «I fully recognise that, and celebrate the fact that, variationist sociolinguistics has taken great strides through keeping within these constraints [reliance on static social categories, its imputation of identity-values to numerical patterns (quantitative representations of linguistic variation), and its thin account of social contextualisation], when research questions have been formulated at the level of linguistic systems and how they change. But I think we need a sociolinguistics of variation for people and for society, as well as (not instead of) a sociolinguistics of variation for language». [Hervorhebung im Original]
Couplands Formulierung eines Forschungsdesiderats zeigt bereits, dass eine ausschließlich auf das Sprachsystem bezogene Forschung nicht ausreicht, um festzustellen, inwiefern diese Variation für die SprecherInnen selbst von Relevanz ist und auf welchen situativen und sozialen Ebenen Variation eine Rolle spielt.15 In diesem Sinne benutzt Coupland (2007) das Konzept des style, welches auch für diese Arbeit von großer Bedeutung ist, da die Nutzung von Variation zur Identitätskonstruktion und Selbstaufwertung in Andalusien näher untersucht werden soll. Für diese Arbeit ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass Prozesse der bewussten emblematischen Nutzung graphemischer Repräsentationen des Andalusischen zur Demarkation der SprecherInnen des Andalusischen vom Standardspanischen analysiert werden. Diese Prozesse umfassen nicht nur eine diaphasische Variation, sondern darüber hinaus den emblematischen und oftmals überspitzten Dialektgebrauch, der dieser Konstruktion
Bereich der diskursiven Konstruktion dar, was jedoch in Forschungen zur Glottopolitik die zentral zu erforschende Dimension ist. 14 In Kapitel 5.1 werden dieser Forschungskontext und dessen Historie genauer beschrieben. 15 In dieser Arbeit wird also grundsätzlich der von Blommaert (2005, 69) formulierten Grundannahme gefolgt, dass «every difference in language can be turned into difference in social value [. . .]».
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zugrunde liegt. Das zu untersuchende Sprachmaterial dieser Arbeit suggeriert zwar, dass es sich um eine Analyse des sprachlich erzeugten Produktes handele, was jedoch nicht der Fall ist. Vielmehr liegt der Fokus darauf, die sozialen Konstruktions- und Aushandlungsprozesse, die sich in Andalusien beobachten lassen, nachzuweisen und die Anwendungsformen sprachlicher Variation, d.h. die aktive Nutzung andalusischer Merkmale durch SprecherInnen, aufzuzeigen. In diesem Sinne ist Coupland (2007, 3) beizupflichten, wenn er sagt, dass «what matters for linguistic style is more to do with process than with product, more to do with use than with structure», denn «[s]tylistic analysis is the analysis of how style resources [hier: andalusische Merkmale] are put to work creatively». Somit wird das Andalusische hier nicht nur als diatopische Varietät in struktureller Hinsicht verstanden, sondern als Ressource für eine Auswahl an Merkmalen, mit denen «anlegbare» Identitäten geschaffen werden, welche je nach Kontext durch die SprecherInnen angelegt oder durch andere Identitätsstile ersetzt werden können.16 In der Einleitung wurde bereits angedeutet, dass dieser Arbeit keine einzige «klassische» Methodologie zugrunde liegt, sondern dass das zu analysierende Material je nach Art verschiedenartig betrachtet wird. Diese Art des Vorgehens, die vor allem bei Johnstone (2013) ersichtlich ist, wird explizit durch Clark (2013, 1) als soziodiskursiver Ansatz beschrieben: «A sociodiscursive approach [. . .] is one that allows for the methods and practices associated with sociolinguistics to be interwoven with those drawn from discourse analysis. This in turn allows for account to be taken of the macroaspects of discourse [. . .] with microanalysis of discourses as they manifest themselves sociolinguistically at any given moment in time. Issues of identity are thus analysed next to or within discourse, understood as an interaction with and situated within broader sociohistorical, political and cultural contexts. Such an approach offers a different perspective on issues relating to language and identity in Englishes. Varieties of Englishes are now spoken widely across the world. As such, they function increasingly as markers of regional and social, as well as national identity».17
Clark (2013, 1) weist also darauf hin, dass eine Methodenvielfalt anzuwenden ist, bei welcher eine Kombination aus Methoden der Soziolinguistk und Diskursanalyse herangezogen wird, um Sprache und Identität im Diskurs zu verorten und die Zusammenhänge zu analysieren. Dieser Ansatz umfasst eine Art
16 In diesem Sinne kann Variation in Form einer Marke kapitalistisch erzeugt und verkauft werden. Hierauf wird in Kapitel 7.1 näher eingegangen. 17 Obwohl in diesem Zitat von den Varietäten des Englischen bzw. der vielen verschiedenen Englisch-basierten Sprachformen die Rede ist, kann dies auch auf das Spanische als international weit verbreitete Sprache übertragen werden.
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der Diskursanalyse, welche Sprache als eingebettet in die Gesellschaft versteht und bei der sowohl eine Mikro- als auch eine Makroperspektive eingenommen wird, also eine Analyse konkreter sprachlicher Daten mit linguistischen Analysekategorien, welche dann in einem größeren gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden müssen. Diesem Ansatz wird auch in dieser Arbeit gefolgt: Klassische Kategorien soziolinguistischer Forschung – Merkmale und deren soziolinguistische Ausdifferenzierung – werden dahingehend untersucht, inwiefern sie zur diskursiven Konstruktion einer Varietät und ihrer Revalorisierung herangezogen werden, sodass über eine Analyse der Mikroperspektive der konkreten Nutzung salienter Merkmale eine Untersuchung der Neubewertung des Andalusischen auf diskursiver Makroperspektive ermöglicht wird. Dass für diese Arbeit eine Einordnung als soziodiskursiver Ansatz nicht ausreicht, wird ersichtlich, wenn die wissenschaftstheoretische Verortung der Untersuchung von Spitzmüller (2013a) in der interpretativen Soziolinguistik bzw. Ethnographie der Kommunikation berücksichtigt wird. Eine Zuordnung der vorliegenden Arbeit in das Feld der interpretativen Soziolinguistik ist wichtig, da es sich um eine Interpretation der Prozesse der Revalorisierung der diskursiven Varietät des Andalusischen handelt. Hierbei spielt vor allem die graphische Variation – also von der Standardorthographie abweichende graphemische Repräsentationen andalusischer Merkmale – als soziale Praxis eine zentrale Rolle, da das Andalusische als diskursive Varietät in geschriebenen Diskursen durch die graphemische Devianz materialisiert wird. Um Spitzmüllers Verortung besser nachvollziehen zu können, wird das folgende Zitat zur Verdeutlichung herangezogen: «Dass diese [Theorie graphischer Variation] soziolinguistisch (und nicht etwa zeichentheoretisch oder textstilistisch) verortet wird, verdankt sie der Auffassung, dass die sozialen Funktionen graphischer Variation als zentral erachtet werden. Das heißt, die Relevanz graphischer Variation zeigt sich in erster Linie dann, wenn man sie als sozial konstitutive und sozial verankerte kommunikative Praxis und im Kontext sozialen [. . .] kommunikativen Handelns betrachtet. [. . .] Wie die Theorie soziolinguistisch positioniert wird (nämlich im Bereich der interpretativen Soziolinguistik) ist entscheidend deshalb, weil in diesem Buch deren Auffassung geteilt wird, dass Kommunikation sozial konstitutiv ist, also als ein Mittel zur Herstellung von Gesellschaft (und nicht nur als deren Spiegel) betrachtet werden muss» (Spitzmüller 2013a, 181s.). [Hervorhebungen im Original]
Zweierlei ist folglich bei der interpretativen Soziolinguistik von Bedeutung: Graphische Variation spielt eine zentrale Rolle, da sie einerseits erst qua Devianz von der Standardorthographie eine Varietät in der Graphie materialisiert sichtbar werden lässt und da andererseits die Sichtbarmachung selbst eine kommunikative Praxis darstellt, die Sozialität in der Sprache und durch Sprache herstellt. Es ist zu konstatieren, dass sich diese Arbeit Methoden der
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interpretativen Soziolinguistik – also hier die Interpretation von Merkmalen für die Bedeutung im gesellschaftlichen Diskurs – und nicht der «klassischen» Variationslinguistik zu Nutze macht, da die Untersuchung auf der Interpretation ethnographischer Daten basiert und nicht auf der Analyse von sprachlichen Daten, auf welche Schemata wie soziale Klasse, Bildungsgrad o.Ä. appliziert werden. Da die vorliegende Untersuchung qualitativ analysiert, auf welche Weise und anhand welcher sprachlichen Merkmale das Andalusische mittels Sprachideologien diskursiv konstruiert und neubewertet wird, steht hierbei die Interpretation der Daten im Vordergrund. Die Daten sind das Ergebnis ethnographischen Sammelns, was bedeutet, dass existierende Instanzen des Diskurses über das Andalusische für die Analyse zusammengetragen wurden. Diese Arbeit ist also gleichsam der Ethnographie der Kommunikation (cf. Spitzmüller 2013a, 18s.) zuzuordnen, wobei Kommunikation grundsätzlich konzeptionell breit zu denken ist, da sie hier nicht nur als face-to-face-Interaktion angesehen wird. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass auch in konkreten Kommunikationsakten durch Schriftsprache und im Besonderen durch die Wahl der graphemischen Repräsentation diatopischer Merkmale auf diskursiver Ebene kommuniziert wird. Über diese Form der Kommunikation werden Gemeinschaften konstituiert und Sozialität auch in Schriftsprache durch graphemische Devianz hergestellt. Da die Auswahl des Materials für diese Arbeit vor allem in den Bereich schriftsprachlicher Daten fällt,18 ist es wichtig zu betonen, dass diese als Teilbereiche sozialer Praxis zur diskursiven Konstruktion und Bewertung des Andalusischen angesehen werden können und somit zentral zur Kommunikation und Tradierung des Diskurses und seiner diskursiven Artefakte – das Andalusische als reifizierte diskursive Varietät – beitragen.19 Die zuvor erwähnten Ansätze der soziodiskursiven und interpretativen Soziolinguistik sind primär linguistisch, d.h. der Sprachwissenschaft zuzuordnen. Diese Bereiche sind im Zusammenhang dieser Arbeit ebenfalls zentral, da sie potentielle Werkzeuge zur linguistischen Analyse des Sprachmaterials liefern. Diese Analyse soll jedoch nicht um ihrer selbst Willen erfolgen, sondern der Herausstellung der Funktion der sprachlichen Variation in der Gesellschaft selbst sowie zum Aufzeigen ihrer zentralen Bedeutung bei der Herausbildung
18 Bis auf die Analyse der Interviews mit SchülerInnen und LehrerInnen in Kapitel 7.3.1 und 7.3.2 wird schriftsprachliches Material in dieser Arbeit analysiert. 19 Die wissenschaftliche Verortung des in dieser Arbeit beschriebenen Ansatzes ist bei Spitzmüller (2013a, 171ss.) ausführlich dargestellt, expliziert und präzisiert worden, weshalb dies in dieser Arbeit nicht noch einmal wiederholt werden soll. Die theoretischen Spezifika und Grundannahmen werden in Kapitel 4 und 5 näher dargestellt, erläutert und wissenschaftstheoretisch eingeordnet.
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gesellschaftlicher Reifizierungsprozesse von Sprache dienen. Konkret bedeutet dies, dass die Funktion des Andalusischen und die Verhandlung seiner Wertigkeit für die andalusische Gesellschaft im Mittelpunkt der Analyse stehen. Das Erkenntnisinteresse ist folglich auch ein sprachanthropologisches, was eine sprachanthropologische interpretative Diskursanalyse, die sich spezifischer Teile und Werkzeuge anderer Diskursdisziplinen bedient, unabdingbar macht. Wortham/Reyes (2015, 18) sind hierbei zentral, da sie erstmals zentrale Werkzeuge der Sprachanthropologie in einen «systematic linguistic anthropological approach to discourse analysis» überführen und die Hauptkategorien der Analyse basierend auf den Arbeiten von Silverstein (2003) und Agha (2007) in überzeugender Weise in das methodische Vorgehen eingegliedert werden. Wortham/ Reyes (2015) beschreiben Diskurse in ihrer diachronen Genese durch die Analyse sogenannter «pathways», d.h. die Konstitution von sozialen Regelmäßigkeiten im Diskurs, um «cross-event processes» näher zu beleuchten, die Prozesse der Entstehung einer zusammenhängenden diskursiven Konstruktion durch einzelne Konstruktionen in singulären Situationen darstellen. Konzeptuell ist hier keine Abgrenzung zu Spitzmüller/Warnke (2011) zu sehen, die «pathways» und «crossevent processes» zusammenhängend als «Transtextualität»20 betrachten. Die Diskurse werden also durch das Heranziehen verschiedener Quellen empirisch nachgezeichnet und analysiert, was auch in der vorliegenden Arbeit geleistet werden soll. Wortham/Reyes (2015) entwerfen eine eigene Methodologie zur Untersuchung von enregisterment-Prozessen und die ihnen zugrunde liegenden Indexikalisierungen, allerdings handelt es sich, wie bereits zuvor gesagt, um einen stark anthropologisch zentrierten Ansatz. Dieser ist nur in Synthese mit den Ansätzen Spitzmüllers/Warnkes (2011) und Bendel Larchers (2015) für den Gegenstand dieser Arbeit sinnvoll, da die Konstituierung von Indices und ihre Rolle in enregisterment-Prozessen bei Wortham/Reyes (2015) diskurslinguistisch aufbereitet wird, aber Indices hier vor allem als (evaluative) Lexeme gefasst werden. Dies ist für die vorliegende Arbeit nicht sinnvoll, da es sich um eine anthropologische interpretative Soziolinguistik handelt, welche die soziolinguistische Variable21 als Grundbestandteil von sprachlicher Indexikalität ansehen muss. Dies passiert in Ansätzen auch bei Spitzmüller/Warnke (2011) und Bendel Larcher (2015), allerdings steht Indexikalität dort nicht im Vordergrund, sondern bildet nur einen
20 Text ist hier sehr breit als alle Formen von schriftlicher und mündlicher Kommunikation und Kommunikaten sowie nonverbaler Kommunikation zu verstehen. 21 Im Folgenden werden Merkmal und Variable nicht unterschieden. Zur Einordnung und kritischen Betrachtung des Labovschen und sich in der Soziolinguistik etablierten Konzepts der Variablen kann der Grundlagenartikel von Lavandera (1978) konsultiert werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Konzept als solches erfolgt in dieser Arbeit nicht.
2.1 Positionierung der Arbeit
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Baustein der Diskurslinguistik. Einige der bei den o.g. AutorInnen zu findenden Methoden sollen in dieser Arbeit in abgewandelter Form zur Analyse des Gegenstandes dienen, wobei ein spezifisches, auf den Gegenstand ausgerichtetes methodisches Rahmenmodell in Kapitel 6 erarbeitet wird. Perspektivisch ist die vorliegende Arbeit durch ihre Positionierung in der anthropologischen interpretativen Soziolinguistik als Studie der sogenannten «dritten Welle» der Soziolinguistik einzuordnen. Eckert (2012) hat in ihrem Beitrag22 drei Hauptentwicklungsströme (sogenannte «Wellen») und die ihr zugrunde liegenden theoretischen Annahmen in der Soziolinguistlk identifiziert.23 Eckert (2016, 69ss.) selbst fasst ihr Wellen-Modell zusammen und beschreibt dabei, dass die erste Welle der soziolinguistischen Studien sich damit beschäftigte, durch die Applikation makrosoziologischer Kategorien (Klasse, Geschlecht etc.) auf spezifische Gruppen zu analysieren, welche Verteilung bestimmter Merkmale sich in Bezug auf diese Kategorien ergab. Hierbei waren die Kategorien statisch und die SprecherInnen waren konzeptionell passiv, da sie Variation nicht aktiv nutzen, sondern nur davon ausgegangen wurde, dass Variation innerhalb eines spezifischen Systems existiert, wobei SprecherInnen spezifische Merkmale zugewiesen wurden. Darüber hinaus wurden die Variablen nach ihrer Formalitätsstufe sortiert, sodass Formalität als der bestimmende Faktor sprachlicher Variation angesehen wurde. Studien der zweiten Welle gingen einen Schritt weiter und untersuchten lokale Variationskontexte bzw. soziale Praktiken, aus denen dann makrosoziale Muster herausgearbeitet wurden. Hierbei wurde bereits die Prämisse des Konstruktivismus deutlich, da nun weitere soziale Kategorien untersucht wurden und somit der Fokus nicht mehr einzig auf dem Formalitätsgrad der Variation der Merkmale lag. In diesem Zusammenhang rückte die Alltagssprache der SprecherInnen stärker in den Mittelpunkt der Untersuchungen, da sie als positiv besetzte Sprache den
22 Eckert (2012) gibt in diesem Beitrag eine Reihe von Studien an, die sie als zugehörig zu einer der drei historischen Wellen soziolinguistischer Forschung ansieht. Diese Arbeiten können hier nicht in extenso erläutert werden, da dies nicht das primäre Ziel der Arbeit ist. Es ist in diesem Zusammenhang allerdings wichtig, dass diese Arbeit der dritten Welle zugeordnet werden kann, da davon ausgegangen wird, dass soziale AkteurInnen sprachliche Variation aktiv nutzen, um einerseits diskursiv eine Varietät zu erzeugen und andererseits diese mit sozialen Werten versehen und sie mit einer spezifischen Gruppe verknüpfen. 23 Dass es sich bei dem Wellen-Modell Eckerts um eine idealisierte und lineare Einteilung der Historie soziolinguistischer Forschung handelt, wird bei Bell (2016) moniert, der kritisiert, dass das Wellen-Modell eine historische Linearität suggeriert und der Fokus auf der/dem SprecherIn als agens liegt. Seiner Sicht nach müssten in der Forschung sowohl stabile Bereiche der sprachlichen Struktur als auch sprachliche Variation, derer sich SprecherInnen aktiv bedienen (können), um Identitätsakte zu vollziehen, gleichsam berücksichtigt werden.
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
Gruppen als Identifikationsmittel diente. Diese Sichtweise wurde in Studien der dritten Welle ausgeweitet, welche Variation nicht mehr als vorsozial ansehen, sondern als zentralen Bestandteil des Sprachinventars der SprecherInnen betrachten, wobei sie je nach Situation durch die Nutzung verschiedener Merkmale andere soziale Identitäten und Werte evozieren können. SprecherInnen wurden somit konzeptionell als agentiv gedacht, sodass sie nicht nur passive Muster an Variation aufweisen, sondern diese Variation auch kontextbezogen sinnhaft für soziale Zwecke nutzen. In den ersten beiden Wellen wurden soziale Bewertungen und Zuschreibungen als stabil existierend angesehen, in der dritten Welle werden sie konzeptionell als sich ständig im Wandel befindende und auszuhandelnde Kategorien betrachtet, wobei Variation sinnhaft eingesetzt werden kann, um sich sozial zu positionieren. Die vorliegende Arbeit ist der dritten Welle zuzuordnen, da die Grundannahme dieser Arbeit darin besteht, dass Variation auf mikrosozialer Ebene aktiv eingesetzt wird, um spezifische Identitätszugehörigkeiten darzustellen, welche wiederum von makrosozialen Konzeptionen abhängen. Für diese Arbeit bedeutet dies konkret, dass sprachliches Material, in welchem das aktive Heranziehen salienter Merkmale zur diskursiven Konstruktion und Revalorisierung des Andalusischen detektierbar ist, analysiert werden soll. Eine Positionierung dieser Studie in die anthropologisch-interpretative Diskurslinguistik wäre unvollständig, wenn nicht auch zusätzlich das kritische Vorgehen bei der Analyse dargestellt werden würde. Dies bedeutet konkret, dass die Konstruktion der diskursiven Varietät des Andalusischen und die Neubewertungstendenzen von spezifischen sozialen AkteurInnen, die interessengesteuert den Diskurs zu ihren Gunsten verändern wollen, geleistet wird. Als Hintergrundfolie dieser Arbeit sollen in diesem Zusammenhang die Vorgehensweisen der interdisziplinären Critical Discourse Analysis (CDA) (cf. Fairclough 1995; Wodak/ Meyer 2001) und Ansätze der Forschung zu Sprachideologien (cf. Woolard 2012) eingebracht werden,24 da die diskursive Konstruktion von Varietäten und deren Valorisierung keine neutrale Grundlage hat, sondern Macht- und Prestigereferenzen auch eine große Bedeutung für die diskursive Konstruktion haben. In dieser Arbeit geht es um die diskursive Konstruktion des Andalusischen anhand von metapragmatisch gebrauchten salienten Merkmalen, wobei diese Konstruktion auf der Ebene des Gebrauchs vor dem Hintergrund von Macht- und Prestigeverteilung in Spanien steht.25
24 An dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass van Dijk (2008, 2) treffend betont, dass die Critical Discourse Analysis selbst keine Methode an sich darstelle, sondern «rather a domain of scholarly practice, a cross-discipline distributed all over the humanities and social sciences». 25 Boudreau (2016) stellt ähnliche diskursive Konstruktionsprozesse sowie Verhandlungsstrategien in Bezug auf den sozialen Wert des français acadien sowohl als Minderheitensprache
2.1 Positionierung der Arbeit
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Nicht nur die AkteurInnen der Dissemination von Diskursen selbst, sondern auch die ForscherInnen, die sich eines solchen Themas annehmen, können den Gegenstand dabei nicht gänzlich neutral analysieren. Daher soll sich in dieser Arbeit dezidiert der kritischen Linie der CDA angeschlossen werden, der zufolge die Revalorisierungsprozesse keinen objektiven Gegenstand darstellen, der positivistisch auf neutrale Weise untersucht werden kann.26 Eine kritische Haltung in Bezug auf die Diskurse und die sie verbreitenden AkteurInnen sind im Besonderen notwendig, da viele Diskurse über das Andalusische nicht nur das Andalusische selbst als Gegenstand haben, sondern oftmals eine politische Agenda hinter den Aussagen zu beobachten ist. Diese Agenda beinhaltet an den Extrempolen des diskursiven Kontinuums auf der einen Seite eine gänzliche Unabhängigkeit Andalusiens von Spanien, auf der anderen Seite die Ablehnung jeglicher Autonomie Andalusiens, wie im Analysekapitel 7 ersichtlich werden wird. Bochmann (2005, 21) betont in diesem Zusammenhang, dass Aufwertungstendenzen als interessengesteuerte Vorgänge zu verstehen sind: «Man kann schließlich nicht übersehen, dass betroffene Bevölkerungsmehrheiten auf die Offizialisierung und Standardisierung ihrer bisher subalternen Sprachen manchmal mit Gleichgültigkeit oder Unverständnis reagieren. Ein besonderes Interesse an der Normalisierung haben oft die Intellektuellen und alle anderen Personen mit Sprachberufen, deren
als auch im Verhältnis der französischen Varietäten in der internationalen Frankophonie dar. Sie zeigt auf, dass es für die SprecherInnen des français acadien einerseits ein Missverhältnis in der Machtverteilung der Anglophonen und Frankophonen in den Provinces Martitimes Kanadas gibt. Andererseits wird herausgearbeitet, wie unter Bezugnahme auf die Folie der Normsprache Frankreichs als langue légitime das akadische Französisch mittels Rekurrenz auf die Setzung als fehlerhaftes Französisch durch die Varlorisierung der eigenen Merkmale aufgewertet wird. 26 Spitzmüller/Warnke (2011, 101ss.) legen einen Vergleich der anglo-amerikanischen CDA und der im deutschsprachigen Raum etablierten KDA (Kritische Diskursanalyse), deren VertreterInnen vor allem Siegfried Jäger und Ruth Wodak sind, vor. Hervorzuheben ist die in diesem Zusammenhang auch vorgebrachte und zusammengetragene Kritik an der CDA, dass sie Macht als repressiv betrachte, wobei eher von «power effects» (dieser Begriff wird in Referenz zu Blommaert 2005, 1 verwendet) gesprochen werden müsse (Spitzmüller/Warnke 2011, 111). Darüber hinaus werden bei Spitzmüller/Warnke (2011, 113) drei Hauptkritikfelder an der CDA genannt: a) Viele ForscherInnen der CDA geben an, selbstkritisch zu sein, aber dieser Anspruch sei nicht immer in ihren Arbeiten sichtbar; b) Die Schwerpunkte der Arbeiten liegen auf politisch-sozialen Themen und beachten andere Themen nicht; c) Das Kommunikationsmittel Sprache werde verabsolutiert, da die Analyse impliziere, dass «Machtverhältnisse in den Texten» stecken, sodass «pragmatische Aspekte der Kommunikation [. . .] zugunsten einer (kontextabstrakten) Semantik ausgeblendet [werden]» (2011, 13). Dass der Kontext aber eine zentrale Rolle bei der Interpretation und Rezeption von Diskursen hat, wird im Laufe dieser Arbeit noch näher dargestellt werden.
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
wichtigstes kulturelles Kapital eben die Sprachen sind: Journalisten und andere Medienfachleute, Schriftsteller, Juristen, Lehrer, Verwaltungsfachangestellte, Politiker. Für die lokalen Eliten, die sich die entsprechende Sprache am besten angeeignet haben und die Kontrolle über ihre Gestaltung ausüben, sichert die Schaffung neuer, kleinteiliger Kommunikationsräume den Zugang zu den seltenen Ressourcen Macht, Prestige und Reichtum».27
Bochmann (2005, 21) weist also darauf hin, dass das soziale Verhandeln des Status einer diskursiven Varietät durch AkteurInnen bzw. DiskursträgerInnen spezifischen Interessen folgt, die mit ihrer eigenen Stellung in der Gesellschaft zusammenhängen. In diesem Zusammenhang soll in dieser Arbeit die Rolle des Andalusischen und dessen Konzeptionalisierung durch die Diskursträger analysiert werden, wobei die konkreten DiskursträgerInnen benannt und sozial verortet werden müssen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass es für die Analyse unerlässlich ist, die Konstruktion von Identität, ihre Verknüpfung mit dem Andalusischen als stilistische Varianz und charakterologische Zuschreibungen zu SprecherInnen des Andalusischen nicht in einem luftleeren Raum zu verorten. Stattdessen sollte van Dijks (2008, 1) Sichtweise Beachtung finden: «[W]e somehow need to relate typical micro-level properties of text, talk, interaction and semiotic practices to typical macro-level aspects of society such as groups or organizations and their relationships of domination».
Der Bezug zur CDA ist in diesem Zusammenhang zentral, da die Verknüpfung des Materials in seinem Vorkommen auf einer Makroebene in Bezug auf soziale Konstellationen, diskursive Konstruktionen und Machtverhältnisse untersucht wird. Ohne diese Betrachtungsebene wäre es nicht möglich, die dahinterstehenden Mechanismen, welche zur konkreten Produktion des Analysematerials führten, zu untersuchen. Es ist folglich wichtig, die konzeptionell kritische Vorgehensweise der CDA bei der Analyse der Diskurse in dieser Arbeit zu adaptieren, allerdings ist die Methodologie nicht klassischerweise der CDA zuzuordnen, da die CDA Diskursstränge thematisch untersucht, aber keinen spezifisch sprachwissenschaftlichen Erkenntnisgewinn hat. Die vorliegende Arbeit hat jedoch einen dezidiert sprachwissenschaftlichen Fokus, da die metapragmatische Nutzung sprachlicher Merkmale – ein Grundkonzept der Soziolinguistik – bei der diskursiven Konstruktion des Andalusischen und dessen Revalorisierung im Vordergrund steht, was bei Studien der CDA nicht der Fall ist.
27 Hierbei soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Material, welches in dieser Arbeit untersucht wird, folglich auch interessengeleitet ist und keine gesellschaftliche Uniformität oder gar ein Konsens bezüglich der Stellung und Bewertung des Andalusischen besteht. Vielmehr ist ein soziales Verhandeln der Diskurshoheit über die legitime Sprache in Andalusien zu beobachten.
2.1 Positionierung der Arbeit
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Die kritische Analyse der Diskurse, die in dem Analysematerial dieser Arbeit zu finden sind, soll im Rahmen dieser sprachwissenschaftlichen Studie zielorientiert auf Sprache ausgerichtet sein. Für eine derartige Analyse ist das Konzept der (Sprach-) Ideologie, welches vor allem in Arbeiten im Feld der Anthropologie entstanden ist und dort genutzt wird, für die theoretische Einbettung und die damit verbundenen Implikationen unverzichtbar (cf. Woolard 2012). Studien in diesem Bereich gehen vom Postulat aus, dass Gesellschaften sich selbst sozial besprechen und ihre Kultureme sozial verhandeln. Dieser diskursive Prozess trägt dazu bei, dass eine Gesellschaft Ideen von sich selbst kreiert und eine Selbstbewusstwerdung stattfindet. Silverstein (2012, 168s.) sagt in diesem Zusammenhang treffend Folgendes: «[L]a ubicación de las ideologías asuma una especie de connotación negativa. Esta connotación negativa puede ser contrastada con las connotaciones, entre neutrales y positivas, de la ubicación social de la ‹cultura›, tanto en su uso técnico como en el popular. Más que observar que no existe un hecho social sin su aspecto o componente ideológico, muchos usuarios del concepto simplemente han sucumbido a las connotaciones negativas de un tipo de retórica con carga política cuando se trata de analizar los aspectos ideacionales de las formaciones sociales. [. . .] Así, el lugar de la ideología se aparece entre quienes la ven como proveniente de un abismo de sonoridad bakthiana cuando usan esta categoría: oponiendo la postura cientificista de aquellos que reclaman estar en posesión de una ‹verdad› falsamente objetiva, se pueden ver las distorsiones o mistificaciones de esa ideología como tal [. . .]; oponiendo los discursos de autolegimitación de grupos o instituciones dominantes, poderosas u opresivas, se puede declarar, en el contexto de una corriente de apoyo comprometido que, por así decirlo, desmitifica, desacredita y destrona, que tales discursos ideológicos en nombre de víctimas que de otro modo serían mudas o no tendrían criterios».
Die negative Konnotation des Lexems Ideologie wird hier angeführt und es wird darauf hingewiesen, dass damit die Situierung eines Anderen erfolgt und seine Legitimation abgesprochen wird, sobald konkrete Aussagen im Diskurs mit diesem Terminus verknüpft bzw. DiskursteilnehmerInnen als ideologisch dargestellt werden.28 Diese negative Zuschreibung des Terminus soll aber in der vorliegenden Arbeit gerade nicht in dieser Form als epistemologische Grundannahme dienen, sondern mithilfe der Konzeptionalisierung, wie sie in der Forschung zu Sprachideologien Verwendung findet, abgegrenzt werden. In der Forschung über Sprachideologien wird unter dem Terminus die Kreation gesellschaftlichen Wissens, gesellschaftlicher Kultureme, Annahmen und Prämissen gefasst, sodass es eben keine absolute Objektivität – keinen «view from
28 Zur Geschichte der Konnotation des Terminus und dessen Verwendung cf. Woolard (2012, 22ss.).
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
nowhere» (Irvine/Gal 2000, 35) – gibt und alle sozial geschaffenen Vorstellungen diskursive Konstruktionen bestimmter gesellschaftlicher Schichten und der sich in ihnen befindlichen AkteurInnen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich Silverstein (2012, 165) gegen die Annahme, dass Ideologien ausschließlich nebulöse, fehler- oder zweifelhafte gesellschaftliche Fehlleitungen seien, welche dann der materiellen, historischen und faktuellen Realität gegenübergestellt würden. Für ihn – und dies ist auch eine der Grundpositionen dieser Arbeit – sind dies alle sozialen Manifestationen gesellschaftlicher (Selbst-)Konzeptionalisierungen, unter denen Sprache einen potenten Platz einnimmt, da diese selbst soziales Handeln konstituiert. Für den Gegenstand dieser Arbeit ist zu konstatieren, dass dem Andalusischen soziale Konzeptionalisierungen zugrunde liegen, welche auf der Basis bestimmter Ideen – also hier Ideologien – über Sprache, Gesellschaft etc. beruhen, welche bei der Analyse der diskursiven Varietät eine zentrale Rolle einnehmen. Es spielt also eine wichtige Rolle, auf welche Weise die DiskursteilnehmerInnen, die die Diskurse des dieser Arbeit zugrunde liegenden Materials dissemiert haben, das Andalusische denken, es als Einheit im sozialen Imaginarium diskursiv konstruieren und mit sozialen Werten versehen. An dieser Stelle soll noch einmal auf das Postulat von Irvine und Gal (2000, 35), dass es keinen «view from nowhere» gebe, eingegangen werden, denn der letzte zentrale Punkt dieses Unterkapitels verweist nicht nur gegenstandsbezogen auf die Notwendigkeit einer kritischen Haltung gegenüber den AkteurInnen, welche Diskurse über das Andalusische disseminieren, sowie gegenüber den Diskursen selbst, sondern es soll selbstreflexiv auf kritische Weise auf meine eigene Positionierung innerhalb der Forschung und bezüglich des Gegenstands dieser Arbeit eingegangen werden. Obwohl meine eigenen Ansichten in Bezug auf das Andalusische, seine Stellung in Andalusien und Spanien sowie auf Andalusien selbst nicht in die Analyse eingebracht werden, ist eine Arbeit im Bereich der interpretativen Diskurslinguistik dennoch nie gänzlich neutral oder objektiv und somit immer durch den Blick der Forscherin bzw. des Forschers auf den Gegenstand geprägt (cf. van Dijk 2008, 2). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Snopenko (2007) in ihrer Arbeit detailliert nachgezeichnet hat, wie sich vornehmlich exogene Diskurse über das Andalusische und die damit einhergehende Stigmatisierung in der Vergangenheit materialisierten. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, den stark normativ geprägten Diskurs in Spanien perspektivisch mit einem Fokus auf Andalusien selbst zu erweitern. Dies bedeutet, dass die Revalorisierung und diskursive Konstruktion des Andalusischen als adäquate und nicht zu diffamierende Sprachform in dieser Arbeit beschrieben wird, was per se impliziert, dass die Arbeit auch selbst zur Aufwertung beiträgt. Selbst wenn beispielsweise akademische Kurse über das Andalusische vordergründig nicht diffamierend
2.1 Positionierung der Arbeit
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zu sein scheinen, ist es – wie im Laufe dieser Arbeit zu zeigen sein wird – oftmals der Fall, dass bereits durch die Einordnung des Andalusischen (z.B. als hablas oder modalidades) Macht ausgeübt wird, da eine Einordnung nicht durch die Mehrzahl der SprecherInnen selbst, sondern über die Einordnung durch mächtige AkteurInnen (Universitäten, die RAE, JournalistInnen etc.) erfolgt. Somit wird Sprache in Andalusien oftmals zum Objekt, welches kategorisiert, beschrieben und qualitativ bewertet wird. Eine Grundthese dieser Arbeit ist aber, wie bereits in Kapitel 1 dargestellt wurde, dass DiskursträgerInnen in Spanien als Subjekte agieren, welche ihre Sprachform nicht nur im Sinne einer diatopischen Varietät nutzen, sondern diese auch diskursiv besprechen, wobei sie aufgewertet und dem normativen Diskurs entgegengesetzt wird. In diesem Sinne bin ich der Auffassung, dass sprachwissenschaftliche Forschung in diesem Bereich einer angemessenen Ausgewogenheit in Bezug darauf, was legitime Sprache und legitimes Sprechen in Andalusien ist und wie dies verhandelt wird, verpflichtet ist. Es ist zusätzlich von großer Bedeutung, dass die Soziolinguistik innerhalb der Varietätenlinguistik mit ihrer Hauptanalysekategorie der Merkmale selbst signifikant zur sprachideologischen Konzeptionalisierung der Existenz diskursiver Varietäten, die gewissermaßen nebeneinander als reifizierte diskursive Objekte «existieren», beiträgt. Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Vorannahmen bzw. Ideologien im Rahmen dieser Arbeit gehört es auch zu erwähnen, dass alleine bei der Annahme der Existenz von Varietäten und ihren konstituierenden Einheiten – den Merkmalen – der Fokus auf den sprachlichen Unterschieden und nicht auf den Gemeinsamkeiten der Varietäten liegt, sodass die Varietäten ihre Existenz erst durch die Merkmale als konstituierende Unterscheidungselemente erhalten. Ein Bewusstsein darüber ist umso wichtiger, wenn man die Bewertungstendenzen einer Varietät anhand «devianter» Merkmale beschreiben möchte. Diese müssen sich qua natura von einem Vergleichspunkt – hier dem Standardspanischen – unterscheiden, da die Varietät sonst nicht erkennbar wäre, und SprecherInnen sprachliche Merkmale zur Hervorherbung ihrer eigenen Identität nicht einsetzen könnten. Somit wäre die Beschreibung einer diatopischen oder diastratischen Varietät ohne Bezug zur Standardvarietät zwar denkbar, allerdings wäre jede Beschreibung per se auch eine homogenisierende, die wiederum selbst die diskursive Konstruktion einer Varietät zur Folge hätte, da es unmöglich ist, alle Variationsphänomene in ihrem Aufkommen zu beschreiben. Insofern muss in Bezug auf die Existenz von Variation auch immer die Existenz von Gemeinsamkeiten mitgedacht werden, da ohne diese gemeinsame Basis Variation konzeptionell nicht denkbar wäre.
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
Wenn also in dieser Arbeit kritisch mit Standardsprachideologie – standard language ideology (cf. Lippi-Green 1997, 64) – umgegangen wird, so geschieht das mit dem Wissen, dass eine Beschreibung des Andalusischen ohne Bezug zum Spanischen letztendlich auch ein Konstruktionsmoment innehätte, das das Andalusische als reifizierte diskursive Varietät konstruieren würde. Andererseits ist aber auch hinzuzufügen, dass struktureller Variation im Diskurs oftmals im Vergleich zur gemeinsamen strukturellen Basis überproportionale Beachtung sowohl auf der Forschungsebene als auch in weiteren Diskursen zukommt. Somit tragen sowohl SprecherInnen wie auch ForscherInnen zu dieser diskursiven Konstruktion bei, da Variation von ihnen als wichtige Ressource für soziale Abgrenzung bzw. zur Gruppenbildung verstanden und genutzt wird. Johnstone et al. (2006) zeigen in diesem Zusammenhang eindrucksvoll, wie bereits sehr geringe strukturelle Variation auf diskursiver Ebene zur Konstruktion einer «eigenen» Varietät beitragen kann. Die Standardvarietät wird, was die wissenschaftliche Betrachtung angeht, als nützliche sprachideologische Konzeptionalisierung und diskursive Konstruktion erachtet, weil die Frage nach dem Bezugspunkt sprachlicher Variation wegen des Fehlens einer alternativen sprachwissenschaftlichen Beschreibungs- und Abgrenzungsmöglichkeit ohne Rückgriff auf die Standardvarietät als Messpunkt der Variation (Variation wovon? Variation in welchem Rahmen?) weiterhin virulent ist und unbeantwortet bleibt. Somit sind vielmehr die diskursive Konstruktion von Varietäten und die dahinterstehenden interessensgeleiteten AkteurInnen von Bedeutung, um die sozialen Machtverhältnisse dahinter aufzudecken und zu problematisieren, weniger jedoch die Tatsache, dass Gesellschaften Sprachideologien aufweisen.
2.2 Sprachliches Material und Diskursbereiche Das sprachliche Material, das dieser Arbeit als Analysematerial dienen soll, besteht sowohl aus selbst generierten metasprachlichen Daten29 (Interviews mit LehrerInnen und SchülerInnen in Kapitel 7.3.1 und 7.3.2) als auch aus gesammelten metasprachlichen Daten, die für die in dieser Arbeit untersuchten Diskursstränge als wichtig erachtet werden. Hierbei handelt es sich um multimodales
29 An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass wegen des Konstruktionscharakters des selbst generierten metasprachlichen Materials dieses wiederum selbst ein Mittel zur Herstellung sozialer Wirklichkeit darstellt (Bendel Larcher 2015, 48; Schilling 2013, 134ss.). Daher sind diese Einheiten des sprachlichen Materials als Ergänzung zu den gesammelten Daten zu verstehen, damit auch expliziert werden kann, was SprecherInnen auf Nachfrage zum Andalusischen und dessen Bewertung sagen.
2.2 Sprachliches Material und Diskursbereiche
27
Material, welches vornehmlich aus Texten in Literatur, Videos, Interviews, Liedern und auf T-Shirts zusammengesetzt ist. Alle Einzeltexte – hier wird ein weites Textverständnis zugrunde gelegt, da auch mündliche Daten, Dialektaufschriften auf T-Shirts etc. als Text verstanden werden – thematisieren das Andalusische und dessen Stellung metapragmatisch in expliziter oder impliziter Weise und verknüpfen dabei sprachliche Merkmale mit Bewertungen. Ausgangspunkt ist hierbei die gesellschaftliche Debatte darum, was das Andalusische ist und wie es bewertet werden soll, sodass es darum geht, die für die existierende Diskussion typischen Texte zusammenzutragen (cf. Bendel Larcher 2015, 54). Im Zuge der empirischen Erarbeitung wird das sprachliche Material in Kapitel 7 zunächst kategorisiert und beschrieben. In einem zweiten Schritt soll das Material qua der in Kapitel 4 und 5 dargestellten Theorie eingeordnet und anhand des in Kapitel 6 entwickelten methodischen Rahmenmodells analysiert werden. Die in der Einleitung dargelegten Grundthesen werden an einem Kaleidoskop von metasprachlichem Material in Bezug auf das Andalusische bearbeitet, welches sich aus folgenden Feldern, die in ihrer Gesamtheit die Realität des Diskurses über das Andalusische exemplarisch nachzeichnen, zusammensetzt: a) T-Shirts, die das Andalusische durch Dialektaufschriften kommodifizieren und es selbst implizit oder explizit besprechen, sodass es zum Hauptfaktor für den Kauf des T-Shirts wird. Für diesen Bereich wurden auf einer Forschungsreise durch die größten Städte Andalusiens30 T-Shirts in Geschäften für TouristInnen fotografiert. Anhand dieses Materials können Rückschlüsse darauf gezogen werden, welche salienten Merkmale wie indexikalisch genutzt werden31 und welche charakterologischen Bilder gleichzeitig geschaffen werden. Darüber hinaus lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, welche Bewertung das Andalusische als Marke erfährt. b) Öffentliche Diskurse32 und Beiträge in sozialen Medien als Material zur Untersuchung der Konzeptionen zum Andalusischen im öffentlichen Raum. Öffentliche Diskurse sind für die vorliegende Arbeit wichtig, da anhand
30 Die Auswahl der Städte erfolgte anhand von Angaben aus Statistiken zum Tourismus und zu Zahlen von BesucherInnen der größten Städte. Informationen zur statistischen Aufbereitung der Daten zum Tourismus und zu den Besucherzahlen der Städte in Andalusien lassen sich auf der Internetpräsenz der Junta de Andalucía unter «Andalucía en cifras» (cf. Bibliographie) finden. 31 Im Kapitel 4.2 und 4.3 wird auch die Nicht-Nutzung von salienten Merkmalen als Konstruktionselement diskursiver Varietäten näher beschrieben. 32 Die zuvor erwähnten T-Shirts sind zwar in gewisser Weise auch ein spezieller Teil öffentlicher Diskurse, werden aber von dem Bereich der öffentlichen Diskurse abgegrenzt, da der Fokus in öffentlichen Diskursen nicht primär auf der Kommodifizierung und dem Verkauf der Varietät liegt. Die in dieser Studie untersuchten öffentlichen Diskurse sind in Bezug auf Sprache nicht
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
ihrer Untersuchung festgestellt werden kann, wie sich die Diskurse über das Andalusische ausgestalten und welche Diskurspositionen sozial verhandelt werden. Durch diese Analyse lassen sich also Ergebnisse über die diskursive Konstruktion des Andalusischen und die metapragmatischen Valorisierungsprozesse erzielen. c) Schuldiskurse, die anhand von Interviews elizitiert werden, und Material aus Schülbüchern, in welchem das Andalusische besprochen wird. Die Schule ist als Hauptträger von Bildungsinhalten im Kindes- und Jugendalter prägend, weshalb in dieser Arbeit auch Metadiskurse und Konzeptionen zum Andalusischen an Schulen analysiert werden sollen. Am Instituto de Educación Secundaria Ramón y Cajal in Tocina wurden die LehrerInnen der Fachschaft Lengua castellana y literatura33 zu ihrer Einordnung, Lehrbezügen und möglichem Korrektionsverhalten bezüglich des Andalusischen befragt. Darüber hinaus wurden drei Klassen (zwei achte und eine neunte Klasse) zu ihren Vorstellungen über das Andalusische, dessen Status in der Gesellschaft und dessen wichtigste Merkmale befragt. Außerdem werden Ausschnitte aus Schulbüchern des Faches Lengua castellana y literatura behandelt werden. d) (Semi-)Akademische Metadiskurse zum Andalusischen in Sprachgeschichten und Dialektdarstellungen. Hier handelt es sich um Diskurse, welche entweder das Andalusische als disparate Sprechweisen (hablas andaluzas), als diatopische Varietät mit Subeinheiten (el andaluz) oder aber als Sprache (la lengua andaluza) darstellen und konstruieren. Hierbei spielt die Beschreibungsebene eine wesentliche Rolle, denn die soziale Verhandlung der Diskurshoheit der legitimen Konzeptionalisierung und Kategorisierung des Andalusischen gibt Aufschluss über Revalorisierungstendenzen. Das Material kann folglich, wie oben bereits dargestellt, folgenden Diskursausschnitten zugeordnet werden, wobei die Reihenfolge keine hierarchische Abfolge darstellt und in der Analyse immer nur Teilausschnitte bearbeitet werden können:34
vornehmlich kommerzieller Natur, da der Verkauf des Andalusischen als diskursive Varietät als kommodifiziertes Gut nicht im Vordergrund steht. 33 Dieses Fach ist in etwa vergleichbar mit dem Fach Deutsch an deutschen Schulen. 34 Die jeweiligen Diskursbereiche und die ihnen zugrunde liegenden Diskursausschnitte werden in Kapitel 7 näher beschrieben. Die Genese der Kategorien durch die Analyse des metasprachlichen Materials, die Beschreibung der Diskursausschnitte und die Relevanz für den Gegenstand dieser Arbeit werden dort diskutiert.
2.2 Sprachliches Material und Diskursbereiche
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Tabelle 1: Auflistung der Diskursbereiche und -ausschnitte des metapragmatischen Materials der Studie. Diskursbereich
Diskursausschnitt
Beschreibung
a) Kommodifizierte Güter
a) T-Shirts mit dialektaler Aufschrift aus den größten Städten Andalusiens.
Kommentare zum Andalusischen und auf Andalusisch.
b) Öffentliche Diskurse und Social-MediaBeiträge
a) Reportage Canal Sur: Tesis: Diskurse über die salienten La identidad lingüística de Merkmale des Andalusischen Andalucía. und deren Verbreitung, Diskurse über die sprachliche Identität.
c) Diskurse an Schulen
b) Reportage Canal Sur: En defensa del andaluz: Orgullosos de nuestro acento.
Diskurse über die Stellung des Andalusischen, Diskurse über Sprachautorität.
c) Lied von FRAC.: Denominasión de orihen.
Diskurs zur Verteidigung des Andalusischen anhand des direkten Rekurrierens auf dessen saliente Merkmale.
d) Blogeintrag von Enrique Benítez: FAQ sobre ‹Er Prinzipito andalú›.
Aufgreifen von Diskursen zur andalusischen Übersetzung des Petit Prince von Antoine de Saint-Exupéry. Fragen nach der Legitimierung populärer diskursiver Konstruktionen des Andalusischen.
a) Gespräch mit LehrerInnen in der Fachkonferenz zu Lengua castellana y literatura.
Fragen nach der sprachlichen Korrektur der SchülerInnen im Unterricht; Fragen zur Art des Unterrichtens bezüglich des Andalusischen; Fragen zur Konzeptionalisierung des Andalusischen.
b) Interview mit einer 8. und 9. Klasse.
Fragen zur Bewertung des Andalusischen, zu dessen Merkmalen und wie deren Status von den SchülerInnen gesehen wird; Fragen nach der sprachlichen Korrektur der SchülerInnen im Unterricht.
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
Tabelle 1 (fortgesetzt ) Diskursbereich
d) (Semi-) Akademische Diskurse und Diskurse zur Institutionalisierung
Diskursausschnitt
Beschreibung
c) Ausschnitte aus Lehrwerken des Faches Lengua castellana y literatura.
Konzeptionalisierung des Andalusischen; Art der Bewusstmachung in Bezug auf das Andalusische.
a) Gutier, Tomás, En defensa de la lengua andaluza, 2010; wird in direkten Bezug gesetzt zu Narbona/ Cano/Morillo, El español hablado en Andalucía, 2011.
Neuausrichtung der Geschichtsschreibung zum Andalusischen und Proklamation des Andalusischen als eigenständige Sprache. Metadiskurse zum Andalusischen und konzeptionelle Einteilung des Andalusischen; Anfechtung populärer Sichtweisen zum Andalusischen.
b) Rodríguez Domínguez, Manuel, El andaluz, vanguardia del español, 2017.
Sprachideologische Neusetzung des Andalusischen als «Muttervarietät» des lateinamerikanischen Spanisch; Rechtfertigungsdiskurs zur sprachideologischen Neusetzung des Andalusischen als mündlicher Standard.
c) García Marcos, Francisco, Bases de planificación lingüística para Andalucía, 2008.
Erarbeitung von Handlungsvorschlägen zur institutionellen Implementierung des Andalusischen in Andalusien; diskursive Konstruktion des andaluz culto.
d) Ausschnitt aus den Vorschlägen zur andalusischen Orthographie der Zoziedá pal ehtudio ‘el andalú.
Erarbeitung einer eigenen andalusischen Orthographie, von Wörterbüchern und einer Grammatik; sprachideologische Setzung des Andalusischen als eigene romanische Sprache.
2.2 Sprachliches Material und Diskursbereiche
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Das zentrale Kriterium bei der Auswahl des Sprachmaterials ist, dass die Diskurse a) implizit oder explizit das Andalusische besprechen, in den Diskursen b) das Andalusische durch Devianz vom Standardspanischen mittels der devianten graphematischen Repräsentation andalusischer Merkmale konstruiert wird und die Diskurse c) Valorisierungsschemata aufweisen. Die oben dargestellte Bandbreite des empirischen Materials ist so angelegt, dass Aussagen über möglichst weite diskursive Bereiche, in denen die andalusische Gesellschaft ihre Sprache metapragmatisch bespricht, getätigt werden können. Sie stellen einen exemplarischen Querschnitt dieser Diskurse dar und verdeutlichen die steigende Relevanz der Revalorisierungsdiskurse in Andalusien. Eine tiefgehende Analyse dieser Diskursausschnitte impliziert, dass diese Arbeit grundlegend qualitativ ausgerichtet ist; eine quantitative Analyse in späteren Untersuchungen der Teilaspekte würde das Bild komplettieren und stellt einen Horizont für weitere Forschungsarbeiten zur weiteren Untermauerung, Ergänzung oder auch potentiellen Korrektur der zentralen Aussagen dar. Was die Datengrundlage der Untersuchungen diskurslinguistischer Arbeiten angeht, sprechen Spitzmüller/Warnke (2011) in Bezug auf die Gesamtheit des zu analysierenden sprachlichen Materials grundsätzlich von Korpus.35 Hierbei handelt es sich bei Spitzmüller/Warnke (2011) um eine Sammlung metasprachlichen Materials, welche folgende multiperspektivische Eigenschaften aufweist und im Folgenden auf das sprachliche Material dieser Studie angewendet wird, um die dieser Arbeit zugrunde liegende Sammlung des sprachlichen Materials explizierend zu charakterisieren: a) Die Datensammlung kann nicht eindeutig den methodologischen Ausrichtungen corpus-driven bzw. corpus-based, die grundsätzlich der Korpuslinguistik entnommen wurden, zugeordnet werden, da auf der Grundlage der vorhandenen Daten analysiert wird, aber gleichzeitig auch mit Grundhypothesen als Hintergrundfolie die Daten gesammelt wurden.36 Dabei kann das Sprachmaterial selbst nicht den Gesamtdiskurs abbilden, sondern es handelt sich hierbei um relevante Schlüsseltexte für die Betrachung der diskursiven Konstruktion und Revalorisierung des Andalusischen. Daher ist die Auswahl per se partiell und erfordert weitere Forschung zu diesem Thema.
35 In dieser Arbeit wird primär der Begriff Textsammlung bzw. sprachliches Material verwendet, damit die Sammlung des Materials nicht mit dem in der Korpuslinguistik verwendeten Terminus Korpus verwechselt wird, da dieser oftmals die computergestütze Sammlung von Sprach- bzw. Textdaten und die maschinelle Untersuchung dieser Daten impliziert (cf. Bubenhofer 2009). 36 Zu den Problemfeldern der Datensammlung und -generierung und zur Problematisierung des Gegensatzpaares corpus-driven – corpus-based und den damit verbundenen methodologischen Implikationen cf. Bubenhofer (2009; im Speziellen 2009, 100s.).
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
b) Die Datensammlung ist multimodal, was bedeutet, dass sie sowohl Schrift als auch die Implementierung von Schrift in ihren Kontext (also Typographie, Inszenierung der SprecherInnen, Layout eines sprachlichen Artefaktes) miteinbezieht. c) Sie weist sowohl schriftliche auch auch transkribierte mündliche Daten auf. d) Die Datensammlung ist durch das Zusammentragen vieler Diskursausschnitte empirisch.37 Zur temporalen Einordnung der Materialsammlung ist zu konstatieren, dass das Material in der Zeit von 2015 bis 2017 gesammelt wurde und hierzu eine Forschungsreise durch die größten Städte Andalusiens (in der besuchten Reihenfolge: Córdoba, Sevilla, Jeréz de la Frontera, Huelva, Cádiz, Marbella, Málaga, Granada und Jaén) durchgeführt wurde.
2.3 Diskurslinguistik, methodisches Vorgehen und Analyseschritte Es sind zunächst die Hauptfragen der Analyse darzustellen, da diese dann im Hinblick auf diskurslinguistische Methoden eingeordnet werden können. Um die gegenwärtigen re-enregisterment-Prozesse des Andalusischen als diskursive Varietät sowie deren diskursive Konstruktion im Kontinuum zwischen Umgangssprache, Dialekt oder eigenständiger Sprache und die damit einhergehende Valorisierung beschreiben zu können, ist die für diese Arbeit zusammengestellte Textsammlung im Hinblick auf folgende Hauptfragen zu untersuchen: 1. Um was für einen Diskursausschnitt handelt es sich und wie ist er zu charakterisieren? 2. Um was für eine Art sprachlicher Merkmale handelt es sich und welche Merkmale werden explizit und implizit metasprachlich benutzt? 3. Welche sozialen Gruppen werden mit den Merkmalen diskursiv verknüpft und welche Bewertung findet statt? 4. Welche Sprachideologien herrschen vor und um was für eine Art sprachideologischer Konstruktion handelt es sich? 5. Wie sind die re-enregisterment-Prozesse zusammenfassend zu deuten?
37 Es ist in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass das Material in dieser Studie qualitativ untersucht wird, da nur qualitative Feinuntersuchungen detaillierte Aussagen zu reenregisterment-Prozessen, zur indexikalischen Ordnung und den Bewertungs- und Konstruktionsprozessen des Andalusischen leisten können.
2.3 Diskurslinguistik, methodisches Vorgehen und Analyseschritte
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Zur Erarbeitung des methodischen Rahmenmodells werden die in Kapitel 4 und 5 dargestellte Theorie zur Anwendung der operationalisierbaren dreistuftigen Taxonomie der Indexikalitätsgrade und weitere Analysewerkzeuge der Diskurslinguistik herangezogen, um durch die Synthese in dem Rahmenmodell die oben dargestellten Fragen systematisch qualitativ beantworten zu können. Um eine Einordnung der re-enregisterment-Prozesse der jeweiligen Diskursbereiche durchführen und ihre Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, wird ein einheitliches methodisches Vorgehen in allen Diskursbereichen angewandt. Das methodische Rahmenmodell basiert auf der von Warnke/Spitzmüller (2008) und Spitzmüller/Warnke (2011) entworfenen Methodologie zur transtextuellen Diskurslinguistik38 und den auf das jeweilige Material anzuwendenden Analysekategorien, welche vornehmlich aus dem damit verbundenen Analyseschema DIMEAN («Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse») (Warnke/Spitzmüller 2008, 23ss.) stammen. Darüber hinaus werden Analysekategorien der linguistischen Diskursanalyse von Bendel Larcher (2015) und der Discourse Analysis von Wortham/Reyes (2015) einbezogen werden. Im Folgenden werden die methodischen Ansätze und Positionierungen innerhalb der Forschung kurz dargestellt, damit bereits ein methodischer Horizont bei der Erarbeitung der Theorie mitgedacht werden kann. Zunächst ist es bei der Erarbeitung des methodischen Vorgehens in diskurslinguistischen Arbeiten nötig, die Grundintention der Diskurslinguistik zu beachten, welche darin besteht, aufgrund spezifischer Texte zu rekonstruieren, welche Interpretationen und Konzeptionalisierungen in Bezug auf Sprache in der Gesellschaft vorherrschen bzw. welche Normen und Überzeugungen dahinterstehen. Bendel Larcher (2015, 11) fügt hinzu, dass «Diskursanalyse [versucht,] das kollektive Wissen einer Zeit zu erfassen und die damit verbundenen Ansprüche auf den Besitz der Wahrheit und die Durchsetzung der eigenen Interessen [zu analysieren]». Hieraus lässt sich ableiten, dass ein diskurslinguistischer Ansatz methodisch derart ausgerichtet sein muss, dass diese Grundintention mittels geeigneter Analysewerkzeuge bei der Analyse spezifischer Texte – als
38 Spitzmüller/Warnke (2011) diskutieren in ihrem Ansatz Stärken und Schwächen der jeweiligen Analysemethoden der interdisziplinären Diskurslinguistik. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Diskurslinguistik keine einheitliche Programmatik oder Methodologie anbietet, sondern aufgrund der Beschaffenheit ihrer Gegenstände sich selbst ständig neu hinterfragt bzw. hinterfragen muss und Methoden anderer Disziplinen miteinbeziehen muss. Somit ist die methodologische Konstante dieses Forschungsbereiches, dass er sehr heterogen ist und je nach Gegenstand neue Annäherungs- und Analysemöglichkeiten konzipiert werden müssen. Bendel Larcher (2015, 33ss.) beschreibt in geraffter Form die Hauptstränge und -vertreterInnen der Diskurslinguistik.
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
Teil von Diskursen – auch berücksichtigt wird. Der Grundintention, die für alle diskurslinguistischen Arbeiten in eine ähnliche Richtung geht, muss eine spezifisch auf den Gegenstand der jeweiligen Arbeit angepasste Methodik folgen, da Diskursanalysen sehr unterschiedliche Schwerpunktsetzungen aufweisen. In diesem Zusammenhang sollen auch nur die jeweils für das sprachliche Material dieser Arbeit nützlichen diskursanalytischen Methoden herangezogen werden. Diese werden im Folgenden vorgestellt, wobei auch zeitgleich die Hauptfragen des methodischen Rahmenmodells aufgegriffen werden. Eine detaillierte Darstellung des methodischen Rahmenmodells und der Quellen ist in Kapitel 6 zu finden. Zunächst wird konzeptionell wie bei Spitzmüller/Warnke (2011, 89) zwischen intratextueller und transtextueller Ebene unterschieden, um zuerst das Material selbst zu analysieren und dann seine Bedeutung im Diskurs zu untersuchen. Daher wird in einem ersten Schritt das sprachliche Material je nach Art und Erfordernissen intratextuell auf der Ebene des Einzeltextes in Bezug auf seine sprachlichen Auffälligkeiten (u.a. spezifische Syntax, Gebrauch von devianten Graphemen etc.) analysiert und das Material selbst kontextualisiert und beschrieben (Provenienz, Beschaffenheit, Besonderheiten) – hierunter sind die Hauptfragen 1 und 2 zu zählen. Die transtextuelle Ebene – in dieser Arbeit die entscheidende – ist diejenige des transtextuellen Diskurses, auf welcher dann die indexikalischen Ordnungen und re-enregisterment-Prozesse analysiert werden können. Spitzmüller/Warnke (2011, 89) definieren die transtextuelle Ebene wie folgt: «Wenn wir von ‹transtextueller Ebene› sprechen [. . .], dann verstehen wir darunter eine komplexe Struktur der Sprache und ihrer Funktionalität jenseits der Textgrenze [. . .]. Eine transtextuelle Analyse ist dann transtextuell, wenn sie nicht nur einzelne bzw. vereinzelte Texte untersucht – was auch eine traditionelle Aufgabe der Rhetorik und Stilistik oder Textlinguistik sein könnte –, sondern wenn sie eine Mehrzahl, besser: Vielzahl von Texten bzw. Aussagen in verschiedenen Texten, verschiedenen Medien, von verschiedenen Akteuren usw. analysiert, und zwar eine Vielzahl, die strukturelle Übereinstimmungen und Handlungsbezüge aufweist» (Spitzmüller/Warnke 2011, 187s.).
Die transtextuelle Ebene ist demnach diejenige, auf welcher mittels der Analyse möglichst vieler polymedialer «Schlüsseltexte» erzeugt von verschiedenen AkteurInnen strukturelle Übereinstimmungen und Handlungsbezüge nachgewiesen werden können, was auch in dieser Arbeit geschieht. Diese Punkte sind den Hauptfragen 3 bis 5 zuzuordnen. Die transtextuelle Ebene ist konzeptionell von zentraler Bedeutung, da das sprachliche Material und die darin enthaltenen Diskurse die Ebene des Einzeltextes per se überschreiten, da sie jeweils auf vorherige Diskurse aufbauen, sich auf sie beziehen und sie aufgreifen, aber in Einzeltexten aktualisiert und verändert werden sowie lokalisierbar sind. Konkret
2.3 Diskurslinguistik, methodisches Vorgehen und Analyseschritte
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bedeutet dies für diese Arbeit, dass thematisch zusammenhängende Einzeltexte – hier Diskursausschnitte – einem gesellschaftlichen Diskursbereich zugeordnet werden, sodass das sprachliche Material selbst im Hinblick auf Transtextualität zusammengetragen und geordnet wurde. Eine Trennung der intratextuellen und transtextuellen Ebene ist nur in Bezug auf das methodische Vorgehen nötig (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 89), da es nicht notwendig ist, die Einzeltexte (Diskursausschnitte) selbst phänomenologisch in all ihren Facetten zu analysieren, sondern das für den übergeordneten Diskurs Spezifische und Besondere herauszuarbeiten. Bendel Larcher (2015, 59) formuliert in Ergänzung zu Spitzmüller/Warnke (2011), die hauptsächlich die Ebenen der Intra- und Transtextualität sowie der AkteurInnen als TradiererInnen der Diskurse in den Blick nehmen, die Bedeutung der Untersuchung der Diskurspositionen der AkteurInnen im Diskurs selbst sehr pointiert: «Am Beginn der Diskursanalyse steht die minutiöse Untersuchung ausgewählter Texte. Viele Diskurslinguisten schlagen im Dienste eines einfachen, systematischen Vorgehens vor, bei der Analyse vom Kleinen zum Großen fortzuschreiten, also zuerst die Lexik und Mehrworteinheiten wie Phraseologismen, dann die Syntax bzw. einzelne Propositionen und zuletzt die Gesamtstruktur der fraglichen Texte zu untersuchen [. . .]. Andere gehen den umgekehrten Weg von der Makrostruktur des Textes zur Mikrostruktur [. . .]. Wir verfolgen in diesem Buch einen anderen Ansatz, um deutlich zu machen, dass Diskursanalyse keine grammatische oder textlinguistische Fingerübung darstellt. Ziel ist nicht, Aussagen über die Beschaffenheit des Textes zu machen. Die Leitfragen einer diskurslinguistischen Textanalyse lauten vielmehr: Welches Bild der Wirklichkeit versucht dieser Text zu vermitteln? Wovon will er die Lesenden überzeugen? Wozu will er sie veranlassen? Die Analyse der sprachlichen Mittel ist kein Selbstzweck, sondern dient der Beantwortung dieser Fragen. Die folgende methodische Darstellung der Textanalyse orientiert sich daher an Diskurspositionen: Wer (Perspektivierung) spricht mit wem (Nomination & Prädikation) über was (Themenstrukturanalyse)? Wie werden die Dinge dargestellt (Modalität), bewertet, (Evaluation) und begründet (Argumentation)?»
Das Herausarbeiten der von Bendel Larcher (2015, 59) benannten Diskurspositionen wird daher auch in diese Arbeit in die Hauptfragen 3 bis 5 implementiert, da das Eingehen auf die Diskurspositionen bei der Analyse der indexikalischen Ordnungen und der Revalorisierung der diskursiven Varietät wichtige Erkenntnisse für die Bewertungs- und Konstruktionsprozesse des Andalusischen liefert. Folglich lassen sich die Hauptfragen dieser Arbeit, die am Anfang dieses Unterkapitels dargestellt wurden, nur mithilfe einer eigens auf den Gegenstand dieser Arbeit angepassten Synthese adäquat beantworten, da einerseits die Diskursausschnitte selbst auf intratextueller Ebene beschrieben, eingeordnet und im Hinblick auf die jeweils dort zu findenden sprachlichen Merkmale des Andalusischen hin analysiert werden müssen. Andererseits ist die transtextuelle Beschaffenheit der Diskurse und ihr Bezug zu den sie disseminierenden Akteu-
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2 Positionierung der Studie in der Forschung
rInnen von zentraler Bedeutung, um eine adäquate Untersuchung der indexikalischen Ordnung und der re-enregisterment-Prozesse leisten zu können. Dies ist der Fall, da re-enregisterment-Prozesse eine Veränderung des Diskurses über einen Gegenstand und der Valorisierung einer diskursiven Varietät implizieren. Deshalb werden die von Bendel Larcher (2015, 35) dargestellten Diskurspositionen – Perspektivierung, Nomination, Prädikation, Themenstrukturanalyse, Modalität, Evaluation und Argumentation – bei den konkreten Ausgestaltungen des Diskurses und der diskursiven Konstruktionen auf transtextueller Ebene in den Hauptfragen 3 bis 5 behandelt. Folglich sind die transtextuelle Ebene und die sich in den Diskursen materialisierenden Diskurspositionen konzeptionell für die Erstellung eines methodischen Rahmenmodells für diese Arbeit unerlässlich, da die geordnete Indexikalität der andalusischen Merkmale nach Silverstein (2003) und die re-enregisterment-Prozesse des Andalusischen als diskursive Varietät sowie die sprachideologische Positionierung der DiskursträgerInnen und die damit verbundene Revalorisierung auf transtextueller Ebene durch das Heranziehen der Diskurspositionen herausgearbeitet werden können. Es wird also ersichtlich, dass die Ansätze der indexikalischen Ordnung und des enregisterment sowohl eine Theorie, wie sie in Kapitel 4 und 5 ausführlich dargestellt wird, als auch ein methodisches Vorgehen implizieren: Sie fungieren einerseits als Theoreme, andererseits als Elemente einer Methode – sowohl Silverstein (2003) als auch Agha (2007) wenden die Theoreme als Untersuchungskategorien auf konkrete Gegenstände an –, die durch die methodischen Ansätze der Diskurslinguistik ergänzt wird. Bedingt durch die Heterogenität der Diskursausschnitte liegt je nach konkreter Beschaffenheit des jeweiligen Diskursausschnitts der Fokus stärker auf einigen Diskurspositionen als auf anderen, sodass flexibel auf das Material selbst reagiert werden muss. Darüber hinaus ermöglicht die Analyse der Diskurspositionen auf transtextueller Ebene einen Fokus auf die indexikalischen Ordnungen, aber auch auf Sprachideologien, die involvierten AkteurInnen und intendierte Rezipienten, auf allgemeine politische Debatten oder auf spezifische Sozialsymboliken (z.B. charakterologische Eigenschaften der SprecherInnen) (Warnke/Spitzmüller 2008, 44). Es kann also folgerichtig konstatiert werden, dass die Analyse von enregisterment-Prozessen und indexikalischen Ordnungen zwangsläufig intertextuell ist, da diese sich immer auf bereits existierende Bewertungsschemata gründen, welche auf transtextueller Ebene als Muster erkennbar werden. Die Methoden der Diskurslinguistik stellen einen nützlichen Rahmen für diese Arbeit dar, allerdings unterscheidet sich diese Arbeit von ihnen deutlich, da hier vor allem die sprachlichen Merkmale in ihrer Funktion als Indices und die daraus resultierenden re-enregisterment-Prozesse im Zentrum stehen. Wie ersichtlich wurde, beziehen sich die zuvor beschriebenen Herangehensweisen
2.3 Diskurslinguistik, methodisches Vorgehen und Analyseschritte
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diskurslinguistischer Arbeiten nicht fokussierend auf den dieser Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Rahmen der geordneten Indexikalität und des enregisterment, sondern sie beziehen sich oftmals implizit auf diese Theoreme oder schlagen sie als einen Teil des Werkzeugkoffers diskurslinguistischer Arbeiten (cf. Spitzmüller/Warnke 2011) vor. Wortham/Reyes (2015) haben in diesem Zusammenhang einen methodischen Ansatz gewählt, der genau auf die Zentralität der geordneten Indexikalität und des enregisterment eingeht. Das Hauptaugenmerk ihrer Analyse liegt bei der Untersuchung von Kontexten jenseits einzelner Okkurrenzen von Diskursfragmenten, was sie damit begründen, dass «[. . .] presupposing models of identity and social life [. . .] are necessary to interpret the significance of indexical signs and determine the type of social action occurring» (Wortham/Reyes 2015, 16). In ihrer Analyse beschreiben sie die Entstehung und diskursive Festigung indexikalischer Bezüge durch rekurrierende Bewertungssituationen, sodass sich soziale Regularitäten herausbilden. Dieser Prozess ist für die vorliegende Arbeit von besonderem Interesse, da es sich bei Revalorisierungsprozessen um die Herausbildung einer neuen sozialen Regularität in Bezug auf die Bewertung des Andalusischen handelt. Die genaue Vorgehensweise der Untersuchung, die also auch Teile der Methodik von Wortham/Reyes (2015) aufnimmt, wird in Kapitel 6 dargestellt werden. Zuletzt soll an dieser Stelle deutlich betont werden, dass diskurslinguistische Ansätze die (angenommenen) Intentionen der TextproduzentInnen nicht in den Blick nehmen. Dies ist der Fall, da nicht die Intention der AkteurInnen im Fokus steht, sondern das Gesagte und die sich daraus ergebenden diskursiven Konstruktionen (Spitzmüller/Warnke 2011, 51). Daher wird bei der Analyse von Diskursen vom Gesagten ausgegangen, aber nicht auf das vermeintlich Gemeinte geschlossen, sodass die durch das Gesagte entstehenden diskursiven Reifikationen – die diskursive Varietät – und die damit einhergehenden Revalorisierungsprozesse analysiert werden, nicht aber, was dabei die tatsächliche Intention der AkteurInnen war. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Leitfragen dieser Arbeit durch Analysewerkzeuge auf intra- und transtextueller sowie akteursbezogener Ebene ergänzt werden, um eine multimodale Untersuchung zu gewährleisten und diese gegenstandsgerecht ausführen zu können. Das folgende Kapitel widmet sich zunächst der Darstellung der wichtigsten Merkmale des Andalusischen, um zu verdeutlichen, wie in der Forschung Variation in Bezug auf das Andalusische beschrieben wird und welche Merkmale dem Andalusischen typischerweise in der Dialektologie bzw. Soziolinguistik zugeschrieben werden. Vor dem Hintergrund dieses Wissens wird es dann möglich herauszustellen, inwiefern die im Diskurs aufgegriffene sprachliche Variation die tatsächliche widerspiegelt.
3 Das Andalusische als strukturelle Varietät: diatopische und diastratische Einteilung einiger charakteristischer Merkmale Um die Revalorisierungsprozesse des Andalusischen analysieren zu können, ist es nötig, die Grundeinheiten der Revalorisierung zu identifizieren. Indexikalität spielt hier die zentrale Rolle, da mittels geordneter Indexikalität die diskursive Konstruktion sowie die Revalorisierung des Andalusischen vollzogen werden Die zuvor angesprochenen Grundeinheiten, welche als Indices zur sozialen Nutzung fungieren, sind die strukturellen phonetischen, prosodischen oder auch morphosyntaktischen Merkmale, die das sprachliche Material zur Abgrenzung innerhalb von sprachlichen Kontinua bilden. Dieses Kapitel soll dazu dienen, die wichtigsten in den metapragmatischen Diskursen zu findenden Merkmale diatopisch und diastratisch unter Bezugnahme auf vorhandene Forschung einzuordnen. Dies ist an dieser Stelle wichtig, da in den darauf folgenden Kapiteln analysiert werden soll, wie diese Grundeinheiten sprachlicher Variation metapragmatisch aufgelanden und dadurch zu Indices werden. Das Kapitel hat somit den Anspruch einer kurzen allgemeinen Einteilung zum besseren Verständnis der Einordnung der Merkmale, jedoch nicht denjenigen der Exhaustivität. Das Andalusische ist eine der diatopischen Varietäten des Spanischen, deren Varianzphänomene bereits sehr gut beschrieben wurden (cf. u.a. Narbona39 2009a, grob zusammenfassend auch Narbona 2019; Narbona et al. 2011; Jiménez Fernández 2014; Carbonero 2003a; Villena-Ponsoda 2014; für eine Zusammenfassung der Forschung zu den Merkmalen cf. Harjus 2018).40 Bei der Lektüre der Vielzahl an Forschungsarbeiten zum Andalusischen zeigt sich, dass das Andalusische in keinem Werk als explizit eigenständig beschrieben wird, sondern dass 39 Im Folgenden wird aufgrund der hohen Zahl der Verweise bei den Werken von Narbona Jiménez/Narbona Jiménez et al. bei Literaturweisen und Zitationen nur der erste Nachname verwendet. 40 Es gibt eine Vielzahl an Forschung zum Andalusischen und die hier angegebenen Werke sind diejenigen, die für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung sind. Eine ausführliche Bibliographie zu verschiedenen Themenbereichen des Andalusischen ist bei Villena (1999) zu finden. Darüber hinaus ist noch der für die diatopische Beschreibung des Andalusischen von 1961 bis 1973 veröffentlichte Atlas lingüístico y etnográfico de Andalucía von großer Wichtigkeit, welcher in sechs Bänden unter der Herausgeberschaft von Manuel Alvar entstand. Eine erschöpfende Lektüre der Literatur zum Andalusischen ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich und nicht sinnvoll, da sich die große Mehrzahl der Titel auf diatopische und soziolinguistische Beschreibungen bezieht, welche hier aber nur am Rande diskutiert und herangezogen werden sollen, da sich die Arbeit nicht auf die strukturelle Varietät fokussiert. https://doi.org/10.1515/9783110659771-003
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
immer in Anlehnung an das Standardspanische «Abweichungsphänomene» dargestellt werden.41 Die Bezeichungen dieser Phänomene gehen bereits von einer Abweichung aus, wie es z.B. bei dem sehr häufig beschriebenen seseo der Fall ist. Als seseo ist die Realisierung von /θ/ als [s] zu verstehen, wodurch der Phonemunterschied bei Minimalpaaren zwischen /s/ und /θ/ entfällt und diese zu einem Phonem /s/ zusammenfallen, wie z.B. bei casa [‘kasa] und caza [‘kasa] (Morillo-Velarde Pérez 2009, 165ss.). Es ist zunächst festzustellen, dass die Benennung dieses Phänomens nicht neutral ist, da diese die Variante nicht im System des Andalusischen verortet, sondern der Fokus primär auf der Devianz zum Standard liegt.42 In den allgemeinen Beschreibungen des Andalusischen werden überwiegend die soziolinguistischen Variablen erwähnt und die in Andalusien vorherrschenden Varianten beschrieben. In der Literatur lassen sich in der Regel die folgenden Variablen und die Beschreibung bzw. Analyse der folgenden Variablen ausgehend vom Standard finden (cf. Jiménez Fernández 2014, 7s.): a) Die Qualität von /a/ in , und , b) die phonologische Opposition durch Vokalqualität und die Behauchung bzw. Elision von implosivem /s/ und die Elision weiterer Konsonanten, c) der seseo und ceceo, d) die Behauchung des initialen lateinischen /f/, e) die Behauchung von /x/, f) der yeísmo, g) die Alternanz bzw. Apokope von /r/ und /l/, h) die Deaffrizierung von /tʃ/.43 Die hier genannten Merkmale sind darüber hinaus diejenigen, die – wie in Kapitel 5 näher zu sehen sein wird – hauptsächlich für die metasprachliche Thematisierung herangezogen werden. Das Andalusische als diatopische Varietät wird klassischerweise hauptsächlich als «modalidad fonética» beschrieben, wobei Jiménez Fernández (2014, 16) den Umstand unterstreicht, dass die «tendencia progresista de su fonética [. . .] ha llamado desde siempre la atención de los estu-
41 Mondéjar (1991) stellt hier eine Ausnahme dar, wie in Kapitel 3.2 ersichtlich wird. Allerdings handelt es sich im Großen und Ganzen dennoch um eine Abgrenzung des Andalusischen zum Normspanischen, welches als Vergleichspunkt dient. 42 Auf diesen Umstand weist auch bereits Lara (2004, 131) hin. Eine Diskussion zur diskursiven Setzung der Merkmale als Abweichungsphänomene unter Bezugnahme auf das Andalusische ist zudem bei Harjus (2018) zu finden. 43 Zur diachronen, diastratischen und diatopischen Einordnung der hier genannten phonetischen Merkmale sowie zu einigen anderen – auch einigen sogenannten «vulgarismos» – bietet Harjus (2018, 115ss.) eine umfassende Zusammenfassung des gegenwärtigen Forschungsstandes.
3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
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diosos».44 Dementsprechend werden in den Beschreibungen in der Regel phonetische Variablen besprochen, deren Varianten auf Sprachkarten eingezeichnet werden.45 Hierbei stellt Jiménez Fernández (2014, 16) treffenderweise fest, dass: «[. . .] su frontera [la frontera andaluza] lingüística no coincide con la actual delimitación político-administrativa de Andalucía. Piénsese que si al sur la delimitación dialectal parece quedar marcada geográficamente por el mar, no sucede lo mismo con el norte, donde existe un [sic!] extensa zona de transmisión con las hablas extremeñas, manchegas y murcianas. Si a todo ello añadimos la falta de uniformidad interna de cuantos fenómenos lingüísticos se dan aquí, obtendremos un rico mosaico de rasgos que se entrecruzan y dispersan no solo espacialmente, sino también distráticamente».
44 Die hier angegebenen Varianten lassen sich u.a. auch bei Modéjar (1991), Narbona et al. (2003), Zamora Vicente (1967) und Villena-Ponsoda (2000) als explizit besprochene und beschriebene ‹typische› Varianten finden. Bei Narbona et al. (2011, 22ss.) finden sich allerdings noch die verschiedenen Artikulationsarten von /s/ (apikoalveolar und dorsoalveolar) und der Ausfall von intervokalischem /d/, was allerdings ein Phänomen ist, welches für das gesamte kastilischsprachige Gebiet Spaniens zutrifft. Die Realisierungsvarianten von /s/ sollen hier nicht weiter diskutiert werden, weil sie in der metasprachlichen Diskussion sehr selten vorkommen, wie in Kapitel 5 zu sehen ist. Es soll noch deutlich erwähnt werden, dass die tatsächliche Varianz in diaphasischer (cf. u.a. Alvar 1961–1973 bzw. Modéjar 1992) und diastratischer Hinsicht (cf. u.a. Carbonero 2003a) sehr viel größer ist als in diesem kurzen Kapitel über die Hauptmerkmale des Andalusischen überhaupt beschrieben werden kann. Darüber hinaus ist die Darstellung der Varianten verkürzt und synthetisiert. Der tatsächlichen Variation kann in dieser Arbeit keine Rechnung getragen werden, da diese sich durch starke Vielfalt auszeichnet. Die hier aufgeführten Variablen sind diejenigen, welche in jeder Beschreibung diskutiert werden und welche für diese Arbeit von zentraler Bedeutung sind, da in der diskursiven Konstruktion des Andalusischen die Variablen und idealisierte bzw. prototypisierte Varianten genutzt werden, welche nicht der tatsächlichen Realisierung entsprechen (müssen). 45 In der traditionellen Beschreibung des Andalusischen nehmen die Darstellungen zu den phonetischen Variablen einen großen Raum ein. Darstellungen zur Morphosyntax oder zur Lexik sind im Vergleich sehr gering. Dennoch ist die Klassifikation als phonetische Modalität irreführend, da diese suggeriert, es handele sich eben per se ausschließlich um Varianzphänomene auf lautlicher Ebene. Jiménez Fernández scheint diese Klassifikation zu wählen, weil die lautliche Ebene als emblematisch für eine Varietät gesehen wird. Nichtsdestoweniger gibt es Darstellungen vor allem im Bereich der Lexik in Form von Dialektwörterbüchern, welche eben auch eine eigenständige Lexik darstellen; hier sind vor allem Alcalá Vanceslada (1934), Álvarez Curiel (2004), Hidalgo Paniagua (2007/2009) und García Surallés/Moreno Verdulla (2012) zu erwähnen. Darüber hinaus wird von der Universidad de Sevilla unter wechselnder Herausgeberschaft seit 1981 die Reihe Sociolingüística Andaluza herausgegeben, von welcher bis 2016 bereits 16 Titel z.B. zu Themen der Morphologie, Syntax und Prosodie erschienen sind, wobei der Fokus auf der Analyse der gesprochenen Sprache liegt. Hierdurch wird ersichtlich, dass es sich nur auf den ersten Blick um eine vornehmlich phonetische Varietät handelt. Dennoch scheint die lautliche Ebene zunächst diejenige zu sein, welche das Andalusische am stärksten als distinktiv erscheinen lässt (cf. Modéjar 1992, 504).
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Um die groben Charakteristika aufzuzeigen, werden trotz der zuvor dargestellten Disparität zwischen Sprachgrenze und administrativer Grenze dennoch oftmals Karten Andalusiens herangezogen, um die sprachliche Realität auf diese zu projizieren. Ein weiterer Widerspruch, der sich bei vielen Beschreibungen der strukturellen Varietät finden lässt, ist die «fehlende Einheitlichkeit» des Andalusischen.46 Das Oxymoron besteht in der Konzeptionalisierung, welche einerseits das Andalusische als zu disparat beschreibt, als dass es eine eigene Einheit bilden könnte. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass das Andalusische als solches nicht existiere und es sich um disparate Varianzphänomene des Spanischen handele, was eine Beschreibung des Andalusischen überflüssig machen würde. Auf der anderen Seite wird aber immer wieder die politische Karte Andalusiens und eben nicht diejenige Spaniens herangezogen, um die Varianzphänomene darzustellen, was suggeriert, dass es doch Merkmale zu geben scheint, welche das Andalusische – was im Übrigen z.B. auch der Titel El andaluz von Jiménez Fernández‘ (2014) Werk impliziert – als eine Einheit charakterisieren.47 Dies zeigt eindeutig, dass auch die Untersuchung und Darstellung sprachstruktureller Phänomene sprachideologisch eingebettet ist, da, wie Blommaert/Verschueren (2012) sehr treffend darstellen, die wissenschaftliche Betrachtungsebene keineswegs objektiv ist, sondern auch durch ihre Annahmen, Theorien und Methoden ihre Gegenstände erst erzeugt, was hier im Falle des Andalusischen und der Nennung des Untersuchungsobjekts auch der Fall ist, indem durch die Konzeptionalisierung des Andalusischen dieses selbst aus dem Kontinuum sprachlicher Variation heraus konstruiert wird.48 Insofern werden eben auch Grenzen zwischen einer Sprache und ihren
46 Dies wird im Kapitel 5.2 zum Spannungsfeld zwischen der Konzeptionalisierung im akademischen Feld und derjenigen von Laien noch näher beschrieben. 47 An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass es sich sowohl bei der Beschreibung der Devianzphänomene als auch bei ihrer Benennung um soziale, diskursive Akte handelt, die ideologisch in den Diskurs einer Standardsprache mit ihren Ausprägungen eingebettet ist. Diese ideologische Einbettung bzw. Rahmensetzung schafft eben selbst soziale Realitäten; somit ist sie eindeutig performativ, obwohl sie den Anschein einer objektiven Beschreibung vermittelt (cf. Eagleton 1991). 48 Blommaert/Verschueren (2012, 263ss.) führen hierfür u.a. an, dass die okzidentale Idee des Zusammenhanges eines Volkes und einer Sprache Einflüsse auf die Untersuchungsebene hat. Dies ist der Fall, da oftmals sprachideologisch eine distinktive Gesellschaft nur als «genuin» differentiell angesehen wird, sofern diese eine Form des Sprechens hat, was auch für Andalusien zu beobachten ist. Dies geschieht, wie bereits zuvor erwähnt, in Bezugnahme auf die offiziell bilingualen Comunidades Autónomas, wobei im öffentlichen Diskurs ihre Andersartigkeit vom kastilischsprachigen Raum Spaniens stark durch Referenz auf die eigene Sprache herausgestellt wird. Das hat zur Folge, dass die eigene Sprache zum Hauptdifferenzierungsinstrument wird. In Andalusien werden durch die mediale Öffentlichkeit und stärkere Mobilität
3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
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respektiven diatopischen Varietäten sozial konstruiert. Irvine/Gal (1995, 970) weisen diesbezüglich im Besonderen darauf hin, dass es sich hierbei um einen ideologischen Prozess handelt, wobei die gesellschaftlichen Konzeptionen und Ideen über Sprache auf das Kontinuum sprachlicher Variation sowohl durch SprecherInnen als auch durch ForscherInnen angewandt werden. Daher ist die Beschreibung der strukturellen Varietät Andalusisch als von SprecherInnen produzierte sprachliche Entität oftmals zwar als Gegenstand in den Beschreibungen angesetzt,49 aber eine diskursive Einteilung erfolgt durch die Benennung und Konzeptionalisierung als «das Andalusische» dennoch. An dieser Stelle ist jedoch zentral, dass zunächst eine Darstellung der traditionell gemachten Aussagen bezüglich der oftmals angegebenen Variablen und deren Varianten im Andalusischen erfolgen muss, denn es lässt sich bereits sagen, dass die Diskurse über das Andalusische, welche in Kapitel 5 analysiert werden, in ihrer großen Mehrzahl in Bezugnahme auf die lautliche Ebene das Andalusische als diskursive Varietät konstruieren und auf diese rekurrieren. In nur wenigen Fällen wird die Lexik – und noch seltener die Syntax – als Pool für saliente Einheiten genutzt, um über das Andalusische zu reden und sich darauf zu beziehen. Folglich sollen in diesem Kapitel die am häufigsten dargestellten Variablen und deren skizzierte Verteilung auf Karten kurz angegeben werden, wobei die Karten und Beschreibungen aus Jiménez Fernández (2014) entnommen werden.50 In diesem Kapitel erfolgt keine Darstellung der gesamten strukturellen Varietät – was ohnehin unmöglich wäre – oder eine Gegenüberstellung von diatopikbezogenen Forschungsbeiträgen, sondern ausschließlich eine Darstellung und Einordnung der diatopischen bzw. diastratischen Merkmale, welche von zentraler Bedeutung für die Konstruktion der diskursiven Varietät sind.51
diese Strömungen auch rezipiert und die eigene Distinktivität verstärkt durch die Abgrenzung der eigenen Sprechweise von derjenigen anderer SprecherInnen des Spanischen signalisiert, was offenbar auch essentiell für die Abgrenzung zum Rest Spaniens als distinktive andalusische Kultur ist. 49 Auffällig hier ist beispielsweise der Band von Narbona et al. (2011), welcher den Titel El español hablado en Andalucía trägt. Obwohl der Titel die Untersuchung der tatsächlich gesprochenen Sprache suggeriert, werden vornehmlich der Status, die Kategorisierung, die Geschichte des Andalusischen und die Annahmen über das Andalusische behandelt. 50 Dieses Werk in seiner neuen Ausgabe von 2014 eignet sich für die Zwecke dieser Arbeit besonders, da es in geraffter Form das, was in diatopikbezogenen Studien als charakteristisch für das Andalusische angegeben wird, darstellt. 51 Bei der Beschreibung der Phänomene ist die Multidimensionalität, welche den Entwicklungstendenzen des Andalusischen unterliegt, zu erwähnen, denn die im Folgenden dargestellten Entwicklungen der einzelnen Varianzphänomene bedingen oftmals einander (so bedingt die Behauchung bzw. der Wegfall von implosivem /s/ meist eine Veränderung der
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Jiménez Fernández (2014, 18) teilt zunächst Andalusien unter Bezugnahme phonetischer Kriterien in zwei grobe Dialektgebiete ein: Andalucía oriental und Andalucía occidental. Villena-Ponsoda (2000, 111) gibt an, dass es sich hierbei grundsätzlich um zwei subdialektale Zonen handelt, in denen jeweils große isoglossische Übereinstimmungen zu finden sind.52 Die Unterscheidung zweier großer Subdialektzonen wird im Laufe der Arbeit bei der Analyse noch eine weitere Rolle spielen, da zu sehen sein wird, welche Rolle sie bei der Konstruktion des Andalusischen spielen und auf welche dieser Varianten zurückgegriffen wird. Es ist jedoch zu konstatieren, dass in der neueren soziolinguistischen Forschung zum Andalusischen davon ausgegangen wird, dass in Westandalusien ein Regionalstandard mit der Aufwertung bestimmter stigmatisierter Variablen entstehe, während in Ostandalusien dagegen der Prozess der Dialektnivellierung (dialect levelling)53 zu beobachten sei (cf. u.a. Carbonero 2003a; Villena-Ponsoda 2008a; Villena-Ponsoda 2008b; Hernández-Campoy/Villena-Ponsoda 2009; VillenaPonsoda/Ávila-Muñoz 2014). Darüber hinaus können in Rekurrenz auf Milroy (1992) die SprecherInnen des Andalusischen als Sprachgemeinschaften mit divergentem Dialekt (divergent-dialect speech communities) bezeichnet werden, da die
Vokalqualität des vorangehenden Vokals, was eine Phonologisierung bedingen kann). Dieser Komplexität kann in der für diese Darstellung gewählten Form von Kurzausführungen zu den «typischen» Charakteristika des Andalusischen nicht Rechnung getragen werden. 52 Die Einteilung in diese zwei großen subdialektalen Zonen lässt sich u.a. auch bei Mondéjar (1992, 511ss.). und bei Zamora Vicente (1967, 289ss.) finden. Wie auch Villena-Ponsoda (2000) und Jiménez Fernández (2014) teilen sie das Gebiet Andalusiens vornehmlich anhand der Variation von phonologischen Variablen und deren in den beiden Gebieten jeweils spezifischen Varianten ein. Dabei wird deutlich, dass die Grenze je nach Phänomen nicht immer genau gleich verläuft, aber die Einteilung in Großgebiete dennoch gemacht werden kann, da ein klarer Unterschied zwischen den beiden Subdialektzonen konstatiert werden kann, in denen die wichtigsten Städte in Andalucía occidental – Sevilla, Huelva, Cádiz und Málaga – denen in Andalucía oriental – Córdoba, Jaén, Granada und Almería – gegenüberstehen. Selbst wenn dieser Umstand für die meisten Phänomene gilt, so gibt es auch Merkmale, die beispielsweise eine Nord-Süd-Aufteilung aufweisen (Moya Corral, 229ss.). Hier ist vor allem die Behauchung von [x] > [h] zu nennen. Narbona et al. (2011, 188ss.) geben zwar an, dass eine grobe Einteilung in diese beiden Dialekträume sinnvoll sei, allerdings merken sie an, dass mikrodialektologisch gesehen eine zu große Vielfalt herrsche (auf S. 188 geben sie elf Kombinationsmöglichkeiten von verschiedenen Vokalqualitäten, Artikulationen oder Auslassung von /s/ und metaphonische Prozesse an), als dass man von einem homogenen Raum sprechen könne. Sie argumentieren folglich, dass es auf die Betrachungsebene – eine Makro- und eine Mikroanalyse – ankäme. 53 Bei diesem Phänomen handelt es sich um Prozesse, bei welchen hauptsächlich saliente und stigmatisierte Merkmale durch prestigeträchtigere Merkmale, die in der Regel standardnah sind, ersetzt werden, ohne dabei andere grundlegende Dialektmerkmale aufzugeben, was zu einer Konvergenz mit der Prestigevarietät führt (cf. Kerswill/Trudgill 2005, 197ss.).
3.1 Die Qualität von /a/ in , und
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Varietät von anderen stark divergiert, sie selbst aber wiederum starke interne Variation aufweist.54 Laut Villena-Ponsoda (2008a, 371ss.) ist Westandalusien als Gebiet mit vielen sprachlichen Innovationen zu charakterisieren, wohingegen Ostandalusien eher konservativere Entwicklungen aufweist und dadurch strukturell eine stärkere Nähe zu der Standardsprache aufweist, wobei eine stärkere Konvergenz mit dem Standard zu konstatieren ist. Bevor in diesem Kapitel nun die Merkmale, die am häufigsten in der Forschungsliteratur angeführt werden,55 zur Einordnung dargestellt werden, ist in Bezug auf die generelle Silbenstruktur des Andalusischen vorwegzunehmen, dass viele Entwicklungen, vor allem diejenigen in Westandalusien, die Tendenz zur Elision der Silbenkoda und somit zur Silbenstruktur CV (Konsonant-Vokal), also zur offenen Silbe, zeigen, was aber auch für einige andere diatopische Varietäten des Spanischen gilt (cf. u.a. Villena-Ponsoda 2008b, 141ss. bzw. MorilloVelarde Pérez 2009, 140). Dies ist vor allem wichtig, weil diese Tatsache auch oft als salientes Merkmal aufgegriffen wird – etwa wie in metapragmatischen Aussagen wie «Andalusier verschlucken die Konsonanten am Ende von Wörtern».56
3.1 Die Qualität von /a/ in , und In einigen phonetischen Umgebungen fällt der auslautende Konsonant in finaler Silbe nach /a/ weg, wobei /a/ palatalisiert und geöffnet wird; hierbei entsteht der Vokal [æ] bzw. [ɛ] oder [e].57 Dies betrifft im Allgemeinen die
54 Milroy (1992, 55–60) gibt für den Belfaster Dialekt des Englischen an, dass «[. . .] first, Belfast dialect [. . .] is observed to be divergent from other dialects and, particularly, from ‹mainstream› norms of language, such as RP and standard English; second, the dialect exhibits a great deal of internal variation». 55 Es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass eine Vielzahl an Forschungsarbeiten auf die Daten des Atlas lingüístico y etnográfico de Andalucía von Alvar (1961–1973) rekurriert, was nicht unproblematisch ist, da diese Daten zu einer Zeit zusammengetragen wurden, als Spanien noch eine Diktatur und die soziale Mobilität in Andalusien nicht hoch war. In der Zeit der Demokratie begann ein Prozess der verstärkten Urbanisierung und eines Exodus der Landbevölkerung in die Städte, was vor allem mit der zunehmenden Industrialisierung und der Öffnung zum Tourismus zu erklären ist. Daher ist die heutige Sozialstruktur Andalusiens eine fundamental andere als zur Zeit der Erstellung des Atlas, sodass davon auszugehen ist, dass die Daten nicht mehr zwangläufig über die heutigen sprachlichen Verhältnisse Auskunft geben (cf. Samper Padilla 2011, 99). 56 Cf. Kapitel 7.2.1.1. 57 Die Darstellung des Lauts hängt davon ab, wie weit dieser Prozess forgeschritten ist. Die Entwicklung verläuft demnach wie folgt: [a] > [æ] > [ɛ] > [e] (cf. Varela García 2002). Für eine Beschreibung des Kontinuums cf. Morillo-Velarde Pérez (2009, 155).
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Endungen auf , und und führt, wenn als eines der InfinitivFlexionsmorphe fungiert, zu einem Zusammenfall bei der Konjugation auf ar mit der 1. Person Singular im perfecto simple: trabajar > trabajé ([traßa’xar] > [traßa’xæ] / [traßa’xɛ] / [traßa’xe]).58 Bei letzterer Form fallen also der Infinitiv Präsens Aktiv mit der Form des perfecto simple in der 1. Person Singular zusammen. Bei der Endung auf , welche in vielen Fällen als Pluralmorphem für das Femininum fungiert, findet eine Umphonologisierung statt, sodass [ɛ] als Pluralmorphem /ɛ/ die vorherige Endung ersetzt.59 Somit ist der Plural [’kasɛ], was im Normspanischen [’kasas] entspricht. Karte 1 zeigt die geographische Verteilung dieses Phänomens:
Karte 1: Zonen der Palatalisierung von , und (Jiménez Fernández 2014, 21).
58 Hierbei ist auffällig, dass der Autor eine Einteilung aufgrund phonetischer Kriterien vornimmt, wobei aber Modéjar (1994) in seiner Analyse zum andalusischen Verb das Varianzphänomen als morphologische Variation klassifiziert. 59 Bei dieser Unterscheidung wird bereits ersichtlich, dass die Abgrenzung und Identifizierung einzelner Morpheme schwierig ist, da /a/ als Genusmorphem und /s/ als Pluralmorphem als zwei verschiedene Morpheme betrachtet werden können. An dieser Stelle verschmelzen sie zu einem einzigen Morphem (Porte-Manteau-Morphem), welches die Kategorien Femininum und Plural angibt.
3.2 Phonologische Opposition durch Vokalqualität und die Behauchung
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Das gräulich eingezeichnete Gebiet gibt hier die Zone an, in welcher das Phänomen nachgewiesen wurde. Es ist zu sehen, dass es sich um zwei Zonen handelt: in Andalucía occidental (Westandalusien) herrscht es nicht vor, während SprecherInnen in Andalucía oriental (Ostandalusien) es aufweisen.60 Es gibt zwar für dieses Phänomen diatopikbezogene Beschreibungen, aber keine weitreichenden soziolinguistischen Analysen. Narbona et al. (2011, 193ss.) geben aber an, dass es vor allem bei SprecherInnen jüngeren Alters und hierbei im Besonderen bei Sprecherinnen zu beobachten sei, allerdings wird nicht genauer angegeben, in welchen Zonen dies der Fall ist oder auf welchen Untersuchungen diese Angaben beruhen. Das Fehlen umfassenderer Untersuchungen mag dem Umstand geschuldet sein, dass, obwohl es sich um ein salientes Phänomen handelt, eine Korrelation mit dem intensiv erforschten Phänomen der Behauchung oder Apokope von implosivem /s/ zu konstatieren ist, welche im nächsten Unterkapitel näher beschrieben wird.
3.2 Phonologische Opposition durch Vokalqualität und die Behauchung bzw. Elision von implosivem /s/ und die Behauchung bzw. Elision weiterer Konsonanten (heheo) Für die Analyse von implosivem /s/ ist eine große Zahl an Untersuchungen verfügbar, die sich auf diatopischer und diastratischer Ebene mit diesem Phänomen befassen, sodass Samper Padilla (2011, 99) erwähnt, dass «[t]he bulk of sociolinguistic studies focusing on sociophonetic variation have revolved around the implosive /s/».61 Begründend fügt er hinzu, dass «[t]his is due to the theoretical relevance that analyzing this variable has from a grammatical point of view, since it implies the deletion of a consonant with morphological meaning of plurality and second-person singular». In Andalusien zeigt sich eine Schwächung von auslautendem /s/, wobei eine Realisierung als [h] auftritt oder ein gänzlicher Wegfall zu beobachten ist. Gleiches gilt für andere Konsonanten in der Silbenkoda, wie z.B. /r/ oder /l/, welche zum Wegfall oder zur Behauchung neigen (Mondéjar 1991, 227). Dies hat zur Folge, dass die im
60 Alonso (1956, 24ss.) wies dieses Phänomen als erster nach und schrieb dieses auch dem in Karte 1 angegebenen Gebiet zu. Auch er klassifiziert es als phonetisches und letztendlich phonologisches Varianzphänomen, wobei er eine Diskussion zur Einordnung in die Morphologie zwar anstößt (27s.), aber nicht näher darauf eingeht. 61 Soziolinguistische Untersuchungen über das implosive /s/ im Andalusischen von Villena (1997), Moya (1979) und García Marcos (1990) sollen hier nur exemplarisch erwähnt werden, da diese implosives /s/ als Hauptgegenstand haben.
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Silbennukleus stehenden Vokale alterieren und eine andere Qualität als die Vokale des Standardspanischen aufzeigen. Das Standardspanische weist eine phonematische Unterscheidung der fünf Vokalphoneme /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ auf. Diese stellt sich aber bei Betrachtung des Sprachsystems in der Unterscheidung von Singular und Plural bzw. der Personen in bestimmten Verbkonjugationen62 in Teilgebieten Andalusiens als different heraus, da durch den zuvor beschriebenen Wegfall von Auslautkonsonanten nun die Vokalqualität zur Unterscheidung von Singular und Plural dient. Für Andalucía oriental lässt sich hierbei folgende Entwicklungstendenz der Öffnung des Vokals nachzeichen (Jiménez Fernández 2014, 18): niños [‘niɲos] > [‘niɲoh] > [‘niɲɔ] (Plural) bzw. amas [‘amas] > [‘amah] > [‘amʌ] (2. Person Präsens Indikativ). In Andalucía occidental hingegen ist eine andere Veränderung des Vokals zu konstatieren: [‘niɲos] > [‘niɲoh] > [‘niɲo] bzw. [‘amas] > [‘amah] > [‘ama], sodass hier die Unterscheidung von Singular und Plural nur noch durch die Opposition des Artikels el/la bzw. los/las63 gegeben ist und bei den Verben einige Personen ohne Kontext nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind.64 Karte 2 zeigt die diatopische Einteilung der phonologischen Opposition durch die Veränderung der Vokalqualität in Andalusien einerseits und das Gebiet der Nicht-Unterscheidung andererseits:
62 Dies ist der Fall in folgenden Verbkonjugationen: 2. und 3. Person Singular Präsens Indikativ; 1., 2. und 3. Person Präsens Subjunktiv; 1., 2. und 3. Person Singular Imperfekt Indikativ und Subjunktiv; 2. und 3. Person Singular Futur Indikativ (Gleiches gilt für das Futur im Subjunktiv, allerdings ist dieses nur noch sehr eingeschränkt gebräuchlich); 1., 2. und 3. Person Singular Konditional. 63 Beim Plural der Artikel lässt sich in Andalucía occidental auch ein Wegfall von implosivem / s/ feststellen, sodass nur im Femininum eine Nicht-Unterscheidung von Singular und Plural vorliegt, da beim femininen Artikel beide Formen gleich ausgesprochen werden. Im Maskulinum ist die Unterscheidung durch die verschiedenen Formen gegeben. Dies ist in Andalucía oriental nicht der Fall, da die Formen [el] und [lɔ] im Maskulinum und die Formen [la] und [lʌ] im Femininum den Singular vom Plural unterscheiden. 64 Wie zuvor beschrieben sind in Andalucía occidental viele Personen der Verbkonjugationen im Singular nicht mehr zu unterscheiden, sodass in diesem Gebiet zunehmend nicht mehr durch Postdetermination unterschieden wird, sondern durch Prädetermination mittels Personalpronomina: haces > *tú hace [tu’ase] (cf. u.a. Hochberg 1986). Ranson (1991) hingegen behauptet, dass die Anzahl der so differenzierten Verbalformen gering sei, wobei sie in ihrem gesamten Aufsatz über das Andalusische spricht und generelle Aussagen macht, ihre Datenbasis aber auf Daten aus Córdoba, also der Region, welche eine phonologische Opposition durch Vokalqualität anzeigt, zurückgreift. Narbona et al. (2011, 186s.) postulieren auch eine gehäufte Frequenz der Personalpronomina.
3.2 Phonologische Opposition durch Vokalqualität und die Behauchung
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Karte 2: Zonen der phonologischen Unterscheidung durch Veränderung der Vokalqualität (Jiménez Fernández 2014, 21).
Da es sich im Gebiet der Andalucía oriental um eine Phonologisierung einer im Normspanischen nicht vorhandenen phonologischen Opposition durch Vokalqualität handelt, postuliert beispielsweise Mondéjar (1991, 238) ein eigenes System65 der phonematischen Oppositionen durch Vokalqualitäten mit folgenden Vokalphonemen: /i/, /ɪ/, /e/, /ɛ/, /a/, /ʌ/, /o/, /ɔ/, /u/, /ʊ/.66 Neben der Behauchung oder der Apokope von /s/ im Auslaut kommt es auch im Wortinneren in der Koda der Silbe bei /p/, /t/, /k/, /b/, /d/ und /g/ im Onset der folgenden Silbe zu derartigen Phänomenen: estudiante [estu’ðjante] > [ehtu’ðjante] bzw. [etu’ðjante].67 Hauptsächlich ist die Behauchung von /s/ bzw. in letzter Instanz dessen Wegfall ein Phänomen, welches im gesamten Gebiet Andalusiens vorzufinden ist und als typisches Merkmal beschrieben wird. Es tritt in implosiver
65 Das Postulieren eines eigenen Systems wird für die metadiskursive Diskussion zum Andalusischen und die Analyse des Sprachmaterials in Kapitel 5 von Bedeutung sein und dort näher behandelt werden. 66 Es ist hierbei allerdings problematisch, von phonematischen Oppositionen zu reden, denn der Autor gibt keine Minialpaare zur Bestimmung der Oppositionen an. 67 Neuere Forschung (z.B. Ruch 2013) zeigen bei der Behauchung bzw. Apokope im Wortinneren eine neue Tendenz bei jüngeren SprecherInnen zur Metathese: [es’taðo] > [e’tsaðo].
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
und intervokalischer Stellung sowie vor bestimmten konsonantischen Gruppen68 auf. Jiménez Fernandéz (2014, 41s.) weist darauf hin, dass die Behauchung von höheren sozialen Strata präferiert wird, wohingegen der Wegfall vor allem bei unteren gesellschaftlichen Schichten zu beobachten ist, wobei Carbonero (2003f, 28s.) präzisiert, dass der Wegfall von /s/ im absoluten Auslaut und vor einem Vokal in geringerem aber signifikativem Maße auch bei SprecherInnen höherer sozialer Schichten vorkommt. Das Andalusische weist eine generelle Tendenz zur Behauchung oder Elision von Konsonanten vor allem im Wortinneren in intervokalischer und im absoluten Auslaut in implosiver Stellung auf, welche sich nicht nur auf /s/ beschränkt, sondern auch bei /d/, /g/, /x/, /b/, /r/ und /j/ auftreten kann (Jiménez Fernández 2014, 70ss.); das Phänomen der Behauchung wird oftmals als heheo bezeichnet. Ein gut untersuchter Aspekt ist hierbei die Elision von /d/, wobei entweder eine Synthese und in der Folge entweder ein Hiat bei Vokalen verschiedener Qualität (cansado [kan‘saðo] > [kan’sao]) oder eine Kontraktion durch das Aufeinandertreffen zweier Vokale gleicher Qualität (todo [‘toðo] > [to]) zu beobachten ist. Die Elision von /d/ ist hier im Besonderen hervorzuheben, da, wie im späteren Verlauf der Arbeit zu sehen sein wird, dieses Phänomen als typisch andalusisch konstruiert wird, wobei klar zu konstatieren ist, dass im gesamten spanischsprachigen Teil der Iberischen Halbinsel diese Realisierung festzustellen ist (cf. Samper Padilla 2011, 112ss.). Darüber hinaus handelt es sich um eine Variante mit mittlerem bis hohem sozialen Prestige, welche auch von SprecherInnen höherer sozialer Strata verwendet wird (cf. Carbonero 2003a, 113s. bzw. Villena Ponsoda 2008a, 156).
3.3 Der ceceo und der seseo Der ceceo und der seseo zählen zu den salientesten und am besten erforschten Merkmalen, welche in jeder diatopischen Untersuchung zum Andalusischen erwähnt werden. Um diese beiden Merkmale im Raum zu verorten und die Verteilung zu verdeutlichen, soll Karte 3 herangezogen werden:
68 Diese sind die Nexus /s/ + /p/, /t/, /k/, /b/, /d/, /g/, /f/, /tʃ/, /ʎ/, /l/, /m/, /n/ oder /ɲ/. So ist z.B. bei estás die folgende Entwicklung im Andalusischen zu sehen: estás [es’tas] > [eh’tah] > [ɛ’tʌ] (in Andalucía oriental) bzw. [e’ta] (in Andalucía occidental) (Jiménez Fernández 2014, 40ss.).
3.3 Der ceceo und der seseo
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Karte 3: Zonen des Gebrauchs des seseo, ceceo und der Distinktion von /s/ : /θ/ (Jiménez Fernández 2014, 34).
Wie bereits zu Anfang des Kapitels erwähnt, sind der seseo und der ceceo bereits durch ihre Benennung nicht Teil des Normspanischen, sodass diese auch im Vergleich zu diesem dargestellt werden müssen. Das Normspanische weist eine phonematische Opposition von /s/ : /θ/ auf. Eine abweichende Entwicklung lässt sich in dem Gebiet zwischen Córdoba, Sevilla und Málaga konstatieren, da hier die Phonologisierung dieser Opposition aus der Entwicklung der im 17. Jahrhundert vorherrschenden Opposition /s̪/ (prädorsal) : /s̺/ (apikoalveolar) nicht stattfand, sondern im Gebiet des seseo beide Phoneme zu einem einzigen zusammenfielen: /s/. Im Gebiet des ceceo fielen diese zur gleichen Zeit zusammen zu /θ/.69 Das normative Neuspanische hingegen behielt
69 Laut RAE (2011, 167) kam es in Andalusien erst gar nicht zur Opposition /s̪/ : /s̺/, welche im Altspanischen selbst ein Prozess folgender Entwicklung war: /ts/ : /dz/ > /s̪/ : /z̪/, was dann in Opposition zu /s̺/ bzw. /z̺/ stand; /s̪/ : /z̪/ bzw. /s̺/ : /z̺/ fielen daraufhin jeweils zusammen zu /s̪/ : /s̺/. Beim Vorgänger der Opposition von /s̺/: /z̺/ kam es damals im Andalusischen vor der Rephonologisierung zum Zusammenfall: /s̺/ : /z̺/ > /s̪/ : /z̪/ > /s̪/ für den Fall des seseo bzw. /s̺/ : /z̺/ > /θ/ für den ceceo. So verlief die Entwicklung im Nordspanischen wie folgt: vulgärlat. *CAPTIAT ʻer fängt; er versucht zu erreichen’ [kaptiat] > [kaptsja] > [kaptsa] > [kas̪a] > [kaθa] bzw. CASA ʻHütte’ [kaz̺a] > [kas̺a]; in Andalucía oriental [kaptsja] > [kaptsa] > [kas̪a] bzw. [kaz̺a] > [kaz̪a] > [kas̪a] (seseo); in Andalucía occidental [kaptsja] > [kaptsa] >
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
eine phonematische Opposition bei, jedoch fand eine Rephonologisierung statt: /s/ > / θ/, wobei /s̺/ erhalten blieb, was zur Opposition /θ/ : /s̺/70 führte (Jiménez Fernandez 2014, 30). Im Falle des seseo gibt es also keinen hörbaren Unterschied zwischen casa und caza, da beide [‘kasa] im Vergleich zum normspanischen [‘kasa] und [kaθa] realisiert werden. Villena (2000, 127ss.) gibt unter Herannahme zahlreicher Studien an, dass der seseo in Andalucía oriental als prestigereich gilt:71 «[L]a distinción de /s/ : /θ/ es la opción estándar o ejemplar y la predominante oriental. El ‹seseo› es la opción occidental y [. . .] también la del estándar regional. Así, por ejemplo, [. . .] en Jerez, los grupos de nivel educacional alto, cuyos porcentajes de ‹ceceo› estaban alrededor del 12%, alcanzan frecuencias relativas del 76% en sus pautas de ‹seseo›, con lo cual sus porcentajes de distinción han de ser mínimos (12%). Por el contrario, en Granada, donde la reducción de /s/ = /θ/ se manifestaba mínimamente según la norma ideal de ‹ceceo›, el ‹seseo› parece una opción de los grupos socioculturales bajos (57%); el resto correspondería a la distinción (33%), situación, de nuevo, explicable por razones geolingüísticas e históricas. En Málaga, por último, los grupos educacionales altos eligen la distinción, mientras que el ‹seseo› –que es una opción feminina– solo tiene alguna fuerza en las generaciones más maduras».
Hier ist zu sehen, dass es eine klare räumliche Verteilung bei der Präferenz der jeweiligen Merkmale gibt, wobei Villena für Andalucía occidental den seseo als Regionalstandardmerkmal beschreibt.72 Diese Daten stimmen mit denen von Narbona et al. (2011, 180s.) bzw. Carbonero (2003b, 41ss.) überein, wobei deutlich gesagt wird, dass in allen Gegenden Andalusiens bei Betrachtung der Daten für jüngere SprecherInnen deutlich wird, dass der Gebrauch der Distinktion, wie sie im Normspanischen realisiert wird, stark zunimmt. Der Grund liegt hierbei nach Sicht der Autoren darin, dass die Steigerung der Bildungsniveaus dieser Generationen zur Folge hat, dass die Distinktion in distanzsprachlichen
[kaz̪a] > [kaθa] bzw. [kaz̺a] > [kaz̪a] > [kaθa] (ceceo). Einen kurzen Überblick über das Phänomen und weitere Literaturhinweise bietet Penny (2014, 123ss.). 70 An dieser Stelle ist zu beachten, dass die jeweilige Realisierung von /s/ als prädorsal, apikodental oder koronal in Andalusien regional variiert (cf. Jiménez Fernández 2014, 35). Weder im gesprochenen Spanischen im Norden der Iberischen Halbinsel noch in Andalusien sind die verschiedenen Realisierungen von /s/ phonematisch, sodass es sich um Varianten von /s/ handelt. Bei der lautschriftlichen Angabe als /s/ wird in vielen Handbüchern zum Spanischen impliziert, dass es sich im Normspanischen um [s̺] handelt. Eine Karte zur diatopischen Verteilung in Andalusien ist bei Jiménez Fernández (2014, 35) zu finden. 71 Für weitere bibliographische Angaben ist Villena (2000) zu konsultieren. Das hier verwendete Zitat ist eine Synthese verschiedener Studien und fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen. 72 Auf Villenas (2000) wichtige Konzeptionalisierung des andalusischen Regionalstandards wird in Kapitel 5 näher eingegangen.
3.4 Die Behauchung von lateinischem /f/ in Anlaut
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Situationen häufiger anzutreffen ist, jedoch nicht per se in der Nähesprache vorherrscht, da der seseo auch hier hohes Ansehen genießt. Dies scheint jedoch nicht, wie durch die oben zitierte Studie deutlich wird, für alle Teile Andalusiens zu gelten, da eben ein Großteil der SprecherInnen in Andalucía oriental die Distinktion realisiert. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die Studie von Moya/García-Wiedermann (1995) über die Stadtsprache in Granada als eines der Zentren Ostandalusiens aufzeigt, dass ein Anstieg der Nutzung der Distinktion mit Personen junger Altersstufen korreliert. Beim ceceo ist – genauso wie beim seseo – der Unterschied zwischen casa und caza nicht hörbar, wobei es bei diesem Varianzphänomen bei der Opposition /s/ : /θ/ zu einer Dephonologisierung kommt und beide zu /θ/ zusammenfallen, sodass beide Lexeme als [‘kaθa] realisiert werden. Diese Realisierung findet sich vor allem südlich von Sevilla, in Huelva und in weiten Teilen der Küstenregion Andalusiens. Der ceceo ist die Variante, welche am deutlichsten diastratisch markiert ist: «[. . .] el ceceo, que goza de mucha menos aceptación que los otros modelos, alcanza en Sevilla el 6%, perteneciente al nivel popular. En Jerez, llega sin embargo al 47%, de los cuales sólo el 12% corresponde al nivel culto; por edad, entre los hablantes jerezanos de la primera generación, el ceceo llega al 53%. En Granada, los porcentajes son los siguientes: 5% de índice general de aceptación, sobre todo entre los hablantes de menor nivel sociocultural con el 10%; por edad se ha obtenido el 9% para los mayores, el 4% para la población intermedia y el 3% para los jóvenes y por sexo, el 7% para los hombres y el 3% para las mujeres. Y en Málaga, el ceceo obtiene un porcentaje en torno al 25%, siendo la variable sexo la más significativa (45% entre los hombres, frente al 11% de las mujeres)» (Jiménez Fernández 2014, 33).
Es zeigt sich also ein komplexes Bild, wobei vereinfacht gesagt werden kann, dass der ceceo eher ein Phänomen älterer und weniger gebildeter Männer ist; vor allem aber ist zu erwähnen, dass die soziale Akzeptanz im Vergleich zum seseo deutlich niedriger ist. Carbonero (2003e, 116ss.) oder auch HernándezCampoy/Villena-Ponsoda (2009, 191ss.) zeigen allerdings auch die Grenzen dieser Darstellung auf, denn in den Gebieten, in denen der ceceo zu beobachten ist, kommt es meist bei jüngeren SprecherInnen höherer sozialer Strata zu einer Realisierung des seseo, was bei der in diesem Unterkapitel dargestellten Karte nicht berücksichtigt wird.
3.4 Die Behauchung von lateinischem /f/ in Anlaut Die Schwierigkeit der Beschreibung der andalusischen Merkmale aus sich selbst heraus zeigt sich auch am anlautenden /f/, einem Phonem, das in der
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Sprachgeschichte des Kastilischen einer Aphärese unterlag, wohingegen in großen Teilen Andalusiens die Entwicklung von lateinischem /f/ zu /h/ (Kastilisch:/ farina/ > /harina/ > /arina/) zu konstatieren ist.73 Karte 4 zeigt die Verteilung in Andalusien genauer:
Karte 4: Zonen des Gebrauchs der Behauchung lateinischen /f/ (Jiménez Fernández 2014, 49).
Es ist zu sehen, dass das Gebiet Andalusiens in drei Subzonen eingeteilt werden kann: Die größte Zone ist die westliche (in Hellgrau dargestellt), in welcher lateinisches /f/ behaucht wird, gefolgt von einem kleineren Teil im Westen (in Weiß dargestellt), in welchem dieselbe Entwicklung wie im Kastilischen zu verzeichnen ist und eine kleinere Zone südlich von Almería (in Dunkelgrau dargestellt), in der die Behauchung nur in einigen Wörtern, aber nicht systematisch auftritt.
73 Lateinisch /f/ blieb im Anlaut vor /r/ und /w/. Eine detaillierte Beschreibung der Behauchung des lateinischen /f/ ist bei Frago García (1993, 389ss.) bzw. Zamora Vicente (1996, 296ss.) zu finden.
3.5 Die Behauchung von /x/
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Die Bereiche der diatopischen Situierung und Beschreibung dieses Phänomens ist bereits gut erforscht, allerdings wird in der Literatur der Variationssoziolinguistik dieses Phänomen fast nie als Variable behandelt, sodass hier lediglich auf Jiménez Fernández (2014, 48s.) bzw. Narbona et al. (2003, 210) verwiesen werden kann. An beiden Stellen wird angegeben, dass viele SprecherInnen dieses Phänomen als niedrig markiert betrachteten, allerdings geben die Autoren korrigierend an, dass es sich nicht um ein diastratisches Varianzphänomen handele, sondern um ein Merkmal, welches eher auf dem Land und bei SprecherInnen höheren Alters zu finden sei, wobei hierfür allerdings keine Quellen angegeben werden.74
3.5 Die Behauchung von /x/ Bei diesem Phänomen handelt es sich um eine in großen Teilen Andalusiens verbreitete Realisierung von /x/ als [h], wobei die Abstufungen beim Grad der Behauchung sehr stark sein können.75 In der Graphie wird /x/ durch vor /e/ und /i/, vor /a/, /o/ und /u/ und teilweise durch dargestellt. So lässt sich beispielsweise in weiten Teilen Andalusiens die Realisierung von /jefe/ als [‘hefe] belegen. In Westandalusien lässt sich eine Behauchung von /x/ konstatieren, für Ostandalusien ist die Realisierung [x], wie es auch in der Standardnorm des Kastilischen der Fall ist. Für Westandalusien gibt Carbonero (2003b, 41ss.) an, dass die Behauchung von /x/ ein über alle Schichten, Altersstufen und Geschlechter gleichsam akzeptiertes Phänomen in Sevilla ist.76 Jiménez Fernández (2014, 53) präzisiert diesen Umstand, da «[. . .] desde el punto de vista social, la aspiración de la ‹jota› ha impregnado bastantes niveles y registros idiomáticos». Auch Narbona et al. (2003, 204) geben an, dass es sich um ein schichten-, alters- und geschlechtsübergreifendes Phänomen handelt, welches hohes soziales Prestige genießt. Die Verteilung des Phänomens im Raum ist auf Karte 5 zu sehen:
74 Hierbei ist zudem zu beachten, dass die soziale Kategorie Alter eher – anders als die Autoren angeben – als eine diastratische Variable klassifiziert werden kann. 75 Cf. Jiménez Fernández (2014, 50). 76 Das sevillano, also die in Sevilla gesprochene Stadtsprache, gilt als Prestigenorm für den westandalusischen Raum (cf. Hernández-Campoy/Villena-Ponsoda 2009).
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
Karte 5: Zonen des Gebrauchs von /x/ als [x] bzw. [h] (Jiménez Fernández 2014, 54).
3.6 Der yeísmo Unter der Bezeichung yeísmo ist die Dephonologisierung der Opposition /ʎ/ : /j/ zu verstehen, welche beispielsweise bei Minimalpaaren wie pollo und poyo festzustellen ist.77 Die diatopische Verteilung in Andalusien ist auf Karte 6 zu sehen. Bei dieser Karte ist anzumerken, dass die Legende offenbar fehlerhaft ist, da aus den Erklärungen der Aussagen Jiménez Fernandéz‘ (2014, 59ss.) deutlich wird, dass die grau eingezeichneten Gebiete vorherrschend eine Opposition zwischen / ʎ/ : /j/ aufweisen; das nicht eingefärbte Gebiet weist somit die diatopische Extension des yeísmo auf. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass der yeísmo ein Merkmal vieler Varietäten des Spanischen sowohl auf der Iberischen Halbinsel als auch in Lateinamerika ist. Sowohl Jiménez Fernández (2014, 58ss.) als auch Narbona et al. (2003, 182s.) geben an, dass der yeísmo – ebenso wie die Behauchung von /x/ – ein
77 Vor allem in den Gebieten, in denen der ceceo vorherrscht, lässt sich eine starke Alternanz und eine Entwicklung von /ʎ/ : /j/ zu [ʒ] (žeísmo) oder [ʃ] (šeísmo) konstatieren (cf. VillenaPonsoda 2008a, 146).
3.7 Die Alternanz bzw. Apokope von /r/ und /l/
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Karte 6: Zonen des Gebrauchs des yeísmo (Jiménez Fernández 2014, 60).
stark akzeptiertes Phänomen ist, welches darüber hinaus mit hohem sozialen Prestige versehen ist.
3.7 Die Alternanz bzw. Apokope von /r/ und /l/ Hierbei handelt es sich um ein Merkmalsbündel, bei welchem /r/ und /l/ jeweils gegenteilig in der Silbenkoda im Wortinneren realisiert werden: alto [alto] > [arto] bzw. cuerpo [‘kwerpo] > [‘kwelpo]. Im absoluten Auslaut ist meist eine Apokope – wie bereits in Kapitel 3.2 kurz erwähnt – zu konstatieren, wobei aber auch eine Alternanz vorkommen kann: ver [ber] > [be]/[bel] bzw. clavel [‘klabel] > [‘klabe]/ [‘klaber]. Für beide Phänomene können aber auch Zwischenstufen wie eine Behauchung oder eine Reduplikation vorkommen (Jiménez Fernández 2014, 62), weshalb davon auszugehen ist, dass es sich hierbei um eine Neutralisierung der Opposition handelt. Eine Spezifizierung der Aussagen über den diatopischen Gebrauch gestaltet sich allerdings sehr schwierig, sodass eine Darstellung auf einer Karte keine konkreten Einsichten brächte. Die Phänomene weisen einen hohen Grad an Heterogenität auf, wobei Zamora Vicente (1996, 313) präzisiert, dass
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3 Das Andalusische als strukturelle Varietät
«[l]a igualación [. . .] de –l y –r implosivas es fenómeno muy frecuente en andaluz, si bien muy difusamente señalado y sin que se puedan fijar fronteras exactas o delimitar comarcas con propensión señalada a uno u otro fonema».
In soziolinguistischer Hinsicht gibt Carbonero (2003e, 115) an, dass es sich um ein Phänomen mit mittlerer Valorisierung handelt, da die Daten für die höchsten sozialen Schichten eine starke Konvergenz mit dem Standard aufzeigen, wohingegen ein starker Gebrauch für mittlere bis untere Schichten festgestellt werden kann. Sowohl die Forschungsergebnisse von Jiménez Fernández (2014, 64ss.) als auch diejenigen von Narbona et al. (2003, 192ss.) weisen darauf hin. Es ist allerdings hinzuzufügen, dass die Forschungslage in diesem Bereich sehr dürftig ist und bis auf die o.g. Darstellungen keine abgesicherten Aussagen über die tatsächliche Variationsbreite gemacht werden können.
3.8 Die Deaffrizierung von /tʃ/ Die Deaffrizierung von /tʃ/ ist Gegenstand vieler neuerer diatopischer Studien und daher ist dessen geographische Distribution gut erforscht. Es handelt sich zunächst um die Realisierung von /tʃ/ als [ʃ]: noche [‘notʃe] > [‘noʃe].78 Zur diatopischen Distribution geben Narbona et al. (2003, 178) an, dass vor allem in den Küstengebieten um Cádiz, im Süden Sevillas, im Osten Málagas, in Granada und in den Küstengebieten um Almería eine derartige Realisierung zu verzeichnen ist. Im Bereich der soziolinguistischen Verortung ist hervorzuheben, dass es sich um ein durch alle Schichten regressives Phänomen handelt, wobei vor allem jüngere urbane SprecherInnen zur Standardrealisierung tendieren (Jiménez Fernández 2014, 69). Carbonero (2003e, 116) präzisiert die Forschungslage allerdings, da sich in Jerez noch ein stärkerer Gebrauch nachweisen lässt. Darüber hinaus ist in allen Gebieten die Gebrauchsfrequenz von [ʃ] bei Personen männlichen Geschlechts höher als bei solchen weiblichen Geschlechts (cf. Samper Padilla 2011, 116). Nachdem in diesem Kapitel ein nicht exhaustiver Überblick über die wichtigsten Merkmale des Andalusischen dargestellt wurde, sollen im kommenden Kapitel die theoretischen Annahmen und der Grundansatz darüber, wie diese Merkmale zur diskursiven Konstruktion herangezogen werden, näher dargestellt werden.
78 [ʃ] ist auch als das Ergebnis eines Lautwandelprozesses zu bezeichnen, was beispielswise bei /j/ in yo [jo] > [ʃo] oder bei /ʎ/ in falla [‘faʎa] > [‘faʃa] zu sehen ist.
4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument Um untersuchen zu können, wie das Andalusische als sozial sinnhafte diskursive Konstruktion in Andalusien bewertet wird, ist die sprachstrukturelle Variation in Andalusien als solche auf der Ebene des Diskurses nicht ausschlaggebend, jedoch werden einige Merkmale aus dem Repertoire von allen strukturellen Merkmalen durch die SprecherInnen aufgegriffen und mit dem Konzept Andalusisch – also der diskursiven Varietät79 – verbunden. Dies bedeutet, dass einige Merkmale salient werden und ihre Nutzung nicht mehr nur kommunikativer Art ist, sondern diese zu sozialen Werkzeugen werden, sodass sie in ihrer Nutzung im Diskurs zusätzlich spezifische Gruppen an Menschen, ihre Sprache, die mit ihnen verbundenen prototypischen Eigenschaften und die Redekontexte evozieren. Um diese soziale Funktionalität salienter Merkmale soll es im folgenden Kapitel gehen, in welchem ein theoretischer Rahmen für das soziale Aufgreifen salienter Merkmale und ihre Transformation zu Indices erarbeitet werden soll. Dies ist essentiell, da durch die Nutzung der Indices soziale Positionierungen und Bewertungen des Andalusischen als diskursive Varietät sowie die sprachkonzeptionelle Verortung – also beispielsweise als lokale Mundart, Dialekt, Regionalstandard, Sprache – in metasprachlichen Diskursen erfolgen. Gegenstand sind folglich sowohl die Prozesse der diskursiven Konstruktion als auch das Resultat der Konstruktion und nicht das Andalusische als strukturelle Varietät. Explizite und implizite Ideen davon, was Sprache ist, wie sie variiert und wie sie hierarchisch zu ordnen ist, werden dabei mit struktureller Variation verknüpft. Um diese Diskurse analysieren und zu einem differenzierten Bild gelangen zu können, kann eben nicht singulär die strukturelle Variation selbst und somit das Andalusische als identifizierbares Objekt80 untersucht werden, sondern es müssen außersprachliche Kriterien als zentraler Bestandteil des theoretischen Teils mitgedacht werden. Dies ist im Besonderen für den vorliegenden Ansatz nötig, da aufgezeigt werden soll, dass das Primat der Beschreibung der
79 Eine ausführliche Darstellung des Terminus diskursive Varietät sowie die Elaborierung eines Modells der Entstehung diskursiver Varietäten wird in Kapitel 5.2. geleistet. 80 Die Idee des Andalusischen als objektivierbare und isolierbare Einheit ist als Teil der sprachideologischen Ausrichtung des Okzidents anzusehen, in welcher eine Sprache oder eine Varietät «objektiv» identifiziert werden kann, in welcher man eine Sprache «haben» kann und in welcher es eine Sprache als Ergebnis eines Abstraktionsprozesses als externes, in der Welt autonom existierendes Objekt «gibt». Dies führt dazu, dass eine Sprache von anderen Sprachen abgegrenzt, benannt und als solche selbst gedacht werden kann (cf. Woolard 2012, 38). https://doi.org/10.1515/9783110659771-004
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Referentialität und Strukturalität von Sprache in Forschungen strukturalistischer Richtung nicht universell ist, sondern dass Bestandteile sprachlicher Strukturen durch SprecherInnen agentiv für die Veränderung der ideologischen Einbettung eingesetzt werden und diese für die Konzeptionalisierung der Varianzphänomene entscheidend sind, was wiederum zu einer Stärkung oder Schwächung bestimmter sprachlicher Einheiten auf struktureller Ebene führen kann.81 Für das Andalusische bedeutet dies konkret, dass eine gewisse Anzahl salienter struktureller Merkmale mit einer (imaginierten) Gruppe82 mittels metasprachlicher Diskurse assoziiert wird, sodass im Umkehrschluss diese Merkmale als typisch für diese Gruppe und nicht unbedingt als spezifisch für eine einzelne Person stehen (cf. Hambye/Simon 2004, 1002).83 Hierbei ist die Annahme zentral, dass SprecherInnen in metasprachlichen Diskursen aktiv diese strukturelle Variation nutzen, um zum einen ihre eigene Gruppe diskursiv zu formen und zum anderen die Variation aktiv zur Konstruktion der Varietät auf diskursiver Ebene heranzuziehen. Für diese Arbeit ist es somit wichtig, einen theoretischen Ansatz zu verfolgen, welcher die strukturelle Variation und die aktive diskursive Konstruktion der Varietät aus einem heterogenen und ungleichmäßigen Kontinuum sprachlicher Variation84 durch die SprecherInnen als agentes zusammenbringt. Indexikalität und die indexikalische Ordnung sind die sprachliche Basis von enregisterment-Prozessen (Agha 2003), wobei die Beobachtung, dass Indices85 geordnet sind und zueinander in Beziehung stehen, zunächst von Silverstein (2003)86 gemacht wurde und Agha (2003) diese zu einem zentralen Punkt in der Beschreibung von enregisterment-Prozessen ausgebaut
81 Anzumerken ist hier, dass auch Sprache als Konzept selbst ideologisch durch die Gesellschaft eingebettet ist und somit kulturübergreifend keine Homogenität in der Konzeptionalisierung vorherrscht. Woolard (2012, 34s.) beschreibt u.a. die Konzeptionalisierungen von Sprache durch verschiedene Kulturen beispielsweise als Nomenklatur, als Teil mystischer Praktiken oder aber als soziale Aktion ohne besonderen Fokus auf die Lexik. An o.g. Stelle sind weitere Ausführungen diesbezüglich zu finden. 82 Nach Anderson (2006) sind Gruppen insofern imaginiert, als dass Zugehörigkeiten zu unbekannten Menschen konstruiert werden und diesen gleiche kulturelle Dispositionen zugeschrieben werden, ohne die tatsächlichen kulturellen Ausprägungen Aller zu kennen. 83 Dies hat auch Auswirkungen auf die Forschungskonzeptionen, denn die Idee der Existenz einer Varietät führt dazu, dass die «tendency to associate a dialect with a particular group homogenises the description of the linguistic practices of the group and its members» (Hambye/ Simon 2004, 1002). Dies ist für das Andalusische auch der Fall, wie bereits kurz in Kapitel 3 angesprochen wurde und noch genauer im Kapitel 5 analysiert werden wird. 84 Es kann insofern als disparat angesehen werden, als dass diskursive Dialekte die Disparität auf struktureller Ebene auf diskursiver Ebene homogenisieren. 85 Die Termini indexikalisches Zeichen und Index werden im Folgenden nicht differenziert. 86 Der Grundlagenartikel von 2003 geht konzeptionell auf den Artikel von 1979 zurück.
4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
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hat. Somit sind Aghas (2003) Ausführungen nicht ohne Bezug zum Konzept der indexikalischen Ordnung zu sehen. Das Konzept wird im Besonderen an folgender Aussage von Agha (2003, 232) zum Kern der Theorie deutlich: «[C]ultural value is not a static property of things or people but a precipitate of sociohistorically locatable practices, including discursive practices, which imbue cultural forms with recognizable sign-values and bring these values into circulation along identifiable trajectories in social space».
Anhand dieses Zitats lässt sich erkennen, dass Agha (2003, 232) davon ausgeht, dass diskursive Praktiken (discursive practices) ein wichtiges Element bei der Übertragung kultureller Werte sind, welche durch Zeichen bzw. durch die den Zeichen innewohnenden konventionellen Bedeutungen übertragen und in Umlauf gebracht werden. Agha (2003) bezieht sich also auf die indexikalischen Zeichen und deren Ordnung, welche konstitutive Elemente des enregisterment sind. Zur Schaffung eines Horizontes in Bezug auf die Wichtigkeit von Indexikalität und indexikalischen Ordnungen soll zunächst Aghas (2003, 231) Definition von enregisterment aufgegriffen werden: «[P]rocesses of enregisterment [are] processes through which a linguistic repertoire becomes differentiable within a language as a socially recognized register of forms». [Hervorhebung im Original]
Es zeigt sich, dass enregisterment-Prozesse nur erklärbar sind, wenn man die indexikalischen Zeichen, auf welchen sie beruhen, berücksichtigt, da sich ein Register – in dieser Arbeit das Andalusische als diskursive Varietät – aus einem sprachlichen Repertoire von Zeichen, die der indexikalischen Ordnung unterliegen, zusammensetzt, welches dann als ein Formenregister diese distinktiven Einheiten als indexikalische Zeichen konstituiert. Darauffolgend widerfährt dem Register eine ideologische Zuteilung – z.B. als diatopische oder diastratische Varietät. Um eine adäquate Darstellung der diskursiven Konstruktion des Andalusischen und der re-enregisterment-Prozesse leisten zu ist können, ist es wichtig, die Grundlagen der indexikalischen Zeichen und Ordnungen zuvor zu explizieren, was Gegenstand dieses Kapitels sein wird. Zunächst sind die epistemologischen Grundannahmen dieser Arbeit aufzuzeigen. Dies erfolgt in Kapitel 4.1., in welchem zuerst dargestellt wird, was unter Diskurs, Wissen und Sprachideologie (Kapitel 4.1.11) verstanden wird. Dieses Vorgehen ist wichtig, da verschiedene Bereiche der Wissenschaft die zuvor genannten Theoreme anders fassen, sodass eine Ordnung und Positionierung für diese Arbeit notwendig sind. Daraufhin wird aufgezeigt, von welchem Identitätskonzept ausgegangen wird und wie dies mit Sprache zusammenhängt (Kapitel 4.1.2.).
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Nach der Klärung der Grundannahmen folgt der Hauptteil dieses Kapitels, der sich mit dem indexikalischen Zeichen, der Indexikalität als solcher und indexikalischen Ordnungen befasst, wobei vor allem die Forschung von Silverstein (2003) im Bereich der Anthropologie im Vordergrund stehen wird. Mit diesen Grundlagen kann im darauf folgenden Kapitel 5 näher auf das Theorem des enregisterment und die Konstitution diskursiver Varietäten eingegangen werden.
4.1 Epistemologische Grundannahmen Um den Gegenstandsbereich zu fokussieren, ist es unabdingbar, dass zunächst die epistemologischen Grundannahmen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, dargestellt werden. Dies ist im Besonderen vonnöten, um einerseits eine terminologische Exaktheit zu erzielen, andererseits um die Prämissen, die bei der Erarbeitung des theoretischen Grundgerüstes dieser Arbeit zugrunde liegen und somit vorausgesetzt werden, zu klären.
4.1.1 Sprachideologie, Diskurs und Wissen In Kapitel 2 wurde bereits angedeutet, dass die Idee der Sprachideologie ein zentraler Bestandteil dessen ist, was die gesellschaftliche Positionierung und Konzeptionalisierung von Sprache und sprachlicher Variation ausmacht. Die zuvor bereits aufgegriffene Definition der Sprachideologien nach Silverstein (1979, 193), der davon ausgeht, dass es sich um «sets of beliefs about language articulated by users as a rationalization or justification of perceived language structure or use» handelt, wird beispielsweise von Milroy (2004, 162) noch ergänzt, indem sie hinzufügt, dass Sprachideologien «thoroughly naturalized sets of beliefs about language intersubjectively held by members of speech communities» seien.87 Beide Definitionen gehen darauf ein, dass die Annahmen der SprecherInnen über ihre Sprache zentral sind, da diese entscheidend die Konzeptionalisierung prägen. Diese bedingen ein soziales Handeln auf diskursiver Ebene, da «[. . .] through social action, people participate in semiotic
87 Zur Verortung der Sprachideologien und zu Methoden ihrer Analyse siehe die Zusammenfassung in Fairclough (2010, 566ss.). Da es zu viel Raum einnehmen würde, die Verortungen und Methoden zu diskutieren, soll an dieser Stelle nur auf die ausführliche Darstellung Faircloughs hingewiesen werden. In dieser Arbeit wird das Konzept der Sprachideologien als adäquat vorausgesetzt, allerdings gibt es auch Kritiken, die der Prämisse der Angemessenheit für eine Untersuchung wie die vorliegende widersprechen (cf. Pêcheux 1975).
4.1 Epistemologische Grundannahmen
63
processes that produce their identities, beliefs, and their particular senses of agentive subjectivity» (Silverstein 1998, 402). Sprachideologien manifestieren sich also durch soziales Handeln im Diskurs, welcher wiederum hermeneutisch die Sprachkonzeptionen prägt und Auswirkung auf die Sprachwahl und auf die Wahl spezifischer Merkmale hat. Sprachkonzeptionen und -ideologien spielen also im Diskurs eine wichtige Rolle, wobei in dieser Arbeit grundsätzlich vom konstruktivistischen Verständnis von Diskurs, wie es bei Blommaert (2005, 3) unter Berufung auf Foucault (1971)88 zu finden ist, ausgegangen wird: «I intend to follow this pragmatic [dem der Literaturanalyse, Semiotik, Philosophie, Anthropologie und Soziologie] stream, but I also intend to widen it by including conceptions of discourse that could be called fully ‹non-linguistic›, in the sense that they would not be acceptable to most linguistics as legitimate objects of inquiry. Discourse to me comprises all forms of meaningful semiotic human activity seen in connection with social, cultural,
88 Becker (2015) diskutiert in seinem Beitrag den Foucaultschen (1969, 1971) Diskursbegriff, kontrastiert diesen mit anderen und bettet ihn in Beschreibungen zur Ideologie ein. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Beckers (2015) Beitrag der Schärfung der Terminologie innerhalb der romanistischen Forschung dient. Hierbei geht Becker auf die Vielschichtigkeit in der Benutzung des Diskursbegriffs in der Forschung generell ein und bringt ihn in Zusammenhang mit dem in der romanistischen Forschung vielfach diskutierten Feld der Diskurstraditionen. Dieses Forschungsfeld basiert maßgeblich auf den Arbeiten von Coseriu (1955–1956, 1988), Koch (1987, 1997), Oesterreicher (1997) und Schlieben-Lange (1983) und wird in späteren Arbeiten theoretisch weiter ausgebaut. Ein Überblick hierüber geben u.a. die Sammelbände von Aschenberg/ Wilhelm (2005), Kabatek (2008), Winter-Froemel et al. (2015) und Lebsanft/Schrott (2015a). Darüber hinaus zeigt die thematische Aufsatzsammlung von Kabatek (2018) den Stellenwert der Diskurstraditionen in der romanistischen Sprachwissenschaft sowie in der Sprachwissenschaft im Allgemeinen auf, verortet diese theoretisch und diskutiert methodische Ansätze. Lebsanft/Schrott (2015b) greifen im Speziellen die Problematik der Verortung von Diskurs in den Diskurstraditionen auf und differenzieren hierbei u.a. die Beziehung von Diskurs und Text. In der vorliegenden Arbeit wird nicht weiter auf das Theorem der Diskurstraditionen eingegegangen, da diese sich auf die Traditionalität und Rekurrenz spezifischer sprachlicher sowie kommunikativer Muster beziehen. Vielmehr wird von einem konstruktivistisch-soziologischen Diskursbegriff ausgegangen, der impliziert, dass nicht die sprachliche Verfasstheit spezifischer Texte, Textsorten oder Genres und das sie bestimmende Traditionelle in Bezug auf die Sprache bzw. sprachliche Muster selbst im Vordergrund stehen, sondern sprachliche Merkmale, mittels derer eine diskursive Varietät konstruiert wird. Dies bedeutet aber nicht, dass metasprachliche Diskurse nicht auch Diskurstraditionen bilden (können), was aber einen Aspekt darstellt, der in dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt werden kann. In Bezug auf den Diskursbegriff selbst arbeiten auch Spitzmüller/Warnke (2011, 40ss.) die Unterschiede und Disparitäten der Konzeption von Diskurs und deren Bezug zu Foucault deutlich heraus, wobei ersichtlich wird, dass viele Forschungsarbeiten zwar eine Anlehnung an Foucault angeben, aber nicht deutlich wird, inwiefern sie welche Ausprägungen seines Diskursverständnisses, das er über mehrere Werke ausgebaut und verändert hat, anwenden. Dies ist nach Spitzmüller/Warnke (2011, 77) u.a. der Tatsache geschuldet, dass Foucault selbst eine sehr offene Konzeption hat und seine Positionierung je nach Gegenstand und Debatte neu ausrichtet.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
and historical patterns and developments of use. Discourse is one of the possible names we can give to it, and I follow Michel Foucault in doing so. What is traditionally understood by language is but one manifestation of it; all kinds of semiotic ‹flagging› performed by means of objects, attributes, or activities can and should also be included for they usually constitute the ‹action› part of language-in-action. What counts is the way in which such semiotic instruments are actually deployed and how they start to become meaningful against the wider background mentioned above».
Es geht bei diesem konstruktivistischen Verständnis von Diskurs um semiotisches Handeln, welches einer Musterhaftigkeit obliegt. Dieses semiotische Handeln beinhaltet sprachliches Handeln, welches in Verbindung zu nichtsprachlichen Mustern gesetzt werden kann. Da Handlungsmuster gruppengenerierend und -konstituierend sind, obliegt folglich Sprache – verstanden als Handlung – auch sozialer Stratifikation und gruppentypischen Gebrauchsnormen. Die in einer Gesellschaft zu findenden Konzeptionalisierungen über sich selbst, ihre Grundannahmen und Gebrauchsnormen bilden Wissensbestände, die als faktische Annahmen der Realität diskursiv produziert und tradiert werden. In diesem Sinne schaffen Gemeinschaften sich diskursiv Wissen und formen Wissensbestände, welche sozial ausgehandelt und verhandelt werden (cf. Spitzmüller/Warnke 2011, 54). Hierbei erfolgt eine «soziale Herstellung von Faktizität», welche niemals neutral oder objektiv sein kann, sondern Resultat gesellschaftlicher Austarierungsprozesse darstellt. Spitzmüller/Warnke (2011, 47) stellen ebenfalls in Anlehnung an Foucaults Ausführungen in L’Archéologie du savoir (1969) in Bezug auf die diskursive Konstruktion von Wissen89 die folgenden Überlegungen an: «Die Frage, warum zu einer bestimmten Zeit von bestimmten Akteuren so und nicht anders gesprochen wird und wie infolge dieser Einschränkungen die Anordnung von Wissen durch Äußerungen erfolgt, lenkt das Interesse vielmehr auch auf die Konstruktion von Wissen durch Wahrheitsansprüche in Prozessen der sozialen Herstellung von Faktizität. Daraus leitet sich die Beschäftigung mit Prozessen der Rechtfertigung von Wissen durch Argumente ebenso ab wie die Analyse der Durchsetzung von Geltungsansprüchen in Prozessen distribuierender Regulierung, etwa in Massenmedien».
In Bezug auf das Andalusische und dessen Revalorisierung ist dies von zentraler Bedeutung, da konkurrierende soziale Gruppen um die Deutungshoheit der Konzeptionalisierung des Andalusischen wetteifern und jeweils versuchen, die von ihnen hergestellte Faktizität (z.B. das Andalusische ist eine Sprache vs. Das
89 In diesem Zusammenhang stellt der Sammelband von Eggert/Gramatzki/Mayer (2009) im Bereich der Romania einen entscheidenden Beitrag zur Erforschung der Wissensgenerierung, -konstruktion und -tradierung sowie zur Wissensinstitutionalisierung im Mittelalter und der Frühen Neuzeit dar.
4.1 Epistemologische Grundannahmen
65
Andalusische ist ein Dialekt) durch Rechtfertigungen (z.B. die Struktur des Andalusischen ist anders als die des Spanischen und existiert daher vs. das Andalusische hat keine eigene Struktur und existiert daher nicht) in Form von distribuierenden Regulierungen zu streuen, indem beispielsweise Massenmedien bemüht oder wissenschaftliche Werke zur Rechtfertigung publiziert werden. Der Wissensbegriff und die Wissenskonstituierung, die in diesem Zusammenhang zentral sind, werden von Spitzmüller/Warnke (2011) zusammengefasst und beschrieben, wobei sie zu der Aussage gelangen, dass Wissen und Wissensbestände keine ontologischen Wahrheiten darstellen und somit durch sie keine tatsächlichen «Wahrheitsobjekte» existieren, sondern vielmehr die soziale Aushandlung von Wissen durch sprachliche Praxis – als Diskurs – die Wissensbestände, die eine Gesellschaft für wahr hält, erzeugt (Spitzmüller/Warnke 2011, 53). Auch in Bezug auf das Andalusische ist demnach davon auszugehen, dass es nicht als ontologische Wahrheit verstanden werden kann, sondern als ein im Diskurs konstruiertes und reifiziertes Objekt, welches sozialer Aushandlung unterworfen ist und dessen Konzeption sich diachron verändert. Diese Veränderung erfolgt durch diskursive Handlungen, in welchen wiederum Ideologien erkennbar werden und welche die Schnittstelle zwischen dem Diskurs, dem Objekt und der Sprache bilden und diese miteinander verbinden. In diesem Sinne spielt es eine Rolle, welche Sprachideologien vorherrschen, denn nur mit ihnen als Hintergrundfolie wird erkennbar, inwieweit das Andalusische als reifiziertes Objekt gesehen und durch AkteurInnen auf welche Weise besprochen wird sowie wie das Andalusische diskursiv konstruiert wird und welche Indices darauf semiotisch verweisen. Diskursive Handlungen fungieren als TrägerInnen von Ideologie, welche nicht in einem leeren Raum existieren und oftmals Ausdruck unterschiedlicher Machtkonstellationen sind, was van Dijk (2008, 34) im Hinblick auf einen kritischen Diskursbegriff wie folgt ausdrückt: «Although there are undeniably social practices and institutions that play an important role in the expression, enactment or reproduction of ideology, we first assume that ideology ‹itself› is not the same as these practices and institutions. Rather, we assume that ideology is a form of social cognition, shared by members of a group, class, or other social formation [. . .]. This assumption does not mean that ideology is simply a set of beliefs or attitudes. Their sociocognitive nature is more elemental. An ideology according to this analysis is a complex cognitive framework that controls the formation, transformation and application of other social cognitions, such as knowledge, opinions and attitudes, and social representations, including social prejudices. This ideological framework itself consists of socially relevant norms, values, goals and principles, which are selected, combined and applied in such a way that they favour perception, interpretation and action in social practices that are in the overall interest of the group. In this way, ideology assigns coherence among social attitudes which in turn codetermine social practice».
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Hier wird die Grundannahme Silversteins (2003) um die soziokognitive Dimension erweitert, sodass deutlich wird, dass diskursive Praktiken die soziokognitive Ideologieperzeption einschließen. Dies bedeutet, dass die soziale Realität durch eine ideologische Linse wahrgenommen und interpretiert wird, was sich dann wiederum auch in tatsächlichen Handlungen niederschlägt, da menschliches Handeln vor dem Hintergrund von Ideologien erfolgt. Für diese Arbeit ist folglich elementar, dass Ideologie als terminus technicus die Gesamtheit kollektiv geteilter Werte bzw. Einstellungen einer sozialen Gruppe umfasst, wobei soziale Positionierung durch Handeln – sprachliches Handeln inbegriffen – immer im Rahmen dieser Ideologien lokalisierbar ist (cf. Spitzmüller 2013b). Eine ideologische Konzeption, die für das Andalusische als diskursive Varietät elementar ist, ist in diesem Zusammenhang die Standard-Dialekt-Dichotomie. Lippi-Green (1997, 64) nennt diese «standard language ideology»90 und definiert sie als «a bias toward an abstracted, idealized, homogeneous spoken language which is imposed and maintained by dominant bloc institutions and which names as its model the written language, but which is drawn primarily from the spoken language of the upper middle class». Das Andalusische wird, wie im Laufe des Kapitels 5 näher beschrieben wird, in Anlehnung an die Konzeption der spanischen Standardsprache konstruiert, wobei diese Ideologie teilweise transzendiert wird. Das Andalusische ist also primär als solches nur als diskursive Einheit vorhanden, da es eine traditionelle Einteilung als diatopische Varietät erfahren hat, sodass es ohne eine Standardsprache als Referenz- bzw. Devianzpunkt auf diskursiver Ebene nicht als diatopische Varietät des Spanischen existieren bzw. erkannt würde. Das Andalusische als vorgestellte Einheit im Sinne einer diatopischen Varietät ist also diskursiv erschaffen und mit sozialen Werten, welche ideologischer Natur sind, versehen. Hierfür sind ideologische Mechanismen grundlegend, die Woolard (2016, 21ss.) in die drei Kategorien Authentizität 91, Anonymität und Naturalisierung einteilt. Die diskursive Konstruktion erfolgt in Kulturen mit einer Standardsprachideologie demnach im Spannungsfeld von Authentizität, welche auf der Partikularität einer bestimmten lokalen Mundart bzw. einer gesamten diatopischen Varietät
90 Für weitere Ausführungen zur Etablierung von Standardsprachen, expliziten und implitzen Sprachnormen sowie zur empirischen Untersuchung ihrer Genese und ihres sozialen Status‘ cf. Amorós-Negre (2018). 91 Der in der Sprachanthropologie verwendete Terminus der Authentizität ist als Fachterminus zu verstehen und nicht als positivistische Supposition, es handele sich tatsächlich um etwas Authentisches. In dieser Arbeit wird auch davon ausgegangen, dass Authentizität nicht etwas dem Menschen Inhärentes darstellt, sondern sozial konstruiert wird und je nach Gesellschaft und Gesellschaftsschichten andere soziale Merkmale als authentisch markiert werden. Für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept cf. Coupland (2014).
4.1 Epistemologische Grundannahmen
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beruht, und Anonymität, welche die Universalität einer Standardsprache in den Fokus rückt und somit durch einen Tilgungsprozess die nicht als passend angesehenen Teile sprachideologisch eliminiert (erasure),92 sodass die Sprache als solche homogenisiert und naturalisiert wird.93 Die diskursive Konstruktion des Andalusischen steht also oftmals in diesem Spannungsfeld, da auf der einen Seite die Authentizitätsideologie der lokalen «Echtheit» betont werden soll, was per se durch eine Standardsprache, welche ideologisch als universell und als zu keiner spezifischen Gruppe gehörig konstruiert wird (deracination, cf. Woolard 2016, 29), unmöglich ist. Auf der anderen Seite lehnen sich teilweise Bestrebungen, das Andalusische sprachpolitisch aufzuwerten oder zu standardisieren, genau an diese Ideologie an, um das Andalusische seinerseits zu homogenisieren, die tatsächliche Sprachvariation nicht zu beachten und dadurch seine soziale Reichweite als weiter – universeller – erscheinen zu lassen. Die Eigenschaften gegenwärtiger Diskurse sind zudem durch Hybridität, Heterogenität und Intertextualität gekennzeichnet (cf. Fairclough 2010, 551), sodass sie sich oftmals intertextuell aufeinander beziehen und gewisse ideologische Linien verfolgen, aber auch andere zulassen und ggf. sogar zu neuen hybriden Diskursen verschmelzen. Da dieser Arbeit in schriftlicher Form verfasstes bzw. verschriftlichtes Material zugrunde liegt, welches die Aufwertung des Andalusischen anhand salienter Merkmale zeigt, ist darauf hinzuweisen, dass sich Diskurse natürlich nicht nur in mündlicher Form manifestieren, festigen und verbreiten, sondern dass auch die (ortho-)graphische Wiedergabe zentral ist, bei der visuelle Identitätsakte in überindividuellen Schriftsystemen durch Sprache durchgeführt werden können. Diese werden zu solchen, indem sie sich von den etablierten diskursiven Normen absetzen. Spitzmüller (2012, 256s.) bezieht sich hier auf die skripturale Sichtbarkeit und im Besonderen auf «graphic ideologies», welche seiner Meinung nach wie folgt zu fassen sind: «[I]nteractants not only display values and beliefs towards and by means of languages and varieties, but also towards and by means of the use of graphic elements. Alongside language ideologies, sociolinguistics thus also needs to consider what I shall call graphic ideologies [. . .]. Drawing on Michael Silverstein’s (1979, 193) classic definition, graphic ideologies can provisionally be defined as any sets of beliefs about graphic communicative means articulated by users as a rationalization or justification of perceived orders and communicative use of graphic elements. ‹Graphic communicative means› thereby
92 Cf. Kapitel 1, Seite 5. 93 Naturalisierung meint in diesem Zusammenhang den Prozess, dass eine Norm als natürlich gegebene Sprache existiert und diese somit als «die» Sprache oder «der» Dialekt konzipiert wird, sodass ihr Konstruktionscharakter in einer Gesellschaft nicht mehr offensichtlich ist.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
subsume all sorts of communicative means that use the visual channel and that are used in texts (this, in turn, excludes nonverbal visual phenomena such as gesture)».
Für das Andalusische kann in diesem Zusammenhang zunächst konstatiert werden, dass eben Ideologien bezüglich einer korrekten Schreibweise als Hintergrundfolie für Identitätsakte konstitutiv dafür sind, dass in geschriebener Form das Andalusische bzw. die jeweiligen sprachlichen Realisierungen nicht also solche verschriftet werden, sondern diese erst durch das Heranziehen der Standardgraphie oder in Abgrenzung zum Standardspanischen sichtbar werden. So werden oftmals saliente Merkmale in Instanzen der Standardorthographie implementiert, sodass der Hinweis darauf, dass etwas Geschriebenes andalusisch ist, mittels Abweichung von der Standardorthographie geschieht. Es handelt sich somit also erst sekundär um einen Nicht-Standard handelt. Darüber hinaus ist bei Versuchen der Verschriftung des Andalusischen und der Etablierung einer Orthographie oftmals zu sehen, dass einige der im Andalusischen und Standardspanischen gleichen Phoneme intentionell durch verschiedene Grapheme repräsentiert werden, um graphisch eine Distanz zum Standardspanischen zu evozieren (eye dialect).
4.1.2 Identität und Sprache Dass Identität und Sprache zusammenhängen, ist häufig in der Forschungsliteratur über Identität zu lesen, und Indexikalität spielt hierbei eine zentrale Rolle, da über sie bestimmte Identitätskonstruktionen evoziert werden können (cf. Dyer 2007, 102s.).94 Im Zuge dieser Arbeit wird folglich ein soziologisches Verständnis von Identität zugrunde gelegt, bei welchem nicht von einer innewohnenden Identität ausgegangen wird. Es basiert vielmehr auf der Annahme, dass Identität konstruiert wird.95 Riley (2007, 87) formuliert in Bezug auf diesen konstruktivistischen Ansatz pointiert:
94 Überblicke über die Forschungsliteratur, die auf den Zusammenhang von Sprache und Identität eingehen, sind in zusammengefasster Form u.a. bei Edwards (2009), Narbona (2009), Deckert/Vickers (2011), Clark (2013) oder Evans (2016) zu finden. Morgenthaler García (2008, 69ss.) weist auf die konzeptionellen Unterschiede verschiedener Ansätze in der Literatur hin und gibt eine Übersicht über die romanistische Forschung auf diesem Gebiet. 95 Identität als Konstruktionsprozess und -produkt ist Teil der Forschungsgebiete der Geisteswissenschaften wie der Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft, Soziologie oder Geschichtswissenschaft. Diese vornehmlich soziologische Art der Auffassung von Identität ist diejenige, welche in dieser Arbeit Verwendung findet, allerdings handelt es sich um einen
4.1 Epistemologische Grundannahmen
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«In social terms, identity can, by definition, only be treated by reference to others since others are its principal source. Discussing social identity as if it were an intrinsic quality of one person makes about as much sense as discussing the sound of one hand clapping. I take this to be the point of Berkeley’s dictum Esse est percipi (To be is to be perceived) and Sartre’s ‹Il suffit qu’on me regarde pour que je sois ce que je suis› (It only needs someone to look at me to become what I am). Socially speaking, identity is as much the product of the gaze of others as it is of our own making». [Hervorhebung im Original]
Es geht also um eine identitäre Ko-Konstruktion auf individueller und gesellschaftlicher Ebene, wobei die Verortung selbst im Individuum liegt, welches seine Identität durch von anderen erhaltene exogene Sichtweisen formt. Insofern ist Identität einerseits gesellschafltich diskursiv, da diese überindividuell besprochen, ausgehandelt und konstruiert wird, andererseits auch individuell narrativ, da das Individuum durch die narrative Aktualisierung seiner spezifischen Geschichte ein mehr oder weniger kohärentes Ich schafft. Im oben aufgeführten Zitat wird deutlich, dass die Produktion von Identität eine entscheidene Rolle spielt. Morgenthaler García (2008, 155) merkt hierzu an, dass aus dem Blickpunkt der konstruktivistischen Theorien die Identitätskonstruktion als epistemologischer Prozess angesehen wird, welcher der Identität selbst inhärent ist. Aus diesen Ansätzen kann extrahiert werden, dass, obwohl Individuen über verschiedene und einzigartige Realitätskonstruktionen verfügen, diese einen hohen Grad an Ähnlichkeit erlangen und sich als soziale Konstruktionen aufgrund des Prozesses ihrer Operationalisierung in der sozialen Interaktion konstituieren. Die Gruppen werden daher mittels verschiedener sozialer Realitätskonstruktionen unterschieden, definiert und dienen somit als Quellkonstruktionen der Identität. Implizit hierbei ist ein passives Verständnis von Identitätskonstruktion, da sie als Erfahrungswissen der Individuen über die Existenz verschiedener Identitäten, die als sozial generiert angesehen werden, verfügen. Morgenthaler García (2008, 155) geht aber noch einen Schritt weiter und erweitert die Identitätskonstruktion um das Konzept der Agentivität, indem sie die Dichotomie einer klassischen Moderne sowie Spätmoderne aufnimmt: Aufgrund der Erfahrung der individuellen Fragmentation, der Entwurzelung und Ortsverlagerung, welche der Globalisierungsprozess und dessen neue soziale Ordnung auferlegt, sehen sich die Individuen auf ihrer Suche nach Kontinuität und Kohärenz mehr als in jedem anderen vorherigen Punkt
Themenkomplex, der weitaus vielschichtiger ist und in dieser Arbeit nicht in adäquater Weise vollständig dargestellt werden kann. Hauptsächlich anzusprechen wäre hier die Konzeption des Selbst in der (Sozial-)Psychologie, welche sich in einigen Bereichen grundlegend von derjenigen in der Soziologie unterscheidet. Eine Übersicht hierüber geben beispielsweise Burke/Stets (2009).
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
der Geschichte (des Okzidents) dazu gezwungen, die Schaffenden ihrer eigenen Identität zu sein. Hieraus werden folglich zwei Punkte deutlich: Die Identität ist einerseits ein Produkt sozialer Konstruktion, welche das Schaffen von lebbaren und anzueignenden Identitätskategorien bedingt, die sich ähneln und aufeinander beziehen oder sich voneinander abgrenzen. Andererseits gibt es in der Gegenwart, bedingt durch Globalisierungsprozesse, die offenbar zu einer Angleichung von Identitäten führen, eine soziale Notwendigkeit, dass Individuen ihre eigene Identität selbst durch verschiedene Kategorien differenzierter gestalten. Bochmann (2005, 20s.) gibt in diesem Zusammenhang an, dass «[e]s nicht zu übersehen [ist], dass angesichts eines übermächtigen Nationalstaates und heute noch dazu einer immer mächtiger werdenden globalen Tendenz kultureller Uniformierung Identitätskrisen und Entfremdungsängste entstehen, die besonders in kleineren Gemeinschaften mit unsicherem soziokulturellen Status eine Wiederbesinnung auf sprachliche und kulturelle Traditionen bis hin zur Forderung ihrer sprachpolitischen Aufwertung entstehen lassen. Der Globalisierungsdruck bringt lokalistische und regionalistische Gegenströmungen hervor [. . .]».
Diese Gegenströmungen sind im Spannungsfeld von Globalisierung und der Referenz auf lokale Besonderheiten zu sehen, und je nach Situation sind jeweils verschiedene Foci festzustellen, jedoch ist die Grundposition diejenige, dass «through social action, people participate in semiotic processes that produce their identities, beliefs, and their particular senses of agentive subjectivity» (Silverstein 1998, 402). Für Spanien ist zu konstatieren, dass in den letzten Jahren sowohl in der Forschung zur Plurizentrik (cf. Pöll 2012) als auch in der Gesellschaft selbst (cf. de Bustos Tovar 2009, 31ss.) ein stärkerer Fokus auf die Sprachen verschiedener Regionen festzustellen ist. In diesem Zuge werden verstärkt auch diatopische Varietäten und deren sozialer Status in den sie verwendenden Gesellschaften ins Bewusstsein gerückt. Hierbei handelt es sich um eine Aufwertung derselben, wofür u.a. das Andalusische ein Beispiel ist, da dieses durch seine strukturell divergente Entwicklung und seinen sozialen Status einen besonderen Platz im Varietätengefüge des Spanischen aufweist, wobei vor allem in der post-franquistischen Zeit eine Revalorisierung und ein zunehmend wichtiger identitärer Wert des Andalusischen zu beobachten ist (cf. Bossong 2000, 12s.).96 In Bezug auf den Gegenstand dieser Arbeit ist dieser Umstand von essentieller
96 Bossong (2000, 12s.) gibt zwar an, dass das Andalusische einen besonderen Platz einnimmt und daher in den Band Identidades lingüísticas en la España autonómica aufgenommen wurde, allerdings führt er selbst keine genauere Analyse der Aufwertung durch, wozu jedoch die vorliegende Arbeit Grundlagen schaffen kann.
4.1 Epistemologische Grundannahmen
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Bedeutung, da das Postulat, dass das Andalusische metapragmatisch mittels salienter Merkmale aufgewertet wird, den SprecherInnen eine agentive Rolle in der Konzeption und diskursiven Konstruktion ihrer Sprache beimisst. In Bezug auf Andalusien geht es um eine primär nationalidentitäre Konstruktion, welche per se im gesellschaftlichen Imaginarium konstruiert wird, wobei die Sprache als positiv besetzter Distinktionsfaktor zur Rechtfertigung des Postulats einer distinktiven Identität eine große Rolle spielt (cf. Anderson 2006). Der konstruktivistische Blick und die Grundannahmen in Bezug auf die soziale Identität, die dieser Arbeit zugrunde liegen, lassen sich wie folgt zusammenfassen (nach Bucholtz/Hall 2010, 19ss.): a) Identität ist als ein sich in immerwährender Entwicklung befindliches Produkt, welches diskursiv erzeugt wird, zu betrachten; b) Identitäten umfassen demographische Kategorien, lokale kulturelle Positionen und interaktionelle bzw. temporäre Rollen der SprecherInnen; c) Identitätsrelationen entwickeln sich in Interaktionen durch Indexikalitätsprozesse mittels der Nennung von Identitätskategorien, Annahmen zur eigenen und fremden Identität, durch evaluative Positionierung und durch Sprachstrukturen, die mit spezifischen Gruppen assoziiert werden; d) Identitäten werden intersubjektiv durch oftmals komplementäre oder sich überschneidende Konzeptionen konstruiert; e) Identitäten können intentional konstruiert und durch Fremdwahrnehmungen sowie exogene Zuschreibungen geformt werden, sodass es zu einer Identitätsverhandlung bzw. Anfechtung von Identitätskonstruktionen kommen kann, welche wiederum neue Konstruktionen nach sich zieht. Im Bereich des Andalusischen lässt sich festhalten, dass die Identität der AndalusierInnen auch, wie bereits mehrfach angeklungen ist, durch ihre eigene(n) Sprechweise(n), die sich in einem konstanten metapragmatischen Konstruktions- und Aktualisierungsprozess befinden, konstruiert wird. Dies geschieht im Besonderen in Anlehung an die sprachliche Gliederung der Iberischen Halbinsel, da andere bilinguale Comunidades Autónomas als Vorbild der identitären Eigenständigkeit avancieren, indem sie die Sprache über metasprachliche Diskurse als Mittel für die eigene Aufwertung und die Abgrenzung zu anderen spanischsprachigen Regionen der Iberischen Halbinsel nutzen. Die diskursive Konstruktion der Identität ist in diesem Zusammenhang stark intersubjektiv, da eine Kollektividentität auch in hohem Maße durch Diskurse über eine andersartige oder gar deviante Sprachform erzeugt wird, was nicht nur bei metapragmatischen Aussagen zur eigenen Identität und Sprache, sondern auch durch Fremdzuschreibungen
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
und -evaluationen, die beispielsweise in Medien hohe Wellen schlagen,97 zu beobachten ist. Sprache und Identität werden also als stark verbunden angesehen, wobei Johnstone (2010b) in Bezug auf enregisterment- und Revalorisierungsprozesse präzisiert, dass sich Sprache in der Identität verorten lässt, indem sie auf die grundlegenden Konzepte Indexikalität, Reflexivität, Metapragmatik und enregisterment eingeht und erläutert, dass sich eben durch diese Mittel Sprache als eindeutiger Identitätsträger und -überträger manifestiert. Dies ist insofern von Relevanz, als dass die Materialisierung von Identitätsakten sehr häufig sprachlich ausgedrückt wird. Diese Annahme wird bereits in der Forschung von Le Page/Tabouret-Keller (1985, 14)98 getroffen, die sprachliches Verhalten als «a series of acts of identity in which people reveal both their personal identity and their search for social roles» konzipieren, was impliziert, dass SprecherInnen immer agentiv ihre Identität durch Sprache ausdrücken. Identität ist somit eine Kategorie, auf welche SprecherInnen durch Identitätsakte mittels Sprache hinweisen.099 Selig (2015, 265s.) bringt dies in Bezugnahme auf Le Page/TabouretKeller zusammenfassend auf den Punkt: «[D]ie Sprecher [waren], wenn sie die ganze Breite der ihnen zur Verfügung stehenden Ausdrucksmöglichkeiten einsetzten, geleitet [. . .] von der Intention, eine bestimmte projection in der sprachlichen Interaktion zu verwirklichen, nämlich sich selbst in einer bestimmten Rolle bzw. Identität in der Kommunikation auszuweisen. Die Sprecher nutzten dafür die sprachlichen Formen, deren Konnotationen ihrer Meinung nach zur intendierten Identität passten und die deshalb diese Identität konnotativ evozieren oder bedeutungshaft symbolisieren konnten. Die Auswahl der sprachlichen Merkmale war also geleitet von den projections, den intendierten Rollenbildern, nicht von den Grenzziehungen um Sprachen oder Varietäten, und die Folge war, dass in den analysierten Texten häufig Sprach- und Varietätenmischungen zu beobachten waren». [Hervorhebungen im Original]
97 Dies ist z.B. an der Aussage Artur Mas‘ erkennbar, der 2011 im Parlament in Bezug auf die Bildungsdebatte und die Stellung des Katalanischen bzw. Kastilischen an katalanischen Schulen anführte, dass, bevor katalanische Kinder als erste Sprache Kastilisch lernen sollten, andalusische Kinder einen verstärkten Kastilischunterricht nötig hätten, da man diese nicht verstehe, wenn sie Kastilisch sprechen, katalanische Kinder jedoch schon. Hierbei handelt es sich um eine Fremdzuschreibung, die die Identität der AndalusierInnen mit der Sprache verknüpft. 98 Eine detaillierte und pointierte Einordnung der Theorie der Acts of identity, welche aus dem Bereich der Kreolistik stammt, ist bei Selig (2015) zu finden, welche diese auf die Entstehungsgeschichte des Französischen anwendet. 099 Hierzu gehören natürlich auch nicht-sprachliche Kategorien wie beispielsweise der Konsum bestimmter Güter, das Anpassen an spezifische Moden etc.
4.2 Indexikalität, indexikalische Ordnung
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Zentral ist hierbei, dass SprecherInnen sich sprachlicher Variation bedienen, um ihre Identitätsbilder – hier: projections –, die mit gewissen Merkmalen koinzidieren und verbunden werden, in sozialer Interaktion zu evozieren. Auf diese Identitätskategorien wird also sprachlich auf struktureller Ebene mittels der indexikalischen Funktion salienter sprachlicher Merkmale verwiesen (z.B. signalisiert das Nutzen des seseo die Zugehörigkeit zur andalusischen Kultur), was voraussetzt, dass eine gewisse Reflexivität vorhanden sein muss, da SprecherInnen nur Identitätsakte agentiv ausführen können, wenn sie sich der Identitätskategorien, an welche sie sich anpassen oder von welchen sie sich abgrenzen wollen, bewusst sind. Oftmals finden spezifische explizite oder implizite metapragmatische Diskurse über den Zusammenhang von Sprache und Identität statt, welche auch hier aktiv zu einer Verknüpfung dieser beitragen. Johnstone (2010b, 34s.) führt an, dass das Wissen um indexikalische Zusammenhänge einem Prozess der Stabilisierung unterliegt, wenn diese wiedererkannt und immer wieder aktualisiert werden können, was sie als Teil der enregisterment-Prozesse100 begreift. Es ist zu sehen, dass die aktive Situierung der SprecherInnen im sozialen Raum durch Identitätsakte zentral bei einer Behandlung der Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät ist, da eine Aufwertung der eigenen Varietät mit einer Aufwertung der Identität einhergeht, weshalb sich beide Ebenen gegenseitig bedingen und voneinander nicht zu trennen sind.
4.2 Indexikalität, indexikalische Ordnung und das indexikalische Zeichen in der Soziolinguistik Seit den Anfängen des Strukturalismus wurde de Saussures (1967 [1916])101 Dichotomie von signifiant und signifié in der Sprachwissenschaft viel Beachtung geschenkt und bis heute ist das Begriffspaar Bestandteil von Einführungen in die Sprachwissenschaft. De Saussures Konzeptionen wurden vielfach rezipiert und für eigene Forschungsansätze adaptiert, wobei beispielsweise die Doppelseitigkeit des sprachlichen Zeichens und dessen reziproke Evokation von Ogden/Richards (1985) zu einem semiotischen Dreieck weiterentwickelt wurde.102 Im
100 Die enregisterment-Prozesse werden in Kapitel 5 en detail behandelt. 101 Die hier genutzten Termini signifiant, signifié, langue, parole und valeur sind de Saussure (1967 [1916]) entnommen. 102 Zur Geschichte der Auseinandersetzung mit de Saussure in der romanistischen Sprachwissenschaft cf. Kremnitz (2016, 216ss.).
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Laufe der Zeit gab es viele weitere Theorien zum sprachlichen Zeichen, welche in dieser Arbeit nicht extensiv behandelt werden können. Doch ist Silversteins (2003) Arbeit Indexical Order and the Dialectics of Sociolinguistic Life für diese Arbeit in Bezug auf die Grundannahmen dessen, wie das sprachliche Zeichen aufzufassen ist, von zentraler Bedeutung. Die Zeichenhaftigkeit sprachlicher Merkmale spielt eine zentrale Rolle bei der Indexikalität, weshalb es im folgenden Unterkapitel darum gehen wird, Silversteins Arbeit zur Vielschichtigkeit des sprachlichen Zeichens im sozialen Raum zugänglich und für die Analyse des enregisterment-Ansatzes im Rahmen dieser Arbeit fruchtbar zu machen; nicht zuletzt, da indexikalische Zeichen103 und die indexikalische Ordnung integrativer Bestandteil von Aghas (2003) Ausführungen sind.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein Das sprachliche Zeichen in der Konzeption von signifiant und signifié sieht ein Lautbild (image acoustique) und eine Vorstellung (concept) vor. In der soziolinguistischen Forschung ist dieses Bild allerdings, wie bereits oben erwähnt, erweitert worden, da verschiedene Realisierungen des Lautbildes nicht nur eine Vorstellung außersprachlicher Konkreta und Abstrakta evozieren, sondern eine Reihe weiterer Faktoren «mitschwingen». Saussures Dichotomie ist daher eher auf eine Satzgrammatik applizierbar, in welcher der Wert (valeur) auf paradigmatischer und syntagmatischer Ebene nicht zwangsläufig kontextuell in einem soziologischen Sinne sein muss. Der (soziale) Kontext spielt allerdings in der Soziolinguistik eine maßgebliche Rolle. Um dies zu konkretisieren, soll ein Beispiel aus dem Roman El Amante Bilingüe von Juan Marsé (2009, 1) dienen: «Cuando empecé a sospechar que Norma me engañaba, pensé en Eudald Ribas o en cualquier otro señorito guaperas de su selecto círculo de amistades, pero no tardé en descubrir que su debilidad eran los murcianos de piel oscura y sólida dentadura. Charnegos de todas clases. Taxistas, camareros, cataores, tocaores de uñas largas y ojos felinos. Murcianos que huelen a tabaco, a sudor, a calcetín sucio y a vinazo. Guapos, eso sí. Aunque éste
103 Die Art und Weise, in der Indexikalität als Konzeption in der Sprachwissenschaft Verwendung findet, ist vielseitig. In der vorliegenden Arbeit werden Indices als Grundpfeiler der Registerformation und -transformation angesehen, wobei z.B. Tacke (2015, 53ss.) in seiner Untersuchung der Beziehung von Sprache und Raum in der Romania auf die Indexikalität des Sprechens eingeht und hier das Sprechen in einer spezifischen Sprache bzw. einem Dialekt selbst als indexikalisch einordnet und beschreibt. Ähnliches wird u.a. auch von Frekko (2009) spezifisch für das Katalanische geleistet.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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no parece tan joven ni tan irresistible. Un tipo de unos cuarenta años, moreno, de nariz ganchuda, pelo rizado y largas patillas. Un charnego rematado que no se atreve a mirarme a los ojos. Y yo sigo sin saber qué hacer. – Hosti, tú –susurró pensativo en catalán, mirando al suelo-. I ara qué? – No se haga uzté mala zangre – insiste el hombre-.104 Mecachis en la mar. . .[. . .]».
In findet sich sowohl der stereotypisierte Lautköper [θaŋɡɾe]105 als auch die Vorstellung ‘Blut’. Der in dem Roman dargestellte katalanische Gesprächspartner dekodiert das Zeichen aber noch zusätzlich: Es wird einer Gesprächspartnerin bzw. einem Gesprächspartner, die bzw. der mit dem spanischen Kontext vertraut ist, sofort klar, dass es sich um einen Sprecher aus dem Süden Spaniens handeln muss, welcher stereotypisch aufgrund der Merkmale auch in Sevilla verortet werden kann. Dies ist anzunehmen, weil das im Roman graphisch angepasste Wort nicht der normspanischen Aussprache von als [saŋɡɾe] entspricht und im Allgemeinen angenommen wird, dass dies die Aussprache eines Einwohners aus der Unterschicht Sevillas sei, da seine Aussprache den ceceo aufweist. Dies ist insbesondere als stereotypisch zu verstehen, da nach Morillo-Velarde Pérez (2009, 169) ca. 30% der AndalusierInnen diese Realisierung aufweisen und Sevilla dem ceceo-Gebiet zuzuordnen sei.106 Durch die konsonantische Varianz, die als deviant zur Norm aufgefasst wird, sind beispielsweise die folgenden Implikationen im sprachlichen Zeichen enthalten, welche bei der Realisierung evoziert werden: 1. Die denotative Bedeutung dieses sprachlichen Zeichens ist ‘Blut’. 2. Die metaphorische Bedeutung dieses Zeichens ist im Verbund «no hacer mala sangre» zu sehen, was in diesem Kontext deeskalierend etwa ‘kein böses Blut fließen lassen’ bzw. ‘keine Eskalation herbeiführen’ bedeutet. 3. Der Sprecher stammt aus dem Süden Spaniens. 4. Der Sprecher benutzt eine von der Norm deviante sprachliche Realisierung, welche eher der Unterschicht zuzuordnen ist. 5. Der Sprecher ist männlich. 6. Der Sprecher hat einen niedrigen sozioökonomischen Status.
104 Selbst wenn hier von Einwohnern aus Murcia und nicht aus Andalusien gesprochen wird, so fällt dennoch auf, dass es sich bei den Sprechsequenzen des Liebhabers um solche eines Andalusischsprechers handeln muss, da der ceceo in Murcia nicht realisiert wird (HernándezCampoy 2003, 624). Zur Verbreitung des ceceo siehe Kapitel 3.3. 105 Der Lautkörper ist insofern stereotypisiert, als dass hier nicht die tatsächliche Realisierung im Vordergrund steht, sondern die Vorstellung dessen, wie dieser prototypische Sprecher das Merkmal realisiert. 106 Für eine genauere Darstellung des ceceo siehe Kapitel 3.3.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
7. Der Sprecher ist viril. 8. Der Sprecher hat einen niedrigen Bildungsstand. 9. Der Sprecher hat geringe intellektuelle Fähigkeiten.107 Durch diese Auflistung, welche von «konkreteren» Einheiten hin zu gesellschaftlich abstrakten führt, wird bereits deutlich, dass das sprachliche Zeichen in Benutzung im Kontext viel mehr als dessen denotative Bedeutung umfasst. Beim indexikalischen Zeichen kann es sich um ein sprachliches Zeichen handeln, was aber nicht zwingend der Fall sein muss. Es ist beispielsweise möglich, Zittern als indexikalisches Zeichen zu verstehen, dessen Motivation ist, anzuzeigen, dass die zitternde Person friert. Eine derartige Motivation ist aber auch durch ein sprachliches Zeichen, wie man an den verschiedenen Bedeutungsebenen von [θaŋɡɾe] sieht, möglich. Der Kontext und außersprachliche Zeichen (z.B. Kleidung) spielen hier eine zentrale Rolle, wie Silverstein (2009, 756) verdeutlicht: «Indexicality is just the principle of contextualization of linguistic and other signs-in-use, seen as a component of the meaning of the occurring sign-forms. Indexicality is revealed in the way that, by degrees, linguistic and other signs point the users of these signs to the specific enveloping conditions in which they use them».
In einem Prozess weiterer Formalisierung hat Silverstein (2003) ein Instrumentarium – in Anlehnung an Labovs (1972, 178ss.) Taxonomie von indicator, marker und stereotype – geschaffen, mithilfe dessen es möglich ist, derartige Zeichenkomplexe greifbarer zu machen und zu beschreiben. Der Vorteil seines formalisierten theoretischen Instrumentariums besteht darin, dass es den Kontext des Auftretens von Varianten in die Taxonomie aufnimmt und diesen als genauso wichtig wie die Varianten selbst darstellt (cf. Clark 2013, 96). Zunächst ist die allgemeine sprachstrukturelle Form zu sehen, welche er als «n-th order indexical» ansetzt (Silverstein 2003, 193); n steht in diesem Fall als Variable für einen sprachlichen Ausdruck oder aber für ein sprachliches Merkmal. Order bedeutet, dass der Ausdruck in einem geordneten Verhältnis zu anderen Bedeutungsebenen dieses Zeichens steht. Um dies näher betrachten zu können, soll zunächst eine grundlegende Definition von Index herangezogen werden (Bußmann 1990, 330): «In der Semiotik von CH. S. PIERCE [sind Indices eine] Klasse von Zeichen, bei denen die Beziehung zwischen Zeichen und Bezeichnetem nicht auf Konvention (Symbol) oder Ähn-
107 Diese kurze Analyse soll für den Moment die Komplexität dieser Äußerung darstellen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit oder Angemessenheit der Nennung aller möglichen indexikalischen Verknüpfungen zu erheben.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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lichkeit (Ikon) beruht, sondern eine direkte reale (kausale) Beziehung zwischen einem ‹Anzeichen› und einem tatsächlich vorhandenen, singulären Objekt ist. Indices sind hinweisende (auf Erfahrung basierende) Zeichen: ein beschleunigter Puls ist ein I[ndex] für Fieber, Rauch ein I[ndex] für Feuer».108
Diese Erklärung beinhaltet eine Wenn-dann-Beziehung, was bedeutet, dass, sobald das indexikalische Zeichen geäußert wird oder auftritt, eine Verbindung zu einem Konzept kontextuell aufgerufen wird. Dies impliziert für die Äußerung einer andalusischen Sprechform konkret, dass eine Spanierin bzw. ein Spanier sofort das kontextuelle Wissen um das Andalusische aufruft, wohingegen einer Person, die mit der Kultur nicht vertraut ist, dieses kontextuelle Wissen nicht zur Verfügung steht, weshalb das indexikalische Zeichen für sie als solches nicht derartig interpretierbar wäre. Vereinfacht dargestellt würde dies bedeuten, dass wenn [θaŋɡɾe] geäußert wird, gleichzeitig die regionale Herkunft der Sprecherin bzw. des Sprechers als andalusisch respektive südspanisch erkannt wird. Das indexikalische Zeichen hat nach Silverstein (2003, 193s.) zwei Implikationen, welche in der Definition von Bußmann (1990, 330) nicht berücksichtigt werden: Wenn es geäußert wird, geschieht dies in einem Kontext, in welchem es als adäquat betrachtet wird. Dies bedeutet konkret, dass die Auswahl der Merkmale in ihrer Ko-Okkurrenz kongruent sein muss, sodass nicht kongruent genutzte Merkmale zu einer Situation führen, in der SprecherInnen bemerken, dass diese nicht zueinander passen.109 Die Äußerungen und der Kontext, in welchen ein indexikalisches Zeichen genutzt wird, evozieren wiederum eine Bandbreite von weiteren kontextuellen Verbindungen in kausaler Linearität. Somit ergibt sich diskursiv ein ganzes Spektrum an Implikationen, die durch die Äußerung eines indexikalen Zeichens entstehen. Die vielfältigen sozialen Kategorien, die auf die sprachliche Varianz angewandt werden, nennt Silverstein (2003, 194) ethno-metapragmatisch. So ist es beispielsweise nur möglich, dass sich eine diastratische Variation in Labovs Studie zu den Varianten von /r/ ergibt, wenn es zuvor eine soziale Unterscheidung verschiedener Strata gab. Das indexikalische Zeichen wird gewissermaßen in diesen Kontext, welcher als semiotischer Rahmen funktioniert, eingebettet.
108 Pierce (1932, 172) formuliert in Bezug auf Indices, dass, «[p]sychologically, the action of indices depends upon association by continguity, and not upon association by resemblance or upon intellectual operations». 109 Dies wird im Laufe des Kapitels noch weiter ausgeführt werden. Als Beispiel kann für den Moment eine Situation dienen, in der eine Sprecherin bzw. ein Sprecher einer plattdeutschen Varietät anstatt Moin die in Süddeutschland vielfach benutzte phatische Formel Grüß Gott äußert. Hier ist zu sehen, dass die Merkmale für den jeweiligen Kontext in ihrer Ko-Okkurrenz als adäquat betrachtet werden müssen.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Ohne diesen Rahmen würde es nicht existieren – was aber nicht suggerieren soll, dass sich die SprecherInnen immer dieser Kategorien bewusst wären. Sobald ein solches indexikalisches Zeichen im mikrosozialen Kontext110 geschaffen wird, tritt ein weiterer Prozess ein, den Silverstein (2003, 194) wie folgt charakterisiert: «[O]nce performatively effectuated in-and-by its use, the n-th order indexical form can itself also be conceptualized as well in terms of its n + 1st order indexical relationship to context. That is, it is as though a coterminous (or at least formally overlapping) indexical form presupposes as well a transcendent and competing overlay of contextualization possibly distinct from the n-th order one with which we began, a ‹virtual› contextualization that is brought into being as a function of the way ideologically- (or culturally-)laden metapragmatics engages with n-th order indexicality in the characteristic mode of giving it motivation (for example iconic motivation with respect to a schema of values). N + 1st order indexicality is thus always already immanent as a competing structure of values potentially indexed in-and-by a communicative form of the n-th order, depending on the degree of intensity of ideologization».
Es bedarf zunächst einer Entzerrung dieser verdichteten Erklärung, um die nächsten Prozesse in der Ordnung indexikalischer Zeichen zu verdeutlichen. Sobald ein indexikalisches Zeichen in seinem und durch seinen Gebrauch die oben beschriebenen Verbindungen anzeigt, kann es einen Resemiotisierungsprozess durchlaufen, der innerhalb des von dem Zeichen evozierten Kontexts erfolgt, was dann ein Zeichen n+1. Ordnung wäre. Dies heißt, dass das Zeichen, welches formal immer noch dasselbe ist, eine weitere Bedeutungsschicht erhält. Diese hat natürlich zur Voraussetzung, dass die erste Bedeutungsschicht noch existiert, da die zweite Bedeutungsschicht gewissermaßen noch immer «durchscheint» und diese dann erweitert (nach Silverstein «transzendiert»). Die Beziehung ist nicht arbiträr, denn es findet gewissermaßen eine Ableitung oder Weiterentwicklung statt. In dieser Phase stehen laut Silverstein (2003, 194) die beiden Schichten in einer dialektischen Beziehung, was bedeutet, dass sich nun mehrere Bedeutungsebenen mit ihren jeweiligen Kontexten, die sich zum Teil überschneiden, gegenüberstehen und verschiedene Motivationen evozieren können. Das indexikalische Zeichen 1. Ordnung wird durch metapragmatische Aussagen erzeugt, welche das indexikalische Zeichen n. Ordnung «instrumentalisieren» und es kulturellen oder ideologischen Kategorien zuordnen und mit ihnen indirekt verknüpfen, sodass diese nun auf sie verweisen. So könnte man beispielsweise sagen, dass die Variante [θ] – in diesem Fall der ceceo – durch die Ideologie einer «korrekteren» Sprache als einer anderen – in diesem Sinne ein
110 Unter mikrosozialem Kontext soll die direkte Interaktion zwischen SprecherInnen gemeint sein, d.h. kleine Gruppierungen von SprecherInnen, die sprachlich interagieren.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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Standard bzw. eine Norm – eine Resemiotisierung erfährt und somit die Motivation nicht mehr nur als lokale Varianz, sondern als das Fehlen von Bildung oder des Zugangs zu Institutionen, die die Standardsprache repräsentieren, beschrieben werden kann. Das indexikalische Zeichen n. Ordnung wäre hier die Evokation lokaler Varianz als diatopische Varietät bei einer ceceo-Realisierung. Somit wird auch klar, durch welchen ideologischen Rahmen die Abfolge der Zeichenbildung vonstattenging: Einerseits die Annahme, dass es diatopische Varietäten einer Sprache gibt, und andererseits die Annahme, dass es eine korrekte Sprachform gibt, in Bezug zu welcher die dialektale Realisierung deviant ist. Metapragmatisch hat hier eine sehr generelle Bedeutung, nämlich diejenige, dass explizit von SprecherInnen über die sprachliche Variation – hier die Variable n – gesprochen und diese im Hinblick auf soziale und ideologische Kategorien hin kommentiert und bewertet wird.111 Metapragmatische Aussagen werden nach Silverstein (2003, 196) durch den Filter makrosoziologischer ideologischer Kategorien und Konzepte getätigt. Wie oben bereits erwähnt, ist beispielsweise eine Metaaussage über eine diatopische Variable nur möglich, wenn makrosoziologisch der Raum in einem soziopolitischen Sinne besetzt ist (z.B. durch die Nation oder einen anderen Verbund), in welchem die Sprache als allen angehörig angesehen wird. Innerhalb dieses übergeordneten Konzepts entsteht folglich erst «lokale» Varianz, welche dann als diatopische Varietät eingestuft wird bzw. werden kann. Somit sind makrosoziologische Kategorien und Konzepte eng mit den täglichen Äußerungen der SprecherInnen verknüpft und Silversteins (2003) Modell trägt dieser komplexen Struktur Rechnung, sodass Varianz nicht mehr per se unabhängig von größeren sozialen Strukturen, Denkmustern und Rahmenbedingungen ist. Zwei Schaubilder, die Silverstein (2003, 195/201) benutzt, sollen auch hier aufgenommen und diskutiert werden. Zuerst soll das Schaubild 1 zur mikro-kontextuellen Semiotik der Indexikalität (Silverstein 2003, 195) herangezogen werden. Die Grafik zeigt im oberen Teil in formalisierter Form das indexikalische Zeichen in seiner Komplexität bei einer singulären Okkurrenz. Es befindet sich auf dem Punkt t0 – dem gegenwärtigen Zeitpunkt («Echtzeit») als singulärem Ereignis – auf der Zeitachse. Somit umfasst das Schaubild sowohl die Zeit vor der Äußerung des indexikalischen Zeichens als auch die zukünftige Zeit nach dessen Äußerung. Die Vorannahme (presupposition) bedeutet hier, dass SprecherInnen Vorkonzeptualisierungen und Assoziationen – also ein bereits
111 Metapragmatik umfasst nach Verschueren (2004) darüber hinaus sozial-kommunikative Handlungen, deren Objekt selbst wieder kommunikative Handlungen sind (cf. Spitzmüller 2013b). Dies bedeutet eben auch, dass nicht nur Metasprache hinzugezählt werden muss, sondern auch extrasprachliche kommunikative Handlungen, die reflektiert werden.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
ideologies articulating cultural valorizations
t0
metapragmatics CONTINGENCY OF OCCURRENCE
presupp.
temporal and/or causal
[ . ] entailm.
“context” (non-cotextual) ]
[“poetic” structure of cotextuality ]
[denotational textual structure [grammaticosemantic structure
]
Schaubild 1: Mikrokontextuelle Semiotik des indexikalischen Zeichens nach Silverstein (2003, 195).
vorhandendes Vorwissen – bezüglich der Bedeutung des Zeichens in einem bestimmten Kontext haben und es kodiert mithilfe dieses Wissens äußern. Dies impliziert auch, dass das Zeichen erst geäußert wird, wenn es für den Kontext adäquat erscheint, was beinhaltet, dass das Zeichen durch makrokontextuelle Faktoren bereits präkonfiguriert ist. Darüber hinaus muss dieses indexikalische Zeichen interpretierbar und somit in seinem Vorkommen effektiv und zielführend für den Gesprächsmoment in der jeweiligen Situation sein. Nachdem das indexikalische Zeichen geäußert worden ist, weist dieses einen Effekt (entailment) auf, der weitere, das Zeichen betreffende Kontexte – wie bereits weiter oben beschrieben – eröffnet. Da Silverstein (2003, 195s.) daran gelegen ist, das Zeichen als nicht komplett linear darzustellen, verdeutlicht er dies durch einen «Text im Kontext» (text-in-context) als horizontale Linie unterhalb der Zeitachse. Zunächst ist die Linie bis t0 durchgezogen, da vor der Äußerung des Zeichens gewisse Voraussetzungen für die Äußerung gegeben sein müssen und makrokontextuelle Faktoren bereits gesellschaftlich geprägt sind, welche dann das indexikalische Zeichen prägen. Nach t0 ist die Linie gestrichelt, da die Effekte nun nicht mehr in ihrer Gänze vorhersagbar sind, sondern das Zeichen wiederum neue Kontexte eröffnet und diese durch die SprecherInnen kreativ genutzt werden können. Die Aufhebung «gänzlicher» Linearität erfolgt dadurch, dass ein kurvenartiger, gestrichelter Pfeil über die metapragmatische Ebene über Ideologien, die kulturelle Wertigkeiten formen (ideologies articulating cultural valorizations), bis nach der Äußerung des indexikalischen Zeichens ausgeht
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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und fortwirkt. Somit ist das indexikalische Zeichen in seiner kulturellen Erscheinung pluridimensional, da metapragmatische Äußerungen, die anhand eines Systems an Ideologien kultureller Wertigkeiten entstehen, auch nach der Äußerung weiterhin vorhanden sind. Folglich erscheinen ein direktes Davor und Danach an dieser Stelle als nicht sinnvoll, da beide zusammen gedacht werden müssen. Das soeben beschriebene System kultureller Ideologien bedarf noch weiterer Erläuterungen; es ist beispielsweise anzunehmen, dass die Unterscheidung der Anredeformen von du und Sie darauf schließen lässt, dass der soziale Raum stratifiziert ist und Hierarchien vorhanden sind, was ein Beispiel für die von Silverstein benannten Ideologien ist. Je nach Kontext macht es im Deutschen einen Unterschied, ob man eine ältere oder hierarchisch höher stehende Person siezt oder duzt.112 Dies bedeutet, dass metapragmatische Aussagen oftmals im Hinblick auf derartige Ideologien getätigt werden, wobei hier – wie im Schaubild durch die zwei Pfeile zwischen ideologies articulating cultural valorizations und metapragmatics gekennzeichnet – eine reflexive Beziehung besteht, da Metaäußerungen ihre übergeordneten Kategorien selbst beeinflussen können. Es spricht des Weiteren gegen eine vollkommene Linearität, dass es metapragmatische Äußerungen gibt, welche per definitionem eine Aussage über etwas bereits Gesagtes machen und somit auf eine vorherige Aussage rekurrieren. Abschließend ist noch der untere, nicht direkt zum indexikalischen Zeichen gehörende Teil des Schaubildes zu beschreiben. Hier handelt es sich um den Kontext, welcher drei verschiedene Ebenen beinhaltet, die erst zusammen das Zeichen ausmachen. Das, was Silverstein (2003, 195) «‹poetic› structure of cotextuality» nennt, ist als konnotative Ebene des Kontextes zu sehen. Poetisch ist der übertragene Sinn, welcher nur durch ein indexikalisches Zeichen ausgedrückt wird, also beispielsweise, dass [θaŋɡɾe] auf eine andalusische Herkunft hindeutet. Es ist insofern kotextuell, als dass dieser Bedeutungsschicht die denotative Ebene zugrunde liegt, welche auf das Beispiel aus El amante bilingüe rekurrierend das Konzept ‘Blut’ wäre. Heruntergebrochen auf die kleinste Einheit des indexikalischen Zeichens ist die grammatikalische und semantische Struktur zu nennen, welche bei [θaŋɡɾe] die Wortart Substantiv, das Genus Femininum und den Numerus Singular beinhaltet. Somit ist es auch möglich, beim indexikalischen Zeichen von einer Makro- zu einer
112 An dieser Stelle ist wieder zu sehen, dass es bei der ideologischen Ausrichtung von gesellschaftlichen Ebenen darum geht, wie Gesellschaften sich ihre (Um-)Welt mithilfe kognitiver Einheiten und Ideen darüber sinnstiftend einteilen. Insofern ist hier die Grundidee, dass es Situationen gibt, in denen ein stärkerer sozialer Abstand zwischen SprecherInnen auch oftmals dezidiert mit sprachlichen Strukturen gefestigt wird.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Mikroperspektive der Analyse zu gelangen, und Silverstein liefert hierfür ein geeignetes Instrumentarium zur Beschreibung.113 Es ist allerdings nicht sinnvoll, das sprachliche indexikalische Zeichen nur in seinem mikrokontextuellen und singulären Erscheinen darzustellen, da ihm erst in einem größeren Rahmen und in Verbindung mit weiteren indexikalischen Zeichen sowie anhand soziokultureller Konzepte ein sozialer Wert zugeschrieben wird. Daher hat Silverstein (2003, 201) ein Schema geschaffen, dass diesen Umständen Rechnung trägt und eine genauere Analyse des Index in seinem Aufkommen und seiner Benutzung erlaubt:
MACROCONTEXT
microcontext [[[[
∙
]]]]
INHABITABLE CATEGORIES OF IDENTITY = partitions of social space values assoc. w/partitions essentializations (naturalizations) authorization from ritual practice
Schaubild 2: Soziokultureller Makrokontext für das Verwenden eines indexikalischen Zeichens (Silverstein 2003, 201).
Die Graphik stellt den Makrokontext, in dem ein Index vorkommt, dar und platziert den Mikrokontext darin. Das Besondere ist hier, dass Silverstein (2003, 201) die makrokontextuellen Ausprägungen als bewohnbare Identitätskategorien (inhabitable categories of identity) bezeichnet, welche er ausdifferenziert. Hierbei handelt es sich um Kategorien, nach welchen einzelne Individuen und Gesellschaften ihre Lebensform ausrichten. Diese werden kulturell tradiert, allerdings
113 In diesem Zusammenhang ist auch auf Blanks (2001, 129ss.) Modell der Drei-EbenenSemantik hinzuweisen, welches eine vertiefte Auseinandersetzung im Bezug auf das einzelsprachlich-lexikalische Wissen als lexikalisches Wissen sowie auf das einzelsprachlich sememische Wissen und das außersprachlich enzyklopädische Wissen als Bedeutungswissen liefert. Für zukünftige Studien ist eine Implementierung des Modells wünschenswert, um zu einer noch genaueren Ausdifferenzierung der Nutzung des indexikalischen Zeichens zu kommen, was in diesem Rahmen aber nicht geleistet werden kann.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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unterliegen sie auch einem historischen Wandel. Die Identitätskategorien werden hier in vier Bestandteile, zwischen denen ein Austausch besteht, eingeteilt und zwischen denen eine gegenseitige Beeinflussung in ihrer Abfolge angenommen werden kann. Als erster Einflussfaktor von Identitätskategorien ist hier die Aufteilung des sozialen Raumes (partition of social space) genannt. Dieser Bestandteil umfasst die Annahme, dass der soziale Raum stratifiziert ist, was bedeutet, dass Menschen in der Gesellschaft bestimmte soziale Räume «bewohnen» und andere wiederum nicht, was eine soziale Ungleichheit zur Folge hat. Die zweite Kategorie geht einen Schritt weiter und fasst die sozialen Werte, die mit der Aufteilung des sozialen Raumes einhergehen, als Teil der Identitätskategorien auf (values associated with partitions). Diese Darstellung ist insofern sinnvoll, als dass das Versehen der verschiedenen Teile mit sozialen Werten überhaupt die Aufteilung zur Voraussetzung hat. Von diesem Punkt aus findet dann eine Essentialisierung bzw. Naturalisierung (essentialization/naturalization)114 statt. Dies bedeutet, dass die Aufteilung des sozialen Raumes und die dort distribuierten Werte als «normal» und «natürlich» konstruiert werden. Zuletzt bedarf es der Autorisierung durch ritualisiertes Handeln (authorization from ritual practice), da Rituale durch gesellschaftliches Handeln repetitiv und diskursiv geformt, bestätigt und gefestigt werden. Das soll bedeuten, dass gewisse Kategorien, die konstitutiv für die Identität sind, diskursiv – sowohl in sprachlicher Form als auch im Hinblick auf andere soziale Rituale, Umgangsformen etc. – durch die Mitglieder der Gesellschaft geformt werden und die Möglichkeit oder ggf. sogar der Zwang besteht, sich diesen Diskursen anzuschließen. Diese soziokulturellen Rituale manifestieren sich in mikrokontextuellen Praktiken, welche sich indexikalischer Zeichen bedienen. Silverstein (2003, 202) hat das Verhältnis zwischen Mikro- und Makrotext folgendermaßen beschrieben: «[W]e think macro-sociologically of conventional or institutionalized qualitative and perhaps quantitative frameworks of social differentiation – partitions and gradations of social space, we might term them – that are presupposed/entailed in-and-by the specifics instantiated in micro-context as it develops during interaction. Individuals inhabiting such roles as sender-receiver-referent-audience-etc. come to be identified with, even assigned to, positions in such social partitions and gradations in the course of discursive interaction. Socioculturally identified (from the presuppositional point of view) or placed, as it were (as an indexical entailment of language use). Just as at the plane of realtime denotational-textual function we assume that there are perduring grammars and (denotational) discourse
114 Silversteins (2003, 202) Definition lautet folgendermaßen: «An essentialization or naturalization is a discovery of ‹essences›, qualities or characteristics predictable-as-true of individual things (including persons, events, signs of all sorts), and in particular predictable-as-true independent of the micro-contextual instance of presentation of the thing at issue».
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genres, so also do we understand that such perduring structures of categorial differentiation as sociological age, gender, social and socioeconomic class, profession, and other aspects of what we term institutional/positional social identity as these are relevant to interactionally accomplished indexicality. [. . .] Micro-sociological contexts are in a sense composed of a dynamic structure-in-play of these categorial distinctions [. . .] interactional happenings are social-actional ‹events› of (to a degree determinately) interpretable cultural meanings only to the degree they ‹instantiate› – indexically invoke – such macrosociological partitions of social space, in terms of which cultural value can thus be said to be indexically ‹articulated›».
Es wird deutlich, dass der Makrokontext sich durch Rahmen und Rahmenbedingungen konstituiert, innerhalb welcher der soziale Raum in Gesellschaften differenziert wird. In Silversteins (2003) exemplarischer Darstellung von Kategorien wie u.a. soziologisches Alter, Gender oder sozioökonomische Klasse, welche als Rahmen für soziale Ausdifferenzierung herangezogen werden können, sind diese somit – genauso wie die Annahme der Fortdauer von grammatikalischen, fixen Sprachstrukturen – als relativ stabile Kategorien zu verstehen, welche durch die Ordnung indexikalischer Zeichen konnotativ gebraucht und durch Sprache angezeigt werden können, ohne dass metadiskursive Äußerungen getätigt werden müssen. Um die oben beschriebenen Prozesse exemplarisch zu verdeutlichen, soll El Amante Bilingüe an dieser Stelle erneut als Beispiel zur Illustration bemüht werden: Der soziale Raum – hier die spanische Gesellschaft – wird stratifiziert und verschiedenen geographischen Räumen werden bestimmte soziale Räume zugewiesen. Diese sozialen Räume werden mit sozialen Werten115 versehen, welche in diesem Beispiel exemplarisch ökonomische Unterschiede zwischen Menschen und Regionen – hier zwischen Andalusien als ökonomisch schwacher und Katalonien als ökonomisch starker Region bzw. die Arbeitsmigration
115 Es gibt eine Vielzahl an sozialen Werten und viele von ihnen werden auch institutionell tradiert. Die Verbindung von Standardsprache, hoher Bildung und höheren sozialen Schichten steht einem dialektalen Gebrauch gegenüber, welcher mit geringer Bildung und niedrigeren sozialen Schichten assoziiert wird. Somit wird in diesem Beispiel ausdrücklich auch die Weitergabe eines sprachlichen Registers durch eine Institution deutlich. Dasselbe gilt darüber hinaus für nicht explizit mit Sprache befassten Institutionen, welche dennoch ein gewisses Register pflegen, an welchem sich die Mitglieder ausrichten. Als soziale Kategorie wäre hier beispielsweise die Gruppe der ÄrztInnen zu nennen, welche als «SpezialistInnen» auch eine als speziell und andersartig markierte Fachsprache – ebenfalls ein Register – pflegen, die diejenigen, die nicht dieser Gruppe angehören, ausschließt und dadurch die eigene Gruppe diskursiv konstituiert. Ein hier angenommenes medizinisches Register ist nicht ohne Weiteres von Laien zu verstehen.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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aus südlichen Gebieten nach Katalonien116 – in einem kapitalistischen System sind, welche als «normal» dargestellt werden. Es ist also naturalisiert, dass verschiedene gesellschaftliche Strata verschiedene sozioökonomische Räume der Gesellschaft «bewohnen». Hier ist es der arme Einwanderer aus dem Süden, der «natürlicherweise» als Schuhputzer arbeitet. Durch die Reproduktion der sozialen Systeme gibt es eine Kontinuität, in welcher diese Kategorien immer wieder durch Menschen eingenommen werden. Diese Kategorien werden durch gesellschaftliche Rituale tradiert, sodass es sich nicht um einen Einwanderer handelt, der eine hohe gesellschaftliche Stellung einnimmt, sondern seinen «prototypischen» Platz als «niedriger Arbeiter». Diese makrokontextuellen und durch die Gesellschaft geformten Ideologien und Identitätskategorien schlagen sich folglich auch in der Variation sprachlicher Aussagen nieder. Die reziproke Beeinflussung von mikro- und makrokontextuellen Erscheinungen wird hier besonders deutlich, denn diese Rituale – also auch Rituale im Sinne von diskursiv erschaffenen sozialen Strukturen – haben Einfluss auf die mikrotextuelle Ebene, da das indexikalische Zeichen n. Ordnung hierdurch als Grundlage der systematischen Ordnung erkannt und resemiotisiert werden kann. Nach der erfolgten Diskussion des indexikalischen Zeichens ist es notwendig, dessen Ordnung und Hierarchisierung darzustellen, welche zentral in Silversteins (2003) Argumentation sind. Er führt in seiner Darstellung der indexikalischen Ordnung (orders of indexicality) einige Beispiele zur Illustration an, von welchen an dieser Stelle das Beispiel zur Variabilität einer Norm im Kontext einer Standardsprache aufgegriffen werden soll. Zunächst scheint es für Silverstein (2003, 212) evident zu sein, dass jede Variable n potentiell eine Semiotisierung erfahren kann und somit zu einem Index wird, da sie potentiell als ein solcher fungieren und durch SprecherInnen als Instrument benutzt werden kann. Im Falle von diatopischen Varietäten wird das inhärente Konzept sichtbar, dass es SprecherInnen gibt, deren sprachliche Realisierungsformen – hier kann es sich beispielsweise um Varianten einzelner Phoneme oder eine größere Zahl derselben, aber auch um Lexeme oder gar Intonation handeln – in einem bestimmten Bereich – hier im Raum – variieren. Es geht also um die Einteilung von diatopischen Varietäten als Untergruppe einer Sprache, aber ebenso um die Ausdifferenzierung von Sprachgemeinschaften in verschiedene Unterkategorien. Somit werden mehrere Varianten n als Repertoire zusammengefasst, was dann bei Silverstein (2003, 217) indexikalische Zeichen 1. Ordnung – also 1st-order indexicals – sind. Wenn in der Dichotomie von diatopischer Varietät und Standardsprache die ideologische Annahme des
116 Eine Darstellung der Verteilung des BIP in Bezug auf die jeweiligen Autonomen Regionen Spaniens ist bei Raymond Bara/García Greciano (1994, 38ss.) zu finden.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
einheitlichen Standards vorhanden ist, ist auch anzunehmen, dass es Varianz innerhalb des Standards gibt. Zunächst wird von der Annahme ausgegangen, dass sich die übergeordnete Varietät – die Standardsprache – aus Varianten, die von SprecherInnen als normativ in bestimmten Kontexten angesehen werden, zusammensetzt (Silverstein 2003, 217). Die Standardsprache oder übergeordnete Varietät besteht also aus «n + 1st-order indexicals with respect to n-th-order, ‹dialectal› ones». Auf den ersten Blick scheint diese Aussage kontradiktorisch, da eine Erweiterung des Indexikalitätsgrades auf die Indexikalität 2. Ordnung anzunehmen wäre; allerdings ist der 2. Indexikalitätsgrad bei Silverstein (2003, 203) anders besetzt. Zunächst ist nochmals hervorzuheben, dass nach seinem Ansatz die Indices in dialektischer Beziehung zueinander stehen, weshalb der Indexikalitätsgrad heruntergebrochen wird. Das heißt, dass mehrere Varianten n als Repertoire zusammengefasst sind, welche dann gleichzeitig sowohl die Gruppe als auch die diatopische Varietät selbst als distinktive Einheiten bilden und diese indexikalisieren. Dies wäre eine Indexikalisierung 1. Grades, da hier zwei Ebenen impliziert sind: zum einen die Ebene der Variablen selbst (n), zum anderen die übergeordnete Ebene der diatopischen Varietät als Repertoire, welches die diatopische Varietät bildet (n + 1st-order indexicals). Ebenso verhält es sich mit der Standardsprache, da nach Silverstein (2013, 217) diatopische Varianz in einem dialektischen Verhältnis zur übergeordneten Standardsprache steht. Somit wären die diatopischen Varianten nun n und diejenigen, deren Zusammenfassung die Standardsprache ergeben, dann Indices 1. Ordnung. Somit ist eben das Verhältnis der Indices untereinander das zentrale Kriterium der indexikalischen Ordnung.117 An dieser Stelle wird allerdings nicht klar, inwiefern die Standardsprache sich aus verschiedenen diatopischen Varianten zusammensetzen muss, da Silverstein nicht weiter darauf eingeht. Es ist zu vermuten, dass dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss, da – wie im Kastilischen ersichtlich – eine Standardvarietät sich in ihrer diasystematisch kongruenten Form auch zu einer Standardsprache entwickeln kann. Dies impliziert, dass nicht zwangsläufig die Varianten verschiedener diatopischer Varietäten herangezogen werden müssen, sondern auch bestimmte Varianten einer einzelnen diatopischen Varietät hierzu dienen können.
117 An dieser Stelle soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass eine konstante Aktualisierung in ihrer Okkurrenz im Mikrokontext stattfindet, sodass zwar eine Kontingenz über eine längere Zeit essentiell ist, diese aber dennoch einem historischen Wandel unterliegen (cf. Eckert 2016, 82). Daher kann es vorkommen, dass Merkmale, die zuvor standardsprachlich markiert waren, zu neutralen Merkmalen werden oder umfunktionialisiert werden. Eine Präzisierung dieser Zusammenhänge wird in den kommenden Unterkapiteln erfolgen.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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Diese Ordnung kann nun auch weitergefasst werden und Silverstein (2013, 220) verbindet in diesem Zusammenhang die indexikalische Ordnung 2. Grades mit dem Konzept der Hyperkorrektur. Zunächst wird von der Standardsprache ausgegangen, welche hier die indexikalische Ordnung 1. Grades darstellt. Dies bedeutet, dass es sich um das dialektische Verhältnis von diatopischer Varietät n (sozialer Wert: Region) und Standardsprache n+1 (sozialer Wert: Prestige/ Norm) handelt. Da nun durch metapragmatische Äußerungen innerhalb des öffentlichen Diskursraumes Bilder von der Standardsprache und der diatopischen Varietät und den damit verknüpften ideologischen Assoziationen entstehen bzw. bereits vorhanden sind, können sich DialektsprecherInnen der Standardsprache bedienen. Allerdings wird durch die ungleiche Verteilung des Zugangs zur Standardvarietät Variation in der Standardsprache (beispielsweise durch Hyperkorrektur) erzeugt, sodass nun potentiell eine indexikalische Ordnung 2. Grades vorherrscht, da möglicherweise der Standard nicht «korrekt» durch die/den SprecherIn reproduziert wird. Das bedingt eine Umfunktionalisierung der Variable n innerhalb dieses Makrokontextes und durch diese wird nicht mehr ausschließlich die Zugehörigkeit zu einer Dialektgemeinschaft ausgedrückt, sondern eine ungenügende oder nur teilweise Beherrschung des Standards. Dies muss allerdings nicht nur ex negativo geschehen, da SprecherInnen auch bewusst Varianz innerhalb des Standards verorten und somit partikuläre Gruppenzugehörigkeit durch ein indexikalisches Zeichen anzeigen können. Das heißt folglich, dass eine Person, obwohl sie die Standardsprache beherrscht, innerhalb derselben auf diatopische Varianten zurückgreifen kann und somit performativ multiple Identitätskategorien willentlich ausdrücken kann: zum einen die Beherrschung der Standardsprache als Index für sozialen Rang, Bildungsgrad etc., zum anderen aber auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Dialektgemeinschaft je nach Intention. Somit sind in diesem Zusammenhang Variablen 2. indexikalischer Ordnung nur durch den Kontext der 1. indexikalischen Ordnung – der Standardsprache und deren mikro- und makrokontextuellen Ausdifferenzierung – zu sehen, da die Variablen 2. indexikalischer Ordnung nun im Referenzrahmen der Standardsprache ihre eigentliche Bedeutung als aktive Identitätsperformanz erreichen können.118 Silverstein (2003, 221s.) geht noch einen Schritt weiter und postuliert auch indexikalische Zeichen höherer Ordnungen. Als Beispiel beschreibt er
118 Dies soll nicht suggerieren, dass dies ausschließlich in einem solchen Rahmen stattfinden muss. Es ist auch denkbar, dass innerhalb des Gefüges von Standard und Dialekt eine Sprecherin bzw. ein Sprecher sich gänzlich dafür entscheidet, in einer bestimmten Gruppe von Standardsprecherinnen und -sprechern den Dialekt zu benutzen, um performativ zu signalisieren, dass diese bzw. dieser nicht der Gruppe angehört und dies ggf. nicht möchte.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
die Nutzung politisch korrekter Sprache anhand von grammatikalischen Morphemen in einem bereits existierenden Standard, hier sein bzw. ihr (his/her) und sie/ ihnen (they/them). Als Beispiel wählt Silverstein (2003, 221) den folgenden Satz: «Let’s not play around, kids; everyone put on their own coat(s)».119 Er beschreibt die indexikalische Ordnung hier folgendermaßen: Die SprecherInnen, deren Anspruch es ist, den Standard – also Formen 1. indexikalischer Ordnung – zu sprechen, erkennen durch metapragmatische Äußerungen im öffentlichen Raum, dass etwa ein his aufgrund der Genusmarkierung durch einen generischen Plural zu ersetzen sei, um die Äußerung nicht per se durch das Maskulinum zu klassifizieren, da dieses die grammatischen Feminina – und in der außersprachlichen Wirklichkeit Menschen weiblichen Geschlechts – grundsätzlich in der maskulinen Form aufgehen lässt. Um dieses Verhältnis zu umgehen, werden also generische Pluralia verwendet. Somit wird die Varianz der Standardvarietät – also Varianten 2. indexikalischer Ordnung (hier die Variation zwischen generischem Maskulinum und generischem Plural) – zu einem Repertoire innerhalb des Standards geformt, welche dann als Indices 3. indexikalischer Ordnung (sozialer Wert: politisch korrekt gegendert) dienen. Dies ist der Fall, da der Standard als solcher als Quelle der Varianz dient und die neu auf dieser Basis besetzten Indices eine Relation dazu darstellen. Somit handelt es sich um ein innerhalb des Standards höheres Register, welches u.a. anzeigt, dass die/der SprecherIn sich der Problematik des generischen Maskulinums bewusst ist und dieses mit Bedacht durch andere sprachliche Mittel, die zusammengefasst ein Register bilden, ausdrückt. Silverstein (2003, 221s.)120 beschreibt dies folgendermaßen:
119 Die diesem Satz zugrunde liegende Political Correctness wertet Silverstein explizit als «penibel» und «bourgeois». Auf diese Wertung soll in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden, es soll aber deutlich werden, dass diese Wertung in vorliegender Arbeit nicht geteilt wird. 120 Silversteins (2003, 222ss.) Ausführungen zur Oinoglossia – einem bestimmten Register von WeinkennerInnen, die sich mithilfe dessen über Wein «differenziert» unterhalten können – dienen außerdem als Beispiel für eine Indexikalität 3. Grades in seinem Artikel zur Darstellung dieses Sachverhaltes. Die Kernaussage ist, dass sich bei der diskursiven Schaffung dieses neuen Registers ein Überstandard entwickelt, der auf der Grundlage des Standards basiert, bei welchem aber ein zusätzliches Instrument zur Indexikalisierung sozialer Distinktion geschaffen wird, da der Überstandard von einer gesellschaftlichen Elite eingesetzt wird, um sich abzugrenzen. Man muss also sowohl des Standardenglischen mächtig sein, als auch dieses Überstandards, um die Zugehörigkeit zur Gruppe elitärer WeinkonsumentInnen indexikalisch anzuzeigen. Wörter, die im Standardenglischen eine gewisse semantische Bedeutung haben, werden resemiotisiert und dann als Index 3. Grades zu einem Signal dafür, dass jemand einer bestimmten sozioökonomischen Klasse angehört, distinguiert ist, usw.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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«So at this in effect 3rd-order of indexical value the erstwhile standard/nonstandard of {H}/{TH} [his/them] is being rapidly replaced by a new standard {TH} or equivalents, all of which at any rate avoid {H}».
Dies zeigt, dass eine Vielschichtigkeit innerhalb des Benutzungsspektrums indexikalischer Zeichen existiert, welche ausschließlich kontextuell erfasst werden kann. Aus dieser Darstellung ergibt sich dann die folgende Reihenfolge der indexikalischen Ordnung: 1. Index: n 2. Indexikalität 1. Grades: n+1 3. Indexikalität 2. Grades: ((n+1)+1) 4. Indexikalität 3. Grades: (((n+1)+1)+1) 5. Höhere Indexikalitätsstufen. . .121 Die verschiedenen Stufen bedeuten je eine höhere Abstraktion der vorherigen Stufe durch die Anwendung soziokultureller und soziodemographischer Kategorien, welche die Implikationen der vorherigen Stufe resemiotisiert, wobei diese noch immer immanent Teil des neuen indexikalischen Systems sind. Wie bei der Darstellung und Analyse von Silversteins (2003) Ausführungen deutlich wird, handelt es sich um einen theoretischen Ansatz, welcher mithilfe soziologischer Kategorien die Distribution, Funktion und Implikation sprachlicher Variation anhand eines Modells, das sich des indexikalischen Zeichens bedient, darstellt. Für die Untersuchung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Gegenstandes muss die geordnete Indexikalität in Bezug auf ihre soziale Verankerung noch soziologisch eingeordnet werden, damit ersichtlich wird, was es bedeutet, wenn Gesellschaften mittels indexikalischer Ordnungen soziale Hierarchien sprachlich erzeugen. Bourdieus (2001) Konzept des sprachlichen Marktes (marché linguistique) ist hierbei eine sinnvolle Einbettung, da sie darstellt, wie auf dem sprachlichen Markt die Bedeutung von Wörtern kreiert und
121 Wie in Kapitel 5.1. zu sehen sein wird, ist diese Interpretation der Aussagen Silversteins nicht immer die gleiche, wobei beispielsweise Johnstone et al. (2006) oder auch Beal (2017) von einer dreigliedrigen Einteilung der Indices von der ersten bis zur dritten Ordnung ausgehen, da sie bereits die Existenz von n als den ersten Indexikalitätsgrad ansehen, da die Variable per se ein variierendes Merkmal ist und somit bereits diatopische oder diastratische Gebräuche indiziert. In dieser Arbeit ist aber nicht entscheidend, ob man n bereits als ersten Indexikalitätsgrad annimmt oder nicht, sondern die Tatsache, dass einige Merkmale stärker sprachideologisch eingebettet und dadurch zur agentiven und nicht nur zur passiven Nutzung durch die SprecherInnen zur Verfügung stehen. Weiteres bezüglich der Wichtigkeit der Indexikalität 3. Grades für das re-enregisterment und Revalorisierung des Andalusischen wird in Kapitel 5.4. besprochen.
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4 Geordnete Indexikalität struktureller Merkmale als Analyseinstrument
Beziehungen zwischen ihnen «verhandelt» werden. Bourdieu (2001, 60s.) stellt in Hinblick auf den sprachlichen Markt die folgende Behauptung auf: «La grammaire ne définit que très partiellement le sens, et c’est dans la relation avec un marché que s’opère la détermination complète de la signification du discours. Une part, et non la moindre, des déterminations qui font la définition pratique du sens, advient au discours automatiquement et du dehors. Au principe du sens objectif qui s’engendre dans la circulation linguistique, il y a d’abord la valeur distinctive qui résulte de la mise en relation que les locuteurs opèrent, consciemment ou inconsciemment, entre le produit linguistique offert par un locuteur socialement caractérisé et les produits simultanément proposés dans un espace social déterminé. Il y a aussi le fait que le produit linguistique ne se réalise complètement comme message que s’il est traité comme tel, c’est-à-dire déchiffré, et que les schèmes d’interprétation que les récepteurs mettent en œuvre dans leur appropriation créatrice du produit proposé peuvent être plus ou moins éloignés de ceux qui ont orienté la production. À travers ces effets, inévitables, le marché contribue à faire non seulement la valeur symbolique, mais aussi le sens du discours».
Bourdieu (2001) verortet als Soziologe die Sinngebung von Nachrichten als Verhandlungsgegenstand in einem «sprachlichen Markt», auf welchem ein denotativer Wert sowie ein konnotativer Wert (valeur symbolique) im Sinne von soziolinguistischer Variation kreiert werden. Das Zitat verdeutlicht, dass bereits die Interpretationsschemata von SenderIn und EmpfängerIn sprachlicher Nachrichten, die sich nicht überschneiden (müssen), als Teil der Analyse Gebrauch finden und dass die Bedeutungskonstitution diskursiv erfolgt, was dem entspricht, was Silverstein (2003) mit dem Mikro- und Makrokontext umfasst. Der Vorteil bei Silverstein (2003) liegt allerdings in der Ausführlichkeit seiner Beschreibungen und der systematischen Darstellung des Verhältnisses von indexikalischen Zeichen in ihrer genauen Ausdifferenzierung des Mikround Makrokontextes. Darüber hinaus ist etwa bei Bourdieu kein Verweis auf die Vielschichtigkeit der Ordnung indexikalischer Zeichen zu finden. Man kann dennoch davon sprechen, dass sowohl Bourdieu als auch Silverstein ähnliche Konzepte davon haben, wie sich sprachliche Zeichen konstituieren und dass der Kontext für die Analyse nicht vernachlässigt werden darf. Der Unterschied hierbei ist aber auch, dass Bourdieus (2001) Ansatz zwar als Kritik der traditionellen Sprachwissenschaft im Umgang mit sprachlichen Zeichen zu sehen ist, Bourdieu aber dennoch keine sprachwissenschaftliche Analyse durchführt, da er grundsätzlich davon ausgeht, dass es sich beim sprachlichen Markt um Top-down-Prozesse handelt.122 Bei Silversteins (2003) Ansatz ist diesbezüglich keine Aussage zu finden, inwiefern die Prozesse sowohl
122 Eine hilfreiche Kritik und weitere Ausführungen bezüglich des sprachlichen Marktes in Bourdieus Werk sind bei Erfurt (2013) zu finden.
4.3 Das indexikalische Zeichen und die indexikalische Ordnung nach Silverstein
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von AkteurInnen unterer sozialer Schichten als auch oberer Schichten beeinflusst werden. Allerdings geht Agha (2007) in extenso auf diese Frage ein, weshalb dies in den Analysen zum enregisterment wieder aufgegriffen werden soll. Ein konzeptionelles Problem bei Silversteins (2003) Ansatz besteht zunächst darin, dass das, was er unter dem Makrokontext und dessen Zusammensetzung versteht, nicht leicht greifbar zu machen ist. Hierzu zählen beispielsweise die Identitätskategorien, die eine Sprecherin bzw. ein Sprecher ausfüllen und welchen sie bzw. er sich anpassen kann, aber auch Ideologien, anhand welcher SprecherInnen die Ordnung der indexikalischen Zeichen diskursiv erschaffen und welche sich durch den Diskurs festigen und tradieren lassen. Dies impliziert folglich auch bei Silverstein (2003) und Agha (2007) Machtstrukturen, welche sich in sprachlichen Strukturen manifestieren und die Ungleichheiten zwischen Menschen diskursiv erschaffen bzw. reflektieren und untermauern. Derartige Ideologien oder auch Kategorien sind nicht kategorisch zu ermitteln, da die Forscherin bzw. der Forscher sich ggf. eigener, durch Ideologien geschaffener Kategorien und Abstraktionen für die Analyse bedient, weshalb dieser Ansatz angreifbar wird, da eine totale Neutralität auszuschließen ist. Allerdings scheint dies der Fall in allen soziolinguistischen Analysen zu sein (cf. Boyer 2013, 139ss.), weshalb trotzdem die Anstrengung unternommen werden muss, soziolinguistische Prozesse zu erfassen und wissenschaftlich darzustellen. Silversteins Überlegungen sind daher für diese Arbeit von grundlegender Bedeutung, da Indexikalität als Grundbaustein bei der Konstruktion der diskursiven Varietät des Andalusischen und dessen Revalorisierung dient und somit als Analyseinstrument zentral ist, was noch genauer mithilfe des enregisterment-Ansatzes in Kapitel 5 erfolgen wird. Die Auffassung, dass es eine indexikalische Ordnung gibt, wird inzwischen von vielen ForscherInnen geteilt, was zu einer Reihe von Anwendungen und Erweiterungen des Konzepts vor allem im Bereich der Forschungen zum enregisterment geführt hat. Für die Darstellung des enregisterment-Ansatzes ist die Bezugnahme auf Indices und ihre Ordnungen unerlässlich, da sie das Untersuchungsinstrumentarium durch die theoretische Einbettung sprachlicher Merkmale signifikant erweitern und eine gezielt durchführbare Analyse ihres agentiven sozialen Gebrauchs ermöglichen. Das ist vor allem wichtig, weil es durch die Vielschichtigkeit des Gegenstandes dieser Arbeit differenzierter Analysewerkzeuge bedarf. Daher sollen im folgenden Kapitel Adaptionen des Konzeptes für die Revalorisierungsprozesse des Andalusischen als diskursive Varietät vorgestellt und dies im Rahmen der Darstellung der Genese diskursiver Varietäten und ihrer Revalorisierung in re-enregisterment-Prozessen expliziert werden.
5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung und Bewertung diskursiver Varietäten Im vorherigen Kapitel ist ersichtlich geworden, dass Indices in ihrer sozialen Funktion verschiedene indexikalische Ordnungen aufweisen. Es handelte sich bei Silversteins (2003) Ansatz um eine allgemeine anthropologische Darstellung der sozialen Funktionalität sprachlicher Merkmale, die bezugnehmend auf Agha (2003) in sprachwissenschaftlichen Untersuchungen aufgegriffen und erweitert wurde, um die Genese diskursiver Varietäten zu untersuchen. Gegenstand dieses Kapitels sollen zunächst in Abschnitt 5.1. die Erweiterungen von Silversteins (2003) Ansatz in der Forschung sein, um davon ausgehend in Abschnitt 5.2. beschreiben zu können, wie in enregisterment-Prozessen neue Varietäten entstehen, wozu ein Modell zur Konstitution diskursiver Varietäten vorgestellt wird. Danach werden in Abschnitt 5.3. die enregisterment-Prozesse dargestellt, die zur sozialen ideologischen Institutionalisierung – also zur Konstruktion und gesellschaftlichen Implementierung einer diskursiven Varietät – führen. Nachdem diese Schritte, die aufeinander aufbauend das theoretische Gebäude dieser Arbeit bilden, durchgeführt worden sind, wird bezugnehmend auf diesen Hintergrund ein Modell zum re-enregisterment des Andalusischen als diskursive Varietät entwickelt und ein Verfahren zur operationalisierbaren Anwendung höherer Indexikalitätsgrade in interpretativen diskurslinguistischen Arbeiten in Abschnitt 5.4. erarbeitet.
5.1 Soziale Funktionalität verschiedener Indexikalitätsgrade Die in Kapitel 4 beschriebenen Implikationen des indexikalischen Zeichens nach Silverstein (2003) und deren recht komplizierte Darstellungsweise wurden von Johnstone et al. (2006) klarer dargestellt, wobei Silversteins Ansatz neu ausgerichtet und mit Aghas (2003) Ansatz zum enregisterment kombiniert worden ist. Johnstone et al. (2006, 82) verknüpfen die Taxonomie von Labov (1972, 178ss.) – indicator/marker/stereotype – mit Silversteins (2003) Ausführungen zur Ordnung indexikalischer Zeichen und wenden diese dann auf die in Pittsburgh (USA) gesprochene Varietät des Englischen an. In dieser Darstellung werden Silversteins dichte Annahmen (2003) reduziert, denn es wird die Indexikalität 1., 2. und 3. Grades in einer anderen Abstraktion zusammengefasst, auf das diskursive Konstrukt einer Varietät bzw. die Prozesshaftigkeit ihrer sozialen Genese angewandt, und Silversteins (2003) Taxonomie umstrukturiert. https://doi.org/10.1515/9783110659771-005
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Dies ist insofern von Relevanz, als dass die Verknüpfung nicht mehr ausschließlich eine synchrone Bestandsaufnahme liefert, sondern die Historizität von indexikalischen Zeichen und deren Zusammenschluss zu einem Register in den Fokus rückt. Die Indexikalität 1. Grades ist bei Johnstone et al. (2006, 82) die Variable n, denn die «frequency of regional variants can be correlated with being from southwestern Pennsylvania [. . .] and with being working-class and male».123 Dieser Grad der Indexikalität ist demnach ausschließlich als «externalisierte» Kategorie zu sehen, da bei Johnstone et al. (2006) WissenschaftlerInnen anhand soziokultureller Muster Unterscheidungen in der Realisierung von Sprache erkennen, welche nicht zwangsläufig von den SprecherInnen als distinktiv erkannt werden (müssen), allerdings ist es auch denkbar, dass derartige Muster von Nicht-WissenschaftlerInnen erkannt werden. Die Änderungen in der Terminologie sind insofern von Relevanz, als dass in diesem Rahmen bereits impliziert wird, dass das Erkennen von Varianz der erste Schritt ist, um das indexikalische Zeichen zu besetzen; es handelt sich also um den Grundbaustein, welcher aber bereits die erste Stufe von Indexikalität einnimmt, was bei Silverstein (2003) nicht der Fall ist. Dies ist eine Umformulierung des Labovschen Indikators, der nun durch das Heranziehen der Variablen n innerhalb eines Ordnungskontinuums des indexikalischen Zeichens als Indexikalität 1. Grades – auch potentielle Indexikalität nach Johnstone et al. (2006, 83) – dargestellt wird. Hierdurch wird im Besonderen die Prozesshaftigkeit, welche bei Labov (1972) zwar implizit, aber wegen der «starren» Kategorien nicht verdeutlicht worden ist, in den Vordergrund gestellt. Dieser Grad der Indexikalität ist wiederum zwar inhärent als Index vorhanden, aber es handelt sich gewissermaßen um einen «unsichtbaren» Index, d.h., dass er durch die SprecherInnen selbst noch nicht aktiv mit soziologischen Kategorien verknüpft wird, obwohl dies gegebenenfalls implizit bereits der Fall ist. Es kann also sein, dass SprachwissenschaftlerInnen bei der Erforschung des Spanischen in Andalusien eine oder mehrere Variablen n finden, die beispielsweise mit der Kategorie Arbeiterklasse124 korrelieren, welche aber nicht von den SprecherInnen selbst als Indices zum (bewussten) Hinweisen 123 Zunächst wurde das Modell in der Untersuchung von Milroy (2000) aufgegriffen, in welcher argumentiert wird, dass spezifische Merkmale 2. Grades in Großbritannien Klassenzugehörigkeit und in den USA Ethnizität indizieren. Es handelt sich aber nicht um eine Vorwegnahme von Johnstone et al. (2006), da die Indexikalität 2. Grades zwar aufgegriffen wurde, aber diese nicht in ein kohärentes Modell der drei Indexikalitätsstufen überführt wurden, wie es bei Johnstone et al. (2006) der Fall war. 124 Hier soll erneut darauf hingewiesen werden, dass ForscherInnen nicht ohne vorherige kulturelle Prägung den Gegenstand betrachten, sodass eine Kategorie wie die hier genannte zu kritisieren wäre. Dennoch sind derartige Konstrukte notwendig, um Aussagen über Sprache in ihrem sozialen Vorkommen und ihrer Differenzierung in verschiedenen Kontexten zu betrachten.
5.1 Soziale Funktionalität verschiedener Indexikalitätsgrade
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auf ihre soziale Herkunft bzw. die damit verbundene soziale Kategorie benutzt werden. Die Variable n bekommt also bei Johnstone et al. (2006, 83) eine andere Nuance, wobei n bereits durch die direkte Implementierung in die Taxonomie (Indexikalität 1. Grades) unerlässlich und als für die Konstruktion wichtiger Teil des Prozesses dargestellt wird. Die Indexikalität 2. Grades entspricht bei Johnstone et al. (2006, 82) Silversteins (2003) Indexikalität der n+1. Ordnung, wobei bei Johnstone et al. explizit der Fokus darauf liegt, dass SprecherInnen ihre Sprache aktiv (semi-) bewusst verwenden, um bestimmte sprachliche Varianten als Indices für gewisse gesellschaftliche Kategorien und Ideologien zu nutzen. In dieser Phase sind sich SprecherInnen der Varianz bewusst und nutzen die Korrelation zwischen Varianten und gesellschaftlichen Ideologien sowie die sich durch die Ideologien ergebenden diskursiven Konstruktionen aktiv und situationsgebunden für ihre Zwecke. Der Unterschied zu Silversteins (2003) Modell liegt darin, dass Johnstone et al. (2006) das Hauptaugenmerk nicht mehr nur auf das indexikalische Zeichen selbst richten, sondern auch auf seine aktive gesellschaftliche Verwendung. Die abstrakte Beschreibungsebene Silversteins (2003) wird hier umgedeutet und appliziert, da nun der kommunikativen Ebene ein größerer Raum zugeschrieben wird. So ist es denkbar, dass SprecherInnen, die sich des Registers der Standardsprache bewusst sind, je nach Kontext – also diaphasisch – die Variante einsetzen können, wobei auch ein bewusstes Unterlassen des Gebrauchs einer Variante als willentlicher Akt angesehen werden kann. Vorstellbar wäre beispielsweise ein Gespräch mit der bzw. dem Vorgesetzten, bei welchem die Sprecherin bzw. der Sprecher gewisse Varianten, die als Index auf regionale Herkunft oder mangelnde Bildung der Sprecherin bzw. des Sprechers schließen ließen, nicht gebraucht und sie austauscht durch solche, die diese Konnotation nicht aufweisen. Bei der fiktiven Figur des Murcianers aus dem im vorherigen Kapitel herangezogenen Beispiel scheint es zunächst so zu sein, dass indexikalische Zeichen 1. Grades vorkommen, insofern als dass diese nicht vom Sprecher aktiv ausgelassen werden. Daher ist zu vermuten, dass dieser sich der Verknüpfung der Varianten mit dem übergeordneten Konzept der Korrektheit der Standardsprache und anderen Formen als deviant nicht bewusst ist, sodass eine Diskrepanz zwischen dem Protagonisten, der das Standardspanische benutzt, und dem Murcianer sowie seinem Spanisch prototypisch andalusischer Prägung entsteht, wobei deutlich wird, dass beide einen anderen sozialen Status haben. Auf der anderen Seite ist es nach Johnstone et al. (2006, 84) auch denkbar, dass SprecherInnen, selbst wenn sie gewisse Merkmale auslassen, um «gebildeter» zu klingen, dies nicht zwangsläufig bewusst tun müssen. Dies wird mit den folgenden Worten beschrieben:
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
«‹[M]etapragmatic› activity is not necessarily ‹metadiscursive›, so speakers are not necessarily aware of second-order indexicality in such a way as to be able to talk about it [. . .]. In general, n+1–th–order indexicality occurs when n-th-order indexical relations are noticed, consciously or not, and given meaning, becoming pragmatically usable. [. . .] second-order indexical relations link phonetic and lexical form with ‹social meaning› in several ways: drawing meaning from several sets of ideas about language, nonstandard forms hearable in Pittsburgh can sound incorrect, working-class, local, or some combination of these».
Das Zitat impliziert, dass SprecherInnen auch Varianten nutzen oder weglassen können und diese als Indices benutzen, ohne sich selbst zwangläufig der Funktionsweise bewusst zu sein, wobei die Unterscheidung zwischen metadiskursiv und metapragmatisch – keiner der beiden Termini wird direkt bei Johnstone et al. (2006) definiert – eine Rolle spielt. Metapragmatisch beinhaltet hier sowohl die intuitive als auch die bewusste Nutzung eines indexikalischen Zeichens je nach Kontext, Redeabsicht und -situation, wohingegen metadiskursiv das bewusste Reden über Sprache, sprachliche Kategorien und getätigte Äußerungen bedeutet, was also einer höheren Abstraktionsebene entspricht. Die höheren Indexikalitätsgrade erfordern ein metasprachliches Bewusstsein in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal, welches in der Regel mit dem Begriff Salienz erfasst wird. Es gibt eine Vielzahl an Arbeiten, die sich mit dem Thema der Salienz auseinandersetzen,125 und diese Arbeit folgt grundsätzlich der Definition von Chiarcos/ Berry/Grabski (2011, 2), der zufolge Salienz folgendermaßen definiert wird: «Salience defines the degree of relative prominence of a unit of information, at a specific point in time, in comparison to the other units of information». Zunächst wird davon ausgegangen, dass in metadiskursiven und metapragmatischen Diskursen saliente Merkmale häufiger zum Evozieren von außersprachlichen sozialen Zuschreibungen genutzt werden. Die aktive Nutzung eines Merkmales bedeutet folglich auch immer, dass SprecherInnen dieses als markant und für ein Register spezifisch erachten, was nicht für alle Varianzphänomene immer in gleicher Weise zutrifft, da nur einige Merkmale auch salient werden. Bedeutsam für diese Arbeit ist, dass wahrscheinlich sehr viel mehr Merkmale salient sind als diejenigen, die in metasprachlichen Äußerungen aufgegriffen werden. Hierzu zählen vor allem die Prosodie, aber auch andere Phänomene wie beispielsweise die Nasalierung. Der Grund dafür, dass derlei Phänomene weniger häufig aufgegriffen werden, ist z.B. in ihrer Komplexität zu suchen. So ist es durch Laien deutlich leichter, auf ein Phänomen zu rekurrieren, für dessen Beschreibung keine Fachsprache nötig ist.
125 Für eine Darstellung verschiedener Positionen siehe u.a. Bernhard (1998, 2014), Monjour (2017a) und das Grundlagenwerk von Chiarcos/Berry/Grabski (2011).
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Die Eigenschaft der Salienz ist für das indexikalische Zeichen von großer Bedeutung, da dadurch erst die komplexen indexikalischen Zuschreibungen zu bestimmten sprachlichen Zeichen im Gegensatz zu anderen erfolgen können. Die Komplexität des indexikalischen Zeichens, wie Silverstein (2003) es in seinen Ausführungen dargestellt hat, wird bei Johnstone et al. (2006, 82s.) durch das Applizieren auf den Gegenstand des diskursiven Pittsburghese deutlich reduziert.126 Die Rekonfiguration von Johnstone et al. (2006) sieht vor, dass es eine direkte Abfolge in Bezug auf die Abstraktionsebene des indexikalischen Zeichens gibt, da das indexikalische Zeichen 3. Ordnung bei Johnstone et al. (2006) in Silverstein (2003) von n+1. Indexikalität in n (also gewissermaßen wieder in die 1. Ordnung übergeht) umgeformt wird und dann nach seiner Konzeption wieder eine neue Semiotisierung erfährt. Dies bedeutet, dass hier eine retrospektivische Sicht vorliegt, bei welcher der Grad der Indexikalität abnehmen kann, wohingegen bei Johnstone et al. (2006) eine prospektivische vorherrscht, da ein einheitliches und leichter operationalisierbares Muster geschaffen wird. Die Begründung scheint zu sein, dass bei dieser Darstellung leichter eine Kontinuität, Abfolge und Progression bei der sozialen Konstruktion von Variation zu einer diastratischen und schlussendlich zu einer diatopischen Varietät zu erkennen ist, als es bei Silverstein (2003) der Fall ist; allerdings wird nicht erwähnt, ob z.B. eine Progression von einer diatopischen zu einer diastratischen Varietät erfolgen kann.127 Das indexikalische Zeichen 3. Grades entsteht nach Johnstone et al. (2006, 82s.), indem Indices 2. Grades resemiotisiert werden und durch soziokulturelle Ideologien und Konzepte – hier, dass Sprache und
126 In der Forschung besteht bisher keine Einigkeit in Bezug darauf, wie viele Grade die Ordnung des indexikalischen Zeichens erlangen kann. Somit dienen die vorgestellten Arbeiten als Demonstration der Komplexität und als Analysewerkzeug für verschiedene sprachliche Äußerungen, allerdings soll hier nicht postuliert werden, dass die vorgestellten Konzepte einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit im Sinne eines Naturgesetzes oder einer mathematischen Formel haben. Viele Implikationen und Einteilungen sind zwar nicht arbiträr, da sie durch Abstraktionsebenen eine Ordnung erfahren, die Interpretation und Darstellung dieser Ordnung sind jedoch flexibel, weshalb man auch oftmals in der Forschungsliteratur den Zusatz höhere indexikalische Ordnungen lesen kann, was suggeriert, dass nicht mit strikter Eindeutigkeit gesagt werden kann, welches Phänomen wo einzuordnen ist. Nichtsdestoweniger haben Silverstein (2003) und Johnstone et al. (2006) wertvolle Werkzeuge mit der Analyse des indexikalischen Zeichens und dessen Ordnung zur Betrachtung soziolinguistischer Variation geschaffen. 127 Eine Linearität wird in Darstellungen zur Genese einer Varietät oft impliziert, wozu eine Kritik bei Roberge (2012) zu finden ist. Die Gleichzeitigkeit und Unvorhersagbarkeit der Konzeptionalisierung sprachlicher Variation soll daher hier betont werden, da in Bezug auf das Andalusische mehrere Gleichzeitigkeiten dialektischer Konzeptionalisierungen vorliegen, welche gesellschaftlich ausgehandelt werden. Daher ist von einer einheitlichen Progression oder von einem teleologischen Ansatz, der die diskursive Varietät des Andalusischen als in eine einzige konzeptionelle Richtung gehend beschreibt, nicht zu sprechen.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Raum essentiell verknüpft sind – ein Repertoire an Indices bilden, die zunehmen und in letzter Konsequenz ausschließlich die Implikationen des 3. Grades anzeigen, wobei die des 2. Grades zunehmend verblassen und schlussendlich wegfallen. Zunächst soll hierfür die Beschreibung von Johnstone et al. (2006, 93) herangezogen werden, da die Indices darüber hinaus mit weiteren terminologischen Markierungen versehen werden, welche den folgenden großen Vorteil gegenüber Silversteins (2003) Ausführungen haben: «Because the form-social category connection only begins to be meaningful when someone notices it, first-order indexicality is potential indexicality. [. . .] While the secondorder indexicality of these forms continues to make them hearable and usable as markers of social class, education, and local life experience, the fact that these features could be used these ways became more and more salient. This occurred through metapragmatic practices that selected a subset of the forms that can do second-order indexical work, linking this subset to a more stabilized social identity and making these forms available for self-conscious, performed identity work. The raw material for second-order sociolinguistic ‹marking› is the existence of first-order correlations, which, filtered through ideologies about connections between correctness and class, become resources for hearing other people’s class and education level and projecting one’s own. The raw material for third-order identity work is second-order stylistic variability, which is filtered through more abstract ideologies about what dialects are and how they are linked to identities. At this stage, people notice that people with more stereotypical Pittsburgh identities have less variable, more regional-sounding accents, and attribute this to an essential connection between place and language. In the process, this subset of non-standard forms has come increasingly to index localness and less, or more indirectly, class. While they continue to do second-order work as well, regional forms are now increasingly heard as signals of authentic local identity and can be used to project localness».
Aus diesem Zitat sind zunächst die folgenden, auf dem Prinzip der indexikalischen Ordnung basierenden Kategorien zu ziehen, welche die Abfolge soziolinguistischer Varianz wiedergeben: 1. Indexikalität des Potentials – bei Silverstein n128 2. Indexikalität der stilistischen Varianz – bei Silverstein n+1129 3. Indexikalität der agentiven Identitätsperformanz – bei Silverstein (n+1)+1 bzw. ((n+1)+1)+1130
128 Hier ist z.B. die potentielle Verbindung von sprachlichen Formen mit einer gesellschaftlichen Kategorie wie beispielsweise derjenigen des sozialen Raumes vorstellbar. 129 Hierbei geht es um die direkte und indirekte Nutzung sprachlicher Variation für die soziale Markierung und Ausdifferenzierung. 130 In diesem Fall wird sprachliche Variation aktiv eingesetzt, um durch Identitätsperformanz eine soziale Eigen- oder Fremdpositionierung mittels Rekurrenz auf existierende Identitäten sowie Identitätsmuster und -eigenschaften zu erzielen.
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Es wird deutlich, dass die Indexikalität 3. Grades bei Johnstone et al. (2006) mehrere Prozesse beinhaltet und die Resemiotisierung in Bezug auf weitere abstraktere Ebenen impliziert. Johnstone (2010a, 395) gibt an, dass eine Resemiotisierung kontinuierlich bzw. immer wieder erfolgen kann, weshalb der 3. Grad mit Silversteins (2003) Ausdifferenzierung des 2. und 3. Grades zusammenfällt. Eine strikte Aufteilung der Stufen erfolgt bei Silverstein (2003) nicht, da diese für die meisten Fälle als schwierig erscheint, denn die ideologische Abstraktion und die Frage, welche Abstraktion sich auf welche andere ideologische Abstraktion bezieht bzw. welche Abstraktion reflexiv auf eine andere zurückgreift, scheint oftmals nicht eindeutig identifizierbar zu sein. Darüber hinaus kann es sein, dass Indices 2. Grades durch verschiedene Sprachideologien, die nicht zwangsläufig aufeinander aufbauen, zu Indices 3. Ordnung resemiotisiert werden, sodass dieses Modell einen größeren Interpretationsspielraum lässt. In den bereits erwähnten Studien, die die indexikalische Ordnung und das enregisterment gleichzeitig als Theorie und Methode nutzen, wird das Modell von Johnstone et al. (2006) herangezogen, um eine möglichst eindeutige Aussage treffen zu können und einen möglichst konvergenten Maßstab anzuwenden. Anhand des Zitates ist zu sehen, dass zunächst die Indexikalität 1. Grades als potentiell nutzbare Variable(n) gesehen wird. Diese Variable kann von LinguistInnen (oder anderen AkteurInnen) als solche identifiziert werden, ohne dass den SprecherInnen bewusst ist, dass sie diese benutzen (Johnstone 2010a, 393). Wenn SprecherInnen bemerken, dass es andere Nutzungsweisen gibt, können sie bewusst oder unbewusst diese Variable(n) diaphasisch variieren und je nach Situation und Kontext eher die Variable(n) des einen oder anderen Registers realisieren. Somit kann es möglich sein, dass sich die SprecherInnen einer diatopischen Varietät je nach Redesituation einem Ideologieschema anpassen oder von diesem abweichen, also beispielsweise versuchen, die normativen Realisierungen der Standardvarietät oder diatopische Merkmale zu nutzen oder nicht. Folglich stehen den SprecherInnen die Repertoires verschiedener Register zur Verfügung, welche sie je nach Situation anwenden können. Normativ wäre in vielen Situationen des ländlichen Lebens die Realisierung von Variablen, die auch in der Dorfgemeinschaft genutzt werden, um die Gruppenzugehörigkeit auch sprachlich zu verdeutlichen. Dies entspräche somit dem Gebrauch von indexikalischen Zeichen 2. Grades, welche die Sprecherin bzw. der Sprecher variieren kann, was bei Variablen 1. Grades nicht ohne Weiteres gegeben ist, da das Bewusstsein der Variation nicht immer gegeben ist. Wenn nun das Repertoire, das sich aus den indexikalischen Zeichen 2. Grades zusammensetzt, aktiv benutzt wird, um die konzeptualisierte Vorstellung der Verbindung von Orten und diatopischen Varietäten mit den stereotypischen charakterologischen Darstellungen der OrtsbewohnerInnen und DialektsprecherInnen zu
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verknüpfen, spricht Johnstone (2010a, 395) von der Indexikalität 3. Grades. Dies entspricht einem diskursiven Konstruktionsprozess, da mittels der Indices 3. Grades den reifizierten Registern metapragmatisch soziale Identitätskategorien zugeschrieben werden, sodass die Register die «Sprache von jemandem» werden, und dadurch gewissermaßen Sprachvariation deanonymisiert wird. Die auf diese Weise konstruierte diskursive Varietät ist daher nicht die Varietät in ihrer Gänze: Sie umfasst nicht die gesamte sprachliche Variationsbreite der Varietät, wie sie an einem bestimmten Ort konkret in Sprechakten beobachtet werden kann, sondern sie stellt eine Abstraktion besonders salienter Indices dar, die mehr als nur die Varietät anzeigen. Dies ist der Fall, da die diskursive Varietät mittels salienter Merkmale als Indices auch charakterologische, essentialisierte Eigenschaften der SprecherInnen anzeigt, die durch den Ort geprägt und ggf. stereotypisch mit einer bestimmten sozialen Klasse oder sozialen Kategorie verknüpft sind. Die Notwendigkeit hierzu besteht vor allem deswegen, da Globalisierung und Lokalisierung sich gegenseitig bedingende Prozesse zu sein scheinen, wobei die Lokalität aktiv und reflexiv als Gegenprodukt von Globalisierung «produziert» werden muss, was anhand der vorgestellten Indices geschieht. Es ist darüber hinaus anzunehmen, dass diese konstruierte diskursive Varietät – also die Gesamtheit der dafür genutzten Indices 2. und 3. Grades – einen Einfluss auf tatsächliche sprachstrukturelle Variation ausübt, da sie homogenisierend wirkt und die Ausdifferenzierung diatopischer Varietäten reduzieren kann. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass in der gesamten Dialektgemeinschaft dieselben Indices nicht immer den Status des 3. Grades für die Sprecherin bzw. den Sprecher in denselben Umständen darstellen müssen. Diese diskursive Varietät ist dementsprechend nicht die Varietät selbst, sondern eine (verkürzte) Abstraktion. Folglich scheinen die Annahmen Johnstones (2010a, 391ss.) korrekt, dass sowohl diatopische Varietäten als auch die Orte diskursiv und auf lokalen Erfahrungen basierend konstruiert werden und dem (abgegrenzten) Raum eine Bedeutung zugeschrieben wird. Die Bedeutungszuschreibung, bei welcher die diskursive Varietät und die im Diskurs auf sie verweisenden salienten Merkmale verbunden werden, ist essentiell, da das Reden über das Reden (Johnstone 2010a, 389) – also das metapragmatische bzw. metadiskursive Reden über die eigene oder eine fremde Varietät – in einem (laien-)linguistischen Sinne große Auswirkungen auf die diskursive Erschaffung einer sinnhaften und sinnstiftenden diatopischen oder diastratischen Varietät und die mit ihr verknüpften Räume bzw. sozialen Kategorien haben kann. Der Raum wird sozial erfahrbar, und durch die Abgrenzung zu anderen stehen eigene Identitätskonzepte zur Verfügung, die essentialisiert nur an ebendem Ort vorhanden sind und welche sich die SprecherInnen sozial aneignen oder aber auch bewusst ablehnen können und den Raum dann mit Sprache verbinden (cf. Tacke 2015). Dies sieht in Bezug auf das Andalusische
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wie folgt aus: Andalusien ist ein abgrenzbarer sozialer Raum, in welchem AndalusierInnen leben, die eine eigene Identität haben und dadurch anders sind bzw. spezifische Dinge anders machen als andere, wobei das Sprechen als sofort wahrnehmbare Kategorie des Anders- bzw. Spezifischseins eine große Rolle spielt. Somit wird es durch diese höheren Ordnungen der indexikalischen Zeichen und die aus ihnen zusammengesetzten Repertoires möglich, nach bestimmten sozialen Kategorien zu leben oder diese abzulehnen, was hier im Zusammenhang mit der Beherrschung bzw. Aneignung dieser indexikalischen Zeichen 3. Grades dazu führt, dass eine agentive soziale Deixis der Individuen möglich wird: SprecherInnen können sich aktiv im Diskurs durch saliente Merkmale 3. Grades sozial situieren. Dieser Umstand eröffnet die Möglichkeit der Zugehörigkeit durch Einordnung, um ein Teil einer spezifischen sozialen Gruppe zu sein.131 Dies entspricht einer aktiven Rolle der Sprecherin bzw. des Sprechers, die bzw. der nicht nur passiv und ohne Alternativen sprachlicher Varianz in den Raum gestellt ist, sondern welche/ welcher sich diskursiv den Raum sinnhaft erschafft und diesen mit besonders salienten Indices der dort gesprochenen Varietät verknüpft, um bestimmte charakterologische Assoziationen und soziale Zugehörigkeiten zu erzeugen.132 Aufgrund dessen «existieren» bestimmte Register nicht nur, sondern sie werden aktiv geschaffen, so beispielsweise auch durch (laien-)linguistische Darstellungen wie Dialektwörterbücher, Dialektstilisierung in Literatur und anderen Medien oder aber durch den Verkauf von Gütern, welche besonders saliente Indices 3. Grades als Aufschrift tragen, wie z.B. Güter für TouristInnen, die besonders «ortsgetreue» – also authentische – Artikel kaufen. Diese Produkte sind dann mit der «echten» Varietät verknüpft, wie z.B. Tassen oder T-Shirts mit Aufdrucken, die z.B. durch die Graphie auf phonetische Besonderheiten einer diatopischen Varietät hinweisen und diese ggf. sogar kommentieren. Durch solche metapragmatischen Aussagen wird einerseits signalisiert, was es bedeutet, von einem Ort zu stammen, andererseits ist zu beobachten, auf welche Art und Weise dies sprachlich evoziert wird, was also einer Ko-Evozierung durch indexikalische Zeichen entspricht, welche als Instrument zur inneren und äußeren Gruppenkonstitution herangezogen werden. Die auf diatopische und diastratische Varietäten anwendbare Taxonomie von Johnstone et al. (2006) hat in der angloamerikanischen Soziolinguistik eine Fülle an neuen Forschungsfeldern eröffnet. Im Folgenden sollen in zusammengefasster
131 Die Möglichkeit der Anpassung kann auch durch die Gruppe eingeschränkt werden, damit ggf. Exklusivität produziert wird. Dies ist beispielsweise denkbar bei bestimmten Wörtern eines Registers, welche die Person, die auch sprachlich Teil einer Gruppe werden will, situativ nicht adäquat einsetzt und somit unwillentlich anzeigt, nicht der Gruppe anzugehören. 132 Diese charakterologischen Assoziationen werden im nächsten Kapitel näher erläutert.
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Form zwei wichtige Modellerweiterungen aufgezeigt werden, welche für die Darstellung von enregisterment-Prozessen wichtig sind, da diese die Indices in ihrem zusammenhängenden Auftreten darstellen und sie dadurch als Repertoire bzw. schlussendlich als Register fassbar machen. Zunächst hat Eckert (2008, 453) die Ordnung des indexikalischen Zeichens in den Rahmen eines indexikalischen Feldes (indexical field) eingeordnet und beschreibt dieses wie folgt: «I argue that the meaning of variables is not precise or fixed but rather constitutes a field of potential meanings – an indexical field, or constellation of ideologically related meanings, any one of which can be activated in the situated use of the variables». [Hervorhebung im Original]
Eckert (2008, 464) bettet die kurze Definition in eine Verteidigung von Silversteins (2003) Ansatz ein, da ihrer Sicht nach die Annahme entstehen könne, dass sein Konzept eine Linearität von n zu n + 3. indexikalischer Ordnung – wie es bei Johnstone et al. (2006) der Fall zu sein scheint – beinhalte, aber «[. . .] this is clearly not Silverstein’s intention. On the contrary, the reconstruals are ‹always already immanent› [(Silverstein 2003, 194)] precisely because they take place within a fluid and ever-changing ideological field». An dieser Stelle setzt Eckerts (2008) Konzept an, denn diese kontinuierliche und kontextbedingte Rekonstruktion sprachlich salienter Zeichen bedingt die Vorstellung des indexikalischen Feldes, da das indexikalische Zeichen – wie bereits zuvor mehrmals erwähnt – kontextgebunden andere Motivationen hervorrufen kann, welche dann alle Teil des indexikalischen Feldes sind. Somit sind, wie es bei Eckert (2008, 453) in dem zuvor dargestellten Zitat ausgedrückt wird, Merkmale nicht präzise oder singulär fixiert, sondern die Motivationen sind ideologisch verknüpft und werden je nach Kontext anders ausgelöst. In diesem Zusammenhang ist der von Johnstone (2013, 85ss.) geprägte Begriff des indexical layering (indexikalische Überlappung) auf analytischer Ebene hilfreich, bei welchem «[. . .] multiple frameworks for marking form-meaning links, arising in different historical contexts for various reasons, can be circulating in a particular speaker’s sociolinguistic world, sometimes overlapping very little, if at all» (Johnstone 2013, 38). Die Bedeutung dieses Konzepts ist für diese Arbeit von zentraler Relevanz in Bezug auf die Analyse des metasprachlichen Materials, da die Neubewertung des Andalusischen per se ein Prozess ist, bei dem zu einem bestimmten indexikalischen Feld und den Bedeutungsebenen der Indexikalität weitere Zuschreibungen erfolgen, die sich auf die bisher existierenden Zuschreibungen legen. Hierdurch kommt es zu verschiedenen Bedeutungskonstruktionen, die durch verschiedene Kontexte und durch die soziale und/oder geographische Provenienz der/des Sprechers evoziert werden. Konkret heißt dies, dass bedingt durch historische Entwicklung saliente Merkmale für verschiedene HörerInnen und SprecherInnen ggf. eine andere Indexikalität auf-
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weisen, sodass die indexikalischen Bedeutungsebenen historischem Wandel unterliegen, sie sich je nach Kontext und SprecherInnen überlappen oder sich voneinander abgrenzen bzw. auch für den/die eine/n HörerIn so wie von der/dem SprecherIn intendiert interpretierbar sind, für den/die andere/n aber nicht. Somit sind in theoretischer Hinsicht indexikalische Überlappungen jeweils nebeneinander anzusetzen, wohingegen indexikalische Grade als Abstraktionen innerhalb eines indexikalischen Feldes als jeweils aufeinander bezogene Abstraktionsstufen aufeinander aufbauen. Dies hat zur Folge, dass ein bestimmtes salientes Merkmal nicht von allen SprecherInnen in jedem Kontext gleich interpretiert wird. Als Beispiel soll hier der seseo dienen, um den Sachverhalt zu verdeutlichen. Die Opposition von /s/ und /θ/ im Standardspanischen dient als «unmarkierte» Form mit dem größten Prestige, da diese institutionell – wie z.B. durch die Real Academia Española, durch das Bildungssystem und gesamtstaatliche Medien – verbreitet und als Teil des «neutralen» Standards konstruiert wird. Wenn nun in einer Kommunikationssituation eine Sprecherin bzw. ein Sprecher [a’ser] anstatt der Standardform [a’θer] realisiert, kann dies je nach Kontext – also z.B. abhängig von der Gesprächspartnerin bzw. dem Gesprächspartner, dem Gesprächsort, der Gesprächssituation – dazu führen, dass andere Assoziationen durch das Zeichen hervorgerufen werden. Eine Sprecherin bzw. ein Sprecher der andalusischen Varietät, deren bzw. dessen Sprechweise den seseo aufweist, wird zumeist in Andalusien als «echte» Andalusierin bzw. «echter» Andalusier wahrgenommen und die Realisierung wird somit als authentisch aufgefasst. Wenn diese Sprecherin bzw. der Sprecher in Madrid weiterhin den seseo realisiert, kann es vorkommen, dass diese bzw. dieser als Andalusierin bzw. Andalusier identifiziert und die stereotypischen charakterologischen Eigenschaften durch das indexikalische Zeichen evoziert und der Person zugeschrieben werden. Ideologische Ansichten bezüglich der Korrektheit eines Standards und der Abweichung von diesem spielen eine Rolle, sodass sogar in einigen Fällen – wie dargestellt bei dem Zitat aus El Amante Bilingüe – eine geringere Intelligenz, welche aus der Unfähigkeit der Realisierung der Phonemopposition abgeleitet wird, als charakterologische Eigenschaft impliziert wird. Ein anderes Bild ergibt sich aber, wenn es sich um eine Sprecherin bzw. einen Sprecher aus Lateinamerika handelt. Dort ist die Realisierung des seseo als Standardrealisierung zu sehen, sodass die oben beschriebenen Charaktereigenschaften von einer Sprecherin bzw. einem Sprecher aus Madrid nicht zwangsläufig als deviant angesehen werden (müssen), da anzunehmen ist, dass Wissen darüber besteht, dass in Lateinamerika auch bei der Elite in der großen Mehrheit der Fälle eine seseo-Realisierung vorherrscht. Demzufolge konstituiert der seseo ein indexikalisches Feld, bei welchem sowohl die SprecherInnen selbst und deren Herkunft, aber auch die Gesprächspartnerinnen und -partner, deren Herkunft und soziale Stellung wie auch der Kontext entscheidend bei der Interpretation des
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indexikalischen Zeichens sind und zu seiner Vielschichtigkeit beitragen. Genauso sind aber auch Brüche mit den sozialen Restriktionen, welche die Interpretierbarkeit des indexikalischen Zeichens bedingen, denkbar. So ist es beispielsweise vorstellbar, dass eine Politikerin bzw. ein Politiker im spanischen Parlament, in welchem sich diese bzw. dieser normalerweise des Standardspanischen bedienen würde, explizit die diatopische Varietät wählt, um etwa Solidarität zur Herkunftsregion zu signalisieren. Diese stilistische Praktik (stylistic practice) als Ausdruck der Identitätsperformanz ist ein wichtiger Faktor in der Ausdifferenzierung des indexikalischen Zeichens bzw. der indexikalischen Felder und kann somit auch entscheidend zum Sprachwandel beitragen, bei dem Brüche mit der Norm als Teil von Revalorierungsprozessen angesehen werden können, welche sich dann im Laufe der Zeit festigen, aber auch wieder entwertet werden können. Diese stilistische Praktik beschreibt Eckert (2008, 456s.) folgendermaßen: «By stylistic practice, I mean both the interpretation and the production of styles, for the two take place constantly and iteratively. Stylistic practice is a process of bricolage [. . .], in which individual resources (in this case, variables) can be interpreted and combined with other resources to construct a more complex meaningful entity. This process begins when the stylistic agent perceives an individual or group style – perhaps the style will bring his or her attention to those who use it; perhaps the users will call attention to style». [Hervorhebung im Original]
Somit wird deutlich, dass eben diese charakterologischen Darstellungen als stilistische Praktiken durch ein indexikalisches Zeichen indiziert werden können. Praktik als Terminus impliziert eine aktive Performanz, welche die SprecherInnen ausüben und je nach Absicht auch variieren können, wobei dies oftmals mit der Alternation von Variablen und deren Varianten einhergeht, welche dann als Indices für diese besonderen Praktiken stehen. Dies wäre sowohl in einer diastratischen als auch in einer diaphasischen Dimension denkbar, da beispielsweise diastratische Varietäten – z.B. der sogenannte gay talk (z.B. Geda 2009) – als Register bestimmter sozialer Gruppen auch Lebensstile und -entwürfe sowie Charaktereigenschaften dieser Gruppen als Assoziation mitschwingen lässt. Bei diatopischen Varietäten wäre dies ebenso möglich, wobei die Komponente der Raumerfahrung und sozialen Sinngebung des Raumes eine große Rolle spielt. Somit ist anzunehmen, dass es beispielsweise stilistische Praktiken von AndalusierInnen sein könnten, da sie ihre dialektalen Realisierungen besonders dann – und oftmals in Situationen, in denen es zu diaphasischen Brüchen kommt – betonen, wenn sie Authentizität oder aber Ehrlichkeit übermitteln wollen, was eine Essentialisierung darstellt, die die Standardsprecherin bzw. der Standardsprecher aufgrund des formalen Charakters der Standardsprache nicht zwangsläufig hat, da die Aussagen in der Standardsprache häufig als weniger direkt bzw. ge-
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stelzt empfunden werden, wohingegen die diatopische Varietät als direkt und ehrlich gilt.133 Im bisherigen Verlauf dieser Arbeit ist auf einer Mikroebene das indexikalische Zeichen in seiner mikro- und makrokontextuellen Struktur innerhalb der indexikalischen Ordnung dargestellt und analysiert worden, woraufhin dann in einem weiteren Schritt das indexikalische Zeichen als Teil eines indexikalischen Feldes auf einer abstrakteren Ebene dargestellt worden ist. Der letzte Schritt von einer Mikro- zu einer Makroebene der Darstellung und Kontextualisierung wird nun sein, die Ordnung(en) der Indexikalität selbst zu erläutern. Blommaert (2005, 74) nutzt hierzu Silversteins (2003) Terminologie der indexikalischen Ordnung und setzt diese in Relation zu den Ordnungen der Indexikalität (orders of indexicality). Zunächst sollen Blommaerts (74) Ausführungen hierzu angeführt werden: «[T]he fact that such ordered indexicalities themselves occur in the form of stratified complexes, in which some kinds of indexicalities are ranked higher than others: they suggest prestige versus stigma; rationality versus emotion; membership of a particular group versus non-membership; and so forth. Much in the sense of Foucault’s [. . .] ‹orders of discourse›, we have to conceive of indexicalities as organised in ‹regimes› which invoke matters of ownership and control and allow and enable judgments, inclusion and exclusion, positive or negative sanctioning, and so forth. [. . .] By orienting orders of indexicality, language users (systematically) reproduce these norms. Thus, orders of indexicality endow the semiotic process with indexical order in the sense of Silverstein (2003): we get conventionalised patterns of indexicality that come to ‹mean› certain things. And these, in turn, feed into orders of indexicality often captured under ‹micro› and ‹macro›». [Hervorhebung im Original]
Grundsätzlich handelt es sich bei diesem Konzept um eine zusätzliche Nuance zu dem, was Silverstein (2003) als Makrokontext dargestellt hat. Der Terminus suggeriert die Annahme, dass die Ausdifferenzierung des Makrokontextes selbst in Ordnungsstrukturen zu fassen ist. Blommaert (2005, 84) betont die dialektische Beziehung, die es zwischen diesen Ordnungsstrukturen gibt und welche gerade aufgrund eben dieser hierarchischen Struktur eine Revalorisierung als Ausdruck von Gruppendynamiken und Machtverhältnissen erfahren kann, wobei eine funktionale Neukonstituierung innerhalb der Hierarchie der Register einer Sprache stattfindet bzw. stattfinden kann. Es wird deutlich, dass indexikalische Zeichen, ihre mikrokontextuelle Ordnung und übergeordnete makrokontextuelle Ordnungsstrukturen nicht neutral sind, sondern dass in stratifizierten Gesellschaften auch
133 Diese Annahme lässt sich z.B. bei Gutier (2006, 16) finden. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um die Darstellung objektiver Realität handelt, sondern um metadiskursive Urteile. Weiteres hierzu ist in Kapitel 7.4.1. bei der Analyse seines Werkes zu finden.
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Machtstrukturen durch Sprache konstruiert, gefestigt und verhandelt werden. Die durch sprachliche Merkmale als indexikalische Zeichen evozierte «Ehrlichkeit» einer andalusischen Sprecherin bzw. eines andalusischen Sprechers fällt in eine derartige dialektische Relation – hier diejenige von Rationalität versus Emotion.134 Es kann angenommen werden, dass Rationalität als Ideal in einer höheren ideologischen Ordnung als Emotion steht, gerade wenn es sich um Staatsangelegenheiten und das Reden im öffentlichen Raum handelt. Aus dieser Sicht ist eine Exklusion aus der stilistischen Praktik der Rationalität evident, da die Sprecherin bzw. der Sprecher sich mit dem Wechsel zum Andalusischen in einem öffentlichen politischen Kontext aktiv gegen dieses Konzept stellt und somit zwar deviant und exklusiv in dem einen Sinne, aber inklusiv und konform in Bezug auf ein andalusisches Publikum ist. Dasselbe Konzept findet jedoch ideologische Anwendung, wenn die Sprecherin bzw. der Sprecher im andalusischen Parlament Andalusisch spricht, da die diatopische Varietät im Falle Andalusiens als Abgrenzungsmerkmal zu den diatopischen Varietäten anderer Regionen und dem Standardspanischen dient und somit in diesem sozialen Kontext als normativ zu sehen ist. Ein betontes Standardspanisch wäre deviant, da eine Reversion und Umdeutung der höheren ideologischen Instanz der Ordnung der Indexikalität in Bezug auf die diatopische Varietät stattfindet und diese nur auf lokaler Ebene ideologisch als äquivalent zum Standardspanischen auf nationaler Ebene zu sehen ist, was einer Reproduktion auf lokaler Ebene gleichkommt. Nun stellt sich die Frage, inwiefern man diese Ordnung besser greifbar machen kann und inwiefern SprecherInnen sich nach unterschiedlichen Ideologien ausrichten. Zu diesem Zweck diskutiert Blommaert (2005, 118) das Konzept der reellen oder vorgestellten Zentren bzw. zentrierenden Institutionen (centres/ centring institutions), anhand welcher sich die SprecherInnen ausrichten. Diese Zentren stellen eine Reihe sozialer und kultureller Autoritätsinstitutionen dar, die sowohl für die ideologische Anpassung als auch für die Devianz als normative Zentren gelten, sodass die von ihnen propagierte Sprache die legitime und sprachideologisch als korrekt markierte ist. Um dieses Konzept genauer fassen zu können, sollen zunächst Blommaerts (2005, 75) Ausführungen diesbezüglich näher betrachtet werden:
134 Hier ist die Labovsche (1966) konzeptionelle Unterscheidung von overt prestige und covert prestige zu sehen, da das «offene Prestige» in Bezug auf die Darstellung von Formalität, Distanz und Rationalität der als korrekt angesehenen Standardvarietät zu sehen ist, aber die diatopische Varietät «verdecktes Prestige» aufweist, da sie, obwohl sie nicht als die korrekte Sprache angesehen wird, mit anderen sozialen Eigenschaften verknüpft wird, sodass sie trotzdem eine positive Besetzung und hohe prestigereiche Bewertung erfährt.
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«[C]entring institutions [. . .] often [impose] the ‹doxa› in a particular group (i.e. the stratification of value in the indexical system). The centring function is attributive: it generates indexicalities to which others have to orient in order to be ‹social›, i.e. to produce meanings that ‹belong› somewhere. These attributions are emblematic: they centre on the potential to articulate (hierarchically ordered) ‹central values› of a group or system (the ‹good› group member, the ‹ideal› father/mother/child, ‹God›, ‹the country/nation›, the ‹law›, the ‹economy›, the ‹good› student, the ‹ideal› intellectual, the ‹real man/woman›. . .). And this centring almost always involves either perceptions or real processes of homogenisation and uniformisation: orienting towards such a centre involves the (real or perceived) reduction of difference and the creation of recognisably ‹normative› meanings».
Anhand dieses Zitats wird die Doppelseitigkeit dessen, was Indexikalität darstellt, klar: Zum einen werden die Indices durch die SprecherInnen selbst kreiert bzw. – wie bereits weiter oben erläutert – Indices 1. Grades (nach Johnstone et al. 2006) semiotisiert und resemiotisiert. Andererseits werden diese auch durch zentrierende Institutionen insofern konditioniert, als dass man sich der Normativität anpasst oder eine (un-)bewusste Abweichung davon stattfindet. Somit scheint es, dass Sozialität nicht kontextlos und willkürlich entsteht, sondern auch durch bereits existente Ordnungen vorgegeben wird.135 Die zentrierenden Institutionen müssen nicht zwangsläufig als große staatliche Institutionen verstanden werden. So können beispielsweise auch Familien, Peergroups – z.B. die «Gruppe» der Studierenden – etc. als solche fungieren (Blommaert 2005, 75). Sofern das Register der zentrierenden Institution gewählt oder sich diesem angepasst wird, ist man Mitglied dieser Gruppe und die attributive Funktion der Institutionen besetzt das Mitglied mit den ihr zugeschriebenen Eigenschaften. Dementsprechend kann in diesem Zusammenhang die wichtige Bedeutung für sprachliche Varianz und die Einordnung von Variablen deduziert werden: Die Ordnungen des indexikalischen Zeichens sowohl in ihrem Mikro- als auch in ihrem Makrokontext hängen auch mit den Ordnungen der Indexikalitäten zusammen, welche verschiedene Register in Bezug zueinander setzen und sozial hierarchisieren.
135 In diesem Zusammenhang ist auch das Phänomen der Dialektnivellierung zu nennen, da Dialekte meist ein großes Maß an interner Variation aufweisen, welche einerseits durch Homogenisierung im Zuge eines größeren Dialektbewusstseins und größerer Mobilität der SprecherInnen verringert wird, andererseits die salienten Merkmale bzw. Indices 3. Grades in den Vordergrund rücken, was zu einer Festigung beiträgt bzw. beitragen kann. Genauso gut ist es denkbar, dass SprecherInnen in Bezug auf die Ausführungen der zentrierenden Institution der Sprachregulierung und -pflege – im Falle Spaniens die bereits erwähnte Real Academia Española – dieselbe Ideologie reproduzieren und Homogenisierungstendenzen im Sinne einer Standardbildung (z.B. des Andalusischen) in Abgrenzung von der eigentlichen Standardsprache (z.B. des Kastilischen) stattfinden.
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Die bisher angeführten Konzepte sollen im Folgenden anhand des zuvor zitierten Abschnitts aus El Amante Bilingüe zur Exemplifizierung und Veranschaulichung angewandt werden, während eine ausführliche Anwendung auf den Gegenstand dieser Arbeit in Kapitel 7 erfolgen wird. Im Sinne der Ordnungen von Indexikalitäten kann hier gesagt werden, dass das Standardspanische, innerhalb dessen Funktionsweite alle anderen Register – in diesem Falle das Andalusische als diatopische Varietät und das Katalanische als Sprache – als deviant erscheinen, den sprachideologischen Nullpunkt bildet, da es als die «normale» Sprache und andere Sprachen als «besonders» gesetzt werden. Diese sprachideologische Setzung des Eigentlichen (das Standardspanische) und des Devianten (das Andalusische/das Katalanische) liefert den Rahmen, innerhalb dessen die in dem Roman dargestellte Szene interpretiert werden muss. Zunächst ist die oberste Ordnung der Indexikalität hier, dass das Standardspanische im Gesamtstaat Spanien diese einzige überall als offiziell geltende Sprache ist. In Katalonien hingegen findet ein auf die Ordnung der Indexikalität verweisender Diskurs statt, mithilfe dessen ein Standardkatalanisch mit dem Standardkastilischen als ideologischem Gegenpol diskursiv geschaffen wird. Dass das Katalanische zunächst als untergeordnet zu sehen ist, wird durch die Stellung in Spanien als eine mit einem Ort verbundene Sprache deutlich, wobei im Gegensatz dazu das Standardspanische nicht nur mit dem topographischen Bild der Iberischen Halbinsel und somit überregional assoziiert ist, sondern auch mit seiner Stellung als internationale Sprache. In dem Werk El Amante Bilingüe erfolgt eine differentielle Funktionszuschreibung: Das Standardkastilische ist die Sprache, in welcher der «neutrale» Diskurs getätigt wird. Innerhalb dessen gibt es Einschübe in katalanischer Sprache, welche auf die geschlossene Schicht der katalanischen Bourgeoisie und deren Standardkatalanisch referiert – dort immer als die Norm (la norma)136 bezeichnet – und dessen sich bedient wird, wenn die handelnden Personen im Roman sich mit Menschen dieser Schicht verständigen. Dies ist die Gegentendenz zum Standardspanischen, da in einem Top-down-Verfahren das Standardkatalanische 136 In diesem Zuge ist der Name der Frau, die den Protagonisten betrügt, als ambig zu sehen: Norma ist sowohl ihr Name als auch die Designation der Norm des Standardkatalanischen. Die Handlung des Romans beschreibt die Spannung der komplexen sprachlichen Situation in Katalonien und Norma als Beamtin der katalanischen Regierung La Generalitat in der Funktion als Beraterin bei Fragen und Unsicherheiten der BürgerInnen in Bezug auf die katalanische Norm – was bereits auf eine Unsicherheit in der Standardverwendung hindeutet. Norma spiegelt sowohl die sehr katalanophile Einstellung des katalanischen Bürgertums als auch ihre Strenge in Bezug auf die Sprache dar. Darüber hinaus schwingt eine Exklusivität des Katalanischen innerhalb des Bürgertums mit, da dort die Beherrschung des Normkatalanischen als zwingend dargestellt wird, wenn man Teil dessen sein möchte.
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als die Sprache der katalanischen Mittel- und Oberschicht dargestellt und somit als gesellschaftlich nicht allumfassend konstruiert wird. Hier treffen folglich zwei Gruppen aufeinander, deren Konzeption auf derselben Ideologie beruht: die Gruppe der Nutzerinnen und Nutzer des Standardkatalanischen und die derjenigen, die das Standardspanische nutzen. Die Darstellung im Roman erfolgt gewissermaßen als gleichwertig, da beide Sprachen von der jeweiligen Bourgeoisie genutzt werden. Im Gegensatz dazu wird auf das Andalusische rekurriert, da dieses als Projektionsfläche des Konflikts innerhalb des Romans dient. Da das Andalusische nicht standardisiert ist, ist der hohe ideologische Wert, der einer Standardvarietät zugeschrieben wird, nicht vorhanden, was eine niedrigere Stellung innerhalb des Gefüges Standardkastilisch – Standardkatalanisch – Andalusisch zur Folge hat, wobei das Standardkatalanische und dessen soziodemographischer Funktionsradius innerhalb des Rahmens der Normalisierung137 ausgebaut wird. Das Katalanische soll also gewissermaßen als «Nationalsprache» Kataloniens alle Bereiche, in denen das Standardspanische auf gesamtstaatlicher Ebene benutzt wird, in der katalanischen Gesellschaft abdecken. Das Austarieren der Machtverhältnisse zwischen den Autonomen Regionen und dem Zentralstaat findet in Katalonien aber nicht nur auf politischen Ebenen durch gesamtstaatliche und regionale AkteurInnen untereinander statt, sondern die Immigration nach Katalonien spielt hier eine besondere Rolle. Es gab bzw. gibt auch weiterhin Zuwanderung von Menschen aus dem Süden Spaniens – einer traditionell weniger wirtschaftsstarken Region – nach Katalonien. Diese EinwanderInnen sprechen in den meisten Fällen eine Varietät des Andalusischen und arbeiten oftmals in Wirtschaftssektoren mit niedrigeren Einkommen.138 Diese Stratifizierung findet auch in der sprachlichen Darstellung der jeweiligen SprecherInnen in dem Roman ihren Ausdruck. Das Spanische als Sprache des Romans, das Katalanische als Sprache, in die der Protagonist wechselt, wenn es um das Leben in Katalonien und die damit besetzte Affektion geht,
137 Unter dem Konzept der Normalisierung (normalización) ist in Spanien der Prozess zu verstehen, innerhalb dessen eine Sprache die Hauptfunktionen der Kommunikation, welche sie in ihrer Geschichte verlor bzw. welche einer anderen Sprache zugeschrieben werden, innerhalb einer Gesellschaft durch politische Akte (Sprachpolitik) zurückerhält und diese auf das Gebiet ausgeweitet werden, wo es als historische Sprache verloren ging (Boix i Foster et al. 1998, 314ss.). Somit soll das Katalanische in allen sozialen Schichten und für alle kommunikativen Zwecke gebraucht und auf die nicht katalanischsprachigen Teile Kataloniens ausgeweitet werden. Dieser Prozess ist seit 1978 im Gange und beinhaltet auch die sprachliche Immersion der Schüler an katalanischen Schulen, d.h., dass alle Schüler in Katalonien Unterricht in der Unterrichtssprache Katalanisch (bis auf die Fremdsprachen – Spanisch inklusive) erteilt bekommen. 138 Für detaillierte Beschreibungen bezüglich der Migrationsbewegungen und des sozioökonomischen Status der EinwanderInnen siehe Solé (1981) und Recaño Valverde (2006).
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und das Andalusische, das von EinwanderInnen unterer sozialer Schichten gesprochen wird. Im Sinne der Ordnungen der Indexikalität wird nun deutlich, dass zunächst das Kastilische als Sprache des gesamten Staates, das Kastilische und das Katalanische als Sprachen Kataloniens, und das Andalusische als Einwanderersprache dargestellt werden, was einer Hierarchisierung entspricht. Innerhalb dieser Ordnung der Indexikalitäten – also hier, welche Sprache und welche Varietät welche soziodemographische Stellung haben – können weitere Indexikalitätsebenen identifiziert werden, die nur innerhalb dieses Kontextes zu fassen sind. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da eine Äußerung wie «no se haga uzté mala zangre» in Andalusien eine andere indexikalische Ordnung aufweist als eine Realisierung in Katalonien. Nur unter Berücksichtigung der verschiedenen oben erwähnten Ordnungen der Indexikalität ist zu ergründen, wie die Indices sich in diesem Beispiel konstituieren. Zunächst spricht der Protagonist mit dem Schuhputzer auf Katalanisch, was durch den Kontext zu verstehen ist, da der eigentlich kastilischsprachige Protagonist in seinem sozialen Umfeld – was dem seiner Frau Norma entspricht – agiert und somit das in Katalonien als prestigeträchtig angesehene Normkatalanische mit den EinwanderInnen spricht, obwohl dieser selbst kastilischer Muttersprachler ist. Somit ist der Gebrauch des Standardkatalanischen, dessen Repertoire sich aus den distinktiven Formen des Soziolekts des Bürgertums (Indices 1. Grades) zusammensetzt, wobei die aus diesem Repertoire zusammengesetzte Standardform (Indices 2. Grades) normativ wird,139 noch mit einer weiteren Ebene in der Mikrosituation des in dem Ausschnitt dargestellten Sprechaktes zu verstehen: Der Gebrauch des Standardkatalanischen im Gegensatz zum Standardspanischen indiziert hier im Besonderen die soziale Stellung des Protagonisten im Verhältnis zum Schuhputzer, was einer Indexikalität 3. Grades entspricht, da der Protagonist sich in der Mikrosituation aktiv übergeordneter Makrokontexte bedient, seine Äußerung in diese einbettet und somit das indexikalische Zeichen differentiell interpretierbar werden lässt. Es entspricht einer Identitätsperformanz, bei welcher der Protagonist nicht mehr bloß die diskursiv als «normal» geltende Norm nutzt, sondern sich ihrer kontextuell in dem Gespräch mit einem Sprecher seiner eigenen Muttersprache (Kastilisch) bedient, um eine höhere soziale Position zu markieren, was auch beinhaltet, dass diskursiv die soziale Stratifizierung reproduziert und die katalanische Sprache und Identität in Katalonien als höherwertig konstruiert wird.
139 Frekko (2009, 71ss.) zeigt die enregisterment-Prozesse des Standardkatalanischen auf und beschreibt dabei auch Prozesse der Entstehung weiterer Register im Abgrenzung zum Standard und somit zum katalanischen Bürgertum, dessen Normkatalanisch nicht für alle Situationen als adäquat erscheint, aber dennoch für die Entstehung einer Gegenöffentlichkeit Kataloniens im Gegensatz zur gesamtspanischen Öffentlichkeit benutzt wird.
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Im gleichen Maße ist die Äußerung des Schuhputzers einzuordnen, da dessen sprachliche Varianz indexikalisch anzeigt, dass er eine inferiore Position in der Gesellschaft einnimmt. Auch hier liegt eine enge Kontextbindung vor, denn dieselben Zeichen würden in Andalusien nicht direkt mit einer niedrigen sozialen Stellung in Verbindung gebracht. Die Äußerungen des Schuhputzers sind also insofern zentral, als dass in diesem Kontext die sozialen Umstände durch die sprachlichen Äußerungen manifestiert und austariert werden. Eine Nutzung des Standardkastilischen oder Standardkatalanischen hätte hier nicht denselben Effekt, da der stratische Unterschied nicht direkt durch die Schriftlichkeit und graphische Repräsentation des Akzents wiedergegeben würde, was aber durch die konzeptionelle Mündlichkeit (cf. Koch/Oesterreicher 1994, 587ss.) dieses fiktiven Dialogs entsteht. In diesem Zusammenhang ist ein wichtiger Faktor nicht zu vernachlässigen: Die konzeptionelle Mündlichkeit wird in der partiellen «Verschriftung der diatopischen Varietät» in dem Roman nicht nur typischerweise unter Bezugnahme auf die Orthographiekonventionen der Standardsprache repräsentiert und qua phonemischer Werte, die den Standardgraphemen zugeschrieben, verschriftlicht, da beispielsweise durch die Standardinterpretationsfolie als [θ] interpretiert wird, sondern sie steht im Kontrast zur konzeptionellen Mündlichkeit der Standardvarietät des Kastilischen und ist somit von einer repräsentierten Mündlichkeit des Standardspanischen zu unterscheiden. Dies impliziert nicht nur stratische Differenzierung, sondern auch eine in Bezug auf das, was als korrekt angesehen wird. Die graphische Darstellung der diatopischen Varietät erzeugt daher dreierlei: 1. Eine relativ homogene Darstellung dessen, wie SprecherInnen aus dem Süden Spaniens sprechen und somit eine diskursive Schaffung anderer Gruppen durch Sprache in ihrer sozialen Funktion, wobei zu erfahren wäre, ob dies für Frauen ebenso zu konstatieren wäre. 2. Eine als deviant und somit nicht normzugehörig dargestellte Varietät des Spanischen und somit eine Reproduktion dessen, was deviant und was normativ ist. 3. Charakterologische Eigenschaften der SprecherInnen, die deviant sprechen und derjenigen, die sich normativ verhalten. Diese drei Implikationen zeigen, dass es sich nicht primär um die Darstellung der diatopischen Varietät handelt, sondern dass Sprache implizit als komplexes Gefüge von Varietäten zueinander mit ihren sozialen Funktionen dargestellt wird. Indexikalisch ist in diesem Sinne auch das Konzept der Korrektheit bzw. der Existenz einer korrekten Sprache, die automatisch alles nicht Normative als Devianz erscheinen lässt. Der ceceo kann also in diesem Zusammenhang als indexikalisches Zeichen 3. Grades aufgefasst werden,
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denn dieses saliente Zeichen ist nicht nur Teil des strukturellen Dialektkontinuums, sondern wird mit anderen salienten Zeichen homogen dargestellt, mit der «korrekten» Sprache kontrastiert und als deviant dargestellt. Diese Devianz wird gleichzeitig einem Gesellschaftsstatus und bestimmten Eigenschaften zugewiesen. Insofern ist das Andalusische im Roman El Amante Bilingüe eine konstruierte diskursive Varietät, und das primäre Ziel ihrer Nutzung ist es nicht, die diatopische Varietät als neutral realisiertes Sprechen wiederzugeben, sondern die diskursive Varietät wird nur durch die makrosoziale Hierarchisierung der Sprachkonzeptionen in Spanien und ihrer Stellung darin sozial interpretierbar. In dieser Arbeit ist bereits darauf hingewiesen worden, dass das angeführte Beispiel nur innerhalb des Kontextes, in dem der Roman spielt, zu sehen ist. Würde man die Aussagen des südspanischen Sprechers in den Süden Spaniens verlegen, so sähe das Gefüge anders aus. Da der ceceo in einigen Teilen des Südens realisiert wird und das Phänomen in diesen Gebieten nicht primär als ein diastratisches einzuordnen ist, ist in den Blick zu nehmen, welche RezipientInnen der Roman haben soll. Es ist anzunehmen, dass sich der Roman in erster Linie an eine katalanische Leserschaft richtet und von dieser interpretiert wird. Der soziodemographische und -kulturelle Kontext Kataloniens liegt hier zugrunde und ein Roman, der sich primär an ein andalusisches Publikum richtet und in welchem eine stilisierte graphemische Dialektrepräsentation zu sehen ist, hätte aller Wahrscheinlichkeit nach andere charakterologische Verknüpfungen. An diesem und den zuvor dargestellten Sachverhalten wird deutlich, dass Varietäten in ihrer gesellschaftlichen Realisierung beschrieben und dargestellt werden müssen. Allerdings sind der lokale Kontext und die Konstellationen, in welchen die Realisierung stattfindet, ebenso wichtig, da bei einer Untersuchung, welche diese nicht berücksichtigt, zwangsläufig die wichtige soziale Funktion von Sprache für die Identitätskonstruktion und die damit verbundene Möglichkeit von Sprachwandel durch Revalorisierung von Varietäten oder aber der Wegfall dieser außer Acht gelassen wird. Das impliziert darüber hinaus die Notwendigkeit der Beachtung von diatopischen bzw. diastratischen Varietäten oder speziellen Registern im öffentlichen Raum, die mit valorativen Zuschreibungen im Diskurs versehen werden. Teil dieser Vorgänge ist zudem die Perzeption der SprecherInnen, die ebenso wichtig für die Konstruktion dieser Varietäten ist und welche, wie Labov (1972) an mehreren Stellen deutlich macht, reale Auswirkungen auf das Fortbestehen oder Verschwinden bestimmter salienter Phänomene hat. Es lässt sich konstatieren, dass Ordnungsstrukturen von Indexikalität zu identifizieren sind, welche von nationalen zu lokalen Konstellationen variieren, sich aber dennoch stark aufeinander beziehen. Die übergeordnete Struktur der Korrektheit und der Existenz eines Standards liegt hier allen Darstellungen zugrunde, welche dann innerhalb spezifischer Kontexte unter-
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gliedert und lokal angepasst werden. Das hier analysierte Beispiel zeigt, dass die Devianz des Andalusischen in Katalonien anders einzuordnen ist als in Andalusien selbst, wo SprecherInnen saliente Merkmale zur Essentialisierung einer Varietät nicht nur in Bezug auf ihre Verknüpfung mit dem Ort nutzen, sondern auch um die Authentizität der Sprecherin bzw. des Sprechers zu indizieren. Der ceceo ist somit ein Beispiel eines indexikalischen Feldes. Es lassen sich drei Arten der Untersuchung unterscheiden, die zu neuen Erkenntnissen in der romanistischen Forschung führen können: 1. Eine Untersuchung in Bezug auf indexikalische Felder in verschiedenen Regionen einer konstruierten Gemeinschaft (z.B. innerhalb einer Nation), deren indexikalische Ordnung in verschiedenen Makrokontexten und deren metapragmatische Darstellung, 2. die Ordnung von Indexikalität als solche bzw. welche Konzepte und Ideologien in Sprachgemeinschaften in Bezug auf Sprache vorherrschen und wie sich diese durch die indexikalische Ordnung manifestieren, 3. eine diachrone Herangehensweise, bei welcher untersucht wird, inwiefern diese «externen» Faktoren für den Sprachwandel eine Rolle spielen, also wie die verschiedenen Grade von Indexikalität diskursive Varietäten kreieren und somit ggf. auch konkrete sprachliche Strukturen verändern können. Vorläufig lässt sich festhalten, dass die Konzepte der indexikalischen Ordnung, der Ordnung von Indexikalität und die Darstellung indexikalischer Felder hilfreich sind, um das Vorkommen sprachlicher Varianz zu verstehen, was zunächt exemplarisch anhand des Textauszugs aus El Amante Bilingüe aufgezeigt werden konnte. Das bedeutet, dass soziale und ideologische Mikro- und Makrokontexte, aber auch die Geschichte von Sprachgemeinschaften und die Beziehungen dieser untereinander bei der soziolinguistischen Analyse eine Rolle spielen. Zusammenfassend ist also zu sagen, dass die Neukonzeptionalisierung von Silversteins (2003) Ausführungen zu Indexikalität und indexikalischer Ordnung bei Johnstone et al. (2006) in Anlehnung an Labov (1972) zur einer auf metasprachliche Diskurse applizierbaren Taxonomie geführt hat, durch welche es möglich ist, die agentive Rolle der SprecherInnen mikrokontextuell in Bezug auf ihren Sprachgebrauch und die damit verbundenen Identitätspositionierungen zu untersuchen. SprecherInnen könnten sich mittels der Indexikalität 2. und vor allem 3. Grades aktiv im sozialen Raum positionieren, was eine stilistische Praktik (Eckert 2008) darstellt. Nach Eckert (2008) werden dabei verschiedene Merkmale je nach Kontext, SenderIn, EmpfängerIn etc. durch teilweise andere Interpretationsschemata von verschiedenen SprecherInnen gesehen, sodass sprachliche Merkmale indexikalische Felder möglicher Verknüpfungen aufweisen. Dies führt nach Johnstone (2013) zu indexikalischen Überlappungen, was präzisiert, dass ein spezifisches
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Merkmal durch seine polyvalenten indexikalischen Verknüpfungen in verschiedenen Kontexten andere Indexikalitätsgrade aufweist. Von großer Wichtigkeit sind hierbei die zentrierenden Institutionen nach Blommaert (2005), da durch ihr Heranziehen deutlich wird, dass Indexikalität selbst makrokontextuellen gesellschaftlichen Hierarchisierungsprozessen unterliegt und an welchen sich die Ordnungen der Indexikalität durch Devianz oder Annäherung an den von ihnen ausgehenden Registern ausrichten. Im folgenden Kapitel sollen die Konzepte Register und enregisterment näher beleuchtet und mit der indexikalischen Ordnung verknüpft werden, da Indexikalität und deren Ordnung das Hauptwerkzeug bei der diskursiven Konstruktion von Varietäten ist, sodass sie folglich für das Andalusische als diskursive Varietät und deren Aufwertung eine zentrale Rolle spielt.
5.2 Register und die Konstitution diskursiver Varietäten Im bisherigen Verlauf dieser Arbeit sind die Begriffe Register und enregisterment bereits häufiger benutzt worden, allerdings ist noch keine eindeutige Darstellung zur Definition und Analyse bzw. die Bezugsetzung zum Terminus diskursive Varietät erfolgt. Daher wird in diesem Unterkapitel zunächst die Genese von diskursiven Varietäten und die Unterscheidung zu strukturellen Varietäten dargestellt, wozu das Konzept des Registers – und somit das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Sprache – näher expliziert und analysiert wird. Die Darstellungen, die diesem Kapitel zugrunde liegen, sind Agha (2003, 2004, 2007) zu entnehmen.140 In diesem Unterkapitel liegt der Fokus folglich auf dem Was (Was ist eine diskursive Varietät? Was wird unter Register verstanden?) woraufhin in Unterkapitel 5.3 die Frage nach dem Wie fokussiert werden soll (Wie konstituiert sich eine diskursive Varietät bzw. ein Register?). Coserius (1980, 109ss.) Konzept der historischen Sprache, deren Architektur sich diasystematisch differenziert, zeigt bereits, dass das, was man als Standard bezeichnet, nicht die Gesamtheit einer Sprache als Gesamtheit von Gefügen von
140 Aghas (2007) Werk Language and Social Relations umfasst viele seiner vorherigen Aufsätze – u.a. Agha (2003) und Agha (2004) – in leicht adaptierter Form und sie enthalten wichtige intertextuelle Bezüge, welche in dieser Arbeit weniger von Relevanz sind. Die Textstellen, die zur Erläuterung und zum Verständnis wichtig sind, werden je nach Relevanz aus verschiedenen Werken zitiert.
5.2 Register und die Konstitution diskursiver Varietäten
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Sprachtraditionen umfasst.141 Wenn SprecherInnen das Kastilische nutzen, sprechen sie somit niemals das «gesamte» Kastilische, sondern sie bedienen sich bestimmter Untersysteme, wobei sie weder alle Untersysteme gleichzeitig sprechen noch beherrschen können. Sprache ist in diesem Sinne nicht homogen, sondern weist eine immense und äußerst komplexe Ausdifferenzierung auf verschiedenen Ebenen auf. Genau in diesen Bereich fallen Register, deren theoretische Konzeptionalisierung zentral für das Sprachverständnis dieser Arbeit ist. Dem bereits mehrfach aufgegriffenen Konzept des enregisterment, welches zunächst von Silverstein in seiner Vorarbeit von 1979 benannt und dann von Agha (2003) in Applikaton auf die britische Standardaussprache (Received Pronunciation) theoretisiert wurde, liegt das Konzept des Registers zugrunde, weshalb an dieser Stelle zunächst von Silversteins (2003, 212s.) Annahmen ausgegangen werden soll, um danach Aghas Theoretisierung besser deuten zu können: «[R]egisters are alternate ways of ‹saying ‹the same› thing› considered ‹appropriate› to particular contexts of usage. The register’s forms being extractable from the sum total of all possible texts in such a context, a register will consist of particular register shibboleths, at whatever analytic plane of language structure (phonologico-phonetic, morpholexical, morphosyntactic, grammaticosemantic, etc.). While such shibboleths are strongly salient as indexes that the register is in use, the overall register itself consists of these plus whatever further formal machinery of language permits speakers to make text, such as invariant aspects of the grammar of their language. (A ‹language› is thus the union of its ‹registers›.) [. . .] The existence of registers [. . .] is an aspect of the dialectal process of indexical order, in which the n+1st-order indexicality depends on the existence of a cultural schema of enregisterment of forms perceived to be involved in n-th-order indexical meaningfulness; the forms as they are swept up in the n+1st-order valorization become strongly presupposing indexes of that enregistered order, and therefore in particular of the ideological ethno-metapragmatics that constitutes it and endows its shibboleths with n+1st-order indexical value». [Hervorhebung im Original]
Diese Konzeptionalisierung des Register-Begriffs umfasst zunächst die situative Adäquatheit in Hinblick auf verschiedene Kontexte, wobei derselbe inhaltliche Wert kontextspezifisch anders ausgedrückt wird. Das Register besteht hierbei gründsätzlich aus nicht variablen Einheiten («whatever further formal machinery of language permits speakers to make text, such as invariant aspects of the grammar») und solchen, die auf paradigmatischer Ebene jeweils kovariieren.142 Darüber hinaus besteht ein Register auch aus «register shibbo-
141 An derselben Stelle stellt Coseriu (1980, 109ss.) dar, dass sich der Standard als eine funktionale Sprache nur syntopisch, synstratisch und synphasisch als ein «homogenes» Gebilde konstituiert. 142 Diese Einheiten sind ko-variabel, da diese in ihrem parallelen Auftreten nur in demselben Kontext als adäquat angesehen werden; so wird beispielsweise durch kulturelle Prägung und
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leths», welche als besonders markante Einheiten auf das Register selbst und dessen Kontext indexikalisch hinweisen. Dies ist von unserer Forschergruppe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bestehend aus Ingrid Paulsen in Zusammenarbeit mit Johanna Gerwin und mir (cf. Paulsen, in Vorbereitung) wie folgt modelliert worden:
Cultural, sociohistorical background, (linguistic) ideologies
discursive level register shibboleths metapragmatic and by metadiscursive focussing on influence activities social and pragmatic values
n+1storder index
basis for enregisterment
potential to become
potential to become aspects of the context in which the froms occur
the subject of register / discursive variety
n-thorder index
Structural level
influence
structural variety (variants use in a social and communicative context)
Schaubild 3: The enregisterment process between a structural and a discursive level. (Paulsen, in Vorbereitung)
Auf struktureller Ebene sind invariable und ko-variable Einheiten, welche zusammen in einem spezifischen sozialen und kommunikativen Kontext auftreten, vorhanden. Die Variablen, die eben erst das Register ausmachen, liegen zunächst im Bereich der Ordnung n, welche dann das Potential haben, mittels sozialer und pragmatischer Werte zu Indices einer höheren Ordnung zu werden, sodass diese variablen und invariablen sprachstrukturellen Einheiten die Basis für das
durch metasprachliches Wissen angenommen, dass gewisse Einheiten Teil des Andalusischen sind, aber wenn diese Einheiten in einem Kontext zusammen mit spezifischen Einheiten der leonesischen Varietät des Spanischen auftreten und dies nicht als willentlich stilistischer Akt erfolgt, so wird erkannt, dass die Variation nicht zusammenpasst. Daher sind die ko-variablen Einheiten ebensolche, die zusammen auftreten und in ihrem gemeinsamen Auftreten zusammen mit den invariablen Einheiten das Register bilden.
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enregisterment eines Registers bilden. Es wird folglich von einer strukturellen Varietät im Sinne eines strukturellen Sprachkontinuums ausgegangen, deren variable Einheiten abstrahiert und somit gebündelt werden. Die ideologische Genese dieser Bündelung als kongruente Einheit koinzidiert mit der Abgrenzung zu anderen Einheiten, sodass im metadiskursiven Diskurs zunehmend ein abgrenzbares Register, das eine metadiskursive Benennung erfährt, konstruiert wird. Diese abgrenzbaren diskursiven Register werden oftmals explizit oder implizit auf metapragmatischer und metadiskursiver Ebene besprochen, wobei ein Verweis auf ein Register, sofern dieser auf die sprachliche Ebene abzielt, durch «register shibboleths» bzw. Indices n+1. bzw. n+2. Ordnung nach Silverstein oder aber durch Johnstones 3. indexikalische Ordnung erfolgt. Diese stehen dann sowohl für das Register als Ganzes als auch für den Kontext und die Rahmensetzung,143 sodass diese ko-evoziert werden. Werden diese «register shibboleths» häufiger bentutz, kann dies homogenisierend für das diskursive Register sein, da die tatsächlich vorkommende Variation auf diskursiver Ebene oftmals unbeachtet bleibt, sodass die Annahme entsteht, eine Gruppe spräche in ihrer Gänze auf eine solche Weise. Dies wiederum kann auch eine homogenisierende Auswirkung auf die tatsächlich verwendeten sprachstrukturellen Einheiten144 haben, da SprecherInnen sich ggf. für das Merkmal entscheiden, welches im metapragmatischen Diskurs als typisch dargestellt wird, anstatt für dasjenige, welches zuvor benutzt wurde, um deutlich zu signalisieren, dass die Person Teil der Gruppe ist, mit welcher ein bestimmtes Register assoziiert wird.145 Es soll vornehmlich in dieser Arbeit von Varietät und nicht von Register die Rede sein, da Register sich traditionell auf die situationsspezifische Nutzung, den individuellen Sprachstil etc. bezieht,146 wohingegen Varietät übergreifender
143 Hierunter ist zu verstehen, dass beispielsweise bei einem religiösen Register die Vorstellung einer prototypischen sakralen Stätte ko-evoziert wird. 144 Bernhard (1998) befasst sich in seiner Habilitationsschrift, welche als Grundlagenforschung anzusehen ist, mit dem Phänomen der Salienz am Beispiel des Stadtdialekts von Rom und beschreibt die Prozesse des metasprachlichen Bewusstseins, welches sich durch steigende Frequenz sozial verbreitet und diskursiv festigt (siehe auch Berhard 2014). 145 In Bezug auf das Andalusische ist beispielsweise zu konstatieren, dass die phonematische Unterscheidung von /s/ und /θ/ sehr selten als Teil des Andalusischen angesehen wird, obwohl diese, wie in Kapitel 3 deutlich wurde, von einem nicht unerheblichen Teil der AndalusierInnen realisiert wird. Ein deutliches Signalisieren der Zugehörigkeit zu Andalusien und dessen Sprechweise kann durch diese Unterscheidung nicht geleistet werden, da diese a) mit dem Standard assoziiert wird und dadurch nicht distinktiv wirkt, und b) diese im metapragmatischen Diskurs nicht als typisch für das Andalusische angesehen wird. 146 Für eine Beschreibung und Gegenüberstellung verschiedener Definitionen cf. Sinner (2014, 141ss.).
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gruppenreferentiell genutzt wird, sodass die Gruppe – diese kann ortsbezogen oder stratumsbezogen sein – und deren Sprache als autonomes und funktionelles Untersystem im Vordergrund steht. Diese Überordnung ist oftmals in der Forschung implizit, wozu Sinner anmerkt, dass diatopischen Varietäten in der Forschung oftmals ein besonderer Status zukommt. Dabei werden «Soziolekte, Stile, Register usw. den diatopischen Varietäten insofern stets untergeordnet, als die diatopischen Varietäten vollständige Systeme darstellen» (Sinner 2014, 24). Dies impliziert, dass in der Forschung diatopischen Varietäten oftmals diaphasische und diastratische Subsysteme zugeschrieben werden und diese somit als Dependenzsysteme der diatopischen Varietäten angesehen werden. Die zuvor erfolgte Bezugnahme zur Konstruktion diatopischer Varietäten als «selbstständige Systeme» ist auch für diese Arbeit zentral, da die Revalorisierung des Andalusischen sich im Spannungsfeld der Deutungshoheit darüber, ob es unzusammenhängende Sprechweisen, einen Dialekt, eine eigene Sprache oder die spanische Prestigevarietät darstellt, materialisiert. Die Neuausrichtung des Diskurses über das Andalusische im Sinne einer Revalorisierung und der Anhebung des sprachkonzeptionellen Status in der Hierarchie von diatopischer Varietät und Standardvarietät innerhalb der andalusischen Gesellschaft soll anhand des enregisterment-Ansatzes erklärt werden, da bei diesem vor allem die Genese und soziale Bewertung eines Registers – hier: einer diskursiven Varietät – zentral ist. Hierfür soll nun zunächst mit der Definition von Register bei Agha fortgefahren werden, bevor dann in einem folgenden Schritt die soziale Bewertung in enregisterment-Prozessen dargestellt werden kann. Agha (2007, 147) definiert Register folgendermaßen: «A register formation is a reflexive model of behavior that evaluates a semiotic repertoire (or set of repertoires) as appropriate to specific types of conduct (such as the conduct of a given social practice), to classifications of persons whose conduct it is, and, hence, to performable roles (personae, identities) and relationships among them. The repertoires of a register are often linked to systems of speech styles, and to non-linguistic accompaniments (such as dress) that constitute larger semiotic styles, including [. . .] a ‹style of life›». [Hervorhebung im Original]
Zunächst ist festzustellen, dass nach dieser Sicht ein Register konstituiert wird, indem ein Repertoire an sprachlichen und/oder nicht-sprachlichen Zeichen, das durch Menschen reflexiv, also bewusst,147 als situativ angemessen für spezifische
147 An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass bereits mehrfach in dieser Arbeit davon die Rede gewesen ist, dass SprecherInnen als agentes, also in diesem Sinne als sprachlich Handelnde, sprachstrukturelle Variation bewusst einsetzen. Die Frage nach dem «bewussten» Handeln ist sehr problematisch, worauf auch Eckert (2016, 78) hinweist: «But consciousness and awareness are not simple matters, and agency does not equal nor require awareness. A central source of this
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Arten sozialer Handlungen konstruiert wird. Ein Register, das aus einem Repertoire salienter Merkmale besteht, kann nach dieser Definition sowohl sprachlichen als auch nicht-sprachlichen Ursprungs sein. Ein klassisches Beispiel für ein Register sind religiöse Zeremonien, welche aus spezifischen und chronologisch aufeinanderfolgenden Handlungen in ihrer Gesamtheit ein Register bilden. Oftmals sind solche als Handlungsregister zu fassenden vereinheitlichten und reproduzierbaren Handlungsabläufe mit Diskursregistern versehen, welche in der Situation als adäquat betrachtet werden – bei diesem Beispiel würde es sich dann um ein sakrales Register handeln, welches förmlich ist und diaphasisch eingeordnet werden kann. Nicht-sprachlich sind in diesem Falle weitere Bestandteile des Registers wie z.B. eine besondere Kleidung der Personen, die die Zeremonie durchführen. Es ist außerdem von Bedeutung, dass bestehende Register in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Adaption der durch sie reflektierten charakterologischen Implikationen geben, was bedeutet, dass man sich durch die Verwendung von Merkmalen, die mit dem Register verknüpft sind, verschiedenen sozialen Identitäten bewusst anschließen und die Identität als Lebensstil (style of life) identitätsperformativ «leben» kann. Vorab ist zu sagen, dass hier bereits sichtbar wird, warum Indexikalität einen besonderen Stellenwert bei einem derartigen Gebrauch einnimmt: Der Gebrauch eines oder mehrerer Indices, die einem bestimmten Register angehören, verweist sprachlich auf eine bestimmte Redesituation, auf bestimmte zugeschriebene charakterologische Eigenschaften der sie benutzenden SprecherInnen oder auch auf die soziale oder regionale Herkunft, die mit verschiedenen Essentialisierungen und Ideologien versehen sind. Daher bezeichnet Agha (2007, 147) die Register konstituierenden Repertoires als semiotisch. Aufgrund der anthropologischen Ausrichtung dieser Studie sowie der Analyse sozialer Funktionen von diskursiven Varietäten ist es darüber hinaus wichtig, darauf hinzuweisen, dass diskursive Varietäten nicht nur diskursiv konstruiert werden und somit im Diskurs erst ihre Existenz als reifizierte Einheit erhalten, sondern dass ihnen selbst oftmals eine Art diskursives problem is the common belief that the social is somehow external to cognition, or at a ‹higher› level. [. . .] Anyone who has thought carefully about the social will know that the social is every bit as interior and basic as the linguistic. The social is embedded in the unconscious to the same extent, in the same way, and along the same timeline, as the linguistic. [. . .] Experimental work is showing that a speaker’s perception of the social meaning of variables can operate at a very conscious level, whether the variables are stereotypes [. . .] or recent sound changes in progress [. . .]. This perspective on stylistic practice does not erase the importance of the systematicity and automaticity of sound change but raises the question of when and how that automatic sound change becomes a sign». Diesem Ansatz wird in dieser Arbeit gefolgt und es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass SprecherInnen sprachliche Variation aktiv nutzen können, ohne dass sie sich dessen (gänzlich) bewusst sein müssen.
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Leben und eine eigenständige ontologische Existenz zugeschrieben wird. Beispielsweise heben sich in diesem Zusammenhang im Besonderen vielfach sprachwissenschaftliche Arbeiten hervor, in deren Beschreibungen diskursiven Varietäten Agentivität implizit zugesprochen wird, sodass es scheint, als ob Varietäten selbst Träger menschenartiger Handlungen seien. Zur Illustration dient eine Aussage von Amorós-Negre (2018, 22), die in ihrer empirischen Studie zur Standardisierung der Relativa in der Hispanophonie den Forschungsstand zur Standardisierung aufführt sowie theoretische Grundlagen erarbeitet und in diesem Zuge unter Bezugnahme auf andere Forscher Folgendes erläutert: «Según constata la bibliografía especializada, la estandarización se define como el proceso por el que una determinada variedad se impone frente a los demás y se consagra como norma superordinada, tanto vertical (Abbau) como horizontalmente (Ausgleich)» (Hinskens/Auer/Kerswill 2008 [2005], 11).
Auf der Beschreibungsebene wird deutlich, dass es sich bei der Standardisierung um einen Prozess handele, bei welchem eine bestimmte Varietät sich über andere Varietäten durchsetze. Es wird also indirekt davon ausgegangen, dass eine diskursive Varietät Agentivität besitze und aus eigenem Gestaltungswillen heraus andere Varietäten verdränge. Aus einer auf der Anthropologie basierenden Perspektive ist es jedoch nicht eine Varietät selbst, die dies täte, da sie als solche nur auf diskursiver Ebene existiert, sondern vielmehr soziale AkteurInnen, die einer diskursiven Varietät eine andere Wertigkeit zuschreiben und ihren sozialen Status auf diskursiver Ebene auf die Varietät als reifiziertes Objekt übertragen. Handelnde sind folglich immer nur die Menschen selbst und nicht Varietäten, die sich selbst wie von «unsichtbarer Hand» in Standardisierungsprozessen durchsetzen. Es sind dementsprechend sozial positionierbare AkteurInnen und SprecherInnen spezifischer Schichten mit einen spezifischen symbolischen und ökonomischen Kapital, die die von ihnen bestimmten Standardformen (oftmals durch Institutionen, in denen sie als AkteurInnen bestimmend wirken) durchsetzen und nicht die Varietäten selbst, was oftmals auf der Beschreibungsebene nicht deutlich wird. Was in Aghas (2007) Ausführungen immer implizit vorhanden, aber nicht explizit herausgearbeitet wird, ist die Annahme, dass Sprache ein komplexes Gefüge von Registern und Subregistern darstellt, was im Grunde kein neuer Ansatz ist, denn Coserius (2007 [1988]) Ausführungen zur Theorie des Sprechens und die Unterdifferenzierungen in diasystematische Einheiten (diatopisch/diaphasisch/diastratisch/diamesisch148) tragen diesem Umstand bereits Rechnung. Nichtsdestoweniger bringt Aghas (2007) Theorem einen Erkennt-
148 Der Begriff diamesisch wurde maßgeblich von Mioni (1983, 508) geprägt.
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nisgewinn, da es bei ihm nicht zwangsläufig um Unterkategorien und Ausdifferenzierungen einer Sprache in einem strukturalistischen Sinne geht, sondern um Verbindungen von Registern untereinander, die nicht zwangsläufig derselben Sprache angehören müssen, und welche durch verschiedene ideologische Prozesse diskursiv konstruiert und gleichzeitig gesellschaftlich hoch oder niedrig eingestuft – also bewertet – werden. Der Fokus liegt nicht auf der kategorialen Zuschreibung eines Repertoires zu einer diasystematischen Einteilung, da eine Reihe von Zuschreibungen je nach Mikro- und Makrokontext zutreffen; so ist z.B. das Andalusische in der spanischen Nation eine diatopische Varietät, aber wie durch die Analyse des Auszugs aus El Amante Bilingüe gezeigt werden konnte, in anderen Konstellationen und im katalanischen Kontext auch stark diastratisch markiert. Die Sichtweise des Registers nach Agha (2007, 145ss.) hat somit eine andere Zielsetzung, da die Betrachtung von Repertoires und deren Zusammensetzung in differenzierbaren Registern in ihrem Vorkommen, ihrer Dynamik und dem aktiven Gebrauch durch SprecherInnen in Mikro- und Makrokontexten im Zentrum stehen. Folglich sind Register im Zusammenhang mit ihren Repertoires an sprachlichen Merkmalen zu untersuchen, einschließlich ihrer kontextuellen Umstände (z.B. gesellschaftliche Konstellationen oder auch die Verbindung mit nicht-linguistischen Zeichen) und ihrer Soziohistorizität, d.h. ihrer Konstituierung, Valorisierung, De- oder Revalorisierung und Verbreitung in der Gesellschaft als Produkte soziohistorischer Prozesse (Agha 2007, 149). Diese Darstellung wird durch eine Beschreibung, was Register bezüglich ihrer Struktur und Funktion beinhalten können, durch Agha (2004, 24s.) präzisiert: «From the standpoint of language structure, registers differ in the type of repertoire involved, e.g., lexemes, prosody, sentence collocations, and many registers involve repertoires of more than one kind; from the standpoint of function, distinct registers, are associated with social practices of every kind, e.g., law, medicine, prayer, science, magic, prophecy, commerce, military strategy, the observance of respect and etiquette, the expression of civility, status, ethnicity, gender».
Es wird aufgezeigt, dass Register nicht homogen sind und sich aus verschiedenen Repertoires zusammensetzen können. Das bzw. die (Fach-)Register der Sprachwissenschaft sind in diesem Sinne zwar auch Register, aber dennoch unterscheiden sie sich von anderen, wie beispielsweise dem Register der Standardsprache, deutlich: Ein Fachregister besteht größtenteils aus einer für ein bestimmtes Fach spezifischen Lexik und aus sprachlichen Kollokationen, welche in den meisten Fällen aber das übergeordnete Register der Standardsprache bzw. deren Repertoires, die beispielsweise über einen Grundstock an Lexemen, einer mehr oder weniger normierten Grammatik, einer bestimmten prestigeträchtigen Aussprache usw. verfügen, als Grundlage haben. Dies führt zu einer Unterscheidung der Funktionen von
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Registern, denn sie haben zunächst eine gruppenkonstituierende Funktion, welche zusätzlich mit bestimmten gesellschaftlichen Praktiken verknüpft ist. Diese sozialen Praktiken haben unterschiedliche Stellungen innerhalb der Gesellschaft, sodass die Register als solche auch einer derartigen Differenzierung unterliegen. Agha (2004, 25) beschreibt diese komplexe Differenzierung folgendermaßen: «A register’s tokens are never experienced in isolation during discourse; they are encountered under conditions of textuality (co-occurrence) with other signs – both linguistic and non-linguistic signs – that form a significant context, or co-text, for the construal of the token uttered. The effects of co-occurring signs may be consistent with the effects of the sign at issue, augmenting its force; or, the sign’s co-text may yield partially contrary effects, leading to various types of partial cancellation, defeasibility, hybridity, or ironic play».
So wird deutlich, dass Registermerkmale niemals isoliert zu betrachten, sondern in ihrem gesellschaftlichen Aufkommen als kontextualisiert zu sehen sind. Wie bereits weiter oben beschrieben, kann ein Register gewissermaßen auch ein Subregister darstellen: die Standardsprache als Rahmen, gesprochen von stratisch höheren Schichten, innerhalb dessen das Subregister von Fachsprachen eine Unterkategorie darstellt, da diese konzeptionell von der Standardsprache ausgehen. Somit ist das Auftreten dieser Register nicht kontextlos, sondern findet in einem komplexen Rahmen aus gesellschaftlich als hoch oder niedrig valorisierten Registern und ihren Beziehungen zueinander statt. Darüber hinaus darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Textualität (textuality), also das gleichzeitige Aufkommen von Bestandteilen der Repertoires eines Registers im Kontext von anderen Zeichenkomplexen, die sprachlich oder nicht-sprachlich sein können, eine wichtige Rolle spielt, da diese entscheidend für eine Aufwertung oder Abwertung bzw. Ausbreitung oder Aufgabe eines Registers ist. Dies ist bereits in der exemplarischen Darstellung des Auszugs aus El Amante Bilingüe deutlich geworden, denn wenn ein Register, das man als Andalusisch bezeichnen würde und das aus einem Repertoire an spezifischen prosodischen, lexikalischen und syntaktischen Merkmalen besteht, gehäuft von SprecherInnen eines niedrigeren sozialen Status, Bildungsgrades usw. genutzt wird, so kann eine Assoziierung des Registers mit diesen nicht-sprachlichen Konzepten auftreten. Sofern dies von den SprecherInnen des Registers als defizitär angesehen wird, kann es folglich zur Aufgabe dieses und zur Annahme eines prestigeträchtigeren Registers – hier dem der Standardvarietät – kommen. Allerdings muss dies nicht zwangsläufig der Fall sein, da auch Revalorierungstendenzen auftreten können, wenn durch soziale AkteurInnen versucht wird, die sprachideologische Setzung zu transformieren. Hier wären eine Kodifizierung und Standardisierung des Andalusischen und ein gleichzeitiges Ausdehnen der sozialen Reichweite auf höhere soziale Schichten – also eine Entkopplung stratischer Kategorisierung oder
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eine Aneignung durch höhere soziale Strata – vorstellbar, wobei dadurch das Andalusische mit anderen sozialen Eigenschaften assoziiert werden würde. Diese Tendenzen lassen sich gegenwärtig im Falle des Andalusischen beobachten und die gegenwärtigen Prozesse werden in Kapitel 7 im Hinblick auf das Andalusische noch präzisiert werden. Um Register – und damit diskursive Varietäten – näher zu charakterisieren, muss auch auf deren Eigenschaften eingegangen werden. Laut Agha (2007, 147) weisen sie folgende auf: 1. Die SprecherInnen einer Sprache beherrschen lediglich eine begrenzte Anzahl von Registern des Diskursraums, in welchem sie sich sozial bewegen. 2. Die meisten SprecherInnen können mehr Register wiedererkennen, als sie sprechen können. 3. Die von Individuen beherrschten Register erlauben ihnen den Zugang zu einer Reihe sozialer Praktiken. 4. Register werden mit einer Reihe verschiedener Praktiken verbunden, indem SprecherInnen metadiskursiv Urteile über ihre Angemessenheit abgeben. 5. Einige Register sind in Bezug zu anderen Registern «gleicher als andere», was bedeutet, dass eine Registerhierarchie besteht. Sie sind institutionell als Norm implementiert und andere Register erscheinen im Vergleich als deviant oder mangelhaft. Die zuvor erwähnte Standardsprache würde als primus inter pares also hier in den Punkt 5 passen, allerdings sind auch die anderen Charakteristika nicht zu vernachlässigen, da diese eng miteinander verwoben sind und definitorisch aufeinander aufbauen. SprecherInnen können sich immer nur einer begrenzten Anzahl von Registern bedienen, wobei es ihnen zwar möglich ist, andere Register zu erkennen, jedoch können sie die Register nicht adäquat wiedergeben. Beispielsweise ist eine Sprecherin bzw. ein Sprecher des Standardkastilischen aus dem Norden Spaniens nicht zwangsläufig in der Lage, eine andalusische Varietät ohne Weiteres adäquat zu reproduzieren, aber durch das kulturelle und sprachliche Wissen – ggf. erschaffen durch eigene Erfahrungen oder Darstellungen im öffentlichen Raum – in der Lage, diese wiederzuerkennen. Aufbauend auf diesem Punkt ist davon auszugehen, dass Register funktional als gruppenkonstituierende Einheiten wirken und ihre Beherrschung bzw. Aneignung anzeigt, ob jemand Teil dieser Gruppe ist bzw. sein möchte oder nicht. Als angemessen werden Register insofern angesehen, als dass sie in dem Kontext, in dem sie von SprecherInnen benutzt werden, ihrer «normalen» Nutzung entsprechen. So wäre beispielsweise das bei einem linguistischen Fachgespräch von Fachleuten benutzte Register mit all seinen Spezifika (vor allem die Lexik betreffend) nicht angemessen, wenn sich diese Fachleute mit Medizinerinnen und Medizinern träfen,
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was umgekehrt im selben Maße auf deren Register zuträfe. Dies zeigt, dass Register und deren Beherrschung inklusiv eine gewisse Gruppe konstituieren, aber auch nach außen exklusiv wirken. Der Umstand, dass ein bestimmtes Register oftmals als «die eigentliche Sprache» in einem laienlinguistischen Sinne angesehen wird, wird bei Punkt 5 deutlich. Wenn SprecherInnen die Standardvarietät nicht oder nicht gänzlich beherrschen, ist dies ein Ausschlusskriterium, sodass hier ebenfalls die Dichotomie von inklusiv und exklusiv wieder zum Tragen kommt. Hierbei muss auch die Relation zwischen verschiedenen Registern berücksichtigt werden, da in Gesellschaften Register auch zur Abgrenzung von Gruppen untereinander benutzt werden können und sich die soziale Hierarchie auf die Hierarchisierung der Register überträgt, welche diese dann indexikalisch anzeigen. Als Beispiel aus der Romania kann z.B. die Einwanderung aus den Maghrebstaaten nach Frankreich angeführt werden. Oftmals wird von dieser Gruppe das Normfranzösische im Sinne des bon usage nicht gänzlich beherrscht und die Realisierung der Laute kann SprecherInnen des Normfranzösischen darauf schließen lassen, dass es sich um EinwanderInnen handeln müsse, da diese durch ihr Wissen über ihre Gesellschaft oftmals bereits mit anderen (Migranten-) Varietäten und Ethnolekten vertraut sind.149 Die Gruppenmitglieder wissen zumeist, dass ihre Varietät nicht das Standardfranzösische ist. Obwohl sie die Normsprache erkennen, beherrschen sie sie nicht (gänzlich), wobei wiederum zwischen EinwanderInnen und deren in Frankreich geborenen Kindern unterschieden werden muss (Bouziri 2002, 108s.). Die Gruppen der EinwanderInnen aus dem Maghreb können ihre eigenen Register als Mittel zur internen und externen Gruppenkonstitution nutzen und dies erlaubt ihnen, aktiv an den jeweiligen Ethnolekten und den sozialen Formen teilzuhaben und diese zu füllen, wobei ein Nicht-Beherrschen des Standards sie von gewissen sozialen Praktiken im Einwanderungsland ausschließt. Wenn ein Sprecher bzw. eine Sprecherin der in Frankreich genutzten maghrebinischen Register nun vollständig das Standardfranzösische beherrscht, zeigt eine Nutzung des Standards innerhalb dieser Gruppe womöglich an, dass die Person nicht Teil der Gruppe sein und in der sozialen Hierarchie des Landes aufsteigen möchte, sodass hier ein willentlicher indexikalischer Akt vorliegt, der für die Gruppenmitglieder im Normalfall als nicht adäquat im Umgang mit ihnen angesehen wird. Die Bestrebungen, ein Re-
149 Zur Rolle der EinwanderInnen aus den Maghrebstaaten bzw. deren Nachkommen und zur Akzeptanz ihrer Ethnolekte kann Bouziri (2002, 105ss.) konsultiert werden. Im Besonderen ist zu erwähnen, dass in weiteren Arbeiten zur Indexikalität und zum enregisterment die Sprechweisen dieser Gruppen von Interesse wären, da sie zumeist zwei Muttersprachen haben (Leconte 2013, 835s.) und durch die Vielschichtigkeit der Identitätszugehörigkeiten zu vermuten ist, dass sich auch hier Indexikalisierungsprozesse finden lassen.
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gister in diesem Falle nicht zu benutzen und ein anderes stattdessen zu wählen, deuten also darauf hin, dass es Register gibt, die gesellschaftlich höherwertiger als andere angesehen werden. Die Fragen, die sich nun stellen, sind folgende: Wie ist es möglich, dass ein bestimmtes Repertoire als differentiell angesehen wird und wie erfolgen die Verknüpfungen mit sozialen Praktiken? Die Antworten liefert Agha (2007, 148) wie folgt: «These features [die Variablen, die zusammengefasst ein Repertoire bilden] are identified by appeal to metapragmatic stereotypes of speech, i.e., culture-internal models of utterance indexicality associated with speech variants. These models set indexical text-defaults on the construal of utterances for persons acquainted with them. [. . .] The utterance or use of a register’s forms formulates a sketch of the social occasion of language use, indexing stereotypic features such as interlocutors’ roles, relationships, and the type of social practice in which they are engaged». [Hervorhebung im Original]
Zunächst ist anzumerken, dass der Begriff Stereotyp oftmals eine negative Konnotation aufweist, welche aber in Aghas (2007, 148) Ausführungen nicht impliziert wird. Metapragmatische Sprechstereotypen (metapragmatic stereotypes of speech) sind in diesem Sinne als Etiketten zu verstehen, die Registern gegeben werden, und somit als die stereotypische Einteilung anhand von Gruppen oder Kategorien zu begreifen sind.150 SprecherInnen erwarten bereits, wenn sie etwa ein Etikett wie Medizinerinnen- bzw. Medizinersprache hören, dass es sich um einen spezifischen Sprachgebrauch dieser Berufsgruppe handelt.151 Das Versehen von Registern mit Namen ist also ein Akt des Schaffens des Registers als differentielle und abgrenzbare Einheit, sodass beim Auftreten von Registernamen bereits eine Indexikalität (culture-internal models of utterance indexicality associated with speech variants) vorliegt, da beispielsweise sowohl beim Gebrauch des Terminus Medizinerinnen- und Medizinersprache als auch des Lexems Herzinsuffizienz mehr als nur die denotative Bedeutung eine Rolle spielt: Bei ersterem wird das Register als solches und mögliche lexikalische und ggf. syntaktische Merkmale als differentielle Einheit kreiert – selbst wenn diese Merkmale von der Mehrzahl der SprecherInnen nicht eindeutig identifiziert,
150 Eine solche Kategorie könnte z.B. diejenige der höflichen Sprache sein, welche nur indirekt einer bzw. mehreren sozialen Gruppen zugeschrieben wird, deren stereotypische charakterologische Darstellungen sich ggf. überschneiden. 151 Agha (2007, 152) selbst benennt das folgende Problem: Registernamen sind unspezifisch in dem Sinne, als dass sie nicht auf eine Allgemeingültigkeit schließen lassen, denn diese sagen nichts darüber aus, ob ein bestimmtes Register immer von der konstruierten Sprach- bzw. Nutzergemeinschaft verwendet wird, ob alle Mitglieder dieses Register nutzen, sodass man nur von Tendenzen sprechen kann, welche aber nicht als universell angesehen werden können.
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sondern lediglich wiedererkannt werden. Darüber hinaus wird ein Bild über dessen Benutzerinnen und Benutzer evoziert. Hier spielen eine hohe Stellung in der Gesellschaft, hohe Bildung, eine hohe gesellschaftliche Relevanz des Berufes sowie charakterologische Eigenschaften und typische (positive und negative) Assoziationen mit dem Beruf eine Rolle. Bei Letzterem wird zwar nicht das Register als solches evoziert, aber es liegt dennoch eine Indexikalität vor, da beispielsweise das Lexem Herzinsuffizienz als Fremd- und Fachwort u.a. einen hohen Grad an Professionalität und medizinischem Wissen indexikalisiert. Das Äußern (utterance) von Merkmalen des Repertoires eines Registers sowie des Registernamens als solchem haben weitere Implikationen. Um dies direkt auf den Gegenstand dieser Arbeit zu beziehen: Das Andalusische – also sowohl das Repertoire an Merkmalen des Registers (der diskursiven Varietät) als auch dessen Benennung – indiziert folglich je nach Kontext verschiedene charakterologische Eigenschaften, soziale Positionen etc. Das bedeutet, dass Gruppen und deren soziale Verhaltensweisen und Positionen (z.B. der Beruf) mit bestimmten Regelmäßigkeiten des Sprechens (indexical text-defaults) diskursiv verknüpft werden und somit das indexikalisch evozieren, was Agha (2007, 153) «social occasion of speaking» nennt, also bestimmte Redeformen in sozialen regulären Konstellationen. So ruft beispielsweise der kulturelle Ort Kirche sowohl ein bestimmtes Register im Zuge einer Predigt als auch soziale Verhaltensweisen bzw. Praktiken auf, die rekurrent sind. Die zentrale Annahme ist folglich zunächst, dass die metapragmatische Benennung bestimmter Arten des Sprechens von großer Wichtigkeit ist, denn «[. . .] linguists observe [bei der Identifizierung von Registern] not only that certain kinds of metapragmatic typifications occur in the evaluative behavior of language users but that certain patterns of typifications recur in the behaviors of many speakers» (Agha 2007, 153). [Hervorhebung im Original]
Implizit wird hier die Wichtigkeit der Frequenz angesprochen, denn es ist nicht ausreichend, dass eine bestimmte Regelmäßigkeit des Sprechens einmal benannt wird, sondern dieses Etikett muss diskursiv in der Gesellschaft – oder auch in Teilen der Gesellschaft – wiederholt, verbreitet und gefestigt werden, damit es als differenzierender Begriff das Register konstruiert und damit es dekodiert werden kann. Das Reden mithilfe eines Registernamens über diese Regelmäßigkeiten des Sprechens ist somit bei der gesellschaftlichen Konstruktion von Registern von Bedeutung und für SprachwissenschaftlerInnen ein Indiz dafür, was als Register gilt und welches zu untersuchen wäre. Dies scheint zunächst ein überraschender Ausgangspunkt zu sein, allerdings ist der Anspruch eines wissenschaftlichen Ansatzes, der von Registern/diskursiven Varietäten und nicht von einer abstrahierten Sprache als reifiziertem und in der Welt existierendem Objekt
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ausgeht, zwangsläufig darauf angewiesen, über ein Set an Daten zur Analyse zu verfügen. Darüber hinaus hängt laut Agha (2007, 150) die Identifikation von Registern durch SprachwissenschaftlerInnen von der «metalinguistic ability of language users to discriminate forms across register boundaries and to assign pragmatic values to variant forms» ab. Konkret bedeutet dies für das Vorgehen bei einer auf einem Register basierenden Untersuchung, dass hier Urteile von SprecherInnen vonnöten sind, bei denen sie Merkmale verschiedenen Registern zuweisen und durch welche es SprachwissenschaftlerInnen möglich wird, zu deduzieren, welche Perzeption SprecherInnen von welchen Variablen haben und wie sie diese kategorisieren. Folglich ist dies ein Ansatz, der die soziale Konstruktion von Sprache und ihre Wertigkeit für die Gesellschaft mittels metapragmatischer Diskurse untersucht und nicht von sich heraus eine abstrahierte Sprache auf struktureller Ebene vorgibt. Wenn es z.B. um die Identifikation der Standardsprache geht – der Terminus impliziert bereits, dass SprecherInnen sie oftmals als die «eigentliche» Sprache imaginieren –, so sind metadiskursive Äußerungen von SprecherInnen von großer Wichtigkeit, um zu erfahren, ob sie eine bestimmte Variable der Standardsprache zuordnen würden und ob sie diese als diatopisch oder diastratisch markiertes Merkmal einstufen. Dies muss nicht zwangsläufig in Interviews geschehen, sondern eine Vielzahl an metasprachlichen Aussagen ist denkbar, wobei Agha (2007, 150) zwischen expliziten (overt) und impliziten (not denotationally explicit) unterscheidet: Explizite Metadiskurse und Teile dieser – wie z.B. Registernamen – machen eine direkte Aussage über ein Register bzw. weisen einem Set sprachlicher Variation einen Wert oder einen Namen zur Abgrenzung zu. Implizite Diskurse beschreiben ein Register oder aber Devianzen zu diesem indirekt und sind ebenfalls nicht wertneutral. Oftmals findet man explizite Angaben zur «Wertneutralität» in expliziten metasprachlichen Diskursen. Hierbei ist anzumerken, dass «Neutralität» ein sozialer Wert ist und als solcher eben nie objektiv neutral sein kann. Auf Basis der Standardsprachideologie kommt dem sozialen Wert «neutral» eine hohe Bedeutung zu, denn mittels der ideologischen Bewertungsfolie zur Standardsprache wird bestimmt, welche Merkmale neutral sind und welche eben nicht.152 Zuvor ist bereits der Begriff des ceceo dargestellt worden sowie die oft negative Bewertung dieses Phänomens. Wenn also dem Andalusischen der ceceo als Merkmal zugeschrieben oder in normativen Grammatiken des Spanischen von
152 Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass auch auf sprachwissenschaftlicher Beschreibungsebene Neutralität in metasprachlichen Diskursen nicht gegeben ist, da jegliche Analyse letztlich subjektiv ist und von der Einordnung sowie Kontextualisierung der Daten der Forscherin bzw. des Forschers abhängt.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
diesem Phänomen gesprochen wird, dann wird das Standardspanische, welches konzeptionell im Norden Spaniens verortet wird, als neutrale Grundform mit dem «korrekten» bzw. «eigentlichen» Phonemsystem dargestellt, wovon die Phonemsysteme oder Allophonie anderer Varietäten abweichen und als deviant konstruiert werden.153 Zusätzlich zu den Registernamen, welche bereits eine erste Einteilung darstellen, sind weitere Faktoren zu beachten, wobei Agha (2007, 150s.) die metapragmatische Typisierung von Registern wie folgt beschreibt: «In their most explicit forms, such evaluations consist of metapragmatic discourses, i.e., accounts which describe the pragmatics of speech forms. Several genres of metapragmatic discourse occur naturally in all language communities, e.g., verbal reports and glosses of language use; names for registers and associated speech genres; accounts of typical or exemplary speakers; proscriptions on usage; standards of appropriate use; positive or negative assessments of the social worth of a register». [Hervorhebung im Original]
Dies bedeutet, dass diese metapragmatischen Diskurse in einen evaluativen Rahmen eingebettet sind, was für diese Arbeit besonders wichtig ist, da die Valorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät untersucht wird. Durch metasprachliche Diskurse werden die Register bzw. die sprachlichen Merkmale mit «typischen» außersprachlichen Implikationen versehen. Um Register, ihre soziale Stellung, die Einstellung der SprecherInnen zu ihnen, ihre Valorisierung und ihre diskursive Konstitution adäquat beschreiben zu können, schlägt Agha (2007, 151) die folgende Typisierung vor, mithilfe derer verschiedene konstituierende Teile des Registers untersucht und beschrieben werden können:154 1. Alltägliches, reflexives Verhalten, wie z.B.: a. Benutzung von Registernamen, b. Darstellung zum Gebrauch/Darstellungen zu den BenutzerInnen, c. Beschreibungen eines adäquaten und korrekten Gebrauchs, d. «Turn-taking»-Muster, e. Muster eines normativen und nicht normativen Gebrauchs.
153 An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Institutionen der Sprachpflege mittlerweile einen plurizentrischen Ansatz verfolgen, was anhand der im Jahre 2009 erschienenen Nueva gramática de la lengua española (=NGRALE; hier die beiden Bände Morfología Sintaxis I und Sintaxis II) sichtbar wird, da hier der Versuch unternommen wurde, verschiedene Varietäten gleichberechtigt in der Beschreibung aufzunehmen. Tacke (2011) gibt hier eine genauere Beschreibung und Beurteilung in Bezug auf die tatsächlichen plurizentrischen Tendenzen dieses Werkes. 154 Im Folgenden können die verschiedenen Gruppen und Untergruppen aus Platzgründen nur partiell und exemplarisch angegeben sowie erläutert werden, jedoch muss erwähnt werden, dass jede dieser Gruppen und Untergruppen von Wichtigkeit für die Analyse ist. Darüber hinaus stellt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich aller Kategorien dar.
5.2 Register und die Konstitution diskursiver Varietäten
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Urteile, die durch folgende Methoden eruiert werden können, wie z.B.: a. Interviews, b. Umfragen zu sprachlichen Phänomenen, Registereigenschaften etc., c. Experimente mithilfe der «matched-guise»-Methode.155 Metadiskursive Genres, wie z.B.: a. Lexikographietraditionen, b. Grammatikologie, c. kanonische Texte, d. Lehrbücher, e. populäre Printmedien, f. elektronische Medien, g. literarische Repräsentationen, h. (Sprach-)Mythen, i. Rituale.
Diese drei übergeordneten Kategorien zeigen, dass es für eine adäquate Registeranalyse und -beschreibung verschiedenartiger Ebenen bedarf, wobei eine Vielzahl an (meta-) sprachlichem Material vonnöten ist. So ist beim ersten Punkt besonders wichtig, dass reflexives Verhalten der SprecherInnen zur Differenzierung von Sprache in verschiedene Register beiträgt. Dies geschieht durch Benennung, aber auch durch Aussagen zu Sprechweisen verschiedener SprecherInnen oder Urteile zur Korrektheit, was die übergeordnete Ideologie der Existenz von korrekter Sprache beinhaltet.156 Es ist außerdem wichtig, zu konstatieren, dass es sich mikrokontextuell um einzelne Urteile über Sprache, Benennungen etc. handelt und nicht um eine diskursiv geformte Akkumulation metadiskursiver Äußerungen, die diskursiv verknüpft wären und als allgemeingültig gelten könnten. Unter dem zweiten Punkt lassen sich Methoden zusammenfassen, mithilfe derer man systematisch Urteile von SprecherInnen bezüglich Registern und deren sprachlichen Ausdifferenzierungen in Bezug auf Prosodie, Lexik, syntaktische Strukturen etc. identifizieren kann. Die dritte übergeordnete Kategorie umfasst Akkumulationen metadiskursiver Ausführungen, wie z.B. Lexikographietraditionen, die oftmals für Standardsprachen sehr ausgeprägt sind, aber welche auch auf andere Register übertragen
155 Weitere Ausführungen zu dieser Methode sind beispielsweise bei Lambert (1967) zu finden, auf den diese auch zurückgeht. 156 An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass es um korrekte Sprache im Sinne eines Standards geht, zu welchem bestimmte andere Formen deviant erscheinen, was also einer Abstraktionsebene bedarf. Dies impliziert aber nicht Instanzen von tatsächlich fehlerhaften Äußerungen in Sinne einer defizitären Performanz (also eine fehlerhafte Realisierung der Norm nach Coseriu), so z.B. bei Versprechern.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
werden können. So können diese Lexikographietraditionen beispielsweise Wörterbücher für ältere Sprachstufen einer Standardsprache oder auch Dialektwörterbücher enthalten, welche – je nach Ausrichtung – entweder das Lexikon in Abgrenzung zur Standardsprache beschreiben oder das «gesamte» Lexikon der diatopischen Varietät als solcher darstellen. Metasemiotische Aussagen – beispielsweise Aussagen über ein bestimmtes Wort, dessen Bedeutung und Nutzung ggf. in Abgrenzung zu anderen Wörtern – sind hier von besonderem Wert, da diese über eine rein denotative Beschreibung hinausgehen und Aussagen zum sozialen Vorkommen des Wortes machen können. Aber auch literarische Darstellungen, wie sie sich in El Amante Bilingüe finden lassen, sind Teil dieser übergeordneten Kategorie. Hier sind aber nicht nur derartige «kurze» Repräsentationen der Varietät in einem von der Standardsprache umfassten Rahmen zu sehen, sondern ebenso komplett in einer diatopischen Varietät verfasste Werke. Diese exemplarische Darstellung der Typisierungsmöglichkeiten zeigt außerdem Folgendes: Es ist möglich, Register unter verschiedenen Gesichtspunkten zu analysieren und da Register «repertoires used in utterances by particular sociohistorical populations» (Agha 2007, 149) sind, können u.a. sowohl die Register konstituierenden Repertoires, die tatsächlichen Äußerungen in ihrem Gebrauch, als auch die Geschichte der Register untersucht werden. Somit ist zu sehen, dass Register sich sowohl synchron in ihrem gegenwärtigen Aufkommen konstituieren und im Sinne der de Saussureschen parole ihre sprachlichen und physikalischen Realisierungen durch SprecherInnen erfolgen, als auch dass sie das Ergebnis historischer Prozesse sind, welche folglich diachron betrachtet und analysiert werden können. Die Trennung in interne (historische Grammatik) und externe Sprachgeschichte wird bei einer auf Registern basierenden diachronen Analyse aufgeweicht, da es nicht primär um die Beschreibung des Systems bzw. um außersprachliche Umstände und Entwicklungen geht, sondern die Annahme, dass SprecherInnen Sprache agentiv nutzen sowie dass soziale Gegebenheiten und Prozesse Einfluss auf Sprache haben, wird stärker in den Mittelpunkt gerückt. In diesem Sinne wäre beispielsweise zu untersuchen, welche metasprachlichen Diskurse zum Andalusischen in der Vergangenheit existierten, welchen Einfluss diese auf die diatopische Varietät hatten und welche Auswirkungen dieses Einflusses auf Sprachwandelprozesse zu beobachten sind. Darüber hinaus werden bei diesem Verfahren Quellen berücksichtigt, welche vorher nur peripher als ernstzunehmende Faktoren für die Entstehung und Veränderungen von Registern berücksichtigt wurden, wie z.B. literarische Repräsentationen. Außerdem wird untersucht, welchen Gruppen die Register diskursiv im sozialen Raum zugeordnet werden und welche Wertung hiermit einhergeht. Daher sind bei einer empirischen qualitativen Untersuchung von Registern nicht nur die «sprachlichen Fakten» von Bedeutung, sondern auch das,
5.2 Register und die Konstitution diskursiver Varietäten
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was SprecherInnen über die jeweiligen Register sagen und wie sie darüber reden. Hierbei ist der Rückgriff auf metasprachliche Daten und evaluative metasprachliche Aussagen von entscheidender Wichtigkeit, um Variablen, Repertoires und Register sowie deren sozialen Wert analysieren zu können. Unter methodologischen Gesichtspunkten ist darüber hinaus anzuführen, dass eine auf Registern und deren sozialen Wert basierende Untersuchung nichts von der Sprache Unabhängiges ist, da Metazeichen – also Indices höheren Grades – und Objektzeichen – denotative sprachliche Zeichen – nicht getrennt voneinander zu sehen sind und diese nur im Verbund adäquat analysiert werden können. Die Objektzeichen als konkretes sprachliches Material und deren Metabezüge in ihrer Gleichzeitigkeit sind somit bei der Sprecherin und beim Sprecher angelegt und lassen diese/n nicht unberücksichtigt (Agha 2007, 189). Zusammengefasst kann gesagt werden, dass drei Schritte für die Konstitution eines Registers notwendig sind: 1. Die Sprachrezipientin bzw. der Sprachrezipient muss ein sprachliches Merkmal als distinktiv empfinden. 2. Die distinktiven Merkmale müssen einer Gruppe zugeschrieben werden. 3. Durch Metadiskurse werden diesen Merkmalen soziale Attribute einer Gruppe zugeschrieben. Für die Analyse ist somit zusammenfassend zu konstatieren, dass für die Untersuchung in dieser Arbeit selbstreflexive Diskurse von großer Bedeutung sind, da mittels reflexiven Verhaltens und Sprechens sowie metasprachlicher Bewertungen von Sprache und sprachlichen Merkmalen sowie metadiskursiven kulturellen Erzeugnissen (Sprachratgeber, Dialektwörterbucher etc.) ersichtlich wird, wie eine Gesellschaft spezifische Register diskursiv konstruiert. Zusätzlich kann daran gesehen werden, wie diese Register sprachideologisch implementiert werden, welchen Gruppen sie stereotypischerweise zugeordnet werden, welchen Status sie haben und in welchen Kontexten sie verwendet werden. Sprachliche Merkmale sind von zentraler Wichtigkeit, da diese das sprachliche Material bilden, mithilfe dessen SprecherInnen demarkativ handeln und die diskursive Varietät mittels metapragmatischer Diskurse konstruieren. Der Zusammenhang zwischen struktureller und diskursiver Varietät und die sich daraus ergebenden Untersuchungsgegenstände werden in Schaubild 4 abgebildet und zusammengefasst. Das Schaubild zeigt durch die Platzierung im Inneren, dass die strukturelle Varietät die sprachliche Basis bildet und die diskursive Varietät eine Abstraktion davon darstellt, die mehr als die strukturelle Varietät umfasst. Entscheidend ist, dass die Untersuchungen beider Formen andere Erkenntnisinteressen verfolgen und grundsätzlich andere Gegenstände haben. Hierbei ist hinzuzufügen, dass die salienten Merkmale und deren Indexikalität auf der
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diskursive Varietät:
strukturelle Varietät:
• Repertoire salienter Merkmale (2. und 3. Welle nach Eckert 2012) • invariable syntagmatische Einheit • nicht saliente Merkmale • saliente Merkmale (1. Welle nach Eckert 2012)
Untersuchungsobjekt: einzelne saliente Merkmale, die zu einer Varietät gehören, die diskursive Konstruktion der Varietät und ihre soziale Bewertung. Erkenntnisinteresse: Feststellung der aktiv genutzten Merkmale, Sprachkonstruktionen und -ideologien sowie Reifizierungen. Untersuchungsobjekt: sprachliche Strukturen/Sprachgebrauch selbst sowie die Distribution von Variation. Erkenntnisinteresse: Ausprägung sprachlicher Strukturen und die Distribution von Variation.
Schaubild 4: Diskursive und strukturelle Varietät und damit verbundene Untersuchungsobjekte.
Untersuchungsebene der Soziolinguistik anzusiedeln sind, wohingegen die diskursive Varietät in den Bereich der (kritischen) Diskursanalyse bzw. der Sprachanthropologie fällt. Beide Ebenen sind in dieser Arbeit vonnöten, da die diskursive Varietät und deren Konstruktion, welche in dieser Arbeit näher betrachtet werden, die Existenz struktureller Variation zur Voraussetzung haben. Einordnend muss der vorherigen Klassifizierung hinzugefügt werden, dass das Konzept der strukturellen Varietät selbst eine in dieser Arbeit erfolgte diskursive Konstruktion darstellt, um die Ebenen auf theoretischer Basis greifbar zu machen. Dies bedeutet, dass konzeptionell sprachliche Variation, die innerhalb eines diatopischen, diaphasischen und diastratischen Kontinuums existiert, bereits auf einer Abstraktionsebene a posteriori – also nach Beobachtung des Sprachgebrauchs – zur sukzessiven Einordnung in zusammenhängenden Einheiten zusammengefasst wird. In der Realität existiert eine strukturelle Varietät als solche selbst nicht, sondern lediglich der Sprachgebrauch, der bei den SprecherInnen selbst anzusetzen ist. Da strukturelle Varietäten selbst perzeptionsabhängig sind, handelt es sich auch dabei um konstruierte Einheiten, die wiederum die Basis für Untersuchungen liefern (können), da sie als solche beschreib- und analysierbare Objekte bilden. Der Terminus strukturelle Varietät ist dennoch von Vorteil, da durch diesen die Distinktion zwischen struktureller Variation innerhalb eines Variationskontinuums, ihre «von außen» zugeschriebenen Nutzungskontexte und die sukzessive metapragmatische Konstruktion fokussiert wird. Darüber hinaus wäre es bei guter Datenlage theoretisch denkbar, durch statistische Verfahren und die daraus zu sehenden Clusterbildungen Varietäten auf struktureller Ebene als Formen ähnlichen Sprachgebrauchs zu bestimmen, um daraufhin in perzeptions- und
5.3 Enregisterment-Prozesse
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diskurslinguistischen Arbeiten zu überprüfen, ob diese strukturellen Varietäten auf diskursiver Ebene widergespiegelt werden oder ob sich andere Muster ergeben. Es ist daher im Rahmen dieser Arbeit essentiell, die strukturelle und tatsächlich existierende Variation als strukturelle Varietät von derjenigen zu trennen, mittels derer durch saliente Merkmale größere diskursive Varietäten metapragmatisch konstruiert werden. Dies ist im Besonderen wichtig, da die strukturelle Varietät in Bezug auf variable und invariable Einheiten wesentlich mehr umfasst, als für die Konstruktion der diskursiven Varietäten genutzt wird und somit die diskursive – also die imaginierte – Varietät nicht mit der strukturellen gleichzusetzen ist.157 Auf der anderen Seite spielt der Diskurs eine zentrale Rolle, da in diesem Varietäten vor der Hintergrundfolie von Sprachideologien konstruiert und diese Konstruktionen verhandelt werden. Die bisherigen Ausführungen haben sich auf die Konstituierung von Registern bzw. diskursiven Varietäten und auf metasprachliche Prozesse bezogen, mithilfe derer diese fassbar und soziolinguistisch analysierbar werden. Dabei konnte auf der Oberfläche auf die Prozesse des enregisterment, d.h. die historische Schaffung und Entwicklung von Registern, eingegangen werden. Diese Prozesse werden im nächsten Unterkapitel näher beleuchtet.
5.3 Enregisterment-Prozesse als Prozesse der ideologischen Institutionalisierung einer diskursiven Varietät In der deutschsprachigen Soziolinguistik und der romanistischen Sprachwissenschaft hat das Konzept des enregisterment bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren, weshalb noch nicht von einer einheitlich deutschen Terminologie gesprochen werden kann.158 Substantielle Arbeit auf dem Gebiet des enregisterment ist in der
157 Hierbei ist auch anzumerken, dass die strukturelle Varietät selbstverständlich als Abstraktion nicht die gesamte Realität beinhaltet, es aber wohl auch nicht realisierbar ist, alle sprachlichen Daten in ihrer Gänze allumfassend zu sammeln, zu beschreiben und einzuordnen. 158 In diesem Zusammenhang stellt der zum großen Teil auf Deutsch verfasste Sammelband von Anderwald/Hoekstra (2017) eine Ausweitung der enregisterment-Forschung auf weitere Philologien dar und trägt so zu einem besseren Verständnis der Prozesse durch die Anwendung auf andere Sprach(en)konstellationen bei. In Bezug auf die Terminologie ist der von Busse (2013, 78) in einer Lehnübersetzung geprägte Begriff der Einregistrierung und dessen Derivationen (z.B. einregistrieren) zu nennen, der den Begriff des Registers beinhaltet, welcher essentiell für dieses Theorem ist. Darüber hinaus ist die Prozesshaftigkeit, die durch das Derivationsmorphem -ung ausgedrückt wird, zu erwähnen, da auch diese ausgedrückt durch das Derivationsmorphem -ment Teil des englischen Begriffs ist. Bisher hat sich die deutsche Lehnübersetzung in der Forschung nicht durchgesetzt und auch in dieser Arbeit soll auf den
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
germanistischen Linguistik von Spitzmüller (2012, 2013a, 2013b, 2015) geleistet worden und seine Präzisierungen werden nach der grundlegenden Darstellung der konzeptionellen Ausarbeitung Aghas wieder aufgegriffen. In der Fachliteratur zum enregisterment findet mehrheitlich die folgende Definition des Terminus aus Agha (2007, 190) Anwendung, weshalb diese auch an dieser Stelle noch einmal aufgegriffen werden soll: «[P]rocesses of linguistic enregisterment [are] processes through which a linguistic repertoire becomes differentiable within a language as a socially recognized register of forms».
Diese Definition gibt den Kern dessen wieder, was mit enregisterment gemeint ist: Bei diesem Ansatz geht es darum, die Prozesse zu identifizieren, die dazu beitragen, dass ein sprachliches Repertoire innerhalb einer Sprache durch die SprecherInnen als eigenständiges Formenregister erkannt wird – das Konzept selbst beinhaltet registrieren im Sinne von «erkennen», «bemerken», «registrieren» etc. –, wobei dies impliziert, dass es nicht nur u.a. durch die phonetischen, lexikalischen oder/und syntaktischen Eigenschaften als eigenständig interpretierbar, sondern darüber hinaus auch sozial fassbar wird. Dies bedeutet, dass Register mit verschiedenen sozialen Gruppen verknüpft werden und sowohl die Gruppen selbst als auch die mit ihnen assoziierten Eigenschaften indexikalisch evoziert werden, sobald SprecherInnen Äußerungen als einem bestimmen Register zugehörig erkennen. An dieser Stelle ist jedoch eine wichtige Unterscheidung zu treffen: Der Ansatz des enregisterment hat das Konzept der geordneten Indexikalität zur Basis, was bei Agha (2007, 190) als bekannt vorausgesetzt wird. Eine genauere Analyse zeigt aber, dass Agha (2007, 190) keine eindeutige Trennung zwischen den außersprachlichen Prozessen der Verbreitung eines Registers, den sozialen Prozessen – was Silverstein (2003, 201) Makrokontext nennt – und den prozessualen Vorgängen der geordneten Indexikalität macht, weshalb u.a. die Darstellung zu Anfang dieser Arbeit notwendig war. Das Hauptanliegen Aghas (2007, 191ss.) scheint darin zu bestehen, die Vorgänge darzustellen, mithilfe derer die Konzeption sprachlicher Merkmale als einem kohärenten Register zugehörig verbreitet werden. Dabei greift er auf die geordnete Indexikalität insofern zurück, als dass er beschreibt, dass einige Merkmale – bei seinen Analysen meist die Phonetik und die Lexik betreffend – indexikalische Zeichen sind, bei denen eine Resemiotisierung beobachtbar ist. Er setzt also Silversteins (2003) Konzeption voraus und beschreibt primär, wel-
englischen Terminus zurückgegriffen werden, um zu einer einheitlichen Prägung und Assoziation des Begriffs beizutragen, allerdings wird sich auf den Prozess des enregisterment mit dem Verb einregistrieren bezogen.
5.3 Enregisterment-Prozesse
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che Distributionswege und gesellschaftlichen Prozesse zur Indexikalisierung beitragen. Somit geht es nicht direkt um einzelne sprachliche Merkmale als solche und deren Indexikalität; vielmehr besteht sein Fokus darin, die Vorgänge zu beschreiben, wie diese Merkmale als Register sozial konstruiert wurden und wie die funktionale Ausbreitung dieses Registers anhand welcher Mittel in der Gesellschaft ablief.159 Dies unterstreicht auch Woolard (2016, 125), indem sie enregisterment als «the ideological institutionalization of a linguistic variety» spezifiziert und somit hervorhebt, dass es um die Analyse der sozialen Einbettung und Bewertung einer Varietät durch sprachideologische Prozesse geht. Dies ist für die Analyse der Neubewertungstendenzen des Andalusischen von zentraler Bedeutung, da die Bewertung der diskursiven Varietät den Gegenstand dieser Arbeit darstellt. Agha (2007, 190ss.) macht die Prozesse des enregisterment am Beispiel der Received Pronunciation – also der Standardaussprache des Englischen in Großbritannien – deutlich. An dieser Stelle ist aber zu erwähnen, dass im Folgenden nicht primär auf die Entwicklung dieses Registers eingegangen werden soll, sondern auf die von Agha (2007, 190ss.) identifizierten metasprachlichen Manifestationen und deren Einfluss auf die Konstitution eines Registers, wobei dargestellt wird, welches methodologische Vorgehen diesem Ansatz zugrunde liegt. Die enregisterment-Prozesse implizieren eine Resemiotisierung sprachlicher Einheiten, weshalb die Ordnung von Indexikalität als Grundkonzept angenommen wird: Anhand welcher Prozesse ist es möglich, dass gewisse sprachliche Einheiten aus der Fülle an sprachlichen Einheiten zusammengefasst werden und als eine distinktive Einheit erscheinen und wie laufen diese Prozesse ab? Zunächst ist zu sagen, dass das enregisterment eines Registers reflexiver sozialer Prozesse bedarf (Agha 2007, 190). Dies ist bereits bei den Ausführungen zu den Registernamen im vorherigen Unterkapitel deutlich geworden, jedoch ist ein Registername als reflexives Produkt nicht ausschließlich ein Indiz dafür, dass ein bestimmtes Register als distinktiv angesehen wird, sondern auch dafür, dass es aktiv und diskursiv einer Gruppe zugeschrieben wird. Das Konzept des enregisterment impliziert jedoch noch eine Fülle an weiteren Prozessen, denn es geht um solche der «value production, maintenance and transformation» (Agha 2007, 190), die damit für die Revalorisierung des Andalusischen zentral sind. Die Aussage Aghas bezieht sich selbst auf eine metasprachliche Ebene, denn der soziale Wert, welcher diskursiv geschaffen, beibehalten oder verändert
159 Agha (2007, 190ss.) beschreibt darüber hinaus detailliert die Verbreitung des Registers durch Institutionen. Er zeichnet aber auch nach, welche metasprachlichen Werke wann erschienen und welche Zielgruppe diese hatten.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
wird, bezieht sich nicht auf die Sprache selbst, sondern zunächst auf soziale Prozesse der Valorisierung, Revalorisierung oder Devalorisierung von gesellschaftlichen Werten, welche in einem weiteren Schritt mit sprachlichen Einheiten verbunden werden. Agha (2007, 190) drückt dies wie folgt aus: «[T]he larger purpose is to draw attention to a series of reflexive social processes [. . .] through which a scheme of cultural values has a social life, as it were, a processual and dynamic existence that depends on the activities of social persons linked to each other through discursive interactions and institutions. [. . .] cultural value is not a static property of things or people but a precipitate of sociohistorically locatable practices, including discursive practices, which imbue cultural forms with recognizable indexical sign-values and bring these values into circulation along identifiable trajectories in social space».
Kulturelle Werte (z.B. die Aufteilung des sozialen Raumes, Valorisierungen von Verhaltensweisen etc.) sind insofern sozial, als dass sie durch soziale AkteurInnen (social persons) funktional genutzt und über den Diskurs gefestigt und bestätigt werden, um durch reflexive Prozesse Gruppen zu kreieren, deren Werte im sozialen Raum anzulegen und sich selbst darin zu positionieren. Diese reflexiven Prozesse können endogener oder exogener Natur sein, denn sowohl eine endogene diskursive Schaffung von Gruppen ist denkbar, wie auch eine exogene, z.B. bei Zuschreibungen von gewissen charakterologischen Eigenschaften zu einer Gruppe, welche dann für die eigene Gruppe als Abgrenzungsfaktoren gelten. Hierbei sind sowohl soziale Institutionen im engeren Sinne wie z.B. Schulen gemeint, die gewisse soziale Werte diskursiv reproduzieren, aber auch soziale Institutionen im weiteren Sinne, wie beispielsweise Parlamente, deren Bedeutung und Funktion im Rahmen von Demokratie diskursiv geschaffen wird, sodass sie sich nicht auf die physikalische Existenz ihrer Gebäude reduzieren lassen, sondern die übergeordnete gesellschaftliche Funktion im Vordergrund steht. Somit sind Institutionen Kreations- und Replikationsorte von Diskursen (cf. Foucault 1971). Diese sind besonders wichtig, da mit Registern soziohistorische Praktiken verbunden werden, die sich gegenseitig indexikalisch evozieren. Die Schaffung, die Beibehaltung und das Fortbestehen eines Registers hängen also davon ab, über welche Prozesse die den Registern zugeschriebenen sozialen Werte kreiert und verbreitet werden. Sofern beispielsweise eine Standardsprache besteht, ist zumeist die Schule als Bildungseinrichtung dafür zuständig, diesen «neutralen» Standard zu verbreiten oder zumindest – wie Agha (2007, 190ss.) es für das Englische in Großbritannien beschreibt – die Fähigkeit, die Standardvarietät zu erkennen und die mit ihr indexikalisierten Assoziationen zu verbreiten.160 Aus diesen Ausführungen ergibt sich
160 Agha (2007, 190s.) schreibt hierzu: «I discuss such changes – and the reflexive processes underlying them – for the historical case of [Received Pronunciation]. It is worth noting at the
5.3 Enregisterment-Prozesse
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allerdings die folgende Problematik: Wenn ein Register in seiner Funktion durch diskursives Handeln zu einem Standard avanciert, so ist fraglich, wo genau die Abgrenzung zu anderen Registern verläuft und welche Gemeinsamkeiten es gibt. Die Schwierigkeit liegt darin, genau zu bestimmen, dass ein Merkmal nur einem bestimmten Register angehört. Jedoch sind die Auffassungen des Registers bei Agha (2007, 190ss.) und Johnstone (2010a, 386ss.) so flexibel, dass auch diese Problematik gelöst werden kann: Zentral ist nicht die tatsächliche Realisierung der Varianten, sondern die diskursive Zuschreibung zu einem Register, die derartig ausfallen kann, dass dasselbe Merkmal verschiedenen Registern zugeordnet werden kann und somit indexikalische Überlappungen161 entstehen. Der zentrale Gegenstand des Ansatzes zum enregisterment ist die Prozesshaftigkeit der Entwicklung von Einheiten, die der Indexikalität 1. Grades zugeschrieben werden können, hin zur Resemiotisierung zu höheren Indexikalitätsgraden und die Frage, wie und wodurch diese abläuft. Die Annahme ist, dass SprecherInnen sich der sozialen Assoziationen gewisser Varianten bewusst sein müssen, um darüber metadiskursive Aussagen machen zu können, was darauf hindeutet, dass die Stufe der Indexikalität 2. Grades bereits erreicht ist, wenn SprecherInnen sich eines gewissen Registers bedienen und zwischen diesem und anderen wechseln können (Cooper 2013, 35). In Kapitel 4.1.2 ist bereits Johnstones et al. (2006, 78) Adaption des Konzeptes der indexikalischen Ordnung dargestellt worden; an dieser Stelle soll diese wieder aufgegriffen werden, wozu das folgende Zitat herangezogen wird: «[W]e describe how a set of linguistic features that were once not noticed at all, then used and heard primarily as markers of socioeconomic class, have come to be linked increasingly to place and ‹enregistered› [. . .] as a dialect called ‹Pittsburghese›. Speech features now thought of as local figure in practices of social identification as potential markers of social class and local orientation and as tools for making more self-conscious regional identity claims [. . .]».
Es wird nachgezeichnet, wie Merkmale, die die SprecherInnen vorher nicht als abweichend wahrnahmen, da der Kontakt zu anderen Varietäten nicht groß war, als deviant und der Arbeiterklasse zugehörig empfunden und letztendlich dem Ort zugeschrieben wurden. In diesem Zusammenhang besteht
outset that no widely recognized standard of English pronunciation existed in the seventeenth century; yet by the late nineteenth century the register was well established, widely seen as a form of semiotic capital in British society. By the end of this period, competence in RP was widely recognized as a prerequisite for social advancement, as a gateway to employment in the upper echelons of government and military service». 161 Zu weiteren Ausführungen über indexikalische Überlappungen cf. Kapitel 5.1.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
der Wechsel darin, dass Varianten zunehmend zur sozialen Positionierung genutzt werden, wobei zunächst Aspekte der gesellschaftlichen Position (z.B. Schichtenzugehörigkeit) und dann solche regionaler Zugehörigkeit (z.B. zu einer Stadt, einer Region etc.) im Vordergrund stehen. Somit ist die Schaffung eines Registers als abgrenzbare Einheit ein metadiskursiver Akt, durch welchen Merkmale einem bestimmten Register zugeschrieben werden. Johnstone et al. (2006, 89) geben hierfür vor allem geographische und soziale Mobilität der SprecherInnen als Gründe an, wobei die Annahme ist, dass eine höhere Mobilität im Raum (geographisch) und in der Gesellschaft (sozial) zu Reflektionsprozessen der eigenen Sprache führt, welche dann zu einem größeren Bewusstsein über die sprachliche Variation führen können. Auch Globalisierungstendenzen und die Erweiterung der Öffentlichkeit in einem Habermasschen Sinne (Habermas 1990) durch das Internet und weitere Medien führen dazu, dass SprecherInnen mit anderen Varietäten in Kontakt kommen und ein größeres Bewusstsein dafür entwickeln, dass die eigene Varietät distinktive Merkmale aufweist.162 Somit ist auch die Repräsentation von Varietäten in diesen Medien ein entscheidender Faktor für das enregisterment von diatopischen und diastratischen Varietäten. Es stellen sich daher u.a. folgende Fragen: Wie werden diese diatopischen und diastratischen Varietäten mit einem Ort bzw. einer stratifizierten Gruppe assoziiert, welche Bilder werden mit ihnen verbunden und welche Rechtfertigungsmechanismen gibt es?163 Um die Prozesse des enregisterment nachvollziehen zu können und das zu untersuchende Material zusammenzustellen, bedient sich Agha (2007, 195ss.) folgender Kategorien, um zu beschreiben, wie die Received Pronunciation ab dem 17. Jahrhundert zum Standard des Englischen in Großbritannien und als
162 Für den andalusischen Kontext ist hier zu konstatieren, dass durch die stärkere Öffnung der Medienlandschaft in Spanien in der postfranquistischen Zeit immer mehr politische Stimmen anderer Regionen Spaniens in den öffentlichen Diskurs gelangten, was einen stärkeren Vergleich der Regionen untereinander zur Folge hatte (cf. Méndez García de Paredes 2013). So wurden u.a. Diskurse über die Sprache bzw. Sprechweise der jeweils anderen häufiger, was in Andalusien zu einem stärkeren Bewusstsein exogener Zuschreibungen durch die Rezeption metasprachlicher Diskurse über das Andalusische führte. Dies wiederum hat eine stärkere Abgrenzung zu anderen Regionen Spaniens zur Folge und führt zu einer Aufwertung der eigenen Identität, wie in der Analyse in Kapitel 7 zu sehen sein wird. 163 Suleiman (2006, 53) führt z.B. die Tendenzen der Abgrenzung der nordgermanischen skandinavischen Sprachen an und beschreibt, wie in der Öffentlichkeit (z.B. in Zeitungen, im Fernsehen etc.) die Eigenständigkeit und Abgrenzung voneinander konstruiert wird.
5.3 Enregisterment-Prozesse
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supralokales Register mit einem Inventar an kulturellen Werten einregistriert und verbreitet wurde:164 1. Prozesse der Transformation des Sprach- bzw. Sprechperzeptionshabitus a. Alltägliche Termini zur Designation oder Beschreibung einer Sprechweise i. Gut/schlecht/adäquat ii. Registernamen iii. Exemplarische SprecherInnen b. Metadiskurse in der Öffentlichkeit i. Literarische Werke ii. Zeitungsartikel iii. Dialektwörterbücher iv. Präskriptive Werke zur Sprachnutzung v. Laienlinguistische Werke vi. Vom Standard abweichende Schreibung im öffentlichen Raum c. Erfragte metapragmatische Urteile von SprecherInnen i. Ermittlung von Urteilen durch Fragebögen ii. Fragen nach der Existenz eines Registers d. Gegenstände zur Registerkommodifizierung i. Tassen ii. T-Shirts iii. Postkarten 2. Prozesse der Transformation des Sprechhabitus a. Sprachunterricht an Schulen b. Kurse zum Unterricht der Prestigevarietät Die grundlegende Annahme, die hinter diesen Kategorien steht, ist, dass sie dazu beitragen, Metadiskurse zu verbreiten und zirkulieren zu lassen. Zunächst gibt es hierbei zwei unterschiedliche Betrachtungsebenen zu beachten: Einerseits die Ebene der Prozesse – die diskursive Ebene –, die beim enregisterment eines Registers dafür sorgt, dass sich die Art und Weise, wie SprecherInnen das Register aufnehmen, bewerten und einordnen, verändert. Die andere Ebene – die strukturelle Ebene – ist diejenige, auf welcher das Sprechen strukturell
164 Diese Liste entspricht einer Zusammenfassung der von Agha (2007, 195ss.) angegebenen Untersuchungskategorien; sie kann durch weitere (Unter-)Kategorien erweitert werden. Darüber hinaus werden mit der Liste keine bestimmten methodologischen Ansätze dargestellt, sondern aufgezeigt, wo die Möglichkeiten zum Finden von indexikalischen Zeichen höherer Grade liegen. Viele der in der Liste dargestellten Kategorien überschneiden sich und lassen sich teilweise nicht eindeutig voneinander abgrenzen.
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verändert wird, was die starke Annahme impliziert, dass die diskursive Ebene zur Veränderung des Sprechverhaltens auf struktureller Ebene führen kann.165 Da es an dieser Stelle nicht möglich ist, alle (Unter-)Kategorien en détail zu besprechen, soll die Kategorie der Dialektwörterbücher exemplarisch aufgegriffen werden. Ein Dialektwörterbuch gibt zunächst Auskunft über die Designation der diatopischen Varietät. Diese ist insofern aufschlussreich, als dass sie einen umfassenden und supralokalen Anspruch erkennen lässt, sofern es sich um ein als zusammenhängend konstruiertes Dialektgebiet handelt und nicht beispielsweise um die Beschreibung des Lexikons der SprecherInnen einer einzelnen Stadt. Bei der Zusammenstellung des andalusischen Wortschatzes (vocabulario) von Álvarez Curiel (2004), Vocabulario popular andaluz, wird ersichtlich, dass es sich um eine Sammlung von Wörtern handelt, die die andalusische Bevölkerung offenbar benutzt. Andaluz impliziert darüber hinaus eine gewisse Homogenität des Andalusischen. Im Gegensatz dazu gibt es das Diccionario del habla malagueña von del Pino (2006), dessen Titel mit der Setzung des Konzepts habla im Gegensatz zu lengua – was im Deutschen ungefähr der Opposition Sprache/Dialekt entspricht – bereits die diatopische Varietät Málagas als solche konzeptionell konstruiert. Beide Werke stellen eine Sammlung an Wörtern bzw. Phraseologismen dar, welche durch die Setzung des Titels die diatopischen Varietäten als dem Ort zugehörig und als homogen erscheinen lassen. Die Frage nach der exklusiven Nutzung der Wörter in Andalusien bzw. Málaga oder nach deren Frequenz bzw. diasystematischer Verortung wird nicht beantwortet, vielmehr werden die Wörter diesen Registern als zugehörig einregistriert. Die Verbreitung und Nutzung dieser Werke kann dann zu einem Bewusstsein über diese Kategorien und zur diskursiven Konstruktion der Gruppen als homogene Einheiten führen. Populäre Dialektwörterbücher sind also ein Mittel, Wörter, die als eigen für eine diatopische Varietät bzw. eine Region gelten – Indices 1. Grades – zusammenzufassen und diese durch die Ideologie der Dichotomie von Sprache und diatopischer Varietät homogen den BewohnerInnen einer Region zuzuschreiben, wodurch die Wörter zu Indices 2. Grades und somit metapragmatisch einregistriert werden. Folglich handelt es sich um die Ausprägung eines Modus der enregisterment-Prozesse, welche dazu führen, dass Register geformt und in der Gesellschaft distribuiert werden. Um qualitative Aussagen über den Status und die Phase des enregisterment bei jeglichen Registern machen zu können – laut Agha (2007, 191) ist
165 Dies kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, da in dieser Arbeit nicht die strukturelle Veränderung des Andalusischen, sondern die diskursive Neusetzung und -bewertung analysiert werden. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass die Valorisierungsprozesse auf diskursiver Ebene einen Einfluss auf den Sprachwandel haben können, was in diachronen enregisterment-Studien zu untersuchen wäre.
5.3 Enregisterment-Prozesse
141
zwischen Expansionsphase, Erhaltungsphase und rezessiver Phase zu unterscheiden –, ist es erforderlich, ein möglichst breites Spektrum an Datenquellen der zuvor erwähnten Kategorien zu analysieren. Diese Darstellung eines idealisierten historischen Ablaufes (Expansion, Erhaltung, Rezession) ist für das Andalusische als diskursive Varietät in dieser Linearität nicht zu konstatieren, sondern es handelt sich vielmehr um ein re-enregisterment, was bedeutet, dass die Konstruktion sich nicht in einer rezessiven Phase befindet, sondern dass sich die metapragmatischen Zuschreibungen und die ideologische Einbettung des Andalusischen als sozial relevantes Konstrukt der andalusischen Gesellschaft in einem Wandlungsprozess – also in einer transgressiven Phase – befinden.166 Dies bedeutet konkret, dass das Andalusische, welches als diskursive Varietät mit negativer ideologischer Einbettung bereits einregistriert war, nun im Rückgriff auf die bereits existierende diskursive Varietät neu bewertet und dabei auch diskursiv anders konstruiert wird. Dadurch ändert sich der soziale Status und die soziale Funktion der diskursiven Varietät, da – wie in Kapitel 7 gezeigt wird – das Andalusische mit einem höheren Prestige versehen wird und da eine Ausweitung der möglichen Nutzungskontexte auch auf formelle Kommunikationssituationen in distanzsprachlichen Bereichen stattfindet, was die Möglichkeit der positiven Darstellung der eigenen Identität bietet. Dieser Prozess wird im kommenden Unterkapitel 5.4. als zentraler Prozess des re-enregisterment noch stärker expliziert werden. Die Bewertung der Merkmale eines Registers seitens der SprecherInnen in metasprachlichen Praktiken ist ein entscheidender Faktor für die Bewertung von diskursiven Varietäten und ihrer Entstehung als solche. Selig (2015, 269s.) bezieht sich zwar nicht explizit auf das enregisterment einer Varietät, beschreibt dieses aber dennoch implizit in Bezugnahme auf Le Page/Tabouret-Keller (1985) wie folgt: «Dass der metasprachliche Diskurs sprachliche Normen verdeutlicht und dadurch ihre Verbindlichkeit erhöht und dass er Klarheit in Fragen der Zuordnung von einzelnen Formen zu bestimmten Gebrauchssituationen und dem diesen zugeordneten Repertoire bringt, ist offensichtlich. Selbstverständlich ist außerdem, dass die Intensität und die institutionelle Verortung dieser metasprachlichen Diskurse ein wichtiges Unterscheidungsmoment von Sprechergemeinschaften und sprachlichen Situationen ist. Aber man darf darüber nicht vergessen, dass die Verfestigung von (sprachlichen) Normen bereits im gemeinsam geteilten Gebrauch beginnt und auch ohne explizite Thematisierung, ohne klare Kategorisierungen und ohne die
166 Cooper (2013, 235) liefert mit dem Instrumentarium von aktiven, postaktiven und inaktiven Merkmalen eine Möglichkeit, Linearität der Salienz von Merkmalen in enregistermentund deregisterment-Prozessen nachzuzeichnen. Da diese Arbeit aber synchron ausgerichtet ist, soll hierauf nicht weiter eingegangen werden.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Herausbildung von spezifisch sprachnormierenden oder legitimatorischen Diskursen vollzogen wird. In der Verschränkung des an den (erwarteten) Erwartungen der Hörer orientierten Sprecherhandelns und dessen permanenter Sanktionierung seitens dieser Rezipienten schlägt die Faktizität des Gebrauchs immer erneut in die Normativität von Gebrauchsmustern um, und wenn der Gebrauch immer wieder dieselben AkteurInnen in dichten Netzwerken und vergleichbaren Gebrauchssituationen zusammenführt, ist die längerfristige und sozial weiterreichende Stabilisierung dieser Normativität leicht nachzuvollziehen».
Es wird deutlich, dass Varietäten als strukturelle Gebrauchsnormen unabhängig davon existieren können, ob sich die SprecherInnen ihrer bewusst sind. Metasprachliche Diskurse finden also auf einer anderen Ebene als der strukturellen statt und sorgen für eine diskursive Festigung bzw. Stabilisierung der Varietät und der Verbreitung eines Bewusstseins darüber. Hierzu tragen im Speziellen saliente Merkmale bei, welche benutzt werden können, um bei den RezipientInnen eine bestimmte Identität, Identitätszuschreibung, eine spezifische Gebrauchssituation bzw. einen Kontext intentionell zu evozieren, um damit eigene Zielsetzungen – wie beispielsweise eine Aufwertung der eigenen Varietät – zu forcieren. Als letzter Punkt in diesem Unterkapitel soll das Konzept des deregisterment (Williams 2012) besprochen werden, um es von dem in dieser Arbeit formulierten re-enregisterment abgrenzen zu können. Es ist Teil der Terminologiekonzeption, welche für den Ansatz des enregisterment, und zwar zur Beschreibbarkeit der Prozesse, zentral und somit unabdingbar ist. Der Begriff deregisterment suggeriert zunächst, dass es sich um die Prozesshaftigkeit handele, die darin münde, dass zuvor saliente Merkmale nicht mehr einem spezifischen Register zugeschrieben werden und dieses Register auf diskursiver Ebene aufhört zu existieren. Williams (2012, 2ss.) operationalisiert diesen Begriff, was jedoch nicht in Bezugnahme auf Merkmale erfolgt, sondern auf Sprachen im Verhältnis zueinander und deren funktionaler und situationsabhängiger Anwendung in der echtzeitlichen Performanz. Zunächst ist es das primäre Ziel Williams’ (2012, 2) zu zeigen, «how a global language [Englisch] is practiced and performed in local contexts by focusing on the notion of ‹enregisterment›». Dieser Prozess manifestiert sich in seiner Arbeit an dem Sprachwechsel zwischen Englisch und dem in Kapstadt gesprochenen Afrikaans bei Raptexten südafrikanischer Rapper. Da englischsprachige Rapmusik ein Genre internationaler Natur ist und einen kulturübergreifenden, intratextuellen Aufbau u.a. bezüglich der verwendeten Lexik, Struktur und Thematik aufzeigt, wird Lokalität in dem von Williams (2012) untersuchten Rahmen dadurch geschaffen, dass Sequenzen in den Raptexten nicht, wie normalerweise üblich, auf Englisch ausgedrückt werden, sondern in der in Kapstadt benutzten diatopischen Varietät des Afrikaans. Somit wird eine internationale Sprache, die üblicherweise in diesem Kontext benutzt wird, ent-
5.3 Enregisterment-Prozesse
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registriert (deregistered), wobei gleichzeitig die nicht-internationale Sprache zum Ausdruck besonderer Lokalität einregistriert (enregistered) wird. Bei Williams’ (2012) Untersuchung ist darüber hinaus zu sehen, dass das deregisterment anhand einer einzelnen beobachtbaren Instanz des Sprachwechsels in Echtzeit erfolgt, wobei es problematisch ist, von einem singulären Sprachwechsel und dessen Implikationen für das enregisterment bzw. deregisterment von Registern auf eine Allgemeingültigkeit zu schließen. Hierzu müssten viele weitere Instanzen des Auftretens solcher Sprachwechsel gesammelt, beschrieben und analysiert werden. Trotz dieser formulierten Kritik leistet Williams’ (2012) Arbeit dennoch einen wichtigen Beitrag zur terminologischen Schärfe des enregisterment-Ansatzes und Cooper (2013, 43s.) stellt überzeugend dar, dass das deregisterment nicht nur ganze Register betreffen kann, sondern auch einzelne Merkmale diese Tendenz aufzeigen können, wobei er auf das von Johnstone et al. (2006, 95) beschriebene Pittsburghese rekurriert und darlegt, dass «[. . .] we can view the /aw/ pronunciation as ‹deregistered› as solely ‹working class› and ‹enregistered› as ‹Pittsburgh›».167 Somit wird deutlich, dass eine Variante eines englischen Diphthongs, welche zuvor als phonetisches Merkmal der Arbeiterklasse angesehen wurde, nun dem Ort zugeschrieben wird. Problematisch hieran ist, dass angenommen werden kann, dass für diese Vorgänge der Terminus deregistrement redundant oder zirkulär sei, da nach Silverstein der Prozess der Rekonfigurationen der salienten Merkmale dem enregisterment inhärent ist und somit die Umdeutung immer mitgedacht werden müsse. Dies bedeutet, dass, wie im Kapitel zur geordneten Indexikalität nach Silverstein (2003) beschrieben wurde, der Prozess des deregisterment immanent in Silversteins (2003, 194) Konzeption vorkommt: Laut seiner Aussage ist es möglich, dass Register oder Merkmale, die zuvor solche der Indexikalität 3. Grades angehörten, zum normalen Gebrauch werden und somit gewissermaßen eine Indexikalität 2. Grades aufzeigen.168 Wenn aber das Gerüst der Indexikalität von Johnstone et al. (2006) verwendet wird, bei welchem diese
167 Johnstone et al. (2006) beschreiben das enregisterment des Dialektes Pittsburghese und für diesen ist die Monophthongierung von /aʊ/ als ein salientes Merkmal zentral; so ist z.B. die Realisierung von im Pittsburghese [daːn], wohingegen diese im Standardenglischen der USA [daʊn] ist. In Johnstone et al. (2006) wird für /aʊ/ die Transkription /aw/ gewählt. 168 Silverstein (2003) hat, wie in vorherigen Abschnitten zuvor deutlich wurde, eine aufeinander aufbauende Indexikalität beschrieben und nannte das Beispiel der gendergerechten Sprache. Wenn nun das Unterregister der Standardsprache, welches diese gendergerechten Formen in seinem Repertoire hat, die üblichen Formen der Standardsprache (z.B. das generische Maskulinum) ersetzt, werden diese zu indexikalischen Zeichen 2. Grades, da diese dann mit der übergeordneten Ideologie der Standardsprache einregistriert sind und dieses indexikalisch evozieren.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Umfunktionalisierung, die bei Silverstein inhärent im Konzept verankert ist, nicht implizit ist, so erscheint der Gedanke, dass Merkmale und sogar ganze Register entregistriert werden, eine notwendige konzeptionelle Erweiterung zu sein. Darüber hinaus ist, was bisher noch in keinem Artikel konkret erwähnt worden ist, der Fall denkbar, dass Merkmale oder Register als solche ohne sofortige Entsprechung durch andere Merkmale oder Register entregistriert werden können und dadurch womöglich sogar nur noch indexikalische Zeichen 1. Grades sind oder ganz aufgegeben werden. Bei derartigen Merkmalen hilft also beispielsweise das Konzept des deregisterment auf prozessualer Basis bei einer näheren Bestimmung der stattfindenden Prozesse. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, genau zu bestimmen, welcher Konzeption von Indexikalität ein Ansatz zugrunde liegt, denn bei den in dieser Arbeit exemplarisch genannten Arbeiten zum enregisterment war die Erweiterung durch Johnstone et al. (2006) die theoretische Grundlage und nicht primär die gesamte Konzeption Silversteins (2003). Dennoch ist für Arbeiten größeren Umfanges Silversteins (2003) Grundkonzeption der geordneten Indexikalität unerlässlich, da erst durch diese die Mikro- und Makrostruktur als Teile des indexikalischen Zeichens verdeutlicht werden können. Zusammenfassend ist zu sagen, dass es die geordnete Indexikalität als Grundgerüst des Ansatzes des enregisterment ermöglicht, die soziale Nutzung von Varianten und darüber hinaus die aktive Identitätsperformanz zu beschreiben bzw. zu analysieren, ohne dass die gesellschaftlichen Makrostrukturen und (Sprach-)Ideologien ausgeblendet würden. Der Verlauf der Beschreibung eines einzelnen Merkmales und dessen Indexikalitätsgrad, der Status eines salientes Merkmals in den Registern einer Sprache und seiner Verwendung mit anderen (auch außersprachlichen) Zeichen bis hin zur Beschreibung des Verhältnisses von verschiedenen Registern untereinander sind somit mit diesem sehr flexiblen Modell möglich. In Kapitel 5.4. soll nun eine Synthese der Grundannahmen erfolgen, um diese dann als operationalisierbare Einheiten für das Andalusische anwendbar machen zu können.
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen und Verfahren zur operationalisierbaren Anwendung höherer Indexikalitätsgrade In den vorherigen Unterkapiteln sind vor allem die Konzepte der Indexikalität, indexikalischen Ordnung, des enregisterment sowie die Unterscheidung in strukturelle und diskursive Varietät besprochen worden. Dieser theoretische Hintergrund ist essentiell, um die Prozesse nachweisen zu können, welche zur Aufwertung
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
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des Andalusischen und dessen sozialer und funktioneller Umdeutung in der Gesellschaft Andalusiens führen. Der dieser Arbeit zugrunde liegende theoretische Rahmen muss also derartig entworfen sein, dass das Material durch Applikation eines operationalisierenden Ansatzes nachvollziehbar und strukturiert interpretiert werden kann. Dieses Unterkapitel soll die vorherigen Kapitel daher synthetisieren und die Grundannahmen derartig zusammenfassen, dass der für diese Arbeit notwendige operationalisierbare Ansatz formuliert werden kann. Dies ist wichtig, um systematisch zu erfassen, wie sich die Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät materialisiert. Es werden also im Folgenden die bisherigen theoretischen Konzepte noch einmal zusammengefasst, welche dann zu einem eigenen Modell zur theoretischen Erfassung der Revalorisierung des Andalusischen ausgearbeitet werden. Die theoretische Grundannahme ist zunächst, dass SprecherInnen sich durch Sprache sozial positionieren und dadurch auch «vergesellschaftlicht» handeln, da Gesellschaft «als Handlungs- und Beziehungsgefüge von Akteuren [. . .] auf der Existenz, der Differenz, der Vergewisserung über und der Aushandlung von sozialen Positionen [beruht]» (cf. Spitzmüller 2013b). In Bezug auf das Andalusische ist dies essentiell, da die Revalorisierung des Andalusischen mit der Aufwertung der Kultur einhergeht, sodass durch Identitätsakte eine soziale Positionierung als eigenständige Kultur mit einer partikulären Sprechweise in Spanien erreicht wird. Sprachliche Variation ist hierfür ein wichtiger Grundbaustein, da diese erlaubt, das Gleiche in anderer Weise auszudrücken (cf. Labov 1972). Durch sprachliche Variation werden SprecherInnen sozial wahrnehmbar, und es ergibt sich die Möglichkeit zur sozialen Distinktion, sodass die Varianten wiederum von TeilnehmerInnen einer Kommunikationssituation interpretiert und die SprecherInnen im sozialen Raum (beispielsweise nach Schichten oder Regionen) verortet werden können. SprecherInnen können sich also auch aktiv durch die Nutzung sprachlicher Variation verorten (stancetaking),169 was Spitzmüller (2015, 131) in Anlehung an Du Bois (2007, 163) im folgenden Schema veranschaulicht:
169 Cf. hierzu die Grundlagenwerke von Englebretson (2007) und Jaffe (2009). Hier wird die metapragmatische soziale Positionierung von SprecherInnen in bestimmten Kommunikationssituationen theoretisiert und für die Soziolinguistik vergegenständlicht. Du Bois (2007, 163) sagt zu stance, dass es «a public act by a social actor, achieved dialogically through overt communicative means, of simultaneously evaluating objects, positioning subjects (self and others), and aligning with other subjects, with respect to any salient dimension of the sociocultural field» sei.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Micro level
Macro level aligns ‣
Actor 2/1
pe rfo rm s ◂ p /eva os l itio uate s‣ ns
‣ tes a u l va s/e ions m t r i rfo pos pe ◂
Social ‘persona’
s‣ exe ed d in ach tt sa ◂i
◂ are connected ‣
◂aligns‣
Actor 1/2
Language use in ◂ i dexe sa tta s ‣ ch ed
◂ positions
Anticip. practices
Schaubild 5: Metapragmatische soziale Positionierung (Spitzmüller 2015, 131).170
In einem mikrosituationellen Kontext ist zu sehen, dass beide AkteurInnen sich in einer sozialen Situation aneinander ausrichten und sich aufeinander beziehen, wobei jede/r AkteurIn selbst Sprache nutzt bzw. den Sprachgebrauch der/des Anderen bewertet und durch den Sprachgebrauch die AkteurInnen selbst im sozialen Raum positioniert werden. Auf der anderen Seite indiziert der Sprachgebrauch im Makrokontext eine gewisse proto- bzw. stereotypische «soziale Person»171 (wie z.B. eine/n «typischen AndalusierIn»), die durch
170 Es ist zu beachten, dass es sich hier um eine Schematisierung und Theoretisierung metapragmatischer sozialer Positionierung handelt, sodass diese Darstellung per se eine tatsächliche soziale Situation vereinfacht darstellt, da beispielsweise mehr als zwei AkteurInnen involviert sein können etc. 171 Diese «sozialen Personen» sind das, was Agha oftmals «characterological figures» nennt. Er definiert sie wie folgt: «[Goffman] uses the term ‹figure› for an image of personhood that is clearly differentiated from ‹animator› in contexts of character depiction [. . .], his examples include acts of claiming an identity for self, the differentiation of a past from a present self in story-telling, the portrayal of a character by an actor in the theater. I use the term characterological figure in a related sense to speak of any image of personhood that is performable through a semiotic display or enactment (such as an utterance). Once performed, the figure is potentially detachable from its current animator in subsequent moments of construal and re-circulation. When the social life of such figures is mediated by speech stereotypes, any animator can inhabit that figure by uttering the form [. . .]» (Agha 2007, 177). [Hervorhebung im Original]
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
147
(Sprach-)Ideologien bedingt ist und die wiederum hermeneutisch mit dem Sprachgebrauch selbst assoziiert wird. Die Vorstellung einer prototypischen «sozialen Person» ist mit Erwartungen verbunden, wie diese Person sich normalerweise verhält, wobei der Sprachgebrauch einen zentralen Platz einnimmt, da die erwarteten sozialen Handlungen auch mit dem Sprachgebrauch als zu erwartbares Handeln («sie/er ist AndalusierIn, also spricht sie/er Andalusisch») assoziiert werden, sodass dieser wiederum hermeneutisch diese erwarteten Handlungen indiziert («sie/er spricht wie ein/e AndalusierIn, folglich muss sie/er sich so verhalten»). Das Schema bringt beide Kontexte klar über die Stufe des Sprachgebrauchs zusammen, welcher sowohl für den Mikro- als auch für den Makrokontext ein soziales Element darstellt, denn sowohl die tatsächliche Nutzung in Mikrokontexten als auch die Vorstellung des prototypischen Sprachgebrauchs in Makrokontexten und die soziale Person bzw. die damit einhergehenden erwarteten Handlungen werden hier vereint. Darüber hinaus wird verdeutlicht, inwiefern soziale AkteurInnen sich (Sprach-)Ideologien bedienen, da AkteurInnen sich im Diskurs nach den Stereotypen, die mit «sozialen Personentypen» verbunden sind, ausrichten und zu den erwartbaren Handlungen positionieren. Gal (2016, 118) fügt hinzu, dass SprecherInnen «themselves are not embodiments of such stereotypes. Rather, speakers construct identities – with varying degrees of awareness and success – by drawing on their own knowledge of such models and relying on that of their interlocutors». Dies bedeutet eben, dass eine Unterscheidung zwischen SprecherInnen einerseits und der Konstruktion von Identität durch Annäherung oder Abgrenzung zu gesellschaftlich bereits vorhandenen Identitätsmodellen andererseits erfolgen muss, was nach Gal impliziert, dass SprecherInnen Diskurse und Identitätsmodelle aufgreifen, sie selbst aber keine Verkörperung von Stereotypen darstellen. Folglich kann resümiert werden, dass der Sprachgebrauch als solcher soziale Positionen indiziert und durch diese wichtige Funktion soziale Stratifizierung mittels sprachlicher Variation als Demarkation zulässt. Es geht somit auf sprachlicher Ebene um einen qualitativen Unterschied von Variation, wobei Gal (2016, 121) präzisiert, dass «[. . .] sign-clusters constituting registers are distinguished from other such clusters by qualitative contrasts; theses qualities are perceived as resembling the qualities that characterize the persona and other ‹objects› that the register represents. The qualities picked out are ones that are culturally and often politically significant in the world that participants inhabit».
Metapragmatik und Reflexivität im Rahmen von (Sprach-)Ideologien sind daher die Grundbedingungen für eine soziale Positionierung, da erst durch die Schaffung eines impliziten oder expliziten Bewusstseins sozialer und sprachlicher Distinktion diese auch sinnhaft für eine soziale Gruppe sein kann.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Dieser Grundposition zum Sprachgebrauch und dessen Indexikalität folgt die Darstellung der indexikalischen Ordnungen/Ordnungen der Indexikalität (Silverstein 2003/Blommaert 2005), da diese für die Interpretation der Daten ein Grundgerüst liefert. Spitzmüller (2015) hat die bisherigen Arbeiten in diesem Feld unter Aufnahme der Indexikalitätsgrade von Johnstone et al. (2006) zusammengefasst und treffend die Ausdifferenzierung der Ordnungen in Bezug auf den Grad der Agentivität der SprecherInnen erweitert: 1. Indexikalität erster Ordnung: Sprachliche Formen, die von «außen» mit einem bestimmten soziodemographischen Kontext verknüpft werden. 2. Indexikalität zweiter Ordnung: Sprachliche Formen, die von den AkteurInnen selbst mit einem bestimmten soziodemographischen Kontext verbunden werden und somit als Kontextualisierungshinweis für diesen Kontext eingesetzt werden. 3. Indexikalität dritter Ordnung: Sprachliche Formen, die weithin als «typisch» für einen bestimmten soziodemographischen Kontext angesehen werden und etwa in Stilisierungen einer bestimmten Personengruppe aktiv verwendet werden. Diese Darstellung bietet den Vorteil, dass die Indexikalität 2. Grades eben SprecherInnen als agentiv ansieht und die Einheiten dieses Grades als kontextgebunden darstellt, sodass SprecherInnen sprachliche Variation je nach Kontext anders nutzen (können) und sprachliche Variation somit mit spezifischen Kontexten verknüpft wird. Besonders aber im Hinblick auf die Indexikalität 3. Grades ist eine deutliche Modifikation notwendig, welche bisher so in der Forschung noch nicht konkret expliziert worden ist und sowohl bei Johnstone et al. (2006) als auch bei Spitzmüller (2015) nur in impliziter Form zu finden ist: Die Darstellung der Tatsache, dass die Indexikalität 3. Grades das zentrale Werkzeug bei der metapragmatischen Evaluation von Sprechweisen und Sprachformen ist und sie somit auch zur Transformation des Diskurses selbst – wie z.B. in Revalorisierungsprozessen – dient. Es soll zur Verdeutlichung noch einmal die Erklärung Johnstones et al. (2006, 93) in Bezug auf die sprachideologische Rekonfiguration des Pittsburghese herangezogen werden: «The raw material for third-order identity work is second-order stylistic variability, which is filtered through more abstract ideologies about what dialects are and how they are linked to identities. At this stage, people notice that people with more stereotypical Pittsburgh identities have less variable, more regional-sounding accents, and attribute this to an essential connection between place and language. In the process, this subset of non-standard forms has come increasingly to index localness and less, or more indirectly, class. While they continue to do second-order work as well, regional forms are now increasingly heard as signals of authentic local identity and can be used to project localness».
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
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Das Augenmerk liegt hierbei auf der Indexikalität der Merkmale selbst, jedoch ist mein Fokus in Bezug auf die These dieser Arbeit, dass qua Indexikalität 3. Grades das Andalusische als diskursive Varietät in metadiskursiven Akten aktiv durch die DiskursteilnehmerInnen revalorisiert wird. Diese «Stilisierungen einer bestimmten Gruppe» (Spitzmüller 2015) werden nicht nur anderen Gruppen zugeschrieben, sondern eine Gruppe kann sich dieser stilisierten Merkmale – also Merkmale 3. Grades – selbst bedienen, um durch überlappende – konkurrierende – Indexikalitäten die eigenen Sprechweisen in Kontrastsetzung zu tradierten negativen Valorisierungen aufzuwerten. Die Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades sind also die zentralen Werkzeuge, wenn es darum geht, eine Revalorisierung im locus des Diskurses herbeizuführen. In diesem Prozess findet durch überlappende Indexikalitäten der Merkmale ein soziales Aushandeln und Positionieren statt, welches vorherige indexikalische Zuordnungen verändern kann. Ebenhier materialisiert sich die Revalorisierung des Andalusischen metapragmatisch: Saliente Merkmale 3. Grades werden aufgrund ihrer vorherigen Einregistrierung als Merkmale einer diatopischen Varietät, die von diastratisch niedrigeren andalusischen Schichten gesprochen und oftmals in exogenen stilisierten Zuweisungen – wie beispielsweise ib El amante bilingüe – karikiert wurden, durch eine endogene Wiederaneignung nun zu positiv besetzten Merkmalen zur Abgrenzung von vorherigen diskursiven Konstruktionen umregistriert. Die Grundkonzeption der Indexikalität 3. Grades impliziert hierbei ein Aufgreifen dieser kontextgebundenen Variation und verknüpft verstärkt einige Merkmale mit dem Kontext, sodass diese besonders salient werden. Nur dadurch wird es möglich, dass eine metapragmatische Stilisierung erfolgen kann, durch welche bestimmte saliente Merkmale des Sprachgebrauchs mit prototypischen «sozialen Personen» und die mit ihnen verbundenen erwartbaren Handlungsmustern verbunden werden können, sodass in Mikrosituationen nicht nur der Kontext mitgedacht wird, sondern durch die Nutzung besonders salienter Merkmale eine soziale Positionierung durch sehr wenige Merkmale sofort prototypenhaft evoziert werden kann (was bei Spitzmüller/Warnke (2011, 192) Sozialsymbolik genannt wird). Die besondere Relevanz der Darstellung Spitzmüllers/ Warnkes (2011) ergibt sich in diesem Zusammenhang daraus, dass der Fokus nicht einzig auf sprachtheoretischer Ebene im Bereich der Abstraktion von Variablen fällt, sondern das Hauptaugenmerk sich an der kontextbedingten Nutzung der Merkmale ausrichtet. Dies ist im Besonderen notwendig, da sich durch diese Darstellung der geordneten Indexikalität eine für diese Arbeit nutzbare Applikationstaxonomie für die Untersuchung von Transformationsprozessen des Diskurses über das Andalusische ergibt.
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
Konkret ist dies bedeutsam, da es in Bezug auf das Andalusische nicht um die Herausbildung einer «neuen» diskursiven Varietät172 im Sinne des enregisterment geht, sondern um Prozesse des von mir analog zu den anderen Fachtermini genannten re-enregisterment: Das Andalusische wird in Metadiskursen aktiv durch die Diskurs-teilnehmerInnen mittels salienter Merkmale 3. Grades als diatopische Varietät aufgewertet und erfährt somit eine andere sprachideologische Setzung, die zu einer Veränderung der Bewertungen und Evaluationen durch die SprecherInnen einerseits und der sozialen Stellung der Varietät andererseits führt. Das Andalusische als einregistrierte diskursive Varietät im Sinne von disparaten negativ bewerteten Sprechweisen niedriger sozialer Strata wird hierbei (noch) nicht deregistriert, sondern es wird eine Gegenkonstruktion erschaffen, die die bereits einregistrierte diskursive Varietät aufnimmt und sich konkret davon abgrenzt, sodass es zu einem re-enregisterment-Prozess kommt, bei welchem das Andalusische als diskursive Varietät aller AndalusierInnen aufgewertet und positiv valorisiert wird. Dies ist von besonderer Wichtigkeit für diese Arbeit, da es die Ebene der 3. Indexikalität ist, auf welcher sich die Revalorisierungsprozesse abspielen, da nur durch die aktive Verknüpfung von sprachlicher Materialität – saliente Merkmale – mit charakterologischen Eigenschaften der SprecherInnen und Evaluationen ihrer Sprechweise analysierbar wird, inwiefern das Andalusische diskursiv konstruiert und revalorisiert wird. Für die Untersuchung der Revalorisierung der diskursiven Varietät ist somit die Taxonomie der drei Indexikalitätsgrade durch die soziale Funktionalität der Merkmale von zentraler Bedeutung, da durch sie differenziert aufgezeigt werden kann, wie sich der Gebrauch von sprachlichen Merkmalen durch die SprecherInnen funktional unterscheidet. Die Indexikalität 3. Grades impliziert den Gebrauch desselben sprachlichen Materials – eines oder mehrerer spezifischer Merkmale – auf struktureller Ebene wie bei den anderen Indexikalitätsgraden, jedoch ist es die aktive metapragmatische Nutzung der Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades, durch welche die diskursive Varietät konstruiert, mit sozialen Werten versehen und eine Diskursänderung bewirkt wird. Sie ist somit eine conditio sine qua non, da die Revalorisierung auf diskursiver Ebene untersucht werden muss, weil für die Analyse nur Einheiten eines Diskurses selbst Aufschluss darüber geben können, wie die Sprechweisen durch die SprecherInnen bewertet werden. Dieses Sprechen über das Sprechen ist also als aktives Handeln zu verstehen, bei welchem sich die Veränderung der Bewertungsschemata des Andalusischen diskursiv durch das aktive Heranziehen indexikalischer Zeichen materialisiert.
172 Die Prozesse der Herausbildung einer neuen diskursiven Varietät sind in Kapitel 5.2 beschrieben worden.
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
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Beim Konzept der Indexikalität unterscheide ich noch eine zusätzliche Ebene, welche in der Forschung in diesem Feld bisher noch nicht berücksichtigt wurde: die Unterscheidung zwischen Merkmalindexikalität und Textualindexikalität. Bisher ist immer von der Indexikalität der sprachlichen Merkmale gesprochen worden, allerdings reicht diese für die Analyse einiger in dieser Arbeit zu untersuchenden Diskursbereiche nicht aus. Dies ist der Fall, da es je nach Diskursbereich vorkommen kann, dass die Merkmale in ihrer singulären Okkurrenz im schriftlichen Diskurs nicht mehr auf eine aktive Nutzung als Indices 3. Grades schließen lassen, sondern eine weitere sprachideologische Abstraktion erfahren und in ihrer Gesamtheit als Repertoire salienter Merkmale nun indexikalische Funktionen erfüllen: Sie dienen einerseits zur diskursiven Konstruktion der Varietät und andererseits zur stilisierten Demarkation von einer anderen Varietät auf struktureller Ebene. Es geht hier also nicht mehr darum, eigene Merkmale innerhalb eines Variationsraumes als eigen zu kreieren, sondern um eine starke graphische Abgrenzung z.B. zur Standardvarietät, um die Eigenständigkeit der eigenen Varietät diskursiv auf (ortho-)graphischer Ebene herauszustellen und der anderen Varietät gegenüberzustellen. Dies ist im Besonderen bei der Betrachtung von Revalorisierungsprozessen des Andalusischen von Relevanz, da die in diesem Sinne genutzte Textualindexikalität als Revalorisierungsinstrument fungiert, um das Andalusische gegenüber dem Standardspanischen abzugrenzen und aufzuwerten. Die Ebenen der Merkmalund Textualindexikalität sind folglich zu unterscheiden, da bei ersterer die Indexikalität der Merkmale selbst in spezifischen Diskursausschnitten von Wichtigkeit ist, bei letzterer die Gesamtheit der Merkmale indexikalische Funktion hat. Sie ist somit eine Abstraktion und Bündelung der Konnotationen bzw. Verknüpfungen der Indices 3. Grades und wird generalisierend auf alle im Diskurs verwendeten salienten Merkmale übertragen, um durch stilistische Praktiken eine größtmögliche Demarkation zu erzielen. In einem engen Zusammenhang mit stilistischen Praktiken steht die Tatsache, dass die stilistischen Praktiken sozial lokalisierbar sind, da sie als solche auch von gesellschaftlichen Gruppen im Hinblick auf die aktive Nutzung sowie die ideologische Zuschreibung der Indices diskursiv konstruiert, verbreitet und somit auch für andere Gruppen interpretierbar werden. Im konkreten Bezug auf die Revalorisierung des Andalusischen bedeutet dies, dass zu den Bedeutungsebenen der salienten Merkmale, die vorher etwa einen niedrigen Bildungsstand, sprachliches Unvermögen etc. indizierten, nun konkurrierende Bedeutungsebenen hinzukommen. Hierbei werden zwar dieselben sprachlichen Merkmale herangezogen, aber durch die neuen sprachideologischen Verknüpfungen entstehen indexikalische Überlappungen, bei denen verschiedene Bedeutungsschemata mit den Indices verknüpft werden, sodass diese je nach Kontext
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
und SprecherIn wiederum anders intendiert bzw. gedeutet werden können. Dieses theoretische Konzept ist also von zentraler Bedeutung bei der Analyse des metasprachlichen Materials, da die indexikalischen Überlappungen immer mitgedacht werden müssen, weil ohne die tradierten negativen Bedeutungsebenen der salienten Merkmale keine Revalorisierung möglich ist. Daher ist die Revalorisierung nur in Abgrenzung zu vorherigen negativen Zuschreibungen im Spannungsfeld zwischen negativen Evaluationen und positiver Neubesetzung zu denken. Zentral ist folglich, dass die geordnete Indexikalität den Grundpfeiler der Evaluationsprozesse darstellt, da sie als Werkzeug sozialer Praxis, durch welche Identitäten und diskursive Varietäten konstruiert werden, fungiert: Die Wahrnehmung einiger (ggf. weniger) Unterschiede – im Falle von Varietäten sind dies in der Regel phonetische, prosodische, lexikalische oder morphosyntaktische Merkmale – verändert sich, wobei einige saliente Indices 3. Grades diskursiv betont und hierdurch salient werden, sodass die strukturellen Gemeinsamkeiten durch den Fokus auf die Differenz sprachideologisch eliminiert werden und somit die tatsächliche strukturelle Variation eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Hierbei geht es im Speziellen um eine audiovisuelle Visibilisierung der Merkmale, sodass sie durch die RezipientInnen verstärkt wahrgenommen werden: Es kann sich dabei z.B. um ein salientes Merkmal, das in der Graphie von der Standardorthographie abweicht, oder aber um die starke akustische Betonung eines salienten Merkmals in gesprochenen Redesequenzen sowie das aktive metapragmatische Besprechen eines salienten Merkmals handeln. Somit wird es möglich, dass selbst kleinste strukturelle Unterschiede in ihrer Ausprägung innerhalb eines Kontinuums als charakteristisch für eine reifizierte diskursive Einheit angesehen werden und diese somit selbst die diskursive Varietät konstituieren sowie ko-konstruieren. Die Indexikalität 3. Grades ist hierbei die entscheidende Ebene, da diese Merkmale nun aktiv zur sozialen Nutzung herangezogen werden können, um nichtsprachliche soziale Effekte – z.B. die Zuschreibung von charakterologischen Eigenschaften zu Gruppen oder die soziale Evaluation einer Gruppe – zu erzielen. Dies ist somit der entscheidende indexikalische Grad bei der Analyse von Revalorisierungsprozessen und er unterscheidet sich stark von den anderen Graden, da auf dieser Ebene nicht die denotative Bedeutung und deren Vermittlung primär sind, sondern die symbolische Funktion und soziale Nutzung des Repertoires der salienten Merkmale im Vordergrund stehen. Aus diesem Grunde ist eine theoretische Unterscheidung der indexikalischen Grade nötig und sinnvoll, um deutlich zu machen, welcher Ebene sich die Aussagen der in dieser Arbeit zu untersuchenden Diskurse zuordnen lassen. Nicht die simple Nutzung eines Merkmales (Indexikalität 1. Ordnung) oder die situative Eigenverortung der SprecherInnen im Sinne einer Annäherung an ein für eine
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
153
spezifische Situation zu erwartendes Register (Indexikalität 2. Ordnung) sind hier von zentraler Bedeutung, sondern eine Analyse der aktiven Nutzung der Merkmale zur identitären Demarkation, Gruppen- und Sprachevaluation (Indexikalität 3. Ordnung) ist für die Beantwortung der Haupthypothese der Revalorisierung des Andalusischen unerlässlich. Dies ist der Fall, da es sich dabei um den diskursiven Ort handelt, an welchem sich die Revalorisierung materialisiert und ihren Ausdruck findet. Um die Prozesse der Indexikalisierung in Bezug auf ihren sprachideologischen Konstruktionscharakter nachzeichnen zu können, werden die Konzepte Authentizität, Anonymität und Naturalisierung (nach Woolard 2016, 21ss.) herangezogen, da diese bei der Indizierung und Konstruktion diskursiver Varietäten als diskursive Strategien durch die SprecherInnen selbst herangezogen werden und somit für eine adäquate Analyse unabdingbar sind. In diesem Zusammenhang spielt die stilistische Praktik (nach Eckert 2008, 456s.) der SprecherInnen eine entscheidende Rolle, durch welche oftmals Bewertungen der Varietät in metasprachlichen Diskursen materialisiert werden. Die stilistische Praktik muss im Zusammenhang mit der Indexikalität 3. Grades gedacht werden, da es sich in Bezug auf die Bewertung einer Varietät um die willentliche Nutzung von salienten Merkmalen handelt, wobei der konnotative Inhalt des Enunziats den zentralen Redeanlass gibt und nicht der Wunsch nach der Vermittlung des tatsächlich geäußerten denotativen Inhalts. Als weiterer Baustein des theoretischen Grundgerüstes dieser Arbeit sind die termini technici der strukturellen Varietät und der diskursiven Varietät von zentraler Bedeutung und im folgenden Schema noch einmal zusammengefasst, welche die jeweiligen Implikationen der verschiedenen Ordnungsgrade der Indexikalität beinhaltet: In diesem Schaubild ist auf der einen Seite die metapragmatische funktionale Verteilung sprachlicher Variation so zu sehen, wie sie nach den Beschreibungen zu den Indexikalitätsgraden zu werten ist. In Bezug auf das Andalusische und die Applikation auf die wichtige Unterscheidung von struktureller und diskursiver Varietät ist zu sehen, dass der metapragmatische Abstraktionsgrad eine entscheidende Rolle spielt, da zur strukturellen Variation, welche sowohl variable also auch invariable sprachstrukturelle Einheiten umfasst, gewisse Merkmale aus dem Sprachkontinuum extrahiert werden. Diese werden daraufhin mit dem Kontext und schließlich mit weiteren sozialen Kategorien wie «sozialer Person» oder prototypischen Handlungsweisen assoziiert. Bei der strukturellen Varietät geht es eben um Einheiten, die für einen variationellen Raum zu konstatieren sind, wobei bei der indexikalischen Ordnung 2. Grades die Anzahl der Merkmale reduziert wird und nicht mehr die strukturelle Varietät als Ganze im Vordergrund steht, sondern ihre differentiellen Merkmale in Abgrenzung zu den Merkmalen, die mit
sozialfunktionale Verteilung Merkmale 3. Grades: Abstraktion der Summe des 1. + 2. Grades als emblematisch nutzbares System → pseudorepräsentative Einheiten und (Über-)Generalisierung
• el andaluz
zur Nutzung vorhandene Grundeinheiten
• hablas andaluzas
strukturelle Varietät
Schaubild 6: Strukturelle und diskursive Varietät und ihre Adaption auf Indexikalitätsgrade.
Demarkation durch Aushandlung gesellschaftlicher Ideologien; b) Evozierung von prototypischen sozialen Personen
• symbolische Funktion: a) soziale
• gesprochenes romanisches/ kastilisches Kontinuum
Merkmale 2. Grades: Anwendung und Zusammenfassung der Fakten durch soziale Konzeptionen/Ordnungen → sozialdiskursive Strukturierung von Isoglossen(-bündeln)
Merkmale 1. Grades: linguistische «Fakten» → jedmögliche Variation eines variationellen Raumes
• kontextgebundene Funktion
SprecherInnen selbst sinnhafte Funktion → interne Variation
• keine für die
154 5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
zunehmender diskursiver Abstraktionsgrad
zunehmender sozialer Demarkationsgrad
diskursive Varietät
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
155
anderen Kontexten verknüpft sind. Für ein stilisiertes Verweisen auf diese Varietät fungieren nicht alle strukturellen Merkmale, welche als distinktiv angesehen werden, sondern solche, welche als typisch betrachtet werden und somit besonders salient sind, wobei die tatsächliche sprachliche Variation keine Rolle spielt, sondern die prototypischerweise vorgestellte Variation. Hierbei erfolgt eine Abstrahierung der Merkmale zweiter indexikalischer Ordnung, sodass nur noch einige wenige saliente Merkmale rekurrent auf die diskursive Varietät und auf die extrasprachlichen Implikationen referieren. Diese haben eine besondere soziale Funktion, da sie den SprecherInnen erlauben, sich schnell erwartbaren sozialen Mustern zuzuordnen oder andere SprecherInnen sozial zu positionieren. Was bisher in der Forschung zum enregisterment bezogen auf die Indexikalitätsgrade nur spärlich behandelt wurde, ist der Fokus auf die aktive soziale Abgrenzung, auf die sich Kremnitz (2017, 20) mit dem Terminus Demarkation bezieht: «Wer immer sich an einer (nicht nur) sprachlichen Kommunikation beteiligt, unterliegt einer Spannung bzw. Dialektik zwischen Kommunikation und Demarkation. Wenn ich mich an andere wende, versuche ich, mich ihnen genügend anzunähern, damit die Verständigung gelingt, aber ich grenze mich gleichzeitig von meinem jeweiligen Gesprächspartner ab, um ihm deutlich zu machen, dass meine Identität sich von der seinen unterscheidet. Dieses demarkative Element ist für die Konstitution des Subjekts und der Identität von hoher Bedeutung. Bei alltäglichen Kommunikationsakten funktionert die Dialektik ohne bewusste Anstrengung, aber ich kann meinen Abstand deutlicher machen, indem ich etwa meine heimische Mundart gegenüber einem Fremden betont einsetze, der in diesem Falle Mühe haben kann, meine Aussagen zu interpretieren. Ich kann im umgekehrten Falle versuchen, mich seinen sprachlichen Erfahrungen anzunähern, indem ich eine weitgehend neutrale Sprachform verwende oder mich der Varietät des Partners annähere». [Hervorhebungen im Original]
Hier wird die Ebene des Sprechens mit derjenigen der Wahl der Varietät in Zusammenhang gebracht und betont, dass SprecherInnen je nach Intention sich einander annähern – Akkommodation – oder sich von einander abgrenzen – Dissimilation – können. Dies ist im Besonderen von Relevanz, da bei höheren Indexikalitätsgraden auch der Grad der Demarkation und somit auch die Intensität der identitären Abgrenzung bzw. Unterscheidung zunehmen. Auf der Ebene der diskursiven Varietät ist dies von Wichtigkeit, da eben ohne konzeptionelle Abgrenzung einer Varietät zur anderen diese selbst nicht denkbar oder nötig wäre. Je höher der Indexikalitätsgrad ist, desto stärker ist die soziale Demarkierung einer bestimmten Gruppe, wobei sprachliche Variation zentral ist, da diese die sprachliche Basis für die Demarkation auf diskursiver Ebene ist. Entscheidend ist hier die symbolische Funktion, die mittels Indexikalität dem Andalusischen diskursiv zugeschrieben wird. Schneider (2016, 88) merkt in
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
diesem Zusammenhang an, dass die symbolischen Funktionen von Sprachen über die simplen kartographischen Zeichnungen hinaus untersucht werden sollen, in welchen ethnische Gruppen und Sprachen miteinander verknüpft werden. Dies setzt voraus, dass ein geeigneter Raum geschaffen wird, um Sprachen als Produkte des sozialen Diskurses, welche auf diskursiver Ebene eine soziale Wertigkeit haben, und nicht als die Vorbedingung des Diskurses zu untersuchen, was ein zentraler Argumentationspunkt dieser Arbeit ist. Eine Varietät entsteht somit im Imaginarium der SprecherInnen im Diskurs und es ist die diskursive Ebene, auf welcher dieser Varietät ein sozialer Wert beigemessen wird. Bei der Untersuchung dieses sozialen Diskurses und der darin entstehenden Konstruktionen – hier: diskursive Varietäten – ist zu beachten, dass die symbolische Funktion bei der sozialen Demarkation zentral ist, da diese sich konzeptionell auf die diskursive Varietät bezieht und nicht auf sprachliche Einheiten selbst. Dies bedeutet, dass sprachliche Merkmale oder andere mit der diskursiven Varietät indexikalisch verbundene Einheiten symbolisch auf das Konzept einer Varietät verweisen und dadurch Sprachgrenzen diskursiv festlegen bzw. die Sprachen als diskursives Produkt selbst schaffen. Für soziolinguistische Analysen ist diese Funktion von großer Bedeutung, da sie Aufschluss darüber gibt, welche Verbindung zwischen Sprache und ihrer sozialen Kategorisierung in einer Gesellschaft vorliegen. Eine Analyse der symbolischen Funktionen auf höheren Indexikalitätsebenen erlaubt folglich, die in einer Gesellschaft existierenden Verbindungen zwischen dem sozialen Diskurs und dem Sprachgebrauch, welche durch Sprachideologien verbunden sind, sichtbar zu machen und die dahinterstehenden Prozesse aufzuzeigen (Schneider 2016, 88). Die Wichtigkeit der Analyse indexikalischer Ordnungen im Rahmen der interpretativen Diskurslinguistik ist somit gegeben, da anhand der Sozialsymbolik von Indexikalität, die durch die aktive metapragmatische Nutzung sprachlicher Variation erfolgten, Revalorisierungs- und re-enregisterment-Prozesse in Diskursen nachgewiesen werden können. Die zuvor erarbeiteten theoretischen Prämissen werden nun in einem finalen Schritt vereint, um zu einem Modell der re-enregisterment-Prozesse der diskursiven Varietät zu gelangen: In dem Modell ist zunächst zu sehen, dass sich das strukturelle sprachliche Kontinuum und der diskursive Raum der Konstruktionen, die durch das Heranziehen von (Sprach-)Ideologien ihre spezifische Ausprägung erhalten, kreuzen. Dies ist intendiert, da nicht die gesamte strukturelle Variation durch die Konstruktionen metapragmatisch aufgegriffen wird, sondern die Konstruktionen durch die ideologische Setzung die reifizierte diskursive Varietät mit außersprachlichen Valorisierungen bzw. sozialen Werten versehen und diese dann
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
157
Schaubild 7: Re-enregisterment und neue Valorisierung diskursiver Varietäten.
spezifischen Gruppen und Nutzungskontexten zuordnen, weshalb beide Bereiche nicht gänzlich überlappen. Wichtig für beide Bereiche sind die salienten Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades, die im Zentrum des diskursiven Raumes und des strukturellen Kontinuums stehen und sich überschneiden. Dies verdeutlicht die zentrale Rolle, die die salienten Merkmale spielen – sie werden im Modell durch Punkte in verschiedenen Größen repräsentiert, um darzustellen, dass einige häufiger und salienter als andere sind –, da sie im diskursiven Raum als Repräsentationsinstanzen der reifizierten diskursiven Varietät stehen und von sozialen AkteurInnen genutzt werden, um sie mit sozialen Werten (z.B. ungebildet, authentisch etc.) metapragmatisch zu versehen. Die so entstandenen Indices werden von sozialen AkteurInnen intentional zur sozialen Positionierung im sozialen Raum genutzt, sodass die Merkmale zu Indices 3. Grades werden. Sie werden herangezogen, um diskursiv aus dem sprachlichen Kontinuum herausgelöst diskursive Varietäten zu konstruieren. Sobald dies für eine Varietät geschehen ist, ist diese einregistriert. Beim re-enregisterment erfahren bereits einregistrierte Varietäten eine neue sprachideologische Setzung und somit ein Gegennarrativ zu derselben diskursiven Varietät. Durch dieses Gegennarrativ wird die diskursive Varietät von anderen sozialen AkteurInnen mit neuen sozialen Werten versehen, um eine andersartige Valorisierung vor dem Hintergrund der immer noch existierenden tradierten Bewertungsschemata zu er-
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5 Geordnete Indexikalität im Prozess der Entstehung diskursiver Varietäten
zielen. Hierbei wird das Gegennarrativ derartig gestaltet, dass eine Veränderung der sozialen Wahrnehmungs- und Evaluationsschemata erreicht werden soll. Für diese Arbeit ist im Besonderen von Relevanz, dass Indices 3. Grades sprachideologisch im Rahmen der Revalorisierung umgedeutet werden, sodass diese nicht – wie zuvor der Fall – oftmals negativ, sondern immer öfter positiv beurteilt werden, was mit einer Aufwertung der diskursiven Varietät und ihrer SprecherInnen einhergeht. Es handelt sich um eine Veränderung des sozialen Stellenwertes derselben Indices sowie um eine soziale und funktionale Aufwertung der diskursiven Varietät, weshalb von einem re-enregisterment als nun positiv besetzter Sprachform gesprochen werden kann. Varietäten unterliegen selbstverständlich sowohl auf struktureller Ebene als auch auf derjenigen der sozialen Bewertung historischen Veränderungen. Gal (2016) führt diesbezüglich auf, dass Register – hier: diskursive Varietäten – für die SprecherInnen soziale Bedeutung erhalten, wenn sie in Bezug zu anderen Registern gesetzt werden und durch diese Differenzierung ko-konstituiert werden. Hierbei gibt sie an, dass «[w]hen registers/styles are placed in typified comparative sets with newly available images or simply different ones, the register is resignified» (Gal 2016, 131). Dies bedeutet, dass wenn Register durch die Verknüpfung mit spezifischen Personengruppen sowie sozialen Werten miteinander kontrastiert werden, diese als diskursive Register sozial nutzbar werden, um die sozialen Werte einerseits zu evozieren und andererseits auch zu verändern. Hierbei ist folglich herauszustellen, dass durch die Veränderung der sozialen Implikationen von Indices auch die soziale Wertung von Varietäten veränderbar ist. Dies ist für SprecherInnen von hoher Relevanz, da durch die Sozialität von Sprache wichtige soziale Unterscheidungen forciert und diese als sozial relevante Kategorien erfahrbar gemacht werden. Vorherige Studien zum enregisterment (cf. Kapitel 5.1.) gingen nun von einzelnen Instanzen der sozialen Positionierung von SprecherInnen mittels Indices 3. Grades aus, um sich im Sinne eines acts of identity einer bestimmten Varietät zu bedienen, um die mit ihr verknüpften sozialen Werte für sich zu reklamieren (sozialer Status, Bildungsgrad, Authentizität etc.). In der folgenden Analyse des für diese Arbeit zusammengetragenen Sprachmaterials findet jedoch keine Untersuchung der direkten mikrokontextuellen Identitätspositionierung statt, um auf die sie nutzenden Individuen zu schließen, so wie es zuvor im Schaubild von Spitzmüller (2015, 131) zur sozialen metapragmatischen Positionierung aufgeführt wurde. Vielmehr werden diese Instanzen der Mikroebene genutzt, um daraus zu deduzieren, welche Veränderungen der Diskursstrukturen, die zu einem re-enregisterment führen, zu beobachten sind. Dies bedeutet konkret, dass die einzelnen Instanzen der Nutzung von salienten Merkmalen als Indices 3. Grades nicht im Hinblick auf die sie nutzenden AkteurInnen und die durch sie durchge-
5.4 Modell zum re-enregisterment des Andalusischen
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führten Identitätsakte untersucht werden, sondern darauf, welche Veränderungen sie in Bezug auf die sprachideologische Setzung der diskursiven Varietät und ihre subsequente Valorisierung hervorrufen. Genau dies ist eine der theoretischen Grundannahmen dieser Arbeit: Die Revalorisierung von diskursiven Varietäten materialisiert sich im Diskurs durch das Heranziehen von Indices 3. Grades. Revalorisierung bedeutet hier folglich, dass einer diskursiven Varietät eine neue soziale Bewertung zugeschrieben wird, was, wie in der Analyse des sprachlichen Materials gezeigt werden wird, im Falle des Andalusischen eine neue positive Besetzung, die in Konkurrenz zur negativen Bewertung steht, bedeutet. Um es konkret zu präzisieren: Die mikrokontextuelle Ebene der Nutzung der Indices 3. Grades wird hier nicht zur Analyse von Identitätsakten und -positionierungen auf der Ebene der Individuen herangezogen, sondern die Besonderheit dieser Arbeit besteht darin, dass diese mikrokontextuellen Nutzungen, wie sie zwangläufig in ihrer Singularität in Diskursen erscheinen, zu einer makrokontextuellen Veränderung der Bewertung und neuartigen diskursiven Konstruktion der Varietät führen. Gegenstand ist somit nicht das Individuum, sondern die metapragmatisch besprochene Sprache. Zusammenfassend bedeutet dies, dass Indices 3. Grades sowohl in Identitätsakten für die konkrete soziale Positionierung eines Individuums eingesetzt werden können, diese Identitätsakte sich aber nicht darin erschöpfen, in Mikrokontexten Vorstellungen von Identitätszuschreibungen und -zugehörigkeiten zu evozieren. Zusätzlich zu diesen Kontexten, die klassischerweise in enregisterment-Studien herangezogen werden, ist auch die Ebene der Makrokontexte zu betrachten, wenn es um die soziale Bewertung von diskursiven Varietäten selbst geht. Im spezifischen Fall des Andalusischen erfolgt ein großer Teil der Identitätsaushandlungen über die soziale Bewertung der Sprechweise der AndalusierInnen, da die Aufwertung der diskursiven Varietät des Andalusischen an die Aufwertung der AndalusierInnen als imaginierte Gruppe gekoppelt ist und sie somit bedingt. Im folgenden Kapitel wird ein methodisches Rahmenmodell erarbeitet, welches die Untersuchung der Revalorisierung diskursiver Varietäten durch die Analyse der Nutzung von Indices 3. Grades und die damit verbundenen sprachideologischen Setzungen der diskursiven Varietät ermöglicht.
6 Methodisches Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion und Bewertung diskursiver Varietäten Um zu einem methodischen Rahmenmodell zu gelangen, welches die reenregisterment- und Revalorisierungsprozesse des Andalusischen im Rahmen eines interpretativen diskurslinguistischen Ansatzes ermöglicht, ist die Aufnahme der in Kapitel 4 und 5 erarbeiteten theoretischen Basis unabdingbar, da erst durch sie eine adäquate Analyse der Diskurse möglich wird. Hierbei wird sich im methodischen Rahmenmodell die gleiche Abstraktionsstruktur wie in der theoretischen Erarbeitung zeigen: Ausgehend von salienten Merkmalen werden über ihre Indexikalität und die durch sie evozierten indexikalischen Verbindungen die diskursive Konstruktion des Andalusischen und seine sprachideologische Setzung als reifiziertes Objekt sowie dessen Valorisierung untersucht, bevor dann abschließend daraus das re-enregisterment des Andalusischen und die damit einhergehende veränderte soziale Rolle der Varietät analysiert werden. Es handelt sich folglich um ein methodisches Vorgehen, bei welchem eine zunehmende Abstrahierung ausgehend von konkreten sprachlichen Merkmalen und ihren Indizierungen hin zu abstrakteren diskursiven Konstruktionen, sprachideologischen Setzungen und valorativen Zuschreibungen erfolgt. Im Folgenden soll daher das methodische Rahmenmodell dieser Arbeit dargestellt werden, mithilfe dessen die re-enregisterment-Prozesse und die Bewertung des Andalusischen als diskursive Varietät systematisch analysiert werden können. Hierzu wird in Unterkapitel 6.1. das Analyseschema und die damit verbundenden Analyseebenen in Kurzform vorgestellt, worauf im Unterkapitel 6.2. eine detaillierte Explikation der einzelnen Analyseschritte und -ebenen erfolgt. Darüber hinaus wird dargestellt, welche Ebenen bereits in wissenschaftlichen Arbeiten besprochen wurden und wie sie in das Analyseschema dieser Arbeit implementiert wurden.
6.1 Analyseschema Um das metasprachliche Material dieser Arbeit zielführend im Hinblick auf die Haupthypothese der Revalorisierung des Andalusischen analysieren zu können, ist es notwendig, eine Methode zu entwickeln, welche den Besonderheiten des Gegenstandes Rechnung trägt. Daher ist es unabdingbar, das eigens entwickelte Vorgehen mit demjenigen anderer DiskursforscherInnen abzugleichen und ggf. https://doi.org/10.1515/9783110659771-006
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6 Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion diskursiver Varietäten
die jeweils passenden Kategorien und Ansätze in das eigene Vorgehen zu integrieren. Wie bereits in Kapitel 2.3. erwähnt, sollen für die Untersuchungen dieses Kapitels die für diese Arbeit relevanten Analysekategorien und -schritte der methodologischen Ansätze von Spitzmüller/Warnke (2011), Bendel Larcher (2015) und Wortham/Reyes (2015) in Teilen adaptiert und im Hinblick auf den Gegenstand dieser Arbeit – Revalorisierungsdiskurse über das Andalusische als diskursive Varietät – in ein eigenes Schema münden, in welchem Indexikalität als Hauptinstrument der Revalorisierung des Andalusischen in Metadiskursen ins Zentrum rückt. Hierzu werden noch einmal die Hauptfragen der Analyse aus Kapitel 2.3. aufgegriffen, da diese Schritte die einzelnen Phasen der Analyse darstellen. Es ist zu beachten, dass das Analyseschema nicht suggerieren soll, dass, da sich die Indexikalität und ihre Grade in Revalorisierungsdiskursen durch ihre Gleichzeitigkeit auszeichnen, diese Einteilung dem Gegenstand selbst inhärent sei. Es ist vielmehr so, dass die Einteilung lediglich aus methodischen Gründen vorgenommen wird. Das Analyseschema dient der Analyse der einzelnen, unten angegebenen Teile der Diskurse, d.h. dazu, diese in ihrer Komplexität möglichst adäquat analysieren zu können. Das Analyseschema gliedert sich wie folgt: 1. Um was für einen Diskursausschnitt handelt es sich und wie ist er zu charakterisieren? a. Erste Beschreibung des Materials; b. Relevanz für die Fragestellung dieser Arbeit; c. Sammlungs- bzw. Aufbereitungsmethode. 2. Um was für eine Art sprachlicher Merkmale handelt es sich und welche Merkmale werden explizit und implizit metasprachlich benutzt? a. Bestimmung salienter Merkmale; b. linguistische Analyse der zuvor bestimmten Merkmale; c. Darstellung der Explizität bzw. Implizität; d. weitere intratextuelle Auffälligkeiten: Variablen, Schlüsselwörter, syntaktische Muster; e. Gestaltung der Medialität. 3. Welche sozialen Gruppen werden mit den Variablen bzw. Varianten diskursiv verknüpft und welche Bewertung findet statt? a. Bestimmung der durch saliente Merkmale erfolgten Gruppenindexikalisierung; b. Bestimmung der Eigen- bzw. Fremdverknüpfung der AkteurInnen; c. Analyse der Kontextualisierung und Entextualisierung der salienten Merkmale. d. Analyse der Bewertungsschemata der Variablen und der durch sie indexikalisierten Gruppen;
6.2 Explikation des Analyseschemas
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e. Bestimmung von Deutungs- und Argumentationsmustern; f. Bestimmung der Diskurspositionen der AkteurInnen; g. Analyse der Stereotypisierung der betreffenden Gruppen. 4. Welche Sprachideologien herrschen vor und auf welche Weise erfolgt die Konstruktion der diskursiven Varietät? a. Bestimmung der Sprachideologien, die sich aus den expliziten und impliziten Metadiskursen deduzieren lassen; b. Analyse der sich durch die Sprachideologien ergebenden diskursiven Konstruktionen des Andalusischen; c. Analyse der Topoi, welche in der diskursiven Konstruktion des Andalusischen aufgegriffen werden; d. Analyse der Finalität dieser Konstruktionen. 5. Zusammenfassende Darstellung und Explikation der re-enregistermentProzesse.
6.2 Explikation des Analyseschemas Die fünf Leitfragen, die im Hinblick auf die Diskursausschnitte zu analysieren sind, sollen nun auch expliziert werden, um ihren Stellenwert pointiert zu verdeutlichen. Nach dieser Darstellung folgt eine Kontextualisierung der Analyseschritte im Hinblick auf einige Methoden der Diskurslinguistik. Ad 1. Deskription des Diskursbereiches: Bei diesem ersten Analyseschritt soll das Material zunächst grob beschrieben und der Diskursbereich und dessen Relevanz für die Bestimmung der Valorisierung des Andalusischen aufgezeigt werden. Darüber hinaus soll dargestellt werden, warum das Aufgreifen des Diskursbereichs für eine Darstellung eines allgemeineren gesellschaftlichen Diskurses sinnvoll ist bzw. inwiefern die Schlüsseltexte des Diskursbereichs auf eine größere soziale Diffusion des Diskurses über das Andalusische schließen lassen. Die Methode zur Sammlung sowie das methodische Vorgehen der Analyse und die Aussagepotentiale werden näher dargestellt. Ad 2. Darstellung der salienten Merkmale: In einem zweiten Schritt soll der Diskursbereich näher nach für die Untersuchung relevanten Auffälligkeiten untersucht werden. Hierbei sind vor allem saliente phonetische, lexikalische und syntaktische Variablen zu identifizieren, aber auch andere relevante intratextuelle Phänomene wie Schlüsselwörter, syntaktische Muster etc. Darüber hinaus soll die Medialität des Diskursbereiches und seine Ausgestaltung analysiert werden. Dies ist im Besonderen wichtig, da oftmals nicht nur Gesprochenes und Geschriebenes über indexikali-
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6 Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion diskursiver Varietäten
sche Ordnungen und enregisterment-Prozesse Aufschluss geben, sondern auch die graphische Gestaltung, in welche sie eingebettet sind, wichtig ist, um den Diskurs näher bestimmen zu können. So spielt beim Andalusischen oftmals eine Rolle, dass es nicht nur durch Gesagtes bzw. Geschriebenes besprochen, sondern u.a. durch kulturelle Artefakte wie die Farben der andalusischen Flagge zusätzlich sozial kontextualisiert wird. Einer Analyse, die die Medialität und graphische Setzung nicht beachtet, entginge somit ein signifikanter Teil des Kontextes, welcher aber für das re-enregisterment des Andalusischen von Bedeutung ist. Zusätzlich zur Identifikation der salienten Variablen soll aufgezeigt werden, ob und wie diese explizit oder implizit metasprachlich besprochen werden. Ad 3. Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen: Bei diesem Schritt soll analysiert werden, auf welche Gruppen die salienten Merkmale verweisen und welche Eigen- bzw. Fremdverknüpfungen durch welche AkteurInnen vollzogen werden. Hierbei lassen sich Gruppenzuschreibungsprozesse verdeutlichen, welche essentiell sind, wenn es darum geht, Sprechweisen einer vorgestellten Gemeinschaft (das Andersonsche (2006) Konzept der imagined community) homogenisierend und stereotypisierend zuzuweisen. In diesem Zusammenhang spielen die Diskurspositionen der AkteurInnen, die sich aus dem Material ableiten lassen, eine zentrale Rolle, da diese für eine Analyse der geordneten Indexikalität und ihrer verschiedenen Ebenen unerlässlich sind. Nach der Identifikation der Gruppenindexikalisierung soll untersucht werden, welche Bewertungsschemata auf diese Gruppen angewendet werden, welche dann auch mit den salienten Merkmalen kookkurrieren und sich gegenseitig evozieren. Darüber hinaus sollen Deutungs- und Argumentationsmuster in Bezug auf die Sprache, spezifische Sprechweisen und der sie nutzenden Gruppen in diesem Schritt bestimmt werden, um danach die Stereotypisierungsprozesse analysieren zu können, die mit Zuschreibungen und den diesen Zuschreibungen zugrunde liegenden argumentativen Rechtfertigungsdiskursen einhergehen. Ad 4. Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der Konstruktion der diskursiven Varietät: Durch die vorherigen Analysen der sozialen Zuschreibungen und argumentativen Rechtfertigungsprozesse wird es in diesem Schritt möglich, die Sprachideologien als Hintergrundfolien dieser Prozesse zu deduzieren, um zu verdeutlichen, welche ideologischen Prämissen und Präsuppositionen zu Sprache in dem zu analysierenden Diskursausschnitt existieren. In diesem Schritt soll ein besonderes Augenmerk auf die Konstruktion diskursiver Artefakte gelegt werden. Dies bedeutet konkret, dass anhand der Analyse metasprachlicher Diskurse
6.2 Explikation des Analyseschemas
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nachvollzogen werden soll, auf welche Weise das Andalusische diskursiv reifiziert wird und ob es dabei beispielsweise als zusammenhängende Varietät, als disparate Sprechweisen des Spanischen oder aber als eigene Sprache diskursiv konstruiert wird. Zusätzlich soll, sofern das Analysematerial es zulässt, die Finalität dieser Konstruktion untersucht werden, da die Konstruktion selbst Mittel zum Zweck für das Erreichen politischer Ziele, Interessen oder das Ingangsetzen gesellschaftlicher Veränderungsprozesse sein kann. Ad 5. Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse: In einem letzten Schritt soll dann eine zusammenfassende Darstellung und Explikation der reenregisterment-Prozesse erfolgen, aus denen dann die verschiedenartigen Konstruktionen des Andalusischen und die damit einhergehenden (Neu-) Bewertungsprozesse dargestellt werden können, was den Haupterkenntnisgewinn dieser Arbeit darstellt. Die Heterogenität der metasprachlichen Diskurse und somit des Analysematerials machen ein flexibles Vorgehen unabdingbar, sodass bei dem vorgestellten methodischen Rahmenmodell eine gegenstandsorientierte flexible Adaption immer mitgedacht werden muss. Dies bedeutet, dass nicht alle vorgeschlagenen Analyseebenen der Hauptleitfragen auf jeden Diskursausschnitt gleichermaßen angewendet werden können und müssen, da jeder Diskursausschnitt eigene Spezifika aufweist. Es handelt sich folglich bei dem hier vorgeschlagenen Rahmenmodell um einen flexibel zu denkenden Analyserahmen, um re-enregisterment-Prozesse analysierbar machen zu können. Allerdings ist dieser weder erschöpfend noch soll damit suggeriert werden, dass dies die einzige Möglichkeit der Analyse darstelle. Folglich werden in Kapitel 7 je nach Spezifität der Diskursausschnitte einige Analysebenen stärker als andere berücksichtigt werden. In Bezug auf diskurslinguistische Arbeiten ist zunächst zu konstatieren, dass ein kleinschrittiges Vorgehen in aufeinanderfolgenden Phasen charakteristisch ist. Die oben genannten Analysephasen und -ebenen ergeben sich teils aus Kategorien, welche in Spitzmüller/Warnke (2011), Bendel Larcher (2015) und Wortham/Reyes (2015) zu finden sind, andererseits wurden einige der von ihnen genannten Analysekategorien und -schritte in eigene Analyseschritte implementiert, da die spezifische Beschaffenheit des Materials ein darauf abgestimmtes Analyseverfahren erfordert, welches in keiner diskurslinguistischen Arbeit in dieser Form zu finden ist. Die Phasen von 1 bis 5 entsprechen grob dem Vorgehen bei Spitzmüller/Warnke (2011, 201), die in ihrer
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6 Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion diskursiver Varietäten
diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse (DIMEAN) zunächst eine Analyse der intratextuellen Eigenschaften eines Diskursausschnitts vorschlagen, welche dann über die Analyse der DiskursakteurInnen hin zur Untersuchung der transtextuellen Strukturen führen soll. Dies bedeutet, dass zunächst das Material selbst eingeordnet und Auffälligkeiten beschrieben werden, um dann nach dieser phänomenologischen Deskription in den nächsten Schritten eine exaktere Analyse der re-enregisterment-Prozesse durch die Bestimmung und Analyse der salienten Merkmale durchführen zu können. Hierbei sollen die dem Material zugrunde liegenden indexikalischen Ordnungen, welche durch Bewertungen und Sprachideologien erzeugt werden, analysiert und interpretiert werden. Dies ist notwendig, um die Konstruktion und Bewertung des Andalusischen als diskursive Varietät überhaupt erst nachzeichnen zu können. Es erfolgt also erst eine Deskription der Auffälligkeiten des Materials, welche dann interpretativ durch die Analyse indexikalischer Ordnungen Aufschluss über transtextuelle Diskursstränge geben sollen. Der Analyse der indexikalischen Ordnung durch die genaue Betrachtung der Verknüpfungsebenen salienter Merkmale kommt dabei die größte Bedeutung zu, da anhand dieser die Bewertungen eben erst nachvollzogen werden können. Hierbei ist im Besonderen kleinschrittig vorzugehen, um die Ebenen der Indexikalität adäquat analysieren zu können. Das Vorgehen der Schritte 2 und 3 bezieht sich daher auf eine genaue Analyse der Indices, deren Kontextualisierung und Entextualisierung – die Einbettung derselben Merkmale in neue Kontexte –, sodass die Indices selbst genannt und identifziert werden, dann der Kontext ihres Auftretens und das diskursive Umfeld beschrieben werden, worauf eine interpretative Analyse der ihnen zugrunde liegenden indexikalischen Ordnungen erfolgt. Dies entspricht dem Vorgehen bei Wortham/Reyes (2015, 37s.), allerdings schlagen die Autoren eine Analyse evaluativer Lexeme, welche sie als Indices verstehen, vor. An dieser Stelle kann nicht diskutiert werden, inwiefern es sinnvoll ist, hierbei auch von Indices in demselben Sinne wie in Kapitel 4 erläutert zu sprechen, da in dieser Arbeit grundsätzlich von sprachlichen Merkmalen als Indices und nicht ausschließlich von Lexemen ausgegangen wird. Dies erscheint für die Haupthypothese der positiven Neubewertung des Andalusischen folgerichtig, da sie mittels des Sprechens über die diskursive Varietät materialisiert wird und auf die strukturellen Merkmale der Varietät rekurriert. Daher soll das kleinschrittige Vorgehen bei der Analyse der Indices, wie von Wortham/Reyes (2015, 37s.) vorgeschlagen, für diese Arbeit wie oben expliziert angepasst werden. Dies ist der Fall, da bedingt durch das enregisterment des Andalusischen (als disparate Sprechweise niedrigerer sozialer Strata in Andalusien) bereits einige Indices salient und somit interpretierbar vorlie-
6.2 Explikation des Analyseschemas
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gen. Das Vorgehen bei Wortham/Reyes (2015), welches diachron angelegt ist, ist wie folgt aufgebaut: 1) Analyse des sozialen Geschehnisses («narrated events») selbst; 2) Detektion potentiell salienter Indices; 3) Aufzeigen des erneuten Aufgegriffenwerdens dieser Indices in anderen «narrated events»; 4) Analyse der sozialen Funktion der Indices; 5) Aufzeigen des Aufgegriffenwerdens der Indices in einer Vielzahl an weiteren «narrated events» und der Ausdehnung auf andere Diskursbereiche («cross-event processes»). Da, wie bereits mehrfach angeklungen, indexikalische Ordnungen und der enregisterment-Ansatz sowohl als Theorie als auch als Methode gleichzeitig angesehen werden können, steht es bei diesem methodischen Vorgehen im Vordergrund, die indexikalischen Ordnungen zu bestimmen und zu analysieren, um die enregisterment-Prozesse der diskursiven Varietät des Andalusischen und die mit ihnen einhergehende Bewertung derselben darstellen zu können, wobei die Indexikalitätsgrade, wie sie in Kapitel 4 besprochen wurden, eine zentrale Rolle spielen. Folglich ist eine sehr genaue Analyse der Indices durchzuführen, allerdings wird in dieser Arbeit grundsätzlich mit Material einer synchronen Zeitschicht gearbeitet, weshalb das Vorgehen angepasst werden muss, da bereits einige Indices salient sind und diese im Zusammenhang mit der diskursiven Varietät eine Neubewertung erfahren. Daher ist nicht das diskursive Werden der Indices von zentraler Bedeutung, sondern es spielen in Bezug auf die Neubewertung der diskursiven Varietät die andersartige Kontextualisierung der Indices und die neuen Bewertungsschemata der Indices vor dem Hintergrund von Sprachideologien eine zentrale Rolle. Durch den Schritt 4 erfolgt dann die Benennung und Analyse der gesellschaftlichen Sprachideologien und Bewertungsschemata. Dies bedeutet, dass von der zuvor durchgeführten Analyse qua Abstraktion dargestellt werden soll, welche übergeordneten Sprachideologien sich aus dem Material ableiten lassen. Hierbei ist die Reifizierung des Andalusischen als diskursive Varietät der Hauptgegenstand, da nur durch das Heranziehen der Sprachideologien als Hintergrundfolie die Konstruktion adäquat nachvollzogen werden kann. Zusätzlich spricht Bendel Larcher (2015, 201ss.) in Bezug auf diesen Analysebereich von der «Ebene der Gesellschaft», auf welcher das diskursiv geschaffene Wissen, die gesellschaftliche Macht und Ideologien bestimmt werden sollen. Der letzte Schritt 5 soll hierbei eine Zusammentragung der vorherigen Analyse und eine Interpretation des Diskursbereiches beinhalten, um Aussagen über die Bewertung des Andalusischen in dem jeweiligen Diskursausschnitt machen und diese am Ende des Kapitels 5 vergleichend zusammentragen zu können. Wie bereits in Kapitel 2.2 dargestellt wurde, ist für diese Arbeit Material aus verschiedenen Diskursbereichen zusammengetragen worden, die metaphorisch gesprochen ein Kaleidoskop der relevanten Bereiche der metapragmatischen
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6 Rahmenmodell zur Analyse der Konstruktion diskursiver Varietäten
und metadiskursiven Besprechung des Andalusischen in der andalusischen Gesellschaft abbilden. Im folgenden Kapitel 7 sollen daher die gesammelten Diskursausschnitte untergliedert in die verschiedenen Diskursbereiche zunächst phänomenologisch beschrieben und dann qualitativ analysiert werden, was den zuvor beschriebenen Analysephasen entspricht.
7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen des Andalusischen Im Zuge der Transición und der politischen Neustrukturierung der Staatsorganisation in Comunidades Autónomas sowie als Reaktion auf die Diktatur und den Zentralismus ist in Spanien eine stärkere Rolle der Regionen und der Regionalsprachen zu verzeichnen (cf. Woolard 2016, 49ss.). Die diskursive Verbindung einiger Comunidades Autónomas mit ihren jeweiligen lenguas propias und die damit einhergehende ideologische Verknüpfung von Region und Sprache ist auch in Andalusien zu beobachten. Hierbei spielt die dem Andalusischen zugeschriebene sprachideologische Partikularität eine zentrale Rolle, denn sie wird in Abgrenzung zum Standardspanischen, welches als nördliche Varietät gerahmt wird, aktiv genutzt, um die eigene identitäre Andersartigkeit hervorzuheben. Hierbei werden einige saliente Merkmale indexikalisch stark aufgeladen, da die sprachliche Partikularität die kulturelle Eigenständigkeit unterstreichen soll. Im demokratischen Spanien ist in Anlehnung an die anderen Comunidades Autónomas das Bewusstsein dafür gewachsen, dass Sprache einerseits zur sozialen Distinktion, andererseits aber auch zur endogenen Aufwertung der eigenen Identität und Sprache genutzt werden kann. Diese Aufwertung ist in Andalusien immer wichtiger geworden, da bedingt durch die wirtschaftliche Öffnung für den Tourismus bereits während der Zeit der Diktatur im Rahmen der Globalisierung die andalusische Kultur ein immer gewichtigeres ökonomisches Argument für die Betonung der Authentizität und Ursprünglichkeit Andalusiens und dadurch auch Spaniens darstellte (cf. Moreno 2008, 251ss.). Über viele Jahre galt dieses Argument prototypisch für das gesamte Land Spanien, ausgedrückt beispielsweise durch den Slogan España es diferente – Spain is different, welcher auf die Andersartigkeit Spaniens im Vergleich zu anderen europäischen Staaten abzielte. In der nachfranquistischen Zeit ist jedoch eine Veränderung dieser Zuschreibung zu beobachten: «[A]lgunas cosas fueron cambiando: de un lado, se fue desarrollando una cierta conciencia de identidad andaluza, vinculada al proceso de afirmación de Andalucía como pueblo; de otro, se fue abriendo paso, aunque de forma minoritaria y confusa, un sentimiento nacionalista (no separatista), preocupado por la construcción de una Andalucía diferente» (Lacomba 2006, 251).
Mit diesen Prozessen geht der Versuch der kulturellen Wiederaneignung einher, indem die spezifischen kulturellen Idiosynkrasien Andalusiens wieder Andalusien selbst und nicht – wie zuvor – Spanien als Ganzes zugeschrieben werden sollen. Hierbei spielt die eigene Sprechweise eine zentrale Rolle, die https://doi.org/10.1515/9783110659771-007
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
zusätzlich zur bzw. als Teil der andalusischen Kultur auch eine Revalorisierung erfuhr, sodass sich beide Prozesse – die Aufwertung der Kultur und der Sprechweise – jeweils gegenseitig bedingen und verstärken. Die Revalorisierung der diskursiven Varietät ist ein zentraler Bestandteil der Identitätsdiskurse in Andalusien, denn die in der Vergangenheit oftmals negative Valorisierung des Andalusischen wird heute oftmals als Bedrohung für die eigene Identität gesehen, was sich auch in den in diesem Kapitel zu analysierenden Diskursen deutlich zeigen wird. Die Reaktion auf diese Bedrohung ist vor allem eine positive Neubesetzung der eigenen Identität durch die Positivsetzung der eigenen Sprache. Jaspal/Sitaridou (2013) haben hierzu eine qualitative Studie durchgeführt, die aufzeigt, wie SprecherInnen des Andalusischen ihre eigene Identität durch die Aufwertung des Andalusischen als diskursive Varietät valorisieren. Bezugnehmend auf einen Sprecher in ihrer Analyse zeigten sie beispielsweise, dass «[h]e reconstrued the position of his variety within the sociolinguistic matrix or linguistic hierarchy; that is, he construed Andalusian not as a dialect or variety, but rather as a language in its own right. Andalusian becomes evaluatively comparable to the ‹high› language Castilian rather than evalulatively subordinate to it» (Jaspal/Sitaridou 2013, 103).
Es ist zu konstatieren, dass es sich bei dieser Revalorisierung nicht um konkrete Sprechweisen im Mikrokontext handelt, denn es ist das Andalusische als diskursive Varietät, für welches Aufwertungsprozesse zu beobachten sind. Dass es diese Aufwertungsprozesse gibt, wird oftmals sporadisch in der Forschung angeschnitten, jedoch wird immer wieder klargestellt, dass es sich beim Andalusischen um disparate Sprechweisen handele: «There is quite a widespread popular concept of ‹Andalusian› amongst Peninsular Spanish speakers, not least among Andalusians themselves (so much so that there have been serious proposals to establish andaluz as an official language of the autonomy of Andalusia in much the same way as Catalan, Basque and Galician have been established). Even those concerned professionally with the Spanish language often promote this view by using the blanket term andaluz prodigally. However, [. . .] there is no possible linguistic definition of an Andalusian ‹dialect› or ‹dialect area›: all that can be meant by such a definition, in fact, is the range of varieties of Castilian spoken in the autonomous region of Andalusia» (Pountain 2017, 150).
Es wird also konstatiert, dass es ein populäres Bild – also ein diskursiv geschaffenes Wissen – über das Andalusische gibt und dass sogar Versuche zur Statuserhöhung als eigene Sprache zu verzeichnen sind, allerdings wird diesem wissenschaftlich widersprochen und versucht, eine positivistisch-ontologische Wahrheit über die sprachliche Realität in Spanien zu vermitteln. Eine Untersuchung, die die Sprechweisen nur in ihrem Auftreten «mechanisch» untersucht und sie vom Stellenwert dieser Sprechweisen für die sie nutzende Gesellschaft
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trennt, bliebe zwangsläufig auf einer positivistischen Oberfläche zur phänomenologischen Beschreibung. Die endogenen Diskurse in Andalusien über das Andalusische geben aber Aufschluss über den sozialen Wert der diskursiven Varietät und der diastratischen Verortung ihrer SprecherInnen. Hierbei werden imaginierte Realitäten im Sinne von Wissensbeständen erzeugt, welche wiederum Konsequenzen dafür haben, was in der (Sprach-)Wissenschaft als ontologisches Objekt gesehen und von welchen ideologischen Vorannahmen ausgegangen wird. Die Arbeiten von Méndez García de Paredes, insbesondere die aus dem Jahr 2009, zeichnen die endogenen gesellschaftlichen Hauptdiskurse in Bezug auf das Andalusische nach (Méndez García de Paredes 2009, 227ss.), wobei es ihrer Sicht nach in der Zeit der Transición das Hauptanliegen der politischen AkteurInnen in Andalusien war, die AndalusierInnen von ihren distinktiven sozialen Merkmalen in Bezug zum Rest Spaniens zu überzeugen, um eine politische diskursive Legitimation der Autonomie Andalusiens zu rechtfertigen (Méndez García de Paredes 2009, 228). Méndez García de Paredes (2009, 232) beschreibt die Diskurse, welche einer Revalorisierung entsprechen – wenn sie es auch nicht explizit so formuliert – wie folgt: «El discurso de la lengua en Andalucía es, sobre todo, un discurso comentador y, por tanto, tiene una función argumentativo-persuasiva con un indiscutible objetivo perlocutivo que no iba dirigido tanto a convencer a quienes no lo estuvieran de la dignidad de los rasgos de pronunciación de los andaluces, como a, sobre todo, cambiar actitudes».
Die Effekte, die diese Diskurse hatten, werden von Méndez García de Paredes (2009, 237) wie folgt expliziert: «Independentiemente de la ausencia de rigor, hablar sobre el andaluz tuvo un cierto efecto sobre una parte de los hablantes andaluces que empezó a adquirir una conciencia lingüística sobre su modalidad que no se había explicitado en épocas anteriores, así como a manifestar expresamente un cierto sentimiento de ‹orgullo› del habla que dicen poseer cuande se les pregunta sobre ello. Pero, junto a la activación de la conciencia lingüística, muchos andaluces también potenciaron y reforzaron los tópicos y falsas creencias que podía tener, o aprendieron otros nuevos, tanto sobre el andaluz como con respecto a las relaciones de este con el castellano».
Hieran wird deutlich, dass es in der Zeit der Transición einen diskursiven Bruch gab, bei welchem das Andalusische einen wichtigeren Platz in der Konstruktion der Identität spielte. Die Aussage, dass dies nicht darauf abzielte, die AndalusierInnen von einer positiven Besetzung der Merkmale zu überzeugen, sondern vielmehr die Einstellung zum Andalusischen zu verändern, verkennt allerdings die zentrale Rolle der Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades: Immer dann, wenn das Andalusische als diskursive Varietät nicht
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ausschließlich besprochen wird, sondern auf konkret Sprachliches zur Untermauerung der Argumente bezüglich der Kategorisierung und Bewertung des Andalusischen rekurriert wird, sind sprachliche Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades als diskursive Werkzeuge bei der Kreation von Verknüpfungen von konkretem sprachlichen Material (also Merkmalen), sprachlichen Konzeptionen, Ideologien (Varietät, Sprache) und charakterologischen Zuschreibungen die Einheit, die als Index diese Verknüpfungen indiziert. Somit kommt ihnen sehr wohl eine bedeutende Funktion im Diskurs zu, selbst wenn, wie in dem zweiten Zitat von Méndez García de Paredes klar wird, hierbei keine Form von Wissenschaftlichkeit in der Diskursproduktion vorherrscht und sogar anekdotenhafte oder falsche Annahmen Einzug in den Diskurs gefunden haben. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die Einschätzung Méndez García de Paredes‘ hier nur partiell geteilt wird, da sie teilweise gesellschaftliche Diskurse über das Andalusische als negativ darstellt, da sie ihrer Sicht nach falsch oder insuffizient seien. In der vorliegenden Arbeit geht es nicht darum, Diskurse ob ihrer wissenschaftlichen Anfechtbarkeit oder Richtigkeit zu untersuchen, sondern diese selbst als zu untersuchenden Gegenstand in den Fokus zu rücken und ernst zu nehmen, ohne eine kritische Distanz zu verlieren. Dies bedeutet, dass Revalorisierungstendenzen in ihrer Materialisierung in Diskursen eingeordnet und analysiert werden, jedoch nicht im Voraus jegliche Diskurse, die die soziale Stellung des Andalusischen erhöhen wollen, als illegitim betrachtet werden. Dies ist meiner Einschätzung nach wichtig, um die gesellschaftliche Breite des Diskurses darstellen zu können und die dahinterstehenden AkteurInnen nicht zu diskreditieren, sondern die disemminierten Diskurse kritisch zu analysieren. Im Rahmen dieser Arbeit sind also Revalorisierungsdiskurse und reenregisterment-Prozesse der zentrale Gegenstand, was bedeutet, dass ein Wandlungsprozess zu beobachten ist, bei welchem das Andalusische als revalorisierte Varietät der AndalusierInnen in Abgrenzung zur vorherigen sprachideologischen Setzung des Andalusischen als disparate Sprechweise niedriger sozialer Strata in Andalusien diskursiv konstruiert und aufgewertet wird. Die Demarkation spielt dabei eine besondere Rolle, da im Diskurs immer wieder die tradierte negative Valorisierung aufgegriffen wird, sodass daraus eine Veränderung des Diskurses in Bezug auf die Wertzuschreibungen zum Andalusischen beobachtbar wird. Das in diesem Kapitel zu analysierende metadiskursive Material ist konzeptionell als mikrokontextuelle Erscheinungen sprachlicher Variation des Andalusischen aufzufassen, deren Interpretierbarkeit für die TeilnehmerInnen des Diskurses nur durch Bezugnahme auf makrokontextuelle gesellschaftliche (Sprach-)Ideologien ermöglicht wird, weshalb das Material tatsächliche Instanzen der mikrokontextuellen diskursiven Aktualisierung dieser Ideologien
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darstellt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem metasprachlichen Material um ein solches, welches die Diskursstränge innerhalb Andalusiens repräsentiert und endogene Bewertungsprozesse beinhaltet. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Beantworten der Hauptfragen dieser Arbeit für endogene Diskurse anzusetzen ist, wobei angenommen wird, dass es sich bei endogenen Diskursen um solche handelt, welche die Neubewertungstendenzen am stärksten aufweisen, wohingegen exogene Diskurse – also im Rest Spaniens exklusive Andalusien – noch überwiegend die negativ-stereotypischen Bewertungsschemata erkennen lassen. Das zusammengetragene Material ist also als exemplarische Zusammenfassung endogener Diskursstränge über das Andalusische zu verstehen, wobei Jägers (2009, 117) Definition von Diskurs in Anlehnung an Foucaults (1971) Konzeption für die Kontextualisierung des sprachlichen Materials hilfreich ist: «Texte sind [. . .] niemals etwas nur Individuelles, sondern immer auch sozial und historisch rückgebunden. Anders ausgedrückt: Sie sind oder enthalten Fragmente eines (überindividuellen) sozio-historischen Diskurses. Diese Elemente bezeichne ich als Diskursfragmente. Sie sind Bestandteile bzw. Fragmente von Diskurssträngen (= Abfolgen von Diskursfragmenten mit gleicher Thematik), die sich auf verschiedenen Diskursebenen (= Orte, von denen aus gesprochen wird, also Wissenschaft, Politik, Medien, Alltag etc.) bewegen und in ihrer Gesamtheit den Gesamtdiskurs einer Gesellschaft ausmachen, den man sich als ein großes wucherndes diskursives Gewimmel vorstellen kann». [Hervorhebung im Original]
Das zusammengetragene Material stellt somit Diskursfragmente dar, die Fragmente eines überindividuellen Diskurses sind und somit Diskursstränge aufweisen, die in der Gesellschaft existieren. Eben an dieser Stelle liegt die hohe Relevanz des Materials: Durch die Verortung sozialer Valorisierung der diskursiven Varietät des Andalusischen und ihrer Materialisierung und Konstruktion in Diskursen lässt sich eben aus Diskursen ableiten, welche Diskursstränge über das Andalusische existieren. Bei der sozialen Lokalisierung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Materials ist also zunächst zu konstatieren, dass es sich um explizite und implizite Diskurse über das Andalusische handelt. Diese existieren nicht in einem luftleeren Raum, sondern sie sind Teil eines überindividuellen sozio-historischen Diskurses in Spanien, welcher über Jahrhunderte das Andalusische als sozial niedrig markierte Varietät des Spanischen und dessen SprecherInnen als ungebildet-bäuerlich erscheinen ließ (cf. Snopenko 2007). Die DiskursträgerInnen waren oftmals Gebildete, die die Normsprache sprachideologisch als die Sprache selbst darstellten und dann andere Sprechweisen – nach ihrer eigenen Konzeption Abweichungen – oftmals als nicht akzeptable Sprache ansahen, um sich mit Bezug auf soziale Strata als distinguiert zu stilisieren. Dieser Diskurs änderte sich im post-franquistischen Spanien und dem Andalusischen widerfuhr eine Funktionsausweitung hin zur Akzeptabilität
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der Nutzbarkeit in formaleren Kontexten (cf. Bossong 2000, 12s.). Das Material ist in den in Andalusien vorherrschenden Diskursen zu verorten, welche sich wie folgt ausdifferenzieren: Auf der einen Seite existiert die Geringschätzung und die exogene (und auch teils endogene) Zuschreibung zum Andalusischen als sozial niedrig markiert weiterhin, auf der anderen Seite gibt es einen endogenen Diskurs, der sich vom vorherigen abgrenzt und in welchem das Andalusische als dignifizierte Sprachform sprachideologisch gerahmt wird. Die sprachideologischen Setzungen, in welche die Diskurse über das Andalusische einzubetten sind, sind vor allem die folgenden Bewertungen: a) AndalusierInnen sprechen schlecht/AndalusierInnen versteht man nicht; b) AndalusierInnen haben ein niedriges Bildungsniveau; und c) AndalusierInnen sind witzig/faul (Monjour 2017b, 159ss.). In dem in dieser Arbeit zu analysierenden Material wird ersichtlich, dass die Neubewertungstendenzen zum Andalusischen genau diesen diskursiven Rahmen173 aufgreifen und ihn benutzen, um mittels des Rückbezuges und der diskursiven Aneignung den Diskurs positiv zu besetzen. Es ist noch einmal zu betonen, dass es sich bei der Revalorisierung des Andalusischen um ein endogenes Phänomen handelt und dass in Andalusien selbst die Neubewertung der eigenen Sprechform(-en) eben nur als solche durch die Abgrenzung zu Diskursen existiert, welche das Andalusische noch immer als die Sprache der ungebildeten Unterschicht ansehen. Das gesammelte Material und die Analyse sollen daher nicht suggerieren, dass es diesen Diskurs nicht mehr gebe oder dass dieser bald obsolet werde, sondern vielmehr neue Tendenzen zur Revalorisierung des Andalusischen aufzeigen. Durch die Aufnahme verschiedener Diskursstränge und -bereiche ist es möglich, nicht nur punktuelle Tendenzen aufzuzeigen, sondern darzustellen, dass auf vielen gesellschaftlichen Ebenen eine Neubewertung stattfindet. Diese ist weder abgeschlossen noch hat sie alle Gesellschaftsbereiche komplett durchdrungen, aber der Diskurs über das Andalusische als dignifizierte diatopische Varietät wird stärker und dem soll in dieser Arbeit Rechnung getragen werden. Hierbei ist zu beachten, dass nach Materialien, die das Andalusische implizit oder explizit metapragmatisch besprechen, intentionell für diese Arbeit gesucht wurde (z.B. T-Shirts mit Aufschrift auf Andalusisch), allerdings soll dies nicht außer Acht lassen, dass das Standardspanische nach wie vor einen soliden Platz und eine starke Präsenz in Andalusien hat, da es noch immer als «unmarkierte» Standardform vor allem in schriftlichen Diskursen gilt. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass das Material nur Punktuelles oder gar Impressionistisches wiedergebe, sondern vielmehr,
173 Diese Rahmen sind im Goffmanschen (1974) Sinne der frames als sozio-kognitive Interpretationsschemata bzw. Deutungsmuster zu verstehen.
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dass es als Indiz für existierende Neubewertungstendenzen steht, welche nicht zu ihrem Abschluss gekommen sind oder gar kommen müssen. In Bezug auf das Analysematerial von Arbeiten mit diskursanalytischer Ausrichtung weist Jäger (2006, 103) deutlich darauf hin, dass bereits wenige Schlüsseltexte Aufschluss über die Hauptdiskursstränge geben können, wobei das in diesem Kapitel zu analysierende Material zentrale Einsichten in die unterschiedlichen Bewertungs- und Konstruktionstendenzen des Diskurses zum Andalusischen liefert. Es sei noch auf die Unmöglichkeit der Erfassung, Deskription und Analyse des gesamten Diskurses hingewiesen, da immer nur die Analyse bestimmter Diskursfragmente in einem vorgegebenen Rahmen von einem/ einer ForscherIn geleistet werden kann und somit ein «gesamter Diskurs»174 nicht nachgezeichnet werden kann. Das für diese Arbeit sowohl generierte als auch zusammengetragene Material zeigt einen Querschnitt der Diskursstränge in verschiedenen Ausprägungen und Kontexten (z.B. Schule, öffentlicher Raum etc.), sodass es nicht impressionistisch Einzelmeinungen wiedergibt, da transtextuelle diskursive Konstruktionsweisen und Bewertungsmuster erkennbar werden, welche in Rekurrenz auf spezifische ideologische Hintergrundfolien materialisiert werden. Es handelt sich folglich um einen intersubjektiven und überindividuellen Diskurs, dessen Erforschung den Gegenstand dieser Arbeit darstellt. Die Neubewertungstendenzen stehen hierbei nicht nur in einem gesellschaftlichen Zusammenhang zwischen Andalusien und dem spanischen Nationalstaat, sondern sie sind als Teil der Globalisierung zu sehen, in welcher Sprachen mit einem kapitalistischen Wert versehen werden. Hierbei handelt es sich zunächst um einige Standardsprachen mit hohem sozialen Stellenwert auf internationaler Ebene, bei welchen sich eine immer stärkere pan-kommunikative Nutzung beobachten lässt. So wird beispielsweise das Englische zunehmend als internationale Verkehrssprache genutzt; in diesem Rahmen tritt nun das Spanische – auch bedingt durch sprachpolitisches Agieren wie beispielsweise die weltweite Etablierung und Ausbreitung der Institutos Cervantes – als Alternative zum Englischen hervor (Paffey 201, 47s.). Hier wird das Spanische ideologisch anonymisiert und internationalisiert, sodass es nicht um lokale Sprechweisen geht, sondern der Panhispanismus im Vordergrund steht, wodurch sprachideologisch die Standardsprache aktiv hierarchisch höhergestellt wird. In dem Maße, in dem die Anonymisierung und somit die lokal-ethnische Entkopplung voranschreitet,
174 Allein die theoretische Definition und die daraus folgende methodische Abgrenzung von einem «Gesamtdiskurs» ist sehr schwierig, da Diskurse nicht fest sind und stetige Wechselbeziehungen aufweisen. Zur Schwierigkeit der Bestimmung von Diskursen cf. Spitzmüller (2011, 41ss.).
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wird aber auch das folgende Problem deutlich, welches nach Heller (2006, 3s.) in Bezug auf die sog. Hypermodernität darin besteht, dass eine Transformation der ökonomischen Ordnungen erfolgt, bei welcher nicht mehr der Fokus auf der Erschließung natürlicher Ressourcen durch den Nationalstaat liegt, sondern moderne Ökonomien durch Unternehmen und durch die internationale Fokussierung in der Hinsicht verändert werden, dass sich Menschen stärker daran ausrichten. In diesem Zusammenhang richten sie ihre Gruppenzugehörigkeiten nicht mehr nur auf den Nationalstaat aus, sondern platzieren sie auf einer internationalen Bühne, wobei Sprachminoritäten in der Postmoderne ihre oftmals in Nationalstaaten ausgehandelten Rechte auch im stärkeren internationalen Kapitalismus rechtfertigen müssen. In der Globalisierung stehen sich also laut Heller zwei Entwicklungstendenzen gegenüber: a) Eine immer stärkere Internationalisierung und die Förderung der Reichweite einiger Standardsprachen steht der Kontrolle des Nationalstaates gegenüber, welcher zunehmend an Hoheit über die Diffusion der Standardsprachen einbüßt. Hier spielt kapitalistische Wertzuschreibung auch eine entscheidende Rolle, welche nicht nur Standardsprachen erfasst, sondern auch diatopische Varietäten oder Minderheitensprachen: «[W]e will see here the beginnings of the construction of a new basis of legitimacy, one founded not on authenticity and tradition, but rather on pluralism, on the extensiveness of the minority’s social networks and on the quality of the linguistic resources the minority possesses. These values emerge as important because of the nature of the new economy, in which the ability to cross boundaries is important, but so is the construction of new global, international norms. Languages are still seen as autonomous systems; what it values is multilingualism as a set of parallel monolinguisms, not a hybrid system. What is valued also is a mastery of a standard language, shared across boundaries and a marker of social status. [. . .] At the same time, authenticity is reworked, not only as a basis for legitimacy of the new domains of power minorities have constructed for themselves, and which they use to produce and distribute commodified linguistic resources in the globalized new economy, but also as a commodity in and of itself. It still provides authority for the attribution of value to resources, and for the regulation of their distribution, as well as providing some facets of the very value of those resources» (Heller 2006, 5).
b) In dem Maße, in dem das Spanische eine sprachideologische Veränderung hin zu einer größeren Anonymität erfährt, steigt aber auf der anderen Seite das identifikatorische Potential für deviante Formen, die Lücke der Authentizität auf lokaler Ebene zu füllen (cf. Woolard 2016, 21ss.). Heller merkt hierzu im o.g. Zitat an, dass dieser Prozess keine hybriden Systeme hervorbringt, sondern Einzelsysteme parallel zueinander konstruiert werden, was für das Andalusische auch zutrifft. Das Andalusische füllt auf lokaler Ebene ein Vakuum, in welchem das Desiderat entsteht, Ortstypisches als identifikatorische Option nutzen zu können.
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Die Diskursstränge, die den Revalorisierungsdiskursen zu Grunde liegen, sind in der Mehrzahl konzeptionell einzubetten in sprachplanerische Tätigkeiten «von unten»175 mit dem nicht immer explizit genannten Ziel, den funktionalen Ausbau des Andalusischen voranzutreiben und den Abstand zum Standardspanischen zu erhöhen. Hierbei lassen sich Tendenzen zur Normativisierung und institutionellen Implementierung – also sowohl Korpus- als auch Statusplanung – beobachten. Die große Bandbreite des Materials und dessen Relevanz hat Zimmermann (1999, 12) wie folgt beschrieben: «Las academias lingüísticas no estatales, los comentarios lingüísticos en los diarios, los señalamientos y las reacciones en el trato interpersonal, las manifestaciones públicas, las iniciativas ciudadanas, hasta la muda resistencia son formas de esta ‹política lingüística desde abajo›».
Es ist zu sehen, dass die diskursive Varietät in vielfältiger Weise benutzt werden kann, um sprachplanerisch zu agieren. Das in dieser Arbeit zu analysierende Material lässt in diesem Zusammenhang Rückschlüsse auf die o.g. Prozesse zu, da darin diskurssemantische Grundfiguren, welche nach Spitzmüller/Warnke (2011, 84) als «Strukturierungselemente und inhaltliche Versatzstücke» zu definieren sind, welche «aber auch in unterschiedlichen [. . .] Diskursen auftreten können und als Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata fungieren». Indexikalität und deren Ordnung sind bei der Analyse von Bewertungsschemata essentiell, da durch Indexikalisierung Sprache und Bewertungen verknüpft und sozial ausgehandelt werden, sodass sie zu einer sozialen Herstellung von Faktizität führen. Für die Untersuchung des Andalusischen ist eben diskursive Konstruktion von Wissen von herausragender Bedeutung, da in den Diskursen über das Andalusische das Wissen über Sprache und diatopische Varietäten auf disparate Sprechweisen eines sprachlichen Kontinuums angewendet wird. Hierbei entsteht ein Ringen um die Deutungshoheit im Diskurs, also um das metapragmatische Label, mit dem das Andalusische versehen wird. Dies ist, wie bereits mehrfach
175 Das Konzept der Sprachpolitik «von unten» und «von oben» erscheint in diesem Zusammenhang insofern sinnvoll, als dass damit konzeptionell zwischen staatlich geregelten Prozessen der Sprachpolitk von solchen trennt, die im Allgemeinen aus der Bevölkerung stammen. Nichtsdestoweniger muss hier angemerkt werden, dass diese Trennung eine Separation der Gesellschaft in «oben» und «unten» einteilt, das zu hinterfragen ist, da davon ausgegangen werden kann, dass soziale Positionierungen in Schichten, Klassen oder auch Milieus nicht einheitlich bzw. statisch sind und Teilhabe an bzw. Einfluss auf die Gesellschaft sich sehr heterogen manifestieren. Zum Problem des Begriffs der «sozialen Schicht» sowie zur Einordnung verschiedener polyvalenter Faktoren bei der Schichtenbestimmung und Zugehörigkeitsparameter cf. Groß (2015, 43ss.).
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angeklungen, kein objektiver, sondern ein ideologischer Akt, bei welchem gewissen Interessen gefolgt wird. Insofern wird in dieser Arbeit grundsätzlich der Argumentation Spitzmüllers/Warnkes (2011, 47) gefolgt, die unter Bezugnahme auf Russells (1911) Dichotomie von «knowledge by description» und «knowledge by acquaintance» Folgendes darlegen: «Sofern Wissen diskursiv konstruiert, argumentativ ausgehandelt und distribuiert ist, handelt es sich immer auch um ‹knowledge by description›, neben Erfahrungswissen, welches gleichfalls in den Diskurs eingeht. Die Herstellung von Faktizität durch Wahrheitsansprüche, die Rechtfertigung von Wirklichkeit durch Argumentation und die Durchsetzung von Geltungsansprüchen durch Regulierung im Kontext von Erfahrungen sind also Kennzeichen diskursiven Wissens».
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Annahme ist ebenfalls, dass auch das Wissen über Sprache und über die Bewertung spezifischer Sprechweisen gesellschaftlicher Aushandlung unterliegt. Die folgenden diskursiven Bereiche wurden gewählt, da diese als wichtige Orte gesellschaftlichen Verhandelns angesehen werden können und zusammen betrachtet Aufschluss über die Revalorisierungsprozesse geben: 1. Kommodifizierte Sprache 2. Öffentliche Diskurse in social media176 3. Diskurse an Schulen 4. (Semi-)akademische Diskurse und Diskurse zur Institutionalisierung Es ist deutlich darauf hinzuweisen, dass das Andalusische als diskursive Varietät und dessen SprecherInnen nicht exklusiv mittels salienter Merkmale aufgewertet werden, da auch zahlreiche Diskursausschnitte zu finden sind, in welchen das Andalusische ohne Bezug zu konkreten Merkmalen besprochen wird. Hierbei ist allerdings hinzuzufügen, dass es sich dabei um Diskursausschnitte handelt, die auf einer abstrakten Ebene das Andalusische besprechen und aus denen nicht klar wird, wie das Andalusische diskursiv konstruiert und sprachideologisch gerahmt wird. Folglich werden Instanzen gewählt, die nicht nur das Sprechen über das Andalusische aufweisen, sondern auch metapragmatisch dessen Materialität – saliente Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades – thematisieren. In den folgenden Unterkapiteln werden die zuvor genannten Diskursbereiche jeweils aufgegriffen und deren Relevanz für die Revalorisierungsprozesse erläutert, woraufhin das jeweilige Diskursmaterial mithilfe des in Kapitel 6 erarbeiteten
176 Die Termini social media und soziale Medien werden in dieser Arbeit deckungsgleich verwendet.
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
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Rahmenmodells zur Analyse der Evaluation diskursiver Varietäten untersucht werden soll. Die deutsche Übersetzung aller Diskursausschnitte ist in der Reihenfolge der Analyse im Anhang zu finden.
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache Der Bereich der kommodifizierten Güter umfasst Gegenstände, welche in irgendeiner Form mit partikulären Sprechweisen versehen zu Verkaufsgegenständen werden, wobei die Wiedergabe bzw. die Referenz auf diese partikulären Sprechweisen den zentralen Kaufgrund darstellen. Somit werden partikuläre Sprechweisen gewissermaßen zu Marken und dienen als distinktives Merkmal zu anderen Gütern gleicher Sorte. Heller/Duchêne (2016, 141) fassen den Prozess der Kommodifikation wie folgt zusammen: «[C]ommodification is a process. Things can become commodified, that is, newly used in a transaction where value is accorded and made commensurate across a set of exchangeable things, but they can also become decommodified; that is, their status as commodities can shift. And so language is at least available for attempts to construct it as a commodity, although those attempts may be contested, may fail, or may enter a more complicated process of commodification, decommodification, and recommodification, as conditions and interests shift».
Zunächst fällt auf, dass hier von Dingen gesprochen wird, welche einer Kommodifizierung unterliegen können. In Bezug auf Sprache ist zu sehen, dass die Verdinglichung auf einer diskursiven Varietät aufbaut und ihr somit nachsteht. Nachdem eine Varietät als diskursives reifiziertes Produkt gesellschaftlich erkannt wird, ist es möglich, diese zu verdinglichen und wie eine Marke mit bestimmten Werten und Zuschreibungen zu versehen.177 Somit steht das so entstandene Produkt zum Verkauf zur Verfügung und es ist davon auszugehen, dass Produkte, durch die das Andalusische als diskursive Varietät verkauft wird, mehrheitlich als Zielgruppe spanischsprachige TouristInnen haben, die den Inhalt tatsächlich dekodieren können. In Bezug auf die Kauferfahrung ist zu betonen, dass mit dem Andalusischen verknüpfte positive Werte und Authentizität verkauft werden sollen. Somit werden die Konsumierenden dann emblematisch durch den Konsum von «echten» lokalen Produkten selbst mit Authentizität versehen, sodass sich diese durch Abgrenzung vom Mainstream als individualistisch darstellen bzw. in den Augen der Rezipierenden erscheinen. Somit
177 Zur Markenetablierung von Sprache anhand des Beispiels des in der Bretagne gesprochenen Französisch cf. Eggert (2015, 98s.).
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handelt es sich um einen additiven Wert, der durch Sprache erzeugt wird und daher die Kaufentscheidung bestimmt. Dass es sich bei T-Shirts und anderen Produkten, welche Instanzen des Andalusischen als kommodifiziertes sprachliches Additiv aufweisen, nicht um banale Touristikprodukte ohne jeglichen Wert handelt, wird klar, wenn die Stellung von Varietäten in der Globalisierung näher betrachtet wird. «Lokale» Kulturen178 gewinnen durch ihre Distinktionseigenschaft an Wert, da das postmoderne Subjekt nach vielfältigen Abgrenzungsmöglichkeiten sucht, um die eigene(n) Identität(en) aktiv zu konstruieren (cf. Heller/Duchêne 2012; Heller 2006). Dies kann u.a. durch den Konsum und auch die Zurschaustellung von devianten Varietäten gemacht werden, andererseits kann die diskursive Varietät mit einem höheren gesellschaftlichen Wert versehen werden. Folglich lassen Instanzen kommodifizierter Sprache auf eine Veränderung und positivere Besetzung bzw. Aufwertung einer Sprache hindeuten. Diese Entwicklung wird durch den Tourismus verstärkt, da TouristInnen oftmals lokale Produkte, welche als authentisch angesehen werden, kaufen möchten und somit ein Markt für diese Produkte besteht. Hierbei erfolgt eine positive Besetzung der diskursiven Varietät durch ihre Besetzung mit dem Raum und der dort vorhandenen Kultur (cf. Johnstone 2013). Dies ist auch für das Andalusische zu beobachten, da in den letzten Jahren eine steigende Zahl an kommodifizierten Gütern zum Verkauf angeboten wird: T-Shirts, Tassen, Dialektwörterbücher etc.179
178 An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Kulturen als solche immer «lokal» sind und ohne Lokalität keine Existenz möglich wäre, allerdings werden periphere Kulturen in Nationalstaaten oftmals als «lokal» bezeichnet, um deren Begrenztheit innerhalb des Staatengebildes auszudrücken. Dies wiederum impliziert, dass die dominante Gesellschaftsschicht sich selbst als Referenzpunkt setzt, von welchem aus die Peripherie als «lokal» erscheint. 179 Die hier gewählte Herangehensweise ist zwar eine ethnologische, jedoch soll noch erwähnt sein, dass das Feld der linguistic landscapes ähnliche Methoden der Sammlung anwendet, jedoch das Erkenntnisinteresse ein anderes darstellt: Bei den Forschungen im Feld der linguistic landscapes geht es oftmals darum, quantitativ die Verteilung von Sprachen im öffentlichen Raum (cf. u.a. die methodologischen und theoretischen Diskussionen hierzu im Sammelband von Shohamy/Gurter 2009) bzw. qualitativ die Geschichte und soziale Setzung von Orten mittels Sprache (cf. Blommaert 2013) zu analysieren. Der Fokus einer Arbeit im Feld der interpretativen Soziolinguistik ist es aber, zu untersuchen, welche Diskurse über Sprache zirkulieren, wie sprachliche Einheiten sozial genutzt werden und welche Sprachideologien zu Reifizierung von Sprache führen. Im Feld der linguistic landscapes in Andalusien gibt es nicht viel Forschung, wobei die ausführliche Arbeit von Pons Rodríguez (2012) zur linguistic landscape Sevillas hervorzuheben ist. Hierbei liegt der Fokus zwar auf der Verteilung mehrerer Sprachen in Sevilla, allerdings geht sie auch auf das Andalusische ein (Pons Rodríguez 2012, 234ss.) ein. Hier ist auch zu sehen, dass das Andalusische weitaus verbreiteter und differen-
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
181
Authentizität ist hierbei eine zentrale Notion, da sprachliche Varianz, welche erst im Abgleich mit dem Standard sozial als deviant erscheint, in kapitalistischen Gesellschaften nun nicht mehr als falsch angesehen wird, sondern sprachideologisch immer öfter positiv besetzt wird (Heller 2010, 106).180 Es geht in diesem Sinne darum, dass sprachliche Variation als Ressource zur Identitätskonstruktion herangezogen wird, um entweder die «authentische» Sprechweise Anderer stilistisch zu evozieren oder die eigene Sprechweise als «echt» darzustellen. Bei der Analyse von Bewertungsprozessen des Andalusischen sind kommodifizierte Güter als Untersuchungsobjekt somit von Wichtigkeit und Aussagekraft, da eine Analyse aufzeigen kann, was «echtes» Sprechen sein soll, mit welchen Gruppen es verknüpft wird bzw. wem der «Besitz» zugesprochen wird und mit welchen stereotypischen Eigenschaften sie verknüpft werden. Heller (2014, 141ss.) spricht hierbei von «selling authenticity», da diese mit positivem Wert besetzt einen zusätzlichen monetären Wert bedeutet. Dieser Wert entsteht gewiss nur durch eine Gegenüberstellung des dichotomischen «Anderen» – dem Standard –, der sprachideologisch als künstlich opponiert wird. Dies ist problematisch, da immer nur im konkreten Diskursausschnitt nachgewiesen werden kann, was genau «echt» sein soll und wie das «Andere» positioniert wird. Darüber hinaus handelt es sich um eine stark interpretative Dichotomie, welche nur in einem spezifischen Kontext verstanden werden kann und in einem anderen Kontext wieder neu zu analysieren wäre – so ist beispielsweise eine stilisierte Aussage im Andalusischen in Andalusien anders aufzufassen und wird anders interpretiert als dieselbe Aussage in Katalonien. Eckert (2014) weist auch zusätzlich darauf hin, dass das «Echte» immer auch eine relationelle Kategorie ist, welche nur innerhalb einer bestimmten Zeit als authentisch angesehen wird, wobei sich diese Zuschreibung diachron auch verändert. Coupland (2014) geht spezifisch auf die Dichotomie und das damit verbundene dialektische Spannungsverhältnis von Authentizität-Inauthentizität ein und merkt an, dass es sich dabei vor allem um Kategorien handelt, deren konkrete zierter im öffentlichen Raum genutzt wird, als es eine Analyse von T-Shirts suggerieren würde. Die hier durchgeführte Analyse hat aber einerseits den Vorteil, dass T-Shirts in allen größeren Städten Andalusiens gesammelt wurden, andererseits ist dies durch die Beschränkung auf einen Diskursausschnitt für eine qualitative Analyse fruchtbringend, da sich der soziale Gebrauch der Indices 3. Grades so detaillierter analysieren lässt. 180 Eine theoretische Auseinandersetzung mit Authentizität, eine Kontextualisierung in der Soziolinguistik und eine Zusammenfassung der soziolinguistischen Forschung ist bei Lacoste/ Leimgruber/Breyer (2014b, 1ss.) zu finden. In demselben Band (Lacoste/Leimgruber/Breyer 2014a) sind einige zentrale Arbeiten zum Thema Authentizität in Verbindung mit Indexikalität zu finden.
182
7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
soziale Ausdifferenzierung diskursiv durch die Gesellschaft(en) ausgehandelt wird (Coupland 2014, 36). Folglich ist auch für diese Arbeit zu konstatieren, dass es bei der Analyse des Materials nicht darum geht, die essentialisierte Authentizität aus den Diskursausschnitten herauszuarbeiten, sondern darum, Bewertungen, die mittels metadiskursiver Besprechung dem Andalusischen zugeschrieben werden, zu identifizieren, zu kontextualisieren und zu interpretieren. Es ist für diese Arbeit besonders wertvoll, da, wie bereits zuvor angeklungen, ein soziales Verhandeln von Wertigkeiten spezifischer Sprechweisen stattfindet, was Heller/Duchêne (2012, 21) als «discursive struggle» über die Diskurshegemonie im Bereich der Authentizität beschreiben. Ein Etappenziel ist es, herauszufinden, ob diese zum Konsum erstellten Güter ähnliche Merkmale bei ihrer Darstellung «authentischer» Sprache in verschiedenen Städten Andalusiens zeigen. Dies ist bei der Bestimmung von Bewertungen der SprecherInnen des Andalusischen und der Analyse der Konstruktion der diskursiven Varietät von hoher Relevanz, da das stilisierte Andalusisch für TouristInnen sehr sichtbar ist, die des Spanischen so weit mächtig sind, dass sie es auch als das Andalusische erkennen und den Inhalt dekodieren können. Ein Baustein bei der Analyse der Bewertungs- und Konstruktionsprozesse ist es, Material zu untersuchen, welches eben für breite Massen die Varietät zeigt, die typisch für einen Ort bzw. eine Region sein soll. Die explizit deviante Sprechweise eines Ortes als Aufdruck kann als Kaufentscheidungsgrund gelten, da KäuferInnen beim Tragen die eigene Authentizität damit unterstreichen und somit sowohl die Authentizität der dort wohnenden Menschen als auch diejenige des/der TrägerIn herausgestellt werden. Es kann somit als ein Statement zur eigenen Persönlichkeit angesehen werden, was impliziert, dass eine als authentisch angesehene Sprechweise als gut angesehen wird und die eigene Person damit verknüpft wird. Die Verbindung von Positivität lokaler Sprechweisen und dem Darstellen derselben beim Tragen eines T-Shirts entspricht folglich einer positiven Besetzung. Somit ist davon auszugehen, dass durch diese Prozesse eine positive Bewertung des Andalusischen einerseits und ein Weitertragen dessen, was als typisches andalusisch angesehen wird, forciert wird. Um diesen Teil des Diskursausschnitts besser beleuchten zu können, werden hier zunächst alle in den größten Städten gesammelten und im Internet gefundenden T-Shirts mit Dialektaufdruck inkl. Fundort aufgelistet:
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
T-Shirt 1 (Internet)
T-Shirt 2 (Internet)
T-Shirt 3 (Internet)
T-Shirt 4 (Córdoba)
T-Shirt 5 (Granada)
T-Shirt 6 (Málaga)
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
T-Shirt 7 (Jerez)
T-Shirt 8 (Huelva)
T-Shirt 9 (Internet)
T-Shirt 10 (Internet)
T-Shirt 11 (Sevilla)
T-Shirt 12 (Sevilla)
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
T-Shirt 13 (Jaén)
T-Shirt 14 (Cádiz)
T-Shirt 15 (Cádiz)
T-Shirt 16 (Cádiz)
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Um die Analyse der Aufdrucke zu erleichtern, werden zunächst die Aufschriften transkribiert:181 – T-Shirt 1: ¡QUÉ BASTINASO PICHA! – T-Shirt 2: chichAro naNai borDerío rAsposo espLotío gUasa borZa → Die weißen Grapheme ergeben zusammen andaluz; es handelt sich um eine Aufzählung salienter andalusischer Lexeme. – T-Shirt 3: (chiqu)ILLO ere ma feo KEL FARY shupando LIMONE – T-Shirt 4: ¡OJÚ QUÉ CALÓ(r)! [En verano es la frase más repetida a todas horas, tanto en: ascensores, consultas de medicos [sic!], colas del paro, droguerías, estaciones de tren, . . . Por favor, repita, repita:] ¡ojú qué caló(r)! – T-Shirt 5: ¡(chi)QUILLO! TU LO QUE TIENE(s) E(s) MUXA CARA GRANADA – T-Shirt 6: (chi)QUILLO AQUI HASE UNA JARTÁ CALÓ(r) – T-Shirt 7: BACASIONE(s) DE BERANO LLA! [SINDICATO DE ESTUDIANTES SUSPENDIDOS] PA(ra) [SEPTIEMBRE] – T-Shirt 8: ¡(chi)QUILLO! TU LO QUE TIENE(s) E(s) MU(y) POCA VERGÜENSA – T-Shirt 9: Ohjú qué Caló(r)! Shiquillo – T-Shirt 10: Zoy Andalú(z) ¿Y QUE? – T-Shirt 11: (chi)QUILLO AQUI HASE UNA CALÓ(r) DE CO(j)ONES SEVILLA – T-Shirt 12: MA(d)RE MIA QUE CALÓ(r) [(EXPRESIÓN USADA CUANDO LA TEMPERATURA PASA DE 40)] SEVILLA – T-Shirt 13: JO(d)É(r), QUÉ CALÓ(r) Expresión popular empleada cuando aprieta el calor – T-Shirt 14: Lo Siento PISHA. . .no to(do) er mundo pué(de) ser de Ca(d)i(z) – T-Shirt 15: [ROGAD AL CACHONDEO POR EL ALMA DE Un Tio que vino a Cádiz y probó el] pesca(d)o [frito], [las] tortillitas [de camarones, los erizos, los cangrejos moros, vió al Cádiz en ‹Carranza›, escuchó] carnavá(l), [vió al Nazareno en Santa María, se pegó un baño en ‹La Caleta›, paseó por la Alameda, alucinó con el] ‹ange(l)› [natural de su gente, y no tuvo más cojones que decir:] ¡MUERO EN CA(d)I(z)! – T-Shirt 16: ER GADITANO NACE DONDE LE DA LA GANA Bei diesem Diskursausschnitt handelt es sich um T-Shirts mit Dialektaufdrucken, die in Jaén, Córdoba, Sevilla, Cádiz, Granada, Málaga und Huelva gesammelt wurden (T-Shirts 4 bis 8 und 11 bis 19). Darüber hinaus wurden Internetquellen
181 Die salienten Merkmale in praesentia werden in der Transkription fett dargestellt. Saliente Merkmale in absentia werden durch das Hinzufügen des Merkmales in der Standardorthographie in runden Klammern hinzugefügt und auch fett dargestellt. Teilaussagen, die in Standardorthographie dargestellt werden, werden in eckigen Klammern dargestellt. Devianzen, welche als eye dialect angesehen werden können, sind unterstrichen worden.
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
187
(T-Shirts 1 bis 3 bzw. 9 und 10) gewählt, die exemplarisch für einen viel größeren Pool an Material in diesem Bereich stehen sollen.
7.1.1 Darstellung der salienten Merkmale In diesem Abschnitt werden zunächst die Merkmale, die auf den T-Shirts zu finden sind, zusammengestellt: Tabelle 2: Auflistung der salienten Merkmale in den Aufdrucken der Dialekt-T-Shirts. Saliente Merkmale
Weitere Auffälligkeiten
T-Shirt
Seseo, Deaffrizierung von /tʃ/.
keine
T-Shirt
offenbar Kontraktion mehrerer Negationspartikel zu «nanai», Alternanz /r/ und /l/, ceceo.
eye-dialect-Form bei in «esplotio»; besonders andalusische Lexeme werden in devianter Graphie in den Farben der andalusischen Flagge in Grün und Weiß dargestellt, wobei «andaluz» wie bei einem Kreuzworträtsel erscheint.
T-Shirt
Aphärese bei Diminutiv «illo», Kontraktion bei «kel» (→ que el ), Apokope von /s/, Deaffrizierung von /tʃ/, saliente Struktur des Komparativs.
eye-dialect-Form von que el bei «kel».
T-Shirt
Lexematisches Merkmal «ojú» (→ ojo), Apokope von /r/.
Die Phrase auf Andalusisch wird explizit metasprachlich besprochen und der Verwendungskontext expliziert.
T-Shirt
Aphärese bei Diminutiv «illo», Apokope von /s/, Deaffrizierung von /tʃ/.
Granada wird als Ort genannt.
T-Shirt
Aphärese bei Diminutiv «illo», Apokope von /s/, seseo, Behauchung lat. /f/, Akzentverschiebung → Endbetonung anstatt Betonung auf der vorletzten Silbe, Apokope von /r/, «caló» als Femininum.
kann in «jartá» als Behauchung angesehen werden, da diese oftmals graphisch als angegeben wird.
T-Shirt
Apokope von /s/, Kontraktion bei «pa» (→ para), seseo.
eye-dialect-Formen bei «bacasione», «berano» und «lla» (→ ya), da es sich um die Standardaussprache handelt, welche aber in der Graphie als deviant erscheint.
188
7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Tabelle 2 (fortgesetzt ) Saliente Merkmale
Weitere Auffälligkeiten
T-Shirt
Aphärese bei Diminutiv «illo», Apokope von /s/, Apokope von /i/, seseo.
keine
T-Shirt
Apokope von /r/, Deaffrizierung von /tʃ/, eye-dialect-Form bei «ke» (que), lexematisches Merkmal «ohjú» (→ ojo). unklare Interpretation bei «ohjú», da nicht klar ist welchen Wert hier hat.
T-Shirt
Ceceo, Apokope von /θ/.
Die spezifisch lokale Sprechweise wird durch die Farbgebung in Grün und Weiß und das Lexem «andalú» mit dem Ort verknüpft und die Sprechweise als Eigenschaft der Person dargestellt.
T-Shirt
Aphärese bei Diminutiv «illo», Apokope von /s/, seseo, Apokope von /r/, Behauchung von /x/ bei «coones» (→ /ko’xones/), «caló» als Femininum.
Angabe von Sevilla; es ist wahrscheinlich, dass die Behauchung von /x/ hier nicht graphisch bzw. durch das Weglassen von repräsentiert wird; ein gänzlicher Schwund von /x/ wäre auch denkbar.
T-Shirt
Schwund von /d/ bei «mare» (→ madre), Apokope von /r/.
Es wird beschrieben, in welchem Kontext die andalusische Phrase zu gebrauchen ist.
T-Shirt
Schwund von /d/, Kontraktion und Apokope von /r/ bei «joé» (→ joder), Apokope von /r/.
Es wird beschrieben, in welchem Kontext die andalusische Phrase zu gebrauchen ist.
T-Shirt
Deaffrizierung von /tʃ/, Schwund von /d/ und Kontraktion bei «to» (→ todo), Alternanz /r/ und /l/ bei «er» (→ el), Kontraktion bzw. Apokope von /θ/ bei «Cai» (→ Cádiz).
Cádiz wird genannt.
T-Shirt
Schwund von /d/ und Kontraktion bei «pescao» (→ pescado), Diminutiv bei «tortillitas», Apokope von /l/, Kontraktion bzw. Apokope von /θ/ bei «Cai» (→ Cádiz).
Es handelt sich hierbei um eine fiktive Todesanzeige, in welcher beschrieben wird, wie ein Außenstehender nach Cádiz kommt und von den kulturellen Gegebenheiten so überzeugt wird, dass er dort auch begraben werden möchte.
T-Shirt
Alternanz von /r/ und /l/
Es ist eine Weltkarte zu sehen.
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
189
Der Darstellung der einzelnen salienten Merkmale und der jeweiligen Auffälligkeiten der T-Shirts soll nun noch eine quantitative Darstellung der salienten phonetischen Merkmale folgen, um aufzuzeigen, welche phonetischen, lexikalischen und syntaktischen Merkmale182 in ihrer absoluten Häufigkeit besonders oft vorkommen:
Absolute Verteilung salienter Merkmale Apokope von /s/ -> ø (9x) Apokope von /r/ -> ø (8x) Kontraktion bei /ð/ (8x) Apokope weiterer Konsonanten (6x) Diminutiv (6x) Seseo (5x) Deaffrizierung von /tʃ-/> /ʃ/ (5x) Alternanz /r/ und /l/ (3x) Weitere Kontraktionen (3x) Ceceo (2x) ‚ohjú’ (2x) Behauchung lat. /f/ -> /h/ (1x) Behauchung von /x/ -> /h/ (1x)
Grafik 1: Absolute Verteilung der salienten Merkmale auf T-Shirts mit Dialektaufdruck.
Die Verteilung zeigt aber deutlich, dass die als «typisch» angesehenen Merkmale des Andalusischen – die Apokope finaler Konsonanten (vor allem /s/ und /r/), aber auch die intervokalische Kontraktion sowie der Diminutiv, der
182 An dieser Stelle werden nur die phonetischen Merkmale zur besseren Vergleichbarkeit aufgelistet, da in den anderen Diskursbereichen keine Häufung spezifischer Lexeme bis auf das Lexem «andaluz» zu sehen ist, allerdings müsste in weiteren Studien vor allem im Bereich der Perzeption untersucht werden, ob ggf. einige Lexeme eine stärkere Salienz in Bezug auf das Andalusische aufweisen als andere und ob die Salienz sich entweder eher auf das Lexem als solches, auf die damit realisierten phonetischen Merkmale oder aber auch auf beide Ebenen gleichzeitig bezieht. Letzteres lässt das in dieser Arbeit untersuchte Material vermuten.
190
7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
seseo und die Deaffrizierung von /tʃ/ –sehr häufig zu finden sind, selbst wenn z.B. die Deaffrizierung von /tʃ/ als diastratisch niedrig markiert gilt. Darüber hinaus findet ein Merkmal Einzug in die Darstellung des Andalusischen, welches auf der gesamten Iberischen Halbinsel zu finden ist: die Elision von intervokalischem /d/. Es ist insgesamt zu sehen, dass einige wenige Merkmale sehr gehäuft und andere Merkmale weniger häufig genutzt werden, sodass eine Abstufung in der Häufigkeit ersichtlich wird. Die Grafik zeigt zwar über alle T-Shirts hinweg die häufigsten Merkmale, ihre Kombination variiert jedoch von T-Shirt zu T-Shirt, wobei zu bedenken ist, dass bei vielen T-Shirts die salienten Merkmale in die Standardorthographie inkorporiert wurden und oftmals auch nicht durchgängig kohärent dieselben Merkmale innerhalb eines Aufdrucks genommen wurden.183 Daher ist davon auszugehen, dass es sich bei den Aufdrucken nicht um eine Darstellung handelt, die kohärent lokale Sprechweisen verschriftlicht repräsentieren will, sondern in Kürze prägnant herausstellt, dass es sich um das Andalusische und nicht das Standardspanische handelt. Zu beachten ist auch, dass nicht ganz klar ist, ob die Apokope von /s/ tatsächlich den Wegfall bedeutet, oder ob eine eine aspirierte Realisierung als /h/ denkbar wäre. Zusätzlich zu den phonetischen Merkmalen sind noch der zweimalige Gebrauch von «caló» als Femininum und bei T-Shirt 3 die Komparativstruktur184 zu nennen, welche als salient betrachtet werden können. Darüber hinaus sind mehrfach Diminutiva und die Verknüpfung von salienten phonetischen Merkmalen mit Ortsbezeichungen oder «typisch» andalusischen Lexemen oder morphosyntaktischen Merkmalen zu erkennen. Hierbei sind vor allem die folgenden Okkurrenzen zu nennen: 1) die Apokope von /r/ bei «caló» und durch die Synthese des Wetters und des sprachlichen Merkmals eine Stereotypisierung der Sprechweise und der für Andalusien typischen Hitze; 2) die Kontraktion bei «Cai» durch den Schwund von /d/ und die Apokope von /θ/ bzw. /s/, wobei saliente phonetische Merkmale mit dem Toponym Cádiz verbunden werden und somit die für diesen Ort typische Aussprache darstellen; 3) bei «quillo» wird das standardspanische chiquillo aufgenommen und daran die Verbindung des Lexems in vokativischer Funktion mit dem Diminutiv hergestellt, wobei deutlich wird, dass der Diminutiv und das Lexem jeweils salient
183 So ist beispielsweise bei T-Shirt 11 davon auszugehen, dass bei «coones» konsequenterweise bei DialektsprecherInnen, wenn sie /x/ als /h/ sprechen, auch eine Apokope von /s/ zu beobachten sein müsste, was hier aber nicht angegeben wird. 184 Bei diesem Phänomen ist es schwer, sich auf Fachliteratur zu stützen, da syntaktische Strukturen in ihrer idiomatischen Verwendung in aller Regel nicht beschrieben werden, diese aber, wie in Kapitel 7.4 noch näher beschrieben wird, oftmals von sogenannten «Laien» als typisch für das Andalusische dargestellt werden.
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
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sind. Es handelt sich somit um ein Repertoire an Merkmalen, welche rekurrent auftreten und durch ihre Salienz zu sozial nutzbaren Indices herangezogen werden. Im folgenden Abschnitt sollen nun die salienten Merkmale in ihrem sozialen Gebrauch als Indices näher beleuchtet werden.
7.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Bei der Analyse der salienten Merkmale als Indices 3. Grades ist zunächst zu konstatieren, dass auf einigen T-Shirts ein direkter Bezug zu einem Ort (Sevilla, Cádiz, Granada) oder zu einer Region (Andalusien) angegeben wird, dieser aber auf anderen T-Shirts fehlt. Es wird ersichtlich, dass die T-Shirts aus Cádiz besonders durch die Verknüpfung mit der Stadt hervorstechen, da die Stadt im Haupttext selbst angesprochen wird, wohingegen die anderen T-Shirts im Haupttext selbst keinen direkten Bezug zur Stadt liefern. Es zeigt sich aber auch, dass die Aufdrucke, sowohl was den Inhalt als auch die genutzten Merkmale angeht, sehr ähnlich sind. Zunächst werden die Gemeinsamkeiten einiger T-Shirts betrachtet, worauf die Analyse spezifischer T-Shirts und ihrer Idiosynkrasien folgt. Zuerst sind die T-Shirts in Bezug auf den Inhalt in zwei Kategorien einzuteilen: a) Bezug zu den Eigenschaften des Raums Andalusien: T-Shirts 2, 4, 6, 9, 11, 12, 13, 15; b) Bezug zu charakterologischen Eigenschaften der SprecherInnen: T-Shirts 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 13, 14, 15; Bei den T-Shirts 2, 6, 7, 9, 10, 13 und 15 wird sowohl auf Eigenschaften des Raums Andalusien als auch auf charakterologische Eigenschaften der SprecherInnen rekurriert. Die Kategorie a) beinhaltet Enunziate, bei welchen die große Hitze in Andalusien konstatiert oder beklagt wird. Darüber hinaus gibt es bei den T-Shirts 4, 12 und 13 eine metadiskursive Explikation zur Bedeutung der Phrase und/oder eine metapragmatische Anleitung zum situativen Auftreten und zum Anwendungskontext der Phrase. Es handelt sich bei den Enunziaten um Instanzen der Indexikalität 3. Ordnung, da sprachliche Formen in stilisierter Form einer bestimmten Gruppe zugeschrieben werden. Es handelt sich um eine intendierte Herstellung der Verknüpfung des Raumes Andalusien mit den als typisch empfundenen Sprechweisen und den SprecherInnen, die diesen Raum bewohnen. Es fällt auf, dass «caló» sehr häufig in ähnlicher Graphie vorkommt, gleichzeitig lassen sich
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
der seseo, die Behauchung des lateinischen /f/, die Aphärese bei «quillo», der Schwund von intervokalischem /d/, die Apokope von finalem /r/, die Deaffrizierung von /tʃ/ und die Behauchung von /x/ erkennen. Es lässt sich somit nachvollziehen, dass dies die Merkmale sein sollen, welche den LeserInnen schnell als typisch andalusische Merkmale auffallen sollen, sodass diese bereits eine diskursive Festigung durchlaufen haben müssen. Die Merkmale stehen zur stilisierten sozialen Nutzung zur Verfügung, um die Gruppe der «typischen» AndalusierInnen zu indizieren, welche dann auch in ihrer Sprechweise als «typisch» identifiziert werden. Im Bezug auf die Kategorie a) ist darüber hinaus von Bedeutung, dass klimatische Bedingungen in Andalusien als typische Enunziationsinstanzen des Andalusischen dargestellt werden, sodass eine Naturalisierung der Verknüpfung des Ortes und dessen Gegebenheiten mit den dort lebenden Personen und ihrer Sprache verbunden wird. Durch diese Aussagen werden die Verknüpfungen diskursiv gefestigt, woraufhin sie von immer breiteren Schichten als typisch betrachtet werden. Im Besonderen ist die Verbindung von diskursiver Varietät mit dem diskursiven Ort Andalusien zu nennen, da eine stereotypisierte Sprechweise auf einen als distinktiv konstruierten sozialen Raum übertragen wird, wodurch diese Verbindung durch die Festsetzung des Diskurses als «natürlich» erscheint. Dies bedeutet, dass die Verknüpfung von Raum und Varietät sprachideologisch naturalisiert wird und im sozialen Imaginarium diese Verbindung als gesetzt angenommen wird. Hierbei handelt es sich um die klassische Vorannahme im Sinne der Sprachideologie, dass Sprache immer auch örtlich variieren muss und sich in abgrenzbare Varietäten unterscheidet. Hierbei spielt die tatsächliche Variation auf der 1. indexikalischen Ebene keine Rolle, sondern die von SprecherInnen aktiv genutzten Indices 3. Grades, welche dazu genutzt werden, aus dem Kontinuum der Variation die «Essenz», also die als typisch konstruierten Merkmale besonders hervorzuheben und diese als Einheiten der Rechtfertigung der Existenz einer abgrenzbaren Varietät zu nutzen. Es handelt sich dabei um die Indexikalität 3. Grades, weil die SprecherInnen diese typischen Merkmale aktiv und intentionell metadiskursiv und metapragmatisch einsetzen, um gewünschte oder erwartete soziale Ziele zu erreichen. Bei den T-Shirts ist dies der Fall, da durch die Nutzung der Merkmale – durch die durchgängige Devianz zur Standardorthographie dieser salienten Merkmale ist von einer stark intentionellen Devianz auszugehen – die/der TrägerIn des T-Shirts deutlich signalisiert, dass in Andalusien im Alltag, wenn die Hitze dort moniert wird, Andalusisch kontextbezogen als natürliche Sprache genutzt wird. Es ist folglich stark davon auszugehen, dass die DesignerInnen dieser T-Shirts die Merkmale nicht unwissentlich aufgegriffen haben, da sie um den Kontext ihrer Nutzung wussten und diesen adaptieren wollten, was konzeptionell der Indexikalität
7.1 Diskursbereich: T-Shirts als kommodifizierte Sprache
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2. Grades entspräche. Vielmehr kann gesehen werden, dass dieser Kontext aktiv zur diskursiven Konstruktion der Gruppe und ihrer kontextbezogenen Sprache in stilisierter Form genutzt wird. In diesem Zuge wird Andalusien als partikulär dargestellt, da der Norden Spaniens als implizite Vergleichsfolie gilt, von der sowohl sprachlich – der Norden spricht das Standardspanische, wohingegen in Andalusien das Andalusische verwendet wird – als auch klimatisch – der Norden hat ein gemäßigtes/kaltes Klima, während es in Andalusien heiß ist – abgewichen wird. Durch die implizite Setzung dieser Abweichung von Nordspanien als zentrierende Institution nach Blommaert (2005) wird auf der Mikroebene der einzelnen Enunziate auf den T-Shirts die Makroebene konstituiert, innerhalb welcher Andalusien als Raum und dessen BewohnerInnen bzw. deren Sprechweise als partikulär erfasst werden. Die zuvor erwähnte Abweichung vom Norden Spaniens spiegelt sich auch in der Kategorie b) wider, welche einen weiteren Faktor aufzeigt: die Konstruktion typischer SprecherInnen durch die Darstellung von Enunziationen pejorativer Art. Es handelt sich um «coole» Sprüche, die die charakterologische Wesensart der AndalusierInnen durch Aussagen widerspiegeln soll, welche auf humoristische Art die/den «typische/n» AndalusierIn repräsentieren. Hier sind im Besonderen die T-Shirts 1, 3, 5, 6, 8, 9, 10, 11 und 14 hervorzuheben, da diese die «typische» Wesensart der AndalusierInnen als passioniert und gefühlsgeleitet darstellen sollen. Hierbei werden diese stereotypisierten charakterologischen Figuren implizit mit SprecherInnen niedriger Strata verknüpft, die den Inhalt im Andalusischen in einem prototypischen Kontext enunzieren. Das stilisierte Andalusisch wird folglich genutzt, um niedrigere Strata und deren charakterologische Eigenschaften zu indizieren. Der Mehrwert dieser T-Shirts besteht darin, dass diese Eigenschaften ein covert prestige aufweisen, sie also von breiteren Schichten als wünschenswerte Eigenschaften angesehen werden, welche in diesem Zuge auch durch das Tragen eines derartigen T-Shirts für andere Personen wahrnehmbar visualisiert werden. Die Sprüche auf den T-Shirts weisen also nur auf der Oberfläche «derbe» Sprüche auf, denn die charakterologischen Eigenschaften sollen auf die TrägerInnen projiziert werden. Sie verdeutlichen damit einerseits, dass die TrägerInnen durch einen derben Inhalt selbst als «cool» und sozial prestigereich gelten können, auf der anderen Seite gibt es den Faktor der Selbstironie, welcher hier stark zum Tragen kommt, da, wie auch im weiteren Verlauf dieser Analyse zu sehen sein wird, Selbstironie ein zentrales Element der Aufwertung des Andalusischen darstellt. Somit wird es dem/der TrägerIn möglich, anhand Indices 3. Grades Teile ihrer Identität zu konstruieren und sich sozial zu positionieren, da die charakterologischen Figuren durch die salienten Merkmale indiziert werden und somit auch von anderen Personen wiedererkannt und interpretiert werden können. Die Botschaften, die
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mittels dieser indexikalischen Verknüpfungen vermittelt werden, sind somit nicht nur den TrägerInnen selbst klar, sondern die Absicht ist, dass die durch die Merkmale indizierten charakterologischen Eigenschaften und das damit verbundene soziale Prestige mit den TrägerInnen verknüpft werden, sodass für Andere sichtbar wird, wie sie sozial zu positionieren und charakterisieren sind. Folglich handelt es sich um eine Sozialsymbolik mittels Indexikalität, welche aktiv zur Herstellung sozialer Identität genutzt wird, wobei sprachlicher Variation eine zentrale Bedeutung zukommt. In diesem Falle handelt es sich darüber hinaus um Instanzen indexikalischer Überlappungen in einem indexikalischen Feld, da Bedeutungsähnlichkeiten (zuvor als negativ angesehene charakterologische Eigenschaften) nun durch Kontingenzbeziehungen aufgegriffen und neu gedeutet werden. Einer eigenen Gruppe sind die T-Shirts 14 bis 16 zuzuordnen, da die Nennung der Stadt Cádiz nicht, wie es bei anderen T-Shirts der Fall ist, außerhalb des Enunziats erfolgt und nur durch ihre Nennung auf die Stadt verweist, sondern Cádiz selbst in den Sprüchen erwähnt und sich metasprachlich auf die GaditanerInnen (= EinwohnerInnen aus Cádiz) bezogen wird. Hierbei geht es im Speziellen um «den Gaditaner» als charakterologische Figur, die einerseits den Stolz auf den Herkunftsort als stereotypisierte Folie für GaditanerInnen ansetzt, was im Umkehrschluss eine generalisierende Aussage zum Lokalpatriotismus der EinwohnerInnen bedeutet. Bei T-Shirt 14 wird Cádiz als Herkunftsort über andere Orte gestellt, was wiederum humoristisch inszeniert wird, da durch die sprachideologische Besetzung des Andalusischen die Aussage durch die stereotypisierte freundliche Wesensart der GaditanerInnen eine andere Setzung erhält. Es ist davon auszugehen, dass die Aussage, wäre sie in der kastilischen Standardorthographie wiedergegeben, den Effekt des Humorismus nicht aufweisen würde, weshalb sie dann als überheblich zu werten wäre. Durch die aktive Nutzung der salienten Merkmale 3. Grades wird durch die Verknüpfung mit dem Andalusischen und stereotypischen Eigenschaften der SprecherInnen ein fiktiver prototypischer Enunziationskontext geschaffen, innerhalb dessen die SprecherInnen und deren Sprechweise nun als sympathisch dargestellt werden. Bei T-Shirt 16 wird die diskursive Varietät mit Offenheit gegenüber anderen Kulturen verknüpft, wobei klar erkenntlich ist, dass selbst wenn der stereotypische Gaditaner «dort geboren wird, wo er es will», er dennoch Gaditaner ist und somit offenbar einen innerlichen charakterologischen Kern besitzt, der durch seine kulturelle Herkunft bestimmt wird und welcher überall auf der Welt gleich ist. Hier wird folglich Offenheit mit Lokalpatriotismus verknüpft, wobei die Verknüpfung als positiv dargestellt wird, sodass in diesem Zusammenhang auch die Redeweise als existentieller Teil der Kultur und somit des «innerlichen Kerns» als positiv angesehen wird. Dies führt letztendlich zu einer Aufwertung
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der GaditanerInnen und ihrer Sprechweise durch den Ideologisierungsprozess der Authentizität, durch welchen offenbar dargestellt wird, wie die charakterologische Figur des Gaditaners tatsächlich sein soll. Das T-Shirt 15 setzt auch hier an und bespricht Bräuche, Kulinaria etc., die als typisch dargestellt werden. Die für Cádiz stereotypisierten Dinge werden auf Andalusisch hervorgehoben, was wiederum eine Strategie zur Authentizitätserzeugung ist, da offenbar das tatsächlich Lokale auch in der lokalen Sprechweise wiedergegeben werden muss, um die Authentizität zu unterstreichen. Die Aufwertung der Kultur geschieht durch die Nennung der Bräuche und Kulinaria im Andalusischen und die außenstehende Figur, um die es in der Erzählung geht, kann durch so viel Positives und Außergewöhnliches offenbar nur noch zu dem Schluss gelangen, dass sie bis zu ihrem Tod in Cádiz bleiben möchte. Die humoristische Rahmensetzung lässt sich auch auf T-Shirt 3 sehen, allerdings kommen in diesem Falle zu den salienten phonetischen Merkmalen noch die saliente Struktur im Komparativ hinzu (ser más . . .. que . . .. haciendo algo). Die charakterologische Figur der/des witzigen Andalusierin/Andalusiers wird evoziert und humoristisch ein Vergleich gezogen. Hierbei besteht die positive Verknüpfung darin, dass eine witzige und einfallsreiche Person evoziert wird, die positiv besetzt wird und welche diese Eigenschaften auch auf die TrägerInnen des T-Shirts übertragen soll. Das T-Shirt 2 listet Wörter auf, die eine andalusische Graphie aufweisen. Ähnlich wie bei einem Kreuzworträtsel lassen, von oben nach unten gelesen, alle Wörter zusammen den Ausdruck «andaluz» erkennen. Zunächst ist zu konstatieren, dass es sich nicht um wertende Wörter handelt, sondern um solche des alltäglichen Gebrauchs, wobei sowohl die graphische Setzung als auch die Darstellung in andalusischer Graphie sie als spezifisch andalusisch rahmen. Es fällt auf, dass nicht nur Lexeme, die tatsächlich ausschließlich in Andalusien Verwendung finden, hier dargestellt werden, sondern das letzte Lexem «borza» – im Standardspanischen bolsa – eines ist, welches varietätenübergreifend benutzt wird, sodass es sich um die Alternanz von /r/ und /l/ als salientes Merkmal handelt. Die Farbgebung der Lexeme selbst in Grün und der Angabe «andaluz» in Weiß verbindet visuell die dargestellten Wörter mit bestimmten salienten Merkmalen, sodass durch die Nutzung spezifischer phonetischer Merkmale und der Benennung «Andalusisch» zusammen die diskursive Varietät konstruiert wird. Es handelt sich darüber hinaus um eine Materialisierung des Andalusischen mittels salienter Merkmale, um darzustellen, wie das Andalusische ausgesprochen wird. Hierbei findet eine Übergeneralisierung statt und die aktive Nutzung der salienten Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades schafft somit das Bild «des Andalusischen» als reifizierte diskursive Varietät. Die Reduzierung der Heterogenität des sprachlichen Kontinuums in Andalusien erfolgt in Gleichzeitig-
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keit mit der Zuschreibung der diskursiven Varietät zu einem Raum. Somit wird die diskursive Varietät mit einem Wert versehen, indem die Naturalisierung des Andalusischen als Varietät einerseits und die Anonymisierung durch die Homogenisierung des Andalusischen als supralokale Varietät andererseits erfolgen. Diese diskursiven Strategien, die im Diskurs als neutral gerahmt werden, werden durch die fehlende metasprachliche Besprechung der Lexeme bei T-Shirt 10 ins Gegenteil verkehrt, da es hier nicht wie zuvor um eine positivistische Konstruktion der diskursiven Varietät geht, sondern metapragmatisch ein Identitätsakt der Abgrenzung stattfindet: Beim Lesen des T-Shirts wird die Situation evoziert, dass ein Sprecher sich dafür verteidigt, dass er Andalusier ist. Die AdressatInnen sollen offenbar Menschen aus anderen Teilen Spaniens sein und die Vorannahme ist, dass AndalusierInnen dort geringgeschätzt würden. Die Aussage geht gegen diese Geringschätzung an, was aktiv durch die Setzung des Enunziats im Andalusischen erfolgt. Hierbei handelt es sich um den Versuch der Selbstaufwertung gegenüber exogenen Zuschreibungen und die Aufwertung bezieht sich sowohl auf das «AndalusierIn-Sein» als auch auf das Sprechen des Andalusischen. Die Aussage wird auch auf diesem T-Shirt durch die grün-weiße Farbgebung unterstrichen, welche der/den TrägerIn des T-Shirts und deren/dessen Sprechweise mit dem Raum Andalusien verknüpft und indirekt darstellt, wie andalusisch gesprochen wird, sodass auch dieses T-Shirt einen Konstruktionsmoment der diskursiven Varietät aufweist. Es handelt sich somit deutlich sichtbar um einen «discursive struggle»,185 bei welchem die Bewertungstendenzen infrage gestellt und neu ausgerichtet werden. Das letzte hier zu besprechende T-Shirt 7 ist das einzige, das keinen direkten Bezug zu Andalusien aufweist, aber durch die aktive Darstellung der salienten Merkmale das Andalusische benutzt, um darzustellen, dass die Studierenden endlich Sommerferien wollen. Die Forderung des selbsternannten Sindicato de estudiantes suspendidos para septiembre nach sofortigen Sommerferien, die humoristisch eine mündliche Forderung nach Freizeit evozieren soll, verbindet dennoch durch Heranziehen der Indices die diskursiven Varietät prototypischerweise mit Andalusien. Die Aussage wird durch die Indices als eine im Andalusischen getätigte interpretierbar und es erfolgt eine Verknüpfung des Andalusischen mit jungen und gebildeten SprecherInnen. Hierbei vollzieht sich die Revalorisierung des Andalusischen dadurch, dass Studierende als Gebildete, die eine typische Gruppe der NutzerInnen des Standardspanischen darstellen, nun auch Andalusisch sprechen. Somit wird die Sprachideologie
185 Cf. Heller/Duchêne (2012, 21).
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infrage gestellt, dass das Andalusische nur von älteren SprecherInnen niedriger Bildungsniveaus gesprochen wird. Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine deutliche diskursive Neuausrichtung mittels direkter oder indirekter Abgrenzung zu den existierenden negativen Verknüpfungen zu beobachten ist. Hierbei werden diese aufgegriffen und ins Positive verkehrt und es ist zu beobachten, dass saliente sprachliche Merkmale hierbei eine herausragende Rolle spielen: Sie werden nicht nur situationsgebunden genutzt, um mittels Sprache den Erfordernissen des Kontextes Rechnung zu tragen (Indexikalität 2. Grades), sondern sie werden aktiv herangezogen, um eine neue Setzung der andalusischen Identität und damit einhergehend der andalusischen Varietät zu schaffen (Indexikalität 3. Grades). Im nächsten Unterkapitel sollen diese Tendenzen zur positiven Neubewertung des Andalusischen im Bezug auf die zugrunde liegenden Sprachideologien und die diskursive Konstruktion der diskursiven Varietät analysiert werden.
7.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Nach der Analyse der indexikalischen Verknüpfungen der Merkmale mit prototypischen Sprechergruppen und -eigenschaften wird zunächst klar, dass alle T-Shirts eine deutliche Verknüpfung mit der Region bzw. dem Ort aufzeigen. Selbst wenn verschiedene Orte angegeben werden, so zeigt sich bei der tatsächlichen Verteilung der salienten Merkmale, dass keines einer einzigen Region zugeordnet werden kann. Dies impliziert, dass durch die T-Shirts nicht nur eine lokale Verknüpfung mit einem konkreten Ort (Sevilla, Córdoba etc.) stattfindet, sondern dass die salienten Merkmale mit dem Andalusischen selbst assoziiert werden, sodass die Daten der Dialektatlanten – also der tatsächlichen strukturellen Variation an den spezifischen Orten – nicht immer gänzlich mit den auf den T-Shirts verwendeten Merkmalen identisch sein müssen. So wäre beim T-Shirt 14 bespielsweise bei einer/m SprecherIn, die/der [piʃa] realisiert und typischerweise mit einem niedrigen Bildungsniveau assoziiert wird, auch die Realisierung des ceceo beispielsweise in als [θer] zu erwarten. Die nicht vorhandene Kohärenz in der Darstellung der Indices 3. Grades – beispielsweise auch bei T-Shirt 11 im Fall von durch die Beibehaltung von im Auslaut, welches hier konsequenterweise durch die übliche Apokope auch graphisch getilgt werden müsste – lässt also darauf schließen, dass nicht kohärente Merkmale örtlichen Sprechweisen zugeordnet werden und dass das Sprachwissen der SprecherInnen saliente Merkmale übergreifend mit dem Andalusischen assoziiert, wobei die konkrete Realisierung keine zentrale Rolle zu
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spielen scheint. Die wiederholte Nutzung der stereotypischen andalusischen Merkmale auf T-Shirts verschiedener lokaler Provenienz und die konkrete Nennung von «andaluz» auf den T-Shirts 2 und 10 lassen auf eine supralokale Verknüpfung der salienten Merkmale mit dem Sprachwissen, dass diese in Andalusien benutzt werden, schließen. Dies bedeutet, dass das Andalusische als diskursive Varietät konstruiert wird, indem immer wiederkehrende saliente Merkmale aktiv auf stereotypische Weise genutzt werden, wobei über die Aneignung exogener charakterologischer Zuschreibungen und ihrer Verkehrung ins Positive eine Revalorisierung sowohl der diskursiven Varietät und als auch ihrer SprecherInnen erfolgt. Sprachideologisch ist hierbei von Relevanz, dass die Wiedergabe der anderen Sprechweise im Rahmen der Standardorthographie – die Grapheme haben noch dieselben phonographischen Werte – erreicht wird, um die Andersartigkeit des Andalusischen auszudrücken. Zentral bei diesen Prozessen ist die graphische Darstellung der salienten Merkmale in einer devianten Graphie, wobei der Rest in der Standardorthographie wiedergegeben wird, was bedeutet, dass das Andalusische seine visuelle Existenz folglich durch die graphemische Devianz innerhalb der Standardorthographie erlangt. Die Konstruktion der diskursiven Varietät erfolgt somit in Abgrenzung zum Standardspanischen und ist ohne diese nicht zu fassen, da es sich nicht um Transkriptionen tatsächlich getätigter Aussagen oder gar um die korrekte Wiedergabe einer konkreten Äußerung, sondern um eine stereotypisierte Verallgemeinerung und Übergeneralisierung der salienten Merkmale handelt, welche wiederum mit dem Andalusischen assoziiert werden. In Bezug auf die positive Besetzung der charakterologischen Figuren ist anzumerken, dass das Bewertungsschema der/des witzigen Andalusierin/Andalusiers hierzu herangezogen wird, zum anderen aber auch eine Verteidigung des AndalusierIn-Seins (T-Shirt 10) oder aber die humoristische Umkehrung des regionalen Fokus auf eine internationalistisch-offene charakterologische Figur (T-Shirt 16) gesetzt wird. Somit ist die diskursive Varietät nun nicht nur eine von lokaler Relevanz, sondern es wird eine ideologische Loslösung vom regionalen Nutzungsrahmen impliziert. Dies entspricht einer funktionalen Ausweitung auf andere Gesellschaftsschichten und weiterreichende Kommunikationssituationen. Die Ausweitung der Nutzung auf höhere gesellschaftliche Strata ist bei T-Shirt 7 zu sehen: Die Studierendenschaft als stratisch höhere, jüngere und gebildetere Schicht spricht Andalusisch. Hierbei spielt die graphische Distanz zur Standardorthographie des Spanischen eine Rolle, da nicht nur das «typische» andalusische Merkmal der Apokope von /s/ im Auslaut in «BACASIONE» – in der Standardorthographie vacaciones – mittels Devianz dargestellt wird, sondern auch durch die eye dialect-Formen «LLA» (→ ya) und in «BACASIONE» und «BERANO» – in der Standardorthographie verano – eine stärkere Distanz vom
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Standardspanischen vortäuscht, welche aber zumindest in Bezug auf diese Merkmale nicht existiert, da die phonetischen Realisierungen sich nicht unterscheiden. Durch die metapragmatischen Hinweise zur situationellen Benutzung auf den T-Shirts 4, 12 und 13 wird die diskursive Varietät zudem als Sprache des Alltags in Andalusien dargestellt, sodass die Angabe zur Diaphasik hier zu einer Ausweitung des Kontextes betrachtet werden kann, da die Normalität des Enunziats mit der Normalität der meteorologischen Gegebenheiten Andalusiens verknüpft wird. Hierdurch wird das Bild einer Gebrauchsnormalität kreiert, welche das Andalusische als normale und alltägliche Sprechweise (nicht nur humoristisch) in Andalusien konstruiert und somit dieser Kontext in Konkurrenz zur Nutzung des Standardspanischen gerät und dieses auf distanzsprachliche Kontexte beschränkt. Die diskursive Varietät wird also für gewisse Gebrauchskontexte, für die es offenbar stereotypisch genutzt wird, normalisiert und mit positiv besetzten charakterologischen Eigenschaften versehen.
7.1.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Durch die Analyse dieses Diskursbereichs konnte gezeigt werden, dass die T-Shirts einen Teildiskurs darstellen, innerhalb dessen das Andalusische im Sinne einer diskursiven Varietät sowohl explizit als auch impliziert konstruiert wird und die diskursive Varietät im Spannungsfeld zwischen tradierten Bewertungsschemata und neuen Bewertungstendenzen eine neue soziale Setzung durch die aktive Nutzung salienter Merkmale als Indices 3. Grades erfährt. Hierbei wird das Andalusische mittels salienter Merkmale aktiv konstruiert und die Identität der SprecherInnen mittels Aneignung und Umdeutung der zuvor als schlecht angesehenen charakterologischen Eigenschaften aufgewertet. Es entsteht somit ein nutzbares System indexikalischer Zeichen mit stark symbolischer Funktion, welche zur Demarkation genutzt werden. Es handelt sich dabei, wie in Grafik 1 zu sehen war, um dieselben Merkmale, welche als Indices 3. Grades in übergeneralisierender Art das diskursive Wissen erzeugen, dass diese Merkmale andalusisch sind und somit darauf verweisen können. Es ist zu sehen, dass die Visibilisierung der salienten Merkmale durch die sprachideologische Verortung als Devianz innerhalb der Standardorthographie ein zentrales Konstruktionsmoment darstellt, mittels dessen die zuvor exogen als negativ gerahmten Eigenschaften nun durch eine positive Selbstaneignung ins Positive verkehrt werden. Dies geschieht in einem hermeneutischen Prozess, bei welchem sowohl das Andalusische als auch die AndalusierInnen als Gruppe von SprecherInnen revalorisiert werden. Es ist eine klare Abgrenzung zu vorherigen
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Diskursen und somit ein re-enregisterment zu erkennen, bei welchem es im Spannungsfeld überlappender Indexikalitäten um die Aufwertung des Andalusischen als diskursive Varietät geht. Hierbei spielt eine fingierte Authentizität bzw. authentische Inauthentizität eine zentrale Rolle, da nur saliente Merkmale als Indices 3. Grades eine pseudoauthentische Sprechweise evozieren, was zu einer diskursiven Konstruktion eines «typischen» Andalusisch führt. Durch die Setzung dieses Andalusischen als pseudoauthentisierter Sprechweise erfolgt eine Revalorisierung, da die TrägerInnen des T-Shirts einen positiv besetzten Identitätsakt durch das Kaufen und Tragen durchführen.
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien Kommodifizierte Sprache als ein Diskursbereich spielt eine Rolle bei der Revalorisierung des Andalusischen, da kommodifizierte Sprache sehr sichtbar positioniert öffentlich rezipierbar wird. Eine gewichtige Rolle spielen darüber hinaus thematisch noch breitere öffentliche Diskurse und solche in social media, da diese thematisch popularisiert und verbreitet werden sowie für die meisten RezipientInnen leicht zugänglich sind. Öffentliche Diskurse über das Andalusische sind ein besonderer Diskursbereich dieser Arbeit, da einerseits andalusische Sprechformen auf struktureller Ebene einen immer größeren Stellenwert in den Regional- und Lokalmedien einnehmen (cf. Baliña García 2012), andererseits diese Sprechformen auch sehr oft metasprachlich thematisiert werden (Hermida 2010, 64). Ebendiese metasprachlichen Thematisierungen geben Aufschluss über die Beschaffenheit der Diskurse, die ein breites Publikum erreichen. Dem ist hinzuzufügen, dass es mittlerweile auf YouTube eine enorme Menge an Videos von Laien, aber auch ExpertInnen zum Thema Andalusisch und dessen Stellung gibt. In dieser Arbeit sollen exemplarisch einzelne Diskursstränge dieses Diskursbereiches analysiert werden, da durch die Analyse der Bewertungsschemata in einzelnen Diskurssträngen das größere Diskursgefüge in Bezug auf das Andalusische deduziert werden kann. Reportagen haben hier eine zentrale Rolle, da sie Erzählungen mit einem objektivierten Wissen als Wahrheit verbreiten und somit einen großen Beitrag dazu leisten, das gesellschaftliche Wissen über einen Gegenstand zu prägen. Speziell dann, wenn man sich schnell Informationen über einen Gegenstand beschaffen will, sind Reportagen oder Videos mit Dokumentationscharakter auf YouTube sehr beliebt. Aus diesen Reportagen lässt sich folglich herausfiltern, wie zu einem bestimmten Zeitpunkt der populäre Wissens(be)stand zu einem Gegenstand beschaffen ist bzw. in welchen gesellschaftlichen Spannungsfel-
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dern dieser sozial verhandelt wird. Für diese Arbeit werden zwei Reportagen des Canal Sur, die über das analoge TV hinaus über YouTube verbreitet wurden, als seriöse Diskurse herangezogen, um herauszuarbeiten, wie in diesem Genre das Andalusische und dessen SprecherInnen besprochen werden. Auch Musik ist bei der Betrachtung von populären Diskursen ein wichtiger Baustein bei der Analyse von Revalorisierungsprozessen, da die Liedtexte einen Raum für die Verhandlung gesellschaftlich relevanter Themen darstellen. Sofern ein Thema mit politischem Inhalt in Musik aufgearbeitet wird und dann Erfolg hat, kann davon ausgegangen werden, dass ein für die Gesellschaft relevantes Thema aufgegriffen wurde. Durch die Verbreitung im TV, Radio, über Streaming-Dienste etc. können somit politische Botschaften verbreitet und popularisiert werden. Daher soll auch das Lied Denomiasión de orihen der Gruppe FRAC untersucht werden, das im Genre des kritischen Rap sehr erfolgreich war. Da es sich hierbei um ein Genre handelt, in welchem häufig kontroverse Themen behandelt werden sowie Gesellschaftskritik geübt wird, ist für die Analyse der Revalorisierung des Andalusischen ein Lied dieses Genres, welches die Stellung des Andalusischen thematisiert, von zentraler Bedeutung, da gesehen werden kann, dass die Bewertung des Andalusischen als Gegenstand des Liedes zu einem öffentlichen Diskurs kontrovers beitrug. Dieser Diskursausschnitt ermöglicht das exemplarische Deduzieren gesellschaftlich verfestigter Evaluationen durch die im Lied erfolgte kritische Auseinandersetzung mit ihnen. Daraufhin erfolgt die Analyse eines Blog-Eintrages, welcher den Diskurs über die 2017 erschienene Übersetzung von Antoine de Saint-Exupérys Le Petit Prince durch Huan Porrah Blanko als Er Prinzipito darstellt. Der Blog-Eintrag resümiert nicht nur die Punkte, die für Spannung zwischen den DiskursteilnehmerInnen sorgen, sondern der Autor Enrique Benítez versucht, die Punkte, bei denen er starke Divergenzen sieht, herauszuarbeiten und Orientierung im Diskurs zu schaffen. Dieser Diskursausschnitt ist daher für die Fragestellung dieser Arbeit von Bedeutung, da die Bereiche gesellschaftlicher Aushandlung in Bezug auf eine Übersetzung ins Andalusische – was den Status einer eigenständigen Sprache suggeriert – klar herausgearbeitet werden. Das Spannungsfeld der diskursiven Setzung des Andalusischen als eigenständige Sprache, in die man ein literarisches Werk übersetzen kann, hat eine breite Diskussion auf der gesamten Iberischen Halbinsel in (sozialen) Medien über den Status des Andalusischen ausgelöst, sodass der Blick auf diese Diskussion Erkenntnisse über die Revalorisierungstendenzen und Spannungsfelder liefern kann. Es ist noch hinzuzufügen, dass in den letzten Jahren eine vermehrte Produktion kultureller Güter wie Serien, Dokumentationen, Filme und Musik zu beobachten ist, in welchen das Andalusische eine zentrale Rolle einnimmt (Guarinos 2010, Hermida 2010). Unter anderem sind hier die Serie Malviviendo – eine
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sozialkritische Serie, angesetzt in Sevilla, die als Eigenproduktion einiger Jugendlicher in Andalusien einen großen Erfolg hatte – oder aber die Filme Ocho apellidos vascos bzw. Ocho apellidos catalanes zu nennen, die zu den kommerziell erfolgreichsten Filmen Spaniens wurden und stereotypisierte Darstellungen von AndalusierInnen, BaskInnen und KatalanInnen zeigen. Darüber hinaus ist eine Vielzahl an SängerInnen, die auf Andalusisch singen, wie z.B. Manuel Carrasco, Chambao oder auch India Martínez, auch über Andalusien hinaus sehr erfolgreich. Auch bei diesen kulturellen Erzeugnissen spielt eine stereotypisierte Sprechweise eine zentrale Rolle, da Authentizität, erzeugt durch die sprachideologische Annahme der Symbiose von Raum und Sprache, in eine Wahrhaftigkeit des künstlerischen Ausdrucks beim Gebrauch der «eigentlichen» Varietät der/des Künstlerin/Künstlers mündet. Im Folgenden sollen die genannten Diskursausschnitte aus dem öffentlichen Bereich analysiert werden, um durch die Beispielhaftigkeit als singuläre Diskursaktualisierungen Erkenntnisse über die breiteren Felder des Diskurses über das Andalusische zu erlangen.
7.2.1 Diskursausschnitt: YouTube-Video bzw. TV-Reportage Habla andaluza: la identidad lingüística de Andalucía Reportagen als Darstellungen objektiven Wissens sind ein großer Teil dessen, was in der Öffentlichkeit als Wissensquelle rezipiert wird. Hierbei spielt das Format eine wichtige Rolle, da Reportagen in der Regel als glaubwürdig und das darin vermittelte Wissen als wahr angesehen werden. Nach Schneider/Raue (1998, 327s.) ist es den ModeratorInnen in diesem Format möglich, mit Impressionismen zu arbeiten und den Gegenstand dramaturgisch zu inszenieren, sodass sich die RezipientInnen in die dargestellte Situation hineinfühlen können. Hierbei ist aber dennoch der Grundsatz der Objektivität geboten, die in beiden hier behandelten Reportagen durch das Befragen von Experten über Sprache dramaturgisch inszeniert gewährleistet werden soll. Dabei ist zu konstatieren, dass bei Reportagen über Andalusien prototypischen Zuschreibungen und der Darstellung prototypisierter charakterologischer Eigenschaften der AndalusierInnen eine gewichtige Rolle zukommt, wie Guarinos (2010, 33) erläutert: «La Andalucía del documental, al menos hipotéticamente, debería acercarse a la realidad objetiva de la Comunidad Autónoma resaltando no sólo aquello que de folklore o de cultura universalmente conocida y consentida posea. Y así es, si bien sólo en parte, en tanto que la Andalucía de la no ficción que circula por la red en estos comienzos del siglo XXI reincide, en cuestión de contenidos, en la mostración de actitudes y aptitudes de unos andaluces románticos y trágicos, poco próximos a la Andalucía real de diario, salvo excepciones».
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Dass die Darstellung hauptsächlich im Dienste der Entwicklung romantischer oder tragischer charakterologischer Figuren steht, ist dabei nicht negativ zu sehen, da laut Guarinos (2010, 33) folgender Umstand mitbedacht werden sollte: «No se debe tomar el hecho como ofensa, puesto que son los propios andaluces quienes generan estos vídeos (y en muchísima menor medida generados por otros productores no andaluces), los suben a la red y los comparten con otros andaluces y no andaluces. En este sentido es el propio andaluz quien en algún momento puede llegar a identificarse con la imagen deseada que quiere exportar al mundo. Quizás por ello, puede que el estereotipo de lo andaluz no sea tan estereotipo o que el propio andaluz quiera insistir en mantener el estereotipo, convirtiéndose, por tanto, en la generación de un prototipo imitable».
Es wird also in Guarinos (2010) Analyse deutlich Bezug darauf genommen, dass zu einem Großteil der Inhalt der Beiträge durch AndalusierInnen selbst produziert wird. Dies ist entscheidend für die Interpretation, denn es wird bereits eine neue soziale Setzung erwähnt, in welcher Stereotype nicht ausschließlich ablehnenswert oder reduktionistisch erscheinen, sondern als Vorbilder zur Imitation dienen können. In der in diesem Unterkapitel zu analysierenden Reportage Tesis: Habla Andaluza des andalusischen öffentlich-rechtlichen Senders Canal Sur geht es um das Andalusische und die sprachliche Identität der AndalusierInnen. Es werden prototypische Szenen im Alltag der AndalusierInnen gezeigt, wobei die dargestellten Personen immer Andalusisch sprechen. Die Redebeiträge werden in der Reportage untertitelt und für das Andalusische offenbar typische Merkmale blau sowie in einer größeren Schriftgröße graphisch hervorgehoben. Die gesamte Reportage folgt der Struktur, dass erst der Sprecher aus dem Off eine kurze Einführung in das jeweilige Thema gibt, dann eine Alltagssequenz mit Untertiteln gezeigt wird, woran sich Erläuterungen, Erklärungen bzw. Richtigstellungen existierender Meinungen durch die Professoren Antonio Narbona und Rafael Cano als Experten anschließen. Die Alltagssituationen, die gezeigt werden, sind folgende: Büro, Bäckerei, Bar, Alcázar, Patio sowie eine Frau, die die Fassade eines Hauses streicht. Bei den Untertiteln in den einzelnen Alltagssituationen wird unten rechts im Bild jeweils eine Karte Andalusiens eingeblendet, auf welcher der Ort, an welchem sich die Alltagssituation abspielen soll, markiert ist. Die Transkription der Reportage erfolgt bei den Diskursteilnehmern Sprecher, Rafael Cano und Antonio Narbona in der spanischen Standardorthographie, die Untertitel der jeweiligen Gesprächssituationen werden hier in der Originalgraphie und in Minuskeln transkribiert, wobei die in der Reportage in Blau hervorgehobenen salienten Merkmale in der Transkription als Majuskeln wiedergegeben werden. Alle Zusatzinformationen bezüglich der Inszenierung oder nicht untertitelter Passagen sind in eckigen Klammern angegeben.
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Grafik 2: Szene aus der Reportage Tesis: Habla Andaluza.
Untertitel des Videos: Habla andaluza: la identidad linigüística de Andalucía Titel des Videos: Tesis: Habla Andaluza Länge: 9’52 Veröffentlichungsdatum auf YouTube: 17.09.2013 (ursprünglich im TV bei Canal Sur im Jahr 2009) Aufrufe: 94.855 Sprecher: Siempre se ha dicho que en Andalucía se habla mal, que nos comemos los finales de las palabras, las eses, que seseamos y que ceceamos, pero ¿es esto incorrecto desde el punto de vista de la lengua? ¿Hay una forma correcta de hablar el español? Es más: ¿existe una única manera de habla andaluza? [. . .] Untertitel in der Gesprächssituation «Büro»: -todavía no ha empeSao la eR día dieSisiete, empieSa la primera montería. [. . .] Rafael Cano: Lo que diferencia Andalucía del resto de la Península es una cosa de la que casi nadie se da cuenta: no es el seseo ni el ceceo sino el modo de pronunciar la ese [. . .] que en Andalucía se pronuncia más con los dientes y más arriba [. . .]. Eso es el único rasgo que se ha podido dar como verdaderamente fronterizo de la Andalucía lingüísticamente con otras zonas españolas, con otras zonas peninsulares. Pero resulta que es la ese que se usa en Canarias y América. Untertitel in der Gesprächssituation «Bäckerei»: -¿y eZo? -¿no tiene hoy ningún bautiSo ni nA? Antonio Narbona: De lo que realmente se habla cuando se quiere montar una identidad sobre la diferencia es en la pronunciación y en este caso lo tenemos muy complicado por-
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que hay rasgos de pronunciación que nos separan de los castellanos, pero que nosotros no estimamos mucho. Por ejemplo, el ceceo. El ceceo no se da en la parte norte y centro de la península. Tampoco se da a salvo excepcionalmente en la inmensa Hispanoamérica, pero los propios andaluces no estamos muy contentos con el ceceo. Untertitel in der Gesprächssituation «Bar 1»: fiHalo la cantidad de botellas -que barbaridÁ. -o Zon mU viEA. están que no vEA, eH de ARberti, ¿no? [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Cádiz eingeblendet.] Untertitel in der Gesprächssituation «Alcázar»: -ha habÍO mucha actividadE. ¿qué mA ha habiO ESÚ? -eR mercado medievÉEE. [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Estepa eingeblendet.] Sprecher: Además de las apuntadas existen otras peculiaridades que definen de una manera cómo se habla en nuestra comunidad: la apertura de las vocales finales se da en la Andalucía Oriental o en ustedes usado como plural único en la Andalucía Occidental son unos ejemplos de ello. [Es wird eine Karte Andalusiens gezeigt, auf welcher in Ostandalusien Apertura Vocálica und in Westandalusien ustedes eingezeichnet sind.] Una habla andaluza bastante diversa donde conviven más de quince maneras de pronunicar la ese [Es wird eine Karte Andalusiens gezeigt, auf welcher im gänzlich südlichen Teil (ca. Sevilla, Huelva, Cádiz, Málaga) ceceo eingezeichnet ist, direkt nördlich darüber (Córdoba, nördlich von Sevilla, Jaén) ist seseo eingezeichnet, der Rest Andalusiens wird unfarbig gelassen.] o donde existe es denomidado heheo [Es wird eine Karte Andalusiens gezeigt, auf welcher in Ostandalusien und in Teilen Westandalusiens ustedes und darauf folgend H Aspirada eingezeichnet sind.] que sustituye los sonidos ze, zeta y ese por la hache aspirada. [Es wird eine Situation gezeigt, in welcher eine Lehrerin SchülerInnen die Konjugation eines Verbes erklärt.] No obstante, las diferencias fundamentales tienen que ver más con el grado de educación de los hablantes que con su ubicación geográfica. Es que no hay que olvidar que hace apenas un siglo el analfabetismo en Andalucía era de más del 70 por ciento. Posiblemente de este hecho es donde proviene otro de los tópicos que se manejan sobre nuestra forma de expresarnos: el supuesto complejo de inferioridad que tienen algunos hablantes. Untertitel in der Gesprächssituation «Patio»: -y tú, ¿cuándo has veniOOO? –Lo que pasa es que estamos de matanza y no noH han poIO ve tOAvía. Escúchame, tengo que avisarte PA una fiestecILLA esta tarde. -¿HI? [–Ahí en la bodega cuatros vientos (nicht untertitelt)] [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Murtas eingeblendet.] Rafael Cano: Nos movemos muchas veces con afirmaciones muy grandes que salen en la prensa que salen en los medios que se dicen, pero después se habla del complejo de inferioridad de los andaluces. ¿De cuántos? ¿Pero esto se ha estudiado? ¿Realmente se ha cuantificado cuántos andaluces sienten vergüenza de su forma de hablar y en qué se traduce esa vergüenza y cómo se manifiesta esa vergüenza? Complejo y vergüenza ha habido, pero más que complejo de inferioridad y de sentimiento así de mucha gente, pero no para la forma de hablar sino porque la forma de hablar delataba un origen humilde, un origen pobre. [Erst wird Rafael Cano eingeblendet, dann eine Szene in einer Bar, an einer Käsetheke und an einem Strand.]
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Untertitel in der Gesprächssituation «Strand»: -Francisco, ¿qué paHa por ahí? – TURMANO, ¿CA diSHo? –que Ice que tiene ER FÁ. [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Matalascañas eingeblendet.] Untertitel in der Gesprächssituation «Bar 2»: -pero mira unas tortillIDAS de patatas así de chiquitillas. hiSe una GÜEna comprILLA. [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Granada eingeblendet.] Untertitel in der Gesprächssituation «Frau streicht Hausfassade»: -esta [sic!] meHÓN esta 24 horas con eSHa. –[no hace deporte (nicht untertitelt)] ni hace NÁ, ACÍ viene canZAO, [pero después del deporte (nicht untertitelt)] que canZAO va a está. [sic!] [Es wird unten links im Bild eine Karte Andalusiens mit der Aufschrift Los Palacios eingeblendet.] Antonio Narbona: Volvamos al ceceo. Si alguien cree que otros se pueden reír de él, tratas y lo puedes conseguir, de no cecear, de distinguir o de sesear. Y si alguien cree que en una determinada situación no le conviene mucho decir arcarde o Don Arfonso [. . .] etc. se irá despojando ese comérselo los sonidos de lo que hablábamos antes, pero nadie se le impone. Simplemente lo hace porque le conviene porque eso es más práctico, aunque esa comparecencia no sea económica ni social y no simplemente para que no se rían de uno. [. . .] Sprecher: En los medios de comunicación parece amplificada nuestra forma de hablar. [Es werden Nachrichten eingeblendet.] De puertas afuera de nuestra comunidad los medios suelen utilizar tópicos y clichés sobre cómo nos expresamos de puertas adentro los medios locales y regionales tendencian a favorecer nuestro acento, nuestra forma de hablar. ¿Pero se han convertido los medios en un espacio desde donde articular el idioma? Antonio Narbona: El campo de los medios es un campo muy complejo y muy relevante. La influencia que pueden tener sobre el hablante de a pie, el hablante de la calle es mínima. Yo diría que casi nula. El problema lo tienen planteados los propios profesionales de la información que creen que tendrían que liberarse de una especie de complejo y hablar andaluz. [Erst wird Antonio Narbona gezeigt, dann Talk-Runden einer Politiksendung.] Rafael Cano: Es que el lenguaje de los medios está [verbessert sich selbst] es como el lenguaje de la prensa escrita, como el lenguaje de los periódicos, es un estilo, un estilo de por sí, un estilo superior, elevado respecto lenguaje ordinario que se usa en las conversaciones normales. No es el mismo. Por tanto, eso ya supone incluso un modo de articulación a lo mejor hasta en la articulación de las vocales cuando un hablante en medio, pues, procura que las vocales se entiendan bien. Eso no tiene que ver nada con la fonética andaluza, es decir, es que intentan ser entendidos por la mayor cantidad de gente posible. [Es wird ein sehr kurzer, nicht untertitelter Ausschnitt einer Unterhaltungssendung gezeigt.] Sprecher: Y es que los medios de comunicación según los expertos no funcionan como planaca para producir cambios en el habla a corto plazo ni siquiera para perpetuar una forma u otra. Modificar un habla es un proceso más lento, más perceptible de una generación a otra. Donde se han existido unos cambios rápidos es en el vocabulario y así los últimos 50 o 60 años y debido de las emigraciones del campo a la ciudad se han dejado de usar muchas palabras y expresiones del mundo rural y campesino. Una pérdida que ya está suponiendo que los más jóvenes no conozcan expresiones usadas en el mundo rural, pero que demuestra que estamos ante una lengua viva que cambia al mismo ritmo de los tiempos. [Die Reportage klingt mit einer Szene aus, in der ein Bauer jungen Menschen etwas über die Landwirtschaft erzählt.]
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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7.2.1.1 Darstellung der salienten Merkmale Die in der Reportage angegebenen und besprochenen sprachlichen Merkmale werden nun, unterschieden nach DiskursteilnehmerInnen einerseits und nach Untertiteln andererseits, tabellarisch zusammengefasst, wobei bekannte Phänomene ohne weitere Erklärung aufgeführt werden und zuvor noch nicht genannte an den Beispielen selbst erläutert werden:
Tabelle 3: Auflistung der salienten Merkmale in der Reportage Tesis: Habla Andaluza. DiskursteilnehmerInnen Saliente Merkmale
Weitere Auffälligkeiten
Sprecher
Apokope von Konsonanten, Apokope von /s/, seseo, ceceo, Apokope der Pluralmarkierung und Öffnung der Vokale, ustedes als . Pers. Pl., Arten der Realisierung von /s/, heheo (Behauchung von /s/, /θ/).
«Se comen los finales de las palabras». Der Hauptunterschied in der Verwendung der Merkmale wird beim Bildungsgrad verortet. Es wird konstatiert, dass das Andalusische von regionalen und nationalen Medien thematisiert wird. Es werde außerdem von regionalen Medien favorisiert. Es wird konstatiert, dass sich die Sprache verändert und dass immer weniger junge Menschen Fachbegriffe aus dem ruralen Bereich kennen.
Rafael Cano
Seseo, ceceo, die Aussprachevarianten von /s/.
Die Aussprachevarianten von /s/ werden als einziges Merkmal zur Abgrenzung vom Norden angegeben; in Amerika und auf den Kanaren soll dieses /s/ genutzt werden. Er thematisiert den «complejo de inferioridad» und zweifelt dessen Existenz an. Die Sprache der Medien ist nach Cano ein höhergestelltes Register, das Andalusische normale Alltagssprache. Die Medien versuchen demnach, von allen verstanden zu werden und es wird daher in einem höheren Register gesprochen.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Tabelle 3 (fortgesetzt ) DiskursteilnehmerInnen Saliente Merkmale
Weitere Auffälligkeiten
Antonio Narbona
Seseo, ceceo, Alternanz von /r/ und /l/.
Seseo als Differenz zum Norden, aber der seseo soll bei den AndalusierInnen einen niedrigen Status haben. Narbona geht davon aus, dass das Vermeiden der Nutzung spezifischer andalusischer Merkmale freiwillig erfolgt, da die/der SprecherIn das Merkmal einfach nicht nutzen möchte. Narbona gibt an, dass die Medien keinen Einfluss auf den Sprachgebrauch haben.
Gesprächssituation «Büro»
Seseo, Kontraktion intervokalischen /d/, Alternanz von /r/ und /l/.
Gesprächssituation «Bäckerei»
Ceceo, seseo, Kontraktion intervokalischen /d/.
Gesprächssituation «Bar »
Behauchung /x/ → /h/, Apokope von /d/, ceceo, Apokope von /i/, Behauchung von implosivem /s/ → /h/, Alternanz von /r/ und /l/.
Gesprächssituation «Alcázar»
Kontraktion von intervokalischem /d/, Apokope von /s/, Behauchung /x/ → /h/, Apokope von als Pluralmarkierung in «medievales».
Merkmale nicht konsequent dargestellt, da bei «mucha» die Apokope /s/ nicht graphisch hervorgehoben wird. Die Apokope und die intonale Hebung und Längung von [æ] werden in der Graphie durch repräsentiert.
Gesprächssituation «Patio»
Kontraktion von intervokalischem /d/, Behauchung von implosivem /s/ → /h/, Kontraktion in «pa» (→ para), Diminutiv «illa», Behauchung bzw. Aphärese /s/ → /h/ bzw. ø.
Die Längung von /o/ wird durch angezeigt.
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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Tabelle 3 (fortgesetzt ) DiskursteilnehmerInnen Saliente Merkmale
Weitere Auffälligkeiten
Gesprächssituation «Strand»
Behauchung von intervokalischem /s/ → /h/, Kontraktion «turmano» (→ tu hermano), Kontraktion «ca» (→ que ha), Deaffrizierung von / tʃ/, Aphärese von /d/ in «ice» (→ dice), Alternanz von /r/ und /l/.
Gesprächssituation «Bar »
Diminutiva, seseo, Velarisierung von [bwe] → [gwe].
Die Velarisierung von /bwe/ ist ein auf der gesamten Iberischen Halbinsel zu verzeichnendes Phänomen.
Gesprächssituation «Frau streicht Hausfassade»
Behauchung /x/ → /h/, Frikativisierung von /ʎ/ → /ʃ/, Ausfall von /d/ in «na» (→ nada), ceceo, Kontraktion von intervokalischem /d/.
«está» ist nicht Blau hervorgehoben, diese Graphie soll aber wahrscheinlich die Apokope von /r/ repräsentieren.
Die absolute Verteilung der salienten phonetischen Merkmale zeigt, dass die am häufigsten vorkommenden Merkmale auch diejenigen sind, welche auf den T-Shirts verwendet werden, was sehr stark darauf schließen lässt, dass diese als prototypisch angesehen werden. Eine Besonderheit ist die Besprechung der Vokalöffnung im Expertendiskurs und die Velarisierung von /bwe/ zu /gwe/, wobei letzteres jedoch auf der gesamten Iberischen Halbinsel zu finden und somit auf struktureller Ebene nicht spezifisch andalusisch ist (Pountain 2017, 148). Zusätzlich ist zu erwähnen, dass nicht alle Merkmale – wie bereits auch im Fall der T-Shirts – konsequent graphisch hervorgehoben werden. Die graphische Hervorherbung der Vokalöffnung in «medievÉEE» ist noch als besonders hervorzuheben, da die Triplikation von sowohl der Pluralmarkierung als auch der phonetischen Längung und Intonationsänderung gilt, welche selbst als salient für das Andalusische einzustufen sind. Darüber hinaus ist noch zu erwähnen, dass die phonetischen Merkmale stark überwiegen, da der Diminutiv als syntaktisches salientes Merkmal viermal und die Nutzung von ustedes anstelle der 2. Person Plural (vosotros/as) mit einer zweifachen Nennung wesentlich seltener als die phonetischen salienten
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Absolute Verteilung salienter phonetischer Merkmale
Behauchung von /s/ -> /h/ (15x) Seseo (10x) Ceceo (10x) Kontraktion bei /ð/ (6x) Alternanz /r/ und /l/ (5x) Apokope weiterer Konsonanten (4x) Behauchung von /x/ -> /h/ (4x) Vokalöffnung (3x) Weitere Kontraktionen (2x) Apokope von /r/ -> ø (1x) Deaffrizierung von /tʃ-/ > /ʃ/ (1x) Aphärese /s/ (1x) Velarisierung /bwe/ -> /gwe/ (1x) Frikativisierung /ʎ-/> /ʃ/ (1x)
Grafik 3: Absolute Verteilung der salienten phonetischen Merkmale in der Reportage Tesis: Habla Andaluza.
Merkmale auftreten. Dennoch ist zumindest die Diminutivmarkierung höchst salient, was zuvor auch der Diskursbereich der T-Shirts gezeigt hat.186 7.2.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Zunächst ist es sinnvoll, bei der Analyse der Indices und indexikalischen Ordnungen die Aussagen des Sprechers aus dem Off, diejenigen der Sprachwis-
186 An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen werden, dass nach dem Libro de Estilo des Senders Canal Sur (cf. RTVE 2004, 218ss.) alle oben angegebenen andalusischen Merkmale bis auf den seseo und die Behauchung von /s/ in bestimmten Positionen zu vermeiden sind. Somit sind nach dem Stilbuch viele der Merkmale, die hier metapragmatisch besprochen werden, zu vermeiden.
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
211
senschaftler in ihrer Funktion als Experten und die untertitelten Situationen voneinander zu trennen, da sich diese nicht direkt aufeinander beziehen. Es gibt insgesamt vier Sequenzen, in denen der Sprecher aus dem Off durch die Reportage führt. Für dieses Unterkapitel sind die ersten beiden Sequenzen entscheidend, da sich in ihnen Instanzen der Nutzung von Indices 3. Grades zur Revalorisierung des Andalusischen finden lassen. In der Eröffnungssequenz greift der Sprecher die gesellschaftliche sprachideologische Setzung in Bezug auf das Andalusische auf und nimmt diese als Ausgangspunkt der Reportage: Man habe immer gesagt, dass in Andalusien schlecht gesprochen werde. Diese Annahme wird verbunden mit salienten Merkmalen, die die AndalusierInnen nach dieser Annahme verwenden: Apokope von /s/ und anderer Konsonanten («nos comemos los finales de las palabras»), den seseo und den ceceo. Hierauf folgt durch Suggestivfragen eine Neusetzung, die impliziert, dass weder das Andalusische inkorrektes Spanisch sei, noch eine einzige Art, das Andalusische zu sprechen, existiere. Es ist also bereits in der Eröffnungssequenz zu sehen, dass indexikalische Überlappungen zu erwarten sind, da die bisherige Zuschreibung des schlechten Sprechens zum Andalusischen nun angefochten wird. Für diese Neusetzung der ideologischen Bewertungsschemata werden saliente Merkmale herangezogen, um diese als sprachliches Werkzeug zur Revalorisierung zu nutzen, sodass hier eine Nutzung der Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades zu sehen ist. In der zweiten Sequenz des Sprechers wird auf weitere Merkmale eingegangen: Die Öffnung der Vokale am Wortende, die verschiedenen Realisierungen von /s/ und die Form der 2. Person Plural der Verbkonjugationsparadigmen (repräsentiert durch das Personalpronomen ustedes) sowie der seseo, ceceo und heheo werden besprochen. Die in der Reportage gezeigten Karten werden metadiskursiv besprochen, indem darauf hingewiesen wird, dass das Andalusische (habla andaluza) eine große Diversität aufweise und es mehr als 15 Realisierungsformen von /s/ gebe. Nach dieser Aussage wird noch der heheo expliziert und auf einer Karte eingezeichnet. Das Essentielle an diesen Darstellungen ist, dass die salienten Merkmale diatopisch spezifiziert in Karten eingetragen werden und die diatopische Variation des Andalusischen als Topos in den Vordergrund gerückt wird. Dass es sich hierbei um einen gängigen Topos bei der Revalorisierung handelt, wird in den nachfolgenden Diskursausschnitten noch deutlicher, aber bereits an dieser Stelle lässt sich sehen, dass die Darstellung der Diversität mittels diatopischer Einteilungen der Merkmale geschieht. Hierbei wird aber die Diversität konzeptionell mit Andalusien und der habla andaluza verknüpft, wobei die Revalorisierung über die Diversität des Andalusischen erfolgt, da diese als positiver Wert impliziert wird. Es handelt sich bei den besprochenen Merkmalen um Indices 3. Grades, da bereits saliente Merkmale aufgegriffen werden und
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
diese eine neue diskursive Setzung erfahren. Nach den Ausführungen bezüglich der zu verortenden Merkmale fährt der Sprecher fort und es wird die These entwickelt, dass die Nutzung der zuvor genannten Merkmale nicht primär diatopisch, sondern mit dem Bildungsgrad zu verbinden sei, da vor nicht einmal einem Jahrhundert die Analphabetenrate in Andalusien bis zu 70 Prozent betragen habe und dadurch der angebliche Minderwertigkeitskomplex (complejo de inferioridad) zu erklären sei. In der Folgesequenz wird dieser durch den Sprachwissenschaftler Rafael Cano noch näher diskutiert, aber hier wird bereits ersichtlich, dass die Präsuppositionen vorherrschen, dass zum einen die andalusische Gesellschaft heutzutage nicht mehr einen so hohen Analphabetismusgrad aufweist und zum anderen der Minderwertigkeitskomplex der AndalusierInnen in der Form nicht mehr existiert. Es handelt sich hierbei um rhetorische Strategien, die andalusische Gesellschaft als gebildeter und selbstbewusster darzustellen, was dazu führt, dass das soziale Ideal einer gebildeten und selbstbewussten Gesellschaft automatisch evoziert und damit einhergehend die andalusische Gesellschaft aufgewertet wird. Somit dient das Heranziehen der salienten Merkmale der Neubewertung der Gesellschaft Andalusiens und ihrer Sprechweise. Die Professoren für spanische Sprachwissenschaft, Rafael Cano und Antonio Narbona, sind jeweils in drei Sequenzen zu sehen und legen dort die Expertensichtweise dar. Dies ist für die Analyse der Reportage von zentraler Bedeutung, da die Expertensicht als Korrektiv laienlinguistischer Perspektiven auf das Andalusische angebracht wird. Zunächst gibt Cano in seiner ersten Expertensequenz an, dass nicht etwa der seseo oder ceceo die Merkmale seien, die Andalusien vom Norden der Iberischen Halbinsel trennen, sondern die verschiedenen Realisierungsformen von /s/. Es erfolgt also eine diskursive Korrektur der offenbar gängigen Meinung, dass der seseo und der ceceo Andalusien als distinktives Sprachgebiet kennzeichnen. Das eigentliche strukturelle Merkmal – die verschiedenen Realisierungsformen von /s/ –, das die Sprachgebiete teilt, stellt ein typisches Beispiel für die verschiedenen Indexikalitätsgrade dar, welche in der andalusischen Gesellschaft vorherrschen: Die Realisierungsformen von /s/ stellen Indices 1. Grades dar, da sie innerhalb eines sprachlichen Kontinuums von ExpertInnen als distinktiv erkannt werden, die SprecherInnen selbst sich dieser Variation aber nicht bewusst sind und somit auch keine situative bzw. kontextuelle Adaption – z.B. in Bezug auf die Standardsprache – im Sinne der Indexikalität 2. Grades vornehmen. Es lässt sich aus dieser Sequenz deduzieren, dass der seseo und ceceo typischerweise mit dem Andalusischen verknüpft werden und sie als Indices fungieren, welche das Andalusische selbst durch ihre Realisierung im Diskurs evozieren. Cano richtet die Aufmerksamkeit jedoch auf ein anderes Merkmal und korrigiert somit die von ihm identifizierte
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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laienlinguistische Perspektive durch die Expertenanalyse. In Canos zweiter Expertensequenz greift er die Annahme der Medien, es gebe in Andalusien einen Minderwertigkeitskomplex, auf und stellt dessen Existenz infrage. Er korrigiert den Sachverhalt aus seiner Sicht, indem er sagt, es handele sich nicht um einen Minderwertigkeitskomplex, sondern um die Tatsache, dass das Andalusische von SprecherInnen bescheidener bzw. armer Herkunft gesprochen wurde. Zusammen mit der Infragestellung des andalusischen Minderwertigkeitskomplexes wird eine neue Art der Valorisierung implizit evoziert, bei welcher die AndalusierInnen nicht mehr mit Komplexen und einer ärmlichen Herkunft zu verknüpfen seien. Die Negation führt zu einer Positivierung der Aussagen über die Gesellschaft Andalusiens, sodass diese als selbstbewusst und die Sprechweise nicht mehr als diejenige armer Menschen betrachtet wird. Dies entspricht einer Revalorisierung der diskursiven Varietät, da sie diastratisch neu eingerahmt und auf höhere Schichten übertragen wird. In der ersten Redesequenz Antonio Narbonas wird dargelegt, dass bei dem Versuch des Aufbaus einer eigenen Identität die Rekurrenz auf Unterschiede der Aussprache eine herausragende Rolle spiele. Dies erscheint Narbona aber schwierig, da es Merkmale gebe, die die AndalusierInnen von den KastilierInnen – warum genau diese und nicht auch andere spanischsprechende SprecherInnen des Nordens aufgeführt werden, ist nicht klar – zwar unterscheiden, einige Merkmale aber von den AndalusierInnen selbst nicht wertgeschätzt würden. Narbona führt hierbei den ceceo an, welcher im Norden und im Zentrum Spaniens nicht und nur sehr eingeschränkt in Lateinamerika benutzt werde. Das Konstatieren dieses Umstandes kann als eine Problematisierung des geringen Prestiges einiger Merkmale interpretiert werden, wobei Narbona in der zweiten Redesequenz seine Aussagen weiter ausführt und einen sprachlichen Handlungsspielraum aufzeigt: Wenn jemand glaube, dass sie/er für die Realisierung des ceceo ausgelacht werde, so könne sie/er sich dazu entscheiden, die Unterscheidung von /s/ und /θ/ oder aber den seseo zu realisieren. Er merkt zusätzlich an, dass es SprecherInnen in einer bestimmten Situation nicht für angebracht hielten, [ar‘karðe] (arcarde) oder [donar‘fonso] (Don Arfonso) zu sagen oder aber «die Laute zu verschlucken», was dem Umstand geschuldet sei, dass die SprecherInnen dies für die Situation als inadäquat ansähen und nicht ausschließlich das Ziel verfolgen, dass nicht über sie gelacht werde. Diese Sequenz ist sehr aufschlussreich für die verschiedenen indexikalischen Verknüpfungen der Merkmale, die von Narbona angesprochen werden: Der ceceo wird implizit als nicht adäquat für einen Großteil der Kommunikationssituationen angesehen, sodass die Alternative der Distinktion bzw. des seseo als neutraler erscheint. Signifikant ist hier die sprachideologische Erhöhung des seseo als Äquivalent zur Distinktion, sodass ein Index 3. Grades des Andalusischen metapragmatisch mit
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
der prestigereichen Distinktion gleichgestellt wird. Im Verhältnis dazu sind die Kontraktion, Apokope und Aphärese und die Alternanz zwischen /r/ und /l/ ähnlich wie der ceceo einzustufen. In dem in der Redesequenz angegebenen Beispiel wird dies deutlich, denn in distanzsprachlichen Situationen wie derjenigen, in welcher mit einem Bürgermeister (alcalde) oder einem Herrn höheren Ranges (Don Alfonso) gesprochen wird, sind diese Merkmale offenbar zu vermeiden. Es lässt sich also schlussfolgern, dass die zuvor genannten Merkmale allesamt dem Andalusischen zugeschrieben werden und eine Hierarchisierung ihrer Wertigkeit stattfindet, sodass einige Merkmale sprachideologisch als adäquat, andere als inadäquat eingerahmt werden, was einer diaphasischen Zuordnung entspräche. In der letzten Redesequenz Narbonas bespricht er den seiner Sicht nach inexistenten Einfluss der Medien auf die SprecherInnen, allerdings gebe es ein Problem für die Fachleute in den Medien, da diese sich von einem Minderwertigkeitskomplex befreien wollten und deswegen Andalusisch sprächen. Der Topos des Minderwertigkeitskomplexes wird also erneut aufgegriffen und als Grund für die Sprachwahl aufgeführt. Dies impliziert, dass der Gebrauch des Andalusischen als Reaktion auf den Minderwertigkeitskomplex in den Medien vermehrt zu beobachten ist, sodass indirekt von einer Ausweitung der Behandlung des Andalusischen in den Medien die Rede ist, was eindeutig auf eine Revalorisierung hinweist. Für den Bereich der Expertensequenzen ist zu sehen, dass diese die Laiensicht durch Differenzierung der Merkmale zu korrigieren versuchen, wobei die Experten als Repräsentanten der universitären Forschung als zentrierende Institution angesehen werden können, die durch ihre Aussagen versuchen, die Interpretationsund Auslegungshoheit über die in der Gesellschaft verbreiteten Diskurse über das Andalusische zu festigen. Die durch die Experten auf diese Weise diskursiv erschaffene «neutrale» ontologische Realität impliziert, dass das Andalusische bereits einen Stellenwert hat – der seseo als Option für distanzsprachliche Situationen zeigt dies – und eine Ausweitung auf andere kommunikative Kontexte in distanzsprachliche Bereiche wie die Medien stattgefunden hat. Durch die Differenzierung der von ihnen als Realität dargestellten Sachverhalte wird mittels der Indices 3. Grades – hier die Merkmale ceceo, Apokope, Aphärese, Kontraktion, Alternanz von /r/ und /l/ – sowohl ein armer bzw. bescheidener Hintergrund der SprecherInnen impliziert, andererseits können aber auch SprecherInnen höherer sozialer Schichten sowohl ihre andalusische Identität als auch ihren höheren sozialen Status durch prestigereichere andalusische Merkmale – seseo – indizieren. Die Expertenfrequenzen sind also als ambig einzustufen, da einerseits eine Revalorisierung des Andalusischen erfolgt, andererseits scheinen sie den Gebrauch aller Merkmale außer des seseo in distanzsprachlichen Kontexten abzulehnen.
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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Im starken Kontrast zu den Expertenaussagen stehen acht Alltagssequenzen, in welchen SprecherInnen in typischen andalusischen Alltagssituationen gezeigt und dabei deren Sprache durch Untertitel verdeutlicht wird. Die Gesprächssituationen sind alle in den Bereich der Nähesprache einzuordnen, da mit KollegInnen (Büro), FreundInnen (Bar, Alcázar, Strand) oder NachbarInnen (Bäckerei, Patio, Frau streicht Hausfassade) gesprochen wird. Die durch die Untertitel farblich markierten salienten Merkmale – nicht immer konstant für alle salienten Merkmale – werden durch diese Inszenierung mit einer Vielzahl an Alltagssituationen verknüpft, sodass es sich hier um einen Prozess der indexikalischen Überlappung handelt, bei welchem der Bereich der Nähesprache eindeutig mit den graphisch hervorgehobenen salienten Merkmalen verknüpft wird. Dies bedeutet, dass die Merkmale nun nicht mehr SprecherInnen allein niedrigerer sozialer Strata indizieren, sondern ihre Nutzung auf viele potentielle Alltagsbereiche ausgedehnt wird, sodass die Linie zum Standardspanischen nicht mehr primär diastratisch, sondern diaphasisch im Sinne einer Diglossie konstruiert wird. Die Merkmale indizieren somit eine nähesprachliche Situation einerseits und andererseits evozieren sie das Andalusische selbst, da die durch die Bildgebung erkennbar als «typisch andalusisch» markierten Orte (Bar, Alcázar, Patio, Strand) das Bild und damit letztendlich das soziale Wissen kreieren, dass an diesen andalusischen Orten so wie untertitelt gesprochen wird, wobei das Charakteristische die Merkmale sind, die graphisch hervorgehoben werden. 7.2.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Im vorherigen Kapitel ist schon angeklungen, dass die sprachideologische Setzung bereits ganz am Anfang der Reportage durch die Infragestellung der weit verbreiteten Annahme, dass man in Andalusien schlecht spreche, nun eine diskursive Änderung hervorbringt, bei welcher das Andalusische als korrekt für den distanzsprachlichen Bereich erscheint. Die Expertenkorrektur, dass einzig die verschiedenen Realisierungsformen von /s/ das restliche Sprachgebiet von Andalusien trennen, ist bezeichnend, da sich hieraus die Schlussfolgerung ergibt, dass Andalusien als Entität auf sprachlicher Ebene überhaupt erst durch ein strukturelles Merkmal zu fassen sei, sodass auf dieser Basis die Trennung und die Schaffung der Partikularität Andalusiens durch den Experten Cano diskursiv materialisiert wird. Der dahinterstehende Topos ist derjenige, welcher in der gesamten Reportage implizit die Hintergrundfolie bildet und darüber hinaus in sehr vielen Diskursen über das Andalusische explizit oder implizit metasprachlich thematisiert wird. Markant ist hierbei, dass einerseits die Diversität
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immer wieder betont und die Existenz einer einzigen Sprechweise für das gesamte andalusische Sprachgebiet negiert, andererseits aber dennoch eine sprachliche Grenze zum Norden gezogen wird. Dies ist der diskursive Moment, der entscheidend für die Konstruktion der diskursiven Varietät Andalusisch ist: Die sprachliche Variation wird durch bestimmte Merkmale diatopisch eingeteilt und dient im Diskurs zur Konstruktion einer diskursiv reifizierten Entität Andalusisch, welche selbst wieder Subeinheiten als hablas aufweise. Dies wird auch durch die Bildgebung deutlich, da bei der Besprechung der Merkmale durch den Sprecher die von ihm genannten Merkmale auf den Karten eingezeichnet werden, wobei die Karten nicht das gesamte Land darstellen, sondern die Merkmale nur in der Autonomen Region Andalusien eingezeichnet werden, was der Forschungsaussage widerspricht, dass kein einziges Merkmal ausschließlich in Andalusien zu finden sei (Narbona spricht jedoch auch von der Realisierung von /s/ als distinktivem Merkmal, sodass er sich selbst widerspricht, cf. Kapitel 3). Das Eintragen in die Karte Andalusiens suggeriert also, dass die politische Grenze Andalusiens auch eine gesellschaftliche bedingt, innerhalb welcher das Andalusische regionalspezifische Ausprägungen aufweist. Hierbei ergeben sich weitere Widersprüche, die elementarer Natur sind: So redet beispielweise Narbona davon, dass der ceceo von den AndalusierInnen selbst nicht wertgeschätzt werde. Derartige Setzungen evozieren jedoch eine kulturelle und politische Gesamtheit der AndalusierInnen als distinktive Gesellschaft, die eine spezifische Meinung zu diesem – ihrem – Merkmal habe. Durch diese Gruppenkonstruktion erfolgt eine Ko-Konstruktion des Andalusischen als diskursive Varietät, welche einerseits Merkmale aufweist, die als gut bewertet werden, andererseits aber auch solche aufweist, die von der solche Merkmale realisierenden Gruppe als schlecht bewertet werden. Dies wird durch die Aussage der dritten Expertensequenz Narbonas untermauert, indem der seseo für alle AndalusierInnen als gleichwertige Alternative zur Distinktion aufgeführt wird. Dies ist besonders hervorzuheben, da durch die Äquivalenzsetzung der beiden salienten Merkmale der seseo als hoch salientes Merkmal zur Indizierung des Andalusischen nun für den distanzsprachlichen Bereich als akzeptabel erscheint. In der Reportage lassen sich also zweierlei sprachideologische Prozesse erkennen: a) die Loslösung des Andalusischen von SprecherInnen niedriger Strata als einzige Nutzungsgruppe; b) die Ausdifferenzierung des Andalusischen in prestigereiche und prestigearme Merkmale, wobei erstere dem distanzsprachlichen Bereich zugeordnet werden können. Die entspricht konzeptionell einem andaluz culto, also einem Regionalstandard auf Basis der ideologischen Hintergrundfolie der standard language ideology (cf. Lippi-Green 1997, 64). Die Tatsache, dass sich in der gesamten Darstellung mit Ausnahme der verschiedenen Realisierungsformen von /s/ salienter Merkmale bedient wird, ist insofern auffällig, da zwar der Variationsreichtum
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des Andalusischen immer wieder betont wird, jedoch die absolute Mehrheit der verwendeten Merkmale, die metapragmatisch besprochen werden, solche sind, die typischerweise saliente Indices 3. Grades darstellen. Somit hat das Rekurrieren auf die Variation keine konkreten Bezüge zur Darstellung der strukturellen Komplexität zur Folge. Letztendlich werden also entgegen der Korrekturabsicht der Experten dennoch saliente Merkmale zur Indizierung des Andalusischen und dessen Subeinheiten herangezogen. Dies wird auch an der Diskussion um den sogenannten complejo de inferioridad deutlich, dessen aktuelle Existenz mit Vehemenz negiert wird. Durch die konzeptionelle Entkopplung des Andalusischen von SprecherInnen niedrigerer sozialer Strata und die Negation des Minderwertigkeitskomplexes wird die soziale Stellung der diskursiven Varietät erhöht und somit als übliche Sprache der AndalusierInnen sprachideologisch normalisiert. Die Konstruktion des Andalusischen als diskursive Varietät geschieht auch vor dem sprachideologischen Hintergrund der Annahme, dass AndalusierInnen vom Rest der Iberischen Halbinsel nicht verstanden würden. Die Aussage Rafael Canos, dass die Sprache in den Medien einen eigenen, höheren Stil darstelle, welcher von AndalusierInnen in den Medien – im Sinne des audience design (cf. Bell 1984) – genutzt werde, um von einem größtmöglichen Publikum verstanden zu werden, lässt auf die sprachideologische Konzeption einer starken Divergenz zu den Sprechweisen im Rest des Landes schließen. Dies impliziert, dass das Andalusische als diskursive Varietät eine derartige strukturelle (offenbar phonetische) Distanz zum Standardspanischen aufweist, dass die Anpassung daran eine Art Diglossie darstellt, bei welcher eine Annäherung an das Standardspanische stattfindet, um RezipientInnen, die das Andalusische angeblich nicht verstehen, erreichen zu können. Dieser supraregionale Gebrauch wird mit dem Gebrauch in Andalusien selbst kontrastiert, bei welchem das Andalusische als primäre Sprechform inszeniert durch die Alltagssituationen dargestellt wird. Hierbei handelt es sich um eine aktive und willentliche sprachideologische Setzung, welche soziales Wissen – hier: das Andalusische existiert dinglich als reifiziertes diskursives Konstrukt mit lokalen Partikularitäten – schafft und gleichzeitig diese diskursive Varietät auf den gesamten sozialen Raum Andalusien appliziert, indem sie es mit den darin existierenden SprecherInnen verknüpft. 7.2.1.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Die Analyse der Reportage hat gezeigt, dass das Andalusische qua Rekurrenz auf dessen Diversität sowie mittels salienter Merkmale diskursiv als reifiziertes diskursives Produkt selbst geschaffen und im Spannungsfeld überlappender In-
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dexikalitäten konstruiert wird. Der Hauptfokus liegt hierbei auf dem Topos der Variation, welche diskursiv positiv besetzt wird. Durch die graphische Hervorhebung der salienten Merkmale in den Untertiteln erhalten sie zusätzlich zur ihrer phonischen eine graphische Materialität, welche für die Veränderung der Perzeptionsmuster essentiell ist. Die Hervorhebung der salienten Merkmale suggeriert zum einen, dass «in Andalusien typischerweise so gesprochen wird», zum anderen wird durch die Inszenierung der Alltagssituationen und die Expertensequenzen eine soziale Normalisierung im Sinne der Angemessenheit des Andalusischen für alle Situationen des Alltags und sogar ansatzweise eine Äquivalenzsetzung des seseo mit der prestigereichen Distinktion [/s/ : /θ/] diskursiv geschaffen. Es handelt sich folglich um Prozesse des re-enregisterment der diskursiven Varietät, da durch die metasprachlichen Diskurse über das Andalusische und die graphische Materialität der salienten Merkmale diese selbst mit dem Andalusischen als Konstruktion verknüpft werden, wobei eine sprachideologische Ausweitung von sozial niedrigeren Strata auf höhere soziale Strata und eine Aufwertung der sozialen Stellung des Andalusischen die alten Perzeptionsmuster infrage stellen und eine neue sprachideologische Setzung des Andalusischen forcieren. Diese neue Verknüpfung dient einer zunehmenden Veränderung der Perzeptionsmuster, wobei die salienten Merkmale das Andalusische nun nicht mehr die Sprechweise Armer oder Ungebildeter indizieren, sondern die Sprache, derer sich alle AndalusierInnen in ihrem Alltag bedienen. Es kann somit aus diesem Diskursausschnitt deduziert werden, dass sich die diskursive Varietät in einem Revalorisierungsprozess befindet, der noch nicht abgeschlossen ist. Dass alte Evaluations- und auch Perzeptionsmuster immer noch existieren, ist ebenfalls anhand der Reportage zu sehen, da offenbar von Canal Sur die Notwendigkeit gesehen wurde, die Sprechweisen des Andalusischen zu beschreiben und dabei sprachwissenschaftlichen Professoren als Experten durch ihr kulturelles Kapital im Bourdieuschen Sinn187 einen größeren sozialen Resonanzraum zu verschaffen, um negative Evaluationsmuster zu verändern.
187 Dieses fundamentale soziologische Konzept ist in Bourdieu (1979) zu finden. Es wird hier genutzt, um die soziale Distinktion mittels verschiedener Kapitalformen – soziales, kulturelles, ökonomisches und symbolisches Kapital – zu analysieren. Das Heranziehen dieser Kategorien als Konzeptionalisierung soziologischer Ausdifferenzierungsprozesse und der Tradierung gesellschaftlicher Ungleichheiten ist daher sinnvoll für diese Arbeit, aber es soll dezidiert darauf hingewiesen werden, dass Bourdieu diese Kategorien als Instrumente zur Analyse und Explikation auf relativ fixe gesellschaftliche Konstellationen anwendet, wobei aus heutiger Sicht stark zu kritisieren ist, inwiefern diese Kategorien unumstößlich sind, da sie aus der zu analysierenden Gesellschaft selbst kommen müssen. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Annahme ist allerdings, dass Gesellschaften nicht unveränderbar sind und soziale AkteurInnen einen Gestaltungsspielraum zu Veränderungsprozessen haben, sodass
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Eine Reportage dieser Art hat zudem den Effekt, dass sie durch ihre Inszenierungsform selbst als faktizistisches Format durch Expertenwissen den Anschein wissenschaftlicher Korrektheit und Genauigkeit als symbolisches sowie kulturelles Kapital besitzt und sie damit Einfluss auf die Evalutionsschemata des Publikums haben kann. Im Speziellen ist hier die Verknüpfung der eigenen Lebenswelt der AndalusierInnen mit dem Expertenwissen über das Andalusische zu sehen, welche als Legitimationsgrundlage der Wissenskonstitution und -veränderung den Diskurs über das Andalusische beeinflusst. Es ist aber auch nicht außer Acht zu lassen, dass weiterhin spezifische saliente Merkmale als adäquat, andere als inädaquat für bestimmte distanzsprachliche Bereiche gesehen werden, was auf ein Paradoxon schließen lässt: Einerseits wird das Andalusische metasprachlich aufgewertet, andererseits wird für die Nutzung in distanzsprachlichen Situationen – hier: die Sprache in den Medien oder das Sprechen mit Autoritäten – das Standardspanische als die richtige Wahl dargestellt, wobei offenbar der seseo als indexikalisches Merkmal für das Andalusische der standardspanischen Realisierung der Distinktion als ebenbürtig gesetzt wird. Dies zeigt, dass es sich um Revalorisierungstendenzen handelt, welche aber nicht im Sinne einer kohärenten Agenda auftreten, sondern eine ganze Bandbreite an sozialen Aushandlungsprozessen zu verzeichnen ist.
7.2.2 Diskursausschnitt: YouTube-Video bzw. TV-Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento Die Reportage mit dem Titel En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento aus der Reihe Andalucía Directo ist ein Format des andalusischen TV-Senders Canal Sur, in welchem aktuelle gesellschaftliche, politische, historische und kulturelle Themen in Bezug auf Andalusien in kurzen aufeinanderfolgenden Beiträgen dargestellt und diskutiert werden. Die Sendung existiert seit 1998 im Abendprogramm und hat seitdem eine konstant hohe Zuschauerzahl (cf. Canal Sur 2017). Das Format beinhaltet normalerweise, dass eine Moderatorin oder ein Moderator sich auf die Suche nach für das Publikum interessanten Dingen in Andalusien macht. Das Thema «Andalusisch» bzw. das, was diesbezüglich gesellschaftlich in Andalusien geschieht, wird in der untersuchten Episode behandelt. Somit wird dem Thema einerseits Relevanz zugeschrie-
auch eine Revalorisierung von Sprache und somit eine Veränderung dessen, was kulturelles Kapital darstellt, möglich ist.
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ben, andererseits versucht, Informationen zu den gegenwärtigen Entwicklungen bezüglich des Andalusischen zusammenzutragen und dem Publikum näherzubringen. In dieser Reportage spricht die Moderatorin einerseits mit Menschen auf der Straße und in einem Restaurant über Andaluzismen, andererseits werden die Werke La lengua andaluza. Apuntes para su gramática y diccionario von Tomás Gutier (2010) und das Diccionario del habla granaína von Alfredo Leyva (2008), aber auch Defensa del habla andaluza von José María Vaz de Soto (1981)188 immer wieder gezeigt. Dabei wird Leyva zur Komposition des Wörterbuches und als Mitglied der Zoziedá pal Ehtudio ‘el Andalú (Z.E.A.) zur Stellung des Andalusischen befragt. Insgesamt werden zusätzlich einige SprecherInnen auf der Straße bzw. eine Köchin und ein Koch bezüglich des Andalusischen sowie Andaluzismen interviewt und ein Spanischlehrer zu dem, was er lehrt, befragt. Nicht alle Diskussionen zu Andaluzismen der Dokumentation werden hier transkribiert, da sie für diese Arbeit keinen zusätzlichen Mehrwert darstellen.
Grafik 4: Szene aus der Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento.
Titel des Videos: En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento Länge: 4’22
188 Bei Vaz de Sotos (1981) Werk Defensa del habla andaluza handelt es sich um eines der frühen zentralen Werke zur Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät in der postfranquistischen Zeit. Sehr viele Strömungen, die das Andalusische aufwerten, beziehen sich auf Vaz de Soto und die darin enthaltenen Aussagen zum andaluz culto und der Prestigeaussprache des Andalusischen, wie auch in der Analyse weiterer Diskursausschnitte zu sehen sein wird. In dieser Arbeit wird allerdings nur indirekt darauf verwiesen, da nur gegenwärtige Revalorisierungstendenzen analysiert werden.
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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Veröffentlichungsdatum auf YouTube: 29.10.2011 (ursprünglich bei Canal Sur; das genaue Ausstrahlungsdatum ist unbekannt, aber da neuere Werke z.B. von Gutier (2010) gezeigt werden, ist von einer Ausstrahlung im Jahre 2010 oder 2011 auszugehen) Aufrufe: 63.813 Moderatorin: A mil metros de altitud lo que a mí me hace falta es una pelliza. Alfredo Leyva: Un buen saquito [θa’kito]. Moderatorin: Un saquito [θa’kito], eso [eθo] [starke Betonung von «eso»] lo digo yo. Lo que vamos a dejar claro a todos los andaluces hoy es que estamos orgullosos de nuestra forma de hablar y de nuestras expresiones. ¿Les vamos a contar un poco más dónde? [Moderatorin hält ein Schild mit der Aufschrift «ANDALUZIA DIREHTO» in die Kamera.] Alfredo Leyva: En [andaluθia direhto]. Modertorin: [Interviewt eine Sprecherin auf der Straße; zunächst sprechen sie über ein Lexem, welches nur in Andalusien genutzt wird.] ¿Y cómo habla? Sprecherin 1: ¿Cómo hablo? Pues, muy mal, [starke Betonung] muy mal [mu ma], pero soy andaluza legítima. Sprecher aus dem Off: [Es werden die Werke La lengua andaluza von Tomás Gutier und Diccionario del habla granaína von Alfredo Leyva gezeigt, die Bildunterschrift lautet La identidad del acento andaluz.] No señora, no hablamos mal, hablamos en andaluz. Es nuestra seña de identidad, una de las principales del pueblo andaluz, reconocido por nuestros principales textos legales. Este es el empeño, entre otros, de la Sociedad del Estudio del Andaluz, que está realizando diccionarios de cómo hablamos en cada una de nuestras provincias. Hoy les retamos a que conozcan palabras como estas. [Es werden drei SprecherInnen gezeigt, die im Interview mit der Moderatorin spezifische Lexeme besprechen.] Moderatorin: [Liest zusammen mit Alfredo Leyva im Diccionario del habla granaína die Bedeutung des Lexems «esaborío» vor]. Persona sosa, sin gracia. Y también estamos en enritados [enri’tao] porque el tiempo no enrita. [Es ist die Bedeutung des Lexems «enritasión» zu sehen.] Alfredo Leyva: Nos enrita el tiempo. Son palabras propias nuestras que están correctas. Moderatorin: Correctas en andaluz y, de hecho, se recogen en diccionarios andaluces como los que están haciendo como La lengua andaluza e incluso uno del habla granaína. [Daraufhin sieht man eine Köchin, die ihren Gästen Essen bringt und dabei typisch andalusische Lexeme nutzt. Die Moderatorin und Alfredo Leyva sind in dem Lokal und sprechen mit der Köchin.] Alfredo Leyva: Los que creen que hablamos mal se han equivocado. Gast: Tenemos que hablar como sabemos y ya está. Köchin: Cada uno habla como pueda porque a mí me parece que hablan muy ligeros los catalanes y no lo entiendo.
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Moderatorin: Hay algunos por aquí que me han dicho que se dice por aquí que ‹¡Míralo! ¡Que bajo potendío!›, [starke Betonung auf «potendío»] ¿qué es ‹potendío›? Koch: Es que es rápido. Alfredo Leyva: ‹Potendío› es cuando un animal va corriendo el ‹hopo› [Andaluzismus] que es un rabo lo pone tieso y eso es rápido. [Danach spricht die Moderatorin mit einem älteren Mann auf der Straße über einen Andaluzismus.] Alfredo Leyva: [Das Diccionario ist aufgeschlagen im Bild.] Todas las expresiones que hay forman parte de nuestra cultura, son parte de nuestro pasado y tenemos que guardar nuestra identidad. Moderatorin: [Sitzt zusammen mit Alfredo Leyva und sie schauen auf ein Schild mit der Aufschrift «ZOZIEDÁ PAL EHTUDIO ‘EL ANDALÚ».] ‹ZOZIEDÁ PAL EHTUDIO ‘EL ANDALÚ› Así es cómo se escribe. Alfredo Leyva: Así se escribe. Moderatorin: ¿Y de qué va esto? Alfredo Leyva: Pues es una asociación de gente que defendemos el andaluz, gente con estudios, gente preparada para defender nuestras raíces, defender nuestra identidad y hacer ver que nosotros hablamos bien. Tenemos una lengua y tenemos que defenderla. Moderatorin: [Liest aus dem Diccionario] Diccionario del habla granaína, ‹garbaná›, eso no he escuchado en mi vida, ¿he? [Der Eintrag «mihílla» wird gezeigt.] ‹Mihílla› [Liest die Definition vor] ‹Frahmento mu chico de argo. Se utilisa pa pedíh argo quitándole importansia a la petisión.› Lehrer: Lo que se ha hecho es transcribir tal como se habla. [Der Lehrer wird eingeblendet.] Moderatorin: Este profesor a diario quiere que su mensaje llegue a sus alumnos, pero eso sí sin perder su acento. Lehrer: Sí, sí, sí, se me ha occurrido más de una vez y entonces yo les digo muy sencillamente, digo que yo hablo como me han enseñado desde pequeño y no quiero perder mi raíz, mi forma de hablar. [Das Bild schwenkt über zu Alfredo Leyva.] Alfredo Leyva: Hablamos como se habla en Andalucía, es nuestra forma de hablar y así es lo que hay que mantener. Moderatorin: Hoy en Tosa, Granada, nos demostraron que podemos ser [anda’luθɛ] o [anda’lusɛ] con zeta o con ese, un deje en cada rincón de esta tierra. Ahí en el lenguaje también está gran parte de nuestra riqueza. [Es wird das Werk Defensa del habla andaluza von José María Vaz de Soto eingeblendet und andalusische Musik gespielt.]
7.2.2.1 Darstellung der salienten Merkmale Eine komplette Auflistung aller genutzten salienten Merkmale soll für diesen Diskursausschnitt nicht erfolgen, da bedingt durch die Kürze des Beitrages und die Vielzahl der Gesprächssituationen diejenigen Szenen genauer betrachtet
7.2 Diskursbereich: Öffentliche Diskurse in Medien bzw. sozialen Medien
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werden sollen, in welchen saliente Merkmale gezielt in Identitätsakten herangezogen werden. Insofern sollen lediglich die in der Situation gebrauchten Indices 3. Grades hier aufgeführt werden. Tabelle 4: Auflistung der salienten Merkmale in der Reportage En defensa del andaluz: orgullosos de nuestro acento. Diskurssituation
saliente Merkmale
Einführung in das Ceceo, Behauchung des Thema (Moderatorin Konsonanten in der Silbenkoda und Leyva) (/di’rekto/ → [di’rehto]).
Sprecherin
Apokope von /i/ («mu» → muy) und /l/ («ma» → mal).
Lesen aus dem Wörterbuch: Eintrag «esaborío»
Aphärese, Kontraktion intervokalischen /d/ (/desaßo’riðo/ → [esaßo’rio]), Apokope von /s/, seseo ([enri’tao] bzw. «enritasión»).
Besprechung des Lexems «potendío»
Kontraktion von intervokalischem /d/.
Besprechung der Z.E.A.
Ceceo, Apokope von /d/, Kontraktion («pal» → para el), Behauchung von /s/ in der Silbenkoda, Kontraktion bzw. Aphärese von /d/ («‘el» → del), Apokope von /θ/.
Lesen aus dem Wörterbuch: Eintrag «mihílla»
Der Eintrag selbst hat keine standardspanische Entsprechung. Im Eintrag: Behauchung von /ɣ/ in der Silbenkoda, Apokope von /i/, Alternanz /r/ und /l/, seseo, Kontraktion bei «pa» (→ para).
weitere Auffälligkeiten eye-dialect-Form bei «Andaluzía» (→ Andalucía); wahrscheinlich genutzt zur Darstellung, dass von den dargestellten SprecherInnen der ceceo genutzt wird oder die Orthographieregeln der Z.E.A. angewandt wurden.
Abschluss durch die Seseo, ceceo. Moderatorin
Eine Reihe salienter Merkmale werden metapragmatisch besprochen oder durch Intonation hervorgehoben («un saquito», «esaborío», «potendío»‚ «[anda’luθɛ] o
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[anda’lusɛ] con zeta o con ese»), andere graphisch durch die Verwendung einer devianten Graphie herausgehoben («Andaluzía direhto», die Einträge im Wörterbuch). Das Schild mit der Aufschrift «Andaluzía direhto», das am Anfang der Reportage gezeigt wird, und die Wörterbucheinträge stechen hier besonders deutlich als deviant hervor, da sie nicht in einer eigentlich zu erwartenden standardspanischen Orthographie «Andalucía» wiedergegeben werden. Es wird ersichtlich, dass alle hier aufgeführten Merkmale mit denjenigen der zuvor analysierten Diskursausschnitte übereinstimmen. Besonders ist hervorzuheben, dass bei «Andaluzía» nicht eindeutig gesagt werden kann, ob es sich hier um den Versuch der graphischen Repräsentation des ceceo als eye-dialect-Form handelt oder ob eine der vorgeschlagenen Orthographien der Z.E.A. (Zoziedá pal Ehtudio ‘el Andalú) (2016) angewandt wird.189 Es bleibt aber festzuhalten, dass beide Interpretationen durch die Änderung der Graphie nicht nur an dieser Stelle die Realisierung von /θ/ – wie es auch im Standardspanischen der Fall ist – signalisieren wollen, sondern die andalusische Graphie hier vielmehr impliziert, dass an Stellen, an welchen /s/ nach dem Standardspanischen realisiert werden würde, /θ/ auch realisiert wird bzw. werden kann. Somit handelt es sich um ein übergreifendes Phänomen, das die andalusische (Ortho-)Graphie selbst betrifft und nicht nur singulär die Realisierung in «Andaluzía». 7.2.2.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Die Setzung, dass das Andalusische in diesem Beitrag der Reihe Andalucía Directo eine große Rolle spielt, wird bereits ganz am Anfang des Beitrags deutlich, wenn die Moderatorin mit Nachdruck betont, dass sie selbst «saquito» [θa’kito] sagt und /s/ als [θ] realisiert. Es handelt sich also durch die Realisierung des ceceo um einen gezielten Einsatz des Phänomens als Index 3. Grades, da die Moderatorin dies nachdrücklich als ihre eigene Form der Realisierung darlegt und darauffolgend darstellt, dass in dem Beitrag allen AndalusierInnen klargemacht werden solle, dass sie stolz auf ihre Art zu sprechen und ihre eigenen sprachlichen Ausdrücke sein können. Der ceceo wird also aktiv durch die Moderatorin verwendet, um die Stellung des Andalusischen zu besprechen und den Stolz darauf zu betonen. Es wird also ein Identitätsakt vollzogen, indem durch den akti-
189 In der Z.E.A. gibt es verschiedene Strömungen bezüglich der Adaption einer einheitlichen Orthographie. Hierunter gibt es vor allem in den Actas der Z.E.A. (2016) zwei ausgereifte Vorschläge von Huan Porrah Blanko einerseits und Tomás Gutier und Paco Arbadulí andererseits. Die Vorschläge werden ausführlicher in Kapitel 7.5.1. behandelt.
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ven Gebrauch des salienten Merkmals in seiner Funktion als Index 3. Grades die eigene Identität hervorgehoben und aufgewertet wird. In der nächsten Sequenz wird der Titel der Sendung Andalucía Directo dann als Andaluzía Direhto wiedergegeben und wieder saliente Merkmale zum Herausstellen der eigenen Sprechweise herangezogen. Durch die graphische Devianz, welche durch die aktive Kreation der Andersartigkeit von der Standardorthographie ihre Devianzerscheinung erhält, wird Andalusien mit dem Konzept einer eigenen graphischen Sprachform verknüpft, deren Materialität aus salienten Merkmalen besteht. Dadurch handelt es sich um eine Ko-Evokation: Einerseits evoziert das Lexem «Andaluzía» die Vorstellung Andalusiens als kulturellen Raum, andererseits suggeriert die graphische Wiedergabe von /θ/ als eine sprachliche Partikularität, welche durch die gemeinsame Erscheinungsform mit dem kulturellen Raum verbunden wird. Durch die Aussage der Anfangssequenz wird diese Verbindung positiv besetzt, was bedeutet, dass sowohl Andalusien als auch die damit verknüpfte Sprechweise positiv gerahmt werden. In der darauf folgenden Szene ergibt sich eine paradoxe Situation, in der die Sprecherin ihre eigene Sprechweise als «[mu ma]» () beschreibt, sich aber selbst als «andaluza legítima» charakterisiert. Die Apokope auslautender Konsonanten (und zum Teil auch Vokale; hier: /i/) wird hier realisiert und betont, sodass das eigene Sprechen zunächst als «sehr schlecht» dargestellt wird, jedoch erfolgt eine starke Verkehrung der Selbstbewertung der Sprecherin, als sie sich als «legitime» – also als echte und wahrhaftige – Andalusierin beschreibt. Das Spannungsfeld überlappender Indexikalitäten wird hier durch die konträre Bewertung der Sprechweise und der Provenienz sehr deutlich, da konkurrierende Evaluationsschemata aufeinandertreffen. Es ist also zu sehen, dass die Sprechweise indiziert und stilisiert durch die Sprecherin selbst als schlecht dargestellt wird, dieser Befund durch die positive Besprechung der Provenienz aber aufgewogen wird. Diese Sequenz lässt darauf schließen, dass die Bewertungsschemata nicht fix sind, sondern sich in einem Spannungsfeld bewegen, in welchem die negative Bewertung zur Disposition gestellt und von einer positiven Selbstbewertung überlagert wird. Die nächste für die Analyse der indexikalischen Ordnungen relevante Sequenz ist diejenige, in welcher sich die Moderatorin und Leyva zusammen im Wörterbuch die Einträge zu «esaborío» und «enritasión» ansehen. Durch die Definitionen der Lexeme und deren Setzung in einer andalusischen Graphie werden sehr saliente Merkmale zur Abgrenzung vom Standardspanischen einerseits und zur Betonung der eigenen Eigenständigkeit andererseits verwendet. Die zweite Sequenz dieser Art, in welcher beide den Eintrag «mihílla» aus dem Wörterbuch lesen, macht dies besonders deutlich, da die in dem Wörterbuch verwendete Graphie keine Maximalabgrenzung zur Orthographie des Standardspanischen aufweist – so wird z.B. in manchen Orthographievorschlä-
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gen der Laut /k/ (Standardspanisch: ) konsequent als repräsentiert, was hier nicht der Fall ist. Es handelt sich also bei der im Wörterbuch gewählten Graphie grundsätzlich um das Standardspanische als Matrixorthographie, in welcher die salienten Merkmale zur Differenzierung genutzt werden. Es ist somit ein hybrides Konstrukt mit Anteilen aus dem Standardspanischen und sehr salienten Merkmalen des Andalusischen (hier: des Granadischen), die aber nicht gänzlich einer konzeptionellen Mündlichkeit und ihrer Verschriftung obliegen, da die Standardelemente die Einträge gut lesbar machen. Diese salienten phonetischen Merkmale werden in beiden Sequenzen mit Andaluzismen verbunden, sodass klar wird, dass sowohl die Aussprache als auch die Lexik eine große Eigenständigkeit aufweisen. Diese Verknüpfungen werden mit Evaluationen versehen: Zunächst wird gesagt, dass es sich um andalusische Wörter handele und besonders betont, dass diese korrekt seien. Die gezielte Betonung bedeutet also eine diskursive Gegenposition zu vorherigen Richtig-Falsch-Bezügen und stellt die andalusischen Lexeme und deren andalusische Aussprache nicht mehr als deviant, sondern als im Andalusischen korrekt dar, was noch durch die Aussage Leyvas unterstützt wird, dass alle diejenigen, die glauben, dass AndalusierInnen schlecht sprechen, sich geirrt hätten. Die phonetischen und lexikalischen Merkmale werden folglich genutzt, um eine explizite Gegenposition zu einem gängigen gesellschaftlichen Diskurs über die Einstufung des Andalusischen als inkorrekt zu entwickeln. Es handelt sich somit um einen gezielten Versuch zur Revalorisierung des Andalusischen mittels salienter Merkmale. In der nächsten relevanten Szene hält die Moderatorin ein Schild mit der Aufschrift «Zoziedá pal Ehtudio ‘el Andalú» in die Kamera und liest es dem Publikum vor. Die Inszenierung hier ist von großer Wichtigkeit, da die Moderatorin nicht etwa nur erwähnt, dass Leyva Mitglied der Z.E.A. ist, sondern der Name in der andalusischen Graphie ausgeschrieben und laut vorgetragen wird, um zu betonen, dass es sich bei Merkmalen wie der Apokope etc. nicht nur um Phänomene der Mündlichkeit handelt, sondern diese nun auch auf die Schriftlichkeit ausgeweitet werden. Der Titel der Z.E.A. ist für an die Standardorthographie gewöhnten RezipientInnen jedoch verständlich, allerdings zeichnet er sich dennoch durch eine Distanz zum Standard aus: anstatt in «zoziedá» und für alle Sibilanten auch für in «ehtudio», die Kontraktion bei «pal» und die Apokope bei «andalú» erscheinen sofort als «typisch» andalusisch. Die Nutzung anderer Grapheme an spezifischen Stellen bedeutet die sprachideologische Setzung eines eigenständigen, vom Standardspanischen unabhängigen Systems. Hierbei wird auf saliente Merkmale gesetzt, um den RezipientInnen sofort durch eine perzeptionsorientierte Distanz klarzumachen, dass es sich a) um das Andalusische handelt, und b) dieses konzeptionell vom Standardspanischen zu unterscheiden und als eigenständig einzustufen ist. Hierbei spielt die Ebene der Indexikalität 3. Grades die entschei-
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dende Rolle, denn erst durch sie wird der ideologische Schritt des Herausstellens der sprachlichen Eigenständigkeit des Andalusischen als stark differenzierte Varietät deutlich, die nicht zwingend in dialektalen Repräsentationen – wie z.B. bei den T-Shirts in Kapitel 7.1 – intendiert wird, da diese immer noch als Varietät des Spanischen erscheinen. Dies stellt die Wichtigkeit heraus, Merkmale kontextgebunden und nach ihrem Indexikalitätsgrad unterschieden zu analysieren: In diesem Ausschnitt ist ganz deutlich zu sehen, dass die Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades als Instrument zur aktiven sozialen Gegenpositionierung dienen und nicht lediglich mündlichen Sprachgebrauch schriftlich darstellen sollen. Die letzte signifikante Instanz der Nutzung salienter Merkmale als Indices 3. Grades ist in den Schlussworten der Moderatorin zu sehen: Sie sagt, dass in der Reportage bewiesen werden konnte, dass [anda’luθɛ] oder [anda’lusɛ] mit oder – hierbei geht sie primär von der Graphie aus und schließt dann auf die phonische Realisierung –Zeichen des Akzentes überall in Andalusien sein können. Obwohl /θ/ in [anda’luθɛ] der Standardaussprache entspricht, kann hier davon ausgegangen werden, dass damit der ceceo als sehr salientes Merkmal durch die Realisierung als [anda’luθɛ] hervorgehoben werden soll, zumal es auch in Verbindung mit dem in [anda’lusɛ] realisierten seseo genannt und zusätzlich die Grapheme und als Kennzeichen angeführt werden. Zwei Merkmale (seseo und ceceo), die eine außerordentliche Salienz in Bezug auf das Andalusische aufweisen, werden mit dem existenziellen Lexem «andaluces» in Verbindung gebracht, sodass klar eine Verbindung zwischen der Provenienz und der Aussprache diskursiv hergestellt wird. Beide Phänomene gehören also zu AndalusierInnen und zu ihrer Sprechweise, welche «un eje en cada rincón de esta tierra» darstellt, also Variation aufweist, welche als großer Reichtum Andalusiens dargestellt wird. Dem Prozess der essentialistischen Verknüpfung der Merkmale mit dem AndalusierIn-Sein liegt die ideologische Bewertung von Variation als Positivum zugrunde, von welcher aus das Andalusische und dessen Variation positiv gerahmt werden. Es liegt folglich mehr als die einfache Nutzung von Merkmalen vor: Mittels der Nutzung von und Rekurrenz auf die Merkmale ceceo und seseo erfolgt eine Revalorisierung vor dem Hintergrund der Geringschätzung des Andalusischen, die bei der Analyse immer mitgedacht werden muss, denn nur dadurch erklärt sich die Notwendigkeit, das Andalusische zu revalorisieren. 7.2.2.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Konzeptionell wird in der Reportage davon ausgegangen, dass das Andalusische im Allgemeinen als schlecht bzw. inkorrekt bewertet wird, sodass diese
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Hintergrundfolie zu einem Hauptdiskurspunkt wird, von welchem aus die Argumentationsstränge zur Revalorisierung kreiert werden. Der Setzung des Beitrages – «wir AndalusierInnen sind stolz auf unsere Art zu sprechen» – folgt zunächst ein Aufgreifen der konträren Position, da die erste Sprecherin sagt, sie spreche «sehr schlecht». Die in der Lebenswelt des Publikums offenbar vorhandene sprachideologische Grundannahme wird also zunächst bestätigt, wobei der gesamte Rest des Beitrages dazu verwendet wird, dieser Grundannahme zu widersprechen, diese mittels einer diskursiven Gegenposition ins Gegenteil zu verkehren und das Andalusische und dessen Variation im Zuge dieser Argumentationsstränge als eigenständige und mit einem hohen Wert versehene Varietät zu konstruieren. Zur Untermauerung der diskursiven Gegenposition werden dann die Werke von Gutier und Leyva gezeigt, um deutlich zu machen, dass es Literatur von Autoritäten zu dem Thema gibt, sodass hierdurch die Revalorisierung durch das Heranziehen dieser Autoritäten diskursiv legitimiert wird. Die Bildunterschrift «La identidad del acento andaluz» erzeugt eine weitere Verknüpfung, denn die positive Neurahmung des Andalusischen und die Legitimierungsstrategien werden diskursiv durch die thematische Setzung der «Identität des andalusischen Akzents» untermauert. Es handelt sich um eine diskursive Reifizierung des Andalusischen als diskursives Objekt – der andalusische Akzent –, welches eine Identität hat. Es wird somit durch diese diskursive Reifizierung als existierender Gegenstand konstruiert. Das auf diese Weise diskursiv erschaffene Andalusische in der Konzeption eines Akzents wird also eindeutig positiv besprochen, denn der Sprecher aus dem Off korrigiert die Aussage der Sprecherin, indem er sagt, dass man in Andalusien nicht schlecht, sondern Andalusisch spreche. Er spezifiziert seine Aussage durch die Erklärung, dass das Andalusische eines der Hauptidentitätsmerkmale der andalusischen Gesellschaft sei. Er unterstreicht diese Behauptung durch die Referenz auf die Anerkennung in den juristischen Haupttexten. Es erfolgt eine stetige Verbindung von einer Bevölkerung und einer Sprache, und die diskursive Rahmung in ein positiv besetztes Narrativ führt dazu, dass die zuvor genannte Verbindung revalorisiert wird. Das positive Narrativ verkehrt die vorherigen, negativ besetzten Annahmen – das Andalusische existiert als solches nicht und ist ein Gemisch aus disparaten Sprechweisen; das Andalusische wird von SprecherInnen unterer sozialer Strata mit geringer Bildung etc. gesprochen – ins Positive. Disparate Sprechweisen fallen nun unter das Konstrukt der reifizierten diskursiven Varietät Andalusisch, und Variationsphänomene werden als Reichtum des Andalusischen dargestellt und das Andalusische als genuine und legitime Sprache der «echten» AndalusierInnen sowie als Dach andalusischer Subvarietäten gerahmt. Die in der nächsten Sequenz vorgestellte Z.E.A. wird als legitime Institution, welche u.a. Wörterbücher zum Andalusischen oder aber Werke wie La lengua
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andaluza verfasst, dargestellt. Diese Darstellung dient zur Legitimation des positiven Narrativs, da Institutionen durch ihr kulturelles Kapital soziale Autorität erhalten, welches dazu dient, die Rechtmäßigkeit der Revalorisierung zu verdeutlichen. In einer späteren Sequenz spricht Leyva in der Funktion als Mitglied der Z.E.A. und erklärt, dass es sich um eine Institution handele, die das Andalusische verteidigt. Es handele sich dabei um studierte Menschen, die bereit seien, das Andalusische, die eigenen Wurzeln und die eigene Identität zu verteidigen und anderen Menschen zu vermitteln, dass die AndalusierInnen richtig sprächen. Auch hier wird durch den Hinweis darauf, dass es sich um studierte Menschen handelt, auf das kulturelle Kapital dieser Menschen als solche, die die soziale Legitimität zu profunden und wahrhaftigen Aussagen haben, rekurriert. Für diese Interpretation spricht auch eine der letzten Szenen, in der ein Lehrer, der offenbar Mitglied der Z.E.A. ist, interviewt wird. Durch seine Aussage ist zu vermuten, dass er bereits öfter gehört hat, dass AndalusierInnen schlecht sprechen. Seiner Aussage nach erwidert er seinen SchülerInnen dann, dass er so spreche, wie er es gelernt habe und er nicht seine Wurzeln oder seine Identität verlieren wolle. Erneut werden Sprache und Identität miteinander verknüpft, wobei in dieser Sequenz ein weiterer wichtiger Punkt hinzukommt: die Historisierung. Wie bereits in anderen Sequenzen wird auf die Bedeutung der Wurzeln angespielt, welche als erhaltenswert dargestellt werden. Somit kommt dem Narrativ ein weiteres wichtiges Element zu, und zwar dass Geschichtlichkeit an Sprache geknüpft ist, wobei der Verlust des Andalusischen dem Verlust der eigenen Wurzeln gleichkäme. Es ergibt sich also eine Verknüpfung bestehend aus vier diskursiven Grundelementen, die durch saliente Merkmale als Indices 3. Grades transportiert werden: a) das Andalusische als diskursive Varietät wird mit b) der eigenen Geschichte und derjenigen der andalusischen Gesellschaft sowie c) dem sozialen Raum Andalusien und d) der eigenen und gesellschaftlichen Identität verknüpft und dadurch konstruiert. 7.2.2.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch die Analyse dieser Reportage deutlich wird, dass ein Gegendiskurs zur Geringschätzung des Andalusischen existiert, der auf vielfältige Weise das Andalusische mittels salienter Merkmale als Indices 3. Grades diskursiv erschafft und mit positiven Zuschreibungen, historischer Tiefe und einer als positiv gewerteten Identität verknüpft. Es ist zu sehen, dass als Gegenbewegung zur vorherigen Geringschätzung des Andalusischen reenregisterment-Prozesse existieren, in welchen versucht wird, die soziale Stellung
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des Andalusischen auszubauen und den Wert, den die andalusische Gesellschaft ihm zuschreibt, zu erhöhen. Hierbei wird insbesondere auf kulturelle Eliten – hier: studierte Menschen – zurückgegriffen, um durch ihr kulturelles Kapital der Neusetzung des Narrativs soziale Legitimität zu verleihen. Die Tatsache, dass dies in einer Sendung für ein breites Publikum auf diese Weise aufgearbeitet und verbreitet wird, lässt darauf schließen, dass die Revalorisierung des Andalusischen nicht als marginal eingestuft werden kann. Allein das Faktum, dass Canal Sur Wert auf die Verbreitung solcher Diskurse legt, zeigt, dass gewisse Autoritäten sich dieses Diskurses bewusst sind und ihn als legitim ansehen. Durch die Beliebtheit des Programmes im TV und durch die hohe Zahl an Klicks in anderen Medien – hier YouTube –, die zur Diffusion beitragen, lässt sich schlussfolgern, dass die Revalorisierung nicht nur ein Randphänomen ist, sondern bereits einen Gegendiskurs innerhalb der Gesellschaft darstellt.
7.2.3 Diskursausschnitt: Lied der Gruppe FRAC Denominasión de orihen Das Lied Denominasión de orihen der Gruppe Fundación de Raperos Atípicos de Cádiz (FRAC) aus dem Jahr 2013 ist dem spanischen Genre des kritischen HipHops zuzuordnen und steht damit in Verbindung mit dem erfolgreichen Rock andaluz. Linksgerichtete und linksautonome bzw. linksnationalistische Musikgruppen streben seit der Zeit der Transición bis heute nach einer kritischen Haltung zum «Zentralstaat», zu Rassismus und Kapitalismus. Das Andalusische spielt hierbei eine zentrale Rolle, da es in den Liedern und Texten als Differenzierungsmerkmal zu der Sprache derjenigen gilt, die sie kritisieren wollen (García Peinazo 2013, 315ss.). In vielen Liedern der FRAC wird das Andalusische als positives Merkmal andalusischer Identität aufgegriffen, und das hier zu untersuchende Lied wird exemplarisch herausgegriffen, da das Andalusische das zentrale sujet des Liedes darstellt. Der Analysegegenstand dieses Unterkapitels ist nicht das gerappte Lied als solches, sondern der auf der Internetseite der Gruppe angegebene Liedtext (FRAC 2017) und die dort zu findende Einführung in das Lied. Dies ist im Besonderen von Vorteil für diese Arbeit, da es möglich ist, den durch die Gruppe selbst auf der Internetseite veröffentlichten Text sowie die darin zu findende Nutzung der salienten Merkmale in der Graphie zu sehen, sodass es deutlicher als im gerappten Lied wird, welche Merkmale metapragmatisch hervorgehoben werden sollen. Darüber hinaus ist die tatsächliche Realisierung für diese Arbeit nicht entscheidend, da es nicht darum geht, Diskrepanzen zwischen tatsächlicher Realisierung und metapragmatisch hervorgehobenen bzw. besprochenen
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Merkmalen 3. Grades herauszufiltern, sondern vielmehr darum, zu zeigen, wie die Merkmale zur Revalorisierung herangezogen werden.190 Die Gruppe FRAC ist generell den linken Strömungen in Andalusien zuzuordnen, welche es als ihr Ziel erklären, gegen die Fremdbestimmung dominierter durch dominierende Gruppen zu kämpfen (Lacomba 2006, 305s.). Hinzu kommt hierbei eine Wiederaneignung der eigenen Identität im Spannungsfeld von Globalisierung und Lokalisierung, da durch das übertragene Bild Andalusiens auf das gesamte Land Spanien, das vor allem auf internationaler Ebene zu wirtschaftlichen Zwecken transportiert wird, die Gefahr der Fremdaneignung gesehen wird. Die eigene Identität soll sich aber in Andalusien wiederangeeignet werden, um das Eigene vom Fremden – hier also dem Rest Spaniens – abzugrenzen (Laboma 2006, 306). Hierbei liegt der Fokus auf Differentiationseinheiten, welche es erlauben, diese soziale Distinktion diskursiv durchzuführen, um das Eigene zu kreieren und vom Fremden unterscheidbar zu machen. Das Andalusische spielt hierbei eine große Rolle in linken Bewegungen, da es zur ideologischen Unterstreichung der eigenen Authentizität gegenüber der ideologischen Anonymisierung und Entkopplung von spezifischen Ethnien des Standardspanischen auf globaler Ebene dient (cf. Paffey 2014). Das Standardspanische als international gelernte Sprache und als kommodifiziertes Gut in Form einer in Sprachzertifikaten kapitalistisch erwerbbaren Sprache wird nicht als geeignet angesehen, die eigene Identität auszudrücken, da Identität zwangsläufig partikulär ist und nicht universell sein kann. Darüber hinaus wird das Standardspanische, das sprachideologisch als das Normspanische des Nordens gesetzt wird, oft mit dem Gesamtstaat sowie konservativeren politischen Strömungen in Verbindung gebracht. Das Andalusische als diskursive Varietät dient Gruppen des linken Spektrums somit zur authentifizierten Darstellung der eigenen Identität. Dabei werden saliente Merkmale herangezogen, um diese Identität in Identitätsakten hervorzuheben, was durch die sprachideologische «Unsichtbarkeit» und Primärsetzung der Merkmale der dominierenden Varietät – hier des Standardspanischen – ermöglicht wird.
190 Es soll trotzdem an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Text nicht kohärent versucht, alle Merkmale in allen Fällen graphisch different wiederzugeben. Zu nennen sind hier exemplarisch die Lexeme «castellano» (Zeile 3) und «nuestra» (Zeile 12), wobei diese im Lied selbst als [kahte‘jano] bzw. [‘nwehtra] realisiert werden, während die Standardaussprache [kaste‘ʎano] bzw. [‘nwestra] entspricht. Bei diesen Lexemen werden weder die hochgradig saliente Behauchung von /s/ in der Silbenkoda noch der yeísmo in der verschriftlichten Fassung berücksichtigt, bei anderen Lexemen wie z.B. «naturihta» (Zeile 48), wo /s/ als [h] anstelle der Standardrealisierung [s] realisiert wird ([natur‘ihta]), jedoch schon.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
DENOMINACIÓN DE ORIHEN Descripción: Álbum: Por encima de nuestras posibilidades (2013) Ehcribí y ehpresahnoh en Andalú eh una parte primordiá de la FRAC (Fundación de Raperos Atípicos de Cádiz), creemoh que tenemoh un idioma con mushoh recursoh, un idioma que noh ayuda en la métrica, la rima y la ehpresión. . . El sistema educativo del estado ehpañó siempre nos ha intentao hasé creé que hablamoh mal er cahtellano, que pronunsiamoh mal, que nos comemoh letrah y sílabah. . . Nojotroh pensamoh que eh pura envidia lingüística. . .
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Rá en andalú, denominasión de orihen allá tú con el asento que eliheh. Rimá en castellano artifisiá es finhí, forsá otra idioma es más difisi, ¡te lo dihe! Qué manía con decihle patatas a las papah, si las papas es mah fasi de pronunsiá y es mah guapah. ¿Por qué marcar las eses, si no hay nesesidá? Cambiamos esas ‹eses› por la h aspirá. Cuando mandamo ar caraho, lo hasemo sin la jota; una ‹h› intercalá, pa que suene: ¡carahota! Arriba to lah totah, con loh muertoh la OTAN, nuestra lengua se habla, se parpa, se nota. En los pueblo de mi tierra lo que prima es er zezeo: zarsishón, zarcillo, cervilleta, zorfeo. Y por hupuehto no orvidamo er geheo: ¡ponte una gervehita de eha, paho feo! En la siudá osidentá somoh mah de seseá: cabesa, sosa, sosia, sieso, sosiá. En la parte orientá, se mescla la ‹e› con ‹a›: ¿qué polla habla de la malafollá? Solo aseptamoh la ‹j› de Jaén, de Despeñaperro arriba no la saben desí bien. La Venta Pepe es la puerta hasia el Edén, ¡po que le den por culo al Edén, pero bien! Al norte sin ‹d›, se encuentra Extremaura, cambiamo ‹r› por ‹l› nohotro desimo ‹artura›. Si reniegah de tu lengua reniegah de tu curtura,
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y tranquilo shavale, que er compleho se cura. Rá en andalú, denominasión de orihen, allá tú con el asento que eliheh. Rimá en castellano artifisiá es finhí, forsá otra idioma es más difisi, ¡te lo dihe! Cuando desidihte transformarte en Keisi O, que ji que er nota es güeno, pero rima en ehpañó. Así que no trateh de se su imitasión, si lo hases par cahón de raperoh der montón. Qué grasia me hasen loh que van de refinadoh: ‹Bollycado›, ‹Bilbado›, auténtico ‹Cola-Cado›. . . Profesoreh que incurcan que el andalú es mal hablao en colegioh privaoh y también consertaoh. ¿Qué me has disho? ¿Qué te cuente un shiste? Po será un chiste de pelo que tu mare protagonise. ¿Qué somos humoristah? Po pagarnoh un suerdo, y noh daih d'arta de artista y cotisamoh ar meno. Españó prepotente, ereh un pobre jarto pan, hay que tené mah clase a la hora de insurtá. Estamoh ya curaoh de tu nula creatividá, hay que reírse de uno mihmo pa reí de loh demah. No soy mu naturihta, pero amo lo naturá: er vino, la actitú, er yogú y el hablá. ¿Qué dise el Wert de ehpañolisá? No es nuevo. . . En Al Ándalus se hase desde un 2 de Enero. Por eso desimo bien fuerte: ¡un caraho! Y no farte mah er rehpeto a la mare que te traho. No renunsie a la tostá con tomate, aseite y ajo, y publica en andalú cuando grabeh tu trabaho. Rá en andalú, denominasión de orihen, allá tú con el asento que eliheh. Rimá en castellano artifisiá es finhí forsá otra idioma es más difisi, ¡te lo dije!
7.2.3.1 Darstellung der salienten Merkmale Die Darstellung der salienten Merkmale erfolgt zweigeteilt, da die explizit genannten und besprochenen Merkmale von denen zu unterscheiden sind, welche implizit im Diskurs als Indices 3. Grades verwendet werden. «Explizit»
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
meint in diesem Sinne die metadiskursive Nennung eines Merkmales, «implizit» die Nutzung eines salienten Merkmales, ohne es explizit zu benennen. Tabelle 5: Auflistung der salienten phonetischen Merkmale im Lied Denominación de orihen der FRAC. Besprechungsform
saliente Merkmale
explizit
Apokope von /s/, Behauchung implosiven /s/, Behauchung implosiver Konsonanten, ceceo, heheo, seseo, Öffnung der Vokale /e/ und /a/, «aus Jaén», Apokope von bzw. Kontraktion bei intervokalischem /d/, Alternanz von /r/ und /l/.
implizit
Apokope von /s/, Behauchung implosiven /s/, Behauchung implosiver Konsonanten, ceceo, heheo, seseo, Öffnung der Vokale /e/ und /a/, «aus Jaén», Apokope von bzw. Kontraktion bei intervokalischem /d/, Alternanz von /r/ und /l/, Apokope weiterer implosiver Konsonanten, Aphärese von /s/, Deaffrizierung von /tʃ/, Velarisierung von [bwe] → [gwe].
Unterschiede in der expliziten und impliziten Nennung
Apokope weiterer implosiver Konsonanten, Aphärese von /s/, Deaffrizierung von /tʃ/, Velarisierung von [bwe] → [gwe].
weitere Auffälligkeiten
Es kommt zu einigen Inkonsistenzen, da nicht immer systematisch alle salienten Merkmale in allen Instanzen im Text graphisch markiert werden.
Es ist zu sehen, dass die besprochenen Phänomene grundsätzlich wieder denjenigen gleichen, die bereits in vorherigen Kapiteln als Indices 3. Grades identifiziert wurden, jedoch nicht gänzlich übereinstimmen (z.B. erfolgt kein Verweis auf die Frikativisierung von /ʎ/, was allerdings zu erwarten gewesen wäre). Trotz einiger weniger Inkonsistenzen vor allem bei der Behauchung des implosiven /s/ ist bezüglich der graphischen Darstellung der salienten Merkmale zu konstatieren, dass die graphische Repräsentation salienter Merkmale häufig im Text verwendet wird. Darüber hinaus werden wieder Phänomene, die auf der
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gesamten Iberischen Halbinsel zu finden sind (z.B. Kontraktion bei intervokalischem /d/, Velarisierung von [bwe] zu [gwe]), aufgegriffen.191 7.2.3.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen In dem Liedtext fungieren singuläre Merkmale in ihrem Vorkommen nicht primär als Indices 3. Grades, sondern werden in ihrer Gesamtheit aktiv dazu genutzt, das Andalusische als diskursive Varietät zu konstruieren und aufzuwerten. Es handelt sich also grundsätzlich um eine Textualindexikalisierung, bei welcher das Repertoire der salienten Merkmale indexikalisch aufgeladen ist. Es werden also nicht einzelne Merkmale zur Indizierung hervorgehoben, sondern das Repertoire der salienten Merkmale als ganzes steht indexikalisch für das Andalusische selbst, was wiederum zur Identitätskonstruktion mittels der Indizierung spezifisch andalusischer charakterologischer Eigenschaften, aber auch kultureller Eigenheiten genutzt wird. Das gesamte Lied bezieht sich inhaltlich teils direkt, teils indirekt auf das Andalusische, wobei einige Merkmale dezidiert besprochen werden. Im Folgenden soll daher nicht das Aufgreifen jedes einzelnens Merkmal analysiert werden, da nicht jedes einzelne eine spezifisch eigene Indexikalität darstellt. Die Texter selbst stammen aus dem westlichen Teil von Cádiz, sodass der Text grundsätzlich das Phänomen des seseo aufweist. Der ceceo wird im Gegensatz zum seseo in dem Text herangezogen, um indexikalisch auf die Variation innerhalb der Stadt Cádiz und im übertragenen Sinn auf die Variation innerhalb des Andalusischen zu verweisen (Zeilen 17–18), wobei aber darauf verwiesen wird, dass generell der ceceo in Cádiz vorherrsche (Zeile 13–14). Diese Art von beschreibender Zuordnung der Phänomene zu andalusischen (Grenz-)Gebieten ist im gesamten Lied vorhanden. Die explizit genannten Merkmale werden metadiskursiv diatopisch zugeordnet und die salienten Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades als prototypische Phänomene eines spezifischen Raumes diskursiv mit diesem verbunden.
191 Bei «otra idioma» ist weder ganz klar, ob es sich um eine gezielte Abgrenzung handelt, noch ob das Genus von «idioma» feminin ist oder es sich bei «otra» um eine suprasegmentale phonetische Anpassung an «idioma» handelt. Bei der Suche in CREA (Paramenter: Spanien, mündlich) fällt auf, dass kein Fall von femininen «idioma» oder suprasegmentaler Assimilation zu finden ist, sodass es sich um ein Phänomen handelt, welches noch stärker auf Okkurrenzen in Andalusien sowie in perzeptiven Studien zur diatopischen und -stratischen Situierung durch SprecherInnen untersucht werden müsste. Auf Okkurrenzen von femininen Substantiven mit Endung auf -ma im Kanarischen, das dem Andalusischen sehr nahesteht, weist Corbella (1989-1990, 102) hin. Es ist auch im untersuchten Text zu vermuten, dass feminines «idioma» nicht ohne metapragmatischen Nutzen zur Demarkation verwendet wird.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Die diatopische Positionierung in Andalusien dient also primär der Darstellung der Variationsphänomene des Andalusischen, die Revalorisierung erfolgt jedoch nicht ausschließlich durch diese Zuordnung selbst, sondern verstärkt diese auch durch die Verknüpfung der Gesamtheit der diatopischen Zuordnungen als ein Andalusisch zur Neubewertung der AndalusierInnen, ihrer Sprache und Kultur in Abgrenzung zum Norden. Es ist also eine generelle Verschiebung der Indexikalität im Vergleich zu dem zuvor analysierten Material zu beobachten, da dort die salienten andalusischen Merkmale durch ihre Integration in das Varietätensystem des Spanischen erst salient wurden, da nur durch diese Bedingung die Abgrenzung des Andalusischen innerhalb dieses Variationsraumes indexikalisch aufgeladen wird. Bei dem hier untersuchten Lied ist dies nicht mehr der Fall, da die eigentlich salienten Merkmale durch die Überlappung der Indexikalität eine diskursive Umdeutung erfahren: Die Merkmale werden in dem untersuchten Text als normalisierte Variation gerahmt, sodass ihre hochsaliente Indexikalität 3. Grades in die Textualindexikalität übertragen wird. Dies ist der Fall, da nun das gesamte Repertoire zur diskursiven Sprachabgrenzung genutzt wird, um das Andalusische konzeptionell vom Spanischen zu trennen. Bei diesem Prozess werden Merkmale 3. Grades umgedeutet und als integrative Bestandteile der eigenen Sprache konzeptionalisiert, sodass sie diskursiv normalisiert und neutralisiert werden, wodurch sie selbst indirekt zu einer Art Standard erhoben werden. Dies bedeutet, dass die Merkmale unter der Bedingung, dass die sich überlappenden Indexikalitäten in der breiteren Gesellschaft auch in Zukunft so ausgehandelt werden, diese am Ende als Grundbausteine der «neuen» Sprache fungieren könnten, wodurch sie selbst in ihrer indexikalischen Funktion postaktiv würden. Der hier untersuchte Text stellt eine Diskursinstanz eines solchen Versuchs dar und zeigt eine endogene Konstruktion des Andalusischen als vom Spanischen zu trennende Sprechform auf, wobei dieser Versuch im Spannungsfeld der sprachideologischen Konstruktion zu verorten ist: Man sieht eine diskursive Aushandlung der Hoheit über die Zuordnung und Konstruktion des Andalusischen als Varietät des Spanischen oder als eigene Sprache. In diesem Kontext werden die Merkmale in dem Liedtext mit den Konzepten acento, idioma und lengua verbunden, sodass eine klare sprachideologische Konstruktion einer vom Spanischen unabhängigen Sprechweise vorliegt. Es ist aber deutlich zu sehen, dass es sich bei dem Liedtext nicht um eine tatsächliche Verschriftung einer Form des Andalusischen handelt, da dieser, was die Graphie angeht, immer noch deutlich auf die standardspanische Orthographie als Matrixorthographie rekurriert. Die Grapheme haben dieselbe Lautentsprechung wie im Standardspanischen, sodass z.B. «desir» mittels der Rekurrerenz auf die Standardgrapheme zu interpretieren ist, da hier genauso wie im Standardspanischen dem Phonem /s/ entspricht. Dies deutet
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darauf hin, dass das Andalusische zwar vom Spanischen konzeptionell getrennt wird, aber die Stufe der gänzlichen Abtrennung noch nicht vollzogen ist.192 Dafür spricht auch die Applikation der Akzentsetzung, welche den Regeln der Standardorthographie im andalusischen Lexem folgt: Beispielsweise wird es nach den Standardregeln bei «artificiá» durch die Apokope von /l/ notwendig, die letzte Silbe zu akzentuieren, da sie dort betont wird, aber nun auf Vokal – und nicht wie in der Standardorthographie auf Konsonant – endet. Es bleibt also festzuhalten, dass der Diskurs im Text eindeutig eine Eigenkonstruktion des Andalusischen suggeriert, allerdings ist der Grad der Abtrennung nicht vollkommen ersichtlich. Darüber hinaus handelt es sich lediglich um eine Verschriftung des Andalusischen durch die Nutzung salienter Merkmale in ihrer Erscheinungsform als Grapheme mit demselben Wert des Standardspanischen, sodass sie als Indices genutzt werden, um die Idee des Andalusischen als eigenständige Sprechweise zu evozieren. Es handelt sich also ausdrücklich nicht um eine Verschriftung des Andalusischen im Allgemeinen, da viele nicht saliente Phänomene des sprachlichen Variationskontinuums gar nicht erscheinen. Wie bei den vorherigen Texten auch handelt es sich also um eine fingierte Wiedergabe des Andalusischen mit den Indices, welche salient sind und von den DiskursteilnehmerInnen als Bestandteile des Andalusischen angesehen werden, aber nicht um eine reelle Darstellung auf struktureller Ebene. 7.2.3.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät In der einführenden Beschreibung des Liedes ist zu sehen, dass auf Andalusisch zu schreiben und sich auszudrücken, als spezifisches Merkmal der FRAC hervorgehoben wird. Hierbei spielt die Sprache die zentrale Rolle, da diese die Ressourcen, die die Künstler brauchen, bereithält. Die genutzten salienten Merkmale stehen also für eine künstlerische Spezifizität, die dem Andalusischen inhärent sein soll, was es ihrer Darstellung nach vom Standardspanischen unterscheide. Der Topos des Andalusischen als Ausdruck besonderer Kunsthaftigkeit ist oft in den revalorativen Diskursen zu finden, da dem Andalusischen mittels der salienten Merkmale eine authentische Note verliehen
192 Oftmals wird bei einer gänzlichen Trennung in einer «neuen» Orthographie beispielsweise als Graphem sowohl für /s/ als auch für /θ/ genommen, wobei es sich hierbei um einen sprachideologischen Schritt handelt, um auch die Orthographie möglichst weit von der Standardorthographie des Spanischen abzusetzen. In den Kapiteln 7.4 und 7.5 wird auf diesen Punkt noch genauer eingegangen.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
wird, die die Kunsthaftigkeit der Kunst gewissermaßen ausblendet und sie in den Kontext einer «authentischen» andalusischen Kultur verortet.193 Im nächsten Abschnitt der Beschreibung wird darauf eingegangen, dass das spanische Bildungssystem die AndalusierInnen immer habe glauben lassen, sie sprächen das Kastilische schlecht und dass sie «die Buchstaben und Silben verschluckten». Dies wird mit der Aussage in Verbindung gebracht, dass es sich dabei um «puren Sprachneid» handele. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei zunächst um eine Gegenüberstellung von Standardspanisch und Andalusisch handelt, bei welcher angenommen wird, dass das Standardspanische in den Schulen beigebracht wird, AndalusierInnen aber nicht das Standardspanische sprächen und folglich schlecht aussprächen, sondern eben Andalusisch sprächen. Hierzu wird die Apokope bzw. die Elision von Konsonanten in der Silbenkoda als salientes Merkmal beispielhaft herangezogen, um zu demonstrieren, dass es eben nicht das Standardspanische ist, welches dort ausgesprochen wird. Dies impliziert, dass es sich nicht um einen Sprachwandelprozess handelt, bei welchem Laute verändert würden oder wegfielen, sondern das Andalusische korrekt, – also adäquat – ausgesprochen wird. Es wird also ein salientes Merkmal als konkrete sprachliche Realisierung herangezogen, um nicht mehr Inkorrektheit, sondern die eigene Aussprache als die eigentlich korrekte diskursiv zu rahmen. Zusammen mit der vorherigen Verbindung mit dem Andalusischen als Kunst bzw. künstlerischer Ausdrucksform wird das saliente Repertoire der Indices 3. Grades nun zu einer endogenen Positivierung genutzt. Hierbei findet eine ideologische Oppositionierung von «kunsthaft» (Andalusisch)/«kunstfrei» (Standardspanisch) bzw. Korrektheit der eigenen Sprache/nicht korrekte Aussprache des Standardspanischen als nicht eigener Sprache statt. Binäre und opponierte Ideologien werden hierbei mit den salienten Merkmalen zur endogenen Revalorisierung der diskursiven Varietät genutzt. Im Lied selbst lassen sich ähnliche Verfahren nachweisen: Man könne die Herkunft («denominación de origen»)194 anhand des gewählten Akzents bestimmen, wobei das Reimen in einem künstlichen Standardspanisch einer (Vor-)Täuschung gleichkäme (Zeilen 1–3). Durch die aktive Nutzung der salienten Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades ist bereits der Titel selbstreferentiell, da die
193 So wird beispielsweise von Gutier (2010, 83) moniert, dass u.a. Federico García Lorca als einer der wichtigsten neuzeitlichen Lyriker und Dramatiker Spaniens seine Texte nicht auf Andalusisch, sondern auf Spanisch verfasst hat, was als eine Art Unterdrückung betrachtet wird, da die eigentliche Essenz der Kunst auf Andalusisch hätte ausgedrückt werden müssen. Auch in populären Darstellungen gibt es sehr häufig den Topos des andaluz como arte bzw. el andaluz es arte. 194 Es handelt sich hierbei um eine geschützte Bezeichung zur Garantie der Echtheit der Provenienz vor allem von spanischen Weinen, aber auch von Wurst oder Käse etc.
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Herkunftsbezeichung durch Indices 3. Grades auch sprachlich als echt und original dargestellt wird. Diese «Echtheit» wird der «Künstlichkeit» des Standardspanischen gegenübergestellt und die Nutzung des Standardspanischen diskursiv als Vortäuschung gerahmt, da es sich hierbei um die andere Sprache – «otra idioma» – handelt. In engem Zusammenhang hiermit steht der «Ursprungs-Topos» als authentisierender Faktor im Diskurs in den Zeilen 54–55, da hier die Mutter als Projektionsfigur eines Ursprungs inszeniert wird, der man nicht weiterhin respektlosgegenüberstehen solle. Diese Metaphorisierung steht für Andalusien selbst, dem die SprecherInnen endlich Respekt zollen sollen, was dadurch verstärkt wird, dass typische Kulinaria wie Toast mit Tomate, Essig und Knoblauch erwähnt werden, um daraufhin hinzuzufügen, dass man sein Werk auf Andalusisch – hier also ein Rap-Stück – veröffentlichen solle. Es bedeutet also, dass mittels der Textualindexikalität eine Demarkation vom Standardspanischen als exogener Sprache und dem Andalusischen als qua Ursprung legitimierter Sprache durchgeführt wird. Die Exogenisierung des Standardspanischen geht sprachideologisch mit einer Essentialisierung des Andalusischen als in Andalusien «natürlich» gesprochener und somit authentischer Sprache einher. Hierbei ist auch die diskursive Strategie des spezifischen Identitätsbezuges mittels deracination zu sehen, da die sprachliche Variation durch Indices 3. Grades aktiv spezifischen Gebieten Andalusiens zugeordnet wird. In diesem Zuge wird das Andalusische als diskursive Varietät im Sinne eines übergeordneten Konstrukts, das selbst diatopische Subeinheiten aufweist, geschaffen und als solches dem Standardspanischen gleichgestellt. Einer der zentralen Topoi ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von Authentizität und Inauthentizität, wodurch das Andalusische als diskursive Varietät die einzig authentische Sprachwahl darstellt. Dies entspricht einer diskursiven Essentialisierung, bei welcher sprachideologisch die diskursive Varietät mit dem Raum Andalusien verknüpft und das Standardspanische als eine dem Raum Andalusien fremde Sprache konstruiert wird. Authentizität und Abgrenzung zum Standardspanischen werden auch in den Zeilen 33–38 als Diskurspositionen deutlich, wenn es um eine Vielzahl anderer andalusischer Rap-MusikerInnen geht, die nicht auf Andalusisch rappen und sich Vorbildern aus dem Norden – es wird explizit der Rapper Kase.O erwähnt – anpassen. Das Standardspanische wird als für andalusische Rap-MusikerInnen künstliche Form dargestellt, das nicht zum diaphasischen Repertoire gehöre und von allen beherrscht werde, sondern als künstliche Sprache, die man nicht nur spreche, sondern imitiert werden müsse. Der Diskurs leitet hierbei zu den sogenannten «refinadoh» – refinados – (Zeile 37) über, die sich selbst durch die Imitation des Standardspanischen als «MöchtegernsprecherInnen» eines «hyperfeinen» Standardspanischen zu erkennen geben: Sie scheitern an dieser Imitation, was durch
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eine Hyperkorrektur in «Bollycado», «Bilbado» und «Cola-Cado» (Zeile 38) dargestellt wird. Diese drei aufgegriffenen Lexeme haben im Standardspanischen jeweils die Endung /ao/ bzw. , sodass sie hier die NutzerInnen lächerlich machen, da sie sich offenbar einer angenommenen andalusischen Realisierung nicht bedienen wollen und somit in «Fettnäpfchen» treten. Die nächste Zeile verbindet dies konzeptionell mit der als faktisch dargestellten Beobachtung, dass die LehrerInnen an privaten und öffentlichen Schulen den SchülerInnen eintrichterten, dass das Andalusische schlecht bzw. falsch gesprochen werde.195 Es findet also wieder eine sprachideologische Trennung vom Standardspanischen des Nordens und dem Andalusischen statt, da impliziert wird, dass die Kinder in Andalusien gar kein Standardspanisch, sondern Andalusisch sprächen. Neben den Topoi der Authentizität und der Kunsthaftigkeit des Andalusischen wird noch ein weiterer Topos in den Zeilen 41–46 aufgegriffen: die Komik der AndalusierInnen. Es wird eine fiktive Gesprächssituation evoziert, in welcher ein Nicht-Andalusier danach fragt, ob der Rapper ihm einen Witz erzählen könne. Darauf reagiert der Rapper, indem er antwortet, dass das ein bissiger Witz werden würde, dessen Protagonistin die Mutter des Fragestellers sei. Darauf folgt eine Herabwürdigung des überheblichen «Spaniers», der armselig sei und mehr Niveau beim Beleidigen anderer Menschen haben solle. Hier ist zu sehen, dass durch den Topos der Kunsthaftigkeit des Andalusischen die humoristische Komponente, wie sie beispielsweise auch im Diskursausschnitt 7.2 über die T-Shirts zu sehen war, diskursiv als exogene Zuschreibung gerahmt und abgelehnt wird. Die Ablehnung erfolgt durch die Aufwertung der Kunsthaftigkeit, bei der allerdings Humoristisches nicht als Kunst angesehen wird. Die starke Ablehnung des «überheblichen Spaniers» impliziert in diesem Zusammenhang eine konzeptionelle Trennung von AndalusierInnen und SpanierInnen, wobei der Humorismus als exogene Zuschreibung SpanierInnen zugeordnet wird, sodass sie sich im Text als illegitim erweist und kein Kunstmittel darstellt. Die endogene Zuschreibung als Kunsthaftigkeit wird sowohl mit dem Andalusischen als diskursive Varietät als auch mit den AndalusierInnen selbst verbunden und die eigene Echtheit gegebenüber der Überheblichkeit der SpanierInnen betont. In den Zeilen 51–52 wird die Fremdheit der SpanierInnen noch einmal sehr deutlich hervorgehoben, indem auf die Aussage des damaligen spanischen
195 Dies impliziert zudem, dass LehrerInnen von Privatschulen grundsätzlich dieser Ansicht seien und diese verbreiteten, wodurch sie als Teil einer Oberschicht dem Normspanischen ideologisch zugewiesen werden. Folglich handelt es sich um eine Deauthentisierung dieser Gruppe mit dem Zweck der Authentisierung der «bodenständigen» und «einfachen» AndalusierInnen als «wahre» AndalusierInnen, die ein Andalusisch sprechen, das konträr zur angeblichen ideologischen Rahmung durch die LehrerInnen nicht falsch oder schlecht sei.
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Bildungsministers José Ignacio Wert im spanischen Parlament 2012 eingegangen wird. Dieser gab an, man müsse die katalanischen Kinder «hispanisieren». Dieser Umstand wird auf den andalusischen Kontext appliziert und proklamiert, dass dies bereits in «Al-Andalus» seit dem 2. Januar 1492 – der entscheidenen Schlacht zum Fall Granadas und somit zur vollständigen Eroberung Andalusiens durch christliche Königreiche des Nordens (cf. Martínez Shaw 2004, 282s.) – gemacht werde. Es wird hierdurch eine Fremdbestimmung der AndalusierInnen durch den Norden nahegelegt, die darauf abziele, andere Kulturen der Iberischen Halbinsel zu hispanisieren. Diese Fremdbestimmung wird auf das Andalusische als diskursive Varietät übertragen und die Authentizität des Andalusischen als autochthone Sprache mit dem Spanischen als der von außen aufgezwungenen Sprache kontrastiert. 7.2.3.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse In der Analyse des Liedes Denominación de orihen der FARC konnte gezeigt werden, dass sowohl auf der Ebene der Merkmals- als auch auf derjenigen der Textualindexikalität das Andalusische als diskursive Varietät geschaffen wird: Mittels Merkmalindexikalität werden einzelne saliente Merkmale diatopischen Räumen prototypisch zugewiesen, wodurch die konzeptionelle Basis geschaffen wird, diese als konstituierende Einheiten eines übergeordneten Andalusisch zu konstruieren. Bei dieser diskursiven Konstruktion spielt die Textualindexikalität eine besondere Rolle, denn dieses übergeordnete Andalusisch wird als diskursive Varietät dem Standardspanischen gegenüberstellt und dadurch revalorisiert. Hierbei werden Rückbezüge auf spezifische (zusammenhängende) Topoi geschaffen, um die diskursive Varietät zu revalorisieren: a) das Andalusische als authentische Varietät Andalusiens im Gegensatz zum Standardspanischen als inauthentische Varietät Andalusiens; b) das Andalusische als endogen korrekte Varietät im Gegensatz zum exogenen Standardspanischen; c) das Andalusische als eigenständige Varietät in Gleichstellung zum Standardspanischen; d) das Andalusische als eigentliche und ursprüngliche Sprache Andalusiens im Gegensatz zum Spanischen als in Andalusien fremder Sprache; e) das Andalusische als kunsthafte und kreative Sprache im Gegensatz zum Standardspanischen als kunstloser und sogar künstlicher Sprache. Es ist also eine deutliche Revalorisierung zu erkennen, welche darauf abzielt, das Andalusische als diskursive Varietät im Sinne einer eigenen Sprache zu konstruieren, dieses diskursive Konstrukt durch Abgrenzung von Standardspanischen mit positiven Werten zu besetzen und es mit dem Standardspanischen zumindest auf eine Ebene zu stellen, wenn nicht sogar es dem Standardspanischen gegenüber zu hierarchisch zu überhöhen.
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7.2.4 Diskursausschnitt: Blogeintrag von Enrique Benítez FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú Der Blogeintrag FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú von Enrique Benítez vom 17. Mai 2017 ist in der Diskussion über die Veröffentlichung der Übersetzung des Werkes Le Petit Prince (1943) zu verorten und spiegelt anhand eines Frequently-Asked-Questions-Kataloges die häufigsten Aussagen und Stellungnahmen zur andalusischen Übersetzung wider. Der Autor, Enrique Benítez, betreibt einen Blog auf der Plattform Medium.com und schreibt vielfach gelesene Einträge über Musik, Politik und Sport. Er gibt an, dass er einen Universitätsabschluss in Sprachwissenschaften habe und verfasst regelmäßig Einträge mit sprachwissenschaftlichem Bezug. Die politische Ausrichtung ist in etwa einem linksliberalen Spektrum zuzuordnen, was von Relevanz ist, da auch politische Einstellungen in Hinblick auf das Andalusische besprochen werden. Die Veröffentlichung der Übersetzung des Petit Prince hat eine starke Diskussion sowohl in Andalusien als auch im Rest Spaniens über die Legitimität von Übersetzungen ins Andalusische hervorgebracht. Es wurde in einer Vielzahl an öffentlich-rechtlichen und privaten Medien sowie in vielen Zeitungen über die Übersetzung berichtet, sodass eine Diskussion im öffentlichen Raum, in Foren und sozialen Medien die Folge war. Da in dieser Arbeit nicht der gesamte Diskurs und die diskursiven (De-)Legitimationsstränge nachgezeichnet werden können, soll der oben genannte FAQ-Katalog als geraffte Repräsentation dieser Stränge fungieren, da der Autor die von ihm als kontrovers identifizierten Stränge als Fragen formuliert diskutiert und sie aus seiner Sicht richtigstellt. Der Autor ist also sowohl die Instanz des Zusammenführens der einzelnen Diskursstränge als auch selbst Diskursteilnehmer, indem er seine eigene Haltung schildert. Von besonderer Relevanz ist hierbei, dass der Autor nicht nur Aussagen in Bezug auf die Übersetzung des Petit Prince in den sieben Fragen aufgreift und umformuliert, sondern dabei auch Twitter-Beiträge zur Übersetzung der folgenden Personen heranzieht: – Carlos Esteban, Autor der sehr konservativen Onlinezeitung La Gaceta; – Carmen Caesaris und Jeas G Malayitukk als prominente Twitterin/Twitterer; – Lola Pons Rodríguez, Professorin für spanische Sprachwissenschaft an der Universidad de Sevilla; – Ignacio Iribarnegarays (Vanfunfun), YouTuber, der Videos mit verständlich erklärtem sprachwissenschaftlichen Inhalt für die Allgemeinheit produziert; – Juan Manuel Moreno Bonilla, Politiker des andalusischen Landesverbandes der konservativen Partido Popular; – Manuel Marlasca García, Moderator der Nachrichten beim privaten TVSender La Sexta.
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Es handelt sich um einen Blogeintrag, in welchem die Quellen der Aussagen der o.g. Personen der Öffentlichkeit herangezogen werden, um die Diskursstränge darzustellen, sodass er sich besonders gut für eine Analyse der Revalorisierungsprozesse handelt, da genau hier repräsentative Diskursstränge zusammengeführt werden. Gleichzeitig werden sie durch den Autor eingeordnet und in der Regel seiner Meinung gegenübergestellt. Der Großteil der herangezogenen Meinungen stammt aus einem eher konservativen Milieu, wobei sich die DiskursteilnehmerInnen gegen die Übersetzung aussprechen und diese sogar explizit verwerfen. Das soziale Echo auf die Veröffentlichung der Übersetzung war so groß und die Diskussion darüber so kontrovers, dass hieraus abzuleiten ist, dass nicht ausschließlich negative Zuschreibungen zum Andalusischen existieren, da die Übersetzung sonst ggf. einerseits nicht so beachtet worden wäre, andererseits sich alle über ihre «Unsinnigkeit» einig gewesen wären, was aber nicht zu verzeichnen ist. Die Kontroverse der Auseinandersetzung zeigt, dass durch konkurrierende Evaluationsschemata das Andalusische jeweils unterschiedlich bewertet wird, wobei auch ein deutlicher – vor allem endogener – Diskursstrang für eine positive Bewertung des Andalusischen und der Übersetzung zu erkennen ist, innerhalb dessen der Blogeintrag zu situieren ist. Es ist außerdem hinzuzufügen, dass nicht grundsätzlich alle, die die Übersetzung ablehnen, auch das Andalusische selbst durch negative Bewertungschemata evaluieren. Die fett gedruckten Zeilen und die Unterstreichungen sowie die Kursivierungen sind in der hier dargestellten Fassung genauso übernommen worden. Darüber hinaus sind die Twitter-Beiträge an derselben Stelle wie im Blog platziert, um der Argumentationslinie folgen zu können. FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú ‹Er Prinzipito› andaluz se ha vuelto viral y no llego a entender muy bien por qué. Se han dicho tantas burradas estos días (tanto desde el público general como desde el sector de la filología y la lingüística, sin olvidar a nuestros queridos políticos) que llevo treinta minutos mirando esta pantalla blanca vacía, pensando cómo enfocar este post, y aún no sé cómo. Creo que lo mejor es presentar una serie de preguntas comunes y respuestas que creo que daría la lingüística dejando a un lado motivaciones políticas. Básicamente intento contestar a algunas de las dudas y argumentos en contra que más se han repetido. Este es el índice (abierto a sugerencias, colaboraciones, etc): 1. 2. 3.
Pero si cada parte de Andalucía habla de una forma distinta. . . ¿Cómo creas una ortografía del andaluz, si unos sesean, otros cecean. . .? El libro presupone que todos los andaluces son ceceantes.
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4. 5. 6. 7.
¿Tengo obligación de seguir la ortografía de la RAE? Esto no es cultura. Vaya Vergüenza. Contribuye a despreciar el andaluz. ¿Es el andaluz una lengua? Sindicato Andaluz de Trabajadores. Podemos. Ugh, Putos comunistas.
NOTA: Para que no leáis este post con prejuicios, os resumo de antemano mi postura sobre toda polémica (esto NO es un resumen del post): no creo que sea demasiado útil adoptar una ortografía andaluza, aunque cada uno es libre de utilizar (y de proponer) la ortografía que quiera. Ahora bien, sin haber leído aún Er Prinzipito, creo que los andaluces podríamos llegar a disfrutar más de un libro que utiliza nuestra gramática y vocabulario nativo, y no la gramática y el vocabulario de un traductor de Barcelona o Madrid, de la misma manera que un mexicano disfrutará más leyendo un libro en español mexicano que en español peninsular (o viendo Los Simpsons en la versión latina).
1. ¿Cómo van a traducir el libro al andaluz, si cada parte de Andalucía habla de una forma distinta? Es cierto. Cada zona de Andalucía habla de una forma distinta. Unos ceceamos, otros sesean, unos poquitos distinguen; unos usamos una variedad de andaluz con cinco fonemas vocálicos, otros con ocho; unos decimos ‹Er Principito›, otros ‹El Principito›. Que los hablantes de diferentes zonas geográficas hablen distinto es la norma en las 6.000 lenguas del mundo, incluida el español. Es lo normal en las lenguas naturales; si no, no serían lenguas naturales. Y el español tiene más variedad que el andaluz, pues tiene toda la variedad del andaluz más la de las demás zonas hispanohablantes, ¿no? Creo que un hablante de Cádiz se identificará más con la variedad de español de un cordobés, aunque no sea exactamente igual a la suya, que con la de un vasco o un vallisoletano. El habla del cordobés le parecerá ‹más suya› que la de un hablante de Barcelona. Como ya he dicho, creo que de eso trata esta traducción al andaluz. 2. Sí, ¿pero cómo vas a crear una ortografía del andaluz, si unos sesean, otros cecean, unos nunca usan a final de sílaba. . .? Tienes razón. Todos los estándares gramaticales y ortográficos de cualquier lengua sacrifican los rasgos de algunos hablantes. Por desgracia, si solo tienes un estándar, no puedes recoger los rasgos de todos los hablantes, porque no todos hablan igual. Pero plantéatelo de la siguiente manera: aproximadamente 470 de los 500 millones de hispanohablantes sesean o cecean (cifras a ojo, pero la proporción es así de bestia). La
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ortografía del español, sin embargo, está hecha para los hablantes que no sesean ni cecean, que son una minoría absoluta. Solo 1 de de cada 17 hablantes no sesea ni cecea. La ortografía del español está hecha para la minoría, para el 6% de los hablantes, y no te estás quejando como loco. Es muy fácil diseñar una ortografía que englobe a seseantes y ceceantes (como la que usa el autor para su traducción ‹Er Prinzipito›, que solo dejaría fuera a los andaluces distinguidores, que son minoría). La ortografía del español está hecha para la minoría, para el 6% de los hablantes, y no te estás quejando como loco. (Nota: la ortografía de todas y cada una de las lenguas del mundo es artificial, diseñada por el ser humano, por lo que podemos cambiarlas; y la del español se ha cambiado varias veces).
3. La ortografía del libro presupone que todos los andaluces son ceceantes y pronuncian ‹er› en vez de ‹el›. Este es un argumento que he oído a bastante gente y que incluso lo ha usado una de las filólogas a las que más admiro: Lola Pons. Ha usado este argumento incluso en una intervención para el telediario de CanalSur. Pero creo que se ha equivado bastante.
Para empezar, el autor del libro, Juan Porras, deja bien claro que la traducción está hecha en su andaluz, el andaluz de la comarca de la Algarabía, en Málaga, donde, como yo, cecean y no se llevan bien con las [l] a final de sílaba. Pero es que, además, la propuesta ortográfica que utiliza Porras (presentada aquí) está pensada tanto para ceceantes como para seseantes, como nos contaba el gran Vanfunfun (publi: Vanfunfun está preparando un vídeo sobre esta polémica):
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4. ¿Tengo obligación de seguir la ortografía de la RAE? Realmente no tienes obligación ninguna. Es útil utilizar la ortografía de la RAE, más que nada porque es la que usa todo el mundo. Pero en realidad cualquiera tiene el derecho de presentar (y utilizar) su propia propuesta ortográfica: el principal problema es convencer a la gente de que la use. García-Márquez [sic!] sugirió jubilar la ortografía del español actual y casi se lo comen vivo. Mi profesora de lengua del instituto decía que solamente si eres Juan Ramón Jiménez tienes derecho a usar jota en vez de ge, pero no tenía razón: cualquiera tiene derecho. Venga, vete a googlear la propuesta de García-Márquez. Eso sí que es una ortografía.
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5. Esto no es cultura. Vaya Vergüenza. Soy andaluz y esto me da vergüenza. Yo soy filólogo y esto me da asco. Esto es una patraña. Contribuye a despreciar el andaluz. Esto hace mucho daño. Muchos etcétera.
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Todo el mundo está seguro de que esto es una patraña que hace daño y da vergüenza, pero nadie explica cómo ni por qué. Yo sinceramente no sé cómo utilizar gramática y vocabulario andaluces para traducir uno de los clásicos de la literatura universal es menospreciar nuestra variedad. A través de razonamientos lógicos, solo puedo llegar a esa conclusión si partimos de que el andaluz no es una variedad apta para literatura de tal nivel. Y si piensas eso el que no está dignificando el andaluz eres tú. Quiero citar las palabras del autor aquí, en una entrevista que le ha hecho El Español, quizá el único medio que ha publicado contenido decente respecto al libro. ‹¿Acaso estorba?› ¿Qué malo tiene que alguien decida plasmar gramática y vocabulario andaluces por escrito y que además lo haga con un sistema ortográfico diseñado por él mismo? ¿Sabéis que no es el único? ¿Que hay muchas propuestas ortográficas para el español? ¿Sabéis que Chile tuvo una ortografía oficial distinta a la de la RAE durante varias décadas? ¿Sabéis el mérito que tiene diseñar una ortografía con sentido y aplicarla consecuentemente en un texto tan largo como un libro? ¿Sabéis que en algunas facultades de filología/ lingüística se diseñan ortografías como ejercicios prácticos? ¿Sabéis que la mayoría de las lenguas del mundo no tienen ortografía (porque nunca se han escrito) y que hay lingüistas que tienen que diseñarlas? ¿Que eso permite enseñar a la gente a leer y escribir? ¿Sabéis que incluso hay gente que diseña lenguas? ¿Os suena un tal J. R. R. Tolkien? Todas estas cosas son muy cool, sobre todo si en The Big Bang Theory hablan klingon, pero lo de este cateto andaluz es de vergüenza, eh. Una lengua no es más que un conjunto de formas de hablar o variedades similares que agrupamos bajo un nombre. En principio esta agrupación se hace por motivos lingüísticos, pero la verdad es que muchas veces las razones o intereses políticos tienen más peso que la lingüística 6. ¿Es el andaluz una lengua? Resulta que el concepto de lengua en lingüística no existe. Es muy difícil definir qué es una lengua; tanto que no hay realmente una definición científica exacta de ‹lengua›, ni la
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habrá nunca. Una lengua no es más que un conjunto de formas de hablar o variedades similares que agrupamos bajo un nombre (español, francés o italiano, por ejemplo). En principio esta agrupación se hace por motivos lingüísticos (similaridad, inteligibilidad mutua entre hablantes de una y otra variedad. . .), pero la verdad es que muchas veces las razones o intereses políticos tienen más peso. A la lingüística el concepto de lengua le da un poco igual: es un concepto práctico para algunos cometidos de la disciplina, pero es un concepto político más que nada. Pongamos un ejemplo: en China hay alrededor de una decena de variedades muy distintas de chino. Algunas de estas variedades son más diferentes entre sí que, digamos, el español y el italiano (los hablantes de una variedad no entienden a los de otra, o tienen bastantes dificultades), pero tradicionalmente todas se consideran como un solo idioma: el chino. El gallego y el portugués, por el contrario, son muy similares y, sin embargo, se suelen considerar como dos lenguas distintas. En ambos casos priman las razones políticas más que las lingüísticas. ¿Es entonces el andaluz una lengua? Las conclusiones las pones tú. Diría que a la lingüística no le importa demasiado que lo sea o no lo sea. A mí personalmente tampoco. Lo que de verdad me importa es que no me juzgues si no hablo como tú que eres de Madrid, de Valladolid, de Barcelona, de Cuenca. Incluso si eres del mismo lugar que yo, pero no hablas como yo, y crees que hablas mejor que yo por hablar una variedad más cercana al español estándar. Eso es racismo o, mejor dicho, hablismo. 7. ¿Por qué hay medios que destacan el hecho de que el autor está relacionado con el Sindicato Andaluz de Trabajadores, a quien relacionan, a su vez, con Podemos? Casi le dan más importancia a eso que al libro. . . No sé, yo tampoco lo entiendo. Lo único que la lingüística tiene que decir al respecto es que esos medios se deberían ir ar caraho.
7.2.4.1 Darstellung der salienten Merkmale Charakteristisch für diesen Blogeintrag ist, dass sehr wenige stark saliente Merkmale als konkretes sprachliches Material zur metapragmatischen Besprechung sowohl der Merkmale selbst als auch in ihrer Funktion als Indices für das Andalusische als ganzes genutzt werden. Es ist zu sehen, dass diese wenigen sehr salienten Merkmale diejenigen sind, die auch immer wieder im zuvor analysierten Material zu finden sind. Es ist hervorzuheben, dass nicht genau deutlich wird, welche Vokalphoneme den zwei in der Antwort auf die erste Frage suggerierten Vokalsystemen des Andalusischen zugrunde zu legen sind.196
196 Die Merkmale der Kopie des Orthographievorschlages der Z.E.A., der im Tweet von Vanfunfun zur Explikation seiner Aussage dient, werden an dieser Stelle nicht ausführlich dargestellt, da es sich um eine externe Referenz zur Unterstützung seiner Aussage handelt.
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Tabelle 6: Auflistung der salienten Merkmale des Blogeintrages FAQ sobre ‹Er Prinzipito› andalú. Besprechungsform Saliente Merkmale Explizit genanntes Merkmal
Weitere Besonderheiten
Seseo, ceceo, Distinktion, Alternanz /r/ und /l/, Behauchung von /x/ → /h/, Apokope von /l/, Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/.
Implizit genanntes Vokalsystem mit fünf Merkmal Vokalphonemen, Vokalsystem mit acht Vokalphonemen.
Es wird nicht angegeben, um welche Vokalphoneme es sich handeln soll. Es werden zwei verschiedene Vokalsysteme für das Andalusische angegeben.
7.2.4.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Generell ist zu sagen, dass in dem gesamten Blockeintrag hauptsächlich der seseo, der ceceo, die Alternanz von /r/ und /l/, die Deaffrizierung von /tʃ/ zu /ʃ/ und die Apokope von /l/ sowie zwei verschiedene andalusische Vokalsysteme als imaginierte Systeme zur Abgrenzung vom Standardspanischen als Indices 3. Grades Verwendung finden. Zunächst ist in der Antwort der ersten Frage zu sehen, dass die o.g. Phänomene (mit Ausnahme der Deaffrizierung von /tʃ/ und der Apokope von /l/) zusätzlich zur Nennung der Distinktion als Realisierung einiger weniger andalusischer SprecherInnen genutzt werden, um auf die große sprachliche Variation zu verweisen. Indexikalisch wird diese Diskursposition als positive Eigenschaft des Andalusischen kreiert, wobei die salienten Merkmale für eine positive Besetzung der Variationskonzeption stehen. Dies wird im Gegensatz zur konträren Diskursposition zur Sprach- und Identitätsrevalorisierung genutzt, da die Vorstellung, Variation sei unnatürlich oder ließe darauf schließen, dass es sich um disparate Sprechweisen handele, welche eine Existenz des Andalusischen widerlegen, vorherrscht. Diese Position wird im ersten Tweet von Carlos Esteban aufgegriffen und die Gegendiskursposition des Blog-Autors nutzt die oben genannten salienten Merkmale als Instrument zur Delegitimierung der Position von Carlos Esteban. Dies ist von großer Wichtigkeit, da es
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sich hierbei, wie bereits in der zuvor erfolgten Analyse gezeigt werden konnte, um einen Topos handelt, der mittels salienter Merkmale diskursiv verhandelt wird. Die große strukturelle Variation wird vor allem durch den seseo und den ceceo indiziert, metapragmatisch verhandelt und sprachideologisch neu eingerahmt, sodass beide Merkmale nun zusätzlich zum lokalen einen regionalen Identifikationswert erhalten: In der Antwort wird klar, dass die sprachliche Ähnlichkeit translokale Identifikation erleichtert und dadurch ein Zusammengehörigkeitsgefühl erschafft. Somit wird der Variationsraum in Andalusien zu einem Raum, in dem es möglich ist, durch graduelle Variation eine Abgrenzung zum Norden zu schaffen. Hierbei geht es also grundsätzlich darum, den Topos der Variation des Andalusischen als inklusiv zu deuten, wobei sprachliche Vielfalt und die Inklusion vieler Sprechweisen repräsentiert durch die salienten Merkmale als Revalorisierungstendenz zu interpretieren ist: Ein zuvor im generellen Diskurs über das Andalusische oft genanntes Defizit – die große sprachliche Variation in Andalusien – wird sprachideologisch ins Gegenteil verkehrt und das Andalusische dadurch aufgewertet. Der Bezug zur Inklusion wird auch in der Beantwortung der zweiten Frage deutlich: Die Diskussion über eine andalusische Orthographie wird in den Kontext der Orthographie des Standardspanischen gebracht und mit dieser verglichen. Hierzu werden der seseo und der ceceo als Indices 3. Grades genutzt, um die «demokratische» Legitimation der Orthographie des Standardspanischen infrage zu stellen, da diese für eine Minderheit von sechs Prozent der SprecherInnen, die die Distinktion von /s/ und /θ/ realisieren, ausgelegt sei. Nicht nur Andalusien, sondern auch Hispanoamerika werden hier eingeschlossen, um das Argument bezüglich einer Graphie für die Mehrheit der hispanophonen SprecherInnen zu stärken. Das Demographieprinzip, welches als positiv gerahmt wird, wird in einer direkten Anrede an die LeserInnen aufgegriffen, indem gesagt wird, dass die Orthographie des Standardspanischen für eine absolute Minderheit gemacht sei und man sich aber über diesen Umstand in der Regel nicht beschwere. Es wird hierbei explizit Bezug auf den zweiten Tweet von Carmen Caesaris genommen, die die strukturelle Vielfalt – wieder anhand der Merkmale des seseo, der Alternanz von /l/ und /r/ und der Deaffrizierung von /tʃ/ – darstellt und danach fragt, um welches Andalusisch es sich handele (es ist anzunehmen, dass die Einleitung zu Er Prinzipito, in welcher dargestellt wird, dass die Übersetzung in der Mundart des Andalusischen der Region Málagas verfasst wurde, nicht gelesen wurde oder aber abgelehnt wird), wobei die Übersetzung als Rechtfertigung für «Blödheit» beschrieben. Diese ausdrücklich ablehnende Haltung wird nun durch den Autor entkräftet, indem er implizit darauf hindeutet, dass er, obwohl die Verfasserin des Tweets
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aus Sevilla stammt, kein Problem sehe, dass sie bzw. ihre eigenen Realisierungsformen nicht in der Orthographie repräsentiert werden. Es handelt sich also um eine Umkehrung der konzeptionellen Deutungshoheit, mittels derer die Standardorthographie als korrekt eingestuft wurde, da nun nicht Korrektheit, sondern Inklusion als moralischer Wert Bezugspunkt für die Bewertung von Legitimation einer Orthographie wird. Es ist hierbei hervorzuheben, dass die Diskussion nicht um die tatsächliche sprachliche Vielfalt kreist, sondern mittels des Rekurrierens auf den seseo und den ceceo, die indexikalisch zum diskursiven Aushandeln von Legitimationshoheiten und Diskurspositionen als Indices 3. Grades genutzt werden. Die sprachliche Variation auf struktureller Ebene, die sowohl in Andalusien als auch in Hispanoamerika sehr groß ist, wird sprachideologisch durch die Indices 3. Grades repräsentiert, wodurch eine Kreation und Abgrenzung der Identität von Nordspanien erfolgt. Durch das Aufgreifen Hispanoamerikas wird die Diskursposition legitimiert und verstärkt, sodass hierdurch eine klare Strategie zur Aufwertung gegenüber negativen Bewertungen zu sehen ist. Dabei ist zu sehen, dass saliente Merkmale sehr stark mit Identitätsbezügen aufgeladen werden, da sie an die Repräsentation der eigenen Sprechweise, die hier immer auch mit Identität verbunden ist, gekoppelt werden und somit über wenige Grapheme In- oder Exklusion indexikalisch evoziert wird. Nicht die tatsächliche strukturelle Vielfalt dient also zur Identifikation mit der Graphie, sondern es ist die indexikalisch repräsentierte Vielfalt, die hier zur Inklusion und Identifikation mit der Orthographie führt. Die hier zugrunde liegende sprachideologische Hintergrundfolie ist, dass eine Orthograpie als solche überhaupt Identitäten repräsentieren kann und durch die Implementierung gewisser salienter Merkmale zu einer besseren Repräsentation dieser Identitäten beiträgt. Es zeigt sich also, dass die hier genutzten Indices 3. Grades sehr stark mit einer positiv besetzten andalusischen Identität verknüpft werden, um letztendlich eine Revalorisierung im Prozess einer sprachideologischen Neuausrichtung herbeizuführen. In der Beantwortung der dritten Frage wird dies noch weiter ausgeführt, indem Bezug auf den Tweet der Professorin für spanische Sprachwissenschaft, Lola Pons Rodríguez, genommen wird. Die Professorin geht offenbar davon aus, dass durch das Graphem der ceceo repräsentiert werde und man den Rhotazismus – in dieser Arbeit wird darauf mit Alternanz von /r/ und /l/ rekurriert und gleichzeitig auch auf den Lambdazismus verwiesen – emporhebe, obwohl dieser nur von wenigen SprecherInnen realisiert werde. Zunächst wird die Legitimität ihrer Aussage vom Autor des Blogs angezweifelt, da explizit darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dem Andalusischen in der Übersetzung um das Andalusische des Autors der Übersetzung, Huan Porrah Blanko, handele. Zur Legitimation der eigenen Aussage zieht der Blog-
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Autor einen Tweet von Vanfunfun heran, der darauf verweist, dass die Orthographievorschläge der Z.E.A. als graphemische Repräsentation sowohl für /s/ als auch für /θ/ angeben, und er somit die Hauptkritik der Professorin an der Übersetzung als nicht gerechtfertigt erachte.197 Das Urteil der Professorin wird also delegitimiert und ins Gegenteil verkehrt. Hierbei wird ihr eigenes Argument – das der geringen Anzahl der SprecherInnen, deren Sprechweise den Rhotazismus aufweisen – aufgegriffen und seinerseits auf die Standardorthographie angewandt, um erneut die Exklusivität der identitären Repräsentation der meisten SprecherInnen anhand der Rekurrenz auf den ceceo/seseo in der Standardorthographie hervorzuheben. Die Aussage im Tweet von Vanfunfun wird zur Untermauerung dieser Diskursposition genutzt, um darüber hinaus noch anzuzeigen, dass durch das Graphem niemand in Andalusien diskriminiert werde, da das Graphem polyvalent sei und durch den Repräsentationsgehalt von /s/ und /θ/ SprecherInnen, die den seseo realisieren, einschließt, aber eben auch diejenigen, die den ceceo realisieren. Die Indices 3. Grades spielen hierbei eine herausragende Rolle, da durch sie die vorherige negative Bewertungsfolie konkret an sprachlicher Substanz aufgegriffen und ins Gegenteil verkehrt wird. 7.2.4.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Bei der zuvor durchgeführten Analyse der Indexikalität 3. Grades ist deutlich geworden, dass der sprachideologische Bezug auf die Orthographie eine sehr wichtige Rolle spielt: Strukturelle Merkmale werden diskursiv als protoypisch dargestellt und in sprachideologischen Diskursen zur Identitäts- und Sprachkonstruktion verwendet. Die Aushandlung der Hauptachse der ideologischen Positionen ist hierbei von zentraler Bedeutung: die Orthographie. Die anhand der Übersetzung des Petit Prince entstandenden Diskussionen materialisieren sich vor dem Hintergrund der Schriftsprache im Sinne einer Orthographie als eigenständige reifizierte Sprache. Dies bedeutet, dass eine eigene Orthographie für das Andalusische vor dieser Hintergrundfolie immer auch mit einem Verhandeln der
197 Das im Tweet angegebene Video ist mittlerweise auf YouTube (Vanfufun 2017) zu finden. Vanfufun ist Philologe und stellt regemäßig sprachwissenschaftsbezogene Themen für ein größeres und vor allem jüngeres Publikum vor. Es handelt sich um eine 23-minütige Diskussion der Übersetzung, wobei darauf verwiesen wird, dass die Frage, ob das Andalusische eine Sprache sei und eine eigene Orthographie haben dürfe, eine politische und keine grundsätzlich linguistische sei. Der Autor des Videos stellt heraus, dass das Andalusische eine dignifzierte Form des Sprechens darstelle und auch als eigene Sprache existieren könne. Auch dies ist als ein Diskursausschnitt anzusehen, in welchem das Andalusische revalorisiert wird.
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Zugehörigkeiten zu einer Sprachgemeinschaft einhergeht. Diese Zugehörigkeit wird vor allem in Spanien und der Hispanophonie Lateinamerikas diskursiv in der Öffentlichkeit unter dem Topos La unidad del español verhandelt (cf. Paffey 2014). Grundsätzlich ist zu sehen, dass die GegnerInnen der Übersetzung einem konservativen Lager angehören, welches die Schaffung einer andalusischen Orthographie als Akt einer Sezessionsbewegung aus Spanien heraus begreift und einzelne Merkmale negativ besetzt, um durch diese Negativsetzung die sprachliche und die damit durch sie verbundene politische Eigenständigkeit zu diskreditieren. Eine derartige Intention wird in dem Gegendiskurs des Autors jedoch nicht deutlich, da eine Loslösung des Andalusischen nicht angestrebt wird, sondern er es als integrativen Bestandteil der diskursiven Varietät des Spanischen begreift. Variation begriffen als sprachliche Normalität wird folglich zur Basis seiner Diskursposition, welche darauf ausgerichtet ist, die größtmöglichen strukturellen Gemeinsamkeiten zusammenzufassen und dadurch integrativ die größtmögliche Anzahl an SprecherInnen durch die Orthographie zu repräsentieren. Darüber hinaus wird das Andalusische diskursiv als Varietät konstruiert, welche ihrerseits wiederum Subeinheiten aufweist: «[U]nos usamos una variedad del andaluz con cinco fonemas vocálicos, otros con ocho [. . .]». Die Subeinheiten und letztlich die diskursive Varietät des Andalusischen als solche werden durch das Rekurrieren auf Ähnlichkeitsbeziehungen gerechtfertigt. Ein wichtiger Bestandteil hierbei ist die «gefühlte» sprachliche Nähe der SprecherInnen verschiedener Regionen Andalusiens zueinander, sodass eine ähnliche Sprechweise als identitätsabgrenzend zu weniger ähnlichen Regionen und dadurch als identitätsstiftend entworfen wird. Durch die Abgrenzung zum Norden wird also die diskursive Varietät als Identitätsmerkmal durch gemeinsame Schnittmengen der andalusischen Sprechweisen geschaffen. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion zur Repräsentationskraft der Standardorthographie entscheidend, denn sprachideologisch wird einer neuen Orthographie, die den ceceo und den seseo in der Graphie widerspiegelt, eine größere Integrationskraft zugesprochen. Es handelt sich folglich um eine starke Aufwertung des Andalusischen als diskursive Varietät, da diese als Grundlage der Schaffung einer integrativen Orthographie für eine Vielzahl an hispanophonen SprecherInnen in diesem Sinne dienen kann. Die Antwort auf die vierte Frage zeigt einen weiteren Diskursstrang auf: die Schaffung von Legitimation im Diskurs durch Autoritäten. Der Autor bezieht sich hierbei im Besonderen auf Gabriel García Márquez, einen kolumbianischen Literaturnobelpreisträger, sowie auf Juan Ramón Jiménez, einen spanischen Lyriker, die entweder eine eigene Orthographie vorgeschlagen (García Márquez) oder die bestehende Standardorthographie angepasst (Ramón Jiménez) haben. Der BlogAutor greift diese Literaten als Träger sozialen Kapitals auf, um die Legitimation
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der Schaffung einer andalusischen Orthographie durch das Entgegenstellen der oben genannten Autoritäten gegen DiskursteilnehmerInnen, die die Legimitation einer andalusischen Orthographie als nicht rechtens darstellen, herbeizuführen. Im Blogeintrag wird hierbei im Besonderen auf Tweets Bezug genommen, in denen behauptet wird, die im Er Prinzipito genutzte Orthographie schade dem Andalusischen (Juan Manuel Moreno Bonilla), mache es lächerlich (Jeas G Malayitukk) oder sei Realsatire (Manuel Marlasca). Die Bezugnahme auf Autoritäten des Literaturbereichs dient also zur Darstellung einer auf Logik basierenden Gegenposition, um die eigene Position im Diskurs zu stärken und die andere Seite zu delegitimieren. Dies wird im Besonderen in der Antwort zur fünften Fragen ersichtlich, da der Autor des Blogeintrages durch die Darstellung rationaler Argumente schlussfolgert, dass, wenn eine andalusische Lexik und Grammatik in der Übersetzung verwendet würden, die Aussagen in den zuvor genannten Tweets folglich darauf schließen ließen, dass die TwitterInnen das Andalusische als solches geringschätzten. Er folgert darüber hinaus, dass sie das Andalusische als Varietät als nicht geeignet für hochsprachliche Literatur ansähen, sodass sie diejenigen seien, die das Andalusische geringschätzen und eben nicht der Übersetzer des Petit Prince. Die Argumentationsführung zeigt eindeutig, dass die verschiedenen Diskurspositionen der AkteurInnen herausgearbeitet werden, um Abwertungstendenzen zu identifzieren und deren Widersprüchlichkeit hervorzuheben. Zur Herstellung der Revalorisierung des Andalusischen wird noch eine weitere Opposition herausgearbeitet: diejenige der Sprachwissenschaft und Politik. Diese Opposition fällt wieder in den Bereich der Legitimation durch Bezug auf Autoritäten, wobei dies in der Beantwortung der sechsten Frage ersichtlicht wird: Das Konzept einer Sprache sei in erster Linie ein politisch motiviertes und eines, welches die Sprachwissenschaft als nicht relevant erachte sowie für sie als solches auch nicht existiere. Um diesen Punkt zu unterstützen, wird das Chinesische mit dem Galicischen und Portugiesischen verglichen und dabei konstatiert, dass SprecherInnen unterschiederlicher Regionen Chinas sich nur sehr schwer verständigen könnten, das Chinesische aber trotzdem als eine Sprache gelte, wohingehen SprecherInnen des Galicischen und Portugiesischen sich sehr gut verständigen könnten, es sich aber dennoch um zwei unterschiedliche Sprachen handele. Dies wird als Evidenz für das Argument, eine Sprache sei ein politisches Konzept, herangezogen, um dies dann auf das Andalusische anzuwenden. Dies erfolgt, indem die Setzung des Politischen als primäres Element zur diskursiven Reifizierung einer Sprache aufgegriffen wird. In diesem Zuge wird den LeserInnen des Blogeintrages suggeriert, dass sie selbst entscheiden könnten, ob das Andalusische eine Sprache ist. Insofern wird über den Zwischenweg der Legitimation durch Autoritäten die Handlungshoheit den SprecherInnen selbst zugewiesen. Es handelt sich folglich um eine Demokratisierung der diskursiven Kon-
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zeptionshoheit, wobei grundsätzlich für eine positive endogene Bewertung des Andalusischen appelliert und sich gegen die Geringschätzung des Andalusischen durch die anderen DiskursteilnehmerInnen ausgesprochen wird. Es ist noch hinzuzufügen, dass eine zusätzliche diskursive Delegitimation der Zuordnung zu den politischen Gruppen des Sindicato Andaluz de Trabajadores und der Partei Podemos, die von dem Autor in der letzten Frage aufgegriffen wird, durchgeführt wird. In Bezugnahme auf die Sprachwissenschaft als Disziplin wird der Diskurs zur politischen Richtung entkräftet und die Verbindung zwischen Übersetzung und Übersetzer aufgehoben, da dies nach den Aussagen des Blogautors nichts damit zu tun habe, was die Sprachwissenschaft als ihren Gegenstandsbereich ansehe. Die zeitgleich ausgeführte Delegitimation der Medien, die die politische Affiliation des Übersetzers als Mitglied der linken Gewerkschaft aufgreifen, führt also zu einer Ausweitung des Diskurses auf die Gesamtgesellschaft ohne Bezug auf Partikulargruppen und erzeugt dadurch wieder eine Inklusion eines größeren gesellschaftlichen Rahmens. Insofern wird das Andalusische sprachideologisch entpolitisiert und somit nicht als instrumentalisierte Sprache einiger separatistischer Partikulargruppen, sondern aller AndalusierInnen diskursiv gerahmt. Es ist folglich eine Revalorisierungstendenz zu verzeichnen, da das Andalusische als diskursive Varietät durch diese Setzung sprachideologisch anonymisiert, d.h. keiner spezifischen Gruppe in Andalusien zugeschrieben, sondern als die Varietät aller konstruiert wird. 7.2.4.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Die sprachideologische Anonymisierung erfolgt in dem Blogeintrag über die Übersetzung des Petit Prince durch die Zuschreibung einer diskursiven Varietät zu einem spezifischen geographisch-soziokulturellen Raum – Andalusien –, wobei diastratische Unterschiede sprachideologisch ausgeblendet und diatopische Variation mittels des Rückgriffs auf saliente Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades in die Konzeption des Andalusischen als Subeinheiten konzeptionell integriert werden. Dies bedeutet, dass die Revalorisierung in der sozialen Statuserhöhung und funktionalen Ausweitung des Andalusischen als diskursiv erschaffene Varietät einer gesamten Region und der ihr konzeptionell zugeordneten SprecherInnen besteht. Es handelt sich somit um einen reenregisterment-Prozess, der darauf abzielt, das Andalusische als diskursive Varietät positiv zu besetzen. Auch wenn der Blogautor suggeriert, dass in der Sprachwissenschaft das Konzept Sprache – es ist davon auszugehen, dass hier auf das Konzept der Standardsprache rekurriert wird – als politische und nicht sprachwissenschaftliche Kategorie angesehen werde, so wird doch eine sprach-
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ideologische Konzeptionalisierung der diskursiven Varietät als Sprache deutlich, da das Andalusische generisch als die Sprache aller AndalusierInnen konstruiert wird. Dieser auf diese Weise konstruierten diskursiven Varietät als überdachender Sprache werden Subeinheiten in Form von lokalen Sprechweisen zugeordnet – ähnlich wie DialektologInnen einer Sprache diatopische Varietäten zuschreiben. Dies entspricht also einer ähnlichen Konstruktion wie derjenigen von Sprache und ihren diatopischen Varietäten, wobei der Unterschied darin besteht, dass das Andalusische zwar als diskursive Varietät konstruiert, es aber dennoch dem Spanischen als Varietät zugeordnet wird.
7.2.5 Zusammenfassung Aus den in diesem Unterkapitel durchgeführten Untersuchungen wird ersichtlich, dass die sprachideologische Konstruktion des Andalusischen sich sehr heterogen mittels salienter Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades materialisiert. Allen Diskursausschnitten ist gemein, dass sie Variation als Topos nutzen, um das Andalusische zu revalorisieren. Auf die Variation wird mittels salienter Merkmale rekurriert und sie wird durch Indices 3. Grades benutzt, um das Andalusische aufzuwerten. Hierbei wird einerseits auf ExpertInnen und kulturelle Eliten mit kulturellem Kapital – ProfessorInnen/LehrerInnen – zurückgegriffen, andererseits werden die teils inszenierten Diskurse einer breiten Bevölkerung aufgegriffen, um dadurch das Andalusische zu revalorisieren. Hierbei wird das Andalusische als diskursive Varietät konstruiert, indem es mit dem Standardspanischen – welches implizit als die spanische Varietät aus dem Norden angesehen wird – kontrastiert wird. In diesem Zuge wird die strukturelle Variation konzeptionell dem Andalusischen als diskursive Varietät zugeordnet. Auch die Topoi der AndalusierInnen als besonders gewitzte oder bäuerliche Menschen werden aufgegriffen und negiert, worauf eine positive diskursive Setzung erfolgt. Die sprachideologische Konzeptionalisierungsfolie der standard language ideology ist dabei in jedem Diskursausschnitt sichtbar, da analog zur Dichotomie Sprache–Dialekt die Konzeptionalisierung Andalusisch–lokale andalusische Sprechweisen (hablas andaluzas) erfolgt und somit in ähnlicher Weise gedacht wird. Hierbei gibt es teilweise sogar die analoge Tendenz, ein «gutes» und ein «schlechtes» Andalusisch zu konstruieren, indem beispielsweise der ceceo als ein nicht äquivalentes, der seseo aber als ein sehr wohl äquivalentes Merkmal der standardspanischen Distinktion sprachideologisch gerahmt werden. Darüber hinaus wird ersichtlich, dass in allen Diskursausschnitten das Andalusische eine Setzung als korrekte und adäquate Sprache der AndalusierInnen erfährt und das Standardspanische als exogene und infolgedessen inauthentische Sprache zum Abgrenzungs- und
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gleichzeitig Konstruktionsreferenzpunkt des Andalusischen wird. Zusätzlich erfolgen diskursive Anonymisierungsstrategien, um das Andalusische als konzeptionell übergeordnete diskursive Varietät zu konstruieren, wobei lokale Variation der diskursiven Konstruktion der Varietät zugeschrieben wird. Dies geschieht in Abgrenzung zu den meist negativen Diskursen, in welchen sprachliche Variation als Indiz für die Inexistenz des Andalusischen gerahmt wird. Folglich ist eine Umkehrung der negativen Narrative ins Positive zu konstatieren, die das Andalusische als diskursive Varietät in re-enregisterment-Prozessen revalorisieren. Die Existenz dieser Prozesse ist also nur in Verbindung mit der negativen Valorisierung des Andalusischen zu sehen, die noch immer präsent ist. Die Revalorisierung des Andalusischen materialisiert sich aber in populären Diskursen auf verschiedenste Art, und die hier analysierten Diskursausschnitte lassen auf eine größere Wichtigkeit der endogenen positiven Affirmation der Identität gegenüber endogenen negativen Zuschreibungen schließen. Diese positive Affirmation einer andalusischen Identität materialisiert sich sehr stark anhand des Rekurrierens auf das Andalusische als wahrnehmbares Distinktionselement, welches folglich als Werkzeug zur positiven Besetzung nicht nur der Sprechweise der AndalusierInnen, sondern auch ihrer «typischen» charakterologischen Eigenschaften und der Kultur fungiert. Dass es sich hierbei nicht nur um einzelne zu vernachlässigende Diskursausschnitte handelt, wird klar, wenn der Kontext ihrer Okkurrenz in Betracht gezogen wird, da die Diskurse sich sehr stark ähneln, da sie ähnliche Muster bei den Rückgriffen und Umdeutungen bestehender Diskurse und ihrer Topoi aufweisen. Es kann in diesem Zusammenhang keineswegs davon ausgegangen werden, dass das Andalusische und die konstruierte andalusische Identität durch alle AkteurInnen bipolar negativ oder positiv bewertet würden, sondern dass ein soziales Spannungsfeld existiert, in welchem die positive Besetzung einen stärker werdenden Raum einnimmt, wie auch in den nachfolgenden Analysen zu sehen sein wird.
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen Schulen sind in Bezug auf die Konstruktion und Tradierung von Bewertungsschemata über Sprache ein sehr wichtiger diskursiver locus, da sie unter anderem die gesellschaftliche Rolle der Vermittlung des «korrekten» Wissens erfüllen und somit eine zentrierende Institution darstellen. Zu diesem tradierten Wissen gehört natürlich nicht nur das Wissen über Sprache und die «legitime Sprache», welche in der Schule implementiert und disseminiert werden soll (cf. Bourdieu 2006, 67ss.), sondern auch das Lernen von Identitäten, die an den Schulen besprochen und darüber hinaus auch sozial verhandelt werden. So stellt beispiels-
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weise Wortham (2006) in seiner Arbeit detaillert dar, wie Identitäten diskursiv an Schulen konstruiert werden; auch Eckert (1989, 2000) analysiert die diskursive Identitätskonstruktion, jedoch fokussiert sie sich hierbei auf die aktive Nutzung von Merkmalen, die von den SchülerInnen in Mikroinstanzen konkret für die Identitätskonstruktion ihres sozialen Umfeldes genutzt werden. Crowley (2003, 196ss.) zeichet in seiner Arbeit die Implementierung des Standardenglischen in der Gesellschaft und hier im Besonderen im Bildungssystem historisch nach. Es ist zu sehen, dass die Schulen einen zentralen diskursiven locus der Identitätskonstruktion darstellten. In dieser Arbeit wird allerdings ein anderer Schwerpunkt gewählt, da weder die Identität der SchülerInnen in Bezug auf die Ausdifferenzierung zu ihren MitschülerInnen, noch die Implementierung des Standardspanischen und deren Auswirkung untersucht werden sollen. Vielmehr sollen die Diskursausschnitte im Hinblick auf die Revalorisieurng des Andalusischen durch das Aufgreifen von Indices 3. Grades und somit die damit einhergehende Veränderung des Diskurses über das Andalusische analysiert werden. Dies bedeutet, dass die Diskurse an Schulen als einer der wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen Aufschluss darüber geben können, welche sprachideologischen Konzeptionen vorherrschen und wie Sprache bewertet wird. Van Dijk (1998, 188s.) drückt dies prägnant wie folgt aus: «Schools, universities and the whole education system are among the most complex, elaborate and pervasive ideological institutions, if only because they involve virtually all members of society, intensively and daily, sometimes for more than twenty years. Geared mainly towards the reproduction of knowledge and the reproduction of skills, they obviously also operate as major means for the reproduction of the dominant ideologies of society, although in some cases they can also facilitate the propagation of counterideologies». [Hervorhebungen im Original]
Dieser Annahme wird sich in dieser Arbeit angeschlossen und davon ausgegangen, dass Diskurse an Schulen außerordentlich wichtig sind, da sie sehr stark auf die SchülerInnen wirken und den SchülerInnen somit eine disseminierende Rolle zukommt, weil sie selbst wiederum die Diskurse tradieren und verbreiten. Eine Veränderung der Diskurse an Schulen – nach van Dijk wären dies counterideologies – lässt also auch auf eine (potentielle) Veränderung eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses schließen. Hierbei werden vorhandene Diskurse neu gerahmt oder umvaloriert, sodass sich ein soziales Verhandeln der verschiedenen Diskurspositionen ergibt. In Schuldiskursen werden vorhandene Diskurse sowohl kreiert als auch bereits vorhandene eingeordnet und verhandelt. Daher ist auch davon auszugehen, dass die Revalorisierung des Andalusischen einen Platz in Schuldiskursen zukommt und das Andalusische dort besprochen bzw. bewertet wird. Hierbei spielt der buen uso und dessen Konzeptionalisierung
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eine entscheidene Rolle, da bedingt durch die sich vom Norden unterscheidende sprachliche Variation in Andalusien die Frage eine zentrale Rolle spielt, welche Merkmale dieser buen uso enthalten soll und welche als Fehler sanktioniert werden. Carbonero (2003g, 88ss.) kontrastiert in diesem Zusammenhang die norma académica – also die der Real Academia Española – als Korrekturbezugspunkt mit einer norma escolar in Andalusien. Er plädiert für die schulische Implementierung eines buen uso des Andalusischen, wobei andalusische Merkmale mit hohem Prestige hier inkludiert werden sollen, jedoch solche mit niedrigem Prestige nicht, da «[. . .] el hecho de que existan usos lingüísticos de la modalidad lingüística andaluza que gocen de un grado alto de validez normativa puede servir para configurar una manera de ‹hablar bien› sin perder un perfil propio andaluz [. . .]» (Carbonero 2003g, 89s.).
Die sprachideologische Konzeptionalisierungsfolie der Standardsprache wird in diesem Zuge auf die diskursive Varietät Andalusisch angewandt, wobei eine Setzung von spezifischen Merkmalen als «gut» und «schlecht» erfolgt und diese somit zu Indices 3. Grades werden, um ein «gebildetes» Andalusisch – ein andaluz culto – in Analogie zum Spanischen der RAE zu konstruieren.198 Dieses Plädoyer des Soziolinguisten Carbonero scheint eines zu sein, was symptomatisch für Schuldiskurse steht: Der Wille zur Existenz einer Referenznorm, die es erlaubt, gute von schlechter Sprache zu unterscheiden. Wenn es also um die Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät geht, so ist zu vermuten, dass sich die re-enregisterment-Prozesse durch die Verhandlung von gutem und schlechtem Sprachgebrauch auch an Schulen detektieren lassen. In Bezug auf forschungsbezogene Metadiskurse zur didaktischen Implementierung des Andalusischen gibt es bereits einige Vorschläge,199 welches Andalusisch benutzt bzw. wie dieses im Unterricht besprochen und aufgewertet werden kann (Cantero García 2010, 36). Zur Forschung dieses Autors und weiterer ForscherInnen in diesem Feld nimmt Méndez García de Paredes (2009, 237s.) wie folgt Bezug: «También repercutió [bezugnehmend auf Aufwertungsdiskurse] en el ámbito de la enseñanza, pues se sintió la necesidad de llevar el estudio de la modalidad en las aulas, por lo que se quiso poner al día a los docentes para que supieran explicar ‹sin prejuicios› la modalidad, si bien en un principio fue difícil que los llamados ‹Talleres del habla andaluza› se despojaran del folclorismo y las banalidades que había caracterizado el discurso
198 Für weitere Ausführungen zur Implentierung einer andalusischen Norm an Schulen sowie für didaktische Überlegungen bezüglich ihrer Implementierung cf. Carbonero (2003c) sowie Carbonero (2003d). 199 Cf. Cantero García (2010) für eine zusammenfassende Darstellung der Forschungen zu diesem Thema.
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impresionista de los medios de comunicación. Se invitaba a ejercer la enseñanza en clave andaluza, y a tomar como punto de partida la modalidad vernacular del alumnado para ir escendiendo y hacerle tomar conciencia de la diversidad interna del andaluz por la que debía mostrar una actitud respetuosa».
Méndez García de Paredes zeigt sich sehr kritisch gegenüber der Bewegung, dass das Andalusische an Schulen mittels salienter Merkmale sprachideologisch aufgewertet wird. Durch die ablehnende Aussage ist allerdings zunächst zu deduzieren, dass es diese Tendenzen gab und sie Auswirkungen auf die Gegenwart in Bezug auf den Status des Andalusischen gehabt haben. Dabei wird moniert, dass in vielen Diskursen «[. . .] rasgos andaluces propios de ciertas capas sociales se hacen pasar por generales. Es decir, se confunden todos los planos del lenguaje y se configura una imagen estereotipada del andaluz» (Méndez García de Paredes 2009, 256).200 Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Monieren über eine nicht adäquate Darstellung der sprachlichen Realität zwar nachvollziehbar, dies bedeutet aber nicht, dass diese Arbeit der Ort für Korrekturdiskurse sein kann. Ein singuläres Richtigstellen der monierten «verzerrten Realität» der gesellschaftlichen DiskursakteurInnen ist daher im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgesehen. In einer späteren Arbeit beschreibt Méndez García de Paredes (2013, 266) die Revalorisierung in Bezug auf die Implementierung in Schulen derartig, dass immer stärker der Wunsch seitens der Bildungsautoritäten bestanden habe, dass Stereotypisierungen entgegengewirkt werde sowie das Andalusische als Symbol einer kollektiven Identität der AndalusierInnen stärker heranzuziehen. Hierbei sollte eine «exemplarische Norm» – die sogenannte norma culta – sprachplanerisch an den Schulen implementiert werden, um dem Bild, das Andalusische sei ein schlecht gesprochenes Spanisch, entgegenzuwirken. Da nicht die konkrete Implementierung dieser norma culta oder gar der (Miss-)Erfolg ihrer Lehre an den Schulen Gegenstand dieser Arbeit ist, kann diesbezüglich keine Aussage gemacht werden. Entscheidend ist an dieser Stelle vielmehr, welche Valorisierung der diskursiven Varietät in diesem Kontext zukommt. Als sprachliches Material dienen hierzu ein Interview mit der Fachschaft Lengua Castellana y Literatura am Instituto de Educación Secundaria Ramón y Cajal in Tocina, ein Interview mit SchülerInnen einer 8. und 9. Klasse und Auszüge aus Schulbüchern des Faches Lengua Castellana y Literatura. Durch die Breite der Diskursausschnitte soll ein möglichst repräsentatives Bild der Valorisierungstendenzen herausgearbeitet werden, wobei die
200 Mehr zu den Diskurssträngen wissenschaftlicher Diskurse über das Andalusische ist in Kapitel 7.4 zu finden.
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Diskurse, die durch die Interviews materialisiert werden, als exemplarisch für ähnliche Diskurse an anderen Schulen stehen. Darüber hinaus ist das Unterrichtsmaterial der Junta de Andalucía für die gesamte Comunidad Autónoma gedacht, sodass auch Aussagen über offizielle Bewertungsschemata des Andalusischen gemacht werden können. Zunächst erfolgt nun die Analyse des Interviews mit der Fachschaft Lengua Castellana y Literatura, woraufhin das Interview mit einer 8. und 9. Klasse sowie die Analyse des Unterrichtsmaterials anschließen.
7.3.1 Diskursausschnitt: Interview mit der Fachschaft Lengua Castellana y Literatura Das Interview mit der Fachschaft Lengua Castellana y Literatura wurde am 02. März 2016 am Instituto de Educación Secundaria (IES) «Ramón y Cajal» in Tocina in der Provinz Sevilla durchgeführt. Das Interview dauerte ca. 45 Minuten und wurde als Audiodatei aufgenommen. Für die Zwecke dieser Arbeit ist es transkribiert worden; die Namen der LehrerInnen sind anonymisiert und das für die Analyse nicht relevante Material ist derartig gekürzt worden, dass ausschließlich für den Gegenstand dieser Arbeit Relevantes aufgeführt wird. Das Treffen wurde von einem mit mir in Kontakt stehenden fachfremden Lehrer organisiert, da ich durch seine Hilfe die Erlaubnis des Direktorats und der Elternschaft zur Durchführung der Interviews bekommen konnte. Es wurde den LehrerInnen zunächst durch die Kontaktperson mitgeteilt, dass ich ein Lehramtsstudent für das Fach Englisch in Deutschland sei, der sich für Spanien generell interessiere und mehr zum (Spanisch-)Unterricht in Andalusien wissen wolle. Dieses Vorgehen war sinnvoll, um die vorherige Lenkung der Antworten der LehrerInnen zu minimieren und das Andalusische als solches nicht als thematischen Fokus im Gedankenhorizont der LehrerInnen zu evozieren. Nach der Aufnahme wurde den LehrerInnen der Zweck des Interviews mitgeteilt und alle erklärten sich bereit, dass ihre Antworten als Diskursausschnitt für diese Arbeit anonymisiert genutzt werden dürfen. Es ist zu betonen, dass es in dem Interview nicht darum ging, wie die LehrerInnen tatsächlich sprechen, sondern wie sie das Andalusische besprechen bzw. bewerten. Es handelt sich daher nicht im klassischen Sinne um ein soziolinguistisches Interview (cf. Schilling 2013, 92), sondern um ein ethnographisches Interview zur qualitativen Elizitation von Bewertungs- und Konstruktionstendenzen. Beal (2009, 283) zeigt für Interviews durch exogene Befragende den Vorteil auf, dass die Befragten metasprachliche Diskurse und das darin verankerte metasprachliche Wissen, in denen sie sich bewegen und welches sie haben, den Befragenden explizierend erläutern und die eigenen Dis-
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kurse näherbringen. Somit ist es möglich, durch ethnographische Interviews auch die gesellschaftlich vorhandenden Diskurse auszugsweise festzuhalten und auf Revalorisierungstendenzen hin zu analysieren. In dieser Arbeit werden einzig die hier transkribierten Gesprächssequenzen ausgewertet. Die Fragen wurden derartig gestellt, dass die LehrerInnen zunächst im Sinne der Darlegung ihrer Expertise beschreiben sollten, wie sie den Spanischunterricht durchführen und welche Gegenstandsbereiche sie unterrichten. Dieser Teil ist in dieser Arbeit nicht wiedergegeben. Nach dieser Sequenz wurde das Interview durch mich thematisch auf einen Metadiskurs zum Andalusischen gelenkt, indem ich danach fragte, wie sie mit Sprache und Variation im Spanischunterricht umgingen. Auslassungen sind durch [. . .] kenntlich gemacht worden. [. . .] Profesora 1: Pues claro, que aquí en Andalucía enseñamos el castellano estándar, pero también el andaluz culto que goza de un alto prestigio. BP Frage 1: ¿Pero de qué tipo de prestigio goza el andaluz? Profesora 1: La conciencia del andaluz en la población es muy negativa, pero trabajamos mucho para que la valorización cambie. Sigue habiendo estereotipos negativos como que los andaluces somos vagos, graciosos, o que tenemos muy poca educación. Profesor 2: Pero la gran mayoría de los andaluces somos buena gente, muy trabajadores, liberales. Profesora 1: También tenemos el nivel de educación más alto en toda España. Profesor 2: Claro, y además tenemos el mayor sentido para el común y el bienestar de la sociedad. BP Frage 2: Usted habló sobre un cambio deseado con respecto a la valorización del andaluz. ¿Ha habido un cambio en la valoración del andaluz en los últimos años? Profesor 1: Pues, sí. Últimamente, se han mostrado muchas películas que son más favorables al andaluz y la cultura andaluza. Profesora 2: Sí, y también se escucha el andaluz más y más en la tele o en la radio, pero creo que esto sólo está pasando en Andalucía misma; en el resto de España sigue igual. [. . .] BP Frage 3: ¿Cómo concebiríais el andaluz lingüísticamente? Profesora 3: El habla andaluza es nuestra propia forma de hablar. En plan lingüístico el andaluz es un dialecto del castellano, pero muy distinto.
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Profesor 2: Bueno, también hay lo que llamamos ‹hablas andaluzas› y son subdialectos del andaluz ya que la forma de hablar también depende de la zona de origen de una persona. En la mente de las personas también existe la concepción de que hay un andaluz general en Andalucía, pero también de que se habla de una forma un poco diferente en cualquier lugar en Andalucía. Esta es nuestra riqueza. [. . .] BP Frage 4: ¿Qué tipo de lengua enseñáis? Profesora 4: En teoría enseñamos el castellano aquí, pero se trata únicamente de la lengua escrita. Con respeto a la lengua hablada, no enseñamos otra cosa que el andaluz. BP Frage 5: ¿Entonces enseñáis a los alumnos la pronunciación andaluza? Profesor 2: Claro que sí. Nunca los corregimos si tienen una pronunciación andaluza. Profesora 1: Pero, bueno, también depende. Los enseñamos el ‹andaluz culto› y no todo lo que dicen lo dicen en andaluz culto. BP Frage 6: ¿Entonces qué es el andaluz culto para vosotros? Profesora 1: Pues, hay rasgos válidos que tienen un alto prestigio y rasgos que son vulgares. Profesora 4: Por ejemplo, el seseo forma parte del andaluz culto. También el ceceo es visto cada vez mejor. La aspiración de las eses también forma parte del andaluz culto. Profesor 3: Estoy totalmente de acuerdo, pero también hay rasgos vulgares y las corregimos si los alumnos los pronuncian. Por ejemplo, la aspiración de la /h/ o la confusión de la /r/ y /l/. [. . .]
7.3.1.1 Darstellung der salienten Merkmale Die in diesem Inteview zu findenden Merkmale sind nicht zahlreich, weshalb auf eine Darstellung in tabellarischer Form verzichtet wird. Es werden der seseo, der ceceo, die Behauchung von /s/ (im absoluten Auslaut oder in der Silbenkoda), die Behauchung von lateinischem /f/ und die Alternanz von /r/ und /l/ als saliente Merkmale genutzt. Dies ist nicht verwunderlich, da in einem ethnographischen Interview, das von exogenen Befragenden durchgeführt wird, die Befragten nicht zwangsläufig stilisierte Identitätsakte in der Weise durchführen, wie sie es für Gruppeninterne tun würden. Es ist aber zu sehen, dass saliente Merkmale gebraucht werden, um Revalorisierungsprozesse durchzuführen und zu erläutern.
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7.3.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Die Indices 3. Grades werden ab der Frage 6 durch die Befragten genutzt, um ein andaluz culto (seseo, ceceo, die Behauchung von /s/) von einem impliziten andaluz inculto (die Behauchung von lateinischem /f/, die Alternanz von /r/ und /l/) zu unterscheiden. Die salienten Merkmale werden hierzu sprachideologisch abstrahiert und zur Konstruktion einer gebildeten Form des Andalusischen genutzt. Der in diesem Ausschnitt zu findende Gebrauch der Indices 3. Grades hat einen anderen Stellenwert als in dem Material, das in den vorherigen Unterkapiteln untersucht wurde, da sie nicht direkt mit charakterologischen Eigenschaften diskursiv verknüpft werden. Vielmehr werden die einem gebildeten Gebrauch zugeschriebenen Merkmale dazu genutzt, in ihrer Gesamtheit konzeptionell das andaluz culto zu konstruieren, wobei sie über diese abstrahierte diskursive Konstruktionsstufe einen spezifisch andalusischen Typus von SprecherInnen und deren charakterologischen Eigenschaften (dies wird in der Beantwortung der Frage 1 deutlich) evozieren: gebildet («el nivel de educación más alto en toda España»), fleißig («muy trabajadores»), sozial («el mayor sentido para el común y el bienestar de la sociedad»), anständig («buena gente») und liberal («liberales»). Diese mit AndalusierInnen verknüpften Eigenschaften dienen zur Abgrenzung vom Rest Spaniens, die diesen Pool an Eigenschaften in dieser Form offenbar nicht explizit aufweisen. Darüber hinaus findet eine endogene Umkehrung der als exogen gerahmten zugeschriebenen Eigenschaften («vagos», «graciosos», «tenemos poca educación») statt. Dies ist ein starkes Anzeichen für die Existenz von Revalorisierungsprozessen, da einhellig die Meinung vertreten wird, dass die negative Valorisierung im Rahmen von Bildung verändert werden müsse, wozu die LehrerInnen beitragen möchten. In Bezug auf die Merkmale ist zu konstatieren, dass die oben genannten Indices 3. Grades, die mit dem andaluz culto verknüpft werden, das Konzept von SprecherInnen der gebildeten Mittelklasse evozieren, die moralisch und ideologisch höhergestellte charakterologische Eigenschaften als die SprecherInnen unterer Schichten anderer Regionen Spaniens aufweisen. Dies bedeutet, dass die interviewten LehrerInnen das Bild haben, dass sie selbst gebildet seien, Andalusisch sprächen und den SchülerInnen ein gebildetes Andalusisch zu vermitteln sei. Die Domäne der Bildungssprache – hier zu verstehen als gesprochene Sprache bzw. «gepflegte» Aussprache –, welche vorher dem Standardspanischen vorbehalten war, wird nun durch die Ausdifferenzierung von Merkmalen als «gut» oder «gemein» bzw. «untenstehend» für die Ausführung von Identitätsakten und Revalorisierungsprozessen nutzbar: «Gute» Merkmale können also genutzt werden, um sich einerseits aktiv von ungebildeten SprecherInnen des Andalusischen durch die unterschiedliche Valorisierung der Merkmale zu unterscheiden, andererseits
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dienen sie aber auch zur Selbstaufwertung der SprecherInnen dieses andaluz culto in Abgrenzung zu den gebildeten SprecherInnen des Nordens, die klassischerweise als die gebildeten SprecherInnen des Spanischen galten. Es handelt sich bei den «gebildeten» salienten Merkmalen 3. Grades also sowohl um Indices, die charakterologische Eigenschaften evozieren als auch um solche, die gleichzeitig Klassen- bzw. Schichtenzugehörigkeit signalisieren. 7.3.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Wie bereits zuvor erwähnt, spielt die sprachideologische Abstraktion der Merkmale eine zentrale Rolle in dem Interview, da die salienten Merkmale zur Sprachkonstruktion des andaluz culto, also einer diastratischen Varietät des Andalusischen, als diskursive Varietät genutzt werden. Hierbei ist zunächst zu sehen, dass von dem Andalusischen («andaluz») gesprochen wird, was eine konzeptionelle sprachideologische Überdachung und Abstraktion der strukturellen Realität auf diskursiver Ebene darstellt. Dieser Konzeption werden die «hablas andaluzas» untergeordnet, die von einem Lehrer als Subdialekte bezeichnet und sprachideologisch als Reichtum – also positiv – gerahmt werden. In der Beantwortung der Frage 4 wird das Andalusische als gesprochene Sprache spezifiziert, die an dieser Schule ausschließlich gelehrt werde. Es erfolgt impliziert eine Darstellung einer Diglossiesituation in Bezug auf die Diamesie, in welcher dem Nordspanischen die Rolle des Standards in der Funktion als Schriftsprache zugeteilt wird. Demgegenüber steht die gesprochene Sprache – das Andalusische –, welches den SchülerInnen laut den Befragten aktiv beigebracht werde, wobei in der Antwort auf die Frage 5 durch den Lehrer 2 demonstrativ dargestellt wird, dass die andalusische Realisierung nicht korrigiert werde. Die Lehrerin 1 greift hier korrigierend ein und räumt ein, dass es darauf ankomme, was die SchülerInnen sagen, denn nicht alles werde in einem andaluz culto geäußert. Es erfolgt also die Anwendung der klassischen sprachideologischen Hintergrundfolie der standard language ideology, bei welcher analog zum Standardspanischen ein endogener mündlicher Standard mittels salienter Merkmale diskursiv konstruiert wird. Hierbei wird die zuvor oftmals auf das Andalusische angewandte Kategorie der «vulgarismos» aufgegriffen, die häufig dazu verwendet wurde, um strukturelle Merkmale der Sprechweisen Andalusiens zu klassifizieren und als diastratisch niedrig bzw. umgangssprachlich einzuordnen und zu bewerten. Es werden folglich tradierte sprachideologische Bewertungsschemata auf das Andalusische angewandt, um das traditionelle Schema der Gut-Schlecht-Opposition zur ideologischen Ausdifferenzierung einer gehobenen Varietät von umgangssprachlichen Elementen – also salienten Merkmalen – zu trennen und den Gebrauch um-
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gangssprachlicher Elemente zu sanktionieren. Es wird deutlich, dass strukturelle Merkmale durch die Anwendung sprachideologischer Bewertungsfolien verschiedenartig valorisiert werden, um durch eine Ausdifferenzierung auf sprachlicher Ebene auch eine auf gesellschaftlicher Ebene zu kreieren. 7.3.1.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Durch die Analyse des Interviews konnte gezeigt werden, dass eine deutliche Revalorisierung des Andalusischen in der diskursiv konstruierten Form des andaluz culto zu beobachten ist. Dieses andaluz culto wird auf diskursiver Ebene als die gesprochene Sprache der gebildeten AndalusierInnen funktional ausgeweitet und dabei werden gleichzeitig zu sanktionierende andalusische Merkmale bestimmt. Die Konstruktion einer diskursiven Varietät, die zumindest theoretisch den gesprochenen Standard in der Schule ablöst, ist als eindeutige Revalorisierung zu betrachten. Es handelt sich also um einen re-enregisterment-Prozess, bei welchem eine neue sprachideologische Setzung derselben strukturellen Merkmale zu einer Aufwertung der eigenen Sprechweise, der als typisch besprochenen charakterologischen Eigenschaften und der endogenen stratischen Ausdifferenzierung festzustellen ist. Es ist zu sehen, dass das, was das andaluz culto laut der LehrerInnen ausmachen soll, anhand salienter Merkmale 3. Grades konstruiert wird: Sie dienen zum Herausstellen einer eigenen revalorisierten Identität, wobei einige wenige Merkmale stark indexikalisch aufgeladen werden, um diese Differenzierung leisten zu können. Hierbei liegt der Fokus auf salienten Merkmalen zur aktiven endogenen Revalorisierung und Abgrenzung vom Rest Spaniens.
7.3.2 Diskursausschnitt: Interviews mit einer 8. und 9. Klasse Das Interview mit einer 8. und 9. Klasse wurde am 02. März 2016 am Instituto de Educación Secundaria (IES) «Ramón y Cajal» in Tocina durchgeführt. In diesem Zusammenhang erhielt ich die Möglichkeit, in zwei unterschiedlichen Klassen Teile ihrer Geographiestunde für das Interview zu nutzen. Die Lehrkraft war nicht präsent; es wurde ein Stuhlkreis eingerichtet, um eine lockere Gesprächsatmosphäre zu kreieren und um Bedenken der SchülerInnen bezüglich falscher Antworten zu minimieren. Darüber hinaus stand für die SchülerInnen durch die Integration in die Geographiestunde nicht direkt Sprache als Thema im Zentrum. Ich stellte mich als deutscher Lehramtsstudent vor, der ein Praktikum in Spanien mache und mehr über spanische Schulen wissen wolle. Die Interviews wurden in ihrem Verlauf durch Fragen auf das Thema Sprache gelenkt
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und die für diese Arbeit relevanten Aussagen wurden für die Analyse transkribiert. Die Fragen wurden ad hoc als Reaktion auf die Antworten der SchülerInnen angepasst, sodass kein strikter Fragenkatalog abgearbeitet wurde, sondern eine Gesprächssituation aufkam, in der die SchülerInnen frei erzählen konnten. Auf diese Weise sollten möglichst die Diskurse evoziert werden, die im Alltag der SchülerInnen eine Rolle spielen und nicht durch die Präsenz des Befragenden beeinflusst werden, sodass durch die Kreation einer sozialen Nähe und eines bewertungsfreien Raumes das von Labov herausgestellte observer’s paradox minimiert werden konnte. Zusätzlich war meine Rolle als Außenstehender der Kultur von zentraler Wichtigkeit, da die SchülerInnen nun die «ExpertInnen» waren und mir die Verhältnisse in Andalusien aus ihren Augen erklären konnten. Auslassungen werden im Folgenden durch [. . .] gekennzeichnet. Interview 8. Klasse (25 Minuten): [. . .] BP Frage 1: ¿Y qué habláis en las situaciones cotidianas? Alumno 1: Siempre hablo andaluz. Alumnos: Sí, siempre. BP Frage 2: Alguien me ha contado que la gente aquí siente vergüenza a la hora de hablar andaluz. ¿Es cierto? Alumnos: ¡No! No es cierto. BP Frage 3: ¿Qué habláis en las clases aquí en el instituto? Alumna 1: Andaluz. Siempre hablamos andaluz. Alumnos: Sí, todo el tiempo. BP Frage 4: ¿Y los profesores también? Alumna 2: Sí, menos el de inglés. BP Frage 5: Ah, ¿sí? ¿Por qué? Alumnos: Porque no es de aquí. BP Frage 6: ¿Los profesores corrigen vuestra pronunciación en las otras clases? Alumno 2: No. Alumno 3: Bueno, si utilizamos palabrotas, que sí nos corrigen. BP Frage 7: ¿Qué pensáis sobre el andaluz? Alumno 4: Me encanta porque es más chulo que el español del norte. Alumna 1: Sí, el andaluz mola mucho. Alumna 2: Pero bueno, hay gente del norte que dice que no se nos entiende, que somos vagos, flojos.
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BP Frage 8: Lo que tú acabas de decir es algo que normalmente ves reflejado en la tele? Alumna 2: No, en general no, pero lo dice la gente de Cataluña. Alumna 3: Sí, pero los otros del norte también. También dicen que Andalucía es una tierra subdesarrollada. No pienso para nada que esto sea correcto. Somos muy orgullosos de Andalucía y nos da igual lo que digan los otros. Alumnos: ¡Sí! [. . .] BP Frage 9: ¿Qué es el andaluz para vosotros? ¿Son hablas, un dialecto, una modalidad, una lengua o algo totalmente diferente? Alumna 5: El andaluz forma parte del español, pero es muy muy diferente. Nosotros tenemos nuestra propia forma de hablar. Alumno 2: Entendemos a la gente del norte, pero no nos entienden a nosotros. Alumnos: ¡Sí! Alumna 4: Es cierto que cuando algunos vienen aquí, no entienden ciertas palabras o como pronunciamos las palabras. Por ejemplo, no entienden ‹quillo›, ‹quilla›. Muchos piensan que hablamos mal, pero no es así. Hablamos bien. Messi, por ejemplo, dice [ma’ðriθ] en vez de [ma’ðrið] y, por eso, tampoco hablan tan correctamente. Alumno 2: Creo que nosotros hablamos mucho mejor que ellos. Los de Madrid hablan raro. Alumna 2: Por ejemplo, me parece mucho mejor decir [mi’arma] que [mi’alma], o [‘piʃa]. Alumno 1: También es mucho mejor decir [joe]. Alumnos: ¡Sí! [nicht verständlich, welcher Schüler spricht] Lo decimos todo el tiempo. Alumna 3: Me parece mucho más educado también decir [desir]. Alumna 2: Y también [andal’u]. [. . .] [Schülerin 4 erwähnt den Film Ocho apellidos vascos] Alumna 4: La película exagera un poco, pero muestra también lo bueno que hay aquí. [. . .] Alumna 6: También hablan andaluz y esto nos representa mucho mejor que en otras películas. Alumna 1: Evidentemente, no vamos en caballo por las calles. Tampoco bailamos todo el tiempo, pero también son partes de nuestra cultura. Y la lengua es muy importante porque en Ocho apellidos vascos utlizan el andaluz sevillano, pero no me parece malo porque el andaluz se habla un poco diferente en todas partes de Andalucía. [. . .] Interview 9. Klasse (40 Minuten): [. . .] BP Frage 1: ¿Qué papel tiene el andaluz en vuestra vida?
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Alumna 1: Juega un papel importante porque es una parte muy importante de nuestra identidad. Alumno 1: Pero hay mucha gente que dice que hablamos mal. BP Frage 2: ¿Y quién dice eso? Alumno 1: La gente de Madrid y Cataluña. Alumno 2: Pero yo creo que hablamos mal. Nosotros los jóvenes hablamos diferente, pero esto no tiene nada que ver con el andaluz. BP Frage 3: ¿Y cómo que piensan que se habla mal aquí? Alumno 3: Dicen que no nos entienden y que somos retrasados porque no nos entienden, pero no es así. Tampoco hablamos vulgar y es un concepto que nos han metido en la cabeza desde siempre, que el andaluz como no se entiende esperpento. Pero aquí tenemos nuestro propio modelo de cómo hablar. BP Frage 4: ¿Vuestro propio modelo? ¿A qué te refieres? Alumno 3: Hablamos el andaluz de una forma culta y hablamos mucho mejor que mucha gente del norte. El valor de nuestro lenguaje es nuestro acento. Creo antiguamente se solía imitar el acento del norte, pero ya no es así. No queremos imitar el acento de Madrid, sino que queremos nuestra propia habla culta. Alumna 2: Por ejemplo, hoy en día se puede triunfar con el andaluz como lo ha hecho Dani Rovira que siempre habla andaluz. Alumna 3: También cantantes como Manuel Carrasco o Alejandro Sanz tienen un acento de aquí y triunfan. Alumna 4: Sí, sí, es verdad. Antiguamente, los cantantes como Julio Iglesias sólo tenían éxito con un accento del norte. [. . .] [Schülerin 2 erwähnt die Aussprache von [de’sir] unaufgefordet] Alumna 2: Creo que lo que nos distingue aparte de la cultura son las diferencias en la pronunciación. Yo, por ejemplo, digo [de’sir], la gente del norte dice [de’θir]. Alumna 4: Sí, también la jota aspirada, pero también hay el ceceo que mis amigos de Cádiz realizan. Hay varias formas de pronunciar en Andalucía. También abrimos las vocales, no pronunciamos las finales de las palabras. Alumno 4: Mis amigos también dicen [piʃa]. Mi familia de Galicia no lo diría. Entre amigos también decimos [caʃon’deo]. Alumno 5: Y ‹quillo›, ‹quilla›. Alumno 6: Sí, nosotros no hablamos pijo como ellos. Nuestra forma de hablar es más auténtica, pero también culta. Alumna 2: Me gusta mucho como hablamos y también me gusta mucho que en la escuela también podamos hablar andaluz. Alumna 3: Ni siquiera cambio mi acento cuando estoy en el norte. Es porque creo que todos estamos orgullosos de nuestro acento.
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Alumno 2: Nunca cambiamos nuestra forma de hablar. Alumnos: ¡Sí! [. . .] BP Frage 5: ¿Y los profesores nunca os corrigen cuando habláis andaluz? Alumnos: ¡No! Nunca. Alumna 4: Bueno, sí. Si utilizamos vulgarismos, claro que nos corrigen. BP Frage 6: ¿Puedes concretizar esto un poco más? No entiendo lo que es un vulgarismo. ¿Puedes explicármelo? ¿Tiene que ver algo con el andaluz? Alumna 4: Pues, palabras brutas, malas, vulgares. Palabras que no suenan bien. Es una clase de palabras, pero no tiene nada que ver con el andaluz. También la gente del norte utiliza vulgarismos. También casi todos los profesores nos hablan en andaluz. También tenemos dos profesores de Extremadura que no nos hablan en andaluz, pero el resto sí. [. . .] Alumna 6: Hay muchos estereotipos sobre los andaluces como que somos flojos, que todos somos del campo, pero no es verdad. La gente de fuera de Andalucía se queja mucho de nuestro acento como, por ejemplo, en Cataluña, pero nosotros no nos quejamos del catalán. No tenemos una propia lengua, pero sí una forma educada de hablar el andaluz, así que no hace falta ocultarla. [. . .]
7.3.2.1 Darstellung der salienten Merkmale Wie im vorherigen Unterkapitel soll auch an dieser Stelle keine tabellarische Auflistung folgen, da nur einige wenige saliente Merkmale von den SchülerInnen selbst aufgegriffen wurden: seseo, ceceo, Vokalöffnung, Diminutiv (Aphärese), Behauchung von /x/ → /h/, Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/, Apokope von Konsonanten in der Silbenkoda und solcher in finaler Position sowie die Alternanz von /r/ und /l/. Die drei salienten Merkmale, die in beiden Interviews genannt wurden, sind der seseo, die Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/ und der Diminutiv (Aphärese). 7.3.2.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Es ist zunächst zu sagen, dass die salienten Merkmale nicht durch mich als Befragenden aktiv als thematische Setzung in das Gespräch eingebracht wurden, sondern die SchülerInnen in ihren Diskursen selbst auf die salienten Merkmale rekurrierten, um einerseits Revalorisierungsdiskurse zu kreieren, andererseits mir mittels des Verweises auf die Merkmale ihre Aussagen zu explizieren. In Bezug auf die salienten Merkmale selbst ist zu sehen, dass durch sie eine diskursive Setzung der Unterschiedlichkeit zu SprecherInnen anderer Regionen Spaniens
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hergestellt wird, um damit darauffolgend eine positive Evaluation zu verknüpfen. Dies wird im ersten Interview in der Beantwortung der Frage 9 deutlich, wenn die Schülerin 4 sagt, dass SprecherInnen aus dem Norden «quillo» bzw. «quilla» nicht verstünden, woraufhin konstatiert wird, dass viele dächten, dass AndalusierInnen schlecht sprächen. Dieser Aussage wird bezugnehmend auf den Fußballspieler Lionel Messi widersprochen, indem gesagt wird, er spräche «Madrid» durch die Realisierung von [θ] im absoluten Auslaut nicht korrekt aus – die Standardaussprache lautet [maðrið]. Die darauffolgende Aussage des Schülers 2 stützt die Annahme, dass Lionel Messi als Sprecher aus dem Norden wahrgenommen wird, obwohl dieser Argentinier (auch mit spanischer Staatsbürgerschaft) ist und i.d.R. keine nordspanische Aussprache aufweist. Es geht hier folglich um ein salientes Merkmal, das für den Norden als typisch dargestellt wird und welches dazu genutzt wird, die sprachideologische Annahme, im Norden spräche man grundsätzlich korrekt, mittels der Bezugnahme auf das Beispiel eines Prominenten zu widerlegen. Es spielt folglich keine Rolle, ob das konkrete Beispiel als korrekt oder falsch für den Sachverhalt eingestuft werden kann, sondern die Abgrenzung zum Norden in Bezug auf die Auslegungshoheit der korrekten Sprache ist in diesem Zusammenhang zentral. Hierbei ist im Besonderen bedeutsam, dass die darauffolgenden Aussagen im ersten Interview eine endogene Revalorisierung im Diskurs darstellen: Saliente Merkmale werden intralexematisch durch eine steigende Intonation betont und dabei konzeptionell mit Andalusien, SprecherInnen des Andalusischen und der Konzeption einer besseren («mejor») und gebildeteren («más educado») Sprache verknüpft. Darüber hinaus wird Bezug auf die Frequenz («todo el tiempo») genommen, um diskursiv die Vorstellung der Allgemeingültigkeit und Normalität des Andalusischen in informellen wie formellen Kontexten zu konstruieren. Es ist also in Interview 1 eine deutliche endogene Revalorisierung zu beobachten, die mittels salienter Merkmale das Andalusische als diskursive Varietät positiv besetzt und sogar konzeptionell in den Bereich der gebildeten Distanzsprache einstuft. Auch im zweiten Interview lassen sich ähnliche Phänomene feststellen. In der Beantwortung der Frage 4 ist zu sehen, dass die SchülerInnen eine Reihe an salienten Merkmalen nennen und diese mit der diskursiven Varietät verknüpfen. Sie haben also ein metasprachliches Wissen über zentrale Merkmale dieser Varietät, welches sie einsetzen, um einerseits die Konstruktion ihrer eigenen Varietät zu forcieren, andererseits spielt die Abgrenzung vom Norden genauso wie im ersten Interview eine zentrale Rolle. Die Merkmale werden auch in diesem Interview indexikalisch aufgeladen und mit sozialen Werten wie einer endogenen Authentizität («auténtico») und gebildeten Aussprache («culto») im Gegensatz zu einer diskursiv konstruierten exogenen Künstlichkeit («pijo») verknüpft.
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
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Darüber hinaus wird vielfach mittels salienter Merkmale Bezug auf die Heterogenität des Andalusischen genommen, da von den SchülerInnen expliziert wird, wie SprecherInnen anderer Regionen Andalusiens sprechen, allerdings geschieht dies nicht als eigentliches Differenzierungsinstrument, denn die strukturelle Variation wird konzeptionell in die diskursive Konstruktion des Andalusischen als reifizierte Varietät implementiert, was in den bisher analysierten Diskursen und den darin vorkommenden Topoi über das Andalusische in ähnlicher Form geschieht. 7.3.2.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Die salienten Merkmale werden innerhalb zahlreicher sprachideologischer Identitätsakte genutzt und diskursiv eingerahmt, um das Andalusische als diskursive Varietät zu valorisieren. In beiden Interviews ist zunächst zu sehen, dass die SchülerInnen angeben, aufgrund ihrer Aussprache, welche implizit konzeptionell als das zentrale Konstitutionselement in den Diskursen über das Andalusische fungiert, von SprecherInnen außerhalb Andalusiens nicht verstanden zu werden (Interview 1, Frage 4, Schülerin 4: «[. . .] no entienden ciertas palabras o como pronunciamos las palabras [. . .]»). Indem die SchülerInnen hierbei wiederholend auf phonetische Merkmale rekurrieren, erzeugen sie die diskursive Varietät konzeptionell vor allem auf der Basis phonologischer Konstitutionselemente. Dies ist auch im zweiten Interview in der Beantwortung der Frage 4 zu beobachten, da die besondere Relevanz des «acento» für das Andalusische herausgestellt wird. Konzeptionell ist die im Diskurs erzeugte Abgrenzung also auf der Ebene der phonetischen Realisierung zu verorten, mittels derer überhaupt erst eine sprachliche Abgrenzung und somit eine Selbstkonstruktion möglich wird. Dies scheint dem Schüler 3 bewusst zu sein, da dieser die andalusische Realisierung als sozialen Wert darstellt («[. . .] el valor de nuestro lenguaje es nuestro acento [. . .]»), wobei aus seiner gesamten Aussage deduziert werden kann, dass das Andalusische in der Form als «habla culta» sogar als bessere Sprechform dargestellt wird. Darüber hinaus wird in beiden Interviews deutlich, dass das Andalusische als diskursive Varietät eine positiv besetzte identitätsstiftende Funktion hat, da es als authentische Varietät gerahmt wird. Dies dient den SchülerInnen zur Konstruktion einer narrativen Identität, die mittels einer positiv gerahmten Sprache auch positiv konzeptionalisiert wird. Von besonderer Relevanz ist hierbei die auffällige Bezugnahme auf exogene Diskurse der Geringschätzung der AndalusierInnen und ihrer Sprache, welche immer wieder herangezogen werden, um eine revalorisierende Gegenposition zu entwickeln. Hierbei spielt der explizite Bezug auf den Stolz auf die eigene Varietät eine wichtige Rolle, denn der Bezug
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auf diesen sozialen Wert wird in Verbindung mit dem Andalusischen als «gebildete» Varietät hergestellt. Die sprachideologische Vorstellung der Standardsprache wird herangezogen, um das Andalusische in einem Aneignungsprozess der sprachideologischen Konzeption der Existenz guter und schlechter Sprechweisen in Analogie als gebildete Varietät zu konstruieren und somit als ebenbürtiges Gegenmodell erscheinen zu lassen. Gerechtfertigt wird dies nicht nur mit den Aussagen, dass die LehrerInnen die SchülerInnen nicht korrigierten und auch die LehrerInnen Andalusisch im Unterricht sprächen, sondern auch mittels der Bezugnahme auf SängerInnen, SchauspielerInnen und der Repräsentation des Andalusischen in Filmen (Interview 2, ab Frage 4). Konzeptionell wird das Andalusische also als diskursive Varietät konstruiert, die auch im distanzsprachlichen Bereich für die Produktion höherer kultureller Erzeugnisse wie Musik, Filme etc. genutzt werden kann. Es wird dargestellt, dass es möglich sei, auch mit dem Andalusischen Erfolg zu haben, was mit früheren exogenen Diskursen kontrastiert wird. Somit sei es nicht mehr nötig, die Sprache des Nordens zu imitieren, sondern nunmehr erstrebenswert, die eigene Varietät zu nutzen. Es ist davon auszugehen, dass diese diskursive Setzung als endogene Revalorisierungsstrategie unabhängig vom Wahrheitsgehalt der im Diskurs erzeugten Aussagen eine noch immer unterschwellig vorhandene exogene und ggf. auch endogene Abwertung voraussetzt, welche als Reaktion darauf interpretiert werden kann. Auf eine vorherige Exklusion folgt als Reaktion eine endogene Selbstaufwertung, die neben der Sprache auch die Kultur umfasst. Dabei wird konzeptionell auf das Konstrukt reifizierter Spracheinordnungen zurückgegriffen, wobei das Auslassen einer tatsächlichen Setzung des Andalusischen als Sprache oder Dialekt impliziert, dass es als ebenbürtige Form zum Standardspanischen, aber auch zum Katalanischen (Interview 2, Frage 6, Schülerin 6) als eigenständige Varietät konstruiert wird. Die genaue Bezeichnung («acento», «dialecto», «modelo») scheint dabei für die SchülerInnen keine große Relevanz zu spielen, sondern die Gleichwertigkeit ihrer Varietät mit den Varietäten anderer Regionen Spaniens steht im Zentrum. Konzeptionell wird hierbei der Topos des Andalusischen als vulgäre Sprechweise aufgegriffen und in der Beantwortung der Frage 6 im zweiten Interview von der Schülerin 4 neu gegliedert, indem bezugnehmend auf die LehrerInnen als Vorbilder gebildeten Sprachgebrauchs das «gebildete» Andalusisch als diskursive Varietät der vulgären Verwendung des Andalusischen entgegengesetzt wird. Dies entspricht einer revalorisierenden diskursiven Setzung, da das Andalusische als diskursive Varietät mit einem hohen sozialen Wert versehen wird, wobei die Vulgarität auf spezifische Nutzungweisen, die auch im Norden zu finden seien, ausgeweitet und konzeptionell vom Andalusischen wird.
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7.3.2.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse In der Analyse der beiden Interviews ist deutlich geworden, dass das Andalusische als diskursive Varietät in einem deutlichen Spannungsfeld endogener und exogener Bewertungsvorstellungen konstruiert wird. Hierbei wird durch die Annahme des Wahrheitsgehaltes der exogenen Geringschätzung oder Abwertung die eigene Varietät konstruiert, indem die bereits im Diskurs vorhandenen Konzeptionalisierungen – wie diejenige der «gebildeten» Sprache – auf das Andalusische übertragen werden, um dadurch eine ebenbürtige endogene Alternative zu den anderen Sprachen (Standardspanisch, Katalanisch etc.) als reifizierte diskursive Varietät zu erzeugen. Es handelt sich hierbei folglich um re-enregisterment-Prozesse, da immer wieder in Abgrenzung zu negativen Bewertungen die diskursive Varietät nun mit positiven Werten verknüpft und die SprecherInnen somit aufgewertet werden. Es kristallisieren sich auch im Hinblick auf das bisher analysierte Material klare Neubewertungsprozesse heraus, bei denen das Andalusische als diskursive Varietät eine neue diskursive Setzung erfährt und als reifizierte Konstruktion mit dem Ziel der Aufwertung der andalusischen Identität revalorisiert wird. Hierbei sticht im Besonderen die diskursive Konstruktion eines andaluz culto hervor, das als gebildete Sprache in Andalusien eine Alternative zum Standardspanischen im distanzsprachlichen Bereich auf diskursiver Ebene darstellt. Es ist zu konstatieren, dass zumindest im Diskurs eine imaginierte Realität erzeugt wird, in welcher das Andalusische reifiziert existiert und mit positiven Werten versehen wird. Dieselben Merkmale werden nun anders valorisiert und sprachideologisch im Spannungsfeld zur voherig negativ einregistrierten Varietät neu gerahmt. Es ist darüber hinaus die Gleichzeitigkeit der differentiellen sprachideologischen Konstruktion von Bedeutung, da zusätzlich zur Authentizitätsverknüpfung eine sprachideologische Anonymisierung erfolgt, bei welcher lokale andalusische Sprechweisen wie bereits bei dem zuvor analysierten Material dem Andalusischen als diskursive Überdachungsvarietät zugeordnet werden. Das Andalusische wird somit konzeptionell supralokal und in seiner Form als andaluz culto als für distanzsprachliche Bereiche adäquate Sprache konstruiert. Herauszustellen ist hierbei die Tatsache, dass die SchülerInnen – wahrscheinlich auch durch den Einfluss ihrer LehrerInnen – die Existenz eines «gebildeten» Andalusisch postulieren und dieses mit stark positiv besetzten Werten zur Selbstaufwertung bzw. sozialen Gleichstellung der AndalusierInnen mit den BewohnerInnen anderer Regionen Spaniens aktiv diskursiv nutzen.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
7.3.3 Diskursausschnitt: Lehrmaterial Um Diskurse an Schulen genauer bestimmen zu können, sind auch die dort genutzen Schulbücher von elementarer Bedeutung. Da Bildungspolitik in Spanien eigenständig durch die Comunidades Autónomas geregelt wird, ist davon auszugehen, dass es in Bezug auf die Inhalte der Curricula unterschiedliche Schwerpunktsetzungen und regionsspezifische Besonderheiten gibt. Nicht nur das neue Autonomiestatut Andalusiens aus dem Jahr 2007 sieht einen besonderen Schutz des Andalusischen im Allgemeinen vor, denn auch im Bildungssektor soll dem Andalusischen eine besondere Rolle zukommen. Im Jahr 2016 hat das Bildungsministerium Andalusiens eine neue gesetzliche Richtlinie herausgegeben, in welcher unter anderem Themen bezüglich der Inklusion und Diversität im Bildungssektor diskutiert und Handlungsanweisungen für den Unterricht gegeben werden (Junta de Andalucía 2016). Unter anderem beinhalten die Richtlinen verbindliche Themenbereiche für alle Schulfächer, die in den spezifischen Unterrichtsjahren behandelt werden müssen sowie Angaben zur verpflichtenden Vermittlung verschiedener Kompetenzen. Für das erste Jahr der Mittelstufe (1° de ESO, Fach Lengua Castellana y Literatura)201 wird in Bezug auf das Andalusische unter der Rubrik «Comunicación oral: escuchar y hablar» Folgendes bestimmt: «Audición y análisis de textos de distinta procedencia, que muestren rasgos de la modalidad lingüística andaluza. [. . .] Actitud de respeto ante la riqueza y variedad de las hablas existentes en Andalucía. Respeto por la utilización de un lenguaje no discriminatorio y el uso natural del habla andaluza, en cualquiera de sus manifestaciones».
Dieses verbindliche Ziel ist für die drei Folgejahre der Mittelstufe (1° bis 4° ESO) vorgeschrieben. Im Kompetenzbereich «Conocimiento de la lengua», innerhalb dessen den SchülerInnen ein Metawissen über Sprache, die sprachliche Variation in Spanien sowie Wissen über Syntax und Morphologie der Standardsprache vermittelt werden soll, ist die folgende Kompetenz in Bezug auf das Andalusische (1° de ESO, Fach Lengua Castellana y Literatura) festgelegt:
201 In Spanien wird die Schullaufbahn in drei Phasen gegliedert (vereinfachte Darstellung): Die Educación Primaria (erstes bis sechstes Schuljahr: 1° bis 6° EP, entspricht in etwa der Primarstufe) für SchülerInnen im Alter von sechs bis elf, mit der darauf folgenden Educación Secundaria Obligatoria (siebtes bis zehntes Schuljahr: 1° bis 4° ESO, entspricht in etwa der Sekundarstufe I bzw. der Mittelstufe) für SchülerInnen im Alter von zwölf bis 15 und dem Bachillerato (elftes und zwölftes Schuljahr: 1° und 2° Bachillerato, entspricht in etwa der Sekundarstufe II bzw. Oberstufe und endet mit der Entsprechung des Abiturs) für SchülerInnen von 16 bis 17 Jahren.
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«Conocer la realidad plurilingüe de España, la distribución geográfica de sus diferentes lenguas y dialectos, sus orígenes históricos y algunos de sus rasgos diferenciales; profundizando especialmente en la modalidad lingüística andaluza».
Auch dieses Wissen soll in der gesamten Sekundarstufe I vertieft und gefestigt werden. Folglich ist zu sehen, dass in der Sekundarstufe I eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Andalusischen und dessen Merkmalen vorgesehen ist. Darüber hinaus soll erreicht werden, dass sich die SchülerInnen des «(Variations-)Reichtums» der Sprache in Andalusien («riqueza») und der dort zu findenden Varietäten bewusst werden und diese wertschätzen. Folglich ist zu sehen, dass die Revalorisierung des Andalusischen institutionell festgeschrieben ist und explizit in der Schule materialisiert werden soll. Zusätzlich zu einer positiven Valorisierung des Andalusischen soll das Wissen über die Elemente, die zur Differenzierung zum Norden dienen, vermittelt werden. Die institutionelle Stützung des Andalusischen suggeriert die Existenz von Revalorisierungsprozessen, innerhalb derer die soziale Stellung des Andalusischen erhöht wird, wobei den SchülerInnen eine positiv besetzte endogene Identitätskonstruktion ermöglicht werden soll, die grundsätzlich eine emotionale Verbindung mit Andalusien, der Kultur und der Sprache beinhaltet. In diesem Unterkapitel soll ergänzend zu den zuvor analysierten Interviews exemplarisch Unterrichtsmaterial untersucht werden. Eine große Schwierigkeit bei der Bestimmung des für diesen Diskursausschnitt angemessenen Materials ist die Tatsache, dass andalusische Schulen die Fachbücher, mithilfe derer sie den Unterricht gestalten, selbst aussuchen. Folglich existiert eine große Bandbreite an Schulbüchern, die an andalusischen Schulen für das Fach Spanisch genutzt werden. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, eine für alle Schulen repräsentative Untersuchung der Diskurse über das Andalusische in Lehrmaterialien durchzuführen, da dies einer eigenen Untersuchung bedürfte. Es soll daher auf die existierende Forschung in diesem Bereich, die vor allem von Méndez García de Paredes (2003, 2009, 2013) durchgeführt wurde, aufgebaut werden. In Méndez García de Paredes‘ (2003) Studie wurden 70 Schülbücher der Sekundarstufe I und II aus dem Zyklus der Jahre 2000 bis 2001 in Bezug auf die darin zu findenden Erarbeitungen zum Themengebiet des Andalusischen analysiert, wobei sich eine starke Heterogenität herauskristallisiert, was die tatsächlich dargestellten Konzeptionen angeht. Es wurden dennoch allgemeine zusammenhängende Diskursstränge identifiziert, die sich thematisch in der großen Mehrheit der Schulbücher finden lassen (Méndez García de Paredes 2003, 214):
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
a) Das Standardspanische wird den AndalusierInnen aufoktroyiert; b) es hat ein kulturelles und sprachliches Aufzwingen seitens Kastiliens gegeben, gegen das man sich wehren muss; c) die spanische Standardsprache ist exklusiv und umfasst das Andalusische nicht; d) die AndalusierInnen schämen sich ihrer Sprache, da sie fälschlicherweise das Sprechen des Andalusischen mit dem falschen Sprechen des Spanischen verwechseln; e) die sprachliche Variation in Andalusien kann unter einer Überdachungsvarietät Andalusisch – also einer diskursiven Varietät – subsumiert werden; f) diejenigen, die die Variation in Andalusien in den Fokus rücken, wollen das Andalusische nicht stützen; g) man denkt in anderen Regionen Spaniens, dass das Andalusische für gebildete Menschen nicht adäquat ist; h) der «Kampf» um die Revalorisierung des Andalusischen ist dann verloren, wenn es nicht als gesamtheitliche Varietät verstanden wird. Bereits hier lässt sich eindeutig sehen, dass dem Andalusischen in den Schulbüchern ein großer Raum gegeben wird, wobei eine Konstruktion einer diskursiven Varietät erfolgt, die dann durch Abgrenzung von exogenen Bewertungen revalorisiert wird. Es handelt sich nach der Sicht Méndez García de Paredes‘ (2009, 296) bei diesen Diskurssträngen um eine simplifizierte Darstellung, die durch Übergeneralisierung eine diskursive Uniformität schaffe, was ihrer Meinung nach zum Ergebnis hat, dass die Diskurse in den meisten untersuchten Schulbüchern das Andalusische als diskursive Varietät reifizieren und dadurch diskursiv erschaffen. Problematisch an den Studien von Méndez García de Paredes ist die Tatsache, dass sie einzig Schulbücher in den Blick nimmt, in welchen das Andalusische auch explizit behandelt wird. In diesem Zusammenhang ist Manuel Hijano del Río (2002) als Professor für historische Bildungswissenschaften zu erwähnen, der an der Universidad de Málaga innerhalb einer Studie, die als nicht veröffentlichte Publikation an das andalusische Bildungsministerium geschickt wurde – offenbar mit dem Zweck der Bewusstmachung und zur Einflussnahme auf die politischen Bestimmungen –, 25 Bücher des Spanischunterrichts der Sekundarstufe I und II in Bezug auf die Behandlung des Andalusischen untersucht. Die Kurzstudie kam zu dem Ergebnis, dass in mehr als der Hälfte der untersuchten Bücher (52 Prozent) das Andalusische gar nicht behandelt wurde. Unabhängig von der politischen Komponente der Studie ist aber zu sehen, dass Studien in diesem Bereich sehr selten sind und sich kein eindeutiges wissenschaftliches Bild ergibt, inwiefern das Andalusische
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in den tatsächlich genutzten Schulbüchern thematisiert wird.202 Folglich ist herauszustellen, dass das hier untersuchte Material nicht suggeriert, dass eine gänzliche Revalorisierung zu konstatieren sei, sondern vielmehr, dass es Diskursstränge zur Revalorisierung gibt und wie diese sich manifestieren. In diesem Zusammenhang sind die Existenz dieser Diskursstränge zusammen mit den Forschungsergebnissen von Méndez García de Paredes (2003, 2009, 2013) und dem Material aus den Interviews ein starkes Indiz dafür, dass die Diskurse zur Revalorisierung des Andalusischen an den Schulen existieren und stärker werden. Das in diesem Unterkapitel analysierte Material ist wie folgt zu charakterisieren: Zunächst wird der Ausschnitt 3.1 Rasgos de la modalidad lingüística andaluza aus der thematischen Einheit 3. La modalidad lingüística andaluza der Unterrichtseinheit La pluralidad lingüística de España analysiert, welche über die Plattform der Junta de Andalucía, Agregra, die für LehrerInnen frei zugänglich ist, eingesehen werden kann. Dies hat den Vorteil, dass dieses Material von der Junta de Andalucía selbst und nicht von einem externen Verlag zur Verfügung gestellt wird. Daher muss es sich um Material handeln, welches also von institutioneller Seite aus als adäquat angesehen wird. Dann folgen drei Abschnitte aus den Schulbüchern dreier Verlage, die das Andalusische behandeln. Diese Ausschnitte sind aus dem von Méndez García de Paredes (2003) besprochenen Material entnommen, da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich war, eine Vielzahl an Schulen zu bereisen, um herauszufinden, welche Schulbücher genutzt werden. Daher soll sich auf das Material von Méndez García de Paredes gestützt werden, welches sie als repräsentativ einstuft. Der dritte Bereich ist dem Schulbuch des 1° ESO entnommen, in welchem das Andalusische behandelt wird. Dieses Buch wird an der Schule genutzt, an der die Interviews durchgeführt wurden, wodurch sichergestellt werden konnte, dass das Buch tatsächlich Einsatz im Unterricht fand.
202 In diesem Bereich fehlen folglich wichtige Einblicke in die tatsächlich genutzten Schulbücher, welche ideologische Ausrichtung die Verlage haben und ob diese ggf. glauben, dass sich Schulbücher, die das Andalusische thematisieren, besser verkaufen oder aber ihre Schulbücher nicht zugeschnitten auf die spezifischen Comunidades Autónomas möglichst auf dem gesamten spanischen Markt vertreiben wollen. Diese ökonomische Komponente ist bisher noch nicht durch Forschungsarbeiten systematisch betrachtet worden, sodass alle Aussagen diesbezüglich nur sehr tentativ bleiben.
Imagen derivada de un original en Wikimedia Commons de Panchurret bajo CC
Grafik 5: Rasgos de la modalidad lingüística andaluza (Junta de Andalucía 2017).
En el apartado "Para saber más" de este tema, encontrarás enlaces donde podrás consultar en qué zonas se producen los distintos rasgos señalados.
Como ya hemos resaltado, no en toda Andalucía se habla de la misma forma, por lo que la mayoría de estos rasgos están presentes en unas zonas y en otras no. Así, por ejemplo, mientras el ceceo está muy extendido en gran parte de las provincias de Sevilla, Huelva, Cádiz y Málaga, en Córdoba, Jaén, Granada y Almería es casi absoluto el predominio del seseo. Del mismo modo, la aspiración de la "j" o la pronunciación africada de la "ch" son fenómenos exclusivos de Andalucía Occidental, y desconocidos en la Oriental.
Importante
Pronunciación africada de la "ch": /mushasho/ por /muchacho/).
Reducciones del tipo /mu/ (/muy/), /pa/ (/para/), /ca/ (/casa/).
Ceceo: pronunciación de la "s" como "z": /aciento/ por /asiento/. En algunos casos, el ceceo se convierte en "heheo", cuando la -s- intervocálica se aspira: /nohotro/ por /nosotros/. Este fenómeno tiene una consideración muy baja entre hablantes cultos. Neutralización de r/l en posición final de sílaba: /mi arma/ por /mi alma/.
3. Rasgos de valoración intermedia (extendidos coloquialmente, pero poco admitidos en niveles cultos y formales):
Abertura de vocales, especialmente la /e/. Este fenómeno está extendido en toda Andalucía Oriental y se hace especialmente patente en las palabras que están en plural, compensando así la pérdida de la /-s/: /loh papele/ por /los papeles/.
Relajación y pérdida de determinadas consonantes finales: /papé/ por /papel/, /verdá/ por /verdad/.
Reducción y asimilación de grupos consonánticos: /prátticamente/ por /prácticamente/; /dinnamente/ por /dignamente/.
Aspiración y/o pérdida de la -s en posición final de sílaba: /mih amigo/ por /mis amigos/.
Aspiración de la "j" (o "g"): /empuhón/ por /empujón/.
Seseo: Pronunciación de la "c" ("z") como "s": /sapato/ por /zapato/.
2. Rasgos aceptados por la norma culta andaluza:
Yeísmo: Consiste en la pronunciación de "ll" como "y": /aniyo/ por /anillo/. Relajación y pérdida de -d- intervocálica: /sentao/ por /sentado/.
1. Rasgos totalmente aceptados e, incluso, con cierta difusión en el español general:
Como ya hemos señalado, este es el apartado en el que mayor diferenciación presenta el andaluz con respecto a la lengua española, de la cual es una variedad diatópica. Vamos a ver cuáles son estos rasgos, clasificándolos en relación con su nivel de aceptación:
Rasgos fonético-fonológicos
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os se
vosotros
ustedes
quedan
quedáis ustedes
quedas tú queda usted os/se
te se quedáis
quedas queda
ANDALUZ
Grafik 5 (fortgesetzt )
Como rasgo general, podemos encontrar en Andalucía, por razones históricas obvias, una mayor pervivencia de arabismos quizás ya desconocidos en otras zonas: "alcaucil", "algofifa"...
El español es una lengua riquísima en cuanto a vocabulario y son muchísimas las palabras que se usan en unas zonas y no en otras, o se encuentran pero con diferente significado.
Imagen derivada sobre un original en Flickr de Romain bajo CC
Tampoco podemos afirmar que el andaluz posea un léxico propio, distinto del castellano. Sí que se dan peculiaridades en el uso de ciertas palabras, que en otros sitios no se conocen, pero ese es un fenómeno que puede comprobarse en el momento en que estudiemos el léxico de cualquier ámbito de uso de la lengua española.
Rasgos léxico-semánticos
te se
tú usted
ESPAÑOL
Esta peculiaridad provoca inestabilidad en la modalidad lingüística andaluza cuando el verbo se conjuga con pronombre, pues a la forma "ustedes" puede acompañar tanto "os" como "se" (según las zonas):
Así, cuando el hablante andaluz dice "¿Ustedes queréis?", conjuga el verbo en 2a persona del plural (en español se usa la 3a: "¿Ustedes quieren?"). En estos casos, el pronombre "ustedes" pierde el valor de tratamiento de respeto que tiene en singular y que, en otras zonas de España, mantiene también en plural.
Sustitución del pronombre "vosotros" por "ustedes" (que pierde el valor de tratamiento de respeto): "Ustedes tenéis la palabra" en lugar de "Vosotros tenéis la palabra".
Morfosintácticamente, el andaluz apenas se diferencia del castellano. No puede hablarse de una "gramática andaluza", aunque a veces encontremos peculiaridades llamativas, como el género común en algunos sustantivos (el calor / la calor) que únicamente tienen un género en español (el calor). Solo podemos constatar un rasgo exclusivamente andaluz:
Rasgos morfosintácticos
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Grafik 6: Ausschnitte aus del Canto Pallares, José, et al., Lengua Castellana y Literatura 1. Nuevo Juglar. Sevilla, Vicens Vives, 2010.
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Grafik 6 (fortgesetzt )
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Grafik 6 (fortgesetzt )
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Lengua castellana y literatura, 1. Zyklus, Verlag Everest ¿Has observado deferencias entre el castellano que se habla en Andalucía y el que se habla en el resto de España? ¿Crees que el castellano que se habla en Andalucía es una lengua o un dialecto? (zitiert aus Méndez García de Paredes 2003, 211)
Lengua castellana y literatura, 1. Zyklus, Verlag La Ñ ¿Cómo hablamos los andaluces: bien, mal, regular? ¿Qué es lo que hablamos: un dialecto, varios dialectos, una deformación del castellano, una evolución, un retroceso [. . .]? ¿Por qué muchos andaluces cuando hablan en público se corrigen y tratan de hablar ‹fino›? ¿Es lo mismo andaluz que habla vulgar? [. . .] ¿Por qué los andaluces padecemos un cierto complejo de inferioridad lingüístico? (zitiert aus Méndez García de Paredes 2003, 212)
Lengua castellana y literatura, 2. Zyklus, Verlag McGraw-Hill ¿Hay una forma culta de hablar en andaluz? [. . .] Aunque no hay acuerdo general entre los lingüistas, podríamos considerar los siguientes rasgos que se presentan en negrita y numerados: aspiración, seseo y ceceo (en algunas zonas se distingue s y z), pronunciación relajada de j, yeísmo, pérdida de ciertas consonantes implosivas y pronunciación más suave de otras. A continuación, vamos a ver cuáles son los fenómenos que debemos evitar porque son rasgos vulgares unos y propios de zonas rurales otros, muchos de los cuales encontramos en otras zonas de España. Son los siguientes: aspiración de h-, perder –n, -r, l. ¿Hablamos mal los andaluces? [. . .] Durante muchos años, los andaluces consideraron que su forma de hablar era inferior a la de otras zonas de España; este complejo de inferioridad no tenía sentido. [. . .] Los andaluces tenemos derecho y debemos hablar en andaluz, tanto en público como en privado, en todos los contextos y situaciones, en todos los registros y niveles. (zitiert aus Méndez García de Paredes 2003, 215)
7.3.3.1 Darstellung der salienten Merkmale In der folgenden Darstellung der salienten Merkmale soll zwischen der Bewertung und linguistischen Zuordnung unterschieden werden, wobei berücksichtigt wird, welche salienten Merkmale in den hier zu analysierenden Diskursausschnitten zu finden sind und wie sie jeweils im Diskurs beurteilt werden.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Tabelle 7: Bewertungen und diskursive Zuschreibungen der salienten Merkmale im Schulmaterial. Bewertung und diskursive Zuschreibung
Material der Junta de Andalucía
Material des Verlages McGraw-Hill
Material des Verlages Vicens Vives
Allgemein Spanisch
yeísmo, Wegfall von – intervokalischem /d/.
Norma culta bzw. allgemein Andalusisch
seseo, Behauchung von /x/ → /h/, Behauchung oder Wegfall von /s/ in der Silbenkoda, Reduktion oder Assimilierung in Konsonantenclustern (u.a. als Beispiel «prácticamente» [praktika‘mente] zu [pratika‘mente]), Schwächung oder Apokope einiger Konsonanten, Vokalöffnung (vor allem von /e/), Ersetzen des Pronomens «vosotros» durch «ustedes».
Behauchung (aller – Wahrscheinlichkeit nach ist hier die Behauchung von /s/ gemeint), seseo, ceceo, Distinktion (als Randphänomen dargestellt), Behauchung von /x/ → /h/, yeísmo, Wegfall einiger Konsonanten in der Silbenkoda (keine Spezifizierung, um welche es sich handeln soll).
Vulgäre bzw. zu vermeidende Merkmale
ceceo, Alternanz von /r/ und /l/, spezifische Abschwächungen (nicht genau erkenntlich, um welche Systematik es sich handelt), Deaffrizierung von / tʃ/ → /ʃ/.
Behauchung von lateinischem /f/ → /h/, Wegfall von /n/, /r/ und /l/ (keine Spezifizierung der phonetischen Umgebung; wahrscheinlich ist die Silbenkoda gemeint).
–
Wegfall intervokalischer Konsonanten (in den Beispielen werden folgende Phänomene angegeben: Wegfall von intervokalischem >/d/, /g/ und /r/), Konsonantenaustausch (Substitution von /b/ und /g/, Austausch von /g/ und /k/).
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
287
7.3.3.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Zunächst ist zu sehen, dass in dem Material von Vicens Vives nur Merkmale explizit zu finden sind, die als Vulgarismen deklariert werden und somit zu vermeiden sind. Im Gegensatz dazu ist in den Diskursen des Materials der Junta de Andalucía und von McGraw-Hill eine konzeptionelle Unterscheidung von gut und schlecht bewerteten Merkmalen zu finden. Die thematische Einheit 3. La modalidad lingüística andaluza fängt bereits mit einer groben Aufzählung der salienten phonetischen Merkmale an, ohne diese wertend zu ordnen. In dem darauf folgenden und hier zu analysierenden Material werden die Merkmale dann sozial hierarchisiert, wobei sie ihren indexikalischen Gehalt durch die Zuordnung zu verschiedenen sprachideologisch konstruierten Konzeptionen erhalten, die durch die Hierarchisierung unterschiedlich bewertet werden. Saliente Merkmale werden in diesem konkreten Fall entweder als für das Spanische allgemeingültig, als der norma culta des Andalusischen angehörig oder einem diastratisch niedrigen Register zugehörig dargestellt. Die jeweilige Zuordnung entspricht der sprachideologischen Vorstellung, es gebe eine gute/gepflegte Sprache – die Sprache der gebildeten Mittel- und Oberschicht –, sodass die soziale Superiorität dieser Schicht als Wertvorstellung auf die Merkmale des guten/gebildeten Gebrauchs übertragen werden. Hierbei wird eine gebildete Norm postuliert, die als reifizierte diskursive Varietät eine übergeordnete Form des Andalusischen darstellt, sodass andere andalusische Sprechweisen dieser untergeordnet werden. Diese anderen Sprechweisen werden diskursiv als ungebildet oder kolloquial gerahmt, sodass es sich hierbei nicht konzeptionell um eine reifizierte Sprache handelt, sondern um ein in Bildungskontexten abzulehnendes Register. Die phonetischen salienten Merkmale, die der norma culta zugeordnet werden, evozieren einerseits diese Norm selbst, andererseits den Typus einer/eines gebildeten Andalusierin/Andalusiers. Diese Verknüpfung erzeugt also die Vorstellung der Existenz einer von dem Rest Spaniens differenzierbaren, gebildeten andalusischen Mittel- und Oberschicht, die sich mittels einer ebenso differenzierbaren gebildeten Sprache im Sinne eines Identitätsakts sozial distinguieren kann. Dies passiert ideologisch einerseits innerhalb Andalusiens, indem das gebildete Andalusisch als diskursive Varietät reifizeirt und somit zum «guten» Andalusischen selbst wird, wobei die davon abgespaltenen und mit negativen sozialen Werten versehenen Gebrauchsformen nichts anderes als ebensolche sind, die die partikulären Sprechweisen von niedrigeren Gruppen, aber nicht das Andalusische selbst darstellen. Auf der anderen Seite fungieren die Merkmale als Indices 3. Grades zur Abgrenzung anderer gebildeter Schichten Spaniens und somit in einem gesamtspanischen Kontext zur Konstruktion einer als differenziert zu betrachtenden gebildeten andalusischen Mittel- bzw. Oberschicht.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Nur im Material, das von der Junta de Andalucía zur Verfügung gestellt wurde, sind über die salienten phonetischen Merkmale hinaus noch morphosyntaktische und lexikalische Merkmale angegeben, die aber ausschließlich eine sekundäre Rolle spielen, da im Abschnitt zu den phonetischen Merkmalen eindeutig aufgezeigt wird, dass dieser Bereich derjenige sei, welcher den größten Differenzierungsgrad zum Spanischen aufweise. Das Repertoire der salienten phonetischen Merkmale wird folglich herangezogen, um die Differenz zum Spanischen aktiv diskursiv herauszustellen, sodass die relativ geringe Anzahl der Indices 3. Grades diskursiv aus dem sprachlichen Kontinuum auf struktureller Ebene herausgegriffen, mit sozialen Werten – hier z.B. allgemein/gebildet/geringere Valorisierung – versehen und somit nutzbar werden, um eine aktive Differenzierung von anderen Merkmalen mittels einer diskursiven Fokalisierung auf ausschließlich saliente phonetische Unterschiede zu erreichen. Unklar ist, was unter «rasgos totalmente aceptados» gemeint sein soll, da ein Gegensatzpaar zwischen «rasgos totalmente aceptados» und «rasgos aceptados por la norma culta andaluza» erzeugt wird. Hier scheint die Vorstellung vorzuliegen, dass das, was offenbar allgemein akzeptiert ist, nicht emblematisch für die norma culta sei, sodass diese Merkmale offenbar nicht hinreichend zur inneren (in Andalusien selbst) und äußeren (in Bezug auf andere Landesteile Spaniens) Ausdifferenzierung genutzt werden können. Im Schulbuch des Verlages McGraw-Hill beginnt der Abschnitt über das Andalusische mit einer Suggestivfrage bezüglich der Existenz einer «forma culta de hablar en andaluz», auf welche zunächst geantwortet wird, es gebe keinen generellen Konsens seitens der LinguistInnen diesbezüglich. Darauf folgt dann einerseits eine Aufzählung einiger weniger Merkmale, die dieser «gebildeten Art, Andalusisch zu sprechen» zugeordnet werden, andererseits werden andere Merkmale genannt, die als umgangssprachlich klassifiziert werden und ländlichen Regionen zuzuordnen seien. Es erfolgt, wie in dem Material der Junta de Andalucía, eine sprachideologische Hierarchisierung, die mittels salienter Merkmale materialisiert wird. Ebenso ist wie im vorherigen Material ein Bezug auf andere Teile Spaniens zu sehen, wobei in diesem Falle von zwei konzeptionellen Merkmalen gesprochen wird, die es zu vermeiden gelte: die Behauchung von lateinischem /f/ → /h/ und die Apokope bzw. der Wegfall in der Silbenkoda einiger Konsonanten (/n/, /r/ und /l/). Hiervon sollen viele Merkmale (es werden allerdings nur die zuvor genannten angegeben) auch in anderen Teilen Spaniens zu finden sein, was besonders hervorzuheben ist, da die als «umgangssprachlich» und «ländlich» bewerteten Merkmale hier nicht mehr ausschließlich dem Andalusischen zugeordnet werden. Dies hat den Effekt, dass Vulgarität und Ruralität als auf Sprache bezogene Werte verallgemeinert werden und somit diesbezüglich der spezifische Fokus auf das Andalusische diskursiv verschwimmt. Im Schulbuch von Vicens Vives werden saliente Merkmale nicht in derselben Form wie in den anderen Schulbüchern dargestellt, da auf Seite 23 zunächst nur
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
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Merkmale konzeptionell aufgegriffen werden, um dadurch die Existenz eines Ost- und Westandalusischen zu postulieren.203 Hierbei wird allerdings nicht expliziert, um welche Merkmale es sich dabei handeln soll. Auf Seite 233 im Kapitel zu Sprachstilen – Jugendsprache etc. – werden in der Vokabelsektion die sogenannten «vulgarismos» besprochen. Hierbei werden Vulgarismen als Wörter, Ausdrücke oder Formen der Realisierung, die als falsch angesehen werden, definiert und eine Zweiteilung in «vulgarismos» und «vulgarismos andaluces» dargestellt. Es werden ausschließlich Vulgarismen, die in der Aussprache zu finden sind, aufgezählt, wobei mit den Korrektionskategorien «richtig» und «falsch» operiert wird. Für das Andalusische werden fünf Lautwandelphänomene aufgezählt, wobei mindestens zwei davon (der Ausfall von intervokalischem /d/ und die Velarisierung von /g/) 204 von SprecherInnen anderer Teile Spaniens realisiert werden würden. Es handelt sich also um saliente Merkmale, die als umgangssprachlich valorisiert werden, aber konzeptionell von diatopischen Merkmalen abgegrenzt werden, sodass eine ähnliche diskursive Setzung wie im zuvor untersuchten Material vorzufinden ist: Die als gut valorisierten Merkmale werden dem Andalusischen als diskursive Varietät und die als schlecht bewerteten Merkmale partikulären Sprechweisen zugeschrieben.
203 Es ist noch hinzufügen, dass bereits eine neue Reihe der Schulbücher der Verlages Vicens Vives existiert, in welcher die Themen bezüglich des Andalusischen ausgeweitet werden. So werden in 1° ESO (Escribano Alemán 2016a, 160) zusätzlich zu den Vulgarismen auf einer Seite das andalusische Vokabular aufgegriffen und auf der anderen Seite einige, mit Andalusien verknüpfte Lexeme beschrieben. Die in Canto Pallares et al. (2010, 22s.) zu findenden Darstellungen zur sprachlichen Konstituierung der Iberischen Halbinsel sowie zur Geschichte des Andalusischen sind in Escribano Alemán et al. (2016, 296ss.) überführt und erweitert worden: Es finden sich zusätzlich zu einer Darstellung der Gleichheit aller Sprachen (S. 296) eine Beschreibung der «expresividad del andaluz» (S. 302) sowie zu Diminutiven (S. 303) und der Behauchung von lateinischem /f/, von /s/ und /x/ (S. 303s.). Hieran ist zu sehen, dass in der Neufassung auf saliente Merkmale zurückgegriffen wird, die diskursiv mit dem Andalusischen verbunden werden und dieses charakterisieren sollen. Es erfolgt allerdings keine Bewertung der Nutzung in Kategorien wie gut oder schlecht noch gibt es Hinweise darauf, wie diese Merkmale diatopisch oder diastratisch konkret einzuordnen sind. In Bezug auf Normaussagen ist auf S. 303 angegeben, dass «[el] andaluz no posee una norma escrita; aunque hables en andaluz, debes prestar atención siempre a la ortografía del español». Dies bedeutet, dass konzeptionell zwischen Schriftund Sprechsprache unterschieden wird und fast eine diglossische Einteilung erfolgt, bei welcher zwar Andalusisch gesprochen werden könne, die Schriftnorm allerdings derjenigen des Spanischen (bzw. Kastilischen) folge. 204 Näheres zur Extension dieser Phänomene wird in Kapitel 3 beschrieben.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
7.3.3.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Wie bereits zuvor erwähnt, dient das Repertoire der salienten Merkmale durch ihre Zuordnung zu als gut oder schlecht gerahmten Sprechweisen zur diskursiven Hierarchisierung der als typisch andalusisch angesehenen Merkmale. Die Merkmale, die als gebildet valorisiert werden, konstituieren durch den metasprachlichen Diskurs das andaluz culto bzw. die norma culta andaluza als diskursive Varietät. Die als nicht gebildet oder als vulgär valorisierten Merkmale werden in diesem Zusammenhang partikularisiert und niederen Sprechweisen zugeordnet, sodass sie nicht das Andalusische als diskursive Varietät selbst darstellen. Die sprachideologische Einbettung dieser Konzeptionalisierungen spielt hierbei eine wichtige Rolle, was daran gesehen werden kann, dass die Texte des Everest-Verlages, der Verlage La Ñ und McGraw-Hill jeweils durch Suggestivfragen eingeleitet werden. Die Fragen sind derartig gestellt, dass sie einen Reflexionsprozess in den SchülerInnen anstoßen. Die Antworten sind dabei bereits implizit vorgegeben: Beim Text des Everest-Verlages folgt auf die Frage, ob den SchülerInnen Unterschiede zwischen dem Spanischen, das in Andalusien und im Rest Spaniens gesprochen wird, aufgefallen seien, eine weitere Frage, die eine affirmative Beantwortung der ersten Frage voraussetzt. Dies ist der Fall, denn nur wenn es Unterschiede zwischen beiden Formen gibt, ergibt die Frage danach, ob die SchülerInnen glauben, dass das Spanische Andalusiens eine eigene Sprache oder einen Dialekt darstelle, Sinn. Es scheint also der Fall zu sein, dass die Fragen auf eine Reflexion über die Zuordnung der Variation zum Konzept Sprache oder Dialekt abzielen. Hierbei wird die Zuordnung zu einem der beiden Konzepte durch die Fragestellung konditioniert und das Andalusische einerseits im Imaginarium der SchülerInnen als reifizierte diskursive Varietät konstruiert, andererseits findet eine Reflexion über den Status dieser diskursiven Varietät statt. Im Text des Verlages La Ñ ist Ähnliches zu beobachten, allerdings wird hier mit mehr Konzepten – das Andalusische als ein Dialekt/mehrere Dialekte, als eine Umformung, eine Evolution oder eine Verschlechterung des spanischen Sprachgebrauchs – gearbeitet. Zunächst wird die Frage aufgeworfen, ob die AndalusierInnen gut, schlecht oder mittelmäßig sprächen. Darüber hinaus sollen die SchülerInnen die in den Fragen zu findenden Präsuppositionen begründen: Warum korrigieren sich viele AndalusierInnen selbst, wenn sie öffentlich sprechen und versuchen, vornehm zu sprechen, bzw. warum leiden die AndalusierInnen an einem gewissen sprachlichen Minderwertigkeitskomplex? Es wird also präsupponiert, dass AndalusierInnen ihre Sprechweise in öffentlichen Situationen ändern bzw. einen Minderwertigkeitskomplex haben. Durch die Vielzahl der Fragen, die positiv Valorisiertes negativ Bewertetem gegenüberstellen, wird suggeriert, dass die Stellung des Andalusischen keine gute sei und die AndalusierInnen ihre Sprache bedingt durch einen Minderwertigkeitskomplex
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
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nicht wertschätzten. Dies dient der diskursiven Erzeugung einer psychologischen Gegenreaktion, wobei auf die impliziten negativen Valorationen eine endogene Aufwertung der Identität und Sprache erwidert werden soll. Darüber hinaus ist erneut zu beobachten, dass eine Abgrenzung des Andalusischen von vulgären Sprechweisen gemacht wird und im Kontrast zur Frage nach der angeblichen Änderung der Sprechweise in der Öffentlichkeit zur Erkenntnis gelangt werden soll, dass das Andalusische für diese distanzsprachlichen Bereiche geeignet sei sowie nicht mit vulgären Sprechweisen verwechselt werden dürfe. Beide Texte weisen somit eine deutliche Tendenz zur Revalorisierung des Andalusischen auf, bei welcher das Andalusische als diskursive Varietät konstruiert und durch die Abgrenzung von einer negativen Bewertung positiv besetzt wird. Auch im Text von McGraw-Hill wird der Topos des Minderwertigkeitskomplexes aufgegriffen und eindeutig hervorgehoben, dass die AndalusierInnen das Recht haben, Andalusisch in allen Kontexten, Situationen, Registern und Niveaus sowie in der Öffentlichkeit und im Privaten zu sprechen und dies auch tun sollten. In allen drei Texten wird somit diskursiv das Andalusische als diskursive Varietät konstruiert, die wiederum in Form des andaluz culto als Distanzsprache geschaffen wird und als mit partikulär ausgeformten Sprechweisen der Nähesprache ausgestattet erscheint. Die Frage nach der konzeptionellen Zuordnung des Andalusischen als Dialekt oder Sprache bzw. nach der Existenz des andaluz culto spielt eine eminent wichtige Rolle in den Diskursen, da diese diskursiven Konstruktionen selbst durch die sprachideologische Ausrichtung einen hohen Wert haben. Der Wert des Andalusischen als diskursive Varietät wird folglich durch die Zuordnung zu diesen Konstruktionen generiert. Im Text von Vicens Vives erfolgt die klassische Darstellung einer diskursiv konstruierten Standardvarietät Spanisch, welche dann wiederum diatopische Varietäten und lokale Sprechweisen aufweise. Es handelt sich um die Konstruktion einer Sprache mittels verschiedener Abstraktionsgrade: Die Standardvarietät ist abstrakt und umfasst alle diatopischen Varietäten; konkreter, aber dennoch abstrahiert auf spezifische Gebiete bzw. Regionen angesetzt, befinden sich konzeptionell die diatopischen Varietäten und ganz konkret lokalisiert gibt es die spezifischen Sprechweisen, die hier Städten zugeordnet werden. Das Andalusische wird hier als diatopische Varietät des Spanischen dargestellt. Auf Seite 234 wird dann das Andalusische selbst besprochen. Es wird zunächst auf die Geschichte des Andalusischen mit Bezugnahme auf die sogenannte Reconquista 205 – die Eroberung der arabischen
205 Eine Einordnung des Konzepts der Reconquista als einem der Schlüsselbegriffe der spanischen Historiographie und Kulturwissenschaft sowie weitere bibliographische Hinweise sind Maser (2013) zu entnehmen.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Gebiete in al-Andalus durch christliche Königreiche aus dem Norden der Iberischen Halbinsel – eingegangen und dadurch die Genese der sprachlichen Ausdifferenzierung in West- und Ostandalusien bzw. die sprachlichen Variation in Andalusien erklärt. Es ist eine Karte zu sehen, in der farblich die Gebiete des West- und Ostandalusischen innerhalb der politischen Grenzen des heutigen Andalusiens eingezeichnet sind. Darüber hinaus werden die größeren Städte, die sich in dem jeweiligen Gebiet befinden, genannt und es wird konstatiert, dass sich die Gebiete jeweils anhand von gemeinsamen sprachlichen Merkmalen unterscheiden ließen. Hierbei ist die genaue graphische Darstellung auf der Karte wichtig, da zusätzlich zum Text ein optischer Reiz erfolgt, wobei Andalusien als eigene Zone vom Rest Spaniens farblich abgegrenzt ist und innerhalb Andalusiens die Teilung in Ost und West erfolgt. Es wird somit diskursiv eine Realität konstruiert, indem Andalusien als singuläres Gebiet in Bezug auf den Rest Spaniens fokalisiert und im Hinblick auf die innere Beschaffenheit ausdifferenziert wird. Es erfolgt hierbei die diskursive Konstruktion Andalusiens innerhalb politischer Grenzen mit einer eigenen abgrenzbaren Sprache, die wiederum eigene Varietäten aufweist. Die sprachliche Realität der Übergangszonen des sprachlichen Kontinuums auf struktureller Ebene wird nicht erwähnt und die Besprechung des Andalusischen in den Texten sowie die Karte suggerieren eine klar definierbare und abgrenzbare Region sowie ein Sprachgebiet. Zusätzlich zu dieser diskursiven Konstruktion werden die andalusischen Sprechweisen dezidiert thematisiert und diese als historischer Reichtum Andalusiens bewertet, wobei explizit Bezug auf deren Schutz im andalusischen Autonomiestatut genommen wird. Daraufhin wird konstatiert, dass es viele Organisationen in Andalusien gebe, welche sich dem Schutz und der Verbreitung des sprachlichen Reichtums widmeten, wobei dieser Reichtum, der früher als diaphasische Sprechweisen gerahmt wurde, die auf den privaten Kontext beschränkt gewesen seien, kein Prestige genossen habe. Diese diskursive Setzung evoziert die Vorstellung, dass das Andalusische nun prestigereich sei, da einerseits über das fehlende Prestige in Vergangenheitstempora gesprochen wird, andererseits die Referenz auf die Stellung des Andalusischen im Autonomiestatut und die Setzung als Reichtum das Andalusische in seiner Vielfalt revalorisiert. Die sprachliche Vielfalt wird hierbei sprachideologisch in die diskursive Varietät konzeptionell eingebettet, sodass von einer Revalorisierung ausgegangen werden kann. Das andaluz culto spielt im Text von Vicens Vives auch auf Seite 233 in der Besprechung der Vulgarismen eine wichtige Rolle: In einem abgesetzten und farblich unterlegten Kasten werden dialektale und vulgäre Merkmale konzeptionell unterschieden. Hierbei werden die als vulgär bewerteten Merkmale SprecherInnen mit geringer Bildung zugeschrieben, dialektale Merkmale jedoch allen SprecherInnen des Dialekts zugeordnet. Es ist folglich dieselbe diskursive Setzung wie in den vorherigen Schulbuchtexten, da mittels eines metasprachlichen
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Diskurses über die Merkmale das Andalusische als diskursive Varietät durch den Bezug auf die dialektalen Merkmale konstruiert wird. Dies kommt einer sprachideologischen Anonymisierung gleich, in welcher alle SprecherInnen als NutzerInnen der Varietät gelten und die Varietät somit als neutral dargestellt wird. Andererseits werden andere Merkmale aus dieser Konstruktion ausgeschlossen und als vulgär kategorisiert, wobei die Nutzung dieser Merkmale partikularisiert wird, indem sie nur SprecherInnen mit niedrigem Bildungsgrad zugeordnet werden. Erneut wird also eine soziale Hierarchisierung durchgeführt, sodass die Vorstellung evoziert wird, dass gebildete Menschen die Varietät an sich in ihrer reifizierten und als gut bewerteten Form sprächen, alle anderen SprecherInnen dagegen partikuläre Sprechweisen nutzten. 7.3.3.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Es konnte exemplarisch durch die Analyse der Schulbuchdiskurse gezeigt werden, dass sich ähnliche Muster in der Konstruktion und Valorisierung der diskursiven Varietät finden lassen und somit auf die Existenz bzw. Verbreitung dieser Diskursstränge in Andalusien hindeuten: Das Andalusische wird von dem im Norden gesprochenen Spanisch stark abgegrenzt und in diesem Zuge revalorisiert. Hierbei wird mittels salienter Merkmale, die als aus dem strukturellen Kontinuum abstrahierte Einheiten zur Konstruktion des Wissens über die sprachliche Eigenständigkeit des Andalusischen herangezogen werden, das Andalusische als reifizierte diskursive Varietät konstruiert. Die Konstruktion erfolgt über eine soziale Hierarchisierung mittels der Applikation des Konzepts des andaluz culto, das als «gutes» Andalusisch die Sprache der Gebildeten Andalusiens darstellen soll. Hierdurch wird der Wert der Bildung und der damit verbundenen sozialen Stellung auf die diskursive Varietät übertragen und die spezifische Form des Andalusischen in der Ausprägung als andaluz culto revalorisiert. Dies entspricht Prozessen des reenregisterment, denn es ist eindeutig zu sehen, dass das Andalusische eine neue diskursive Setzung erfährt und die vorherige Setzung als niedrig valorisierte Varietät nun ins Gegenteil verkehrt wird. Darüber hinaus wird auf den Topos des Minderwertigkeitskomplexes immer wieder eingegangen und ein neuer sprachideologischer Entwurf im Sinne eines konkurrierenden Diskursstranges diesem gegenübergestellt, wobei das Andalusische als Reichtum und als besonders sozial inklusiv konstruiert wird. Es ist zusätzlich zu beobachten, dass sich die Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät in den Textausschnitten der hier analysierten Bücher mittels Bezugnahme auf die Annahme der Existenz einer früheren Geringschätzung des Andalusischen materialisiert. Diese Diskurse werden ins Gegenteil verkehrt, um das Anda-
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
lusische dadurch aufzuwerten. Es ist ein diskursives Spannungsfeld festzustellen, innerhalb dessen dem Andalusischen neue positive Zuschreibungen und die Verbindung mit höhergestellten Gruppen in der sozialen Gesellschaftshierarchie vorherigen Zuschreibungen und negativen Valorisierungen entgegengesetzt werden.
7.3.4 Zusammenfassung Die Untersuchung der in diesem Unterkapitel behandelten Diskursausschnitte hat gezeigt, dass es Diskursstränge an Schulen gibt, innerhalb derer das Andalusische als diskursive Varietät stark aufgewertet und in diesem Zuge neu als andaluz culto konstruiert wird. Diese neue diskursive Konstruktion lässt sich in allen hier analysierten Diskursausschnitten beobachten: Die Konstruktionsfolie besteht aus der Präsupposition, dass gebildete Gruppen eine höhere soziale Stellung innehätten. Diese Vorstellung wird auf die diskursive Varietät übertragen und die so konstruierte diskursive Varietät zum ideologischen Ausgangspunkt – zum Andalusischen selbst –, anhand dessen «andere Sprechweisen» gemessen und deren Devianz dargestellt werden. Hierbei spielt die tatsächliche Kohärenz in der Logik der Konzeptionalisierung – Dialekt, Sprache, Sprechweise etc. – keine große Rolle. Vielmehr ist der entscheidende Punkt, dass in diesem Zuge eine Revalorisierung der erschaffenen Varietät erfolgt, da das Andalusische als abgrenzbare reifizierte Varietät konstruiert wird und gleichzeitig die Verbindung mit sozial hochgestellten Gruppen erfolgt. Die strukturelle Ebene ist bei den Prozessen der stratischen Ausdifferenzierung einer gebildeten Mittelschicht in Andalusien ein wichtiges Instrument sozialer Distinktion, da mittels der Abstraktion struktureller Merkmale durch ihre soziale – nicht kommunikative (!) – Funktionalität eine endogene und exogene Gruppenkonstruktion erfolgt. Dies bedeutet konkret, dass gebildete AndalusierInnen innerhalb Andalusiens sprachideologisch als «neutrale» SprecherInnen in Andalusien gerahmt werden und SprecherInnen andalusischer «Sprechweisen» nun als deviant erscheinen. Auch exogen erfolgt eine Abgrenzung der andalusischen Mittelschicht, die sich durch eine eigene gebildete Varietät als solche auch im gesamtspanischen Kontext konstruiert und somit die eigene Gruppe innerhalb eines Nationalgefüges aufwertet. AkteurInnen an Schulen spielen hierbei eine zentrale Rolle, da Schulen als Orte der diskursiven Reproduktion die Sprachideologie der legitimen Sprache im Bourdieu’schen Sinne verbreiten. Die analysierten Diskursausschnitte und auch die Ausrichtung der Junta de Andalucía deuten darauf hin, dass der Diskurs über ein «gutes» Andalusisch in Andalusien präsent ist, in welchem in re-enregisterment-Prozessen das Andalusische revalorisiert wird. Hierbei können sich die SprecherInnen mittels der Indexikalität 3. Grades der Merkmale, die der diskursiven Varietät zugeschrieben
7.3 Diskursbereich: Diskurse an Schulen
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werden, in Identitätsakten einerseits selbst als distinguierte AkteurInnen im sozialen Raum positionieren. Andererseits entsteht durch diesen Prozess eine dem re-enregisterment innewohnende Veränderung der sprachlichen Wahrnehmungs- und Evaluationsschemata, da SprecherInnen eines «ländlichen» Andalusisch oder des Spanischen anderer Regionen die distinguierte Gruppe der gebildeten andalusischen Mittelschicht durch ihre Sprachnutzung identifizieren, ihre Position im sozialen Raum erkennen und als positiv bewerten können. In dieser Arbeit ist nicht zu ermitteln, wie stark genau der Diskurs einen veritablen Gegendiskurs zum Andalusischen als zu sanktionierende Sprechweise an Schulen darstellt, aber durch die Existenz der sprachideologischen Konstruktionen durch die SchülerInnen und LehrerInnen einserseits und das Material für Lehrende andererseits ist davon auszugehen, dass der Diskurs über die Sprache einer gebildeten Schicht Andalusiens bereits eine starke Diffusion in Schulen aufweist, da die Kohärenz der transtextuellen Strukturen und Konstruktionsmuster in den Diskursausschnitten eine relativ einheitliche Konzeptionalisierung des andaluz culto darstellt. Es ist darüber hinaus auch die Ebene der sozialen AkteurInnen von Relevanz, denn LehrerInnen implementieren das diskursive Wissen, welches als wissenswert und sozial wertvoll erachtet wird. Hierbei lässt sich konstatieren, dass LehrerInnen ihre eigene soziale Stellung durch die Vermittlung ihres Wissens über die Sprache Gebildeter festigen, da eine Beherrschung des «guten» Andalusisch den SchülerInnen Vorteile in ihrem späteren Leben verschaffen und Zugänge zu höheren Positionen in der Gesellschaft ermöglichen soll.206 Darüber hinaus wird durch die Konstruktion der diskursiven Varietät als die Sprache selbst – hier das andaluz culto – der Zugang zu dem Wissen über die gebildete Sprache beschränkt. LehrerInnen als TrägerInnen dieses Wissens werden hierbei zu zentralen Personen in der sozialen Hierarchisierung gemacht sowie gleichzeitig Zugangsbeschränkungen zu höheren Schichten geschaffen. Auf der anderen Seite drucken Verlage die Schulbücher nicht in einem luftleeren Raum, sondern orientieren sich an den politischen Interessen der Regionen, in denen sie die Schulbücher absetzen wollen. Das ökonomische Ziel des möglichst hohen Absatzes der Bücher kann also entweder dazu führen,
206 An dieser Stelle ist anzumerken, dass nicht grundsätzlich Schulen oder LehrerInnen kritisiert oder gar diskreditiert werden sollen, sondern es soll vielmehr aufgezeigt werden, dass die Vermittlung von Sprache auch interessengeleitet ist. Das Tradieren des Wissens, was eine Gesellschaft als tradierenswert und wertvoll erachtet, ist um ein Vielfaches vielschichtiger und muss daher immer mitgedacht werden. Es geht hierbei um soziale Werte, Wert- und Normvorstellungen, aber auch um andere Wissensbereiche, die nicht per se negativ sind, sondern deren soziale Implikationen aufgezeigt werden sollen und in einer nicht positivistischen Arbeit auch aufgezeigt werden müssen.
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dass für alle Regionen Spaniens ein einheitliches Werk geschaffen und verkauft wird oder aber für jede Region eine Version mit den sich dort im sozialen Raum zu findenden Spezifika erstellt wird. Letzteres ist bei den Schulbüchern, die in der Forschung und auch in dieser Arbeit betrachtet werden, der Fall, da nur hier ein endogener Diskurs über das Andalusische zu finden ist. Es ist davon auszugehen, dass es das Ziel der Verlage ist, ihre eigenen Bücher mit einer möglichst großen Abnahme auf dem Markt zu platzieren. Offenbar kann das Andalusische dabei eine Rolle spielen, denn die Behandlung des Themas kann für Schulen ein Argument für die Anschaffung des Buches sein. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass – bedingt durch die sprachideologische Neutralisierung in seiner diskursivierten Form als andaluz culto sowie durch seine Implementierung an Schulen – das Andalusische eine starke Revalorisierung erfährt und eine Neuausrichtung der Evaluationsschemata festzustellen ist.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse und Diskurse zur Institutionalisierung Diskurse über das Andalusische und die diskursive Aushandlung der sprachideologischen Konzeptionalisierung finden nicht nur in populären Bereichen der Öffentlichkeit oder Schulen statt, sondern darüber hinaus auch im akademischen Bereich. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Andalusischen ist einer der zentralen Bereiche, der für die sprachideologische Setzung und diskursive Konstruktion des Andalusischen entscheidend ist. Die wissenschaftlichen – akademischen – Diskurse über das Andalusische sind zahlreich und können grob zwei Ausrichtungen zugeordnet werden: a) klassische dialektologische Untersuchungen; b) soziolinguistische Untersuchungen.207 Die klassische Dialektologie betrachtet meist die Distribution struktureller Merkmale und hält sie in Sprachatlanten fest.208 Da die tatsächliche strukturelle Variation des Andalusischen bei seiner diskursiven Konstruktion nur eine sekundäre Rolle spielt, sind die Diskurse der andalusischen Soziolinguistik in dieser Arbeit von großer Relevanz, da es ebendiese sind, in welchen die Aushandlung der Diskurshoheit über das Andalusische erfolgt. Genau dieser Umstand ist für den Ge-
207 Arbeiten in beiden Bereichen sind in Kapitel 3 zu finden. 208 Hierbei ist zu konstatieren, dass die Dialektologie wiederum selbst das Bild von zusammenhängenden Sprachgebieten formt und dadurch Varietäten auf Basis von strukturellen Kongruenzen diskursiv konstruiert. Eine Analyse dieser Diskurse, ihrer Dissemination und Diffusion in der Gesellschaft kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, würde aber eine wertvolle Ergänzung zu dieser Arbeit darstellen.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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genstandsbereich dieser Arbeit zentral und in diesem Unterkapitel sollen akademische Diskurse und solche, die sich auf sie beziehen, analysiert werden. Es werden in diesem Kapitel vier Diskursausschnitte analysiert, die jeweils als exemplarische Schlüsseltexte (semi-)akademischer Diskurse fungieren: a) eine vergleichende Analyse von Auszügen aus La lengua andaluza (Gutier 2010) und El español hablado en Andalucía (Narbona Jiménez et al. 2011) als konkurrierende und sich aufeinander beziehende Diskurse im populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Bereich; b) El andaluz, vanguardia del español (Rodríguez Domínguez 2017) als Schlüsseltext zur Primärsetzung des Andalusischen als Leitvarietät des Spanischen; c) Bases de planificación lingüística para Andalucía (García Marcos 2008) als Repräsentation des Diskurses zur Sprachplanung in Bezug auf das Andalusische; d) verschieden Ausschnitte der Graswurzelbewegung Zoziedá pal ehtudio ‘el andalú, die die Herauslösung des Andalusischen aus dem Spanischen erzielen will und das Andalusische als eigene Sprache rahmt. Zunächst ist in Bezug auf die Forschung zu konstatieren, dass die andalusische Soziolinguistik sich in zwei Diskurslager aufteilen lässt: a) ForscherInnen, die von der Existenz eines andalusischen Regionalstandards – einer norma culta – ausgehen (u.a. Carbonero 2003a; Hernández-Campoy/Villena-Ponsoda 2009; Villena-Ponsoda 1997, 2000, 2008a, 2008b; Zitzler 2009);209 b) ForscherInnen, die davon ausgehen, dass das Andalusische als solche nicht existiere und es sich bedingt durch die strukturellen Diskontinuitäten um eine disparate lokale Variation des Spanischen handele und daher nicht zu zusammenhängenden Einheiten zusammengefasst werden könne (u.a. Narbona 2009b, 2013; Narbona et al. 2011; Narbona 2019; Alvar 1998; Bustos Tovar 1997; Mondéjar Cupián 1992, 1995).210 Die ForscherInnen, die aufgrund der Ergebnisse ihrer sozio-
209 Harjus (2018) greift die Idee der norma culta mit dem Gravitationszentrum Sevilla auf und stellt für Jerez de la Frontera fest, dass auf soziophonetischer und perzeptionslinguistischer Basis diese norma culta sevillana entgegen der Aussagen der hier genannten Forscher nicht als Referenznorm fungiert und somit auch nicht von einer sevillanischen Norm, die den gesamten Westen Andalusiens beeinflusst, geredet werden könne. 210 Die Forschungsliteratur in beiden Diskurslagern ist zahlreich und kann hier nicht erschöpfend wiedergegeben werden. Bei den hier genannten ForscherInnen handelt es sich um die HauptvertreterInnen beider Diskurslager, sodass sie hier im Speziellen angegeben werden. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass die hier erfolgte Einteilung in zwei opponierende «Diskurslager» eine sehr grobe Einteilung bzw. gar Vereinfachung darstellt und sie somit selbst eine Konstruktion meinerseits ist. Es ist daher anzumerken, dass die Ansätze der ForscherInnen je nach Forschungsfeld differenzierter zu betrachten sind. Dennoch ist diese grobe Einteilung in Bezug auf die diskursive Ebene sinnvoll, da sie Hauptstränge diskursiven Verhandelns in (semi-)akademischen aufweist, zu denen auch VertreterInnen gezählt werden, die nicht direkt dem einen oder anderen groben Feld zugewiesen werden können. Weitere Literaturhinweise sind in Kapitel 3 zu finden.
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linguistischen Forschung von der Existenz eines Regionalstandards ausgehen, setzen diesen Regionalstandard in Sevilla als Hauptstadt Andalusiens an und konzeptionieren ihn als bevorzugte Varietät in distanzsprachlichen Kommunikationssituationen in Westandalusien. Im Gegensatz dazu wird für Ostandalusien eine Dialektnivellierung mit Konvergenztendenzen zum Standardspanischen in distanzsprachlichen Kommunikationssituationen festgestellt (cf. HernándezCampoy/Villena-Ponsoda 2009). Diese Ergebnisse werden von den ForscherInnen der anderen sprachideologischen Ausrichtung negiert und stark infrage gestellt (hier vor allem repräsentiert durch die Diskurse in den Schlüsseltexten von Gutier (2010) sowie der Z.E.A). An dieser Stelle soll nicht darauf eingegangen werden, ob eines der beiden Lager die Realität korrekt darstellt, da die diskursiven Aushandlungen im akademischen Bereich selbst – also das Verhandeln des jeweiligen Lagers bezüglich der Richtigkeit der eigenen epistemologischen Grundansätze und -annahmen – für diese Arbeit von entscheidender Rolle sind. Dies ist der Fall, da die akademischen Diskurse eine starke Wirkung auf breitere Metadiskurse zum Andalusischen in der Gesellschaft haben und sich in diesen oftmals zur Legitimierung der eigenen Aussagen auf akademische Diskurse berufen wird. Die Benennung des Diskursbereiches als (semi-)akademische Diskurse ist also in diesem Spannungsfeld zu verstehen, denn die enorme Reichweite der akademischen Diskurse vollzieht sich durch ihre Popularisierung in den Medien und weiteren Vervielfältigungsträgern. Die Diskurse erfahren durch das popularisierte Aufgreifen eine Dekontextualisierung aus der Wissenschaft und werden populär rekontextualisiert, wobei der Bezug zu Forschungsansichten und -diskussionen teilweise verloren geht. Folglich sind es semiakademische Diskurse, die durch ihren Bezug zur Wissenschaft als wichtiger sozialer locus der Wissensschaffung mit einem hohen sozialen Prestige die ideologische Legitimation der Sprachkonzeptionalisierung auf populärer Ebene über weite Teile der Gesellschaft disseminieren. Die diskursiv zugeschriebenen Akteursrollen der SprachwissenschaftlerInnen als custodes linguae im Sinne einer zentrierenden Institution spielt hierbei eine besondere Rolle, da die Aushandlung der Deutungshoheit in Bezug auf das Andalusische im Spannungsfeld der Ab- oder Zusprache der Deutung mittels des Rekurrierens auf akademische Diskurse vollzogen wird. Dies ist für diese Arbeit insofern zentral, als dass diese popularisierten Diskurse und ihre Selbstlegitimation durch dekontextualisierte Rückgriffe auf wissenschaftliche Diskurse eine starke mediale Zirkulation aufweisen und somit von vielen Menschen rezipiert werden. Daher geben Diskursausschnitte aus diesem Bereich Aufschluss darüber, inwiefern das Andalusische als diskursive Varietät im Spannungsfeld von akademischen und semiakademischen Diskursen konstruiert und auf welche Weise es valorisiert wird.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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In diesem Zusammenhang ist der Verweis auf die politischen Gruppen in Andalusien wichtig. Oftmals wird den AkteurInnen der verschiedenen Diskurslager auch eine spezifische politische Richtung – wie bereits im Kapitel 7.2.4 zu Diskursen über die Übersetzung des Petit Prince zu sehen war – zugeschrieben. In Spanien werden in der Regel Bestrebungen zu politischer und sprachlicher Autonomie der Regionen dem linken politischen Spektrum zugeordnet (Lacomba 2006, 231ss.). Dies umfasst sowohl Gruppierungen moderater als auch separatistischer und linksnationaler Ausrichtung, wobei Gewerkschaften eine zentrale Rolle spielen.211 Es ist zu konstatieren, dass politische Gruppierungen, die für das Andalusische eintreten oder dessen Existenz nicht negieren, in der Mehrzahl dem linken Spektrum zuzuordnen sind. Hierbei handelt es sich nicht zwangsläufig immer um separatistisch orientierte Gruppen, sondern auch um solche, die eine größere Autonomie Andalusiens vom Zentralstaat innerhalb Spaniens anstreben. Autonomie ist hier breit im Sinne der politischen, kulturellen und sprachlichen Eigenständigkeit und Differenziertheit von anderen Teilen Spaniens zu verstehen (Lacomba 2006, 257ss.). Die sprachideologische Konzeptionalisierung ist oft auch politisch motiviert, da die Existenz des Andalusischen als diskursive Varietät BewohnerInnen Andalusiens noch stärker als eigenständige Gruppe konstituiert und somit im Rahmen des spanischen Nationalstaats singularisiert, was ebenfalls klassischerweise in Spanien dem linken Spektrum zuzuordnen ist (cf. Moreno Luzón 2011). Strömungen, die die Existenz des Andalusischen negieren, sind einem eher konservativen politischen Spektrum zuzuordnen, wobei die Diskurse sich einerseits um die Zugehörigkeit zur spanischen Sprachgemeinschaft durch die Implementierung des Standardspanischen innerhalb Spaniens drehen, andererseits um die Zugehörigkeit zur internationalen Hispanophonie (Paffey 2014, 80ss.). Hiermit geht die diskursive Konstruktion einer internationalen Sprachgemeinschaft einher, die als Alternative zur anglophonen Welt und zum Englischen als Weltsprache dargestellt wird. Oftmals geht es dabei um ökonomische Interessen, die durch eine möglichst weitreichende Sprachdominanz verfolgt werden sollen. Im Gegensatz dazu sind Strömungen, die das Andalusische favorisieren, oftmals kapitalismuskritisch und stellen sich gegen die internationale Implementierung einiger weniger Sprachen auf Kosten anderer Sprachen.212 Es handelt sich hierbei um Tendenzen, die ich bei den Recherchen für diese Arbeit ausfindig machen konnte, allerdings ist einschränkend zu sagen, dass sich die Revalorisierung des Andalusischen nicht
211 Lacomba (2006) bietet eine umfassende Übersicht der Literatur zum Thema der politischen Ausdifferenzierungen in Andalusien. 212 Zum Thema des sprachlichen Imperialismus in Bezug auf das Englische cf. Phillipson (1992).
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nur dem linken Spektrum zuschreiben lässt, was unter anderem durch die Schuldiskurse klar wurde, die das Andalusische als eine gebildete Variante der internationalen Sprache Spanisch konstruieren. Auch in diesem Kapitel ist daher ein Diskursausschnitt – El andaluz, la vanguardia del español (Rodríguez Domínguez 2017) – ausgewählt worden, der exemplarisch auch andere Tendenzen der Revalorisierung aufzeigt, als es Diskurse aus dem separatistischen Milleu tun. Es ist also festzuhalten, dass beide politischen Ausrichtungen oftmals zwar tendentiell ihre spezifische Sprachideologie verbreiten wollen, allerdings ist die tatsächliche Konstruktion noch sehr viel heterogener, als es im Rahmen dieser Arbeit nachgezeichnet werden kann. Die in diesem Unterkapitel dargestellten Diskursausschnitte zeigen daher exemplarisch die Haupttendenzen der Konstruktion der diskursiven Varietät und deren Revalorisierung. Zuletzt ist noch auf die Diskurse zur Institutionalisierung des Andalusischen – Bases de planificación lingüística para Andalucía (García Marcos 2008) – einzugehen, da diese ein wichtiges Indiz für die Untersuchung der Revalorisierungsprozesse im öffentlichen institutionalisierten Bereich darstellen. Die Diskurse in diesem Bereich werden zusammen mit den (semi-)akademischen Diskursen behandelt, da sie sich oftmals auf akademische Ausarbeitungen in Bezug auf Sprachplanung beziehen und im universitären Umfeld entstehen. Eine Analyse der Diskurse zur Institutionalisierung ist folglich wichtig, um bestimmen zu können, welche Ausprägung sie haben und was in Bezug auf das Andalusische sprachplanerisch geregelt werden soll. Die in diesem Unterkapitel behandelten Diskursausschnitte sind im Vergleich zu den Diskursausschnitten der vorherigen Kapitel länger, da gewisse Diskurspositionen auf größerem Raum in den Werken selbst erörtert werden. Die Hauptpositionen in Bezug zur Revalorisierung des Andalusischen werden hier nun exemplarisch nachgezeichnet und analysiert.
7.4.1 Diskursausschnitt: Tomás Gutier (2010) La lengua andaluza und Antonio Narbona Jiménez/Rafael Cano Aguilar/Ramón Morillo-Velarde Pérez (32011) El español hablado en Andalucía Der Gegenstand dieses Diskursausschnitts sind die Diskursstränge der zwei o.g. Werke, die sich immer wieder stark aufeinander beziehen und gleichzeitig voneinander abgrenzen. Die Abgrenzungsdiskurse, die sich um die sprachideologische Konstruktion des Andalusischen drehen, stellen stark aussagekräftige Diskursausschnitte dar, da anhand der diskursiven Aushandlungen der Deutungshoheit in Bezug auf das Andalusische die verschiedenen sprachideologischen Konstruktionen, die in Konkurrenz zueinander gesetzt werden, nachgezeichnet
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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werden können. Anhand der starken Reaktionen auf La lengua andaluza (Gutier 2010), die in dem hier ausgewählten Werk El español hablado en Andalucía exemplarisch zu finden sind, wird ersichtlich, dass trotz der Tatsache, dass Bewegungen wie diejenige, die das Andalusische als eigene Sprache zu etablieren versuchen, marginalisiert werden, diese aber dennoch als starke Konkurrenz in Bezug darauf, wer die Konstruktions- und Deutungshoheit hat, angesehen werden. Dies bedeutet, dass die starke Reaktion darauf offenbar darauf schließen lässt, dass diese Bewegungen nicht so marginal sind, wie sie dargestellt werden und die Marginalisierung selbst als diskursive Strategie zur Delegitimation angesehen werden kann. Die hier dargestellten Diskursausschnitte geben daher Tendenzen des in Andalusien existierenden Metadiskurses über das Andalusische wieder und stellen gleichzeitig auch selbst Aktualisierungen des Diskurses dar. Die Wahl für die Diskursausschnitte in diesem Unterkapitel ist auf die beiden Werke gefallen, da einerseits La lengua andaluza (Gutier 2010) in jeder größeren Buchhandlung Andalusiens gekauft werden kann und es einen recht hohen Verkaufserfolg aufweist. Es stellt einen semiakademischen Diskurs dar, weil das Werk wie eine wissenschaftliche Arbeit strukturiert ist, mit Literatur und Literaturverweisen arbeitet und sich vor allem sprachwissenschaftlicher Beschreibungskategorien (speziell aus Bereich des Lautwandels), die nicht ohne Weiteres allen LeserInnen sofort zugänglich sein werden, bedient, um Fachlichkeit in Anlehnung an tatsächliche wissenschaftliche Arbeiten zu suggerieren. Konservativere soziolinguistische ForscherInnen in Andalusien greifen derartige Diskurse auf und positionieren sich stark gegen sie, sodass anhand der Analyse der Bezugnahmen der Diskursausschnitte aufeinander besser herausgestellt werden kann, auf welche Art sie zur Revalorisierung des Andalusischen beitragen. In diesem Zusammenhang ist vorab in Bezug auf Tomás Gutiers (2010) La lengua andaluza zu sagen, dass es zwar mit diesem Titel und der Aufmachung als neues Werk dargestellt wird, es sich aber eigentlich um eine konzeptionelle Weiterentwicklung der vorherigen Werke Sin ánimo de ofender. En la defensa de la lengua de Andalucía (2001) und En defensa de la lengua andaluza (2006) handelt.213 Hierbei greift er dieselben Themen auf, rahmt sie teilweise diskursiv neu ein
213 In Bezug auf den Verlag Almuzara, bei welchem Gutiers (2010) Werk veröffentlicht wurde, ist in diesem Zusammenhang wichtig, dass er politisch linke bzw. auch linksnationale Titel veröffentlicht und daher dezidiert diesem Spektrum zugeordnet werden kann. Der Verlag selbst wird wegen der fehlenden Genauigkeit bezüglich der wissenschaftlichen Adäquatheit der Werke über das Andalusische gerügt sowie sein Legitimität diskursiv abgesprochen, indem gesagt wird, dass anstatt der Lektüre dieser Werke eine «criba drástica» notwendig sei, die «discrimine las verdaderas aportaciones al conocimiento de los escritos sin rigor alguno [. . .]» (Narbona 2019, 561).
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(«la lengua de Andalucía» zu «la lengua andaluza») und führt sie weiter aus. Im Rahmen der Feldforschung in Andalusien habe ich ein Interview mit Tomás Gutier durchgeführt, um Hintergrundwissen zu dessen Werk zu sammeln. Der Aussage Gutiers nach waren die vorherigen Werke sehr erfolgreich, weshalb eine neue und erweiterte Auflage vom Verlag angefragt wurde. Der Verkaufserfolg – genauere Angaben zu den Verkaufszahlen konnte der Autor nicht machen – des Werkes deutet darauf hin, dass das Thema eines ist, welches sich populär verkaufen lässt. Inhaltlich ist zu sagen, dass das Werk einen apologetischen Duktus aufweist: Es wird grundsätzlich angenommen, dass AndalusierInnen und das Andalusische schlecht bewertet würden, wobei nicht klar ist, wer diese exteriorisierten Anderen sein sollen. Die Argumentationsstruktur ist oft derartig gegliedert, dass Pseudo-Tabubrüche vorgenommen werden, und zwar durch das Aussprechen des «Unsagbaren» mit dem Ziel der diskursiven Ausweitung der ideologischen Sprachkonstruktion des Andalusischen als eigene Sprache. Hierbei wird oft sowohl auf exogene als auch auf endogene negative Valorisierungen des Andalusischen als die Sprechweise Ungebildeter und von BäuerInnen sowie als Sprache, die zur Lächerlichmachung diene, eingegangen. Dies wird in diesem Zusammenhang genutzt, um durch die diskursive Rahmensetzung das Gegenteil – also die Aufwertung des Andalusischen und die Delegitimierung der tradierten etablierten Diskurse – zu erreichen. Der Diskurs der als akademische Eliten gerahmten AkteurInnen wird dabei aufgegriffen und derartig gesetzt, dass es scheint, als ob andalusische akademische Eliten in den Sprachwissenschaften in einem politischen Sinne ideologisch geprägt seien und das Andalusische nicht fördern wollten. In diesem Unterkapitel wird neben diesem Diskursausschnitt zusätzlich auch ein akademischer Ausschnitt untersucht, von dem sich die sozialen Bewegungen, die das Andalusische als eigene romanische Sprache fassen, abgrenzen. Diese gegenüberstellende Analyse dient dazu, die starken sozialen Implikationen, die diese Diskurse aufeinander haben, besser fassen zu können. El español hablado en Andalucía repräsentiert hierbei als vielfach aufgelegtes Werk die Diskurse, die im akademischen Kontext in konservativen Strömungen häufig auftreten: Ausgangspunkt ist das gesellschaftliche Bild des Andalusischen, dessen Inexistenz in der Publikation mit der sprachlichen Variation begründet wird, da sie nicht zu einem kohärenten Konzept «Andalusisch» zusammengefasst werden könne. Dies geschieht mit dem Ziel, die öffentliche Sicht zu korrigieren. Problematisch an dieser Tatsache ist, dass trotz der Negation der Existens des Andalusischen oftmals selbst mit der Bezeichnung el andaluz gearbeitet wird und somit Narbona et al. (2011) selbst zur Reifizierung und Homogenisierung der diskursiven Konstruktion des Andalusischen beitragen, was auch innerhalb der Analyse zu sehen sein wird. Es ist zu konstatieren, dass viele Diskurse bezüglich des Andalusischen in der Forschung, die von seiner Inexistenz als Sprache ausgehen,
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sehr viel Platz darauf verwenden zu erläutern, warum es nicht existiert und die Tatsache monieren, dass ihre Forschungsdiskurse keine größere Resonanz in der andalusischen Bevölkerung haben. Die Titelwahl El español hablado en Andalucía (Narbona et al. 2011) ist dabei bewusst erfolgt, denn es geht den Verfassern demnach nicht um das Andalusische, sondern um das Spanische, was in Andalusien gesprochen wird. Dies bedeutet, dass die Autoren auf einen Diskurs reagieren, der das Andalusische als diskursive Varietät aufwertet und zumindest in Ansätzen als selbstständige Varietät darstellt. In letzter Zeit sind mehrere Sammelbände (Narbona 2009a, 2013) erschienen, die Forschung zu diesem Thema beinhalten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass in der Forschung über das Andalusische die diskursive Ebene nur insofern Beachtung findet, als dass in der Forschung eine «objektive ontologische» Sprachrealität mit dem Bild über Sprache kontrastiert und der gesellschaftliche Stellenwert untersucht werden, wobei die (eigenen) diskursiven Konstruktionen nur äußerst selten beachtet werden, da davon ausgegangen wird, dass Forschung Realität beschreibt und selbst nicht konstruiert. Die Forschung über das Andalusische ist, wie bereits zuvor angeklungen, hauptsächlich den Bereichen der Dialektologie und der Soziolinguistik zuzuordnen, die in ihren Haupströmungen eine Soziolinguistik Labov’scher Ausprägung darstellt und nach Eckert (2016, 69ss.) der ersten und zweiten Welle der Soziolinguistik zugeschrieben werden kann. Dies bedeutet, dass die Erzeugung positivistischer Ergebnisse zum Andalusischen die sprachstrukturelle Ebene betrifft. Es ist aber zu beobachten, dass bei El español hablado en en Andalucía (Narbona et al. 2011) über den Bezug auf die strukturelle Ebene mittels des Rekurrierens auf saliente Merkmale sprachideologische Konstruktionen, die als illegitim dargestellt werden, auf diskursiver Ebene beeinflusst werden sollen. Dabei wird bei dieser konservativen Strömung der Soziolinguistik sowohl gegen die diskursive Setzung des Andalusischen als eigene Sprache als auch gegen das andaluz culto argumentiert, sodass einerseits proklamiert wird, nur Aussagen über die strukturelle Ebene zu machen, andererseits aber implizit auf diskursiver Ebene Veränderungsprozesse ausgelöst werden sollen. Problematisch an dieser Ausrichtung ist, dass versucht wird, durch Forschung auf der strukturellen Ebene die Diskurse zu beeinflussen, indem auf die sprachliche Realität und Diskontinuität der Sprachvariation in Andalusien angespielt wird, aber durch die Besprechung selbst und der damit einhergehenden Zuordnung der Sprachvariation zum Spanischen die ForscherInnen selbst diskursive Akte vollziehen, in denen sie Realitäten auf diskursiver Ebene – und somit diskursive Varietäten – selbst schaffen. Somit sind auch sie AkteurInnen und nicht lediglich Beschreibende, die durch die Beschreibung der «ontologischen objektivierbaren Realität» den «verzerrten öffentlichen Diskurs» korrigieren wollen
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und sich die Verfasser dieses akademischen Diskursausschnitts somit selbst als eine Art custodes linguae implizit inszenieren. Die zu analysierenden Diskursausschnitte sind jeweils mit thematischen Überschriften versehen, die den in den jeweiligen Ausschnitten behandelten Themen entsprechen, damit sie in der Analyse besser zugeordnet werden können. Tomás Gutier: La lengua andaluza (2010) a) Titelseite: [Lengua romance que toma como base el latín de la Bética y que se difunde a otros pueblos de la Península Ibérica durante los siglos de Al Ándaluz.]
b) Rechtfertigung/ Wegbereitung zur ideologischen Gegenbewegung: Para empezar, expliquémonos. Ese habla de lengua andaluza cuando todo el mundo sabe que el pueblo andaluz se expresa en castellano, aunque malamente; ese escribir en castellano una obra sobre la lengua de Andalucía; ese preguntarse porqué escribir un libro que nadie va a leer, pues cualquier hijo de vecino conoce –como bien nos han informado ya los diferentes medios de comunicación– que el andaluz sólo lo emplean las chachas, los delincuentes y los incultos, gente poco lectora; ese no entender cómo se puede hacer un tratado sobre una forma de hablar que sólo sirve para contar chistes. . . La verdad, es necesario reconocerlo: se necesita mucho valor para comenzar a recorrer las páginas que vienen a continuación. [L]a gramática que aquí incluimos no es una gramática y el diccionario que viene a continuación no tampoco es un diccionario. Se trata únicamente de apuntes, de un inicio de desbrozar el camino para que otros puedan transitar por él con mayor facilidad. De ahí, por tanto, lo de cambiarlos en su capítulo correspondiente por títulos más política, cultural y socialmente correctos. En vez de ‹Gramática›, titulamos: ‹Algunas características de la lengua andaluza› y en vez de ‹Diccionario›, titulamos ‹Vocabulario andaluz›. Así, nadie se enfadará por nuestras excesivas pretensiones al querer llamar lengua algo que todo el mundo sabe es una juerga, unas hablas, un guirigay que no merece el nombre de dialecto. . . (13).
c) Zielsetzung: ¿Y cual [sic!] ha sido nuestra pretensión al emprender este trabajo? Algo muy sencillo, únicamente aspiramos a facilitarle la comprensión, el intercambio dialéctico cuando se dirija a los nativos andaluces. Cosa que, ya sabemos, no es sencilla pues nos comemos las letras, relajamos la pronunciación, vocalizamos poco y queremos decir mucho en cortos espacios. En fin, que no hay quién nos entienda. . . como somos unos iletrados. Por ese motivo, le hemos puesto lo más liviana posible la comprensión de nuestra particular forma de hablar, explicándole el sonido que damos a las distintas letras que forman nuestro alfabeto. Probablemente, algunas de ellas no suenen igual a sus homónimas castellanas, lo sentimos, de verdad, y reconocemos nuestra audacia al mostrarlas, pero es así, suenan diferente. En otros territorios sucede algo parecido. Ahí tenemos, por ejemplo, a los franceses, llevan siglos sin
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pronunciar bien la r y los puñeteros no hacen el más mínimo esfuerzo por corregirse. Nosotros, en cambio, lo intentamos (plausible y admirable es el ejemplo de los locutores de radio y televisión nacidos en Andalucía), pero nos cuesta (14). [Hervorhebung im Original]
d) Historisierung: Viendo como tratan el andaluz, nuestra renuncia a continuar con esta situación es lógica: ¿Que es una forma de hablar sucia, propia de patanes, de chachas, de incultos y delincuentes, que sólo encuentra sentido en los chistes, y lleva siglos usándose para acomplejar, dominar y humillar a un pueblo? Pues le damos la vuelta y la elevamos a lo más alto: El andaluz es una lengua propia y diferente, herencia de la Bética y de al-Andalus. Una lengua romance que nació en el lugar más latinizado y más arabizado de la península [sic!] Ibérica (61). El origen del andaluz, para nosotros, parece estar claro: el latín de la Bética. Nuestra lengua proviene de la cultura civilizada y latinizada Bética. [. . .] La conquista de la península [sic!] Ibérica, iniciada por Cneo Escipión en el 218 a. C. dura doscientos años, sin embargo la romanización de La [sic!] Bética es rápida y profunda. El norte resiste, tanto, que algunas zonas nunca llegan a conocer la civilización romana. Entre ellas, las montañas situadas [sic!] en el norte de lo que ahora conocemos como La Rioja (68s.). Parece seguro que la lengua romance, conocida actualmente como castellano, se formó a partir del latín impuesto por los romanos en la península [sic!] Ibérica, más ciertos elementos, muy significativos, provenientes de la lengua vasca. Lo que no se entiende con tanta claridad, como ya hemos señalado, es su comienzo en un monasterio situado en la zona menos romanizada de la península [sic!] Ibérica. Apliquemos la lógica, si el territorio conocido actualmente como Castilla estuvo prácticamente despoblado durante los siglos en que se formó el castellano y si ese territorio se repobló, durante siglos también, por mozárabes provenientes de al-Andalus, no parece normal que estos repobladores vinieran mudos y aprendieran a hablar una vez hubieron llegado al territorio. [. . .] ¿No parece lógico que hablaran y escribieran en mozárabe o aljamía? Conclusión: El idioma conocido como español o castellano, proviene de la lengua romance derivada del latín usada en La [sic!] Bética y al-Andalus y llevada al norte durante siglos por los exiliados andalusíes. Y, aunque está actualmente aniquilosado a causa de los corsés oficialistas, continúa su desarrollo en Andalucía, por lo que el andaluz se separa cada vez más del tronco común (84). [Hervorhebungen im Original]
e) Aufgreifen der akademischen Diskurse: En Andalucía lo máximo permitido por los lingüistas oficiales es la nivelación, pero normalización nunca jamás. Nivelación, para entendernos, es una ‹subida› de la forma de hablar andaluza hacia la castellana, una vez se han convencido sus habitantes de que hablando en andaluz ‹gozan de poca estimación y de escasa consideración social, fuera y dentro de Andalucía›. Por lo que ‹en la medida en que se eleva el nivel de instrucción de los andaluces, éstos van modificando o prescindiendo de ciertos rasgos, incluidos algunos de su pronunciación› (96). Todos sabemos que la tendencia de la filología actual, salvo excepciones, ha terminado por conducir a los principales estudiosos a negar la existencia de algo que podamos llamar ‹andaluz›. Antes había sido dialecto, luego habla, hablas, conjunto de hablas, acento particular limitado a la (defectuosa) pronunciación de los fonemas de la lengua castellana y, finalmente, ‹español hablado en Andalucía›. Sin embargo, no han sido pocos los eruditos que
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han discutido y elaborado teorías sobre esta cuestión, desde el siglo XVI en adelante, ni, precisamente, escasos, los filólogos que se han licenciado, doctorado y accedido a una cátedra a base de llenar estanterías con enjundiosos ensayos realizados en torno, curiosamente, a ‹eso que no existe› (103s.). [Hervorhebung im Original]
Antonio Narbona Jiménez/Rafael Cano Aguilar/Ramón Morillo-Velarde Pérez (32011) El español hablado en Andalucía f) Anfechtungen der Laiendiskurse zum Andalusischen: Del habla andaluza se tiene, fuera y dentro de Andalucía, una imagen incompleta y, en parte, desfigurada. Incompleta, porque la búsqueda de sus rasgos peculiares y específicos se ha centrado casi exclusivamente en la pronunciación y en ciertas particularidades léxicas y fraseológicas, precisamente donde más diferencias internas se dan; tales divergencias –geográficas y, sobre todo, socioculturales– impiden a aislar lo que verdaderamente la define, por encima de su carácter en apariencia abigarrado. [. . .] Si, pese a haber sido muy estudiado, la visión que se tiene no es del todo adecuada y su valoración no acaba de desprenderse de connotaciones estigmatizadoras, es porque los resultados de las investigaciones no traspasan los límites de los ámbitos académicos y universitarios, no se proyectan en el conjunto de la sociedad (11).
g) Aufgreifen von Merkmalen zur Rechtfertigung der Inexistenz des Andalusischen: No resulta fácil observar con objetividad e imparcialidad los usos idiomáticos propios. La lengua forma parta esencial de nuestra identidad, de nuestra manera de estar instalados en la sociedad y de ver el mundo, en definitiva, de nuestra conciencia personal y colectiva. Nos consideramos legitimados para emitir juicios de valor sobre el empleo que de ella hacemos y, por comparación, de cómo la utilizan otros. A diferencia de lo que sucede en otros ámbitos de la experiencia y del conocimiento, en los que matizamos y restringimos nuestro parecer con advertencias como yo de esto no entiendo mucho o no sé si lo que voy a decir es una tontería, ni siquiera si viene a cuento, y otros semejantes, en esto no solemos adoptar especiales precauciones, sino que nos expresamos en términos categóricos: fulano habla muy bien, aquí se habla fatal, etc. Pero, precisamente porque cuesta mucho mantenerse ecuánimes, hay que ser cautos, prudentes y críticos al máximo. [N]i siquiera está del todo claro quiénes son los hablantes de andaluz. No lo son todos los andaluces, pues, como se verá, la frontera lingüística no coincide con la administrativa; queda fuera una franja septentrional (norte de la provincia de Huelva, comarca cordobesa de Los Pedroches, zona oriental de Jaén y partes norteñas de Granada y Almería) en la que, entre otros rasgos, la s es más o menos como la castellana. Pero, por debajo de esa línea, es difícil señalar características comunes. En las II Jornadas sobre el habla andaluza (2002) organizadas por el Ayuntamiento de la localidad sevillana de Estepa, uno de los participantes hizo por escrito esta sugerencia: ‹que en las próximas, algún ponente, aunque sea solo uno, hable andaluz›. Como las encuestas no estaban firmadas, no se le pudo preguntar de qué modo tendrían que haberlo hecho quienes habían intervenido, entre los que había un almeriense, dos granadinos, un cordobés, una gaditana y varios sevillanos. Estaba claro que se refería a la pronunciación, pero ¿a cuántos y cuáles rasgos? (17) [Hervorhebung im Original]
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h) Ideologische Delegitimierung der Z.E.A. und Tomás Gutiers: No faltan buscadores ‹en serio› de señas lingüísticas de identidad que se resignan a la evidencia de que solo pueden hallarlas en el habla. Entre agosto y septiembre de 2002 se celebró en Miha/Mixa (es decir, Mijas –Málaga–, cuyo Ayuntamiento la patrocinaba) una ‹reunión de escritores/as en andaluz›. En la convocatoria, el título aparecía en cuatro versiones: Hunta d’ehkritoreh en andalú, Hunta d’ehqritorê en andalú, Xunta d’ëkkritorë en’andalü, Hunta d’ëqritorë’n’andalú. Como máximo responsable figuraba el Doctor y en ese momento profesor de la Universidad del País Vasco, Huan Porrah Blanko [sic], y uno de los participantes, Gorka Reondo Lanzâ [sic], es Licenciado en Filología Clásica y profesor de Educación Secundaria. Eran sus objetivos servir de ‹escaparate público› a cuantos escritores ‹utilizan el andalú como vehículo de expresión literaria› y llevar a cabo ‹una puesta al día mútua [sic] de los avances y desarrollo del movimiento a favor del andalú, tanto en el debate literario, sociolingüístico y cultural, como en la exposición de propuestas y paradigmas ortográficos, así como en el calado que pueda ir teniendo en los diversos movimientos socioculturales. En definitiva, una primera reunión de autores/as que procuran escribir atendiendo a la norma inconsciente que guía el hablar de l@s andaluces/as, con vistas a producir un intercambio de impresiones general sobre la situación del andalú que se espera sea fructífero›. Sobran los comentarios. Tampoco los merece la ‹Introducción› plagada de dislates de un Diccionario andaluz biográfico y terminológico (1980), dirigido por A. Medina Molera. [. . .] Por fortuna, estos episodios son esporádicos y no pasan de ser monsergas que solo contribuyen a acentuar la ceremonia de la confusión. Pero quizás no haya que limitarse siempre a esbozar una sonrisa. En un libro titulado Sin ánimo de ofender. En defensa de la lengua de Andalucía, cuya 2a ed. ‹se terminó de imprimir el 15 de diciembre de 2001 del calendario cristiano / 30 kisler 5762 del calendario judío / 29 ramadan 1422 del calendario musulmán›, en cuya publicación colaboró un denominado Centro de Estudios Históricos de Andalucía, se explica por qué una idea –que se estima en principio atinada– de Blas Infante, no podía llevarse a la práctica: el alifato [alfabeto árabe] es ‹poco apropiado para representar las diez [sic] vocales latinas conservadas en el andaluz, al tener una sola vocal›. No es, ni mucho menos, la ‹perla› más sobresaliente de la obra, una sarta de disparates de principio a fin (21). [Hervorhebungen sowie alle [sic!]-Angaben im Original]
i) Darstellung der konstruierten «objektiven» Realität der Nutzung der salienten Merkmale: Comoquiera que no hay criterios lingüísticos objetivos para valorar cualitativamente las diferentes variedades de uso de un idioma, cualquier apreciación en tal sentido es fruto de la comparación contrastiva entre dos o más de ellas desde parámetros demográficos, de prestigio, políticos, socioculturales, etc. La búsqueda de hechos diferenciales hace perder de vista a veces que es mucho, muchísimo, más lo que une al andaluz con el resto de los hispanohablantes que lo que los separa de ellos. Conviene insistir en ninguno de los tenidos por propios del andaluz (ni siquiera los prestigiados, como el seseo) se escribe. Por otro lado, dada la diversidad interna de su habla, así como la que el español presenta a uno y otro lado del Atlántico, se verán como específicos o singulares distintos rasgos, según quiénes lleven a cabo la comparación y con qué la establezcan (27). [N]o hace más que reflejar la actitud ante los usos idiomáticos propios de quienes pertenecen a los grupos socioculturales o socioeconómicos inferiores, dentro de la configuración de la Comunidad Autónoma Andaluza, en la que aún se mantienen notables diferencias est-
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ratificacionales los hablantes, a medida que van alcanzando una mejor competencia comunicativa por la vía de la instrucción –que ha dejado de ser monopolio del quehacer docente, pues cuentan cada vez más las interrelaciones sociales y los medios de comunicación–, van despojándose, sin trauma alguno, de una buena parte de los rasgos (no solo fonéticos) de escasa aceptación; desde luego, tienden a liberarse, sin imposición externa alguna, de las realizaciones más marcadas y extremas. [. . .] Lo curioso es que, al mismo tiempo –aunque por otras razones–, se está produciendo un movimiento en cierto modo contrario que pretende algún tipo de normalización lingüística, como medio, se piensa, para el logro de un ideal andaluz culto. [. . .] Quienes, tras afirmar que hay que dejar vía libre a la espontaneidad, pretenden, contradictoriamente, construir e ‹imponer› una modalidad andaluza unificada, pierden de vista que el español ha ido integrando en sus modos ‹cultos› y aceptado formas diversas de hablar, adecuadas a distintos espacios y situaciones (31). [Hervorhebung im Original]
7.4.1.1 Darstellung der salienten Merkmale An dieser Stelle werden nicht nur die Merkmale der hier angegebenen Ausschnitte selbst aufgeführt, sondern auch diejenigen, die in den Werken selbst besprochen werden. Die von Gutier (2010, 130–137) benannten und beschriebenen Phänomene lauten wie folgt und sind aus dem Spanischen übersetzt sowie teilweise zur besseren Erklärung ergänzt bzw. hier genauso angegeben, wie Gutier sie selbst beschreibt ungeachtet ihrer wissenschaftlichen Inadäquatheit: 1) Gemination ( [’kaspa] → [’kappa]); 2) Behauchung von /h/ (Behauchung von lateinischem /f/); 3) verschiedene Realisierungen von /s/ (seseo, ceceo, Behauchung, die andalusische koronale Realisierung von /s/); 4) Metathese ( [’poβre] → [’proβe]); 5) Apostroph (im Fall, dass zwei Vokale aufeinandertreffen, [laarβole’aða] → [larβole’a]); 6) Vokalassimilierung ( [aðe’lante] → [a’lante]); 7) Kontraktion ( [’paraaðe’lante] → [pa’lante]); 8) Dissimilation ( [’weβo] → [’ɣweβo]); 9) Transformation von /l/ zu weichem /r/ ( [mal’dito] → [mar’ito]); 10) Epenthese ( [irraθjo’nal] → [inraθjo’nal]); 11) yeísmo; 12) stimmhafte Konsonanten im Wortinneren (Verlust intervokalischer stimmhafter Phoneme, [’paðre] → [’pare]); 13) von «ch» zu «sh» (Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/, [mu’tʃatʃo] → [mu’ʃaʃo]); 14) das Verhalten des Infinitivs vor einem Pronomen (Palatalisierung von /r/, [pren’derlo] → [pren’dejo]; 15) Aphärese und Apokope (werden nicht erläutert).214 Trotz der Tatsache, dass die Phänomene mit Beschreibungskategorien der Lautwandelforschung bzw. historischen Grammatik versehen werden, werden in dem Kapitel zu den Eigenschaften des Andalusischen nur phonetische
214 Die hier angegebenen Beispiele sind diejenigen, die der Autor selbst verwendet und so wie hier angegeben benennt, allerdings tut er dies nicht in der phonetischen Transkription, sondern er gibt die Phänomene durch eine deviante Schreibung des Standardspanischen an.
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und keine syntaktischen Charakteristika genannt, wie es der Titel des Werkes selbst aber suggeriert. Darüber hinaus werden Grapheme des «andalusischen Alphabets» angegeben und eine Zuordnung zu andalusischen Phonemen durchgeführt. Die Besprechung der Grapheme zielt darauf ab, die Phoneme, die durch die Grapheme repräsentiert werden, mit den standardspanischen Phonemen zu kontrastieren. Die aufgeführten Phänomene sind die in der Forschung typischerweise erwähnten salienten Merkmale des Andalusischen und würden einer rigorosen wissenschaftlichen Darstellung der Sprachvariation in Andalusien auf struktureller Ebene nicht standhalten. Andererseits wird gesagt, dass es sich um «algunas características de la lengua andaluza» handele und somit auch nicht der Anspruch bestehe, eine umfassendere Darstellung der strukturellen Variation zu leisten. Im Gegensatz dazu gehen Narbona et al. (2011, 71ss.) in ihrem Werk sowohl auf die historische Lautentwicklung in Andalusien als auch auf synchroner Ebene auf die gegenwärtigen Realisierungen der Merkmale ein. Besondere Beachtung finden hierbei folgende Phänomene in der hier aufgeführten Reihenfolge: 1) seseo; 2) ceceo; 3) yeísmo; 4) die Vokalöffnung in Ostandalusien; 5) die Öffnung von /e/; 6) der Schwund von Konsonanten in der Silbenkoda; 7) die Behauchung von /x/; 8) heheo. Nach der Behandlung dieser Merkmale werden «andere Dialektismen», die offenbar eine geringere Verbreitung aufweisen, besprochen: 9) die Behauchung von lateinischem /f/; 10) die Alternanz von /r/ und /l/; 11) Nasalierungen.215 Die darauf folgenden Phänomene werden als «Vulgarismen» bezeichnet: 12) die phonetischen Restriktionen für das Phänomen des Schwundes von intervokalischem /d/; 13) der Schwund von intervokalischem /g/ und /r/; 14) die Velarisierung von /b/ zu /g/; 15) die Palatalisierung von /g/ zu /k/.216 Darüber hinaus ist ein Kapitel (Narbona et al. 2011, 263–314) der andalusischen Syntax gewidmet, allerdings wird bis auf die diatopische Distribution von «vosotros» und «ustedes» als Pronomina der 2. Person Plural und deren Verbalparadigmen kein syntaktisches Merkmal als einzig dem Andalusischen zuzuschreibendes identifiziert. Vielmehr wird auf die konzeptionelle Unterscheidung von geschriebener und gesprochener Sprache eingegangen
215 Die Nasalisierung ist ein Phänomen, dass in dialektologischen Arbeiten bereits gut beschrieben ist (Hualde 2005, 123; für weitere Hinweise und Literaturangaben cf. Campos-Astorkiza 2012) und beim Schwund von stimmhaften Konsonanten (vor allem /n/ und /s/) im absoluten Auslaut auftritt (z.B. [pan] → [pa᷈]). In der absoluten Vielzahl der Fälle handelt es sich aber nicht um ein Phänomen, welches metapragmatisch besprochen wird, da es nicht salient ist. 216 Hierbei handelt es sich beispielsweise um folgende Entwicklungen: [ka’bina] → [ga’bina]. Auch dieses Phänomen ist nicht salient im Sinne der Indexikalität 3. Grades und wird nicht zur diskursiven Konstruktion der Varietät genutzt.
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und weitläufig dargestellt, warum nicht von einer spezifisch andalusischen Syntax ausgegangen werden könne, was damit begründet wird, dass sich die Syntax gesprochener Sprache nur schwer untersuchen lasse und viele Phänomene, die mit dem Andalusischen verbunden werden (könnten), im Allgemeinen der gesprochenen Sprache sowie vornehmlich unteren Schichten und Alltagssituationen zugeordnet werden.217 7.4.1.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Das Besondere in Bezug auf die salienten Merkmale des Andalusischen bei Tomás Gutier (2010) ist, dass sie nicht als solche in einzelnen isolierten Redeakten zur diskursiven Konstruktion herangezogen werden, sondern dass ihnen ein eigenes Kapitel in seinem Werk gewidmet wird. Für das relevante Kapitel wird die Überschrift «Algunas características de la lengua andaluza» angegeben, was bereits impliziert, dass es sich nicht um alle, sondern nur um einige – also offenbar die wichtigsten – Charakteristika des Andalusischen handelt. Dies ist bedeutsam, da die salienten Merkmale mittels der Angabe sprachwissenschaftlicher Beschreibungskategorien zum Lautwandel eingeordnet werden, um zu rechtfertigen, dass die salienten Merkmale die Basis dessen sein sollen, was das Andalusische charakteristischerweise ausmacht. Analog zur Textualindexikalität, bei welcher der Grad der Abgrenzung durch die Gesamtheit der indexikalischen Zeichen 3. Grades sehr stark ist, wird hier nicht jedes Merkmal für sich mit dem Andalusischen verbunden. Vielmehr wird die Gesamtheit aller in dem Unterkapitel angegebenen Merkmale, die durch spezifisch andalusische Grapheme218 repräsentiert werden, als das sprachliche Fundament des Andalusischen dargestellt. Signifikant ist, dass die salienten Merkmale als die charakterisierenden Elemente des Andalusischen identifiziert und ihm ohne diatopische Differenzierung zugeschrieben werden. Sie werden diskursiv hervorgehoben, um
217 «Por otro lado, y como es habitual en tantas investigaciones dialectales, se ha tomado como rasgos sintácticos propios del habla de la región lo que no son sino los usos coloquiales, correspondientes a la comunicación oral, de entre los que se destacan especialmente los propios de los hablantes situados en las más bajas escalas socioculturales: el habla oral, ‹popular› o general, se toma así equivocadamente como ‹sintaxis andaluza›, sin tener en cuenta que los hechos que se ponen de manifiesto son más propios de una determinada situación (la conversacián cotidiana) o de un determinado estrato sociolingüístico (el ‹bajo›) que de una geografía» (Narbona et al. 2011, 104). 218 So wird z.B. der Digraph «sh» angegeben, der /ʃ/ – also das Ergebnis der Deaffrizierung von /tʃ/ – repräsentieren soll (Gutier 2010, 125).
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sprachideologisch die Distanz zum Standardspanischen und ausdrücklich nicht die strukturelle Nähe zu betonen. Die salienten Merkmale müssen in ihrer Funktion als Indices 3. Grades als sprachideologisches Werkzeug zur Demarkation gesehen werden, wobei sie in ihrer Gesamtheit das Andalusische in Abgrenzung zum Standardspanischen konzeptionell als diskursive Varietät konstruieren. Es handelt sich folglich um ein Herausgreifen salienter Merkmale aus dem strukturellen Kontinuum der Variation, um mittels metapragmatischer Akte die Vorstellung einer eigenen Varietät diskursiv zu produzieren. Hierbei ist zu sehen, dass die Stärke des Demarkationsgrades die Nutzung der salienten Merkmale bestimmt: Werden sie in ihrer Gesamtheit gesehen und ggf. noch mit «eigenen» Graphemen zur Schaffung von Textualindexikalität versehen, dienen sie zusammen in einem stärkeren Maße zur Abgrenzung vom Standardspanischen, als wenn einzelne spezifische Merkmale zur Abgrenzung der eigenen Varietät und damit einhergehend der Identität in Identitätsakten – wie z.B. bei kommodifizierter Sprache in Kapitel 7.1. oder in populären Diskursen in Kapitel 7.2. – herangezogen würden. In Gutiers Werk stellen die salienten Merkmale sowie das dort dargestellte «Vocabulario», das wie ein Wörterbuch angelegt ist, die sprachliche Basis dar, auf der alle weiteren metapragmatischen Diskurse aufbauen. Wichtig ist hier, dass auch einzelne Lexeme nicht mehr eine starke Salienz in ihrem singulären Auftreten aufweisen, sondern der «eigene» Wortschatz in seiner Gesamtheit zur Demarkation vom Standardspanischen dient.219 Es kommt also auf die Quantität der Gesamtheit an, die dem Standardspanischen sprachideologisch in Kategorien wie «eigenes Alphabet», «eigene Aussprache» und «eigene Lexik» entgegengesetzt wird. Eine entgegengesetzte Beschreibung lässt sich in Narbona et al. (2011) finden, die, wie weiter oben angegeben, auch ausschließlich die salienten Merkmale – bis auf das der Nasalisierung – aufgreifen, diese aber nicht nur benennen, sondern sie als Spezifika des in Andalusien gesprochenen Spanisch auch in ihrer historischen Genese darstellen und die heutige synchrone diasystematische Ausdifferenzierung beschreiben. Es ist zu konstatieren, dass die salienten Merkmale durch die
219 Je nach sprachideologischer Ausrichtung der Untersuchung können einige Lexeme, die im «Vocabulario» angegeben werden, entweder als dem Andalusischen eigene Lexeme eingeordnet werden oder als solche, die grundsätzlich dem Spanischen zuzuordnen sind, aber eine andalusische Realisierung aufweisen, wie z.B. der Eintrag «salú», im Standardspanischen salud (Gutier 2010, 137). Es fällt auf, dass eine andere Realisierung von /s/ als im Standardspanischen graphisch nie repräsentiert und im Eintrag «S» des «Vocabulario» auch nicht besprochen wird. Anders sieht dies für den Schwund des auslautenden /d/ aus, welches als «typisches» Merkmal des Andalusischen in der graphischen Repräsentation des Lexems berücksichtigt, aber auch sonst darüber hinaus im Mündlichen realisiert wird.
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Autoren eben besonders aufgrund der Tatsache aufgegriffen werden, dass sie salient sind und dem Andalusischen typischerweise zugeschrieben werden. Es handelt sich um einen sprachideologischen Akt, da die Merkmale einzeln besprochen und ihre diatopische und diastratische Verteilung detailliert beschrieben werden, um die Disparitäten und die Heterogenität in der Nutzung aufzuzeigen. Dies dient dem Zweck herauszustellen, dass auf struktureller Ebene nicht von einem Andalusisch als kohärenter Varietät gesprochen werden könne, da es sich um disparate Sprechweisen des Spanischen und nicht des Andalusischen handele, weil es aufgrund der Heterogenität kein zusammenhängendes Sprachgebiet gebe, welches die Zusammenfassung unter dem generischen Terminus Andalusisch rechtfertigen würde. Es handelt sich somit um eine direkte Zuordnung der Merkmale zum Spanischen, um die Existenz des Andalusischen zu negieren. 7.4.1.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Bei der Untersuchung von Gutiers (2010) Werk fällt zunächst das Deckblatt auf, auf welchem einerseits der Titel La lengua andaluza sehr groß gedruckt ist, andererseits dafür in eckigen Klammern eine Definition in der Tradition von Wörterbucheinträgen angegeben wird (oben unter Diskursausschnitt a) aufgeführt). Es erfolgt eine aktive sprachideologische Setzung des Andalusischen als eigene Sprache; diese diskursive Konstruktion wird mit einer Definition versehen, um bereits beim ersten Blick auf das Buch zu verdeutlichen, was darunter verstanden wird: Das Andalusische sei eine romanische Sprache, die direkt von dem Lateinischen, das in der römischen Provinz Baetica auf der Iberischen Halbinsel gesprochen wurde, abstamme und sich über andere Teile Spaniens ausgebreitet habe. Es ist folglich eine neuartige sprachideologische Setzung, die in knapper Form das Andalusische als eigene Sprache mit eigener Historie darstellt. Dies ist von besonderer Relevanz, da eine derartige Definition als notwendig erachtet wurde, weil offenbar allgemein angenommen wird, dass das Andalusische keine eigene Sprache, sondern eine Varietät des Spanischen darstellt. Somit wird die sprachideologische Ausrichtung bereits auf dem Titelblatt sehr klar, wobei der Titel aktiv gegen die allgemeine Annahme des Andalusischen als Varietät des Spanischen durch die Benennung als Sprache – «La lengua andaluza» – angeht. Durch diese Setzung soll offenbar Aufmerksamkeit oder ggf. auch Interesse bei den LeserInnen durch das Konterkarieren ihrer eigenen sprachideologischen Präsuppositionen erzeugt werden. In Bezug auf die Gestaltung der Medialität ist anzuführen, dass das Titelblatt in verschiedenen Grünfarbtönen gehalten ist, wobei Grün und Weiß als Farben der andalusischen Flagge Andalusien als sozialkulturellen Raum indizieren. Die Farbgebung der Aufmachung des Titelblattes
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Grafik 7: La lengua andaluza (Gutier 2010).
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suggeriert folglich in Kombination mit der Setzung des Andalusischen als «andalusische Sprache» bzw. «die Sprache Andalusisch» sowie der Angabe ihrer Definition eine Verbindung von Sprache mit dem sozial-kulturellen Raum Andalusien, sodass ein differenzierbares Gebiet mit einer differenzierbaren eigenen Sprache evoziert wird. Dies folgt dem Ziel, Andalusien als distinktiven Raum zu konstruieren und die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit in Bezug auf Spanien und das Spanische zu manifestieren. In Ausschnitt b) erfolgt eine Rechtfertigung und die Wegbereitung zur ideologischen Gegenbewegung der zuvor erwähnten sprachideologischen Präsuppositionen, indem in einem verteidigenden und sich als Opfer stilisierenden Duktus zunächst die charakterologischen Eigenschaften der SprecherInnen, die mit der diskursiven Varietät des Andalusischen verbunden werden, dargestellt werden: In einer übergeneralisierenden Aussage wird suggeriert, dass das Andalusische nur von Dienstmädchen bzw. Putzfrauen, Verbrechern, Ungebildeten und Unbelesenen gesprochen werde und es ausschließlich dazu diene, Witze zu erzählen. Es wird dabei die sprachideologische Konstruktion der «Anderen» aufgegriffen, die demnach sagen, dass das Andalusische ein schlecht gesprochenes Spanisch sei. Diese als exogen dargestellte Bewertung nimmt der Autor als Ausgangspunkt für seine Erklärungsansätze, indem er vorgibt, die LeserInnen beim Lesen an die Hand zu nehmen und sie somit durch seinen Duktus infantilisiert, um ein konkurrierendes Narrativ entgegenzusetzen. Der Autor inszeniert sich als Erklärer einer unverstandenen Realität und gibt dabei vor, behutsam vorzugehen, um den LeserInnen diese Realität schonend näherzubringen. Daher rahmt der Autor seine Aussagen derartig, dass beispielsweise das Kapitel zur Grammatik – man muss beachten, dass dieser Abschnitt keine Angaben oder Analysen zur Syntax aufweist – nicht so genannt werden dürfe, da er niemanden verärgern wolle, sodass er scheinbar auf die Befindlichkeiten der «Anderen» mit Rücksicht eingeht und das Kapitel nur «einige Charakteristika der andalusischen Sprache» nennt, um die LeserInnen nicht zu überfordern. Diese Strategie setzt sich durch das gesamte Werk fort und soll durch den apologetischen Duktus eine Rücksichtnahme auf die LeserInnen suggerieren, was dem Ziel folgt, seinen Thesen über diese Stilisierungsebene stärkeren Ausdruck zu verleihen. Dies wird zusätzlich an Aussagen deutlich, die den LeserInnen großen Mut zusprechen, wenn sie die vom Autor geschriebenen Zeilen lesen, da sie sich offenbar mit einer Sache auseinandersetzen, die nach allgemeiner Auffassung einer Auseinandersetzung nicht wert sei. Die diskursive Strategie besteht also darin, alle vorherigen, mit dem Andalusischen als diskursive Varietät typischerweise verknüpften charakterologischen Eigenschaften bzw. die Verknüpfung der Nutzung mit SprecherInnen niedrigerer sozialer Strata zu konterkarieren und ins Gegenteil zu verkehren. Für die Analyse dieser Arbeit ist dies von zentraler Bedeu-
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tung, da hierdurch tradierte negative Valorisierungen diskursiv aktualisiert werden, um sich in einem nächsten Schritt als Gegenreaktion von den negativen Valorisierungen und Zuschreibungen zur Aufwertung des Andalusischen als diskursive Varietät abzugrenzen. Bei diesem Prozess wird das Andalusische sprachideologisch in der Entgegnung des Postulats der öffentlichen Meinung, das Andalusische sei nur ein Jargon bzw. disparate Sprechweisen, die nicht einmal den Namen Dialekt verdienten, als eigene Sprache neu konzeptionalisiert. Es handelt sich somit um den Bruch eines fiktiven und konstruierten Tabus, durch den das Andalusische revalorisiert und sprachideologisch neu eingerahmt wird. Dies zeigt auch die Zielsetzung des Werkes in Abschnitt c) auf, da es laut Autor die Verständigung zwischen andalusischen MuttersprachlerInnen – «los nativos andaluces» – und SprecherInnen anderer Teile Spaniens ermöglichen soll. Dies erscheint zunächst paradox, allerdings wird hier wieder der Strategie gefolgt, negative Zuschreibungen – die AndalusierInnen verschlucken die Buchstaben, verschleißen die Aussprache, nuscheln und wollen viel in kurzer Zeit sagen – aufzugreifen, um sie zu instrumentalisieren und mittels logischer Schlussfolgerung zu Ende zu denken: Wenn das Andalusische nicht verstanden wird bzw. Nicht-AndalusierInnen es nicht verstehen, dann müsse es sich folglich um eine eigene Sprache handeln. Dieser vom Autor identifizierte Widerspruch wird aufgegriffen, um daraufhin zu erklären, wie AndalusierInnen die «verschiedenen Buchstaben aussprechen». Der Setzung von Graphemen als primärer Ausgangspunkt phonetischer Realisierung wird nicht an allen Stellen konsequent gefolgt, denn die Realisierungen – in diesem Ausschnitt repräsentiert durch das Realisieren des auslautenden /r/ – werden mit denen in anderen romanischen Sprachen zu dem Zweck verglichen, die eigenen Realisierungen zu rechtfertigen. Dies geschieht unter Bezugnahme der Rechtfertigungsfolie, dass in anderen romanischen Sprachen einige der Realisierungen der Standardsprache zugeschrieben wurden, die sich auch im Andalusischen finden lassen und ihm typischerweise zugeschrieben werden. Unabhängig davon, ob der Vergleich mit der angeblichen Nicht-Realisierung von /ʁ/ im Französischen220 tatsächlich korrekt ist, wird es als salientes Merkmal herangezogen, um den Schwund von /r/ in der Silbenkoda im Andalusischen als salientes Merkmal des Andalusischen heranzuziehen und eine Statusübertragung sowie -erhöhung des Merkmals
220 In der französischen Standardsprache ist die Realisierung von /ʁ/ vorgesehen, allerdings verwechselt Gutier offenbar die uvulare Realisierung im Französischen mit einem gänzlichen Schwund. Alternativ ist auch denkbar, dass Gutier sich nicht auf die Realisierung von /ʁ/ im Allgemeinen bezieht, sondern beispielsweise auf den Schwund im Auslaut von Verben, die auf enden (travailler ʻarbeitenʼ [tʁavaje]), wobei in anderen Lautumgebungen /ʁ/ wiederum realisiert wird (fuir ʻfliehenʼ [fɥiʁ]).
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herbeizuführen. Es handelt sich um eine neue sprachideologische Setzung des salienten Merkmals, durch welche die negative Valorisierung delegitimiert wird und qua Vergleich mit romanischen Standardsprachen derselbe Status des andalusischen Merkmals wie derjenige des fälschlicherweise als gleichwertig angesetzten Schwunds von /ʁ/ im Französischen in der Silbenkoda erreicht werden soll. Der direkte Vergleich der Nutzung des Merkmals durch gebildete Menschen im Französischen und «puñeteros», die offenbar ihre eigene Sprache nicht korrigieren können, evoziert einen starken Kontrast in der Logik, der zur Aufwertung der gesamten diskursiven Varietät genutzt wird, da dadurch ein «gebildetes» Merkmal des Französischen auf das Andalusische übertragen werden soll. Den zuvor beschriebenen Aufwertungstendenzen mittels des apologetischen Sprachduktus folgt in Abschnitt d) eine neue Historisierung des Andalusischen als diskursive Varietät, die bereits in der Definition auf dem Titelblatt ersichtlich wird. Das Versehen einer diskursiv konstruierten Varietät mit einer eigenen Historie ist von außerordentlicher Bedeutung, da in Gesellschaften, die Sprache im Zuge einer standard language ideology konzeptionalisieren, eine Sprache als diskursive Varietät unter anderem dann zu einer solchen wird, wenn sie u.a. eine differenzierte Geschichte, eine eigene Literatur oder bzw. und den Gebrauch durch höhere Schichten aufweist. Diese Kategorien werden auch oftmals in der Forschung herangezogen, um die Konzeptionen Sprache und Dialekt voneinander abzugrenzen (Sinner 2014, 96ss.), was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Gegenstand der Sprache im Sinne einer Standardsprache selbst von den ForscherInnen konstruiert wird (cf. Crowley 2003; del Valle 2013). Gutier folgt dieser Sprachideologie, um durch die diskursive Statuserhöhung des Andalusischen als eigene Sprache und konzeptionelle Loslösung vom Spanischen als «Muttervarietät» eine Revalorisierung zu erzielen. Hierzu wird eine konzeptionelle Konfrontation von «wir» – diejenigen, deren Sprache negativ bewertet wird – und «sie» – diejenigen, die die Sprache der anderen negativ bewerten – bemüht, um daraufhin erneut konfrontativ zu proklamieren, dass sie unrecht hätten und das Andalusische eine eigenständig aus dem in der römischen Provinz Baetica gesprochenen Latein entwickelte Sprache darstelle. Folglich wird die diskursive Varietät des Andalusischen konzeptionell vom Spanischen getrennt und mit einem neuen Narrativ versehen. Hierbei findet eine ideologische Essentialisierung statt, bei der die Essenz des Andalusischen auf das in der Baetica gesprochene Latein zurückgeht. Darüber hinaus soll die Baetica zur Zeit des Römischen Reiches zusätzlich sehr zivilisiert und die am stärksten latinisierte Region der Iberischen Halbinsel gewesen sein. Im Gegensatz dazu gibt Gutier an, dass der Norden der Iberischen Halbinsel die Region gewesen sei, die am längsten der Romanisierung und Latinisierung standgehalten hat, wobei die Region La Rioja, in der metaphorisiert die «Wiege» des Spanischen – das Kloster San Millán de la Cogolla –
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zu finden ist, nie romanisiert und somit latinisiert worden sein soll. Zunächst fungiert die Setzung des Andalusischen als eine aus dem Vulgärlateinischen der Baetica stammenden Varietät als Essentialisierung eines eigenständigen Ursprungs, der in einer zivilisierten und kultivierten Region mit einer kultivierten Sprache liege. Diese dargestellten Eigenschaften werden dann in die Gegenwart extrapoliert, um die SprecherInnen in Andalusien mit denselben Eigenschaften – kultiviert und zivilisiert – zu versehen. Darüber hinaus dient dies dem Zweck, das gegenwärtige Andalusisch als diskursive Varietät mit ebendiesen Eigenschaften zu verknüpfen und somit eine sprachideologische genealogische Linie zu den heutigen SprecherInnen zu konstruieren. In Gutiers Aussagen erfolgt eine gezielte Konstruktion eines Geschichtsnarrativs, indem er die Nicht-Romanisierung bzw. Nicht-Latinisierung der Region La Rioja als Faktum voraussetzt und sich daraufhin auf das Phänomen der repoblación221 der nördlichen Gebiete durch ChristInnen aus dem Süden im Laufe der Reconquista der Iberischen Halbinsel bezieht, um darauf aufbauend das Argument qua Logik weiterzuentwickeln, dass diejenigen, die den Norden wiederbevölkert haben, ihre eigene Sprache dort implementiert und weitergetragen hätten. Tatsächlich geht die Forschung davon aus, dass das Spanische als einer der Primärdialekte des Vulgärlateinischen aus dem Norden der Iberischen Halbinsel beeinflusst durch angrenzende andere vulgärlateinische Primärdialekte sowie dem Baskischen im Zuge der Eroberung der Iberischen Halbinsel vom Norden in den Süden getragen wurde und immer stärker im Zuge der Machtausweitung Kastiliens im Mittelalter verbreitet wurde (cf. u.a. Echenique Elizondo et al. 2005, 312ss.; Berschin et al. 2012, 88ss.). Gutier formuliert hier eine Gegenposition, indem er sagt, dass nicht das Spanische vom Norden in den Süden verbreitet worden sei, sondern sich das Spanische aus dem Primärdialekt des Vulgärlateinischen der Baetica bzw. dem Mozarabischen – dem vulgärlateinischen Primärdialekt, der im Süden der Iberischen Halbinsel während der arabischen Herrschaft in al-Andalus gesprochen wurde – entwickelt habe. Er verweist auf die geringe bzw. inexistente Latinisierung des Ursprungsgebietes des Spanischen; Gutier selbst ist dabei inkonsistent, da er einserseits angibt, die Region sei «wenig» romanisiert und latinisiert gewesen, andererseits geht er aber von einer «nicht erfolgten» Romanisierung und Latinisierung aus. Gänzlich unabhängig von der Korrektheit dieser historischen Setzung ist zu sehen, dass der Ver-
221 Zur wissenschaftlichen historischen Darstellung der zeitgenössischen soziopolitischen Umstände und der Migrationsbewegungen in den Norden – der sogenannten repoblación im 12. Jahrhundert – und für weitere bibliographische Hinweise kann García de Cortázar/González Vesga (2012, 170ss.) konsultiert werden.
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such erfolgt, ein Gegennarrativ zur Sprachgeschichtsschreibung des Spanischen und Andalusischen zu konstruieren, bei welchem die sprachideologisch bedingte Vorstellung der Existenz eines essentialisierten Ursprunges einer Sprache222 aufgegriffen wird, um konkret den dortigen Ursprung des Spanischen als Fehlannahme darzustellen. Durch die Darstellung dieser «Fehlannahme» als Faktum wird das Spanische als diskursive Standardvarietät delegitimiert und sein Ursprung dem Andalusischen zugeschrieben. Somit wird das Verhältnis von «Muttervarietät» und «Regionalvarietät» umkehrt und somit das Andalusische zum primus inter pares stilisiert. Diese sprachideologische Neusetzung stellt eine Revalorisierung und starke Statusaufwertung des Andalusischen dar, da das Andalusische nun der Ursprung des Spanischen sein soll und das Spanische als deviante und selbst abstammende Sprechform diskursiv konstruiert wird. Auch wenn es sich hierbei nicht um eine historisch korrekte Darstellung handelt, so ist zu konstatieren, dass das Gegennarrativ existiert, im öffentlichen Raum zirkuliert und potentiell vervielfältigt wird. Auch wenn bei Weitem keine allgemeine Durchsetzung dieses Narrativs zu beobachten ist, so stellt es doch eine potente Gegenerzählung dar, an welcher sich diejenigen, die die Deutungshoheit im Diskurs haben – hier: SprachwissenschaftlerInnen –, reiben. Im Einklang mit der zuvor dargestellten sprachideologischen Essentialisierung des Andalusischen mittels der Verbindung von diskursiver Varietät und eigenständiger Sprachgeschichte steht die sprachideologische Implementierung und Darstellung der salienten Merkmale in Lautwandelprozessen aus dem Kapitel, in welchem die salienten Merkmale des Andalusischen als dessen Charakteristika beschrieben werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass es sich hierbei um eine aktive sprachideologische Verwendung der Merkmale handelt, da durch das Heranziehen sprachwissenschaftlicher Beschreibungskategorien zum historischen Lautwandel nicht bloß dargestellt wird, dass im Andalusischen spezifische Merkmale anders sind: Die Darstellung als in sich abgeschlossene Prozesse – z.B. die Metathese – suggeriert eine stärkere strukturelle Distanz zwischen dem Andalusischen und Standardspanischen als es die bloße Aufzählung der Merkmale des Andalusischen oder der allophonischen Entwicklung spezifischer,
222 Bei diesem Ursprungsort handelt es sich selbst um eine sprachideologische Setzung, die unter Referenz auf die metaphorische Analogie lebender Organismen und deren Geburt bzw. Tod die Genese einer Sprache mit einem spezifischen Ort verknüpft, wobei diesem Ort eine große Wichtigkeit zugeschrieben wird. Es ist zu konstatieren, dass es diesen idealisierten und essentialisierten Ort als «Geburtsstätte» einer Sprache in dieser Form nicht gibt, da in einer soziolinguistischen Betrachtungsweise Sprachen keine autonomen Organismen mit einer spezifischen Lebensdauer oder einem konkreten Geburtsort sind.
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dem Standardspanischen zugeschriebener Phoneme und deren allophonischer Realisierungen im Andalusischen täten. Der Bezug auf diejenigen, die die Deutungshoheit im Diskurs haben, wird in Ausschnitt e) deutlich, denn Gutier bezieht sich auf die von ihm betitelten «lingüistas oficiales», wodurch er bereits ihre Autorität in Bezug auf die Deutungshoheit der Interpretationen und diskursiven Konstruktionen des Andalusischen delegitimiert. Dieser Effekt wird erreicht, indem «die offiziellen LinguistInnen» als externe Gruppe konstruiert werden und ihnen die Rolle zugeschrieben wird, einer angeblich offiziellen Linie – offenbar derjenigen des Zentralstaates – zu folgen. Aus seinen Aussagen ist zu interpretieren, dass er der Ansicht ist, dass diese Diskurslinie vorsieht, dass das Andalusische eine schlechte Realisierung des Spanischen sei. Er greift dabei die Diskurslinien der konservativen Richtung der andalusischen Soziolinguistik auf, die von einer positivistischen Beschreibung einer «objektiven» Realität ausgeht, bei welcher konstatiert wird, dass gewisse saliente Merkmale eine geringe Valorisierung aufweisen bzw. dass je höher das Bildungsniveau von AndalusierInnen steigt, desto stärker würden gewisse saliente Merkmale vermieden. Gutier greift dies in der Formatierung eines Zitats auf, zu dem aber keine bibliographische Angabe gemacht wird, und nimmt es als Beweis dafür, dass diese LinguistInnen nur eine Dialektnivellierung, aber keine Normalisierung im Sinne einer institutionellen Implementierung «erlaubten». Es ist nicht nachzuweisen, aus welchem Dokument das Zitat genau stammt, aber einige Aussagen sind in dieser Form in Narbona et al. (2011) zu finden, die der oben beschriebenen Linie folgen.223 Nicht nur die in der konservativen soziolinguistischen Forschung positivistisch dargestelle Dialektnivellierung wird aufgegriffen, sondern auch die eng damit zusammhängende Negierung der Existenz des Andalusischen als einheitliches Gebilde im Sinne einer diatopischen Varietät. Hierbei greift Gutier nun explizit den Titel von Narbona et al. (2011) auf und geht darauf ein, dass angegeben werde, dass AndalusierInnen die Phoneme des Standardspanischen nicht korrekt aussprächen. Darüber hinaus geht er auf die Kategorisierung des Andalusischen als Dialekt, Sprechweise(n), Bündel an Sprechweisen oder Akzent ein und komplettiert diese Konzeptionalisierungen mit dem Titel El español hablado en Andalucía. Es wird aufgezeigt, dass das Andalusische in diesem Werk als ein in Andalusien
223 An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass die sprachideologische Linie der Inklusion des Andalusischen ins Spanische und der Bewahrung der spanischen Norm nachvollziehbarer wird, wenn in Betracht gezogen wird, dass Antonio Narbona Jiménez und Rafael Cano Aguilar «académicos correspondientes» der Real Academia Española (cf. RAE 2018) für Andalusien sind und sie somit in ihrer Funktion die spanische Sprachakademie in Andalusien repräsentieren. Es ist daher davon auszugehen, dass auch politischen Interessen zur Wahrung der Einheit des Spanischen gefolgt wird (cf. Paffey 2014).
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gesprochenes Spanisch aufgefasst wird, welches jegliche Kategorisierungen als zusammenhängendes und vom Spanischen differenzierbares Sprachgebiet negiert. Das Aufgreifen dieser Darstellungen dient Gutier zu ihrer gleichzeitigen Delegitimierung, indem er den Widerspruch offenlegt, dass sehr viele Gelehrte und vor allem SprachwissenschaftlerInnen sich mit dem Andalusischen befasst und somit ihre wissenschaftlichen Arbeiten über etwas, das nicht existiere, verfasst hätten. Diese diskursive Delegitimierung der konservativen soziolinguistischen Diskurslinien dient zur Konstruktion des Andalusischen als reifizierte diskursive Varietät in Abgrenzung zum Standardspanischen und zu ihrer gleichzeitigen positiven Valorisierung. Implizit greift Gutier das Paradoxon auf, dass vor allem bei der Nutzung von el andaluz und durch die Singularisierung bei el habla andaluza, so wie sie sehr häufig auch in Narbona et al. (2011) zu finden ist, die Vorstellung einer abgrenzbaren reifizierten Einheit evoziert wird, wobei die Beschreibung mittels solcher Kategorien selbst zur Konstruktion der diskursiven Varietät beiträgt, selbst wenn deren Existenz negiert wird. Der Diskurs über das Andalusische als eigene Sprache trägt somit dazu bei, dass zuvor als legitim angesehene Diskurspositionen durch die Entgegnung eines konkurrierenden Narrativs nun eine Opposition haben, gegen die sie ihre Konzeptionalisierungen und Beschreibungen verteidigen müssen. Genau auf diesen Umstand soll nun im Rest dieses Unterkapitels eingegangen werden, um die Verhandlungsprozesse in Bezug auf die Legitimität und Delegitimation spezifischer sozialer AkteurInnen mit dem Ziel herauszuarbeiten, den Einfluss der Diskursposition des Andalusischen als eigene Sprache auf andere Diskurspositionen und auf breitere soziale Schichten darzustellen. Hierzu wird das zuvor erwähnte Grundlagenwerk von Narbona et al. (2011) herangezogen, in welchem eine starke Auseinandersetzung mit der Diskursposition des Andalusischen als eigene Sprache erfolgt. In Ausschnitt f) ist zunächst zu sehen, dass konstatiert wird, dass es sowohl innerhalb als auch außerhalb Andalusiens ein unvollständiges und sogar verzerrtes Bild über das Andalusische gebe. Es wird im Besonderen auf die allgemeine «Suche nach besonderen Merkmalen» vor allem auf phonetischer Ebene eingegangen, was zunächst erst einmal ein starkes Indiz für die soziale Verwendung salienter Merkmale 3. Grades für die Konstruktion des Andalusischen als reifizierte diskursive Varietät im Allgemeinen ist. Die Nutzung dieser Merkmale im Diskurs wird als unvollständig dargestellt, da das, was das Andalusische tatsächlich strukturell auszeichne, die ungeordnete Verteilung der Merkmale sei.224 Implizit wird also von Narbona
224 Die soziolinguistische Forschung nicht-Labovscher Prägung wurde in diesem Fall offenbar nicht rezipiert, da durch die Forschungsergebnisse gezeigt wird, dass einzelne spezifische
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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et al. (2011) Bezug auf breitere Wissensbestände über das Andalusische in der Gesellschaft genommen und diese werden als illegitim dargestellt, um dadurch die eigene Legitimation diskursiv zu festigen. Hierbei wird eingestanden und moniert, dass man es nicht geschafft habe, die Forschungsergebnisse außerhalb der akademischen Zirkel in weitere Bereiche der Gesellschaft zu verbreiten. Die mangelnde Diffusion wissenschaftlicher Ergebnisse wird in direkte Verbindung mit der negativen Valoration des Andalusischen gebracht und als Grund für deren anhaltende Existenz dargestellt. Es ist anzunehmen, dass die hier gemachten Aussagen sich nicht nur auf existierende negative Valorationen zum Andalusischen beziehen, sondern in ihrer Gänze delegitimiert werden, sodass auch solche, die das Andalusische als positiv valorisieren, eingeschlossen werden. Es geht also in der Aussage folglich nicht um die Ausprägung der Valorisierung als solche, sondern um die mangelnde Rezeption der Forschung und somit der «legitimen» Diskurse durch die breite Bevölkerung. Es ist davon auszugehen, dass auch revalorisierende Diskurse in die Pauschalaussage einbezogen werden, da sie konzeptionell nicht der eigenen Diskursposition in Narbona et al. (2011) folgen. Da in dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass eine Revalorisierung durch verschiedenste Diskurspositionen – z.B. das Andalusische als eigene Sprache oder aber als andaluz culto – erreicht wird, ist der Aussage zu entnehmen, dass auch diese Diskurse bereits eine starke soziale Diffusion aufweisen und ein Gegennarrativ darstellen, welchem Narbona et al. (2011) sich entgegensetzen. Dies wird in Ausschnitt g) noch deutlicher, in welchem eine starke Einforderung der Diskurshoheit von ExpertInnen sichtbar wird. Es wird in diesem Zusammenhang auf Laien eingegangen, die es sich herausnähmen, zu Dingen, zu denen sie kein Expertenwissen haben, Aussagen – «tonterías» – zu treffen. Daraufhin wird wieder auf die breite soziale Nutzung der salienten Merkmale eingegangen und die «korrekte» Sicht dargestellt, dass die Sprachgrenze nicht mit der politischen Grenze Andalusiens übereinstimme und nur die apikoalveolare Realisierung von /s/ im Gegensatz zu anderen Realisierungen in Andalusien
Merkmale zur diskursiven Sprach- und Gruppenkonstruktion herangezogen werden (cf. Eckert 2012). Ein Metadiskurs über Sprache kann also nicht alle Merkmale einer Varietät beinhalten, da es i.d.R. zu viele Merkmale sind, die die Varietät singularisieren, und ihre Ebenen – vor allem die Prosodie oder auch Morphosyntax – beim populären Sprechen über das Sprechen nicht ohne Weiteres von Laien mit ausdifferenzierten Konzepten beschrieben werden können (allerdings weisen sogenannte Laienkonzepte wie Singsang o.Ä. auch darauf hin, dass SprecherInnen sehr wohl erkennen und versuchen, solche Auffälligkeiten zu beschreiben). Es ist auch in dieser Arbeit zu beobachten, dass die komplexe sprachliche Realität auf struktureller Ebene nicht in ihrer Gänze aufgegriffen wird, sondern die Konstruktion der diskursiven Varietät nicht nur in populären Diskursen, sondern beispielsweise auch in der Forschung über das Heranziehen der «typischen» Merkmale erfolgt.
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das einzige distinktive Merkmale zur sprachlichen Differenzierung der Sprechweise(n) in Andalusien darstelle. Narbona et al. (2011) argumentieren an dieser Stelle auf struktureller Ebene, befinden sich aber auf der diskursiven Ebene, wenn sie die soziale Nutzung der Merkmale 3. Grades monieren. Hierbei erfolgt exemplarisch die Bezugnahme auf eine konkrete Situation – dies stellt eine impressionistische Verallgemeinerung eines Diskurses dar – der 2. Tagung über das Andalusische («II Jornadas sobre el habla andaluza»), bei welcher einer der Teilnehmer den Wunsch äußerte, dass bei der nächsten Tagung eine/r der Vortragenden den Vortrag auf Andalusisch halten solle. Narbona et al. (2011) hinterfragen diese Aussage, indem sie nach der genauen Anzahl der Merkmale, die man für die Klassifikation als AndalusischsprecherIn brauche, fragen. Dies impliziert also eine laissez-faire-Haltung, die «äußere» Eingriffe in die Verwendung des Andalusischen als schlecht markiert. Die diskursive Strategie dahinter ist die Herbeiführung einer Änderung auf diskursiver Ebene mittels Referenz auf die Komplexität der strukturellen Ebene, da auf einer objektiven und rationalen Ebene keine genaue Anzahl der Merkmale zur Ermöglichung einer Differenzierung einer/eines Andalusischsprecherin/Andalusischsprechers festgelegt werden könne. Durch den Versuch, der Logik zu folgen, erfolgt exemplarisch eine diskursive Delegitimation des Wissensbestandes breiterer sozialer Schichten, deren Diskurspositionen folglich als unlogisch dargestellt werden. Vielfach wird ebendiese Diskursstrategie in den Diskursen zur Revalorisierung des Andalusischen – wie in den vorherigen Analysen bereits gezeigt werden konnte – konzeptionell aufgegriffen, um die Darstellung der disparaten strukturellen Variation als Inklusivität und sprachlichen «Reichtum» der diskursiven Varietät sprachideologisch zu rahmen und somit die Bewertung durch ein Gegennarrativ ins Gegenteil zu verkehren. Bei der diskursiven Delegitimierung von Laienpositionen werden auch Gutier (2010) und die Z.E.A. spezifisch aufgegriffen, um sich an ihren Diskurspositionen abzuarbeiten. Durch die Hervorhebung von «en serio» wird in Abschnitt h) zunächst dargestellt, dass die Z.E.A., die die Versammlung andalusischer SchriftstellerInnen alle zwei Jahre organisiert, und ihr Versuch, auf Andalusisch zu schreiben und eine eigene Orthographie und Literatur zu etablieren, nicht ernst genommen werden könnten. Narbona et al. (2011) dekontextualisieren durch die Darstellung der verschiedenen Schreibungen von «Junta de escritores en andaluz» die eigentliche Arbeit der Z.E.A., die u.a. darin besteht, als bottom-upBewegung in einer Vereinigung, der eine/einer jede/jeder beitreten kann, demokratisch an der Erarbeitung einer andalusischen Orthographie beizutragen, indem Narbona et al. (2011) die verschiedenen Orthographievorschläge nebeneinanderstellen und dadurch ins Lächerliche ziehen wollen. Dies geschieht im Hinblick auf die sprachideologische Interpretationsfolie, dass es nur eine einzige
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Orthographie des Spanischen gebe, diatopische Varietäten nicht geschrieben würden und diese nur auf mündlicher Ebene eine Berechtigung hätten. Hierbei wird die Vorstellung impliziert, dass eine Aushandlung mehrerer Orthographien und ihrer Ko-Existenz gegen das Grundverständnis einer einzigen von Autoritäten vorgeschriebenen Orthographie, die die einzig korrekte darstellen soll, verstößt. Es wird in diesem Zuge versucht, die Existenz derartiger Bewegungen zu delegitimieren, indem einerseits durch Referenz auf die sprachideologische Hintergrundfolie die «demokratischen» Versuche, das Andalusische zu verschriften, ins Lächerliche gezogen werden, andererseits ein kategorisches Ablehnen der Ko-Existenz mehrerer Orthographien erfolgt. Verschiedene Schreibungen werden als «ceremonia de la confusión» gerahmt, dadurch ihrer Legitimation entzogen und die spanische Standardorthographie als einzig legitime Orthographie implizit dargestellt. In einem nächsten Schritt wird auf Gutiers früheres Werk, En defensa de la lengua andaluza (2006), das in La lengua andaluza (2010) mündete, Bezug genommen und es werden erneut dekontextualisierte Ausschnitte zitiert, um sie daraufhin ins Lächerliche zu ziehen. Einerseits wird in diesem Zuge das Druckdatum des Buches, das nach dem christlichen, jüdischen und islamischen Kalender angegeben wird, aufgegriffen, wobei die Angaben des jüdischen und islamischen Kalenders als unsinnig erachtet werden. Dies scheint von einem ideologischen Standpunkt aus zu geschehen, bei welchem die Angabe anderer Kalenderangaben als der christlichen als exogen, fremd und unnötig erscheint. Anderseits ist die Aufnahme dieser Datumsangaben seitens Gutiers auch ideologisch geprägt, da dadurch auf die Convivencia 225 – das Zusammenleben der christlichen, jüdischen und muslimischen Kulturen auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter – indirekt Bezug genommen und das Zusammenleben auf das heutige Andalusien extrapoliert wird, um die Toleranz in Bezug auf andere Kulturen in Andalusien mit dem Herrschaftsanspruch der christlichen Kulturen aus dem Norden über andere Teile der Iberischen Halbinsel zu kontrastieren. Es handelt sich also bereits – wie zuvor auch in anderen Diskursausschnitten gesehen werden konnte – um die Darstellung sozialer Inklusivität in Bezug auf Andalusien und der Zuschreibung der Intorelanz zur kastilischen Kultur sowie dem Aufoktroyieren ihrer Kultur auf diejenigen anderer Regionen Spaniens. Narbona et al. (2011) gehen auf diesen Punkt jedoch nicht ein, sondern beziehen sich
225 Wie bereits erwähnt, sind eine Einordnung der Konzepte Reconquista und Convivencia als Schlüsselbegriffe der spanischen Historiographie und Kulturwissenschaft und weitere bibliographische Hinweise bei Maser (2013) zu finden.
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auf die in Gutier (2010) dargestellte Aussage Blas Infantes,226 die besagt, dass das arabische Alphabet für das Andalusische aufgrund der fehlenden Repräsentationsmöglichkeit der andalusischen Vokale nicht geeignet sei. Für Narbona et al. (2011) stellt dies den «Höhepunkt der Unsinnigkeiten» von Gutiers Werk dar. Unabhängig davon, ob es sich bei den Aussagen um korrekte Darstellungen handelt, ist durch die Art der Diskursivierung des starken Verspottens und Absprechens von Legitimation zu sehen, dass einerseits die Aussagen gänzlich abgelehnt werden, andererseits aber keine konkrete Auseinandersetzung mit den Diskurspositionen erfolgt. Es findet eine sofortige Delegitimierung der Verschriftungsansätze auch mittels der Bezugnahme auf eine Unwissenschaftlichkeit statt, was darauf schließen lässt, dass die Autoren versuchen, ihre Diskurshoheit zu verteidigen, indem nicht vornehmlich argumentativ vorgegangen wird, sondern ihre Sichtweise durch ihre soziale Position als Autoritäten als die einzig wissenschaftlich korrekte erscheint. An dieser Stelle ist noch hinzuzufügen, dass der Abschnitt über die Syntax des Andalusischen, der in Abschnitt 7.4.1.1. bereits beschrieben wurde, auch dieser sprachideologischen Konzeption zuzuordnen ist, da die Rechtfertigung der Inexistenz einer spezifisch andalusischen Syntax damit gerechtfertigt wird, dass es sich um gesprochene Sprache handele und die zu findenden syntaktischen Phänomene solche der Mündlichkeit seien. Auch hier findet die sprachideologische Konstruktion des Standardspanischen und seiner Orthographie als die eigentliche (Schrift-)Sprache statt, wobei die Syntax der Schriftsprache als eigentliche Syntax gerahmt wird und syntaktische Phänomene des Andalusischen diesen Status nicht erreichen können, da das Andalusische nach Sicht von Narbona et al. (2011) nur gesprochen und nicht geschrieben werde. Narbona et al. (2011) gehen nicht auf die Existenz tatsächlicher syntaktischer Unterschiede auf struktureller Ebene ein, sondern sie versuchen, über die Rahmung von Phänomenen der Mündlichkeit vor allem auf phonetischer Ebene eine Inexistenz von syntaktischen Unterschieden im Andalusischen zu betonen. In Abschnitt i) wird dies zusätzlich deutlich, da dort auf wissenschaftliche Untersuchungsmethoden Bezug genommen wird, indem gesagt wird, dass sich 226 Blas Infante gilt als Begründer des Andalucismo und entscheidende Persönlichkeit der regionalistischen Bewegung in Andalusien, die Anfang des 20. Jahrhunderts stark wurde. Die politische Richtung war linksautonom ausgeprägt, wobei die angestrebte Politik hauptsächlich die regionale Autonomie und Implementierung einer sozialistischen Politik, die z.B. die Etablierung kostenloser Bildung, «progressiver» Bildungsinhalte oder die Enteigung großer Landgebiete von Großgrundbesitzern umfasste. Teil der Arbeit Blas Infantes war auch die Stärkung des Andalusischen und die Förderung bzw. das Studium der andalusischen Kultur, die nicht nur die christlichen Charakteristika umfasst, sondern auch die historische Konstituierung der andalusischen Kultur, die Einflüsse aus der jüdischen und islamischen Kultur aufweist (Lacomba 2006, 143ss.)
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die distinktiven Merkmale verschiedener Varietäten des Spanischen je nach Forschenden und Untersuchungsmethode unterscheiden. Der indirekte Bezug auf die fehlende Allgemeingültigkeit einer einzelnen Forschungsleistung dient zur ideologischen Rechtfertigung der eigenen, nicht hinterfragten und als korrekt dargestellten Position, dass es sehr viel mehr gebe, was das Andalusische mit den anderen Varietäten des Spanischen gemein habe, als das, was es von ihnen trenne. Erneut wird auf struktureller Ebene argumentiert, um den durch die Autoren selbst gesetzten Diskursfokus von «trennenden» zu «verbindenden» Merkmalen zu verschieben. Dies wird mit der Aussage unterstrichen, dass keines der Merkmale, die allgemein als «typisch» für das Andalusische angenommen werden, tatsächlich nur im Andalusischen zu finden seien. Hierzu ziehen Narbona et al. (2011) den seseo heran, der, obwohl er prestigereich sei, dennoch nicht geschrieben werde. Erneut dient die Standardorthographie als der sprachideologische Referenzpunkt und sie wird als primär gesetzt, sodass die Tatsache, dass der seseo in der Standardorthographie nicht repräsentiert wird, als sprachideologische Rechtfertigungsfolie fungiert, um alle Bemühungen der Veränderung der Standardorthographie oder der Verschriftung anderer Varietäten die Berechtigung abzusprechen. Es wird also der Logik gefolgt, die besagt, dass wenn ein Merkmal nicht in der Standardorthographie geschrieben wird, es auch keine Legitimität zur Implementierung des Merkmals gebe. Es handelt sich gewissermaßen um eine «selbsterfüllende Prophezeiung», die eine zirkuläre Rechtfertigungsstruktur aufweist. Sprachideologisch gesehen wird die gesprochene Sprache als sekundär dargestellt und der geschriebenen (Standard-) Sprache bzw. ihrer Orthographie hierarchisierend untergeordnet, sodass Phänomene der gesprochenen Sprache keine orthographische Repräsentationslegitimität aufweisen. Dies führt auch dazu, dass das Spanische sprachideologisch als homogen, die Sprechweisen Andalusiens aber als disparat gerahmt werden. Wenn also die andalusischen Sprechweisen konzeptionell dem Spanischen zugeordnet werden, so müsste das Spanische selbst als sehr disparat erscheinen. Dieses Paradoxon wird aber sprachideologisch ausgeblendet, die andalusischen Sprechweisen partikularisiert und mit spezifischen Orten und Schichten verbunden. Das Spanische wird hingegen sprachideologisch anonymisiert und als homogen, allgemein und auf struktureller Ebene stabil konstruiert. Im zweiten Teil des Ausschnitts i) wird auf die stratische Ausdifferenzierung der Gesellschaft in Andalusien Bezug genommen und konstatiert, dass ein höherer Bildungsgrad dazu führe, dass die SprecherInnen einige der «markiertesten und extremsten» salienten Merkmale aufgäben, «ohne ein Trauma zu erleben», und eine «bessere Kommunikationskompetenz» erlangen würden. Es ist zu sehen, dass eine starke sprachideologische Hierarchisierung stattfindet, die die Sprache «gebildeter» Menschen – was genau das heißt, wird nicht weiter definiert – als die Spra-
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che selbst ansieht, sodass nur andere Varietäten deviante Merkmale aufweisen und sogar als extrem dargestellt werden. Die Widersprüchlichkeit der Beschreibungsebenen der konservativen Strömungen der andalusischen Soziolinguistik wird exemplarisch an dieser Stelle sehr deutlich, da das Adjektiv «extrem» als qualitative Beschreibung eines phonetischen Merkmals keine objektive Beschreibungskategorie darstellt, sondern qualitativ etwas als stark abweichend vor dem Hintergrund des eigenen sprachideologischen Referenzpunktes einrahmt. Darüber hinaus wird impliziert, dass ohne Bildung, die die Aufgabe der salienten Merkmale und die Übernahme der Standardmerkmale fördere, eine geringere Kommunikationskompetenz der SprecherInnen vorherrsche. Auch hier wird nicht klar, was eine bessere oder schlechtere Kommunikationskompetenz bedeuten soll und ob es sich hier tatsächlich um wissenschaftliche Kategorien der Beschreibung einer Kommunikationskompetenz handelt, aber offenbar wird Menschen, die die salienten Merkmale nicht aufgeben, diese Kompetenz abgesprochen. Es ist anzunehmen, dass die Autoren auch auf den Standard als «neutrales» Kommunikationsmedium der Hispanophonie abzielen, jedoch ist die Neutralität sehr fraglich, da konzeptionell die gebildeten SprecherInnen – los hablantes cultos – hinter diesem «neutralen» Standard stehen. Sie bilden offenbar die neutrale Schicht selbst, von der alle, die nicht dazugezählt werden, abweichen. Wer allerdings dazuzuzählen ist und ab wann jemand als gebildet gilt, wird nicht weiter definiert. Es handelt sich folglich um eine Inferiorisierung der SprecherInnen, die diesem Konzept nicht zugeordnet werden (können), sodass sie diskursiv als abweichend konstruiert werden. Die Nivellierung hin zur Standardrealisierung wird als Prozess «ohne Trauma» dargestellt und sprachideologisch als ein natürlicher Vorgang gerahmt, bei welchem gewissermaßen die Aufgabe der Merkmale und die Aneignung der Standardmerkmale als unproblematisch bzw. als etwas, das man schnell überwindet, erscheint. Nicht nur die Hierarchisierung von SprecherInnen und ihrer Sprechweisen wird hier diskursiv geschaffen, sondern auch eine Delegitimierung von Bewegungen, die das Andalusische in der Form des andaluz culto institutionell implementieren wollen. Es wird argumentiert, dass das Standardspanische bereits mehrere gebildete Sprechweisen integriert habe und diese in spezifischen Situationen und Bereichen – also im Sinne einer diaphasischen Ausdifferenzierung – genutzt werden könnten. Diese als integrativ gerahmte Standardsprache wird mit einem «konstruierten» und «aufoktroyierten» andaluz culto kontrastiert, welches als homogenisiertes Konstrukt anderen aufgezwungen würde. Das Andalusische als diskursive Varietät in der Form des andaluz culto erscheint somit als etwas Aufgezwungenes, das Standardspanische hingegen als neutrale Sprache, die konzeptionell über allen anderen Varietäten steht, diese gewissermaßen einschließend überdacht und von allen ohne Zwang akzeptiert wird. Zusammenfassend ist also zu sehen, dass die diskursive Setzung des Standardspanischen
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(der Iberischen Halbinsel) als sprachideologischer Nullpunkt, der alles überspannt, diskursiv essentialisiert wird und Machtpositionen oder Interessen, die hinter der Implementierung dieses Standards stehen, komplett ausgeblendet werden, sodass der Standard als natürlich und neutral erscheint. 7.4.1.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Durch das exemplarische Aufgreifen des Diskursbereiches wissenschaftlicher Darstellungen des Andalusischen als eigene Sprache und der Abgrenzungsfolie der Diskurse der konservativen soziolinguistischen Forschung über das Andalusische wurde ersichtlich, dass sich beide aufeinander beziehen und sich voneinander abgrenzen. Die bei Gutier (2010) zu findende diskursive Setzung der «lingüistas oficiales» bezieht sich genau auf die Diskurslinien, die hier kontrastiv zur Herausarbeitung herangezogen wurden: Der diskursive Hauptstrang der Aushandlung der Deutungshoheit geht um die Existenz oder Inexistenz des Andalusischen als zusammengehörige und kohärente diskursive Varietät sowie um deren sozialen Status in der andalusischen Gesellschaft. Hierauf bezogen ist die Frage nach der Provenienz des Andalusischen, sodass sich auf konzeptioneller Ebene die Aushandlung zur grundsätzlichen Zuschreibung der als sehr disparat beschriebenen andalusischen Sprechweisen zum Spanischen oder der diskursiven Konstruktion einer eigenen Varietät im Sinne einer eigenen Sprache ergibt. Das Versehen des Andalusischen mit einer eigenen Geschichte und die Umkehrung des Narrativs der Sprachgeschichtsschreibung, die das Andalusische als direkte Fortführung des in der Baetica gesprochenen Vulgärlateinischen und als Ursprung des Spanischen rahmt, konstruieren somit eine konkurrierende Erzählung, die nicht zwangsläufig in einem wissenschaftlichen Sinne korrekt oder kohärent sein muss, aber dennoch eine Veränderung des Diskurses über das Andalusische in der Gesellschaft zur Folge haben kann. Da es nicht Ziel dieser Arbeit ist, die Diskursausschnitte und die dahinterstehenden AkteurInnen als solche zu bewerten oder die Korrektheit bzw. Inkorrektheit herauszustellen, sondern die in Andalusien existierenden Diskurse der Revalorisierung in ihrer Breite exemplarisch möglichst adäquat herauszuarbeiten, ist zu konstatieren, dass es sich bei dem hier untersuchten Diskursausschnitt um einen starken Versuch der Revalorisierung handelt, der allerdings auch für separatistische Zwecke genutzt werden kann. Auch wenn dieser Diskurs in wissenschaftlichen Diskursen marginalisiert wird, so ist doch zu erkennen, dass er aktiv von einigen WissenschaftlerInnen aufgenommen wird und gleichzeitig der Versuch der Delegitimierung erfolgt. Es ist anzunehmen, dass wenn der Gegendiskurs tatsächlich für marginal gehalten werden
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würde, er einfach ignoriert werden würde, was aber nicht passiert, da man die «populäre» Konstruktion des Andalusischen wissenschaftlich richtigstellen und diese Korrektur in breitere Gesellschaftsschichten disseminieren möchte. Die recht explizite Negierung der Legitimation der sprachideologischen Konstruktion des Andalusischen als diskursive Varietät in Form einer eigenen Sprache deutet darauf hin, dass der Diskurs in der Realität folglich nicht so marginal ist, wie er dargestellt wird, da ein Nischendiskurs ohne jeglichen Anklang keine derartige Auseinandersetzung benötigen würde. Es ist zu sehen, dass Narbona et al. (2011) den Diskurs des Andalusischen als eigene Sprache, aber auch andere breitere Diskurse sehr stark – und wohl auch nicht, ohne dabei selbst interessengeleitet zu sein – delegitimieren, indem sie der Forschung – und auch einzig der sprachideologischen Forschungsausrichtung, der sie selbst angehören – die einzige Berechtigung zur Deutungshoheit sprachlicher Variationsphänomene mittels ihres sozialen Kapitals als Wissenschaftler zusprechen. In diesem Zuge diskreditieren sie dabei sowohl die Sichtweisen anderer Strömungen der andalusischen Soziolinguistik als auch breitere gesellschaftliche Diskurse. Die Diskreditierung erfolgt nicht nur auf der Ebene der Deutungshoheit in Bezug auf die Modellierung sprachlicher Variation, sondern auch auf der Ebene der SprecherInnen, wobei die hablantes cultos als die SprecherInnen der eigentlichen Sprache und solche anderer sozialer Strata als deviant gerahmt werden. Dabei gäben die SprecherInnen devianter Sprechweisen «auf natürliche Weise» mit zunehmendem Bildungsgrad die «extremen» Merkmale auf, jedoch kann dies nicht als «neutral» angesehen werden, sondern es muss verdeutlicht werden, dass verschiedenen Sprechweisen – jede weist an sich auf struktureller Ebene keinen höheren Wert als eine andere auf – Valorisierungen zugeordnet werden, welche stratisch bedingt sind. Es wird deutlich, dass Gutier (2010) gegen diese Konzeption angeht und die implizite Verknüpfung von Andalusisch mit geringem Bildungsgrad diskursiv aufbricht, um sie durch eine neue Konzeption – das Andalusische kann in gebildeten Kontexten als Distanzsprache fungieren – zu ersetzen. Es wird zudem ersichtlich, dass durch den Diskurs des Andalusischen als eigene Sprache ein Beitrag zur Revalorisierung des Andalusischen geleistet wird, selbst wenn auf wissenschaftlicher Ebene viele seiner Aussagen als zweifelhaft angesehen werden können. Die neue Historisierung Gutiers (2010) sowie die Darstellung des Andalusischen als eigene Sprache erreichen durch die Publikation des Werkes und den subsequenten Verkauf sowie das Aufgreifen des Diskurses in den Medien bzw. der Wissenschaft eine stärker werdende Diffu-
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sion, die im diskursiven Raum als Gegennarrativ existiert.227 Es kann also konstatiert werden, dass dies einen Beitrag zur Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät leistet und eine Diskussion darüber auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen existiert bzw. diese noch verstärkt wird.
7.4.2 Diskursausschnitt: Manuel Rodríguez Domínguez (2017) El andaluz, vanguardia del español Das im Jahr 2017 erschienene Werk von Rodríguez Domínguez stellt eine der neuesten Publikationen populärer Abhandlungen über das Andalusische dar und steht im Kontrast zu Gutiers (2010) Werk. Wie bereits bei Gutier (2010) wird auch im Titel El andaluz, vanguardia del español die diskursive Setzung klar: Offenbar wird das Andalusische als diskursive Varietät als die avantgardistische Varietät des Spanischen gerahmt. Es wird also nicht als eigene Sprache, sondern als die «fortschrittlichste» Varietät des Spanischen dargestellt und somit nicht konzeptionell davon getrennt, sondern das Andalusische zum primus inter pares erhoben. Hierbei spielt im Besonderen der Bezug zum Spanischen Lateinamerikas eine Rolle, da in Rodríguez Domínguez‘ (2017) Werk das Andalusische als diskursive Varietät sprachideologisch als «Muttervarietät» des lateinamerikanischen Spanisch – auch hierbei handelt es sich um eine diskursive Konstruktion – gerahmt wird, um die soziale Stellung des Andalusischen innerhalb Spaniens zu erhöhen. Dies funktioniert mittels der Marginalisierung des in Nordspanien gesprochenen Spanischen, sodass das Andalusische sprachideologisch als Zentrum des Spanischen umgedeutet wird. Becker (in Druck) behandelt die Schwierigkeiten bei der Determinierung und Darstellung des lateinamerikanischen Spanisch als vom Andalusischen abstammend – die sogenannte andalucismo-These –, welche auf perzeptiven Eindrücken einiger HispanistInnen basiert. Der Artikel bietet einen Überblick über die Forschungsliteratur zum español atlántico basierend auf der Konzeptionalisierung Cataláns (1958), welche das (west-)andalusische, kanarische und lateinamerikanische Spanisch als Teile einer zusammenhängenden Übervarietät, die vom Nordspanischen abgegrenzt wird, fasst. Darüber hinaus wird der Konstruktionscharakter des español atlántico herausgearbeitet. Bei der Abgrenzung spielen vor allem fünf saliente Merkmale des Andalusischen, die in Lateinamerika in der Mehrheit der Varietäten auch realisiert werden (seseo, yeísmo, Behauchung
227 Das Werk wurde beispielsweise auch deutlich in der in Kapitel 7.2.2. analysierten Reportage gezeigt und es wurde dort Bezug darauf genommen.
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von /x/ → /h/, Behauchung oder Schwund von /s/ in der Silbenkoda, Alternanz von /r/ und /l/) in Bezug auf die Bestimmung der andalusischen Provenienz des lateinamerikanischen Spanisch eine entscheidende Rolle (u.a. Lapesa 1964). In Bezug auf die Debatte in der Dialektologie, ob das lateinamerikanische Spanisch vom Andalusischen oder Nordspanischen abstamme, arbeitet del Valle (1998) die der Debatte zugrunde liegenden Sprachideologien heraus, wobei die Konzeption eines essentialisierten Ursprungs zentral ist: Es geht bei den Debatten immer um das Herauskristallisieren einer historischen Abstammungsbasis des lateinamerikanischen Spanisch; der Ursprung spielt also die zentrale sprachideologische Rolle, da durch die Konstruktion dieses einen Ursprungs soziale extrasprachliche Verhandlungen des symbolischen Besitzes des lateinamerikanischen Spanisch durch die Zuschreibung zum Nordspanischen oder Andalusischen erfolgen. Del Valle (1998, 146) problematisiert dies und zeigt hierbei auf, dass vielmehr die heterogene Ko-Existenz spanischer Varietäten in Lateinamerika und die diachronen Sprachwandelprozesse, die in Lateinamerika selbst stattfanden und in den dortigen Gesellschaften selbst anzusetzen sind, untersucht werden müssten. An dieser Stelle kann die gesamte andalucismo-Debatte nicht nachvollzogen werden, aber es wird deutlich, dass mittels salienter Merkmale Provenienzansprüche und somit sprachideologische Besitzansprüche durch Bezugnahme auf die Metaphorik von Abstammungsbasis-Fortführung bzw. der genealogischen Beziehung Mutter-Kind verhandelt werden, um die Stellung des Nordspanischen oder des Andalusischen in Spanien selbst im Hinblick auf das lateinamerikanische Spanisch als dasjenige mit den meisten SprecherInnen zu erhöhen. Der hier gewählte Diskursausschnitt ist also in diese bereits lange geführte Debatte einzuordnen, wobei die Konzeptionalisierung des Andalusischen als «Muttervarietät» des instrumentalisierten lateinamerikanischen Spanisch popularisiert wird, um das Andalusische sprachideologisch als Prestigevarietät in Spanien zu rahmen. Es geht also einerseits um die soziale Stellung des Andalusischen in Spanien, andererseits um die Möglichkeit des Ablösens des Nordspanischen als standardgebend und -konstituierend auf mündlicher Ebene. Die Möglichkeit dieser sprachideologischen Neusetzung wurde auch bereits in der Forschung durch Coseriu (1995, 173) als mögliches Szenario beschrieben, da «[. . .] para una ejemplaridad ideal el andaluz [tiene] muy buenas probabilidades [. . .] para en algún momento constituir conjuntamente con la ejemplaridad general americana la nueva norma de ejemplaridad, porque en algunos puntos esenciales precisamente, materialmente coinciden estas normas [. . .]».
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a) Gegenpositionierung zur sprachideologischen Primärsetzung der Schriftsprache: A mi parecer, estos dos prejuicios –el prejuicio ortográfico y la visión castellanista de la lengua– han sido, en su entrecruzarse y mezclarse, los creadores de esa consideración negativa que el habla andaluza ha tenido casi desde que comenzó su existencia. La visión castellanista es esa idea, tan arraigada todavía, no solo entre castellanos, sino también entre mucho andaluces, y no solo entre profanos en cuestiones de lingüística sino también entre muchos especialistas, según la cual solo es buen español el que se habla en Castilla, y por ello ha de ser el modelo de lengua al que todo hablante de español ha de aspirar; y el prejuicio ortográfico es el que dictamina que se ha de hablar como se escribe, y, consecuentemente, una persona hablará mejor cuanto más se acerque su pronunciación a la escritura. [. . .] El prejuicio ortográfico no deja de ser una falacia, pues, si hablar bien una lengua fuera aproximarse lo más posible a su ortografía, habríamos de concluir que los franceses y los ingleses hablan mal su propia lengua, porque la escriben de una forma y la pronuncian de otra; si nosotros hablamos mal por pronunciar [paré] [sic!] y [loh niño] [sic!] cuando se escribe pared, terminando en d y los niños, con –s al final de cada palabra, ¿qué diremos de los franceses que escriben les vaches blanches y pronuncian [le vach blanch], o de los ingleses que escriben Shakespeare y pronuncian algo así como [shespir]? (Rodríguez Domínguez 2017, 25) [Hervorhebungen im Original]
b) Aufgreifen der negativen Valorisierung und Delegitimierung der sprachideologischen Zentrierung auf Kastilien: La versión castellanista de nuestra lengua está basada en el hecho de que Castilla fue la cuna del idioma, y ya, desde el siglo XVI, época en la que se muestran de forma visible las diferencias de pronunciación entre el habla castellana y el habla andaluza, se considera la manera castellana de hablar la lengua española como el modelo ideal de lengua y se acompaña esta consideración con una versión negativa, sarcástica cuando no agresiva, del habla andaluza: los andaluces confunden, los andaluces hablan mal y, a veces, no se les entiende –se ha venido diciendo–. El ejemplo que se suele aducir para apoyar que los andaluces confunden, coadyuvado, en este caso, por el ‹prejuicio ortográfico›, es el de los mal llamadas seseo y ceceo. Como en castellano se diferencia entre dos sonidos, uno apicoalveolar y otro interdental y, además, cada uno se representa por una letra distinta, s y z (c ante e,i), respectivamente, la conclusión es evidente: esta es la forma correcta y adecuada de pronunciar la lengua española y los andaluces, que no emplean en su hablar esta distinción, confunden; si la confusión es a favor de la [s] lo llaman seseo y si a favor de la [ z] [sic!], ceceo (Rodríguez Domínguez 2017, 29s.). [Hervorhebungen im Original]
c) Versuch der Neudefinierung des Andalusischen: ¿Qué es el andaluz? Nosotros tenemos muy clara la respuesta a esta pregunta: el andaluz es la forma más innovadora, y por tanto, más moderna y avanzada de pronunciar la lengua española, y como el andaluz se extendió por Canarias y por América, conformando el denominado español atlántico, es también la forma más generalizada de hablar español; no obstante, algunos lingüistas, dialectólogos e historiadores de la lengua suelen responder que es
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
un dialecto (término que pertenece al metalenguaje de la ciencia, y como tal es neutro pero que también se usa en el lenguaje corriente, donde ha adquirido algunas connotaciones negativas), y otros especialistas no le conceden tal categoría y le atribuyen la denominación de modalidad, variedad regional o algo similar. [. . .] Otros lingüistas, dialectólogos e historiadores de lengua evitan el término dialecto y suelen usar la denominación habla andaluza, término que contiene el significado de dialecto, pero sin connotaciones negativas y significa estrictamente ‹realización del español en Andalucía›, pero también aquí algunos especialistas rechazan el término y, tomando como base la diversidad interna del andaluz, consideran que se describe mejor la realidad con la denominación hablas andaluzas (Rodríguez Domínguez 2017, 187). [Hervorhebungen im Original]
d) Sprachideologische Setzung des Andalusischen als Prestigevarietät: Constatando el policentrismo de la norma del español, habrá que concluir con José María Vaz de Soto y con Pedro Carbonero que en andaluz hay una norma cultural diferente a la castellana que se manifiesta en: [Der Autor nennt die folgenden Merkmale: seseo, yeísmo, Behauchung von /x/, Behauchung von implosiven /s/, Schwund einiger finaler Konsonanten, etymologischer Gebrauch der indirekten Objektpronomina der 3. Person, Ersatz der 2. Person Plural durch Zusammenfall mit der 3. Person Plural]. Aquí no se propugna una norma andaluza de carácter prescriptivo o preceptivo, no; lo que se propugna es el deseo de que en la escuela se enseñe la norma andaluza conjuntamente con la norma castellana, de que los hablantes cultos andaluces empleen esta norma en las situaciones formales de comunicación, y de que esta norma sirva de pauta a los locutores de radio y televisión andaluzas para poder ofrecer al hombre medio de nuestros campos y ciudades un modelo de lengua más cercano y accesible que el que les ofrece la norma del dialecto castellano. Y con ello no peligra la unidad del idioma; tajantemente, no (Rodríguez Domínguez 2017, 280s.). [H]abremos de concluir que los cinco rasgos de pronunciación que hemos señalado como pertenecientes a la norma del andaluz, pertenecen también a la lengua estándar; dicho de otro modo: los hablantes andaluces que utilizan en su pronunciación esos cinco rasgos y algunos otros de tipo morfológico y sintáctico [. . .] no están hablando mal el español; sino que están hablando un español perfectamente correcto, y, además, el empleo de esos rasgos es, en nuestra opinión el mejor modo de dignificar nuestra manera andaluza de hablar español (Rodríguez Domínguez 2017, 282).
7.4.2.1 Darstellung der salienten Merkmale Die hier dargestellten Auflistungen sind so übernommen, wie sie bei Manuel Rodríguez Domínguez (2017) dargestellt und besprochen werden, d.h., dass Leerstellen in den Tabellen auf nicht Besprochenes oder Kontrastiertes im Werk hindeuten. Die Bezeichnung Kastilisch wird hier gewählt, da der Autor dieses konzeptionell als das Nordspanische diskursiv konstruiert und somit selbst als Varietät des Spanischen darstellt.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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Tabelle 8: Darstellung der phonologischen Unterschiede der Konsonanten zwischen dem Andalusischen und Kastilischen in Rodríguez Domínguez (2017, 268ss.).
Labiale:
Andalusisch
Kastilisch
Phoneme:
Phoneme:
/p/, /b/, /f/, /m/
/p/, /b/, /f/, /m/
Dentale: /t/, /d/, /s/ → [s] oder [θ], /n/, /r/, /rr/, /l/ Velare:
/k/, /g/, /h/
Palatale: /tʃ/, /j/, /ɲ/
/t/, /d/, /θ/ (soll in Andalusien nie existiert haben; S. ), /n/, /r/, /rr/, /l/ /k/, /g/, /x/ /tʃ/, /j/, /ɲ/, /ʎ/, /s/
Im Kapitel «La pronunciación andaluza» (Rodríguez Domínguez (2017, 119–162) werden die folgenden phonetischen Merkmale aufgegriffen: Seseo, ceceo, Alternanz /r/ und /l/, verschiedene Realisierungen von /s/, Aspiration von lateinischem /f/, Behauchung von /s/ in der Silbenkoda, Behauchung von /x/, Geminisierung der Konsonantengruppen /sf/, /sl/, /sn/, /st/, /sk/, /sm/, /sp/, Deaffrizierung von /tʃ/, Schwund finaler Konsonanten (/s/, /θ/, /d/, /l/, /r/, /n/, /j/), Schwund von intervokalischem /d/, yeísmo. Über die Beschreibungen der Phonetik und der syntaktischen Merkmale des Andalusischen werden zusätzlich Besonderheiten der Lexik dargestellt: Rodríguez Domínguez (2017) geht davon aus, dass im Andalusischen Periphrasen eine höhere Frequenz als im Kastilischen aufweisen. Darüber hinaus wird angegeben, dass zusammengesetzte Syntagmen, Vergleiche und Metaphern häufiger verwendet werden, aber es werden keine Bespiele zur Illustration angegeben noch wird dargestellt, was unter «Periphrasen», «zusammengesetzten Syntagmen» oder «Vergleichen» genau verstanden wird bzw. inwiefern Metaphern häufiger verwenden werden. 7.4.2.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Das Besondere an der Nutzung der salienten Merkmale 3. Grades in diesem Werk ist, dass zunächst jeweils disparate Sprachwandelphänomene des Spanischen und Andalusischen angegeben werden, um dann nach der dadurch erfolgten Differenzierung die Verbreitung des Andalusischen durch die Heranziehung dieser Merkmale durchzuführen. Zunächst ist zu sehen, dass das Andalusische und das Kastilische konzeptionell voneinander getrennt werden, indem die Anzahl ihrer
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Tabelle 9: Darstellung der syntaktischen Unterschiede zwischen dem Andalusischen und Kastilischen in Rodríguez Domínguez (2017, 119ss.). Andalusisch
Kastilisch
Schwund von «vosotros» → «ustedes» als Pronomen und korrespondierender Verbalform der . Person Plural im Verbalparadigma
Unterscheidung von «vosotros» (. Person Plural) und «ustedes» (. Person Plural) im Verbalparadigma
Vier Personen in den Verbalparadigmen sind nicht zu unterscheiden (. bis . Person Singular und . Person Plural)
Unterscheidungsmöglichkeit durch Verbalendungen
Eigene Pluralmarkierung
Nicht spezifiziert
Es gibt Syntagmen, die im Kastilischen unbekannt sind (es werden keine Beispiele genannt)
Nicht spezifiziert
Die direkten («le(s)», «lo(s)», «la(s)») und indirekten Objektpronomina der . Person («le(s)») sind unverändert
Leísmo, laísmo
Präferenz für das Verbalparadigma «-ra» des imperfecto de subjuntivo anstatt «-se»
Nicht spezifiziert
Reflexivpassiv mit Konkordanz
Reflexivpassiv mit Konkordanz.
Nutzung des Indikativs des Imperfekts in Konditionalsätzen («Si tuviera más dinero, lo compraba».)
Nutzung des Konditionals («Si tuviera más dinero, lo compraría».)
228 Das grobe Schema entspricht demjenigen der Standardnorm; der sogenannte leísmo bezieht sich auf die Nutzung des Pronomens «le(s)» als direktes Objektpronomen anstatt «lo(s)» bzw. «la(s)» (Standard: La/lo voy a llamar ahora mismo. Nicht-Standard: Le voy a llamar ahora mismo.). Beim sogenannten laísmo handelt es sich um die Nutzung von «la(s)» als indirektes Objektivpronomen anstelle von «le(s)» (Standard: A las amigas no les contaba nada de eso. Nicht-Standard: A las amigas no las contaba nada de eso.) Die Phänomene sind weitaus komplizierter als es hier dargestellt werden kann; sie werden in Vera-Morales (1995, 175ss.), woraus auch die hier aufgegriffenen Beispiele stammen, ausführlicher besprochen. 229 Der imperfecto de subjuntivo weist zwei verschiedene Verbalparadigmen auf, wobei die Darstellung hier suggeriert, dass ihre syntaktische Verwendung immer gleichwertig sei, was allerdings nicht stimmt. Zur Ausdifferenzierung der unterschiedlichen syntaktischen Verwendung siehe de Bruyne (2002, 440ss.).
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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Konsonantenphoneme kontrastiert werden. Die in der Tabelle fett dargestellten Phoneme sind diejenigen, die sich unterscheiden, und der Kontrast wird eindeutig aufgezeigt: Das Andalusische hat demnach nur ein Phonem /s/, dessen allophonische Realisierung als [s] oder [θ] durch diatopische Unterschiede zu erklären ist, wobei das Kastilische eine phonematische Opposition von /s/ : /θ/ aufweist. Darüber hinaus ist zu sehen, dass das Kastilische zusätzlich zu /θ/ noch das Phonem /ʎ/ als ein weiteres im Gegensatz zum Andalusischen aufweist. Dies ist im Besonderen von Relevanz, da das, was als Phonem genutzt wird, nun indexikalisch aufgeladen wird und anhand der Setzung des Phonems als übergeordnete abstrakte Einheit zwei zu unterscheidende phonologische Systeme postuliert werden. Folglich werden die konstruierten Phoneme aktiv durch den Autor nicht nur auf einer sprachwissenschaftlichen Beschreibungsebene benutzt, um Unterschiede objektiv aufzuzeigen, sondern um ganze diskursive Varietäten zu reifizieren und diese gegenüberzustellen. Diese Darstellung wird sprachhistorisch eingebettet und die divergente Entwicklung der jeweiligen Phoneme in Bezug auf den Lautwandel im Andalusischen und Kastilischen dargestellt. Nach der Gegenüberstellung der Systeme wird dann der Transfer der andalusischen Varietät durch die Kolonisierung Amerikas postuliert. Die Darstellung der historischen Lautentwicklung und der sich daraus ergebenden spezifischen Entwicklung der salienten Phoneme des Andalusischen werden somit als saliente Merkmale genutzt, die für die Existenz eines eigenen Systems stehen sollen, welches wiederum als Basis für das lateinamerikanische Spanisch dient, welches dann in Verbindung mit dem Andalusischen das español atlántico darstellt. Zu beachten ist, dass die syntaktischen Unterschiede, die in 7.4.2.1. zusammengefasst werden, nur als argumentative Unterfütterung zur diskursiven Konstruktion der Varietät durch das Heranziehen der differenzierten Phoneme als saliente Merkmale dient. Der Großteil der Diskussion beschränkt sich auf phonetische Merkmale, mittels derer die diskursive Konstruktion erfolgt. Darüber hinaus wird das andalusische System beispielsweise mit dem des peruanischen und mexikanischen Spanisch verglichen, um aufzuzeigen, dass diese Varietäten dasselbe System wie das Andalusische aufweisen (Rodríguez Dóminguez 2017, 261ss.). Darüber hinaus wird im gesamten Werk die Lautentwicklung des Andalusischen als «innovativ» und durch seine «Innovationskraft» als avantgardistisch dargestellt, da es einerseits das System des Kastilischen «vereinfacht» habe – was genau «einfach» in Bezug auf Sprache sein soll, wird nicht weiter definiert –, andererseits wird hervorgehoben, dass das Andalusische der SprecherInnen, die es vor 500 Jahren nach Amerika brachten, trotz aller Widrigkeiten nicht verloren gegangen und heute noch sehr vital sei, sodass es im logischen Umkehrschluss das español del futuro darstelle (Rodríguez Domínguez 2017, 287s.). Somit indizieren die salienten Merkmale einerseits die SprecherInnen des Andalusischen sowie ihre
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
charakterologischen Eigenschaften, die als pionierhaft und widerstandsfähig gegen die Umstände in Amerika, aber auch gegen das Aufzwingen der Sprache aus dem Norden beschrieben werden. Andererseits indizieren sie eine vom Kastilischen differenzierte, eigenständige Varietät, wobei aufgrund ihrer zugeschriebenen Eigenschaft als Ursprungsvarietät des lateinamerikanischen Spanisch dieses Konzept mit der zukünftigen Prädominanz des lateinamerikanischen – und dadurch des andalusischen – Spanisch auf internationaler Ebene verbunden wird. Über die Konstruktion der diskursiven Varietät mittels salienter Merkmale erfolgt darüber hinaus die Zuordnung der Varietät zu SprecherInnen gebildeter Schichten. Dies geschieht, um das soziale Kapital dieser SprecherInnen auf die diskursive Varietät zu übertragen. Diese indexikalische Verknüpfung ist essentiell für die Revalorisierung des Andalusischen, da das Andalusische dadurch diskursiv als die neue standardgebende Varietät des gesprochenen Spanisch sprachideologisch gerahmt wird. Somit ist einerseits die Zuschreibung positiver charakterologischer Eigenschaften zur Erzeugung eines avantgardistischen Bildes des Andalusischen zu beobachten, andererseits findet ein Transfer des symbolischen Kapitals der gebildeten Schichten auf die diskursive Varietät statt, damit mittels der Nutzung der salienten Merkmale des andaluz culto die Möglichkeit der sozialen Distinktion für die SprecherInnen geschaffen wird. 7.4.2.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Die sprachideologischen Konstruktionen des Andalusischen und die damit verbundenen Bewertungsprozesse sind bedeutsam, da eine Neukonfiguration der Hierarchisierung der Varietäten zu beobachten ist: Die diskursive Konstruktion des Andalusischen als reifizierte diskursive Varietät ist in diesem Zusammenhang essentiell, da dadurch eine sprachideologische Übertragung auf das lateinamerikanische Spanisch erst möglich wird und durch den Vergleich eine gemeinsame Konstruktion dem Kastilischen als das im Norden der Iberischen Halbinsel gesprochene Spanisch gegenübergestellt wird. Dabei findet insofern eine Neukonfiguration der Hierarchisierung statt, als dass dem Kastilischen bedingt durch seine phonetischen Unterschiede zum español atlántico seine standardgebende Funktion abgesprochen und dem Andalusischen als Ursprung des am weitesten verbreiteten und meist gesprochenen Spanisch zugesprochen wird. Die Revalorisierung materialisiert sich aus sprachideologischer Perspektive durch die Partikularisierung des Kastilischen als marginalisierte Sprechweise des Nordens der Iberischen Halbinsel und Anonymisierung des Andalusischen als das Spanische, welches in Andalusien, auf den Kanaren und in Lateinamerika gesprochen wird und somit als Varietät der allermeisten SprecherInnen des Spa-
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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nischen gerahmt wird. Das lateinamerikanische Spanisch wird in diesem Zuge ebenso als diskursive Varietät losgelöst von der tatsächlichen strukturellen Variation sprachideologisch reifiziert und konstruiert, sodass es im diskursiven Raum erscheint, als ob verschiedene Varietäten als objektive Einheiten nebeneinander existierten. Es entsteht die Vorstellung, es gebe die Varietäten nicht auf diskursiver, sondern auf struktureller Ebene. Es wird dennoch über abstrahierte diskursive Produkte und nicht über tatsächlich realisierte Sprache gesprochen, sodass auch hier wieder die diskursive Ebene diejenige ist, auf welcher die Vorstellung der objektiven Existenz einer Varietät und ihrer inneren kohärenten Verfasstheit evoziert wird. Um diese neue Setzung und starke Revalorisierung zu erreichen, setzt Rodríguez Domínguez (2017), wie in Ausschnitt a) ersichtlich wird, zunächst bei der Schriftsprache und der auf Kastilien zentrierten Sicht auf die Sprache an: Die Voreingenommenheit durch die Orthographie und die Beschreibungen, die alles in Bezug zu Kastilien und zum Kastilischen setzen. Zunächst wird der prejuicio ortográfico – die Voreingenommenheit durch die Orthographie – aufgenommen; es erfolgt dabei eine Dekonstruktion dessen, was Rodríguez Domínguez als populäre Sprachideologie annimmt: Eine Sprache ist ihre Orthographie, wobei in dieser Vorstellung die Orthographie bzw. die Grapheme in der gesprochenen Sprache realisiert werden. Er setzt sich folglich von dieser Sprachideologie ab und stellt unter Heranziehung des Französischen und Englischen als prestigereiche Sprachen dar, dass die mündliche Realisierung dieser Sprachen nicht ihrer jeweiligen Orthographie folge, sondern dass das Verhältnis umgekehrt sei. Daraufhin zieht er andalusische Realisierungen heran und konstatiert, dass das Andalusische ebenso wenig auf Basis der Orthographie realisiert werde und die gesprochene Sprache als primär anzusetzen sei. Der Vergleich wird hierbei bemüht, um eine Rechtfertigungsfolie zu schaffen, anhand derer das Andalusische einerseits als legitime und korrekte Sprechweise gerahmt wird, die autonom und unabhängig von der Orthographie realisiert wird, andererseits ist der Bezug zum Englischen und Französischen als prestigereiche Sprachen nicht zu vernachlässigen, da dort die mündlichen Standardvarietäten nicht direkt durch ihre tiefe Orthographie repräsentiert werden. Hierdurch wird sprachideologisch der Weg zum Andalusischen als mündlicher Standardvarietät geebnet, da ersichtlich gemacht werden soll, dass andere Prestigesprachen eine ähnliche Beziehung zur Orthographie aufweisen. In Abschnitt b) wird die sprachideologische Zentrierung auf Kastilien erneut aufgegriffen, wobei diskursiv auf das als vorherrschend gerahmte Narrativ des Kastilischen als «Wiege des Spanischen» zurückgegriffen wird, um ausgehend davon die populäre sprachideologische Sicht, das Andalusische sei ein falsch gesprochenes Spanisch, zu entkräften. Hierbei bedient sich Rodríguez Domínguez
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
(2017) des seseo und ceceo, die auf der Beschreibungsebene als Devianzphänomene des Spanischen bereits durch ihre Konzeptionalisierung das Spanische als primär setzen und die andalusischen Realisierungen als abweichend und oftmals als falsch darstellen. Dabei spielt das Verb confundir eine besondere Rolle, da es oftmals in sprachwissenschaftlichen Beschreibungen und Darstellungen des Andalusischen Verwendung für den Prozess des Zusammenfalls einer Opposition – in diesem Falle der Zusammenfall der Opposition /s/ : /θ/ entweder zu /s/ oder / θ/ – findet, weil durch diese «Verwechslung» die Phonemopposition aufgegeben werde, was zu Missverständnissen führe. Dieser Setzung wird widersprochen und die Realisierungen des Andalusischen als vom Spanischen unabhängig gerahmt. Die sprachideologische Trennung auf der Beschreibungsebene hat somit den sprachideologischen Effekt, das Andalusische als eigenständiges System zu setzen, indem eine Abtrennung der Phoneme durchgeführt wird, sodass nun konzeptionell das Andalusische eigene Phoneme aufweist und die andalusischen Realisierungen keine Allophonie der spanischen Phoneme mehr darstellen. Andererseits führt die sprachideologische Trennung von mündlichem Standard und Orthographie, die auf dem mündlichen Standard des Nordspanischen basiert, zur Ermöglichung der diskursiven Rahmung des andalusischen Systems als neue mündliche Standardvarietät. Diese Unterscheidung ist konzeptionell wichtig, da darauf basierend eine Neudefinierung des Andalusischen in Abschnitt c) erfolgt. Hierbei wird das Andalusische als die «innovativste», «modernste» und «fortschrittlichste» Art, das Spanische zu sprechen bzw. auszusprechen, sowie als am weitesten verbreitete Varietät dargestellt. Es handelt sich also um die diskursive Konstruktion eines mündlichen Standards, der mit eigentlich auf Menschen bezogenen charakterologischen Eigenschaften versehen wird, wobei festzuhalten ist, dass Sprache an sich keine derartigen Eigenschaften aufweisen kann. So kann Sprache beispielsweise aus sich selbst heraus nicht fortschrittlich oder innovativ sein, da nicht klar ist, was genau Fortschritt im Sinne einer Fortentwicklung bedeuten soll bzw. inwiefern eine Sprache agentiv selbst in der Lage sein soll, ohne Bezugnahme auf die SprecherInnen als sprachlich Agierende Innovation hervorzubringen. Es handelt sich somit um Versuche, auf der Beschreibungsebene spezifische Phänomene nicht ausschließlich zu konstatieren, sondern sie vor dem Hintergrund eines spezifischen Interesses zu charakterisieren. Das Versehen der diskursiven Varietät mit diesen Eigenschaften dient in diesem Zusammenhang der Revalorisierung des Andalusischen in der Hierarchie der Varietäten, da das Kastilische diese Eigenschaften offenbar nicht bzw. die gegenteiligen – konservativ, veraltet etc. – aufweist. Dies ist im Besonderen von Relevanz, da daraufhin die vielfachen Konzeptionalisierungen des Andalusischen in der Forschung aufgezählt werden, um diese in den direkten Vergleich zur neuen Definition des Anda-
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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lusischen zu bringen. Hierbei erscheint Rodríguez Domínguez‘ (2017, 187–226) Darstellung des Andalusischen im Laufe des achten Kapitels als die korrekte und die anderen Beschreibungen als nicht adäquate Konzeptionalisierungen des Andalusischen, sodass diese sprachideologisch als nicht valide anerkannt werden. Diese Delegitimierung ist konzeptionell wichtig, da Rodríguez Domínguez (2017) in Abschnitt d) in Anlehnung an Vaz de Soto (1981) und Pedro Carbonero (2003a) als Vertreter der «progressiven» soziolinguistischen Strömung in Andalusien fünf saliente phonetische Merkmale als diejenigen des andaluz culto benennt: seseo, yeísmo, Behauchung von /x/, Behauchung von implosiven /s/, Schwund einiger finaler Konsonanten. Darüber hinaus werden noch zwei syntaktische Merkmale – der «etymologische» Gebrauch der indirekten Objektpronomina der 3. Person und der Ersatz der 2. Person Plural durch Zusammenfall mit der 3. Person Plural – hinzugefügt. Diese Merkmale werden sprachideologisch als Norm konzeptionalisiert und der kastilischen Norm gegenübergestellt. Die andalusische Norm wird ebenso wie bereits in anderen Diskursausschnitten mittels des Aufgreifens einiger weniger salienter Merkmale als Indices 3. Grades konstruiert, da diese Merkmale zusammen in ihrer Eigenschaft als Differenzierungswerkzeuge verschiedener Normen sozial genutzt werden, um spezifische Gruppen – hier AndalusierInnen von SpanierInnen anderer Landesteile – voneinander zu unterscheiden. Die auf diese Weise konstruierte diskursive Varietät des Andalusischen wird nun derartig gerahmt, dass sie nicht alleine verbindlich bzw. präskriptiv ist, sondern zusammen mit der kastilischen Norm verbreitet werden solle. Die andalusische Norm soll offenbar das darstellen, was bereits in der Untersuchung der vorherigen Diskursbereiche als andaluz culto bezeichnet wurde, wobei die Vorschläge des Autors auf eine soziale und funktionale Ausweitung der diskursiven Varietät abzielen. Konzeptionell wird die diskursive Varietät auf die Bereiche der gesprochenen Distanzsprache ausgedehnt, um diese dann perspektivisch als gesprochenes gebildetes Andalusisch in der Schule und den Medien zu implementieren. Diese endogene Norm wird hierbei, wie schon beim andaluz culto, mit gebildeten sozialen Schichten verknüpft und soll als endogene Alternative des bisherigen mündlichen Standardspanischen dienen. Es darf hierbei nicht unbeachtet bleiben, dass die Konstruktion der diskursiven Varietät mit den ihr zugeschriebenen fünf phonetischen Merkmalen im Umkehrschluss auch bedeutet, dass alle anderen salienten Merkmale dem andaluz culto konzeptionell nicht zugeordnet werden, was wiederum einer endogenen sozialen Hierarchisierung entspricht, bei welcher die SprecherInnen erneut als deviant markiert werden, die die Merkmale realisieren, welche nicht dem andaluz culto angehören. Der soziale Status der SprecherInnen und die mit ihm verknüpften Merkmale spielen also auch bei dieser Konstruktion des Andalusischen eine zentrale Rolle. Es wird sprachideologisch erneut ein Richtig und
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
Falsch bzw. ein Gut und Schlecht in Bezug zu verschiedenen phonetischen Realisierungen gebracht und somit die sprachideologische Bewertungsfolie von standard language societies und deren diskursiven Reproduktions- und Diffusionsinstitutionen – Schule, Medien etc. – als zentrierende Institutionen angewandt. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass der Bezug auf die Einheit der spanischen Sprache genommen wird – Topos eines der großen Narrative in Bezug auf die sprachideologische Konstruktion des Spanischen (cf. del Valle 2013; Paffey 2014) –, um daraufhin die Einheit als nicht gefährdet darzustellen. Eine soziale Positionierung in Bezug auf dieses Narrativ scheint notwendig zu sein, da andernfalls davon ausgegangen werden könnte, das Interesse des Autors liege in der Herauslösung des Andalusischen aus dem Spanischen, wie es beispielsweise bei Gutier (2010) der Fall ist. Wie in den zuvor analysierten Diskursausschnitten zu sehen war, entspricht dies auch der Positionierung anderer AkteurInnen konservativer Strömungen der andalusischen Soziolinguistik, in welchen das Eintreten für das Andalusische als Angriff auf die Einheit des Spanischen verstanden wurde, was wiederum dazu führte, Versuche der Revalorisierung des Andalusischen zu diskreditieren. Rodríguez Domínguez (2017) greift dieses Topos auf und positioniert sich dabei für den Erhalt der Einheit der Sprache. Die Revalorisierung wird hierbei metapragmatisch hervorgehoben, indem die institutionelle Implementierung des andaluz culto mit seinen fünf revalorisierten und als sprachideologisch korrekt markierten Merkmalen als der beste Weg zur Revalorisierung dargestellt wird. Dieser «beste Weg» führe über die SprecherInnen gebildeter Schichten, die ihr symbolisches Kapital auf die diskursive Varietät übertragen. Die im Titel des Werkes angebene sprachideologische Charakterisierung des Andalusischen als avantgardistisch ist hierbei zentral, da auch in Anlehnung an Vaz de Soto (1981, 57ss.) das Andalusische bedingt durch seine auf sprachideologischer Ebene zugeschriebene Integrationskapazität des lateinamerkanischen Spanisch diskursiv als «Spanisch der Zukunft» gerahmt und konstruiert wird, was zur Legitimation einer Vormachtstellung dient. 7.4.2.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Die Analyse dieses Diskursausschnitts hat gezeigt, dass es sich dabei um einen starken aktuellen Versuch der Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät handelt, da diese sprachideologisch als «innovativer» und «moderner» Standard des gesprochenen Spanisch gerahmt wird. Da es sich hierbei um eine neue institutionelle Implementierung und sprachideologische
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Setzung des Andalusischen anhand der Rekurrenz auf fünf phonetische und zwei syntaktische Merkmale handelt, wird der Beitrag zu re-enregistermentProzessen deutlich. Hierbei wird das lateinamerikanische Spanisch bemüht und instrumentalisiert, um die Revalorisierung zu erreichen, es wird jedoch nicht darauf eingegangen, was dies tatsächlich für die SprecherInnen in Lateinamerika bedeuten soll. Vielmehr als um die SprecherInnen des lateinamerikanischen Spanisch geht es um die Ausdifferenzierung eines andaluz culto und in diesem Zuge um die soziale Distinktion gebildeter Schichten, also um soziale Austarierungs- und Hierarchisierungsprozesse in Andalusien im Speziellen und ihre Stellung in Spanien im Allgemeinen. Es wird dabei jedoch nicht klar, wie in zentrierenden Institutionen wie z.B. der Schule oder den Medien mit den Merkmalen umgegangen werden soll, die nicht dem andaluz culto zugeschrieben werden. Konzeptionell werden hierbei die salienten andalusischen Merkmale herangezogen, um ihren Status als Allophone der Phoneme des Kastilischen zu delegitimieren und die Existenz eigener andalusischer Phoneme zu postulieren. Hiermit wird eine Rechtfertigungsfolie geschaffen, bei welcher nicht mehr davon ausgegangen wird, dass AndalusierInnen das Kastilische «schlecht» realisieren, sondern eigene, vom Kastilischen unabhängige Realisierungen aufweisen, die nicht mehr als «schlechtes Kastilisch» gerahmt werden können. Somit wird konzeptionell eine Kontrastierung zweier unabhängiger Systeme – des Andalusischen als im Süden und des Kastilischen als im Norden gesprochenes Spanisch – möglich, deren Status im sozialen Raum verhandelbar wird. Die sprachideologische Zuschreibung des andalusischen Systems als diskursiv konstruierte Varietät des andaluz culto zum Spanischen und die damit einhergehende Statusreduzierung des Kastilischen als nur noch einer von zwei möglichen Standards des gesprochenen Spanisch mit einer geringeren Zahl an SprecherInnen zeigen folglich, dass auch in diesem populärwissenschaftlichen Werk eine Revalorisierung des Andalusischen im Zuge des re-enregisterment als neuer Standard der gesprochenen Sprache der Mehrheit der hispanophonen SprecherInnen stattfindet.
7.4.3 Diskursausschnitt: Francisco García Marcos (2008) Bases de planificación lingüística para Andalucía Gegenstand von Sprachplanung und -politik sind oftmals diskursive Standardvarietäten, wobei es in der Regel darum geht, die gesellschaftlichen Funktionsebenen sowie die Audrucksmöglichkeiten einer diskursiven Varietät zu erweitern, wodurch sie im Ergebnis im Prozess einer diskursiven Reifikation «ausgebaut» wird. Hierzu zählen beispielsweise folgende sprachplanerische Tätigkeiten: Die Identizi-
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fierung und Auswahl einer spezifischen diatopischen oder diastratischen Varietät, die als Basis einer überdachenden Standardvarietät dient, die Etablierung einer Orthographie (Verschriftung), die Erstellung von Wörterbüchern als lexikalische Basis und von Grammatiken als syntaktische Basis sowie die Elaboration der Varietät (z.B. durch die Schaffung fachsprachlicher Lexik etc.).230 Es handelt sich hierbei in erster Linie um eine Planung der Form (cf. Cooper 2007, 148ss.), die Sprache diskursiv konstruiert, reifiziert und somit als «einheitliches» Gebilde existierend neben anderen Sprachen für die Planung der Funktion als «neutrale» Sprache bzw. Referenzvarietät greifbar macht, um die Varietät institutionell zu implementieren und ihren gesellschaftlichen Radius auszubauen. Hierbei geht es im Besonderen darum, durch soziale Intervention sowie die Veränderung von Diskursen in zentrierenden Institutionen (Schulen, anderen öffentlichen Einrichtungen, Medien etc.) einerseits die Perzeption der implementierten Varietät (z.B. durch Nutzung in der Öffentlickeit auf Schildern, in öffentlichen Dokumenten, in Medien) zu verändern, andererseits das Sprechverhalten der SprecherInnen selbst zu transformieren, indem sie die zuvor implementierte Varietät annehmen sollen. Marten (2017, 46ss.) geht hierbei auch auf die Ebene der Ideologie und sozialer Machtkonstellationen ein, die zentral bei der Betrachung von Sprachplanung und -politik sind. Hierunter sind z.B. Interessensgruppen und soziale AkteurInnen zu betrachten, die beispielsweise ein Interesse an der Priorisierung oder Implementierung einer spezifischen Varietät haben. Insofern sind, obwohl sie oftmals so dargestellt wird, Sprachplanung und -politik nicht neutral, sondern sie werden von spezifischen AkteurInnen mit einem spezifischen Interesse verfolgt (cf. Cooper 2007; Blommaert 2010). Für diese Arbeit ist in diesem Zusammenhang das Konzept der Diskursplanung wichtig, da es hierbei um die gezielte Beeinflussung und Lenkung des Metadiskurses geht. Lo Biancos (2005, 259) dargestellte Diskursdefinition, welche Diskurs als «[. . .] means for the negotiation and constitution of the problems, issues, and identities, that are involved in the preceding activities of language planning [. . .]» fasst, ist dabei von Relevanz, da der analysierte Diskursausschnitt von García Marcos (2008) die Problematik der Stellung des Andalusischen
230 Bedingt durch die Vielzahl an Publikationen kann und soll an dieser Stelle nicht der Versuch unternommen werden, den Forschungsstand erschöpfend wiederzugeben, da dies im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Eine detaillierte Übersicht, Zusammenfassung und Diskussion der Forschung zu Sprachpolitik und -planung sowie zu den hier aufgegriffenen Konzeptionen von Haugen, Ferguson, Fishman und Kloss als Begründer dieser Forschungsrichtung sowie die Tendenzen neuer Forschung sind u.a. bei Marten (2016) und Dovalil/Šichová (2017) zu finden. In Bezug auf Sprachplanung und -politik in Spanien dienen Castillo Lluch/Kabatek (2006) und Doppelbauer/Cichon (2008) als erste Orientierung.
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sowie die Identitätskonstruktionen aufgreift, um einen Maßnahmenkatalog zur institutionellen Implementierung des Andalusischen vorzulegen. Dies entspricht einem top-down-Ansatz, bei welchem über zentrierende Institutionen Sprache als Instrument der sozialen Verhandlung von Gruppenhierarchisierungsstufen und somit zum Austarieren sozialer Stratifikation dient. Hierbei spielt das sprachideologische Verhandeln legitimer Sprache eine entscheidende Rolle, um hegemoniale soziale Hierarchien zu verändern und um den Status der eigenen Gruppe gegenüber demjenigen anderer Gruppen zu erhöhen. García Marcos‘ (2008) Werk ist bei der Analyse von Revalorisierungstendenzen des Andalusischen fundamental, da es das erste und bisher einzige ist, welches sich als Monographie mit der institutionalisierten Sprachplanung des Andalusischen beschäftigt. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit spielt die konkrete Ausarbeitung der sprachplanerischen Maßnahmen als solche keine Rolle, sondern vielmehr der Diskurs über das Andalusische und die diskursive Konstruktion im Zuge des Werkes. Dabei ist von zentraler Bedeutung, welches Andalusisch auf welche Weise wo implementiert werden soll, um nachvollziehen zu können, inwieweit eine Veränderung der Sprachhierarchisierung und der damit einhergehenden sozialen und identitären Situierung der AndalusierInnen in Andalusien und dem Rest Spaniens bewirkt werden soll. In Bezug auf eine konkrete top-down-Sprachpolitik ist im Falle Andalusiens generell zu konstatieren, dass zunächst im Autonomiestatut Andalusiens – wie in der Einleitung bereits erwähnt – festgeschrieben ist, dass das Andalusische «verteidigt, gefördert und dessen Prestige erhöht» werden solle. Konkret hat es hierzu aber nur wenige Gesetzesvorhaben gegeben, die die Ziele des Autonomiestatutes implementieren. Hierunter ist vor allem die Legislation zum Andalusischen im schulischen Kontext – wie bereits in Kapitel 7.3. aufgezeigt – zu nennen, aber auch die Implementierung des Andalusischen in den öffentlichrechtlichen Medien Andalusiens. Hierbei ist vor allem auf das Stilbuch – Libro de estilo – von Radio y televisión de Andalucía (RTVA) für die andalusischen TVSender Canal Sur Televisión und Canal 2 Andalucía zu verweisen, in welchem dargelegt wird, dass die Idiosynkrasie der Sprechweisen Andalusiens respektiert und als kulturelles Erbe gewürdigt werden solle, indem ein andaluz culto implementiert wird, welches als korrekt gerahmt wird und in formalen Kontexten die Referenz des «buen uso idiomático» darstellt (RTVA 2004, 31).231 Dabei handelt
231 Die dort als Teil des andaluz culto dargestellten Merkmale sind folgende: seseo, yeísmo, Behauchung von /s/ in der Silbenkoda, Vokalöffnung (aber nicht zu sehr, da große Teile der Hispanophonie diese so nicht realisieren würden). Zu vermeiden sind hingegen folgende, als umgangsprachlich dargestelle andalusische Merkmale: Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/, den Schwund von intervokalischem und finalem /d/, Behauchung von lateinischem /f/, Schwund
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es sich um ein Andalusisch, bei welchem nur dessen sehr positiv valorisierte Merkmale genutzt werden, damit folglich das Andalusische auch in distanzsprachlichen Kontexten eingesetzt werden kann und nicht nur mit Umgangssprache oder Sprechweisen niedrigerer Register verbunden wird. Im Sinne einer Distanzsprache soll dieser Gebrauch des Andalusischen dazu beitragen, das «concepto de español estándar» zu erweitern und zu «perfektionieren» (RTVA 2003, 219s.). Es ist also bereits an dieser Stelle zu sehen, dass vom «Konzept» des Standardspanischen gesprochen und das Andalusische in seiner From als andaluz culto dazugezählt wird. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass, wie bereits in der Einleitung zu diesem Diskursbereich unter 7.4. herausgestellt wurde, die soziolinguistische Forschung in Bezug auf einen Regionalstandard einer Strömung zuzuordnen ist, die dessen Existenz annimmt und sich für die institutionelle Implementierung des Andalusischen ausspricht, andererseits gibt es eine eher konservativ ausgerichtete Strömung, die die Sprechweisen in Andalusien als disparat ansehen und konzeptionell dem Spanischen zuordnen. Die letztere soziolinguistische Richtung spricht sich stark gegen eine Institutionalisierung bzw. Normalisierung des Andalusischen232 – auch eines andaluz culto – aus (cf. u.a. Narbona 2009b, 46ss.). García Marcos (2008) versucht in seinem Werk, den Gegenstand sprachplanerischen Handelns in Andalusien herauszuarbeiten, wobei er dialektologische und soziolinguistische Perspektiven sowie die Tendenzen der Etablierung des Andalusischen als eigene Sprache aufgreift, um darauf aufbauend Vorschläge für sprachplanerisches Handeln in Andalusien vorzustellen. Die Vorschläge sind Gegenstand dieses Unterkapitels, da sie am besten darauf schließen lassen, wie in diesem Zusammenhang das Andalusische diskursiv konstruiert und auf welche Weise es revalorisiert wird. Es handelt sich um die folgenden sprachplanerischen Maßnahmen:233 1. Starke Institutionalisierung (vor allem in Schulen); 2. soziolinguistische Konsolidierung des eigenen Standards – andaluz culto – und Gleichsetzung zum Standardspanischen als regionaler mündlicher Standard; 3. soziolinguistische Regulierung (Status- und Korpusplanung); 4. Schaffung von Mechanismen zur Distribution der Planungsergebnisse;
finaler Konsonanten (/n/, /r/, /l/), Schwund von /s/ in der Silbenkoda, die Alternanz von /r/ und /l/, ceceo, heheo. 232 Zum sprachpolitischen Konzept der Normalisierung cf. Fußnote 137. 233 Die sprachplanerischen Maßnahmen werden hier nicht wie bei vorherigen Diskursausschnitten direkt zitiert, da sich das Kapitel über einige Seiten erstreckt und die textuelle Fülle den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Daher werden die zehn Maßnahmen hier durch die Kurzangabe des Inhaltes repräsentiert.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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5. Schaffung eines sozialen Konsenses in Andalusien; 6. Ablehnung der Schaffung einer neuen Sprache; 7. Ablehnung des Konzeptes der hablas andaluzas und Ausdehnung des Andalusischen in distanzsprachliche Bereiche durch ein andaluz culto/soziolinguistische Standardisierung; 8. Beseitigung sozialer Stigmata; 9. Freiheiten bei der Implementierung; 10. Beschränkung auf endogene DiskursteilnehmerInnen (García Marcos 2008, 173ss.). 7.4.3.1 Darstellung der salienten Merkmale Im Allgemeinen ist zu sagen, dass die Elaboration des Werkes Bases de planificación lingüística para Anadalucía von García Marcos (2008) argumentativ hin zur Implementierung eines andaluz culto führt. Dieses andaluz culto geht konzeptionell auf das Werk Vaz de Sotos (1981) zurück, in welchem die Existenz eines gebildeten Andalusischen postuliert und diese diskursive Varietät mit spezifischen salienten Merkmalen versehen wird, sodass sie zu Indices 3. Grades werden. Hierbei handelt es sich um folgende Merkmale, die García Marcos (2008, 173ss.) in Bezugnahme auf Vaz de Sotos (1981, 53ss.) Decálogo darstellt: Die Behauchung von /s/ in der Silbenkoda, der seseo, die Behauchung von /x/, der yeísmo und der Schwund finaler Konsonanten (hier wird sich im Speziellen auf das finale /s/ und /d/ bezogen). Die zu vermeidenden Merkmale sind die folgenden: Behauchung von lateinischem /f/, Alternanz von /r/ und /l/, Deaffrizierung von /tʃ/ zu /ʃ/, Schwund von intervokalischem /d/, Schwund finaler Konsonanten (/n/, /r/, /l/). Eines der salientesten Merkmale des Andalusischen, der ceceo, wird hingegen gar nicht aufgegriffen. 7.4.3.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Bei der Analyse der zuvor genannten saliente Merkmale ist hervorzuheben, dass die Merkmale nicht einzeln zur Identitätspositionierung genutzt werden, sondern wie bereits in einigen zuvor analysierten Diskursausschnitten konzeptionell zusammengefasst werden, um als zusammengefasste Einheit – als diskursive Varietät des andaluz culto – die sprachliche Basis sprachplanerischen Handelns zu bilden. Hierbei wird aus dem sprachlichen Kontinuum auf struktureller Ebene einigen wenigen salienten Merkmalen der Status «gebildet» bzw. «ungebildet» zugeschrieben und somit eine Bipolarität erzeugt, um die als gebildet gerahmten Merkmale zum reifizierten und diskursiv konstruierten andaluz culto zusammengefasst für politisches Handeln greifbar zu machen. Im Zuge der
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
diskursiven Konstruktion des andaluz culto werden dabei sowohl Andalusien als kulturell differenzierter Raum und die Gruppe der AndalusierInnen konstruiert als auch die sprachideologische Bipolarität der diskursiven Konstruktion auf die sich im kulturellen Raum befindenden SprecherInnen übertragen. Dies bedeutet, dass die salienten Merkmale sowohl gebildete als auch ungebildete SprecherInnen als AndalusierInnen indizieren und somit von ähnlichen Gruppen anderer Teile Spaniens sprachlich differenziert werden. Es handelt sich bei den salienten Merkmalen um Indices 3. Grades, da diese mit spezifischen Strata einer bestimmten Gruppe – diejenige der AndalusierInnen – verknüpft werden und ihre Nutzung in diesem Diskursausschnitt dazu dient, durch das Heranziehen struktureller Merkmale eine stratische Hierarchie auf sprachlicher Ebene erkennbar und unterscheidbar werden zu lassen. Hierbei werden einige Merkmale dem Gebrauch ungebildeter SprecherInnen zugeschrieben, andere Merkmale werden als mündlicher Regionalstandard gerahmt und indizieren somit gebildete Strata mit hohem sozialen Kapital. Wie bereits zuvor erwähnt, werden die einzelnen salienten Merkmale einem der beiden sprachideologischen Pole – ungebildete Sprechweisen und das gebildete Andalusisch als das «gute» Andalusisch selbst – zugewiesen, wodurch sie zu Indices 3. Grades werden, die sowohl die jeweilige Gruppe als auch die mit ihnen verknüpften sozialen und charakterologischen Eigenschaften ko-evozieren. Hierbei werden die als bei einem gebildeten Gebrauch zu vermeidenden Merkmale mit unteren sozialen Strata verknüpft, wobei der gesellschaftliche Status dieser Strata auf den sprachideologischen Status der Merkmale übertragen wird. Es kann in diesem Zusammenhang konstatiert werden, dass durch García Marcos’ (2008) Empfehlungen der sprachplanerischen Maßnahmen zunächst eine Veränderung der sozialen Rezeptions- und Evaluationsmuster angestrebt wird, um durch die diskursive Setzung des andaluz culto eine Änderung dieser Muster gemäß der sprachideologischen Ausrichtung durchzusetzen. In ihrer Gesamtheit als konstituierende Einheiten der diskursiven Varietät des andaluz culto sollen die Merkmale institutionell implementiert werden, wodurch einerseits der Status der höheren sozialen Strata Andalusiens von denen anderer Teile Spaniens abgesetzt wird, andererseits ihr Status selbst in Andalusien bekräftigt wird. 7.4.3.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Vorauszuschicken ist, dass die sprachideologische Grundposition bei García Marcos (2008) vorherrscht, dass durch Intervention und Regulierung – die Konstruktion und Implementation der diskursiven Varietät andaluz culto – eine soziale Umstrukturierung möglich wird. Dies wird implizit deutlich, da es im gesamten Werk grundsätzlich immer um den Status und den Wert der diskursi-
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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ven Varietät geht, allerdings wird dabei ersichtlich, dass die Revalorisierung und Statuserhöhung dieser diskursiven Varietät nicht um ihrer selbst willen geschieht, sondern um eine Intervention in Bezug auf die soziale Hierarchisierung in Spanien im Allgemeinen bzw. in Andalusien im Besonderen durchführen zu können. Hierfür wird die diskursive Varietät instrumentalisiert, um Prozesse der Neuverhandlung der sozialen Hierarchie zu erzielen. Grundsätzlich ist, wie auch in vorherigen Diskursausschnitten, in denen das andaluz culto postuliert wurde, die Hintergrundfolie der standard language ideology und die mit ihr einhergehende Stratifizierung von und mittels Sprache beim Autor vorhanden. García Marcos (2008) gibt zehn Empfehlungen an, um die von ihm angestrebte Neuhierarchisierung mittels Sprachplanung zu erreichen. Er gibt unter 1) an, dass der Regionalstandard stark institutionalisiert werden soll. Konkret bezieht er sich im gesamten Werk auf die Schule als primären Ort der Implementierung der diskursiven Varietät. Der Autor geht nicht auf Medien oder andere öffentliche Einrichtungen ein, allerdings ist anzunehmen, dass er Schulen als Hauptdiffusionsträger, die die diskursive Varietät sozial festigen und implementieren, ansieht. Hierbei spielt der Punkt 2) eine entscheidende Rolle, da die soziolinguistische Konsolidierung des andaluz culto – also die soziale Implementierung der diskursiven Varietät durch Erkennen, Akzeptanz und Übernahme der als gebildet gerahmten salienten Merkmale bzw. Erkennen, Akzeptanz und Aufgabe derjenigen Merkmale, die einen ungebildeten Gebrauch indizieren – als endogener mündlicher Regionalstandard eine Grundvoraussetzung für die diskursive Existenz eines Standards darstellt. Dies ist der Fall, da ohne soziale Regulierung der Rezeptions- und Evaluationsmuster sowie der sprachlichen Produktion in Institutionen wie z.B. in Schulen ein Standard nicht denkbar wäre. Somit wird es möglich, dass durch die diskursive Konstruktion des andaluz culto dieser mündliche Regionalstandard materialisiert wird, da er durch die salienten Merkmale sprachstrukturelles Differenzierungsmaterial zu ungebildetem Sprachgebrauch in Andalusien einerseits und zum mündlichen Standardspanisch aufweist, was wiederum die Basis der sprachideologischen Existenz des andaluz culto selbst darstellt. Punkt 3) ist hierbei zentral, da zusätzlich zur Konsolidierung eine soziolinguistische Regulierung angestrebt wird, durch welche das Andalusische «ausgebaut» werden soll. Hierbei spielt die metaphorische sprachideologische Vorstellung eine entscheidende Rolle, eine diskursive Standardvarietät als solche existiere und könne als reifiziertes Objekt wie ein Bauwerk ausgebaut und erweitert werden. Nur im Hinblick auf diese sprachideologische Hintergrundfolie wird die Annahme interpretierbar, dem Andalusischen fehlten spezifische Teile, die «mechanisch» durch die Bildung von Wörterbüchern als «Ausbau» der Lexik z.B. im fachsprach-
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lichen Bereich hinzugefügt werden. Daher stellen sie eine sprachideologische Erweiterung der diskursiven Varietät dar. In diesem Sinne dient der Ausbau einer Gleichstellung mit anderen diskursiven (Standard-)Varietäten, die in spezifischen Bereichen bereits stärker ausgebaut sind. Darüber hinaus soll der Status der diskursiven Varietät erhöht werden, indem sie nicht mehr niedrigeren Strata und einem ruralen Gebrauchsbereich zugeordnet wird, sondern eine neue diskursive Setzung stattfindet, bei welcher niedrigere Strata diskursiv marginalisiert werden, wobei ihnen spezifische Merkmale zugewiesen werden, die als partikulär und als nicht repräsentativ für die diskursive Varietät gerahmt werden. Im Gegensatz dazu werden die salienten Merkmale, die dem gebildeten Gebrauch zugeschrieben werden, als das gebildete Andalusisch überregionalisiert und sprachideologisch anonymisiert, da die gebildeten höheren Strata im Diskurs als «normal» dargestellt werden, sodass diese Varietät als Regionalstandard zum sprachideologischen Abgrenzungsmaß sprachlicher und somit auch sozialer Devianz fungiert. «Soziolinguistische Regulierung» bedeutet also in diesem Falle die Implementierung der diskursiven Varietät, da die so konstruierte diskursive Varietät als einheitlich bestimmbare, reifizierte und sprachideologisch anonymisierte Varietät sozial verbreitet werden soll. Diese soziale Diffusion wird in 4) angesprochen, da es nach García Marcos (2008) spezifischer sozialer Mechanismen bedarf – z.B. der Implementierung in Schulen, in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten etc. –, um die zuvor konstruierte diskursive Varietät auch in dieser Form zu verbreiten. Dazu ist nach der Sicht des Autors die Schaffung eines sozialen Konsenses in Andalusien nötig, was zeigt, dass nicht nur Institutionen die diskursive Varietät verbreiten sollen, sondern diese auch aktiv an der Veränderung des Diskurses wirken sollen, um somit die sprachideologischen Implikationen, die zuvor beschrieben wurden, als Konsens durchzusetzen. Es handelt sich folglich um die gezielte Beeinflussung der sprachideologischen Konzeptionalisierungen der SprecherInnen, damit sie die von García Marcos (2008) konstruierte diskursive Varietät sowie deren sprachideologische Verknüpfungen akzeptieren und übernehmen. Dass es hierbei nicht um das Andalusische als diskursive Standardvarietät, sondern als mündlicher Regionalstandard geht, wird in Punkt 6) deutlich, da das Andalusische sprachideologisch als Teil der Dachvarietät Spanisch gerahmt wird. Hierbei wird ersichtlich, dass die sprachideologische Konzeption von der geschriebenen Standardsprache ausgeht, welche die Hispanophonie verbindet, wobei aber regionale Zentren ihre eigene mündliche Prestigevarietät im Sinne des Konzepts der Plurizentrik234 ausprägen. Dies impliziert folglich eine Revalo-
234 Näheres zur Einordnung des Terminus Plurizentrik cf. Lebsanft et al. (2012).
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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risierung innerhalb Spaniens und der gesamten Hispanophonie, da das andaluz culto als mündlicher Regionalstandard dem mündlichen Standardspanischen konzeptionell gleichgestellt wird. Dies kann als Versuch der diskursiven Deperipherialisierung Andalusiens innerhalb von Spanien und der gleichzeitigen sprachlichen Zentralisierung – wie zuvor auch bei Rodríguez Domínguez (2017) zu sehen war – aufgefasst werden, da unter anderem das Ziel der vorgeschlagenen sprachplanerischen Maßnahmen ist, dass der Norden Spaniens in diesem Falle nicht mehr das Zentrum des mündlichen Standards für andalusische SprecherInnen darstellt. Um dies zu erreichen, wird unter Punkt 7) angegeben, dass die diskursive Varietät für den Gebrauch in distanzsprachlichen Bereichen ausgebaut wird. Hierbei wird gezielt die sprachideologische Konzeptionalisierung des Andalusischen als hablas andaluzas abgelehnt. Dies ist der Fall, da der Plural nach García Marcos (2008) divergente Sprechweisen evoziere, welche den Fokus auf die Diversität lägen, was den Zielen des Autors widerspricht. Der Singular evoziert hingegen die sprachideologische Konzeption eines Andalusischen, das überall in Andalusien auch ähnliche Strukturen aufweist, sodass hier der Fokus auf der sprachlichen Konvergenz in Andalusien liegt. Dies ist für die strategische Rechtfertigung der Implementierung des andaluz culto zentral, da es die als Regionalstandard konzeptionalisierte diskursive Varietät auf ganz Andalusien überträgt und durch diese sprachideologische Anonymisierung auch Variation auf struktureller Ebene ausgeblendet werden soll. García Marcos (2008) bezieht sich auch direkt auf das andaluz culto und übernimmt den Begriff Vaz de Sotos (1981), um bereits in der Namensgebung der diskursiven Varietät einen diskursiven Akt zur Differenzierung von anderen Sprechweisen Andalusiens einerseits und zur Setzung des Andalusischen als gebildeter mündlicher Regionalstandard innerhalb Spaniens andererseits zu vollziehen. Dies hat den Effekt, dass nun konzeptionell gebildete Strata mit dem Andalusischen im Kontrast zur konkurrierenden Setzung des Andalusischen als Sprechweisen der Menschen, die in Andalusien leben und durch die geringere wirtschaftliche Kraft und höheren Analphabetismus ungebildet sind, verbunden werden. In diesem Zuge sollen, wie in Punkt 8) angegeben, die sozialen Stigmata, die zuvor mit andalusischen SprecherInnen und ihren Sprechweisen verknüpft wurden, diskursiv eliminiert werden. Soziale Stigmata bedeuten in diesem Sinne die charakterologischen und soziologischen Eigenschaften der «typischen» AndalusierInnen als ungebildet, bäuerlich, dümmlich etc., sodass der Diskurs in der Hinsicht verändert werden soll, als dass nicht mehr der Raum Andalusien generell mit diesen «typischen» SprecherInnen verknüpft wird, sondern eine soziale Ausdifferenzierung in verschiedene Strata mit ihren jeweiligen Sprechweisen erfolgt. Durch die Zuschreibungen zu verschiedenen Strata erfolgt also die diskursive Loslösung des andaluz culto von den konkur-
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rierenden Zuschreibungen, um eine Statuserhöhung zu erzielen, wobei der Logik gefolgt wird, dass gebildete Strata offenbar keine Stigmata haben und nur ungebildeten Schichten diese zugeschrieben werden. Somit ist erneut eine diskursive Setzung der gebildeten Schichten als neutral und davon ausgehend von unteren Schichten als partikulär zu erkennen. Unter Punkt 9) wird angegeben, dass Experimente – es werden jedoch keine konkreten genannt – gewagt und Kreativität bei der Implementierung im Sinne der Freiheit von zu strikten institutionellen Vorgaben an den Tag gelegt werden sollten, da dies eine bessere und erfolgreichere Implementierung des andaluz culto verspräche. Der mangelnden Konkretheit in diesem Punkt folgt der letzte Punkt 10), wo sich dafür ausgesprochen wird, dass nur endogene AkteurInnen, also solche, die AndalusierInnen sind, ein Mitspracherecht bei der Implementierung der diskursiven Varietät haben sollten. Es wird hier ein konzeptionelles Problem deutlich, denn wer genau dieser endogenen Gruppe zuzuordnen sein soll, wird nicht spezifiziert, wobei dies selbstverständlich auch im Allgemeinen für die SprecherInnen des Andalusischen zu konstatieren ist, denn der Grad, ab wann jemand als SprecherIn des Andalusischen gilt, wird nicht benannt oder gar problematisiert. Sprachideologisch wird folglich davon ausgegangen, dass alle AndalusierInnen Andalusisch sprächen, was jedoch nicht zwangsläufig der Fall sein muss, da einerseits auch Menschen anderer Regionen in Andalusien leben, andererseits Andalusisch sprechende Menschen nicht nur in Andalusien leben. Insofern wird beispielsweise nicht klar, ob auch AndalusierInnen, die in Katalonien leben, oder solche standardnaher Varietäten sprachideologisch zu inkludieren sind. 7.4.3.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse In der Analyse dieses Diskursausschnitts hat sich gezeigt, dass die diskursive Varietät des andaluz culto eine Veränderung der sozialen Hierarchie in Andalusien und dem Rest Spaniens bewirken soll. Um die Ausdifferenzierung höherer gebildeter Strata in Andalusien herbeizuführen, wird ihnen diese diskursive Varietät sprachideologisch zugeschrieben und in diesem Zuge stark revalorisiert. Es lässt sich also ein re-enregisterment-Prozess beobachten, bei welchem einer ehemals diskursiven Varietät, die sprachideologisch als Dialekt der wenig gebildeten Gruppe der AndalusierInnen exogen zugeschrieben wurde, nun ein endogenes Kontranarrativ entgegengesetzt wird. Dabei erfährt die Gesellschaft Andalusiens im Diskurs eine hierarchische Stratifizierung, wobei höheren Schichten das «gute» und «korrekte» Andalusisch zugeschrieben wird. Sprechweisen, die nicht derartig eingeteilt werden, werden in diesem Zuge mit niedrigeren Strata verknüpft und die
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ihnen zugeschriebenen salienten Merkmale als zu vermeiden gerahmt. Es handelt sich also insofern um eine starke Revalorisierung, als dass das symbolische Kapital höherer Strata auf ein diskursiv konstruiertes Andalusisch transferiert wird, sodass dies nicht nur anderen Sprechweisen in Andalusien entgegengesetzt wird, sondern vor allem für die Demarkation zu höheren Strata des Spanischen bzw. des restlichen spanischsprachigen Spaniens genutzt wird, sodass deren Sprache nicht mehr als einzig gebildete Sprache erscheint. Hierbei ist zu sehen, dass konkrete Maßnahmen sprachpolitischen Handelns dargestellt werden, um diese sprachideologische Setzung durchzusetzen und das andaluz culto als mündlichen Regionalstandard zu implementieren. In diesem Zuge soll diese diskursive Varietät vor allem in Schulen und Medien implementiert und verbreitet werden, um dadurch die Perzeptions- und Evaluationsmuster sowie die sprachliche Produktion derartig zu verändern, dass das andaluz culto durch die ihm zugeschriebenen salienten Merkmale erkannt, im Gegensatz zu anderen andalusischen SprecherInnen als gebildet und im Hinblick auf das mündliche Standardspanisch als ebenbürtig bzw. in Andalusien als bevorzugter mündlicher Regionalstandard evaluiert wird. Hierbei soll die sprachliche Produktion durch Schulen gezielt gesteuert werden, damit die SchülerInnen ihre Sprechweise durch das andaluz culto substituieren. Die bereits bestehenden politischen Ziele, die unter anderem in dem andalusischen Autonomiestatut festgeschrieben sind, sowie die Existenz von akademischen Abhandlungen zu sprachplanerischem Handeln in Bezug auf das Andalusische, wie das hier analysierte Werk von García Marcos (2008), deuten also stark darauf hin, dass gegenwärtig eine Veränderung des Diskurses stattfindet, bei welcher breitere Teile der andalusischen Gesellschaft versuchen, das Andalusische als diskursive Varietät gegenüber dem Standardspanischen aufzuwerten. García Marcos’ (2008) Werk steht also nicht in einem luftleeren Raum oder ohne jeglichen Bezug zur sozialen Realität in Andalusien, sondern es stellt eine Reaktion auf die Veränderung des Diskurses dar, da erst vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit der Implementierung sprachplanerischer Maßnahmen, die dem Andalusischen eine wichtigere und prominentere Rolle verleihen sollen, ersichtlich wird. Dies bedeutet konkret, dass Garcías Marcos’ (2008) Darstellungen in einem derartigen gesellschaftlichen Rahmen erst konzipiert werden konnten, in welchem die Möglichkeit der Revalorisierung des Andalusischen für weitere Teile der Gesellschaft erstrebenswert erscheint. Folglich beweisen seine Maßnahmen als Reaktion auf eine Diskursveränderung einerseits die Existenz eines gesellschaftlichen Wandels, andererseits tragen sie innerhalb dieses Rahmens selbst zur Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät bei.
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7.4.4 Diskursausschnitt: Zoziedá pal ehtudio ‘el andalú Wenn es in diesem Diskursbereich auch um semiakademische Diskurse geht, so sind hierzu nicht nur Diskursausschnitte zu betrachten, die in einem staatlich institutionalisierten Umfeld – wie der zuvor untersuchte Diskursausschnitt – als eine Art der top-down-Beeinflussung sprachlicher Konzeptionalisierungen bzw. der Perzeptions- und Evaluationsmuster entstehen, sondern auch solche, die als bottomup-Bewegung zur Revalorisierung des Andalusischen angesehen werden können. Da es sich bei Revalorisierungsprozessen um die zuvor erwähnten Veränderungen der Perzeptions- und Evaluationsmuster handelt, ist davon auszugehen, dass dies nicht nur durch staatliche Verordnungen und Implementierungen geschieht, mit denen die SprecherInnen dann konfrontiert werden, sondern dass die SprecherInnen selbst als «nichtstaatliche» AkteurInnen sozial aktiv werden können, um politische Ziele, die ihnen wichtig erscheinen, zu erreichen. Zimmermann (1999, 12) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass beispielsweise nichtstaatliche Sprachakademien, metasprachliche Kommentare in Foren oder unter Artikeln in sozialen Medien, nichtstaatliche durchgeführte Beschilderungen, Initiativen von BürgerInnen bis hin zum stillen Widerstand von SprecherInnen gegen spezifische sprachliche Kontexte oder Implementierungsversuche eine solche Sprachpolitik «von unten» darstellen. Die Dichotomie von «oben» und «unten» beinhaltet dabei komplexe soziokulturelle Verhandlungsprozesse verschiedener sozialer AkteurInnen, die durch Machtkonstellationen beeinflusst werden, sodass normative Aussagen zu legitimen oder illegitimen Sprechweisen Teil dieser diskursiven Austarierungen sind und somit auch den Status sowie den sozialen Wert diskursiver Varietäten verhandeln (cf. McCarthy 2011, 8). Tollefson (1991, 16) sieht hierbei die Institutionalisierung von Sprachen – also von diskursiven Standardvarietäten – als Basis sozialer Gruppendistinktion und -demarkation an, wobei Sprache als Werkzeug dient, die Machtkonstellationen zwischen verschiedenen sozialen Strata zu manifestieren, da dadurch der Zugang zu politischer Macht und ökonomischen Ressourcen bestimmt werde. In diesem Sinne stellt sprachplanerisches Handeln einen Mechanismus zur Herstellung bzw. Bewahrung von Hegemonialstrukturen dominanter Gruppen dar, die den Zugang zur legitimen Sprache regeln und beschränken. Bottom-up-Bewegungen stellen in diesem Zusammenhang Gruppierungen dar, die eine Veränderung der Hegemonialstrukturen durch spezifische Maßnahmen erzielen wollen, wobei in Bezug auf Sprache diese oftmals implizit sprachpolitisch aktiv sind, da sie keine institutionelle Macht haben, um ihre Ziele durch Gesetze über Institutionen zu implementieren. In diesem Zusammenhang sind die konkreten Diskurse von bottom-up-Gruppierungen und ihre Gegenstände zu identifizieren und zu analysie-
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ren, um daraus deduzieren zu können, inwiefern sich eine Infragestellung der Hegemonialstrukturen ergibt (Halaoui 2011, 42). Die Ziele solcher Bewegungen und die Ausgestaltung des Diskurses darüber sind von hoher Wichtigkeit für diese Arbeit, da sie im Hinblick auf die Revalorisierung des Andalusischen wichtige Erkenntnisse darüber liefern, ob und auf welche Weise das Andalusische diskursiv konstruiert bzw. revalorisiert wird. Es ist zunächst festzustellen, dass die bottom-up-Bewegungen einen wichtigen Teil des Diskurses über das Andalusische darstellen, denn sie nehmen eine immer prominentere Stellung in Andalusien selbst ein. Hierbei ist vor allem die Gründung der Academia Andaluza de la Lengua im Jahr 2017 zu nennen (cf. Asociación Andaluza de la Lengua 2017a). Es handelt sich um eine Gruppierung von AbsolventInnen in spanischer Philologie, die vor allem über Facebook sowie andere soziale Medien agieren und dort unter anderem Wissen über ihre Existenz und ihre Ziele verbreiten: Die Revalorisierung des Andalusischen durch die Etablierung einer Sprachakademie ähnlich derjenigen, die in anderen Regionen Spaniens oder auch in Lateinamerika bereits existieren (z.B. die Academia Canaria de la Lengua, das Instituto Castellano y Leonés de la Lengua, die Acadèmia Valenciana de la Llengua oder auch die Academia Aragonesa de la Lengua, die ebenfalls nicht staatlich ist). Es geht der Academia Andaluza de la Lengua gezielt darum, neue Studien an Universitäten zu forcieren, die das Andalusische dignifizieren, aber auch um die Schaffung eines andaluz culto, welches in den Medien und den Schulen eingesetzt wird. Darüber hinaus ist geplant, eine sogenannte Proposición no de ley zur institutionellen Schaffung und staatlichen Anerkennung einer andalusischen Sprachakademie mit Unterstützung zahlreicher Rathäuser sowie der Parteien PSOE, Podemos und Izquierda Unida (es handelt sich um Parteien des linken Spektrums, diejenigen des rechten Spektrums lehnen den Vorstoß ab) ins andalusische Parlament einzubringen. Zum Zeitpunkt der Endredaktion dieser Arbeit stand allerdings noch nicht fest, wann der nicht gesetzliche Antrag vorgelegt werden wird. Die Akademie erhält keine staatliche Unterstützung, wobei sie versucht, sich durch ihre Mitglieder und Spenden zu finanzieren.235 Bedingt durch die relativ rezente Gründung der Akademie kann noch kein neues Urteil über die Arbeitsweise, über Implementierungsversuche oder über das, was dort als andaluz culto begriffen wird, gemacht werden. Es gibt darüber hinaus noch viele weitere Bewegungen und Gruppierungen, die die Revalorisierung des Andalusischen erzielen wollen, worunter vor
235 Das Gründungspapier und weitere Hinweise zur Ausgestaltung der Akademie sind unter Asociación Andaluza de la Lengua (2017b) zu finden.
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allem auch solche in sozialen Medien zählen, aber auch einzelne AkteurInnen wie Huan Porrah Blanko (2017) mit seiner bereits angesprochenen andalusischen Übersetzung des Petit Prince. Zusätzlich sind hier exemplarisch unter anderem Gruppen wie PLAN – Plataforma por la Lengua Andaluza, Abla i ehkribe en’ andalú oder die Gruppe zur Verteidigung der andalusischen Übersetzung des Petit Prince, Er Prinçipito Andalûh, die auf Facebook aktiv sind, zu nennen. Zusätzlich ist aufgrund der neuen Statuten zur Akzeptanz von neuen Sprachen der Vorstoß der Schaffung einer andalusischsprachigen Wikipedia nicht erfolgreich gewesen, da bisher dem Andalusischen kein ISO-Code der International Organization for Standardization als eigene Sprache zugeordnet worden ist, sowie aufgrund der Tatsache, dass das Andalusische von der zuvor genannten Organisation als Dialekt des Spanischen angesehen wird und der schriftsprachliche Standard des Spanischen in Andalusien implementiert ist (cf. Wikipedia 2017). Im Zuge dieser Ablehnung wurde auf einer Alternativplattform eine andalusischsprachige Fandom Wikia – die Sprache wird hier «Andalú» genannt – kreiert, die auf ähnlichen Prinzipien wie die Wikipedia basiert, und welche bereits 8.730 Artikel auf Andalusisch aufweist, die auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis verfasst werden (cf. Fandom Wikia 2018). Die Existenz derartiger Bewegungen ist somit ein weiteres Indiz dafür, dass Gegennarrative zum hegemonialen Diskurs über das Andalusische den Diskurs selbst verändern und dem Andalusischen in diesem Zusammenhang eine sozial wichtigere Rolle zukommt. Dies wird nicht nur durch die Existenz von Graswurzelbewegungen als kollektive Gruppen deutlich, denn auch Einzelpersonen können in diesem Sinne sprachplanerisch agieren, wie es z.B. bei de Borja García Duarte (2013) zu sehen ist, der die erste Anthologie von Texten, die auf Andalusisch verfasst wurden, veröffentlicht hat. Darin wird eine Auswahl von auf Andalusisch verfassten Texten ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis hin zu zeitgenössischen Texten publiziert und in Bezug auf ihre Besonderheiten besprochen. Für diese Arbeit ist dies von Relevanz, da es sich bei dieser Anthologie um die erste handelt, die konsequent ausschließlich andalusischsprachige Texte zusammenträgt, diese nach dem Erscheinungsdatum ordnet und sie bespricht. In Analogie zu Gutiers Werk (2010), welches das Andalusische als eigene Sprache diskursiv konstruiert und sie mit einem konkurrierenden Geschichtsnarrativ versieht, stellt die Anthologie ein komplementäres Werk dar, denn es versieht die diskursive Varietät des Andalusischen als Sprache selbst mit dem, was sprachideologisch typischerweise einer Sprache zugeschrieben wird, damit sie als solche auch anerkannt wird: die Existenz einer «eigenen» Literatur. Hierbei ist zu konstatieren, dass es sich nicht um einen Zufall handeln kann, denn sowohl de Borja García Duarte als auch Tomás Gutier sind Mitglieder der Zoziedá pal Ehtudio’el Andalú, sodass aktives sprachplaneri-
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sches Handeln hinter der Veröffentlichung dieser Werke zu vermuten ist. Es werden also die sprachideologischen Grundannahmen in Bezug darauf, was eine «richtige» Sprache ausmacht – einen eigenen Ursprung, eine eigene Geschichte, eine eigene Literatur, eine eigene Orthographie, eigene kodifizierte Werke zur Lexik und Grammatik –, aufgegriffen und für das Andalusische konkret materialisiert. Die im Jahr 2002 gegründete Zoziedá pal Ehtudio’el Andalú (Z.E.A.) stellt auch eine solche Graswurzelbewegung dar. Es ist ihr erklärtes Ziel, das Andalusische als Sprache in Andalusien zu implementieren und die Förderung von AutorInnen, die auf Andalusisch schreiben, voranzutreiben (cf. Z.E.A 2017a). Hierzu werden in einem regelmäßigen Turnus von zwei Jahren Versammlungen, die sogenannte Reunión de escritores/as en andaluz, einberufen, an denen Mitglieder, aber auch andere Interessierte teilnehmen können. Bei den Versammlungen gibt es immer einen (populär-)wissenschaftlichen Teil mit Vorträgen über das Andalusische (Ensayos en torno al andalú), worauf ein Teil mit verschiedenen Beiträgen zur Schaffung und Etablierung einer andalusischen Orthographie (Debate ortográfico)236 folgt und mit dem dritten Teil abschließt, in welchem andalusische SchriftstellerInnen Teile ihrer Werke auf Andalusisch präsentieren (Textos literarios en andalú). Die Vorträge und Darstellungen werden in den sogenannten Actas festgehalten und sowohl als gedruckte Fassung als auch als Onlineressource publiziert (cf. Z.E.A. 2017a). Im wissenschaftlichen Kontext wird die Z.E.A. in der Regel von den konservativeren soziolinguistischen Strömungen abgelehnt (cf. Narbona 2009a bzw. auch die Analyse in 7.4.1.). Die folgenden Ausschnitte sind exemplarisch für die Analyse dieser Arbeit ausgewählt worden, da sie einerseits die Ziele der Z.E.A. darstellen, andererseits die Kriterien für eine andalusische Orthographie darlegen und typische Argumentationsstrukturen zur Legitimierung des Andalusischen als eigene Sprache aufweisen. Die Auswahl dieser Diskursausschnitte dient der Darstellung und Analyse des Gegennarrativs zum Standardspanischen, was aber keineswegs be-
236 Der Versuch der Etablierung einer andalusischen Norm und Orthographie stellt nur einen unter vielfältigen Bestrebungen dar, im Rahmen romanischer polizentrischer bzw. polynomischer Sprachen eigene Normen oder auch Orthographien für spezifische Varietäten zu schaffen und etablieren (cf. u.a. Damen et al. 1991; Damen et al. 2016; Lebsanft/Tacke in Vorb.). Beispielhaft seien hier die Versuche der Etablierung einer eigenen Norm für das Korsische genannt, wozu Marcellesi (1983, 1987) sowie Marcellesi et al. (2003) grundlegende und richtungsweisende Ausführungen liefern, wobei in Marcellesi (1983) das Konzept der Polynomie entwickelt wird. Hierbei definiert Marcellesi (1983, 314) polynomische Sprachen als solche, «dont l’unité est abstraite et résulte d’un mouvement dialectique et non de la simple ossification d’une norme unique, et dont l’existence est fondée sur la décision massive de ceux qui la parlent de lui donner un nom particulier et de la déclarer autonome des autres langues reconnues».
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
deuten soll, dass es sich hierbei um allgemein akzeptierte Grundannahmen handelt. Vielmehr ist zu konstatieren, dass es sich hierbei um eine spezifische interessengeleitete Gruppe – oft wird eine Verbindung zwischen ihnen und dem politischen (separatistischen) Linksnationalismus hergestellt – handelt, die versucht, ein kohärentes Gegennarrativ durch die Etablierung einer eigenen andalusischen Sprache und die damit einhergehenden Werke und Abhandlungen über Sprachgeschichte, Literatur, Syntax etc. zu entwickeln. Es ist jedoch zu beobachten, dass sich wie bei anderen akademischen oder populären Diskursen über das Andalusische auch ein starkes Spannungs- und Verhandlungsfeld auftut, bei welchem vorherige sprachideologische Annahmen über das Andalusische nun nicht mehr als selbstverständlich erscheinen, sondern angefochten werden. Es kann keineswegs von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz dieser hier dargestellten Diskurse gesprochen werden, aber es ist dennoch zu konstatieren, dass sie alleine durch ihre Existenz und die zunehmende Sichtbarkeit eine Diskursänderung herbeiführen, bei welcher beide Strömungen nun die Deutungshoheit in Bezug auf das Andalusische für sich beanspruchen. Im Folgenden werden drei exemplarische Ausschnitte der Z.E.A. behandelt: Der erste Abschnitt ist der Webseite der Z.E.A. entnommen und stellt die Ziele der Vereinigung dar. Im Ausschnitt 2) handelt es sich um einen Auszug aus den Kriterien für die Orthographievorschläge, die Teil der Kongressakten der Z.E.A. sind. Die Auswahl ist hierbei auf die erste Veröffentlichung der Orthographievorschläge gefallen, da in dieser die sprachideologischen Grundschemata ersichtlich werden und in späteren Elaborationen grundsätzlich nicht mehr verändert, sondern nur noch argumentativ ausgebaut werden.237 In Abschnitt 3) ist ein Ausschnitt zu sehen, bei welchem nicht mehr ausschließlich die Orthographie bzw. die graphemische Repräsentation von Phonemen besprochen und sprachideologisch eingerahmt wird, sondern es sich um eine Argumentationserweiterung durch das Aufgreifen der Orthographie handelt, bei welcher qua syntaktischer Vergleichsbezüge zu anderen romanischen Sprachen eine sprachideologische Legitimierung der Orthographie und damit der diskursiven Varietät erfolgt. Ausschnitt 1: Kién zemoh (Z.E.A. 2017) En la Zoziedá pal Ehtudio´el Andalú (Z.E.A.) z´ahuntan un grupo´e perzonah de diferente formazión umaníhtika (filolohía, antropolohía, ihtoria, ehz.) ke biben endentro y huera d
237 Die neueste Erweiterung des Orthographievorschlages ist unter Reondo Lanzâ (2015) zu finden.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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´Andaluzía y ke komparten una mihma preokupazión por er patrimonio linguíhtiko de nuehtra tierra. Zuh z´ohetiboh irmediatoh zon: luxà enkontra´e loh prehuizioh k´otabía difikurtan el uzo normá del andalú, perkurà er rekonozimiento zoziá y ihtituzioná y entangariyà lah herramientah prezizah pa zu zehlío literario. Lah tareah bázikah de l@h integranteh de la Zoziedá zon: ehtudià to lo referío a loh diferenteh dialehtoh andaluzeh, aprendè, ehparrià u difundì loh konozimientoh ezihtenteh y kontribuì aht´ande zea pozible a dezanxà y enrezià la konzienzia linguíhtika de zuh z´ablanteh. Azinah pueh, zuh laboreh prinzipaleh zerán: La organizazión de kongrezoh zientífikoh y enkuentroh literarioh ande ze tome komo ehe d´análizih y tarea fundamentá el andalú La kombokatoria d´ebentoh kurturaleh y zozialeh por la dihnifikazión y promozión del andalú La publikazión de rebitah, libroh, prohpertoh y zitioh web arreglao a loh z´ohetiboh de la azoziazión.
Ausschnitt 2: Normâ ortográficâ pa l’andalú (Reondo Lanzâ/Porrah Blanko 2002, 46) Prehentazión I Qriteriô Lâ normâ gráfiqâ qe ze prehentan en ehte doqumento zon, qomo reza er zuhtítulo, una propuehta, abierta i flezible, pa empezà a trabahà. No zon, ni bamô querío qe lo hueran, er rezurtao qoerente i aqabao de qongrezo ninguno, zinó er «retrato» dun bolunto qe ya era mehté planteaze: er de nuzotrô azè por arrimà lâ ortografía, qon toa la elahtiziá nehezaria -d’aí lâ dô bariantê ortográfiqâ reflehà en er tehto-, pero también qon la idea qe, yegao er qazo, la persona qe qiera poneze a ehqribì en andalú, no tenga q’empezà dehe zero. I a niguà, zi arguna bê enqarta qe ze qomboqe un qongrezo d’unifiqazión ortográfiqa, porque ya zea munxa la hente q’ehqriba i lea en andalú, siempre será mà maneriyo bézelâ qon zinqo u zai propuehtâ, qe no qon trezientâ zinquenta, a propuehta por azihtente. Lô qriteriô q bamô tenío en quenta, en nuzotrô tahqà lâ dô propuehtâ ehtâ, zon lô q zigen: 1°: Lâ normâ, en lâ dô orizonê prehentà, ehtán penzà pa zerbì a tô lô dialehtô zentralê andaluzê; entendiendo por zentralê a tô lô no dihtingiórê. Enqe, por lo menô en la orzión (A), no ze dehqarta ezemboruhà, en er futuro, arguna manera reflehà la dihtinzión /s/ – /θ/. 2°: Er doqumento prehentao en lâ ohâ ehtâ afehta namà a lâ quhtionê gráfiqâ i no pretende imponè bariedá dialehtà ninguna ponzima lâ otrâ, hueraparte lo qe z’á mentao a tento lâ ablà dihtingiórâ. 3°: Z’á buhqao, en tô lô qazô, la mázima zenziyè i qoerenzia lô zihtemâ ortográficqô. Prehentaô. 4°: Tamién z’á intentao la qorrehpondenzia uníboqa entre lô grafema i lô fonema reprehentaô. Ehto zinifiqa qe qa fonema á recibió una, i namà q’una, reprehentazión gráfiqa, siempre q’á zio posible; zaqao qe ziertô qazô, qomo er de lâ boqalê abiertâ interiorê, frente a lâ finalê, en la orzión (A) i argún otro qazo. 5°: D’aquerdo qon er qriterio anterió, argunô fenomenô dialehtalê, qomo, un poné, er heheo i zer pazo /a/ abierta > /e/ abierta, en la yamá ‹Andaluzía de la e›, o lô pluralê
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
femeninô en -ê (gayina (zg) gayinê (pl)), en guena parte la Arta Andaluzía, serán reprehentaô tal i qomo ze pronunzian en lâ zona zuyâ d’influenzia. 6°: Zupuehto q’ehto ê una propuehta trabaho q’azemô, a título perzonà, lô autorê i lô firmantê der doqumento, bia de qeà mu qlaro qe la intenzión nuehtra ê zaleà lâ qonzenziâ i la imahinazión’e toâ lâ perzonâ interezà en l’azunto ehte i animal-lâ a probà lâ orzionê aquí prehentà i, azí, en uno bè qómo ze ban apliqando lâ reglâ, armitilâ, barialâ o rumeaze l’apanyo eze qon er qe nuzotrô no bamô ehtao ehqapà d’atinà.
Ausschnitt 3: Aportazionéh ala ortografia i gramatíka ‘ndaluza (Abd Allah Ibn Amín Ibn Juseín Maláh 2016, 93s.) ¡Ke kazualidá! Pongo komo título a ehtah aportazióneh, prezizamente por ke ze da la kazualidá, ke tó lo mah reprezentativo i karatterihtiko ke define l’andalú komo lengua i ke muxoh kritikan tano fuera komo aéntro d’Andaluzía, ze da n’ otrah lenguah romanzeh i nadie kuehtioina ni kritika. Pondré ehemploh pa ken oh entendamo. 1° La utilizazión de loh pronombreh: me, te ze i le nel’andalú. Ze da la kazualidá, ke nel’ andalú la voká (e) eh la ke menoh prevaleze i zi komo h’er kazo a dixoh pronombreh le zige una palabra k’empieza por voká, dezapareze la voká der pronombre i ze fuzóna a ehte. M’ akuéhto
t’ akuéhta
z’ akuéhta
l’ akuéhta
M’ ehpero
t’ ehpera
z’ ehpera
l’ ehpera
M’ indihno
t’ indihna
z’ indihna
l’ indihna
M’ opongo
t’ opone
z’ opone
l’ opone
M’ utiliza
t’ utiliza
z’ utiliza
l’ utiliza
Ehto mihmo ze da n’ otrah lenguah romanzeh komo ner katalán, er franzé i l‘italiano. Evidentemente nadie kuehtiona o pone n’duda a ehta lenguah. Pongo Ehemploh [sic!]: Katalán
Franzé
Italiáno
Andalú
S’ intenzifikaran
m’ étonne
m’ importa
z’ intenzifikarán
S’ havia
s’ installe
t’ ho
z’ abía
S’ aprovi
m’ autorisent
m’ attacco
z’apruebe
L’has
s’étend
[kein Beispiel angegeben]
l’á
S’haurà
m’intéresse
[kein Beispiel angegeben]
z’abrá
Zobre tó ner franzé i ner katalán enkontraremo ziéntoh o mileh d’ehemplo.
7.4.4.1 Darstellung der salienten Merkmale Zunächst ist zu konstatieren, dass die gesamten Darstellungen der Z.A.E. auf Andalusisch verfasst sind. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht ausschließlich die Textualindexikalität von Relevanz, sondern auch die Indices
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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3. Grades, die aktiv metapragmatisch zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen und zu dessen sprachideologischer Setzung herangezogen werden. Die Ausschnitte sind in einer der beiden von der Z.E.A. zur weiteren Elaboration vorgeschlagenen Orthographien verfasst, wobei durch den Versuch der Inklusion sehr viele Merkmale integriert werden müssen, sodass es an dieser Stelle nicht sinnvoll ist, alle aufzulisten, sondern darauf zu verweisen, dass in Ausschnitt 2) die salientesten Merkmale und ihre graphematische Repräsentation in der Orthographie metapragmatisch besprochen werden. In Ausschnitt 2) werden zusätzlich die Kriterien zur Schaffung einer andalusischen Orthographie in Bezug auf beide Orthographievorschläge besprochen und Argumente zur Elaboration einer eigenen Orthographie angegeben. Grundsätzlich ist hierbei anzumerken, dass es sich um eine Elaboration der graphemischen Repräsentation von Konsonanten und Vokalen sowie der Interpunktion und Angaben zur Darstellung von Kontraktionen handelt. Dies bedeutet, dass es sich um den Versuch einer Orthographieerstellung handelt, welcher nicht nur die graphemische Repräsentation als solche umfasst. Daher ist die Darstellung der salienten Merkmale als ein Teilbereich dieser Elaboration zu verstehen, bei welchem die salienten Merkmale vor allem herangezogen werden, um sprachideologische Setzungen vorzunehmen. Hierbei werden der seseo, der ceceo, die Vokalöffnung und der heheo zur Argumentation herangezogen und sprachideologisch aufgeladen. An dieser Stelle ist es nicht möglich, alle Grapheme der Orthographievorschläge der Z.E.A. en détail zu analysieren, weshalb die Kriterien der Orthographievorschläge von Reondo Lanzâ/Porrah Blanko (2002) exemplarisch herangezogen werden, um aufzuzeigen, welche die salientesten Merkmale sind, die metapragmatisch für die Schaffung ihrer Orthographie herangezogen werden. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Vorschläge (A) und (B) innerhalb eines gemeinsamen Artikels. Beide Vorschläge werden auch als solche benannt, um darauf aufbauend durch die spätere Partizipation und Mitbestimmung anderer SprecherInnen in der Debatte einen Konsens zu finden. Der hier gewählte Ausschnitt ist dem Vorschlag (A) entnommen, um exemplarisch daran die sprachideologische Konstruktion des Andalusischen und die damit einhergehenden Revalorisierungstendenzen darzustellen. Grundsätzlich liegen die Hauptunterschiede beider Vorschläge vor allem in der Kennzeichnung des Plurals, welcher in (A) durch den Zirkumflex als Diakritikon (las casas → ) und in (B) durch (las casas → ) angezeigt wird. Darüber hinaus liegen weitere Unterschiede bei der graphemischen Repräsentation von /k/ – in (A) durch und in (B) durch – und bei der graphemischen Repräsentation von /s/ bzw. /θ/ durch die Grapheme und in (A) und als einziges Graphem in (B). Da die konkrete Ausgestaltung der Orthogra-
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
phie für die Fragestellung dieser Arbeit sekundär ist, soll an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden, allerdings wären im Rahmen einer gesonderten Studie weitere hilfreiche Einblicke durch den detaillierten Vergleich aller Orthographievorschläge zu gewinnen. Im dritten Ausschnitt ist nicht mehr die phonetische Ebene einzig prävalent, sondern der Fokus wird auf die Morphosyntax gelegt und dargestellt, dass die Objekt- und Reflexivponomina bei zwei aufeinanderfolgenden Vokalen kontraktiert werden. Es handelt sich also um einen Bereich, der sowohl phonetisch als auch morphosyntaktisch ist, wobei jedoch die kategorielle Distinktion zum Standardspanischen im Vordergrund steht, was bedeutet, dass das Phänomen der Kontraktion als solches aufgenommen und durch die Darstellung in paradigmatischer Form als generelles grammatisches Phänomen in Anlehnung an klassische Grammatiken präsentiert wird. Zusätzlich zur Kontraktion der Objekt- und Relativpronomina werden die folgenden Merkmale im gesamten Text angegeben, die eine parallele Struktur in anderen romanischen Sprachen aufweisen: Kontraktion von «de» und Lexemen, die mit einem Vokal beginnen («d’Andaluzía»); Kontraktion von «en» und Artikel («nel‘ oho»/«ner mundo»); Kontraktion des femininen Artikels «la» bei einem folgenden Substantiv, das mit /a/ beginnt («l’auhteridá»); Kontraktion der Konjunktion bzw. des Relativpronomens «ke» bei einem darauf folgendem Pronomen oder Lexem, das mit Vokal beginnt («k’eya»); Gemination von /kt/ zu /tː/ («patto»); Apokope von auslautendem /d/ («attividá»); Apokope von auslautendem /s/ in der 1. Person Plural Indikativ Präsens («venimo»); Ausdrücke, die in anderen romanischen Sprachen als «normal» angesehen werden («anká Pako»/kat. «en ca Jordi»); Kontraktion, wenn zwei Vokale aufeinandertreffen («yo ‘nzenyo»); Schwund von auslautendem /r/ bei Infinitiv in Verbindung mit enklitischem Objektpronomen («zelebráhlo»). 7.4.4.2 Analyse der salienten Merkmale in ihrer sozialen Funktion als Indices und Analyse der indexikalischen Ordnungen Im Allgemeinen ist zu konstatieren, dass es sich grundsätzlich um Textualindexikalität handelt, da das Repertoire der Merkmale als Ganzes hier erneut die Demarkation des Andalusischen als diskursive Varietät im Kontrast zum Standardspanischen indiziert. Im ersten Abschnitt wird deutlich, dass durch das Repertoire der Merkmale, die in der Orthographie graphemisch repräsentiert werden, die Gruppe der AndalusierInnen mittels der Kreation einer Orthographie auf sprachlicher Ebene vom Rest der SpanischsprecherInnen auf der Iberischen Halbinsel abgegrenzt werden sollen. Somit indiziert die Orthographie als solche die vorgestellte Gemeinschaft der AndalusierInnen als kohärente Gruppe mit ei-
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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gener Sprache im Andersonschen Sinne (cf. Anderson 2006). Darüber hinaus wird bei der Betrachtung der Orthographievorschläge selbst deutlich, dass den primär angegebenen Graphemen in einem zweiten Schritt Phoneme zugeordnet werden, wobei saliente Merkmale eine große Rolle spielen, da hier vor allem die Phoneme graphemisch repräsentiert werden sollen, die im Sprachbewusstsein der SprecherInnen als besonders andalusisch verankert sind und somit als distinktives Instrument fungieren können. Darüber hinaus zeigt die Primärsetzung der Grapheme, dass es auch um eine visuelle Demarkation vom Standardspanischen geht, da oft Grapheme für das Andalusische vorgeschlagen werden, die sich bei äquivalenten Phonemen im Andalusischen und Standardspanischen von den standardspanischen Graphemen unterscheiden. Saliente Merkmale, die eine Indexikalität 1. oder 2. Grades aufweisen, eignen sich daher für die Etablierung einer andalusischen Orthographie nicht, da die Existenz der vorgeschlagenen andalusischen Orthographie konzeptionell einen sprachideologischen Gegenpol zur Orthographie des Standardspanischen bildet und somit ihre Existenz erst durch Abgrenzung von der Orthographie des Standardspanischen mittels salienter Merkmale ermöglicht wird, die den SprecherInnen als solche bewusst sind und die sie selbst zur Demarkation nutzen (können). Im zweiten Abschnitt ist zu sehen, dass die Schaffung der eigenen Orthographie kein Akt ist, der in einem sprachideologiefreien Raum stattfindet, da die vorgestellte Gemeinschaft der AndalusierInnen mit charakterologischen Werten versehen wird, welche sich auch in der Orthographie wiederfinden lassen: soziale Inklusivität und Toleranz von sprachlicher Variation als Index für die soziale Toleranz aller AndalusierInnen im Allgemeinen. Die Orthographie als solche ist in diesem Fall also kein neutrales Instrument zur schriftlichen Repräsention mündlicher Sprache, da der Faktor der gegensätzlichen Diskurspositionierung die zentrale Rolle spielt. Dies wird ersichtlicht, wenn im zweiten Text unter Punkt 1) angegeben wird, dass alle «Dialekte des Andalusischen» in der Orthographie bestmöglich repräsentiert sein müssen, damit sich sowohl SprecherInnen, die den seseo realisieren, als auch solche, die den ceceo oder die Distinktion realisieren, in der Orthographie wiederfinden können. Hierbei wird zumindest einschränkend angegeben, dass die graphemische Repräsentation der Distinktion ggf. in Zukunft angedacht werden solle, da es auch SprecherInnen gebe, die diese realisieren. Im zweiten Punkt wird explizit darauf hingewiesen, dass die Orthographie nicht derartig elaboriert werden darf, dass sie einigen SprecherInnen aufgezwungen werde, da sie ggf. einige Merkmale anders realisieren. In diesem Zusammenhang wird ein stärkerer Bezug auf die jeweilige diatopische Ausdifferenzierung unter Punkt 4) genommen, in welchem angegeben wird, dass stets versucht worden sei, dem Prinzip der graphemischen Repräsention eines Phonems durch ein Graphem zu folgen. In Punkt 5) wird dies weiter ausgeführt und z.B. der heheo
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
herangezogen, um zu verdeutlichen, dass die Orthographie je nach Gebiet, in welchem ein bestimmtes Phänomen realisiert wird, angepasst werden könne und somit diesbezüglich flexibel sei. Interessant hierbei ist, dass, wie zuvor erwähnt, die graphemische Repräsentation der Distinktion für eine spätere Orthographie ggf. vorgesehen ist,238 wobei der Vorschlag (B) bereits durch die Lösung der graphemischen Repräsentation von sowohl von /s/ als auch von /θ/ durch eine Inklusion des seseo, ceceo und der Distinktion vorsieht. Es ist also zu konstatieren, dass hier Grapheme selbst als Indices 3. Grades fungieren, da sie derartig eingesetzt werden, dass sie einerseits zur aktiven diskursiven Konstruktion der reifizierten Varietät des Andalusischen mittels einer Orthographie als graphische Materialisierung beitragen, diese aber durch die Orthographie des Standardspanischen als sprachideologische Abgrenzungsgrundfolie erst ihren sozialen Wert erhält. Dies ist der Fall, da vor allem saliente Merkmale als Indices 3. Grades in der andalusischen Orthographie derartig implementiert werden, dass sie als soziale Projektionsfläche dienen, um der sozialen Exklusion, die der spanischen Standardorthographie diskursiv zugeschriebenen wird, Inklusion entgegenzusetzen: Die als faktisch dargestellte Präsupposition, dass die spanische Standardorthographie die andalusischen SprecherInnen nicht einbeziehe, dient folglich als Abgrenzungsund Konstruktionsfolie, wobei die Indices 3. Grades diejenigen sind, die in der andalusischen Orthographie implementiert werden sollen, um die soziale Inklusion «aller» SprecherInnen als Gegenkonstruktion zur exklusiven Orthographie des Standardspanischen zu erreichen. Daher werden saliente Merkmale, die als «typisch» Andalusisch gelten, in die andalusische Orthographie implementiert und nur sehr partiell die tatsächliche strukturelle Variation repräsentiert. Die soziale Exklusion der standardspanischen sowie die Inklusion der andalusischen Orthographie werden so anhand von wenigen salienten Merkmalen in ihrer Funktion als Indices 3. Grades konstruiert, um eine Rechtfertigung durch die sprachideologische Setzung der Orthographievorschläge des Andalusischen zu erlangen. Dass das Ideal der Inklusion der zu komplexen strukturellen Variation durch eine Orthographie faktisch nicht möglich ist, sondern nur einige Indices 3. Grades diese Inklusion auf einer sprachideologischen Ebene suggerieren, wird im Abgrenzungsdiskurs nicht beachtet. So wird beispielsweise bei allen Orthographievorschlägen die graphemische Repräsenta-
238 Im neuesten Orthographievorschlag von Reondo Lanzâ (2015) ist zu sehen, dass die Distinktion nun auch graphemisch durch und bzw. repräsentiert wird, wobei SprecherInnen sich je nach Realisierung des seseo, ceceo oder der Distinktion dies durch das entsprechende Graphem (seseo), (ceceo) oder , und (Distinktion) anzeigen können, wobei letztere Möglichkeit konzeptionell derjenigen des Standardspanischen entspricht.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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tion des seseo, ceceo und der Distinktion behandelt, da diese als Indices 3. Grades sehr salient sind und durch ihre graphemische Implementierung die sprachideologische Konzeption der sozialen Inklusion durch die Graphie erzielen. Dies geschieht durch das Rekurrieren auf das Sprachwissen der SprecherInnen des «typischen» Andalusisch, dem der seseo und ceceo zugeschrieben werden, sodass die Implementierung die Idee der Inklusion aller SprecherInnen evoziert. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass andere Phänomene, wie z.B. die Nasalierung oder die starke situative Variation der Realisierung von /s/ als [s], [h] oder der Wegfall bzw. die Metathese bei vorkonsonantischem /s/ («esto» /esto/ → [‘etso]),239 nicht erwähnt werden, da diese als Indices 1. oder 2. Grades nicht metapragmatisch im Diskurs aufgegriffen werden und somit auch keine metapragmatische soziale Funktion aufweisen. Die Hauptdiskursstränge der Z.E.A. erschöpfen sich aber nicht in der Orthographie selbst, sondern die Konzeptionalisierung des Andalusischen als eigene dignifizierte Sprache spielt zusätzlich eine entscheidende Rolle. Hierzu werden spezifische Diskursstrategien genutzt, um die Rechtfertigung des Andalusischen als eigene Sprache zu erzielen. Dies wird im dritten Abschnitt deutlich, der ebenso einen Beitrag zur Schaffung einer andalusischen Orthographie darstellt. Hierbei wird nicht mehr der Fokus auf saliente phonetische Merkmale gelegt, die als «typisch» für das Andalusische gelten, sondern es werden solche ausgewählt, die zur diskursiven Konstruktion eines eigenen syntaktischen Systems beitragen. Es handelt sich hierbei vor allem um das vornehmlich phonetische Phänomen der Kontraktion von einigen Präpositionen und Artikeln, die auf einem Vokal enden, wobei bei einem darauffolgenden Lexem, sofern dieses ebenfalls mit einem Vokal beginnt, der Vokal der Präposition oder des Artikels durch die Kontraktion mit dem Lexem wegfällt (Standardspanisch la austeridad → Andalusisch nach Ausschnitt 3) «l’auhteridá»). Selbiges gilt für die Konjunktion bzw. das Relativpronomen «que» (Standardspanisch que ella → Andalusisch nach Ausschnitt 3) «k’eya») oder den Schwund des Initialvokals der Präposition «en» bei darauf folgendem maskulinen Artikel im Singular (Standardspanisch en el mundo → Andalusisch nach Ausschnitt 3) «ner mundo»). Darüber hinaus wird z.B. für die Konjugation von Verben in der 1. Person Plural Indikativ angegeben, dass auslautendes /s/ apokopiert wird (Standardspanisch venimos → Andalusisch nach Ausschnitt 3) «venimo»), obwohl es sich hierbei um ein allgemeines phonetisches Phänomen im Andalusischen handelt, das nicht nur die Verbalendung betrifft. Zusätzlich werden spezifisch andalusische Präpositionen erwähnt, die es vermeintlich in der gleichen Form im Standard-
239 Weitere Angaben zur Distribution der Metathese sind unter Vida Castro (2016) zu finden.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
spanischen nicht gibt (Standardspanisch en casa de Paco → Andalusisch nach Ausschnitt 3) «anká Pako»).240 Es ist zu sehen, dass stark auf solche Kategorien abgezielt wird, die in (Schul-) Grammatiken häufig angegeben werden. Es handelt sich somit um eine Ausweitung der salienten Merkmale, die mit dem Andalusischen und dessen diskursiv konstruiertem, abgrenzbarem grammatischen System verbunden werden, obwohl es sich um Phänomene der Mündlichkeit handelt, welche auch im Spanischen anderer Gebiete der Iberischen Halbinsel sowie teils im gesprochenen Standard auftreten. Diese Merkmale werden dennoch mit dem Andalusischen verbunden, um die Eigenständigkeiten des Systems nicht nur auf phonetischer, sondern auch auf syntaktischer Ebene zu postulieren und somit zu konstruieren. 7.4.4.3 Analyse der zugrunde liegenden Sprachideologien und der diskursiven Konstruktion der diskursiven Varietät Zunächst ist zu sehen, dass in Ausschnitt 1) angegeben wird, dass es sich bei der Z.E.A. um eine Gruppe von Personen handelt, welche vornehmlich eine akademische Ausbildung in Geisteswissenschaften – es wird im Speziellen von der Philologie, Anthropologie und Geschichte gesprochen – aufweisen und die sich dem sprachlichen Erbe Andalusiens widmen. Es kann also erneut konstatiert werden, dass der Akt der diskursiven Konstruktion und des damit einhergehenden Schaffens einer eigenen Sprache durch die Etablierung einer Orthographie mit gebildeten Menschen verbunden wird. Dies ist als sprachideologisches Handeln zu verstehen, bei welchem der Expertenstatus der Mitglieder der Z.E.A. herausgestellt werden soll, um so die Legitimierung ihrer Aussagen zum Andalusischen durch das mit ihren Professionen bzw. ihrer Ausbildung verbundende kulturelle Kapital herzustellen. Somit wird die soziale Position der Mitglieder herausgestellt, was impliziert, dass die Mitglieder durch ihre soziale Stellung ein stärkeres Recht auf das Tätigen von Aussagen bezüglich des Andalusischen als beispielsweise Laien hätten. Versehen mit diesem sozialen Prestige werden sie zu ExpertInnen, denn durch diesen Status wird die diskursive Konstruktion des Andalusischen als eigene reifizierte Sprache legitimiert.
240 Es handelt sich bei dieser Beschreibung um eine sehr verkürzte Darstellung, da die phonetischen Prozesse weitaus komplizierter sind, weil es bei der Kontraktion vor allem auf die jeweiligen Vokale ankommt, die aufeinandertreffen sowie um welche grammatische Kategorie es sich handelt. Eine genaue phonetische Analyse dieser Prozesse kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, da alle in Abschnitt 3) genannten Phänomene weitaus komplexer als dort beschrieben sind.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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Nachdem diese Legitimierung erfolgt ist, werden die Ziele der Z.E.A. dargestellt, wobei es dabei vor allem um die Durchsetzung des Andalusischen in seinem «normalen Gebrauch»241 geht. Hierbei liegt der Fokus auf der sprachideologischen Ausweitung des Andalusischen in distanzsprachliche Bereiche und somit auf seinem funktionalen Ausbau, damit das Andalusische in allen Kommunikationsbereichen angewendet werden kann. Es geht also um die gezielte Beeinflussung des institutionellen Sprachstatus‘ einerseits sowie des Sprachverhaltens der SprecherInnen andererseits. Dies wird dadurch deutlich, dass einerseits die «soziale und institutionelle Anerkennung» – was dies genau beinhaltet, wird nicht erläutert – angestrebt wird, andererseits das «Sprachbewusstsein der SprecherInnen verstärkt» werden soll. Hierzu sollen die «verschiedenen andalusischen Dialekte» u.a. im Rahmen von «wissenschaftlichen Kongressen» zu ihrer «Dignifizierung und Förderung» untersucht und das Wissen darüber stärker disseminiert werden. Es ist also zu sehen, dass sprachideologisch präsupponiert wird, dass das Andalusische eine eigene Sprache sei, wobei diese diskursive Konstruktion einerseits Gegenstand sprachideologischer Institutionalisierungsbemühungen ist, andererseits als Folie für die Veränderung von Evaluationsprozessen seitens der SprecherInnen dient. Im Rahmen der Organisation der Z.E.A. wird also vor allem das Andalusische als diskursive Varietät derartig sprachideologisch konzipiert, dass es eine eigene reifizierte Sprache darstellt, deren Ausbau vorangetrieben werden müsse, wie in Abschnitt 2) zu sehen ist. In diesem Zuge werden die bereits erwähnten Orthographievorschläge vorgelegt, wobei deutlich wird, dass die Orthographie des Standardspanischen immer als sprachideologische Hintergrundfolie mitgedacht werden muss, da die der Standardorthographie diskursiv zugeschriebenen Eigenschaften – sozial exklusiv, als einzige Orthographie korrekt etc. – die Abgrenzungspunkte darstellen. Die Orthographie des Andalusischen wird also genau gegensätzlich sprachideologisch gesetzt, indem durch die graphemische Repräsentation der salienten Merkmale «alle Dialekte» repräsentiert werden sollen. In diesem Zuge soll allerdings vermieden werden, dass eine bestimmte Varietät des Andalusischen sich über eine andere legt und somit überdachend wirkt. Generell ist hierbei zu konstatieren, dass bei allen Orthographievorschlägen242 versucht wird, einerseits stärker Phänomene der Mündlichkeit graphemisch zu repräsentieren, was zu erwarten ist, da das Andalusische zunächst in seiner Mündlichkeit als distinktiv zum Standardspanischen gesehen wird. Andererseits ist aber auch zu erkennen, dass durch die materielle Reifizierung des Andalusischen in der Schrift
241 Zur Darstellung von Normalisierungsprozessen in Spanien cf. Herreras (2006). Becker (2016) hat in Bezug zum aktuellen Ausbaustand des Galicischen Hinweise zur mehrfachen Kritik am Konzept der Normalisierung zusammengetragen. 242 Alle Orthographievorschläge sind unter Z.E.A. (2017c) zu finden.
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7 Das Andalusische als diskursive Varietät: Neubewertungstendenzen
als Orthographie vor allem die Entfernung von der Orthographie des Standardspanischen eine Rolle spielt. Im Besonderen ist hier das Graphem , welches das Phonem /ŋ/ repräsentiert zu nennen, welches in allen Vorschlägen stark diskutiert wird. Hierbei wird vor allem seine Rolle als «typisch spanisches» Graphem, welches mit dem Aufzwingen der Standardsprache aus dem Norden verbunden wird, hervorgehoben und es werden weitere Vorschläge zur graphemischen Repräsentation des Phonems /ŋ/ in Analogie zur Repräsentation in anderen romanischen Sprachen – wie z.b. im Französischen – gemacht. In diesem Zusammenhang spielt das Postulat der «Einfachheit» und «Kohärenz» bei der graphemischen Repräsentation der salienten Merkmale eine besondere Rolle, wobei die andalusische Sprachvariation trotz ihrer Vielfältigkeit so inklusiv und einfach wie möglich in einer Orthographie repräsentiert werden soll. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass zahlreiche Phänomene der Mündlichkeit auf struktureller Ebene überhaupt nicht berücksichtigt werden. Andererseits wird das Bestreben nach Kohärenz ausgedrückt, was eine Abstraktion und damit eine Vereinfachung der komplexen strukturellen Variation erforderlich macht. In diesem Zusammenhang ist in Abschnitt 2) zu sehen, dass Reondo Lanzâ/Porrah Blanko (2002) davon ausgehen, dass sich am Ende des Diskussionsprozesses möglichst wenige Orthographievorschläge durchsetzen und somit die von ihnen postulierte Unsicherheit der SprecherInnen in Bezug auf die Schreibung des Andalusischen reduziert werden würde. Die sprachideologische Setzung der andalusischen Orthographie als inklusiv ist also im Hinblick auf die Repräsentation des Repertoires der salienten Merkmale und nicht der tatsächlichen strukturellen Variation zu verstehen, da die graphemische Implementierung der salienten Merkmale und die Möglichkeit des optionalen Verwendens einiger salienter Merkmale je nach «Dialekt des Andalusischen» – z.B. entweder der seseo, ceceo oder die Distinktion – diese «Einfachheit» und «soziale Inklusion» repräsentiert. Die strukturelle Vielfalt wird also sprachideologisch reduziert und diese Reduktion auf diskursiver Ebene dann verschiedenen Gebieten Andalusiens zugeordnet. Die strukturelle Variation dieser andalusischen Gebiete wird durch die Implementierung der ihnen jeweils zugeordneten salienten Merkmale als Indices 3. Grades in die andalusische Orthographie aufgenommen, sodass es sich grundsätzlich um eine symbolische Repräsentation der strukturellen Variation und nicht um ihre tatsächliche Implementierung handelt. Hierbei stehen einzelne saliente Merkmale als Indices 3. Grades für verschiedene Gebiete Andalusiens, die wiederum durch die Implementation in die Orthographie eine sprachliche Repräsentation dieser Gebiete evozieren. Dadurch wird das Bild einer inklusiven Orthographie konstruiert, die im Gegensatz zur Orthographie des Standardspanischen Variation zulasse.
7.4 Diskursbereich: (Semi-)akademische Diskurse
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Es handelt sich somit bei den Orthographievorschlägen zum Andalusischen, anders als bei anderen Orthographien, insofern um eine Besonderheit, weil hier Optionen zur Repräsentation mehrerer, spezifischer Regionen zugeschriebener Merkmale implementiert werden, wobei im Normalfall in Orthographien eine einzige Form für die Repräsention spezifischer Merkmale vorgesehen ist bzw. bei tiefen Orthographien mehrere Grapheme spezifische Phoneme präskriptiv repräsentieren, diese aber konzeptionell keinen Spielraum für die Repräsentation diatopischer Variation zulassen. Da aber Standardorthographien eine soziale Konvention zur graphischen Darstellung von Sprache darstellen, bei denen es um die schriftliche Repräsentation größerer (heterogener) Sprachgebiete mit struktureller Variation geht, handelt es sich somit um einen Bruch mit den tradierten Sprachideologien zur Orthographie, die ein von allen SprecherInnen gelerntes und gemeinsames Kulturgut zur überregionalen und -kulturellen schriftlichen Kommunikation darstellt. Zusätzlich handelt es sich um einen Bruch mit der sprachideologischen Konzeption, dass Standardorthographien grundsätzlich nicht zur konkreten Wiedergabe struktureller phonetischer Variation gedacht sind, sondern zu einer varietätenübergreifenden Konvention der Darstellung von Inhalten. Es handelt sich somit traditionell um eine Kulturtechnik zur varietätenübergreifenden Inhaltsübermittlung von Informationen, welche, bedingt durch die gesellschaftliche Konventionalität der Standardorthographie, auch verschiedene Kulturen umfassen kann. Dies ist in der Hispanophonie der Fall, da kulturübergreifend eine Standardorthographie als kulturelle Konvention geteilt wird, um überregionale schriftliche Kommunikation zu gewährleisten. Hierbei ist allerdings zu konstatieren, dass eine Standardorthographie nicht nur funktional im Sinne eines größtmöglichen Rezeptionsradius sein kann, sondern sie auch gruppenkonstituierend wirkt, da durch die geteilte Konvention auch eine übergeordnete Sprachgemeinschaft konstruiert wird, selbst wenn auf struktureller Ebene eine starke Variation zu beobachten ist. Das Standardspanische weist diese Funktionalität auf, da die Standardorthographie als sprachliches Bindeglied varietätenübergreifend Verwendung findet. Im Gegensatz dazu wird durch die Verschriftung des Andalusischen ein Bruch mit der Hispanophonie vollzogen, da in diesem Falle sprachideologisch die Orthographie mit der Existenz der Sprache Andalusisch verbunden wird, was eine kulturelle und sprachliche Herauslösung der Zugehörigkeit zur Gruppe der Hispanophonie erzeugen würde. Die sprachideologische Interpretationsfolie, die impliziert, dass eine Sprache nur dann eine solche ist, wenn sie durch Kodifizierung und Standardisierung reifiziert und somit für die SprecherInnen visuell graphisch materialisiert wird, wird hier also auf das Andalusische angewandt. Obwohl die Verschriftung und die damit einhergehende Schaffung einer eigenen andalusischen Orthographie in Reondo Lanzâ/Porrah Blanko (2002) sprachideologiefrei wirkt, ist dennoch zu sehen, dass die Schaffung der Or-
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thographie das Ziel hat, das Andalusische selbst als Sprache zu reifizieren, um ihm dadurch eine eigenständige Existenz als Sprache zuzusprechen. Hierbei erfolgt der Rückgriff auch die Inklusion durch die repräsentative Implementierung von verschiedenen Sprechweisen in Andalusien, um den Anschein der sozialen Inklusion im Gegensatz zum aufgezwungenen exogenen Standardspanischen zu evozieren. Dies hat den Effekt, dass mittels der diskursiven Konstruktion der Sprache Andalusisch auch die Gruppe der AndalusierInnen ko-konstruiert wird. Folglich hat die Schaffung einer andalusischen Orthographie eine identitätsstiftende Funktion, die dadurch konkret realisiert wird, dass die Verschriftung des Andalusischen nicht primär dazu dient, schriftlich auf Andalusisch kommunizieren zu können, sondern durch die graphemische Implementierung von Indices 3. Grades einen Identitätsakt zu leisten, bei welchem in erster Linie die Abgrenzung vom Norden und die Konstitution der eigenen Gruppe im Vordergrund stehen. Aus sprachideologischer Perspektive wird eine Sprache nicht einzig durch die Existenz einer Orthographie diskursiv konstruiert, sondern hierzu gehören auch die Schaffung von Wörterbüchern, da anzunehmen ist, dass im Imaginarium der SprecherInnen im Allgemeinen die Anzahl «aller» Lexeme als Nomenklatur die Sprache selbst darstellen. Im Bereich von Wörterbüchern gibt es für das Andalusische bereits kodifzierte Werke,243 was jedoch im Bereich der Syntax noch nicht der Fall ist. In diesem Zusammenhang wird in Ausschnitt 3) der Versuch unternommen, dem Andalusischen eine eigene Grammatik zuzuschreiben. Hierbei werden andere prestigereiche romanische Sprachen paradigmatisch mit dem Andalusischem verglichen, wozu in dem Ausschnitt selbst Objekt- und Reflexivpronomina emblematisch herangezogen werden. In der Rechtfertigung dieses paradigmatischen Vergleichs ist zu sehen, dass argumentiert wird, dass andere romanische Sprachen ähnliche Charakteristika aufweisen, diese aber im Französischen, Katalanischen und Italienischen in die Standardsprache implementiert sind und somit nicht infrage gestellt oder kritisiert würden. Einerseits wird dabei angegeben, dass der Vokal /e/ derjenige sei, welcher am stärksten zur Tilgung neige, sodass hier nur Beispiele im Singular angegeben werden, da «me», «te», «se» und «le» jeweils auf /e/ enden. Andererseits wird zunächst paradigmatisch der Fall des Andalusischen aufgelistet, bei welchem die zuvor genannten Objekt- und Relativpronomina jeweils mit Verben kombiniert werden, die mit /a/, /e/, /i/, /o/ und /u/ beginnen. Hierdurch wird die Existenz einer eigenen
243 Hier sind unter anderem Gutier (2010), Alvar Ezquerra (2000) und Hidalgo Paniagua (2007; 2009) zu nennen. Eine gezielte Untersuchung in Bezug auf die tatsächliche Ausgestaltung der Wörterbücher, über die verschrifteten Lexeme und die Aufnahme und Auslassung bestimmter Lexeme würde darüber hinaus weitere Einsichten in die diskursive Konstruktion des Andalusischen liefern, kann aber an dieser Stelle nicht geleistet werden.
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Systematik evoziert, die dann wiederum in einem zweiten Schritt mit ähnlichen Phänomenen im Französischen, Katalanischen und Italienischen kontrastiert wird, um aufzuzeigen, dass diese Sprachen eine ähnliche Systematik in ihrer Syntax aufweisen. Anzumerken ist hierbei, dass nicht alle angegebenen Beispiele jeweils einander entsprechen – Andalusisch «z’intenzifikarán», Französisch «m’étonne» und Italienisch «m’importa» –, auf der anderen Seite sind die Beispiele für das Französische durch die fehlenden, aber obligatorischen Subjektpronomina unvollständig, was vermuten lässt, dass der Autor keine «korrekte» Darstellung der Syntax aller aufgelisteten Beispiele anstrebt, sondern die Beispiele derartig angibt, dass sie in seine Argumentation passen. Die implizite sprachideologische Argumentation ist hier, dass das Andalusische einen ebenbürtigen Status wie die anderen aufgegriffenen romanischen Sprachen hat, da der Autor sie systematisch dem Andalusischen gegenüberstellt und dadurch die sprachideologische Rechtfertigung zur Legitimierung der Setzung des Andalusischen als eigene Sprache herstellt. Durch das Heranziehen ebendieser Sprachen wird also implizit einerseits der Versuch unternommen, das mit diesen Sprachen verbundene Prestige auf das Andalusische zu übertragen. Andererseits handelt es sich um eine sprachideologische Neusetzung eines zuvor der Mündlichkeit zugewiesenen Phänomens, das nun durch die Repräsentation in der Orthographie des Andalusischen in den distanzsprachlichen Bereich der Schriftlichkeit ausgeweitet wird. Dasselbe gilt auch für die weiteren Beispiele vor allem zur Kontraktion von Objekt- und Reflexivpronomina bzw. bei einfachen Präpositionen, Artikeln und Konjunktionen, aber auch für verschmolzene Präpositionen («anká Pako»), die Apokope von /s/ und /r/ und die Kontraktion bei der Tilgung von /d/. Somit wird zuvor konzeptionell Mündliches durch die Aufnahme in die Schriftlichkeit durch die Schaffung einer Orthographie, die diese Phänomene berücksichtigt, ideologisch neu gerahmt und dadurch aufgewertet. Dies lässt sich also generell als Prozess der sprachideologischen Ausweitung des Andalusischen in distanzsprachliche Bereiche interpretieren, die mithilfe der Kodifizierung durch die Schaffung einer andalusischen Orthographie sowie mithilfe von Kodifizierungswerken wie Wörterbüchern und Grammatiken geleistet wird. Somit ist auch dieser Abschnitt unter der Berücksichtigung der sprachideologischen Interpretationsfolie der standard language ideology zu sehen, da durch die symbolische Gegenüberstellung des Andalusischen mit anderen romanischen Sprachen und die dadurch suggerierte Ebenbürtigkeit bzw. Eigenständigkeit das Andalusische selbst diskursiv konstruiert und reifiziert wird. Dies ist der Fall, da die Legitimierung des Andalusischen über die diskursive Konstruktion eigener abstrahierter Systeme auf lexikalischer, syntaktischer und orthographischer Ebene – also eine Art Standardisierung – erfolgt. Auf diese Weise wird ein Andalusisch diskursiv konstruiert,
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das für das gesamte politische Gebiet Andalusien als Sprache dargestellt wird, wobei Subeinheiten – ähnlich wie diatopische Varietäten – ko-konstruiert und dem Andalusischen untergeordnet werden. 7.4.4.4 Zusammenfassende Analyse des Diskursausschnitts und Beschreibung der re-enregisterment-Prozesse Bei den hier dargestellten Diskursausschnitten dieses Diskursbereiches konnte gezeigt werden, dass es erneut in erster Linie nicht um die Darstellung der tatsächlichen Variation auf struktureller Ebene geht, sondern vielmehr der metapragmatische Diskurs für dessen Konstruktion entscheidend ist, da sich im Diskurs die Legitimierungsprozesse dessen, was als Andalusisch betrachtet wird, finden lassen. Dabei lässt sich feststellen, dass saliente Merkmale herangezogen werden, um die diskursive Varietät zu konstruieren und zu reifizieren, da sie bei der Konstruktion der diskursiven Varietät als «typisch» andalusische Merkmale die sprachlichen Grundeinheiten darstellen, die notwendig sind, um im Diskurs die Distinktion vom Spanischen zu erreichen. Diese derartig genutzten salienten Merkmale sind also Indices 3. Grades, da sie im Diskurs aufgegriffen werden und nicht der Kommunikation an sich dienen, sondern sprachideologisch eingesetzt werden, um das Ziel der konzeptionellen Ausweitung des Andalusischen in distanzsprachliche Bereiche einerseits und eine identitäre Demarkation andererseits zu erreichen. Hierdurch wird auf der einen Seite das Andalusische stark revalorisiert, auf der anderen Seite geht es immer letztendlich auch um die Gruppe der SprecherInnen des Andalusischen, welcher selbst ein höherer Wert im Foucaultschen Sinne zugeschrieben wird. Durch die Betrachtung von Graswurzelbewegungen wie derjenigen der Z.E.A., die sich der Revalorisierung des Andalusischen explizit widmen und es als distinktive und reifizierte Sprache implementieren wollen, wird klar, dass in Andalusien potente Gegendiskurse existieren, die die vorherige exogene und auch endogene negative Valorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät aufgreifen und diese aktiv durch Abgrenzung ins Gegenteil verkehren. Dies impliziert für den hier untersuchten Diskursausschnitt im Besonderen und für die Z.E.A. im Allgemeinen, dass die Revalorisierung des Andalusischen über die diskursive Konstruktion und Erarbeitung einer als sozial inklusiv gerahmten Orthographie, die dem Andalusischen eine visuelle Materialität verleiht, sowie durch Abhandlungen zu einer eigenständigen andalusischen Grammatik, aber darüber hinaus auch durch die Schaffung von Literatur in der andalusischen Orthographie erfolgt. Die Z.E.A. ist sprachplanerisch als soziale bottom-up-Bewegung zu charakterisieren und hat eindeutig das Ziel, diese revalorisierte diskursive Varietät institutionell zu implementieren. Hierbei ist nicht die Variation auf struktureller Ebene
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Objekt der Revalorisierung und institutionellen Implementierung, sondern das Andalusische als diskursive Varietät, d.h. das Andalusische als sozial bedeutsame reifizierte Konstruktion. Die Konstruktion über die salienten Merkmale als Indices 3. Grades impliziert für den hier analysierten Diskursausschnitt folgende außersprachliche Zuschreibungen: a) Das Andalusische erhält durch die Schaffung einer Orthograhie, welche vor allem saliente Merkmale graphemisch repräsentiert, einen höheren sozialen Wert; b) die Orthographie wird sprachideologisch als besonders inklusiv gerahmt, sodass dadurch ein positiv besetzter sozialer Wert auf das Andalusische als diskursive Varietät übertragen wird; c) kodifizierende Werke wie Wörterbücher und Grammatiken unterstreichen sprachideologisch den Status als eigene romanische Sprache, wodurch das mit einer Standardsprache verknüpfte Prestige auf das Andalusische übertragen wird; d) die konzeptionelle Ausweitung des Andalusischen auf distanzsprachliche Bereiche wird darüber hinaus mittels des Vergleichs mit anderen romanischen Standardsprachen sprachideologisch legitimiert. Folglich ist eine starke Revalorisierung zu erkennen, bei welcher das Andalusische als diskursive Varietät durch die neue sprachideologische Setzung als eigene Sprache innerhalb eines Gegendiskurses zur vorherigen negativen Valorisierung und diskursiven Konstruktion als disparate mündliche Sprechweisen von SprecherInnen niedrigerer Strata stark aufgewertet wird. Die Aufwertung der Varietät ist aber kein Selbstzweck, sondern sie dient der Revalorisierung einer andalusischen Identität sowie zur Demarkation der Gruppe der AndalusierInnen im Andersonschen Sinne (cf. Anderson 2006).
7.4.5 Zusammenfassung Im Diskursbereich der (semi-)akademischen Diskurse konnte gesehen werden, dass das Andalusische im Spannungsfeld zwischen endogener und exogener negativer Valorisierung aufgewertet wird, indem die diskursive Varietät eine neue sprachideologische Setzung als Sprache erfährt. Um diese neue Setzung zu erreichen, ist einerseits zu sehen, dass es Versuche der Konstruktion eines historischen Gegennarrativs gibt, bei welchem die Provenienz des Andalusischen nicht mehr dem Spanischen als «Muttervarietät» zugeordnet wird, sondern es als direkter Nachfolger des in der Baetica gesprochenen und tradierten Vulgärlateinischen gilt. Die neue Setzung der Historie der diskursiven Varietät geht mit der diskursiven Konstruktion einher, bei welcher saliente Merkmale und phonetische Prozesse als Indices dienen, sodass mittels dieser Merkmale das Andalusische als reifizierte diskursive Konstruktion erst im Imaginarium entsteht. Durch die Analyse des Diskursausschnitts aus Gutiers (2010) Werk La lengua andaluza und die sich auf populäre Konstruktionen des Andalusischen beziehen-
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den Ausschnitte aus Narbona et al. (2011) konnte gezeigt werden, dass es Gegendiskurse zur tradierten sprachideologischen Setzung des Andalusischen als disparate Sprechweisen, die dem Spanischen zuzuordnen sind, gibt. Die Tatsache, dass sich DiskursteilnehmerInnen der konservativen Ausrichtung der andalusischen Soziolinguistik stark von populären Diskursen abgrenzen und versuchen, populäre Konstruktionen zu delegitimeren, lässt darauf schließen, dass sie bereits einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft Andalusiens haben. Die Revalorisierung besteht in diesem Zusammenhang konkret darin, dass das Andalusische in Werken wie demjenigen von Gutier (2010) diskursiv als eigene Sprache mit eigener Historie konstruiert wird. Hierbei ist wichtig, dass dadurch ein Gegennarrativ erzeugt wird, welches das Andalusische allein durch die Setzung als eigene romanische Sprache revalorisiert, was aber auch beinhaltet, dass das Andalusische als diskursive Varietät konzeptionell auf distanzsprachliche Bereiche ausgeweitet wird und das Standardspanische seine Stellung als vorherige Vergleichsfolie sprachlicher Korrektheit einbüßt. Durch diese sprachideologische Setzung wird dieselbe strukturelle Basis auf diskursiver Ebene neu eingerahmt, konzeptionell vom Standardspanischen und den tradierten exogenen Wertzuschreibungen getrennt, wobei die Trennungslinie nicht mehr bei gebildeten SprecherInnen, die traditionell dem Standardspanischen zugeordnet wurden, und den ungebildeten ruralen SprecherInnen des Andalusischen verläuft, sondern das Andalusische nun konzeptionell selbst als sprachliche Ressource gebildeter SprecherInnen sprachideologisch gesetzt wird. Diese Setzung ist auch im Werk von Rodríguez Domínguez (2017) zu finden, in welchem das Andalusische als «Muttervarietät» des lateinamerikanischen Spanisch als primus inter pares der hispanophonen Welt gesetzt wird. Die Konsequenz hieraus ist, dass das Nordspanische, welches traditionell die Basis für die Standardsprache darstellt, durch eine sprachideologische Regionalisierung marginalisiert und ihm dadurch der Status als überdachender mündlicher Standard abgesprochen wird. Diese sprachideologische Neusetzung geht mit der Verknüpfung mit gebildeten SprecherInnen einher, sodass das Andalusische als diskursive Varietät zum neuen mündlichen Standard avanciert wird. Das Andalusische wird folglich dadurch revalorisiert, dass es – wie u.a. im vorherigen Diskursbereich auch – auf distanzsprachliche Bereiche der Mündlichkeit ausgeweitet wird, wobei es durch die Verknüpfung mit gebildeten SprecherInnen in seiner diskursiv konstruierten Form des andaluz culto als Sprache höherer sozialer Strata eine neue sprachideologische Setzung erfährt. Die traditionelle Zuordnung des Andalusischen als «schlechtes Spanisch» ärmerer Menschen wird durch die diskursive Konstruktion des andaluz culto von sozial niedrigeren Strata entkoppelt und somit als legitimierte Sprache gebildeter Schichten in Andalusien im Foucaultschen Sinne aufgewertet. Dies geschieht aufgrund des Heranziehens sozialer
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Ideologien, die die Stratifizierung von Gesellschaften naturalisieren und beim Versuch der Revalorisierung diese ideologische Hintergrundfolie auf die diskursive Varietät applizieren, um ihr dadurch einen höheren Wert zuzuschreiben. In diesem Zusammenhang sind auch sprachplanerische Aktivitäten zu betrachten, wobei in dieser Arbeit die Konzeptionalisierung für sprachplanerisches Handeln in Andalusien auf institutioneller Ebene – also top-down – von García Marcos (2008) exemplarisch analysiert wurde. Die Ausweitung des Andalusischen in distanzsprachliche Bereiche ist auch in diesem Diskursausschnitt deutlich erkennbar, wobei die Besonderheit darin besteht, dass, bedingt durch die intendierte Implementierung der Maßnahmen an Schulen, das Verlangen nach Korrigierbarkeit im Vordergrund steht. Somit wird ein Andalusisch diskursiv als andaluz culto konstruiert, welches einerseits selbst mittels salienter Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades reifiziert wird, die sprachideologisch als bildungssprachlich gesetzt werden, andererseits werden die Merkmale, die nicht dazugezählt werden, als deviant und partikulär gerahmt. Somit wird auch hier die strukturelle Variation in Andalusien sprachideologisch neu gerahmt und das gebildete Andalusisch als mündlicher Regionalstandard konstruiert. Es gibt nicht nur Bemühungen der Institutionalisierung des Andalusischen durch die Implementierung von sprachplanerischen Maßnahmen, sondern auch Graswurzelbewegungen – also bottom-up-Bewegungen –, welche durch demokratische Partizipation der SprecherInnen versuchen, dem Andalusischen nicht nur einen mündlichen Standard zu geben, sondern ihm eine Orthographie, Grammatik, eine eigene Sprachgeschichte und einen eigenen Wortschatz zu verleihen. Hierbei ist zu beobachten, dass sich diese Bewegung stark von den Bewegungen, die das andaluz culto implementieren wollen, unterscheidet, da sie eine Gegenbewegung zur Implementierung einer einzig korrekten Orthographie, so wie es für die Standardorthographie des Spanischen der Fall ist, darstellt. Die größten «Dialektzonen» Andalusiens sollen durch ihre jeweiligen eigenen salienten Merkmale in der Orthographie repräsentiert werden. Somit gebe es nicht eine einzige festgesetzte Art der Schreibung, sondern für spezifische Merkmale die Option, die Variation durch die Nutzung anderer Grapheme sichtbar zu machen. Dies entspricht einer sprachideologischen Gegenposition, da eine derartige Orthographie demokratisch sein soll, was allerdings nur sehr bedingt der Fall sein kann, da nicht die gesamte strukturelle Variation graphemisch repräsentiert wird, sondern nur einige saliente Merkmale emblematisch für die Variation stehen. Darüber hinaus wird durch den Vergleich mit anderen Sprachen das Bild einer eigenständigen andalusischen Grammatik evoziert, um zu rechtfertigen, dass es sich um eine eigene Sprache handele, die ähnliche Strukturen wie andere romanische Sprachen aufweist. Somit werden diese Merkmale konzeptionell aus
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der mündlichen Variation des Spanischen herausgehoben, wobei durch den Vergleich mit anderen romanischen Sprachen und deren Orthographien/Grammatiken die eigene Systemhaftigkeit herausgestellt wird. Es handelt sich also auch hier um eine starke Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät, da der Status des Andalusischen erhöht und sein Gebrauch der gesamten andalusischen Gesellschaft zugeschrieben wird, was zuvor nicht der Fall war. Sprachideologisch gesehen handelt es sich bei dieser «Demokratisierung» um einen nächsten Schritt, da nicht mehr ausschließlich ein andaluz culto als gebildeter Standard konstruiert wird, sondern es wird, um den Status als eigene romanische Sprache zu rechtfertigen, konzeptionell auf alle SprecherInnen ausgeweitet. Die Implementierung von Optionen bei der Wahl von spezifischen Graphemen in die Orthographie ist als Versuch zu interpretieren, einen möglichst großen sozialen Konsens und dadurch eine größtmögliche soziale Akzeptanz der sprachideologischen Setzung des Andalusischen als eigene romanische Sprache mit eigener Orthographie in Andalusien zu erzielen. Hierbei gibt die Z.E.A. deutlich das Ziel an, eine Revalorisierung des Andalusischen erreichen und es institutionell implementieren zu wollen.244 Es wird ersichtlich, dass die Revalorisierung im Spannungsfeld von identitären und sprachkonzeptionellen Zugehörigkeiten stattfindet, wobei vor allem bei der diskursiven Konstruktion des gebildeten Andalusisch die Frage von sozialer Macht genutzt wird, um die «richtige» – also legitime – Sprache sprachideologisch den Schichten zuzuweisen, die Macht haben und somit einerseits das so konstruierte Andalusisch positiv valorisieren, andererseits aber auch legitimieren zu können. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass sich durch die Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät die Diskurshoheit verschiebt und darum gerungen wird, wer die Deutungshoheit über die Konstruktion des Andalusischen hat. Somit ist eine Veränderung im Diskurs selbst festzustellen, wobei Gegennarrative und -konstruktionen zu Aushandlungsprozessen über die legitime diskursive Konstruktion des Andalusischen führen.
244 Neuere Werke, die die Existenz eines andaluz culto proklamieren, es gleichzeitig als eigene Sprache rahmen und in eine sehr ähnliche sprachideologische Richtung wie einige der hier untersuchten Diskursausschnitte gehen, sind El idioma andaluz. ¿Es el andaluz un idioma? von Heredia Jiménez (2018) sowie La dignidad del habla andaluza von López González (2019).
8 Das re-enregisterment des Andalusischen und seine Revalorisierung als diskursive Varietät Die zentrale Fragestellung dieser Arbeit, wie das Andalusische endogen im postfranquistischen Spanien als Varietät mittels salienter Merkmale diskursiv konstruiert und revalorisiert wird, konnte anhand der empirischen Analyse repräsentativen metasprachlichen Materials beantwortet werden. Die Analyse der Revalorisierung der diskursiven Varietät des Andalusischen sowie der damit zusammenhängenden re-enregisterment-Prozesse hat gezeigt, dass sich der Status des Andalusischen in der andalusischen Gesellschaft in einer Transformationsphase befindet, wobei in allen analysierten Diskursbereichen eine endogene Aneignung der Diskurshoheit über die Legitimierung der Konstruktion des Andalusischen festzustellen ist. Frühere negativ ausgerichtete exogene Valorisierungen werden in diesem Zusammenhang häufig aufgegriffen, um in einem endogenen Gegendiskurs einerseits das Andalusische selbst als Varietät zu konstruieren, andererseits um das Andalusische zu revalorisieren. In der Analyse dieser Prozesse wurde das Andalusische als diskursive Varietät nicht von seinen SprecherInnen getrennt, da diese selbst durch die Revalorisierung auch eine soziale Aufwertung erfahren bzw. als AkteurInnen im Diskurs ebenfalls aktiv an der Aufwertung beteiligt sind. Diese Aufwertung materialisiert sich durch eine sprachideologische Neusetzung des Andalusischen als eigene Varietät, wobei das Andalusische, das traditionellerweise konzeptionell als «schlechtes Spanisch» sowie als disparate Sprechweise(n) unterer sozialer Strata gerahmt wurde, nun konzeptionell auf sehr heterogene Weise auf den gesamten sozialen Raum Andalusien ausgedehnt wird, wodurch das Andalusische sprachideologisch deperipheralisiert, als eine Varietät für alle AndalusierInnen gerahmt und somit anonymisiert wird. In dieser Arbeit wurden die vier Hauptdiskursbereiche identifiziert, in welchen sich Revalorisierungstendenzen und Aushandlungsprozesse materialisieren. Hierzu wurden jeweils Diskursausschnitte ausgewählt, die exemplarisch die Diskursstränge und -positionen sowie Spannungsfelder in Bezug auf den Stellenwert des Andalusischen aufweisen. In diesem Zusammenhang wurde eine auf den Gegenstand zugeschnittene Methodik entworfen, die es erlaubt, kleinschrittig ausgehend von den konkreten sprachlichen Merkmalen hin zur diskursiven Konstruktion die sprachideologischen Neusetzungen im Rahmen von re-enregisterment-Prozessen zu analysieren. Als epistemologische Grundannahme dieser Arbeit galt zum einem der Konstruktionscharakter einer diskursiven Varietät, was bedeutet, dass aus der strukturellen Variation sowie den invariablen https://doi.org/10.1515/9783110659771-008
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
sprachlichen Elementen eine Abstraktion erfolgt, die im Ergebnis eine diskursive Reifizierung der Varietät darstellt. Die derartig konstruierte diskursive Varietät ist als soziale Konzeption Gegenstand metasprachlicher Diskurse zur Revalorisierung und eben nicht die strukturelle Varietät – also der tatsächlich vorzufindende Sprachgebrauch und seine reale Variation. Andererseits geht dieser konstruktivistische Ansatz mit der Prämisse einher, dass SprecherInnen und DiskursakteurInnen in spezifischen Gemeinschaften diese diskursiven Konstruktionen aktiv durch das Heranziehen sprachideologischer Interpretationsschemata materialisieren. Die Prozesse der diskursiven Konstruktion einer Varietät und die damit einhergehenden Bewertungen führen zu einer «sozialen Institutionalisierung» einer Varietät, da diese dann im Imaginarium der Gesellschaft mit einer bestimmten Gruppe, einem bestimmten Kommunikationskontext und einem/mehreren bestimmten sozialen Wert(en) verknüpft wird. Dies führt wiederum zu einer sozialen Regelmäßigkeit in der Perzeption sowie Evaluation der Gruppe und der mit ihr verknüpften diskursiven Varietät. Sobald diese Prozesse stattgefunden haben, ist eine Varietät im Sinne des enregisterment einregistriert. Diese epistemologischen Grundannahmen implizieren, dass in dieser Arbeit kein positivistisches Konzept von Sprache zugrunde gelegt wurde, sondern dass im Vordergrund stand, wie Sprache von sozial verortbaren gesellschaftlichen AkteurInnen selbst sprachideologisch eingeordnet, bewertet und metapragmatisch genutzt wird. Im spezifischen Falle des Andalusischen ist zu konstatieren, dass es durch das Heranziehen der standard language ideology, nach welcher SprecherInnen im Okzident bzw. in davon beeinflussten Gesellschaften oft (eine) Sprache als zusammenhängendes und autonom existierendes Gebilde imaginieren, die Sprache selbst diskursiv konstruieren und sie somit als reifiziertes Objekt konzeptionell von sich – also den SprecherInnen – trennen. Dieses so entstandene diskursive Objekt wird dann in einem zweiten Schritt in seiner diskursiven Existenz mit spezifischen Gruppen von SprecherInnen verbunden und bewertet. Sprachideologien sind in diesem Sinne nicht als verzerrte Wirklichkeitsbilder oder Extremismen politischer Art zu verstehen, sondern als tradierte, aber veränderbare Interpretationsschemata sozialen Wissens und sprachlichen Handelns in Bezug auf sprachliches Material (mündlicher und schriftlicher Art). Die konkrete Ausgestaltung des Diskurses und die soziale Reichweite hängt darüber hinaus eng mit Faktoren wie Macht und kulturellem Kapital im Bourdieuschen Sinne zusammen, da sozial und ökonomisch potentere DiskursakteurInnen auch die Mittel haben, ihre Diskurssetzungen eher durchzusetzen, und weil sie eine stärkere Dominanz in Bezug auf die (De-)Legitimierung von Aussagen im Sinne der Diskurshoheit aufweisen als andere. In Bezug auf das Andalusische ist festzustellen, dass es als negativ valorisierte Varietät bereits sehr lange einregistriert ist, wobei im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden konnte, dass es gegenwärtig starke Tendenzen gibt, das Andalusische neuartig in Abgrenzung zur vorherigen negativen Valorisierung zu
8.1 Zusammenfassender Überblick der Ergebnisse
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konstruieren, sodass hier von einem re-enregisterment ausgegangen werden kann. Dies impliziert, dass die vorherige Konstruktion als negativ valorisierte Sprechweise ungebildeter und sozial niedrigerer Strata nun in Konkurrenz mit einer Gegenkonstruktion tritt, die das Andalusische als positive und identitätsstiftende Varietät aller AndalusierInnen fasst. Eine globale Darstellung der Hauptergebnisse der Studie wird im folgenden Unterkapitel angeführt, wobei die spezifischen Ergebnisse in Hinblick auf die einzelnen Diskursbereiche jeweils am Ende der Unterkapitel von Kapitel 7 zu finden sind.
8.1 Zusammenfassender Überblick der Ergebnisse Ausgehend von den zuvor genannten theoretischen Prämissen war für die Analyse der endogenen Revalorisierung des Andalusischen als diskursive Varietät das empirisch zusammengetragene sprachliche Material grundlegend, um herausarbeiten zu können, über welche sprachlichen Merkmale das Andalusische konstruiert wird. In diesem Zusammenhang ist von großer Wichtigkeit, dass in Diskursen, innerhalb derer Varietäten konstruiert werden, nicht ihre gemeinsamen strukturellen Einheiten die entscheidende Rolle einnehmen, sondern saliente Merkmale, die herangezogen werden, um qua Differenz die Existenz des Eigenen zu konstruieren, sofern in einer spezifischen Gruppe die Notwendigkeit zur Selbstkonstitution besteht, die durch Demarkation erfolgt. Einhergehend mit dieser Konstruktion erfolgen soziale Bewertungszuschreibungen, sodass durch den Gebrauch einiger salienter Merkmale als Indices innerhalb von indexikalischen Ordnungen die Gruppe der SprecherInnen, die von ihnen genutzten Merkmale und letztendlich die Varietät mit den typischerweise assoziierten Gruppenvalorisierungen und -zuschreibungen verknüpft werden. Die Herausarbeitung der Valorisierungen und Zuschreibungen war in der vorliegenden Arbeit essentiell, weil die Revalorisierung des Andalusischen eben über eine Veränderung der Valorisierungen und Zuschreibungen zur Gruppe sowie den sprachlichen Merkmalen erfolgt. Dies trifft auch im Falle Andalusiens zu, da es als sozialer Raum im Sinne eines Sozialgefüges im Diskurs als Gebiet einer differenzierten Gruppe mit einer spezifischen Kultur imaginiert wird, wobei diese Differenzierung auch mittels der sprachideologischen Interpretationsfolie, dass distinktive Gruppen eigene Varietäten aufweisen, aktiv konstruiert wird. Die distinktiven Merkmale, die hierzu herangezogen werden, sind solche, die salient sind und somit als «typisch» für die Realisierungen von AndalusierInnen angesehen werden. In dem in dieser Arbeit analysierten Material wurde deutlich, dass ein großes Metawissen in Bezug auf diese «typischen» salienten Merkmale besteht, auf welches die SprecherInnen im Diskurs aktiv metapragmatisch rekurrieren. In diesem Sinne konnte gezeigt wer-
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
den, dass bestimmte saliente Merkmale immer wieder zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen herangezogen werden (cf. Tabelle 10). Hierbei ist nicht die tatsächliche Häufigkeit ihrer singulären Okkurrenzen in den Diskursen entscheidend, sondern wie sie als Indices 3. Grades aktiv eingesetzt werden, um eine Revalorisierung der diskursiven Varietät zu erzielen. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass nicht immer alle salienten Merkmale zur Revalorisierung eingesetzt werden, sondern einige häufiger mit positiven und andere häufiger mit negativen Valorisierungen verbunden werden. Tabelle 10 listet in diesem Zusammenhang die in den Diskursen zu findenden salienten Merkmale sowie ihre Bewertungstendenzen auf. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nicht um alle in den Diskursen zu findenden Merkmale handelt, sondern um solche, die in der großen Mehrheit der Diskurse aufgegriffen werden, wobei die Anzahl und Genauigkeit ihrer metapragmatischen Nutzung wiederum vom spezifischen Diskursausschnitt abhängt (akademische Diskurse greifen mehr Merkmale auf, populäre weniger etc.). Zusätzlich kommt es darauf an, mit welchem genauen Ziel die Merkmale herangezogen werden. So ist beispielsweise zu sehen, dass die hier analysierten Diskurse der DiskursakteurInnen, die ein andaluz culto institutionalisieren möchten, von fünf spezifischen salienten Merkmalen (cf. Kapitel 7.4.2.1.) ausgehen, um dieses «gebildete Andalusisch» zu konstruieren. Auf der anderen Seite benutzen sie andere saliente Merkmale des Andalusischen, um einen nicht gebildeten Gebrauch mit ihnen zu verknüpfen. Eine derartige Hierarchisierung findet beispielsweise bei Diskursen, die das Andalusische sprachideologisch als eigene romanische Sprache setzen, nicht statt. Tabelle 10: Zusammenfassung gängiger salienter Merkmale und ihrer Valorisierung. Häufigkeit/Bewertung Merkmale in allen Diskursen zu findende Merkmale
seseo, Apokope bzw. Behauchung von /s/ in der Silbenkoda
weitere häufig zu findende Merkmale
Behauchung von /x/ → /h/, Reduktion oder Assimilierung in Konsonantenclustern, Schwächung oder Apokope einiger Konsonanten, Vokalöffnung (vor allem von /e/), Ersetzen des Pronomens vosotros durch ustedes, Alternanz von /r/ und /l/, Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/
häufig als gut bewertete Merkmale
seseo, Apokope bzw. Behauchung von /s/ in der Silbenkoda, Behauchung von /x/ → /h/, yeismo, Vokalöffnung (vor allem von /e/).
häufig als schlecht bewertete Merkmale
ceceo, Reduktion oder Assimilierung in Konsonantenclustern, Schwächung oder Apokope einiger Konsonanten, Ersetzen des Pronomens vosotros durch ustedes, Alternanz von /r/ und /l/, Deaffrizierung von /tʃ/ → /ʃ/
8.1 Zusammenfassender Überblick der Ergebnisse
379
Tabelle 10 fasst die Ergebnisse der Analyse in Bezug auf die Nutzung der salienten Merkmale als Indices 3. Grades eines emblematischen Repertoires zusammen, wobei zu beachten ist, dass die absolute Frequenz des metapragmatischen Aufgreifens in den einzelnen Diskursbereichen nicht entscheidend ist. Ein Vergleich der Okkurrenzen in den Diskursbereichen würde zu starken Verzerrungen führen, weil beispielsweise die Wortzahl auf T-Shirts begrenzter als in monographischen Abhandlungen über das Andalusische ist. Entscheidend bei der Darstellung der Merkmale sind folglich das aktive metapragmatische Heranziehen der Merkmale in ihrer Funktion als Indices 3. Grades und die diskursive Konstruktion des Andalusischen sowie die Bewertungen, die dadurch erzielt werden (was z.B. bei T-Shirts oder auch Liedern bereits durch sehr wenige Okkurrenzen auf emblematische Weise geschieht). Darüber hinaus soll hier nicht suggeriert werden, dass es sich um ein homogenes Heranziehen der salienten Merkmale handelt, denn so heterogen wie das Diskursgeflecht zum Andalusischen und die darin vorkommenden metasprachlichen Diskurse selbst sind, so heterogen ist auch die Nutzung der salienten Merkmale. Die einzigen Merkmale, die durchgängig in allen hier analysierten Diskursausschnitten als positiv valorisiert wurden, sind der seseo sowie die Apokope bzw. Behauchung von /s/ in der Silbenkoda; alle anderen salienten Merkmale weisen zwar eine Tendenz auf, aber es kann keineswegs davon gesprochen werden, dass eine einheitliche Nutzung und Valorisierung zu beobachten ist. Folglich liegen Tendenzen der metapragmatischen Nutzung der Merkmale als Indices 3. Grades und keine kategoriell zu sehenden Einteilungen vor. Darüber hinaus konnte im Rahmen dieser Arbeit durch die Analyse des metasprachlichen Materials aufgezeigt werden, dass die strukturelle Basis dessen, was das Andalusische ausmacht, auf diskursiver Ebene stark übergeneralisiert wird, sodass strukturelle Gemeinsamkeiten mit anderen Varietäten im Diskurs der Revalorisierung sprachideologisch ausgeblendet und saliente Merkmale dazu genutzt werden, die Existenz des Andalusischen als vom «Nordspanischen» abgrenzbare eigene Varietät diskursiv zu konstruieren. Die conditio sine qua non ist hier folglich die strukturelle Variation, mittels derer im Diskurs, repräsentiert durch emblematische saliente Merkmale, erst die abgegrenzte eigene Existenz des Andalusischen als reifiziertes Objekt konstruiert wird. Die Fragestellung dieser Arbeit, auf welche Weise das Andalusische in endogenen Diskursen im postfranquistischen Spanien mittels salienter Merkmale metapragmatisch konstruiert und neu bewertet wird, ist durch die Analyse der Diskurse verschiedener gesellschaftlicher Diskursbereiche erfolgt. In diesem Zusammenhang ist für jeden Diskursbereich Material zusammengetragen worden, in welchem das Andalusische metapragmatisch konstruiert und bewertet wird. Wie in Schaubild 8 zu sehen ist, konnten durch die Analyse des metasprachlichen Materials verschiedenartige diskursive Konstruktionstypen und
Diskurse über das Standardspanische/Nordspanische
Alle Diskurse über das Andalusische grenzen sich konzeptionell vom Standardspanischen/ Nordspanischen ab
Revalorisierung/ Re-enregisterment-Prozesse
Diskursbereiche
Stratische Hierarchisierung des Andalusischen/Ausweitung auf höhere Strata/Ausweitung auf distanzsprachliche Bereiche
Diskurse an Schulen
Stratische Hierarchisierung des Andalusischen/Ausweitung auf höhere Strata/Ausweitung auf distanzsprachliche Bereiche/Ausweitung auf alle SprecherInnen/Inklusivität
Authentisierung des Andalusischen/Ausweitung auf breite Gesellschafts-schichten/Endogene Setzung als korrekt/Inklusivität
Populäre Diskurse
(Semi-)akademische Diskurse
Authentisierung des Andalusischen/Positivierung der Identität durch Aneignung tradierter Stereotype
Kommodifizierte Sprache
Konstruktionstypen des Andalusischen als diskursive Varietät
Das Andalusische als Muttervarietät des lateinam. Spanisch bzw. mündliche Leitvarietät der Hispanophonie
Das gebildete Andalusisch als mündlicher Regionalstandard
Das Andalusische als inklusive (Standard-) Sprache
Das gebildete Andalusisch als mündlicher Regionalstandard
Das Andalusische als inklusive Varietät und korrektes Andalusisch
Das Andalusische als reguläre und positiv bewertete Sprache im Alltag
Das Andalusische als authentische endogene Sprache
Das Andalusische als authentische differenzierte diskursive Varietät des Spanischen
Schaubild 8: Zusammenfassung der re-enregisterment-Prozesse sowie der diskursiven Konstruktionstypen des Andalusischen.
Diskurse über das Andalusische
380 8 Das re-enregisterment des Andalusischen
8.1 Zusammenfassender Überblick der Ergebnisse
381
Bewertungsschemata herausgearbeitet werden, die das Andalusische auf heterogene Weise neu einregistrieren. Hierbei hat sich gezeigt, dass das Andalusische gemäß eines der Hauptaxiome der Arbeit, nämlich dass die Vorstellung der Existenz einer Varietät als objektive und abgrenzbare Einheit auf diskursiver Ebene anzusetzen ist, auch auf sehr heterogene Weise diskursiv konstruiert wird. Zunächst ist hierbei zentral, dass in allen hier analysierten Diskursen das Andalusische konzeptionell vom Standardspanischen bzw. Nordspanischen abgegrenzt wird und erst durch diese Demarkation seine Existenz erlangt. Zum anderen wird deutlich, dass bei steigendem Formalitätsgrad der Diskursbereiche auch eine ausdifferenziertere Bewertung zu verzeichnen ist, was vor allem im Bereich akademischer Diskurse nicht verwunderlich ist. Die Analyse der Diskursbereiche zeigt, dass alle Darstellungen gemein haben, dass sie das Andalusische als diskursive Varietät mit dem kulturellen Raum Andalusien verknüpfen und diese Verknüpfung implizit als faktisch rahmen, selbst wenn die sprachliche Realität um ein Vielfaches komplexer ist, da natürlich auch SprecherInnen anderer spanischer Varietäten oder gar anderer Sprachen in Andalusien leben. Darüber hinaus ist zu sehen, dass das Andalusische diskursiv als Alltagsvarietät der SprecherInnen endogen normalisiert und somit nicht mehr nur partikulären niedrigeren sozialen Strata zugeschrieben, sondern der Nutzungsradius gesellschaftlich ausgeweitet wird. Populäre Diskurse und solche, in denen das Andalusische als diskursive Varietät kommodifiziert wird, stellen in diesem Zusammenhang primär eine Positivierung der andalusischen Identität durch die Demarkation vom Nordspanischen dar, indem das Andalusische vor allem als authentische Varietät sprachideologisch gerahmt wird, sodass identitäre Authentizität mit dem Sprechen des Andalusischen verknüpft wird. Eine große Rolle spielt vor allem im Bereich der kommodifizierten Sprache, aber auch in anderen populären Bereichen, die positive Neubesetzung einer andalusischen Identität, welche auf ehemals negative Stereotype rekurriert, wobei sich ebendieser Stereotype bedient wird, um sie humoristisch ins Gegenteil zu verkehren. Es zeigt sich außerdem die Ablehnung der exogenen Bewertung des Andalusischen als schlecht gesprochenes Spanisch, was zur Folge hat, dass eine Abgrenzung zum mündlichen Standardspanischen stattfindet. In diesem Zuge wird das Andalusische derartig diskursiv konstruiert, dass es sprachideologisch für den Raum Andalusien als korrektes Andalusisch gerahmt wird. Zeitgleich erfolgt die sprachideologische Abgrenzung von der sprachideologischen Setzung, dass das einzig korrekte Spanisch das Standardspanische aus dem Norden sei, wobei das Andalusische in Abgrenzung dazu als inklusiv gesetzt wird, da alle SprecherInnen des Andalusischen einbezogen werden und keine stratische Hierarchisierung bzw. Koppelung einiger Merkmale spezifischer sozialer Strata mit dem Andalusischen erfolgt.
382
8 Das re-enregisterment des Andalusischen
In diesem Zusammenhang steht aber ein weiteres Ergebnis der Studie: Bei steigendem Formalitätsgrad der Diskurse findet eine stärkere Adaption der Ideologie der Standardsprache sowie eine Hierarchisierung des Sprachgebrauchs durch die Rekurrenz auf soziale Strata Anwendung. Diese Diskurse materialisieren sich vornehmlich in einem gebildeten Kontext, da hier soziale Distinguierung auch mittels Sprache ausgedrückt wird. Dabei ist zu sehen, dass in den hier untersuchten Diskursbereichen anhand metasprachlichen Materials aus Schulen und akademischen Kontexten vor der sprachlichen Hintergrundfolie der Ideologie der Standardsprache einige Merkmale höherer gesellschaftlicher Strata als das korrekte mündliche Andalusisch gerahmt werden. Gleichzeitig findet eine Zuschreibung bestimmter andalusischer Merkmale zu niedrigeren Strata statt, sodass die Dichotomie eines richtigen und eines zu vermeidenden Sprachgebrauchs auf das Andalusische als diskursive Varietät angewendet wird. Darüber hinaus wird diese sprachideologische Setzung auch in einem Diskursausschnitt in Bezug auf die gesamte Hispanophonie instrumentalisiert, indem das gebildete Andalusische zur «Muttervarietät» des lateinamerikanischen Spanisch avanciert wird, um die Stellung des Andalusischen in der Varietätenhierarchie vor allem innerhalb Spaniens zu erhöhen. In diesem Zusammenhang spielt die Demographie eine entscheidende Rolle, denn das lateinamerikanische Spanisch wird insofern instrumentalisiert, als dass es, bedingt durch den Umstand, dass einige strukturelle Übereinstimmungen zwischen dem Andalusischen und dem lateinamerikanischen Spanisch existieren, als Rechtfertigung dafür herangezogen wird, die Merkmale des Andalusischen als generell und diejenigen des Nordspanischen als partikulär zu rahmen, da letzteres nach einer – oftmals nicht zutreffenden – Logik der Verbindung von Prestige und Anzahl der SprecherInnen wesentlich weniger SprecherInnen aufweist. Folglich geht es hierbei primär um die Hierarchie der Varietäten des Spanischen in Spanien und nicht so sehr um die Rolle des Andalusischen auf internationaler Ebene. Es handelt sich hierbei grundsätzlich darum, ein Gegennarrativ zu entwickeln, bei welchem der andalusische Regionalstandard als vorherrschend in Andalusien und als Alternative zum mündlichen Standardspanischen in Spanien gesetzt wird. Im analysierten Material lässt sich jedoch auch die Ausdifferenzierung konträrer Strömungen in populären und semiakademischen Diskursen beobachten, die sich gegen die stratische Hierarchisierung des Andalusischen in ein andaluz culto einerseits sowie gegen die Zuordnung der als nicht gebildet bewerteten Merkmale zu partikulären Sprechweisen niedrigerer sozialer Strata andererseits richten. Hierbei wird das Andalusische als diskursive Varietät aller AndalusierInnen sprachideologisch konzeptionalisiert, sodass nicht die Frage, welcher mündliche Standard welchen Status in Spanien genießt, im Fokus steht, sondern vielmehr eine soziale Inklusion aller AndalusierInnen zur Demarkation der andalusischen Kultur mit den
8.2 Bewertung der Revalorisierung und der re-enregisterment-Prozesse
383
anderen Kulturen der Iberischen Halbinsel im Vordergrund steht. Dies zeigt sich beispielsweise bei dem Versuch der Etablierung einer inklusiven andalusischen Orthographie, bei welcher spezifischen Graphemen mehrere phonetische Realisierungsmöglichkeiten zugeschrieben werden, sodass die Prämissen einer phonemischen Orthographie teilweise aufgegeben werden, um soziale Inklusion zu signalisieren. Bei der Betrachtung inklusiver Sprachideologien und den damit verbundenen Konstruktionstypen ist darüber hinaus noch hervorzuheben, dass bei Diskursen, die das Andalusische als eigenständige romanische Sprache setzen, auch die Komponente der Historisierung des Andalusischen eine wichtige Rolle spielt. Bei dieser Historisierung wird die Abstammung des Andalusischen umgedeutet, indem es als direkt auf das in der Baetica gesprochene Vulgärlateinische zurückgehend dargestellt wird. Hierbei ist die Ideologie der Sprachexistenz durch die diskursive Schaffung eines eigenen Genesenarrativs zentral, welches als Instrument zur Revalorisierung der diskursiven Varietät fungiert. Resümierend lässt sich sagen, dass die Analyse des metasprachlichen Materials sehr heterogene Konstruktionstypen und Formen der Revalorisierung der diskursiven Varietät zeigt. Die Konstruktionstypen sind dabei von den AkteurInnen, die die Diskurse disseminieren, abhängig und variieren je nach Ziel der Aufwertung. Die Arbeit konnte zeigen, dass starke Gegennarrative zur traditionellen exogenen Abwertung der AndalusierInnen als SprecherInnen eines schlechten und unverständlichen Spanisch, die ungebildet und arbeitsscheu seien, existieren. Hierbei gehen die Revalorisierung der diskursiven Varietät und diejenige einer andalusischen Identität Hand in Hand und stehen im Spannungsfeld zwischen tradierten exogenen negativen Bewertungen und endogenen heterogenen Tendenzen zur Revalorisierung des Andalusischen, welches in diesem Zusammenhang verschiedenartig im Sinne des re-enregisterment konstruiert wird.
8.2 Bewertung der Revalorisierung und der re-enregisterment-Prozesse des Andalusischen Eine der Vorbedingungen der Analyse dieser Arbeit war es, dass die Diskurse sowie die sie disseminierenden AkteurInnen möglichst neutral untersucht werden, allerdings muss die Bewertung der Revalorisierung und der damit zusammenhängenden re-enregisterment-Prozesse nach der Analyse des Materials ambivalent ausfallen und kritisch eingeordnet werden. Zunächst konnte anhand metasprachlichen Materials verschiedener wichtiger Diskursbereiche exemplarisch aufgezeigt werden, dass starke Tendenzen zur endogenen Revalorisierung existieren. Die Diskurse wurden derartig gewählt, dass sie, wie zuvor angeklungen, exemplarisch für ein größeres Diskursgefüge stehen, innerhalb dessen in einem sozialen und
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
sprachideologischen Spannungsfeld der Wert der Varietät sowie die Diskurshoheit und das «legitime Andalusisch» sozial verhandelt werden. Die Analyse der Diskurse und der in ihnen zu findenden Aushandlungsprozesse haben darüber hinaus Aufschluss über den sich verändernden sozialen (Stellen-)Wert des Andalusischen als wichtiges soziales Instrument zur Identitätsbildung geben können. Die Diskurse sind als gesellschaftliche Prozesse in Umbruchphasen zu charakterisieren, welche in die Veränderungsprozesse der letzten Jahrzehnte durch die generelle Aufwertung «regionaler» Kulturen und deren Sprachen sowie in die politische Neustrukturierung Spaniens eingebettet sind. Folglich sind die Ergebnisse nicht impressionistisch, da metasprachliches Material unterschiedlicher Provenienz und Ausgestaltung zur Analyse zusammengetragen wurde, welches einen repräsentativen Querschnitt der existierenden Diskurse über das Andalusische sowie dessen Revalorisierung darstellt. Zentral bei der Revalorisierung ist das Aufgreifen der tradierten negativen Valorisierung, die als Abgrenzungsfolie einen grundlegenden Bestandteil der Revalorisierung bildet. Daher soll nicht suggeriert werden, dass das Andalusische bereits kategorisch aufgewertet sei oder gar generell einen hohen Status genieße, sondern dass in zentralen gesellschaftlichen Bereichen potente Gegennarrative entwickelt werden, die die Bewertung und somit auch den Wert des Andalusischen in der Gesellschaft erhöhen. Derartige Veränderungen des Diskursgefüges sind in gesellschaftliche Umbruchphasen einzuordnen, die in der Regel nicht linear verlaufen, sodass sich auch die darin verändernden Diskurspositionen als divers charakterisieren lassen. Die in dieser Arbeit untersuchten Diskursausschnitte und die darin enthaltenen Diskurspositionen der jeweiligen AkteurInnen zeigen jedoch starke Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Revalorisierungstendenzen, da sie alle das Andalusische positiver bewerten, wobei deutlich wird, dass die positive Bewertung eine aktive sprachideologische Setzung darstellt, deren Existenzgrundlage in den Diskursen ihr aktives Abgrenzen zu tradierten Bewertungen bildet. Insofern zeigen die diskursübergreifenden Strukturen der vielfältigen Weisen der sprachlichen und identitären Demarkation, die in dieser Arbeit herausgearbeitet werden konnten, eine eindeutige Veränderung in Bezug auf die Bewertung, den Stellenwert und die diskursive Einregistrierung des Andalusischen. Die Ergebnisse der Arbeit lassen folglich auf einen gesellschaftlichen Wandel schließen, bei welchem das Andalusische einen höheren Stellenwert für die regionale Identität erlangt. Die Tatsache, dass die Analyse der Diskurse auf kritische Weise durchgeführt wurde, bedeutet, dass die Diskurse als solche nicht als positivistisch aufgefasst wurden, sodass eine Herausarbeitung der dahinterstehenden sprachideologischen Konstruktionen aufgezeigt werden konnte. In der Analyse selbst wurden diese kritisch im Hinblick auf ihren Konstruktionscharakter sowie die damit
8.2 Bewertung der Revalorisierung und der re-enregisterment-Prozesse
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einhergehenden Präsuppositionen und Ideologien untersucht, die Diskurse selbst aber nicht bewertet. Es ist dennoch, wie oben bereits angesprochen, nötig, die Ergebnisse auch selbst kritisch zu betrachten und zu bewerten. Zunächst ist zu konstatieren, dass die Revalorisierung des Andalusischen, wenn sie vor dem Hintergrund der tradierten negativen Valorisierung gesehen wird, als positiv zu werten ist. Es lässt sich anhand der Analyse der Diskursbereiche erkennen, dass starke Tendenzen in breiten gesellschaftlichen Diskursen und somit auch in der breiteren Gesellschaft dazu existieren, dass AkteurInnen – SprecherInnen – endogen die Diskurshoheit über die Bewertung des Andalusischen erreichen wollen. Somit lässt sich diskursbereichsübergreifend sehen, dass SprecherInnen sich die Hoheit über die diskursive Konstruktion und Bewertung des Andalusischen aneignen, was bereits zu einem Aufwertungsprozess führt. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch zu sagen, dass hinter allen Diskursen interessensgeleitete AkteurInnen stehen, die diese Diskurse disseminieren. Insofern stellen die Diskurse selbst weder eine ontologische Gesamtrealität dar noch produzieren sie absolute Wahrheiten. Die Revalorisierung des Andalusischen ist daher nicht nur positiv zu werten, da in vielen Diskursbereichen die Abgrenzungsfolie – das Standardspanische bzw. Nordspanische – einerseits instrumentalisiert wird, um eine andalusische Identität ex negativo aufzuwerten, andererseits wird auch diese «andere Identität» – welche Menschen genau dahinterstehen sollen, wird nicht genau definiert – abgewertet. Dies entspricht einer starken Vereinheitlichung einer vorgestellten Gemeinschaft im Andersonschen Sinne (cf. Anderson 2006) sowie eine Aneignung dessen, was die andalusische Identität ausmachen soll. Der Diskursbereich des Andalusischen als kommodifizierte Sprache zeigt in diesem Zusammenhang eine endogene Authentisierung auf, die dem Rest der SprecherInnen eine inauthentische Sprechweise zuschreibt. Darüber hinaus konnte in der Analyse gesehen werden, dass spezifische charakterologische Eigenschaften der SprecherInnen auf tradierte negative Zuschreibungen rekurrieren, um sie ins Gegenteil zu verkehren. Bei dieser humoristischen Aneignung exogener Bewertungen ist allerdings nicht sicher, dass dies auch auf alle LeserInnen, die das Andalusische auf den T-Shirts dekodieren können, einen revalorisierenden Effekt hat, da trotz der sprachideologischen Authentisierung Stereotype weiterhin tradiert und verbreitet werden. Somit besteht die Gefahr, dass das Gegenteil erreicht wird und durch die übergeneralisierende Verknüpfung Andalusiens mit dem Andalusischen sowie den stereotypisierten Eigenschaften der dargestellten SprecherInnen weiterhin negative Zuschreibungen zum Andalusischen und seinen SprecherInnen erfolgen. In Bezug auf die Bewertung populärer Diskurse ist zu sagen, dass das hier analysierte Material starke Tendenzen zur sozialen Inklusion zeigt. Dies bedeutet, dass sprachideologisch alle SprecherInnen des Andalusischen
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
sowie BewohnerInnen Andalusiens als SprecherInnen eines korrekten Andalusisch in diesen Diskursen gerahmt werden. Auch hier wird eine Varietätenkonstruktion ersichtlich, die das Andalusische als normale Sprache der SprecherInnen im Alltag und somit als korrekte Sprache setzt. Dies bedeutet, dass in populären Diskursen eine starke Abwehr der tradierten Sicht, AndalusierInnen sprächen schlechtes Spanisch, erfolgt und diese mit dem Gegennarrativ, dass sie korrektes Andalusisch sprächen, kontrastiert wird. Diese Tendenzen sind als positiv zu werten, da sprachliche Variation nicht als schlecht bewertet und somit SprecherInnen nicht durch Sprache hierarchisiert werden. Im Hinblick auf den sozialen Einfluss dieser Diskurse ist zu sagen, dass sich ein starkes Spannungsfeld auftut, innerhalb dessen soziale Aushandlungen in Bezug auf die Diskurshoheit über die korrekte Sprache erfolgen. Die Revalorisierung in diesem Diskursbereich ist daher als Gegenreaktion auf negative exogene Bewertungen zu verstehen, aber eben auch nur als solche zu denken, da es die negativen Zuschreibungen noch gibt. Daher kann nicht davon gesprochen werden, dass das Andalusische in Andalusien nun grundsätzlich als korrekte Sprache aller SprecherInnen angesehen wird. Dass es sich bei dem Austarieren der Diskurshoheit über die legitime diskursive Konstruktion des Andalusischen nicht nur um exogene Diskurse handelt, wird bei der Analyse von Diskursen an Schulen und (semi-)akademischen Diskursen deutlich. Die populäre Setzung des Andalusischen als korrekte Sprache aller AndalusierInnen wird in diesen Bereichen konterkariert, indem die Idee richtiger und falscher Sprache sowie die sprachliche Korrektheit vor dem Hintergrund sozialer Stratifikation auf das Andalusische übertragen wird, um dem Andalusischen einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert in Andalusien und Spanien zu verleihen. Diese sprachideologische Setzung impliziert folglich erneut eine Hierarchisierung von SprecherInnen, selbst wenn die Aufwertung des Andalusischen als Reaktion auf eine vorherige Abwertung erfolgt(e). Folglich ist hier ein Widerspruch zu verzeichnen, da eine vorherige soziale Stratifizierung durch Sprache durch eine neue Stratifizierung ersetzt wird, sodass wieder einige SprecherInnen als nicht gebildet und somit als Angehörige niedrigerer Strata klassifiziert werden. Aus diesem Grunde handelt es sich vielmehr um die Revalorisierung des Andalusischen spezifischer höherer Strata, sodass es fraglich ist, ob diese Art der Neubewertung auch weiteren Teilen der Bevölkerung oder dem Andalusischen selbst dienlich ist, da es auch zu Gegenreaktionen auf diese Vereinnahmung durch höhere Schichten kommen kann. Auch die sprachideologische Ausweitung dieses andaluz culto auf den gesamten Bereich der Hispanophonie ist nicht ausschließlich als positiv zu bewerten, da das Rekurrieren auf das lateinamerikanische Spanisch und die Setzung des Andalusischen als dessen Muttervarietät als «Verhandlungsmasse» erscheint, um
8.2 Bewertung der Revalorisierung und der re-enregisterment-Prozesse
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den Status des Andalusischen in Spanien generell zu erhöhen. Darüber hinaus wird die Idee einer Leitvarietät extrapoliert und auf das Andalusische angewandt, sodass es als primus inter pares gesetzt wird. Hierbei ist die Idee einer hegemonialen Varietät zu sehen, die über allen anderen steht und durch ihre strukturelle Ähnlichkeit sowie die Präsupposition – die nur partiell wissenschaftlich fundiert ist –, dass das lateinamerikanische Spanisch als solches vom Andalusischen abstamme, eine Legitimation zur Setzung eines neuen mündlichen Standards des Spanischen darstellt. Erneut wird wieder die Hintergrundfolie der Sprachideologie, dass es eine Leitvarietät geben müsse, angewandt, sodass es sich nicht ausschließlich um die Aufwertung des Andalusischen handelt, sondern um die gleichzeitige implizite Unterordnung anderer Varietäten. Strömungen, die das Andalusische als differenzierte romanische Sprache konstruieren, konzentrieren sich auf die Verschriftung des Andalusischen sowie die Schaffung einer inklusiven Orthographie. Diese Strömungen sind grundsätzlich einem linken politischen Spektrum zuzuordnen, innerhalb dessen regionale Sprechweisen auch bei der Orthographie berücksichtigt werden sollen. Dass diese Berücksichtigung nur partiell sein kann, wird durch diese Untersuchung ersichtlich, da sehr saliente Merkmale, deren Varianten als Variationsphänomene verschiedene Teile Andalusiens strukturell unterscheiden, in die Orthographie implementiert werden. Es handelt sich dabei aber nicht um die gesamte strukturelle Variation, sondern um eine emblematische repräsentative Variation, die implementiert wird, um soziale Inklusion zu suggerieren. Andererseits ist auch zu sehen, dass die sprachliche Loslösung vom Rest des spanischsprachigen Spaniens durch das sprachideologische Versehen des Andalusischen mit einer eigenen Geschichte kritisch zu bewerten ist, da wissenschaftliche Erkenntnisse zur Geschichte und Genese des Andalusischen für das Erreichen eigener politischer Ziele ignoriert werden. Darüber hinaus wird das Andalusische genutzt, um auch eine kulturelle Trennung von Spanien zu erzielen, wobei sich eine Vereinnahmung dessen, was den kulturellen Raum Andalusien ausmacht und welchen anderen Räumen dieser angehört, konstatieren lässt. In diesem Zuge erfolgt eine kulturelle und sprachliche Homogenisierung der EinwohnerInnen und SprecherInnen auf diskursiver Ebene, sodass die Möglichkeit besteht, dass das, was zuvor «NordspanierInnen» bzw. «ZentralistInnen» vorgeworfen wurde – die Hegemonie über andere Teile der Iberischen Halbinsel –, auch für nationalistische oder separatistische Zwecke genutzt wird. In diesem Zusammenhang ist es zusätzlich denkbar, dass eine stärkere Vereinnahmung der andalusischen Identität und der Hoheit über die diskursive Konstruktion bzw. Bewertung des Andalusischen zu einem Anpassungsdruck auf nicht konforme AndalusierInnen führen kann.
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Arbeit gezeigt hat, dass vielfache endogene Revalorisierungstendenzen in Andalusien existieren, durch die versucht wird, den Stellenwert des Andalusischen in der Gesellschaft zu erhöhen. Als Ergebnis lässt sich in diesem Zusammenhang festhalten, dass die Revalorisierung und die damit einhergehenden re-enregisterment-Prozesse ein ambiges Bild zeigen, bei welchem einerseits eindeutige positive Tendenzen der Revalorisierung des Andalusischen sowie seiner SprecherInnen über weite gesellschaftliche Bereiche zu konstatieren sind. Andererseits können diese Tendenzen politisch instrumentalisiert werden und sich somit erneut hegemoniale Strukturen in Bezug auf Sprache und Gesellschaft herausbilden. Außerdem ist es denkbar, dass einige Tendenzen der Revalorisierung von breiteren gesellschaftlichen Schichten nicht mitgetragen werden, da sie selbst von der Revalorisierung ausgeschlossen sind. Es zeigt sich somit, dass sich gegenwärtig ein gesellschaftliches Aushandeln der Diskurshoheit beobachten lässt und sich die Verhandlungsoptionen darüber, was das legitime Andalusische ist, wem es «gehört» und welche Zuschreibungen legitim sind, in einem sozialen Wandel befinden, sodass die Frage nach dem gesellschaftlichen Einfluss sowie den Folgen der Revalorisierung und der re-enregisterment-Prozesse nicht abschließend beantwortet werden kann. Das Ergebnis der Analyse dieser Prozesse zeigt ein differenziertes Bild bei der Betrachtung der Revalorisierung, sodass weitere Forschung sowie eine spätere Replikation der Studie in diesem Feld vonnöten sind, um genauer die Richtung der Revalorisierungsprozesse bestimmen zu können.
8.3 Ausblick Als Rahmen dieser Arbeit wurde ein interpretativer diskurslinguistischer Ansatz gewählt, der durch das Heranziehen einer theoretischen Basis zur adäquaten Interpretation der Diskursdaten exemplarisch von einzelnen Diskursausschnitten, die in größere Diskursbereiche zusammengefasst wurden, ausging, um auf das größere Diskursgefüge über das Andalusische zu schließen. Die Arbeit konnte dabei zeigen, dass eine eindeutige Veränderung des Diskurses über das Andalusische zu beobachten ist, allerdings können mit der Methode dieser Arbeit keine verlässlichen Aussagen über die tatsächliche Perzeption der SprecherInnen in Bezug auf die Revalorisierungsprozesse gemacht werden. Die Ergebnisse zeigten eindeutige Tendenzen zur Revalorisierung des Andalusischen auf diskursiver Ebene auf, jedoch bedarf es weiterer Forschung, um das Bild zu erweitern und zu präzisieren. Durch die Ergebnisse der Arbeit eröffnet sich ein großes Feld weiterer Forschungsdesiderata, da die in dieser Arbeit erarbeitete Methode vor dem Hintergrund der indexikalischen Ordnung und des enregisterment dezidierte
8.3 Ausblick
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Einblicke in die Konstruktions- und Revalorisierungsprozesse des Andalusischen gibt, wobei mittels einer Ausweitung der Methoden und theoretischen Rahmenstellungen neue Erkenntnisse in Bezug auf den Gegenstand erzielt werden könnten. In diesem Zusammenhang könnten vor allem Studien, die mikrokontextuell ausgerichtet sind, weitere Erkenntnisse liefern. Hierbei wäre beispielweise denkbar, weitere soziolinguistische Forschung im Bereich der Perzeptions- sowie Laienlinguistik durchzuführen, damit nicht ausschließlich die disseminierten Diskurse, sondern auch die Sichtweise sowie die Valorisierung des Andalusischen der SprecherInnen selbst deutlicher analysiert werden können.245 In diesen Bereich fällt auch die tatsächliche Nutzung der Merkmale als Indices 3. Grades im mikrokontextuellen Bereich, was bedeutet, dass weitere Erkenntnisse über die tatsächliche Nutzung dieser Merkmale in Identitätsakten in konkreten Sprechsituationen sowie eine Analyse der Diskrepanz zwischen metasprachlichen Kommentaren und Bewertungen sowie dem tatsächlichen Sprachgebrauch zur weiteren Fundierung erforderlich wären. Darüber hinaus sind kritische Studien im Bereich der linguistic landscapes vonnöten, die den Blick von T-Shirts auf weitere Bereiche des Andalusischen in der Öffentlichkeit erweitern und somit zu einem genaueren Bild des Gebrauchs beitragen. Zudem wären quantitative Studien zur Kenntnis und Akzeptanz eines andaluz culto bzw. eines Regionalstandards sinnvoll, um klarer beschreiben zu können, welchen Einfluss der Diskurs auf die tatsächlichen sprachlichen Realisierungen der SprecherInnen hat. Zusätzlich wäre durch quantitative soziologische Studien zu ermitteln, inwiefern ein breiter Wunsch nach sprachlicher Autonomie besteht; hierunter wäre im Bereich der Sprachwissenschaft zu erforschen, ob die Aufwertung des Andalusischen mehrheitlich konzeptionell das Andalusische als spanische Varietät aufwertet oder ein stärkerer Fokus auf der Schaffung einer eigenen Sprache liegt. Auch wenn die Ergebnisse dieser Arbeit stark darauf hindeuten, dass weite gesellschaftliche Teile an der Revalorisierung
245 Hierbei ist die Arbeit von Harjus (2018) hervorzuheben, die Erkenntnisse in Bezug auf das in Jerez de la Frontera gesprochene Spanisch liefert. Wertvoll für die vorliegende Arbeit ist in diesem Zusammenhang vor allem das Ergebnis, dass die SprecherInnen ihre eigene Art zu sprechen valorisieren und sie vom sevillanischen Spanisch abgrenzen. Es handelt sich grundsätzlich um eine Studie im Bereich der Soziophonetik bzw. der Perzeptionslinguistik, sodass die Daten vornehmlich durch soziolinguistische Methoden gewonnen wurden. Eine Verbindung von perzeptiven Ansätzen (Was denken SprecherInnen über Merkmale?) mit solchen diskurslinguistischer Ausrichtung (Wie werden die Merkmale im Diskurs aufgegriffen und als Indices konkret verwendet?) würde daher komplementäre Ergebnisse liefern und ist für die Zukunft anzustreben.
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8 Das re-enregisterment des Andalusischen
des Andalusischen beteiligt sind, so wäre quantitativ zu ermitteln, ob die Mehrheit angibt, dass eine Revalorisierung des Andalusischen nötig sei. Die Exemplarität der Diskursausschnitte erfordert eine tiefere Analyse aller in dieser Arbeit zugrunde liegenden Diskursbereiche. In diesem Sinne kann beispielsweise ein stärkerer Fokus auf spezifische Genres (nur Reportagen/humoristische Videos etc.) oder gezielte soziolinguistische Forschung an Schulen (soziolinguistische Interviews, die Sammlung und Analyse der tatsächlich in der Mehrheit der andalusischen Schulen genutzten Schulbücher) für einzelne Bereiche genauere Ergebnisse liefern.246 Zusätzlich sind dezidierte Studien zur Salienz einiger Merkmale wünschenswert, da der Fokus der metapragmatischen Nutzung salienter Merkmale in vornehmlich geschriebenen Kontexten bei phonetischen, lexikalischen und morphosyntaktischen Merkmalen liegt, allerdings liegt es sehr nahe, dass auch die Prosodie einen großen Stellenwert in Bezug auf die Salienz hat, was aber nur selten in geschriebenen Diskursen – und in den in dieser Arbeit untersuchten Materialien meist durch die Verdreifachung der gleichen Grapheme – repräsentiert wird. Daher müsste in psycholinguistischen Experimenten genauer untersucht werden, welche Bereiche für die SprecherInnen selbst salient sind. Die interdisziplinäre Ausrichtung dieser Arbeit eröffnet nicht nur Forschungsfelder im Bereich der Sprachwissenschaft, sondern auch im Bereich der Anthropologie, Ethnologie, Sprachsoziologie, Politik- und Geschichtswissenschaften. Hierbei wäre zu untersuchen, welche Stellung Varietäten in Andalusien haben, wie Sprache und soziale Hierarchie in Andalusien vor allem im Hinblick auf die Revalorisierungstendenzen zusammenhängen oder aber welche politischen Prozesse in Bezug auf die Autonomie Andalusiens mit der Revalorisierung des Andalusischen einhergehen. Auch im Feld der Geschichtsforschung eröffnet diese Arbeit einen Forschungshorizont, da innerhalb dieser Forschung oftmals auch politische Entwicklungen betrachtet werden. Ein historischer Fokus auf die Stellung des Andalusischen bei der Herausbildung Andalusiens als partikuläre Kultur während der Entstehung des spanischen Nationalstaats sowie die Instrumentalisierung des Andalusischen in der Unabhängigkeitsbewegung gegen Ende
246 Es ist auf die 2019 eingereichte und verteidigte Dissertationsschrift von Paulsen (2019) hinzuweisen, in welcher die Prozesse des enregisterment der diskursiven Varietät des amerikanischen Englisch diachron anhand von metasprachlichen Diskursen in U.S.-amerikanischen Zeitungen nachgezeichnet und analysiert werden. Zentral hierbei ist vor allem das methodische Vorgehen, da die Arbeit quantitative und qualitative Methoden verbindet und somit methodisch komplementär zu der vorliegenden Arbeit zu sehen ist, da durch die Fokussierung auf einen Diskursbereich eine tiefergehende diachrone Analyse der Genese diskursiver Varietäten möglich wurde.
8.3 Ausblick
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des 19. Jahrhunderts würde die Forschung im Bereich metasprachlicher Diskurse ergänzen. Resümierend kann konstatiert werden, dass diese Arbeit gezeigt hat, dass vielseitige endogene Revalorisierungstendenzen über breite Gesellschaftsbereiche zu beobachten sind, im Zuge derer das Andalusische auf verschiedene Art als diskursive Varietät konstruiert wird. In diesem Zusammenhang ergibt sich ein gesellschaftliches Spannungsfeld zur Austarierung der Diskurshoheit über die legitime(n) Konstruktionsform(en) des Andalusischen, welches sich auf sprachstruktureller und -diskursiver Ebene materialisiert.
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Sachregister Abstraktion 5, 89, 94, 99, 100, 131, 133, 149, 151, 154, 167, 376 – -sgrad 153, 154 Allophonie 128, 318, 319, 341, 388 Andaluz culto 216, 217, 220, 260–266, 293–295, 321, 326, 339, 341, 347, 349, 350, 351, 372–374, 378, 382, 386, 389 Anonymität 66, 67, 100, 153, 256, 275, 336, 348, 349, 375 Apokope 40, 47, 49, 57, 187, 207, 187, 188, 208, 209, 223, 234, 250, 271, 286, 308, 378 Artefakt 17, 32, 164 Aufwertung 3, 6, 14, 24, 44, 67, 70, 71, 73, 114, 138, 142, 142, 144, 145, 158, 159, 169, 170, 375, 384, 386, 387, 389 Authentisierung 240, 380, 385 Authentizität 66, 104, 113, 153, 158, 169, 176, 181, 182, 195, 200, 202, 231, 239, 240, 241, 275, 381 Autorität 6, 29, 106, 219, 228, 254, 255, 261, 319, 324 Bedeutung 3, 7, 10, 14, 16, 17, 20, 25, 26, 34–36, 39, 41, 43, 49, 61, 64, 71, 74–82, 87, 88–91, 100, 102 – denotative 75, 76, 81, 125, 130, 131, 152, 153 – metaphorische 75, 167, 318, 347 Behauchung 40, 43, 44, 47, 49, 50, 53, 54, 55, 56, 187–189, 207–210, 223, 234, 250, 264, 265, 271, 286, 288 Buen uso/Bon usage 124, 259, 260, 343 Ceceo 7, 8, 40, 50, 75, 111, 127, 187, 197, 204, 223, 234, 250, 264, 270, 280, 308, 331, 344, 359, 361, 378 Charakterologische – Eigenschaften 1, 5, 6, 8, 9, 31, 36, 59, 67, 97, 103, 106, 111, 119, 123, 126, 129, 134, 136, 152, 166, 180, 188, 191, 193, 195, 202, 235, 250, 258
https://doi.org/10.1515/9783110659771-011
– Figuren 80, 95, 97, 137, 143, 146, 148, 177, 193, 198, 203, 239, 260, 306, 307, 336 Complejo de inferioridad 205, 207, 212, 285 Deaffrizierung 40, 58, 187–189, 190, 209, 210, 234, 250, 271, 286, 308, 310, 333, 343, 378 Deanonymisierung 100 Demarkation 14, 147, 151, 153–156, 172, 199, 235, 239, 311, 351, 352, 360, 361, 370, 371, 377, 381 – -sgrad 154 Denotation 80, 83, 127 Deregisterment 141–144, Dialekt 7, 11, 14, 27, 32, 41, 44, 59, 65, 74, 78, 84, 97, 99, 100, 104, 112, 117, 131, 139, 143, 155, 309, 316, 317, 319, 330 Dialektaufschrift 27 Dialektwörterbuch 41, 101, 131, 139, 140, 180 Diamesie 120, 266 Dichotomie 4, 66, 69, 74, 85, 124, 140, 178, 181, 257, 352, 382 Diskurs 15, 17, 18, 21–24, 31, 32–37, 62, 63–67 – -traditionen 63 Diskursive Konstruktion 114–133, 375–383 Diskurslinguistik 11, 13, 19, 24, 32, 33, 35, 36, 37, 156, 163, 405, 406 Distanzsprache 272, 291, 328, 339, 344 Distinktion 9, 51–53, 71, 88, 132, 145, 147, 169, 180, 213–>219, 231, 250, 251, 258, 286, 294, 336, 341, 352, 360–366, 370 Distribution 58, 89, 132, 135, 176, 296, 309, 344, 363 Divergenz 201, 217 Einregistrierung 133, 149, 384 Elision 40, 45, 47, 50, 190, 238 Elite 10, 22, 88, 103, 230, 257, 302 Endogen 3–9, 136, 149, 169, 171–174, 236, 238, 240, 241, 243, 256, 258, 265–267, 272–277, 294, 296, 302, 339, 345, 347, 350
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Sachregister
Enregisterment 60–74, 89–118, 124, 133, 134, 135–159, 375–388, Erhaltungsphase 141 Ethnolekt 124 Evaluationsschemata 158, 243, 295, 296 Exogen 6–9, 24, 69, 71, 136, 138, 173, 174, 196–199, 239–241, 257, 262–265, 272, 273, 302, 314, 323, 350, 368, 370, 373 Expansionsphase 141 Französisch 21, 72, 124, 179, 315, 316, 337, 366, 368, 369 – akadisches 20, 21 Grammatik 4, 30, 33, 74, 81, 84, 88, 121, 127, 129, 130, 255, 308, 314, 342, 355, 360, 364, 368, 369, 370, 371, 373, 397, 406 – interne 4, 130 – historische 4, 5, 19, 24, 83, 86, 102, 103, 109, 114, 121, 130, 136, 141, 158, 173, 219, 278, 292, 308, 309, 317, 318, 324, 330, 390, 397, 398, 405 Graphie 6, 13, 16, 17, 30, 32, 39, 55, 68, 101, 111, 129, 130, 152, 186, 187, 190–199, 203, 208, 209, 223–230 Gruppenkonstitution 101, 124 Habla 2, 3, 25, 28, 30, 41, 43, 53, 140, 154, 171, 202, 203, 204, 205, 206–207, 210, 211, 216, 220–222, 232, 233, 243–249, 257 Hablas andaluzas 3, 28, 154, 164, 166, 332, 345, 349, 394, 398, 403 Hegemonie 182, 352, 353, 354, 387, 388 Heheo 47, 50, 205, 207, 211, 234, 280, 309, 344, 357, 359, 361 Historische Sprache 4, 5, 19, 24, 86, 109, 114, 121, 130, 136, 158, 173, 219, 278, 292, 309, 317, 318, 324, 390, 397 Hyperkorrektur 87, 240 Identität 1, 3, 8, 9, 14, 15, 19, 20, 22, 25, 29, 61, 67–73, 82–104, 110–113, 119, 124, 138, 141–147, 152, 155, 158, 377–383
– -sakt 19, 68, 72, 73, 145, 159, 196, 200, 223, 224, 231, 264, 265, 287, 295, 311, 368, 389 – -sstil 15 Ideologie 1, 5, 8, 9, 10, 14, 17, 20–26, 32, 36, 61–68, 78–81, 85, 91–99, 107, 109, 116, 119, 129, 132, 133, 140–148, 154, 156, 163–167, 367, 373–385, 400–407 – Sprach- 1, 8, 9, 14, 20, 23, 26, 32, 36, 61, 62, 63, 99, 133, 156, 163, 164, 166, 167, 376, 383 – Standardsprach- 26, 66, 127 – graphische 67 Index/Indices 6, 37, 76, 77, 82, 85–89, 94–96, 98, 115, 116, 136, 148, 172 Indexikalische Ordnung 11, 32–36, 60–62, 73–93, 95–117, 135, 137, 144, 148, 377, 382, 388 Indexikalische Überlappung 102, 103, 113, 137, 151, 152, 194, 211, 236 Indexikalisches Feld 102–104, Indexikalität 8, 18, 33, 36–39, 59, 60–99 – -sgrad 8, 33, 86–89, 93–101, 107, 110, 111, 113, 114, 131, 137, 139, 140, 143, 144, 148–155, 157–159, 167, 171, 172, 178, 378, 379, 389 – -sstufe 89, 94 – Textual- 151, 235, 236, 241, 311, 358, 360 Institutionalisierung 30, 64, 83, 84, 93, 133, 135, 178, 296, 300, 343, 344, 347, 352, 365, 373, 376, 378, 398 – sprachideologische 93, 133, 135, 376 Italienisch 368, 369 Kapital 3, 15, 22, 85, 120, 175, 176, 181, 218, 219, 229, 230, 231, 254, 257, 299, 328, 336, 340, 346, 351, 364, 376 – symbolisches 3, 120, 152, 154, 155, 156, 218, 219, 330, 336, 351, 366, 369 Kapitalismus 15, 85, 175, 176, 230, 231, 299 Kastilisch 2, 7, 10, 41, 42, 54, 55, 72, 86, 107, 108, 109, 110, 111, 115, 123, 154, 194, 238, 289, 323, 332, 333, 334, 335, 336, 337, 339, 340 Katalanisch 2, 72, 75, 108, 109, 110–112, 121, 368, 369
Sachregister
Ko-Okkurrenz 9, 77 Kommodifizierung 7, 11, 27, 28, 29, 139, 178, 179, 180, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 193, 195, 197, 199, 200, 231, 311, 380, 381, 385 Konnotation 23, 72, 81, 84, 90, 95, 151, 153 Kontext 2, 11, 14, 15, 16, 19, 20, 21, 32, 34, 37, 48, 59, 74–105 – mikrosozialer 20, 35, 78, 110, 146, 149 – makrosozialer 19, 20 Kontinuum 2, 21, 32, 39, 42, 43, 45, 60, 69, 85, 94, 97, 99, 102, 117, 132, 152, 153, 154, 156, 157 – Varietäten- 1, 42, 43, 60, 117, 152–154, 156, 157, 177 Konvergenz 44, 45, 58, 99, 298, 349 Korpusplanung 344 Kotextualität 81 Laienlinguistisch 124, 139, 212, 213, 389 Lambdazismus 252 Lateinamerika 30, 56, 103, 213, 254, 329, 330, 335–337, 341, 353, 372, 382, 386, 387 Lebensstil 104 Legitimation 23, 63, 142, 171, 219, 229, 242, 251, 252, 254, 255, 256, 298, 301, 320, 321, 322, 323, 324, 328, 340, 387 Legitime Sprache 22, 106, 228, 258, 294, 337, 343, 352, 374 Markt 89, 90, 180, 279, 296 – sprachlicher 90 Merkmale 39–59, 73–93, 191, 207, 222, 233, 249, 264, 272, 285, 308, 332, 345, 358, 378 – aktive 46, 141 – postaktive 141, 236 – inaktive 141 – in praesentia 186 – in absentia 186 – saliente, 1 6–8, 11, 13, 16, 20, 27, 29, 43, 44–50, 59, 60, 68, 71, 73, 96, 98, 100–107, 112–115, 119, 131–133, 142, 207, 222, 233, 249, 264, 272, 285, 308, 332, 345, 358, 378
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– phonetische 8, 39, 41, 44, 45, 46, 47, 101, 143, 152, 163, 383, 390 – morphosyntaktische 41, 115, 190, 321, 360, 390 Metadiskursiv 49, 84, 96, 100, 105, 117, 123, 127, 129, 131, 137, 138, 149, 168, 172, 182, 191, 192, 211, 234, 235 Metapragmatisch 1, 7, 20, 22, 27, 28, 29, 31, 39, 45, 71, 73, 77, 78, 79, 80, 81, 87, 88, 96, 100, 101, 113, 117, 125, 126, 128, 131, 132, 139, 140, 141, 145 Metasprachlich 26, 27, 32, 40, 41, 59, 60, 63, 71, 96, 102, 116, 117, 127–135, 138, 141, 152, 153, 161–165, 375, 376, 379, 382–384, 389, 390 Modalidad/Modalität 2, 3, 25, 40, 171, 260, 261, 269, 277–281, 308, 332, 393, 399 Mündlichkeit 111, 226, 324, 364, 365, 366, 369, 372 – konzeptionelle 111, 226 Nähesprache 53, 215, 291 Nasalierung 96, 309, 311, 363 Naturalisierung 66, 67, 83, 85, 153, 192, 196, 373 Nivellierung 44, 107, 298, 319 Norm 8, 33, 65–67, 75, 79, 85, 87–99, 105–111, 123–129, 141–143 Normalisierung 109, 218, 319, 344, 365 Normativisierung 177 Opposition 40, 47, 48, 49, 51, 52, 56, 57, 103, 140, 238, 255, 266, 320, 335, 338 – phonologische 40, 47, 48, 48, 335 Ordnungen der Indexikalität 85, 105 Orthographie 16, 30, 68, 111, 152, 383, 387 Ostandalusien 44, 47, 53, 55, 205, 292, 298, 309 Palatalisierung 45, 46, 308, 309, 333 Performanz 42, 78, 87, 98, 104, 110, 118, 119, 129, 142, 144, 146 – Identitäts- 87, 98, 104, 110, 119, 144 Phase – Erhaltungs- 141 – Expansions- 141
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Sachregister
– rezessive 141 – transgressive 141 Personentyp 147 Phonemsystem 128 Plurizentrik 70, 128, 348, 406 Praktik 19, 60, 61, 66, 83, 104, 106, 113, 122, 123, 124, 125, 126, 136, 141, 151, 153, 286 – diskursive 61, 66 – stilisierte 98, 104, 119, 148, 394 – stilistische 104, 106, 113, 151, 153 – soziale 19, 123, 124, 125, 125 Prestige 3, 20, 22, 44, 50, 52, 55, 57, 87, 103, 105, 106, 110, 118, 121, 122, 139, 141, 382 – overt 106 – covert 106, 193 Re-enregisterment 9, 11, 32–36, 61, 89, 91, 93, 141–150, 156–166, 375–390 Received Pronunciation 115, 135, 136, 138 Register 5, 8, 9, 61, 84, 88, 93–133 – Diskurs- 119 – Handlungs- 119 – emblematisches 7, 154, 379 – Sub- 120, 122 Reifikation 4, 6, 17, 18, 25, 26, 37, 65, 100, 119, 120, 126, 132, 152, 156, 157, 161, 165, 167, 376, 379 Repräsentation 7, 14, 16, 31, 68, 79, 111, 112, 129, 130, 138, 154, 157, 375, 379, 384, 387 – Dialekt- 112 Revalorisierung 1, 2, 3, 7, 11, 16, 21, 22, 24, 28, 31, 35, 36, 37, 39, 64, 70, 72, 73, 89, 91, 104, 105, 112, 118, 121, 122, 135, 136, 145, 148, 149, 150, 151, 375–388 Ritual 82, 83, 85, 129 Salienz 1, 6, 7, 8, 11, 13, 16, 20, 27, 29, 43–47, 50, 59, 60, 67, 68, 71, 73, 96–98, 100–103, 107, 112, 113, 115, 117, 119, 131, 132, 133, 141, 390 Schicht 5, 14, 24, 50, 55, 58, 66, 75, 78, 84, 91, 108, 109, 110, 120, 122, 138, 145, 149, 380, 386, 388 Schule 11, 28, 29, 109, 136, 139, 380, 382, 386, 390
Seseo 40, 50–53, 103, 187, 188, 207–209, 223, 234, 250, 264, 271, 285, 286, 308, 333, 343, 345, 359, 378 – Rahmensetzung 42, 174 Shibboleth 115, 116, 117 Silbe 45, 49, 237, 238 – Koda 45, 47, 49, 57, 223, 231, 238, 264, 271, 286, 288, 309, 315, 316, 330, 343, 344, 345, 378, 379 – Nukleus 48 – Onset 49 – -nstruktur 45 Soziale Person 136, 146, 147, 149, 153, 154 Sozialer Raum 73, 74, 79, 81, 83, 84, 85, 87, 98–100, 101, 104, 106, 113, 130, 136, 145, 146, 157, 375, 377, 381 Soziolinguistik 6, 13, 16–19, 22, 25, 37, 73, 74, 101, 132, 133, 145, 180, 181, 296, 297, 303, 326, 328, 340 Sprach – -gebrauch 125, 132, 146–149, 376, 382, 389 – -gemeinschaft 8, 9, 44, 113, 254, 299, 367 – -geschichte 5, 54, 318, 373, 394, 395 – -planung 297, 300, 341, 342, 343, 347, 398 – -politik 109, 177, 342, 352 Sprech – -akt 4, 10, 100, 110 – -weise 28, 43, 71, 103, 117, 118, 129, 138, 139, 145, 148–150, 159, 164–166, 169, 170, 172, 173, 175, 178, 375, 377, 382, 385, 387 Standard – -sprache 5, 7, 10, 42, 45, 66, 67, 79, 84–87, 95, 104, 107, 111, 121–123, 127, 130, 136, 143, 175, 176, 382 – -varietät 1, 25, 26, 86–88, 99, 106, 109, 111, 118, 122, 124, 136, 151 – -spanisch 3, 4, 14, 25, 31, 40, 48, 68, 95, 103, 104, 106, 108–111, 128, 151, 169, 380–382, 385 Stereotypen 6, 75, 76, 93, 98–100, 119, 146–148, 163, 380, 381, 385 – metapragmatische 125 Stil 22, 34, 98, 104, 116, 117–119, 155 Stilisierung 101, 148, 149, 314 Stratum 1, 50, 53, 77, 85, 118, 123, 150, 166, 172, 173, 375, 377, 380, 381, 382, 386
Sachregister
Strukturalismus 73 Symbolisch – -e Funktion 152, 154, 156 – -es Kapital 3, 120, 152, 154, 155, 156, 218, 219, 330, 336, 351, 366, 369 Taxonomie 8, 33, 76, 93, 95, 101, 113, 149, 150 Text 16, 18, 19, 21, 22, 27, 31, 33–37, 63, 68, 125, 126, 129 – Ko- 80, 81 Textualität 122 – Inter- 36, 67, 114 – Trans- 18, 33, 34–37, 166, 175 Varianz 39, 41–43, 46, 47, 53, 55, 75, 77, 79, 86–88, 94–96, 98, 101, 107, 111, 113 – stilistische 22, 98 Variation – graphische 16, 17, 67, 151, 218 – strukturelle 1, 3, 7, 8, 14, 26, 39–58, 73, 116–118, 127, 132, 133, 151, 152, 153–156, 375, 376, 379, 387 – -slinguistik 14 Varietät – strukturelle 7–9, 11, 15, 26, 39–44, 59, 112, 116–118, 127, 131–133, 140, 142, 150–158, 166, 375–377, 379, 382, 387, 391 – diskursive 7–9, 24–26, 59–63, 66, 93–113, 114–132, 135–144, 149–159, 160–168, 375–391 – diatopische 1, 2, 5–7, 9, 15, 25, 28, 39, 40, 43, 45, 61, 66, 70, 79, 85–87, 97, 99–101, 105, 106, 108, 111, 112, 118, 121, 130, 132, 138, 140, 149, 150, 370 – diastratische 1, 2, 5, 9, 25, 43, 97, 100, 101, 104, 112, 118, 132, 138 – Prestige- 44, 118, 139
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– Norm- 40, 46, 49, 51, 52, 55, 66, 67, 75, 79, 85, 87, 99, 104, 106, 108, 110, 111, 120, 123, 124, 127, 141–142, 173, 176, 380 Verknüpfungen – charakterologische 22, 122, 150, 172, 385 – indexikalische 76, 94, 95, 113, 114, 150, 151, 164, 166, 169 Wahrnehmungsschemata 158, 177 Wellenmodell 19, 20, 132, 303 Wert – kapitalistischer 175, 176, 230 – konnotativer 90 – identitärer 70, 155, 169, 380, 381, 384 – sozialer 1, 10, 20, 81, 82, 87, 88, 116, 127, 150, 156, 158, 172, 173, 377, 381, 382, 386 Westandalusien 44–47, 55, 205, 298 Wissen – -sbestand 65, 65, 171, 321, 322 – -sgenerierung 23, 64, 65, 171, 178 – -sproduktion 4, 64 Yeísmo 40, 56, 57, 231, 280, 282, 286, 308, 309, 329, 332, 333, 339, 343, 345, 378 Zeichen – indexikalisches 60–62, 73–91, 87, 103, 104, 111, 134, 139, 143, 144, 150 – sprachliches 16, 61, 73, 74, 75, 76, 93–111, 134, 139, 143, 144 Zentrierende Institutionen 106, 107, 114, 193, 214, 258, 340, 341, 342, 342 Zentrum – normatives 297, 329, 349