Kypros: Teil 2 Religionsgeschichte und Mythen [Reprint 2019 ed.]
 9783111607238, 9783111232072

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KV mos. EINE MONOGRAPHIE VON

WILH. HEXNR.

ENGEL.

ZWEITER THEIL.

BERLIN, BEI

G.

REIMER.

ISI1.

Drittes Buch,

Religionsgeschichte und Mythen von

K y p r o s.

ii.

Der Kult der

Aphrodi

Der Kult der Aphrodite.

ERSTEH

ABSCHNITT.

Geschichtliche

Einleitung.

Von der Kenntniss des Landes und Volkes von Kypros rouss die richtige W ü r d i g u n g seiner Mythen und religiösen Anschauungen ausgehen. Mythen und Religion sind durchaus ein Erzeugniss der Verhältnisse? unter denen ein Volk lebt, seiner D e n k - und Sinnesweise: ohne Kenntniss der Geschichte und Zustände eines Volkes bleibt uns seine Religion, eine Offenbarung des Volksthums, unverständlich. W i e also die Geschichte uns die Mittel an die Hand giebt, die r e ligiösen Zustände eines Landes zu erkennen, ebenso müssen auch wieder Religion und Mythen dort, w o andere Kenntnisse uns mangeln, die Geschichtsurkunde des geistigen Lebens eines Volkes sein, denn die Grundideen des Kultus stehen mit dem Geiste des Volkes in Uebereinstimmung. Der Kultus der A p h r o d i t e ist d e r Ifauptkult des Landes und der Mittelpunkt, um welchen sich alle Mythen, das ganze Kultwesen und das gesamte geistige Leben der Kvpiier d r e h t ; ihn richtig zu w ü r digen und zu verstehen, zu z e i g e n , wie e r das g e worden, was er war, daraufkommt hier Alles an. W e n n wir erfahren haben, wie e r geworden und wie er sich

6 gebildet habe, dann werden w i r auch verstehen, w a s er geworden. Aus der Geschichte des L a n d e s halten wir e r s e hen, dass es vornehmlich drei Volksstämme gewesen, welche auf Kypros eingewirkt haben, P h ö n i k e r , P h r y g e r und G r i e c h e n . Zugleich haben wir dort aber auch erfahren, dass nicht alle von ihnen, was sie als geistiges Eigenthum mitgebracht hatten, in Selbständigkeit und Reinheit bewahrten, wie es unter ähnlichen Verhältnissen anders wo zu geschehen pflegt, sondern dass der Phöniker und P h r y g e r ganze N a t i onalität physisch und geistig in der drilten, von w e l cher sie bewältigt wurden, aufging. So sind auch die Mythen und religiösen Vorstellungen der unterliegenden Phöniker und P h r y g e r von dem siegenden Stamme der Griechen theils ganz verdrängt, und dies ist die grössere Masse, theils in seinem Sinne umgebildet worden. Alles trägt in geschichtlicher Z e i t auf K y pros ein griechisches G e w a n d , wie sehr es auch im Laufe der Zeit durch die Verbindungen mit so vielen und verschiedenen Völkern und durch die innere E r schlaffung verblichen sein mochte. Die griechischen Pflanzungen, g r ö s s t e n t e i l s in Theilen des Landes ursprünglich angelegt, wo keine phönikische .llacht zu finden ist, müssen nach allen Anzeichen rasch zu g r o sser Blüthe und Kraft erwachsen sein, und schon früh in jugendlicher Ueppigkeit und S t ä r k e die phönikischen Bestandtheile überwuchert haben. Elemente, welche sich nicht passend aufnehmen liessen, mussten absterben; und natürlich traf das Loos mehr die phönikischen als die den Griechen verwandten griechischen Ideen. E s ist aber rathsam, dass w i r bei den in Rede stehenden drei Völkerstämiuen selbst die religiösen

7 Vorstellungen aufsuchen und uns vergegenwärtigen, welche von den Auswanderern und Kolonisten derselben auf Kypros eingeführt wurden. Kurze Angaben davon werden hinreichen. 1. D i e

semitischen

Völker.

Statt auf die l'höniker allein, thun wir hier einen ßlikk auf die verschiedenen Völker des semitischen Stammes, welchem die Phöniker auch angehören, weil uns dies die Uebersicht der verschiedenen Kultverhältnisse erleichtern wird. Diese Völker erstrekkten sich bekanntlich westlich in Kleinasien bis an den Halys und die syrische Küste des Mittelmeeres, östlich bis an den T i g r i s , südlich bis an das erythräische Meer, nördlich bis an die armenischen Gebirge. Der religiöse Glaube dieser Völker schloss sich eng an den Dienst der Sternmächte an, indem man den Gestirnen den entschiedensten alleinigen Einfluss auf die Natur zuschrieb, wobei ihre religiöse Empfindung dein eigentlichen N'aurleben und einem seelenvoll lebendigen Naturgefühl, wie es z. B. im benachbarten Kleinasien stattfand, und wobei das Bewusstsein sich in das mannigfaltige Spiel der W e l t - und Leben zeugenden Mächte versenkt, durchaus fremd blieb. Die Natur w a r ihnen nicht beseelt und belebt, sondern todt; die Macht kam ihnen von aussen und wurde hineingetragen; diese Mächte aber waren die Gestirne, durch welche das üeschikk verhängt w a r d , welches über allem Leben walte. Unter allen Himmelskörpern schien die Sonne am mächtigsten in ihren Einflüssen auf die Erde und alles L e b e n ; und deshalb wurde auch vorzugsweise ihr Verehrung geleistet. Nächst der Sonne schrieb man dem Monde die meisten Einwirkungen auf die E r d e

8 zu, und diesen hielt man daher nächst jener der höchsten Verehrung bedürftig. Beide dachte man sich .-ils d a s hohe himmlische P a a r , dem die L e n k u n g des G e schikkes und j e d e s L e b e n s auf der E r d e verfallen w ä r e ; die Sonne fasste man als den G o t t , den Mond als die G ö t t i n . W i e Babylon der Mittelpunkt der s e mitischen Völker, so war auch hier der religiöse Dienst derselben am meisten ausgebildet. Im Süden schlössen die Reihe derselben die A r a b e r ab, deren beide g r o s s e Gottheiten U r o t a l und AI i l a t , welche Herod o t ' ) anführt, auf nichts anders als Sonne und 31ond gedeutet werden können. Bei höherer Ausbildung des dortigen Gestirndienstes, vornehmlich unter fremden Einflüssen von Korden her, entwikkelte sich auch die Verehrung der Wandelsterne, und den Einflüssen d e r selben wurden auch auf das Menschenleben höhere und mächtigere Wirkungen zugeschrieben. Dadurch g e schah e s , d a s s , wenn auch in einer verhältnissmässig s p ä t e m Zeit; der Stern der Venus A l k b a r als Vorstand aller Angelegenheiten des Herzens und der Liebe verehrt ward. In Babylon finden wir die beiden g r o s s e n Gottheiten unter dem Namen des B e i und der M y l i t t a ? ursprünglich ebenfalls als S o n n e und M o n d zu fass e n , 5 ) Unter den Einflüssen des chaldäischen Gestirndienstes machte sich aber die Deutung auf die P l a n e t e n J u p i t e r und V e n u s geltend. Die älteste Geschichte des L a n d e s ist durchaus mythisch. An der S p i z e derselben stehen die beiden g r o s s e n Gottheiten als Herrscherpaar undGründer der Macht; ansieschliesst 1) H e r o d o t 3 , 8. Im Allg. S t u h r Religionsformen der heidnischen V ö l k e r , I 401. 406 und der ganze Abschnitt über die syrisch-chaldäischen Völker.

•i) Vgl. M u n t e r Religion der Babylonier S. 17 ff. Vgl. S . 4 1 .

9 sich wieder eine lange Reihe unbekannter und, meistens fabelhafter Könige, durch welche, zum Theil wenigstens,die Sage, wie sie pflegt, dieselben Gedanken auf verschiedene Weise ausspricht. Babylon selbst kündigt sich durch seinen Namen schon als Staat des B e i an, und das erste Herrscherpaar ist N i n u s und S e m i r a i n i s , beides nur andere Ausdrükke für die beiden grossen Gottheiten. W enn die Nachrichten über die älteren Zustände dieser Länder nicht so dunkel wären, so würden wir auch hier von ihnen, wie von den uns in diesem Punkte etwas bekannteren Phönikern versichert sein, dass dieselben grossen Gottheiten in den verschiedenen Landschaften und selbst Städten unter verschiedenen Namen, oft auch mit eigentümlicher Ausbildung ihres Wesens verehrt worden seien. Dahin gehören die IS amen Ad ad und A t e r g a t i s als Assyrische Gottheiten.') Eine besondere Form des männlichen [Gottes muss man auch im O a n n e s erkennen, welchen man sich fast ganz, als Fisch dachte, da die Fische der Gottheit als Symbole der Fruchtbarkeit geeignet waren. Wie die Sage den Ninus als Gründer und Herrscher des Reiches hinstellt, so lässt sie den Oannes jeden Morgen aus dem 31eere nach Babylon als Gesez.geber und Lehrer kommen ") Von der Semiramis ist schon gesagt worden, dass auch sie als eine solche Form der weiblichen Gottheit gel'asst werden muss, welche als Königin in ihren Thaten den Charakter des Kultus der Gottheit, den der Wollust und Blutdürstigkeit trägt. 5 ) 3) Maerobius Saturnal. 1, 23. 4) Vgl. B a u e r . Der Profet Jonas im assyr. babyl. Symbol, in Illgens Ztselir. für histor. Theologie Bd. 7. S. 88ff. 5 ) A t h e n a g o r a s llQicß. naü X » f t S , 271. H e c h e n b e r g .

yciT>](i iys AtQxajcZs £(yi(!u/uis ¡.uyvos yvv'r, xul/jicuifoms idc£i X

10 Ihr Name bedeutet im Syrischen laut Diodor und H e sychios so viel als Taube des B e r g e s , jenes Thier, welches der Göttin vor allein heilig ist. Tauben sind es d a h e r , welche die Herrscherin Semiramis, als sie in ihrer Kindheit in einer öden Gebirgsgegend ausg e s e z t war, wunderbar ernährten, und wiederum, als sie ihre irdische Laufbahn vollendet hatte, soll sie in Gestalt einer Taube weggeflogen sein. W i e aber der Alythos in seiner versinnlichenden und personilizirenden W e i s e mythische W e s e n , welche dasselbe, oder verschiedene Seiten desselben ausdriikken, in das Verhältniss von Aeltern. Kindern und Geschwistern sezt, so giebf er auch hier der Serairamis die Fischgöttin D e r k e t o zur Mutter. Die Fische sind aber nach speziell phönikischer und allgemeiner Auffassung der semitischen Völkerschaften der grossen weiblichen Naturgottheit als Symbol der Fruchtbarkeit geheiligt, und somit konnte der Semiramis mit F u g und Recht die Fischgöttin zur Mutter gegeben werden. In g e schichtlicher Auffassung liess man sie aber die Gründerin der Tempel ihrer Gottheit sein nach jenem V e r fahren, nach welchem in den Mythen und S a g e n die Gottheiten sich selbst oder durch mythische W e s e n , welche in ihrem Sinne handeln, ihre Tempel gründen. Daher nennt die S a g e die Semiramis Erbauerin der grossen Tempel zu Bambyke und des zu Askalon, w c l öioS' x«i diu irtv AtQxtva xai Tai nfQienQui xal lijv Siu.inau.iv ffffioveiv. D i o d o r 2, 4 und 20. Laktanz 1 , 1 5 . Ueber den Stamm des Wortes Semiraniis sagt P o t t Etymol. Forsch.'2, 181. W e n n Stfj.iQa.fug ein Name Arischen, und nicht, was mir unwahrscheinlicher dünkt, Semitischen Ursprungs i s t , so liessesichan d ispers. Z e r n i n (terra) und etwa Sanskr. r a m , woher arama (gaudium), •welches aber im Pers.'in seiner Bdtg eine andre Wendung (quies) genommen hat, denken.

11 eher für die pliönikischen Völker der Haupttempel w a r . W i e Ktesias berichtet, w u r d e sie nach ihrem V e r schwinden als Göttin v e r e h r t , und laut A t h e n a g o r a s ebenso bei den S y r e r n . F ü r Phönikien und S y r i e n lässt sich L u k i a n s b e kannte Schrift über die S y r i s c h e Göttin s e h r w e n i g b e n u z e n , da sie die dortigen Heiligthiiiner in einer Z e i t schildert, w e l c h e der, die hier in Betracht kommt, sehr w e n i g mehr ä h n e l t , sondern in w e l c h e r schon längst die allgemeine Vermischung der Religionen e i n g e t r e t e n w a r , P r a g m a t i s m u s , Euhemerisnius, S y n k r e tismus, philosophische L e h r e n und Aberglauben j e g l i cher A r t sein W e s e n g e t r i e b e n , und das U r s p r ü n g l i che fast bis z u r Unkenntlichkeit entstellt hatten. D i e Grundformen des Kultus dieser Küstenvölker w a r e n g a n z dieselben w i e j e n e in B a b y l o n , mit denen auch die Heiligthümer, w i e aus den S a g e n von der Serniramis erhellt, mythisch verbunden w u r d e n , denn sie sollte den g r o s s e n T e m p e l zu Askalon g e g r ü n d e t h a ben und a n d e r e s mehr. Die N a m e n , unter w e l c h e n die beiden g r o s s e n Gottheiten in den syrischen L ä n dern vorkommen, sind B a a l u n d B a a l t i s : für l e z t e r e ist aber der phönikische Name A s t a r t e berühmter und geläufiger g e w o r d e n , weil durch die P h ö n i k e r und ihre Kolonie die Göttin ihre g r o s s e V e r b r e i t u n g erfuhr. B a a l bedeutet H e r r und Gemal, welchem Baaltis a l s Gemalin z u r Seite steht. Ueber Astarte hat man viele und verschiedene D e u t u n g e n versucht, von denen v i e l leicht aber noch keine g a n z g e n ü g e n möchte. A s t a r t e ist nur die griechische Form der pliönikischen B e n e n n u n g A s t a r o t h , w e l c h e auch so in d e r Bibel vorkommt, und hat die A u s l e g e r an d a r f a S t e r n erinnert")* 6) E u s e b i u s Praep. evang. 1 , 10,

Buch der R i c h t e r

12 Den Grund zu dieser Benennung fand man in dem Glauben, die Astaite bezeichne ursprünglich den V e nusstern; allein diese Bedeutung ist ihr erst später durch chaldäischen Sterndienst, wie der babylonischen Mylitte zugekommen ; ursprünglich bezeichnet sie einfach den Mond, und steht als solche dem Baal, der Sonne, zur Seite. Von der griechischen Bedeutung des W o r t e s ausgehend, suchte Hammer in den F u n d gruben des Orients den Stamm des Namens im Persischen, und legt auch in dieser Sprache ihm die B e deutung Stern bei. Von den verschiedenen Formen der Göttin hieselbst sind besonders folgende anzuführen. Den Namen der D e r k e t o zu Askalon kennen wir als Mutter der Semirainis. Sie wurde als Fisch vorgestellt, w i e in Babylon der Oannes. Es gab aber auch in Syrien einen eigentlichen Fischgott Namens D a g o n . Die Beziehungen auf Fisch und Wasser kommen bei allen Formen der Golf heilen vor, deren berühmteste Tempel ausser Askalon zu Heliopolis oder Balbek, welches sich in seiner semitischen wie griechischen Benennung als Sonnenstadt oder Stadt des Baal v e r kündigt; dann zu Emesa, Palmyra, Bambyke, wo überall der Kult der Gottheit unter den entstelltesten, abergläubigsten und lächerlichsten Gebräuchen gefeiert •wurde. Ausser den hier genannten mögen die beiden Gottheiten noch unter sehr verschiedenen Namen und 2, 13. H e r o d i a n 5 , 6. 'polvixte AOTQOÜ^T]v ovo/xatyivGi, ffflijvrpi ilvai Sih>VTiS: af^iti^iiv Tcivvv Xiyrnv o 'AvruivlvoS ycifiov >jliou xal eil l, vtjS. G r a m e r A n j k d o t a "23, 335 JCTÜQT)] tanv tidaiiov ovofxa : Xtytnei dt ccno ¡¿tTAYCQÜS TOU aOTQov, darljQ ytiQ ienv iv Ttut TO ti