Kunstwerte im Wandel: Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925 bis 1955 9783050050805, 9783050050799

Obwohl der materielle Wert von Kunst vielfach zum Thema einer sensationsheischenden Presseberichterstattung gemacht wird

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Table of contents :
VORWORT
DANK
Einleitung
Forschungsstand und Quellen
Ökonomische Betrachtung des Kunstmarkts
Kunst als Wirtschaftsgut
Preisbildungsmechanismen im Kunstmarkt
Ideelle und materielle Werte
Die Preisentwicklung der deutschen Moderne
Erläuterung der statistischen Vorgehensweise
Der nationale Kunsthandel zwischen Währungsreform und Weltwirtschaftskrise: 1925-1933
Die deutsche Moderne: International ignoriert?
Veränderungen im Kunstbetrieb zu Beginn des Nationalsozialismus: 1933-1937
Der Handel mit »entarteter« Kunst im »Dritten Reich«: 1937-1945
Auswirkungen der NS-Kunstpolitik auf den internationalen Markt
Ein Symbol für Freiheit und Demokratie: 1945-1955
Der internationale Kunstmarkt: Etablierung statt Neuanfang
Einzelne Stilrichtungen und ihre Vertreter im Überblick
Max Liebermann - Ein deutscher Malerfürst wird »staatenlos«
Lovis Corinth - Das »gesunde« und das »krankhafte« Werk
Fazit: Die deutschen Impressionisten
Emil Nolde - Der »große alte Mann« der deutschen Kunst
Franz Marc - »Wegbereiter der nationalen Revolution«
Ernst Ludwig Kirchner - Isoliert oder geschützt?
Erich Heckel - »Entartet«, aber geduldet
Fazit: Die deutschen Expressionisten
Lyonel Feininger - »Living American«
Paul Klee - »Nach wie vor Number One German Artist«
Oskar Schlemmer - Protest und Tarnung des Eigentlichen
Fazit: Die Meister der Bauhaus-Schule
Max Beckmann - Selbstbildnis im Smoking
Otto Dix - »Der Stuck von heute«
George Grosz - Ein Aufbruch in letzter Sekunde
Fazit: Die Künstler der Neuen Sachlichkeit
Der Markt der deutschen Moderne von der Weimarer Republik bis zur Nachkriegszeit
Die Bewertung der Preisfrage und ihre Bedeutung für Restitutionsansprüche
Stationen der Preisentwicklung - Eine Zusammenfassung
VERZEICHNIS DER ARCHIVE UND KUNSTPREISVERZEICHNISSE
VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN LITERATUR
VERZEICHNIS DER WEITERFÜHRENDEN LITERATUR
ABBILDUNGSNACHWEIS
REGISTER
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Kunstwerte im Wandel: Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925 bis 1955
 9783050050805, 9783050050799

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K U N S T W E R T E IM W A N D E L DIE PREISENTWICKLUNG DER DEUTSCHEN MODERNE IM UND INTERNATIONALEN KUNSTMARKT

NATIONALEN 1 9 2 5 BIS

1955

SCHRIFTEN DER F O R S C H U N G S S T E L L E »ENTARTETE KUNST« BAND VII

K U N S T W E R T E IM W A N D E L DIE PREISENTWICKLUNG

DER DEUTSCHEN MODERNE

UND INTERNATIONALEN GESA

JEUTHE

Akademie Verlag

IM

KUNSTMARKT

NATIONALEN 1925

BIS

1955

INHALT

VORWORT

VII

Christoph Zuschlag DANK

XI

Einleitung

1

Forschungsstand und Quellen

6

Ökonomische Betrachtung des Kunstmarkts

15

Kunst als Wirtschaftsgut

15

Preisbildungsmechanismen im Kunstmarkt

16

Ideelle und materielle Werte

20

Die Preisentwicklung der deutschen Moderne

29

Erläuterung der statistischen Vorgehensweise

29

Der nationale Kunsthandel zwischen Währungsreform und Weltwirtschaftskrise: 1925-1933

32

Die deutsche Moderne: International ignoriert?

45

VI

Inhalt

Veränderungen im Kunstbetrieb zu Beginn des Nationalsozialismus: 1933-1937

52

Der Handel mit »entarteter« Kunst im »Dritten Reich«: 1937-1945

62

Auswirkungen der NS-Kunstpolitik auf den internationalen Markt

76

Ein Symbol für Freiheit und Demokratie: 1945-1955

89

Der internationale Kunstmarkt: Etablierung statt Neuanfang

101

Einzelne Stilrichtungen u n d ihre Vertreter im Überblick

123

M a x Liebermann - Ein deutscher Malerfürst wird »staatenlos«

123

Lovis Corinth - Das »gesunde« und das »krankhafte« Werk

136

Fazit: Die deutschen Impressionisten

147

Emil Nolde - Der »große alte Mann« der deutschen Kunst

149

Franz Marc - »Wegbereiter der nationalen Revolution«

164

Ernst Ludwig Kirchner - Isoliert oder geschützt?

174

Erich Heckel - »Entartet«, aber geduldet

186

Fazit: Die deutschen Expressionisten

193

Lyonel Feininger - »Living American«

198

Paul Klee - »Nach wie vor Number One German Artist«

210

Oskar Schlemmer - Protest und Tarnung des Eigentlichen

225

Fazit: Die Meister der Bauhaus-Schule

233

M a x Beckmann - Selbstbildnis im Smoking

235

Otto Dix - »Der Stuck von heute«

252

George Grosz - Ein Aufbruch in letzter Sekunde

268

Fazit: Die Künstler der Neuen Sachlichkeit

279

Der M a r k t der deutschen M o d e r n e v o n der W e i m a r e r R e p u b l i k bis zur Nachkriegszeit

315

Die Bewertung der Preisfrage und ihre Bedeutung für Restitutionsansprüche

315

Stationen der Preisentwicklung - Eine Zusammenfassung

317

VERZEICHNIS DER ARCHIVE UND KUNSTPREISVERZEICHNISSE

329

V E R Z E I C H N I S D E R A B G E K Ü R Z T Z I T I E R T E N LITERATUR

335

V E R Z E I C H N I S D E R W E I T E R F Ü H R E N D E N LITERATUR

373

ABBILDUNGSNACHWEIS

379

REGISTER

381

Vorwort

»Kunst = KAPITAL« schrieb einst Joseph Beuys auf einen Zehnmarkschein. Er hatte dabei wohl weniger das geldwerte Kapital im Sinn als vielmehr seine Uberzeugung, es sei das kreative Potenzial jedes Einzelnen, welches letztlich das Kapital einer Gesellschaft ausmache. Ein schöner, obendrein ein zeitlos aktueller Gedanke, gerade in einer Zeit, in der viel vom sogenannten Turbokapitalismus die Rede ist. Auch der aktuelle Kunstmarkt boomt in einer Weise, als habe es nie eine Wirtschafts- und Finanzkrise gegeben. Der internationale Auktionsmarkt vermeldet 2 0 1 0 wieder einmal Rekorderlöse: So wurden etwa A n f a n g M a i in N e w York über 1 0 6 Millionen US-Dollar für ein Gemälde von Picasso und A n f a n g Februar in London 65 Millionen Pfund für eine Plastik von Alberto Giacometti gezahlt. Nicht nur Kunsthistoriker schütteln ebenso ungläubig wie ratlos den Kopf: Lassen sich solche astronomisch hohen Summen außerhalb der reinen Marktgesetze rational begründen? Erscheint es nicht unmöglich, sie in eine sinnvolle Relation zur historischen Bedeutung und ästhetischen Qualität eines Kunstwerks zu setzen? In der Tat tut sich die akademische Kunstwissenschaft schwer mit dem Thema Kunst und Geld beziehungsweise Kunst und Markt, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die materielle Bewertung von Kunst nicht so recht zu einem idealistischen Kunstbegriff passen will.

VIII

Vorwort

Die jüngere kunsthistorische Forschung hat die Vermittlungsrolle von Kunsthändlern und Kunstsammlern für die Rezeption der ästhetischen Moderne verstärkt ins Blickfeld genommen. Dennoch fehlte bislang eine historische Betrachtung des Kunstmarkts, welche sich auf einer breiten empirischen Datenbasis mit der Entwicklung der Kunstpreise auseinandersetzt. Diese Lücke füllt die vorliegende Studie von Gesa Jeuthe. Sie untersucht die Preisentwicklung von Gemälden deutscher Künstler des Impressionismus, Expressionismus, des Bauhaus und der Neuen Sachlichkeit im nationalen und internationalen Kunstmarkt von 192.5 bis 1 9 5 5 . Dabei stehen solche Künstler im Zentrum, die im Nationalsozialismus als »entartet« diffamiert wurden. Hinsichtlich der Auswirkungen der Aktion »Entartete Kunst« auf den Kunstmarkt sind in der bisherigen Literatur nämlich Vorurteile weit verbreitet: So liest man immer wieder, der M a r k t für moderne Kunst sei in Deutschland 1 9 3 3 schlagartig zusammengebrochen, die deutsche Moderne habe vor 1 9 3 9 keinen internationalen Marktwert besessen, die als »entartet« beschlagnahmten Werke seien zu Schleuderpreisen verkauft worden und schließlich, erst die Diffamierung der modernen Kunst durch die Nationalsozialisten habe ihr nach 1 9 4 5 zu internationalem Erfolg verholfen. So pauschal treffen diese Aussagen, so das überraschende Ergebnis der Untersuchung, nicht zu. Teilweise ist sogar das Gegenteil der Fall! Die Autorin, die neben Kunstgeschichte auch Betriebswirtschaftslehre studiert hat, skizziert in einem einführenden Abschnitt die ökonomischen Bedingungen für den Handel mit Kunst und beschreibt die M a r k t f o r m , die Strukturen des Kunstmarkts und die Preisbildungsfaktoren. Im Kapitel »Die Preisentwicklung der deutschen Moderne« legt Gesa Jeuthe zunächst ihre statistische Vorgehensweise dar, welche die Grundlage ihrer Kunstmarktanalyse bildet. Diese basiert auf der statistischen Auswertung von Verkaufsdaten aus allen Kunstmarktsegmenten, Direktverkäufe durch die Künstler fließen also ebenso ein wie Galerie- und Auktionsverkäufe. Es folgt ein Abriss der Preisentwicklung der deutschen Moderne, der chronologisch in drei Abschnitte gegliedert ist, die sich an den politischen Systemen der deutschen Geschichte dieser Epoche orientieren. Dabei erläutert Jeuthe den Kunstmarkt im jeweiligen kulturpolitischen und wirtschaftlichen Kontext vor allem auf dem nationalen Markt. Internationale Werte aus der Schweiz, England und den USA werden vergleichend hinzugezogen. Das eigentliche Herzstück der Untersuchung ist das Kapitel »Einzelne Stilrichtungen und ihre Vertreter im Überblick«. Die von der Autorin getroffene Auswahl von zwölf Künstlern ist repräsentativ für die verschiedenen Stile und Richtungen innerhalb der deutschen Moderne: Den Impressionismus vertreten M a x Liebermann und Lovis Corinth, den Expressionismus Emil Nolde, Franz M a r c , Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel, das Bauhaus Lyonel Feininger, Paul Klee und Oskar Schlemmer, die Neue Sachlichkeit M a x Beckmann, Otto D i x und George Grosz.

V o r w o r t _ IX

Die Studie von Gesa Jeuthe ist ein Markstein der Forschung zur Rezeptionsgeschichte der deutschen Moderne im Allgemeinen und der von den Nationalsozialisten als »entartet« verfemten Kunst im Besonderen. Sie fußt auf der Auswertung umfangreichen

Archivmaterials

im

In-

und

Ausland

und

weitverzweigter

Sekundärliteratur. Auch wenn das Datenmaterial teilweise lückenhaft ist, speziell für die Jahre 1 9 3 3 bis 1 9 4 5 , so enthält die Arbeit doch eine Fülle neuer Einsichten und Erkenntnisse. So kam es weder 1 9 3 3 , nach der Machtübernahme, noch 1 9 3 7 , nach Eröffnung der Propaganda-Ausstellung ENTARTETE KUNST, ZU einem Preisverfall. Auch die Aussage, die deutsche Moderne habe vor 1 9 3 9 keinen internationalen Marktwert besessen und erst die Diffamierung durch die Nationalsozialisten habe ihr nach 1 9 4 5 zu internationalem Ansehen verholfen, lässt sich nicht derart verallgemeinern. Richtig ist hingegen, dass die Verkaufspreise des Propagandaministeriums extrem gering und die Gewinnmargen der Kunsthändler beim Weiterverkauf sehr groß waren. In den Jahren zwischen der Währungsreform 1 9 4 8 und 1 9 5 5 stiegen zwar die Preise im Vergleich zu den zwischen 192.5 und 1 9 4 4 erzielten Erlösen, von einem drastischen Anstieg kann jedoch keine Rede sein. Ebenso verblüffend ist die Erkenntnis, dass für die »entartete« Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus noch immer Absatzmöglichkeiten in Deutschland bestanden, wenn auch in eingeschränktem Umfang. Besondere Bedeutung, ja, Brisanz erhält die Studie mit Blick auf heutige Restitutionsansprüche auf Kulturgüter, die während der Zeit des Nationalsozialismus den rechtmäßigen Eigentümern entzogen wurden. Auch wenn die Gleichung »Kunst = KAPITAL« im Sinne von Joseph Beuys allemal sympathischer und humaner ist als die Gleichung »Kunst = KOMMERZ«, SO möge die Studie von Gesa Jeuthe dazu beitragen, in der kunstgeschichtlichen Forschung künftig auch die materiellen Kunstwerte in ihrer historischen Entwicklung stärker zu berücksichtigen und sie als aussagekräftige Indikatoren einer — stetem kulturellen Wandel unterworfenen — Rezeptions- und Geschmacksgeschichte zu würdigen.

Landau und Heidelberg, im Dezember 2.010

Christoph Zuschlag

Dank

Das Vorhaben, die Preisentwicklung der deutschen Moderne von 192.5 bis 1 9 5 5 zu untersuchen, entstand bereits während meiner Magisterarbeit über die »Verwertung« der »entarteten« Kunst im Sommer 2.004

AN

der FORSCHUNGSSTELLE

»ENTARTETE KUNST« der Freien Universität Berlin. Die Frage einer Beurteilung der Preise für Werke »entarteter« Kunst während des Nationalsozialismus ließ sich nicht ohne entsprechende Forschungen beantworten und verlangte geradezu nach einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Da eine entsprechende Analyse der Marktsituation der ab 1 9 3 3 verfemten Künstler bisher ein Desiderat der Forschung darstellte, ihre Ergebnisse aber für die weitere umfassende Aufklärung der Aktion »Entartete Kunst« als überaus hilfreich erschienen, nahm das Vorhaben der Dissertation immer mehr Gestalt an und konnte Dank der Hilfe und Unterstützung zahlreicher Personen und Institutionen verwirklicht werden. So gilt mein ganz besonderer Dank Christoph Zuschlag (Universität KoblenzLandau), den ich als Doktorvater gewinnen konnte und der mir jederzeit mit großem Verständnis, Engagement und fachlichem Rat beiseite stand. Ebenfalls gebührt mein aufrichtiger Dank meinem Zweitgutachter Uwe Fleckner (Universität Hamburg, Kunstgeschichtliches Seminar) sowie Andreas Hüneke (Berlin, Freie Universität, F O R S C H U N G S S T E L L E

»ENTARTETE

KUNST«) und Wolfgang Wittrock

(Ber-

XII

Dank

lin, Ferdinand-Möller-Stiftung). Sie haben meine Arbeit beständig interessiert begleitet und sie durch konstruktive Gespräche sowie hilfreiche Auskünfte wesentlich bereichert. Ferner schulde ich der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die finanzielle Unterstützung in Form eines Promotionsstipendiums besonderen Dank. Diese ausgesprochen großzügige Förderung hat das Projekt in dieser Form überhaupt erst ermöglicht. Für die Analyse des Kunstmarktes war es notwendig, zahlreiche Archive, Bibliotheken, Nachlässe und Museen aufzusuchen, die vollständig im Anhang genannt werden. Für den gewährten Einblick in Inventarbücher, Verkaufs- oder Ankaufsunterlagen, Archivmaterialien und Schriftensammlungen sowie für die freundlichen Gespräche und Ratschläge möchte ich mich daher bei allen zuständigen Personen und Institutionen bedanken. Ohne ihre Hilfe hätte diese Arbeit nicht verwirklicht werden können. Insbesondere gilt mein Dank Irmtraud Freifrau von AdrianWerburg (ehemals Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv), Ina Conzen (Stuttgart, Staatsgalerie), Hans Delfs, dem Großneffen von Carl Hagemann, Judith Durrer (Bern, Kunstmuseum), Stefan Frey (Bern, Nachlass Paul Klee und Archiv Bürgi), Lukas Gloor (Zürich, Stiftung Sammlung Emil G. Bührle), Jörn Grabowski (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv), Lucius Grisebach (ehemals Nürnberg, Neues Museum), Ute Haug (Hamburger Kunsthalle), Inge Herold (Mannheim, Kunsthalle), Günter Herzog (Köln, Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels), Christine Hopfengart und Eva Wiederkehr Sladeczek (Bern, Zentrum Paul Klee), Ralph Jentsch (Rom, Nachlass George Grosz,), Christian Klemm (Zürich, Kunsthaus), Michael Krejsa (Berlin, Archiv der Akademie der Künste, George-Grosz-Archiv), Christian Lenz (München, M a x Beckmann Archiv), Ilona Lütken (Stuttgart, Oskar Schlemmer Archiv), Anke Matelowsiki (Berlin, Archiv der Akademie der Künste, Lovis-Corinth-Archiv), Stefan Pucks (Berlin, Villa Grisebach), Manfred Reuther (Seebüll, Nolde Stiftung), Carla Schulz-Hoffmann (München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen), Roland Scotti (Appenzell, Museum Liner), Ulrich Tillmann (Köln, Museum Ludwig), Mario-Andreas von Lüttichau (Essen, Museum Folkwang), Stephan von Wiese (ehemals Düsseldorf, Kunstmuseum), Klaus Weber (Berlin, Bauhaus-Archiv) und Nina Zimmer (Basel, Kunstmuseum) sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Archives of American Art, Washington D. C., des Archivs der Kunsthalle Bern, des Bundesarchivs Berlin, der Deutschen Bundesbank, der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, des Niedersächsischen Hauptstaatsarchivs, Hannover, des Staatsarchivs Basel Stadt und des Statistischen Bundesamtes, Berlin. Für statistische Belange stand mir dankenswerterweise Jürgen Eichberger (Universität Heidelberg) als Berater zur Verfügung. Für das große Interesse und die vielen hilfreichen wirtschaftshistorischen Anregungen und Bemerkungen danke ich Gerd

Dank

Hardach (ehemals Universität Marburg). Außerdem möchte ich mich für das entgegengebrachte Interesse und für hilfreiche Anregungen bei Walter Feilchenfeldt (Zürich, Nachlass Paul Cassirer), Philipp Gutbrod (New York, Villa Grisebach), Wolfgang Henze und Ingeborg Henze-Ketterer (Bern, Galerie Henze & Ketterer A G ) , Achim Moeller (New York, Nachlass Lyonel Feininger) sowie Margreet Nouwen und Mattias Eberle (Berlin, M a x Liebermann Archiv) bedanken. Meinen gleichzeitig promovierenden Freundinnen und Kolleginnen Katrin Engelhardt und Isgard Kracht danke ich für die in den letzten Jahren geführten, ausgiebigen Diskussionen, für die gute Zusammenarbeit, für aufbauende Gespräche und für wichtige Hinweise und Denkanstöße. Zudem gebührt mein aufrichtiger Dank Leyli Gaehni und Isgard Kracht für das mühsame, kritische Lesen der Arbeit und für die hilfreichen Ratschläge und Verbesserungen. Die Arbeit, die hier in einer nur geringfügig veränderten Druckfassung vorliegt, ist vom Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin im Juli 2.008 als Dissertation angenommen worden. Dass meine Arbeit in die Schriftenreihe der FORSCHUNGSSTELLE

» E N T A R T E T E K U N S T « a u f g e n o m m e n w i r d , v e r d a n k e ich

zuerst dem Interesse von Christoph Zuschlag und Uwe Fleckner, dem Herausgeber der Reihe, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der FORSCHUNGSSTELLE »ENTARTETE KUNST« und natürlich Wolfgang Wittrock als ihrem engagierten Förderer. Mein herzlichster Dank gebührt dabei in erster Linie Walter Feilchenfeldt, der als Trustee der International Music and Art Foundation, Vaduz, diese Publikation durch eine außerordentlich großzügige Finanzierung ermöglicht. Für die Betreuung der Drucklegung danke ich ganz besonders Petra Gördüren sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Akademie Verlages, insbesondere Heiko Hartmann und Katja Richter. Abschließend danke ich von ganzem Herzen Christian A m o n für die vielen Diskussionen und seine begleitende Unterstützung während des gesamten Projektes. Ohne ihn wäre die Arbeit nicht mit der nötigen Gelassenheit und Freude zu vollbringen gewesen. Widmen möchte ich sie meinem Großvater Günther Hellwig, der durch seine fesselnden Erzählungen in mir schon früh das Interesse an Vergangenem geweckt hat. Berlin, im April 2.010

Gesa Jeuthe

XIII

Einleitung

Trotz der Faszination, die Kunstpreise im Allgemeinen ausüben, wurde ihre Entwicklung von kunsthistorischer Seite bisher kaum betrachtet. Z w a r erscheinen neuerdings verstärkt Untersuchungen zu Sammlern und Galerien, doch die materielle Bewertung von Kunst wird selten berücksichtigt oder als eigenständiges Thema behandelt. 1 Die Vorbehalte gegenüber der Verbindung von Kunst und Kommerz auf wissenschaftlicher Seite haben wohl unter anderem zu diesem Umstand beigetragen. Jedoch können Kunstpreise den Wandel in der Rezeption und Beurteilung eines Künstlers oder einer Stilrichtung oftmals auf das Jahr genau anschaulich machen. 2 Ziel der vorliegenden Analyse ist es daher, die Entwicklung der deutschen Moderne von der Weimarer Republik bis zur unmittelbaren Nachkriegszeit anhand von Verkaufspreisen darzustellen und auf diese Weise Rückschlüsse auf ihre Marktstellung im In- und Ausland zu ziehen. Ausgangspunkt der Untersuchung w a r die Beschäftigung mit der »Verwertung« der »entarteten« Kunst durch die Nationalsozialisten. 3 Versucht man die Verkäufe beschlagnahmter Werke zu beurteilen, drängt sich immer wieder die Frage in den Vordergrund, welche kunstmarktspezifischen Auswirkungen die Aktion »Entartete Kunst« für die betroffenen Künstler auslöste. Da eine wissenschaftliche Untersuchung der Marktsituation der ab 1 9 3 3 als »entartet« diffamierten künst-

2 _

Einleitung

lerischen Moderne bislang ein Forschungsdesiderat darstellt, bestehen in der bisherigen Literatur nur vage und teilweise widersprüchliche Aussagen bezüglich ihrer Wertbeimessung. 4 Sie reichen von einem angenommenen Verkauf der Werke zu Schleuderpreisen

bis zu einem Zusammenbruch

der Absatzmöglichkeiten

in

Deutschland oder einer beginnenden Nachfrage im Ausland: So vermutet Angelika Enderlein, dass avantgardistische Kunstwerke aufgrund der ab 1 9 3 3 einsetzenden Verfemung auf dem deutschen M a r k t keine Absatzmöglichkeiten mehr hatten, beziehungsweise nur noch inoffiziell gehandelt wurden. 5 Ausgehend von zeitgenössischen Bemerkungen, wie zum Beispiel von Paul Westheim, wird häufig die Annahme formuliert, die deutsche Moderne habe vor 1 9 3 9 keinen internationalen Marktwert besessen und ihre Anerkennung außerhalb Deutschlands habe sich erst mit der Aktion »Entartete Kunst« und der Emigration von Händlern, Sammlern und Künstlern eingestellt. 6 Hinsichtlich ihrer Verkaufspreise besteht meist die Uberzeugung, dass die als »entartet« verfemten und beschlagnahmten Kunstwerke sowohl von den Nationalsozialisten und den in ihrem Auftrag tätigen Händlern als auch bei der Verauktionierung ausgewählter Werke in der Luzerner Galerie Fischer zu Niedrigstpreisen verkauft wurden. Als Gründe hierfür werden die Herabwürdigung des ideellen Wertes sowie ein allgemeiner Preisverfall angeführt. Für den deutschen M a r k t wird der Preisverfall mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik erklärt und für den internationalen mit einem plötzlichen Uberangebot und daraus resultierenden Sättigungserscheinungen. Vor allem Andreas Hüneke sieht als Erklärung für die vermuteten niedrigen Preise aber auch das Bemühen der Händler, die Bilder zu retten und vor der Vernichtung zu bewahren. 7 Im Ergebnis soll die Analyse der nationalen und internationalen Marktsituation der deutschen Moderne eine Grundlage bieten, auf der die vorangestellten Mutmaßungen künftig förderlicher diskutiert werden können. Um die Veränderungen und Auswirkungen des Nationalsozialismus auf den modernen Kunstmarkt feststellen zu können, muss die Marktsituation vor 1 9 3 3 zum Vergleich hinzugezogen werden. Die Betrachtung der unmittelbaren Nachkriegszeit bis 1 9 5 5 dient der Überprüfung einer angenommenen erhöhten Nachfrage nach ehemals verfemter Kunst. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit besteht in der statistischen Auswertung von Verkaufsdaten der damaligen Zeit. Sie umfasst sowohl Auktions- und Handels- als auch Direktverkäufe, also alle relevanten Segmente des Kunstmarkts. Neben der Auswertung dieser Daten wird die Analyse der Marktsituation durch einen Blick auf ihren kunstpolitischen, kunsthistorischen und wirtschaftsgeschichtlichen Kontext ergänzt. Hierfür werden wirtschaftliche und politische Ereignisse beschrieben sowie Hinweise zur Rezeption der betrachteten Künstler gesammelt. Obwohl von der ökonomischen Forschung längere Zeit betont wurde, der Kunst-

Einleitung _ 3

markt sei ein selbständiger M a r k t und somit in keiner Weise von wirtschaftlichen Entwicklungen abhängig, hat sich inzwischen manifestiert, dass eine Beeinflussung sowohl im Negativen als auch im Positiven stattfinden kann. Der Kunstmarkt ist also keinesfalls autonom, sondern von weltwirtschaftlichen, politischen, kunsthistorischen und ästhetischen Werturteilen abhängig. 8 Somit stellt sich die Frage, wie das Kunstmarktgeschehen auf die einzelnen konjunkturellen, politischen und modischen Phasen reagiert. Insgesamt ist die Untersuchung in die kunstgeschichtliche Forschung der ersten Hälfte des 2.0. Jahrhunderts eingebunden und als ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte zu verstehen. Im Allgemeinen summiert die kunsthistorische Literatur unter der Rezeptionsgeschichte eines Künstlers vor allem seine Beurteilung in der Öffentlichkeit und die produktive Weiterverarbeitung seines Werks durch andere Künstler, doch sollen diese Aspekte im Folgenden vernachlässigt werden. Vielmehr ist die Vermittlung und Bekanntheit der deutschen Moderne auf dem Kunstmarkt und deren Aufnahme bei Sammlern und Museen von Interesse. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marktakzeptanz mehrere Stadien durchläuft. So bedeutet eine Anerkennung im Galeriewesen nicht zwangsläufig eine Etablierung im Auktionsmarkt. Ebenso geht das Interesse privater Sammler meist der Aufnahme von Kunstwerken in öffentliche, staatliche Sammlungen voraus. Der wirtschaftliche Ansatz der Arbeit vermittelt zudem neue Einsichten in das Kunstmarktgeschehen. Die Ergebnisse insgesamt können als Grundlage für weitere Forschungen im Bereich der »entarteten« Kunst sowie der Künstler- und Händlerrezeptionen dienen. Neue Erkenntnisse erlauben beispielsweise eine differenziertere Beurteilung der Motive der von den Nationalsozialisten beauftragten Kunsthändler sowie aller anderen an der »Verwertung« beschlagnahmter Kunstwerke beteiligten Personen. Im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus sei jedoch betont, dass die Untersuchung einerseits nachweisbare, getätigte Verkäufe und andererseits Hinweise auf die Marktpräsenz eines Künstlers in Form von Verkaufsausstellungen, Presseartikeln und ähnlichem auswertet. Dabei soll aber nicht aus dem Blick geraten, dass ausschließlich Künstler betrachtet werden, die im Nationalsozialismus diskreditiert wurden. Die Vielzahl von Diffamierungen und ihre Auswirkungen auf die künstlerische Produktion und Existenz überhaupt, können im Rahmen der Untersuchung allerdings nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich Fragestellungen dieser Art sei daher auf den bisherigen Forschungsstand zum Themengebiet der »entarteten« Kunst verwiesen. 9 Um die Preisentwicklungen im Kunstmarkt näher betrachten zu können, bedarf es zunächst einer Einführung in die ökonomischen Bedingungen des Handels mit Kunstwerken. Hierbei ist zu klären, wie ein Preis für ein Werk überhaupt zustande kommt, ebenso wie Marktformen und Strukturen des Kunstmarkts umris-

4 _ Einleitung

sen und Einflüsse auf den Wert eines Kunstwerks benannt werden. Vor allem die Darstellung der preisbeeinflussenden Faktoren verdeutlicht, welche Kriterien in der Preisanalyse besonders zu beachten sind. Bei der Verwendung von Preisstandards ist außerdem zu berücksichtigen, dass die statistische Auswertung lediglich Modellcharakter besitzt und durch die fehlende Möglichkeit eines Qualitätsvergleichs der einzelnen Bilder begrenzt wird. Die Untersuchung der Marktentwicklung der deutschen Moderne setzt die Verkaufsresultate in ihren jeweiligen kulturpolitischen und wirtschaftlichen Kontext. D a f ü r wurden ausschließlich Preise für Gemälde zwischen 192.5 und 1 9 5 5 auf dem nationalen und internationalen Kunstmarkt erhoben und ausgewertet. Um eine detaillierte Analyse vornehmen zu können, wurde eine repräsentative Auswahl von zwölf Künstlern getroffen, die als wichtige Vertreter der verschiedenen Stilrichtungen innerhalb der deutschen Moderne angesehen werden können. 1 0 Ferner wurden nur Künstler berücksichtigt, deren Werke von den Nationalsozialisten als »entartet« beschlagnahmt und anschließend »verwertet« wurden. Dieses Vorgehen der Selektion mag Bedenken hervorrufen, da weder die Bilder eines Künstlers, noch die Bilder einer Epoche einander gleich und damit schwer vergleichbar sind. Dennoch kann man eine geistige Verwandtschaft der unterschiedlichen Kunstrichtungen voraussetzen, die zu übergreifenden Klassifizierungen durch Künstler oder Kunsthistoriker führt und so die beschriebene Arbeitsweise legitimiert. Das Hauptaugenmerk der Studie liegt auf den Geschehnissen des nationalen Kunstmarkts. Dabei dient die Beschreibung der kulturpolitischen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland als Basis für die Preisanalyse. Die internationalen Werte wurden anschließend als Vergleich hinzugezogen, beschränken sich aber auf die Schweiz, auf England und die U S A , da die Kulturpolitik dieser Länder unabhängig von der des nationalsozialistischen Deutschlands verlief und damit in der Gegenüberstellung aussagekräftig bleibt. 1 1 Der zu untersuchende Zeitraum von insgesamt 3 o Jahren ist in drei Abschnitte gegliedert, die sich an den verschiedenen politischen Systemen der deutschen Geschichte orientieren: Die erste Periode von 192.5 bis 1 9 3 3 beschreibt den Kunstmarkt und seine Akteure während der Weimarer Republik. Der Beginn der Untersuchung ist auf das Jahr 1 9 2 5 festgesetzt, da sich die wirtschaftliche Situation nach dem Ersten Weltkrieg und der Währungsreform zu diesem Zeitpunkt erholt hatte. Im Mittelpunkt steht die generelle Frage, inwieweit sich die deutsche Moderne auf dem nationalen Kunstmarkt etabliert hat und welche Verkaufspreise erreicht werden konnten. Zudem w a r zu ermitteln, in welchem Ausmaß die Weltwirtschaftskrise von 1 9 2 9 oder die zunehmenden Anfeindungen der völkisch-nationalen Kreise in die bestehenden Strukturen eingegriffen haben. Darüber hinaus w a r zu fragen, ob sich die Anerkennung und damit auch die Nachfrage auf den nationalen

Einleitung _ 5

M a r k t beschränkten, oder die deutsche Moderne bereits internationale Aufmerksamkeit erhielt. Für die Jahre des »Dritten Reiches« w a r zu betrachten, auf welche Art und Weise die Nationalsozialisten auf den Kunstmarkt einwirkten. Inwieweit w a r überhaupt noch ein legaler oder illegaler Handel mit der umstrittenen Kunst möglich, und inwiefern wirkte sich die nationalsozialistische Kunstpolitik auf die Preisstrukturen aus? Z u r Beurteilung dient der Vergleich der Preise mit den Marktergebnissen der Weimarer Republik. So w a r zum Beispiel zu prüfen, ob nach 1 9 3 3 sowohl national als auch international ein Preisverfall zu beobachten ist. Z u d e m wurde überprüft, ob die vom Propagandaministerium festgelegten Preise (im Folgenden »RmVP-Preise«) für die beschlagnahmten Werke im Bereich der internationalen Marktpreise lagen und ob durch die Aktion »Entartete Kunst« eine sichtbare Etablierung der deutschen verfemten Kunst auf dem internationalen M a r k t stattfand. Die Betrachtung der Nachkriegszeit zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder umfasst zwar die Jahre von 1 9 4 5 bis 1 9 5 5 , die Auswertung des erhobenen Datenmaterials ist jedoch erst ab der Währungsreform von 1 9 4 8 sinnvoll. Zudem muss die besondere Situation der deutschen Teilung berücksichtigt werden. Aufgrund der wesentlichen wirtschaftlichen und kulturpolitischen Unterschiede der Deutschen Demokratischen Republik zu den anderen betrachteten Kunstmärkten, wird auf eine Untersuchung ihrer Marktstrukturen verzichtet. Folglich dienen ausschließlich Verkaufspreise der Bundesrepublik Deutschland der Analyse. Anhand dieser soll untersucht werden, wie die ehemals verfemte deutsche Moderne auf dem nationalen Kunstmarkt nach dem Krieg aufgenommen wurde. Spiegelt sich ihre Sonderrolle, die sie durch die Diffamierung im Nationalsozialismus erhielt, bereits in den Preisstrukturen der unmittelbaren Nachkriegszeit wider? Von Interesse ist ferner, ob die nationalen Preise den internationalen Preiskategorien entsprachen oder ob eine unterschiedliche Bewertung aufgrund einer abweichenden Anerkennung zu beobachten ist. Im Anschluss an die Untersuchung der Preisentwicklung der deutschen M o derne im Allgemeinen sowie in ihren kunstpolitischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen sollen Veränderungen der jeweiligen Marktstellung eines Künstlers skizziert werden. Dieses differenzierte Vorgehen ist der Tatsache geschuldet, dass die Verdrängung der Moderne aus der deutschen Öffentlichkeit in Etappen geschah und der Umgang mit den einzelnen Künstlern uneinheitlich verlief. Die Einzelbetrachtungen zwölf exemplarisch ausgewählter Künstler demonstrieren daher die verschiedenartige Rezeption von Künstler und Werk und ermöglichen einen Vergleich der Marktsituationen unter verschiedenen Aspekten. Auf diese Weise lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten ermitteln, die als repräsentativ für die deutsche Moderne bezeichnet werden können, als auch Abweichungen und Besonderheiten für die unterschiedlichen künstlerischen Positionen aufdecken. So kann beispiels-

6 _

Einleitung

weise die jeweils spezifische Marktsituation von Künstlern in Deutschland und im Exil miteinander verglichen werden. Ebenso kann die Rezeption der ausgewählten Stilrichtungen, denen die ausgewählten Künstler zugeordnet wurden, auf diese Weise gesondert demonstriert werden. Sicherlich ist es kaum möglich, klare kunsthistorische Abgrenzungen vorzunehmen, da die in den Blick genommenen Künstler oft mehrere unterschiedliche Stiltendenzen in ihrem Œuvre vereinen. Z u r Vereinfachung wurden sie jenen Kunstrichtungen zugeordnet, für die ihr Werk in der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Folgende stilistische Einteilung der ausgewählten Künstler wurde vorgenommen, deren Reihenfolge sich innerhalb des Ordnungssystems aus der chronologischen Abfolge ihrer Geburtsdaten ergibt: i . Impressionismus: vertreten durch M a x Liebermann und Lovis Corinth 2.. Expressionismus: vertreten durch Emil Nolde, Franz M a r c , Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel 3. Bauhaus-Schule: vertreten durch Lyonel Feininger, Paul Klee und Oskar Schlemmer 4. Neue Sachlichkeit: vertreten durch M a x Beckmann, Otto D i x und George Grosz Die exemplarischen Betrachtungen dienen als Uberblick über die Marktstellung der ausgewählten Künstler zwischen 192.5 und 1 9 5 5 . Sie erheben keinen Anspruch einer detaillierten Darstellung der jeweiligen Rezeption eines Künstlers. Es wird sowohl auf die Rekonstruktion von Ausstellungen verzichtet als auch auf formale und stilistische Werkanalysen. Besondere Berücksichtigung finden dafür Angaben zur Biographie, zur Ausstellungspräsenz und zu den Händlervertretungen. Das vorhandene Datenmaterial liefert zwar wichtige ergänzende Anhaltspunkte zur bisherigen Forschung zum Kunstmarkt, ersetzt jedoch keinesfalls eine detaillierte, intensive Auseinandersetzung mit den einzelnen Künstlern, den ihnen verbundenen Sammlern und Händlern sowie ihrer Rezeption im Zeitablauf. Die Ergebnisse sind vielmehr als Anregungen oder Ausgangspunkte für weitere Forschungen zu verstehen.

FORSCHUNGSSTAND UND QUELLEN

Die Preisentwicklung der deutschen Moderne und ihre Marktstellung wurden bislang nicht wissenschaftlich untersucht, so dass die vorliegende Studie eine Lücke in der Forschung zur Kunstmarktgeschichte schließt. Auf die allgemeine Problematik, die mit der Bewertung von Kunstwerken verbunden ist, verwies Theodor Frimmel schon 1 8 9 4 in seinem HANDBUCH DER GEMÄLDEKUNDE und befand, dass »eine wissenschaftliche Beurteilung des Preises bei einem Gemälde von Fall zu Fall eine sehr mühsame und schwierige Arbeit« sei. 1 2 Daher empfahl Frimmel, sich dem Pro-

F o r s c h u n g s s t a n d und Quellen

blem auf einem geschichtlichen und volkswirtschaftlichen Wege zu nähern. 1 3 Ganz diesem Ratschlag folgend ergänzt die vorliegende Untersuchung die kunstgeschichtliche Forschungsliteratur mit ökonomischen Theorien und Denkansätzen und bedient sich der Forschungsergebnisse beider Fachgebiete zum Thema des Kunstmarkts. Die nationalökonomische Forschung beschäftigt sich maßgeblich seit den achtziger Jahren mit dem Kunstmarkt und der Preisentwicklung von Bildender Kunst. Allerdings steht bei den ökonomischen Analysen vorwiegend der Aspekt der Kapitalanlage und Renditeberechnung im Vordergrund mit dem Ziel, Modelle für zukünftige Bewertungsrichtlinien und Anlagestrategien zu entwickeln. 1 4 Daneben finden sich aber auch empirische Erfassungen des Kunstmarkts, deren Preiserhebungen sich jedoch nicht auf den zu betrachtenden Zeitraum beziehen und zudem andere Zielsetzungen verfolgen als die vorliegende Untersuchung. Trotzdem bieten sie Anregungen für die statistische Auswertung der erhobenen Verkaufspreise und dienen als Grundlage für die ökonomische Beschreibung des Kunstmarkts und seiner Strukturen. Besonders hilfreich sind hierfür die Studien von Christian Jaquet, Ute Frangen, Hugo Keith Weihe und Doris Christophersen. 1 5 Ebenso wie die nationalökonomische untersucht auch die kunsthistorische Forschung vermehrt seit den achtziger Jahren den Handel mit Kunst. Neben der allgemeinen Betrachtung der Geschichte des Kunsthandels, beispielsweise von Rupert Walser und Bernhard Wittenbrink oder Hans Peter T h u m , werden besonders sowohl national als auch international agierende Händler, Galerien und Sammler sowie ihre Beziehungen zu den einzelnen Künstlern in Augenschein genommen. 1 6 Einen Überblick über Privatsammlungen und Kunstbetrieb des Expressionismus bis 1 9 3 3 in Deutschland bietet ein Aufsatz von Wolfgang Henze und über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1 9 3 3 ein Ausstellungskatalog, der von Ulrich Luckhardt und Uwe M . Schneede herausgegeben wurde. 1 7 Den allgemeinen Kunsthandel in München und Berlin bis 1 9 4 5 betrachten die Aufsätze von Karl-Heinz Meißner und Verena Tafel, den des allgemeinen Kunstauktionswesen Deutschlands vom 1 8 . Jahrhundert bis 1 9 4 5 eine Publikation von Karl Wilhelm. 1 8 Eine Aufsatzsammlung, herausgegeben von Maike Steinkamp und Ute Haug, nimmt das Handeln und Sammeln von Kunst zur Zeit des Nationalsozialismus in den Blick. 1 9 Eine Übersicht über Schweizer Kunstsammlungen seit 1 8 4 8 bietet der Aufsatzband DIE KUNST z u SAMMELN, der 1 9 9 8 vom Schweizer Institut für Kunstwissenschaft ediert wurde. 2 0 Nachfolgend wird der Kunstmarkt der Schweiz vor allem im Hinblick auf Raubgut und Fluchtgut während des Zweiten Weltkriegs betrachtet. Z u nennen sind hier die Untersuchungen von Thomas Buomberger und der Forschungsgruppe von Esther Tisa Francini, Anja Heuß und Georg Kreis. 2 1 Ein Überblick über den amerikanischen Kunsthandel der Moderne fehlt bisher. 22 Beiträge der

7

8 _ Einleitung

Kunstmarktforschung, die Preise als Teil der zeitgenössischen Rezeption und Ausdruck der Marktbedingungen berücksichtigen, bieten die Untersuchungen von Christian Herchenröder zum internationalen Kunstmarktgeschehen der sechziger, siebziger und achtziger Jahre sowie die Analyse des Berliner Auktionsmarkts während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus von Angelika Enderlein. 23 Die Einblicke in den Betrieb des modernen Kunsthandels konnten durch die Forschungsliteratur zur Kunstpolitik der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der unmittelbaren Nachkriegszeit ergänzt werden. Hierzu zählen auch Untersuchungen zur öffentlichen Museumspolitik, ihrem Ausstellungswesen und ihrer Sammlungsgeschichte für moderne Kunst. 2 4 Z u d e m ist zur Rezeptionsgeschichte einzelner Kunststile oder Künstler innerhalb einer bestimmten Zeitspanne eine Fülle an Literatur vorhanden. Die für die vorliegende Untersuchung maßgebliche Forschungsliteratur und Quellenlage zu den betrachteten Künstlern wird innerhalb des Überblicks zu den einzelnen Stilrichtungen und ihren Vertretern gesondert aufgeführt. Für die Zeit vor 1 9 3 3 sei vor allem die Publikation von Jost Hermand und Frank Trommler zur Kultur der Weimarer Republik genannt. 25 Z u m Thema der nationalsozialistischen Kunstpolitik und der Aktion »Entartete Kunst« erscheinen seit den ersten Zeitzeugenberichten, zum Beispiel von Paul Ortwin R a v e und Alfred Hentzen, beständig neue Forschungsergebnisse. Diese betreffen sowohl Überblicksdarstellungen

und Dokumentensammlungen

als auch

detaillierte

Untersuchungen zu einzelnen Begebenheiten, Personen oder Kunstrichtungen. 2 6 Als grundlegende Literatur wird die Zusammenfassung der nationalsozialistischen Kunstpolitik und Aufarbeitung der Propagandaausstellungen von Christoph Z u schlag genutzt. Die darin publizierten Dokumente helfen ebenfalls, die Beschlagnahmen nachzuvollziehen, deren Dokumentationen teilweise auch von einigen deutschen Museen gesondert veröffentlicht wurden, wie zum Beispiel die neueste Publikation des Frankfurter Städel, in der die Geschichte des Museums zur Zeit des Nationalsozialismus untersucht wurde. 2 7 Wesentliche Einblicke in die »Verwertungsvorgänge« und zu den beteiligten Händlern liefern zahlreiche Beiträge von Andreas Hüneke sowie verschiedene Untersuchungen zu Einzelaspekten der »Verwertung«. 2 8 Z u r Kunstpolitik der unmittelbaren Nachkriegzeit seien vor allem die Publikationen von Jutta Held, Jost Hermand, Walter Grasskamp und Gerda Breuer hervorgehoben. 2 9 Das Thema der Aufnahme der deutschen Moderne im Ausland erfährt überwiegend für den Zeitraum ab 1 9 3 3 eine erhöhte Aufmerksamkeit in der Forschung. Hierbei werden insbesondere die Emigration einzelner Künstler, Sammler und Händler betrachtet. 3 " Die kulturpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, auch für die Jahre vor 1 9 3 3 , untersucht Franziska von Ungern-Sternberg am Beispiel des Germanischen Museums in Cambridge, Massachusetts. 3 1

F o r s c h u n g s s t a n d und Quellen _ 9

Z u r Rekonstruktion der wirtschaftlichen Lage, in deren Zusammenhang die Geschehnisse auf dem Kunstmarkt letztlich betrachtet werden müssen, dienen Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte. Einen Uberblick über Teilsaspekte der deutschen Wirtschaftsgeschichte bieten beispielsweise Dietmar Petzina, Werner Abelshauser oder Christoph Buchheim. 3 2 Vergleichende Untersuchungen der Preispolitik des »Dritten Reiches« gegenüber der Bundesrepublik Deutschland wurden von André Steiner 2.006 herausgegeben. 33 Allgemeine Tabellen zum Wachstum der deutschen Wirtschaft hat Walter H o f f m a n n publiziert. 34 Wirtschaftliche Vergleichswerte - wie Einkommen, Preise für andere Luxusgüter oder die Verbraucherpreisindizes - konnten Statistischen Jahrbüchern entnommen oder direkt beim Statistischen Bundesamt erfragt werden. 3 5 Das Material für die Untersuchung der Marktstellung der deutschen Moderne ergibt sich aus Angaben zu Verkaufspreisen, die gesammelt und anschließend statistisch ausgewertet wurden. Das erhobene Datenmaterial findet sich systematisiert im Archiv der Autorin. Die Quellenlage zu Verkaufspreisen in der betrachteten Zeit ist sehr beschränkt. Viele Unterlagen, Verkaufs- und Inventarbücher sind durch Einwirkungen des Krieges oder aber aus Furcht vor den Nationalsozialisten vernichtet worden. So verbrannte beispielsweise M a x Beckmann beim Einmarsch der deutschen Truppen in Holland 1 9 4 0 seine seit 192.5 geführten Aufzeichnungen und Tagebücher. 36 Zudem wurden aus Vorsicht bestimmte Vorgänge gar nicht erst festgehalten, da sie für die beteiligten Personen ein Risiko dargestellt hätten. 37 Somit muss man generell von unvollständigen Informationen für die Jahre 1 9 3 3 bis 1 9 4 5 ausgehen. Verkaufsbücher der damals aktiven Galerien waren nur in seltenen Fällen zugänglich, so dass die bisher bestehenden Publikationen zu den damaligen A k teuren des Kunstmarkts nach Verkaufsangaben durchgesehen werden mussten. Darüber hinaus konnten publizierte Briefsammlungen der Akteure und Künstler sowie Kunstzeitschriften systematisch nach konkreten Verkaufsangaben oder generellen Aussagen über den Kunstmarkt und seine Akteure durchsucht werden. 3 8 Ebenso boten die schon erwähnten Untersuchungen zur Beschlagnahme »entarteter« Kunst gelegentliche Hinweise auf Ankaufspreise. 3 9 Die Informationen der publizierten Quellen wurden durch Archivbesuche ergänzt. Um weitere Handelspreise zu erhalten, wurden sowohl die Inventarbücher von inländischen und ausländischen Museen ausgewertet als auch möglichst alle relevanten Künstler- und Händlernachlässe nach Korrespondenzen über Verkäufe und Verkaufslisten untersucht. 40 Die allgemeine Zurückhaltung im Umgang mit Preisen von Kunstwerken wurde während der Recherche deutlich. Oftmals wurde ein Einblick in Inventare verweigert oder aber die Einsicht w a r mit der Auflage verbunden, Namen der beteiligten Personen oder konkrete Verkaufswerte nicht zu veröffentlichen. Dem Wunsch wurde Rechnung getragen, indem in der folgenden

10 _ E i n l e i t u n g

Analyse nur bei Einwilligung oder bei bereits publizierten Daten Preise konkret genannt werden. Die übrigen erhobenen Verkaufdaten dienten somit lediglich der statistischen Auswertung, die in Grafiken veranschaulicht wird. Die Identifizierung der gesammelten Gemälde erfolgte mit den Werkverzeichnissen der Künstler sowie mit Sammlungs- und Auktionskatalogen. Dank dieser und vieler anderer Quellen ließ sich die Marktsituation der deutschen Moderne in der Zeit von 192.5 bis 1 9 5 5 beispielhaft nachvollziehen.

A n m e r k u n g e n _ 11

1 Ausnahmen bilden die Publikationen von

Angelika

würde. Der italienische Kunstmarkt unterliegt der dik-

Enderlein über den Berliner A u k t i o n s m a r k t sowie die

tatorischen Kulturpolitik Mussolinis und wird dem-

Kunstmarktbetrachtungen

nach ebenfalls vernachlässigt.

von

Christian

Herchen-

röder; vgl. Herchenröder 1 9 7 9 , 1 9 9 0 u. 2005; Ender12 Vgl. T h e o d o r Frimmel, 1 8 9 4 , zitiert nach Helmuth

lein 2006.

Rinnebach: Zwr Bewertung 2 V g l . Hansen 2002, S. 186.

Weltkunst

3 Die Autorin behandelte in ihrer Magisterarbeit, die an der FORSCHUNGSSTELLE

KUNST«

der

Freien Universität Berlin entstand, das T h e m a

der

»Verwertung«

die

der

»ENTARTETE

»entarteten«

Kunst

durch

Luzerner Galerie Fischer 1 9 3 9 ; vgl. Jeuthe 2007. Bezeichnungen

»Moderne«

und

Gemälden,

in:

Die

13 Vgl. ibid. 14 Vgl. Weihe 1 9 9 2 , S. 1 4 6 ; Klein 1 9 9 3 , S. 3. Als Beispiele seien genannt: Richard Rush: Art as an ment,

Englewood

Cliffs

Kunst als Kapitalanlage, 4 Die

von

1 1 - 1 1 / 1 9 3 7 , S. 1 - 2 , S. 1.

1961;

Horst

invest-

Wagenführ:

Stuttgart 1 9 6 5 .

»Avantgarde«

werden s y n o n y m verwendet; vgl. von Beyme

2005,

S. 3 1 ff. N a c h f o l g e n d wird durchgängig der Begriff

15 Vgl. Jaquet 1 9 6 2 ; Frangen 1983; Weihe 1 9 9 2 ; Christophersen 1 9 9 5 .

»deutsche M o d e r n e « genutzt, der stellvertretend für die in der Untersuchung betrachteten Kunstrichtungen und Künstler steht.

16 Z u r allgemeinen Betrachtung des Kunsthandels vgl. Walser / Wittenbrink

1989; T h u m

1 9 9 4 . Für den

untersuchten Z e i t r a u m sind von besonderem Interesse: 5 Vgl.

Enderlein

2006, S. 269.

Angelika

Enderlein

Fuchs 1 9 7 9 (Sammlung Josef Haubrich); Roters 1984

spricht von expressionistischen und avantgardistischen

(Galerie Ferdinand Möller); Kat. Flechtheim, Düssel-

Kunstwerken. Diese Unterteilung w u r d e nicht berück-

dorf 1 9 8 7 (Alfred Flechtheim); Bealle 1 9 8 9 (I. B. N e u -

sichtigt, da

mann); Kat. Sammlung Fischer, Frankfurt a m M a i n

der Expressionismus

hier als Teil

der

Avantgarde verstanden wird.

1990

(Sammlung

Rosy

Fischer);

Schulz-Hoffmann

1990 (Sammlung Ehepaar Fohn); Springer 1 9 9 2 (Al6 V g l . Frank 1 9 8 5 , S. 9 7 ; Schuster 1 9 8 7 , S. 13; Peters

fred Flechtheim);

Meißner

1992

(I. B.

Neumann);

1 9 8 7 , S. 1 2 7 ; Meissner 1989, S. 9 1 ; Kreis 1 9 9 0 , S. 32;

Lücke 1 9 9 2 (Sammlung Alfred Hess); Gabler

N e g e n d a n c k 1 9 9 8 , S. 48.

(Karl Buchholz); Kat. Tannenbaum, M a n n h e i m 1994

1994

(Herbert Tannenbaum); Kennert 1 9 9 6 (Paul Cassirer); 7 V g l . H ü n e k e 1 9 8 7 b , S. 103; Roters 1 9 8 4 , S. 1 7 2 ; Fro-

Lochmeier

1997

(Hans

Goltz); N e g e n d a n c k

1998

wein 1 9 8 7 , S. 59; Frey 1 9 9 9 , S. 282; Tisa Francini /

(Ernst Arnold); Kat. N o l d e und Sammlung Sprengel,

H e u ß / Kreis 2 0 0 1 , S. 74; Saehrendt 2005, S. 78.

Hannover

1999

(Sammlung

Bernhard

Sprengel);

Ketterer 1988 u. Ketterer 1 9 9 9 (Stuttgarter Kunst8 V g l . Herchenröder 1 9 7 9 , S. 1 5 ; Herchenröder 1 9 9 0 , S. 39.

kabinett); Billeter 2000 (Günther Franke); Kat. Blue Four, Pasadena 2002 (Galka E m m y Scheyer); Dascher 2003 (Alfred Flechtheim); Walter-Ris 2003

(Galerie

9 Genannt seien beispielsweise: Rave 1 9 4 9 ; R o h 1 9 6 2 ;

Nierendorf); Kat. Sammlung H a g e m a n n , Frankfurt am

Brenner 1 9 6 3 ; Hentzen 1 9 7 2 ; Wulf 1 9 8 3 ; Kat. »Ent-

Main/Essen 2004 (Sammlung Carl Hagemann); Buch-

artete Kunst«, Los Angeles et al. 1 9 9 1 - 1 9 9 2 ; Z u s c h l a g

holz 2005 (Karl Buchholz); Voigt 2007

1 9 9 5 ; Blume / Scholz 1 9 9 9 ; Fleckner 2007.

Bernhard Sprengel); Jentsch 2008 (Alfred Flechtheim); Tiedemann

10 Betrachtet werden Vertreter des deutschen Impressionismus, des Expressionismus, der Bauhaus-Schule und der N e u e n

Sachlichkeit.

Der Dadaismus

wird

(Sammlung

2 0 1 0 (Karl Buchholz); Schöddert

(Ferdinand Möller); Voigt 2 0 1 0 (Günther

2010

Franke);

H o f f m a n n 2010 (Bernhard A . Böhmer).

aus

Gründen der Technik vernachlässigt. D a das bevorzugte Gestaltungsmittel der Dada-Bilder die Collage

17 Vgl. Henze 1 9 9 9 a ; Henze 1 9 9 9 b ; Kat. Private Schätze, H a m b u r g 2001.

ist, lassen sich Werke dieser Stilrichtung schwer mit der allgemeinen Kategorie »Gemälde« vergleichen. A u c h der Surrealismus

bleibt

unberücksichtigt,

da

18 Vgl. Tafel 1 9 8 7 ; M e i ß n e r 1 9 8 9 ; Wilhelm 1990.

seine

deutschen Vertreter, wie z u m Beispiel M a x Ernst, die

19 Vgl. Steinkamp / H a u g 2010.

meiste Zeit im Ausland tätig waren und so Deutschland nicht mehr als Ausgangspunkt der künstlerischen Entwicklung gesehen werden kann.

20 Vgl. Bühlmann et al. 1998. Besonders

erwähnens-

wert für die vorliegende Untersuchung ist der A u f s a t z von Werner J. Schweiger über den modernen Kunst-

11 Frankreich und die Niederlande werden nicht einbezogen, da die deutsche Besetzung dieser Länder ab 1 9 4 0 einen Bruch in der Untersuchung mit sich bringen

handel in Zürich von 1 9 1 0 bis 1 9 3 8 ; vgl. Schweiger 1998.

12 _ E i n l e i t u n g

21 V g l . B u o m b e r g e r 1 9 9 8 ; T i s a Francini / Heuß / Kreis 2001.

Heinzelmann und Olaf Peters. Christian

Saehrendt

betrachtet die Rezeption der Künstler der BRÜCKE von der Weimarer R e p u b l i k bis z u m Kalten Krieg; vgl. N e r -

22 Allerdings existieren Publikationen zu der Rezeption einzelner Künstler auf dem amerikanischen M a r k t und

dinger 1 9 9 3 ; Peters 1 9 9 8 ; Heinzelmann 1 9 9 8 u. Saehrendt 2 0 0 5 .

zu verschiedenen A k t e u r e n , die insbesondere in den Einzelbetrachtungen der ausgewählten Künstler in der vorliegenden Studie berücksichtigt w e r d e n .

27 V g l .

Zuschlag

1995.

Zur

Dokumentation

der

Be-

schlagnahmeaktion in den einzelnen M u s e e n vgl. Vogt 1 9 6 5 a (Essen); K a t . Bildzyklen, Stuttgart 1 9 8 7 (Stutt-

23 V g l . H e r c h e n r ö d e r 1 9 7 9 , Herchenröder 1 9 9 0 ; Enderlein 2 0 0 6 . D e r Studie v o n A n g e l i k a Enderlein ging ein

gart) ;

Kat.

(Mannheim);

»Entartete Schuster

Kunst«, 1987

Mannheim

(München);

A u f s a t z unter ihrem Geburtsnamen v o r a u s ; vgl. G ö r -

1 9 8 7 a (Halle an der Saale); Lott 1 9 8 8

nandt 2 0 0 5 . Die drei genannten Publikationen konn-

K a t . Kronprinzen-Palais, Berlin 1 9 8 8

ten nur bedingt f ü r die vorliegende

ReVision, Frankfurt am Main

Untersuchung

1991

1987

Hüneke

(München);

(Berlin);

Kat.

(Frankfurt a m

genutzt w e r d e n , da entweder der Z e i t r a u m oder das

M a i n ) ; M ä r z 1 9 9 2 (Berlin); J a n d a / G r a b o w s k i

M a r k t s e g m e n t (Auktionsmarkt) der Fragestellung in

(Berlin); Fleckner / Hollein 2 0 1 0 (Frankfurt a m M a i n ) .

der vorliegenden Publikation nicht dienlich w a r e n . Die

A n der FORSCHUNGSSTELLE

Betrachtungen

der

von

Christian Herchenröder

werden

Freien Universität

»ENTARTETE

Berlin

mit

KUNST«

Hilfe

der

z w a r in einem A u f s a t z über DIE ENTWICKLUNG DES

»Harry-Fischer-Liste«

INTERNATIONALEN KUNSTMARKTES

SEIT I 9 3 O BIS

angelegt, auf dessen I n f o r m a t i o n e n die Autorin dank

HEUTE ergänzt, dieser ist allerdings sehr skizzenhaft

Andreas H ü n e k e zurückgreifen konnte. A n der FOR-

gehalten; vgl. Herchenröder 2 0 0 5 .

ein

wird

1992

Beschlagnahmeinventar

SCHUNGSSTELLE entstehen z u d e m beständig neue Arbeiten z u m Themengebiet der »entarteten« K u n s t . Ei-

24 Z u r M u s e u m s - und Sammlungsgeschichte f ü r moderne

nen Uberblick der bisher abgeschlossenen und in Vor-

K u n s t in Deutschland vgl. V o g t 1 9 6 5 a ; K a t . M u s e u m

bereitung befindlichen Magisterarbeiten,

der

1991b;

nen und Publikationen findet m a n unter http://www.

Hille 1 9 9 2 ; M a y / Paret 1 9 9 3 ; R ü c k e r t / K u h r a u 1 9 9 8 ;

geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/entartete_kunst/

M u s e u m F o l k w a n g 2 0 0 1 ; Winkler 2 0 0 2 ;

abschlussarbeiten/index.html (Stand: M a i 2 0 1 0 ) .

Gegenwart,

Düsseldorf

1987;

Hüneke

Grzechca-

Dissertatio-

M o h r 2 0 0 4 ; H ü n e k e 2 0 0 5 ; Steinkamp 2 0 0 8 ; Winter 2 0 0 8 . Für die U S A vgl. Barr 1 9 6 7 ; K a t . Busch-Reisinger-Museum, F r a n k f u r t a m M a i n

1983;

28 V g l .

Hüneke

1987b;

Hüneke

1991-1992;

Hüneke

Kantor

1 9 9 9 a ; H ü n e k e 2 0 0 2 . Z u r A u k t i o n der Galerie Fischer

2 0 0 2 ; K a t . R e b a y und G u g g e n h e i m , N e w Y o r k et al.

und der » V e r w e r t u n g s k o m m i s s i o n « vgl. B a r r o n 1 9 9 1 -

2 0 0 5 - 2 0 0 6 . Für die Schweiz vgl. K a t . Kunsthaus Z ü -

1 9 9 2 b ; Frey 1 9 9 9 ; Jeuthe 2 0 0 7 . Z u m Verkauf »ent-

rich, Z ü r i c h 1 9 5 9 ; K a t . Basler Kunstverein, Basel 1 9 8 9 .

arteter« Werke an das K u n s t m u s e u m Basel und das S a m m l e r e h e p a a r F o h n vgl. Kreis 1 9 9 0 ; S c h u l z - H o f f -

25 V g l . H e r m a n d / T r o m m l e r 1 9 7 8 . 26 Die

ersten

Aufarbeitungen

der

mann 1 9 9 0 ; Zuschlag 2009. Aktion

»Entartete

K u n s t « betreffen Publikationen v o n Paul O r t w i n R a v e ,

29 V g l . Held 1 9 8 1 ; H e r m a n d 1 9 8 6 ; G r a s s k a m p

1989;

Breuer 1 9 9 7 .

Franz R o h , H i l d e g a r d Brenner und A l f r e d Hentzen. Joseph Wulfs fünfbändige Dokumentation

erschien

30 Z u r A u f n a h m e der emigrierten Künstler vgl. H a h n

erstmals 1 9 6 3 ; vgl. R a v e 1 9 4 9 ; R o h 1 9 6 2 ; Brenner

1 9 8 3 ; H a h n 1 9 9 3 ; K a t . E x i l , Berlin 1 9 9 8 ; Kentgens-

1 9 6 3 ; Hentzen 1 9 7 2 ; Wulf

C r a i g 1 9 9 9 ; G r a w e 2 0 0 2 ; K a t . E x i l und

Jahren

1 9 8 3 . In den achtziger

betrachten Werner H a f t m a n n und

Moderne,

Günther

Rüsselsheim et al. 2 0 0 5 - 2 0 0 6 . C o r d u l a Fr owein be-

Wirth vorrangig das Schicksal der verfolgten Künstler;

trachtete A l f r e d Flechtheims kunsthändlerischen Tätig-

vgl. H a f t m a n n 1 9 8 6 ; Wirth 1 9 8 7 . M i t d e m Ausstel-

keiten im Exil; vgl. F r o w e i n 1 9 8 7 . Z u Sammlungen im

lungsprojekt v o n Stephanie B a r r o n w u r d e ein großer

Exil vgl. K a t . S a m m l u n g Fischer, F r a n k f u r t a m M a i n

Uberblick

1990.

zur

nationalsozialistischen

Kunstpolitik

erarbeitet, deren Ergebnisse in einem Ausstellungskatalog gesammelt w u r d e n . Ebenso bieten die Aufsatzsammlungen

v o n Eugen Blume und Dieter

31 V g l . Ungern-Sternberg 1 9 9 4 .

Scholz

sowie von U w e Fleckner Einblicke zu einzelnen Be-

32 V g l . Petzina 1 9 7 7 ; B u c h h e i m 2 0 0 3 ; Abelshauser 1 9 8 7 .

gebenheiten; vgl. K a t . »Entartete K u n s t « , L o s Angeles et al. 1 9 9 1 - 1 9 9 2 ; Blume / Scholz 1 9 9 9 ; Fleckner 2 0 0 7 ;

33 V g l . Steiner 2 0 0 6 .

Fleckner 2 0 0 9 . Z u r A n s c h a u u n g der Rezeption einzelner Stilrichtungen im N a t i o n a l s o z i a l i s m u s sei f ü r das

34 V g l . H o f f m a n n 1 9 6 5 .

B a u h a u s die von W i n f r i e d N e r d i n g e r herausgegebene A u f s a t z s a m m l u n g genannt. M i t der N e u e n Sachlichkeit beschäftigen sich die Untersuchungen v o n M a r k u s

35 Genutzt w u r d e z u m Beispiel die Zeitschrift STATISTISCHES J A H R B U C H

FÜR DAS D E U T S C H E R E I C H

der

A n m e r k u n g e n _ 13

Jahre

1926

und

HANDBUCH

1930

VON

sowie

das

STATISTISCHE

auf die I n t e n t i o n d e r jeweiligen zitierten P e r s o n n i c h t

1928-1944

in j e d e m Fall eingegangen w e r d e n k a n n . G e r a d e bei

DEUTSCHLAND

h e r a u s g e g e b e n v o m L ä n d e r r a t des A m e r i k a n i s c h e n Be-

A u s s a g e n v o n K ü n s t l e r n o d e r H ä n d l e r n a n potenzielle

satzungsgebiets,

Nachfrager

München

Die

1949.

Verbraucher-

preisindizes für D e u t s c h l a n d , die U S A , S c h w e i z u n d

sei a u f eine m ö g l i c h e

Verkaufsstrategie

verwiesen.

E n g l a n d k o n n t e n b e i m Statistischen B u n d e s a m t erfragt werden.

39 A u f den P r o p a g a n d a a u s s t e l l u n g e n der N a t i o n a l s o z i a listen w u r d e n die d i f f a m i e r t e n W e r k e teilweise mit An-

36 V g l . S c h u s t e r 1 9 8 7 , S. 1 1 5 .

kaufspreisen versehen, die s o m i t durch B i l d a u f n a h m e n

37 V g l . B u c h h o l z 2 0 0 5 , S. 7 6 : » V o n v e r b o t e n e n Bildern

j e d o c h mit V o r s i c h t v e r w e n d e t w e r d e n , d a die N a t i o -

w u r d e n keine U n t e r l a g e n a u f g e h o b e n , da m a n jeder-

nalsozialisten n i c h t u n b e d i n g t sorgfältig m i t den An-

zeit mit e i n e r D u r c h s u c h u n g r e c h n e n m u ß t e . «

g a b e n zu den einzelnen B i l d w e r k e n u m g e g a n g e n sind

von den Ausstellungen d o k u m e n t i e r t sind. Sie m ü s s e n

und s o m i t F e h l e r aufgetreten sein k ö n n e n . U b e r die 38 A u ß e r den publizierten B r i e f s a m m l u n g e n u n d T a g e b ü c h e r n einzelner Künstler, die i m K a p i t e l

A n k a u f s p r e i s e m u s s t e n die M u s e e n d e m P r o p a g a n d a -

»Einzelne

m i n i s t e r i u m A u s k u n f t erteilen. Einige der M u s e u m s -

S t i l r i c h t u n g e n und ihre V e r t r e t e r i m U b e r b l i c k « aufge-

listen sind bei Z u s c h l a g 1 9 9 5 a b g e d r u c k t . V o n ihrer

führt w e r d e n , sind z u m Beispiel die B r i e f s a m m l u n g e n

Korrektheit

der K u n s t h ä n d l e r G ü n t h e r F r a n k e und G a l k a E m m y

A u c h i n n e r h a l b der P u b l i k a t i o n e n zu den

S c h e y e r oder des S a m m l e r s C a r l H a g e m a n n zu n e n n e n ;

n a h m e n in einzelnen M u s e e n sind A n k a u f s p r e i s e ver-

vgl. S c h m i d t 1 9 7 0 ; D e l f s / L ü t t i c h a u / S c o t t i

m e r k t ; vgl. V o g t 1 9 6 5 a ; S c h u s t e r 1 9 8 7 ; K a t .

2004;

kann

weitgehend

ausgegangen

werden. Beschlag»Ent-

W ü n s c h e 2 0 0 6 . Publizierte Preise finden sich a u ß e r -

artete K u n s t « , M a n n h e i m 1 9 8 7 ; K a t . B i l d z y k l e n , Stutt-

dem

gart 1 9 8 7 ; H ü n e k e 1 9 8 7 a ; K a t . R e V i s i o n , F r a n k f u r t

bei

Mühsam

JAHRBUCH

den

DER

im

1925,

INTERNATIONALEN

(1930), i n (seit 1 9 3 9 ) , i m

GEMÄLDEAUKTIONEN

KUNSTPREISVERZEICHNISSEN

am Main

1 9 9 1 ; Janda / Grabowski

1992;

Hüneke

2005.

v o m Pressedienst G r a f B l ü c h e r h e r a u s g e g e b e n e n A u k tionspreisverzeichnis (1948), s o w i e i m W O R L D LECTORS

ANNUARY

COL-

40 D a es n i c h t m ö g l i c h ist, bei allen i n l ä n d i s c h e n und aus-

(1950). In f o l g e n d e n Kunstzeit-

ländischen M u s e e n den E r w e r b u n g e n der b e t r a c h t e t e n

schriften sind r e g e l m ä ß i g o d e r gelegentlich Versteigerungspreise g e n a n n t : A R T

1934);

PRICE

CURRENT

(1927-

Künstler

nachzugehen,

wurden

einige

Institutionen

e x e m p l a r i s c h a u s g e w ä h l t . D e r A u s w a h l lag z u d e m die

SEASON ( 1 9 2 8 - 1 9 3 1 ) ; DAS ( 1 9 2 5 - 1 9 3 3 ) ; D E R C I C E R O N E (1927); DIE WELTKUNST ( 1 9 3 I - I 9 4 4 Und I 9 4 9 - I 9 5 5 ) ; KUNST UND KÜNSTLER (1925-1929); K U N S T C H R O -

B e r e i t s c h a f t d e r jeweiligen M u s e e n z u g r u n d e ,

NIK UND

KUNSTLITERATUR

ZEIT-

und P e r s o n e n zu d a n k e n , die ihr A r c h i v m a t e r i a l für die

SCHRIFT

FÜR

(1927-1932). Die

Preisanalyse zur V e r f ü g u n g stellten. E i n e vollständige

CHRISTIE'S

KUNSTBLATT

BILDENDE

-

BEILAGE

KUNST

ZUR

einen

E i n b l i c k in die A n k a u f s p r e i s e zu g e w ä h r e n , der nicht selten verweigert w u r d e . E b e n s o verhielt es sich bei einigen N a c h l ä s s e n . U m s o m e h r ist den I n s t i t u t i o n e n

Z i t a t e v o n z e i t g e n ö s s i s c h e n A u s s a g e n sind in der j e w e i -

Auflistung der b e s u c h t e n und z u g ä n g l i c h e n

ligen R e c h t s c h r e i b u n g g e h a l t e n . H i n s i c h t l i c h v o n getä-

bietet das »Verzeichnis der A r c h i v e « i m A n h a n g der

Archive

tigten zitierten M a r k t e i n s c h ä t z u n g e n sei b e m e r k t , dass

vorliegenden P u b l i k a t i o n .

Ökonomische Betrachtung des Kunstmarkts

KUNST ALS WIRTSCHAFTSGUT

Ökonomische Überlegungen im Kunstbereich werden nicht selten als Provokation aufgefasst oder zumindest verdächtigt, die Kunst in die Nähe von materialistischen Interessen zu rücken. So formulieren auch die Autoren einer Untersuchung zur Ökonomie der Kunst die Bedenken, welche die Vergleichbarkeit von Kunstwerken mit anderen Produkten unserer Konsumgesellschaft hervorruft: »Ist Kunst nicht etwas Einzigartiges, Spontanes und wegen der ästhetischen Komponente Unmeßbares? Unterscheidet sie sich deshalb nicht grundsätzlich von anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft?« 1 Hinter der Auffassung, Kunst sei autonom, steht die Annahme, dass Kunst nur durch eine in ihr selbst innewohnende Gesetzlichkeit reguliert werden kann. Damit werden die Freiheit und Erhabenheit der Kunst sowie ihre ästhetischen Ideale proklamiert. Dem Geld hingegen wird eine ausschließlich dienende Funktion für die Abwicklung der Tauschvorgänge zugesprochen. 2 Die Meinung, der sublime Charakter der Kunst verbiete wirtschaftliche Überlegungen, ignoriert jedoch die Tatsache, dass Kunst und Geld offensichtlich schon immer zueinander in Beziehung standen. Auf dem freien Markt wird Kunst zur Ware und unterliegt somit - wie andere Güter auch - zwangsläufig den Ge-

16

Ökonomische

Betrachtung

des

Kunstmarkts

setzen von Angebot und Nachfrage. Demnach hat, zugespitzt formuliert, »die l'artpour-l'art-Formel [...] ihre logische Entsprechung in der Geschäft-ist-Geschäft-Devise«. 3 Der Handel mit Kunst kann, entgegen allen negativen Vorurteilen, auch als eine Notwendigkeit positiv betrachtet werden. Er lässt dem kreativen Akt einen materiellen Gegenwert zukommen und sichert ihn wirtschaftlich ab. Zudem dient er dem allgemeinen Kulturaustausch und fördert das Kunstverständnis der Gesellschaft. 4 Die Kunst verliert ihre ästhetische Autonomie und Unantastbarkeit, sobald sie auf dem freien M a r k t angeboten wird und sich allgemeinen Marktregeln und Marktgesetzen unterordnen muss. Auch wenn das Verhältnis von Angebot und Nachfrage nicht ausschließlich auf wirtschaftliche Mechanismen zurückgeführt werden kann, ist der Kunstmarkt, wie alle anderen Märkte, Teil des Wirtschaftsgefüges und von gesamtwirtschaftlichen Tendenzen und Entwicklungen nicht ausgeschlossen. 5 Wird das Kunstwerk zur Ware, so wird der Künstler zum Produzenten, die Sammler und die Museen zu Konsumenten und der Kunsthändler zum Vermittler. 6 Da die folgende Analyse des Kunstmarkts auf Verkaufspreisen basiert, ist es sinnvoll, den Kunstmarkt zuerst einer Betrachtung nach ökonomischen Gesichtspunkten zu unterziehen. Dazu sollen seine Struktur und Organisation kurz skizziert werden, um daran die Preisbildungsmechanismen für Kunstwerke aufzuzeigen. Die Darstellung dieser Zusammenhänge erleichtert das allgemeine Verständnis für die statistische Analyse der Verkaufspreise. Dabei wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausführlichkeit erhoben, statt dessen stehen vor allem Fragen im Vordergrund, die für eine auch rezeptionsgeschichtlich ausgerichtete Untersuchung relevant sind, wie zum Beispiel: »Was ist eine Ware wert, deren wahren Wert man nicht objektiv wahrnehmen kann? [...] Wie sind die M ä r k t e beschaffen, auf denen solche Ware gehandelt wird, und wer bestimmt den Preis?« 7

PREISBILDUNGSMECHANISMEN IM KUNSTMARKT

Der Begriff »Preisbildung« bezeichnet das Zustandekommen eines Preises auf einem M a r k t , der einen Ausgleich zwischen den vorhandenen Gütern und den bestehenden Bedürfnissen bildet. 8 Ein » M a r k t « wiederum meint das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage. In Anlehnung an diese Begriffsbestimmung wird der Kunstmarkt als ökonomischer Ort des Austausches von Bildender Kunst definiert. 9 Kriterien für die Art der Preisbildung sind die Charakterisierungen eines M a r k t e s in Kategorien wie »vollkommen« oder »unvollkommen« sowie in »organisiert« oder »nicht-organisiert«, ebenso ist seine Form entscheidend. 1 0 Wird ein M a r k t als »vollkommen« definiert, existiert ein einheitlicher Preis für alle Güter. Voraussetzung für die Vollkommenheit eines M a r k t e s ist das Nicht-

Preisbildungsmechanismen im Kunstmarkt

Vorhandensein von sogenannten Präferenzen, also keinerlei Bevorzugungen von sachlichen, räumlichen, persönlichen oder zeitlichen Umständen, sowie das Vorhandensein einer vollständigen Markttransparenz. 1 1 Schon auf den ersten Blick treffen diese Bedingungen auf den Kunstmarkt nicht zu. Das Nichtvorhandensein von sachlichen Präferenzen würde eine vollständige Gleichartigkeit der Güter voraussetzen und kann insbesondere bei Werken der Malerei nicht eingehalten werden. Gemälde sind einmalige, unvermehrbare und grundsätzlich nicht substituierbare Waren. Sie unterscheiden sich anhand einer Vielzahl von Merkmalen, wie der Größe, der Technik, dem Sujet oder der Qualität. Daher müssen Gemälde als äußerst heterogene Produkte aufgefasst werden. Aufgrund der hohen Uneinheitlichkeit von Gemälden und ihrer Nichtsubstituierbarkeit sind persönliche Präferenzen gegenüber einzelnen Werken und Marktteilnehmern zwangsläufig vorhanden. Somit beeinflussen persönliche Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern die Kaufentscheidungen. Auch räumliche Präferenzen sind vorhanden, da sich für bestimmte Stilrichtungen Teilmärkte und Kunsthandelszentren herausbilden, die meist in festgelegten Regionen angesiedelt sind. Aufgrund dieser Regionalisierung des Kunstmarkts muss von einer Bevorzugung bestimmter Orte von einzelnen Anbietern und Nachfragern ausgegangen werden. Zusätzlich wird der Kunstmarkt stark von Trends beeinflusst, so dass Kaufentscheidungen von zeitlichen Präferenzen abhängig sind. Schließlich ist auch eine vollständige Markttransparenz nicht gegeben. Sie würde voraussetzen, dass alle Marktteilnehmer jegliche Informationen über relevante Marktdaten besitzen, auf deren Basis sie ihre Kaufentscheidung treffen können. Eine vollständige Wareninformation bei Gemälden ist aber ausgeschlossen, da ein Kunstwerk neben seinen messbaren Eigenschaften auch immer einen ideologischen und ästhetischen Wert besitzt, der nach keinem Maßstab entschlüsselt werden kann. Die vielen subjektiven Präferenzen lassen eine Informationsasymmetrie entstehen, so dass der Kunstmarkt sogar als höchst intransparenter Markt bezeichnet werden muss. Da also alle Bedingungen für einen vollkommenen Markt ausgeschlossen werden müssen, ist der Kunstmarkt als unvollkommen zu bezeichnen. Demnach existieren stark variierende Preise, die Ausdruck unterschiedlicher Produkteigenschaften und Präferenzen sowie differenzierter räumlicher und zeitlicher Bedingungen sind. Ein weiteres Kriterium, das Einfluss auf die Preisbildung hat, ist die Marktorganisation. Ein Markt kann »organisiert« oder »nicht-organisiert« sein. Er gilt als organisiert, wenn das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern nach festgeschriebenen Regeln verläuft. Demnach ist eine Auktion eine organisierte Marktveranstaltung, die einen Markt in seiner ursprünglichen Wortbedeutung reflektiert: Zu einer bestimmten Zeit und an einem festgelegten Ort treffen sich Anbieter und Nachfrager, um bestimmte wirtschaftliche Güter - in diesem Fall

17

18

Ökonomische

Betrachtung

des

Kunstmarkts

Kunstwerke - zu tauschen. Auch die Verhandlung über den zu zahlenden Preis erfolgt nach festgelegten Regeln. Der Kunsthandel, außerhalb von Auktionsveranstaltungen, ist jedoch als nicht-organisierter Markt zu betrachten. Das Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern wird hier individuell abgestimmt, ebenso obliegt das Preisverhandlungsverhalten keinen vorgeschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Folglich teilt sich der Kunstmarkt nach dem Kriterium seiner Organisation in einen Auktionsmarkt und einen Kunsthandelsmarkt. Entsprechend sind Kunstpreise in Auktions- und Handelspreise zu untergliedern, da sie nach unterschiedlichen Marktstrukturen gebildet werden. Neben der qualitativen Beschaffenheit eines Marktes gilt die Marktform als wesentlicher Bestimmungsfaktor des Preises. Hiermit sind die Anzahl der Marktteilnehmer sowie deren relative Größe gemeint. Sie sind der Maßstab für den Wettbewerb auf der Nachfrager- und Anbieterseite, der die Preisbildung beeinflusst. Betrachtet man die Marktform des Kunstmarkts, bleibt es bei der Aufteilung in einen Kunsthandelsmarkt und einen Auktionsmarkt. Die nationalökonomische Forschung weist dem Kunsthandelssektor die Marktform des »Polypols« und dem Auktionssektor die Marktform des »Oligopols« zu. Bei beiden Sektoren existiert eine hohe Anzahl von Nachfragern, so dass eine sogenannte »atomistische« Nachfragestruktur vorausgesetzt wird, die besagt, dass der Wegfall oder das Verhalten eines Marktteilnehmers keine Auswirkungen auf den gesamten Markt hat. 1 2 Die genannte Unterscheidung der Kunstmarktformen richtet sich demnach lediglich nach der Größe der Anbieterseite. Die Bezeichnung des Kunsthandelssektors als Polypol bedeutet, dass die Anzahl der Anbieter so groß ist, dass das preispolitische Verhalten eines einzelnen weitgehend unbeachtet und ohne Auswirkungen bleibt. Das Polypol bildet die Grundlage für die Situation einer vollkommenen Konkurrenz. Demnach würde der Marktpreis von allen Marktteilnehmern als nicht veränderbar angesehen werden und sich aus dem Gleichgewicht der gesamten Marktnachfrage und des gesamten Marktangebotes ergeben. Voraussetzung der vollkommenen Konkurrenz ist aber ein vollkommener Markt. Wie gezeigt, handelt es sich beim Kunstmarkt jedoch um einen unvollkommenen Markt, auf dem die Güter grundsätzlich unvermehrbar und in ihren Eigenschaften einzigartig sind. Als nichtsubstituierbares Gut kann weder ein anderes Kunstwerk noch ein anderes Gut ein bestimmtes Kunstobjekt vollständig ersetzen. Demnach könnte jeder Anbieter für jedes einzelne Kunstwerk eine monopolistische Preisdifferenzierung vornehmen, das Werk also für den Preis verkaufen, den der Kunde maximal zu zahlen bereit ist. 13 In der Realität sind Kunstwerke allerdings im Einzelfall und im gewissen Maße untereinander substituierbar. Vorstellbar sind Verlagerungen innerhalb eines Künstleroeuvres, einer bestimmten Stilrichtung oder aber auch die Hinwendung zu einer gänzlich anderen Epoche oder

Preisbildungsmechanismen im Kunstmarkt

Kunstgattung. Generell hängen die Substitutionsmöglichkeiten von den Präferenzen der Nachfrager und dem individuellen Angebot ab, so dass für die Anbieter unvorhersehbar ist, mit wem sie im Einzelnen in einer Konkurrenzbeziehung stehen. Durch die unvorhersehbare Anzahl von Anbietern, zu denen die Kunden abwandern könnten, ergibt sich schließlich die Marktform der monopolistischen Konkurrenz. Jeder Anbieter besitzt in diesem Fall eine individuelle Preisabsatzfunktion mit einem monopolistischen und einem atomistischen Bereich. Dies bedeutet, dass der Anbieter innerhalb seines monopolistischen Spielraumes seine Preise selbständig festsetzen kann, ohne von der Preisbildung der Konkurrenz abhängig zu sein. Sein Spielraum ist umso breiter, je stärker die Bindung der Kunden an den jeweiligen Anbieter und an das angebotene Kunstwerk ist. Die Bindung ist wiederum abhängig von dem Potential des Händlers, der Individualität des Angebots, der persönlichen Präferenzen des Nachfragers und der Unüberschaubarkeit des Marktes aufgrund seiner hohen Komplexität. Im Vergleich zum Kunsthandelssektor gibt es auf dem Auktionssektor eine eher geringe Anzahl von Anbietern, unter denen ein verschärfter Wettbewerb stattfindet. Daher besitzt der Auktionssektor die Marktform des Oligopols, welche sich durch eine geringe Anzahl von Anbietern gegenüber einer hohen Anzahl von Nachfragern auszeichnet. Einem einzelnen Anbieter wird zugesprochen, mit seinem Verhalten Einfluss auf das gesamte Marktgeschehen ausüben zu können. Dies betrifft im Auktionsmarkt vorrangig die Geschäftsbedingungen einer Auktion, aber nicht die Preisbildung insgesamt. Die Preise entstehen vielmehr wie bei einem Monopol: Der Anbieter verkauft an den Nachfrager, der die höchste Preiselastizität besitzt, der also am meisten zu zahlen bereit ist. Die Nachfrager stehen in offener Konkurrenz zueinander und das Preisfindungsverfahren ist festgelegt. Während der Auktion werden die Werke nacheinander einzeln aufgerufen und mit einem Preislimit bedacht, das zuvor von Einlieferer und Auktionator festgesetzt wurde. Daraufhin konkurrieren die Bieter offen durch die Abgabe von Preisgeboten, wobei das Höchstgebot den Zuschlag erhält. Für jedes aufgerufene Einzelobjekt bildet sich demnach ein eigenständiger Teilmarkt, vorausgesetzt mindestens zwei Bieter treten in Konkurrenz zueinander. Eine Auktion kann somit insgesamt als eine Folge von Teilmärkten verstanden werden, deren Preise sich als Gleichgewichtspunkte zwischen Angebot und Nachfrage bilden. Sie sind das Ergebnis eines Einzelabstimmungsprozesses, der auch außerökonomische Aspekte wie irrationales Bietverhalten oder starke persönliche Präferenzen umfasst. Jeder einzelne Bieter übt Einfluss auf den endgültigen Preis aus. Somit hängen die Auktionspreise von der zufälligen Nachfragerstruktur der jeweiligen Auktion ab. Je stärker die persönlichen Präferenzen der Auktionsteilnehmer sind, desto preiselastischer ist die Nachfrage und desto höher werden die Preisergebnisse sein. Der hohe Einfluss des Einzelnen bietet ver-

19

20

Ökonomische

Betrachtung

des

Kunstmarkts

schiedene Manipulationsmöglichkeiten der Preisergebnisse. So kann die Auktionsplattform genutzt werden, um den Marktwert eines Künstlers auf einem hohen Preisniveau zu etablieren, indem die Preise während des Bietgefechts künstlich in die Höhe getrieben werden. Darüber hinaus kann der Auktionator selbst Scheinbieter beauftragen, mit dem Ziel, seine Gewinnmöglichkeiten auszuschöpfen. Umgekehrt können die Nachfrager untereinander durch Absprache vermeiden, dass sie die Preise gegenseitig hochbieten. 14 Doch nicht nur auf Auktionen, sondern auch im Kunsthandel können Preise reguliert werden, indem zum Beispiel eine künstliche Verknappung des Angebots vollzogen wird, in der Annahme, dadurch die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager zu steigern. Die Manipulation von Angebot und Nachfrage wird von den Akteuren des Kunstmarkts erkannt und anerkannt. Sie wird im Allgemeinen nicht als verwerflich oder unmoralisch empfunden, da angenommen wird, dass die jeweilige Strategie zwar eine kurzfristige Wirkung erzielt, sich aber langfristig nicht behaupten kann. 1 5 Es lässt sich also festhalten, dass auf dem Kunstmarkt stark variierende Preise existieren, die von subjektiven Präferenzen abhängig sind und die in Auktions- und Handelspreise aufgeteilt werden müssen. Doch auch wenn sich Auktions- und Handelspreise auf unterschiedliche Weise bilden, kann von einer gegenseitigen Abhängigkeit der beiden Marktsektoren gesprochen werden. Schließlich ergibt sich die Marktstellung eines Künstlers aus der Beständigkeit einer Preisebene auf beiden Segmenten, also bei bereits vollzogenen Verkäufen im Handel und auf Auktionen. Außerdem orientieren sich die Limitpreise, die vor Auktionen von Einlieferer und Auktionator festgesetzt werden, an den üblichen Handelspreisen, welche sich wiederum nach vorherigen Auktionsergebnissen richten. 16 Die folgende Marktanalyse berücksichtigt daher sowohl Handels- als auch Auktionspreise, zeigt aber auch ihre Unterschiede auf. Erwähnt sei zudem, dass die Verflechtung der beiden Marktkomplexe nicht nur im Bereich der Preisbildung, sondern auch in anderen Bereichen der Marktstruktur, etwa in der Aufteilung der Marktteilnehmer in Anbieter- und Nachfragerseite, zu beobachten ist.

IDEELLE UND MATERIELLE WERTE

Die Betrachtung des Kunstmarkts hat gezeigt, dass die enorme Vielfalt seiner Erscheinungsformen eine ökonomische Analyse erschwert und für das Zustandekommen von Gemäldepreisen aufgrund der Heterogenität der Güter und der hohen Komplexität der Marktbeziehungen kein allgemeingültiges preistheoretisches Modell zur Lösung anwendbar ist. 17 Als Ergebnis lässt sich lediglich festhalten, dass auf dem Kunstmarkt stark variierende Preise existieren, die durch unterschiedliche

Ideelle und m a t e r i e l l e Werte _ 2 1

Kaufprozesse zustande kommen. Sind Kunstpreise also tatsächlich unerklärlich? Entwickeln sie sich »allmählich und auf geheimnisvolle Art« oder beeinflussen bestimmte Variablen den Wert, der für ein Kunstwerk bezahlt wird? 1 8 Bei der Mehrzahl der wirtschaftlichen Güter ist es gängige Praxis, den Arbeitsaufwand als Bewertungskriterium für die Höhe des Preises heranzuziehen. Bei Kunstwerken hingegen scheint diese Herangehensweise in verschiedener Hinsicht problematisch, da die bewusste und unbewusste Arbeit außerhalb der kunsthandwerklichen Leistung nicht messbar ist. Ebenso sind die materiellen Produktionskosten - zumindest bei Gemälden - von geringer Bedeutung. Der mutmaßliche Materialwert kann höchstens eine Preisbasis festsetzen. 19 Auch der Gebrauchswert entspricht nicht dem Tauschwert; im Preis für ein Kunstwerk drückt sich vielmehr ein unbegrenzter Mehrwert aus. 20 Was genau diesen Mehrwert jenseits der Produktionskosten und des Gebrauchswerts ausmacht und welche Faktoren und Einflüsse den Wert eines Kunstwerks determinieren, wurde bereits aus verschiedenen Perspektiven innerhalb der kunstökonomischen Forschung betrachtet. Dabei wurden mit Hilfe von entwickelten Modellen die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Preise erfasst, die im Folgenden vorgestellt werden. 2 1 SELTENHEITSWERT (UMFANG DES GESAMTCEUVRES)

Der Seltenheitswert von Kunstwerken ist für das allgemeine Preisniveau von ausschlaggebender Bedeutung. Die Seltenheit kann das Resultat einer langsamen Arbeitsweise oder eines frühen Todes sein. So stellt Willi Bongard fest, dass es »zweifellos das makaberste Gesetz des Kunsthandels [sei], wonach Werke eines Künstlers mit dessen Ableben plötzlich besonders gefragt sind und entsprechend im Preis anziehen«. 2 2 Es tragen aber auch innerhalb des Gesamtwerks ungewöhnliche Motive oder Techniken zum Seltenheitswert einzelner Werke bei. Der Grad des Seltenheitswertes bestimmt sich durch die Größe der Produktion im Verhältnis zur Beliebtheit und durch das M a ß , in dem Werke im öffentlichen Besitz und damit dem freien Handel entzogen sind. Museen nehmen durch ihre Ankaufspolitik Einfluss auf das Preisniveau eines Künstlers, da sie Kunst bewahren und einmal erstandene Kunstwerke nur in seltenen Fällen wieder auf den Markt gelangen. 23 Somit sind Kunstwerke, die in Museumsbesitz übergehen, der Zirkulation des Kunstmarkts weitgehend entzogen, und der Kunstgegenstand verliert seinen Warencharakter. Das Angebot an Werken des Künstlers reduziert sich dementsprechend auf dem Markt. TECHNIK

Die Technik eines Kunstwerks bestimmt die Herstellungskosten und trägt so zur Erklärung von Preisunterschieden bei. Zudem wird das Werk eines Künstlers, der

22

Ökonomische

Betrachtung

des

Kunstmarkts

unterschiedliche Techniken verwendet, höher eingestuft als eines Künstlers, der einzelne künstlerische Verfahren bevorzugt. Innerhalb der Kategorie »Gemälde« nimmt das Ölgemälde eine Vorrangstellung ein. Neben ästhetischen Gesichtspunkten spielt hier auch die Dauerhaftigkeit und Wertbeständigkeit eine Rolle. Die Gründe für eine höhere Bewertung des Ölgemäldes könnten aber auch die höheren Materialkosten, der höhere Arbeitsaufwand und die historisch längere Anerkennung als eigenständiges Kunstwerk im Gegensatz zum Tempera- oder Gouachegemälde sein. MOTIV / SUJET

Der Beliebtheitsgrad bestimmter Sujets kann Ausdruck modischer Strömungen sein oder rein psychologisch beziehungsweise soziologisch begründet werden. So werden Bildnisse meist hochwertiger eingeschätzt als Stilleben, wobei Porträts unbekannter Personen wiederum generell schwieriger zu verkaufen sind als die bekannter Persönlichkeiten. FORMAT

Es gibt keine generellen Maßstäbe, ab wann ein Kunstwerk als zu klein oder zu groß angesehen wird. Vielmehr sind die obere und die untere Grenze durch die individuelle Raumknappheit beziehungsweise durch das subjektive ästhetische Empfinden bestimmt. Dennoch ist die Größe zweifellos eine Bemessungsgrundlage für Verkaufspreise und Schätzwerte. Bei der Zunahme des Bildes um eine Größeneinheit, ist eine Steigerung des Preises zu beobachten. DOKUMENTATION UND VERTRAUTHEIT

Die Häufigkeit der Erwähnungen und Besprechungen in der Presse und Fachliteratur sowie seiner Ausstellungen steigern die Bekanntheit eines Künstlers und seines materiellen Werks. Je höher der Bekanntheitsgrad, umso höher ist auch die Einschätzung des Wertes. Reproduktionen und Präsentationen sind also für den Marktwert eines Werks ein wesentlicher Aspekt. Wie häufig es in Zeitschriften und Büchern reproduziert, in Ausstellungen gezeigt wird, welches Ansehen die betreffenden Publikationsmedien, Museen und Galerien haben und auf welche Weise sie platziert werden, sind entscheidende Faktoren. ERHALTUNGSZUSTAND

Der Erhaltungszustand von Gemälden ist, ebenso wie bei anderen Gütern ein wichtiges Kriterium. Beschädigungen, die den Wertbestand gefährden, mindern generell den Preis.

Ideelle und materielle Werte _ 2 3

PEDIGREE UND PROVENIENZ

Das Profil eines Anbieters und das Prestige eines vorherigen Besitzers tragen einen entscheidenden Mehrwert zu einem Kunstwerk bei. Der preissteigernde Einfluss begründet sich durch einen praktizierten Personenkult und einer empfundenen Qualitätsgarantie. Adolph Donath schreibt zum Beispiel über das S C H I C K S A L U N D W A N D E R U N G D E R K U N S T W E R K E , dass die Feststellung der Provenienz oft die Aufwertung des Wertes bewirkt, nicht allein die des künstlerischen, sondern auch die des materiellen. Selbst jene signierten Werke, denen das Meisterzeichen angeboren ist, würden noch an Markt- und Sammelwert gewinnen, wenn ihre Wanderung durch Sammlungen von Ruf beglaubigt wird. 2 4 Die hier aufgeführten Variablen haben zwar nachweisbar eine den Preis beeinflussende Wirkung, der monokausale Zusammenhang jeder einzelnen ist jedoch gering. Die einzelnen Faktoren sind in fast allen Fällen zu weniger als fünf Prozent in der Lage, das Zustandekommen eines Preises zu erklären. Ausschlaggebend ist vielmehr ihr Zusammenspiel. 25 Die bei weitem wichtigsten Erklärungsgrößen der Preisunterschiede sind hingegen die ästhetische Einschätzung sowie die persönlichen Präferenzen der Marktteilnehmer. 26 Die generelle Voraussetzung für das Vorhandensein eines materiellen Wertes ist also die Anerkennung eines künstlerischen Wertes, der eine ausschließlich subjektive Größe ist und sich im Zeitablauf durchaus ändern kann. 2 7 Indem der Konsument einem Kunstwerk gegenüber einen ideellen Wert empfindet, ist er bereit einen Preis zu zahlen, der über den reinen M a terialwert hinausgeht. Andererseits trägt die Preisfestsetzung zur künstlerischen Wertvorstellung bezüglich eines Kunstwerks und Künstlers bei. Der Preis dient den Marktteilnehmern als Qualitätsindikator, da der künstlerische Wert nicht durch objektive Eigenschaften entschlüsselt werden kann. 2 8 Somit kann die Grenze zwischen dem ideellen und dem materiellen Wert eines Kunstwerkes kaum bestimmt werden. Auch wenn die Eigenschaften, welche künstlerische Qualität bestimmen, nicht verbindlich festgelegt werden können, lässt sich doch von einer Abhängigkeit der geistigen und geschmacklichen Einstellung einer Zeit ausgehen. Der Geschmack einer Epoche ist die Frucht der Arbeit von Kunsthistorikern, Händlern, Kritikern und Museen und stellt somit eine Verbindung zu einigen der genannten Variablen her. 29 Der Wandel der Bewertung eines Kunstwerks unterliegt also dem Wandel seiner Rezeption. 30 Damit ist die Abhängigkeit zwischen der intellektuell bestimmten Rezeption von Kunst und ihrer Stellung auf dem Markt offensichtlich und soll folglich bei der Marktanalyse in Beziehung zueinander gesetzt werden. Die beschriebene Abhängigkeit kann auch als ganz eigene Strategie des Kunstmarkts bezeichnet werden. 31 Kunsthistoriker können mit Kunsthändlern, wie auch Museumsleute mit Galeristen, zusammenarbeiten, um bestimmte Künstler zu etablieren

24

1

Ökonomische

Betrachtung

des

O t t O DiX. GRUPPENBILDNIS

Kunstmarkts

GÜNTHER FRANKE, PAUL FERDINAND S C H M I D T UND KARL NIERENDORF,

192.^,

Ol auf L e i n w a n d , 4 0 X 74 cm, Berlin, N e u e Nationalgalerie

(Abb. 1). Der Galerist oder Sammler kann einem Museum Werke zeitgenössischer Kunst für eine Ausstellung liefern, deren Präsentation im Museum unweigerlich zu einer Erweiterung der Anerkennung und damit zu einem Anstieg des Marktwerts führt. Kunst kann somit von Museen und Ausstellungsmachern regelrecht renditefähig gemacht werden. Mit der gleichsam amtlichen Bestätigung des ästhetischen Wertes durch die Aufnahme in eine museale Sammlung wird auch der ökonomische Wert des Kunstwerks abgesichert und enorm steigerungsfähig, weil das breite Publikum Vertrauen fassen und sich dem Dialog mit dem Werk auf »gesichertem Parkett« eröffnen kann. 32 Die Zusammenarbeit der verschiedenen Kunstmarktakteure gerät oft in den Verdacht einer Verschwörung aus Händlern, Kritikern und Intellektuellen. Das Misstrauen gegenüber einer unheiligen Allianz zwischen Kunst und Kommerz hat sich noch verstärkt, seit sich die moderne Kunst dem allgemeinen Verständnis entzogen hat und es schwierig geworden ist, objektive Kriterien für künstlerische Qualität zu finden. Die Annahme einer Verschwörung kann als ein unausrottbarer Topos des Kunsthandels angesehen werden, dessen legitime Instrumente auf diese Weise diffamiert werden. 33 So war die Verschwörungstheorie, jüdische Händler hätten den Museen »entartete« Kunst aufgeschwatzt und damit die Zerstörung der deutschen Kultur angestrebt, beispielsweise eine gängige Argumentation der nationalsozialistischen Kunstpropaganda. Das Verhältnis von Museum und Handel wird durch eine gegenseitige Abhängigkeit beschrieben. Der Markt braucht einerseits die kunstwissenschaftliche Ab-

Ideelle und materielle Werte _ 2 5

Sicherung als Garantie, eine künstlerisch wertvolle Arbeit vor sich zu haben, andererseits ist der Markt selbst schon wichtige Bewährungsprobe auf dem Weg zur Anerkennung eines Werks. 34 Folglich bedingen der ästhetische Wert und der Handelswert sich einander gegenseitig. Dabei ist aber nur der zweite von dem ersten abhängig, aus dem einfachen Grund, dass in einem Museum ein Kunstwerk zwar einen ästhetischen, aber keinen Handelswert besitzt. Zudem kann der wachsende Gewinn eines Kunstwerks als steigende Anerkennung betrachtet, umgekehrt aber der fehlende wirtschaftliche Erfolg nicht mit gescheitertem Künstlertum gleichgesetzt werden. 3 5 Wie die Preise neben dem materiellen immer auch einen ideellen Wert verkörpern, besitzt auch die Motivation, mit Kunst Handel zu treiben oder Kunst nachzufragen, eine Doppelfunktion ökonomischer und idealistischer Natur. Das jeweilige Gewicht der beiden Seiten bestimmt sich aus den Zielen und der Persönlichkeitsstruktur des einzelnen Marktteilnehmers. 3 6 Auf der Anbieterseite besteht neben dem Ziel der wirtschaftlichen Rentabilität ein Engagement für die Kunst, mit der Absicht, die Kunst dem Einzelnen näher zu bringen, eine Idee zu verbreiten sowie die Künstler zu fördern. 37 Die Händler gelten, soweit sie sich für zeitgenössische Kunst einsetzen, als Mittler, Entdecker und Förderer von Talenten und erfüllen so die Aufgabe des Wegbereiters der modernen Kunst. Auf der anderen Seite spielen sie die Rolle von Geschäftsleuten. Schon in den sechziger Jahren stellte daher der Betriebswirt und Kunstjournalist Willi Bongard fest: »So sehr man sie dafür lobt, dass sie sich um die Kunst verdient machen, so wenig scheint man es ertragen zu können, dass sie bei der Gelegenheit außerdem noch an Kunst verdienen. Als ob das eine vom anderen zu trennen wäre!« 3 8 Nüchtern betrachtet, ist nur bei der Realisierung der ökonomischen Interessen der Fortbestand des Unternehmens gesichert und überhaupt erst die nötige Voraussetzung für die Verfolgung idealistischer Ziele geschaffen, wie die der Kunst- und Künstlerförderung. Die Kunst soll öffentlich gemacht und das Kunstverständnis der Gesellschaft geweckt werden, damit verbessert sich die Situation der Künstler und fördert ihr Schaffen. Die ökonomischen und idealistischen Ziele konkurrieren demnach nicht miteinander, sondern stehen gleichberechtigt nebeneinander. Im Vergleich zu Galerien tritt jedoch bei Auktionsunternehmen die Bedeutung der idealistischen Ziele mehr in den Hintergrund. 39 Im Bezug auf die Nachfrage von Kunst kann festgehalten werden, dass Kunstwerke in der Regel erst erworben werden, wenn der alltägliche Bedarf gedeckt ist. Da die subjektive Nützlichkeit die objektive Brauchbarkeit überwiegt, besitzt das Kunstgut eine allgemeine Eignung zur Bedürfnisbefriedigung. Die Bedürfnisse variieren je nach Nachfragergruppe. Nichtökonomische Ziele können Selbstverwirklichung, gesellschaftliche Selbstdarstellung (Repräsentation), ästhetische Wertschät-

26

Ökonomische

Betrachtung

des

Kunstmarkts

zung (Schönheit), aber auch das Motiv der Kunst- und Künstlerförderung sein und besitzen somit ideellen Charakter. Aus ökonomischer Sicht steht neben den geschäftsspezifischen Zielen der Händler und Museen das Motiv der Kapitalanlage im Vordergrund. 40 In diesem Zusammenhang wird von »Spekulanten der Kunst« gesprochen, »die im Kunstwerk das Objekt ihrer materiellen Begierde« erblicken. 41 Doch vielleicht birgt auch die Besitzfreude »des idealistischen Sammlers bereits im Keim die Freude am messbaren Wert« und es sind auf der Nachfragerseite die ideellen Motive nicht eindeutig von den ökonomischen abgrenzbar. Somit sind beliebige Kombinationen mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung denkbar. 42 Eine Sonderstellung hinsichtlich der Nachfrage von Kunstwerken nehmen die Museen ein. Ihre Aufgabe ist es, dem Publikum Kunst zugänglich zu machen und somit einen Beitrag zur Bildung und kunsthistorischen Erziehung zu liefern. Daher sollen Kunstwerke einzelner Epochen zusammengetragen und das kulturelle Geschehen im Zeitablauf dokumentiert werden. 43 Das Kaufmotiv des Museums ergibt sich demzufolge aus seiner ureigenen Bestimmung und Berechtigung.

Anmerkungen _ 2 7

1 Frey / Pommerehne 1 9 8 7 , S. 83.

Hälfte des vereinbarten Limits Wilhelm 1 9 9 0 , S. 1 1 2 .

2 Vgl. Kuhn 1 9 8 2 , S. 82; Prat 1 9 9 5 , S. 4 5 ; Zembylas 1 9 9 7 , S. 63 f. Vor allem die l'art pour l'art-Bewegung beruft sich auf die Autonomie der Kunst und ihre Unabhängigkeit von Markttendenzen. 3 Bongard 1 9 6 7 , S. 2 2 1 . Z u r Entwicklung des Kunstwerkes als Ware im heutigen Sinne und zur Entstehung des Wirtschaftszweiges Kunsthandel vgl. Jaquet 1 9 6 2 , S. 1 4 ff.; Christophersen 1 9 9 5 , S. 8 f.

(Schätzpreis);

vgl.

17 Vgl. Prat 1 9 9 5 , S. 49 f. 18 Leo Castelli, zitiert nach Helmut Sorge: »Die malen, ich verkaufe«, in: Spiegel Spezial 1 2 / 1 9 9 6 (Themenheft »Ware Kunst«), S. 2 3 - 2 5 , S. 2 3 . 19 Vgl. Andreae / Keuschnigg 1 9 8 3 , S. 3 8 ; Weihe 1 9 9 2 , S. 26.

4 Vgl. Weihe 1 9 9 2 , S. 1 1 0 .

20 Vgl. Draxler 1 9 8 9 , S. 95.

5 Vgl. Herchenröder 1 9 9 0 , S. 3 1 .

21 Z u den folgenden Einflussfaktoren vgl. Pommerehne / Schneider 1 9 8 3 ; Frangen 1 9 8 3 ; Rohr-Bongard 2 0 0 1 . Sie werden ergänzt durch Erkenntnisse von Jaquet 1 9 6 2 ; Weihe 1 9 9 2 ; Christophersen 1 9 9 5 . In der folgenden Aufzählung der Einflussfaktoren werden diese Literaturangaben nicht mehr einzeln a u f g e f ü h r t . Werner W. Pommerehne und Friedrich Schneider haben ein Modell entwickelt, mit dem sie die Veränderung von Preisen eines Künstlers prognostizieren können. Dies geschieht anhand von Faktoren, denen ein den Preis beeinflussender Charakter unterstellt wird. Die Eignung dieses Modells impliziert auch die Verifizierung der hypothetischen Faktoren. Ute Frangen ermittelt mit einer einfachen Regressionsanalyse die lineare Kausalbeziehung zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Variablen. Die abhängige Variable stellt den Preis dar, für die unabhängige werden verschiedene Faktoren, wie die Größe etc., eingesetzt. Diese Methode überprüft, ob die Veränderung der unabhängigen Variablen zu einer systematischen Beeinflussung der Preise führt. In der von Linde RohrBongard herausgegebenen Publikation wird das Modell von Willi Bongard, Betriebswirt und Kunstjournalist, beschrieben, der davon ausgeht, dass die Qualität von Kunst nicht messbar ist, wohl aber ihre Resonanz in der Fachwelt. Sein Kunstkompass ist der Versuch, objektive, allgemeingültige Bewertungskriterien zu finden, die für die Preisbildung einzelner Werke Erklärungen liefern. Durch ein Punktesystem, nach dem für Ausstellungen, Artikel, Publikationen etc. eine gewisse Anzahl von Punkten vergeben wird, wird die letztendliche Stellung auf dem M a r k t berechnet.

6 Die Begriffe »Kunsthändler« und »Galerist« sowie »Kunsthandlung« und »Galerie« werden im weiteren Verlauf der Arbeit synonym verwendet. Z w a r werden Kunsthändler tendenziell eher als konservativ und Galeristen als progressiv eingestuft, eine überschneidungsfreie Abgrenzung beider Begriffe ist jedoch nicht möglich. Die Bezeichnung »Galerie« gewinnt auch beim Handel mit klassischer, etablierter Kunst zunehmend an Bedeutung, so dass der Ubergang inzwischen fließend ist; vgl. Christophersen 1 9 9 5 , S. 1 5 . 7 Bonus / Ronte 1 9 9 7 , S. V. 8 Vgl. Christophersen 1 9 9 5 , S. 44; Prat 1 9 9 5 , S. 53. 9 Vgl. Christophersen 1 9 9 5 , S. 2. 10 Die folgenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an Gutenberg 1 9 5 9 , S. 1 4 8 ff.; Jaquet 1 9 6 2 , S. 95 ff.; Frangen 1 9 8 3 , S. 1 0 ff.; Klein 1 9 9 3 , S. 1 4 9 ff.; Christophersen 1 9 9 5 , S. 38 ff. Die Literaturangaben werden im Folgenden nicht mehr einzeln aufgeführt. 11 Homogenitätsbedingungen bedeuten nach Gutenberg: Nichtvorhandensein von sachlichen, persönlichen, räumlichen oder zeitlichen Präferenzen; vgl. Wöhe / Döring 2 0 0 2 , S. 5 3 9 . 12 Polypol leitet sich aus den griechischen Wörtern »poly« (viel) und »polein« (verkaufen) ab, Oligopol aus »oligoi« (wenige) und »polein« (verkaufen). Die Begriffe »atomistisch« und »polypolistisch« können synonym verwendet werden. 13 M o n o p o l leitet sich aus dem griechischen (allein) und »polein« (verkaufen) ab.

»mono«

14 Vgl. Weihe 1 9 9 2 , S. 1 4 5 f. 15 Vgl. Plagemann 1 9 7 1 , S. 79. 16 Vgl. Jaquet 1 9 6 2 , S. 1 1 7 . Der erste Ausrufbetrag eines Kunstwerkes auf einer Auktion liegt meistens bei der

22 Bongard 1 9 6 7 , S. 1 0 6 . 23 Eine juristische Bestimmung, die den Museen verbietet, einmal erstandene Kunstwerke zu verkaufen, existiert nicht. Auch wenn sich Museen prinzipiell einig sind, dass sie nicht verkaufen wollen beziehungsweise verkaufen sollten, hat es immer wieder Verkäufe von Sammlungsstücken der Museen gegeben. Während der Untersuchung konnten gerade für die Zeit des Nationalsozialismus viele Verkäufe oder Tauschgeschäfte der Museen festgestellt werden; vgl. Wilhelm 1 9 9 0 , S. 1 4 0 ; Datenmaterial; Berlin, PA G J .

28 _ Ökonomische B e t r a c h t u n g des

Kunstmarkts

24 Adolph Donath: Schicksal und Wanderung der Kunstwerke, in: Der Kunstwanderer 3/1925, S. 2 2 7 229, S. 227. 25 V g . Frangen 1 9 8 3 , S. 279.

36 Zu den Kunstmarktakteuren - ausgeschlossen die Künstler selbst - werden gezählt: Kunsthandelsunternehmen, Kunstauktionsunternehmen, Privatpersonen, Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, Museen und Kunstvereine; vgl. Christophersen 1995, S. 1 2 ff.

26 V g . Pommerehne / Schneider 1 9 8 3 , S. 66; Christoph«ersen 1995, S. 50.

37 Vgl. Frangen 1 9 8 3 , S. 57 ff.; Prat 1995, S. 52.

27 V g . Christophersen 1995, S. 46.

38 Bongard 1967, S. 99.

28 V g . Andreae / Keuschnigg 1 9 8 3 , S. 3 5.

39 Vgl. Christophersen 1995, S. 1 5 ff.

29 V g . Jaquet 1962, S. 1 0 u. S. 68 ff.

40 Vgl. Frangen 1 9 8 3 , S. 28 ff., S. 145 ff. Es ist fraglich, ob sich Kunst überhaupt als Anlageobjekt eignet. Insgesamt gibt es eine Vielzahl von Untersuchungen und Publikationen zu diesem Themengebiet, die jedoch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in Bezug auf die Eignung der Kunst als Kapitalanlage kommen.

3D V g . Weihe 1992, S. 124. 31 V g . Prat 1995, S. 56. 32 V g . Bonus / Ronte 1992, S. 2 1 1 . 33 V g . Bongard 1967, S. 7; Hansen 2002, S. 190. 34 V g . Hoffmann 1 9 8 3 , S. 190; Weihe 1992, S. 35; S. : I 5 35 V g . Weihe 1992, S. 5; Bonus / Ronte 1997, S. 102.

41 Anonym [ohne Titel], in: Die S. 1. 42 Ibid. 43 Vgl. Christophersen 1995, S. 35.

Weltkunst

9/1935,

Die Preisentwicklung der deutschen Moderne

ERLÄUTERUNG DER STATISTISCHEN VORGEHENSWEISE

Für die Analyse der Preisentwicklung der deutschen M o d e r n e w u r d e n aus zahlreichen Quellen Verkaufsangaben aus den Jahren 1 9 2 5 bis 1 9 5 5 zu Werken der z w ö l f in der vorliegenden Arbeit betrachteten Künstler zusammengetragen und statistisch ausgewertet. 1 Bei der Erhebung w u r d e n sowohl Auktions- als auch Handelspreise berücksichtigt, so dass der Primärmarkt (Direktverkauf), der Sekundärmarkt (Galerie, Händler) und der Tertiärmarkt (Auktionshäuser) einbezogen sind. Hinsichtlich der genutzten Auktionsergebnisse muss nach der Erfahrung von Experten davon ausgegangen werden, dass etwa ein Drittel als eine Folge von Manipulationen, wie Scheingebote, Absprachen und Bietgefechte, anzusehen sind. 2 A u f die Richtigkeit der für die Studie verwendeten veröffentlichten Verkaufsangaben muss jedoch ebenso wie bei den recherchierten A n g a b e n zu Handelspreisen aus Verkaufslisten oder A u f z ä h lungen der Händler und Künstler vertraut werden. Z w a r konnten die Verkaufshinweise mit Hilfe weiterführender Literatur, wie Werkverzeichnissen, Auktionskatalogen, Bestandskatalogen und ähnlichem, geprüft und als wahrscheinlich

oder

unwahrscheinlich beurteilt werden, doch eine absolute Sicherheit ist nicht in jedem einzelnen Fall gewährleistet. A b w e i c h e n d e A n g a b e n sind gegebenenfalls vermerkt.

30

Die P r e i s e n t w i c k l u n g d e r d e u t s c h e n M o d e r n e

Zusätzlich wurde anhand der zur Verfügung stehenden Quellen und Kataloge versucht, möglichst vollständige Angaben zu den verkauften Kunstwerken zusammenzutragen. Verkaufshinweise fanden nur dann Aufnahme in das Datenmaterial, wenn zumindest folgende Angaben ermittelt werden konnten: das Verkaufsjahr, der Verkaufspreis mit der jeweiligen Währungsangabe, unmittelbare Werkdaten (Titel, Format und Material), Angaben zu Verkäufer und Käufer sowie zur Art des Verkaufs (Auktions-, Handels- oder Direktverkauf) und schließlich Angaben zur Käuferzuordnung (Privatsammler, Händler oder Museum). Zudem wurden - je nach Verfügbarkeit - die Datierung des Werkes, seine Werkverzeichnisnummer sowie sein heutiger Standort notiert. Die genannten Angaben beziehen sich auf die Ergebnisse der im Abschnitt »Ideelle und materielle Werte« vorgenommenen Betrachtung. Der ausgewählte Faktor »Material« ist entscheidend für die Vereinheitlichung der Technik eines Kunstwerks. Da bei einer einheitlichen Technik die Herstellungskosten annähernd gleich sind, dieser Faktor also nicht mehr zur Erklärung von Preisunterschieden beitragen kann, wurden im Rahmen der Erhebung ausschließlich Verkäufe von Gemälden berücksichtigt. Unter dem Begriff »Gemälde« werden grundsätzlich malerische Werke gefasst, gleichgültig in welcher Manier oder auf welchem Malgrund sie geschaffen sind. Hauptsächliche Verfahren sind die Ol-, Gouache- und Temperamalerei sowie zahlreiche Mischformen. Aquarelle und Pastelle zählen zur Gruppe der Zeichnungen und wurden daher im Datenmaterial nicht aufgenommen. Z u d e m wurde der Faktor »Format« neutralisiert, da sich die Größe eines Werkes auch auf seinen Verkaufspreis auswirkt und somit der Preis eines kleinformatigen nicht mit dem eines großformatigen Gemäldes verglichen werden kann. 3 Hierzu wurde von allen im Datenmaterial verzeichneten Gemälden der Median der Formatgrößen (Höhe auf Breite) ermittelt und als Standardgröße festgelegt; in diesem Fall waren dies 4.000 Zentimeter im Quadrat. 4 Folglich wurden die Verkaufspreise der Gemälde an diese Standardgröße angepasst. Die größenbereinigten Werte stehen somit für einheitliche Formate, so dass ein zufälliger Verkauf von vielen kleinen oder großen Formaten in einem Verkaufsjahr die Ergebnisse nicht verfälscht und die Verkaufsjahre miteinander verglichen werden können. In Bezug auf die Faktoren »Motiv« und »Datierung« des Werkes wird davon ausgegangen, dass die erhobenen Gemälde ein ausgewogenes Verhältnis des Gesamtoeuvres je Künstler repräsentieren. Ebenso wird davon ausgegangen, dass das entscheidende Kriterium der künstlerischen Qualität innerhalb der erhobenen Verkäufe gleich verteilt ist. Jedenfalls erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass im Datenmaterial beispielsweise ausschließlich Frühwerke erfasst wurden. Bei aufgeführten Beispielverkäufen wurde darauf geachtet, gleichformatige Gemälde mit einem möglichst entsprechendem Sujet (Stilleben, Figuren, Landschaften) zu verwenden.

Erläuterung der statistischen V o r g e h e n s w e i s e _ 3 1

Um einen erhobenen Verkaufswert dem nationalen oder internationalen Kunstmarkt zuzuordnen, wurde die Herkunft des Käufers als Kriterium bestimmt. Sie wurde dem Verkaufsort vorgezogen, da dieser in verschiedenen Fällen weniger über die Nachfragestruktur als über die Künstler-Händler-Beziehungen aussagt. Besitzt ein Künstler beispielsweise einen festen Exklusivvertrag mit einem Händler, ist der Verkaufsort weitgehend festgelegt. Auch Direktverkäufe sind immer vom Wohnort des Künstlers bestimmt und geben somit keine Auskunft über die Nachfrageverteilung. Damit gilt der Käufer als Indiz für die Nachfrage. Konnte der Käufer jedoch nicht ermittelt werden, erfolgte die Marktzuordnung anhand der Verkäuferangabe. Um Preisangaben in unterschiedlichen Währungen miteinander vergleichen zu können, wurden alle Verkaufspreise in US-Dollar umgerechnet. Die verwendeten Devisenkurse der Jahre 192.5 bis 1 9 5 5 für Reichsmark beziehungsweise Deutsche M a r k , Schweizer Franken, Englische Pfund und US-Dollar beruhen auf Angaben der Deutschen Bundesbank. 5 Dabei gilt zu beachten, dass sich die Wechselkurse innerhalb der dreißiger Jahre zu Gunsten der Reichsmark veränderten. Um die allgemeine Veränderung des Geldwerts im Laufe der Jahre zu berücksichtigen, wurden die Gemäldepreise um die jeweilige Abweichung des Verbraucherpreisindex je Jahr des jeweiligen Landes inflationsbereinigt. 6 Zusätzlich wurde versucht, bei den Verkäufen grundsätzlich die Bruttopreise zu betrachten, also die Verkaufsprovision der Händler mit einzubeziehen. Bei publizierten Auktionsergebnissen ist prinzipiell davon auszugehen, dass Nettopreise angegeben sind. Ihnen wurde daher die anzunehmende Provision von fünfzehn Prozent aufgerechnet. 7 Bei Nettopreisen des Handels konnte keine allgemein übliche Provision ermittelt werden, da je nach Absprache mit dem Künstler der Händler 3 3 , 3 , fünfundzwanzig oder fünfzehn Prozent Provision auf den Verkaufspreis erhält. 8 Somit konnte einem Nettopreis nur bei einer verfügbaren Angabe die jeweilige Händlerprovision aufgeschlagen werden. Alle Preise, bei denen eine konkrete Information über die Händlerprovision oder der generelle Verweis auf ihren Netto- oder Bruttozustand fehlten, wurden in ihrer ursprünglichen Höhe belassen. Schließlich wurden die großen- und inflationsbereinigten Daten nach Markt, Verkaufsjahr und Höhe des Preises geordnet, um anschließend den Median für jedes einzelne Jahr bestimmen zu können, der schließlich den Preisbereich für die deutsche Moderne im Zeitablauf bildet. Die Bezeichnung »mittlerer Preis« oder »mittlerer Preisbereich« innerhalb der folgenden Analyse meint also den Mittelwert der bereinigten Daten. Somit sind die im Text angegebenen Werte nicht als direkte Preisrichtlinien zu verstehen, sondern als bereinigte Daten, die dem Vergleich der Verkäufe über den gesamten Untersuchungszeitraum dienen. In Einzelfällen sind die unbereinigten, also originalen, Verkaufsangaben genannt, worauf aber an der jeweiligen Stelle hingewiesen wird. Für die Einzelbetrachtungen im Kapitel »Einzelne

32

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Stilrichtungen und ihre Vertreter im Überblick« wurde das Datenmaterial zusätzlich nach den jeweiligen Künstlern gegliedert, um anschließend ebenfalls den Preisbereich anhand des Median in jedem untersuchten Jahr bestimmen zu können. So kann anhand der Folge der ermittelten Marktpreise der relative Status eines Künstlers oder einer Stilrichtung aufgezeigt werden. Die wiederholte materielle Bewertung bildet Verkehrswerte und zeigt damit ein ungefähres Preisniveau, welches zum Indikator einer jeweiligen Rezeption unter Einfluss der kaufmännischen Faktoren wird und so zum direkten Vergleich des Rezeptionswandels genutzt werden kann. 9 Die beschriebene statistische Auswertung des Datenmaterials liefert die Grundlage der Kunstmarktanalyse. Ihre Ergebnisse werden im Zusammenhang mit dem jeweiligen kulturpolitischen und wirtschaftlichen Umfeld des untersuchten Zeitabschnittes betrachtet, beziehungsweise innerhalb der Einzelbetrachtungen vor allem in den Kontext der jeweiligen Künstlerbiographie gestellt. Für die Verdeutlichung von Preisentwicklungen dienen Grafiken und Tabellen, für deren Beschreibungen folgende Begrifflichkeiten und Abkürzungen verwendet wurden: VK-Preis

Verkaufspreis

RmVP-Preis

durch das Propagandaministerium festgesetzter Verkaufspreis

bereinigt

die dargestellten Verkaufspreise sind sowohl der festgelegten Standardgröße angepasst als auch um die jeweilige Inflationsrate seit 192.5 bereinigt

inflationsbereinigt

die dargestellten Verkaufspreise sind ausschließlich um die Inflationsrate bereinigt

größenbereinigt

die dargestellten Verkaufspreise sind ausschließlich der Standardgröße angepasst

unbereinigt

die dargestellten Verkaufspreise sind weder inflations- noch größenbereinigt und entsprechen dem Originalpreis

DER NATIONALE KUNSTHANDEL ZWISCHEN WÄHRUNGSREFORM UND WELTWIRTSCHAFTSKRISE:

1925-1933

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs w a r der Handel mit moderner Kunst aufgrund der großen wirtschaftlichen und politischen Probleme ein schwieriges Unternehmen und wurde mit der rasant ansteigenden Inflation zu Beginn der zwanziger Jahre praktisch unmöglich. Erst mit der Währungsreform vom 1 5 . November 192.3 beruhigte sich die wirtschaftliche Situation und die Verhältnisse stabilisierten sich mit der Ende August 1 9 2 4 als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführten Reichsmark wieder. 1 0 Die Jahre von 1 9 2 4 bis zur Weltwirtschaftskrise 1 9 2 9 werden daher unter dem Begriff »Goldene Zwanziger« zusammengefasst, der unter anderem auch ein

Der nationale K u n s t h a n d e l zwischen W ä h r u n g s r e f o r m und Weltwirtschaftskrise _ 3 3

Aufblühen, beziehungsweise ein Wiedererstarken des kulturellen Lebens meint. 11 Für den durch den Ersten Weltkrieg und die inflationären Einschränkungen zerschlagenen modernen Kunsthandel bildeten sich nach der Stabilisierung der Wirtschaftslage neue Strukturen, die für den gesamten Untersuchungszeitraum von Bedeutung sind. Die in der Mitte der zwanziger Jahre etablierten geschäftlichen Beziehungen und Verflechtungen zwischen den Akteuren des kulturellen Lebens konnten zum Teil auch nach 1933 und sogar nach 1945 bestehen bleiben und tragen einen hohen Anteil an der Rezeptionsgeschichte der betrachteten Künstler. Anfang der zwanziger Jahre verlagerte sich die zeitgenössische Kunstszene nach Berlin. Bezeichnend hierfür ist die Ubersiedlung bedeutender Kunsthandlungen in die Hauptstadt, wo einige Händler wie beispielsweise Herwarth Waiden wesentliche Vorarbeit für den Markt für zeitgenössische Kunst leisteten. 12 Auch Paul Cassirer ebnete seit 1898 in Berlin den Weg für die französische und deutsche Moderne, insbesondere für den Impressionismus. Mit seinem Münchner Geschäftspartner Hugo Helbing veranstaltete Cassirer am 2.2.. Mai 1 9 1 6 seine erste Kunstauktion. Viele folgten und stellten für den Kunstmarkt und die Versteigerung moderner Sammlungen in den zwanziger Jahren ein besonderes Ereignis dar (Abb. 2). Nachdem Cassirer 192.6 an den Folgen eines Suizidversuches starb, übernahmen Walter Feilchenfeldt und Grete Ring die Berliner Galerie, an der sie seit 1924 Teilhaber waren. 1 3 Im Jahr 1923 kam Karl Nierendorf von Köln nach Berlin, um die Leitung des Berliner Stammhauses des Kunsthändlers Israel Ber Neumann zu übernehmen. Dieser hatte sich entschieden, in die USA auszuwandern und in New York den Markt für moderne Kunst zu sondieren. Folglich wurde die Berliner Galerie 1925 vom Graphischen Kabinett I.B. Neumann in die Firma Neumann-Nierendorf GmbH umbenannt, und Nierendorf vom Geschäftsführer zum gleichberechtigten Partner ernannt. I. B. Neumanns Münchner Graphisches Kabinett führte schon seit 1923 Günther Franke. 14 In München scheint dies »seit dem Weggang der Galerie Thannhauser und dem Tode von Goltz nunmehr die einzige Kunsthandlung« gewesen zu sein, »die in ihren Räumen [...] dauernd wesentliche moderne Kunst« zeigte. 15 Justin Thannhauser entschied 1928, sich ebenfalls in Berlin niederzulassen, nachdem er bereits 1 9 2 7 zwei Sonderausstellungen aus seinen Beständen der Münchner und Luzerner Galerie in Berlin gezeigt hatte. Das Münchner Haupthaus wurde geschlossen und die Luzerner Galerie von Siegfried Rosengart weitergeführt. 16 Noch vor der Gründung der Firma Neumann-Nierendorf und der Umsiedlung der Galerie Thannhauser verlegte Alfred Flechtheim 1 9 2 1 auf Empfehlung seines in Paris ansässigen Geschäftspartners Daniel-Henry Kahnweiler sein Hauptgeschäft nach Berlin. Seine Düsseldorfer Galerie wurde vorerst von Gustav Kahnweiler, ab 1923 von Alex Vömel weitergeleitet. Es folgten im Jahr 1 9 2 2 weitere Niederlassungen in Frankfurt am Main und in Köln sowie 1923 in Wien. Flecht-

34

2

Die Preisentwicklung der deutschen Moderne

Rudolf

Grossmann.

VERSTEIGERUNG

BEI

PAUL

CASSIRER.

EINIGE

KÖPFE,

192.4,

Zeitungsausschnitt zur Versteigerung der S a m m l u n g E g o n Z e r n e r a m 1 5 . F e b r u a r 192.4, Berlin, Staatliche M u s e e n Preußischer Kulturbesitz, Z e n t r a l a r c h i v

heims Hauptanliegen w a r es, zeitgenössische französische Kunst in Deutschland bekannt zu machen. Zudem unterstützte er deutsche Künstler, wie Paul Klee, M a x Beckmann oder George Grosz, in Paris Fuß zu fassen. Kontakte in die USA unterhielt er zudem über I . B . Neumann, mit dem er gemeinsam einige Ausstellungen organisierte und Künstlervertretungen übernahm. 1 7 A b 1 9 2 7 kehrte außerdem Ferdinand Möller in den Berliner Kunsthandel zurück. Wirtschaftliche Probleme hatten ihn 1 9 2 4 ge-

Der n a t i o n a l e K u n s t h a n d e l z w i s c h e n W ä h r u n g s r e f o r m u n d W e l t w i r t s c h a f t s k r i s e _ 3 5

3

H a n s H a r t z . AUSSENANSICHT DES EHEMALIGEN KRONPRINZEN-PALAIS, Berlin 1 9 ^ 0 , Fotografie, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

zwungen, seine Ausstellungsräume vorläufig aufzugeben und von Potsdam aus einen eingeschränkten Handel zu führen. Seine neuen Galerieräume am Schöneberger Ufer wurden 1 9 2 7 unter anderem mit Werken von Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde eröffnet, und sein Programm sollte in den folgenden Jahren eine zentrale Bedeutung innerhalb der Expressionismus-Debatte gewinnen. 18 Neben dem regen Galeriewesen trug auch die 1 9 1 9 eröffnete Neue Abteilung der Nationalgalerie im ehemaligen Kronprinzen-Palais unter der Direktion Ludwig Justis dazu bei, Berlin als Zentrum der modernen Kunst zu etablieren (Abb. 3). Die Einrichtung einer separaten Abteilung für moderne Kunst in einem Museum war ein völlig neuartiges Konzept und in der Folge entfaltete sich die »Galerie der Lebenden« schon bald zum Vorbild sowohl nationaler als auch internationaler moderner Sammlungen. Mit jedem Kunstwerk, das durch die Nationalgalerie angekauft oder ausgestellt wurde, bezog das Haus Position zur Gegenwartskunst. Eine Präsentation im Kronprinzen-Palais galt in der Weimarer Republik als größte Ehre für einen Künstler und sicherte seine Anerkennung im allgemeinen Kunstbetrieb, so dass die Sammlungspolitik ein beständiges Politikum in der Öffentlichkeit darstellte. Dabei wurden nicht nur die Beachtung oder Nichtbeachtung einer künstlerischen Position diskutiert, sondern auch die grundsätzlichen Frage, ob ein Museum

36

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

zeitgenössische Kunst erwerben sollte. Z w a r erschien die Haltung der deutschen Museumspolitik der zeitgenössischen Kunst gegenüber im Gegensatz zu anderen Ländern als vorbildlich und aufgeschlossen, doch wurde ihre Aufnahme in die M u seen zu diesem Zeitpunkt von der breiten Öffentlichkeit keineswegs vollständig akzeptiert. 19 Aufgrund der hohen Bedeutung und Aufmerksamkeit, welche die Ausstellungspolitik der Nationalgalerie für die moderne Kunst während der Weimarer Republik einnahm, sei kurz die Präsenz der ausgewählten Künstler im Kronprinzen-Palais erwähnt: Um 1 9 3 0 wurde den Werken von Emil Nolde und Erich Heckel je ein eigener R a u m zugewiesen, Lovis Corinth wurden sogar zwei Säle gewidmet. In einem weiteren R a u m wurden Arbeiten von M a x Liebermann und M a x Slevogt zusammen gezeigt, gleiches galt für Werke von Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff. Einzelne Wände wurden zunächst für Werke von Lyonel Feininger und Paul Klee reserviert, 1 9 3 1 erfolgte dann die Einrichtung eines eigenen Raumes für Lyonel Feininger und 1932. eines Ausstellungssaals für M a x Beckmann. 2 0 Zudem richtete die Nationalgalerie im Kronprinzen-Palais für einen großen Teil der in der vorliegenden Studie betrachteten Künstler zwischen 1 9 1 9 und 1 9 3 3 mindestens eine Einzelausstellung aus. Davon ausgenommen waren M a x Liebermann, M a x Beckmann, George Grosz und Oskar Schlemmer. 21 Z u r medialen Verbreitung seiner museumspolitischen Auffassungen und Sammlungsstrategien gründete Justi die Zeitschrift MUSEUM DER GEGENWART, die zwischen 1 9 3 0 und 1 9 3 3 erschien und in deren Ausgaben ein deutlicher thematischer Schwerpunkt auf den Expressionismus der Künstlergruppe DIE BRÜCKE erkennbar ist. 22 Angesichts der generell steigenden Interessebekundungen der Museen an der modernen Kunst betonte der Kunsthistoriker M a x J . Friedländer Mitte der zwanziger Jahre, die jungen Künstler würden »verhältnismäßig leicht Förderer, Schrittmacher [und] Propagandisten finden«. 2 3 Ebenso konstatierte Adolph Donath 192.6 in einem Leitartikel in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift DER KUNSTWANDERER, der deutsche Kunsthandel würde »wieder vorwärts [...] gehen«. 24 Neben diesen Einschätzungen finden sich aber auch Hinweise, die diesen positiven Beurteilungen widersprechen. So sah zum Beispiel Oskar Schlemmer den Kunstmarkt 192.5 noch »völlig daniederliegen«. 25 Im Jahr 1 9 2 7 sahen sich Karl Nierendorf und Ferdinand Möller anlässlich der schleppenden Nachfrage sogar gezwungen, zu mehr Verantwortung bei Kunsteinkäufen aufzurufen. Möller setzte sich in einem Zeitungsartikel mit dem Titel WER TRÄGT DIE VERANTWORTUNG für den Kauf von Werken lebender deutscher Künstler ein, in dem es heißt: »Es muss einmal offen gesagt werden, dass es ein unwürdiger Zustand ist, wenn ein Volk nur nach Werken der ausländischen Kunst schielt, nur Werke französischer Kunst kauft«, während Nierendorf in einem Rundbrief die geringe finanzielle Anerkennung der modernen Kunst beklagte und zu mehr Käufen aufforderte: 2 6

Der n a t i o n a l e K u n s t h a n d e l z w i s c h e n W ä h r u n g s r e f o r m u n d W e l t w i r t s c h a f t s k r i s e _ 3 7

»Ich danke allen herzlich, die mir wohlgesinnt waren, aber ich werde künftig mehr Wert legen auf Beziehungen zu solchen Menschen, die ihre Anteilnahme an der Kunst der Gegenwart, am Schaffen lebender Künstler auch dadurch bekunden, daß sie die Werke nicht nur loben, sondern auch kaufen. [...] Der lebende Künstler hat durch den Run nach internationalen Wertem, die allein von den spekulierenden sogenannten Kunstkreisen gekauft werden, gänzlich den M a r k t verloren.« 2 7 Die Mahnungen der beiden Kunsthändler erfolgten zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kunstpreise der deutschen Künstler in der Tat einen Abwärtstrend verzeichnen. Anhand der ermittelten Daten kann für das Jahr 192.7 ein mittlerer Wert von 500 US-Dollar (etwa 1 . 1 0 0 Reichsmark) festgestellt werden, 192.5 hatte er noch 800 US-Dollar (etwa 3 . 3 5 0 Reichsmark) betragen:

Allgemeine Preisentwicklung, nationaler Kunstmarkt 1 9 2 . 5 - 1 9 ^

Die Abwärtsbewegung der Preiskurve von 1 9 2 6 zu 1 9 2 7 sowie die anschließende Aufwärtsbewegung von 1 9 2 7 bis zu einem vorläufigen Höhepunkt im Jahr 1 9 2 9 entsprechen in etwa den hektisch aufeinander folgenden Konjunkturphasen in diesem Zeitraum. So erlebte Deutschland von 1 9 2 4 bis Mitte 1 9 2 5 eine A u f schwungphase, die jedoch von einer starken Rezession 1 9 2 5 und 1 9 2 6 abgelöst wurde. Zwischen 1 9 2 7 und 1 9 2 9 wurden wiederum Höchstwerte der Konjunkturindikatoren registriert. 28 Der verzeichnete mittlere Preisbereich wird vor allem durch die hohen Verkaufspreise der deutschen Impressionisten getragen. Ihre Gemäldepreise allein erreichten in der Zeitspanne von 1 9 2 5 bis 1 9 2 9 mittlere Werte von 9 5 0 bis 1 . 6 5 0 US-Dollar (etwa 3.980 bis 6.930 Reichsmark), während sich die der übrigen betrachteten Künstler zwischen 2 1 0 und 990 US-Dollar (etwa 882 und

38

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

4 . 1 4 8 Reichsmark) bewegten. U m eine Vorstellung davon zu bekommen, welchem Wert diese Summen in den zwanziger Jahren entsprachen, sei der durchschnittliche Bruttomonatslohn eines Arbeiters angeführt, der 192.5 bei etwa 3 3 , 1 0 US-Dollar ( 1 3 9 Reichsmark) und 1 9 2 8 bei etwa 4 4 , 3 9 US-Dollar ( 1 8 6 Reichsmark) lag. 2 9 Die gefestigte Marktsituation der Impressionisten Liebermann und Corinth zeigte sich auch anhand ihrer Präsenz auf dem A u k t i o n s m a r k t , auf dem ansonsten eine Z u r ü c k h a l t u n g hinsichtlich der Versteigerung moderner Gemälde zu spüren w a r : »Allenfalls gibt m a n noch seinen Liebermann oder Corinth, die ihren festen M a r k t w e r t haben, zur Versteigerung. Sammler neuerer Kunst aber, die ihre Sammlung auflösen müssen, beauftragen lieber eine Galerie mit dem allmählichen V e r k a u f . Das R i s i k o einer A u k t i o n erscheint ihnen zu groß. A u c h zu Ansehen und E r f o l g gelangte moderne Künstler sehen ihre Werke nur ungern auf Versteigerungen.« 3 0 So liegen die im Datenmaterial innerhalb des Zeitabschnitts von 1 9 2 5 bis 1 9 3 3 verzeichneten V e r k ä u f e der deutschen Impressionisten weit über dem Preisbereich der restlichen erhobenen Daten: 1800 4->

1600

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1925

1926

1927

1928

VK-Preise Impressionisten VK-Preise sonstige Künstler

1929

1930

1931

1932

1933

Preisentwicklung allgemein

Vergleich der Verkaufspreise verschiedener Künstler sowie der allgemeinen Preisentwicklung, nationaler Kunstmarkt 1 9 2 . 5 - 1 9 ^

Vereinzelt tauchten z w a r auch A u k t i o n s v e r k ä u f e

nicht-impressionistischer

Gemälde auf, wie 1 9 2 5 ein Werk von Heckel, 1 9 2 5 und 1 9 2 8 je ein Werk von N o l d e sowie 1 9 3 0 ein Werk von Beckmann, ihre Preise erreichten aber höchstens

Der nationale Kunsthandel zwischen Währungsreform und Weltwirtschaftskrise _ 3 9

A UK T I 0 s

02

A M

21.

US1)

O K T O B E R

1929

657

PJakatentwur! für den „Neuen Kunstsalon, München" 1912: Zwei Neger und ein Affe, ö l auf Pappe. Ca. 39,5 : 33,5 cm,

100.—

658

Plakatentwurf für den „Neuen Kunstsalon, München" 1912: Reiterin auf rotem Pferd, öl auf Pappe. Ca. 4 0 : 3 4 cm.

EMIL

82.

NOLDE

€59

Strandlandsehaft.

660

Zwei Frauenköpfe im Profil. Or.-Tuschzeichn. Ca. 35:28,5 cm. Sign.

Färb. Or.-Aquarell. Ca. 3 5 : 4 6 cm.

661

Straßenjunge. Or.-Rad. ScMelier I, 1S2. Batten. Sign.

Bei. Hnlcg unten: Holde.

* "U? I of

GRAPHIK

4

662

Hamburg, Freihafen. Or.-Rad. Seil. 1, 1Ä7 IL Batten. Sign.

663

Segler und drei kleine Dampfer, Seli, I, 140. Butten. Sign.

Or.-Rad.

664

Hamburg, Binnenhafen. Or.-Rad. Seil. I, 1« II. Bülten. Sign.

665

Kranker, Arzt, Tod und Teufel. Sek, I, 168IV. BUtten, Sign.

666

Junger FüTSt und Tänzerinnen. Or.-Rad. Sch. I, 198 II. Knpferdruekpapler. Sign. u. nun,

667

Der Tod als Tänzerin. Or.-Rad. Seh. I, 2001. Batten. Sign. v. nun.

Or.-Rad.

668

Der Landwirt. Or.-Rad. Seil. I, £04 III. Kupfcrdruckpupier. Sign.

669

Der Ästhet. Or.-Rad. Sch, I, 205 II. Kup ferdruck pap ier. Sign.

670

Der Graf. Or.-Rad. Seh. 1, St)U. Kupfsrdcuokpapier. Sign.

671

Düsterer Männerkopf. Or.-Lithogr. mit Tusche u. Pinsel in Rot und Schwarz. Seh. II, ITII, Butten. Sign. u. num. 23.

672

Großer und kleiner Dampfer. Seh. III, 3« III. Batten. Sign.

673

Italiener, Kopf eines Mannes. Or.-Holzschn, Seh. HI, SB. Butten. Sign. tt. dat. 06.

Or.-Holzschn.

S E I T E AUS D E M K A T A L O G Z U R A U K T I O N NR. £ 2

A M 2 1 . U N D 22.

OKTOBER

B E I PAUL GRAUPE, B E R L I N , M I T P R E I S E N F Ü R W E R K E VON E M I L

I929

NOLDE,

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

zwanzig Prozent von dem Preisbereich der AuktionsVerkäufe deutscher Impressionisten und sind zudem innerhalb des jeweiligen Künstler-Preisbereichs im unteren Niveau anzusiedeln (Abb. 4). Somit bestätigt das ausgewertete Datenmaterial die Beobachtung der Kunsthistorikerin Charlotte Weidler, die Versteigerungspreise zeitgenössischer Gemälde würden im Allgemeinen hinter den sonst üblichen Handelspreisen bedeutend zurückbleiben.31 Im Frühjahr 1929 stürzte die deutsche Wirtschaft, nach der eben erst überwundenen Inflation von 192,3, erneut in eine Krise. Die Arbeitslosenzahlen stiegen, die Einkommen sanken, und die Gewinnchancen der Unternehmen gingen stetig zurück. Gleichzeitig verschlimmerte der Zusammenbruch der New Yorker Börse Ende Oktober, der die Weltwirtschaftskrise auslöste, die Lage zunehmend. Aus der zeitgenössischen Perspektive war der unweigerliche Zusammenbruch der Wirtschaft dagegen nicht eindeutig wahrzunehmen. Die Situation glich vielmehr einem allmählichen Abstieg, der von Momenten der Beharrung und Hoffnung gekenn-

40

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

zeichnet war. Bis etwa 1 9 3 0 stiegen die Löhne in Deutschland mehr als die Lebenshaltungskosten, so dass sich das Realeinkommen vorerst verbesserte. Zwischen 1 9 3 1 und 1932. fielen die Einkommen dafür jedoch wesentlich schneller. Zusätzlich verschärfte die einsetzende Deflationspolitik die Arbeitslosigkeit, so dass diese ab 192.9 stetig anstieg und das vorhandene Einkommen durchschnittlich sogar noch mehr sank. Insgesamt konnte seit 1 9 3 0 ein Rückgang der Realeinkommen um etwa 30 Prozent festgestellt werden. Folglich sahen sich auch höhere Einkommensschichten gezwungen, ihren Lebensstandard einzuschränken. 3 2 D a sich die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in Deutschland verzögert bemerkbar machten, w a r auch der deutsche Kunsthandel nicht unmittelbar ab Ende 192.9 betroffen. So scheinen Curt Glasers Worte 1 9 2 9 überspitzt, wenn er behauptete, von einem M a r k t für lebende deutsche Künstler könne in Deutschland so gut wie keine Rede mehr sein, und die Verkaufsstatistiken der Ausstellungen seien katastrophal. Seiner Meinung nach traten oft nur noch Museen und Behörden als Käufer auf. 3 3 Eine Uberprüfung des Datenmaterials ergab jedoch, dass die Nachfrageverteilung in den wirtschaftskritischen Jahren keine Anteilserhöhung der M u seen aufzeigt: 100 90

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> Exemplar 45/50, N e w York, Museum of Modern Art

zu verlassen, »um der neuen deutschen Kunst Amerika zu erschliessen« (Abb. 6)7~ Auch wenn Neumanns Ausstellungsverzeichnis erst ab 192.7 zeitgenössische deutsche Künstler aufführt, so schaffte er dennoch durch seine vielfältigen Kontakte zur amerikanischen Kunstszene und später auch durch Ausstellungen in seinen N e w Yorker Galerien für viele deutsche Künstler eine Basis für den Erfolg in Ubersee, insbesondere für Klee, Beckmann und Grosz. 7 3 Außerdem kehrte 1 9 2.1 der Kunsthistoriker William Reinhold Valentiner aus Deutschland in die USA zurück und setzte sich fortan für deutsche Künstler ein. 74 Er begann eine Assistenz im Institute of Arts in Detroit, dessen Direktor er 1 9 2 4 wurde und tätigte dort die ersten amerikanischen Museumsankäufe moderner deutscher Gemälde. So erwarb das Museum bereits 1 9 2 1 je ein Gemälde von Kirchner, Heckel und Feininger sowie 1 9 2 9 ein Werk von Beckmann. 7 5 Gemeinsam mit Ferdinand Möller, der kurzeitig in Amerika weilte, organisierte Valentiner 1 9 2 3 in den Anderson Gallery in N e w York die Ausstellung C O L L E C T I O N OF M O D E R N G E R M A N A R T , bei der 2 7 3 W e r k e v o n dreißig

Künstlern gezeigt wurden; unter anderem von Feininger, Grosz, Heckel, Klee und N o l d e / 6 Die Schau w a r eine erste größere Präsentation deutscher Künstler in den USA und so schrieb Valentiner in der Einleitung des Katalogs:

Die deutsche

THE EAN FRANCIEOI EXAMINER

IHME.

7

S C H E Y E R ,

PROPHETESS

OF THE

T H E

BLUE

B L U E

FOUR,

Moderne:

International ignoriert? _ 4 9

SUNDAY NOVEMBER V.

F O U p .

A N D

T H E I R

192.5, aus: SAN F R A N C I S C O

A R T

EXAMINER,

i. November

»Die Ausstellung einer Sammlung moderner deutscher Kunst in New York ist ein Experiment. Vielen Menschen ist die deutsche Phase der modernen Kunstbewegung vollkommen unbekannt; viele stehen ihr feindselig gegenüber. [...] Den Mut, diese Ausstellung zu machen, verlieh die berühmte Vorurteilslosigkeit und das breite Kunstverständnis amerikanischer Kunstliebhaber.« 77 Für das Ansehen von Feininger und Klee in Amerika setzte sich zudem Galka Emmy Scheyer ein, die seit 192.4 versuchte, Arbeiten von Feininger, Klee, Jawlensky und Kandinsky unter dem Gruppennamen

B L U E

F O U R

in der amerikanischen

Kunstszene zu etablieren (Abb. j). Eine erste Ausstellung der Gruppe fand 192.5 in der New Yorker Daniel Gallery statt, ihr folgten Ausstellungs- und Vortragsreihen in Zusammenarbeit mit verschiedenen Galerien in ganz Amerika. 78 Daneben bauten ab 1 9 3 0 Hilla von Rebay und Solomon R. Guggenheim eine Sammlung moderner Kunst auf, für die 1 9 3 9 ein eigenes Museum gegründet wurde. Z u den ersten Ankäufen deutscher Kunst zählen beispielsweise Werke von Paul Klee und Franz Marc. 79 Entscheidend und richtungweisend für die Anerkennung der modernen Kunst in Amerika war aber vor allem die Gründung des Museum of Modern Art in New York. Das 1929 von den amerikanischen Sammlerinnen Lillie P. Bliss, Mary Quinn Sullivan und Abby A. Rockefeiler gegründete Museum folgte dem Konzept des Berliner Kronprinzen-Palais, das der Gründungsdirektor Alfred H. Barr Jr. 1 9 2 7 auf seiner zum Studium der Gegenwartskunst unternommenen Europareise kennengelernt hatte.80 Bis zum Jahr 1 9 3 9 fanden allerdings keine Gemäldeankäufe deutscher Künstler statt. Deutsche Gemälde gelangten bis dahin ausschließlich durch Schenkungen in die ständige Sammlung. Von 1 9 2 5 bis 1 9 3 3 betraf dies jedoch einzig das

1925

50

8

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

P e t e r A . J u l e y & S o n . B L I C K IN D I E A U S S T E L L U N G

»MODERN

GERMAN PAINTING AND

SCULPTURE«

IM M U S E U M OF M O D E R N ART (MIT W E R K E N VON MAX B E C K M A N N UND OTTO D I X ) , N e w Y o r k

19^1

Fotografie, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

BILDNIS

DR. MAYER-HERMANN

von Otto Dix aus dem Jahr 192.6, das 1932. der

Sammler und Architekt Philip C. Johnson dem Museum schenkte. 81 Trotzdem zeigte das Haus von Beginn an Werke von einigen der im Folgenden betrachteten Künstler. Bei einer der ersten Ausstellungen im Jahr 192.9 mit dem Titel BY

19

LIVING

AMERICANS

PAINTINGS

waren zum Beispiel Werke von Lyonel Feininger ver-

treten. Ein Jahr später veranstaltete das Museum auf Vermittlung von I. B. Neumann eine Einzelausstellung von Paul Klee. 82 Im Jahr 1 9 3 1 fand die berühmte Ausstellung

MODERN

GERMAN

PAINTING

AND

SCULPTURE

statt, die der deut-

schen Kunst eine der ersten öffentlichen Plattformen in den USA bot (Abb. 8). Gemeinsam mit I.B. Neumann als Berater bereiste Barr im Sommer 1 9 3 0 erneut Deutschland und wählte Werke für diese Ausstellung aus, an der letztlich nahezu alle in der vorliegenden Studie betrachteten Künstler beteiligt waren. 83 Nach Einschätzung von Barr waren bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige deutsche Künstler dem New Yorker Publikum bekannt, darunter Klee, Beckmann, Grosz, Kandinsky,

Die d e u t s c h e M o d e r n e : I n t e r n a t i o n a l i g n o r i e r t ? _ 51

M a r c und Kokoschka sowie die Bildhauer Georg Kolbe und Wilhelm Lehmbruck. Ihren Bekanntheitsgrad erachtete er jedoch nicht für besonders hoch, sondern rangierte ihn noch hinter dem zweitrangiger französischer Künstler, wie Maurice de Vlaminck oder Othon Friesz. 84 Durch die 1 9 3 1 gezeigte Schau erlangte die deutsche zeitgenössische Kunst erstmals eine gewisse Aufmerksamkeit in der amerikanischen Öffentlichkeit. Während der Ausstellungsdauer von sechs Wochen wurden über 2.7.000 Besucher gezählt; damit lag die Besucherbeteiligung etwa gleich mit einer Ausstellung mit Werken von Honoré Daumier und Camille Corot und übertraf sogar das Interesse an Einzelausstellungen von Henri de Toulouse-Lautrec oder Odilon Redon. 8 5 Die Zeitschrift MUSÉUM DER GEGENWART veröffentlichte einen Querschnitt von Pressestimmen, zusätzlich wurde ein Resümee von Barr abgedruckt. Es überwog eine positive Einschätzung gegenüber der Kunst von Klee und Beckmann sowie von Grosz und Dix. Dagegen wurden die Künstler der BRÜCKE eher negativ aufgenommen. 8 6 Das Presseecho von 1 9 3 1 entspricht in etwa den zu den einzelnen Künstlern gesammelten Informationen. Für die Expressionisten der BRÜCKE ist kaum ein nennenswertes Interesse festzustellen, wohingegen vor allem Klee, Beckmann, Feininger, Grosz und D i x in der amerikanischen Kunstszene zunehmend präsent waren. Auch im Datenmaterial finden sich bezüglich der amerikanischen Nachfrage vorrangig Werke von Klee und Beckmann. Gemälde von Klee gelangten hauptsächlich durch die Zusammenarbeit von Flechtheim und I. B. Neumann an verschiedene amerikanische Privatsammler. Besonders viele Verkäufe können zum Zeitpunkt der Einzelausstellung Klees im Museum of Modern Art 1 9 3 0 verzeichnet werden, ihre Preise unterscheiden sich nicht von der Höhe der in Deutschland erzielten. Auch Gemälde Beckmanns fanden vorrangig durch die Vermittlung von I . B . Neumann ihre Abnehmer und wurden von amerikanischen Privatsammlern, wie F. H. Hirschland oder A b b y A . Rockefeiler, angekauft. Allerdings lagen Beckmanns internationale Preise - im Gegensatz zu denen von Klee - unter den nationalen. 87 Somit lässt sich anhand des einzelnen Vergleichs der nationalen und internationalen Nachfrage dieser fünf Künstler feststellen, dass sich Werke der deutschen Impressionisten sowohl an deutsche als auch an ausländische Nachfrager mit ähnlichem Erfolg verkaufen ließen. Im Fall Kirchner, Klee und Beckmann lagen die nationalen Preise bis 192.9 noch über den internationalen. Dieses Verhältnis veränderte sich durch die Weltwirtschaftskrise 1 9 2 9 : In der Folge erreichten sie ab 1 9 3 0 einen gleichen oder höheren Preisbereich. Da sich die Nachfrage nach Werken von Klee auch nach der Weltwirtschaftskrise überwiegend auf den internationalen M a r k t konzentrierte, konnte der international hohe Preisbereich 1 9 3 3 gehalten werden. Für Gemälde von Beckmann und Kirchner waren ab 1 9 3 3 die nationalen Preise wieder über den internationalen angesiedelt.

52

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

V E R Ä N D E R U N G E N IM KUNSTBETRIEB ZU BEGINN DES N A T I O N A L S O Z I A L I S M U S :

15,33-15,37 Hatte sich der moderne Kunsthandel nach den Wirren der Inflation Anfang der zwanziger Jahre wieder gefestigt, wurde er durch die »Machtergreifung« Adolf Hitlers am 31. Januar 1933 in seiner Existenz erneut bedroht. Im Zuge der Verschmelzung von Staat und Partei wurde für den kulturellen Bereich am 31. März 1933 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda gegründet, das Joseph Goebbels unterstand. Ein weiterer Schritt zur Kontrolle des Kulturlebens erfolgte mit der Gründung der Reichskulturkammer am 2.2.. September 1933 ebenfalls unter dem Präsidium von Joseph Goebbels, dem die Aufsicht über die sechs Unterkammern und damit auch über die Reichskammer der bildenden Künste zukam. Z u m Leiter der Reichskammer der bildenden Künste ernannte Goebbels vorerst Eugen Honig. 88 Mit dem 1933 verabschiedeten Reichskulturkammergesetz war es fortan möglich »alle unliebsamen und schädlichen Elemente auszuschalten«, so dass nur noch derjenige seinen Beruf weiter ausüben durfte, der als Mitglied in die jeweilige Kammer aufgenommen wurde. 89 Gegenüber dem Kunsthandel existierten seit Jahren viele Vorurteile, die durch die antimoderne und antisemitische Propaganda der nationalsozialistischen und völkischen Gruppierungen zu Verschwörungstheorien ausgebaut worden waren. So äußerte sich der Reichsverband des Deutschen Kunstund Antiquitätenhandels erfreut über die Möglichkeit eines Ausschlusses und begrüßte es, »daß man untüchtige Elemente fernhalten und die Aufnahme als Mitglied von ganz bestimmten Bedingungen abhängig machen will«. 90 Es sei ein vorrangiges Ziel, die »Standesehre« wieder zu erheben, da sich infolge der Inflation »Elemente in den Kunsthandel eingeschlichen [haben], denen nicht nur jedes Kennertum, sondern auch vielfach die moralische Befähigung ermangelt«. 91 Wesentlich deutlicher in seiner Wortwahl ist ein Hetzartikel gegen Alfred Flechtheim, der anlässlich seines Geburtstages am 1. April 1933 erschien. Darin heißt es, der ganze Kunst-Schwindel sei in Konkurs zu bringen und das System »Flechtheim-WaetzoldKaesbach« auszurotten. 92 Tatsächlich musste Flechtheim aufgrund einer Liquidation seiner G m b H den Geschäftsbetrieb seiner Galerien in Düsseldorf und Berlin 1933 einstellen, während Wilhelm Waetzold, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Senator der Preußischen Akademie der Künste, und Walter Kaesbach, Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie, in Folge des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« ihrer Ämter enthoben wurden. 93 Die seit den zwanziger Jahren gewachsene moderne Kunstszene änderte sich unter der nationalsozialistischen Herrschaft ganz wesentlich. Vor allem jüdische Kunsthändler, Sammler, Kunsthistoriker und Künstler sahen sich gezwungen, Deutschland zu verlassen und versuchten sich im Ausland eine neue Existenz auf-

Veränderungen im Kunstbetrieb zu Beginn des Natinalsozialismus _ 53

9

Y

H u g o E r f u r t h . ALFRED FLECHTHEIM, um 1 9 ^ 0 , Fotografie, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

zubauen. So verlagerte Flechtheim bereits 1 9 3 3 seine Händleraktivität ins Ausland und war fortan hauptsächlich in London und Paris tätig (Abb. 9). Seine Berliner Galerie meldete im September 1933 die Einstellung der Geschäftstätigkeit, und der Wirtschaftsprüfer Alfred E. Schulte befasste sich ab Oktober 1 9 3 3 mit der Liquidierung der Galerie Alfred Flechtheim GmbH. Die Düsseldorfer Filiale übernahm Alex Vömel, der bereits seit 192.7 als Geschäftsführer eingetragen war. 94 Schon Ende März 1 9 3 3 hatte Vömel den Kunden der Düsseldorfer Galerie verkündet: »Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, daß ich unter der Firma Galerie Alex Vömel in den bisherigen Räumen der Galerie Flechtheim in Düsseldorf eine Kunsthandlung errichtet habe.« 95 Inwieweit die Übernahme der Galerie zwischen Vömel und Flechtheim abgestimmt war, ist bisher unklar. Flechtheims ehemaliger Mitarbeiter der Berliner Galerie Curt Valentin fand ab 1 9 3 4 eine neue Anstellung in der neu eröffneten Galerie Buchholz der Buchhandlung Karl Buchholz in Berlin. Dort präsentierte und verkaufte er vermutlich auch Werke aus Flechtheims ehemaligem Galeriebestand. 96 Des Weiteren sahen sich unter anderem aufgrund der politischen Lage Karl Nierendorf und I. B. Neumann gezwungen, ihre Partnerschaft aufzulösen. Hinsichtlich der Stimmungen in Deutschland und den LISA bemerkte Neu-

54

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

mann an Nierendorf: »Ein Glück, dass Du kein Jude bist - ein Glück für mich, dass ich hier ein Jude bin.« 9 7 Der N a m e I . B . Neumann verschwand sowohl in Berlin als auch in München aus dem öffentlichen Blickfeld. Die Galerien hießen fortan nach ihren Leitern: Galerie Nierendorf und Graphisches Kabinett Günther Franke. 9 8 Bis wann I. B. Neumann jedoch Inhaber der Münchner Filiale blieb ist nicht geklärt. Der Eintrag Günther Frankes als alleiniger Inhaber der Galerie, in dessen Zusammenhang auch erst die Namensänderung stattfand, erfolgte im Jahr 1 9 3 7 . " Walter Feilchenfeldt und Grete Ring, die nach Paul Cassirers Tod 192.6 die Berliner Galerie Cassirer weiter führten, verließen ebenfalls den deutschen Kunsthandel. Feilchenfeldt emigrierte vorerst nach Holland, anschließend nach England, um sich schließlich 1 9 3 9 in der Schweiz niederzulassen und 1 9 4 8 eine neue Kunsthandlung zu gründen. Ring zog nach England und gründete in London eine Filiale der Firma Paul Cassirer. 1 0 0 Andere Kunstauktionshäuser hingegen, wie Lepke und Graupe, deren Inhaber ebenfalls jüdischer Abstammung waren, veranstalteten in den ersten Jahren des »Dritten Reichs« weiterhin Versteigerungen auf dem deutschen Kunstmarkt. Z w a r durften nach dem Reichskulturkammergesetz Kunsthandelsbetriebe, deren Inhaber »Nichtarier« waren, ihren Betrieb offiziell nicht weiter ausüben, doch bestand in einigen Fällen eine Toleranz-Regelung, nach der »devisenbringende Juden« vorerst als Mitglieder der Reichskulturkammer geduldet wurden. 1 0 1 Von den in der vorliegenden Studie betrachteten Künstlern erhielten ab 1 9 3 3 nachweislich Nolde, Heckel, Feininger, Schlemmer und Dix eine Mitgliedschaft in der Reichskammer der bildenden Künste; eventuell auch Beckmann. Dies änderte jedoch nichts daran, dass in Folge des am 7. April 1 9 3 3 verabschiedeten »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« unter anderem Schlemmer, D i x und Beckmann ihre Lehrtätigkeiten an Kunstakademien verloren. Neben den zahlreichen Hochschullehrern der Kunstakademien und Universitäten, die von den Entlassungen betroffen waren, wurden im Museumsbereich rund 3 5 Direktoren und Abteilungsleiter aufgrund des Gesetzes ihren Ämtern enthoben. 1 0 2 An ihre Stelle rückten meist Museumsleiter aus völkisch-nationalen Kreisen, welche die bestehenden Sammlungen neu sortierten, eine Vielzahl der modernen Werke magazinierten oder in sogenannten »Schandausstellungen« präsentierten. Die ersten »Schandausstellungen« oder auch »Schreckenskammern« fanden ab April 1 9 3 3 statt und waren in zahlreichen deutschen Städten zu sehen. Ihr Ziel bestand darin, künstlerische Werke der Moderne zu diffamieren, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Diese Femeausstellungen, insbesondere die Dresdner Wanderausstellung

ENTARTETE

KUNST, können als Vorläufer der Münchner Ausstellung ENTARTETE KUNST von 1 9 3 7 angesehen werden. 1 0 3 Dennoch ließ sich ein einheitlicher kunstpolitischer Kurs nicht feststellen: Werke ein und desselben Künstlers wurden gleichzeitig in den Schandausstellungen gezeigt und hingen dennoch weiterhin unbehelligt in den

V e r ä n d e r u n g e n i m K u n s t b e t r i e b zu B e g i n n d e s N a t i n a l s o z i a l i s m u s _ 5 5

10 UND

Heinrich FRANZ

Hoffmann,

XAVER

JOSEPH

FUHR

BEI

GOEBBELS

DER

IM

GESPRÄCH

FÜHRERTAGUNG

DER

MIT

ALFRED

REICHS-

UND

ROSENBERG GAULEITER,

Berlin, 1 4 . - 1 6 . Juni 1 9 ^ , Fotografie, München, Bayerische Staatsbibliothek

öffentlichen Schausammlungen der Museen. Ein anschauliches Beispiel für das Nebeneinander von Diffamierung und Würdigung lieferte die Schausammlung der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle an der Saale. Seit November 193 5 war eine beständige Schreckenskammer mit modernen Werken im Museum eingerichtet. Wurden Werke eines Künstlers in diesem Kontext ausgestellt, bedeutete dies jedoch nicht zwangsläufig seinen vollständigen Ausschluss aus den übrigen Ausstellungsräumen, so dass die Verfemung ohne klare Richtlinien erfolgte und die Ausstellungspolitik widersprüchlich erschien. 104 Die gespaltene Situation zwischen Verfemung und Anerkennung kann auf öffentlich und intern geführte Diskussionen um eine neue deutsche Kunst zurückgeführt werden. Die Hauptprotagonisten der parteiinternen ideologischen Richtungskämpfe waren der Propagandaminister Joseph Goebbels, der Erziehungsminister Bernhard Rust und der Ministerpräsident Hermann Göring sowie der einflussreiche Mitbegründer des Herausgeber des

VÖLKISCHEN

KAMPFBUNDES BEOBACHTERS

FÜR

DEUTSCHE

KULTUR

und

Alfred Rosenberg (Abb. 10).

Rosenberg, der schon vor 1 9 3 3 einen erbitterten Kampf gegen die moderne Kunst führte, schaltete sich beständig in kunstpolitische Angelegenheiten ein, während Goebbels wiederum versuchte, diese seiner alleinigen Kontrolle zu unterstellen. Die Debatte um die Akzeptanz einiger moderner Künstler innerhalb des neuen Staates war kaum eine ästhetische, sondern wurde vielmehr vor dem Hintergrund einer innerparteilichen machtpolitischen Kompetenzrangelei geführt. Da Hitler bis in das

56

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Jahr 1 9 3 5 weder zu Goebbels noch zu Rosenbergs Aktivitäten eine eindeutige Position bezog, w a r es Goebbels möglich, insbesondere den deutschen Expressionismus als nordische Ausdruckskunst zu propagieren. 1 0 5 So unterstützte er anfangs verschiedene pro-moderne Aktivitäten, wie den DEUTSCHEN

STUDENTENBUND

und

damit

NATIONALSOZIALISTISCHEN

a u c h die V e r a n s t a l t u n g

JUGEND

KÄMPFT FÜR DEUTSCHE KUNST am 2.9. Juni 1 9 3 3 . Bei dieser hielt der Maler und Grafiker Otto Andreas Schreiber eine Rede gegen Rosenbergs KAMPFBUND. Er verurteilte die Einrichtung von Schreckenskammern und sprach sich für den Expressionismus aus. Gerade in Künstlern wie Nolde, Barlach, Heckel und SchmidtRottluff sah er die zentralen Gründungsfiguren einer neuen deutschen Kunst. Die zeitgleich veranstaltete Ausstellung 3 0 DEUTSCHE KÜNSTLER in der Berliner Galerie Ferdinand Möller zeigte zusätzlich, für welche Kunstrichtung die innerparteiliche Opposition kämpfte. 1 0 6 Unter anderem wurden Werke von Heckel, M a r c und Nolde ausgestellt. 107 Außerdem wurde bis 1 9 3 5 die Ausstellungsgesellschaft DER NORDEN, die Ausstellungen in der Galerie Ferdinand Möller organisierte, sowie die Zeitschrift KUNST DER NATION von Goebbels gefördert. Die Zeitschrift w a r während ihres Erscheinens zwischen Herbst 1 9 3 3 und Frühjahr 1 9 3 5 das wichtigste Forum für Debatten über moderne Kunst und versuchte, ausgewählte Künstler - insbesondere Expressionisten - innerhalb der nationalsozialistischen Kunstpolitik zu platzieren. 108 D a die Expressionisten bei den Kämpfen um die neue deutsche Kunst eine maßgebliche Rolle spielten, wurde die in den Anfangsjahren des nationalsozialistischen Staates geführte Debatte unter dem Begriff »Expressionismus-Streit« zusammengefasst. Schon lange vor 1 9 3 3 , insbesondere zur Zeit des Ersten Weltkriegs, hatten sich die Expressionisten selbst und ihre Anhänger als Antwort auf die französische und internationale Avantgarde gefeiert. Fortan wurde der Expressionismus als »deutscher Sonderweg« innerhalb der modernen Kunstströmungen hervorgehoben und somit als neuer deutscher Stil verstanden, der von internationalen Entwicklungen isoliert zu betrachten sei. 109 Daneben galten vor allem die Romantik und die Dürerzeit als typisch deutsche Errungenschaften, so dass sich innerhalb der Verteidigung des Deutschtums bestimmter moderner Künstler immer wieder Verweise auf eine der genannten Kunstrichtungen finden. 1 1 0 Die Frage, wie die junge Kunst auszusehen habe, um als deutsche Kunst akzeptiert zu werden, w a r also in den ersten Jahren des »Dritten Reichs« noch längst nicht entschieden: »Hier gab es Kämpfe, leidenschaftliche K ä m p f e von einem Ausmaß, das an jene Tage gemahnte, als in Berlin und im sonstigen Deutschland der Kampf um den Naturalismus tobte. In Zeitschriften, Tageszeitungen, großen Versammlungen wurden Fragen bildender Kunst diskutiert. Die Kardinalfrage w a r die

Veränderungen im Kunstbetrieb zu Beginn des Natinalsozialismus _ 5 7

Wertung des jüngst vergangenen Schaffens. Es ging um die Anerkennung oder Verdammung einer ganzen Reihe Künstler, die in jüngster Vergangenheit als führende Maler und Plastiker anerkannt worden waren. [...]. Die junge Kunst wird und muß also, um der neuen Zeit zugehörig zu sein, natürlich, kraftvoll, gesund und bodenständig w i r k e n . « 1 1 1 Im Hinblick auf die gegensätzlichen Anschauungen und Aktivitäten sowie die unklaren Definitionen innerhalb der nationalsozialistischen Kunstpolitik ist es nur allzu verständlich, dass unter den Künstlern eine hohe Unsicherheit bestand und viele von ihnen und von ihren Anhängern die H o f f n u n g hatten, die sich mehrenden Angriffe gegen die Avantgarde würden auf einem Missverständnis basieren. Da der Umgang mit der modernen Kunst im Berliner Kronprinzen-Palais der Öffentlichkeit und den anderen Museen als repräsentativ für die kulturpolitische Position der Partei galt und selbst vom VÖLKISCHEN BEOBACHTER als richtunggebend für die zeitgenössische deutsche Kunst anerkannt wurde, ist eine kurze Betrachtung der Ausstellungspolitik dieser Abteilung der Nationalgalerie für die weitere Untersuchung von einigem Interesse. 1 1 2 Unmittelbar nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten wurde die moderne Sammlung der Berliner Nationalgalerie im Kronprinzen-Palais von dem damaligen Direktor Ludwig Justi neu geordnet und am 1 5 . Februar 1 9 3 3 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Werke von Liebermann und den französischen Impressionisten verlegte er vom Kronprinzen-Palais ins Stammhaus auf der Museumsinsel und entzog sie somit dezidiert dem Kontext der zeitgenössischen K u n s t . 1 1 3 Während »der Jude« Liebermann und »die Franzosen« nicht mehr als Vorbilder für die deutsche moderne Kunst erachtet werden sollten, versuchte Justi mit der Herausstellung des Expressionismus, »die Entwicklung der deutschen Kunst nach dem Wunschtraum eines nordischen Rassentums zu stilisieren«, wie Adolf Behne dem Museumsdirektor anlässlich eines Diskussionsabends zur Neugestaltung vorw a r f . 1 1 4 Das Konzept Justis scheiterte schließlich, und er wurde am 1 . Juli 1 9 3 3 mit sofortiger Wirkung beurlaubt und in die Kunstbibliothek versetzt. 1 1 5 An seine Stelle trat Alois Schardt, der in den zwanziger Jahren bereits Assistent Justis w a r und seit 192.6 als Direktor das Städtische Museum in Halle an der Saale leitete, für das er hauptsächlich Werke der Künstlergruppe DIE BRÜCKE sowie von M a r c , Feininger und Klee erwarb. 1 9 3 3 verfasste Schardt eine Denkschrift mit dem Titel WESENSMERKMALE DER DEUTSCHEN

BILDENDEN

K U N S T , in der er E n t w i c k l u n g s l i n i e n

von der germanischen Ornamentik über die Gotik und Romanik bis zu den Künstlern der deutschen Moderne wie Nolde, M a r c und Feininger aufzeigte. Dementsprechend versuchte er auch, das Kronprinzen-Palais nach völkischen Gesichtspunkten zu ordnen. Schardt entwickelte einen Ausstellungsrundgang, der von den

58

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Romantikern Caspar David Friedrich und Carl Blechen, über die Bilder der Deutschrömer Anselm Feuerbach und Hans von Marées zur Moderne führte. Im zeitgenössischen Bereich legte Schardt die Schwerpunkte auf Nolde, Barlach, Lehmbruck, die Maler des

BLAUEN

REITERS

und der

BRÜCKE

sowie auf Feininger.

Hingegen blieben Beckmann und Klee unberücksichtigt. Am 10. Juli 1 9 3 3 erläuterte Schardt in einem Vortrag mit dem Titel

WAS

IST

DEUTSCHE

KUNST?

sein

Konzept der Neuordnung. Diese wurde allerdings nicht einmal eröffnet, und Schardt nach Halle zurückversetzt, w o er sich einer weiteren Ausübung der Museumstätigkeit durch Krankschreibung entzog. 116 Ab November 1933 wurde Eberhard Hanfstaengl an die Nationalgalerie berufen und hierfür vorerst von seinem Posten als Direktor der Städtischen Kunstsammlung in München beurlaubt. Er magazinierte jene Werke, die den meisten Widerspruch innerhalb der nationalsozialistischen Kunstpolitik hervorgerufen hatten. Seine Neuordnung wurde als akzeptabel befunden, das Kronprinzen-Palais am 1 7 . Dezember 1 9 3 3 wieder eröffnet und Hanfstaengl am 1 . Januar 1934 zum neuen Direktor der Nationalgalerie ernannt. 117 Ein Blick in den Ausstellungskatalog der Sammlung aus dem Jahr 1 9 3 5 zeigt, dass unter den modernen Werken kaum mehr Figurenbilder präsentiert wurden. Beckmanns 1933

DIE

BARKE

von 192.6 (Privatbesitz) wurde gegen

OCHSEN

IM

STALL

von

(Wiesbaden, Städtisches Museum, ehemals Berlin, Nationalgalerie) und

STILLEBEN

MIT

tauscht, Noldes Nolde) gegen REIFE

GLASKUGEL HEILIGE

JUNGE

PFERDE

SONNENBLUMEN

UND

FAMILIE

KORNÄHREN

von 1 9 3 4 (Privatbesitz) ausge-

von 1 9 3 1 (Seebüll, Stiftung Ada und Emil

von 1 9 1 6 (New York, Guggenheim Museum) und

von 1 9 3 3 (Detroit, Institute of Arts). Von Dix hingen

noch zwei Kinderbildnisse in den Schauräumen und von Heckel neben einigen Stilleben die

MADONNA

VON

OSTENDE

von 1 9 1 5 (verbrannt). Das bei weitem

umstrittenste Gemälde der Neupräsentation dürfte Corinths 192.5 (Basel, Kunstmuseum) gewesen sein (Abb.

ECCE

HOMO

von

II).IIS

Vor dem Hintergrund der vom Kronprinzen-Palais vorgegebenen Ausstellungspolitik sind die weiterhin stattfindenden Museumsankäufe von Gemälden beispielsweise von Corinth, Beckmann, Marc, Heckel oder Nolde bis in das Jahr 1 9 3 6 zu erklären. Auch auf dem Auktionsmarkt waren Gemälde vor allem von Corinth und Liebermann weiterhin präsent. 119 Ein Briefwechsel zwischen dem Sammler Carl Hagemann und dem Kunsthistoriker Ernst Gosebruch belegt, dass Gosebruch sogar noch 1 9 3 6 eine Versteigerung moderner Bilder als gute Verkaufsmöglichkeit ansah. 120 Eine solche Versteigerung ist eventuell vorstellbar wie die der »modernen Graphiken« der Sammlung des 1 9 3 2 verstorbenen Kölner Regierungsrates Dr. Heinrich Stinnes durch das Berliner Kunstantiquariat Holstein & Puppel im November 1 9 3 6 . 1 2 1 Gleichwohl gelangten ab 1 9 3 3 nur sehr wenige Konvolute moderner Kunst auf den Auktionsmarkt. Dies hing aber vermutlich nicht ausschließlich

Veränderungen im Kunstbetrieb zu Beginn des Natinalsozialismus _ 59

11

Unbekannter

Fotograf,

BLICK

IN DIE

MODERNE

ABTEILUNG

DES

EHEMALIGEN

KRONPRINZEN-PALAIS

(MIT »ECCE HOMO« VON LOVIS CORINTH), Berlin, um 1 9 ^ 5 , Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

mit der nationalsozialistischen Kunstpolitik zusammen, sondern mit der ohnehin geringen Präsenz zeitgenössischer Kunst auf dem Auktionsmarkt. 1 2 2 Eine Beschlagnahmeaktion im Jahr 1 9 3 5 zeigt allerdings, dass stets ein gewisses Risiko bei einem öffentlichen Angebot umstrittener Künstler bestand. Anlässlich einer Versteigerung im Auktionshaus M a x Perl wurden im Februar 1 9 3 5 durch die Geheime Staatspolizei 64 Kunstwerke »kulturbolschewistischer Tendenz« beschlagnahmt, darunter achtzehn Werke aus der jüdischen Sammlung von Ismar Littmann. Der Breslauer Jurist beging 1 9 3 4 Selbstmord und die Familie sah sich aus wirtschaftlichen Gründen genötigt, Teile der umfangreichen Kunstsammlung versteigern zu lassen. Die aus der Auktion herausgezogenen Werke wurden im Februar 1 9 3 6 an Hanfstaengl in die Nationalgalerie gesendet, mit der Aufforderung, jene Bilder auszuwählen, die als kulturgeschichtliches Material dienen könnten, die unnützen Stücke aber im Museum zu vernichten. 1 2 3 Hanfstaengl wählte je ein Gemälde von Karl Hofer, Franz Radziwill und zwei von Otto Mueller sowie vierzehn Aquarelle und Zeichnungen von Otto Dix, Erich Heckel, Willy Jaeckel, Otto Mueller, M a x Pechstein, Franz Radziwill und Rudolf Schlichter zur Aufbewahrung aus. 1 2 4 Hinsichtlich der Aufforderung zur Vernichtung der Werke teilte Alfred Hentzen, Mitarbeiter Hanf-

60

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

staengls, im M a i 1 9 3 6 der Gestapo mit: »Am 2.0. M a i 1 9 3 6 sind in meiner Gegenwart [...] die in den Schreiben vom 2.4. M ä r z näher bezeichneten Gemälde, Aquarelle und Handzeichnungen in der Heizung des ehemaligen Kronprinzen-Palais verbrannt worden.« 1 2 5 Die Vorgänge sind ein Hinweis für die ab 1 9 3 6 beginnende Radikalisierung der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Z w a r unterstützte Goebbels 1 9 3 5 noch die Münchner Ausstellung BERLINER KUNST mit Werken von Beckmann, Feininger, Heckel und Nolde - von denen jedoch auf Anleitung des Gauleiters Adolf Wagner einige entfernt wurden - entzog aber noch im gleichen Jahr aufgrund der Parteitagsrede von Hitler im September 1 9 3 5 der modernen Kunst seinen weiteren Beistand. 1 2 6 Ein Tagebucheintrag von Goebbels vom 1 5 . D e z e m b e r 1 9 3 5 demonstriert den deutlichen Umschwung seiner Einstellung: Nach einem Diskurs mit Hitler und Göring komme er zu dem Schluss, das Kronprinzen-Palais müsse »vom Mist gesäubert werden«. 1 2 7 Damit endete die offizielle Debatte um die Integration der Modernen als neue deutsche Kunst, die Goebbels genutzt hatte, um seine machtpolitische Position gegenüber dem KAMPFBUND ZU behaupten und auszubauen. D a während der Olympischen Spiele im Jahr 1 9 3 6 das »Dritte Reich« sich seinen ausländischen Gästen gegenüber jedoch noch liberal und weltoffen präsentierte, blieb das Kronprinzen-Palais vorerst geöffnet. Die Nationalgalerie veranstaltete zeitgleich in den unteren Etagen die Ausstellung GROSSE DEUTSCHE IN BILDNISSEN IHRER ZEIT, zu denen unter anderem auch Corinth und M a r c gezählt wurden: Von Corinth wurden zwei Gemälde gezeigt, M a r c w a r in einem von August M a c k e gemalten Bildnis vertreten. Im Obergeschoß w a r die ständige moderne Sammlung zu sehen und den 6 3 . 7 0 0 Besuchern der Bildnis aus Stellung ohne Einschränkungen zugänglich. 1 2 8 Der Hamburger Kunstverein zeigte zur gleichen Z e i t die A u s s t e l l u n g M A L E R E I U N D P L A S T I K IN D E U T S C H L A N D m i t W e r k e n v o n

Beckmann, Dix, Feininger, Heckel, Kirchner, Nolde und Schlemmer, die allerdings vorzeitig geschlossen wurde. 1 2 9 Auch das Obergeschoß des Kronprinzen-Palais w a r Ende September nur noch beschränkt zugänglich. 1 3 0 A m 30.Oktober 1 9 3 6 ordnete Erziehungsminister Bernhard Rust die vorläufige Schließung der modernen Abteilung im Kronprinzen-Palais an, der eine endgültige am 5. Juli 1 9 3 7 f o l g t e . 1 ' 1 A m 2.6. November 1 9 3 6 verbot Goebbels jegliche Kunstkritik, so dass eine freie, unabhängige Beurteilung von Kunst nicht mehr möglich war. Zudem ersetzte er am i . D e z e m b e r 1 9 3 6 den bisherigen Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste Eugen Honig durch den konservativen Adolf Ziegler. 1 3 2 Betrachtet man die Preisentwicklung auf dem nationalen M a r k t bis 1 9 3 7 , so fällt auf, dass sich die Preise nach dem durch die Weltwirtschaftskrise ausgelösten Einbruch 1932. langsam wieder erholten:

V e r ä n d e r u n g e n i m K u n s t b e t r i e b zu B e g i n n d e s N a t i n a l s o z i a l i s m u s

Allgemeine Preisentwicklung, nationaler Kunstmarkt 1 9 2 . 5 - 1 9 ^ 7

Die Aufwärtswende der Kunstpreise ab 1932. entspricht dem damaligen weltweiten wirtschaftlichen Konjunkturverlauf. Wurde 1932. der Tiefpunkt der Krise in Deutschland erreicht, wuchs die Weltwirtschaft ab Herbst 1932. wieder an - eine Tendenz, die während der Zeit des Nationalsozialismus anhielt. 1 3 3 Um 1 9 3 4 scheint sich auch das Preisniveau der modernen Gemälde wieder auf dem Niveau der Jahre der Weimarer Republik stabilisiert zu haben. 1 3 4 Allerdings müssen veränderte Wechselkurse berücksichtigt werden: Der Wert des US-Dollars sank gegenüber der Reichsmark in den dreißiger Jahren. War zwischen 192.5 und 1 9 3 2 ein US-Dollar etwa vier Reichsmark wert, so entsprach er zwischen 1 9 3 3 und 1 9 4 5 nur noch ungefähr zwei bis drei Reichsmark. Damit lag der mittlere Preisbereich von 400 und 800 US-Dollar der Jahre 1 9 2 5 bis 1 9 3 1 bei etwa 1 . 6 7 6 bis 3 . 4 7 5 Reichsmark, 400 bis 800 US-Dollar der Jahre 1 9 3 4 bis 1 9 3 7 hingegen bei 9 9 2 bis 1 . 9 9 2 Reichsmark. Dennoch kann von einer Erholung der Preisstrukturen nach der Krise und von einer langsamen Annäherung an das Preisniveau der Weimarer Republik gesprochen werden. Die häufig geäußerte Annahme, »Kunstwerke, die nicht der NS-Ideologie entsprachen, konnten [...] nicht auf dem offiziellen M a r k t verkauft oder erworben werden«, muss angesichts der vorgenommenen Recherchen abgeschwächt werden. 1 3 5 Die nationalsozialistische Kunstpolitik schien hinsichtlich des »Entartungsbegriffs« nicht eindeutig zu agieren, so dass Verkäufe umstrittener Künstler nach 1 9 3 3 weiterhin auf dem öffentlichen Kunstmarkt möglich waren. Die erhobenen Daten zeigen, dass Gemälde von Liebermann und Corinth auf dem Auktionsmarkt versteigert wurden und auch als »entartet« diffamierte Künstler bei staatlichen Anund Verkäufen berücksichtigt wurden. Die Museen kauften ihre Werke, verkauften

61

62

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

aber auch Kunst aus ihren Beständen an deutsche Händler, unter anderem von Marc, Dix oder Liebermann. 136 Zusätzlich fanden öffentliche Verkaufsausstellungen der im Weiteren betrachteten Künstler in privaten Galerien statt, obwohl diese seit dem 10. April 1 9 3 5 einer Anmelde- und Genehmigungspflicht durch die Reichskammer der bildenden Künste unterlagen. 137 So zeigten unter anderem die Galerie Ferdinand Möller und die Galerie Nierendorf in Berlin bis 1 9 3 7 Einzelausstellungen von Feininger, Nolde, Dix, Marc, Heckel und Schlemmer. Die Galerie Valentien in Stuttgart veranstaltete im April 1 9 3 7 eine Ausstellung von Oskar Schlemmer. Hildebrand Gurlitt präsentierte in seinem Hamburger Kunstkabinett 1 9 3 6 ebenso wie die Galerie Buchholz in Berlin im Juni 1 9 3 7 je eine Einzelausstellung Beckmanns. Eine Nolde-Ausstellung bei Rudolf Probst in Mannheim, die zeitgleich mit der Münchner Ausstellung

ENTARTETE

KUNST

stattfand, wurde hingegen ge-

schlossen.

DER HANDEL MIT »ENTARTETER« KUNST IM »DRITTEN REICH«:

1937-1945

Die Münchner Ausstellung von 1 9 3 7 scheint eine Wende in der bisher nicht klar definierten nationalsozialistischen Kunstpolitik herbeigeführt zu haben, so dass die moderne Kunst fortan vollständig aus der Öffentlichkeit zu verschwinden drohte, wie eine Warnung Paul Ortwin Raves im Juli 1 9 3 7 an verschiedene Museumsdirektoren vermuten lässt: »Ich kann Ihnen versichern, dass es das Ministerium als selbstverständlich ansieht, dass Werke der Künstler, deren Namen in München in den letzten Tagen angeprangert wurden, in öffentlichen Sammlungen Deutschlands nicht mehr gezeigt werden.« 138 Damit war die öffentlich geführte Debatte um die Moderne entschieden. Die in München gezeigten Künstler kamen für eine offizielle Staatskunst nicht mehr in Frage; trotzdem sollte die Ausstellung nicht verhindern, »daß diejenigen Deutschblütigen unter den Ausgestellten, welche ihren jüdischen Freunden von ehedem nicht in das Ausland gefolgt sind, nun ehrlich ringen und kämpfen um eine Grundlage für ein neues, gesundes Schaffen«. 139 Generell waren sie dennoch als »entartet« stigmatisiert. Die Nennung Flechtheims in der Ausstellungsbroschüre als Prototyp des jüdischen Kunsthändlers, der diese Kunst »ausgeheckt, gefördert und verramscht« hat, verurteilte sie zudem als »jüdisch inszeniert« und damit als »Gefahr für die deutsche Kultur«. 140 Doch bewirkte die Propagandaschau die von den Nationalsozialisten gewünschte Wende auch auf dem Kunstmarkt? Wurden die gezeigten Künstler im öffentlichen Kunsthandel künftig weder ausgestellt noch verkauft? Die Ausstellung

ENTARTETE

KUNST

wurde am 19. Juli 1 9 3 7 in den Münch-

ner Hofgarten-Arkaden eröffnet, einen Tag nach der Eröffnung der DEUTSCHEN

KUNSTAUSSTELLUNG

GROSSEN

im Haus der Deutschen Kunst (Abb.

12).141

Der H a n d e l mit » e n t a r t e t e r « K u n s t im » D r i t t e n R e i c h « _ 6 3

12

Unbekannter

F o t o g r a f , B L I C K IN DIE A U S S T E L L U N G

»ENTARTETE KUNST«

(MIT WERKEN VON ERNST

KIRCHNER, OSKAR KOKOSCHKA, KARL HOFER, ERICH HECKEL, EMIL NOLDE UND KARL

LUDWIG

SCHMIDT-ROTTLUFF),

München 1 9 ^ 7 , Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

Die Gegenüberstellung der »kranken« und der »deutschen« Kunst sollte unmissverständlich verdeutlichen, welche Art von Kunst im »Dritten Reich« offiziell erwünscht, beziehungsweise unerwünscht war. Für die Bestückung der Ausstellung ENTARTETE KUNST wurde Ziegler auf Initiative von Goebbels Ende Juni 1 9 3 7 durch eine Vollmacht von Hitler ermächtigt, gemeinsam mit einer fünfköpfigen Kommission Werke aus den Beständen der deutschen Museen zu entnehmen. Folglich wurden aus öffentlichen Sammlungen zahlreiche Gemälde und Plastiken sowie Grafiken beschlagnahmt, von denen anschließend rund 600 in der Ausstellung präsentiert wurden. 1 4 2 M i t einem besonders hohen Werkanteil w a r Emil Nolde vertreten, was als klare Aufforderung zur Beendigung der Diskussion um Nolde als Prototypen des nordischen Malers einer neuen deutschen Kunst verstanden werden kann. 1 4 3 Angesichts der mit der Präsentation verbundenen Diffamierungsabsichten überrascht ein Bericht Möllers an Nolde: »Mein Aufenthalt in München hat mich sehr beeindruckt. Ihre Bilder hängen sehr gut, und es macht vor allen Dingen das Werk >Christus und die Samari-

64

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

terin< einen starken Eindruck. Es w a r für mich sehr interessant, die Bilder aus verschiedenen deutschen Museen hier vereinigt nebeneinander zu sehen. Die Aufhängung ist nicht nach musealen Grundsätzen erfolgt, sondern etwa so, wie der Künstler seine Bilder auch im Atelier aufhängt.« 1 4 4 Außerdem verwies Möller in dem Schreiben auf die nach Protesten des deutschen Offiziers-Bundes erfolgte Entfernung von Marcs TURM DER BLAUEN PFERDE von 1 9 1 3 (Verbleib unbekannt, ehemals Berlin, Nationalgalerie) aus der Femeausstellung, wodurch Marcs Ansehen als Kriegsgefallener nicht geschädigt werden sollte, und äußerte die H o f f n u n g , auch Noldes Bemühungen um die Zurücksendung seiner Bilder mögen von Erfolg gekrönt sein. 145 Somit ist zu vermuten, dass noch immer die H o f f n u n g existierte, einige der als »entartet« präsentierten Künstler rehabilitieren zu können. Daneben blendeten einige Anhänger der Moderne die offensichtliche Diffamierung der ausgestellten Werke aus. Anders ist Gosebruchs Bemerkung zur Wanderausstellung ENTARTETE KUNST in Berlin 1 9 3 8 nicht zu verstehen, wenn er an Hagemann schreibt, Noldes Hochaltar sehe »ganz wunderbar aus, die schönste Wand der Schau«. 1 4 6 So ist das Resultat eines Besuchs der Femeausstellungen nicht immer die von den Nationalsozialisten erwünschte Ablehnung, sondern vereinzelt fanden die diffamierten Künstler sogar neue Förderer und Bewunderer, wie das Beispiel des Sammlers Bernhard Sprengel zeigt, der in der Ausstellung ENTARTETE KUNST seine Begeisterung für Emil Nolde entdeckte. 1 4 7 Nolde selbst empfand hingegen die Präsentation seiner Werke als deutlichen Angriff gegen seine Person und seine Kunst und bemerkte rückblickend: »Massen von Menschen wurden zum Besuch der >Entarteten Ausstellung< hinbefohlen, die Kunstwerke waren in schlechtem Licht so schamlos schlecht gestellt und gehängt, als es möglich war. Grelle, rote Zettel mit boshaften Sprüchen allerlei und maßlos willkürlich gesteigerte Ankaufspreise mit Inflationszahlen hingen überall und möglichst störend.« 1 4 8 Nach der Münchner Ausstellung ENTARTETE KUNST wurde der seit 1 9 3 3 immer wieder geforderte und durch Hitlers Eröffnungsrede der GROSSEN DEUTSCHEN KUNSTAUSSTELLUNG beschlossene »Säuberungskrieg« mit einer zweiten Beschlagnahmeaktion realisiert. 149 M i t dem Ziel der flächendeckenden Liquidierung »entarteter« Kunst beschlagnahmte die Kommission unter Ziegler erneut Werke aus insgesamt 1 0 1 Museen und Sammlungen in 74 Städten. Die aussortierten Kunstwerke wurden in einem Lagerhaus in der Köpenicker Strasse in BerlinKreuzberg deponiert und von Rolf Hetsch in einem Verzeichnis inventarisiert, das später den Titel »Verzeichnis der im Jahre 1 9 3 7 sichergestellten Werke entarteter

Der Handel mit » e n t a r t e t e r « Kunst im » D r i t t e n Reich« _ 65

(Seiet) übet Ginjici)iittg »"« litjeugnijieii entartetet iluujt*). «Diu 31.9Rai 1938. Die WeicfjSttgietting fjat ba3 folgenbe ®efelj befdjloifen, baä hiermit berfünbet roitb:

§ 1

Eigentum be3 Keid)3 iibergeijenben ©egenflänbe. Et

Die Stjeugniffe entarteter fiunfi, bie cor bem g » . Iiaftheten biefeS ©eftfceg in ifiufetti ob« bet ÖffentM;-

rann bie im S a J 1 unb 2 beftimmten Sefugniffe auf anbete Stellen übertragen.

feit 3ugänglid)en Sammtungen [¡d)erfie|ttllt unb »on einer com gfiljter unb SJeidjSianäter beftimmten Stelle als Grjeugiiiffe entarteter Sunjl feftgefiellt finb, formen

(2) 3n befonberen fallen tonnen Süafjnaljmen 3um StuSgleid) Bon Satten getroffen roerben.

otjne Sntfdjäbigung ju ®unjlen be§ Jieicf)8 eingesogen

§3

toerben, foweit fie bei ber ®id;erjlellimg im Gigentum Don 9ieiolf ß t t l e r ® e r SHeittysiuiftifier für C o l f s u f f l a v n n u n b i ß r o p a g a t i f c a Dr. © o e b b e t S

13

GESETZ

ÜBER

EINZIEHUNG

VON ERZEUGNISSEN

ENTARTETER

KUNST

VOM

MAI

19^8,

P o t s d a m , Privatarchiv A n d r e a s H ü n e k e (Kopie)

Kunst aus deutschem Museumsbesitz und der A b w i c k l u n g s m a ß n a h m e n 1 9 4 1 « trägt.

150

1938/

Die Bestandsaufnahme umfasste 1 6 . 5 5 8 N u m m e r n . N a c h neueren

Schätzungen betrug die Anzahl der Beschlagnahmen sogar 2 0 . 0 0 0 A r b e i t e n . 1 ' 1 N e b e n der Verwendung der beschlagnahmten Werke als E x p o n a t e f ü r die w a n dernde Propagandaausstellung ENTARTETE KUNST beschlossen Hitler und G o e b bels, »einiges [...] im A u s l a n d gegen gute Meister auszutauschen«. 1 5 2 Durch einen Vorschlag von G ö r i n g entwickelte sich im M a i 1 9 3 8 die Idee, die »entartete« Kunst nicht nur gegen erwünschte Werke einzutauschen, sondern sie auch gegen Devisen zu veräußern und somit dem internationalen H a n d e l anzubieten. 1 5 3 D a s Vorhaben kann im K o n t e x t der generellen Devisenknappheit gesehen werden. Deutschland w a r in den dreißiger Jahren stark abhängig von Auslandsimporten f ü r die Produktion und Nahrungsmittelversorgung, gleichzeitig sollten die Auslandsverschuldungen abgebaut werden. Der E x p o r t w a r die einzige Quelle f ü r Deviseneinnahmen, die auch die Kriegswirtschaft unterstützten. 1 5 4 D a s am z.Juni

1 9 3 8 im Reichs-

gesetzblatt verkündete »Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst« schafft der Beschlagnahmeaktion nachträglich eine rechtliche Grundlage und legalisierte gleichzeitig die systematische

»Verwertung«

(Abb.

13).155

Zur

besseren

66

14

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Unbekannter

F o t o g r a f , B L I C K IN DAS D E P O T IM SCHLOSS

F R A N Z MARC, OTTO D i x , GEORGE

SCHÖNHAUSEN

BEI BERLIN

G R O S Z ) , Berlin 1 9 ^ 7 , Berlin, Bildarchiv Preußischer

(MIT WERKEN

VON

Kulturbesitz

Übersicht wurde der gesamte Bestand der beschlagnahmten Werke in drei Gruppen eingeteilt: In »international verwertbare«, »wertlose« und in Ausstellungsexponate zu Propagandazwecken. Ein Teil der »wertlosen« Gruppe - insgesamt 1.004 Gemälde und Plastiken sowie 3.82.5 Aquarelle - wurde am 2.0.März 1 9 3 9 auf einem Hof der Hauptfeuerwache in Berlin-Kreuzberg unter Ausschluss der Öffentlichkeit verbrannt. 156 Für die »international verwertbaren« Objekte gründete Goebbels die »Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst«, die unter Vorsitz von Franz Hofmann gestellt und mit der Aufgabe betraut wurde, den Verkauf ins Ausland zu organisieren. 157 Zur besseren Präsentation der Werke gegenüber möglichen Kaufinteressenten wurden diese in das Schloss Schönhausen gebracht. Die Verlagerung war am 1 7 . September 1938 abgeschlossen (Abb. i4).IsS

Außerdem

wurde insbesondere den vier Kunsthändlern Karl Buchholz und Ferdinand Möller aus Berlin, Bernhard A. Böhmer aus Güstrow sowie Hildebrand Gurlitt aus Ham-

D e r H a n d e l mit » e n t a r t e t e r « K u n s t i m » D r i t t e n R e i c h « _ 6 7

bürg das Recht eingeräumt, an der Verkaufsaktion mitzuwirken. Das Interesse an einer Beteiligung lag vermutlich auf Seiten der Händler, von Gurlitt und Buchholz sind jedenfalls konkrete Anfragen aus dem Jahr 1 9 3 9 an das Propagandaministerium nachzuweisen. 1 5 9 Die Kunsthändler erhielten die Befugnis, die beschlagnahmten Werke aus den Depots in Schönhausen und in Berlin-Kreuzberg zu erwerben, gegen andere Werke einzutauschen oder in Kommission zu nehmen. Bei einem Verkauf ins Ausland waren sie mit zehn bis zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Prozent Provision am Erlös beteiligt. 160 Verkäufe an inländische Personen wurden ihnen ausdrücklich untersagt, wie einem Schreiben des Propagandaministeriums unmissverständlich zu entnehmen ist: »Um wiederholt Zweifelsfragen zu klären, wird nochmals betont, daß sämtliche von Ihnen durch Verkauf oder Tausch erworbene sowie als Kommissionsware in Ihrem Besitz befindliche Werke >entarteter KunstEntartete Kunst< vertreten gewesen seien, heute noch Mitglieder der Reichskammer der bildenden Künste seien.« 185 Zudem wirkte Noldes Steuererklärung von 1940 über 80.000 Reichsmark auf die Nationalsozialisten vermutlich wie eine Provokation. Im August 1941 erreichte ihn daher der Ausschluss aus der Kammer, der einem Berufsverbot gleichkam. 186 Daneben wird aus dem Bericht deutlich, dass sich auch beschlagnahmte Werke des Künstlers bei Vömel befanden, die dieser offenbar von einem der vier vom Propagandaministerium mit der Veräußerung beauftragten Händler erhalten hatte. Da diese Werke nur für den Verkauf ins Ausland bestimmt waren, handelte es sich »offensichtlich um eine bewusste Sabotage der Kunstpolitik des Führers durch einen Teil des deutschen Kunsthandels«. 187 Tatsächlich arbeitete der moderne Kunsthandel hinsichtlich der Veräußerung der beschlagnahmten Werke eng zusammen. Es ist bekannt, dass die beauftragten Händler ehemalige Museumswerke an Günther Franke in München, Fritz Carl Valentien in Stuttgart, Alex Vömel in Düsseldorf und Wolfgang Gurlitt in Berlin abgaben und verkauften. 188 Auch Josef Nierendorf, der die Galerie Nierendorf seit 1936 leitete, erhielt 1940 ein Angebot, drei beschlagnahmte Gemälde Feiningers zu übernehmen. 189 Dies zeigt, dass die beauftragten Händler beschlagnahmte Werke nicht nur an inländische Privatsammler, sondern auch an inländische Galerien verkauften. Dieses spezielle Marktsegment, der Handel mit ehemaligen Museumsbildern, kann demnach als »inländischer Schattenmarkt« bezeichnet werden. Er fand im Verborgenen, hinter verschlossenen Türen, statt, wie zeitgenössische Berichte belegen: »Möller hat übrigens die beschlagnahmten deutschen Museumsbilder, aus

72

Die P r e i s e n t w i c k l u n g d e r d e u t s c h e n M o d e r n e

denen er mir die herrlichen Kirchnerbilder zeigte, in seinem Abstellraum, zeigt sie einstweilen nur zuverlässigen, ihm persönlich bekannten Kunstfreunden.« 1 9 0 Die übrigen Verkäufe moderner Kunst sind aber von diesen Schilderungen zu differenzieren. Da die Händler dem Propagandaministerium die ehemaligen Museumswerke in Devisen bezahlten und diese direkt auf das »Sonderkonto E K « überweisen mussten, stellt sich angesichts der inländischen Verkäufe die Frage, auf welche Weise sie dieser Vereinbarung nachkommen konnten. Buchholz erhielt vermutlich von seinem Geschäftspartner Curt Valentin, der 1 9 3 7 nach N e w York ausgewandert war, amerikanische Währung und bezahlte damit etwa 85 Prozent der übernommenen Werke. 1 9 1 Möller hingegen bezahlte lediglich sechs Gemälde mit Devisen, alle weiteren gelangten durch Tauschgeschäfte in seinen Besitz. Dementsprechend niedrig waren die von ihm zu beschaffenden Devisensummen. 1 9 2 Auch Gurlitt und Böhmer erhielten zahlreiche Werke über Tauschgeschäfte. 1 9 3 Hinsichtlich der zu beschaffenden Devisen ist zu vermuten, dass durch gelegentliche Geschäfte mit ausländischen Kunden - die keine »entartete« Kunst betreffen müssen - Devisen erwirtschaftet werden konnten, die den Händlern für den Ankauf der beschlagnahmten Werke zur Verfügung standen, ohne dass sie einen ausländischen Abnehmer benötigten. Auffällig an den »Verwertungsvorgängen« ist außerdem, dass die im Beschlagnahmeverzeichnis notierten RmVP-Preise nicht als endgültige Verkaufspreise angesehen werden können. Vielmehr scheinen die beauftragten Händler dem Propagandaministerium Preise gezahlt zu haben, die von den eigentlichen inländischen Verkaufspreisen deutlich abwichen: 1 9 4 »Verwertetes« Gemälde

M a x B e c k m a n n : BLICK A U F DAS

MEER,

1 9 2 8 , 82 x 4 7 cm, Köln, Museum Ludwig

RmVP-Preis in US-Dollar,

Nationaler VK-Preis in

unbereinigt

US-Dollar, unbereinigt

1 9 4 0 : R m V P an Möller

1 9 4 0 : Möller an Privat

für 50,00 US-Dollar

für 960,00 US-Dollar

(ehemals Köln, Wallraf-Richartz-Museum) Lovis Corinth: WALCHENSEELANDSCHAFT MIT

1 9 4 0 : R m V P an Böhmer

1 9 4 0 : Böhmer/Wüster

LÄRCHE, 1 9 2 0 , 85 x 1 1 5 cm, Mannheim, Kunst-

für 300,00 US-Dollar

an Privat für

halle (ehemals Hannover, Provinzial-Museum) Erich Heckel: MEERLANDSCHAFT (SONNE ÜBER DEM MEER),

BEI

OSTENDE

1916,

8.800,00 US-Dollar 1 9 4 0 : R m V P an Möller

1 9 4 0 : Möller an Privat

für 30,00 US-Dollar

für 1 . 1 2 0 , 0 0 US-Dollar

1 4 4 , 2 x 1 1 3 , 4 cm, Verbleib unbekannt (ehemals Stuttgart, Staatsgalerie) Ernst Ludwig Kirchner: BILDNIS

OSKAR

SCHLEM-

MER, 1 9 1 4 , 69 x 58 cm, Privatbesitz (ehemals Essen,

1 9 4 1 : R m V P an Möller

1 9 4 3 : Möller an Privat

für 30,00 US-Dollar

für 400,00 US-Dollar

Museum Folkwang)

Verkaufsbeispiele »verwerteter« Gemälde, nationaler Kunstmarkt 1 9 4 0 - 1 9 4 3

Der H a n d e l mit » e n t a r t e t e r « K u n s t i m » D r i t t e n

Anhand der Gegenüberstellung der normalen nationalen Marktpreise mit den gezahlten RmVP-Preisen lässt sich feststellen, dass die RmVP-Bewertungen tatsächlich außerordentlich niedrig waren; oftmals erreichten sie nicht einmal zehn Prozent des späteren Verkaufspreises. Ihr zusätzlicher Preisabfall nach 1 9 3 9 ging einher mit dem generellen Preisnachlass auf dem nationalen M a r k t , kann aber auch mit der erschwerten Devisenbeschaffung nach Kriegsbeginn erklärt werden. Folglich gingen die beauftragten Händler dazu über, die als »entartet« beschlagnahmten Werke gegen andere Kunstwerke einzutauschen. Innerhalb dieser Tauschgeschäfte verfielen die RmVP-Bewertungen noch stärker, als dies generell schon der Fall w a r : 1 9 5

Preisentwicklung allgemein

RmVP-Preise

Vergleich der allgemeinen Preisentwicklung und der R m V P - P r e i s e , nationaler K u n s t m a r k t 1 9 ^ - 1 9 4 4

Des Weiteren ist angesichts der normalen Preiskurve auffallend, dass sich der mittlere Preisbereich der Jahre 1 9 3 4 bis 1 9 3 7 von ungefähr 400 bis 800 US-Dollar (etwa 9 9 2 bis 1.992. Reichsmark) auch nach 1 9 3 7 fortsetzt und bis 1 9 4 4 - ausgenommen der Jahre 1 9 3 8 und 1 9 3 9 - mittlere Werte von 380 bis 1 . 0 0 0 US-Dollar (etwa 9 5 0 bis 2 . 5 0 0 Reichsmark) verzeichnet. Damit scheint die Aktion »Entartete Kunst« auf die Preisstrukturen des Kunsthandels für moderne Gemälde keine immensen Auswirkungen gehabt zu haben. Z u r Vorstellung der Wertbeimessung der genannten Zahlen, sei der Preis eines »KdF-Wagens« genannt, der im Jahr 1 9 3 6 ebenfalls etwa 400 US-Dollar (990 Reichsmark) kostete. 1 9 6 Eine Abweichung vom generellen Preisbereich weisen die Jahre 1 9 3 8 und 1 9 3 9 auf: Der starke Preisanstieg ab 1 9 3 7 erreichte 1 9 3 9 einen Höchstwert für den mittleren Preisbereich mit 1 . 4 0 0 US-Dollar (etwa 3.486 Reichsmark). Dieser Anstieg ist durch die Veränderung der wirtschaftlichen Situation seit 1932. und 1 9 3 3 erklärbar. Der seit Herbst 1 9 3 2 statt-

Reich«_73

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g d e r d e u t s c h e n M o d e r n e

findende konjunkturelle Aufschwung wurde verstärkt durch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nationalsozialisten. Das Volkseinkommen stieg zwischen 1 9 3 3 und 1 9 3 8 um durchschnittlich 1 0 , 6 Prozent pro Jahr. Allerdings nahm der Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen durch den staatlich verordneten Lohnstopp stetig ab, so dass die Reallöhne sanken. Die Gewinner der nationalsozialistischen Lohn- und Preispolitik sowie des steigenden Volkseinkommens waren folglich vorrangig Unternehmer und der Staat selbst. 1 9 7 Von 1 9 3 4 zu 1 9 3 8 stiegen die Einkommen der Unternehmer um fast 50 Prozent. 1 9 8 Zusätzlich stand dem zunehmenden Geldstrom innerhalb der Unternehmerschicht ein ab 1 9 3 6 abnehmender Güterstrom gegenüber, der ein verstärktes Ausweichen auf den Kunstmarkt vorstellbar macht. 1 9 9 Da im Gegensatz zu anderen Marktsegmenten der Kunstmarkt keiner staatlichen Preisreglementierung unterlag, resultierte aus dem rapiden Anstieg der Nachfrage ein ab 1 9 3 6 ebenso rapider Anstieg der Kunstpreise, der 1 9 3 8 und 1 9 3 9 seinen vorläufigen Höchstpunkt erreichte. Der Preisanstieg regulierte sich wieder durch den Kriegsbeginn im September 1 9 3 9 . 2 0 0 Von Seiten der Nationalsozialisten gab es regelmäßig Bestrebungen, die Situation zu kontrollieren oder zumindest die Berichterstattung über die steigenden Kunstpreise zu verhindern. 2 0 1 Die öffentliche Diskussion dieser Entwicklung w a r unerwünscht, da die steigende Kunstnachfrage auch als wirtschaftliche und politische Unsicherheit seitens der Kaufinteressenten gewertet werden muss. Sie kann als eine »Flucht in Sachwerte« bezeichnet werden, die angesichts der beschriebenen Situation seit 1 9 3 6 begann und sich auch nach Kriegsausbruch bis in das Jahr 1 9 4 4 fortsetzte. Der endgültige Einbruch des Kunstmarkts begann mit dem »totalen Krieg«, den Goebbels am 1 8 . F e b r u a r 1 9 4 3 ausrief. In der Folge wurden in allen kriegswirtschaftlich nicht notwendigen Bereichen die Mitarbeiter für den Kriegs- oder Arbeitsdienst eingezogen, wovon auch der Kunsthandel stark betroffen war. 2 0 2 Dementsprechend brachen mit dem Jahr 1 9 4 4 die Verkaufsangaben im Datenmaterial ab. Auch Karl Wilhelm und Angelika Enderlein stellten für den Kunstauktionsmarkt dessen Einstellung für September des Jahres 1 9 4 4 fest. 203 Dass die allgemein beschriebenen steigenden Preise auf dem Kunstmarkt sich auch auf die deutsche Moderne bezogen und diese selbst nach 1 9 3 7 nicht einrissen, lässt sich nicht nur aus der dargestellten Preisentwicklung, sondern auch aus verschiedenen Hinweisen ablesen. So resümierte Vömel, es wäre immer wieder möglich gewesen, Verkäufe zu tätigen und den Künstlern Zuwendungen zu machen. 2 0 4 Gosebruch beobachtete 1 9 3 9 einen »lebhaften Verkauf«. 2 0 5 Zudem spricht die Tatsache, dass Beckmann den Händlern Franke und Buchholz neue Werke aus seinem Amsterdamer Exil lieferte, um sie in Deutschland verkaufen zu lassen, ebenfalls für eine vorhandene Nachfrage. 2 0 6 Werner Haftmann erinnert sich, dass die Preise keineswegs niedrig gewesen wären, und Hans Thiemann, der für einen Freund in der

D e r H a n d e l mit » e n t a r t e t e r « K u n s t i m » D r i t t e n R e i c h «

Schweiz nach modernen Gemälden Ausschau hielt, berichtete 1 9 4 0 : 2 0 7 »bilderankäufe scheinen mir im augenblick nicht ratsam: wegen der unverschämt hohen preise, die nachfrage verhält sich zum angebot wie der montblanc zum berliner kreuzberg.« 2 0 8 Das Stigma »entartet« scheint unter Kennern der Moderne nicht negativ aufgefasst worden zu sein, so dass von vielen der 1 9 3 7 verfemten Künstler weit mehr Werke verkauft wurden als in den wirtschaftlich kritischen Jahren zuvor. 209 O b und inwieweit die Künstler jedoch selbst an dem anscheinend regen Verkauf verdienten, bleibt unklar. Nach Beobachtungen Gosebruchs kamen die Angebote in der Regel aus Privatbesitz. 2 1 0 Vor allem jüdische Sammler waren auf Grund der Verfolgung gezwungen, ihre Sammlungen aufzulösen und über den Kunsthandel anzubieten. 2 1 1 Zusätzlich gelangte ein Teil der von den Nationalsozialisten

beschlagnahmten

Werke auf den deutschen Markt. Von beiden Verkaufsvorgängen erhielten die Künstler keine Provision. Dennoch dürften sie im Fall des Verkaufs beschlagnahmter Werke beruhigt gewesen sein, ihre Arbeiten dem nationalsozialistischen Zugriff entzogen und in Sicherheit zu wissen. 2 1 2 Der Verkauf im Inland w a r dabei jedoch weit weniger sicher als ein Auslandsverkauf. Vor allem seit mit der vom 1 . Oktober 1 9 4 0 getroffenen »Anordnung gegen minderwertige Kunsterzeugnisse« ein Eingriff in private Galerien und Sammlungen zugelassen war, von dem zum Beispiel bei der Beschlagnahme von Werken in der Galerie Vömel 1 9 4 1 Gebrauch gemacht wurde. 2 1 3 Die drohende Gefahr einer erneuten Beschlagnahme widerspricht der Beurteilung Eberhard Roters, der die Verkäufe der beschlagnahmten Werke im Inland als besonderen Verdienst befand. 2 1 4 Wäre es allein um die Sicherheit der Werke gegangen, wäre ein Auslandsverkauf vorzuziehen gewesen. Z w a r ist unbestritten, dass Dank der Inlandsverkäufe, für die die Händler ein großes unternehmerisches wie privates Risiko eingingen, einige Werke in Deutschland verblieben sind, doch innerdeutsche Verkäufe ausschließlich als Bewahrungsmotiv seitens der Händler zu deuten, muß kritisch hinterfragt werden. Der Verkauf an inländische Interessenten kann vermutlich vielmehr auf einen Mangel an internationalen Verkaufsgelegenheiten zurück geführt werden, da nach Kriegsbeginn ein Verkauf ins Ausland nur unter erhöhtem A u f w a n d zu bewerkstelligen war. Außerdem besaßen bis 1 9 3 3

nur

wenige deutsche Künstler eine gleichwertige Nachfrage auf dem internationalen M a r k t und kaum einer der Händler - ausgenommen Buchholz - verfügte über einen direkten Absatzweg im Ausland. Somit ist zu vermuten, dass die Händler höchstwahrscheinlich auf die nationale Nachfrage angewiesen waren oder sogar ein Inlandsverkauf aus ökonomischen Interessen bevorzugten. 2 1 5 Um diese Annahme zu bestätigen, soll zunächst die internationale Marktsituation ab 1 9 3 3 betrachtet werden.

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

AUSWIRKUNGEN DER NS-KUNSTPOLITIK AUF DEN INTERNATIONALEN

MARKT

Für den Zeitraum von 1 9 3 3 bis 1 9 4 5 gilt für den internationalen Kunstmarkt die gleiche Beobachtung wie für die Jahre 192.5 bis 1 9 3 3 : Die Daten für die internationale Nachfrage betreffen nur einige wenige der betrachteten Künstler, so dass die allgemeine nationale und internationale Preisentwicklung nicht unmittelbar miteinander verglichen werden kann, sondern sich auf diese wenigen Künstler beschränken muss. Auch die Nachfragestruktur veränderte sich nicht wesentlich in Relation zum ersten Zeitabschnitt, wieder sind vorwiegend Liebermann sowie Klee, Beckmann und Kirchner im internationalen Datenmaterial erfasst. Hinzu kommen einige Angaben zu Corinth und M a r c . Eine Ausnahme innerhalb der Erhebung bildet das Jahr 1 9 3 9 : Durch die im Juni stattfindende Versteigerung beschlagnahmter GEMÄLDE

UND

PLASTIKEN

MODERNER

MEISTER

AUS

DEUTSCHEN

MUSEEN

in der Luzerner Galerie Fischer gelangten Werke von fast allen der betrachteten Künstler auf den internationalen M a r k t . 2 1 6 Danach bestanden jedoch weiterhin die gleichen Handelsstrukturen wie zuvor, einzig Feininger, der 1 9 3 7 nach N e w York emigrierte, ist in der Gruppe der international gehandelten Künstler zusätzlich greifbar. Die mangelnde Präsenz deutscher Künstler auf dem internationalen M a r k t überrascht angesichts der ab 1 9 3 9 beginnenden »Verwertung« der »entarteten« Kunst, da allgemein davon ausgegangen wird, die vom Propagandaministerium beauftragten Händler hätten die beschlagnahmten Werke größtenteils ins Ausland verkauft und dadurch die Angebotsstruktur beeinflusst, eventuell sogar die deutsche Moderne auf dem internationalen M a r k t eingeführt. So berichtete beispielsweise Godula Buchholz über die Tätigkeit ihres Vaters: »Er erkannte die Chance, aus der N o t eine Tugend zu machen und die deutschen Expressionisten im Ausland, bei den großen Museen der Schweiz und der Vereinigten Staaten anzubieten, um auf diese Weise der deutschen Kunst zu internationalem Ansehen zu verhelfen, wie es bis dahin nur den Franzosen mit ihrer modernen Kunst gelungen w a r . « 2 1 7 Das erhobene Datenmaterial bestätigt diese Version der Geschichte jedoch nicht. Vielmehr scheint es, als seien vorrangig beschlagnahmte Werke jener Künstler an ausländische Interessenten verkauft worden, für die bereits vor 1 9 3 9 eine internationale Nachfrage nachweisbar ist. 2 1 8 Ein nennenswertes Interesse an deutscher moderner Kunst kann in England anhand des Datenmaterials erneut nicht nachvollzogen werden. Dennoch fanden nach 1 9 3 3 zwei Begebenheiten statt, die für die Anerkennung der deutschen M o derne beim englischen Publikum von Bedeutung waren. Z u m einen hielt sich Alfred Flechtheim seit 1 9 3 4 in London auf und förderte dort die Bekanntheit einiger deutscher Künstler, zum anderen fand im Jahr 1 9 3 8 die EXHIBITION OF 2.0TH CENTURY GERMAN ART in den N e w Burlington Galleries statt, die als Antwort auf

A u s w i r k u n g e n d e r N S - K u n s t p o l i t i k auf d e n i n t e r n a t i o n a l e n M a r k t

die M ü n c h n e r Ausstellung ENTARTETE KUNST v o n 1 9 3 7 konzipiert w u r d e und eine W ü r d i g u n g der in D e u t s c h l a n d verfemten Künstler zum Z i e l hatte. 2 1 9 Flechtheim, der in D e u t s c h l a n d erheblichen D i f f a m i e r u n g e n ausgesetzt w a r und gleichzeitig aus finanziellen G r ü n d e n seine Galerien a u f g e b e n musste, plante den A u f b a u einer neuen E x i s t e n z im A u s l a n d und w a r seit A n f a n g 1 9 3 4 in A b sprache mit D a n i e l - H e n r y K a h n w e i l e r , seinem Pariser Geschäftspartner, in der L o n doner M a y o r G a l l e r y tätig. N o c h im gleichen J a h r organisierte er dort die ersten Einzelausstellungen v o n K l e e und G r o s z in E n g l a n d . 2 2 0 Die hohe R e s o n a n z der Klee-Schau schlug sich jedoch nicht in V e r k ä u f e n nieder. T r o t z d e m k a n n v o n einer beginnenden E i n f ü h r u n g Klees auf dem englischen M a r k t gesprochen w e r d e n , da die Ausstellung nicht ohne A u s w i r k u n g e n blieb: D e r ersten Einzelausstellung folgte 1 9 3 5 eine zweite, weitere schlössen sich v o n 1 9 3 9 bis 1 9 4 1 a n . 2 2 1 A u c h der ersten Schau mit Werken v o n G r o s z 1 9 3 4 folgte 1 9 3 6 eine weitere. D e r E r f o l g beider Präsentationen scheint dennoch nicht besonders groß gewesen zu sein. 2 2 2 D a n e b e n w u r d e , u n a b h ä n g i g v o n der A k t i v i t ä t Flechtheims, im J a h r 1 9 3 4 eine L i e b e r m a n n Ausstellung in den L o n d o n e r Leicester Galleries gezeigt, bei der die Täte G a l l e r y das letzte S E L B S T B I L D N I S DES KÜNSTLERS v o n 1 9 3 4 und damit gleichzeitig das bis dahin erste G e m ä l d e eines deutschen Künstlers f ü r ihre S a m m l u n g e r w a r b . 2 2 3 Insgesamt begegnete das eher konservative englische P u b l i k u m der deutschen M o d e r n e jedoch mit w e n i g Interesse oder gar Begeisterung. 2 2 4 Diese Einschätzung

teilte

Herbert R e a d im V o r w o r t der ersten englischen Publikation zur deutschen M o d e r n e mit d e m Titel M O D E R N

GERMAN

A R T , die 1 9 3 8 anlässlich der E X H I B I T I O N

OF

2.0TH CENTURY GERMAN ART 1 9 3 8 erschien: » M a n kann w a h r h e i t s g e m ä ß sagen, daß die moderne deutsche K u n s t in Großbritannien total unbekannt ist.« 2 2 5 Die EXHIBITION

OF

2.0TH

CENTURY

GERMAN ART fand von A n f a n g Juli

bis E n d e A u g u s t 1 9 3 8 in den N e w Burlington Galleries statt (Abb.

i y ) . Sie verfolgte

das Z i e l einen u m f a s s e n d e n U b e r b l i c k der deutschen K u n s t des 2.0. J a h r h u n d e r t s zu präsentieren. D a b e i w u r d e - w e n n auch sehr zurückhaltend - auf die M i s s b i l l i g u n g der ausgestellten K u n s t in D e u t s c h l a n d und auf die E m i g r a t i o n vieler Künstler hingewiesen. 2 2 6 F ü r die meisten der deutschen Künstler w a r die Ausstellung die erste M ö g l i c h k e i t ihre W e r k e in L o n d o n zu präsentieren. Folglich sah m a n sich in L o n don mit einer völlig neuartigen K u n s t k o n f r o n t i e r t : » D i e zurückhaltenden E n g l ä n d e r w a r e n v o n dem A n s t u r m dieser m a ß l o s e n , ihnen ganz neuen K u n s t in ihrem G l e i c h m u t gestört. D i e Besucherzahlen w a ren sehr h o c h , die Pressestimmen geteilt. D i e gute A b s i c h t w u r d e natürlich ane r k a n n t , aber die Pariser M a l e r e i hatte jahrzehntelang den G e s c h m a c k allzu ausschließlich beeinflusst, als daß die vielfältigen Absichten der deutschen Künstler sogleich hätten a u f g e n o m m e n w e r d e n k ö n n e n . « 2 2 7

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

PAUL R O B E S O N IN DER

»20TH

CENTURY GERMAN ART

EXHIBITION«

IN DEN NEW BURLINGTON GALLERIES, London, v August 1 9 ^ 8 , Fotografie, Hulton Archive, Getty Images (Foto: Hudson)

Während der Ausstellung konnten trotz der hohen Besucherzahlen nur einige wenige Werke verkauft werden, darunter Liebermanns BILDNIS PROF. EINSTEIN von 192.5 (London, The R o y a l Society) sowie einige Arbeiten von Klee. 2 2 8 Das aufflammende

Interesse an der deutschen Moderne schien jedoch mit Ende der Aus-

stellung umgehend zu erlöschen. Anlässlich der Versteigerung des beschlagnahmten deutschen Museumsguts in Luzern im folgenden Jahr veröffentlichte die englische Presse lediglich die Versteigerungsresultate der französischen Werke. Die noch 1 9 3 8 in London präsentierten deutschen Künstler wurden in der Aufzählung vollständig ignoriert. 229 Die Schweiz bot für eine Vielzahl deutscher Emigranten aufgrund ihrer geographischen Nähe und der geringen Sprachbarriere einen ersten Anlaufpunkt oder aber eine dauerhaft neue Heimat. Nach 1 9 3 3 hielten sich zahlreiche deutsche Künstler, Händler und Sammler in der Schweiz auf. Z u ihnen zählten unter anderem Paul Klee, der nach der »Machtergreifung« der Nationalsozialisten in seine Geburtsstadt Bern zurückkehrte, oder der Händler Walter Feilchenfeldt, der in

A u s w i r k u n g e n d e r N S - K u n s t p o l i t i k auf d e n i n t e r n a t i o n a l e n M a r k t

Zürich eine neue Existenz aufbaute. Der Z u w a c h s an deutschen Händlern auf dem Schweizer Kunstmarkt wurde von dem ansässigen Kunsthandel nicht durchgehend freundlich begrüßt, zumal nur wenige Emigranten vor 1 9 4 5 eine Arbeitsbewilligung erhielten und somit gezwungen waren, inoffizielle Geschäfte zu tätigen: 230 »Verbitterung herrscht im Schweizer Kunsthandel gegen diejenigen unter den deutschen Händlern, die beim Anbruch des Dritten Reiches über die Grenze gingen, unreelle und illegale Konkurrenz machen, nicht ihrem Verband angehören und, vielleicht der N o t gehorchend, ihre Stücke oft weit unter dem Weltmarktpreis verkaufen und dadurch den heimischen M a r k t schädigen.« 2 ' 1 Durch die Emigrationen gelangten zudem zahlreiche Privatsammlungen in die Schweiz. Teilweise konnten sie in den Depots der Schweizer Museen gelagert werden, die als Gegenleistung die Werke für Ausstellungszwecke nutzten. Dazu gehörten zum Beispiel die Sammlungen von Eva Cassirer oder Neil Waiden sowie der künstlerische Nachlass von Lovis Corinth. 2 3 2 Charlotte Berend-Corinth konnte auf ihrer Durchreise über die Schweiz in die USA den Nachlass ihres Mannes im Kunsthaus Zürich zwischen 1 9 3 3 bis 1 9 3 7 unterbringen. Dieser wurde beispielsweise im Jahr 1 9 3 6 für eine Gedächtnisausstellung Corinths verwendet. 2 3 3 Daneben gelangten viele deutsche Sammlungen nicht nur zur vorübergehenden Einlagerung, sondern zum Verkauf in die Schweiz. Die Erlöse waren oftmals für eine geplante Emigration unverzichtbar. Folglich bildete sich im Schweizer Handel eine neue Auktionsart, die sogenannte Emigrantenauktion. 2 3 4 Doch auch wenn in der Schweiz ab 1 9 3 3 , ausgelöst durch das nationalsozialistische Regime, vermehrt moderne Kunstwerke aufgenommen wurden und das Land daher gerne als »Plattform für die Avantgarde« bezeichnet wird, reflektiert diese Bezeichnung nur einen Ausschnitt der vorherrschenden Stimmung. 2 3 5 Die Moderne wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz mit revolutionären, umstürzlerischen und bolschewistischen Theorien in Verbindung gebracht, so dass ebenfalls öffentliche diffamierende Bemerkungen zu finden sind. Als Beispiele seien die Charakterisierung von Klees Kunst als »schizophren« oder die positive Beurteilung der nationalsozialistischen Kunstpolitik angesichts einer Ausstellung Beckmanns in der Schweizer Presse genannt. 2 3 6 Hinsichtlich der vermehrten Z u f u h r von Kunstwerken auf den Schweizer M a r k t stellt sich die Frage, ob durch das plötzlich hohe Angebot ein genereller Preisverfall für die deutsche Moderne stattgefunden haben könnte. 2 3 7 Um dies zu prüfen, müssen die Preise der Schweizer Nachfrage vor 1 9 3 3 mit denen nach 1 9 3 3 in Relation gesetzt werden. Hierfür ist vor allem ein Vergleich von Verkäufen von Klee, Kirchner, Liebermann und Corinth sinnvoll, da diese über den gesamten Zeitraum regelmäßig in der Schweiz nachgefragt wurden. Im Vergleich mit den Preisen der Jahre 192.5 bis 1 9 3 3 kann jedoch bei keinem der genannten Künstler ein Ein-

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

bruch der Preisentwicklung ab 1933 festgestellt werden, der womöglich auf ein Uberangebot an modernen Werken hinsichtlich von emigrierten Sammlungen oder der »Verwertung« in Deutschland beschlagnahmter Werke zurückzuführen wäre. Für Werke Liebermanns sinkt zwar sowohl national als auch international das Preisniveau leicht, doch hängt dies vermutlich vielmehr mit einer nachlassenden Rezeption zusammen als mit einem Werküberhang. Für Gemälde Corinths, Klees oder Kirchners ist kein Rückgang des Preisniveaus erkennbar. Lediglich die Preise, die direkt an das Propagandaministerium gezahlt wurden, sind extrem niedrig. 238 Als Beispiel für einen Direktverkauf »entarteter« Kunst in die Schweiz kann die Veräußerung eines Konvoluts von dreizehn Werken an das Kunstmuseum Basel betrachtet werden. Die Transaktion kam durch die Vermittlung der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt und Karl Buchholz zustande. Der damalige Basler Museumsdirektor Georg Schmidt reservierte nach einer Besichtigung der Berliner Depots am 2.8. und 2.9. Mai 1 9 3 9 einundzwanzig Werke zum möglichen Kauf. Um weitere Verhandlungen zu erleichtern und das Kaufinteresse zu unterstreichen, erwarb Schmidt vorerst Marcs Gemälde

TIERSCHICKSALE

von 1 9 1 3 (Abb. 18). Auf der

Luzerner Auktion vom Juni 1 9 3 9 - auf die nachfolgend näher eingegangen wird ersteigerte das Museum acht ehemalige deutsche Museumswerke. Am 14. Juli 1939 erfolgte dann der Beschluss, aus dem reservierten Vorrat weitere zwölf Objekte zu kaufen. Bezüglich der betrachteten Künstler handelte es sich, neben Marcs SCHICKSALEN,

TIER-

um fünf Gemälde, die das Basler Museum vom Propagandaminis-

terium erwarb. 239 Die Ankaufspreise lagen weit unter den normalen internationalen Marktpreisen der betroffenen Künstler, wie auch Schmidt bemerkte: »man hat mir preise gemacht, die zum teil geradezu lächerlich sind. [...] es kommt mir wie ein märchen vor - wenn die umstände, die dazu geführt haben, nicht so grauenhaft real und brutal wären.« 240 Zudem waren die Handelspreise, die zwischen Basel und dem Propagandaministerium zustande kamen, deutlich niedriger als die auf der Luzerner Auktion erzielten Resultate der gleichen Künstler. Gemälde von Beckmann, Corinth, Marc und Nolde wurden für einen Preisbereich von 1 1 0 bis 2.60 US-Dollar an Basel abgegeben, während sie bei der Auktion Fischer bereinigte Werte von 2.00 bis 2.500 USDollar erreichten. 241 Die Auktion SCHEN

MUSEEN

GEMÄLDE UND PLASTIKEN

MODERNER

der Luzerner Galerie Fischer im Juni

MEISTER AUS

1939

DEUT-

stellte einen Höhe-

punkt innerhalb der »Verwertung« der »entarteten« Kunst durch das Propagandaministerium sowie eine Attraktion für den internationalen Kunstmarkt dar (Abb. ig). Ihre moralische wie auch materielle Dimension wird seit 1 9 3 9 kontrovers diskutiert. Es bleibt zu klären, ob die von Theodor Fischer in Zusammenarbeit mit dem Propagandaministerium angebotenen 1 2 5 Gemälde und Plastiken aus dem

A u s w i r k u n g e n der N S - K u n s t p o l i t i k auf d e n i n t e r n a t i o n a l e n M a r k t

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F r a n z M a r c . TIERSCHICKSALE, 191^;, Öl auf Leinwand, 1 9 6 X 2.66 cm, Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kunstmuseum

beschlagnahmten Bestand »entarteter« Kunst verbilligt abgegeben wurden, wie häufig vermutet wird. 2 4 2 Vergleicht man die Auktionsergebnisse mit nationalen Handelspreisen der betrachteten Künstler entsteht dieser Eindruck. Doch lässt sich durch diese Beobachtung noch keine abschließende Beurteilung treffen, da die internationalen Auktionspreise nicht ohne weiteres mit den nationalen Handelspreisen verglichen werden können. Die Position der meisten Künstler ist sowohl marktspezifisch als auch marktsegmentspezifisch nicht als gleichwertig anzusehen. Dies bedeutet, dass die internationale Marktposition nicht mit der nationalen und vor allem aber die regulären Handelspreise nicht mit den Auktionspreisen verglichen werden können. Bei den meisten der hier betrachteten Künstler lagen die nationalen Preisbereiche selbst während des »Dritten Reichs« höher als die internationalen. Ebenso waren die Auktionspreise weniger gefestigt als die Handelspreise und somit selbst auf dem nationalen Markt meist niedriger als der übliche Preisbereich. Bei einem eingeschränkten Vergleich, der nur die Künstler berücksichtigt, die über eine Schweizer Nachfrage verfügten, sind die Ergebnisse der

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Unbekannter

Fotograf. VERSTEIGERUNG

AUF DER AUKTION DER

VON KARL H O F E R S

»TRUNKENE«

GALERIE F I S C H E R , 1 9 ^ 9 , aus: M Ü N C H N E R

ILLUSTRIERTE

PRESSE,

Nr. ^o, 2.7. Juli 1 9 ^ 9 , Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

Fischer-Auktion nicht als niedrig anzusehen. 243 Daher kann - gerade im Hinblick auf die generell seltene Versteigerung moderner Gemälde - davon ausgegangen werden, dass die Versteigerungspreise von 1 9 3 9 und ihre Nach verkaufe durch Fischer zumindest für die betrachteten deutschen Künstler den gängigen internationalen Marktpreisen entsprachen. 244 Fischer arbeitete nach der Auktion von 1 9 3 9 weiterhin sowohl mit dem Propagandaministerium als auch mit verschiedenen deutschen Kunsthändlern zusammen, so dass mehrere beschlagnahmte Werke über seine Galerie verkauft wurden. Es handelte sich nicht nur um ehemalige Museumswerke, sondern auch aus jüdischem und nicht-jüdischem Privatbesitz entzogene Kunstgegenstände, auf die in diesem Rahmen jedoch nicht näher eingegangen wird. 2 4 5 Ein Beispiel für die Übernahme von beschlagnahmten Museumswerken vom Propagandaministerium unabhängig von der Auktion, ist der Ankauf Fischers von drei Gemälden Lyonel Feiningers für je unter fünf US-Dollar im Jahr 1 9 4 1 . 2 4 6 Darüber hinaus scheint Böhmer einen Teil der von ihm vom Propagandaministerium erworbenen beschlagnahmten Werke über Fischer auf dem Schweizer M a r k t verkauft zu haben, wie die unten aufgeführten Transaktionen vermuten lassen. Für die nachvollziehbaren Besitzüber-

A u s w i r k u n g e n der N S - K u n s t p o l i t i k auf den i n t e r n a t i o n a l e n M a r k t

gange ist deutlich, dass - wie schon für den nationalen M a r k t gezeigt - die R m V P Preise von den eigentlichen Verkaufspreisen abwichen, die Händler dem Propagandaministerium also wesentlich geringere Preise zahlten, als der Verkauf auf dem freien M a r k t letztlich einbrachte: 247 »Verwertetes« Gemälde

Franz M a r c : BLAUES PFERD II,

1911,

1 1 3 x 86 cm, Kunstmuseum Bern

RmVP-Preis in US-Dollar,

Nationaler VK-Preis in

unbereinigt

US-Dollar, unbereinigt

1940: RmVP an Böhmer

1940: Fischer an Privat

für 600,00 US-Dollar

für 1 . 5 8 6 , 7 6 US-Dollar

(ehemals Köln, Wallraf-Richartz-Museum) Franz Marc: WALDINNERES

MIT VOGEL,

1912,

1 0 1 x 90,5 cm, Kunstmuseum Bern (ehemals

1940: RmVP an Böhmer

1944: Fischer an Privat

für 425,00 US-Dollar

für 1 . 0 4 3 , 1 0 US-Dollar

Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut)

Verkaufsbeispiele »verwerteter« Gemälde, Schweizer Kunstmarkt 1 9 4 0 - 1 9 4 4

Eine amerikanische Nachfrage belegt das Datenmaterial für den Zeitraum 192.5 bis 1 9 3 3 hauptsächlich für Gemälde von Klee und Beckmann. Daneben waren vor allem M a r c , Feininger und Grosz auf dem amerikanischen M a r k t bekannt, sowie D i x , dessen BILDNIS DES DR. MAYER-HERMANN von 192.6 als erstes deutsches Gemälde ins N e w Yorker Museum of Modern Art Einzug hielt. 248 Nach 1 9 3 3 änderte sich an diesen Verhältnissen vorerst wenig. Grosz, der Ende 1 9 3 2 in die USA auswanderte, bemerkte 1 9 3 3

zum Ansehen der deutschen Moderne in

Amerika: »Die deutsche Kunst ist, so sagte mir neulich ein bedeutender Sammler, zwar >riesig< interessant, aber im allgemeinen zu >traurig< stimmend. Picasso ist hier der höchstbezahlte Meister von den Modernen, dann kommt gleich Matisse, dann Derain und die Surrealisten usw., dann kommt 'ne ganze Weile gar nichts, dann ein langer Bretterzaun, und schließlich kommt gelegentlich auch mal ein deutscher Meister.« 249 In das Museum of Modern Art, welches auf die Akzeptanz moderner Kunst in Amerika einen ähnlich hohen Einfluss hatte wie ehemals das Berliner KronprinzenPalais in Deutschland, gelangten deutsche Gemälde bis 1 9 3 9 ausschließlich als Schenkungen. Dazu zählten neben dem Gemälde von D i x zwei weitere Werke, die 1 9 3 5 dem Museum zugeeignet wurden: KIND MIT PUPPE aus dem Jahr 1 9 2 8 ebenfalls von D i x und Beckmanns FAMILIENBILD von 1 9 2 0 . 2 5 0 Z w a r drängten seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten vermehrt deutsche Sammlungen und Künstler auf den amerikanischen M a r k t , doch eine merkliche Veränderung der

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Unbekannter

Fotograf, KARL NIERENDORF UND SEINE MITARBEITERIN ISABEL

RÖMER

VOR DER NIERENDORF GALLERY, N e w York 19 ]7, Cambridge / Boston, Archive Theodore L u x Feininger

Marktstrukturen kann erst ab 1 9 3 7 beobachtet werden. In den vorhergehenden Jahren waren - wie schon zehn Jahre zuvor - vorrangig I.B. Neumann und Galka Emmy Scheyer sowie W. R. Valentiner und Alfred H. Barr Jr. die Hauptvermittler moderner deutscher Kunst. Ab 1 9 3 7 erweiterte sich ihr Kreis um die Kunsthändler Karl Nierendorf und Curt Valentin. Nierendorf reiste 1 9 3 6 mit 42. Gemälden aus seinem Galeriebestand in die USA; die Berliner Galerie wurde von seinem Bruder Josef Nierendorf weitergeleitet. 251 Bei seiner Ankunft stellte er ebenfalls ein mangelndes Interesse an deutscher Kunst fest, obwohl er in Hollywood Bilder unter anderem von Nolde, Marc, Klee und Feininger sowie von Dix und Corinth entdeckte. 2 ' 2 Im Januar 1 9 3 7 eröffnete Nierendorf in New York die Nierendorf Gallery (Abb. 2o). Als seinen Hauptkünstler wählte er Klee, mit dem er Anfang 1938 eine Alleinvertretung seines Werkes für den amerikanischen Markt vereinbarte. Anschließend erwarb er 1 9 3 7 und 1938 von Daniel-Henry Kahnweiler, der nach Flechtheims Galerieaufgabe 1 9 3 4 Klees Werke in Kommission nahm, einen großen Teil von Gemälden des Künstlers, die er fortan zum Verkauf anbot. 253 Die Werke Klees begründeten das Konkurrenzverhältnis zwischen Nierendorf und Valentin, dem ehemaligen Mitarbeiter von Karl Buchholz, der ebenfalls 1 9 3 7 in New York eintraf. Schon im März 1 9 3 7 eröffnete er die von ihm geführte Buchholz Gallery ausgerechnet mit einer Einzelausstellung Klees. Fortan sprach Nierendorf Valentin das Recht ab, Ausstellungen mit Werken von Paul Klee zu bestücken. 254 Die Konkurrenz zwischen den Händlern nahm mit

A u s w i r k u n g e n der N S - K u n s t p o l i t i k auf den i n t e r n a t i o n a l e n M a r k t

dem Beginn der »Verwertung« »entarteter« Kunst ab 1 9 3 9 zu. Über seinen Berliner Partner erhielt Valentin günstig Werke aus ehemaligem deutschen Museumsbesitz, die er anscheinend auch günstig anbot. »Wieder bin ich schwer beeinträchtigt durch Valentin,« berichtete wenig erfreut Nierendorf an Klees Ehefrau Lily, »der ohne Vertrag und Investierung eine ganze Anzahl guter Werke von Klee aus Deutschland, von Museen und Privaten sich so günstig beschafft hat, dass es schwer ist, mit seinen Preisen zu konkurrieren.« 2 5 5 Der zeitweise geäußerten Annahme, mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1 9 3 9 sei der Handel zwischen deutschen und amerikanischen Händlern unterbrochen worden, muss gerade im Hinblick auf die Verbindung zwischen Buchholz und Valentin in Frage gestellt werden. 2 5 6 Buchholz w a r es offenbar bis 1942. möglich, Werke an seinen Geschäftspartner nach N e w York zu senden. So fanden also, selbst nachdem die U S A ab 1 9 4 1 in den Krieg eintrat, Kunstwerke aus Deutschland den Weg auf den amerikanischen Markt. Ein Beispiel hierfür ist Beckmanns Triptychon ABFAHRT (DEPARTURE) von 1 9 3 2 . - 1 9 3 5 . Dieses Werk gelangte 1942. von Buchholz aus Berlin über Valentin nach N e w York in das Museum of Modern Art. 2 5 7 Aus den zusammengetragenen Informationen wird deutlich, dass Buchholz aus dem beschlagnahmten Bestand vor allem Gemälde von Beckmann, Klee und Kirchner, aber auch von Feininger, Corinth und Nolde an die Buchholz Gallery schickte. Generell ist zu vermuten, dass 85 Prozent der von Buchholz übernommenen Werke aus dem Beschlagnahmegut zu Valentin nach N e w York gelangten. 258 Die von ihm bezahlten RmVP-Preise wichen dabei - wie bereits für den nationalen und Schweizer M a r k t festgestellt - von den anschließenden Verkaufspreisen ab: »Verwertetes« Gemälde

RmVP-Preis in US-Dollar,

Internationaler Verkaufs-

unbereinigt

preis in US-Dollar, unbereinigt

Paul Klee: JUNGER

GARTEN

(RHYTHMEN),

1 9 2 7 , 64,4 x 50,1 cm, Rhode Island, Museum

1 9 3 9 : R m V P an Buch-

of Art (ehemals Dresden, Gemäldegalerie) M a x Beckmann: SELBSTBILDNIS SMOKING,

1927,

140 x 95

IM

cm,

1940: Buchholz Gallery

holz für 240,00 US-Dollar (Valentin) und Scheyer an Privat für 650,00 US-Dollar 1 9 4 1 : R m V P an Buch-

1 9 4 1 : Buchholz Gallery

holz für 80,00 US-Dollar

(Valentin) an Busch-Reisin-

Cambridge, Busch-Reisinger-Museum,

ger-Museum, Cambridge

(ehemals Berlin, Nationalgalerie)

für 400,00 US-Dollar

Verkaufsbeispiele »verwerteter« Gemälde, amerikanischer Kunstmarkt 1 9 3 9 - 1 9 4 1

O b jedoch Valentins Verkaufspreise generell günstiger waren als die gängigen amerikanischen Marktwerte, wie Nierendorf klagte, kann aus dem erhobenen Datenmaterial zumindest für Gemälde von Beckmann nicht nachvollzogen werden.

85

86

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Angesichts der amerikanischen Preise für Arbeiten von Klee zwischen 1939 und 1943 kann der genannte Verkauf Valentins nicht als niedrig bezeichnet werden. Zudem ist trotz der Zunahme an Werken Paul Klees auf dem amerikanischen Markt kein Preisverfall gegenüber den Jahren vor 1 9 3 3 erkennbar. 259 Ein weiteres besonderes Ärgernis für Nierendorf war, dass das Museum of Modern Art seine ersten Ankäufe deutscher Gemälde aus dem Bestand der beschlagnahmten Werke bei Valentin tätigte: »Man sollte diese Verkäufe boykottieren, statt sie zu fördern und Dollars nach Nazi-Land zu senden. Wenn Privatsammler auf dem Standpunkt stehen, dass sie dort kaufen, wo es am billigsten ist, so mögen sie das mit sich abmachen. Aber das Museum of Modern Art hat im grossem Stil Ankäufe getätigt, die von Sammlern als >Stolen Values< abgelehnt wurden.« 260 Die ersten Gemäldeankäufe deutscher Künstler betrafen unter anderem Kirchners

FRIEDRICHSTRASSE

von 1 9 1 3 und Klees

UM DEN FISCH

von 192.6, die ehe-

mals in der Berliner Nationalgalerie und der Dresdner Gemäldegalerie ihren Platz hatten und im Zuge der Aktion »Entartete Kunst« beschlagnahmt wurden (Abb. 21). Bis zum Jahr 1945 folgen weitere Gemäldeankäufe von Beckmann, Feininger und Klee. 261 Obwohl der Vorwurf laut wurde, die Werke seien unrechtmäßig aus öffentlichen deutschen Sammlungen entfernt worden, betrachtete das Museum selbst die Ankäufe von in Deutschland beschlagnahmten und verfemten Werken als programmatische Missbilligung der nationalsozialistischen Kunstpolitik und damit als politischen Akt. 262 Diese Einstellung stand im unmittelbaren Zusammenhang mit dem generellen Anstieg der Aufmerksamkeit für die deutsche Moderne in den USA, die mit dem Beginn der Aktion »Entartete Kunst« einsetzte. Sie war eng verbunden mit der amerikanischen Haltung gegenüber dem »Dritten Reich«. Die verfemte Kunst wurde als Kunst der Demokratie und des Widerstandes gegenüber der herrschenden Diktatur angesehen und entsprach so dem amerikanischen Freiheitsbegriff. Die Verbannung eines Künstlers und seines Werkes war geradezu Voraussetzung seiner Anerkennung in den USA. Ausstellungen wie

CONTEMPORARY

GERMAN ART

des

Institute of Modern Art in Boston Ende 1 9 3 9 , die hauptsächlich in Deutschland beschlagnahmte Bilder zeigte, erhielten ein großes Medienecho. 263 Immer mehr amerikanische Museen und Privatsammler begannen sich für die deutsche verfemte Kunst zu interessieren; zu ihnen gehörte auch das am i . J u n i 1 9 3 9 von Salomon R. Guggenheim und Hilla von Rebay neu eröffnete Museum of Non-Objective Painting in New York. 264 Über diese Entwicklung hieß es in einem Artikel in der NEW

YORK

TIMES

1940: »Langsam aber sicher scheint die moderne >entartete
Entartete KunstEntarteten< weiter. Und in dem gleichen Maße, da die Nazis die moderne Kunst aus den deutschen Museen verbannten, nahm er sich ihrer an: Fünfundvierzig Nummern hat er zwischen 1 9 3 3 und 1 9 4 5 erstanden - fünfundvierzig rettende Taten an der deutschen Kunst!« 2 9 3 Justi verlangte die in der Sammlung Haubrich enthaltenen ehemaligen Berliner Museumswerke für die Nationalgalerie zurück und argumentierte folgendermaßen: »Mündlich hat Prof. R a v e angeführt, daß für die Belassung der durch Erwerb der Sammlung Haubrich in das Kölner Museum gelangten Kunstwerke das Verdienst des Sammlers spreche, welcher diese Werke während der Nazi-Zeit gekauft habe. Mir scheint das Verdienst der Museumsdirektoren beachtlicher, welche dieselben Werke nicht heimlich, sondern öffentlich unter erheblichen

94

Die P r e i s e n t w i c k l u n g d e r d e u t s c h e n M o d e r n e

Schwierigkeiten für Museen kauften, deshalb von Spießern angegriffen und von Erzspießern, den Nazis, abgesetzt wurden. Das angeführte >Gesetz< [Einziehungsgesetz] widerspricht dem Recht, welches bis auf Hitler gegolten hat, seit es Eigentum gab, also spätestens seit der jüngeren Steinzeit. Es scheint mir geboten, bei der Kontrollkommission dringend zu beantragen, daß dies rechtswidrige Gesetz alsbald mit rückwirkender Kraft aufgehoben und die von den Nazis den deutschen Museen gestohlenen Werke ihnen zurückgegeben werden.« 2 9 4 Entgegen dem Beschluss in der sowjetischen Besatzungszone, der eine Unrechtmäßigkeit anerkannte, wurde das Einziehungsgesetz von 1 9 3 8 in den Westzonen nicht außer Kraft gesetzt. Der Gesetzgeber folgte dabei dem »Beschluß des Denkmal- und Museumsrates Nordwestdeutschland vom September 1 9 4 8 « . Dieses Gremium vertrat die Meinung, dass der beschlagnahmte Museumsbesitz sinnvoll zu ergänzen sei, anstatt gesetzliche Zwangsmaßnahmen zur Rückführung zu verordnen. M a n befürchtete, dass deutsche Sammler durch verordnete Restitutionen gegenüber ausländischen Käufern benachteiligt würden, da eine Rückgabeforderung ihrer Erwerbungen leichter zu erzwingen wäre. Z u m einen stehe aber diese Benachteiligung in keinem Verhältnis zu ihrem Verdienst an der Kunst, schließlich hätten die deutschen Sammler durch ihre Erwerbungen eine Abwanderung der Werke verhindert. Z u m anderen dürften die Sammler nicht verärgert werden, da die deutschen Museen auf eine Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen seien. Z u dem wurde befürchtet, dass die beschlagnahmten Werke vermutlich aus der Öffentlichkeit verschwinden würden und der Kunstmarkt an sich einer hohen Unsicherheit hinsichtlich künftiger Verkäufe ausgesetzt wäre. 2 9 5 Die Regelung betraf jedoch ausschließlich das beschlagnahmte Museumsgut, der Erwerb der im Z u g e der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen entzogenen Kunstwerke aus Privateigentum w a r zu keiner Zeit rechtens. 296 Schon allein die unterschiedliche Handhabung in den Besatzungszonen in dieser Frage macht die Spannungen zwischen den westlichen Siegermächten und der UdSSR deutlich. Mit dem Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone zu einer Bizone im Januar 1 9 4 7 verhärtete sich der Konfrontationskurs, der in der Deutschen Teilung und im Kalten Krieg zwischen der USA und der UdSSR gipfelte. Aufgrund von Uneinigkeiten wurde auch für die drei Westzonen eine separate Währungsreform Ende Juni 1 9 4 8 durchgeführt, der die sowjetische Z o n e nur wenige Tage später mit einer eigenen Währungsreform folgte. 2 9 7 M i t dem Zeitpunkt der R e f o r m ist auch wieder eine Auswertung des Datenmaterials sinnvoll. Von M a i 1 9 4 5 bis Juni 1 9 4 8 existierte für die alte Reichsmark kein einheitlicher Wechselkurs, so dass die erzielten Preise kaum in US-Dollar umgerechnet

Ein S y m b o l für F r e i h e i t und D e m o k r a t i e

werden können und damit auch nicht mit den übrigen Werten vergleichbar sind.298 Zudem schien die Reichsmark auch national für eine Preisbildung kaum verwendbar zu sein. So schrieb beispielsweise Ferdinand Möller an den Hamburger Sammler Edgar Horstmann: »Diese Unsicherheit einer Preisbildung macht es schwer, Ihnen Angebote zu machen. Ich würde mich unter Umständen gerne von dem einen oder anderen Stück aus meiner Privatsammlung trennen, aber wie sollte man das bewerkstelligen ohne Finanzreform und auch dann wird es noch schwierig sein.« 2 " Das ab 1948 nach den Kriegswirren wieder nutzbare Datenmaterial für den nationalen Kunstmarkt berücksichtigt ausschließlich Verkäufe innerhalb der Westzonen, da ein Vergleich zwischen den Westzonen - der späteren Bundesrepublik Deutschland - und der sowjetischen Besatzungszone - der späteren Deutschen Demokratischen Republik - aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen kaum möglich ist. Statt einer sozialen Marktwirtschaft bildete sich in der Deutschen Demokratischen Republik eine Planwirtschaft, so dass die Preise staatlich festgelegt wurden und somit mit den sonstigen Erhebungen nicht verglichen werden können. 300 Zusätzlich vollzog die Deutsche Demokratische Republik mit dem anbrechenden Kalten Krieg eine klare Abgrenzung zur Kulturpolitik der Bundesrepublik: Es wurde ein Kampf gegen das »Eindringen der Kulturbarbarei des amerikanischen Imperialismus« ausgerufen und die Kunst des Sozialistischen Realismus als Staatskunst verordnet, so dass kaum mehr Ausstellungen der betrachteten Künstler stattfanden. 301 Nachdem die Westmächte ihre Berliner Besatzungssektoren in die Währungsreform mit einbezogen anstatt sie in dem Währungsgebiet der Deutschen Mark (Ost) zu belassen, sperrten die UdSSR alle Zufahrtswege nach West-Berlin und stellten Warenlieferungen aus der sowjetischen Besatzungszone ein. Die Berlin-Blokkade wurde bis zum 1 5 . M a i 1949 aufrechterhalten. Ab 2.0.März 1949 war die Deutsche Mark (West) in West-Berlin schließlich alleiniges Zahlungsmittel und somit an die übrige Wirtschaft der Westzonen angeschlossen. Zum gleichen Zeitpunkt manifestierte sich die vollzogene wirtschaftliche deutsche Teilung auch politisch in der Gründung zweier deutscher Staaten, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. 302 Aufgrund der inzwischen ungünstigen Lage verlor Berlin nach 1945 seine führende Stellung im Kunsthandel, die es sich in den zwanziger Jahren aufgebaut hatte. Anstatt eines Kunsthandelszentrums - vergleichbar mit Paris, New York oder London - bildeten sich in der Bundesrepublik viele einzelne regionale Zentren. Einige seit den zwanziger Jahren bestehende Kunsthandlungen nahmen ihre Tätigkeiten wieder auf. So eröffnete beispielsweise Franke 1946 seine Galerieräume in der Villa Stuck in München mit einer Ausstellung M a x Beckmanns, und Möller gründete in Köln im Jahr 1 9 5 1 eine neue Galerie (Abb. 25,).303 Auch die Galerie Nierendorf in Berlin wurde 1 9 5 5 von Florian Karsch

_95

9 6 ^ Die Preisentwicklung der deutschen Moderne

55 Sonnenblumen, F. 1930. Priv. Bes. 56 DER WELS, P. 1930. Priv. Bes. 57 • Sommertag (Liebespaar), F. ig30. Priv. Bes. 58 Sonnenaufgang, F. 192g.'Priv. Bes. 59 Liegende Frau, F. 1929. Priv. Bes. 60 Schwarze Lilien, F. 1928. Priv. Bes. 61 Zigeunerin, F. 1928. Priv. Bes. 62 Scheveningenfünf Uhrfrüh, F. 1928.Priv. Bes. 63 Stilleben mit Pfeife und Muschel, F. 1928. Priv. Bes. 64 Der Traum, F. 1927. Priv. Bes° 65 Großes Fischstilleben, F. 1927. Priv. Bes. 66 Duchessa di Malvedi, F. 1926 67 Quappi in Blau, F. 1926. Priv. Bes. 68 Stilleben mit Holzscheiten, F. 1926. Priv. Bes. 69 Stilleben mit Zigarrenkiste, F. 1926. Priv. Bes. 70 Kleine Marine, F. 1925. Priv. Bes. 71 Pierrette und Clown, F. 1925. Priv. Bes. 72 Neapel, Vesuv, F. 1924. Priv. Bes. 73 Am Lido, F. 1924. Priv. Bes. 74 Schlafende, F. 1924. Priv. Bes. 75 Stilleben mit Negerplastik, F. 1924. Priv. Bes. 76 Bildnis Minna Tube, F. 1924. Priv. Bes. 77 TRAPEZ, F. 1923. Priv. Bez. 78 Tanzbar Baden-Baden, F. 1923. Priv. Bes. 79 FASTNACHT, F. 1920. Priv. Bes. 80 DIE NACHT, F. Aug. K)i8\März 1919. Priv. Bes. 81 Selbstbildnis mit rotem Shatol, F. 1917. Priv. Bes. PASTELLE 82 83 84 83 86 87

25

UND

ZEICHNUNGEN

GRAPHIK 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 log HO in 112 113

FALTBLATT

ZUR

GÜNTHER FRANKE MÜNCHEN

MAX BECKMANN

Erster Teil der Ausstellung vom 21. Juni bis 20. Juli.

AUSSTELLUNG

JUNI/AUGUST

tylfi

Zweiter Teil vom 22. Juli bis 21. August 1946.

.

Eiskunstläufer 11928. Priv. Bes. Badende, Scheveningen 1928 Junge Männer am Meer 1928. Priv. Bes. Ruderer 1928. Priv. Bes. Ital. Zeitungsmädchen 1928. Priv.Bes. Rimini 1927. Priv. Bes.

FRANKE, München

Schlafende, Rad. 1929 Nach dem Bade, Rad. 1924 Der Morgen, Rad. 1923 Friedel (Frauenkopf), Holzschn. 1923 Vor dem Spiegel, Rad. 1923 Siesta, Rad. 1923 Prof. Swarzenski, Rad. 1923 Kasbek, Rad. 1923 Der Traum, Rad. 1923 Der Vorhang hebt sich, Rad. 1923 . Dame mit Knabe, Rad. 1923 Vor dem Maskenball, Rad. 1923 Große Brücke, Rad. 1922 Fastnackt, Rad. 1922 Knaben am Fenster, Rad. 1922 Strand, Rad. 1922 Komponist Frederik Delius, Litkogr. 1922 Selbstbildnis mit steifem Hut, Rad. 1921 Dostojewski I, Rad. 1921 Der Neger, Rad. 1921 Mann mit Ballonmütze, Rad. igig Kreuzabnahme, Rad. 1918 Battenbergs, Rad. 1916 Selbstporträt mit Griffel, Rad. 1916 Weinende Frau, Rad. 1914 Bildnis Mink, Lithogr. u. 1911

Geöffnet Dienstag bis Samstag von 9-12 und 14-18 Uhr Telefon 42085

AUSSERE

F. Druckmuin KG., Monchcn

»MAX

BECKMANN«

1946, Berlin, Staatliche M u s e e n

IM

GRAPHISCHEN

Preußischer Kulturbesitz,

PRINZREGENTENSTR. 4 STUCK-VILLA

KABINETT

GÜNTHER

Zentralarchiv

wiedereröffnet und existiert bis heute.3"4 Daneben gab es zahlreiche neue moderne Galerien, die sowohl mit zeitgenössischer Kunst als auch mit Klassischer Moderne handelten. Demnach etablierte sich der deutsche moderne Kunsthandel nach Beendigung des Krieges verhältnismäßig rasch wieder und gerade der im »NaziReich« verbotenen Kunst wurde ein lebhafter Markt mit einer »opferbereiten Käuferschicht« nachgesagt. 3 " 5 Anhand der Datenauswertung ist ersichtlich, dass sich die mittleren Preise für die deutsche Moderne zwischen 1948 und 1955 in einem Bereich von 470 bis 1.010 US-Dollar (etwa 1.974 bis

Deutsche Mark) bewegten und somit etwa in dem

bisherigen Bereich von 400 bis 1.000 US-Dollar liegen - ausgenommen die Jahre 1938-1939, in denen eine abweichende Preissteigerung stattfand (s. S. 97). Zwischen 1948 und 1950 ist ein Abstieg der Preiskurve zu verzeichnen, ab 1950 steigt sie kontinuierlich an und erreicht 1951 einen zwischenzeitlichen Höhepunkt, der 1954 überholt wird. Damit verläuft die Preiskurve kongruent zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft: Nach der Währungsreform kam es zu einer unerwünschten Preissteigerung, die auf einen aufgestauten Nachholbedarf bei knappem Angebot zurückzuführen ist. So ist der hohe mittlere Wert der Gemäldeverkäufe 1948 von 920 US-Dollar (etwa 3.063 Deutsche Mark) durch die generell

Ein S y m b o l für Freiheit u n d D e m o k r a t i e

Allgemeine Preisentwicklung, nationaler K u n s t m a r k t 1 9 4 8 - 1 9 5 5

hohen Preise in diesem Jahr erklärbar. Z u r besseren Vorstellung der Wertbeimessung sei angemerkt, dass ein VW-Wagen ebenfalls 1 9 4 8 etwa 1.592. US-Dollar (5.300 Deutsche Mark) kostete. Generell waren die Preise in allen Lebensbereichen zwischen 1 9 4 8 bis 1952. starken Schwankungen unterworfen. Im Jahr 1 9 5 3 konnte das reale Nettosozialprodukt je Einwohner von 1 9 3 8 erstmals wieder erreicht und übertroffen werden. Der Wiederaufbau ging ab diesem Zeitpunkt in ein anhaltendes wirtschaftliches Wachstum über, das allgemein mit dem Begriff »Wirtschaftswunder« umschrieben wird und nahezu fünfundzwanzig Jahre ohne nennenswerte Stagnationen oder Schrumpfungen anhielt. 3 " 6 Folglich steigt auch die Preiskurve für den nationalen Kunstmarkt ab 1952. an. Einen besonderen Einfluss auf die Etablierung der deutschen Moderne im Auktionsmarkt hat die Gründung des Stuttgarter Kunstkabinetts durch R o m a n Norbert Ketterer 1 9 4 6 . Dieser veranstaltete ab 1 9 4 7 regelmäßig Versteigerungen moderner Kunst, hauptsächlich expressionistischer Werke. Hatten seit den zwanziger Jahren ausschließlich die deutschen Impressionisten einen Auktionsmarkt für Gemälde, wurden nun bei den Auktionen des Stuttgarter Kunstkabinetts erstmals die anderen künstlerischen Positionen der ehemals verfemten Moderne regelmäßig und in einem größeren Umfang versteigert. Dabei lagen die Auktionspreise größtenteils unter den Handelspreisen. A b den Jahren 1 9 5 4 und 1 9 5 5 traten vermehrt internationale Interessenten auf dem deutschen Kunstmarkt auf, die augenscheinlich die Auktionspreise in die Höhe trieben. 3 " 7 Ob aus dieser Beobachtung gefolgert werden kann, dass die nationalen Auktionspreise hinter den internationalen Preisen zurückstanden, ist Teil der Untersuchung des folgenden Abschnitts. Sicher ist vorerst jedoch, dass sich der deutsche Kunsthandel zu Beginn der fünfziger Jahre über

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98

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

die hohe Abwanderung der Kunstwerke ins Ausland beklagte. Demnach habe Deutschland seit 1 9 4 5 kaum Objekte importieren können, sondern nur in großem Umfang exportiert. Schuld sei eine Zahlungsmittelsperre, die eine Einfuhr von Kunstwerken unmöglich mache. 3 " 8 Im Laufe der fünfziger Jahre wurde die Einfuhr von Kunstwerken jedoch probeweise liberalisiert, so dass dem deutschen Kunsthandel die Anbindung an den internationalen Handel gelang. 3 " 9 Der Nachkriegserfolg der deutschen Moderne ist neben dem allgemeinen Wirtschaftsaufschwung auf eine hohe kulturpolitische Dimension zurückzuführen. Die moralische Rehabilitierung der im Nationalsozialismus von Diffamierungen betroffenen Künstler w a r oberstes kulturpolitisches Gebot der Bundesrepublik. Die ehemals verfemte Kunst wurde - wie schon in den USA seit dem Ende der dreißiger Jahre - als Abgrenzung zum Nationalsozialismus gesehen und sollte mit dem neuen liberalen, demokratischen Staat in Verbindung gebracht werden. Sie galt als unbelastet und wurde als individueller Widerstand gegen die politische Vereinnahmung gefeiert. 3 1 0 Walter Grasskamp beschreibt diesen Zustand mit folgenden Worten: »Was zuvor als Akte der Willkür und des Realitätsverlustes an den Pranger der Ausstellung >Entartete Kunst< gestellt worden war, konnte nunmehr den demokratischen Grundwerten als ihr edelstes Signal dienen. Das Demokratische in der modernen Kunst wurde essentiell darin gesehen, daß sie Individualismus, subjektive Freiheit, souveränen Handlungsspielraum und unzensierte Deutungsvielfalt verkörperte.« 3 1 1 Der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme sieht in dem ehemaligen Stigma der »Entartung« sogar ein Muss für einen künstlerischen Neustart nach 1 9 4 5 . 3 1 2 Tatsächlich scheint die Verfolgung durch die nationalsozialistische Kunstpolitik ein Auswahlkriterium für die Ausstellungseignung der modernen Künstler gewesen zu sein. 3 1 3 Um seine Kunsthandlung weiter betreiben zu können, benötigte beispielsweise Günter Franke die Genehmigung der amerikanischen Militärbehörde und musste offiziell bestätigen, dass die von ihm vertretenen Künstler Opfer der nationalsozialistischen Kunstpolitik gewesen waren. In einem Schreiben garantierte der Kunsthändler daher die politische Eignung der von ihm vertretenen Künstler und teilte sie in die Kategorien »banned« (verbannt), »prohibited« (verboten) und »immigrated« (emigriert) ein sowie in Gruppen, die aus Ausstellungen ausgeschlossen waren, beziehungsweise noch unbekannte Künstler, die sich entgegen der nationalsozialistischen propagierten Kunst entwickelt hätten. 3 1 4 Innerhalb der Rehabilitierung nahm wiederum der Expressionismus, insbesondere die Künstler der BRÜCKE, eine herausragende Stellung ein. Sie wurden als Opfer des Nationalsozialismus betrachtet und ihre Kunst als kulturelles Aushängeschild des demokratischen

Ein S y m b o l für Freiheit und D e m o k r a t i e _ 9 9

documenta

l itt dl tlitglilm siede ttlttiliee inlirniliidili Mull nitie fridsrisiiisn [wtitiette cnlitj eri interninomi iihililiii Kessel nuseum Iridnicimm l'irli del insceniti Inlitnuiioili Kssssl netti Irlditiciinin

26

EINLADUNG ZUR DOCUMENTA I, Kassel 1 9 5 5 , Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv

Deutschlands benutzt. Der Begriff »Expressionismus« rangierte dabei zum Synonym für »entartet« und »verfemt«: »Die Wiedergutmachung war demonstrativ der abstrakten und expressionistischen Kunst zugekommen, nicht aber der realistischen und politischen Kunst, die in der Weimarer Republik und noch während des Nationalsozialismus ihre großartigen Vertreter hatte, aber nach dem Kriege vorwiegend in der anderen Hälfte Deutschlands, in den Museen der DDR, ausgestellt worden war. Die Einseitigkeit, mit der hier die Erinnerung an die formale Avantgarde und drüben die an die politische gepflegt wurde, war eine Einseitigkeit der Gegenseitigkeit.« 315 Eine der bedeutendsten Ausstellungen zur Rehabilitierung der Modernen war die

DOCUMENTA

I

in Kassel 1 9 5 5 , deren Künstlerauswahl die oben von Walter

Grasskamp beschriebene Einseitigkeit verdeutlicht (Abb. 2 6). Gemeinsam mit Werner Haftmanns zeitgleich erscheinender Publikation DERT

M A L E R E I

IM

2.0.

J A H R H U N -

zählte sie zu den wichtigsten Kunstereignissen der fünfziger Jahre. Durch sie

wird bis heute das Geschichtsbild der Moderne geprägt, das lange Zeit kanonische Geltung hatte. Darüber hinaus sieht Walter Grasskamp die Antwort auf die Ausstellung

ENTARTETE

KUNST

DOCUMENTA

I

als

von 1 9 3 7 . 3 1 6 Von den 1 4 7 prä-

sentierten Künstlern wurde 1 9 3 7 rund ein Fünftel in München diffamiert. Von den betrachteten Künstlern waren Nolde, Kirchner, Heckel, Marc und Beckmann sowie

100

Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

Klee und Feininger in Kassel vertreten. Die politischen Künstler, die in der Weimarer Republik unter anderem für sozialistische und kommunistische Tendenzen standen, wurden ausschließlich von Otto D i x vertreten. Werke von George Grosz fehlten ebenso wie die der deutschen Impressionisten, die nicht mehr zur modernen Kunst gezählt wurden. Erst im Verlauf der siebziger Jahre wurden die Versäumnisse und Lücken der ersten »Wiedergutmachungsausstellungen« aufgeholt und die Rezeption der Moderne an der Stelle fortgesetzt, w o sie von den Nationalsozialisten ab 1 9 3 3 unterminiert w u r d e . 3 1 7 Generell besteht die Annahme, dass aufgrund der Rehabilitierungsmaßnahmen und des Nachholbedarfs der deutschen Museen die Nachfrage nach moderner Kunst nach 1 9 4 5 stetig zugenommen habe. Da der zunehmenden Nachfrage aber anscheinend nur ein vergleichbar geringes Angebot gegenüber stand, liegt die Vermutung eines rapiden Anstiegs der Preise in der unmittelbaren Nachkriegszeit nahe. 3 1 8 Die Auswertung des mittleren Preisbereichs für Gemälde der betrachteten Künstler zeigt jedoch, dass sich die Preise für die deutsche Moderne, bis auf die wirtschaftlichen Ausnahmejahre 1 9 3 2 . - 1 9 3 3 und 1 9 3 8 - 1 9 3 9 , in einem relativ stetigen Bereich bewegten: 1600

Allgemeine Preisentwicklung, nationaler Kunstmarkt 1 9 2 . 5 - 1 9 5 5

Dieser beträgt in den Jahren 192.5 bis 1 9 3 1 400 bis 800 US-Dollar, von 1 9 3 4 bis 1 9 4 4 - ausgenommen 1 9 3 8 - 1 9 3 9 - 380 bis 1 . 0 0 0 US-Dollar und 1 9 4 8 bis 1 9 5 5 500 bis 1 . 0 0 0 US-Dollar. Betrachtet man die mittleren Preise allerdings in Reichsmark, beziehungsweise in Deutscher M a r k , sind größere Veränderungen aufgrund verschiedener Wechselkurse erkennbar. Demnach liegt der Preisbereich von

Der i n t e r n a t i o n a l e K u n s t m a r k t : E t a b l i e r u n g statt N e u a n f a n g

1 9 2 . 5 bis 1 9 3 1 zwischen 1 . 6 7 6 und 3 . 4 7 5 Reichsmark, von 1 9 3 4 bis 1 9 4 4 - ausgenommen 1 9 3 8 - 1 9 3 9 - zwischen 9 5 0 und 2 . . 5 0 0 Reichsmark sowie von 1 9 4 8 bis 1955 zwischen 1 . 9 8 0 und 4 . 2 . 5 0 Deutsche M a r k . Somit ist ein leichtes Abfallen der Preise während des »Dritten Reichs« gegenüber der Zeit der Weimarer Republik festzustellen. Der Vergleich der Werte in Deutscher M a r k mit den Werten in Reichsmark ist schwer möglich. Von einem auffälligen Preisanstieg nach 1945 kann aber angesichts der Kurve nicht gesprochen werden. Dennoch ist ein weiterer kontinuierlicher Anstieg der Preiskurve nach 1955 vorauszusetzen. Die Werke der betrachteten Künstler erreichten aufgrund des mit der Zeit abnehmenden Angebots und der stetigen Nachfrage folgend meist Spitzenpreise, welche die Preise des Untersuchungszeitraumes aus heutiger Sicht niedrig erscheinen lassen. Der Sammler Carl Hagemann sah diese Entwicklung schon 1937 voraus: »Durch die vielen Beschlagnahmen in den Museen sind die Werke der Künstler wie Kirchner, Nolde, SchmidtRottluff, Heckel etc. sehr rar geworden, und es ist gar nicht ausgeschlossen, dass in einigen Jahren nicht unerhebliche Preise gezahlt werden, namentlich auch im Ausland (Amerika!). Also nur nicht verschleudern!« 3 1 9

D E R I N T E R N A T I O N A L E K U N S T M A R K T : E T A B L I E R U N G STATT N E U A N F A N G

Die im Datenmaterial verzeichneten internationalen Verkäufe zwischen 1945 und 1955 beschränken sich vorrangig - wie schon vor 1945 - auf eine amerikanische und eine Schweizer Nachfrage. Für den englischen Kunstmarkt sind nur vereinzelt Verkäufe und Ausstellungen registriert, so dass weiterhin von einer geringen Bekanntheit und Wertschätzung der deutschen Moderne ausgegangen werden muss. Trotz der E X H I B I T I O N O F 2 0 T H C E N T U R Y G E R M A N A R T 1 9 3 8 in London sowie einiger Einzelausstellungen von Klee, Grosz und Liebermann, die den Blick auf die aktuelle Kunstentwicklung in Deutschland richteten, erfolgte kein nachhaltiger Durchbruch. Somit setzte sich auch nach 1945 das mangelnde Interesse gegenüber der deutschen Moderne fort, wie die Kunstkritikerin Rosa Schapire anlässlich einer Präsentation deutscher Gemälde in der Täte Gallery feststellte: »In England ist auch in Kreisen, die es besser wissen sollten, die Ansicht verbreitet: Dürer und Holbein waren große deutsche Maler, aber nachher folgte ein großes Nichts.« 3 2 0 Aus dem internationalen Datenmaterial für die USA und die Schweiz von 1945 bis 1955 wird ersichtlich, dass weit mehr Künstler als während der Weimarer Republik und des »Dritten Reichs« nachgefragt wurden, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Das in der Schweiz wachsende Interesse an expressionistischer Malerei wird den Auswirkungen des Nationalsozialismus zugeschrieben. 321 Auch die Entwicklung des amerikanischen Kunstmarkts kann nur im Zusammenhang mit der Emigration vieler Sammler, Künstler, Kunstgelehrter und Kunsthändler

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

sowie mit der Ablehnung der nationalsozialistischen Kunstpolitik gesehen werden. Ein Artikel in der WELTKUNST 1952. beschreibt zwar die Ursachen der Abwanderung als »beschämend für Deutschland«, stellt aber gleichzeitig fest, »daß sich Amerika mehr und mehr für die in Deutschland befindliche Kunst, daneben aber auch für deutsche Künstler und besonders für die modernen deutschen Künstler interessierte, die vordem dort noch nicht so bekannt waren, wie es heute der Fall i s t . « 3 " Auf den ersten Blick scheinen die Verkaufspreise der internationalen Nachfrage weit über denen der nationalen zu liegen. Gerade bei den in den fünfziger Jahren in Deutschland stattfindenden Auktionen sind die hohen Preise auffallend, die Käufer aus dem Ausland zahlten. Diese Beobachtung entspricht der Einschätzung Neil Waldens, in den fünfziger Jahren hätten aufgrund der im internationalen Vergleich wesentlich günstigeren Preise vermehrt ausländische Sammler Kunswerke in Deutschland gekauft. 3 2 3 Dementsprechend ist zu vermuten, dass die internationalen Kunstpreise generell über den nationalen lagen. Um die Annahme der höheren internationalen Werte zu überprüfen, gilt es, nicht nur die Werte der internationalen Nachfrage, sondern insbesondere die auf dem Schweizer M a r k t erzielten Verkaufspreise mit den Preisen in Deutschland zu vergleichen. Hierzu können Verkäufe von Kirchner, Klee und Liebermann herangezogen werden, da diese - dem Datenmaterial entsprechend - regelmäßig auf dem Schweizer M a r k t vertreten waren. Im Fall von Kirchner und Klee stellte sich die besondere Situation des Washingtoner Abkommens. Dieses wurde im M a i 1 9 4 6 zwischen den Alliierten und der Schweiz getroffen und verpflichtete die Schweiz, die in ihrem Land befindlichen Vermögenswerte deutscher Staatsbürger zu liquidieren. Innerhalb dieser Aktion, die schon im Frühjahr 1 9 4 5 nach einem Bundesratsbeschluss mit einer Sperrung der Vermögen begann, wurde nicht zwischen »Tätern« und »Opfern« des nationalsozialistischen Regimes unterschieden, so dass die Liquidierung auch Vermögen betraf, das zum Schutz vor der nationalsozialistischen Kunstpolitik und in Folge von Emigrationen in die Schweiz überführt wurde. Da weder Kirchner und Klee selbst noch ihre Witwen Erna Kirchner und Lily Klee während ihres Aufenthaltes in der Schweiz die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielten, wurden die künstlerischen Nachlässe von Kirchner und Klee 1 9 4 5 vor dem Zugriff der Witwen gesperrt. Ihrer Liquidierung konnten sie durch das Eingreifen der Schweizer Bürger Georg Schmidt und Rolf Bürgi entkommen, die die Nachlässe übernahmen und damit in Schweizer Eigentum transferierten. Verkäufe aus beiden Nachlässen nach Deutschland fanden zumindest in den ersten Nachkriegs jähren kaum statt, so dass von einer Verknappung des Angebots beider Künstler auf dem nationalen M a r k t ausgegangen werden muss. 3 2 4 Aufgrund der Rehabilitierung und der großen Würdigung Kirchners und

D e r i n t e r n a t i o n a l e K u n s t m a r k t : E t a b l i e r u n g statt N e u a n f a n g

Klees in Deutschland w a r es nicht verwunderlich, dass die nationalen Preise zumindest bis A n f a n g der fünfziger Jahre über den internationalen lagen. Bei Klee änderte sich das Verhältnis Mitte der fünfziger Jahre, und die internationalen Preise übertrafen folgend die nationalen bei weitem; bei Kirchner blieb das Verhältnis während des Untersuchungszeitraumes bestehen. 325 Völlig anders stellte sich die Situation der Preise für Werke von M a x Liebermann dar. Bei einem Vergleich der Auktionsergebnisse für Gemälde des Künstlers bei Schweizer und deutschen Versteigerungen A n f a n g der fünfziger Jahre zeigt sich, dass die mittleren Preisbereiche auf dem Schweizer Auktionsmarkt über den nationalen lagen. Mitte der fünfziger Jahre kehrte sich dieses Verhältnis zeitgleich mit einer Wiederbelebung der Liebermann-Rezeption in Deutschland um, und die Höhe der nationalen Preise stieg kontinuierlich an, während sie international eher abnahm. 3 2 6 Diese unterschiedlichen Ergebnisse widerlegen die bisherige Annahme: Auf dem Schweizer Kunstmarkt wurden nicht generell höhere Preise für deutsche Künstler erzielt als auf dem nationalen. Vielmehr sind von Künstler zu Künstler sowie innerhalb der jeweiligen Künstlerrezeption Verschiebungen der Verhältnisse zu beobachten, so dass keine allgemein gültige Aussage über die Preisverhältnisse getroffen werden kann. Gemäß der internationalen Nachfrage überwogen eindeutig Verkäufe auf dem und an den amerikanischen Kunstmarkt. Allein die Verkäufe aus Klees Nachlass zwischen 1 9 4 7 und 1952. gingen zu 80 Prozent in die USA. Ebenso gelangten viele Werke aus dem Nachlass von Kirchner nach Amerika. Seit etwa 1 9 3 7 befand sich auch der künstlerische Nachlass von Lovis Corinth in den USA. Zudem lebten und arbeiteten Feininger und Grosz schon seit den dreißiger Jahren in N e w York; Beckmann siedelte 1 9 4 7 in die USA über. Für die genannten Künstler können im Datenmaterial direkte Verkäufe auf dem amerikanischen M a r k t nachgewiesen werden. Besonders regelmäßig sind Gemäldeverkäufe von Beckmann und Klee zu finden, aber auch von Feininger und Grosz; etwas seltener sind Corinth und Liebermann vertreten. Für ihre Vermittlung spielten vor allem I. B. Neumann und Curt Valentin eine zentrale Rolle. Gemeinsam mit Karl Nierendorf hatten sie über viele Jahre hinweg durch zahlreiche Ausstellungen, Museumsleihgaben und -Schenkungen den Weg für das steigende Interesse an der modernen deutschen Kunst geebnet. 3 2 7 Sogar auf dem amerikanischen Auktionsmarkt wurden deutsche Gemälde angeboten, die laut dem Datenmaterial ausschließlich über die N e w Yorker ParkeBernet-Galleries versteigert wurden, einem der größten Auktionshäuser der USA. 3 2 8 Daneben nahm das Kontingent an deutschen Gemälden in amerikanischen Museen stetig zu. Während die Gemäldesammlung des Museum of Modern Art zwischen 192.9 und 1 9 4 5 noch elf Gemälde der betrachteten Künstler verzeichnete, stieg ihr

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Die P r e i s e n t w i c k l u n g der d e u t s c h e n M o d e r n e

(

U s t e der nach D e t r o i t gesandten Werke» Schmidt-Rottluff 1

1919

"Uääahea am Meer* •weisses Haus" "Petriturm" "Allee" "SignalstatioaJ' "Frau mit verbundenen Kopf" " F i s c h e r auf DUub" "Fxau am Meer" "Scheine" "Das l e t z t e Fuder" Christian Rohlfa:

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1923

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