Kunstmessen: Zulassungsbeschränkungen und Kartellrecht 9783110927382, 9783899493382

In the past decade the art market has grown steadily. Participation at art shows has become a matter of survival for the

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German Pages 444 Year 2006

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
A. Offene Fragen
B. Fragestellung der Arbeit
C. Gang der Untersuchung – Ziel der Arbeit
Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst
I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmessen
II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen
III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen
IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland
Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen unter Berücksichtigung des § 20 GWB
I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB
II. Konkurrenz mit anderen Gesetzen
III. Die europäische Dimension
IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen
Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots
I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit
II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“ als Voraussetzung
III. Die Definition des „relevanten Markts“
IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters
Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB
I. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots
II. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots
III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots
IV. Zulassung contra Ausschluss von Bewerbern im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB
V. Die Zulassung ausländischer Bewerber
Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung
I. Das gerichtliche Verfahren
II. Die einstweilige Verfügung
III. Die Verpflichtung zur ständigen Neubegutachtung des Marktes für Kunstmessen
Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick
I. Zusammenfassung und Ergebnisse
II. Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen
Bibliographie
I. Nicht veröffentlichte Quellenbestände
Briefwechsel
Urteile/Beschlüsse
II. Veröffentlichte Quellenbestände
Urteile und Beschlüsse
Bücher und Aufsätze
Kommentare
Zeitungsartikel und Pressemitteilungen
Internetpublikationen
Sonstiges
Register
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Kunstmessen: Zulassungsbeschränkungen und Kartellrecht
 9783110927382, 9783899493382

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Nicolai B. Kemle Kunstmessen: Zulassungsbeschränkungen und Kartellrecht

Schriften zum Kulturgüterschutz Cultural Property Studies

Schriften zum Kulturgüterschutz Cultural Property Studies Herausgegeben von Edited by Professor Dr. Wilfried Fiedler, Saarbrücken Professor Dr. Dr. h.c. Erik Jayme, Heidelberg Professor Dr. Kurt Siehr, Hamburg

Nicolai B. Kemle Kunstmessen: Zulassungsbeschränkungen und Kartellrecht

De Gruyter Recht • Berlin

Dr. Nicolai B. Kemle, Rechtsanwalt in Heidelberg

∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-89949-338- 2 ISBN-10: 3-89949-338- 9

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© Copyright 2006 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D - 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: +malsy kommunikation und gestaltung, Bremen Datenkonvertierung: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

Für meine Eltern

Vorwort Die vorliegende Schrift wurde im Sommersemester 2005 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls Universität zu Heidelberg als Dissertation angenommen. Später erschienene Literatur und Rechtsprechung wurde nur noch in zwei Ausnahmefällen berücksichtigt. Dies ist gekennzeichnet. Die Arbeit stellt eine Momentaufnahme der aktuellen Lage des Kunstmarktes und der diesbezüglichen Rechtsprechung dar. Es ist stets zu beachten, dass der Kunstmarkt im Fluss ist. Neue Kunstrichtungen und neue Käuferschichten führen zu einer ständigen Veränderung der Gegebenheiten, wie auch der Kunstbegriff sich beständig wandelt. Sehr herzlich danke ich meinem verehrten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erik Jayme. Er hat in mir das Interesse für das Kunstrecht geweckt und mir mit seiner Geduld und Bereitschaft zum Gespräch und dem gewährten Freiraum bei Auswahl und Bearbeitung des Themas eine sehr angenehme Promotionszeit ermöglicht. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff darf ich für die Mühe der Zweitbegutachtung danken. Dr. Peter Zaar und Kerstin Trede haben mir in der gemeinsamen Zeit der Promotion, der langen Gespräche zu später Stunde Halt und Zuversicht gegeben. Für ihre Unterstützung danke ich ihnen. Herrn Peter Vazansky verdanke ich aufgrund seiner geduldigen und einfühlsamen Lektüre die Berichtigung vieler Fehler. Zu großem Dank bin ich meinen Eltern, Hildegard und Erich Kemle, verpflichtet. Sie haben mir nach einer Kindheit in Geborgenheit ein Hochschulstudium ermöglicht und mir in jeder vorstellbaren Weise Unterstützung und Förderung zukommen lassen. Was sie mir auf meinen Lebensweg mitgegeben haben, hat eine Promotion erst ermöglicht. Ihre Geduld und ihre beständige Zuversicht hatten maßgeblichen Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Heidelberg, im Frühjahr 2006

Nicolai Boris Kemle

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fragestellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung – Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 6 7

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen . . . IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland . . . . . . . .

10 48 55 59

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen unter Berücksichtigung des § 20 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkurrenz mit anderen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die europäische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen . . . . . . . . . . . .

66 69 73 88

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit . . . II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“ als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Definition des „relevanten Markts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . .

115 122 213

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB . . . . . . .

243

I. II. III. IV.

244 250 257

Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Auslegung des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots . . . . Zulassung contra Ausschluss von Bewerbern im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB . . . . . V. Die Zulassung ausländischer Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

272 378

X

Inhaltsübersicht

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381

I. Das gerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Verpflichtung zur ständigen Neubegutachtung des Marktes für Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381 390

Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . .

395

I. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395

Bibliographie

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Nicht veröffentlichte Quellenbestände Briefwechsel . . . . . . . . . . . . . . Urteile/Beschlüsse . . . . . . . . . . . II. Veröffentlichte Quellenbestände . . . . Urteile und Beschlüsse . . . . . . . . . Bücher und Aufsätze . . . . . . . . . . Kommentare . . . . . . . . . . . . . . Zeitungsartikel und Pressemitteilungen Internetpublikationen . . . . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . .

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392

399 403

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403 403 403 403 403 408 416 417 420 421

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Fragestellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung – Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 6 7

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Beginn des Kunsthandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entwicklung der Kunstmesse – Von den Salonausstellungen in Paris bis zur Art Cologne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutende Standorte für Kunstmessen in Deutschland . . . . . . . . . aa) Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutende Standorte fur Kunstmessen in anderen Ländern in Europa . aa) Basel (Schweiz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Maastricht (Niederlande) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) London (Großbritannien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Madrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Paris & Strasbourg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Weitere Standorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bedeutende Standorte für Kunstmessen außerhalb Europas . . . . . . . aa) Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) New York . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Chicago & San Francisco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Miami . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Kunstszene außerhalb der Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Galerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kunstvereine & Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Staatsbetrieb und weitere Kunstbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . ee) Der Kunstmarkt in Zahlen und Fakten . . . . . . . . . . . . . . .

13 17 18 21 22 23 24 25 27 27 29 29 30 31 31 31 32 32 33 33 36 40 41 43 44

II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die tatsächliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ausstellungsrhythmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 50 51

10 11

XII

Inhaltsverzeichnis

bb) Das Publikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Kunstmesse als Trendsetter und maßgebendes Forum . . . . .

53 54

III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen . . . a) Die Unterscheidung zwischen Messe und Ausstellung nach der GewO . b) Weitere einschlägige Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 55 57

IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland . . . . . . a) Beziehung zwischen Veranstalter und Halleneigentümer . . . . . . . b) Beziehung zwischen Veranstalter und Aussteller . . . . . . . . . . . aa) Die Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeine Teilnahmebedingungen (ATB) . . . . . . . . . . . . aaa) ATB bei großen, international renommierten Kunstmessen bbb) Das Recht zur Aufnahme aus ATB bei nationalen Veranstaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) ATB bei regionalen Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . c) Beziehung von Besucher und Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . d) Beziehung von Besucher und Aussteller . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

59 59 59 60 60 61

. . . .

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61 63 63 63

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen unter Berücksichtigung des § 20 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

II. Konkurrenz mit anderen Gesetzen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Die europäische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das europäische Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezifische Regelungen europäischer Länder . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Kartellrecht europäischer Länder . . . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere zu beachtende Gesetze für den Handel mit Kunstwerken . aaa) Die unterschiedlichen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs von Kunstwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kunstwerke als „res extra commercium“ . . . . . . . . . (2) Der gutgläubige Erwerb in verschiedenen Ländern . . . bbb) Die Problematik des Erwerbs und der Veräußerung von Werken von entarteter Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GMB auf Kunstmessen . . . . . . . . . . a) Die Kunstmesse als Gewerbe im Sinne des GWB – Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB – die Unternehmenseigenschaft . . . . . . . . . . aa) Die grundsätzliche Anwendung des GWB auf den Kunstsektor bb) Die Verkaufs-Kunstmesse als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 20 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verschiedenheit der rechtlichen Formen der Veranstalter . . aaa) Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Öffentlich-rechtlicher Träger . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Rein privater Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Anwendung auf nicht-kommerzielle Kunstschauen . . . . .

69

. . . . . .

73 73 74 77 77 79

. . .

81 83 85

.

87

. .

88

. . . .

88 90

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91 92 93 95 97 99 100

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit . a) Verschiedenheit der Abhängigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unternehmensbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . bb) Artikel- / Sortimentsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . cc) Die knappheitsbedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . b) Die nachfragebedingte Abhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Anwendungsvoraussetzungen in der Person des Diskriminierten

. . . . . . . .

105

. . . . . . . .

106 106 106 108 109 109 112 112

II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“ als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Merkmal „üblicherweise zugänglich“ in § 20 Abs. 1 GWB . . . . . b) Das Merkmal der Gleichartigkeit in § 20 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 116 118 121

III. Die Definition des „relevanten Markts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansätze zu einer sachlichen Differenzierung von Kunstmarktbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Kunstmesse als eigenständiger Marktbereich auf dem Kunstmarktsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die weitere Abgrenzung innerhalb des Bereichs der Kunstmessen . aaa) Ökonomische Ansätze zur Abgrenzung . . . . . . . . . . . . (1) Die Preisbildung von Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Abgrenzung nach ausgestellten Kunststilen . . . . . . . . . . (1) Die grundsätzliche Bildung von Märkten nach Kunststilen (1.1) Die Definition von Kunst . . . . . . . . . . . . . . (1.2) Einteilung nach Kunstkategorien / durch Listen . . (1.3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Definition eines Marktes unter Berücksichtigung der Kriterien des Renommees und der Internationalität . . . . . . . . . . . (1) Das Renommee einer Messe . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Internationalität einer Messe . . . . . . . . . . . . . ddd) Die Abgrenzung durch die Bestimmung des Teilnehmerkreises durch Typ und Gegenstand der Veranstaltung . . . . . . . . . (1) Das Problem der Teilnahmebestimmungen . . . . . . . . (2) Die Beschränkungsmöglichkeit des Teilnehmerkreises durch den Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Veranstaltungszweck und der Name einer Kunstmesse als Voraussetzung der Beschränkung bestimmter Gruppen (4) Die sachlich relevante Abgrenzung unter Bezugnahmen auf das Bedürfnis der nachfragenden Galerie / Künstler . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Räumlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die maximale äußere Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Anwendungsbereich des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Das Verhältnis zu nichteuropäischen Ländern . . . . . . . . .

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XIII

XIV

Inhaltsverzeichnis

ccc) Das Verhältnis zu europäischen Ländern . . . . . . . . . . . (1) Die rechtliche Situation in anderen europäischen Ländern im Bereich des Kunstrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.1) Der Handel von Kunst im allgemeinen . . . . . . . (1.2) Die Möglichkeit der einklagbaren Teilnahme an Kunstmessen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . (1.3) Das Verhältnis zwischen deutschem und europäischem Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Fazit der europäischen Rechtsregelung in Bezug zu einer räumlichen Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Möglichkeit der regional-räumlichen Marktbegrenzung . . . . aaa) Wirtschaftliche Ursachen als Begrenzung . . . . . . . . . . . bbb) Gesetzliche, natürliche oder technische Ursachen für eine Begrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Marktpolitik der Messeveranstalter . . . . . . . . . . . . . . ddd) Die geographische Herkunft der Teilnehmer an Kunstmessen am Beispiel dreier Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung hinsichtlich einer räumlichen Abgrenzung . . . Der zeitlich relevante Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Dauer der Veranstaltung als Grenze der zeitlichen Bewertung . bb) Tatsächliche Marktbewegung und Betrachtung der Teilnehmer von Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Voraussetzung der ständigen Neubeurteilung der Marktsituation . . Fallbeispiel „Art Cologne 2002“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abgrenzung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.1) Sachlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.2) Räumlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.3) Zeitlich relevanter Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4) Marktfestlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4.1) „Art Forum Berlin“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4.2) „Art Frankfurt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4.3) „Kunst Messe Köln“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4.4) ,,KunstKöln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1.4.5) „Kunstmesse München“ . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der relevante Markt der Kunstmesse Art Cologne . . . . . . . . . Fazit der Abgrenzung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . .

204 205 206 206 207 207 208 208 208 209 209 209 209 209 210 210

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . a) Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten . . . . . . . . . . aa) Begrenzung der Ausweichmöglichkeiten durch den Diskriminierten b) Die Möglichkeiten zur Feststellung von Marktmacht . . . . . . . . . . aa) Die Bewertung der Abhängigkeit – Die Sichtweise . . . . . . . . . aaa) Sichtweise der Anbieter – Kunstmessenveranstalter . . . . . . bbb) Sichtweise der Nachfrager – Bewerber / Aussteller / Galerien . bb) Arten der Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Wirtschaftsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Stichproben-Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 214 225 227 229 229 230 231 231 233 233

c)

d) e)

f)

178 181 182 183 184 187 190 193 195 196 197 198 199 200

Inhaltsverzeichnis

ddd) Subjektive Einschätzung durch die Gerichte unter Bezugnahme auf die Aussagen der Parteien . . . . . . . . . . eee) Weitere Möglichkeiten zur Festlegung von Marktmacht cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zeitliche Problematik der Messung . . . . . . . . . . . . . . . Einschätzung durch die angerufenen Gerichte . . . . . . . . . . . Beurteilung der Marktmacht von Erstveranstaltungen . . . . . . . Fazit und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fallbeispiel Art Cologne 2002 – Fortsetzung . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . .

234 236 237 238 239 240 241 242

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB . . . . . . .

243

I. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschiedliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Differenzierung von Behinderung und unterschiedlicher Behandlung dd) Interessensabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

244 244 245 247 248 250

II. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Einfluss des Gewerberechts, § 70 GewO . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Bereichs . . . . . . . . . . . . .

250 251 254

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots . . . . a) Die Bedeutung der Interessensabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Berücksichtigung von ATB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Berücksichtigung des internationalen Marktes für Kunstmessen und dessen Verflechtung mit Deutschland in der zu treffenden Interessensabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Europäischer Kontinent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Die Berücksichtigung von europäischen Kunstmessen mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Frankreich – „FIAC“ / „St’Art“ . . . . . . . . . . . . . . (2) Großbritannien – „London Fine Art Fair“ & „Frieze Art“ (3) Niederlande – „TEFAF“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Österreich – „Art Innsbruck“ + „Art Vienna“ . . . . . . bbb) Die Berücksichtigung von Non-EU-Staaten . . . . . . . . . . (1) Schweiz-Art Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der „westliche“ Kunstmarkt – insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und Russland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) USA – Chicago – New York – Miami . . . . . . . . . . . . . cc) Die übrigen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Möglichkeiten des gutgläubigen Erwerbs in Europa . . . . . . d) Die weiteren Grundsätze der Interessensabwägung . . . . . . . . . . . . e) Anpassung des Schutzsuchenden an die Zulassungsvoraussetzungen . .

257 257 262

268 268 269 269 270 271

IV. Zulassung contra Ausschluss von Bewerbern im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB . . . . . a) Der Ermessensspielraum des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ermessensspielraum der ersten Veranstaltung . . . . . . . . . bb) Der Ermessensspielraum eingeführter Kunstmessen . . . . . . . . .

272 273 276 276

c) d) e) f)

. . . . . . . .

. . . . . . . .

263 264 265 266 266 267 267 267 268

XV

XVI

Inhaltsverzeichnis

cc) dd) ee) ff) gg)

Ermessenseinschränkende Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf ATB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfungsmöglichkeit des Ermessensspielraums durch die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründe für eine Nichtzulassung eines Bewerbers . . . . . . . . . . . . aa) Objektive Gründe für eine Nichtzulassung . . . . . . . . . . . . . aaa) Platzmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kein Anspruch auf Erweiterung der Kapazität . . . . . . . . (2) Kein Anspruch auf Um- oder Neuordnung der verteilten Standplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kein Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Box . . . . . bb) Subjektive Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Unzuverlässigkeit des Bewerbers . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Weitere Tätigkeit im Bereich des Kunstmarktes des Bewerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswahlmöglichkeiten bei Bewerberüberhang und begrenzter Platzkapazität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Einhaltung der Grundsätze des Diskriminierungsverbots . . aaa) Einhaltung der Verpflichtung zur optimalen Ausnutzung der Messehallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Möglichkeit des Freihaltens von Restraum für evtl. Notfälle bb) Die Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) „Bekannt und bewährt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Merkmal im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Merkmale im Rahmen einer Beurteilung nach der GewO und den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen . . . (3) Die Vergabe von Dauerstandplätzen . . . . . . . . . . . (4) Fazit und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Renommee und Internationalität der Galerie . . . . . . . . ccc) Ausstellungstätigkeit der Galerie . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geplanter Auftritt auf der Kunstmesse . . . . . . . . . (2) Bisherige Ausstellungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . ddd) Teilnahme der Galerie an konkurrierenden Kunstmessen . . (1) Überregionale Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . (2) Regionale Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . eee) Das Kriterium der ortsansässigen Galerie . . . . . . . . . . (1) Öffentlich-rechtlicher Veranstalter . . . . . . . . . . . . (2) Privater Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fff) Die wirtschaftliche Position der Galerie . . . . . . . . . . . (1) Die Eintragung im Handelsregister als Beweis einer gewerblichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . ggg) Die Preisgestaltung der Galerie . . . . . . . . . . . . . . . . hhh) Sonstiges Verhalten der Galerie . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anforderung an ordnungsgemäße Bewerbung . . . . . . (2) Kritik an der Veranstaltung durch den Bewerber . . . .

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297 301 303 304 306 306 307 308 308 309 310 310 313 315 316

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Inhaltsverzeichnis

(3) Weitere Wettbewerbsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Mindestgröße und Ausstattung einer Koje . . . . . . . . . cc) Kriterien, welche den durch die Galerie vertretenen Künstler oder die dargebotene Kunstrichtung betreffen . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Ausschluss der Häufung von Galerien mit ähnlicher Kunstrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Auswahlentscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst (1) Messbarkeit von Kunstqualität . . . . . . . . . . . . . . . (1.1) Ansätze für eine Kunstdifferenzierung . . . . . . . . (1.2) Die Voraussetzung „Original“ . . . . . . . . . . . . (2) Das Verhältnis von Kunstfreiheit, Kartellrecht und Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Möglichkeiten der gerichtlichen Nachprüfbarkeit einer Kunsteinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Ausschlussgrund „Renommee des Künstlers“ . . . . . . . . . (1) Messbarkeit der Bekanntheit eines Künstlers . . . . . . . (2) Beurteilung des Künstlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterscheidung zwischen bisherigem Galerieprogramm und geplantem Ausstellungsprogramm . . . . . . . . . . . . . (4) Verpflichtung zur Einbeziehung aller Umstände in das zu treffende Urteil hinsichtlich der Zulassung . . . . . . . . (5) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Zulassung von Newcomern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Gleichstellung Newcomer – Wiederbewerber . . . . . . . . . . ff) Die Wiederzulassung von einmal abgelehnten Bewerbern . . . . . . gg) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Auswahl- und Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Anwendung der Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die verschiedenen Auswahlverfahren bei gleicher Eignung . . . . . aaa) Das Rotationsprinzip – Rollierendes oder Alternierendes Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Das Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Das Losprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Die Vorauswahl von Bewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . eee) Das Auswahlgremium – Die „Jury“ . . . . . . . . . . . . . . (1) Eine Einzelperson als „Jury“ . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eine mehrere Personen umfassende „Jury“ . . . . . . . . (2.1) Die Einbeziehung außenstehender Personen . . . . (2.2) Die Problematik der Teilnahme von Mitausstellern an der „Jury“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Ausleseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fff) Die Verteilung von Restplätzen bei Absagen – das Nachrücksystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ggg) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Begründungspflicht bei Ablehnung eines Bewerbers . . . . . . aaa) Vergleich mit dem öffentlichen Recht und anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Die bisherige Rechtsprechung und Praxis . . . . . . . . . . .

322 323 325 325 327 329 331 334 335 338 341 343 344 346 347 348 349 349 352 352 353 354 354 355 356 361 362 362 363 365 366 367 367 368 370 370 372 373 373

XVII

XVIII

Inhaltsverzeichnis

ccc) Fazit und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Verpflichtung zur Erstellung von Aufnahmebedingungen . . .

376 377

V. Die Zulassung ausländischer Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

378

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381

I. Das gerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Klageantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die grundsätzlichen Voraussetzungen des Klageantrags . . bb) Die Entscheidungsmöglichkeiten des angerufenen Gerichts aaa) Standplatzzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Informationsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Aufnahme in den Katalog . . . . . . . . . . . . . . ddd) Schadensersatz in Geld . . . . . . . . . . . . . . . . eee) Anspruch auf Aufnahme für die Zukunft . . . . . . fff) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . .

381 382 382 383 384 385 386 386 388 388 389

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390

III. Die Verpflichtung zur ständigen Neubegutachtung des Marktes für Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

392

Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . .

395

I. Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395

II. Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

399

II. Die einstweilige Verfügung

Bibliographie

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. . . . . . . . . . .

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403

I. Nicht veröffentlichte Quellenbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteile und Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

403 403 403

II. Veröffentlichte Quellenbestände . . . . Urteile und Beschlüsse . . . . . . . . . Bücher und Aufsätze . . . . . . . . . . Kommentare . . . . . . . . . . . . . . Zeitungsartikel und Pressemitteilungen Internetpublikationen . . . . . . . . . Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . .

Register

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403 403 408 416 417 420 421

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. a.F. AG AJP/PJA Art.

am angegeben Ort alte Fassung Amtsgericht Aktuelle juristische Praxis / Pratique Juridique Actuelle Artikel

BGB BGH BGHZ BKartA BMI BT BV BVerfG BVerwG

Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof, Entscheidungssammlung in Zivilsachen Bundeskartellamt Bundesinnenministerium Bundestag Bundesverfassung der Schweiz Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht

d.h.

das heißt

etc. EU EuGH evtl. EWiR

Et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof eventuell Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

GemO GewArch grds. GRUR GWB

Gemeindeordnung Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschaftsverwaltungsrecht grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

i.v.F.

im vorliegenden Falle

JZ

Juristische Zeitung

KG KultgutSiG

Kammergericht Kulturgutsicherungsgesetz

LG

Landgericht

n.F. NWB NJW NJW-RR NVwZ

neue Fassung Neue Wirtschafts-Briefe Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

XX

Abkürzungsverzeichnis

OG OLG OVG

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) der Schweiz Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht

p.a.

per annum

RG RGZ RNZ

Reichsgericht Reichsgericht, Sammlung in Zivilsachen Rhein-Neckar-Zeitung

u.a. u.U. UrhG URL Urt. UWG

unter anderem unter Umständen Urhebergesetz Uniform Resource Locator Urteil Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb

v. v.a. VG VGH

vom vor allem Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof

WRP WuW WuW/E

Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Entscheidungssammlung Wirtschaft und Wettbewerb

z.B. z.T.

zum Beispiel zum Teil

Einführung Die Meldungen auf dem Kunstmarkt überschlagen sich. Ein Cézanne wurde 1999 für rund 110 Millionen DM versteigert.1 9 Jahre zuvor erzielte das Portrait des „Dr. Cachet“ von Vincent van Gogh die Rekordsumme von 82,5 Millionen DM. Im Jahre 2004 erreichte ein Werk von Picasso die Summe von ca. 104 Millionen Euro. Dies sind einzelne Belege dafür, dass durch den Kunstmarkt der ästhetische Wert eines Objekts in einen materiellen Wert, nämlich Geld, verwandelt wird, wobei meist der geringe Materialwert keine Rolle spielt. Während früher nur ein kleiner Kreis Wohlhabender auf dem Markt handelte 2, dient heute der Kauf von Kunst einer breiten Masse als Mittel der Kapitalsicherung, der kurzfristigen Spekulation 3, und auch der Steuerflucht; denn Kunst gilt als bester Inflationsschutz. Aber auch junge Kunstmessen weichen das Dogma der „Unnahbarkeit“ von Kunst auf, indem sie sich gerade auf preiswerte, zeitgenössische junge Kunst spezialisieren und dadurch erfolgreich sind. So hat sich die „Affordable Art Fair“ in London, die zeitgenössische Kunst von 100 bis 5000 Euro anbietet, schon im Jahre 2000 in England zu einer der größten zeitgenössischen Kunstmessen des Landes entwickelt. Fast jeder vierte Besucher erwarb ein Kunstwerk. Eine Quote, die kaum auf anderen Kunstmessen erreicht wird.4 Durch all diese Bedingungen ist der Kunstmarkt stetig gewachsen. 1970 wurde sein Volumen auf ca. eine Milliarde Dollar 5, 1989/1990 auf 70 Milliarden Dollar, ca. drei Prozent des Weltbruttosozialproduktes, geschätzt.6 Auf diesem Markt gibt es die verschiedensten Teilnehmer und Protagonisten, wie z.B. Galerien, Museen, Sammler und Kunstmessen, die von enormer Bedeutsamkeit für die Karriere eines Künstlers sein können.7 Und gerade Kunstmessen spielen auf diesem Markt eine große Rolle. Solche meist regelmäßig stattfindenden Veranstal-

1

N-TV Online Pressemitteilung vom 11.05.1999, abrufbar unter http://www.n-tv.de/6761. html (Stand 09.02.2002).

2

DuBoff, Leonard, King, Christy, Art Law in a Nutshell, 3. Auflage 2000, Seite 37.

3

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, Düsseldorf, 2000, S. 19.

4

Zeitz, Lisa, „Kaufrausch für alle: „Affordable Art Fair“; New York hat jetzt eine Messe für erschwingliche Kunst“ in: FAZ, 27. Oktober 2002, Nr. 41, S. 58

5

Herchenröder, Christian: Die Kunstmärkte, 1978, Econ Verlag, Seite 13.

6

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 15.

7

Reuter, Mark A.: „Artists, Galleries and the Market“, in: 8 Vill. Sports & Ent. L.J.99 (2001), Seite 7.

2

Einführung

tungen sind für Galerien und Künstler zu einem festen Bestandteil in ihrem Dasein geworden. So setzte die Galerie Henze und Ketterer an dem Vernissageabend der 34. Art Cologne 38 Arbeiten des Künstlers Ernst Ludwig Kirchner (1880 bis 1938 8) zwischen DM 18.000 und DM 950.000 um. Eine andere Galerie wies im Jahre 2001 nach, dass sie seit 1992 rund 50 % ihres Jahresumsatzes, und somit ihre Existenz, der Teilnahme an der Art Cologne verdanke.9 Schon 1988 wurde festgestellt, dass Galerien auf Messen oft Umsätze in Höhe von DM 400.000 bis DM 500.000 erzielen.10 Die Teilnahme an solchen Messen ist zu einer Überlebensfrage für die ausstellenden Kunsthändler geworden. Ob nun in Deutschland oder im Ausland, wie auf der Art Basel 11, streiten Galerien und Veranstalter um die Zulassung. Es geht dabei immer um die gleiche Frage: Haben Aussteller einen Rechtsanspruch auf Zulassung zu einer Kunstmesse? 12 Kann man diesen Anspruch gerichtlich einklagen? Auf diese Problematik hat sogar schon die Europäische Union hingewiesen.13 Sie fordert gerade von den einzelnen Ländern, eine nationale Regelung zu schaffen, die es den Organisatoren einer Messe verbietet, den Zugang nach freiem Ermessen oder nach unklaren Kriterien zu bestimmen. Nur eine solche Regelung könne die Rechtssicherheit und den Schutz der aus dem EG-Vertrag fließenden Rechte hinreichend sicherstellen. Um eine solche Frage beantworten zu können, ist es von besonderer Bedeutung, die schon existierenden Regelungen auf ihre Anwendbarkeit zu untersuchen. Eine oft angewandte Norm stammt hierbei aus dem Kartellrecht 14, § 20 II Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB. § 20 GWB besagt, dass der Einsatz überlegener Marktmacht begrenzt werden muss, um die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs insgesamt zu gewährleisten. Dabei wird dass Ausnutzen der Marktstellung durch Verhaltensweisen, die

8

Schenk, Axel: Künstlerlexikon, Band I, S. 137.

9

Dittmar, Peter: „Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden.“ in: Berliner Morgenpost vom 18.08.2001.

10

OLG München, Urteil vom 13.10.1988 – U (K) 3912/88 in GRUR 1989, 370 (372).

11

Lienhard, Andreas: „Wirtschaftsfreiheit, Standplatzbewerbung“ in: AJP/PJA 6/2001, S. 713.

12

Dittmar, Peter, „Cliquen – Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/ 010818/feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

13

Erläuternde Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung der Regeln des Binnenmarktes auf das Messe- und Ausstellungswesen vom 16.12.1997, SEK (97) 2338, Seite 14.

14

Schack, Heimo, Kunst und Recht, Carl Heymanns Verlag KG, Köln, 2004, S. 48.

Einführung

andere Unternehmen behindern oder diskriminieren nicht per se verboten, sondern nur, soweit dies unbillig oder sachlich nicht gerechtfertigt ist. Hierbei können aus der Rechtsnatur der Norm als unmittelbar wirkendes Verbot zivilrechtliche Ansprüche abgeleitet werden. Und Absatz 2 erweitert den Anwendungsbereich des § 20 GWB auf kleine oder mittlere Unternehmen, die von anderen Unternehmen in bestimmter Art und Weise abhängig sind. Die Marktmacht wirkt dabei nicht generell auf einem relevanten Markt, sondern nur gegenüber bestimmten Marktpartnern definiert und ist damit „relativ“. Im Rahmen dieser Norm entstehen gerade bei der Anwendung auf den Bereich der Kunst vielfältige Fragen, angefangen von der grundsätzlichen Anwendbarkeit kartellrechtlicher Tatbestände auf den Kunstmarkt über die Definition eines gemeinsamen Marktes für Kunstmessen bis hin zu den einzelnen Auswahlkriterien. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kunstmarkt auf dem Gebiet der Kultur eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. An- und Verkauf von Kunstwerken beschäftigen den Handel und die Auktionshäuser und Kunstkritiker und die Gesellschaft über diskutieren den wirtschaftlichen Wert und die Qualität einzelner Kunstwerke. Diese Diskussionen tragen dabei auch zum ideellen Wert eines Kunstwerks bei, der im Rahmen der wirtschaftlichen Komponente des Kunstmarktes eine bedeutende Rolle spielt. Dieser Wert wird auch durch anspruchsvolle Messen und Ausstellungen erhöht, indem das Interesse an spezifischen Kunstgattungen bzw. Werken bestimmter Künstler erweckt oder erhöht wird.15 Hierdurch vervollständigen sie den Wirtschaftskreislauf der Kunst und können auf den Markt Einfluss nehmen.16 Durch diese Teilnahme an dem Wirtschaftskreislauf werden sie wichtig für Galeristen und Künstler, die dort ausstellen und verkaufen möchten. Dadurch kommt es zu den bereits aufgeführten Abhängigkeiten und Auseinandersetzungen, wenn eine Ablehnung erfolgt. Diese Streitigkeiten existieren sogar schon mehrere Jahre.17 Einen Umstand bilden z.B. die zum Teil beträchtlichen Bewerbungskosten, die bei einer Ablehnung umsonst waren.18 Diese Kontroversen werden dabei sowohl gerichtlich 19 als auch außergerichtlich geführt, z.T. mit den verschiedensten Argumenten. Bei den gerichtlichen Verfahren ist es mittlerweile bei 15

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 10.

16

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 180.

17

WDR-Scala, „Die 35. Art Cologne – Wie hart ist der Kunstmarkt“, Ausstrahlung am 2.11.2001, WDR 2001.

18

Ortmann, Peter, „Hoffen auf reiche Bescherung“ in: TAZ NRW – Ausgabe Köln Nr. 26 vom 02.11.2000, S. 5.

19

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“.

3

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Einführung

berühmten Kunstmessen sogar schon Usus geworden, dass das jeweils zuständige Gericht, mit der Problematik nun seit Jahren vertraut, im Vorfeld der Messe Verhandlungstage allein für Zulassungsklagen reserviert, um den Beteiligten schnellere Rechtssicherheit zu geben.20 Oft steht hierbei der durch einen Veranstalter eingesetzte Zulassungsausschuss im Zentrum der Kritik.21 Die rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der Zulassung und Ablehnung von Bewerbern zu Kunst- und Antiquitätenmessen stehen, könnte man als „Ausstellungsrecht“ bezeichnen, wobei schon früher geklärt wurde, dass eine solche Bezeichnung nur als eine Art Sammelbegriff zu verstehen ist, der die Gesamtheit aller Normen erfasst, die einen Bezug zum Tatbestand der Ausstellungen haben.22 Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich als ein Teil des Ausstellungsrechts insbesondere mit der Norm des Diskriminierungsverbots gemäß § 20 II GWB und dessen Anwendung auf Kunstmessen. Denn wie aufgezeigt wurde, kam diese Norm gerade in den zuletzt ergangenen gerichtlichen Entscheidungen zum Tragen.

A.

Offene Fragen

Die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf Zulassung zu einer Kunstmesse existiert, bedingt vielfältige Fragestellungen. Zwar wurden schon einige Teile des Kunstmarktes rechtlich aus den verschiedensten Perspektiven in der Literatur beleuchtet 23, wie aus der Sicht der Galerien und aus der Sicht des Urhebers. Jedoch geschah dies noch nicht aus der Sicht des Veranstalters und der gesetzlichen Regelungen des Kartellrechts, die er beachten müsste, obwohl sie schon oft Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung waren. So steht schon allein in Frage, ob eine Anwendung der rein wirtschaftlich ausgerichteten Normen des Kartellrechts auf das Gebiet der Kunst möglich ist. Dabei

20

Jürgensen, Andri, „Paten – System oder Qualitäts-Selektion? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www. kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002).

21

Dittmar, Peter, „Cliquen – Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/ 010818/feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

22

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos, Baden-Baden, 2000, S. 18.

23

Vgl. z.B. DuBoff, Leonard, King, Christy, Art Law in a Nutshell, 3. Auflage 2000; Lehr, Dirk, Göckmann, Rolf, Leitfaden zum Gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und Multimedia, Luchterhand Verlag, Neuwied, 1999.

A. Offene Fragen

kommt das Problem auf, inwieweit sich ökonomische und künstlerische Aspekte bedingen und in Einklang zu bringen sind, wenn die Normen Anwendung finden sollten. Ausgehend von der grundsätzlichen Möglichkeit eines jeden Kunstmesseveranstalters, über die Zulassung von Ausstellern frei entscheiden zu können, entsteht die Frage, wie diese Freiheit, geprägt von Geschmack und subjektiver Einschätzung, sinnvoll in die Anforderungen des § 20 II GWB integrieren werden kann. Damit ist zu klären, welche Auswahlkriterien noch durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen rechtlich erlaubt werden, und welche Kriterien zu einer Diskriminierung führen könnten. Es steht somit in Frage, wie weit die wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt werden kann, und wie weit sie bestehen bleiben muss. Denn das Recht ist eine Grundvoraussetzung für die dauerhafte Möglichkeit der wirtschaftlichen Freiheit.24 Daneben muss geklärt werden, welche rechtlichen Möglichkeiten in einem Gerichtsverfahren sowohl für den abgewiesenen Bewerber als auch für den Veranstalter existieren. Bei der Lösung der Fragen ist zu beachten, dass, wenn in folgenden Kapiteln und Abschnitten von „Kunst“ die Rede sein wird, dies nicht ganz exakt ist. Ausgehend von dem Umstand, dass nach heutiger Auffassung es keinen allgemeingültigen Kunstbegriff gibt, ist „Kunst“ im weiteren Sinne jede auf Wissen und Übung begründete schöpferische Tätigkeit. Enger gefasst, repräsentiert sie die Gesamtheit der von Menschen geschaffenen, nicht durch Funktionen festgelegten Werke, zu deren Schöpfung ein hervorragendes und spezifisches Können erforderlich ist. Damit verbunden ist die hohe gesellschaftliche und individuelle Bedeutung des Werkes. In jüngster Zeit sieht man Kunst – unter dem Einfluss pluralistischer Haltung und Denkweise – zunehmend unter individuellen Gesichtspunkten. Formal unterteilt man Kunst in Literatur, Musik und die Darstellende Kunst einerseits, sowie die Bildende Kunst andererseits. Die folgenden Erörterungen befassen sich mit dem Kunstmarkt, also mit dem Handel von Werken der Bildenden Kunst. Dazu zählen Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Plastiken, antiquarische Bücher und Autographen, aber auch Werke der angewandten Kunst, also im weitesten Sinne des Kunsthandwerks. Die Untersuchung der offenen Fragen im Rahmen der Kunst- und Antiquitätenmessen beschränkt sich auf die Untersuchung von Messen und Märkten, auf denen die so genannte Hoch- oder Museumskunst gehandelt wird, im Gegensatz zu Flohmärkten, wo die Trivial- oder Kaufhauskunst angeboten wird. Der hier zur Verfügung stehende Raum würde nicht ausreichen, den Besonderheiten all

24

Müller-Graff, Peter-Christian, Buchbesprechung zu „Recht und wirtschaftliche Freiheit“ von Fikentscher, Wolfgang, in: DVBl. 1996, S. 1451.

5

6

Einführung

dieser Märkte, die von der Statistik wie selbstverständlich dem Kunstmarkt zugerechnet werden, auch nur halbwegs gerecht zu werden. Weiterhin sollen innerhalb des Bereichs zeitgenössischer Kunst nur der Handel von Originalen behandelt werden, also für Werke, die jeweils nur in einem Exemplar zur Verfügung stehen (Unikate) – und damit den Tatbestand des „individuellen Gutes“ exemplarisch erfüllen – im Unterschied zu Reproduktionen.25

B.

Fragestellung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Rechten und Pflichten eines Veranstalters von Kunstmessen. Dabei stehen die rechtlichen Anforderungen des Diskriminierungsverbotes des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Vordergrund der Erörterungen. Einer der Schwerpunkte liegt dabei auf der Frage, welche Ablehnungsgründe einer Kunstmesse für die Auswahl zwischen verschiedenen Bewerbern als sachgerecht oder als sachfremd eingestuft werden müssen. Dabei sind die besonderen Anforderungen der Kunst und deren Einschätzung zu beachten. Es stellt sich gerade in diesem Bereich die Frage, ob § 20 II GWB überhaupt hier Anwendung finden kann, oder ob nicht die Schaffung einer eigenen kunstrechtlichen Norm nötig wäre, um die Situation rechtlich erfassen zu können. Denn gerade die künstlerischen Aspekte, die nicht an wirtschaftliche Gegebenheiten anknüpfen, könnten eine Anwendung verbieten. Zudem soll eine Ermittlung von tatsächlicher Funktion und Aufgabe der am Ausstellungsvorgang Beteiligten dazu dienen, ihre Belange angemessen würdigen zu können. Dies entspricht dem Gedanken der Interessenjurisprudenz, das Recht nicht nur aus bloßen Begriffen zu erfassen, sondern durch den Begriffsschleier hindurch zu den soziologischen Tatsachen, zu den Interessen und ihren Wertungen vorzustoßen.26 Schon vor der Frage, welche Auswahlkriterien zulässig und geboten sind, muss für die Anwendung des Diskriminierungsverbots geklärt werden, welche Marktstellung eine Kunstmesse auf dem Kunstmarkt innehat. Hier entsteht das Problem, auf welche Art und Weise überhaupt eine Abgrenzung auf dem Kunstsektor möglich ist. Denn „ein“ Kunstmarkt existiert nicht. Es gibt vielmehr eine unendliche Anzahl von Teilmärkten, die in ihrer Gesamtheit als Kunstmarkt bezeichnet werden.

25

Bongard, Willi, „Zur Preisentstehung von Werken zeitgenössischer Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 38, S. 39

26

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 23.

C. Gang der Untersuchung – Ziel der Arbeit

Damit liegt ein Schwerpunkt der Arbeit auch auf den Möglichkeiten der Abgrenzung eines Marktes für Kunst- und Antiquitätenmessen. Neben noch weiteren Problemstellungen steht zur Diskussion, welche nationalen und internationalen Regelungen und tatsächlichen Gegebenheiten auf eine Anwendung des Diskriminierungsverbots einwirken könnten. Letztlich ist zu klären, sollte ein Verstoß gegeben sein, welche rechtlichen Möglichkeiten einem abgewiesenen Bewerber an die Hand gegeben werden, und welche Entscheidungsmöglichkeiten ein Gericht besitzt.

C.

Gang der Untersuchung – Ziel der Arbeit

In einem ersten Schritt soll ein Überblick über das derzeitige Geschehen auf dem Sektor der Kunst- und Antiquitätenmessen gegeben werden. Dabei wird die Entwicklung der Kunstmessen von den Anfängen bis hin zu den aktuellen Kunstmessen aufgezeigt werden, um die historische Dimension der Problematik zu verdeutlichen. Dazu wird ein Überblick über das derzeitige Messegeschehen gegeben werden, um die weltweite Situation der Kunsthändler und Kunstmessenveranstalter verstehen zu können. Hierbei wird versucht werden, den Kunstmarkt anhand von tatsächlichen Zahlen und Fakten zu beschreiben, soweit überhaupt solche existieren und verwertbar sind. In einem Zwischenschritt werden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die rechtlichen Beziehungen der an einer Kunstmesse Beteiligten dargestellt, und ein kurzer Überblick über die Normen gegeben, die einen Aufnahmeanspruch begründen könnten. Als Nächstes wird die erste offene Frage geklärt, ob überhaupt das GWB auf den Kunstsektor Anwendung finden kann. Hier ist zu ermitteln, wann das Diskriminierungsverbot überhaupt auf die vielfältigen rechtlichen Erscheinungsformen von Kunstmesseveranstaltern, von der öffentlich-rechtlichen Einrichtung über Vereine bis hin zu rein privaten Veranstaltern, angewendet werden kann, oder ob es durch spezielle Normen verdrängt wird. Ferner spielt bei der Anwendbarkeit von weiteren Gesetzen eine Rolle, ob europäische Normen § 20 II GWB verändern oder verdrängen könnten. Nachdem die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots geklärt wurde, bedarf es der Untersuchung, was für eine Art von Abhängigkeit zwischen einem Bewerber und einer Kunstmesse besteht. Dies besitzt Bedeutung für die später zu treffende Marktabgrenzung und Abwägung aller Interessen. Gerade die Definition des relevanten Marktes nimmt in der vorliegenden Arbeit dabei eine gewichtige Rolle ein. Denn die schwierige Frage bedarf der Klärung, auf welche Art und Weise überhaupt der Kunstmarkt im Allgemeinen, und für Kunstmessen im Besonderen, abgegrenzt werden kann. Hierfür kommen sowohl pekuniäre wie

7

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Einführung

auch künstlerische Aspekte in Betracht, wobei speziell in diesem Zusammenhang auf die Besonderheiten des Kunstmarktes eingegangen werden muss. Daneben sind räumliche und zeitliche Komponenten bei einer Definition mitzuberücksichtigen und mit § 20 II GWB in Einklang zu bringen. Wenn der Markt festgelegt wurde, und in einem weiteren Schritt die Stellung einer Kunstmesse auf diesem Markt bestimmt wurde, bedarf es der Erörterung und Prüfung, welche Interessen nicht nur auf der Seite eines Bewerbers, sondern auch auf der Seite des Veranstalters im Rahmen des Diskriminierungsverbots zu berücksichtigen sind. Nach Feststellung aller Aspekte werden in einem weiteren Schritt die einzelnen Zulassungsbeschränkungen auf Ihre Wirksamkeit gemäß den Anforderungen des § 20 II GWB untersucht. Dabei kommen namentlich nicht nur die bereits gerichtlich diskutierten Kriterien in Betracht, sondern auch Bedingungen, die entweder schon in früheren Zeiten umstritten waren oder noch nicht einer Prüfung unterzogen wurden. Eines der wichtigsten Kriterien stellt die in vielen Fällen umstrittene Qualitätsbeurteilung dar. Dieser muss ein ausführliches Kapitel gewidmet werden. Dabei muss gefragt werden, ob sich die Bedingungen der Abwägung verändern, wenn sich Neulinge auf den Sektor begeben, seien es neue Galeristen oder neue Veranstalter von Kunstmessen. Nach diesen Untersuchungen wird zu ermitteln sein, welche Auswahlverfahren einem Veranstalter zur Seite stehen, und wie ein Auswahlgremium besetzt werden kann oder muss, wenn ein Veranstalter den kartellrechtlichen Anforderungen genügen möchte. In einem letzten Schritt ist dann zu bestimmen, welche rechtlichen Schritte einem abgewiesenen Bewerber zur Verfügung stehen, wenn er gegen seine Nichtzulassung vorgehen möchte. Der Gang der Untersuchung weist schon auf die Richtung der vorliegenden Arbeit hin. Ziel der Untersuchung ist es, zu klären, in welchem Maße Kunstmessen Bewerber abweisen und Zulassungsbeschränkungen aufstellen dürfen. Dabei steht gerade in Frage, ob kartellrechtliche Normen, insbesondere das Diskriminierungsverbot auf den „Kunstmarkt“ angewendet, und die bisherige Rechtsprechung auf diese Situation übertragen werden kann, oder ob nicht Veränderungen in der Anwendungsweise des Gesetzes vorgenommen werden müssen, um den Anforderungen von „Kunst“ gerecht zu werden, die auch den Handel beeinflussen. Es bedarf gerade hier der Klärung, ob nicht für den schwierigen Fall der Abweisung von Galeristen durch Kunstmessen diese Fallgestaltung vielmehr ein eigenes Recht bedürfte und ob nicht eine „kunstrechtliche“ Norm geschaffen werden müsste, um die spezielle Problematik des Handels mit Kunstwerken erfassen zu können.

Kapitel 1: Überblick über das Messeund Ausstellungswesen im Bereich der Kunst Der Kunstmarkt stellt eine „eigentümliche Einheit“ aus ästhetischen und ökonomischen Bedürfnissen dar.27 Dies folgt aus dem Umstand, dass jedes Kunstgut eine Doppelnatur aus künstlerischer Idee und individuellem Produkt besitzt. Diese Doppelnatur ist dabei von grundlegender ökonomischer Bedeutung. Die künstlerische Idee nämlich, der ästhetische, politische oder philosophische Informationsgehalt eines Kunstwerkes ist, in der Sprache der modernen Ökonomie, ein nichtrivalisierendes Gut. Nichtrivalisierend heißen diejenigen Güter, deren produktive oder konsumtive Verwendung durch einen Produzenten bei gegebener Menge die entsprechende Verwendung durch andere Produzenten, respektive Konsumenten, nicht verhindert. Die Produzenten bzw. Konsumenten müssen folglich nicht um die Verwendung der einzelnen Guteinheiten konkurrieren.28 Gleichzeitig ist festzuhalten, dass Ideen, oder auch die Malweise, grundsätzlich frei sind.29 Dies hat zur Folge, dass bei den folgenden Überlegungen zu beachten ist, dass Kunst nicht substituierbar ist. Dementsprechend birgt der Kunstmarkt verschiedene Klienteltypen in sich, die unterschiedliche Künstlerinnen, Künstler und Kunststile kaufen.30 Vor einer rechtlichen Bewertung im Rahmen des Kartellrechts ist es jedoch unabdingbar sich über die historische Entstehung, die derzeitige Situation und die zukünftige Entwicklung des Kunstmarktes im Allgemeinen und der Kunstmessen im Speziellen ein Bild zu verschaffen.

27

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst, Seite 18.

28

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst“ in: Wirtschaftpolitische Blätter 1980, S. 17 (19).

29

BGH, Urteil v. 08.06.1989 – I ZR 135/87 „Emil Nolde“ in: NJW 1990, S. 1986, S. 1988.

30

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst, Seite 60.

10

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

I.

Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmessen

Die Entwicklung des Kunsthandels begann schon sehr früh. Er kann auf eine Geschichte von einigen tausend Jahren zurückblicken. Dass er dabei stets eine enorme kulturelle Bedeutung hatte und hat, ist unbestritten.31 Dabei zählt Kunst zu jenen archaischen Bedürfnissen der Menschen, die vor allem stark irrational geprägte sind und jeder einfachen Wirklichkeitsbetrachtung und jeder ideologiekritischen oder kunstsoziologischen Analyse entzogen sind. Dies ergab sich auch schon aus der Tatsache, dass die Nähe zur Religion, zum kultischen Ursprung, eine rationale Analyse verhinderte. Heute geschieht dies durch die konstitutive Bedeutung für die Kultur als Selbstverständnis der Gesellschaft. Dennoch lässt sich die Tatsache nicht übersehen, dass Kunst produziert wird. Künstler erwerben Produktionsmittel, um mit ihrer Hilfe Kunstwerke zu erstellen. Viele Künstler leben vom Vertrieb und der Vermarktung ihrer Kunstwerke. Spitzenkünstler erzielen oft Spitzeneinkommen. Kunst stillt einen offenbar mächtigen Bedarf, so dass es nebeneinander einen breiten Markt profaner Kunst und einen Expertenmarkt der Spitzenkunst gibt. Dieser so mächtige Bedarf hat sogar zur Folge, dass eigene wirtschaftlich sehr erfolgreiche sublegale Märkte für Kunstfälschungen und für Kunstraub existieren. Kunst hat also eine bedeutende wirtschaftliche Dimension.32 Unterdessen ist eine exakte Definition des Kunsthandels kaum möglich, denn über die Jahre hat sich eine Vielzahl von verschiedenen Teilnehmern an diesem Markt herausgebildet. Im weiteren Sinne umfasst der Kunsthandel mittlerweile eine Vielzahl von Institutionen, deren Gemeinsamkeit die Betätigung auf dem Kunstmarkt ist. Die meisten Teilnehmer dieses Marktes arbeiten selbständig und sind primär auf die Erhaltung ihrer eigenen Existenz ausgerichtet. Trotz dieses hauptsächlich kommerziellen Aspekts üben die Einrichtungen des Kunstmarktes auch Funktionen aus, die kunstvermittelnden Charakter haben und damit für das Ausstellungswesen von Bedeutung sind.33 Seit jeher basiert dabei der Kunstmarkt auf dem Vertrauensprinzip: Spekulationen, die zu einer Diskrepanz zwischen Marktwert und ästhetischer Bewertung führen, waren und sind kurzlebig. Was „ästhetisch gut ist“, erwirbt den 31

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 7.

32

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17.

33

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 33.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

gebührenden Marktwert. Das Kunstwerk, das als etwas Exklusives auf dem Markt gehandelt wird, erhält mittelfristig eine seinem Marktwert „entsprechende“ ästhetische Bewertung.34

a)

Der Beginn des Kunsthandels

Aufgrund historischer Dokumente kann man den Handel mit Kunstgegenständen zurück bis in das 8. Jahrhundert v. Chr. verfolgen. Schon in Rom gab es eine Erweiterung des Kunsthandels und der Kunstschau durch planmäßige Plünderungen von griechischen Kunstwerken. Während des Mittelalters wurde die Kunstproduktion auftragsgebunden. Bilder und Statuen wurden von großen kirchlichen und politischen Machthabern angefordert. Bereits gegen Ende des Mittelalters und vor allem durch die Erfindung des Buchdrucks sind dann zunehmend Bilder von Heiligen an Orten von Wallfahrten angeboten und verkauft worden. Der Kunsthandel wie er im Laufe der Neuzeit entstand, setzte aber die Möglichkeit voraus, dass auch private Personen das Recht haben, wertvolle Kunstwerke bzw. ästhetische Symbole mit hohem repräsentativem Charakter zu erwerben. Die Entwicklung der italienischen Städte im 13. und 14. Jahrhundert schuf allmählich all diese Voraussetzungen, die zur Entstehung des Kunsthandels führten. Der Markt und Ladenverkauf von Kunstwerken begann im 15. Jahrhundert in Italien und seit dem 16. Jahrhundert in Deutschland und den Niederlanden. Die Bilderproduktion des 16. Jahrhunderts war marktgerecht: Die Formate und die verwendeten Materialien sind darauf abgestimmt, dass die Bilder ins Interieur von bürgerlichen Häusern hineinpassen. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es permanente Verkaufsausstellungen.35 Entgegengesetzt zu diesem „privaten“ Kunsthandel entstanden die staatlichen Kunstmuseen aus der durch den gesellschaftlichen Strukturwandel bewirkten Verlagerung der Aufgabe der kulturellen Traditionsbewahrung durch private Träger in die Hand des Staats. Eine weitere Separation auf dem Kunstmarkt erfolgte durch Trennung von kaufenden Konsumenten und kaufermöglichenden Kunsthändlern. Früher vereinigte der durch ökonomische, sakrale und / oder profane Macht ausgestattete Mäzen die Rollen des Auftraggebers, Käufers, Sammlers und Traditionsbewahrers. Diese Rollen, die sich in einer Person vereinigt hatten, haben sich jedoch im Laufe der Zeit nicht nur differenziert, sondern teilweise auch separat institutionalisiert. Dies hat dazu geführt, dass neben der staatlichen und privaten Kunstförderung der Kunsthandel zunehmend an Bedeutung gewann. Bedingt ist er daher einerseits durch diese geschichtliche Entwicklung und andererseits dadurch, dass als Folge des durch die Demokrati-

34

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 61.

35

Zembylas, Tasos, a.a.O. S. 63.

11

12

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

sierung der Güterverteilung geförderten gesellschaftlichen Wohlstandes die Nachfrage nach kulturellen Produkten, wie sie Werke der bildenden Kunst darstellen, ständig stieg.36 Durch diese Trennung und Bildung der verschiedenen Akteure auf dem Kunstmarkt entstanden die heute immer noch bekannten Formen der Beteiligten. Weiterhin entstand die Form der Galerie und Kunsthandlungen, deren Betreiber schon Künstler fest unter Vertrag hatten und Exklusivverträge besaßen. So schloss eine Galerie schon 1912 Verträge mit Picasso, Braque, Leger, Juan Gris, Derain ab. Dabei legte er genau fest, wie viel die Bilder für einen Zeitraum von Jahren kosten dürfen, während er als Gegenleistung versprach, die gesamte Produktion zu diesen Preisen abzunehmen. Noch heute existiert dieses Vertriebssystem. Dementsprechend gibt es selbstverständlich noch Kunsthändler, die Verträge mit Künstlern für den exklusiven Vertrieb ihrer Arbeit abschließen, wie z.B. Leo Castelli im Falle Lichtenstein, Rauschenberg oder Jasper Johns. Es besteht somit das Dreieck Künstler – Vermittler – Sammler.37 Es kann letztendlich festgehalten werden, dass der Handel, über die Grenzen hinweg, nicht erst eine Erscheinung der kapitalistischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts ist, sondern so alt ist wie die Kunstwerke selbst. Schon im 20. Jahrhundert waren starke Wanderbewegungen über die Grenzen zu verzeichnen. Private amerikanische Sammler erwarben europäische Kunstwerke für ihre privaten Sammlungen und für Museen. Diese Abwanderung wurde insbesondere von Italien und Großbritannien bedauert. Sie befürchteten einen Ausverkauf des nationalen Erbes. Diese Wanderbewegungen erstrecken sich jedoch nicht nur auf den freiwilligen Austausch durch z.B. Kauf oder Schenkung, sondern auch auf erzwungene Maßnahmen, wie z.B. der Import aus Kolonien. Beispielhaft kann hierfür das antike Rom angeführt werden. Das Stadtbild Roms ist stark, jedoch nicht ausschließlich, durch Obelisken aus dem alten Ägypten geprägt, die durch Zwang über die Grenzen gesandt wurden.38 Auch Deutschland war und ist von dieser Abwanderung betroffen. Hierbei ist grundsätzlich von der Import- und Exportfreiheit für Kunst auszugehen. Allein eine Schätzung eines Kölner Kunstspediteurs belief sich Anfang der 1990er Jahre auf ca. 26 000 Bewegungen pro Jahr.39 Nur gemäß § 1 des Gesetzes zum

36

Thurn, Hans Peter, „Soziologie der bildenden Kunst – Forschungsstand und Forschungsperspektiven“ in: Künstler und Gesellschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1974, Seite 120, S. 154.

37

Zwirner, Rudolf, „Verkauf von moderner Kunst“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 164.

38

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 133.

39

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 2.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6.8.1955 für Kunstwerke und anderes Kulturgut – einschließlich Bibliotheksgut – kann eine Abwanderung verboten werden, sofern es einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde. Ein „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“, welches von den Ländern geführt wird, beinhaltet dabei die wichtigen Kulturgüter. Eine Ausfuhr bedarf dann der Genehmigung durch die oberste Landesbehörde. Ein Ausfuhrverbot wäre zu erteilen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen. Auseinandersetzungen im Hinblick auf ein solches Verbot gab es in den 80er Jahren anlässlich der Notwendigkeit des Rückkaufs des Hildesheimer Tafelsilbers oder des Evangeliars Heinrich des Löwen und Watteaus großem Cythera-Bild aus dem Besitz der Hohenzollern. Dagegen gingen andere Kulturgüter verloren.40 Diese Ausfuhrverbote betreffen jedoch nur einen geringen Teil der Kulturgüter. Die meisten Kunstgegenstände werden ohne diese Einschränkung gehandelt, so ist es mittlerweile nur als obligatorische „Pflicht“ anzusehen, dass Kunstgegenstände zumindest in Datenbanken wie Art Loss Register auf ihre ordnungsgemäße Provenienz überprüft werden. Große Auktionshäuser führen meist diese Überprüfung standardmäßig durch. Denn ein Abfluss von Kunst ist immer noch zu spüren, wenn auch Amerika als Importland langsam wegfällt, ist der Beginn des 21. Jahrhunderts von einer ansteigenden Importkraft Russlands geprägt. Diesen Wandel hat jedoch noch nicht das Auktions- und Messewesen erreicht. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem amerikanischen und europäischen Markt. In der Entwicklung des Kunstmarktes entstand das Bedürfnis, dass sich Kunsthändler auf Plätzen trafen, um Kunden ein breiteres Spektrum anbieten zu können.

b)

Die Entwicklung der Kunstmesse – Von den Salonausstellungen in Paris bis zur Art Cologne

In der heutigen Zeit besitzen Messeveranstaltungen wie die Internationale Kunstmesse Basel, Art Basel, die Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse, die abwechselnd in Düsseldorf und Köln veranstaltete Kunst- und Antiquitätenmesse, die Kunst- und Antiquitätenmesse in München, um nur einige bekannte im deutschsprachigen Raum zu nennen, einen wesentlichen Anteil am Kunstund Antiquitätenhandel. Solche periodischen Verkaufsmessen fungieren als Marktbarometer und Konjunkturanzeiger für den Kunsthandel. Das Angebot des Handels ist in besonderer Reichhaltigkeit mit größerer Markt- und Preis-

40

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 2.

13

14

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

transparenz an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt konzentriert. Schon auf der Münchener Kunst- und Antiquitätenmesse waren 1971 126 Aussteller vertreten, die einen Umsatz von 5,5 Mio. DM erzielten und 38.000 Besucher anlockten.41 Am Anfang einer solchen Messevielfalt standen die in Paris veranstalteten „Salonausstellungen“, deren Ablehnungen und Aufnahmen oft höchst umstritten waren. In der fast 90 Jahre umfassenden staatlichen Salonära veranstaltete die Pariser Kunstverwaltung 62 Salons.42 Diese Salons kann man als den Beginn der klassischen Kunstmesse auffassen. Denn mit dem Salon war im 19. Jahrhundert das Salonbild weltweit ein Qualitätsbegriff geworden. Auf dem internationalen Kunstmarkt diesseits und jenseits des Atlantiks erzielten die Gemälde französischer Spitzenmaler Spitzenpreise. Der Hauptumschlagplatz für Gemälde aller Größen und Genres war der Salon selbst. In seinem staatlich reglementierten Umfeld hatte sich seit der Jahrhundertwende eine umfangreiche Kunstbranche entwickelt, deren Produkte alljährlich auf der Pariser Kunstmesse ausgestellt wurden und einen festen Platz in der Wirtschaftsbilanz des Landes innehatten.43 Im Rahmen dieser Salons war, wie auch in heutiger Zeit, die umstrittenste Institution des staatlichen Salons zweifellos die Aufnahmejury. Seit 1798, als erstmals eine solche Jury die Zulassung der Bewerber kontrollierte, wurde ihre Existenz immer wieder in Frage gestellt. Liberale Kräfte hielten die Juroren prinzipiell für überflüssig und plädierten für einen offenen Salon mit freiem Zutritt für jeden Künstler; andere machten Front gegen die Jury-Ernennung durch den Staat und forderten die Wahl der Juroren durch die Salonkünstlerschaft. Bis heute ist die Existenz der Salon-Jury untrennbar mit Begriffen wie Despotismus, Diktatur der „Académie des Beaux-Arts“ oder Unterdrückung der künstlerischen Avantgarde im 19. Jahrhundert verbunden.44 Jedoch war die Aufgabe der Jury immer festgeschrieben. Sie hatte die Aufgabe, « de faire un choix parmi les ouvrages qui seront présentés pour l’exposition » sowie « de s’éloigner ceux qui ne seraient pas dignes d’y avoir place ».45 Trotz dieser hehren Grundsätze wurde ein typischer Reibungspunkt zwischen Jury und Kunstverwaltung die praktische Arbeit der Juroren. Die Durchsicht der

41

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 37.

42

Sfeir-Semler, Andrée, Die Maler am Pariser Salon 1791–1880, Campus Verlag, Frankfurt / New York / Paris; 1992, S. 17.

43

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 28.

44

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 115.

45

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 116.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

eingereichten Arbeiten erfolgte nicht nach Bildgattungen geordnet. Stattdessen wurden Landschafts- und Historiengemälde, Genrebilder, Portraits und Stiche von den Wärtern des Depots in eben der zufälligen Reihenfolge den Jurymitgliedern vorgeführt, wie sie dort abgegeben worden waren. Ein abgewogenes Urteil war infolge der mangelnden Vergleichsmöglichkeiten innerhalb der Bildergattungen nicht möglich, auch bedingt durch den Mangel an Zeit. Die Jury musste innerhalb einer vorgegebenen Zeit alle Objekte sichten. Während der letzten Salons führte dies dazu, dass 3.900 Minuten für 4883 Werke ausreichen mussten, ohne dass die Juroren Zeit für Pausen und Beratung hatten.46 Solch ein Marathon der Auswahl führte oft zu unverständlichen Entscheidungen, nicht nur aus heutiger Sicht. So wurde sogar das Delacroix-Bild „L’éducation de la Vierge“ nicht angenommen, wobei innerhalb der Jury die Maler ihre Architektenkollegen dafür verantwortlich machten.47 Denn Maler, Bildhauer, Architekten und Graveure mussten immer die Arbeiten der Nachbardisziplinen beurteilen. Dabei blieben Diskussionen und Konflikte in ästhetischen Fragen und Ansichten nicht aus, was 1845 die Jury bis an den Rand der Spaltung brachte. Gleichzeitig war sich die Jury damals bewusst, dass die Aufnahme von Werken in den Salon für die Künstler der damaligen Zeit im weitesten Sinne lebensentscheidend war. Eine Teilnahme an dem Salon konnte die Existenz eines Malers sichern, seine Karriere am Kunstmarkt aufbauen oder beenden und deshalb galt sein Hauptinteresse der Aufnahme in den Salon. Die Aufnahme bedeutete Ruhm, Erfolg und damit hing der Verkauf ihrer Bilder wesentlich von der Zulassung ab. Die besten Werke wurden bereitgehalten, die Aufhängung war eine entscheidende Frage und kurz vor der Eröffnung wurde mit letztem Firnis Glanz auf die Gemälde gezaubert – daher auch der Begriff „Vernissage“.48 Aufgrund der umstrittenen Entscheidungen und dem Protest abgelehnter Bewerber wurde durch diese der „Salon des Refusées“ 1863 gegründet.49 Dieses geschichtliche Ereignis kann als historisches Vorbild für die Gründung der Art Cologne angesehen werden. Denn auch sie wurde gegründet, weil Galeristen zu oft abgelehnt wurden und durch diesen Umstand eine Ersatzkunstmesse für sich gründeten. Aber der „Salon des Refusées“ im Jahre 1863 war nicht der erste dieser Art. Es wurden im Laufe des XIXten Jahrhunderts immer wieder Ausstellungen abgelehnter Künstler veranstaltet. Dabei versuchte die Jury des Salons nur die Qualität eines Werkes in der Regel für die Zulassung als wesentlich zu berücksichtigen. Die konservative-akademistische oder avantgardistische Malweise der eingereichten Werke war demgegenüber sekundär. Der langjährige 46

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 127.

47

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 127.

48

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 122.

49

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 136.

15

16

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Anwalt der Avantgarde Maler, Emile Zola, stellte fest: „Il suffit de peindre des grandes œuvres … Elles finissent toujours par avoir le succès qu’elles méritent!“50 Dabei spielten tatsächlich jedoch noch weitere Voraussetzungen und Bedingungen für den Erfolg der Maler am Salon eine Rolle. Diese waren komplex und vielfältig. Sechs Faktoren waren von Bedeutung: der Herkunftsort der Maler, ihr Geschlecht, ihr Ausbildungsniveau, ihr Malstil, die Bildgattung und nicht zuletzt die Qualität der Bilder.51 Aber nicht nur für französische Künstler war der Salon von Bedeutung. Als wichtigste und größte Ausstellung im zentralisierten französischen Kunstsystem hatte der Salon für Pariser Maler ebenso wie für jene aus der Provinz einen gleich hohen Stellenwert. Viele nicht-französische Künstler beteiligten sich ebenfalls an dieser Pariser Veranstaltung mit Weltruhm.52 Auf der anderen Seite, so paradox es klingt, begann mit der Ablehnung durch die Salonjury in der Regel die Musterkarriere eines französischen Malers im 19. Jahrhundert. Erst nach einer weiteren oder mehreren missglückten Bewerbungen wurde der Aspirant zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt war der Maler zwischen 25 und 29 Jahre alt. Den nächsten Karrieresprung, die erste Medaillierung, erreichte er nach ungefähr fünf Salons im Alter zwischen 32 bis 35 Jahren.53 Und letztendlich diente die Jury Künstlern als Inspiration. So wurden die Juroren oft zum Objekt bissig-bösartiger Zeichnungen von Karikaturisten wie Daumier, insbesondere wenn ihnen Fehlurteile vorgeworfen wurden.54 In den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten, die auf die Salons folgten, war nicht zu übersehen, dass der Kunsthandel sich um so stärker institutionalisierte, je mehr Menschen am Kunstkonsum teilnahmen und so den Bildenden Künstlern eine immer breitere wirtschaftliche Grundlage für ihr künstlerisches Handeln verschafften. In der Bundesrepublik siedelten sich neben Künstler auch Händler und Galeristen z.B. in der Umgebung von Düsseldorf und Köln an. Auch entfalteten die Händler und Galeristen in Form von Kunstmessen und Kunstmärkten immer mehr Aktivitäten.55 Für die aktuelle Situation ist daher an erster Stelle eine Betrachtung der deutschen Kunststandorte und Kunstmessen durchzuführen, um später dann die europäische und internationale Kunstszene mit einzubeziehen.

50

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 149.

51

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 344.

52

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 248.

53

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 230.

54

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 128.

55

Thurn, Hans Peter, „Soziologie der bildenden Kunst – Forschungsstand und Forschungsperspektiven“ in: Künstler und Gesellschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1974, Seite 120, S. 156.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

c)

Bedeutende Standorte für Kunstmessen in Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland entstand in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Vielzahl von Kunst- und Antiquitätenmessen. So wurde neben den drei etablierten Messen, vom Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels getragen, in Köln/Düsseldorf, Hannover, München und einer Fülle von Regionalmessen 1987 in Frankfurt eine neue Antiquitätenmesse gegründet, welche 1989 als nationale Kunstmesse geführt wurde. Viel früher, im Jahre 1982, wurde in Berlin eine Verkaufsschau gegründet. Dort wurde mittlerweile das alte Kojenprinzip durch eine epochenbezogene Präsentation aufgehoben, gleich einem Museum. Bei ihrere Internationalisierung, parallel zum Berliner Weltwirtschaftsgipfel gab es Auseinandersetzungen, an denen auch der deutsche Kunsthandelsverband beteiligt war. Obgleich dieser Diskussionen wurde die Messe 1990 für ausländischen Aussteller geöffnet.56 Gegenüber dem Sektor der Antiquitäten hat sich eine größere Entwicklung auf dem Markt der modernen und zeitgenössischen Kunst vollzogen. Die Vorreiterin der modernen Kunstmessen ist die 1967 als „Kölner Kunstmarkt“ gegründete und jetzige „Art Cologne“. Sie erlebte auch vor den allgemeinen Aufschwung des Kunstmarktes in den 1980er Jahren eine Phase der Rezension. Von diesem Aufschwung vor allem in den 1980er und auch 1990er Jahren, gezeichnet durch eine Phase der Investitionseuphorie, profitieren die meisten modernen Kunstmessen immer noch, wie z.B. die Art Basel und die Kunstmesse in Chicago. Sie ist auf amerikanische Großsammler ausgerichtet und feierte 1989 ihr Zehnjähriges Jubiläum. Eine weitere amerikanische Kunstmesse in Los Angeles, existent seit 1988, wird jedoch nicht als im Niveau vergleichbar bezeichnet.57 In Frankreich wurde 1974 die Pariser FIAC mit Veranstaltungszeitraum im Oktober gegründet. Sie ist Frankreichs wichtigste Kunstmesse der modernen und zeitgenössischen Kunst. Sie besitzt einen alljährlich wechselnden Länderschwerpunkt und besitzt einen regen Zulauf an Besuchern, so wurden z.B. 1989 ca. 140 000 Eintrittskarten verkauft und nach eigenen Angaben rund 400 Millionen Francs umgesetzt. Von wachsender Bedeutung für den spanischen Kunstmarkt ist die Madrider Messe „Arco“ (Arte Contemporaneo). Sie wird jeweils in der zweiten Februarhälfte abgehalten. Schon 1989 erreichte sie ca. 119 000 Besucher, damit wurde 1989 der zweite Platz nach messbarer Resonanz erzielt. Im Folgejahr wurden 142 000 Besucher gezählt. Von den internationalen Ausstellern waren 31 aus Deutschland und 21 aus Amerika und bildeten damit die Spitzengruppe, das deutsche und amerikanische Kontingent mit 31 und 21 Ausstellern 56

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 45.

57

Herchenröder, Christian, a.a.O. S. 45.

17

18

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

ganz vorn. Auch wenn jede Kunstmesse einen eigenen Beitrag zu dem Kunstmarkt liefert, ergibt sich ein neues Bild, fast inflationäres Bild, schon für die 1980er Jahre, wenn neben den großen Kunstmessen die Regionalmessen zugezählt werden. Diese Ausweitung führt dabei zu einem Verlust der Persönlichkeit des Kunstmarktes.58 Dieser Trend hielt in den 1990er Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts an, der Kunstmarkt verlor dabei das Bild des persönlichen Kunsthändlers hin zu einem Massenmarkt ohne Gesicht. Jedoch ist bei einer Betrachtung der Standorte für Kunstmessen immer zu berücksichtigen, dass im Mittelpunkt die Wandlungen des Marktes in einem von stetiger Expansion und Milliardenumsätzen geprägten Jahrzehnt stehen.59 Trotz dieser Wandlungen kann man aber eine Art „Kunstzirkus“ beobachten. Dies bedeutet, dass z.B. den vier „großen“ Kunstmessen der Moderne, Art Basel, FIAC, Art Cologne und Art Frankfurt, ein personell im wesentlichen gleich bleibender Kreis von potenten Sammlern, Museumseinkäufern, etc. folgt.60 Neben dieser internationalen Kunstszene kann man auch eine starke Entwicklung der deutschen Kunstzentren feststellen, deren Entwicklung zum Teil weit z.T. nicht einheitlich verlief, wie die Entwicklung in den großen Kunstzentren der Welt.61 Aufgrund der herausragenden Stellung Kölns in dem derzeitigen Kunstmessegeschehen kommt gerade den Kunstmessen in Köln, speziell der Art Cologne und ihrer etwas kleineren Schwester Kunstmesse Köln mit dem zeitgleichen Ableger KunstKöln, eine besondere Bedeutung zu. Daher ist am Anfang einer Bewertung von wichtigen Regionen in Deutschland dem Standort Köln der Vorzug bei der nachfolgenden Untersuchung zu geben.

aa)

Köln

Innerhalb von Deutschlands Kunstszene ist der wohl bedeutendste Ort die Stadt Köln. Hier fand eine der ersten Kunstmessen der Moderne 1967 mit 18 Ausstellern in Köln statt. Sie gilt als weltweit älteste Messe für moderne Kunst. Der Galerist Hein Stünke hatte einst die Idee: Unter dem Namen „Kölner Kunstmarkt“ startete die Messe am 13. September 1967 im Gürzenich mit gerade 18, ausschließlich inländischen Teilnehmern.62 Mitgegründet wurde sie von Rudolf Zwirner. 58

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 45.

59

Herchenröder, Christian, a.a.O. S. 7.

60

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

61

Wiesand, Andreas Johannes, „Kunstmarkt Im Goldrausch – Daten zu Ausstellern, Händlern und ihrem Publikum“ in: Kunstforum International 1989, S. 78.

62

Stadler, Stefanie, „Musen, Maler und Moneten“ in: General Anzeiger Bonn, Abt. Kulturszene Rheinland, abrufbar unter: http://www.general-anzeiger-bonn.de (Stand. 09.02.2002).

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

Er hatte sich zuerst in Essen als Galerist versucht, bevor er 1962 nach Köln kam 63 Die Art Cologne sollte Schaulust und Kauffreude verbinden. Während in den Gründerzeiten die Messe als Kölner Kunstmarkt bezeichnet wurde und auf dem Gürzenich und dann in der Haubrich-Kunsthalle stattfand, war sie auf Aussteller aus Deutschland beschränkt. 1975 gewann die Bezeichnung „Art Cologne“ nationales und internationales Ansehen. So wurde die Kunstmesse „ein Flaggschiff“ in der internationalen Messelandschaft bezeichnet. Nach einigen Jahren des Aufschwungs gab es einige Schwierigkeiten, auch mit internationaler Beteiligung. So bedeutete die Zahl von fünfzehn amerikanischen Ausstellern seit langem die höchste Beteiligung aus den Vereinigten Staaten in dem Jahre 2002. Für die 36. Art Cologne werden 260 Galerien aus 22 Ländern zugelassen. Die Bandbreite der Kunst reicht von der Klassischen Moderne bis zu aktuellen Strömungen, mit berühmten Namen wie Feininger, Kandinsky, Picasso oder Polke.64 Die „ART Cologne“ hat sich in den über 30 Jahren seit ihrer Gründung als Deutschlands wichtigste Kunstmesse behauptet und kann zusammen der „Art Basel“ zu den führenden Kunstmessen in Europa gezählt werden. Die Zahl der Besucher der Art Cologne liegt konstant bei ca. 70.000 Besuchern. Im Vergleich erzielt die Art Basel im Jahre 2000 ca. 55 000 Besucher und das „art-forum Berlin“ im September 2000 nur ca. 21 000 Gäste.65 In dieser Erfolgsgeschichte der Art Cologne wird jedoch von einigen Personen die Entscheidung bedauert, dass am Anfang nur deutsche Aussteller zugelassen wurden.66 Um dieses Problem für internationale Aussteller zu lösen, wurde die Art Basel gegründet, welche nun als Konkurrent für die Art Cologne bezeichnet werden kann. Dessen ungeachtet stellt die Art Cologne die bedeutendste Kunstmesse Kölns dar.67 Sie ist nach der Kunstmesse Basel immer noch zweitwichtigster Umschlagplatz für Kunst im deutschsprachigen Raum. Über die Qualität und Ausgewogenheit wacht ein internationaler Zulassungsausschuss. Neue Galerien haben es schwer, einen Stand zu erhalten. Ca. 50 Prozent der Bewerber werden abgewiesen. Oft wurde von den Bewerbern schon eine fünfstellige Summe für die Bewerbung ausgegeben und aufgrund der hohen Kosten wird oft eine Klage auf Zulassung nicht angestrebt oder während eines laufenden Prozesses durch steigende Kosten zurückgezogen.68 63

Imdahl, Georg, „Qualität zählt“ in: FAZ, 26.07.2003, S. 41.

64

Kurzmeldung Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 27. Oktober 2002, Nr. 41, Rubrik Kunstmarkt, S. 58.

65

Stadler, Stefanie, „Musen, Maler und Moneten“ in: General Anzeiger Bonn, Abt. Kulturszene Rheinland, abrufbar unter: http://www.general-anzeiger-bonn.de (Stand. 09.02.2002).

66

Imdahl, Georg, „Qualität zählt“ in: FAZ, 26.07.2003, S. 41.

67

N-TV Online Pressemitteilung vom 10.11.2000, abrufbar unter http://www.n-tv.de/803952. html (Stand 09.02.2002).

68

Ortmann, Peter, „Hoffen auf reiche Bescherung“ in: TAZ NRW-Ausgabe Köln Nr. 26 vom 02.11.2000, S. 5.

19

20

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Seit den 1990er Jahren kann man auf dem Kunstmarkt anhand der Art Cologne eine zweigeteilte Entwicklung beobachten. Als die Art Cologne Mitte der 1990er Jahre ihre Ausstellerzahl in einem Prozess, bezeichnet als qualitative Konzentration, reduzierte 69, wurde auf der anderen Seite die Anzahl der Ausstellungsflächen in Deutschland durch neue Messen in Berlin und Frankfurt fast verdoppelt.70 Während dieser Entwicklung wurden auf der Art Cologne Umsätze getätigt, die eine Bezeichnung als führende Kunstmesse in Deutschland rechtfertigen. Als Beispiel kann die die Galerie Henze + Ketterer dienen, die schon am Abend der Vernissage im Jahre 2000 38 Arbeiten deutscher Expressionisten verkaufen konnte, 28 Blätter zwischen 18.000 und 65.000 DM und zehn Ölgemälde von 300.000 bis 950.000 DM. Aber auch wenn solche hohe Zahlen wie um 1 Million DM, bzw. 500000 – 1 Mill. € erreicht werden, kann das Hauptumsatzgebiet zwischen im mittleren Marktsegment angesiedelt werden, z.B. Im Jahre 2000 zwischen 20.000 und 100.000 DM.71 Zu beachten ist z.B. im Rahmen der Art Cologne, dass, wenn ein Überschaubarkeit gegeben sein soll und sie erfolgreich bleiben möchte, nur etwa 270 Standflächen zu vergeben werden können.72 Dazu gehört, dass die Messe ansprechend gestaltet wird. Zwar ist ureigene Domäne jeder Kunstmesse die Vermittelbarkeit und Vermittlung der Kunstwerke, die gezeigt werden. Dem Diktat folgt die aktuelle Art Cologne vorbildlich. Sie wirkt nach Meinung einiger aufgeräumt. Dabei wird angeführt, dass die begonnene, lichtere Anordnung der Stände das Flanieren angenehm macht und Haupt- und Nebenwege Einblicke bieten.73 So werden die neuen Ansprüche der Kunden auf der Art Cologne berücksichtigt. Neben der Art Cologne haben sich in Köln noch zwei weitere Kunstmessen etabliert. Die „Westdeutsche Kunst Messe Köln“ und die „KunstKöln“. Die „Westdeutsche Kunst Messe Köln“ stellt seit über 34 Jahren ein Gegenpol zu der Art Cologne dar, wobei sie alle Epochen umfasst. Ideeller Träger ist dabei der Rheinische Kunsthändler – Verband.74 Das Repertoire reicht dabei von der Antike bis

69

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

70

Fesel, Bernd, a.a.O.

71

N-TV Online Pressemitteilung vom 10.11.2000, abrufbar unter http://www.n-tv.de/803952. html (Stand 09.02.2002).

72

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

73

Gropp, Rose-Maria, „Zurück nach vorn zu den Wurzeln“ in: F.A.Z. vom 1.11.2003, S. 47.

74

Pressemitteilung der 34. Westdeutschen Kunst Messe Köln v. 04.04.2003, Ausführungen von Hans-Martin Schmitz, Vorstand des Rheinischen Kunsthändler-Verbandes.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

zur Gegenwart, wobei Malerei ein Schwerpunkt darstellt. Die „KunstKöln“ befindet sich erst seit einigen Jahren auf dem Kunstmarkt und wird zeitgleich mit der Westdeutschen Kunstmesse ausgerichtet. Sie konzentriert sich auf Editionen, Art Brut, Kunst nach 1980 und Fotografie.75 Parallel wird auch noch die Antiquariatsmesse in Köln durchgeführt, um eine Konsolidierung zu erreichen.76 Beide Messen sollen hierbei einen Frühjahrsgegenpunkt zur der Art Cologne darstellen. Sie haben aber jedoch bisher noch nicht deren internationalen Ruf erlangt. Die 35. Westdeutschen Kunstmesse Köln im Jahre 2004 fiel sogar etwas kleiner aus als in den Jahren zuvor aus. Es befanden sich nur 95 Aussteller aus sieben Ländern auf der Messe. Neben der Art Cologne ist auch die Kunstmesse TEFAF in Maastricht ein Vor- und Leitbild.77 Die zeitgleich zum fünften Mal durchgeführte Kunstköln für Werke ab 1980 arbeitet hingegen noch an ihrem Profil und sucht ihren Standort innerhalb der Kunstszene.78 Da die Art Cologne immer noch die Vorzeigemesse in Deutschland darstellt, wird sie in den folgenden Abschnitten als Beispiel dienen. An ihr kann die Umsetzung der gefundenen Grundsätze exemplarisch dargestellt und erörtert werden. Schließlich gehört sie zu den Kunstmessen, die an Häufigkeit von gerichtlichen Auseinandersetzungen um eine Zulassung wahrscheinlich den ersten Platz einnimmt.79

bb)

Frankfurt

Einen weiteren Standort für eine Kunstmesse bildet die Stadt Frankfurt. Hier findet alljährlich die Kunstmesse „Art Frankfurt“ statt. Obwohl Frankfurt auf ein Messegeschehen seit dem Jahre 1240 zurückblicken kann, und mittlerweile weltweit eine führende Position einnimmt, ist die Geschichte der Kunstmessen in Frankfurt relativ kurz. So findet die Art Frankfurt erst seit 1989 80 in regelmäßigen Abständen statt. Ihr Schwerpunkt bildet dabei die Bildende Kunst ab 1960 bis in das 20. und 21. Jahrhundert, Künstlerbücher, Photographie und Video Editionen, Installationen, kontextuelle, orts- und raumbezogene Projekte 81. Die

75

Aufderheide, Bernd, „Qualitativ überzeugende Offerten auf allen drei Veranstaltungen“ in: Pressemitteilung der Koelnmesse v. 04.04.2003 Nr. 4 Man, Köln.

76

Ab 2006 werden diese drei Kunstmessen durch die Kunstmesse Cologne Fine Art ersetzt.

77

Gropp, Rose-Maria, „Fürs Publikum maßgeschneidert“ in: F.A.Z. vom 24.04.2004, S. 45.

78

Lorch, Catrin, „Auflagen allein machen’s nicht“ in: F.A.Z. vom 24.11.2004, S. 45.

79

Siehe m.w.N. Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285 und U (Kart) 60/01 „Stefanelli“, in: WuW/E DE-R 994; OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

80

Schriftliche Auskunft der Art Frankfurt, 2003.

81

Spezifische Veranstaltungsbedingungen der Art Frankfurt, Version 8/2002, S. 1.

21

22

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Anzahl der Aussteller liegt ungefähr zwischen 150 und 200. Im Jahre 2003 waren 162 Galeristen, ein Jahr zuvor 184 Galeristen anwesend. Weitere Kunstmessen werden in Frankfurt derzeit nicht durchgeführt.

cc)

Berlin

Ebenfalls existiert in Berlin mittlerweile eine Kunstmesse. Das Berliner Art Forum. Es wurde im Jahre 1996 82 gegründet und stellt sich als Kunstmesse für die Vermittlung und den Verkauf internationaler Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts dar. Veranstaltet wird diese Messe von der Messe Berlin GmbH. In rechtlicher Hinsicht wurden auch über diese Kunstmesse von juristische Auseinandersetzungen berichtet.83 Hierbei wurde ausgesagt, dass in einem Prozess das artforum Berlin zwar zusätzlich zu fünf Galeristen zwei Kunsthistoriker in den Zulassungsausschuss berief. Jedoch wurde dem Bericht zufolge nicht gebotene Transparenz der Beratungen beachtet. Als der abgewiesene Aussteller rechtliche Schritte gegen den Veranstalter einleitete und Klage einreichte wurde in dem durchgeführten Prozess durch das erkennende Gericht auf die Notwendigkeit von Protokollen während der Sitzungen der Aufnahmejury hingewiesen, wenn die rechtlichen Anforderungen erfüllt sein sollen. Denn in dem durchgeführten Prozess kam zu Tage, dass nicht nur die Protokollierung fehlte, sondern dass auch die Begründung der Ablehnung erst hinterher durch einen Kunsthistoriker formuliert worden war. In dieser Ablehnung wurde u.a. angeführt, dass die Galeristin den Anschluss an den künstlerischen Diskurs der Zeit verloren habe. Da weitere Argumente von ähnlich dürftiger Überzeugungskraft waren, verlor die Messe insgesamt diesen Prozess. Aber auch schon 1988 hatte ein Galerist seine Teilnahme bei dem art – forum Berlin gerichtlich durchgesetzt.84 Aufgrund der neueren Entwicklungen auf dem Kunstmarkt geriet das Art Forum Berlin wiederum in die Tagespresse. So schwand die Teilnehmerzahl der Messe mit hundert Galerien im Jahre 2004 auf zwei Drittel der Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr. Sie musste auf zahlreiche Vertreter von Gegenwartskunst verzichten. Diese gaben dann z.T. der wenig später erstmals in London stattfindenden „Frieze Art Fair“ den Vorzug. Schwerpunktmäßig stammten die meisten Galerien aus Kanada, Skandinavien, Australien und dem östlichen Europa, insgesamt reisten 58 % Prozent der Teilnehmer aus dem Ausland an. Offerten Klassischer Moderne aus fehlten zu diesem Veranstaltungszeitpunkt

82

Schriftliche Auskunft des „Art Forum Berlin“, 2003.

83

Dittmar, Peter, „Cliquen – Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/ 010818/feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

84

Dittmar, Peter, a.a.O.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

gänzlich.85 Diese Abwanderung von Galerien nach London erzeugte einen kleinen Wirbel in der Presse. Sogar die Presse In England nahm diese Tatsache zur Kenntnis.86 Wie die weitere Entwicklung aussieht, und welche Kunstmesse sich durchsetzen wird, ist derzeit noch ungewiss, aber aufgrund der letzten Entwicklungen wird das Art Forum Berlin aufgrund seiner Tradition und seiner Schwerpunkte dieses Segment des Kunstmarktes weiterhin ausfüllen.

dd)

Weitere Städte

Neben Köln, Frankfurt und Berlin existieren in Deutschland noch weitere Standorte für Kunstmessen mit überregionalem Ruf. Eine große Rolle hat mittlerweile die Kunstmesse München inne. Dies liegt z.T. an der musealen Qualität der Objekte und an Messerückkehrern.87 Eine sich nur auf Antiquitäten beschränkende Kunstmesse findet jährlich in Stuttgart statt. Die „Welt-Antik“ schließt dabei die zeitgenössische und moderne Kunst völlig aus. Die auf dem Stuttgarter Messegelände durchgeführte Antiquitätenmesse hat sich hierbei einen guten Namen sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene erarbeitet. Ebenso wird in anderen Städten versucht, eine international bedeutende Kunstmesse zu installieren. So eröffnete der Verein Forum Künstlerinnen am 21.10. 1999 die erste Süddeutsche Kunstmesse Karlsruhe für Künstlerinnen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Die Messe bot ein Forum für Künstlerinnen aus den Sparten Malerei, Bildhauerei, Foto, Druckgrafik, Objekte, Installation, Video und Performance, um ihre Kunst zu präsentieren, zu verkaufen und Kontakte zu Kunstvermittlern knüpfen zu können.88 Später wurde keine Kunstmesse in Karlsruhe mehr durchgeführt. Erst im Jahre 2004 fand wieder eine Kunstmesse, die Art Karlsruhe, statt, durch einen anderen Veranstalter ausgerichtet. Es bleibt abzuwarten, ob es ihr möglich ist, sich als Kunstmesse auf dem Kunstmarkt zu installieren. Dies könnte erschwert werden, da in Straßburg die St’Art stattfindet, nach der FIAC in Paris die zweitgrößte Kunstmesse in Frankreich, welche sich selbst als europäische Kunstmesse versteht.89 Weiter wurde in Hamburg im Jahre 1989 eine internationale Kunstmesse durchgeführt. Obwohl der Organisator schon mit der früher durchgeführten Kunstmesse „Forum“ in Zürich Erfahrungen hatte, wurde die Veranstaltung in Ham85

Pressemitteilung „Pure Gegenwart“ in: F.A.Z. v. 20.09.2003, S. 45.

86

Löhndorf, Marion, „Ein Springbrunnen mit LSD-Beigaben“ in: TAZ, v. 21.10.2003, S. 17.

87

Herstatt, Claudia, „Im Freien auf Papier“ in: Die Zeit, 16.10.2003, S. 48.

88

Stadt Karlsruhe, Pressemitteilung für die Zeit Oktober und November 1999, Stand 1.10. 1999.

89

Pressemitteilung, Bühnenblick mit Hebdoscope, Nr. 120 v. 28.01.2004, S. 6.

23

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

burg nach dem ersten Mal wieder eingestellt.90 Das stellte Berichten zufolge eine Ernüchterung dar, die jedoch schmerzhaft wirkte, denn viele Galeristen wollten den Angaben zufolge danach nichts mehr mit der Kunstmesse zu tun haben.91 Abgesehen von den Kunstmessen mit Anspruch auf deutschlandweite Bedeutung, existieren noch viele Veranstaltungen in ganz Deutschland, die sich zukünftig auf die großen Messen zwar auswirken könnten, aber derzeit noch regionalen Charakter haben, so dass sie in den folgenden Betrachtungen außer Betracht gelassen werden. Neben den kommerziellen Kunstschauen findet die wohl international renommierteste nicht-kommerzielle Kunstschau in Kassel statt. Die „Documenta“ vereint alle Richtungen der neuen Kunstszene und versucht Trends zu setzen. Sie kann sich dabei sogar positiv auf die kommerziellen Kunstmessen auswirken. So gab es auf der Art Basel im gleichen Jahr wie die Documenta mehr Fachpublikum und mehr Käufer. Dabei vermutet mancher Galerist, dass die Documenta 11 in Kassel dazu beigetragen hat.92

d)

Bedeutende Standorte für Kunstmessen in anderen Ländern in Europa

Eine wenig überraschende Erkenntnis einer Studie, welche durch den Veranstalter der TEFAF in Auftrag gegeben wurde, war, dass ein großer Teil des Kunsthandels über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg erfolgt.93 Insofern ist es im Rahmen der Bewertung von Kunstmessen von Bedeutung, wie der internationale Markt für Kunstmessen zusammengesetzt ist. Z.B. werden weitere wichtige Kunstmessen in Basel, Paris, Madrid und Chicago veranstaltet.94 Aber nicht nur in den Großstädten kann eine solche Kunstmesse bestehen. Denn wenn in den Großstädten das Galerie- und Auktionsgeschäft abflaut, findet es oft seine Fortsetzung an den Urlaubsorten. Es gibt kaum noch eine Stadt, an dem nicht auf Messen, Märkten, in Ausstellungen und Galerien Kunst angeboten und auch gut verkauft würde. So bot die zweite „Art Boden-

90

Schmid, Karlheinz, „Kein Forum, Hamburgs Messe »Forum«“ in: Kunstforum International, Band 104, 1989, S. 418.

91

Schmid, Karlheinz, a.a.O. S. 418.

92

Villinger, Carina, „An Basel kommt keiner vorbei“ in: FAZ v. 22.06.2002, S. 55.

93

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

94

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 36.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

see“ in Dornbirn im Dreiländereck Deutschland, Österreich und Schweiz 50 Galerien potentiellen Käufern Kunst an.95 Trotz der Bedeutung solcher „kleinen“ Orte, soll im Folgenden eine kurze Betrachtung der international großen Kunstmessen angeführt werden.

aa)

Basel (Schweiz)

International wichtigster Umschlagplatz für Kunst ist derzeit die in Basel Stadt stattfindende „Art Basel“ mit einem Ableger in den Vereinigten Staaten, der „Art Miami“. So besuchten im Jahre 2002 fast fünfzigtausend Besucher die Messe in Basel.96 Presseangaben zufolge wurden Millionenbeträge umgesetzt. So wurde berichtet, dass die Galerie Landau aus Montreal, die im Bereich der klassischen Moderne mit Bildern des Künstlers Pablo Picasso anbot, nur eine Klage hatte: Sie verkaufte so gut, dass sie bereits am zweiten Tage damit aufhörte, aus Angst sofort mit leeren Händen dazustehen. Dies geschah, obwohl Spitzenware wie Picassos Bildnis der Dora Maar mit gelbem Schaal von 1936, durch die Galerie Landau auf 6,5 Millionen Dollar beziffert und verkauft, immer rarer wird.97 Im Rahmen der Entwicklung der Art Basel ist es insbesondere von Bedeutung, dass ihre Gründung nur stattfand, weil die Kunstmesse „Art Cologne“ nach dem Willen der Veranstalter auf deutsche Aussteller beschränkt bleiben sollte und der Standort Basel mit der Kunstmesse Art Basel sowohl als Konkurrenz und als Ausweichmesse gegründet wurde.98 Diese „Gegenveranstaltung“ wird inzwischen als die führende Messe in der Welt bezeichnet. Sie wird durch ein durchgehend hohes Angebot an Kunstwerken des 20. Jahrhunderts geprägt, vergleichbar mit dem Angebot an Altmeisterwerken bei der TEFAF, von der gesagt wird, dass sie rund achtzig Prozent aller verfügbaren Altmeister versammeln würde.99 Ein solches einzigartiges Angebot kann jedoch nur durch eine strenge Auswahl geschaffen werden. Dabei erfolgt die Auswahl der Galeristen für die Teilnahme an der Art Basel durch ein Art Committee. Dieses besteht aus Vertretern von Galerien aus Zürich, Köln, Genf, Berlin und Antwerpen. Weiterhin erneuert sich das Art Committee periodisch und die Zulassungsentscheide werden nach umfassender Vorinformation und mehrtätigen Beratungssitzungen getroffen.100 95

Herstatt, Claudia, „Sommerfrische – Der Kunstkauf am Urlaubsort ist für Galeristen zu einem einträglichen Geschäft geworden“ in: Die Zeit, Nr. 32, 1. August 2002, Rubrik: Kunstmarkt Feuilleton, S. 39.

96

Villinger, Carina, „An Basel kommt keiner vorbei“ in: FAZ v. 22.06.2002, S. 55.

97

Villinger, Carina, a.a.O. S. 55.

98

Imdahl, Georg, „Qualität zählt“ in: FAZ, 26.07.2003, S. 41.

99

Crüwell, Konstanze, „Die beste Kunst ist gerade gut genug“ in: F.A.Z. vom 19.06.2004, S. 47.

100

Art Basel, Medieninformationen, abrufbar unter www.artbasel.com (Stand 20.02.2002).

25

26

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Aber auch die Kunstmesse Art Basel blieb nicht von Klagen verschont. Im Rahmen der Zulassungsklagen wurde durch die erkennenden Gerichte zumindest geurteilt, dass die ablehnenden Bescheide des gemischt-wirtschaftlich organisierten Messeveranstalters gegenüber interessierten Ausstellern keine hoheitliche Akte im Sinne von Art. 84 Abs. 1 OG 101 darstellen.102 Überdies wurde in der gerichtlichen Auseinandersetzung auch die geschaffene Rekurskommission beurteilt, welche über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung zu entscheiden hat.103 Seit diesem Zeitpunkt wacht eine Art zweite Instanz über die Entscheidungen des Art Committee. Damit ergibt sich folgender Verfahrensmodus bei Zulassungsentscheidungen: Grundsätzlich entscheidet das durch die Messeleitung eingesetzte Art Committee nach einem „Ausstellungsreglement“ über die Zulassung von Ausstellern und Ausstellungsobjekten. Diese Entscheidung ist rechtlich der Schweizer Mustermesse AG als Veranstalter zuzurechnen. Die Entscheide, sie werden nicht begründet, können dann bei der Rekurskommission zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt werden. Diese Rekurskommission entscheidet auch ohne Begründung und überprüft lediglich, ob das Auswahlgremium willkürlich gehandelt hat, oder nicht.104 Einen wichtigen Stellenwert nahmen die Entscheidungen dahingehend ein, dass die Rechtsbeziehungen zwischen der Schweizer Mustermesse AG und Privaten grundsätzlich dem Privatrecht unterstehen, sofern keine anders lautenden Bestimmungen bestehen. Eine hoheitliche Maßnah, die nach öffentlich-rechtlichen Normen angefochten werden könnte, kann folglich nicht Betracht kommen, wenn der Veranstalter der Art Basel privaten Bewerbern auf der Messe Standplätze zur Verfügung stellt.105 Noch nicht geklärt ist, ob im Rahmen einer Abweisung durch die Art Basel ein Anspruch auf Zuteilung eines Standplatzes aus der Verletzung der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV 106) sowie allenfalls der Kunstfreiheit (Art. 21 BV) bestehen könnte.107

101

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]), Stand 2004, der Schweiz.

102

Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, II. öffentlichrechtliche Abteilung, vom 07.09. 2000 in: BGE 126 I 250 „Nichtzulassung zur Kunstmesse“; Zimmerli, Ulrich und Mannhart Gomes, Claudia, „Entwicklungen im Staatsrecht“, SJZ 97 (2001).

103

Felber, Markus, „Das Verfassungsgericht als Messeorganisator?“ in: Jusletter 16. Oktober 2000 abrufbar unter: URL: http://www.weblaw.ch.

104

Lienhard, Andreas, „Wirtschaftsfreiheit, Standplatzbewerbung“ in: AJP/PJA 6/2001, S. 713, S. 714.

105

Lienhard, Andreas, a.a.O. S. 714.

106

Bundesverfassung der Schweiz.

107

Lienhard, Andreas, a.a.O. S. 715.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

Neben der Art Basel fand noch die Kunstmesse „Cultura“ in Basel statt. Diese Kunstmesse umfasste ein Spektrum von der Antike bis zur Neuzeit und sollte ein Gegenpol zu der Kunstmesse München bilden. Diese Kunstmesse wurde 1999 gegründet und deckt den Herbstzeitraum für Kunstmessen ab. Diese wurde mittlerweile durch die Basel Ancient & Antique Fair (BAAF) abgelöst.

bb)

Maastricht (Niederlande)

Die wohl international bedeutendste Antiquitätenmesse findet alljährlich in Maastricht statt. „The European Fine Art Fair / TEFAF“ vereint auf ihrer Ausstellungsfläche bedeutendste Künstler und Kunstwerke, angefangen von Stühlen von Bugatti bis zu Gemälden von Renoir. Diese Messe formierte sich in den Niederlanden aus der ehemaligen „Pictura“ auf dem neuen Maastrichter Messegelände mit internationalen Kunst- und Antiquitätenhändlern zu einer selbst von Sammlern aus den USA frequentierten Veranstaltung namens „European Fine Art Fair“. Mit anfänglich 30 Bilderhändlern bot sie den größten und wichtigsten Überblick über den Weltmarkt der Altmeistergemälde. Hierdurch bekam die Delfter Messe, welche ein Programm zwischen Altmeistergemälden, holländischem Silber, Delfter Fayence und Chinaporzellan bot, seit 1988 eine Gegenveranstaltung. Mittlerweile umfasst das Repertoire der TEFAF nicht nur Arbeiten von Rembrandt, Rubens, Brueghel und Cranach, sondern ebenso Werke von Cézanne, Degas, Picasso und Kandinsky. Es sind sogar hochwertige Möbel aus allen Epochen zu finden.108 Diese Messe wird daher in der Kunstbranche als wichtiges Konjunkturbarometer angesehen 109 und oft als „Königin der europäischen Kunstmessen“ bezeichnet.110 Sie gilt als die weltweit renommierteste Kunst- und Antiquitätenmesse. Insbesondere durch die Kontinuität an Ausstellern, im 15. Jahr des Bestehens der Messe im Jahre 2003 gab es bei 200 Ausstellern aus 13 Nationen nur sechs Neuzugänge und ca. 75.000 Besuchern. Es wird daher sehr wohlwollend von dem Kunstmarkt aufgefasst, wenn von ihr positive Signale zur derzeitigen Marktlage ausgehen.111

cc)

London (Großbritannien)

Großbritannien stellt den größten Markt für Kunstgegenstände in Europa mit einem Anteil von 56 %, und global den zweitgrößten mit einem Anteil von 25,3 % 108

Pressemitteilung, „Mit Flaubert nach Ägypten“ in: Antiquitäten Zeitung v. 22.02.2002, S. 169.

109

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

110

Jayme, Erik und Geckler, Alexander, „Kunsthandel und Internationales Privatrecht – Tagung in Maastricht“ in IPRax 1998, S. 58.

111

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

27

28

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

dar. In Europa folgt Frankreich auf dem zweiten Rang mit 16,8 %.112 Innerhalb Großbritanniens stellt London den mit Abstand größten Handelsplatz für Kunstgegenstände, welcher speziell durch die beiden großen Auktionshäuser, Sotheby’s und Christies, geprägt wird. Ebenfalls finden Kunstmessen in London statt. Fast jedes Wochenende wird an den Messestandorten, wie die Messehalle Olympia, eine Antiquitäten- und Kunstmesse durchgeführt. Der Messestandort in Olympia, London (GB), bietet hierfür aufgrund der historischen Hallen ein besonderes Ambiente, welches von Veranstaltern oft für die Durchführung von Kunstmessen genutzt wird. Daneben finden weitere Kunstmessen in London an unterschiedlichen Standorten, wie z.B. alten Rathäusern, statt. Trotzdem werden nur wenige, international renommierte Kunstmessen in London durchgeführt. Obwohl London Ende des 20. Jahrhunderts wieder zur Metropole zeitgenössischer Kunst avancierte, fanden wichtige Kunstmessen immer noch an anderen Orten in Europa statt. Jedoch haben die Kunstmessen auf dem europäischen Festland mit der ersten großen internationalen Kunstmesse Londons, der „Frieze Art Fair“ eine starke Konkurrenz erhalten. Diese Veranstaltung gehört zu den neuesten Errungenschaften der Weltmetropole seit 2003. Gegründet und organisiert wurde sie von der in London herausgegebenen Kunstzeitschrift „ Frieze“. Mit kaum mehr als hundert Teilnehmern, die zum größten Teil aus London (33), Amerika (26) und Deutschland (25) im Jahre 2004 kamen, wurde eine sehr gute Qualität geboten. Weitere Aussteller stammten aus Österreich, Frankreich, Italien und der Schweiz. Die Veranstalter legten durch eine Mischung aus großen und kleinen Kojen Wert auf ein geschlossenes Gesamtbild. Eine solche Kunstmesse kann jedoch nur bestehen, wenn sie wirtschaftlichen Erfolg hat. In diesem Fall wäre es möglich, dass die Frieze Art Fair aber auf dem internationalen Messemarkt neue Eckpunkte setzt, welche auch Auswirkung auf Deutschland haben können.113 Die erste Veranstaltung hatte sich auch schon auf Deutschland ausgewirkt. Wie berichtet wurde, bestückten einige renommierte deutscher Galerien die Frieze Art Fair und bewarben sich nicht mehr in Deutschland. Durch diese und andere Faktoren, wie z.B. internationale Konkurrenz, kann festgestellt werden, dass deutsche Kunstmessen z.T. sinkende Umsätze. In Presseberichten wurde die Kunstmesse Frieze Art Fair sogar als „Sprengsatz“ bezeichnet.114 In mancher Hinsicht sind sogar Unterschiede zu den großen europäischen Kunstmessen deutlich. Ein Unterschied ist z.B. der Umstand, dass die Tate Gallery ein Budget von £ 100.000. – bereitstellte, um Kunst zu erwerben. Gemäß den Angaben den Veranstaltern der Frieze Art Fair arbeiteten zum ersten Mal eine Kunstmesse und ein Museum 112

TEFAF, Der europäische Kunstmarkt im Jahre 2002 – Eine Studie, Hrsg.: TEFAF, Niederlande 2002, S. 29.

113

Imdahl, Georg, „Eine neue Messe drückt auf die Tube“ in: F.A.Z. vom 18.10.2003, S. 49.

114

Pressemitteilung dpa, „Londons größte Kunstmesse“ in RNZ vom 18./19.10.2003, S. 2.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

zusammen. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Neugründung Neugierde erweckt und hierdurch viele Galeristen reizt. Beispielhaft könnte das Berliner art-forum angeführt werden, welches nach Ansicht einiger Galeristen auch zu Beginn stark frequentiert wurde und später das Interesse nachließ. Auch gilt London nicht als etablierter Sammlerstandort für moderne Kunst.115 Trotzdem hat sich die 2. Auflage der Frieze Art Fair im Jahre 2004 als absoluter Publikumsmagnet dargestellt. Es bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

dd)

Madrid

Eine weitere, mittlerweile international bekannte Kunstmesse für die Moderne findet in Spanien statt. Die zeitgenössische Kunst wird auf der ARCO in Madrid präsentiert. Die Teilnehmer setzen sich international zusammen. So waren bei der 14. Auflage der Kunstmesse von 260 teilnehmenden Galerien 102 Galerien aus Spanien und 158 Galerien aus weiteren Ländern, davon 22 aus Deutschland.116 Daneben finden in Spanien, z.B. in Barcelona, mehrere zwar überregional bekannte, aber international nicht einflussreiche Kunst- und Antiquitätenmessen statt.

ee)

Paris & Strasbourg

In Frankreich bildet Paris mit der Kunstmesse „Foire internationale d’art contemporain“ – „FIAC“ einen zentralen Punkt in der Kunstmesseszene. Die Veranstaltung wird von Reed Expositions France durchgeführt und bildet einen Gegenpol zu der Art Cologne. Sie wird stark von internationalen Ausstellern gebucht. So lag die Beteiligung internationaler Aussteller im Jahre 2002 bei 53 %.117 Auch im Jahre 2003, wurde diese Messe wie schon zum zwanzigsten Geburtstag nicht mit Lob, sondern mit Kritik überhäuft. „Jubiläum oder Beerdigung“ fragte die Zeitschrift „BeauxArts Magazine“ und bescheinigt der Pariser Messe die schwerste Krise ihrer Geschichte. Der mit jedem Jahr schärfer werdende Wettbewerb hat der FIAC in Gestalt der gleich im Anschluss stattfindenden Messe „Frieze“ in London wie auch dem Art Forum in Berlin einige Probleme gebracht. Die Veranstalter müssen in einem solchen internationalen Wettbewerb der Kunstmessen die Attraktivität stets steigern, dass sie auch Neulingen standhalten können. Wie in Deutschland war auch in Frankreich zu registrieren, dass Stammteilnehmer der FIAC

115

Löhndorf, Marion, „Ein Springbrunnen mit LSD-Beigaben“ in: TAZ, v. 21.10.2003, S. 17.

116

Philipp, Christine, „ARCO 2002 öffnet die Pforten“, unter Quelle: Kunstmarkt.com/Christine Philipp am 13.02.2002, abrufbar unter: www.kunstmarkt.com.

117

Mitteilung der FIAC 2002 „Èdito“ in: Télérama – FIAC 2002, S. 3.

29

30

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

nach London wanderten oder beide Messen beschickten. Trotzdem konnte sich die FIAC mit einem vielfältigen, im Durchschnitt guten Angebot vor allem junger Kunst sehen lassen. Die Hälfte der 175 Galerien im Jahre 2003 kommt aus dem Ausland aus 22 Ländern; Italien (15), Belgien (12), Deutschland (11) und Spanien (10) liegen vorn, während die Zahl der Teilnehmer aus den Vereinigten Staaten und aus Großbritannien jeweils um mehr als die Hälfte auf knapp ein halbes Dutzend gesunken war.118 Neben Paris findet eine weitere Kunstmesse der Moderne in Strasbourg statt. Die „St’Art“ wird dabei mit der Art Karlsruhe in Konkurrenz treten. Daneben werden in Frankreich viele Kunst- und Antiquitätenmessen ausgerichtet, die zwar überregionalen, aber nicht international bedeutenden Charakter besitzen.

ff)

Weitere Standorte

Neben diesen Standorten gibt es eine Vielzahl weiterer Kunst- und / oder Antiquitätenmessen in Europa, die weder die Anziehungskraft für Besucher und Aussteller oder das passende Preisgefüge wie die „klassischen“ Kunstmessen in den obig angeführten Städten bieten. Meist haben diese Messen mit überregionalem Charakter zwar einen starken Andrang von internationalem Publikum, sie sind aber noch nicht vergleichbar mit den großen Messen. So waren zwar auf der Art Vienna 60 Aussteller aus 10 Ländern in 2001 und 9 000 Besucher im Jahre 2002 119, während die Art Innsbruck 70 Aussteller aus zehn Ländern in 2002 zu verzeichnen hatte,120 jedoch sind beide Messen noch nicht mit der Art Cologne vergleichbar. Gerade aber in Wien herrscht derzeit Umbruchsstimmung. Nachdem Verhandlungen eines großen Kunstmesseveranstalters, welcher an der FIAC beteiligt ist, mit der Kunstmesse Wien gescheitert sind, führt dieser nun eine eigene Gegenmesse durch. Diese trägt den Namen „viennafair Kunstmesse Wien 05“ und könnte eine Konkurrenz zu der „alten“ Kunstmesse darstellen.121 Die Entwicklung der Kunstszene in Europa ist von ständiger Veränderung geprägt, so dass der Markt ständig begutachtet werden muss.

118

Heinick, Angelika, „Standhaft in Gewitterwolken“ in: F.A.Z. vom 11.10.2003, S. 47.

119

art-vienna, Presseinformation: Internationale Kunstmesse art-vienna: Highlights, Termine, Fakten, abrufbar unter www.art-vienna.at (Stand 20.02.2002).

120

Art-Innsbruck, arthaus Kunsthandel Gesellschaft m.b.H., Innsbruck, Medieninformation 03.02.2002: Jung, Damisch und Gewachsen, abrufbar unter: www.art-innsbruck.at.

121

Pressemitteilung, „Eine Stadt, zwei Messen“ in: F.A.Z. vom 21.08.2004, S. 74.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

e)

Bedeutende Standorte für Kunstmessen außerhalb Europas

Wie die Studie der TEFAF verdeutlicht hat, öffnet sich die Preisschere zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Kunstmarkt. Kunst zu Spitzenpreisen wird zunehmend in den Auktionshäusern von New York statt in Europa gehandelt. Als besonders hinderlich erweisen sich in Europa die zunehmenden Reglementierungen und die damit verbundenen Steigerungen der Abgabenlast. Dies alles trägt zur Schwächung des hiesigen Marktes bei und fördert geradezu die Abwanderung hochwertiger Kunstwerke in die amerikanischen Kunstmarktzentren.122 Dabei werden immer mehr Kunstmessen in Übersee entweder direkt durchgeführt, oder als Ableger einer bekannten europäischen Kunstmesse veranstaltet.

aa)

Amerika

Amerika gilt derzeit als das Land mit dem höchsten Import von Kunst und Antiquitäten. Demzufolge sind schon einige Auktionshäuser mit ihren Dependancen in die Vereinigten Staaten abgewandert und lassen dort hochwertige Objekte versteigern, da die Aussicht auf Gewinn und der zu erzielende Zuschlagspreis höher sind wie in Europa. Diesem Trend folgen langsam die Kunstmessen.

aaa)

New York

In New York fand trotz hochwertiger Museen früher keine international renommierte Kunstmesse für Moderne und Zeitgenössische Kunst statt. Diese Leere wurde durch eine neue Kunstmesse namens Affordable Art Fair mit Schwerpunkt auf der modernen Kunst ausgefüllt. Das Konzept dieser Kunstmesse stammt aus Europa und beinhaltet den Zweck, zeitgenössische Kunst von 100 bis 5 000 Dollar potentiellen Käufern zu präsentieren. Der Ursprung des Konzepts liegt in London, Großbritannien. Hier wird sie seit 1999 durchgeführt. Zum Teil wird die Kunstmesse in London in Berichten 123 als fast größte zeitgenössische Kunstmesse neben der Frieze Art Fair bezeichnet, während sich das amerikanische Pendant noch bewähren muss. Die Anzeichen für einen Erfolg werden als gut bewertet. So wurde berichtet, dass jeder vierte Besucher ein Kunstwerk erwarb. Insgesamt bestückten 98 Galerien, vor allem aus Nordamerika und England, die Kunstmesse. Es wurden ca. 10 000 Besucher erwartet. Um einen Eventcharakter zu schaffen und neben den klassischen Kunstkäufern ver-

122

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

123

Zeitz, Lisa, „Kaufrausch für alle: „Affordable Art Fair“; New York hat jetzt eine Messe für erschwingliche Kunst" in: FAZ, 27. Oktober 2002, Nr. 41, S. 58.

31

32

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

schiedenen Kreisen einen Zugang zu der Kunst zu gewähren, wurde ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten, z.B. Vorträge und Podiumsdiskussionen zur zeitgenössischen Kunst oder Vorführungen, wie eine Monotypie oder Kaltnadelradierung hergestellt wird. Neben jungen, unbekannten Künstlern waren auch namhafte Künstler auf der Messe zu finden, z.B. Farblithographien von Ed Ruscha für 3 000 Dollar oder eine Collage eines verpackten Computerbildschirms von Christo für 4 000 Dollar.124 Aufgrund des geringen Preisniveaus lässt sich diese Messe aber nicht mit den klassischen Kunstmessen vergleichen. Eine weitere Kunstmesse dieser Art mit internationalem Ruf existiert jedoch noch nicht in New York.

bbb) Chicago & San Francisco Chicago und San Francisco werden verschiedene Kunstmessen durchgeführt, am bekanntesten ist an beiden Orten der Veranstalter Thomas Blackman Associates 125. Diese Messen umfassen auch die Moderne und Zeitgenössische Kunst. In rechtlicher Hinsicht wurden die Kunstmesse Art Chicago in einem Urteil des OLG Düsseldorf im Hinblick auf eine Zulassungsklage in Bezug auf die Art Cologne als mit dieser vergleichbar angesehen. Das Gericht war in seinem Urteil von 1987 der Ansicht, die Art Cologne sei mit den Kunstmärkten in Basel, in Paris sowie in Chicago vergleichbar.126 Insofern könnte zumindest die Kunstmesse Art Chicago bei den folgenden Überlegungen im Rahmen des Kartellrechts Berücksichtigung finden. Die Veranstaltung in San Francisco hat dagegen eine vergleichbare Stellung noch nicht erreicht.

ccc)

Miami

Miami ist besonders interessant, da die Veranstalter der Art Basel sich aufgrund der globalen Entwicklungen entschlossen haben, einen Ableger, die „Art Miami Beach“ zu gründen und durchzuführen. Dies wurde hinter dem Hintergrund der starken amerikanischen Käuferschicht und der Tatsache, dass Käufer immer weniger aus Übersee nach Europa reisen, gerade nach den Anschlägen des 11.09. 2001, entschieden.127 Dementsprechend ziehen die Galerien unter dem renommierten Namen der Art Basel in die Vereinigten Staaten, um potentielle Käufer direkt vor Ort ansprechen zu können. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Messe in den folgenden Jahren entwickeln und auf den Markt der Kunstmessen mit dem Schwerpunkt Moderne und Zeitgenössische Kunst Einfluss nehmen wird. 124

Zeitz, Lisa, a.a.O. S. 58.

125

Dies sind die Kunstmessen Art Chicago und San Francisco International Art Exposition.

126

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

127

Art Basel, Medieninformationen, abrufbar unter www.artbasel.com (Stand 20.02.2002).

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

bb)

Russland

Durch den Wegfall des eisernen Vorhangs und dem Beitritt von 10 Staaten am 01.05.2004 zu der europäischen Union wird die Vergrößerung des Handelsfreiraumes eine Teilverlagerung des internationalen Kunstmarkts mitbringen.128 Das Thema Osterweiterung wird heute nicht nur auf dem politischen Parkett diskutiert und sukzessive realisiert, auch die westlichen Kunstmarktbeteiligten interessieren sich inzwischen verstärkt für Osteuropa und Galerien aus dem osteuropäischen Kunstraum. So gab es auf der Kunstköln schon im Jahre 2003 vier Galerien aus Ungarn, sowie eine aus Litauen.129 Die Verlagerung und Einbeziehung des „östlichen“ Kunstmarktes ist aber nicht unerwartet. In vielen osteuropäischen Ländern existieren seit etlichen Jahren Auktionshäuser, die zum Teil aus den staatlich betriebenen Kunsthandelshäusern hervorgegangen sind. In Warschau und Budapest finden regelmäßige Veranstaltungen statt, in Prag ist das Wiener Dorotheum schon seit einigen Jahren vertreten.130 Hierbei ist auf den „alten“ Standorten eine immer häufiger zu beachtende Präsenz von russischen Sammlern auf Auktionen in Paris, Berlin oder London zu registrieren. Russische Sammler und Kunstliebhaber kaufen Kunstwerke zurück. Der freiere Zugang zum so genannten Westen wird diesen Trend noch verstärken. Die großen Häuser haben ebenfalls das Potential des nahen Ostens erkannt und richten sich dementsprechend ein. Dementsprechend finden schon bei Sotheby’s in London Versteigerungen statt, die eine Erweiterung des traditionellen Angebots von Kunst aus Deutschland und Österreich durch Werke aus Ungarn, der ehemaligen Tschechoslowakei und Polen erfahren haben.131 Demzufolge werden in absehbarer Zeit zusätzlich internationale Kunstmessen gen Osten wandern, oder dort gegründet werden und die internationale Szene verändern. Derzeit existiert aber noch keine international renommierte Kunstmesse im osteuropäischen Gebiet, die interessant für westliche Sammler und Galerien wäre.

f)

Die Kunstszene außerhalb der Kunstmessen

Für die weitere Beurteilung von dem Markt für Kunstobjekte auf Kunstmessen ist es von Bedeutung, auf welche Art und Weise Kunst noch gehandelt wird, um später die Abgrenzung der verschiedenen Handelswege zu ermöglichen. Wie

128

Pressemitteilung, „Im Westen nichts Neues“ in: Antiquitätenzeitung vom 30. Mai 2003, S. 489.

129

Pressemitteilung der Koelnmesse, Nr. 6 / Köln, April 2004.

130

Seit 1992 in Prag, derzeit unter der Adresse: Dorotheum spol. s r.o. Ovocny trh 580/2, CZ110 00 Prag 1.

131

Pressemitteilung, „Im Westen nichts Neues“ in: Antiquitätenzeitung vom 30. Mai 2003, S. 489.

33

34

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

schon festgestellt wurde, sind Werke von Künstlern auch Handelsobjekte. Selten tritt dabei der Künstler selbst als Verkäufer auf, sondern wird meist von einem Kunsthändler, Galeristen, vertreten. In welcher Form Galerien Kunstwerke verkaufen, wie sie Einfluss ausüben können, welchen Stellenwert Auktionen und Antiquitätenhandel neben den beschriebenen Kunstmessen haben, diesen Fragen soll in der folgenden Betrachtung des übrigen Kunsthandels nachgegangen werden, um später die einzelnen Bereiche gegeneinander abgrenzen zu können. Der Kunsthandel umfasst An- und Verkäufe von Werken der Bildenden Kunst. Dabei werden im Kunsthandel drei Handelsformen unterschieden. Es gibt Galerien, Antiquitäten- und Antiquariatsgeschäfte, die öffentlichen Kunstauktionen und die Kunst- und Antiquariatsmessen. Allgemein kann man eine gute Definition zum Kunsthandel dem Brockhaus 132 entnehmen. Dieser schreibt zum Begriff Kunsthandel: Kunsthandel: An- und Verkauf von Werken der bildenden Kunst, von Antiquitäten, alten Bücher und Autographen (Handschriften), seit neuerer Zeit auch von Werken des Kunsthandwerks; erfolgt in drei Handelsformen: in Galerien, Antiquitäten- und Antiquariatsgeschäften; auf öffentlichen Kunstauktionen; auf Kunst- und Antiquitätenmessen.

Innerhalb des Kunstmarktes existieren verschiedene Meinungen, wie der Kunstmarkt unterteilt werden könnte. Einerseits könnte man diesen grundsätzlich in Primär- (Künstler und Galerien) und Sekundärmarkt (der Wiederverkauf von Kunstobjekten, insbesondere Auktionshäuser) gliedern. Nachfrager auf diesem Kunstmarkt sind Private, Unternehmen, der Handel, Museen oder der Staat. Andererseits nehmen andere Auffassungen eine leicht veränderte Einteilung vor. Sie teilen den Markt in drei übliche Handelsformen. Den Primärmarkt (Ateliereinkäufe), den Sekundärmarkt (Galerien) und den Tertiärmarkt (Auktionen und große Kunstmessen, wie die Art Basel, die Art Cologne und die FIAC in Paris).133 Beide Auffassungen unterscheiden sich kaum. Beiden ist gleich, dass der Primärmarkt im Allgemeinen unbedeutend ist, da sich große Sammler und Museen am Galerie- und Auktionsmarkt orientieren.134 Denn die meiste Kunst wird im freien Handel, in Auktionshäusern und auf Kunstmessen umgesetzt, wobei diese Institutionen daneben eine wichtige Informationsfunktion erfüllen. Der freie Handel umfasst die Aktivitäten der Verlage, Galerien, Händler, Manager, Agenturen, usw.135 Dabei orientiert sich nicht nur der „klassische“ Einkäu132

Brockhaus, Lizenzierte Bertelsmann Ausgabe, F.A. Brockhaus GmbH, Leipzig, Mannheim, 1998, Band 8, S. 135.

133

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 73.

134

Zembylas, Tasos, a.a.O. S. 73.

135

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 36.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

ferkreis kaum an den Ateliereinkäufen. Heutzutage bestimmen das Marktbild u.a. Broker, Spekulanten, die ihre Erwerbungen zum Teil direkt aus Firmengeldern finanzieren.136 Diese Gruppen interessieren sich vielmehr für die auf Kunstmessen und Auktionen zu erzielenden Preise und die Möglichkeit der Wertsteigerung. Dieses als zweiter oder auch noch als dritter Markt bezeichnete Segment, somit der private Kunsthandel, stellt eines der hauptsächlichen Schwerpunkte des internationalen Kunsthandels dar. Hierzu zählen selbstverständlich private Galerien, Kunsthändler und Auktionshäuser, die zugleich die Akteure mit dem stärksten Interesse an der Erhaltung des Kunstmarktes sind. Ein beträchtlicher Teil der größeren Handelsunternehmen betreibt grenzüberschreitende Transaktionen, wobei Beschränkungen des internationalen Handels mit Kunstwerken für viele von ihnen negative Folgen hätten.137 In diesem Sekundärmarkt existieren immer mehr Galerien, Auktionshäuser und Firmen, die von Rentabilitätsregeln und Gewinnstreben geleitet werden.138 Daher sollen in den folgenden Abschnitten einzelne Teilbereiche von Institutionen innerhalb des Sekundärmarktes, die sich wie Kunstmessen dem Verkauf von Kunst widmen, vorgestellt werden. Zuerst ist es von Nöten, die Teilbereiche zu beschrieben und die an diesen Bereichen beteiligten Kunstmarktteilnehmer festzulegen. In einem weiteren Schritt ist deren spezifische Rolle mit den gegebenen Aufgabenbereichen festzustellen. Denn der Begriff der Kunstvermittlung wird auf verschiedenste Weise verwendet, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Die Literatur ordnet diesem Begriff sehr viele Bereiche unter, wie Kunstmuseen, Kunsthandel, Kunstkritik, Kunsthochschulen und kunstpädagogischen Einrichtungen. Neben diesen klassischen Beteiligten ist es auch möglich, diesen Begriff weiter zufassen und auch nicht direkt Beteiligte wie Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen zuzuordnen. Denn sie vermittels ebenfalls zum Teil Kunst, bzw. helfen anderen Kunstmarktteilnehmer mit Informationen.139 Im Rahmen des kulturellen Bereichs und der Vermittlung von Kunst, bzw. Kunstwerken, spielt der Sektor des Kunstmarktes eine wichtige Rolle. Der Handel mit Kunstwerken kann sich nicht nur auf die direkt Beteiligten auswirken, sondern sogar die Öffentlichkeit einbeziehen. Dies ist meist in Fällen von hohem kunst-

136

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 305.

137

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 147.

138

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 74.

139

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 28.

35

36

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

historischem Wert für ein Land oder Staat gegeben. Überdies ist oft der Preis und die künstlerische Qualität bei Kunstwerken umstritten und befindet sich in der öffentlichen Diskussion. Diese Diskussionen können sich dabei über Generationen ziehen und werden von verschiedensten Personen getragen. So kann die Öffentlichkeitsarbeit von Museen, Auktionshäusern, Galerien, Publikationen und von Sammlern eine Debatte anregen oder fortführen. Weiterhin ist es möglich, durch Kunstjournale und Fachzeitschriften ein Informationsbedürfnis zu decken und detaillierte Fachkenntnis zu erhalten. In diesem Bereich können Kunstmessen wie Ausstellungen das Interesse an spezifischen Kunstgattungen bzw. an Werken bestimmter Künstler hervorrufen. Und gerade die Kunstmessen spielen eine wichtige Rolle. Ausstellungen und Museen dienen einem passiven Erlebnis der „Kunst“. Kunstmessen bieten hingegen die Möglichkeit der aktiven Beteiligung am Kunstgeschehen zu beteiligen, auf fast allen Preisstufen. So ist z.B. bei vielen Auktionen der Preis meist nicht festgesetzt, sondern ohne Limit. Zwar werden teure Stücke mit Limit aufgerufen, jedoch steht der Endpreis noch nicht fest. Vielmehr unterliegt er dem Interesse der Käufer und dem Geschick des Auktionators. Der Besucher und potentielle Kunde einer Kunstmesse kann sich demgegenüber mit dem feststehenden Preis, der evtl. sogar noch nach unten verhandelbar ist, auseinandersetzen und anfreunden. Aus einem rein auf das Anschauen von Kunstwerken bedachten Besucher kann im Verlauf einer Kunstmesse ein Käufer werden, falls ein Objekt seinem Geschmack und der Lage in seiner Vermögensverhältnisse entspricht. Die Kunstmesse ist die einzige Form auf dem Markt, auf der ein zukünftiger Käufer von Kunst eine große Auswahl an Kunstwerken antrifft und sich in Ruhe mit diesen auseinandersetzen kann. In einer Galerie ist nur eine relativ beschränkte Auswahl gegeben, und auf einer Auktion ist ein Interessent dem ständigen zeitlichen Druck und dem unbestimmten Endergebnis ausgesetzt. Um aber letztendlich eine Trennung zwischen den Bereichen durchführen zu können, werden im Folgenden die weiteren Teilnehmer der verschiedenen Marktbereiche, die sich mit der Kunstvermittlung beschäftigen, aufgeteilt dargestellt.

aa)

Galerien

Galerien stehen im Zentrum des Kunstmarktes. Dabei versteht man unter Galerien alle diejenigen Unternehmen, die durch den Verkauf von künstlerischen Produkten die Verbreitung von Kunst betreiben. Die Entstehungsgeschichte der Galerien in Deutschland geht auf das Jahr 1774 zurück. In diesem Jahr wurde das Unternehmen F.A.C. Prestel in Nürnberg gegründet, das heute noch als Galerie besteht und seinen Sitz in Frankfurt hat. Die Galerien, die sich für die einzelnen Künstler einsetzen, entstanden allerdings erst in der Moderne des 20. Jahrhunderts.140 Sie sind auf jeder Stufe der Herstellung, des Vertriebes und 140

Beyer, Philipp, a.a.O. S. 35.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

der Rezeption beteiligt. Dabei sollte ein Galerist folgende Fähigkeiten haben: Kunsthistorisches Wissen, Persönliche Fähigkeiten, Business Skills, Monetäre Voraussetzungen, Technische Fähigkeiten, Organisatorische Fähigkeiten und exogene Determinanten. Wobei zu den technischen Fähigkeiten „das Konzipieren und schließlich Installieren von Shows, Beleuchtung“ 141 usw. gehört. Ein weiterer, nicht kunstbezogener, Aspekte für den Erfolg einer Galerie bildet z.B. der Standort. Es kann wichtig sein, da ein Standort selbst einen Werbevorteil darstellen kann. So hat Köln als Stadt, in welcher die Art Cologne durchgeführt wird, den Ruf erstklassiger Kunst. Dieser Ruf besitzt die Möglichkeit, sich auf in Köln ansässige Galerien zu erstrecken. Viele Galeristen besitzen oft eine künstlerische Vorbildung, meist durch ein Studium der Kunstgeschichte. Hieran schließt sich eine Zusammenarbeit mit Künstlern und eine Mitarbeit in Galerien bevor eine eigene Galerie eröffnet wird. Dabei ist festzuhalten, dass die Gründung einer Galerie kapitalintensiv ist. Dies darf auch bei späteren Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden. Denn es muss auch ein Kunden- und Künstlerstamm aufgebaut. Aber für den Erfolg ist meist auch eine Art Liebe zur Kunst nötig, welche sich nicht wertmäßig ausdrücken lässt. Sie stellt einen immateriellen Wert dar. Der Einfluss von Galeristen auf die Kunst und deren Entwicklung ist am Anfang erheblich größer als der von Auktionshäusern. In Auktionen wird finanziell gesehen wohl mehr umgesetzt als über Galerien, aber Auktionen sind Märkte, auf denen das Geschäftsgebaren dem an der Börse sehr verwandt ist. Die auf Auktionen erzielten Preise wirken als Signale auf Kunstmarktteilnehmer. Auktionen beeinflussen daher umgekehrt auch den Galeriehandel.142 Um jedoch bei Eintritt in den Kunstmarkt als potentieller Interessent aufgrund der Vielfalt von Kunst nicht den Überblick zu verlieren, ist meist die Konsultation eines erfahrenen Galeristen wichtig. Oft haben sogar beratende Galeristen Sammlern den Aufbau einer hochwertigen Sammlung ermöglicht. Jedoch existiert die Schwierigkeit für den Kunstmarkt, dass viele Personen einen Besuch einer Galerie oder Kunstmesse scheuen, aus meist verschiedensten Gründen. Dies umfasst z.B. die Angst vor Preisen und die unbegründete Angst vor der eigenen Unwissenheit. In Kenntnis dieser Umstände versuchen Galerien junges Publikum durch neue Konzepte als Käufer zu erschließen. Diese Idee wurde auch auf Kunstmessen umgesetzt. Um preislich die Angst zu nehmen, werden z.B. auf Kunstmessen eigene Kojen Boxen mit Werken unter z.B. Euro 5.000.– eingerichtet und Galeristen Kennzeichen Kunstwerke auf ihrem Stand gesondert. Auch wurden eigene Kunstmessen mit günstigen Kunstwerken geschaffen.143 141

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 216.

142

Klein, Ulrike, a.a.O. S. 138.

143

Zeitz, Lisa, „Kaufrausch für alle: „Affordable Art Fair“; New York hat jetzt eine Messe für erschwingliche Kunst“ in: FAZ, 27. Oktober 2002, Nr. 41, S. 58.

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Neben diesen neuen Tendenzen behält ein Galerist seine klassischen Funktionen. Er ist entweder Vertragsgalerie für seine Künstler und ist am Verkauf von Bildern anderer Künstler überhaupt nicht interessiert, oder aber er zeigt zusätzlich Arbeiten von Künstlern, mit denen er in keinem vertragsähnlichen Verhältnis steht. Schließlich gibt es noch den Kunsthändler, der seine Ausstellungstätigkeit durch den An- und Verkauf von Werken bekannter Künstler finanziert.144 Die Galerien haben „unterschiedliche Strategien“ vergleichbar mit Marktlücken, sie bedienen bestimmte Käufergruppen. Manche haben nur wenige Künstler, die sie immer wieder ausstellen. Der Galerist entscheidet aufgrund seiner eigenen Qualitätskriterien ob er einen Künstler ausstellt. Diese Qualitätskriterien können nur durch Erfahrungen angeeignet werden, die man mit der ständigen Beschäftigung bekommt, wenn man z.B. in der Branche schon länger tätig ist. Es gibt neben der individuellen Qualität des Künstlers und der einzelnen Werke noch die Qualität des Marktes, die sich nach dem Bekanntheitsgrad des Ausgestellten und dessen nachvollziehbaren Entwicklungsphasen sowie der allgemeinen Akzeptanz und Beliebtheit seiner Werke richtet. Galeristen berücksichtigen bei einer Preisbildung folglich viele Aspekte, ökonomische und ästhetische Gesichtspunkte werden abgewogen. Der Preis kann sich nach der Vorstellung in der Kunstszene richten. Ein Kunstwerk eines jungen Künstlers erzielt in der Anfangsphase des Künstlers einen geringeren Preis wie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn dieser Künstler berühmt geworden ist, ohne dass sich der ästhetische Wert geändert hat. Es kann festgestellt werden, dass im Durchschnitt ein etablierter Künstler einen höheren Preis rechtfertigt wie ein junger Künstler. Jedoch sind Künstler, die schon länger tätig sind, häufig an eine bestimmte Galerie gebunden. Wie sich der Galerist und Künstler den erlangten Preis aufteilen, wird im Vorhinein ausgehandelt. Wenige haben feste Prozente, sie liegen zwischen 20 und 60 % für den Galeristen. Während der Künstler nur seine Werke einsetzt, hat der Galerist die gesamten Kosten zu tragen. Dazu gehören die Bereitstellung der Räumlichkeiten (Miete), die Versicherung der Werke sowie die gesamte Organisation, u.a. die Anlieferung und Hängung bzw. Aufstellung der Werke, sowie die Einladung und Ausrichtung der Eröffnung und die Herstellung des Kataloges und die wichtige Kundenbetreuung. Das heißt der Kundenstamm wird ständig über die Entwicklung der betreuten Künstler und die Aktivitäten der Galerie informiert und zu Eröffnungen eingeladen. Bereits im Vorfeld ist unter Umständen die Produktion der Werke kostenintensiv, wobei der Galerist dem Künstler als Produzent beistehen kann, z.B. kann er bei der Organisation helfen und die benötigten Materialien besorgen. Zu den Aufgaben von Galerien gehört es üblicherweise auch, junge

144

Zwirner, Rudolf, „Verkauf von moderner Kunst“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 164.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

Künstler zu unterstützen, in dem durch die erwirtschafteten Einnahmen mit etablierten Künstlern jungen Künstlern die Möglichkeit gegeben wird ihre Werke auszustellen und sich im Laufe der Zeit einen eigenen Namen zu machen. Die Käufer sind meistens private Kunstliebhaber und Sammler, die die Entwicklung des Künstlers beobachten. „Spontankäufe bzw. Gelegenheitskäufe in Galerien sind eher selten.“ 145 Es entstand ein Markt privater Galerien innerhalb des Kunstmarktes mit vielen Aspekten. Oft wird hier nicht immer die höchste künstlerische Qualität erreicht, aber er bietet gerade innovativen, jungen Künstlern und Kunstformen eine Einstiegschance. Schon oft hat sich neue und unkonventionelle Kunst auf diesem Wege Anerkennung erworben. Galeristen als „Kulturunternehmer“ haben progressive Entwicklungen gefördert in der Hoffnung, dass ihnen später einmal die steigende Nachfrage materiellen Profit bescheren würde. Der New Yorker Galerist Leo Castelli z.B. unterstützte die Arbeit von Robert Rauschenberg, der heute zu den Hauptvertretern der Prä-Pop-Art zählt. Castellis Engagement wurde lange Zeit sowohl von den kunstinteressierten Laien als auch von professionellen Kunstexperten kaum beachtet. Ein weiteres wichtiges Beispiel für Kunsthändler, die Künstler und Kunstformen förderten, bevor sie allgemein anerkannt waren, ist Daniel-Henry Kahnweiler. Er hatte unter anderem Picasso unter Vertrag genommen, bevor dieser Erfolge erzielte.146 Es bleibt letztendlich festzuhalten, dass Galerien zusammen mit den Künstlern den Primärmarkt für Kunst konstituieren. Da Atelierverkäufe nur wenige und unbedeutende Fälle umfassen, vollzieht sich der Handel überwiegend über Galerien. Der Begriff „Galerie“ umfasst dabei die verschiedenartigsten Formen des Kunsthandels. Im weiteren Sinne ist damit jeder Handel von Kunstwerken durch eine private Unternehmung gemeint. Er beinhaltet sowohl solche Geschäfte, die Poster und Reproduktionen verkaufen und sich dennoch selbst als Galerie bezeichnen als auch Rahmereien, die nebenbei ein paar Bilder verkaufen. Genauso fallen hierunter Kunsthandlungen, die nur Kunst kaufen und wieder verkaufen. Als Galeristen bezeichnen sich ebenso Händler, die mit Alten Meistern handeln. Und schließlich fallen unter den Begriff jene Galerien, die mit moderner Kunst und mit Kunst des 20. Jahrhunderts handeln. Galerien sind Vermittler zwischen Künstlern, den Anbietern, und Museen, Sammlern und Kunstinteressierten, den Nachfragern. Sie übernehmen in dieser Mittlerposition neben unternehmerischen auch kulturelle Aufgaben, insbesondere die Förderung zeitgenössischer Kunst. Gegenüber dem Künstler sollen sie klare und korrekte geschäft-

145

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 163.

146

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 18.

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

liche Beziehungen unterhalten und vor allem seine künstlerischen und wirtschaftlichen Interessen wahren.147 Zu den wichtigsten Galeriestädten gehören in Deutschland München, Köln, Düsseldorf und Berlin.

bb)

Kunstvereine & Verbände

Neben den Galerien stellen Kunstvereine oft einen ersten Ort für neue, junge Künstler dar. Dabei veranstalten diese oft Kunstmessen, um ihren Mitgliedern eine „Bühne“ zu geben, auf der sie sich einem interessierten Publikum darstellen können. Die ersten Kunstvereine entstanden in der Zeit von 1817–1850, die zweite Gründungswelle kam nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 60er Jahre. In der heutigen Zeit werden immer noch einige in kleinen Städten Kunstvereine zur Förderung gebildet. Der Badische Kunstverein in Karlsruhe wurde z.B. 1818 gegründet.148 In seinen Satzungen heißt es: „Zweck des Vereins ist, die bildenden Künste, insbesondere die zeitgenössische Kunst, durch Ausstellungen, Führungen, Vorträge, Veröffentlichungen und anderes zu fördern und für sie Verständnis zu verbreiten“. Die Mitglieder des Vereins unterstützen mit den Ausstellungen die regionalen Künstler, die ebenfalls Mitglieder sein können. Eine Jury bildet die künstlerische Beratung des Vorstandes, der die Ausstellungen organisiert. Heute sind oft in den Vorständen von der Stadt eingesetzte Personen, meist der Bürgermeister oder der Kulturdezernent, tätig. Dies liegt vor allem an der meist städtischen Unterstützung der Kunstvereine, die sich alleine durch die Mitgliedsbeiträge nicht mehr finanzieren können. Eine solche Verbindung bereitet jedoch in manchen Fällen Schwierigkeiten für den Fall, dass zu sehr auf die künstlerischen Aspekte Einfluss genommen wird. Trotz dieser Aspekte werden heute von lokalen Kunstvereinen immer noch Ausstellungen für die Künstler der Region, und evtl. deren Galeristen, durchgeführt. Zielpublikum bildet dabei stets auch das örtliche Publikum. Im Gegensatz hierzu haben sich überörtliche Verbände von Galeristen und Kunstvereinen gegründet, um größere Kunstmessen und Kunstschauen für ein überregionales Publikum zu veranstalten. Ein Ausschluss aus einem solchen Verein bedeutet daher für einen Künstler oder Galeristen den Ausschluss aus der dazugehörigen Kunstmesse / Kunstschau. Daher entstanden in diesem Rahmen Streitigkeiten149 um einen Ausschluss insbesondere dann, wenn es sich um wirtschaftlich lukrative Veranstaltungen han-

147

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 137.

148

Badischer Kunstverein, Angabe abrufbar unter http://www.badischer-kunstverein.de (Stand 2005).

149

BGH, Urteil v. 09.06.1997 – II ZR 303/95 „Hamburger Kunstmesse I“ in: NJW 1997, S. 3368.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

delte. Kunstvereine und Verbände bilden noch einen Teil des Primärmarktes, da sie grundsätzlich als Zusammenschluss von Galeristen und Künstler der Selbstverwaltung dieser dienen, um in künstlerischen Bereichen des Wirtschaftslebens eine Bündelung der Kräfte zu erreichen.

cc)

Auktionen

Ein ganz anderes Bild findet sich auf einem anderen Sektor des Kunstmarktes wieder, auf dem Markt der Kunstauktionen und Auktionshäuser. Das älteste professionelle Auktionshaus, die schwedische Firma Stockholms „Auktionsverket“, existiert seit 1674. Am bekanntesten sind die heutigen internationalen Marktführer, Sotheby’s und Christies, die 1744 bzw. 1766 in England gegründet wurden.150 Der Bereich der Kunstauktionen stellt einen der großen Gegenspieler der Kunstmessen dar, auf dem noch höhere Umsätze erzielt werden. Und gerade dieser Sektor der wirtschaftlichen Kunstindustrie ist ein fast statisches Gebilde. Seit Jahrzehnten wird dieser Markt durch den Duopol der beiden großen internationalen Auktionshäuser, Sotheby’s und Christies beherrscht. So wurde schon früher festgestellt, dass der Weltmarkt durch diese beiden „Konkurrenten“ kontrolliert wird. Und im Jahre 2002 wurde durch die amerikanische Gerichtsbarkeit in einem bisher noch nie dagewesenen Musterprozess festgestellt, dass diese beiden Häuser immer noch 97 % des Weltmarktes für Kunstauktionen kontrollieren. Innerhalb des Prozesses wurde festgestellt, dass diese die Machtstellung zu unerlaubten Preisabsprachen in Bezug auf die Gebühren sowohl der Einlieferer als auch der Käufer in unlauterer Weise benutzt hatten.151 Auktionen gehören zum Sekundärmarkt, das heißt hier werden Objekte in den meisten Fällen wiederverkauft, nur selten gelangen unberührte Kunstwerke auf eine Auktion. Bei diesen öffentlichen Versteigerungen werden nicht nur einzelne Werke sondern oft ganze Sammlungen und Erbschaften angeboten und gegen Höchstgebot abgegeben. „Sie bieten Museen und Sammlern die beste Gelegenheit zur Ergänzung ihrer Bestände.“ Ein Beispiel: Die Ausstellung „Für Baden gerettet“ des Landesmuseums Karlsruhe, die komplett aus den in „der Jahrhundertauktion von Sotheby’s in Baden-Baden 1995 erworbenen Kunstwerken aus den Sammlungen der Markgrafen und Großherzögen Badens“152 zusammengestellt wurde. Da die in Auktionen auftauchenden Gegenstände genau erfasst

150

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 12.

151

Kruman v. Christies Int’l PLC, 2002, WL 398290 (2nd Cir. (N.Y.)); Bedeutend an diesem Urteil waren die Ausführungen zur extraterritorialen Anwendung des amerikanischen Antitrustrechts. Dieses Urteil wurde mittlerweile in der Empagran-Entscheidung des Supreme Court von 2004 modifizierte, vgl. m.w.N. Michaels, Ralf, Zimmer, Daniel, „US-Gerichte als Weltkartellgerichte ?“ in: IPRax 2004, Heft 5, S. 451.

152

Badisches Landesmuseum, Werbeanzeige, in: Spektrum Karlsruhe, April, Mai, Juni 1996.

41

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

werden, können die Daten der Objekte, wie Herkunft, Maße und Beschaffenheit wichtige Informationen für die Kunstwissenschaft sein. Die erzielten Preise sind ein Anhaltspunkt für die Einschätzung des Werkes, des Künstlers oder der Epoche. Es handelt sich allerdings um die Einschätzung des aktuellen Marktes, so kann ein weniger hochwertiges Objekt einen verhältnismäßig hohen Preis erzielen, wenn aus verschiedensten Gründen die Nachfrage hoch ist. Diese Gründe können sein: die Vorbesitzer (wie z.B. Königshäuser) oder eine zeitweise Mode, die den Preis hochtreibt. In Auktionen wird finanziell gesehen wohl mehr umgesetzt als über Galerien, aber Auktionen sind Märkte, auf denen das Geschäftsgebaren dem an der Börse sehr verwandt ist. Die auf Auktionen erzielten Preise wirken als Signale auf Kunstmarktteilnehmer und -interessierte. Auktionen beeinflussen daher, wie schon festgestellt, den Galerienhandel.153 Die wichtigsten internationalen Auktionshäuser sind Sotheby’s und Christies. Dabei wandern derzeit immer mehr Auktionshäuser von Europa nach Amerika ab. Wie eine Studie der TEFAF verdeutlicht, wird Kunst zu Spitzenpreisen zunehmend in den Auktionshäusern von New York statt in Europa gehandelt.154 Hierbei wird im dem Mutterland der beiden großen Auktionshäuser, Großbritannien, sogar behauptet, dass „die Auktionshäuser dieses Landes unseren realen Wohlstand zerstören, indem sie den Kunstexport erleichtern“.155 Natürlich ist den Insidern bekannt, dass für diese Exporte ein ansehnlicher Preis erzielt wird.156 Es ist gleichzeitig aber zu beachten, dass die Londoner Auktionsriesen nur da neue Märkte schaffen, wo die Länder selbst keinen ausgeprägten Kunstmarkt haben oder sich ihrer eigenen Ressourcen und Möglichkeiten noch nicht bewusst geworden sind.157 Doch der Auktionsmarkt ist nur eine Sektion der Kunstmärkte 158, der zu dem Sekundärmarkt zu rechnen ist, gleichzeitig aber einen großen Gegenspieler der Kunstmessen darstellt.

153

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 138.

154

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

155

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 153.

156

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., a.a.O. S. 153.

157

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 14.

158

Herchenröder, Christian, a.a.O. S. 9.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

dd)

Staatsbetrieb und weitere Kunstbeteiligte

Einen letzten großen Anteil an dem Kunstmarkt und der Kunstszene bildet der Staatsbetrieb, durch Museen, Ausstellungen und den öffentlichen Ankauf von Kunst für öffentliche Gebäude und Plätze. Jedoch eilt die Kunst, die auf Märkten gehandelt wird, jener Kunst, die in den öffentlichen Museen gesammelt und ausgestellt wird, oft sogar weit voraus. Die Arbeiten von Joseph Beuys, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Andy Warhol waren bereits anerkannt und erzielten hohe Preise, bevor viele Museen moderner Kunst einen Ankauf in Betracht zogen.159 Dementsprechend können Museen erst dann aktiv werden, wenn Künstler schon auf dem Markt eine gewisse Stellung erreicht haben. Auf der anderen Seite steigert aber sowohl bei einem lebenden als auch verstorbenen Künstler ein Ankauf durch ein renommiertes Museum, wie z.B. das MOMA in New York, den Wert der noch auf dem Kunstmarkt erhältlichen Werke. Private Museen können hingegen auf die Trends des Kunstmarktes schneller reagieren. Diese, meist durch Stiftungen finanzierte Einrichtungen, die häufig im angloamerikanischen Bereich vorkommen, haben durch ihre finanziellen Mittel die Möglichkeit, aufkommende Künstler zu erwerben, obwohl deren Zukunft noch ungewiss ist, oder sogar unbekannte Künstler zu fördern. Hierbei wird aber auch der Marktpreis des Künstlers gesteigert, wenn das ankaufende Museum ein Renommee in der Kunstszene besitzt. Neben den kommerziellen Kunstschauen und den staatlichen Kunstmuseen existiert noch eine Mischform. Und zwar Ausstellungen, auf denen nicht verkauft wird. Diese internationalen Kunstausstellungen sind unter anderem die documenta in Kassel und die Biennale in Venedig. Wie schon obig erwähnt wurde, tragen sie aber trotzdem zur Preisbildung der Werke bei, da die Einladung eines Künstlers ihm zu Publicity verhilft, denn wer hier ausstellen kann, gilt als gut. So hat bei der documenta ein Organisationskomitee die Aufgabe, die Kunstszene über Jahre zu beobachten und schließlich herausragende Künstler einzuladen. Bei der Biennale wird hingegen ein anderes Konzept verfolgt: Geleitet wird die Ausstellung von einem einzelnen Kommissar, jedes Land hat jedoch eigene Komitees, die einige ihrer Künstler auswählen, um sie in einem eigenen Pavillon auszustellen. Abgesehen von diesen Einrichtungen existieren auf dem Kunstmarkt noch die vielfältigsten Einrichtungen, sei es auf dem Primär-, Sekundär- oder Tertiärmarkt, die sich mit dem Handel von Kunst beschäftigen. Daher seien im Folgenden nur einige exemplarisch erwähnt. Zu beachten ist dabei, dass solche „Sonderformen“ nur einen kleinen Bereich ausmachen. Es existieren zum Beispiel

159

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 19.

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Unternehmen, die Art Consulting anbieten. Sie beraten Firmen und Privatleute, wie sie ihre Büros einrichten und mit Kunstwerken bestücken sollen. Sie bieten Kataloge und Dias an, von denen ausgewählt werden kann. Im Gegensatz zu den Galerien wird nach rein kommerziellen Gesichtspunkten entschieden und es findet keine gezielte Förderung von jungen Künstlern statt. Die kunstinteressierten, aber unerfahrenen Kunden entscheiden meist nach rein ästhetischen Kriterien. So kommt es zu einer einseitigen Nachfrage, die das Angebot mitbestimmt. Weiter gibt es „Abschreibungsgalerien“, die dem Nebenerwerb dienen und nicht aus künstlerischem Interesse betrieben werden. Oder es bestehen Gruppen wie „art-contact“, welche neben einer Galerie eine Artothek betreiben, in welcher es möglich ist, sowohl Bilder auszuleihen oder zu erwerbeben. Ein Verleih dient auch oft als Vorbereitung für einen Verkauf, gerade wenn ein Entleiher das Bild später behalten und besitzen möchte. In diesem Fall kann sogar zusätzlich noch mal eine Provision anfallen. Insofern existieren sehr viele Formen des Kunsthandels, die aber auf die vier großen Bereiche, Museen, Messen, Auktionen und Galeriehandel einen nur geringen Einfluss haben.

ee)

Der Kunstmarkt in Zahlen und Fakten

Von Bedeutung für eine spätere rechtliche Bewertung des Kunstmarktes, in der es auch auf tatsächliche Zahlen ankommen könnte, sind die konkreten Positionen des Kunstmarktes, wie z.B. Umsätze, Kosten und Preise. Im Rahmen einer solchen Betrachtung sind jedoch zwei Dinge stets zu berücksichtigen. An erster Stelle ist zu beachten, dass ein Kunstkauf nicht wie der Kauf eines Verbrauchs- oder Gebrauchsgutes verläuft. Wenn jemand ein Auto kaufen will, holt er Informationen ein, indem er den Verkaufssalon eines Herstellers besucht, Beratungsgespräche führt und schließlich seinen Kaufentscheid fällt. Das Kaufkriterium ist, welches Gut seine Bedürfnisse am besten erfüllt und ihm daher den größtmöglichen Nutzen stiftet. Beim Kunstkauf ist alles viel langwieriger, denn die Informationsbeschaffung ist aufgrund der höheren Marktintransparenz schwieriger, kosten- und zeitintensiver. Spontankäufer bzw. Gelegenheitsverkäufe in Galerien sind eher selten. Damit sind solche Fälle gemeint, in denen ein Besucher in eine Galerie schlendert, von einem Werk in irgendeiner Weise bewegt ist, auf es zeigt und es sich einpacken lässt. Bevor es zum Kunstkauf kommt, müssen Informationen über das Marktangebot und seine Beschaffungsquellen eingeholt werden. Dass auf dem Kunstmarkt monopolistische Angebotskonkurrenz herrscht, impliziert, dass die Nachfrager zumindest teilweise über zustandegekommene

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

Preise informiert sind. Informationsinhalte müssen darüber gewonnen werden, welche Kunststile derzeit populär sind, welche Künstler es gibt, welches Angebot von welchen Künstlern existiert, welche Ausstellungen in Museen und in Galerien gezeigt werden, was auf Messen ausgestellt wird und wo diese Bilder zu kaufen sind. Solche Informationen sind knapp und teuer, ihre Beschaffung kostenund zeitintensiv. Daher ist auch die Verkaufssituation eine andere: Es handelt sich nicht um einen Käufer-, sondern um einen Verkäufermarkt.160 Weiterhin ist an zweiter Stelle zu berücksichtigen, dass der Kunstmarkt auf einem Vertrauensprinzip basiert. Spekulationen, die zu einer Diskrepanz zwischen Marktwert und ästhetischer Bewertung führen, sind kurzlebig. Was „ästhetisch gut ist“, erhält einen Wert, welcher dem Kunstwerk entspricht und gebührt. Wenn ein Kunstwerk als Exklusive auf dem Markt gehandelt wird, kann mittelfristig eine seinem Marktwert „entsprechende“ ästhetische Bewertung erhalten.161 Andererseits ist es auch möglich, dass eine Regulierung des Marktwertes durch spätere Veränderungen der ästhetischen Einschätzung stattfindet. Überdies existieren nur wenige Zahlen über den tatsächlichen Handel. Es existiert eine Art „Tabu“, über Umsätze und Gewinne spricht man nicht, und berichtet dementsprechend nicht darüber. Nur große Auktionshäuser geben über Umsätze Auskunft, auf Kunstmessen kann man sich meist nur über Besucherzahlen informieren. Daher steht die Kunstökonomik vor besonderen Schwierigkeiten. Denn nicht nur ihre offensichtliche Tabuisierung schafft der Kunst einen analytischen und ideologischen Freiraum. Ebenfalls ihr ubiquitäres Auftreten und die außerordentliche Vielfalt ihrer Erscheinungsformen machen eine generalisierende Analyse kaum möglich.162 Weiterhin wird ein Großteil der Kunstgüter durch individuelle Transaktionen am Markt gehandelt. Die weitere Verwertbarkeit der künstlerischen Produktion ist durch das Patent- und Urheberrecht sichergestellt.163 Durch diese, meist in Galerien stattfindenden Transaktionen, war es und ist es schwer, an Zahlen zu gelangen. So wussten noch vor wenigen Jahren selbst Ökonomen nur selten, dass es eine ökonomische Analyse der Kunst gibt. Bis dahin

160

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 164.

161

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 61.

162

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17.

163

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 26.

45

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Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

lagen nur vereinzelte Beiträge zu diesem Thema vor, meist von Wirtschaftswissenschaftlern mit einem persönlichen Interesse an Kunst und Kultur verfasst.164 Die ersten Studien aus dem Jahre 1959 von französischen Analysten schätzten, dass der Weltumsatz bei der relativ unbedeutenden Summe von ca. 1,17 Mrd. DM (560 Mill. EURO) lag. 1998 waren es schon etwa 40 Mrd. DM (ca. 20 Mrd. EURO), das entsprach dem erstaunlichen Wert von knapp einem Promille des Weltbruttosozialproduktes. In den Jahren 1989/1990, dem zyklischen Höhepunkt der Marktpreise, lag das Weltmarktvolumen nach Schätzungen sogar bei über 70 Mrd. DM (ca. 35 Mrd. EURO), und damit bei etwa 3 % des Weltbruttosozialproduktes. 60

USA GB EU ohne GB Asien Rest

50 40 30 20 10 0

1997/98

Weltweit führend waren schon 1997/98 die angloamerikanischen Märkte. So führt die USA mit ca. 50 % Anteil, gefolgt von Großbritannien mit ca. 30 %. Betrachtet man allein den europäischen Kunstmarkt, wird die bedeutende Rolle der englischen Auktionshäuser besonders deutlich. Hier dominiert Großbritannien mit einem Anteil von gut 60 % der Umsätze, es folgen Frankreich mit rund 12 % und Deutschland mit rund 6 %.165 Aus der neuesten Zeit dominiert eine der größten Studien, die Untersuchung der TEFAF über den europäischen Kunstmarkt im Jahre 2002. Hierbei wurde versucht, die nationalen und internationalen Kulturhandelsbewegungen innerhalb und außerhalb Europas aufzuzeichnen und gegenständlich in Tabellen aufzuzeigen. Zu den „Schlüsselergebnissen“ der TEFAF-Studie gehört, dass der europäische Kunstmarkt 28 600 Unternehmen umfasst, die circa 73 600 Personen beschäftigen und, dass der Umsatz dieser europäischen Unternehmen im Jahr 2001 zwölf Milliarden Euro betrug, das entspricht einem Anteil von 45 Prozent des

164

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 2.

165

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 15.

I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter Berücksichtigung der Kunstmessen

weltweiten Kunstmarktumsatzes (26,7 Milliarden Euro).166 Auf diese Studie wird in den folgenden Abschnitten noch näher eingegangen, da sie länderübergreifend derzeit die einzige Quelle für Fakten darstellt. In Deutschland ist es möglich, zum Teil auf amtliche Statistiken zurückzugreifen. So gibt es nach der amtlichen Statistik 2.135 Einzelhandelsgeschäfte mit dem Umsatzschwerpunkt Antiquitäten und 6.424 mit Umsatzschwerpunkt Kunstgegenstände. Die Zahl der Beschäftigten je Unternehmen liegt im Durchschnitt, einschließlich tätiger Inhaber und mithelfender Familienangehöriger, bei zwei im Antiquitätenhandel bzw. drei im Kunsthandel.167 Statistiken sind jedoch mir Vorsicht zu bewerten und anzuwenden. Dieser Grundsatz verdient auf dem schwierigen Gebiet der Kunst eine erhöhte Beachtung. Problematisch ist oft, dass sich viele Angaben und Zahlen nicht überprüfen lassen und auf Schätzungen beruhen. Weiterhin finden viele geschäftliche Transaktionen, die eigentlich unter den Oberbegriff „Kunstmarkt“ fallen, abseits der Öffentlichkeit statt und können nicht registriert oder verbucht werden.168 Zwar kann man Steigerungen des Handels entdecken, die tatsächlichen Fakten aber bleiben oft unentdeckt. Insbesondere zum Ende des 20. Jahrhunderts kam es am Kunstmarkt zu Ereignissen, welche dazu führten, dass man den Kunsthandel mit Begriffen wie „Boom“ oder „Erfolgsstory“ versah. Während bei den Kunstmuseen diese Begriffe für die Tatsache steigender Besuchszahlen verwendet wurden, standen im Hinblick auf den Kunstmarkt die Zuwachsraten im Vordergrund, welche diese Branche hinsichtlich ihrer Umsätze erzielen konnte. Die Aussagen über die Entwicklungen in diesem Bereich werden allerdings bis heute dadurch erschwert, da die Verbände und Organisationen des Kunsthandels immer noch keine selbständigen statistischen Erhebungen über die Situation am Kunstmarkt durchführen.169 Dieser konjunkturelle Aufschwang ließ später wieder nach. Ein Grund hierfür bildete der Ausfall der wichtigen Käuferschicht aus der „New Economy“, welche in den Jahren zuvor zu hohen Preisen zeitgenössische Kunst stark nachfragt hatte. Dies wurde durch Kunstmesse „TEFAF“ in Maastricht bestätigt, die in der Kunstbranche als wichtiges Konjunkturbarometer angesehen wird. Hier fanden im Jahre 2000 moderne Werke vielfach nicht die erhoffte Nachfrage. 170 166

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

167

Volksbanken Spar- und Darlehenskassen in Westfalen, Branchenbrief 012w: Antiquitätenhandel abrufbar unter: URL: http://www.volksbank-brilon.de/branchenbriefe/Bb012.txt (Stand 09.02.2002).

168

J. W. F. „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

169

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 71.

170

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

47

48

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Derzeit kann man den Trend entdecken, dass große antike Möbel, Vasen des Jugendstils und ähnliche Antiquitäten und die moderne Kunst des 20. Jahrhunderts mit Preisen um € 100.000.– kaum verkäuflich sind, während die ganz teuren Objekte der Moderne über eine Million Euro sowie die unterste Sparte der modernen und zeitgenössischen Kunst zwischen € 100.– und € 10.000.– sich langsam wieder erholt. Dies konnte nicht zuletzt an der erfolgreich beendeten Art Strasbourg, „St’Art“, erkannt werden. Es spiegelt sich ferner in den Auktionen in London und New York wieder. Dabei stellt sich immer die Frage, ob es sich lohnt, in Kunst zu investieren. Aktuelle Untersuchungsergebnisse der Kunstökonomen sagen nein. Dem steht ein riesiger Kunstmarkt gegenüber, in dem allein in der Periode von Mitte 1989 bis Mitte 1990 in 1800 Auktionen in 320 Auktionshäusern in 24 Ländern ein Umsatz von 8,3 Mrd. DM gemacht wurde. Nimmt man den Handel über Galerien hinzu, sprechen Berichte von einer Verdoppelung dieser Zahl.171 Es ist aber zu berücksichtigen, dass eine Investition in Kunstgegenstände nur auf längere Zeit ratsam ist. Denn der Kunstmarkt kann starken Schwankungen unterliegen.172 Aber auch wenn Schwankungen der Preise registriert werden, existiert die Möglichkeit, für ein Kunstwerk einen hohen Preis zu erzielen. So wurde ein Stillleben des französischen Impressionisten Paul Cezanne für 60,5 Millionen US-Dollar versteigert.173 Im Rahmen der Entwicklung wird zu berücksichtigen sein, dass eine Folgeerscheinung des steigenden Umsatzes im internationalen Kunsthandel die Zunahme des illegalen Handels darstellt. Der weltweite Handel mit gestohlenen Kulturgütern wird auf mehrere Milliarden Franken pro Jahr geschätzt 174, so dass festgestellt werden kann, dass die Globalisierung des Kunsthandels nicht nur positive Aspekte mit sich bringt.

II.

Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen

Für die weitere genaue Betrachtung der Kunstmessen und deren Marktanteile ist es von Bedeutung, welche aktuelle Entwicklung derzeit festzustellen ist. Sie könnte insbesondere bei den rechtstatsächlichen Feststellungen einer im Rahmen 171

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. VII.

172

N-TV Online Pressemitteilung vom 10.11.2000, abrufbar unter http://www.n-tv.de/803952. html (Stand 09.02.2002).

173

N-TV Online Pressemitteilung vom 11.05.1999, abrufbar unter http://www.n-tv.de/6761. html (Stand 09.02.2002).

174

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 8.

II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen

des Kartellrechts zu treffenden Wertung von Einfluss sein. So kann man grundsätzlich die Feststellung treffen, nachdem es 1980–1990 zu einem Aufschwung auf dem Kunstmarkt gekommen war, später ein Nachlassen zu spüren war.175 Weiterhin haben sich neben Auktionen als bewährte Handelsplattform Kunstmessen als Handelsplatz installiert und in diesem Zusammenhang neue Märkte geschaffen. Die Folge des Aufschwungs von Kunst- und Antiquitätenmessen bedeutet eine inflatorische Phase der europäischen Messelandschaft gegenüber den siebziger Jahren. England, Frankreich und Spanien erlebten gegenüber Deutschland keine so starke Zunahme von Kunstmessen, die in Deutschland als Messeexplosion bezeichnet werden könnte. Neben den drei etablierten Messen in Köln/Düsseldorf, Hannover, München, einer Fülle von Regionalmessen entstanden Kunstmessen in anderen Städten, wie z.B. 1987 in Frankfurt Neben der Art Frankfurt existieren derzeit eine Fülle von Kunst- & Antiquitätenmessen. Hierzu gehören beispielhaft das Art Forum Berlin, die Art Cologne, die Weltantik, die Hamburger Kunstmesse, die Kunstmesse München und die Art Karlsruhe. Nachdem Aufschwung der 1990er Jahre und der folgenden Ruhephase ist Anfang des 21. Jahrhunderts wieder eine erhöhte Nachfrage nach der modernen und zeitgenössischen Kunst zu verzeichnen. Dies ist ein überregionaler Trend, so verzeichnete die Kunstmesse in Chicago, Erfolge. Auch wurden 2002 allein in den Vereinigten Staaten drei neue Kunstmessen, die Art Basel Miami Beach, The Armory Photography Show, The Affordable Art Fair New York gegründet. 2003 wurde zusätzlich die Art New York ausgerichtet.176 In Frankreich erstarkte die Pariser FIAC, oft als Frankreichs wichtigste Marktmanifestation bezeichnet. Ebenso wuchs die Bedeutung der Madrider Messe „Arco“ (eine Abkürzung für Arte Contemporaneo). Mit 119 000 Besuchern lag sie 1989 auf dem zweiten Platz messbarer Resonanz. Im Februar 1990 wurden bereits 142 000 Besucher gezählt, und unter den internationalen Ausstellern lag das deutsche und amerikanische Kontingent mit 31 und 21 Ausstellern ganz vorn.177 Laut neuesten Angaben bildet die Kunstmesse Arco in Madrid nun mit knapp 200.000 Besuchern die bestbesuchteste Kunstmesse der Welt.178

175

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 71.

176

Fesel, Bernd in: Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_detailansicht.html?id =50959 (Stand 20.05.2003).

177

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 45.

178

Kügler, Clemens, „Gute Stimmung für alle – ARCO“ in: F.A.Z. Nr. 38 vom 14.02.2004, S. 45.

49

50

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Am Anfang des 21. Jahrhunderts hat sich der Markt etwas beruhigt. Zwar kommen immer wieder neue Messen hinzu, wie die erfolgreich verlaufene Frieze Art in London und die im Jahre 2004 erstmalig durchgeführte Art Karlsruhe, einen Boom wie in den 1980er Jahren existiert jedoch nicht, kann aber möglich sein. Gerade wegen dieser wenigen neuen Kunstmessen auf dem internationalen Markt und kaum zu fassenden allgemeinen Trends auf dem Kunstmarkt ist eine genaue Analyse stets nötig, um die Verschiebungen und Entwicklungen genau registrieren zu können.

a)

Die tatsächliche Entwicklung

Neben der Entwicklung auf dem Sektor der Kunst- und Antiquitätenmessen entwickelten auch Floh- und Trödelmärkte eine starke Präsenz, geprägt durch den Wunsch vieler Personen, sich mit Zeugnissen der Vergangenheit auseinander zusetzen.179 Diesem Trend folgend wuchsen die großen Kunstschauen. Denn je breiter das Fundament der Leute wurde, die auf kleinen Floh-, Antik- und Kunstmärkten kauften, desto größer wurde auch die Anzahl derjenigen Personen, die später eine Interesse nach weiterer Kunst entwickeln und renommierten Messen besuchen. Auch entstand in der Neuzeit der Trend, einen Kunstmessebesuch nicht nur als reine Verkaufsveranstaltung zu betrachten, sondern dies als Event aufzufassen. Im Rahmen der tatsächlichen Entwicklung kann festgestellt werden, dass zwischen den verschiedenen Kunstmessen Gemeinsamkeiten bestehen. Der Umfang an Ausstellern liegt zwischen 80 und 250, mit rund 1250 Künstlern und bis zu ca. 6 000 Kunstwerken. Diese Werte könnten als Eckdaten einer renommierten Kunstmesse bezeichnet werden. Wenn jedoch nur maximal ca. 250 Aussteller zugelassen werden sollen, müssen dementsprechend Bewerber abgelehnt werden. Oft ist die Zahl der Abgewiesenen höher wie die Zahl der zugelassenen Bewerber. Hier zeigt sich ein Unterschied zu den Konsum- und Industriemessen. Während industrielle Messen nach materiellen Gesichtspunkten eventuelle eine Auswahl treffen, muss eine Kunstmesse nach künstlerischer Qualität die Auswahl treffen. Auch können Industrie- oder Konsummessen eine Erweiterung der Ausstellungsfläche in Betracht ziehen, dies ist jedoch im speziellen Fall der Kunstmesse nicht möglich. Ein Flächenzuwachs ist nicht möglich. Folglich können Kunstmessen sich „nur“ vermehren.180 Aufgrund dieser anhaltenden Vermehrung trotz Konjunkturschwächen der Wirtschaft in Deutschland stellt sich die Frage, warum ein

179

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 12.

180

Fesel, Bernd, a.a.O.

II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen

Zuwachs zu verzeichnen ist. Der europäische Kunstmarkt ist laut einem Bericht der EU-Kommission in den Jahren 1993 bis 1997 in England um bis 50 Prozent, in Frankreich um 23 Prozent und in Deutschland immerhin noch um 11 Prozent gewachsen. Der Umsatz des Galerienmarktes für zeitgenössische Kunst ist allein in Deutschland insgesamt von rund 50 Millionen Euro im Jahr 1970 auf 350 Millionen Euro im Jahr 2002, von 100 Galerien 1970 auf 800 Galerien 2000 gewachsen.181 Trotz des Wachstums existierten jedoch nur wenige Kunstmessen, um die gestiegene Anzahl von Galerien aufzunehmen. In einem weiteren Schritt reduzierten manche existente Kunstmessen, wie z.B. die Art Cologne Mitte der 1990er Jahre ihre Ausstellerzahl. Somit stand sich eine wachsende Zahl an Galerien einem sich verkleinernden Markt von Kunstmessen gegenüber. Anders ausgedrückt stand prozentual pro Galerie immer weniger Messeausstellungsfläche zur Verfügung. 182 Da sich jedoch die Zahl der Galerien nicht verringerte, existierte und existiert noch ein Bedarf, welcher sich in Neugründungen von Kunstmessen trotz der wirtschaftlichen Schwäche der Bundesrepublik ausdrückt. Allgemein für Messen, nicht nur beschränkt auf Kunst- und Antiquitätenmessen, konnte nach einer Marktanalyse festgestellt werden, dass Unternehmen eine Messe als Forum für vielfältige Zwecke nutzen. So kommen Vertrags- / Verkaufsabschlüsse, die Beeinflussung von Kundenentscheidungen, die Erkennung von Kundenwünschen, Informationsaustausch / -sammlung, die Steigerung der Bekanntheit von Produkten, die Einführung / Vorstellung neuer Produkte, die Demonstration von Marktpräsenz, die Neukundenwerbung, die Auffrischung bestehender Kundenkontakte und die Steigerung der Bekanntheit des Unternehmens / Imagepflege in Frage. 183

aa)

Der Ausstellungsrhythmus

Die vielen Messeneugründungen lösen nicht nur Begeisterung, sondern auch Bedenken aus. Denn schon heute sind Besucher und Aussteller häufig einem Terminmarathon ausgesetzt. So startete die Art Cologne im Jahr 2003 einen Tag nach Ende der FIAC in Paris und die Kunst Köln überschnitt sich im Jahr 2004 mit der Art Brussel. Wenn jedoch jede Kunstmesse bestückt werden soll, stellt sich für Galeristen auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Die Kosten für die Bestückung einer Kunstmesse sind erheblich, inklusive der Bewerbungskosten. In diesem Fall muss ein Galerist sich mit Rentabilitätsgesichtspunkten auseinandersetzen. Die Kosten des Besuchs einer Kunstmesse können rund 15 % und mehr aller Kosten einer Galerie betragen. Wenn jedoch immer mehr Kunst-

181

Fesel, Bernd, a.a.O.

182

Fesel, Bernd, a.a.O.

183

Goschmann, Klaus, „Messeplatz Sinsheim reagiert auf den verschärften Wettbewerb“ in: Wirtschaftsmagazin Rhein Neckar, Ausgabe 7/8 2003, S. 22.

51

52

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

messen, z.T. gleichzeitig, bestückt werden sollen, müssen Galerien diese Kosten erwirtschaften können, denn eine Senkung einer Messebeteiligung lassen sich kaum verwirklichen. Auch ist zu berücksichtigen, dass oft gleiche Interessenten verschiedene Kunstmessen besuchen, und folglich eine Erhöhung der Anzahl potentieller Käufer durch eine Erhöhung der Zahl bestückter Kunstmessen nicht verwirklicht werden kann.184 Trotz dieser Preissteigerungen versuchen einige Galerien die wichtigsten Messen noch zu buchen. Andere hingegen versuchen einem solchen Trend entgegenzuwirken und nur eine Kunstmesse bestücken. Als Beispiel könnte für die erste Gruppe angeführt werden, dass einige Galerien die Frieze Art in London und die direkt vorher stattfindende FIAC in Paris besuchten. Im Jahre 2003 ist dieser Terminmarathon sehr deutlich. So fand am 29. Oktober die Art Cologne statt und die Art.Fair wurde am Tag danach durchgeführt. Anfang Dezember wurde die Art Basel Miami Beach veranstaltet. Ein Auszug der Messetermine auf einen Blick, um sich die Knappheit der Termine zu verdeutlichen: – – – –

Frieze Art, London 17.10. bis 20.10.2003 Art Cologne 29.10. bis 2.11.2003 Art. Fair, Köln-Mülheim 30.10. bis 2.11.2003 Art Basel Miami Beach 4.12. bis 7.12.2003

Aufgrund dieser engen Terminplanung der Messen, die sich sowohl im Frühjahr als auch im Herbst stattfindet, hat sich für die großen international renommierten Kunstmessen ein Ausstellungsrhythmus von einem Jahr ergeben. Dies bedeutet, dass die jeweilige Veranstaltung nur einmal im Jahr, möglichst an dem gleichen Termin stattfindet. Die betrifft auch den Veranstaltungsort, solange es sich um die gleiche Art der Messe handelt. Nur selten werden in einer Messestadt an zwei Terminen Kunstmessen durchgeführt. Dies ist nur der Fall, wie in Köln, wenn sich das Programm der beiden Messen etwas unterscheidet. Grundsätzlich kein Problem stellt die Veranstaltung von Kunstmessen mit gegensätzlichem Programm, z.B. Kunst- oder Antiquitätenmessen dar. Es kann festgehalten werden, dass eine Kunstmesse an einem Ort grundsätzlich nur einmal im Jahr stattfindet, wenn möglich mit genau einem Jahr Abstand zu dem vorhergehenden Termin.

184

Fesel, Bernd in: Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_detailansicht.html?id =50959 (Stand 20.05.2003).

II. Die aktuelle Entwicklung der nationalen und internationalen Kunstmessen

bb)

Das Publikum

Die Publikumszahlen der großen Kunstmessen reichen von ca. 50.000 bis zu 200.000 Personen pro Veranstaltung. So kamen in den Jahren 2002 und 2001 ca. 65.000 Besucher zu der Art Cologne. Insgesamt kamen im Jahr 2002, genauso wie 2001, 65.000 Besucher zur Art Cologne.185 Dieses Publikum beinhaltet die verschiedensten Personengruppen. Angefangen von den klassischen Kunsteinkäufern, wie Sammlern, Museumsbeauftragte und Galeristen, reicht die Bandbreite über reine Spekulanten bis hin zu den immer häufiger auftretenden „Zuschauern“, welche nicht an einem Erwerb interessiert sind, sondern vielmehr lieber eine Kunstmesse besuchen wie ein Museum. Denn die Gegenwartsgesellschaft eignet sich Kunstwerke auf den verschiedensten Ebenen und Kanälen mit vielfältigen Mitteln und in unterschiedlicher Weise, je nach den ökonomischen, sozialen und kulturellen Standards und den daraus resultierenden Rezeptionsmöglichkeiten der diversen Publikumsgruppen, an.186 Weiterhin existiert in den klassischen Käuferkreisen ein so genannter „Kunstzirkus“. Dies bedeutet, dass die vorbezeichneten vier „großen“ Kunstmessen der Moderne ein personell im Wesentlichen gleich bleibender Kreis von potenten Sammlern, Museumseinkäufern, etc. folgt.187 In den letzten Jahren konnte man jedoch, insbesondere nach den international politisch und sozial bedeutenden Ereignissen wie der Krankheit SARS und dem 11. September 2001 eine Veränderung des Publikums ausmachen. Insbesondere ist hierbei ein Großteil der amerikanischen Käuferschicht, geprägt durch große Mäzene, Museumseinkäufer und Foundations, ausgefallen. So wurde auf der Art Cologne 2002 von einigen Galeristen ein internationales Publikum vermisst.188 Von diesem „Schock“, der sowohl zu einem Einbruch der Preise als auch zu einer Verlagerung von Kunstmessen nach Amerika, „Art Basel Miami Beach“ führte, erholt sich die Kunstszene erst langsam wieder. Überdies fehlten auch Käufer aus der Schicht der „New Economy“ aus. Sehr deutlich war dies an der Entwicklung zeitgenössischer zu verzeichnen.189

185

Firsching, Ulrich Raphael, „Euphorisch gaben sich nur wenige“ in: Quelle/Autor: Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching (Stand 08.11.02) abrufbar unter www. kunstmarkt.com.

186

Thurn, Hans Peter, „Soziologie der bildenden Kunst – Forschungsstand und Forschungsperspektiven“ in: Künstler und Gesellschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1974, Seite 120, S. 150.

187

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

188

Firsching, Ulrich Raphael, „Euphorisch gaben sich nur wenige“ in: Quelle/Autor: Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching (Stand 08.11.02) abrufbar unter www. kunstmarkt.com.

189

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

53

54

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Entgegengesetzt hierzu tauchen aber in Europa neue Käuferschichten, insbesondere aus dem Osten auf. So versucht die neue russische Geldelite ihre Kunstschätze zurück zu erwerben. Vor einer Auktion von Sotheby’s wurden durch einen russischen Kunstliebhaber sämtliche zum Verkauf angebotenen FabergéEier zu einem ungenannten Preis, wahrscheinlich um die einhundert Million Dollar, erworben190. Durch diese Veränderungen sowohl der Käuferschichten als auch der Reisegewohnheiten bleibt daher abzuwarten, wie sich das Publikum in der nächsten Zukunft zusammensetzen wird.

cc)

Die Kunstmesse als Trendsetter und maßgebendes Forum

Jeder Markt benötigt richtungweisende Signale. Auf dem Kunstmarkt werden diese von den großen Auktionen und den großen Kunstmessen gegeben. Beide Protagonisten haben eine Pilotfunktion für die Preisentwicklung.191 So wurde zum Beispiel im Jahre 2002 festgestellt, dass von der ersten großen Kunstmesse des Jahres, der TEFAF in Maastricht, positive Signale zur derzeitigen Marktlage ausgingen.192 Die Art Basel und die weltweit älteste Messe für Moderne Kunst193, die Art Cologne, stellen auch Indikatoren für den internationalen Kunstmarkt der Moderne dar.194 Die Kataloge der Kunstmessen und die Kataloge der großen Auktionshäuser sind eine ständige Informationsquelle für die Kunstszene und ein Trendbarometer der derzeit „angesagten“ Kunst. Schließlich haben die Veranstalter einer Kunstmesse sogar das Recht, von z.T. auf der Kunstmesse ausgestellten Werken eine Ablichtung mit in den Katalog aufzunehmen und dort zu präsentieren, was natürlich den Wert eines solchen Kataloges als Informationsquelle um einiges erhöht.195

190

Pressemitteilung in: F.A.Z. vom 07.02.2003, Nr. 32, S. 47.

191

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 38.

192

Pressemitteilung, „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

193

Stadler, Stefanie, „Musen, Maler und Moneten“ in: General Anzeiger Bonn, Abt. Kulturszene Rheinland, abrufbar unter: http://www.general-anzeiger-bonn.de (Stand. 09.02.2002).

194

Gropp, Rose-Maria, „Eine Messe ist eine Messe ist – die Kunst“ in: FAZ v. 09. Juni 2002, S. 62.

195

Jacobs, Rainer, „Die Katalogbildfreiheit“ in Festschrift für Ralf Vieregge, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1995, S. 390.

III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen

III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen Im Bereich des Messe- und Ausstellungsrechts gibt es nur wenige einzelne, auf die Besonderheiten des Messewesens zugeschnittene Normen. Das Messerecht könnte vielmehr als eine Art Sammelbegriff bezeichnet werden, das die Gesamtheit aller Normen umfasst, die einen Bezug zum Tatbestand der Ausstellungen und Messen haben und damit alle anwendbaren Gesetze auf Messen und Ausstellungen beinhalten.196 Unter anderem stellen die vertragliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Werkvermittlern, Künstlern und Publikum eine wichtige Komponente dar. Einen Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bildet dabei das Ausstellungsrecht i.S. des anzuwendenden Kartellrechts. Zusätzlich ist zu beachten, dass nur wenige Vorschriften wie z.B. §§ 64 ff. GewO auf Messen Bezug nehmen. Einzig die Rechtsprechung zu der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen kann noch Anhaltspunkte liefern. Folglich bestimmen insbesondere im öffentlich-rechtlichen Sektor örtliche Marktordnungen den Ort und damit den Umfange eines Marktes. Auch regeln diese Ordnungen die Ausgestaltung. Das Recht bestimmt auch darüber, wie zu verfahren ist, wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, um allen Bewerbern einen Standplatz zuzuweisen.197 In anderen Rechtsgebieten, wie dem Zivilrecht oder Strafrecht, finden sich gelegentlich Normen, die auf Messen und Ausstellungen direkt oder entsprechend Anwendung finden könnten. Eine solche Anwendung könnte z.B. § 823 I BGB oder § 826 BGB198 erfahren.

a)

Die Unterscheidung zwischen Messe und Ausstellung nach der GewO

Grundsätzlich versteht man unter einer Ausstellung oder Messe im Allgemeinen eine öffentliche Veranstaltung, gewöhnlich in eigens hierfür bestimmten Ausstellungsräumen, um wirtschaftliche, technische oder künstlerische Erzeugnisse zur Schau zu stellen, oder um einen Ausschnitt aus der Organisation des öffentlichen Lebens und seinen Problemen anschaulich zu machen. Ausstellungen sollen Erfindungen, neue Herstellungsmethoden, Erzeugnisse und anderes einführen oder einen größeren Personenkreis für bestimmte Produkte interessieren.199 Eine 196

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 18.

197

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

198

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 103.

199

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 17.

55

56

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Differenzierung zwischen Ausstellung und Messe findet sich in den Vorschriften der Gewerbeordnung. Der Begriff der Messe ist in § 64 Gewerbeordnung definiert. Danach ist eine Messe „eine zeitlich begrenzte, im allgemeinen wiederkehrende Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern das wesentliche Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige ausstellt und überwiegend nach Muster an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Verbraucher oder Großabnehmer vertreibt. Der Veranstalter kann in beschränktem Umfang an einzelnen Tagen während bestimmter Öffnungszeiten Letztverbraucher zum Kauf zulassen“. Eine Kunstmesse müsste daher, um sich Messe nennen zu können, diese Voraussetzungen erfüllen. Eine Kunstmesse richtet sich jedoch weder an Großabnehmer noch wird nach Muster verkauft. Eine Kunstmesse erfüllt nicht den Messebegriff des § 64 GewO. Eine Kunst- und Antiquitätenmesse könnte eher eine Verkaufsausstellung im Sinne von § 65 Gewerbeordnung darstellen. § 65 Gewerbeordnung definiert eine solche Ausstellung wie folgt: „Eine Ausstellung ist eine zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Ausstellern ein repräsentatives Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete ausstellt und vertreibt oder über dieses Gebiet zum Zwecke der Absatzförderung informiert“. Kunstmessen, wie Z.B. Art Frankfurt oder Art Cologne, spiegeln ein Angebot des Marktes dar. Dies könnte auch repräsentativ bezeichnet werden, da dieses Angebot sich aus den verschiedensten nationalen und internationalen Galerien zusammensetzt. Weiterhin existiert der Begriff des Spezialmarktes, 68 Absatz I GewO. Dieser werden dort wie folgt definiert: „Ein Spezialmarkt ist eine im allgemeinen regelmäßig in größeren Zeitabständen wiederkehrende, zeitlich begrenzte Veranstaltung, auf der eine Vielzahl von Anbietern bestimmte Waren feilbietet“. Auf einer Kunstmesse präsentieren viele Galerien als Anbieter Kunstwerke zum Kauf. Es könnte auch ein Spezialmarkt vorliegen. Somit muss zwischen Spezialmärkten und Verkaufsausstellungen unterschieden werden. Diese unterscheiden sich in den Worten „bestimmte Waren“ und „repräsentatives Angebot“. Beide Begriffe können angewandt werden. Welche Form auf die individuelle Kunstmesse anzuwenden ist, muss im Einzelfall bestimmt werden. Als Vorgabe kann festgelegt werden, dass, wenn z.B. ein Großteil der Aussteller nur „Klosterarbeit, Volkskunst, Kunsthandwerk, rustikale Einrichtungsgegenstände, Textilien“ präsentiert, ein Spezialmarkt gegeben ist, den man Antiquitätenmesse bezeichnen kann. Sind dagegen alle wesentlichen Fachrichtungen des Kunst- und Antiquitätenhandels vertreten, und bieten die Aussteller nicht nur Durchschnittsware, sondern Spitzenqualität an, so liegt eine Verkaufsausstellung vor.200 200

Picker, Günther: Antiquitäten, Kunstgegenstände, 2. Auflage 1988, Seite 30 & 31.

III. Die anwendbaren nationalen Gesetze auf Messen und Ausstellungen

Der Begriff der Kunstmesse kann hingegen entgegen den Vorgaben der GewO für Kunst- und Antiquitätenmessen benutzt werden, wenn eine weitere Auslegung zu Grunde gelegt wird. Als Kunstmesse kann eine Verkaufsausstellung bezeichnet werden, auf der Händler Kunstwerke potentiellen Käufern anbieten und entweder eine Vielzahl von Kunstrichtungen vereinen oder eine bestimmte Kunstrichtung bzw. einen bestimmten Zeitabschnitt der Kunst vertieft darbieten.

b)

Weitere einschlägige Normen

Im Hinblick auf die Ablehnung eines Bewerbers und seines Rechts auf Zulassung kommen verschiedenste Normen in Betracht. Es könnte von einem Verstoß gegen die guten Sitten die Rede sein, und zwar nach § 1 UWG, nach § 826 BGB und sogar unter dem Gesichtspunkt des rechtwidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach § 823 I BGB.201 Weiterhin kommen für diese Arbeit noch zu untersuchenden Normen des Diskriminierungsverbotes des Kartellrechts in Betracht.202 Neben diesen für die Zulassung entscheidenden Normen, sind bei einer Durchführung einer Kunstmesse vielfältige weitergehende Normen noch zu beachten. Beispielhaft sei hierbei nur aufgeführt, dass es in Frage kommen könnte, dass der auf einer Messe abgeschlossene Kaufvertrag gemäß §§ 312 I, 355 BGB, ehemals Haustürwiderrufgesetz, widerrufen werden könnte.203 So beurteilt die Rechtsprechung die Anwendbarkeit und Erforderlichkeit einer Widerrufsbelehrung unterschiedlich. Für die CMT in Stuttgart hat z.B. das AG Stuttgart im Jahr 1994 204 in einem Urteil entschieden, dass für Verträge die auf dieser Messe geschlossen werden, auf ein solches Widerrufsrecht hingewiesen werden muss. Ob eine Ausstellung zur Anwendbarkeit des Gesetzes führt, hängt davon ab, ob bei der Veranstaltung der Geschäftszweck im Vordergrund steht oder hinter die freizeitliche Stimmung zurücktritt. Bei der Leistungsschau oder einer sonstigen Gewerbeschau, bei der der Gewerbecharakter unmittelbar im Vordergrund steht, ist die Anwendung umstritten. Die Grenze ist, wenn man die Rechtsprechung betrachtet, nur sehr schwer zu ziehen. Darüber hinaus ist eine Anwendung des Widerrufsrechts unter anderem dann ausgeschlossen, wenn der Kunde den Aussteller persönlich anspricht, was meist bei Kunstmessen der Fall ist, oder bei gewerb-

201

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 103.

202

Vgl. unter: I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB S. 47.

203

OLG Dresden, Urteil v. 28.02.1997 – 8 U 2263/96, ARD Ratgeber Recht Urteilsdatenbank Leitsatz 484, abrufbar unter www.wdr.de/tv/recht/urteile/druck/rld00484.html, Stand am 20.12.2001.

204

Kresse, Hermann, Spinger, Jacob, „Verbraucherausstellungen – Freizeitveranstaltungen im Sinne des Haustürwiderrufgesetzes?“ in: WRP 2000, S. 479, S. 482.

57

58

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

lichen Kunden.205 Eine Einordnung von Kunstmessen als reines Werbeinstrument hätte dann zur Folge, dass das § 312 I BGB Anwendung findet, wenn der Geschäftszweck kaum zu erkennen wäre, vielmehr die Information aller, Händler und Aussteller und Besucher, im Vordergrund stehen würde. Dies ist aber gerade nicht Hauptzweck einer solchen Veranstaltung, denn der Verkauf auf der Messe ist und bleibt der Hauptzweck. Eine Freizeitveranstaltung wie es das Gesetz fordert, kann ausgeschlossen werden. Ein Recht zum Widerruf existiert nicht. Ein weiteres Beispiel zu den vielfältigen Normen, die bei einer Durchführung einer Kunstmesse anzuwenden sind, entspringt dem Urheberrecht. So sind öffentlich ausgestellte sowie zur öffentlichen Ausstellung bestimmte Werke auch solche, die auf einer Verkaufsausstellung, z.B. in einer Galerie oder auf einer Kunstmesse, etwa der Art Cologne, gezeigt werden. Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen Ausstellungen, die allein der Kunst und deren Vermittlung dienen, und solchen, die gewerbliche Zwecke verfolgen. Galeriekataloge und Messekataloge werden daher ebenfalls von § 58 UrhG erfasst und privilegiert.206 Hierbei untersuchte Rainer Jacobs 207 in seinem Aufsatz den Unterschied zwischen Eigentumsrecht und Urheberrecht. Insbesondere zeigte er die Möglichkeiten auf, wie ein Eigentümer das Werk verbreiten darf, ob er z.B. gemäß der Katalogbildfreiheit in solchen Katalogen eine Abbildung platzieren darf. Das von einem Photographen hergestellte Lichtbild unterfällt seinerseits wiederum dem Urheberrecht als Kunstwerk, und damit ist eine Einwilligung des „Künstlers“ zur Präsentation und zum Abdruck der Photographie in dem jeweiligen Katalog nötig. Dies wird jedoch meist im Rahmen des Auftrags gleichzeitig vereinbart.208 Dabei ist immer zu beachten, dass die Katalogbildfreiheit eine spezielle Ausformung des allgemeinen Verwertungsrechts des Urhebers ist. Nach § 18 hat der Künstler das ausschließliche Recht, Werke der bildenden Kunst oder Lichtbildwerke oder Vervielfältigungswerke, die noch nicht veröffentlicht sind, auszustellen. Die Veröffentlichung von Katalogbildern nach § 58 UrhG führt nicht zum Erlöschen des Ausstellungsrechts. Die enge Regelung des Ausstellungsrechts liegt auch im Interesse des Künstlers selbst, da Ausstellungen durch den Kunsthandel und Galerien indirekt seine Handlungen beeinflussen und er sonst sehr behindert würde.209

205

Sakowski, Ralf, „Messen und Verkaufsveranstaltungen: Rechtliche Aspekte für den Anbieter“, abrufbar unter: http://www.anwaltnotruf.de/newsletter/recht016.html (Stand 20.12. 2001).

206

Jacobs, Rainer, „Die Katalogbildfreiheit“ in Festschrift für Ralf Vieregge, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1995, S. 390.

207

Jacobs, Rainer, a.a.O. S. 390.

208

Jacobs, Rainer, a.a.O. S. 390.

209

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 10.

IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland

IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland Grundsätzlich bestehen, in einfacher Form, bei der Durchführung einer Kunstmesse Rechtsbeziehungen zwischen vier Personen. Einerseits dem Veranstalter und dem Besucher, und andererseits zwischen dem Veranstalter und dem Hallenbetreiber und dem Aussteller.210 Hierbei ist es möglich, dass der Hallenbetreiber als Eigenveranstalter auftritt 211, wobei dies nichts an dem grundsätzlichen Verhältnis zu den Ausstellern verändert. Diese Rechtsbeziehungen sind in vielfältiger Weise durch gesetzliche Vorschriften beeinflusst. Einen solchen Einfluss übt selbstverständlich auch das Kartellrecht aus.212

a)

Beziehung zwischen Veranstalter und Halleneigentümer

Zwischen Hallenbetreiber und Veranstalter einer Kunstmesse besteht in den meisten Fällen ein Mietverhältnis gemäß § 535 f BGB. In einzelnen Ausnahmefällen ist jedoch der Halleneigentümer mit dem Veranstalter identisch, in solchen Fällen wäre dann er selbst für die Durchführung verantwortlich. Oft wird dabei aber eine Messegesellschaft mehrere Firmen gründen, die untereinander in rechtlicher Beziehung stehen, um wieder ein Mietverhältnis begründen zu können. Als verantwortlich im Sinne des Kartellrechts kommt aber immer nur der Veranstalter in Betracht, nicht ein Halleneigentümer.

b)

Beziehung zwischen Veranstalter und Aussteller

Von besonderer Bedeutung für die folgende Untersuchung ist die Beziehung zwischen Veranstalter und Aussteller. Denn häufig sind Aussteller und Anbieter von Messeveranstaltern abhängig. Die Nichtzulassung zu einer solchen Messe kann den Tatbestand des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots des GWB erfüllen.213 Dieses heute in § 20 GWB geregelte Diskriminierungsverbot gehört seit dem Inkrafttreten im Jahre 1958 zu den zentralen Vorschriften des GWB, wobei § 20 I–V GWB nahezu wörtlich dem früheren § 26 II bis V GWB a.F.214 entspricht.215 Auf diesen Tatbestand, der den Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit bildet, wird später im Einzelnen eingegangen. 210

Güllemann, Dirk, Veranstaltungsrecht, Seite 3.

211

Güllemann, Dirk, a.a.O. Seite 8.

212

Emmerich, Volker, Kartellrecht, Seite 222.

213

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 204.

214

Soweit Normen vor der sechsten Novelle des GWB von 1998 zitiert werden, geschieht dies mit dem Anhang „a.F.“; Normen ohne diesen Zusatz entsprechen dem derzeitigen Gesetzesstand.

215

Emmerich, Volker, Kartellrecht, Seite 212.

59

60

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

Dabei sollen an dieser Stelle die grundsätzlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten einer Kunstmesse erläutert werden.

aa)

Die Vertragsgestaltung

Zwischen Aussteller und Veranstalter wird für die Durchführung einer Kunstmesse ein Vertrag eigener Art, mit Elementen des Miet-, Dienst-, Werk- und sogar manchmal Kaufvertrags geschlossen. Der mietvertragliche Teil bezieht sich dabei auf die Standfläche innerhalb des Messegeländes und die dazugehörige Ausstattung, wie Wände, Steckdosen, etc. Der Dienstvertrag findet sich z.B. in dem Bezug von Strom, Reinigung und Bewachung wieder. Der Werkvertrag beinhaltet unter anderem die ordnungsgemäße Abwicklung bei der Öffnung für Besucher, so dass diese zu dem vorher angegebenen Preis Einlass finden, der Einlass organisiert verläuft und z.B. ausreichend Parkplätze zur Verfügung stehen. Kaufvertragliche Elemente finden sich auf solchen Messen oft, die von Galerien in Eigenregie veranstaltet werden. Hier wurde z.B. eine Hallenbeleuchtung gemeinsam erworben, so dass Newcomer verpflichtet sind, auf der Messe einen Teil dieser Anlage von dem Vorgänger zu erwerben.

bb)

Allgemeine Teilnahmebedingungen (ATB)

Für die Durchführung einer Kunstmesse kann ein Veranstalter Allgemeine Teilnahmebedingungen aufstellen, die als AGB mit in den Vertrag einbezogen werden. Hierbei ist es ihm möglich, die Aufnahmemodalitäten und das Verfahren explizit in den Bedingungen zu regeln. Zu beachten ist, dass ein solcher Vertrag Bedingungen enthalten kann, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, und somit unwirksam sein könnten. Denn ein Abhängiger im Sinne des GWB darf nicht gezwungen sein, sachlich nicht gerechtfertigte und unbillige Verpflichtungen auf sich zu nehmen. Zum Beispiel kann er nicht verpflichtet sein, einem Auswahloder Rotationsverfahren zuzustimmen, um zumindest im nächsten Jahr berücksichtigt zu werden, wenn schon das Verfahren an sich nicht dem Gebot des § 20 Abs. 2 GWB entspricht, nur um ungleiche Wettbewerbschancen zu vermeiden.216 Weiter kann es nötig sein, wenn AGB mit in den Vertrag einbezogen werden, dass die Aufnahmebeschränkung auch dann unwirksam ist, wenn der von dem Veranstalter verfolgte Zweck durch eine andere, „mildere“ Ausgestaltung erreicht werden könnte. Dies gilt jedoch nicht, soweit ein Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die Bedingungen zu erfüllen.217 Inwieweit solche Bedingungen wirksam oder unwirksam sein könnten, wird in einem eigenen Kapitel erläutert werden.218 216

BGH, Beschl. v. 24.02.1976 – KVR 3/75 (KG) „Bedienungsgroßhändler“ in: GRUR 1976, S. 711, S. 714.

217

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282.

218

Vgl. unter: b) Gründe für eine Nichtzulassung eines Bewerbers, S. 202.

IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland

aaa)

ATB bei großen, international renommierten Kunstmessen

Für die Durchführung von großen, international renommierten Kunst- und Antiquitätenmessen im In- und Ausland ist es mittlerweile üblich, dass der Veranstalter ATB mit in den Vertrag einbezieht.219 Hierbei werden in den Bedingungen die verschiedensten Bereiche geregelt. Die schließt nicht nur die Zulassungsbedingungen und Auswahlverfahren ein, sondern auch das Aufbauen des Standes, die anfallenden Kosten für Strom und Versorgung, das Dekorieren des Standes, etc.

bbb) Das Recht zur Aufnahme aus ATB bei nationalen Veranstaltern Oft wird dabei in den ATB der jeweiligen Veranstalter eine Art Aufnahmemöglichkeit mit einbezogen. Daher würde sich eine Diskussion über einen Aufnahmeanspruch, der dem Kartellrecht entspringt, erübrigen, wenn ein solches Recht auf Aufnahme schon in den ATB der jeweiligen Veranstalter für den Fall festgeschrieben wäre, dass die Bewerber die Voraussetzungen erfüllen. Maßgebend hierbei ist die Auslegung des tatsächlichen Willens des Veranstalters, ob er ein solches Recht im Rahmen seiner ATB schaffen wollte. Natürlich kann man den Schluss aus ATB ziehen, die Aufnahmevoraussetzungen statuieren, dass bei Erfüllung dieser per se ein Recht auf Aufnahme in die Messe entsteht. Jedoch ist dabei zu bedenken, dass dies dazu führen würde, dass der Veranstalter bei Ausschreibung der Messe keinen Einfluss mehr darauf hätte, welche Galerien teilnehmen würden. Auch könnte er keine Kapazitätsgrenze einhalten, ohne sich unter Umständen für den Fall schadensersatzpflichtig zu machen, falls die Kapazität der Halle erschöpft wäre. Vielmehr entspricht es seinem mutmaßlichen und tatsächlichen Willen, die Aufnahmevoraussetzungen als „invitatio ad offerendum“ auszulegen. Jedem Bewerber soll erst dann eine Abgabe eines gültigen Angebots zum Vertragschluss möglich sein, wenn er grundsätzlich in der Lage ist, die Teilnahmebedingungen zu erfüllen. Erst hiernach entscheidet dann der Veranstalter über die Annahme des gültigen Angebots. Nur so kann er zwischen den einzelnen Bewerbern nochmals entscheiden und eine Auswahl treffen, um einer Kunstmesse eine gute Auswahl an, seiner Ansicht nach, zugkräftigen Ausstellern zu ermöglichen. Dies entspricht den Grundsätzen des Urteils des Reichsgerichts. Hiernach hat die satzungsgemäße Festsetzung gewisser Bedingungen, die für die Aufnahme erfüllt sein müssen, nur die Bedeutung einer Instruktion für die Organe der Genossenschaft. Die Bedingungen wollen aber nicht denen, die diese erfüllen, ein Recht auf Aufnahme gewähren. Dabei kann es manchmal fraglich sein, ob die Auf-

219

Vgl. ATB Art Cologne; AGB Kölnmesse; Ausstellungs- und Teilnahmebedingungen Kunstmessen Hannover-Herrenhausen Heckmann GmbH; Conditions of Participation Art Chicago Thomas Blackmann Associates Inc.

61

62

Kapitel 1: Überblick über das Messe- und Ausstellungswesen im Bereich der Kunst

nahmebedingungen immer eine solche Folge haben. Es kann sein, dass ein Recht auf Aufnahme gewährt wird.220 Dieser Grundsatz wurde durch den BGH mehrfach bestätigt.221 So entschied der Senat 1976, dass im Hinblick auf das Vereinsrecht der Gesetzgeber einem Verein nicht nur die grundsätzlich freie Befugnis eingeräumt hat, Zwecke und Aufgabenbereich selbst zu wählen und festzulegen, sondern ebenso das Recht gab, im Einzelnen zu bestimmen, mit welchen Mitgliedern er seine Ziele verfolgen will. Im Regelfall besteht deshalb für den Fall, dass der Bewerber die in der Satzung festgelegten Voraussetzungen erfüllt, keine Aufnahmepflicht.222 Einer solchen Auffassung ist zuzustimmen, sie kann auf das Kartellrecht angewendet werden. Selbstverständlich ist ein Veranstalter in seiner Entscheidung frei, welche Galerien und Künstler er in seiner Messe aufnehmen möchte. Dies gilt jedoch nur insoweit, wie er sich selbst nicht durch seine eigenen Regelungen und AGB, seine Statuten, bindet. Jedoch wird regelmäßig ein Veranstalter, der Bedingungen für die Aufnahme eines Ausstellers festlegt, sich nicht gleichzeitig durch diese Bedingungen in der Art und Weise binden möchten, dass bei Erfüllung der Kriterien ein Recht auf Zulassung entsteht. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass letztendlich die Entscheidung über die Zulassung noch aussteht. Nur wenn in den selbstauferlegten Bedingungen ein solches Recht diesen immanent ist, lebt ein Anspruch auf Zulassung auf, welcher gerichtlich durchsetzbar ist. Falls ein Verein eine solche Kunstmesse durchführt, entsteht kein Anspruch auf Aufnahme in diesen, mit simultaner Zulassung zu der Messe. Dabei war die Frage, ob dem Bewerber der Zugang zu dem Verein offen gehalten werden muss, ob also gleichsam ein „Prinzip der offenen Tür“ gilt, ungeklärt. Jedoch wird eine Aufnahmepflicht des Vereins korrespondierend mit einen Aufnahmeanspruch des abgelehnten Bewerbers von der Rechtsprechung abgelehnt und nur in den Tatbeständen des Diskriminierungsverbotes und unter Schadensersatzgesichtspunkten bejaht 223. Die Gegeninteressen der Vereine und Verbände, welche einem Aufnahmezwang regelmäßig entgegenstünden, werden zusammenfassend mit dem Prinzip der freien Selbstbestimmung der Vereine, der Vereinsautonomie, bezeichnet. Dabei ist in der Tat nicht zu leugnen, dass die Vereine für sich grundsätzlich Autonomie beanspruchen können. Art. 9 Abs. 1 GG verbürgt dies.

220

Reichsgericht, Zivilsenat, Urt. v. 19.11.1900, Rep. I. 257/00 in: RGZ 47, S. 76, S. 79.

221

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, Berlin in: WuW/E BGH S. 407, S. 408.

222

BGH, Urt. v. 26.07.1976 – KZR 25/78 „Anwaltsverein“ in: GRUR 1979, Heft 11, S. 788, S. 789.

223

Vgl. unter: I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB, S. 47.

IV. Die rechtliche Gestaltung einer Kunstmesse in Deutschland

Unerheblich ist die Rechtsform, denn durch die Verfassung wird nicht etwa das Institut des eingetragenen Vereins als solches geschützt, sondern nur die individuelle und kollektive Assoziationsfreiheit und deren Funktionsfähigkeit.224

ccc)

ATB bei regionalen Kunstmessen

Bei regionalen Kunstmessen werden eher selten ausführliche Teilnahmedingungen erstellt. Oft werden die Vertragsbeziehungen nicht einmal schriftlich festgehalten, meist wird nur eine Anmeldung durch den Bewerber unterzeichnet. Falls doch Bedingungen aufgestellt wurden, handelt es sich fast nur um Haftungs- und Stornierungsfragen.225 Insofern stellt sich das Problem eines Aufnahmeanspruchs, welcher den ATB direkt entspringen könnte, meist bei diesen Veranstaltungen nicht.

c)

Beziehung von Besucher und Veranstalter

Die Beziehung zwischen Besucher und Veranstalter kann in den werkvertraglichen Bereich eingeordnet werden. Der Veranstalter schuldet dem Besucher für die Bezahlung der Eintrittskarte das angekündigte Programm, somit auf der Messe die vorher beschriebenen Galerien mit der angekündigten Kunstrichtung zu finden und die Möglichkeit bei Galeristen Objekte zu erwerben. Weiterhin schuldet er ihm das angekündigte Rahmenprogramm.

d)

Beziehung von Besucher und Aussteller

Zwischen Besucher und Aussteller entstehen nur dann vertragliche oder vertragsähnliche Beziehungen, wenn dieser entweder den Stand betritt, und der Aussteller für seinen Stand „haftet“, oder der Kunde ein Objekt erwirbt. Wie schon erläutert wurde, gilt jedoch kein Widerrufsrecht, da eine Kunstmesse nicht als Freizeitveranstaltung einzuordnen ist, und meist der Erstkontakt durch den Besucher stattfindet, der den Preis, den Künstler und das Jahr der Herstellung meist erfragen möchte, und somit auf den Aussteller zukommt.

224

Birk, Rolf, „Der Aufnahmezwang bei Vereinen und Verbänden“ in: JZ 1972, S. 343, S. 345.

225

Vgl. exemplarisch: Anmeldungsformular Kastenmüller & Ebert, Gmund; Süma Maier OHG, Lörrach.

63

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen unter Berücksichtigung des § 20 GWB Der deutsche Gesetzgeber hat im Rahmen des Kartellrechts in den §§ 19 ff GWB mit § 20 GWB den Tatbestand des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots geschaffen. Im Rahmen dieser Norm hat der Gesetzgeber für die marktbeherrschenden und marktstarken Unternehmen eine Kontrolle geschaffen, wobei der Kreis der geschützten Unternehmen früh erweitert wurde.226 Vor diesem Hintergrund haben mehrere Gerichte Kunstmessen wie die Art Cologne oder die Art Frankfurt den Bindungen des Kartellrechts, insbesondere des Diskriminierungsverbots angewandt und eine Möglichkeit der zivilrechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen geschaffen. Hinsichtlich der Anwendung der Normen berufen sich dabei die meisten Gerichte auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 1987.227 Für die Entscheidung, inwieweit Kunstmessen den Bindungen des Kartellrechts unterworfen sein könnten, bedarf es daher zunächst der Prüfung, ob das GWB überhaupt auf Kunstmessen anwendbar wäre, ob diese als dem Diskriminierungsverbot unterworfenen Unternehmen anzusehen sind. Wird dies bejaht, so muss weiterhin untersucht werden, welches Gewicht dieser Diskriminierung gegenüber dem eigenen Verhalten eines Bewerbers beizumessen ist 228, welche Folgen dies bewirken könnte und bewirkt, und ob etwaige die Beeinträchtigungen oder Behinderungen der Kunstmessenveranstalter gegenüber den bewerbenden Galerien als unbillig anzusehen sind.229 Dies wird Gegenstand der folgenden Untersuchungen sein. Einer der Schwerpunkte wird hierbei die Brückenbildung zwischen Theorie und Praxis sein, denn gerade im Bereich der Kunst ist eine tatsächliche Betrachtung des Kunstmarktes von enormer Bedeutung.

226

Bundestag, Begründung des Regierungsentwurfs vom 30. Mai 1989 – BT-Drucksache 11/4610 in: WuW 4/1990, S. 333, S. 346.

227

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734; LG Köln, Urt. v. 1.10.1998 – 81 O (Kart) 153/98 „Art Cologne“ in: EWiR 1/99, S. 73.

228

BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675, S. 677.

229

BGH, Urt. v. 16.10.1962 – KZR 2/62 „Original-Ersatzteile“ in: WuW 3/1963, S. 247, S. 252.

66

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

I.

Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB

Die Folge der tatsächlichen Feststellung des Vorliegens einer Diskriminierung im Sinne des § 20 II 1, I GWB durch einen Veranstalter einer Kunstmesse stellt jedoch noch keine Möglichkeit der Aufnahme des diskriminierten Galeristen oder Künstlers dar. Denn § 20 II 1, I GWB verpflichtet einen Veranstalter (nur), über einen Zulassungsantrag willkürfrei und mit sachlich vertretbaren Gründen zu entscheiden, somit nicht diskriminierend zu handeln.230 Dadurch stellt sich die Frage, worauf sich positivrechtlich ein Aufnahmeanspruch begründen ließe. Hierbei erfolgt die Anknüpfung des Aufnahmezwangs üblicherweise gleich derjenigen des Kontrahierungszwangs an den Tatbeständen des Machtmissbrauchs eines Monopolisten oder marktstarken Unternehmens. Allgemein gesehen handelt es sich um Fälle der sittenwidrigen vorsätzlichen Schadenszufügung, deren Wiedergutmachung nicht direkt durch Normen wie § 20 II GWB stattfindet, die die Zufügung der Schädigung verhindern sollen. Vielmehr kann eine Wiedergutmachung, z.B. durch eine Aufnahmeverpflichtung sich als Fall des Schadensersatzes in Form der Naturalrestitution darstellen 231, der sich neben der klassischen Schadensberechnung anbietet, wo sich der Schaden dadurch berechnete, dass die Umsätze und Gewinne vor und nach der unbilligen Behinderung miteinander verglichen wurden.232 Gemäß dieser Naturalrestitution nach § 249 BGB muss das diskriminierende Unternehmen den Zustand herstellen, der ohne den zum Ersatz verpflichtenden Umstand bestehen würde. In den früheren Fällen der Lieferverweigerung bedeutete dies, dass das diskriminierende Unternehmen die bestellten Waren liefern musste, und zwar Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises und im Rahmen ihrer Preis- und Vertragsbindung. Die Zubilligung eines Schadensersatzanspruches diesen Inhalts entsprach in diesen „Lieferverpflichtungsfällen“ dem Schutzzweck des § 26 Abs. 2 GWB a.F.233, und bedeutet auf die Fälle der Nichtzulassung übertragen, dass im Rahmen eines Schadenersatzes sich eine „Lieferpflicht“ als Zulassung zu der Kunst- und Antiquitätenmesse darstellen kann. Folglich kann sich eine solche Möglichkeit der Zulassung erst im Rahmen einer Norm ergeben, deren Inhalt die Möglichkeit des Ersatzes des erlittenen Schadens der Nichtzulassung bietet. Demzufolge könnte nur aus § 20 II GWB bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen in Verbindung mit einer weiteren Norm unter Umständen das Recht zur Aufnahme hergeleitet werden.

230

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 13.

231

Birk, Rolf, „Der Aufnahmezwang bei Vereinen und Verbänden“ in: JZ 1972, S. 343, S. 346.

232

BGH, Urt. v. 23.03.1982 – KZR 28/80 „Meierei-Zentrale“ in: WuW/E BGH, S. 1911, S. 1913.

233

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 „Jägermeister“ in: NJW 1968, S. 400, S. 403.

I. Der Zulassungsanspruch des § 33 GWB in Verbindung mit § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 GWB

Nur dann existiert für einen abgewiesenen Bewerber die Möglichkeit, sein Bedürfnis auf Teilnahme an der Kunstmesse zu stillen, in dem er die Teilnahme gerichtlich einklagen könnte. Eine solche Norm stellt im Wirtschaftsrecht § 33 GWB dar. Hierbei wird der Grundsatz aufgestellt, dass ein Unternehmen, also ein Veranstalter einer Kunstmesse, wenn es gegen Normen des GWB verstößt, auch gegen § 20 II GWB, zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist. Diese gesetzliche Vorschrift normiert somit einen Schadensersatzanspruch ähnlich dem allgemein zivilrechtlichen Anspruch aus § 826 BGB, mit dem ein Aufnahmezwang begründet werden kann.234 Schon bei § 35 GWB a.F. konnte ein schuldhafter Verstoß gegen § 26 II GWB a.F. zu einem Schadenersatzanspruch führen, der ähnlich der Zulassung eine Wiederbelieferungspflicht zur Folge hatte.235 So konstituierte die frühere Norm des § 27 GWB a.F. zusammen mit § 35 GWB a.F. einen Zulassungsanspruch, da § 27 GWB a.F. als Schutzgesetz im Sinne von § 35 GWB aufgefasst wurde, so dass z.B. auch ein Anspruch auf Aufnahme in einen Wirtschaftsverband beim Vorliegen der in § 27 GWB a.F. bestimmten Voraussetzungen als quasi-negatorischer Beseitigungsanspruch begründet sein konnte.236 In diesem Zusammenhang herrschte am Anfang Uneinigkeit, ob überhaupt § 27 GWB a.F. als Schutzgesetz im Sinne des § 35 GWB a.F. aufgefasst werden könnte. Jedoch erblickte schon die herrschende Auffassung im Schrifttum bis zum Erlass des Kartellgesetzes in dem alliierten Dekartellierungsrecht auch ein solches Schutzgesetz zugunsten der einzelnen betroffenen Unternehmen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass aus Sinn und Zweck des Kartellgesetzes keinerlei Anhaltspunkte dafür hergeleitet werden können, dass das Gesetz in dieser Hinsicht eine einschneidende Verkürzung der Rechtsposition des einzelnen Unternehmens herbeiführen will. Damit erschien schon damals der Schluss zwingend, dass die Vorschrift als Schutzgesetz angesehen werden musste.237 Dies galt umso mehr für § 26 II GWB a.F. als Mitanspruchsnorm für einen von einer Kunst- und Antiquitätenmesse ausgeschlossen Aussteller 238 und fand schließlich seine Anerkennung in § 20 GWB. Gerade § 26 II GWB a.F. wurde als Schutzgesetz im Sinne von § 35 GWB in ständiger Rechtsprechung aufgefasst.239

234

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ mit Anm. v. Schramm in: GRUR 1961, S. 141, S. 146.

235

BGH, Urt. v. 08.05.1979 – KZR 13/78 „Modellbauartikel“ in: GRUR 1979, S. 792, S. 793.

236

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 413.

237

BGH, Urt. v. 25.02.1959 – KZR 2/58 in: BGHZ 29, S. 344, S. 351.

238

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390.

239

BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675.

67

68

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Damit musste bei Vorliegen einer Diskriminierung im Sinne von § 26 II GWB der Zustand hergestellt werden, der bestehen würde, wenn diese Diskriminierung nicht vorgelegen hätte. Dies konnte bedeuten, dass ein abgelehnter Vertragspartner Anspruch auf den Abschluss eines Vertrages hatte, bzw. genauso behandelt werden musste, wie wenn mit ihm ein Vertrag abgeschlossen worden wäre.240 Ein solcher Vertragsschluss ergab sich aufgrund des deliktischen Charakters des § 35 GWB a.F., wodurch ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages entstand, ähnlich einer Belieferungspflicht 241, wonach der Verstoß eines preisbindenden Unternehmens gegen § 26 II GWB a.F. die Ausführung der bestellten Lieferungen zum Inhalt gehabt hat.242 § 35 GWB a.F. verpflichtete zum Ersatz eines entstandenen Schadens, wenn gegen § 26 II GWB verstoßen wurde. Da diese Norm den Schutz des einzelnen Unternehmens bezweckte,243 zugleich somit bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot gemäß § 35 GWB a.F. auf Zulassung zu einer Messe mit einem angemessenen Stand geklagt werden konnte,244 gilt dies weiterhin auch für den Verbund von § 20 II GWB mit § 33 GWB. Demzufolge ist die Rechtsgrundlage des Klagebegehrens jedes abgelehnten Bewerbers um einen Standplatz auf einer Kunstmesse, solange er auf der Messe ausstellen möchte, §§ 33, 20 Abs. 2 Satz 1 GWB, wenn die Kunstmesse ein zumindest marktstarkes Unternehmen darstellt.245 Dieser Kontrahierungszwang kann mittlerweile als gefestigt angesehen werden, wobei noch z.T. die Rechtsnatur umstritten ist.246 In diesem Zusammenhang wurde jedoch meist nicht auf die Problematik eingegangen, dass die Anerkennung einer Schadensersatzpflicht in Form einer Zulassung einen Kontrahierungszwang normiert, der äußerst weitreichende Folgen haben kann, und in Wiederspruch mit dem Freiheitsbegriff des Grundgesetzes stehen könnte.247 Auf dieses Problem wird jedoch an anderer Stelle eingegangen.248

240

BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675, S. 677.

241

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 658.

242

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400.

243

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391 m.w.N.

244

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 86.

245

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 995.

246

Spadinger, Bert, Kartellrechtliches Diskriminierungsverbot und Vertragsfreiheit, Verlag Dr. H. H. Driesen, Taunnusstein, 2003, S. 40.

247

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 175.

248

Vgl. allgemein unter: IV. Zulassung contra Ausschluss von Bewerbern im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB S. 195.

II. Konkurrenz mit anderen Gesetzen

II.

Konkurrenz mit anderen Gesetzen

Die Grundlage für einen Zulassungsanspruch kann, wie festgestellt, aus § 20 II 1 i.V.m. I GWB in Verbindung mit § 33 GWB stammen. Neben dieser für die vorliegende Arbeit wesentlichen Rechtsvorschrift können jedoch noch weitere Gesetze in Betracht kommen, deren Tatbestandserfüllung eine Aufnahme zur Folge hätte. Mit diesen Vorschriften könnte dann ein solcher Anspruch gemäß § 20 II GWB in Konkurrenz stehen. So ist es unbestritten, dass die §§ 823 und 826 BGB einen Aufnahmeanspruch begründen können 249, denn ein abgelehnter Bewerber könnte einen deliktischen Anspruch auf Abschluss eines gegenseitigen Vertrages haben.250 Daneben kann § 70 II GewO zur Anwendung kommen.251 Ebenso kann die Beurteilung, ob künftig ein Anspruch auf Aufnahme besteht, nicht nur nach §§ 20 II GWB, 826 BGB getroffen werden, sondern auch § 1 UWG könnte eingreifen.252 Letztlich ist ein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung bei Vertragsanbahnung gemäß § 280 BGB als Konkurrenz den Vorschriften des GWB denkbar 253, wenn ein Kunstmesseveranstalter über die Zulassungsvoraussetzungen getäuscht bzw. diese nicht offengelegt hat. Bis zum Inkrafttreten des Kartellrechts existierten keine gesetzlichen Bestimmungen, die unmittelbar die Aufnahme in Vereine, Verbände u.ä. zum Gegenstand hatten. Es wurde aber nie bestritten, dass unter gewissen Umständen ausnahmsweise ein Aufnahmeanspruch bestehen musste.254 Normen hierfür stammten aus anderen Rechtsgebieten. Oft wurde für einen solchen Aufnahmeanspruch auf die §§ 823 I und 826 BGB zurückgegriffen 255 um die Aufnahme durchzusetzen.256 Für einen Aufnahmeanspruch nach § 826 BGB musste berück-

249

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ mit Anm. v. Schramm in: GRUR 1961, S. 141, S. 146.

250

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 658.

251

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 „Kunstmesse“ in: GRUR 1989, Heft 5, S. 370, S. 371.

252

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1397.

253

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390.

254

BGH, Urt. v. 25.02.1959 – KZR 2/58 in: BGHZ 29, S. 344, S. 347.

255

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 107: Strittig war hierbei, welche Grundlage ein solcher Anspruch besitzt und ob es sich um einen verschuldensabhängigen „Schadensersatzanspruch“ oder um einen quasi-negatorischen Unterlassungs- / Beseitigungsanspruch handelt.

256

BGH, Urt. v. 25.02.1959 – KZR 2/58 in: BGHZ 29, S. 344, S. 347; BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947; BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 412.

69

70

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

sichtigt werden, ob die Sittenwidrigkeit begründende Umstände bestehen. Dabei war zu berücksichtigen, dass eine Ablehnung eines Bewerbers, auch wenn sie einen Schaden ihm bringt, nicht grundsätzlich sittenwidrig sein, sondern nur, wenn weitere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzukommen.257 Ob dies der Fall ist nach einer an die Vorschrift des § 826 BGB und an die Tatbestände der §§ 19 f GWB angelehnten Formel zu bestimmen. Damit darf die Ablehnung der Aufnahmen nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen, im Verhältnis zu schon aufgenommenen Bewerbern. Sind eine sachliche Berechtigung abzulehnen und die Zurückweisung des Bewerbers unbillig, so kann ein Aufnahmezwang in der Regel angenommen werden.258 Demgemäß kann ein Anspruch nach § 826 BGB dann nicht angenommen werden, wenn ein Veranstalter kein Verstoß gegen § 20 II 1 i.V.m. I GWB zur Last gelegt werden kann. Denn die Prüfung des § 826 BGB ist in diesen Fällen an die Prüfung der § 19, § 20 II 1 i.V.m. I GWB angelehnt. In beiden Fällen spielen die Interessen der beteiligten Parteien eine wesentliche Rolle 259, und können fast als deckungsgleich bezeichnet werden. Ein Anspruch nach dem wäre vorrangig zu prüfen. Auch ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB kommt dann nicht in Frage, auch wenn er als rechtswidriger Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aufgefasst werden könnte, indem Lieferungen unterlassen wurden, zu denen der Pflichtige nicht unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet war.260 Jedoch ist § 823 I BGB sowohl gegenüber § 826 BGB als auch § 20 II 1 i.V.m. I GWB in diesen Fällen subsidiär.261 Neben den Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch könnt noch ein Verstoß gegen § 1 UWG in Frage kommen. In diesem Falle wäre maßgebend, ob die wettbewerbliche Freiheit missbräuchlich ausgenutzt und die Handlungsfreiheit eines anderen Unternehmens unangemessen eingeschränkt wurde, d.h. eigene Interessen in rechtlich zu missbilligender Weise auf Kosten eines anderen Unternehmens verwirklicht werden sollten. Verboten ist also jedes einer Behinderung im Sinn von § 1 UWG ähnliches Verhalten, auch wenn es nicht im engeren Sinn sittenwidrig, sondern „nur“ unbillig, d.h. dem Betroffenen nicht zumutbar ist.262 257

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 412.

258

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282, S. 286.

259

BGH, Urteil v. 2.12.1974 – II ZR 78/72 „Rad- und Kraftfahrerverbund“ in: WuW/E BGH S. 1347, S. 1348.

260

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 103.

261

BGH, Urt. v. 20.11.1964 – KZR 3/64 „Rinderbesamung“ in: WuW/E BGH, S. 647, S. 652; BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947, S. 949.

262

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479.

II. Konkurrenz mit anderen Gesetzen

Wenn aber kein Verstoß gegen § 20 II 1 i.V.m. I GWB angenommen werden kann, scheidet auch ein Verstoß gegen § 1 UWG aus.263 Auch zwischen diesen Normen existiert ein Gleichlauf der Voraussetzungen. Weiter finden sich im vierten Teil der Gewerbeordnung Rechtsvorschriften über Messen und Ausstellungen 264 aus denen ein Recht zur Teilnahme abgeleitet werden könnte. Nach § 70 I GewO ist jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. In ablehnenden Entscheidungen wird meist die Norm des § 70 Abs. 3 GewO in Anwendung gebracht. Danach kann ein Veranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen. Sachgerecht für den Ausschluss können immer nur diejenigen Gründe sein, die sich an der Marktfreiheit und am Gleichheitssatz orientieren.265 Voraussetzung für die Anwendung des § 70 GewO ist die Festsetzung der Veranstaltung. Die Geltendmachung des Anspruches kann entweder nach öffentlichem Recht oder nach dem Privatrecht erfolgen, je nachdem welchen Rechtscharakter die festgesetzte Veranstaltung besitzt.266 Ob jedoch ein dem öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Gebiet zuzuordnender Sachverhalt zur Diskussion steht, richtet sich nach der wirklichen Natur des geltend gemachten Anspruchs, denn § 70 GewO wendet sich nicht ausschließlich an einen Träger der öffentlichen Gewalt, sondern auch an private Veranstalter.267 Im Hinblick auf die Rechtfertigung des Ausschlusses, bzw. ob eine Zulassungsbeschränkung nicht unbillig erscheint, stimmen wiederum § 70 GewO und § 20 II 1 i.V.m. I GWB überein. Aber nur bei einer festgesetzten Kunstmesse steht die Norm in Konkurrenz zu dem Diskriminierungsverbot.268 Dabei unterscheiden sich jedoch beide Vorschriften im Ergebnis, trotz verschiedener Schutzrichtungen nicht, so dass nicht von einer direkten Konkurrenz, vielmehr von einer parallelen Anwendung gesprochen werden muss. Neben einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften entstanden im Rahmen von Zulassungsproblematiken gerade im öffentlichrechtlichen Bereich Diskussionen 263

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 103.

264

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 77.

265

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150.

266

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 362.

267

OVG Rhld.-Pf., Beschl. v. 09.09.1986 – 12 B 95/86 in: GewArch 1986/11-12, S. 374, S. 375.

268

OLG München, EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

71

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

um die Verfassungsgrundsätze. So müssen Gemeinden während der Veranstaltung eines Volksfestes unter der Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 GG eine Auswahl zwischen den Bewerbern treffen.269 Dabei geht es, ähnlich dem Kartellrecht, ebenso im öffentlichen Recht um die Teilnahme an einem Quasi-Monopol, wenn es sich z.B. um ein durch eine Kommune veranstaltetes Volksfest handelt. Demgemäss kann in diesen Fällen direkt – ähnlich wie das BVerfG hinsichtlich der Hochschulzulassung entschieden hat – aus „Art. 12 I GG i.V.m. Art. 3 I GG und dem Sozialstaatsprinzip“ einen durchsetzbaren Zulassungsanspruch entstammen, und nicht nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des behördlichen Auswahlermessens.270 Dieser Gleichheitsgrundsatz findet auch auf das Kunstgeschehen Anwendung. So darf eine städtische Kulturverwaltung bei einer Vernissage nicht willkürlich einzelne Kritiker zu einer Konzertprobe zulassen.271 Der Gleichheitsgrundsatz bindet Gesetzgeber, Regierung und Verwaltung. Dabei ist der Gestaltungsspielraum unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um Eingriffsakte oder um den Bereich der gewährenden Verwaltung handelt. Allerdings gilt auch hier als äußerste Grenze das Willkürverbot. Dies ergibt sich daraus, dass das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG nur dann verletzt ist, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht ersichtlich ist, die Zurückweisung willkürlich wäre.272 Er gebietet eine Orientierung an materieller-inhaltlicher Gerechtigkeit.273 So muss immer jeweils ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund gegeben sein.274 Wenn jedoch kein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB vorliegt, so kann, weil § 20 II 1 GWB eine konkrete Ausgestaltung des Gleichheitssatzes für die dort geregelten Sachverhalte darstellt, auch kein ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bejaht werden.275 Dabei ist stets zu beachten, dass Art. 3 und 12 GG nicht direkt in den Fällen zur Anwendung kommen können, in denen kein öffentlich-

269

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337.

270

Lässig, Curt Lutz, „Die Vergabe von Standplätzen auf kommunalen Volksfesten“ in: NVwZ 1983, S. 18, S. 20.

271

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 52.

272

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 338.

273

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120.

274

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242; Lässig, Curt Lutz, „Die Vergabe von Standplätzen auf kommunalen Volksfesten“ in: NVwZ 1983, S. 18, S. 19; BVerwG, Beschl. v. 14.09.1981 – 7 B 217/80 in: NVwZ 1982, S. 194; Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150; BVerwG, Beschl. v. 16.11. 1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32; BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863, S. 871.

275

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 412.

III. Die europäische Dimension

rechtlicher Sachverhalt dem Geschehen zu Grunde liegt, sondern vielmehr das evtl. diskriminierende Verhalten des Kunstmesseveranstalters dem Zivilrecht und Wirtschaftsrecht zuzuordnen ist. In diesen Fällen liegt keine Konkurrenz vor. Die Wertungen des Grundgesetzes können vielmehr nur in den Wertungsmaßstäben des Diskriminierungsverbotes Beachtung finden.

III. Die europäische Dimension In den letzten Jahren hat sich der Einfluss des Europarechts auf das nationale Recht immer mehr verstärkt. Dieser Einfluss wirkte sich auf das Kartell- und Wettbewerbsrecht aus. Den bisherigen Höhepunkt bildet dabei eine umfangreiche Reform des Kartellverfahrensrechts aus dem Jahre 2002. Eine Veränderung der kartellrechtlichen Vorschriften bedeutete gleichzeitig auch die Kenntnis der erweiterten Europäischen Union, unter deren Voraussetzungen eine Bewährungsprobe des neuen Kartellrechts ansteht.276 Neben den europarechtlichen Vorgaben waren in den letzten Jahren auch deutliche Harmonisierungsbestrebungen der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet des Kartellrechts erkennbar.277 Die europäische Dimension besitzt jedoch zwei Komponenten. Auf der einen Seite ist das Verhältnis zwischen europäischem Kartellrecht und den nationalen Vorschriften von Bedeutung, auf der anderen Seite könnten auch die kartellrechtlichen Regelungen anderer europäischer Länder von Interesse sein.

a)

Europarecht

Im Rahmen der europäischen Rechtsregelungen hat die EG nach Art. 2 EGV den Gemeinsamen Markt zu gewährleisten. Dies setzt seinerseits Wettbewerb und damit Chancengleichheit voraus. Dabei werden von den europäischen Regelungen weiter „offene und wettbewerbsorientierte Märkte“ und die Beachtung des „Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ gefordert.278 In einer europarechtlichen Betrachtung können verschiedene Verhältnisse festgestellt werden, einerseits das Verhältnis zum Kartellrecht der Europäischen Union und das Verhältnis zu den Kartellrechten der europäischen Staaten. Diese Verhältnisse sind zwar einerseits durch die Unterschiedlichkeit der Ansichten und Regelungen der einzelnen Mitgliedsstaaten geprägt, andererseits

276

Pressemitteilung, „Im Westen nichts Neues“ in: Antiquitätenzeitung vom 30. Mai 2003, S. 489.

277

Schanze, Berthold, „Die europaorientierte Auslegung des Kartellverbots“, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main, 2003, S. 25.

278

Herdegen, Matthias, Europarecht, Verlag C. H. Beck, München, 2003, S. 217.

73

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

werden sie aber durch die Tendenz bestimmt, sich dem europäischen Kartellrecht inhaltlich und strukturell anzupassen.279 Auch wenn die Angleichung der Unterschiede noch nicht gänzlich erfolgt ist, schreitet die Vereinheitlichung voran.280 Dieser Einfluss des europäischen Kartellrechts zu Lasten der nationalen Kartellrechte sowie die Ausdehnung des europäischen Kartellrechts an sich, folgt z.B. aus der weiten Interpretation der Zwischenstaatlichkeitsklausel durch den EuGH und der immer kleiner werdenden Zahl rein innerstaatlicher Wirtschaftsvorgänge, der Anwendung des europäischen Kartellrechts durch nationale Behörden und Gerichte sowie den allgemeinen Wirkungen des Globalisierungseffektes.281 Eine solche Europäisierung des Wettbewerbs findet Eingang in die Forderungen der Wirtschaft. Denn kalkulierbares, effizientes und kostenbewusstes unternehmerisches Handeln in einem ohnehin immer stärker europäischen oder sogar weltweiten Wettbewerb sowie der Gemeinsame Markt mit freiem Wettbewerb setzt eine im Wesentlichen einheitliche Wettbewerbsordnung voraus.282 Um daher den Einfluss einer Europäisierung der deutschen kartellrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 20 II 1 GWB durch die europäischen und konkurrenzstaatlichen Regelungen feststellen zu können, ist eine gesonderte Betrachtung der jeweiligen Normen und deren Wirkung nötig.

aa)

Das europäische Kartellrecht

Das europäische Kartellrecht hat in den letzten Jahren einige wesentliche Änderungen erfahren. Es ist jedoch hier nicht der Ort, um alle Auswirkungen und Sinn und Zweck der Neuregelungen zu besprechen. Allerdings werden die neuen und alten Regelungen auf einige, in dieser Arbeit noch zu diskutierenden Fragen unter Umständen Auswirkung haben. Daher werden im Folgenden die konkreten Auswirkungen von europäischen Regelungen erst dann dargestellt, wenn eine solche in Frage kommt, während an dieser Stelle die Reform und die Änderungen im Allgemeinen dargestellt werden sollen. Grundsätzlich geht der EuGH davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem nationalen Kartellrecht besitzt und dass nationale Kartellrechtsvorschriften nicht die einheitliche Anwendung des EG-Kartellrechts behindern dürfen.283 Dabei darf im Rahmen von Art. 81 EGV nationales Recht keine Anwen-

279

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 883.

280

Müller-Graff, Peter-Christian, Privatrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht, 2. Auflage, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1991, S. 12.

281

Dreher Meinrad, a.a.O. S. 883.

282

Dreher, Meinrad, a.a.O. S. 884.

283

Bechtold, Rainer; Brinker, Ingo; Bosch, Wolfgang; Hirsbrunner, Simon, EG-Kartellrecht – Kommentar, Verlag C. H. Beck, München, 2005, S. 9.

III. Die europäische Dimension

dung finden, wenn es zu einem widersprechenden Ergebnis kommt. Bei einem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gemäß Art. 82 EGV sind hingegen die nationalen Gesetzgeber berechtigt, für einseitige Handlungen zumindest strengere Vorschriften zu erlassen.284 Für die Anwendung des europäischen Rechts ist das Merkmal der Zwischenstaatlichkeit von Bedeutung. Demnach ist das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung des nationalen zum europäischen Recht dasjenige der Zwischenstaatlichkeit. Dieses ist nach der Rechtsprechung des EuGH dann erfüllt, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell beeinträchtigt wird. Diese Formel wird dabei denkbar weit verstanden.285 Wenn eine solche Zwischenstaatlichkeit vorliegen sollte, und somit das europäische Kartellrecht anwendbar ist, kennt dieses eine Kontrolle der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung 286, und zwar nach Art. 81 EGV ff, in Titel IV des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Schon vor der letzten Novelle sowohl des europäischen Kartellrechts sowie des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde im Rahmen der offenen Tatbestände des GWB auch EGRecht durch den BGH berücksichtigt. So sollte eine Behinderung nach § 26 II GWB a.F. in jedem Falle unbillig sein, wenn die behindernde Vertragsbestimmung gleichzeitig gegen Art. 85 EGV verstieß.287 Hierbei wurde Art. 85 I EGV a.F., Art. 81 I EGV n.F., als Instrument der Marktverhaltenskontrolle gegenüber abgestimmten Verhaltensweisen angesehen. Denn diese Norm verbot alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet waren, und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten oder bewirkten. Art. 85 II EGV a.F., Art. 81 II n.F., ordnete dann in diesen Fällen die Nichtigkeit dieser verbotenen Vereinbarungen, Beschlüssen oder Verhaltensweisen an.288 Ziel ist es dabei immer, dass der Gemeinsame Markt vor Verfälschungen geschützt wird.289

284

Bechtold, Rainer; Brinker, Ingo; Bosch, Wolfgang; Hirsbrunner, Simon, EG-Kartellrecht – Kommentar, Verlag C. H. Beck, München, 2005, S. 10.

285

Beutelmann, Martin, „Selektive Vertriebssysteme im europäischen Kartellrecht“, Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg, 2003, S. 243.

286

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 901.

287

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1943.

288

Klose, Tobias, Das Verhältnis des deutschen Kartellrechts in der Verfügungspraxis des Bundeskartellamts, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1998, S. 85.

289

Müller-Graff, Peter-Christian, „Die Erscheinungsformen der Leistungssubventionstatbestände aus wirtschaftsrechtlicher Sicht“ in: ZHR 152 (1988), S. 403, S. 435.

75

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Art. 86 I EGV a.F., Art. 82 EGV n.F., regelte ein Verbot mit dem Inhalt, dass die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen nicht erlaubt ist. Er war fast gleich zu Art. 85 EGV, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Ausnutzung dazu führen kann, „den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen“. Art. 86 EGV a.F. richtete sich demnach gegen den einseitigen Machtmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen. Die seinem Regelungsstand zumindest teilweise entsprechenden Normen des GWB waren und sind vor allem die §§ 22 und 26 II GWB a.F., allerdings mit dem Unterschied, dass Art. 86 EGV a.F. die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung voraussetzt. § 26 II GWB a.F. war hingegen auch auf lediglich marktstarke Unternehmen anwendbar. Eine Wettbewerbsbeschränkung sollte danach geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand der Gesamtheit objektiver, rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass die Wettbewerbsbeschränkung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr beeinflussen konnten, indem sie zur Errichtung von Handelsschranken im Gemeinsamen Markt beitrugen und die vom Vertrag gewollte gegenseitige Durchdringung der Märkte erschwerten.290 Die neueste Änderung ergab sich durch Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. Sie brachte eine Veränderung auf der Ebene des materiellen Rechts, nämlich für das Verhältnis zwischen Art. 81 EG und nationalem Wettbewerbsrecht. Damit gilt, wenn eine Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, also die Anwendungsschwelle des EG-Wettbewerbsrechts erreicht ist, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden auch Art. 81 EG anwenden müssen, ein unmittelbarer Anwendungsvorrang für Art. 81 III EGV n.F. ist überdies gegeben. Diese Vorrangstellung des europäischen Kartellrechts hat zur Folge, dass eine Vereinbarung auf Grund nationalen Rechts nur noch dann verboten werden kann, wenn sie ebenfalls nach Art. 81 EG verboten ist. Jedoch hat diese Verdrängungswirkung keine Auswirkung auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG; insoweit bleibt § 20 GWB weiterhin anwendbar, vgl. Art. 3 II und den 8. Erwägungsgrund Verordnung (EG) Nr. 1/2003.291 Es kann zusammenfassend festgehalten werden, dass die Regelungen des europäischen Kartellrechts keine fundamentale Änderung des in § 20 II GWB festgelegten Diskriminierungsverbotes bewirken. Ob u.U. eine Anpassung der natio290

Klose, Tobias, Das Verhältnis des deutschen Kartellrechts in der Verfügungspraxis des Bundeskartellamts, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1998, S. 85.

291

Weitbrecht, Andreas, „Die neue Kartellverfahrensverordnung (EG) Nr. 1/2003“ in: Beilage zu Heft 8/2003 der NJW, S. 1.

III. Die europäische Dimension

nalen Tatbestandsmerkmale aufgrund europarechtlicher Vorschriften geboten ist, wird unter den jeweiligen Abschnitten einzeln zu erörtern sein. So kann sich gerade ein Problem im Rahmen der Festlegung des größtmöglich räumlich relevanten Marktes ergeben. Während das Bundeskartellamt bei der nationalen Zusammenschlusskontrolle schon immer annahm und noch annimmt, dass das Bundesgebiet der größtmögliche räumlich relevante Markt sei, bestimme die Fusionskontrollverordnung der EG den räumlich relevanten Markt nicht nach den politischen Grenzen, sondern allein nach wirtschaftlichen Gegebenheiten. Dies habe zur Folge, dass nach nationalem Recht eher die Schaffung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung angenommen werde als nach Gemeinschaftsrecht.292 Eine Lösung hierfür ist somit im Rahmen der Marktabgrenzung vorzunehmen.293

b)

Spezifische Regelungen europäischer Länder

Nach der grundsätzlichen Entscheidung, dass § 20 II 1 GWB nicht durch die Regelungen des Europarechts modifiziert werden muss, könnte aufgrund gemeinschaftskonformer Ansichten eine andere Bewertung erfolgen. Dies wäre dann der Fall, wenn alle europäischen Staaten einen Gleichlauf der nationalen Kartellgesetze besitzen, die in Übereinstimmung mit dem europäischen Kartellrecht stehen, so dass sich ein deutsches Sonderkartellrecht verbieten würde. Dabei ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass eine nicht geringe Zahl von Mitgliedsstaaten der Struktur, den Inhalten, ja teilweise sogar dem Text des europäischen Kartellrechts in ihren nationalen Wettbewerbsordnungen gefolgt ist.294

aa)

Das Kartellrecht europäischer Länder

Für ein Verständnis des Kartellrechts ist ein Blick über die Landesgrenzen hinweg zu europäischen Nachbarstaaten nicht ohne Bedeutung. Das italienische legge antitrust mit sog. Euro Auslegungsklausel normiert hierbei eine umfassende Wertung der europäischen Rechtsregelungen und der diesbezüglichen Auslegungspraxis der Gerichte und Kommission.295 Eine ähnliche Bindung besteht wohl auch für die neuen finnischen und schwedischen Kartellgesetze – jedoch jeweils nur aufgrund von Festlegungen in den Gesetzesmaterialien. Gemeinsamer Hintergrund ist die deutliche Orientierung der Gesetze am europäischen

292

BGH, Beschl. V. 24.10.1989 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, S. 107, S. 119.

293

Vgl. unter: aa) Die maximale äußere Grenze, S. 122.

294

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 890.

295

Schanze, Berthold, „Die europaorientierte Auslegung des Kartellverbots“, Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M., 2003, S. 37.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Kartellrecht, die unter anderem in wörtlichen Textübernahmen zum Ausdruck kommt.296 Etwas detaillierter findet die Anwendung in Großbritannien statt. Hier kommt überdies zum Ausdruck, dass die Gerichte ihre Entscheidungen im Hinblick auf die Kongruenz zum europäischen Recht überprüfen müssen. In den Niederlanden findet eine teilweise Übernahme der Regelungen und Auslegungen der europäischen Vorschriften statt, wobei einige Tatbestände nicht übernommen wurden, z.B. von Art. 81 I EGV, hier soll das Europarecht nur als Auslegungshilfe dienen. Es kann somit festgehalten werden, dass in Europa sich zwar ein Trend zur durchgängigen Übernahme einer europaorientierten Interpretation der kartellrechtlichen Vorschriften durchgesetzt hat, eine vollständige Eingliederung fand jedoch bisher noch nicht statt.297 Oft wurde angezweifelt, ob überhaupt eine Divergenz in den Marktbedingungen in Europa existiert 298, jedoch musste festgestellt werden, dass immer noch durch unterschiedliche Anwendungen kein „gemeinsames“ nationales Kartellrecht existiert, das eine Übernahme der europarechtlichen Regelungen in deutsches Recht bedingen würde. Vielmehr halten viele Staaten aufgrund nationaler Gegebenheiten an eigenen Regelungen und Auslegungen immer noch fest, um auch den innerstaatlichen Wettbewerb anhand nationaler Eigenheiten besser steuern und schützen zu können. Ob jedoch bestimmte Tatbestandsmerkmale anhand europarechtlicher „Orientierungshilfen“ den Gegebenheiten des gemeinsamen Marktes angepasst werden müssen, bleibt einer späteren Bewertung, wie obig dargestellt wurde, in den einzelnen Merkmalen vorbehalten. Eine Besonderheit in Europa bildet die Schweiz. Aufgrund ihrer geographischen Lage und historischen Entwicklung bildet sie den zweitstärksten Umschlagplatz für Kunst auf dem europäischen Gebiet. Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union, durch das Freihandelsabkommen von 1972 zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG) von 1972 jedoch wirtschaftlich verbunden. Das Kartellrecht ähnelt jedoch den deutschen Regelungen, ohne dass eine europakonforme Auslegung vorausgesetzt wird.299 In einem gerichtlichen Zulassungsverfahren zu der Art Basel wurde jedoch ein kartellrechtlicher Anspruch nicht geprüft 300, sondern nur gestreift. Einzig wurde festgestellt, dass

296

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 892.

297

Schanze, Berthold, „Die europaorientierte Auslegung des Kartellverbots“, Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt a.M., 2003, S. 39.

298

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 884.

299

Blessing, Marc, EG / U.S. Kartellrecht in internationalen Schiedsverfahren – 77 aktuelle Fragen aus der Praxis, Verlag Helbing und Lichtenhahn, Basel, Schweiz, 2002, S. 14.

300

Felber, Markus, „Das Verfassungsgericht als Messeorganisator?“ in: Jusletter 16. Oktober 2000 abrufbar unter: URL: http://www.weblaw.ch.

III. Die europäische Dimension

ein hoheitlicher Anspruch ausscheidet.301 Eine Möglichkeit nach den kartellrechtlichen Bedingungen in der Schweiz einen Zulassungsanspruch zu erlangen, scheint daher zumindest möglich.

bb)

Weitere zu beachtende Gesetze für den Handel mit Kunstwerken

Der Handel und die Veräußerung von Kunstwerken sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene ist von vielen weiteren gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. In diesem Rahmen soll ein kurzer Überblick geschaffen werden, um später im Rahmen einer räumlichen Marktabgrenzung auch solche Punkte u.U. als Kriterien heranziehen zu können. Eines der wichtigsten Regelungsgebiete gerade für hochwertige Kunst bildet die Gesetzgebung in Bezug auf die Einfuhr für Kunst für den Verkauf oder für die reine Ausstellung. In diesem Rahmen wird für reine Ausstellungszwecke ein „freies“ Geleit denjenigen Kunstwerken zugesichert, die nach einer Präsentation wieder zurück in das Ursprungsland zurückgeführt werden sollen, § 20 Abs. 1 S. 1 KultgutSiG.302 Es ist somit für die Ausstellung auf Verkaufsmessen, wie der Art Cologne, nur von zweitrangiger Bedeutung, jedoch für große Kunstschauen von enormer Bedeutung, gerade wenn ausländische Museen rechtlich umstrittene Werke „verleihen“ wollen. Wesentlich mehr Bedeutung für Kunstmessen wie die Art Cologne besitzen z.B. steuerrechtliche Vorschriften. So sind Kunstobjekte bei der Einfuhr für Ausstellungen in die Bundesrepublik, auch wenn sie hier verkauft werden sollen, entsprechend der 17. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der MwSt. und der 1. VO zur Änd. der USt.-Befreiungs-VO vom 21.11.1985 (BGBL. I S. 2116) beim grenzüberschreitenden Kunstverkehr zunächst völlig von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Wegen des angeblich hohen Abgabenrisikos bei einem Verbleib der Kunstwerke im Inland wird aber auf einer Sicherheitsleistung gemäß dem Florentiner Abkommen der UNESCO bestanden. Die Industrie- und Handelskammern können aber in diesem Zusammenhang Carnets A.T.A. ausstellen. Und gerade kleinere Galeristen und Kunsthändler, die selbst das Kunstgut transportieren, müssen keinen Spediteur als Zollagenten einschalten.303 In nationaler Hinsicht ist für die Besteuerung im Kunsthandel der Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des Einkommenssteuergesetzes von Bedeutung. Hier ist grundsätzlich zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften auf Seiten der handelnden Person 304 und zwischen Kunstgegenständen 301

Vgl. unter: aa) Basel (Schweiz), S. 18.

302

Jayme, Erik, Das Freie Geleit für Kunstwerke, Ludwig Boltzmann Institut für Europarecht – Vorlesungen und Vorträge, Hrsg.: Reichelt, Gerte, Heft 11, Manz Verlag, Wien, 2001, S. 5.

303

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 31.

304

Stolz, Hansjörg, Die Kunst im Steuerrecht, Verlag Recht und Wirtschaft, Heidelberg, 1999, S. 101.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

mit „hohem“ künstlerischem Wert und „niedrigem“ Wert zu unterscheiden, um nur einen kleinen Ausschnitt aus den umfänglichen Steuerregelungen zu nennen. Neben diesen steuerlichen Regelungen, die gerade im Verkauf eine Bedeutung besitzen, ist eine neuere Regelung des 20. Jahrhunderts von enormer Bedeutung, das sogenannte „Folgerecht“, welches zum Schutz von Künstlern aufgrund schlechter Einnahme- und Lebenssituationen dieser Gruppe eingeführt wurde. Dieses aus dem französischen „droit de suite“ entwickelte Folgerecht wurde neu in das deutsche Urheberrecht aufgenommen und stellt einen Anwendungsfall des nach § 17 II UrhG grundsätzlich freien Verbreitungsrechts dar. So werden nun bei Kunstwerken, genauer bei Werken der bildenden Kunst, ihre Erschaffer aus Gründen der Billigkeit an Wertsteigerungen der früheren Arbeiten beteiligt, was insbesondere bei Jugendwerken, die im Laufe der Schaffensperiode eine erhebliche Wertsteigerung erfahren können, zu Buche schlägt. Ausgenommen sind private Verkäufe, bei denen kein Folgerecht entsteht. Wenn der Veräußerungserlös weniger als fünfzig Euro ausmacht, so entfällt die Verpflichtung. Im Übrigen gilt, dass bei Weiterveräußerung eines Originals eines Werkes der bildenden Kunst, wenn daran ein Kunsthändler oder Versteigerer als Erwerber, Veräußerer oder Vermittler beteiligt ist, der Veräußerer dem Urheber einen Anteil in Höhe von 5 % des Veräußerungserlöses zu entrichten hat (§ 26 UrhG). Folgerechtspflichtig ist die Weiterveräußerung, gleichgültig wie viele Hände ein Werk der bildenden Kunst passiert. Nicht betroffen ist, da hier der Urheber auf andere Weise Einnahmen aus der Verwertung seines Bildes erzielt, z.B. durch Kaufvertrag, die Erstveräußerung. Bei der Frage nach der Beteiligungsform des Kunsthändlers oder Versteigerers entsteht kein Problem, wenn der Kunsthändler bereits Eigentümer des Werkes ist. Umstritten war die Situation, wenn die Ware kommissionsweise veräußert wurde, entweder als Auktionator oder in einer Galerie durch einen Galeristen. Hier wurde nun an die formalrechtliche Eigentümerschaft des etwaigen Kommissionärs, wie etwa bei Versteigerungen, angeknüpft und nicht an die wirtschaftliche Zuordnung. Dies geschah für die Klarheit des Anknüpfungstatbestandes des Folgerechts. Damit bleibt dem Kommissionär in diesen Fällen die Möglichkeit, intern im Verhältnis zum Kommittenten zu vereinbaren, dass das Folgerecht von diesem ganz oder teilweise zu tragen ist. Unbenommen bleibt dem Veräußerer ferner, dass er nach § 164 BGB als Vertreter des wirtschaftlichen Eigentümers auftritt und damit in seiner Person von vornherein keine Folgerechtspflichtigkeit entsteht. Von Bedeutung ist noch, dass der Urheber auf seinen Anteil im Voraus nicht verzichten kann; wohl aber, wenn er entstanden ist, nicht geltend machen muss.305 Das Folgerecht hat gerade in Europa Bedeutung, so findet es in Deutschland Anwendung für z.B. europäische Künstler, in deren Heimatstaat ein solches nicht 305

Bischoff, Friedrich, a.a.O. S. 44.

III. Die europäische Dimension

existiert. Umgekehrt kann aber ein deutscher Künstler in diesem Staat mangels Regelung keine Ansprüche geltend machen. Für ausländische Künstler findet sich in § 126 UrhG eine besondere Regelung. Diese Bedeutung des Folgerechts ist gerade auch auf Kunstmessen von Bedeutung, da hier junge Künstler unterstützt und verkauft werden sollen, deren meist „preisgünstigen“ Werken das Folgerecht noch einige Zeit bei Wiederverkäufen anhängen wird, und somit bei einem Galeristen in der Auswahl seiner zu besuchenden Kunstmesse einberechnet werden muss. Denn es macht einen Unterschied, ob er diese zusätzlichen Kosten auf einer deutschen Kunstmesse berücksichtigen muss, oder ob er auf einer ausländischen Kunstmesse diese Kosten „sparen könnte“. Insofern sind diese Regelungen zumindest bei den Ausweichmöglichkeiten eines Galeristen zu beachten. Im Rahmen der Regelungen stellt sich Kunstmessen auswirken könnten, zur Begutachtung stehen, stellt sich vorab die allgemeine Frage, ob überhaupt allgemeine Gesetzesregelungen auf den Handel mit Kunst grundsätzlich Anwendung finden, oder ob diese Kunstwerke nicht vielmehr außerhalb des allgemeinen Wirtschaftsleben liegende Objekte, als „res extra commercium“, beurteilt werden müssen.

aaa)

Die unterschiedlichen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs von Kunstwerken

Große Schwierigkeiten, gerade im internationalen Handel mit Kulturgut, bereitet der gutgläubige Erwerb von gestohlenen, bzw. abhanden gekommenen Kunstwerken. Dieser kann auch eine Verlagerung des Kunstmarktes mit sich führen. Diese Verlagerung entsteht gerade durch den Umstand, dass sich manche Kunsthändler Staaten aussuchen, um ihren Geschäften nachzugehen, in denen bei Transaktionen nicht zu befürchten ist, dass bei Kunstwerken unklarer Herkunft Schwierigkeiten in der Art auftreten können, dass die veräußerten Kunstwerke wieder durch ihren früheren Eigentümer zurückgefordert werden könnten. Dies betrifft selbstverständlich nur die „graue“ Zone des Kunstmarktes, kann aber zu erheblichen Verschiebungen des weltweiten Kunstmarktgeschehens führen. In diese „graue“ Zone fallen sogar oft auch Kunstwerke von Museen, denn oft haben bedeutende Exponate auch keine lückenlos legale Provenienz.306 So trat insbesondere nach dem 2. Irakkrieg im Jahre 2003 das Problem eines jeden Krieges auf, dass Museen, insbesondere das Irakische Nationalmuseum in Bagdad, in dem Meisterwerke der sumerischen, babylonischen, assyrischen und islamischen Kultur ausgestellt waren, geplündert wurden und die Kunstgegen-

306

Jayme, Erik, „Die Washingtoner Erklärung über Nazi-Enteignungen von Kunstwerken der Holocaustopfer: Narrative Normen im Kunstrecht“ in: Museen im Zwielicht – die eigene Geschichte, Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgüterverluste Magdeburg, Band 2, 2002, S. 247, S. 249.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

stände wohl auf dem Markt verkauft werden sollten.307 Gerade in diesen Fällen stellt sich die Frage des gutgläubigen Erwerbs um so mehr. Bei Diebstählen findet immer mehr die Frage nach dem gutgläubigen Erwerb Eingang in die allgemeine Diskussion. So fragen mittlerweile die meisten Händler und Auktionshäuser bei Objekten mit gewissem Wert Internet-Datenbanken 308 ab, um herauszufinden, ob es sich bei den Kunstobjekten um gestohlene, bzw. zumindest strittige, Kunst handelt, deren Veräußerung sich problematisch darstellen könnte, oder ob das Kunstwerk ohne weiteres z.B. in den Auktionskatalog mitaufgenommen werden kann. Gerade bei Diebstählen, ohne kriegsbedingten Hintergrund, stellt der Diebstahl aus privaten Haushalten mit über die Hälfte der entwendeten Objekte, den größten Anteil. Tabelle:309 Domestic Dwellings 54 %

Public Institutions 3% Museums 12 %

Churches 10 % Other Ware3% houses/ Storage 2%

Galleries 12 %

Commercial Premises 4%

Hierbei stellt sich die Frage, wieweit einzelne Länder unterschiedliche Regelungen im Hinblick auf den gutgläubigen Erwerb besitzen, und ob nicht sogar 307

N-TV, Internet – Nachrichten Überblick vom Samstag, 12. April 2003, „Plünderungen in Bagdad – Kein Halt vor Kulturschätzen“, abrufbar unter: http://www.n-tv.de/3153242.html (Stand 07.08.2004).

308

Die wohl derzeit am meisten frequentierte Internet basierte Datenbank für gestohlene Kunstgüter stellt das Art Lost Register dar, abrufbar unter www.artloss.com, welche sich als privater Dienstleister auf die Sammlung von Daten gestohlener Kunst widmet. In Deutschland ist die Lost Art Datenbank, abrufbar unter www.lostart.de, ein Projekt des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland zur Erfassung von Kulturgütern, die infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verbracht, verlagert oder – insbesondere jüdischen Eigentümern – verfolgungsbedingt entzogen wurden.

309

Quelle: Art Loss Register (Deutschland) GmbH, Köln, abrufbar unter www.artloss.com (Stand 2004).

III. Die europäische Dimension

Kunstgüter z.T. gar nicht dem Rechtsverkehr unterliegen, d.h. nicht gehandelt werden können, sondern vielmehr „res extra commercium“ darstellen.

(1)

Kunstwerke als „res extra commercium“ 310

Ein besonderer Fall in der rechtlichen Behandlung von Kunstgegenständen, oder Kulturgütern, liegt dem Begriff der „res extra commercium“ zugrunde. Dieser oft gerade im Zusammenhang mit Kulturgütern verwendete Begriff bezeichnet „Sachen außerhalb des Rechtsverkehrs“ und geht auf das klassische römische Recht zurück. Bezeichnet wird der Umstand, dass ein Kunstgut nicht verkehrsfähig sein kann. Es ist jedoch bei einer Einstufung als „nicht verkehrsfähig“ zu beachten, dass Kunstgütern große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Oftmals besteht sogar für Staaten ein wirtschaftliches Interesse, Kunstgüter verkaufen zu können, sie verkehrsfähig zu halten, damit sie die Eignung besitzen, Gegenstand dinglicher Rechte und Verfügungen zu sein. Auf der anderen Seite kollidieren diese wirtschaftlichen Aspekte mit dem Wunsch eines jeden Staates das Kulturgut des eigenen Landes und damit der eigenen Identität dadurch zu erhalten, in dem man wichtigen Kunstgegenständen ihre Tauglichkeit zur Veräußerung im Rechtsverkehr nimmt. Trotz Kenntnis dieser Konflikte entnehmen manche Staaten ihre Kulturgüter dem Rechtsverkehr, durch Anerkennung als öffentliches Eigentum, als klassifiziertes Kulturgut im Eigentum der öffentlichen Hand und als ausschließliches Staatseigentum. Denn es besteht meist ein starkes öffentliches Interesse an der Erhaltung der Kulturgüter.311 Problematisch ist insoweit, dass gerade hier oft große Unterschiede in der Auflistung der geschützten Kulturgüter existieren. Diese reichen von der Möglichkeit der Einsichtnahme in Listen, welche Objekte geschützt sind, bis hin zur einer Art generellen Schutzes ohne individuelle Benennung, wie es oft in südlichen Ländern üblich ist, die in früheren Jahren einen „Ausverkauf“ ihrer Kunstschätze hinnehmen mussten. In der europäischen Gemeinschaft kommt hier der Richtlinie 93/7/EWG des Rates eine besondere Bedeutung zu. Sie bezweckt, Verbringungsverboten der Mitgliedsstaaten für deren nationale Kulturgüter innerhalb der Gemeinschaft Geltung zu verschaffen.312 Die nationale Umsetzung wurde jedoch verschieden aufgefasst, speziell im Hinblick auf die Qualifikation eines Kunstwerkes. So fielen die Umsetzungen der Richtlinie nicht immer gleich aus. Spanien hat die Richtlinie als eigenes Gesetz umgesetzt und die

310

Vgl. Weber, Marc, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, 2002.

311

Jayme, Erik, „Internationaler Kulturgüterschutz: Lex originis oder lex rei sitae – Tagung in Heidelberg“ in: IPRax 1990, S. 347.

312

Jayme, Erik, „Jenseits des Rechts: Ethik des transnationalen Geschäftsverkehrs und IPR“ in: IPRax 1993, S. 351; Sprecher, Jörg, Beschränkungen des Handels mit Kulturgut und die Eigentumsgarantie, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, 2004, S. 172.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Zuständigkeit den Zivilgerichten übertragen. Ähnliches geschah auch bei der Umsetzung im Vereinigten Königreich. Die Niederlande haben für die Umsetzung eine Norm innerhalb der Zivilprozessordnung geschaffen. Jedoch wurde der Art. 12 der Richtlinie 93/7/EWG weder in Spanien noch im Vereinigten Königreich umgesetzt.313 Diese Richtlinie ging auf verschiedene Vorschläge der Kommission zurück.314 Seit Schaffung der Richtlinie wurden zwischen 1993 und 1999 jedoch nur sehr wenige Kulturgüter tatsächlich zurückgegeben. So hat Portugal von Italien 6 Teile eines geschnitzten Holzaltars (15. Jahrhundert), Spanien von Portugal 3 Ölgemälde von Juan de Landa, Portugal von Italien 6 Ölgemälde (Delacroix, Miguel Angel Lupi, etc.), Finnland von dem Vereinigten Königreich eine Sammlung von Medaillen und Griechenland von Italien Kunstwerke zurückbekommen.315 Durch diese unterschiedlichen Auffassungen und Behandlungen der Kulturgüter, kommt es zu unterschiedlichen Schwierigkeiten gerade bei einem grenzübergreifenden Handel. Jedoch geht das internationale Privatrecht, welches gerade bei ausländischen Kulturgegenständen stets zum Tragen kommt, nach dem Recht des Lagerorts einer Sache (Grundsatz der lex rei sitae) aus. Einem als „res extra commercium“ behandelten Kulturgut kommt dieser Status aber nur nach seinem Heimatrecht zu, auch wenn eine andere Rechtsordnung ihre eigenen Kulturgüter ebenfalls als „res extra commercium“ behandelt.316 Diese unterschiedlichen staatlichen Regelungen schaffen die Möglichkeit, dass gestohlene oder unrechtmäßig angeeignete Kulturgüter können in diejenigen Länder gebracht werden, in denen sie am leichtesten wirksam veräußert oder erworben werden können. Selten erfolgt neben der allgemeinen kollisionsrechtlichen Entscheidung eine Anknüpfung an bestimmte ausländische Normen, was von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt wird. Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die internationalen Regelungen zu Kunstwerken, welche in ihrem Heimatstaat als „res extra commercium“ behandelt werden, noch keine Vereinheitlichung erfahren haben. Insoweit verbleibt es bei den grundsätzlichen Anknüpfungspunkten des internationalen Privat- und Sachenrechts in der bisherigen Ausgestaltung. Wichtige Ansätze zu einer Vereinheitlichung kunstrecht-

313

Jayme, Erik und Kohler, Christian, „Europäisches Kollisionsrecht 1995 – Der Dialog der Quellen“ in: IPRax 1995, S. 343, S. 346.

314

Jayme, Erik und Kohler, Christian, „Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht der EG nach Maastricht“ in: IPRax 1992, S. 346, S. 348.

315

Europäische Kommission, „Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Rates über die Ausfuhr von Kulturgütern und der Richtlinie 93/7/ EWG des Rates über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbrachten Kulturgütern“ vom 25. Mai 2000, Anlage II.

316

Weidner, Amalie, Kulturgüter als res extra commercium im internationalen Sachenrecht, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2001, S. 313.

III. Die europäische Dimension

licher Problematik existiert in den Regelungen der Unidroit Konvention vom 24. Juni 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter 317 und die UNESCO Konvention von 1970, die eine Verpflichtung vorsah, das Recht jedes Vertragsstaates bestimmtes Kulturgut als unveräußerlich zu erklären, anzuerkennen.318 Als eines der wichtigsten Regelungswerke in diesem Zusammenhang sei noch die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten aus dem Jahr 1954 erwähnt, die wohl als bedeutendste gesetzliche Regelung auf dem Gebiet des internationalen Kulturgüterschutzes angesehen werden kann.319 In europäischer Hinsicht ist anzumerken, dass die Schaffung der Richtlinie 93/7/ EWG 320 nicht unumstritten war.321 Trotz dieser vielfältigen Regelungen sind Kunstwerke in Deutschland grundsätzlich verkehrsfähig. Der Handel mit Kunstwerken unterfällt Rechtsregelungen, wie auch dem Kartellrecht.

(2)

Der gutgläubige Erwerb in verschiedenen Ländern

Einen wichtigen Punkt im internationalen Kunsthandel spielen die unterschiedlichen Regelungen des gutgläubigen Erwerbs von Kunst in den verschiedenen Ländern. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Bereich das Sachenrecht. Denn gerade der Statutenwechsel, d.h. der Wandel des anwendbaren Rechts, ist zu bewältigen,322 der durch den Umstand eintritt, dass gestohlene Ware oft erst im Ausland veräußert wird. Dabei hat der Handel mit gestohlener Ware mittlerweile eine Dimension erreicht, die früher kaum denkbar war. Der Kunstraub aus Grabmälern, Tempeln, Kirchen, Museen und privaten Sammlungen hat überall

317

Siehr, Kurt, „The UNIDROIT Draft Convention on the International Protection of Cultural Property“ in: International Journal of Cultural Property, 1992, S. 321; Die UNIDROITKonvention wird auch als Kompromiss zwischen den Ansichten der Exportländer und der Kunsthandelsstaaten bezeichnet, vgl.: Jayme, Erik und Wagner, Florian, „Kulturgüterschutz und Privatrecht: Die UNIDROIT-Konvention von 1995 – Tagung des Ludwig Boltzmann Institutes für Europarecht in Wien“ in: IPRaX 1997, S. 139, S. 140.

318

Weber, Marc, Unveräußerliches Kulturgut im nationalen und internationalen Rechtsverkehr, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, 2002, S. 420,

319

Smola, Franz, „Kulturgüterschutz im Wandel der Zeiten“ in: Kulturgüterschutz: Ein Aufruf zu transnationaler Aktion, Österreichische Gesellschaft für Kulturgüterschutz, Wien, 1995, S. 15, S. 16.

320

Jayme, Erik, „Europäisches Kollisionsrecht: Neue Aufgaben, neue Techniken“ in: Hommelhoff, Peter, Jayme, Erik [Hrsg.], Europäischer Binnenmarkt: Internationales Privatrecht und Rechtsangleichung; Beiträge und Diskussionen des Symposiums 1994 in Heidelberg, 1995, C. F. Müller Verlag, Heidelberg, S. 35.

321

Siehr, Kurt, „Handel mit Kulturgütern in der EWG“ in: NJW 1993, S. 2206, S. 2209.

322

Jayme, Erik, „Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht“ in: Dolzer/Jayme/Mußgnung [Hrsg.], Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Verlag C. F. Müller, Heidelberg, 1994, S. 35.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

auf der Welt zugenommen 323, so dass die Frage nach dem gutgläubigen Erwerb wichtig wurde. In diesem Zusammenhang werden viele Versuche unternommen, den Handel mit illegalen Kunstgütern insbesondere von Grabräubern, zu unterbinden.324 In Deutschland selbst ist der gutgläubige Erwerb gemäß § 935 Abs. 1 S. 1 BGB nur unter der Voraussetzung möglich, dass das Werk nicht abhanden gekommen ist 325, was meist jedoch der Fall sein wird. Hier trifft den Verkäufer meist eine Nachforschungspflicht, oder Obliegenheit, dass er zumindest bei hochpreisigen Werken die bekannten Datenbanken abfragen muss. Ein Erwerb bei abhanden gekommenen Werken ist nur bei öffentlichen Versteigerungen möglich, § 935 Abs. 2 BGB. Dagegen existiert z.B. in der Schweiz das sog. „Lösungsrecht“.326 Danach kann in dreißig Jahren ab Abhandenkommen des Objekts die Herausgabe nur gegen Erstattung des Kaufpreises verlangt werden. Danach tritt ein Eigentumsverlust ein. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu der deutschen Regelung dar. In Frankreich ist grundsätzlich der gutgläubige Erwerb möglich, solange das Objekt vom Besitzer stammt und guter Glaube des Erwerbers vorliegt. Ein gutgläubiger Erwerb ist jedoch bei Objekten nicht möglich, die vorher gestohlen wurden oder verloren gegangen sind. Eine Ausnahmeregelung existiert hier in Bezug auf den Erwerb eines Kunstwerks auf einer Messe, einem Markt, einer öffentlichen Versteigerung oder von einem Kaufmann, der mit gleichartiger Ware handelt. In diesen Fällen gibt es ein „Lösungsrecht“, hier kann der gutgläubige Erwerber den Kaufpreis, den er für die Sache bezahlt hat, vom Eigentümer binnen einer Frist von drei Jahren vom Verlustzeitpunkt an zurückverlangen.327 In Griechenland ist der gutgläubige Erwerb ebenfalls möglich, wobei hier die Schutzregelungen der Ausnahmetatbestände „Gestohlen“ und „Abhanden gekommen“ eingreifen. Ähnlich dem französischen Recht kann aber in Griechenland trotz der Schutzregelungen ein Kunstwerk dann gutgläubig erworben werden, wenn es auf einem Markt, einer Messe oder auf einer öffentlichen Versteigerung veräußert wird. Auf einem Markt oder einer Messe kommt noch das Erfordernis hinzu, dass der Kauf bei einem Händler getätigt worden sein muss, der gleichartige Waren oder Sachen dieser Art auf der Messe norma-

323

Lerner, Ralph E. und Bresler, Judith, Art Law – Volume One, Practising Law Institute, New York City, 2. Auflage, 1998, S. 545.

324

Merryman, John Henry, „A Licit International Trade in cultural Objects“ in: Briat, Martine und Freedberg, Judtih A., Legal Aspects of International Trade in Art, ICC Publishing S.A., Paris, New York, 1996, S. 3, S. 30.

325

Hipp, Anette, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, Verlag de Gruyter, Berlin, New York, 2000, S. 155.

326

BGH, Urt. v. 08.04.1987 – VIII ZR 211/86 „Münzfall“ in: BGHZ 100, S. 321.

327

Spinellis, Evangelos, Das Vertrags- und Sachenrecht des internationalen Kunsthandels, Universitätsverlag Rasch, Osnabrück, 2000, S. 303.

III. Die europäische Dimension

lerweise verkauft.328 In Italien existiert die Eigentümlichkeit, dass generell der gutgläubige Erwerb selbst an gestohlenen oder abhanden gekommenen Objekten möglich ist, Art. 1153, 1154 codice civile.329 Einzige Voraussetzung ist der gute Glaube und es darf sich nicht um ein nationales Kunstwerk handeln.330 Großbritannien, als Land mit den weltweit größten Auktionshäusern, kennt wiederum keinen gutgläubigen Erwerb.331 Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Gegenzug einige Verjährungsfristen z.T. sehr kurz gehalten sind.

bbb) Die Problematik des Erwerbs und der Veräußerung von Werken von entarteter Kunst Den wohl stärksten Einfluss auf den Handel von Kunstwerken im 20. und im 21. Jahrhundert, gerade im Hinblick auf die Stellung der Veräußerer, hat die Problematik des Erwerbs und der Veräußerung von Werten von entarteter Kunst. Als „entartete“ Kunst konnte gemäß dem „Gesetz über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ jegliche Kunst eingezogen werden, die nach Auffassung der Entscheidungsträger nicht in das Bild des Nationalsozialismus passten. Hierbei wurde der Begriff nicht definiert, er war vielmehr ein unscharfes und höchst subjektiv geprägtes Schlagwort.332 Die Intention des Künstlers bei Schaffung des Werkes war dabei ohne Belang. Und obwohl heute nur noch in Ausnahmefällen Ansprüche auf Restitution der als „entartet“ eingezogenen Kunstwerke erhoben werden können, bestimmt dieses Thema oft noch den Kunsthandel und sorgt gerade bei hochwertigen Kunstobjekten noch für ein Zögern der am Handel Beteiligten. Denn ein solches „entartetes Kunstwerk“ hat im Laufe der Zeit meist verschiedene Rechtsordnungen durchlaufen, so dass die Fragen des Statutenwechsels, der Verjährung und der Ersitzung erörtert werden müssen.333 Oft ergibt sich jedoch aus dem Umstand, dass der derzeitige Besitzer meist wirksam das Kunstwerk ersessen oder durch eine öffentliche Versteigerung erworben hat, so dass eine Rückabwicklung kaum möglich ist.334 Gerade in diesem Bereich zeigt sich, dass der Kunsthandel meist

328

Spinellis, Evangelos, a.a.O. S. 305.

329

Vgl. m.w.N.: Hipp, Anette, Schutz von Kulturgütern in Deutschland, Verlag de Gruyter, Berlin, New York, 2000, S. 164.

330

Spinellis, Evangelos, a.a.O. S. 306; Jayme, Erik, „Neue Anknüpfungsmaximen für den Kulturgüterschutz im internationalen Privatrecht“ in: Dolzer/Jayme/Mußgnung [Hrsg.], Rechtsfragen des internationalen Kulturgüterschutzes, Verlag C. F. Müller, Heidelberg, 1994, S. 35.

331

Dechow, Angela, Die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts im Internationalen Kunsthandel, LIT Verlag, Münster, 2000, S. 32.

332

Kunze, Hans Henning, „Restitution“ entarteter Kunst, Verlag Walter de Gruyter, Berlin, New York, 2000, S. 14.

333

Jayme, Erik, „Entartete Kunst und Internationales Privatrecht“ in: IPRaX 1994, S. 66.

334

Kunze, Hans Henning, a.a.O. S. 261

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Schlichtungsmechanismen eigener Art entwickelt, welche eher der häufig nicht eindeutigen Faktenlage entsprechen als einen Rechtsstreit zu führen.335

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen Viele Gerichte wenden das Kartellrecht, insbesondere § 20 Abs. 2 GWB auf Kunstmessen an und normieren die grundsätzliche Möglichkeit eines Anspruchs auf Zulassung.336 Diese Entscheidungen sind jedoch nicht aussagekräftig genug, ob für die verschiedenen Arten von Kunst- und Antiquitätenmessen grundsätzlich eine Anwendbarkeit zu bejahen wäre. Denn für eine Anwendung der Diskriminierungstatbestände der §§ 19 ff GWB ist grundsätzliche Voraussetzung, dass die Normen überhaupt auf den Kunsthandel, und insbesondere Kunstmessen Anwendung finden könnten. Es könnte im Rahmen des GWB einen Unterschied darstellen, in welcher Form der Veranstalter einer solchen Messe organisiert ist, welche Möglichkeiten des Handels die Kunstmesse bietet, oder ob sie in ihrer Funktion nur rein informativ für den Kunstinteressierten durchgeführt werden soll. Die Untersuchung der grundsätzlichen Anwendungsmöglichkeit differenziert dabei noch nicht zwischen den verschiedenen Arten des Kunsthandels, und greift dabei nicht den Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 II GWB in der Art vor, sondern dient lediglich der grundsätzlichen Feststellung, ob die Norm des § 20 II GWB unter anderem auf die Durchführung einer Kunstmesse dem Grund nach Anwendung findet.

a)

Die Kunstmesse als Gewerbe im Sinne des GWB – Normadressat des § 20 Abs. 2 GWB – die Unternehmenseigenschaft

Für die Anwendung des § 20 II GWB müsste der Veranstalter einer Kunstmesse Normadressat des § 20 II GWB sein. Normadressat des § 20 II GWB wäre er dann, wenn er als Gewerbe im Sinne des GWB zu begreifen wäre.

335

Jayme, Erik, „Entartete Kunst und Internationales Privatrecht“ in: IPRaX 1994, S. 66, S. 67.

336

Vgl. m.w.N.: LG Köln, Urt. v. 1.10.1998 – 81 O (Kart) 153/98 „Art Cologne“ in: EWiR 1/99, S. 73; OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW 1990, S. 1069.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

Grundsätzliche Voraussetzung für eine Anwendung ist die Definition des Normadressaten.337 Die Vorschriften des GWB, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gelten allein für Unternehmen. Für die Annahme eines Unternehmens genügt im Kartellrecht jede selbständige, nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Leistungen.338 Eine solche gewerbliche Leistung stellt grundsätzlich die Gewährung einer Ausstellungsmöglichkeit dar. Die Aussteller erhalten von einem Messeveranstalter mit dem Messestand die Möglichkeit, ihr gesamtes Warensortiment einem großen Interessentenkreis mit verhältnismäßig geringem Kostenaufwand darzubieten, und sie erhalten die Möglichkeit, sich selbst über den Stand des Konkurrenzangebotes schnell und gründlich zu unterrichten, sowie die Möglichkeit, an Ort und Stelle Kaufverträge mit Messebesuchern abzuschließen.339 Diese Zusammenführung von verschiedenen Wirtschaftskreisen zum Zwecke der Information und der Anknüpfung neuer oder Festigung bestehender Geschäftsverbindungen entspricht dem Bild eines Unternehmens im Sinne des GWB. Im Übrigen wird den Ausstellern durch Überlassung von Ständen und Fläche gegen Entgelt eine gewerbliche Leistung gewährt. Folglich umfasst der Unternehmensbegriff im Sinne des GWB die Veranstaltung einer Messe.340 Denn eine rein private, außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit und damit außerhalb des Anwendungsbereiches des Gesetzes bleibende Tätigkeit kann schon aufgrund des äußeren Rahmens einer Messe ausscheiden, wenn diese durch hohe Aussteller- und Besucherzahlen, der Bezeichnung sowie den Besprechungen in der Fachpresse entsprechend gekennzeichnet ist.341 Somit kommt ein Veranstalter einer Kunstmesse als Normadressat des § 20 II GWB in Betracht.342 In diesem Zusammenhang könnte z.B. die Kunstmesse Art Cologne ein marktstarkes Unternehmen im Sinne von § 20 Abs. 2 S.1 GWB darstellen.343

337

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 18.

338

Emmerich, Volker, Kartellrecht, Seite 222.

339

OLG Wiesbaden, Urteil vom 22.07.1968 – Kart 2/68 in: WuW/E OLG 907, 909 „Sportartikelmesse I“.

340

BGH, Beschluss vom 03.03.1969 – KVR 6/68 „Sportartikelmesse II“ in: WuW/E BGH 1027, 1028.

341

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716.

342

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

343

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 288.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

So hat das OLG Frankfurt 1983 dementsprechend entschieden, dass der Veranstalter der Internationalen Frühjahrs- und Herbstmesse im Vergleich zu anderen Messeausrichtern ein marktstarkes Unternehmen darstellt.344 Grundsätzliche Voraussetzung für die Einstufung als Unternehmen wäre aber, dass die Vorschriften des Kartellrechts und speziell des GWB, die sich hauptsächlich an Wirtschaftsunternehmen richten, auch auf den Kunstmarkt Anwendung finden könnten. Dies könnte gerade deshalb problematisch sein, da der Kunstmarkt nicht so stark von wirtschaftlichen Aspekten geprägt ist. Gerade auf dem Kunstmarkt spielen noch Faktoren wie Geschmack, Ästhetik und Kunstauffassung eine Rolle.

aa)

Die grundsätzliche Anwendung des GWB auf den Kunstsektor

Vor einer Untersuchung, inwieweit die verschieden rechtlich ausgestalteten Kunst- und Antiquitätenmessen als Unternehmen im Sinne der §§ 1, 19 ff GWB aufzufassen sind, steht in Frage, ob überhaupt eine Anwendung der wirtschaftlich geprägten Kartellnormen auf das Gebiet der Kunst möglich ist. Dabei könnte zweifelhaft sein, ob künstlerische Leistungen und die Verbreitung von Kunst als gewerbliche Leistungen angesehen werden können, denn die wirtschaftliche Diskussion um die Norm des § 20 II GWB orientierte sich stets an dem Modell des rein kommerziell geprägten Waren- und Dienstleistungsverkehrs. Problematisch könnte eine reine Einordnung von künstlerischen Leistungen in den wirtschaftlichen Bereich sein, wenn die künstlerische Leistung nur noch als geschäftliche Leistung aufgefasst werden würde. Eine solche Vorgehensweise würde zur Folge haben, dass z.B. Sänger oder Entertainer im Rahmen ihrer geschäftsmäßigen Erbringung von Leistungen gezwungen wären, ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit Orte für ihre Tournee aufzusuchen, wenn sie als marktbeherrschende Unternehmen qualifiziert würden. Ein solches Vorgehen kollidiert jedoch mit der künstlerischen Freiheit.345 Auf der anderen Seite ist jedoch eine völlige Ausschaltung künstlerischer Leistungen aus dem Bereich der Wirtschaft weltfremd. Künstlerische Leistungen werden wirtschaftlich verwertet, sei es durch die Verbreitung von Tonträgern im Beispiel des Sängers oder durch eine spekulative Geldanlage z.B. in einem Ölgemälde. Zwar werden allgemein im Bereich des Kunstlebens u.a. andere Faktoren als beim marktwirtschaftlichen Wettbewerbsmechanismus tätig, nämlich die befruchtende Vielfalt der gesellschaftlichen Kräfte und kulturellen Strömun-

344

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3150.

345

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 174.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

gen usw., jedoch werden diese Strömungen wieder durch die Wirtschaftlichkeit begrenzt. Diese Wirtschaftlichkeit wurde z.B. bei Theateraufführungen festgestellt, durch 346, indem künstlerischen Leistungen seiner Schauspieler gegen Entgelt angeboten werden.347 In diesem Sinne können auch Theater den Regelungen der §§ 19 ff GWB unterstehen. Denn auch ideelle Zwecke unterfallen den Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, soweit sie an wirtschaftlich geprägten Situationen teilnehmen.348 Ebenso kann eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit die Einschränkung des so genannten Wirkbereichs 349 der in Art. 5 III 1 GG geschützten Kunstfreiheit durch eine Gewerbeuntersagung rechtfertigen.350 Dem Einzelfall überlassen bleibt im Falle eines Kontrahierungszwanges gemäß § 20 II 1 GWB die Frage, wie weitreichende, das Kulturleben verändernde Folgen die Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vorschriften besitzt. Sollte jede größere Bühne verlangen können, dass sie bei Gastspielreisen eines „marktbeherrschenden“ Künstlers gleichmäßig berücksichtigt wird? 351 Die Klärung dieser Problematik bleibt jedoch bei den Gerichten.

bb)

Die Verkaufs-Kunstmesse als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 20 GWB

Wie festgestellt wurde, könnte grundsätzlich eine Kunstmesse wie die Art Cologne als Normadressatin des GWB eingeordnet werden.352 Denn die Gewährung einer Ausstellungsmöglichkeit ist eine gewerbliche Leistung.353 So stellt sich generell gerade eine Ausstellung als Geschäftsverkehr dar 354, ein Veranstalter von Kunst-

346

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 279.

347

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 172.

348

BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947, S. 950 zu der Frage, ob ein Universitätssportclub auch als wirtschaftliches Unternehmen trotz ideellen Zwecks eingeordnet werden kann.

349

Grundsätzlich sind sowohl der „Werkbereich“ als auch der „Wirkbereich“ durch Art. 5 III 1 GG geschützt, vgl. BVerfG, Beschl. V. 24.02.1974 – 1 BvR 435/68 „Mephisto“ in: BVerfGE 30, S. 189.

350

OVG Hamburg, Urt. v. 31.07.1990 – Bf VI 71/90 in: NJW 1991, Heft 23, S. 1500.

351

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 175.

352

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 14.

353

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

354

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

messen gehört zu den Anbietern von gewerblichen Leistungen im Sinne des GWB.355 Abgesehen von Leistungen an die Messebesucher, gewährt der Veranstalter einer Messe auch den Ausstellern durch die Überlassung von Messeständen gewerbliche Leistungen. Diese Leistungen bestehen darin, dass die Aussteller die Möglichkeit erhalten, ihr Warensortiment einem großen Interessentenkreis zu verhältnismäßig geringen Kosten geschlossen darzubieten (Fremdinformation und Repräsentation), ferner sich über die Konkurrenzangebote schnell und gründlich zu unterrichten (Eigeninformation) und an Ort und Stelle Verkaufsverträge mit Messebesuchern abzuschließen.356 Diese Werbemöglichkeiten bieten gegenüber anderen Werbemitteln, wie Vertreterbesuche, Prospekte und Katalogversand viel mehr Möglichkeiten. Dieser Umstand hat zur Folge, dass die meisten Aussteller, Galeristen und Künstler, die Präsentation ihrer Werke auf einer Kunstmesse nicht ohne weiteres durch den Einsatz anderer Werbemöglichkeiten, „Akquisitationsmöglichkeiten“, als austauschbar ansieht.357 Diese grundlegende Einordnung bedarf jedoch näherer Prüfung, da die Durchführung einer Kunstmesse in den verschiedensten rechtlichen Ausgestaltungen denkbar ist, wie etwa durch die Zwischenschaltung eines Trägervereins oder einer Trägergesellschaft.358 Ferner existieren Kunstmessen, die entweder dem Verkauf von Kunst oder nur der Zurschaustellung ohne Verkauf dienen.

cc)

Die Verschiedenheit der rechtlichen Formen der Veranstalter

Die Veranstalter von Kunstmessen stellen sich in verschiedenen rechtlichen Ausgestaltungen dar. Auch kann eine mittlerweile bedeutende Veranstaltung aus einem Zufall heraus entstehen, wie an der Geschichte der Art Cologne erkennbar wurde.359 Dabei muss jedoch grundsätzlich beachtet werden, dass das Kartellrecht die Aufgabe hat, Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern oder zu unterbinden. Entsprechend dieser Zwecksetzung hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen funktional und nicht institutionell abgegrenzt. Entscheidend ist daher nicht die Rechts- oder Organisationsform des Rechtsträgers, dessen Handeln am Kartellrecht gemessen werden soll, sondern seine Fähigkeit, die vom Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschützten Wettbewerbsverhältnisse spürbar zu beeinflussen.360 355

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897.

356

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716.

357

BGH, a.a.O. S. 1716.

358

BGH, Urteil v. 09.06.1997 – II ZR 303/95 „Hamburger Kunstmesse I“ in: NJW 1997, S. 3368, S. 3369.

359

Vgl. unter: aa) Köln, S. 13.

360

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

Um jedoch die Wirkungsweisen der häufigsten Rechtsträgerformen von Kunstmesseveranstaltern aufzuzeigen, werden diese im Folgenden kurz dargestellt.

aaa)

Verband

Ein der am weitest verbreiteten Rechtsform eines Trägers einer Kunstmesse stellte noch am Ende des 20. Jahrhunderts der Verband dar. In diesem Zusammenhang entstanden die ersten gerichtlichen Auseinandersetzungen, welche sich mit der Aufnahme eines Künstlers oder Galeristen in diesen Verband auseinander setzten. Denn gerade die Kunstverbände organisierten die großen Kunstmessen für Ihre Mitglieder. Es war daher entscheidend, Mitglied in einem solchen Verband zu sein. So sind auch heute noch Galerien, Kunst- und Antiquitätenhändler und Kunstversteigerer häufig Mitglieder in Wirtschafts- oder Berufsverbänden. Aber auch Künstler organisieren sich in Verbänden. So versteht sich der Deutsche Künstlerbund als Zusammenschluss von bildenden Künstlern mit dem satzungsmäßigen und gemeinnützigen Ziel, die Interessen der bildenden Kunst allgemein und der Künstlerschaft im Besonderen zu fördern. Ein wichtiger Bestandteil zur Verwirklichung dieser Zielsetzung ist die sog. Jahresausstellung, in denen die Werke von Mitgliedern und Gästen dieser Einrichtung dem Publikum vorgestellt wird.361 Gleichgültig, ob es sich um Galerien oder Künstler handelt, die Aufnahme in einen bundesweiten Verband spielt immer noch eine bedeutende Rolle. Bei Ablehnung der Aufnahme in einen solchen Verband, z.B. in den Bundesverband deutscher Kunstversteigerer, könnte die Kartellbehörde auf Antrag des Unternehmens – z.B. des Versteigerers – die Aufnahme in den Verband anordnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt.362 Im Rahmen des Vereinsrechts wurde das Recht eines Vereinsmitgliedes an Teilnahme an einer Vereinsmesse auf der Mitgliedschaft und nicht kartellrechtlich begründet.363 Für die Frage, ob es sich jedoch um eine verbandsinterne Veranstaltung gehandelt hatte, was oft strittig war, konnte schon 1969 die Zusammensetzung des Besucherkreises entscheidend sein.364 Waren es mehr Besucher, die nicht direkt mit dem Verband im Zusammenhang standen, und waren auch nicht 361

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 21.

362

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 135.

363

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.1980 – U (Kart) 26/80 „Kunstmesse 1980“ in: WuW/E OLG S. 2384.

364

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716.

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94

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

verbandsgebundene Aussteller zugegen, sprach dies oft gegen eine reine Verbandsmesse. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Verbandsmesse handelt, oder nicht, existieren neben den Spezialnormen des GWB keine anderen gesetzlichen Bestimmungen, die eine Aufnahme in einen Verband regelten. Unbestritten musste aber unter Umständen ein Aufnahmeanspruch bestehen können. Daher wurde in der Vergangenheit regelmäßig durch die Rechtsprechung auf § 826 BGB als Anspruchsgrundlage zurückgegriffen.365 Jedoch auch bei einer Mitgliedschaft einer Galerie war eine Teilnahme an der Kunstmesse noch nicht sicher. Ein solcher Anspruch konnte war z.T. entweder in Allgemeinen Teilnahmebedingungen geregelt oder ergab sich aus den Wohlverhaltenspflichten und auch persönlichen Beziehungen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass ein Mitglied nicht Nachteilen ausgesetzt werden darf, wenn es alle Satzungsvorschriften beachtet und erfüllt.366 Bei einer Verweigerung der Zulassung zu der Kunstmesse muss dann wieder auf § 826 BGB zurückgegriffen werden. Ein Anspruch auf Aufnahme aus dem Diskriminierungsverbot des § 20 II GWB kann geltend gemacht werden, auch wenn es sich nicht um einen Monopolverband handelt, sondern um eine Vereinigung, die eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Machtstellung innehat, sofern der Bewerber zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist.367 Ein solches Interesse kann in der Teilnahme an einer durch den Verband veranstalteten Kunstmesse liegen. Bei einer Ablehnung besteht die dann die Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs im Klageverfahren. Grundsätzlich spielen hierbei die berechtigten Interessen des Bewerbers an der Mitgliedschaft und die Bedeutung der damit verbundenen Rechte und Vorteile, die ihm vorenthalten werden, eine wesentliche Rolle. Es kommt auf eine Bewertung und Berücksichtigung des Interesses des Verbandes an der Geltung der Aufnahmebeschränkung an. Geprüft werden müssen in diesen Fällen die sachliche Berechtigung der Ablehnung und das Merkmal der Unbilligkeit. In einer Einzelfallprüfung sind dann noch weitere Merkmale zu prüfen, wie z.B. ob ein Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die aufgestellten Aufnahmevoraussetzungen zu erfüllen. Umgekehrt wäre zu prüfen, ob eine „mildere Ausgestaltung“ eine Zulassung ermöglichen würde.368 All dies bedarf aber genauer Untersuchung. 365

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 107.

366

OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.1980 – U (Kart) 26/80 „Kunstmesse 1980“ in: WuW/E OLG S. 2384, 2386.

367

BGH, Urt. v. 26.07.1976 – KZR 25/78 „Anwaltsverein“ in: GRUR 1979, Heft 11, S. 788.

368

BGH, Urteil v. 2.12.1974 – II ZR 78/72 „Rad- und Kraftfahrerverbund“ in: WuW/E BGH S. 1347, S. 1348.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

Es kann festgehalten werden, dass bei einer durch einen Verband veranstalteten Kunst- und Antiquitätenmesse ein Aufnahmeanspruch nach § 20 II 1 GWB in Frage kommen kann. Entweder möchte ein Galerist die Zulassung zu der Messe durch eine Verbandsaufnahme erreichen, bzw. dass ein Verbandsmitglied zu der Verbandsmesse zugelassen werden möchte, oder dass ein nicht verbandsgebundener Galerist eine Zulassung zu einer nicht mehr rein internen Verbandsmesse erreichen möchte. In allen Fällen aber stellen Verbände, Messeverbände oder Kunstverbände Unternehmen im Sinne des GWB dar.369

bbb) Verein Neben den Verbänden existieren Kunstvereine, die in manchen Fällen renommierte Kunstmessen veranstaltet haben, oder veranstalten könnten. Während Verbände eine oft strenge hierarchische Struktur und eine große Anzahl von Mitgliedern aufweisen, so hat der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler – BBK ungefähr 10.000 Mitglieder.370 Andere Vereine, wie z.B. lokale Kunstvereine, bestehen in einem geringeren Umfang. Manchmal existiert kein Dachverband. Es handelt sich hierbei meist um Vereinigungen von Künstlern aus einer Region, die in konzentrierter Zusammenarbeit eine Steigerung des Bekanntheitsgrades, und damit bewusst oder unbewusst eine Steigerung des Preisniveaus erreichen möchten. Eine solche Steigerung soll dabei durch Kunstschauen erreicht werden. Solche Ausstellungen können sogar bundesweite Bedeutung erreichen, und so für Dritte, Galeristen und Künstler von Interesse sein. Grundsätzlich kann auch bei Vereinen, wie der BGH 371 schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 1968 festgestellt hat, ein Aufnahmeanspruch nach §§ 826, 249 BGB bestehen, wenn der Verein dem Bewerber mit der Ablehnung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Dies kann insbesondere in Betracht kommen, wenn er die Aufnahme verweigert, obwohl er eine Monopolstellung innehat. Demgemäss ist dies bei einem Idealverein nicht schlechthin ausgeschlossen, da § 826 BGB auch dem Schutz nichtvermögensrechtlicher Rechtsgüter dient. Erfüllt aber der Bewerber die satzungsmäßigen Voraussetzungen des Vereins nicht, dann kann im Allgemeinen die Ablehnung nicht sittenwidrig sein. Der Gesetzgeber hat dem Verein die grundsätzlich freie Befugnis eingeräumt, Zwecke und Aufgabenbereiche selbst festzulegen und zu bestimmen, auf welche Weise und mit welchen Mitgliedern er seine

369

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

370

Information des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler, abrufbar im Internet unter http://www.bbk-bundesverband.de/Texte/1seite.htm, Stand 2005.

371

BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Ziele verfolgen will. Demgemäss ist eine Ablehnung grundsätzlich gerechtfertigt, wenn die vereinsfassungsrechtlichen Bestimmungen entgegenstehen, soweit die Bestimmungen ihrerseits den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Aber auch wenn die Satzungsbestimmungen nicht erfüllt werden, kann u.U. ein Anspruch auf Zulassung gegeben sein, unter Anwendung des § 826 BGB.372 Folglich ist es einem Gericht möglich, nachprüfen, ob eine vereinsrechtliche Maßnahme eine Stütze im Gesetz oder in der Satzung hat und ob das satzungsmäßige vorgeschriebene Verfahren beachtet worden ist und sonst keine Gesetzesoder Satzungsverstöße vorgekommen sind, und ob die Maßnahme nicht grob unbillig oder willkürlich ist. Es ist weiterhin gerichtlich nachprüfbar, ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt wurden, bei objektiver und an rechtsstaatlichen Grundsätzen ausgerichteter Tatsachenermittlung zutreffend festgestellt worden sind.373 Neben der Norm des § 826 BGB kommt die für die vorliegende Untersuchung bedeutende Vorschrift des Diskriminierungsverbots des § 20 II GWB n.F. in Betracht. So hatte der BGH 1987 in seiner Entscheidung „Rote Liste“ festgehalten, dass die Anwendung des § 26 II GWB a.F. auch nicht ausgeschlossen ist, weil die Behinderung auf Beschlüssen beruht, die unter Beachtung vereinsrechtlicher Vorschriften zustande gekommen sind. Daher sei eine Behinderung, zu deren Rechtfertigung sich ein Verband darauf beruft, dass der Behinderte ihm nicht als Mitglied angehöre, dann unbillig, wenn der Behinderte zum Eintritt bereit ist, sich jedoch Aufnahmebedingungen widersetzt, deren Einhaltung ihm unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zuzumuten ist.374 Damit entbindet einen Verein auch nicht die Einhaltung der vereinsrechtlichen Vorschriften von der Verpflichtung, die seiner Betätigung im Wettbewerb durch § 26 II GWB gesetzten Schranken zu beachten.375 Wie bei Verbänden existiert bei Vereinen die Frage, ob jedermann zugelassen werden muss. Die bisherige Rechtsprechung steht einem derartigen Prinzip grundsätzlich negativ gegenüber, soweit nicht kartellrechtlich relevante Tatbestände vorliegen. Sogar wenn ein Bewerber sämtliche Voraussetzungen erfüllt, steht diesem kein Anspruch auf Aufnahme an.376 Eine Aufnahmepflicht, folglich ein Kontrahierungszwang, kann nur unter den Voraussetzungen der §§ 26 Abs. 2,

372

BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947, S. 949.

373

BGH, Urteil v. 09.06.1997 – II ZR 303/95 „Hamburger Kunstmesse I“ in: NJW 1997, S. 3368.

374

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740.

375

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1743.

376

BGH, Urt. v. 26.07.1976 – KZR 25/78 „Anwaltsverein“ in: GRUR 1979, Heft 11, S. 788, S. 789.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

33 GWB abgesehen und des § 826 BGB vorliegen. Hierbei kollidieren die Interessen der Vereine an einer autonomen Selbstgestaltung die Interessen des Abgelehnten, nicht unbillig und willkürlich behindert zu werden. Daher wird im Folgenden das Problem bestehen, einen gesetzlich gewollten Ausgleich zu bestimmen, welcher auch in der Verpflichtung zur Aufnahme bestehen kann.377 Unter anderem ist bei einer solchen Abwägung zu beachten, dass der Vereinszweck dabei insbesondere der oben erörterten Inhaltskontrolle Grenzen setzt. Ein Eingriff in das Recht der Vereinigung, ihren Zweck selbst festzulegen, darf kaum durchgeführt werden. Ein Bewerber kann daher grds. nur erreichen, dass „reine“ Aufnahmebeschränkungen, die dem Vereinszweck nicht unmittelbar betreffen, nicht angewandt werden.378 Dabei ist zu beachten, dass ein Aufnahmezwang eine rechtliche Intervention von außen in den Bereich organisierter, sich grundsätzlich selbst bestimmender Gruppen darstellt.379 Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass Vereine, wenn sie im künstlerischen Bereich tätig sind und Kunstmessen mit wirtschaftlicher und sozialer Bedeutung organisieren, dem Diskriminierungsverbot des § 20 II 1 GWB unterfallen und Unternehmen in diesem Sinne darstellen.

ccc)

Öffentlich-rechtlicher Träger

Als Veranstalter von Kunstmessen kommen aber nicht nur Verbände und Vereine in Betracht. Oft werden Kunstmessen von öffentlich-rechtlichen Institutionen durchgeführt, wobei Städte und Gemeinden eine große Rolle spielen. Sie möchten durch eine solche Veranstaltung die Wirtschaft und den Tourismus fördern und streben nebenbei eine Verbesserung ihres Rufes durch den Zusatz „Kunst“ an. Hierbei hat die Rechtsprechung zu der Zulassung zu städtischen Veranstaltungen eine lange Tradition. Es handelte sich dabei jedoch oft nicht um Kunstmessen, sondern vielmehr entweder um Märkte mit Schaustellern oder die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen. Grundsätzlich wurde in solchen Fällen, wenn z.B. eine Gemeinde ein Volksfest veranstaltet hat, der Anspruch auf Zulassung von z.B. ortsansässigen Gewerbetreibenden nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen entschieden.380 Hierbei war zu beachten, dass bei einem Überangebot von Bewerbern eine Gemeinde berechtigt war, unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß Art. 3 377

Birk, Rolf, „Der Aufnahmezwang bei Vereinen und Verbänden“ in: JZ 1972, S. 343, S. 345.

378

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 111.

379

Birk, Rolf, „Der Aufnahmezwang bei Vereinen und Verbänden“ in: JZ 1972, S. 343, S. 346.

380

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

GG eine Auswahl nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffen.381 Es fand grundsätzlich das öffentliche Recht Anwendung, wobei dieses an die Rechtsform der handelnden Person anknüpfte. Eine Veranstaltung einer Kunstmesse durch eine Gemeinde, also eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, bedeutet jedoch nicht in allen Fällen die Zuordnung zum öffentlichen Recht. Gemeinden besitzen vielmehr die Möglichkeit, bestimmte Dinge, wie auch Märkte und Volksfeste, mit den Mitteln und Formen des Privatrechts durchzuführen, so dass privatrechtliche Regelungen Anwendung finden. Entscheidend für die Zuordnung einer Handlung einer Gemeinde zum öffentlichen Recht ist nicht allein die Rechtsform oder das verfolgte Anliegen. Entscheidend ist vielmehr dass sie in ihrer Eigenschaft als Träger hoheitlicher Gewalt mit dementsprechenden Rechtssätzen aufgetreten ist, also aufgrund öffentlichrechtlichen Sonderrechts gehandelt hat.382 Und genau diese Entscheidung, öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Handeln, trifft auf die Abgrenzung des GWB. Hierbei wird in § 130 Abs. 1 S. 1 GWB festgelegt, dass das GWB auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand Anwendung findet. Entscheidend für die Differenzierung zwischen den Anwendungsgebieten ist mithin der Umstand, ob die Vergabeentscheidung, oder die Ablehnung, sich auf öffentlich-rechtliches Sonderrecht stützt, ein Indiz könnte die Form des Verwaltungsaktes sein, oder ob die Stadt wie ein Privater über ihr Eigentum oder ihre Möglichkeiten verfügt hat, d.h. ohne öffentlich-rechtliches Sonderrecht anzuwenden. Dies bedeutet gerade im Falle des Privatrechts die Entscheidung, ob sie an dem vom Kartellrecht geschützten Verkehr mit Waren und Dienstleistungen teilgenommen hat.383 Dies kann sich gerade dann ergeben, wenn zum einen weder eine kommunale Satzung noch eine Marktordnung oder sonstige öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung für die betreffende Veranstaltung zur Rede steht, und die Stadt als Veranstalter nicht durch Bescheide, sondern durch die Annahme eine von den Teilnehmer-Interessenten gemachten Vertragsangebotes über die Zulassung entscheidet.384 Liegen diese Indizien vor, meist auch in Fällen, in denen Städte Kunstmessen organisiert haben, kann sich der Zulassungsanspruch dann ebenso nach § 20 II GWB richten, Städte stellen Unternehmen im Sinne des GWB dar. Denn wenn sie die rechtlichen Verhältnisse über die Teilnahme an einer Messe durch einen privaten Nutzungsvertrag regeln und die nicht als Satzung verabschiedeten Teil-

381

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337.

382

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360.

383

Hitzler, Gerhard, a.a.O. S. 361.

384

OVG Rhld.-Pf., Beschl. v. 09.09.1986 – 12 B 95/86 in: GewArch 1986/11-12, S. 374, S. 375.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

nahmebedingungen jeweils durch Vereinbarung in die einzelnen Verträge einbeziehen, handelt es sich um bürgerliche Rechtstreitigkeiten im Sinne des § 13 GVG.385 Eine einzige Ausnahme liegt noch im Rahmen des Gewerberechts für den Fall, dass es sich um eine festgesetzte Veranstaltung handelt. In einer solchen Konstellation können die Regelungen des Gewerberechts greifen, wobei diese nicht nur öffentlich-rechtlichen Veranstalter betreffen, sondern alle Veranstaltungen, die festgesetzt wurden. Im Rahmen der GewO, auch wenn es sich um dem öffentlichen Recht zugesprochene Normen handelt, kann ein Zulassungsanspruch gemäß § 70 GewO vorliegen, wenn nicht eine Körperschaft des Bundes oder der Länder dahinter steht, sondern es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit handelt. Es kann noch in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, insbesondere bei der Zulassung von Bewerbern zu öffentlichen Einrichtungen mit beschränkter Kapazität, für die öffentliche Hand fast keine anderen Auswahlkriterien maßgebend sind wie für den privatwirtschaftlichen Unternehmer nach dem GWB.386 Falls ein öffentlich-rechtlicher Träger aber privatwirtschaftlich tätig wird, unterliegt er den Regelungen des Kartellrechts, insbesondere in § 20 II 1 GWB normierten Diskriminierungsverbots, er stellt ein Unternehmen im Sinne des GWB dar. Damit unterliegt die Vergabe der Standplätze nicht dem öffentlich-rechtlichen Sonderrecht, sondern dem Kartellrecht.387 Ein öffentlich-rechtlicher Träger übt also insoweit eine geschäftliche Tätigkeit aus und ist damit Unternehmer im Sinne des § 20 II GWB. § 26 II GWB a.F. konnte auf Gemeinden Anwendung finden, wenn sie sich unternehmerisch betätigten.388

ddd) Rein privater Veranstalter Die häufigsten Veranstalter von Kunstmessen sind die privatrechtlichen Unternehmen, wobei häufig die Messegesellschaften selbst aktiv werden. Daneben gibt es noch eine Vielzahl von Firmen, deren wirtschaftlicher Haupt- oder Nebenzweck die Durchführung einer Kunst- und Antiquitätenmesse ist.

385

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695.

386

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4142.

387

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 363.

388

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 696.

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Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

Oft sind es große Aktiengesellschaften, OHGs, KGs, englische Ltd’s oder andere Rechtsformen, die eine solche, meist international renommierte Kunstmesse durchführen. So wird die Kunstmesse München als GmbH & Co. KG durchgeführt.389 Auch kann es vorkommen, dass Veranstalter mit einer kleinen regionalen Kunstmesse einen solchen Erfolg haben, und diese Kunstmesse derart schnell wächst, dass als Veranstalter wiederum die Einzelfirma auftritt. Solche privatrechtlichen Firmen unterliegen den Bindungen des Kartellrechts, stellen Unternehmen im Sinne des § 20 II 1 GWB dar, ihre Kunstschauen dienen der Präsentation und dem Verkauf von Kunst durch die Vermietung von Boxen an Galerien und Künstler. Einzige Ausnahme kann hier noch der Zulassungsanspruch nach § 70 GewO für den Fall bilden, wenn die Veranstaltung festgesetzt wurde.

dd)

Die Anwendung auf nicht-kommerzielle Kunstschauen

Eine weitaus schwierigere Frage stellt sich, ob neben der Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, und insbesondere dem Diskriminierungsverbot des § 20 II GWB, auf kommerzielle Kunstmessen wie Art Cologne oder Art Frankfurt auch eine Anwendung auf nicht kommerzielle Kunstschauen statthaft sein könnte. Solche eine nicht kommerzielle Kunstmesse stellt die Documenta in Kassel dar. Vergleichbar wäre im Ausland die Biennale in Venedig, welche auch als nicht-kommerziell einzuordnen ist. Problematisch ist hierbei, dass nicht jede nicht rein private und sich außerhalb des Erwerbslebens abspielende Tätigkeit unter den Unternehmensbegriff des GWB fällt. Für die Frage der Unternehmenseigenschaft ist unerheblich, ob die zu beurteilende Tätigkeit dem Gewinnstreben dient. Auch kommt es nicht auf Ausführungen des Veranstalters an, dass seine Messe nicht der Gewinnerzielung diene, sondern ausschließlich die umfassende Information des Fachhandels in Frage kommt.390 Rein fachinterne Messeveranstaltungen, die der reinen Information dienten, soweit sie den rein gewerblichen Bereich nur tangierten, galten aber auch als Unternehmen im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, ein Aufnahmeanspruch konnte damit gerichtlich durchgesetzt werden.391 Denn für die Annahme der Unternehmenseigenschaft ist es unerheblich, dass der Veranstalter mit dem unternehmerisch ausschlaggebenden Verkauf der Händler nichts zu tun hat. Es kommt für die Beurteilung des Veranstalters als Unternehmen auf dessen eigene Tätigkeiten und Ziele an. Es stellt sich somit die Frage, ob auch Kunstschauen, die nicht direkt am Verkaufsgeschehen teilnehmen, als Unter-

389

Herstatt, Claudia, „Im Freien nur auf Papier“ in: Die Zeit, 16.10.2003, S. 48.

390

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

391

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

nehmen im Sinne des GWB angesehen werden können, oder ob dieser Bereich seinen eigenen Regelungen unterliegt, ein aus dem Kartellrecht entspringender Aufnahmeanspruch nicht angewendet werden kann. Bei einer Beurteilung ist dabei zu berücksichtigen, dass es nicht darauf ankommt, dass nicht schon auf der Messe Geschäfte abgeschlossen werden können.392 In diesem Sinne könnte die Ausstellung von Kunstwerken auf der Documenta, einer reinen – im ursprünglichen Sinne – nicht kommerziellen Veranstaltung, als Unternehmen angesehen werden, da sie die interessierten Kreise – Käufer und Verkäufer – zusammen führt, was wiederum eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades eines Kunstwerkes bedeutet. Und dieser schlägt sich auch im Preis entweder genau des ausgestellten Kunstwerkes nieder, oder zumindest im Preisgefüge des Künstlers und seiner Werke. Insofern spielen hierbei wirtschaftliche Aspekte eine Rolle. Kunstwerke, welche auf der documenta in Kassel besichtigt werden könnten, könnten z.B. danach auf der Art Cologne käuflich zu erwerben sein. Zu berücksichtigen ist, dass die Kunstszene auch auf Geld und Gewinn angewiesen ist. Insofern könnte es nicht ausschlaggebend sein, dass eine Kunstmesse wie die Documenta in Kassel nicht als Verkaufsmesse dient, sondern eine reine Informationsveranstaltung ist. Dies entspräche dem Beschluss des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 1968, in dem festgestellt wurde, dass bei Berücksichtigung der Zielsetzung, dass keine Gewinnerzielungsabsicht besteht, eine Messe keine private außerhalb des Erwerbslebens stehende Tätigkeit darstellt, wenn der Rahmen, die Besprechung in der Fachpresse, die hohen Besucher- und Ausstellerzahlen eine derartige Einordnung ausschließen.393 Dieser Entscheidung ist zuzustimmen. Denn eine Veranstaltung wie die Documenta in Kassel gleicht in vielen Merkmalen kommerziellen Kunstmessen. Diese Merkmale umfassen u.a. die Fremdinformation des potentiellen Käuferkreises und die Eigenrepräsentation des Künstlers. Besucher einer solchen Ausstellung können sich hier über die neuesten Trends informieren, wie auf einer „normalen“ Kunstmesse, welche unstreitig als Unternehmen anzusehen ist.394 Daher kommt es, wie bei nicht künstlerischen Fachmessen 395, nicht auf die Aussage an, dass die Messe keine Gewinnerzielung anstrebe, sondern darauf, dass sie ausschließlich der umfassenden Information dient. Letztlich nimmt eine Ausstellung wie die Documenta schon dadurch am Wirtschaftsleben teil, indem sie mittels Eintrittskarten versucht, zumindest teilweise 392

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, S. 1716.

393

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 909.

394

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 909.

395

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907.

101

102

Kapitel 2: Die Anwendung des GWB auf Kunst- und Antiquitätenmessen

ihre Unkosten, wie Versicherungen, Ausstellungsfläche, etc, wieder zu bekommen. Demzufolge ist nicht dem Beschluss des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1992 zuzustimmen, in dem festgehalten wurde, dass bei künstlerisch bezogenen Ausstellungen wie der Documenta in Kassel der Künstler grundsätzlich keinen Anspruch darauf habe, seine Werke ausstellen zu dürfen.396 Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang der Umstand, dass schon 1970 Theaterleistungen als gewerbliche Leistungen von der Rechtsprechung eingestuft wurden 397, da diese Leistungen wie von einem Gewerbebetrieb erbracht werden. Denn ein Gewerbebetrieb nimmt selbständig und nachhaltig am allgemeinen Wirtschaftsleben teil. Dass dabei die Theateraufführungen keine materiell messbaren, sondern künstlerische Leistungen sind, steht der Unternehmenseigenschaft nicht entgegen. Auch künstlerisch Schaffende können Unternehmer sein. So handelt jedenfalls der Kunstschaffende, wenn er seine Urheberrechte geschäftlich auswertet, wettbewerbsmäßig und damit als Unternehmer im Sinne des GWB. Da die geschäftliche Auswertung des Urheberrechts an einem Theaterstück durch Vergabe der Aufführungsrechte erfolgt, ist insbesondere derjenige als Unternehmer im Sinne des GWB anzusehen, der die Aufführungsrechte von Theaterstücken zum Zwecke der entgeltlichen Aufführung erwirbt oder – soweit es sich um nicht mehr geschützte Werke handelt – Theaterstücke gegen Entgelt aufführt. Zwar ist die künstlerische Leistung in dem Augenblick, in dem sie erbracht wird, vielfach noch keine gewerbliche Leistung (z.B. das Schreiben eines Buches, das Komponieren eines Musikwerkes, das Proben eines Theaterstückes). Sie wird jedoch dazu, wenn sie in den Wirtschaftsverkehr gelangt. Dies geschieht eben dann, wenn Theateraufführungen gegen Entgelt dargeboten werden.398 Neben solchen künstlerischen Unternehmen wie Theatern wurden aber weitere, nicht kommerzielle Unternehmungen, als Unternehmen im Sinne des GWB aufgefasst. So stellt schon ein gemeinnütziger Verein ein Unternehmen im Sinne des § 26 Abs. 2 GWB a.F. dar. Denn der Begriff des Unternehmens ist unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks und des in Frage stehenden wirtschaftlichen Vorgangs in seiner Gesamtheit auszulegen und somit funktionell und nicht institutionell bestimmt. Es soll lediglich jede nicht rein private und außerhalb des Erwerbslebens liegende Tätigkeit von der im wirtschaftlichen Bereich liegenden abgegrenzt werden.399 Dabei nimmt die Documenta auf vielfältige Weise am Geschäftleben teil, sei es durch den Verkauf von Eintrittskarten, dem Verkauf

396

OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.07.1992 – 25 W 44/92 in: NJW 1993, S. 1472.

397

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, S. 171.

398

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 280.

399

Tetzlaff, Angelica, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WuW 1988, S. 93.

IV. Die Anwendbarkeit des § 20 GWB auf Kunstmessen

von Katalogen, der Anmietung von Räumen, etc. und sogar der ideellen Wertsteigerung des Künstlers durch seine Präsentation auf der nach eigenen Angaben wichtigsten zeitgenössischen Schau. Überdies ist die Documenta bestes Beispiel dafür, wie eine nicht-kommerzielle Kunstschau auf den wirtschaftlichen Teil des Kunstmarkts einwirkt und von diesem beeinflusst wird. Im Organisationskomitee sind „Museumsdirektoren, die mit den Ausstellungen ihrer eigenen Häuser die Ausstellung vorbereiten und hinterher „aufarbeiten“, namhafte Kunstjournalisten, die mit ihren Artikeln Sprachregelungen für die Zeitungen schaffen, Galeristen und Vertreter von Stadt und Staat“ 400 vertreten.401 Kritiker können gerade durch die Documenta Künstler, und damit deren Preis, aufwerten, oder sie und ihren Wert drücken. Durch ein Übergehen in ihren Bewertungen können sogar Künstler gänzlich ihre Reputation verlieren.402 Durch all diese Faktoren beeinflusst, kann festgehalten werden, dass eine nicht – kommerzielle Kunstschau als Unternehmen im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einzuordnen ist und damit den Anforderungen des Diskriminierungsverbots des § 20 II 1 GWB genüge getan wird. Denn letztendlich können Kunsttrends und damit die Preisentwicklung von Kunst stets auf das Verhalten einzelner Personen oder Personengruppen zurückgeführt werden. Dabei hilft der Kunsthandel nach, auch durch Ausstellungen wie die Documenta, an denen er stets mitwirkt.403 So geht es auf Kunstmessen immer z.T. um den Verkauf und die Erzielung eines, wenn auch geringen, Preises für ein Kunstwerk. Sei es dadurch, dass direkt ein Verkauf auf der Messe stattfindet, sei es, dass erst im „Messenachgeschäft“ Verkäufe getätigt werden, sei es, dass durch die Ausstellung eines bestimmten Künstlers auf einer Kunstmesse der Preis seiner Werke steigt. Bekanntermaßen kann die letzte Funktion sogar durch Veranstaltungen, deren Zweck dem Messeverkauf zuwiderläuft, erfüllt werden. Soweit sich die Veranstaltung als Querschnitt der aktuellen Kunst präsentiert, so unzweifelhaft steigen die Preise für Objekte ausgestellter Künstler. Unbestritten ist gerade, dass die Teilnahme an solchen Schauen der aktuellen Kunstszene dem Bekanntheitsgrad und der Popularität eines Künstlers sehr zuträglich ist. Damit steigt aber sowohl der Marktwert als auch die potentielle Verkaufbarkeit des speziellen Künstlers.

400

Weber, Jürgen, Entmündigung der Künstler, Verlag Pahl-Rugenstein, Köln, 1987, S. 102.

401

Lafontaine, Marie Jo, „Der Kunstmarkt ist keine demokratische Angelegenheit“ in: Süddeutsche Zeitung vom 23.05.1996, S. 13.

402

Schmied, Wieland in: Kunstmagazin, Nr. 1, 1977, S. 25.

403

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 181.

103

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots Neben der Bedingung, dass es sich um kleinere und mittlere Unternehmen handelt, ist eine weitere Vorbedingung für die Aussage, ob ein bzw. mehrere Unternehmen gemeinsam als marktbeherrschend anzusehen sind, die Abgrenzung des relevanten Marktes und dessen Untersuchung.404 Denn nach § 20 II GWB ist eine Abhängigkeit immer nur für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen zu prüfen. Dabei ist grundsätzlich immer nur die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf einem bestimmten abgegrenzten Markt zu prüfen, nicht aber die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens schlechthin. Daraus folgt, dass marktstarke Unternehmen im Sinne des Diskriminierungsverbotes nicht geltend machen können, die Absatzchancen des nachfragenden Unternehmens, insgesamt gesehen, bleiben gesichert, auch wenn die Teilnahme an der Messe nicht möglich sei. Es muss festgehalten werden, dass ein Unternehmen, d.h. beispielsweise ein Galerist, nur dann als abhängig angesehen werden kann, wenn gerade im Hinblick auf einen bestimmten Markt die Voraussetzungen gemäß § 20 II GWB erfüllt sind.405 Die Feststellung, ob alle Voraussetzungen des § 20 II GWB erfüllt sind, und ob gerade ein Veranstalter einer Kunstmesse auf einem bestimmten Markt zumindest marktstark ist, erfolgt nun in zwei Schritten. Zuerst ist der „relevante Markt“ in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu bestimmen, danach ist die Marktmacht des Unternehmens aus diesem festgelegten Markt zu ermitteln. Hierbei umfasst genau dieser relevante Markt eine bestimmte Art von gewerblichen Leistungen, die zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sind. Dieser Markt muss genau definiert werden, damit gegen die Marktmacht vorgegangen werden kann. Um eine Marktmacht feststellen zu können, sei es Marktstärke oder Marktbeherrschung, muss für die Bestimmung des Marktanteils abgegrenzt werden, welche Güter als zu einem Markt gehörig angesehen werden. Das ist die Frage nach dem „relevanten“ Markt. Dabei kann der Marktanteil kleiner oder größer ausfallen. Es entsteht der Konflikt, dass die Adressaten meist den Markt

404

Schlegel, Jörg, „Marktmacht und Missbrauch – Mögliche Rechtsgrundlage für Marktuntersuchungen im Hinblick auf den Verdacht marktbeherrschender Stellungen“ in: WuW 1968, S. 176, S. 177.

405

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731, S. 732.

106

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

größer fassen möchten, um schon in der Grundvoraussetzung der Anwendungsvoraussetzung „Marktstärke“ zu scheitern, während diskriminierte Unternehmen meist den Markt kleinstmöglichst auffassen möchten, um den Adressaten als Monopolisten darzustellen.406 Jedoch kann eine Feststellung über die Macht eines Unternehmens aber nur dann getroffen werden, wenn zuvor geklärt wurde, um welche Art von „Abhängigkeit“ es sich handelt. Dies kann zunächst nur rein theoretisch diagnostiziert werden, da für die tatsächliche Feststellung noch der relevante Markt endgültig abgegrenzt werden muss. Erst dann kann tatsächlich unter Anwendung der Grundsätze der möglichen Abhängigkeit die Aussage über die tatsächliche Marktsituation getroffen werden.

I.

Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit

Im Rahmen einer Abhängigkeit, in der ein kleines oder mittleres Unternehmen von einem Monopolisten oder machtstarken Unternehmen diskriminierende Akte befürchten muss, kann eine Einordnung der verschiedenen Machtsituationen erfolgen, um eine deutlichere Einteilung einer Situation zu erhalten. Daneben ist es weiter erforderlich, festzustellen, aus welcher Sicht eine Entscheidung über die Machtsituation erfolgen kann.

a)

Verschiedenheit der Abhängigkeiten

Die verschiedenen Äbhängigkeiten eines Unternehmens von einem anderen im Rahmen der Missbrauchsvorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen können in unterschiedliche Grundsituationen eingeteilt werden. Diese stellen die unternehmensbedingte, die artikelbedingte und sortimentsbedingte Abhängigkeit dar. Daneben steht in Frage, ob sich nicht der Markt der Kunstmessen und deren Aussteller als nachfragebedingte Situation darstellen. Eine Einordnung der Abhängigkeitssituation von Ausstellern auf Kunstmessen ist von Bedeutung, da dies auf die später zu treffende, entscheidende Abwägung Einfluss hat.

aa)

Unternehmensbedingte Abhängigkeit

Wenn ein Unternehmen sich ganz auf einen Artikel einer bestimmten Unternehmensgruppe oder eines Unternehmens eingestellt und die Geschäftsverbindung 406

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401.

I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit

ganz auf den von Dritten nachgefragten Artikel eingerichtet hat, kann von einer unternehmensbedingten Abhängigkeit gesprochen werden. In einem solchen Fall kann die Umstellung auf ein anderes Produkt ein nicht zu kalkulierendes Risiko darstellen. Dieses Risiko der Umstellung kann sogar ein zweiseitiges Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis bewirken, das es dem Beherrschenden ermöglichen würde, zu diskriminieren. Dadurch könnte sogar für einen Lieferanten ein starker Nachfrager praktisch marktbeherrschend sein. Gerade in solchen Fällen, in denen ein Ausweichen auf andere Unternehmen nur unter Inkaufnahme von gewichtigen Wettbewerbsnachteilen möglich ist, wird eine unternehmensbedingte Abhängigkeit festgestellt. Ein Standardbeispiel bildet hierbei die Abhängigkeit von Kfz-Vertragshändlern vom Hersteller.407 In diesem Fall müssen später bei der durchzuführenden Interessensabwägung die Interessen des Unternehmers, das auf Fortführung der Lieferbeziehung drängt, mit den Interessen des mächtigen Nachfragers oder Anbieters miteinander abgewogen werden. Die Interessen des diskriminierenden Unternehmens werden dabei soweit berücksichtigt, wie sein grundsätzliches Interesse daran besteht, wie auch von jedem anderen Unternehmen, sein grundsätzliches Recht der vertragsund unternehmerischen Handlungsfreiheit wahrzunehmen, dass nicht nur den Abschluss, sondern u.a. die Abänderung und Aufhebung von Verträgen beinhaltet.408 Die unternehmensbedingte Abhängigkeit erfährt jedoch dann eine Einschränkung, wenn es um die mögliche Abhängigkeit von Newcomern geht, denn die Unternehmen müssen schon in Geschäftsbeziehung zueinander stehen. Somit stellt sich nicht die Frage, ob es für Newcomer unzumutbar wäre, auf andere Unternehmen auszuweichen.409 Für die Frage der Ausweichbarkeit im Rahmen einer prognostizierten unternehmensbedingten Abhängigkeit sind eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, namentlich der Marktanteil, die Bekanntheit der Marke und der Produktart, wobei diese Faktoren in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen.410 So spielt gerade bei dieser Abhängigkeitsform für die Beurteilung der Frage, welche Möglichkeiten bestehen, auf andere Unternehmen auszuweichen und die Wirkung der Behinderung oder Diskriminierung auszugleichen, das Größenverhältnis des abhängigen Unternehmens mit Blick auf das relativ marktstarke Unternehmen eine wichtige Rolle.411 Im Rahmen der Durchführung von Messen

407

Gassner Ulrich: Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 120.

408

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 384.

409

Fischötter, Werner, a.a.O. S. 387.

410

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 664.

411

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875.

107

108

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

ergibt sich eine unternehmensbedingte Abhängigkeit, so dass diese Form der Abhängigkeit angewendet wird.

bb)

Artikel- / Sortimentsbedingte Abhängigkeit

Eine weitere Abhängigkeitsform stellt die artikelbedingte Abhängigkeit dar, die auch unter sortimentsbedingter Abhängigkeit geführt wird. Diese liegt dann vor, wenn ein Unternehmen nicht ohne Gefahr für seine Wettbewerbsfähigkeit auf einen speziellen Artikel verzichten kann. Dabei spielt die Berühmtheit der Marke eine Rolle, soll aber für die Annahme einer Abhängigkeit nicht allein ausreichen. Das Vorhandensein eines speziellen Artikels kann insofern eine Rolle spielen, dass ein Unternehmen davon abhängig ist, diesen mit in seinem Sortiment präsentieren zu können.412 Im Rahmen dieser Abhängigkeit können somit zwei Erscheinungsformen unterschieden werden. Einerseits die Spitzenstellungsabhängigkeit, d.h. ein Artikel kann nicht durch ein anderes ersetzt werden, da dieses über eine so herausragende Stellung auf dem Markt verfügt, und andererseits die Spitzengruppenabhängigkeit, wenn mehrere bekannte Marken, z.B. Spirituosen im Sortiment geführt werden müssen, um überhaupt auf dem Markt bestehen zu können.413 Es kommt somit gerade bei diesen Abhängigkeiten darauf an, ob ein Unternehmen auf bestimmte Artikel, die es in seinem Sortiment führen möchte, angewiesen ist, um letztendlich ein angemessenes zur Herstellung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderliches Sortiment anbieten zu können. Dies kann dann der Fall sein, wenn keine anderen Marken vorhanden sind, die eine Ausweichmöglichkeit begründen würden.414 Der Nachweis, dass durch eine Umstellung des Sortiments ein zu großes oder nicht zu kalkulierendes Risiko eintritt, verdient bei der Abwägung besondere Aufmerksamkeit. Sonst besteht die Gefahr, dass über die Behauptung, von einem bestimmten Artikel abhängig zu sein, also einen speziellen Markenartikel zu benötigen, ein in das Belieben des abhängigen Unternehmens gestellter Kontrahierungszwang entsteht. Aus der Aussage, dass gleichartige Unternehmen von dem Diskriminierten beliefert werden, kann allein noch nicht eine artikelbedingte Abhängigkeit begründet werden.415

412

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 664.

413

Gassner Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 120.

414

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731, S. 732.

415

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 392.

I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit

cc)

Die knappheitsbedingte Abhängigkeit

Als Sonderform im Rahmen der verschiedenen Abhängigkeiten wurde die knappheitsbedingte Abhängigkeit festgelegt. Diese liegt vor, wenn ein Unternehmen aufgrund von unvorhergesehenen Produktverknappungen, wie Streik oder internationale Mangellage durch Krieg, nicht mehr zu konkurrenzfähigen Bedingungen zu anderen Unternehmen ausweichen kann.416 In diesen Fällen sind sehr spezielle Abwägungskriterien zu beachten.

b)

Die nachfragebedingte Abhängigkeit

Als letzte Abhängigkeitsform kommt noch die nachfragebedingte Abhängigkeit in Frage. Während die „Angebotsmacht“ davon ausgeht, dass ein Anbieter ein Produkt anbietet, dass nur er dem Endverbraucher anbieten kann, geht die „Nachfragemacht“ davon aus, dass Anbieter von Waren von bestimmten Absatzwegen abhängig sind. Bei Schaffung der nachfragebedingten Abhängigkeit, der „Nachfragemacht“, wurde vor allem an die Abhängigkeit kleinerer und mittlerer Lieferanten von ihren großen Abnehmern gedacht, die auf keinen Fall auf sie als ihre Absatzkanäle verzichten können. Vergleicht man diese Situation mit der Problematik der Galerien in Bezug auf Kunstmessen, so kann festgestellt werden, dass sie auf den Absatzweg der Messe angewiesen sind.417 Daher handelt es sich bei der Nichtzulassung zu Messen und Ausstellungen um einen der Lieferverweigerung vergleichbaren Fall.418 Dementsprechend ist bei der Beurteilung der festzustellenden Nachfragemacht auf die funktionelle Austauschbarkeit aus der Sicht des verständigen Anbieters abzustellen. Damit gehören alle diejenigen Nachfrager und Produkte zu demselben Markt, auf die ein Anbieter ohne größere Schwierigkeiten ausweichen kann. Die Ausweichmöglichkeiten beurteilen sich danach, ob dem Anbieter für die von ihm hergestellten, bzw. vertriebenen Produkte alternative Absatzwege oder Absatzmärkte ohne weiteres offen stehen (sog. Absatzmittlerkonzept). Daneben ist zu berücksichtigen, ob der Anbieter ohne zumutbaren Aufwand auf andere, in der Regel verwandte Güter, umstellen kann (sog. Angebotsumstellungskonzept).419 Wird das Absatzmittlerkonzept auf die Situation der Kunst- und Antiquitätenmessen angewandt, bedeutet dies, dass die Prüfung unter der Sicht der Aussteller durchzuführen ist. Hierbei ist die Frage aufzuwerfen, welche Messen aus ihrer

416

Gassner Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 120.

417

Vgl. Unter: aa) Unternehmensbedingte Abhängigkeit, S. 107.

418

Gassner, Ulrich, a.a.O. S. 125.

419

Gassner, Ulrich, a.a.O. S. 108.

109

110

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Sicht austauschbar sind, d.h. auf welchen Messen sie ihr Angebot auf ähnliche Art und Weise mit gleicher Wirkung ausstellen können. Zu vernachlässigen ist die Möglichkeit des Angebotsumstellungskonzepts. Eine Umstellung der Produkte, d.h. ein Ausweichen auf andere Künstler oder Kunststile kann aufgrund der Beziehung zwischen Galerist und Künstler der Galerie nicht zugemutet werden. Eine Galerie ist nicht nur Zwischenhändler, sondern gleichzeitig auch Förderer 420. Für einen Künstler selbst ist eine Umstellung aufgrund der Unsubstituierbarkeit von Ästhetik und Kunst nicht möglich. Damit ist das Angebotsumstellungskonzept ein untaugliches Instrument, es verbleibt nur das Absatzmittlerkonzept, wobei noch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen.421 Im Rahmen der nachfragebedingten Abhängigkeit ist weiter festzustellen, ob zwei Produktgruppen aus der Sicht der Nachfrager austauschbar sind und nicht, ob alle Stellen der einzelnen Bezugswege in die Feststellung des Nachfrageverhaltens einbezogen sind, solange es sich dabei nicht um solche Anbieter handelt, für die ein abweichendes Nachfrageverhalten ersichtlich ist.422 Daher kommt es bei der nachfragebedingten Abgrenzung des relevanten Marktes, als Spiegelbild der obig angeführten Angebotsmarktsituationen, grundsätzlich auf die Sicht der Marktgegenseite an. So konnte im Fall Krupp/Daub, welcher sich mit der Marktabgrenzung im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus befasste, das KG feststellen, dass eine Dreiteilung auf diesem Sektor existiert. Diese Dreiteilung für gewerbliche Backöfen wurde durch das Segment der Ladenbacköfen, der Backstufenöfen und der Großöfen gebildet. Schon hier wurde die Tatsache, dass alle diese Öfen der Herstellung von Frischbackwaren, sowie der Umstand, dass Großöfen eine Backfläche von 25 qm bis 200 qm umfassen, nicht dazu verwendet, einen einheitlichen Backofenmarkt anzunehmen. Wichtig in diesem Zusammenhang war die Feststellung, dass für eine „richtige“ Marktabgrenzung auch auf dem Gebiet des Nachfragemarktes die Unterscheidung in typische Einsatzzwecke und die meist darauf beruhende Branchenübung ist. So spielten auf dem Backofenmarkt die tatsächlichen Herstellungsgewohnheiten der Anbieter und die Produktionsumstellungsflexibilität eine Rolle, wenngleich sie im Verfahren nicht ausdrücklich erwähnt sind. Diese Unterscheidung konnte trotz der Tatsache aufrechterhalten werden, dass Nachfrager Geräte mehrerer Kategorien nebeneinander verwenden. Dies belegte nicht eine Austauschbarkeit. Denn diese Nebeneinanderverwendung kann für die Befriedigung verschiedener Bedarfsfälle und damit gegen die Austauschbar-

420

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 142.

421

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 168.

422

KG Berlin, Beschl. v. 28.06.1991 – Kart. 25/89 „Hotelgeschirr“ in: WuW/E OLG, S. 4865.

I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit

keit sprechen. Diese einerseits vernünftige und andererseits nicht willkürfreie Methode hat die Marktabgrenzung in anderen Fällen geprägt. So hielt das Bundeskartellamt in ständiger Entscheidungspraxis im Rahmen der Pressefusionskontrolle daran fest, dass Abonnements-Tageszeitungen mit lokaler und regionaler Berichterstattung einen eigenen, von überregionalen AbonnementsTageszeitungen und Straßenverkaufszeitungen zu trennenden Lesermarkt bilden. Dementsprechend ist die Marktabgrenzung durch den Tätigkeitsbereich der beteiligten Unternehmen beeinflusst. Ist dieser eher umfassend, liegt eine weitere Marktabgrenzung näher, ist er spezialisiert, kann das zu einer dementsprechend engeren Marktabgrenzung führen.423 Daher ist Nachfragemacht von der unter Umständen subjektiv geprägten Feststellung abhängig, inwieweit der Anbieter ihr gegenüber auf die Nachfrage anderer ausweichen kann. Damit bestimmt sich bei der Feststellung von Nachfragemacht der relevante Markt mithin grundsätzlich nach der Austauschbarkeit der einzelnen Umsatzvorgänge für die Anbieter.424 In diesen Feststellungen wird deutlich, welche Aspekte gerade in der Festlegung des relevanten Marktes anhand des Bedarfsmarktkonzeptes eine Rolle spielen. Von Bergmann wurde innerhalb der nachfragebedingten Abhängigkeit zur Bestimmung des sachlich relevanten Marktes nach dem Bedarfsmarktkonzept geprüft, ob die verständigen Nachfrager, also z.B. Galeristen, die „Art Cologne 1986“ mit anderen Kunstmärkten oder Messen als vergleichbar angesehen werden. Hierbei wurde in diesem Verfahren durch das zuständige Gericht festgestellt, dass in Hinsicht auf die nachfragenden Galeristen die „Art Cologne“ mit den Kunstmärkten in Basel, in Paris sowie in Chicago vergleichbar, austauschbar, sei. Bergmann selbst stellt jedoch diese Aussage in Frage, da durch das Entstehen etlicher neuer Kunstmessen der Kunstmarkt für Kunstmessen schon damals in nicht unerheblichem Maße in Bewegung geraten war.425 Für oder gegen eine solche Feststellung, wie durch das zuständige Gericht damals entschieden wurde, ist von entscheidender Bedeutung, auf welche Art und Weise eine solche Einschätzung durch das Gericht getroffen werden kann. So bedarf es bei der nachfragebedingten Abhängigkeit nicht immer einer Aufklärung durch z.B. eine Befragung der Parteien, ab wann eine Austauschbarkeit angesehen werden kann. Oft ist eine Befragung aller Abnehmer praktisch unmöglich, somit eine repräsentative Umfrage nicht erforderlich. Es kommt zwar letztendlich auf die Sicht der Marktgegenseite für die Austauschbarkeit von 423

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1937.

424

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483, S. 2488.

425

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

111

112

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Waren und Leistungen entscheidend an, um den sachlichen Markt zu bestimmen, auf dem sich ein Zusammenschluss auswirkt, eine Befragung kann aber aus ökonomischen Gründen unterbleiben, wenn das Nachfrageverhalten auf andere Weise mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann.426 Für die Feststellung der tatsächlich zu bestimmenden Macht eines nachgefragten Unternehmens bleibt festzuhalten, dass ein Marktanteil von einem Drittel ein gewichtiges Indiz für die in § 20 II 1 GWB vorausgesetzte Marktmacht ist, zumal Marktmacht auf der Nachfrageseite in der Regel schon bei geringeren Konzentrationsgraden erreicht wird als auf der Angebotsseite.427

c)

Fazit

Es kann festgehalten werden, dass sich die zu untersuchende Konstellation abgewiesener Aussteller auf Kunst- & Antiquitätenmessen als Form der nachfragebedingten Abhängigkeit darstellt und vergleichbar mit der im Kartellrecht bekannten Liefersperre ist. Hierbei kommt es für die Machtsituation, welche im Rahmen eines abgegrenzten Marktes festgestellt werden muss, auf die Sicht der Abgewiesenen an, sowohl für die Definition des relevanten Marktes als auch für die Festlegung der Marktmacht einer Kunst- und Antiquitätenmesse. Die Feststellung, wann eine Kunstmesse überhaupt als nachgefragtes Unternehmen angesehen werden kann, ergibt sich aus der recht einfachen Schlussfolgerung, dass eine Kunstmesse dann „nachgefragt“ ist, wenn dort hohe Preise erzielt werden, die für „Nichteingeweihte“ den Eindruck erscheinen lassen, dass dort hochwertige Kunst angeboten wird.428 Diese grundsätzliche Eignung durch nachfragende Galeristen, die gerade diese Kunstmesse bestücken möchten, um einen wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen und ihr eigenes Renommee zu steigern, bedarf dann in einem weiteren Schritt der Klärung, auf welchem relevanten Markt, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich sein muss, sie eine Stärke innehaben könnte.

d)

Die Anwendungsvoraussetzungen in der Person des Diskriminierten

Neben der Anwendbarkeit der Normen des Gesetzes auf den Veranstalter einer Kunstmesse als Normadressaten in den verschiedensten rechtlichen Formen bedarf es gewisser Mindestvoraussetzungen, die ein Diskriminierter erfüllen muss, wenn er sich auf den Tatbestand des § 20 II GWB berufen möchte. 426

KG Berlin, Beschl. v. 28.06.1991 – Kart. 25/89 „Hotelgeschirr“ in: WuW/E OLG, S. 4865, S. 4879.

427

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483.

428

Bongard, Willi, „Zur Preisentstehung von Werken zeitgenössischer Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 39.

I. Die verschiedenen Machtsituationen im Rahmen einer Abhängigkeit

Im Rahmen des Diskriminierungsverbots ist eine der Hauptanwendungsvoraussetzungen das Merkmal „kleine und mittlere Unternehmen“. Dieses Merkmal beschränkt den Schutzbereich des in § 20 II GWB festgesetzten Diskriminierungsverbots. Eine Unterscheidung zwischen mittelbar Behinderten gegenüber unmittelbar Behinderten existiert jedoch nicht.429 Bei der Begrenzung nach „kleinen und mittleren Unternehmen“ wurde hingegen festgelegt, dass dem Behinderungsverbot marktstarke Unternehmen nicht schlechthin, sondern nur gerade im Verhältnis zu kleinen und mittleren Unternehmen unterworfen sind. Umstritten ist jedoch die Festlegung, wann ein Unternehmen das Merkmal des „kleineren und mittleren“ Unternehmens erfüllen kann. Eine Auslegung des Wortlautes lässt zwar zu, die Unternehmensgröße maßgeblich im Verhältnis zum marktstarken Unternehmen zu bestimmen. Dies widerspricht jedoch dem gesetzgeberischen Willen, denn das Ziel war, den Kreis der durch § 20 II GWB geschützten Unternehmen einzuschränken und marktstarken Herstellern gegenüber großen Unternehmen ihre volle Gestaltungsfreiheit beim Absatz zurückzugeben. Leitgedanke einer Auslegung ist die Entwicklung bei Belieferungspflichten.430 In einer Regierungsbegründung aus dem Jahre 1989431 wird dazu ausgeführt, dass mit dem Tatbestandsmerkmal „kleine und mittlere Unternehmen“ an einen früheren Begriff angeknüpft wird, der schon in früheren Vorschriften des Kartellrechts verwendet wurde. Damit ist die Struktur auf der jeweils behinderten Marktgegenseite entscheidend. Die aus diesem horizontalen Vergleich gewonnenen Ergebnisse und damit ermöglichte Einordnung bietet die Chance, zwischen den verschiedenen Größenordnungen zu unterscheiden und somit Großunternehmen auszuscheiden. Denn diese können sich dem Druck und der Willkür marktstarker Anbieter oder Nachfrager eher entziehen als seine unterlegenen Wettbewerber.432 Folglich ist die Prüfung, ob „kleine und mittlere Unternehmen“ im Sinne des § 20 II GWB vorliegen, nicht pauschal, sondern auf den Einzelfall bezogen durchzuführen, um eine genaue Einordnung der betroffenen Seite zu ermöglichen. Daher ist bei diesem Tatbestandsmerkmal keine Unterscheidung zwischen unmittelbar und mittelbar behinderten Unternehmen vorzunehmen.433 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Schutz des Diskriminierungsverbots aber nur solchen

429

KG, Beschl. v. 15.03.1991 – Kart. 15/90 („VW-Leasing“) in: WuW/E OLG S. 4753, S. 4761.

430

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875, S. 2878; BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“; Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661.

431

Bundestag, Begründung des Regierungsentwurfs vom 30. Mai 1989 – BT-Drucksache 11/4610 in: WuW 4/1990, S. 333.

432

KG, Beschl. v. 15.03.1991 – Kart. 15/90 („VW-Leasing“) in: WuW/E OLG S. 4753, S. 4761.

433

KG, Beschl. v. 15.03.1991 – Kart. 15/90 („VW-Leasing“) in: WuW/E OLG S. 4753.

113

114

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

„kleinen und mittleren Unternehmen“ gewährt wird, die auch auf dem Markt des Normadressaten präsent sind.434 Bei der Bestimmung der Unternehmensgröße muss immer berücksichtigt werden, dass sich eine stets schematische Betrachtung verbietet, wenn der Schutzzweck der Norm erreicht werden soll.435 Trotz all dieser Voraussetzungen kann jedenfalls eine Negativ-Abgrenzung in dem Sinne erfolgen, dass ein Unternehmen im Sinne des § 20 II GWB dann als großes Unternehmen anzusehen ist, wenn es typischerweise groß genug ist, um trotz fortbestehender Abhängigkeit ausreichende Möglichkeiten zu besitzen, die Wirkung der Behinderung oder Diskriminierung seitens des relativ marktstarken Unternehmens bei seiner Geschäftstätigkeit auszugleichen. Das Größenverhältnis 436 ist zu dadurch zu messen und festzulegen. Werden diese Grundsätze auf den Kunstsektor übertragen, bedeutet dies, dass die Festsetzung der Größe einer Galerie, eines abgewiesenen Bewerbers, nicht durch einen Vergleich mit weiteren Galeristen festgestellt werden kann. Vielmehr muss das Verhältnis in diesem Fall nicht schematisch, sondern durch einen Vergleich mit den Kunstmessen festgestellt werden. In diesem Vergleich kann mitaufgenommen werden, dass eine Kunstmesse durch ihre einzigartige Stellung eine sehr viel stärkere Stellung innehat, als ein Galerist, welcher sich auf der betreffenden Messe um einen Ausstellungsplatz bewirbt. Meist kann eine Galerie auch nur schwer den durch einen erzwungenen Messeverzicht entstehenden wirtschaftlichen Verlust ausgleichen, so dass im Sinne der obig aufgeführten Negativabgrenzung hier wiederum ein Galerist als kleines oder zumindest mittleres Unternehmen eingeordnet werden muss. Eine gegenteilige Einordnung einer Galerie könnte nur dann erfolgen, wenn der Messeveranstalter abhängig von einer teilnehmenden Galerie im dem Sinne wäre, dass er auf ihre Teilnahme nicht verzichten kann, oder dass eine Galerie durch eine Bestückung von fast allen großen Kunstmessen eine derart starke Position erhält, dass für sie eine Beteiligung an der ausgeschlossenen Kunstmesse nicht von Belang ist. Bei einer Abhängigkeit des Messeveranstalters von einer Galerie ist jedoch kaum vorstellbar, dass der Veranstalter diese nicht zulassen wird. Vielmehr wird er die Zulassung erteilen. Die Erfüllung dieser zwei Kriterien, Abhängigkeit der Kunstmesse bzw. Bestückung sämtlicher Kunstmessen liegt jedoch bei fast allen Galerien nicht vor. Somit können die meisten Galeristen als kleine und mittlere Unternehmen im Sinne des Diskriminierungsverbots eingestuft werden. Dies bedarf jedoch in der jeweiligen konkreten Situation nochmals einer Prüfung.

434

KG, Beschl. v. 15.03.1991 – Kart. 15/90 („VW- Leasing“) in: WuW/E OLG S. 4753, S. 4761.

435

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875, S. 2879.

436

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875.

II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“

II.

Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“ als Voraussetzung

Gemäß dem Diskriminierungsverbots des § 20 II GWB, wie schon im Rahmen des § 26 II GWB a.F., ist eine Abhängigkeit stets nur für eine „bestimmte Art von Waren oder Dienstleistungen“ zu prüfen. Hierbei ist nur die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens auf einem bestimmten Markt zu prüfen, nicht aber die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens im Allgemeinen. Durch diese Differenzierung wird verdeutlicht, dass einerseits marktstarke Unternehmen nicht geltend machen können, die Chancen eines Unternehmens, im vorliegenden Falle eines um Aufnahme suchenden Kunstausstellers, blieben gesichert, auch wenn eine Aufnahme nicht stattfinden würde. Auf der anderen Seite kann aus diesem Umstand geschlossen werden, dass ein Unternehmen, z.B. Aussteller, nur dann als abhängig angesehen werden kann, wenn nur hinsichtlich des festzulegenden relevanten Marktes diese Abhängigkeit festgestellt werden kann und die Voraussetzungen des § 20 II GWB erfüllt sind.437 Gerade hierdurch wird verdeutlicht, dass für den Anwendungsbereich dieser Vorschrift entscheidend ist, was unter einer „ausreichenden und zumutbaren Möglichkeit, auf andere Unternehmen auszuweichen“ zu verstehen ist und wann eine Abhängigkeit in der genannten Weise besteht.438 Ob ein „Ausweichen“ möglich ist, muss anhand der Verhältnisse auf einem definierten Markt festgestellt werden. Dabei hebt das Merkmal der bestimmten Art von Waren oder Dienstleistungen, die für die Abgrenzung im Sinne der kartellrechtlichen Vorschriften entscheidend ist, auf die Eignung der Ware für die Bedarfsdeckung der Marktgegenseite ab. Es muss untersucht werden welche Kunstmessen den Bedarf eines abgelehnten Bewerbers decken könnten. Weiterhin ist für die Abgrenzung unter dem Gesichtspunkt der Bedarfsdeckung nicht allein die Beschaffenheit einer Ware an sich maßgebend, sondern es muss immer von dem Bedarf der Marktgegenseite, von dem Bedarf der abgewiesenen Galeristen, der je nach Wirtschaftsstufe, der die Gegenseite angehört, verschieden sein kann, ausgegangen werden.439 Weiterhin wird ein „Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist“, vorausgesetzt. Diese Voraussetzung bezieht sowohl auf die unbillige Behinderung als auch die auf die sachlich nicht gerechtfertigte Un-

437

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731, S. 732.

438

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1392.

439

BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1241.

115

116

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

gleichbehandlung. Sie enthält zwei auslegungsbedürftige Begriffe, nämlich den des „üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs“ und den des „gleichartigen Unternehmens“.440

a)

Das Merkmal „üblicherweise zugänglich“ in § 20 Abs. 1 GWB

Durch Verwendung des Begriffs „üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr“ in § 20 I GWB, welcher durch die Verweisungstechnik in § 20 II GWB auch verwendet werden muss, wird die Frage aufgeworfen, nach welchen Aspekten dieser zu bestimmen ist. Hierbei kommen namentlich objektive und subjektive Gesichtspunkte in Betracht. Schon in der Auslegung zu § 26 II GWB a.F. wurde festgestellt, dass das Diskriminierungsverbot seltenst in der Lage wäre, seine Funktion zu erfüllen, wenn es dem diskriminierenden Unternehmen überlassen bliebe, durch sein eigenes Verhalten über die Üblichkeit und Zugänglichkeit des Geschäftsverkehrs zu entscheiden. Gerade kartellrechtliche Absprachen zeigen auf, dass Situationen existieren, die sich nicht als natürliche Wirtschaftsentwicklung darstellen und von allen Beteiligten freiwillig akzeptiert werden.441 Daher können nur objektive Kriterien für die Bestimmung des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs herangezogen werden.442 Der Geschäftsverkehr, dessen Üblichkeit zu ermitteln ist, kann nur aus der Wirtschaftsstufe des angeblich Diskriminierenden und der Stufe des angeblich Diskriminierten stammen. Diesem Grundsatz folgten die meisten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, die sich mit dieser Problematik auseinandersetzten. So stammt die Definition des BGH aus dem Rinderbesamungs-Urteil.443 Dort wurde der Kreis um das diskriminierte Unternehmen abgesteckt. Im Kraftwagen 444 und im Registrierkassenurteil 445 wurde der Kreis um das diskriminierende Unternehmen festgelegt.446 Es bleibt festzuhalten, dass für die Beantwortung der Frage, ob ein Geschäftsverkehr gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, nicht die Geschäftspraxis des Unternehmens, dessen diskriminierende Handlung behauptet 440

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283.

441

BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften-Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 179.

442

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 284.

443

BGH, Urt. v. 20.11.1964 – KZR 3/64 „Rinderbesamung“ in: WuW/E BGH, S. 647.

444

BGH, Urt. V. Urteil vom 30.09.1971, in: WuW/E BGH 1211, 1213/14 = GRUR 1972, 379 – Leasing.

445

BGH, Urt. v. 26.10.1972, WuW/E 1238, 1242 = GRUR 1973, 277.

446

BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften-Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 719.

II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“

wird, maßgeblich ist. Es muss vielmehr die festgestellte Verhaltensweise, die sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat 447, beurteilt werden. Grundlegend ist hierbei, was aus der natürlichen und wirtschaftlichen Entwicklung hervorgegangenen Praxis und Auffassung der in Betracht kommenden Wirtschaftszweige stammt.448 Gleichzeitig braucht bei der Prüfung des Merkmals nicht auf den gesamten Geltungsbereich des GWB abgestellt werden.449 § 20 I GWB legt mit dem Merkmal „üblicherweise“ fest, dass auf die große Masse der Fälle, somit einen groben Durchschnitt, abgestellt werden muss. Dies wird bei einer Auslegung zu beachten sein.450 Wenn nun diese Ergebnisse auf das Wesen der Messe umgesetzt werden, bedeutet dies, dass der üblicherweise zugängliche Geschäftsverkehr in der Überlassung von Ausstellungsfläche des Veranstalters einer Messe an Ausstellern zu sehen ist. Dies ist Ausstellern „üblicherweise zugänglich“. Es gilt, wenn wegen der Begrenzung der Ausstellungsfläche und des Überwiegens der Nachfrage z.T. nicht alle daran Interessierten als Aussteller zugelassen werden können. Bei Prüfung dieser Frage kommt es auf die große Masse der Fälle an. „Üblicherweise zugänglich“ bedeutet nicht „in jedem einzelnen Fall“ zugänglich.451 Wie schon dargelegt wurde, kommt es für die Frage des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs nicht darauf an, ob und in welchem Umfang einem Aussteller wirtschaftlicher Freiraum verbleibt, sondern es ist vielmehr die allgemeine Marktsituation auf dem Kunstmessesektor entscheidend. Dessen individuellen Besonderheiten sind sowohl während der Bestimmung des Merkmals als auch im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen.452 Es ist jedoch stets darauf zu achten, dass die später zu treffende Interessensabwägung, die das zentrale Kriterium bei der Ermittlung eines diskriminierenden Verhaltens darstellt, nicht in die Ermittlung des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs hinein interpretiert wird.453 447

448

449 450

451

452

453

BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften-Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 178 und OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 659. Bundeskartellamt, Beschl. v. 25.7.1990 – B5 – 766000 – V – 155/87 „VW-Leasing“ in: WuW/E BKartA, S. 2459, S. 2461. BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907 und BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863. BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716, S. 1717. BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften-Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 179. BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften.Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 719.

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118

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

b)

Das Merkmal der Gleichartigkeit in § 20 Abs. 1 GWB

Ein weiteres Merkmal bildet das Merkmal der Gleichartigkeit. Dieses Tatbestandsmerkmal ist von erhöhter Bedeutung für die Anwendung von § 20 II 1 GWB. Es kommt dabei entscheidend auf die unternehmerische Tätigkeit und die wirtschaftliche Funktion der zu vergleichenden Unternehmen im Verhältnis zum Adressaten des Diskriminierungsverbotes an. Hier kann die genaue Bestimmung der Grenze der Gleichartigkeit im Einzelnen erhebliche Schwierigkeiten bereiten.454 Das Merkmal, ob ein Geschäftsverkehr „gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist“ bestimmt sich nicht nach der Geschäftspraxis gerade desjenigen Unternehmens, in dessen Verhalten gegenüber dem „Diskriminierten“ anderen Unternehmen die „Diskriminierung“ liegen soll, sondern sich nach dem bestimmen muss, was sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher wirtschaftlicher Entwicklung als allgemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat.455 Denn ein Erzeugnis ist z.B. gleichartig, wenn es nach der Verkehrsauffassung geeignet ist, ein anderes Erzeugnis ohne weiteres zu ersetzen.456 Gleichartigkeit ist immer durch das Verhältnis der unternehmerischen Tätigkeit und wirtschaftlichen Tätigkeit der zu vergleichenden Unternehmen im Verhältnis zum marktstarken oder marktbeherrschenden Unternehmen zu bestimmen.457 Leistungen, wie das Bereitstellen von Standkojen, sind eine gewerbliche Leistung. Es soll hier im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Gleichartigkeit zunächst nur eine verhältnismäßig grobe Sichtung ermöglicht werden, während die besonderen Umstände des Einzelfalls, die darüber entscheiden, ob eine Ungleichbehandlung von als gleichartig anzusehenden Unternehmen unzulässig war oder nicht, den besonderen Umständen des Einzelfalls überlassen bleibt. Folglich ist dies bei der sachlichen Rechtfertigung für eine etwaige unterschiedliche Behandlung zu prüfen.458 Dieses grobe Raster ist zwar umstritten, jedoch nötig, um nicht die später durchzuführende Interessensabwägung vorwegzunehmen.459 Im Hinblick auf das Messewesen im Allgemeinen muss weiter festgehalten werden, dass niemals alle interessierten Bewerber zugelassen werden können. Hier

454

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283, 284; BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675, S. 678.

455

BGH, Urt. v. 20.11.1964 – KZR 3/64 „Rinderbesamung“ in: WuW/E BGH, S. 647, S. 651.

456

KG, Beschl. v. 20.03.1962 – 5 Kart V 20/60 („Reifen“) in: WuW/E OLG 461.

457

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716, S. 1717.

458

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1742.

459

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert, welcher sich gegen eine grobe Sichtung ausspricht, in: GRUR 1979, S. 560, S. 562.

II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“

ist von § 20 II 1 GWB auszugehen, der nicht direkt einen Geschäftsverkehr voraussetzt, der „jedem“ gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist. Eine Einbeziehung jedes Einzelfalls ist nicht nötig. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass eine missbräuchliche Verteilung von knappen Waren oder Leistungen verhindert werden soll.460 Der im vorliegenden Fall in Rede stehende knappe Geschäftsverkehr besteht dem Gegenstand nach in der Überlassung von Ausstellungsfläche („Boxen“) und von Infrastruktur auf einer Messe. Die Teilnahme an Messen kann einen Geschäftsverkehr darstellen, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.461 Nach der hier maßgebenden unternehmerischen Tätigkeit und der wirtschaftlichen Funktion der vergleichbaren Unternehmen im Verhältnis zu dem marktbeherrschenden Unternehmen dürften sonach alle diejenigen Kunstmessen gleichartig sein, die die gewerblichen Voraussetzungen für die unternehmerischen Tätigkeiten eines Galeristen erfüllen und die dafür notwendigen Betriebseinrichtungen haben. Darunter fallen alle Messen, auf denen u.a. die Präsentation und der Verkauf von Kunst möglich ist, soweit sie nicht nur regionale Bedeutung haben. In dieser groben Wertung ist es noch unerheblich ist daneben, ob die Messe als reine Kunstmesse für moderne Kunst oder zusammen mit Antiquitäten als Kunst- und Antikmesse durchgeführt wird. Wenn aber alle Galeristen ohne weitere Einschränkung als gleichartig angesehen werden müssten, die eine Kunstmesse bestücken möchten, könnte dies den Zweck des § 20 II 1 GWB verfehlen. Einerseits bedarf es nur einer groben Sichtung 462 und die nähere Differenzierung muss dem Einzelfall und der Interessensabwägung überlassen bleiben.463 Jedoch muss andererseits beachtet werden, dass auch nur eine „grobe“ Sichtung nicht bewirken möchte, dass der Tatbestand des Diskriminierungsverbots zu weit gefasst wird. So wäre es gerade im Bereich des Kunstmarktes verfehlt, im Rahmen der Abgrenzung zwischen allgemeinen Kunst- und Antiquitätenmessen und reinen Kunstmessen der Moderne zu trennen. Hierbei ist bei der Vorfrage der Unternehmensgleichartigkeit nicht auf die jeweiligen Besonderheiten abzustellen, wie sie sich aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben können. Dies ist vielmehr erst im Rahmen der notwendigen Interessensabwägung zu berücksichtigen. Die Beantwortung der Frage, ob der angestrebte Geschäftsverkehr gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, bestimmt sich nicht nach der Ge-

460

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 912.

461

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3150.

462

BGH, Urt. v. 26.05.1987 – KZR 13/85 „Krankentransporte“ in: BGHZ 101, S. 72, S. 79.

463

BGH, Urt. v. 08.05.1979 – KZR 13/78 „Modellbauartikel“ in: GRUR 1979, S. 792, S. 794.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

schäftspraxis, wie sie in den Allgemeinen Zulassungsbedingungen zum Ausdruck kommen können. In diesem Zusammenhang kommt es noch nicht darauf an, ob ein Messeveranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen seine Aussteller auf Galerien mit Ausrichtung moderner Kunst beschränken kann. In Frage steht zunächst allein, ob Galeristen / Aussteller beim Verkauf von Werken der Moderne Händlern, welche sowohl Objekte der Moderne als auch Antiquitäten anbieten, folglich Händlern mit einem größeren Kunstangebot wie reine „moderne Kunst“, einen Geschäftsverkehr bestücken, der gleichartig ist. Dass muss aber bejaht werden, wenn – wie erforderlich – die besonderen Interessen eines Messeveranstalters an der Einhaltung seiner Zulassungsbedingungen durch Beschränkung auf eine Kunstrichtung, z.B. der „Moderne“ außer Betracht bleiben. Auf der anderen Seite könnte eine Gleichartigkeit verneint werden, wenn Galeristen mit der Ausrichtung „Moderne“ und Galeristen mit der Richtung „Antike“ beurteilt werden sollen. Diese könnten keine „Gleichartigkeit“ darstellen. In dieser Prüfung können nur die unternehmerische Tätigkeit und die wirtschaftliche Funktion des Unternehmens entscheidend sein.464 Es kommt darauf an, ob die Grundfunktionen, der Verkauf von Kunst auf Messen, gleich ist. Dies ist aber gerade dann nicht der Fall, wenn sich die Kunst der Aussteller wesentlich unterscheidet. Insofern hat sich auf dem Kunstmarkt eine Segmentierung zwischen reinen Messen der Moderne und reinen Messen der Antike entwickelt. In diesen Bereichen sind Unterschiede gegeben, die sich wesentlich für eine Differenzierung auswirken könnten. Eine andere Betrachtung rechtfertigt sich jedoch nur, wenn auf einer Kunstmesse beide Kunstrichtungen angeboten werden. Somit wird die gleiche Tätigkeit und Funktion erfüllt, wenn sich die Kunstrichtungen der Galeristen überschneiden. Vergleiche, wie z.B. der Unterschied zwischen Facheinzelhandel und Versandhandel, lassen erkennen, dass das Merkmal zwar nicht zu eng gefasst werden darf und keine Gleichheit, sondern nur „Gleichartigkeit“ gefordert wird.465 Eine Ausuferung des Tatbestandes muss trotzdem verhindert werden. Die allgemeine Marktsituation, das, was sich innerhalb der betreffenden Kreise als allgemein geübt und als angemessen empfunden entwickelt hat, rechtfertigt diese Entscheidung. Denn es kommt gerade in diesem Tatbestandsmerkmal noch nicht auf das Geschäftsverhalten an, in dessen Bereich die behauptete Diskriminierung liegen soll.466 Eine andere Ansicht wäre nur dann gerechtfertigt, wenn

464

BGH, Urt. v. 01.06.1977 – KZR 3/76 in: BGHZ 69, S. 59, S 61; BGH, Urt. v, 13.03.1979 – KZR 4/77 – „Bücherbeschaffung“, S. 493, S. 494; BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1242; OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe -Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3150.

465

KG, Beschl. v. 20.03.1962 – 5 Kart V 20/60 („Reifen“) in: WuW/E OLG 461, 463.

466

BGH, Urt. v. 08.05.1979 – KZR 13/78 „Modellbauartikel“ in: GRUR 1979, S. 792, S. 794.

II. Die Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB – „relevanter Markt“

die ausstellenden Galeristen, die sich zwar nicht nach ihrer Leistung und wirtschaftlichen Funktion im Verhältnis zum marktbeherrschenden Unternehmen unterscheiden, im maßgeblichen Geschäftsverkehr ungleichen Wettbewerbsbedingungen ausgesetzt wären.467 Dies ist gerade aber nicht der Fall. Auch wenn Bewerber um einen Standplatz auf einem Markt als gleichartige Unternehmen anzusehen sind, wenn sie zu dem vom Veranstalter sachlich und personell abgegrenzten Markt zählen, darf der Markt nicht zu eng gefasst werden. Diese Abgrenzung des Marktes ist zwar grundsätzlich dem Veranstalter überlassen, steht aber ihrerseits wieder unter dem Vorbehalt des Diskriminierungsverbotes 468 unter dessen Voraussetzungen grundsätzlich die Festlegung der Gleichartigkeit erfolgen muss. Diese Annahme würde dazu führen, dass zu viele Differenzierungen durchgeführt werden müssten. Dies ist aber nicht die ordnungspolitische Funktion des GWB, nämlich der Bekämpfung marktbeherrschender Einflüsse. Hieraus lässt sich ableiten, dass eine gewisse Gesamtbetrachtung der Umstände stets zu erfolgen hat.469

c)

Fazit

Die Ausführungen haben ergeben, dass das Merkmal der „Gleichartigkeit“ nicht zu eng gefasst werden darf. Eine genaue Trennung der verschiedenen Kunstbereiche wird der tatsächlichen Entwicklung nicht gerecht, abgesehen von Fällen, in denen eine eindeutige Trennung erfolgen kann. Jedoch muss sich die Gleichartigkeit auch aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung beurteilen lassen.470 Hier war gerade im Kunstmarkt zu vermerken, dass eine Trennung zwischen reinen Kunstmessen der Moderne und Antikenmessen erfolgt ist. Diese tatsächliche Segmentierung ist auf den Kunstmarkt zu übertragen und bei einer Marktabgrenzung zu beachten. Erst innerhalb der zu treffenden Marktabgrenzung stellt sich dann die Frage, ob gleichartigen Galerien gegenüber einer unterschiedlichen Behandlung oder gegenüber einem speziellen Aussteller eine Behinderung oder ungleiche Behandlung vorliegt 471, und ob für diese ein sachlicher Grund gegeben ist.472

467

BGH, Urt. v. 01.06.1977 – KZR 3/76 in: BGHZ 69, S. 59.

468

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/ 11-12, S. 360, S. 365.

469

Tetzlaff, Angelica, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WuW 1988, S. 93, S. 96.

470

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 402.

471

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483, S. 2490.

472

Hefermehl, Wolfgang (Heidelberg); „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 284.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

III. Die Definition des „relevanten Markts“ Für die Anwendung des § 20 II GWB ist die Marktstärke eines Unternehmens unter Bezugnahme auf den relevanten Markt festzustellen. Bei einer Abgrenzung kommt es darauf an, wie die Grenzen gezogen werden. Je weiter die gegenständlichen Grenzen des relevanten Marktes sind, umso seltener wird ein Unternehmen ihn beherrschen. Dies gilt auch umgekehrt.473 Denn es kommt immer nur auf die Wettbewerbsfähigkeit eines bestimmten Unternehmens auf einem bestimmten abgegrenzten Markt an, nicht aber auf dessen Wettbewerbsfähigkeit schlechthin.474 Dieser Markt bezeichnet den Geschäftsplatz, den ein Unternehmen beherrscht oder auf dem es zumindest stark ist.475 Eine solche Abgrenzung hat sowohl Bedeutung für die grundsätzliche Anwendungsvoraussetzung als auch für die später zu treffende Abwägung. Denn erst wenn der relevante Markt festgelegt ist, können die Ausweichmöglichkeiten und damit die Marktstärke definiert werden, und diese dann bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen im Rahmen der zu treffenden Abwägung berücksichtigt werden. Daher steht am Anfang die Festlegung des relevanten Marktes im Rahmen des § 20 II GWB. Zu beachten ist in einer Marktabgrenzung für den Bereich der Kunst- und Antiquitätenmessen, dass dieser Markt einer, wenn auch langsamen Fluktuation unterworfen ist. Die Pole des Marktes verschieben sich innerhalb und außerhalb Deutschlands. Diese Bewegung spiegelt sich sehr gut in den Rechtsstreitigkeiten der Zulassungsverfahren wider. Während die Zulassung zu der Kunstmesse Hannover-Herrenhausen damals noch Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung war 476, was deren Bedeutung für den Markt aufzeigte, findet genau diese Messe heutzutage nicht mehr statt, sie wurde vielmehr von dem Veranstalter abgesagt. Folglich ist eine Marktabgrenzung nicht anhand von den derzeit bedeutenden Kunstmessen vorzunehmen, sondern es müssen Maßstäbe gefunden werden, die einer kartellrechtlichen Beurteilung des Marktes im Rahmen der §§ 19 ff GWB gerecht werden. Erst anhand dieser Maßstäbe kann deren Bedeutung im Rahmen der derzeitigen Marktsituation am besten aufgezeigt werden. Diese Maßstäbe dienen der Anwendung der Norm des § 20 II GWB, der nur dann als erfüllt angesehen werden, wenn eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung eines diskriminierenden Unternehmens gerade auf dem Markt besteht oder sich auswirkt, auf dem ein betroffenes Unternehmen behindert oder

473

Gleiss, Alfred und Helm, Horst, „Relevanter Markt bei Originalersatzteilen und Originalzubehör“ in: BB 1968, S. 570.

474

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 561.

475

Ebel, Hans R., Kommentar zum Kartellrecht, 38. Auf., 2001, § 19 GWB Rz. 1.

476

OLG Celle, Urteil vom 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 in WuW/E OLG 3897.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

unterschiedlich behandelt wird.477 Mit dem Bundeskartellamt ist davon auszugehen, dass unter dem „Markt“, auf dem ein Unternehmen beherrschend sein kann, nach der Begriffsbestimmung der §§ 19, 20 II GWB ein Markt „für Waren oder gewerbliche Leistungen“ zu verstehen ist und dass der „Geschäftsverkehr“ nur ein Verkehr mit Waren oder Leistungen sein kann.478 Folglich können die Verbotstatbestände nur an eine marktbeherrschende Stellung des Unternehmens anknüpfen und in dieser Machtposition ihre Rechtfertigung finden. Aus diesem Grunde ist im Rahmen des § 20 II GWB eine Marktabgrenzung und damit die Bestimmung des relevanten Marktes erforderlich.479 Umstritten war dabei, wie groß dieser Markt aufzufassen ist. So urteilte das OLG Frankfurt 1989, dass die Kunstmesse „Art Frankfurt“ einen selbständigen relevanten Kurzzeitmarkt bildet. Auf diesem Markt sei die Veranstalterin der Messe marktbeherrschend, zumindest marktstark.480 Gegen diese Auffassung gingen andere Gerichte an, die einen relevanten Markt innerhalb Deutschlands gebildet aus Kunstmessen in Berlin, Köln und München 481, Kunstmessen in Paris und Chicago 482 oder aus Köln Basel und Paris 483 annahmen. Dies wird im Folgenden zu prüfen sein, wie der Markt für Kunstmessen abzugrenzen ist und welche Kriterien für dessen Definition überhaupt in Frage kommen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Frage, ob gängige Kriterien für eine Abgrenzung auch auf den Kunstsektor angewendet werden können, oder ob nicht in diesem Falle eine kunstrechtlich geprägte Definition des relevanten Marktes nötig wird. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass für die Abgrenzung eines Marktes nicht allein immer die Beschaffenheit einer Ware an sich maßgebend ist. Vielmehr müssen mehrere Determinanten beachtet werden. Neben der Beschaffenheit können Aspekte des Aussehens, des Preises und der Stellung des Herstellers eine Rolle spielen, um nur einige beispielhaft aufzuzählen. Es ist somit von dem Bedarf der Marktgegenseite, der sich bewerbenden Aussteller, auszugehen.484 Der Bedarf der Galerien wird durch den Umstand geprägt, dass sie die

477

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483, S. 2490.

478

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 410.

479

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1070.

480

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1069.

481

OLG Celle, Urteil vom 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 in WuW/E OLG 3897.

482

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1070.

483

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

484

BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1239.

123

124

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Kunstmessen als einzigartige Vertriebs- und Werbemöglichkeit benötigen, um ihre Objekte verkaufen zu können. Der Bedarf ist dadurch gekennzeichnet, dass die Präsentation, und evtl. der Verkauf, von jeder Art von Kunst nicht auf jeder beliebigen Kunstmesse möglich ist. Es ist zwischen vorhandenen und potentiellen Kunstmessen zu differenzieren, je nachdem, um welche Art von Kunst und um welche Kunstmesse es sich handelt. Es liegt auf der Hand, dass eine Kunstmesse für Ostasiatika nicht geeignet ist, dem Verkauf eines Gemäldes der Moderne Raum zu bieten. Andererseits ist es aber vorstellbar, dass ein Gemälde von Pablo Picasso sowohl auf einer Messe für Kunst des 20. Jahrhunderts als auch auf einer Kunst- und Antiquitätenmesse, deren zeitlicher Rahmen für die ausgestellten Objekte von der Antike über das Biedermeier bis hin zu Objekten des ausgelaufenen 20. Jahrhunderts reicht, angeboten wird. Es taucht die Frage auf, inwieweit einem Galeristen, dessen Repertoire einen oder mehrere Künstler nur des 20. Jahrhunderts umfasst, zugemutet werden kann, auf die eine oder andere Messe ausweichen zu müssen. Wie in einem solchen Fall die Grenze festgelegt werden kann, wann eine Kunstmesse noch als Ausweichmöglichkeit anzusehen ist, und wann nicht, ist die beherrschende Problematik. Um eine Festlegung ermöglichen zu können, muss danach gefragt werden, inwieweit eine Unterscheidung zwischen den existenten Kunstmessen möglich ist. Die Kriterien, die eine solche Grenzziehung ermöglichen sollen, sind mannigfaltig. Es existieren dabei nicht nur die von den verschiedenen Gerichten z.T. aufgestellten Kriterien, wenn sie sich hierzu unter Umständen Gedanken gemacht haben, sondern es existiert ein ganzer „Strauß“ von Gesichtspunkten, der eine Unterscheidung ermöglichen könnte. Im Folgenden werden dabei die einzelnen Möglichkeiten auf ihre Tauglichkeit in sowohl theoretischer als auch praktischer Hinsicht einer Prüfung unterzogen, um letztendlich der von § 20 II GWB geforderten Marktabgrenzung gerecht zu werden. Die Abgrenzung des sachlichen Marktes hat schließlich in drei Richtungen zu erfolgen: die sachliche, die räumliche und die zeitliche Abgrenzung.485 Diese Richtungen bilden den Markt, auf dem die Stellung eines Unternehmens zu prüfen ist.486

485

Kleinaltenlamp, Michael, „Die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes von Zeitungen und Zeitschriften“ in: WuW 9/1988, S. 732.

486

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070; Hitzler, Gerhard (München), „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 364.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

a)

Sachlich relevanter Markt

Bei der Frage nach dem sachlich (oder gegenständlich) relevanten Markt entsteht die Frage, welche Güter oder gewerbliche Leistungen zu einem Markt gehören, weil zwischen ihnen Wettbewerbsbeziehungen bestehen und welche Arten von gewerblichen Leistungen zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sind.487 In diesem Rahmen hat die Aufgabe der Begrenzung eines Kunstmarktes den Gerichten schon immer Schwierigkeiten bereitet. Sie setzt voraus, dass überhaupt im wörtlichen Sinne sowohl Kunst als auch ein Markt bestimmt werden kann. Schon die Bestimmung von Kunst ist eine kaum lösbare Aufgabe. So führte der BGH in seiner Entscheidung „Hamburger Volksbühne“ 488 aus, dass die Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst aufgrund der Vielfalt der gesellschaftlichen Kräfte und Strömungen kaum möglich ist. Soweit schon aus diesem Grunde Kunst kaum einer Definition zugänglich ist, ungleich schwerer ist es mit der Bestimmung des zweiten Teils des Wortes, dem Markt. Eine Marktabgrenzung und die Feststellung des Beherrschungsgrades können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Es wird impliziert zugleich über den Beherrschungsgrad mitentschieden. Je enger der Markt gefasst wird, desto leichter fällt die Feststellung der Beherrschung, und damit auch darüber, ob ein bestimmtes Verhalten eines Unternehmens überhaupt als missbräuchlich gewertet werden kann.489 Aus diesen Gründen ist es ersichtlich, dass die Abgrenzung eines Marktes für Kunstmessen, und damit die Abgrenzung von Nachfrage und Angebot eine sehr viel schwierigere Angelegenheit ist, als dies auf den ersten Blick erscheint. Trotzdem hat eine Marktabgrenzung im Rahmen des „Marktmachtprinzips“ zu erfolgen 490, gefolgt von der Feststellung der Marktmacht.491 Hierbei erfolgt die Abgrenzung des sachlichen Marktes an erster Stelle, vor der räumlichen und zeitlichen Abgrenzung.492 Es muss bekannt sein, welche Güter oder gewerblichen Leistungen zum gleichen Markt gerechnet werden, bevor geprüft werden kann, bis zu welcher Entfernung Anbieter bzw. Nachfrager dieser Güter in Konkurrenz stehen und zu welchem Zeitpunkt die Konkurrenten diese Güter oder gewerblichen Leistungen anbieten oder nachfragen können.493 Wird dieser Grundsatz auf den Fall der Kunstmesse angewandt, muss die Frage aufgeworfen werden, welche Kunstmessen für Aussteller, Galerien oder Künstler, 487

Tetzlaff, Angelika, „Sport unter der Kartelllupe“, in: WuW 2/1988, S. 93 (94).

488

BGH, 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) in GRUR 1971, 171 (172).

489

Markert in Immenga, Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 2. Auflage 1992, § 22 Rdn. 20.

490

Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, Seite 103.

491

Tetzlaff, Angelika, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WuW 2/1988, S. 93.

492

Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 103.

493

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 126.

125

126

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

zu einem Markt gerechnet werden können. Dabei gebietet die Auslegung des § 20 II GWB für die Frage der Marktabgrenzung im Rahmen der Kunstmessen, nicht wie in anderen wettbewerbsrechtlichen Normen sowohl auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers als auch die der speziell betroffenen Gruppe abzustellen, sondern auf die spezielle Sicht und Einschätzung einer speziellen Gruppe von Personen: der Aussteller in Form von Galeristen und Künstlern. Zu beachten ist währenddessen, dass ein Markt nicht nur von Waren oder gewerblichen Leistungen völliger Identität gebildet wird, sondern unter Einbeziehung aller funktional austauschbaren Waren oder Leistungen.494 Weiterhin ist bei der Beurteilung, ob ein Markt im Sinne des GWB gegeben und das betroffene Unternehmen als Teilnehmer daran anzusehen ist, anstelle des tatsächlichen Verhaltens des Unternehmens die Konstellation maßgebend, „welche sich innerhalb der in Betracht kommenden Kreise in natürlicher Entwicklung als gemein geübt und als angemessen empfunden herausgebildet hat“. Mit dem BGH ist damit die Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal des „gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs“ in § 20 II GWB auf die Marktdefinition und die Stellung von Unternehmen auf diesem Markt, wenn sie auf ihm nicht tätig sind, aber tätig werden könnten, zu übertragen.495 Das Problem ist in all diesen Abgrenzungsdefinitionen, dass die am Marktgeschehen für zum Beispiel zeitgenössische Kunst Beteiligten, nämlich Künstler, Sammler und Messen als Vermittler in der Regel kein zweckrationales Verhalten an den Tag legen. Ein zweckrationales Verhalten würde bedeuten, dass ein Galerist nach sachlichen Aspekten vorgehen würde. Jedoch ist Kunst nicht nur durch sachliche Aspekte, wie Größe und Preis eines Werkes, zu fassen. Vielmehr spielen auch Gefühl und Intuition eine wichtige Rolle. Insofern müssen neben rein wirtschaftstheoretischen Überlegungen 496 auch ideelle Aspekte beachtet werden. Und genau diese Schwierigkeit zeigt sich besonders deutlich an der Kunstszene. Vielfach sind Kunstwerke überhaupt nicht oder nur unvollkommen zu ersetzen. Manchmal können sich Fachleute in meist zeitraubender Arbeit kaum über den Wert und die Originalität eines Kunstwerkes einigen. Oft handelt es sich bei Kunstwerken um Unikate, deren Preis stark von der Nachfrage abhängt. Zöge man daraus den Schluss, dass jedes Original einen eigenen relevanten Markt bilde, wäre eine beherrschende Stellung eines jeden Anbieters des speziellen Kunstwerkes auf dem Markt zu bejahen. Stellt man dagegen auf einen weiteren Markt ab, etwa auf die Epoche, den Stil oder sogar auf die Fachrichtung Gemälde, Möbel, etc., wird ein Anbieter eines Möbels in den seltensten Fällen eine 494

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277.

495

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1942.

496

Bongard, Willi, „Zur Preisentstehung von Werken zeitgenössischer Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 38, S. 40.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

beherrschende Stellung innehaben. Parallel hierzu könnte die Stellung und Stärke der Kunstmessen eingegrenzt werden, wobei das zu lösende Problem auftaucht, in welche Kunstsegmente überhaupt eine Kunstmesse aufgespalten werden kann, und welche Konkurrenzveranstaltungen überhaupt dann dieser Messe als Vergleich zugeordnet werden können. Um grundsätzlich eine Abgrenzung zu erreichen, hat sich grundsätzlich das so genannte Bedarfsmarktkonzept durchgesetzt, das auf die Sicht der Gegenseite abstellt und allein prüft, welche Güter und Leistungen aus deren Sicht austauschbar sind. Auf der Angebotsseite gehören folglich zu demselben Markt solche Güter und Leistungen, die nach dem Urteil des durchschnittlichen vernünftigen Verbrauchers für ihn ohne weiteres denselben Verwendungszweck zu befriedigen geeignet sind, vorausgesetzt, dass die Verbraucher auch tatsächlich von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.497 Jedoch sind diese Abgrenzungen eines Marktes, und damit die Abgrenzung von Nachfrage und Angebot, nicht leicht zu treffen. Denn Produktmärkte gehen ineinander über, überlappen sich oder sind einander übergeordnet.498 Dies bedeutet, dass einem Markt diejenigen Produkte zuzurechnen sind, die aus Sicht der Abnehmer nach Eigenschaft, Verwendungszeck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind.499 Die Definition des Bedarfmarktkonzeptes besitzt eine historische Entwicklung.500 Beim Bedarfsmarktkonzept wird die sachliche Marktabgrenzung mit Hilfe der Ermittlung der funktionalen Austauschbarkeit von Gütern vorgenommen, die in der Meinung der Abnehmer dem Zwecke der Befriedigung der gleichen Bedürfnisse dienen. Als Hilfsmittel können dabei repräsentative, auf der Stichprobentheorie basierende Verbrauchertests herangezogen werden.501 Dieses Bedarfsmarktkonzept gilt jedoch nur für den Angebotsmarkt. Für den Nachfragemarkt ist eine Variation nötig. Eine „spiegelbildliche“ Anwendung scheidet grundsätzlich aus, aber in jedem Fall kommt es auf die Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite, i.v.F. der Galeristen, an. Ein wichtiger Hinweis für die Anwendung ist der grundlegenden Entscheidung des BGH „Backofen-

497

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 168.

498

Huttner, Michael, „Innovationen in der Tafelbildindustrie“ in Kunst und Wirtschaft, von C. H. Andreae [Hrsg.], Seite 96.

499

BGH, Beschl. V. 24.10.1989 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, S. 107, S. 110.

500

Vgl. m.w.N.: Schmidt, Ingo, „Relevanter Markt, Marktbeherrschung und Missbrauch in § 22 GWB und Art. 86 EWGV“ in: WuW 6/1965, S. 453, S. 455; Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in : WuW 4/1961, S. 246, S. 253; Gleiss, Alfred und Helm, Horst, „Relevanter Markt bei Originalersatzteilen und Originalzubehör“ in: BB 1968, S. 570.

501

Schmidt, Ingo, „Relevanter Markt, Marktbeherrschung und Missbrauch in § 22 GWB und Art. 86 EWGV“ in: WuW 6/1965, S. 453, S. 458.

127

128

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

markt“ 502 zu entnehmen. Hierbei wurden die typischen Einsatzzwecke und die meist darauf beruhende Branchenübung beachtet. Weiterhin spielten ebenso die tatsächlichen Herstellungsgewohnheiten der Anbieter und die Produktionsumstellungsflexibilität eine Rolle. Eine weitere Entscheidung hierzu stammt von dem Bundeskartellamt. Dabei wurde bei der Pressefusionskontrolle entschieden, dass Abonnements-Tageszeitungen mit lokaler und regionaler Berichterstattung einen eigenen, von überregionalen Abonnements-Tageszeitungen und Straßenverkaufszeitungen zu trennenden Lesermarkt bilden. Zu beachten war, dass die Marktabgrenzung auch von dem Tätigkeitsbereich der beteiligten Unternehmen beeinflusst wird. Ist er umfassend, liegt eine weitere Marktabgrenzung näher, ist er spezialisiert, kann das zu einer dementsprechend engeren Marktabgrenzung führen.503 Schon diese zwei Entscheidungspraktiken zeigen auf, dass eine Marktabgrenzung sehr unterschiedlich ausfallen kann.504 Nicht gefolgt werden kann der Ansicht 505, dass eine Kunstmesse für sich schon einen eigenen Markt bilden könne, und somit ein marktbeherrschendes Unternehmen wäre. Im Gegensatz dazu wurde dabei oft in widersprüchlicher Weise festgestellt, dass eine solche Feststellung unerheblich sei, da die Messe zumindest marktstark wäre. Jedoch spielt gerade im Rahmen der durchzuführenden Gesamtbewertung die Feststellung der Marktstärke eine große Rolle. Falls eine Messe einen „eigenen“ Markt bilden sollte, wäre sie Monopolist und marktbeherrschend, wobei dies nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, wenn eine Kunstmesse eine einzigartige Stellung ohne Konkurrenzmessen innehaben würde. Behält man diese Funktion des Begriffs „relevanter Markt“ im Auge ergibt sich, dass es bei Kunstmessen für die Feststellung der maßgeblichen Marktgrenzen nicht nur darauf ankommen kann, ob es andere Messen gibt, die der fraglichen gleichwertig sind und insbesondere ähnliche Eigenschaften haben. Das wäre zu eng. Entscheidend ist, ob der Galerist ausweichen kann und wird, falls etwa der Veranstalter die Preise für die Ausstellungsfläche nennenswert erhöht. Dabei kommt es auf die Reaktionsmöglichkeit des Galeristen an. Der Galerist bzw. Aussteller kann in seinem Verhalten Konsequenzen ziehen, wenn ihm die Bedingungen nicht mehr zusagen, die der Veranstalter aufstellt. Bei diesen Bedingungen des Kunstmarktes muss die Prüfung der Frage, wann unterschiedliche Waren 502

BGH, Beschl. V. 24.10.1989 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, S. 107 ff.

503

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1937.

504

Lampert, Thomas, „Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG?“ in: WuW 1998, S. 27, S. 30.

505

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

demselben Markt angehören, vom Verwendungszeck erfolgen. Exakt bestimmte Verwendungszwecke, insbesondere technischer Art, lassen Substitution häufig nicht zu. Ist der Zweck weniger genau bestimmt, entsteht Spielraum für Substitutionsmöglichkeiten. Wenn unterschiedliche Produkte nicht wegen ihrer sämtlichen Eigenschaften, sondern nur wegen einer bestimmten Qualität benötigt werden, dann gehören diese Produkte wegen dieser einen gemeinsamen, im Sinne des Verwendungszecks dominanten Qualität demselben Markt an, es sei denn, die nicht dominanten Eigenschaften würden die Verwendung beeinträchtigen. Waren mit solchen negativ wirkenden Eigenschaften würden dem relevanten Markt nicht zuzurechnen sein.506 Dementsprechend liegt die bestimmte Qualität in der Ware „Messe“ in der Möglichkeit des nachfragenden Galeristen, seinen „Kunststil“ und / oder „Künstler“ auf einer Präsentations- und Verkaufsausstellung einem Publikum darbieten zu können. Diese Qualität wird nun aber von vielen Kunstmessen grundsätzlich erfüllt. So kann ein Galerist mit der Ausrichtung „moderne Kunst“ sowohl auf der Art Cologne als auch auf der Kunstmesse München seinen Stil darbieten. Beide Messen lassen den vertretenen Stil zu. Unterschiede ergeben sich nur in Bezug auf die Anzahl der Aussteller mit einer „ähnlichen“ Kunstrichtung. Während in München nur eine Handvoll von Galerien mit dieser Stilrichtung sich präsentieren, ist dies in Köln die große Mehrheit. In Frage steht somit, ob diese dominante Eigenschaft eine weitere Marktabgrenzung zulässt. Es wird sich weiterhin zeigen, ob eventuell weitere nicht so starke Qualitäten, wie die Anzahl der Besucher, die Anzahl der Aussteller, der „Ruf“ bzw. Bekanntheitsgrad einer Messe der Verkaufsausstellung eine engere Begrenzung des Marktes zulassen. Überdies kommen Abgrenzungskriterien in Frage, die auf anderen, jedoch vergleichbaren Gebieten getroffen wurden. So wurde im Bereich von Uhren durch das Bundeskartellamt die Feststellung getroffen, dass absatzseitig hochpreisige Uhren mit einem Einzelhandelspreis von 3.000.– DM bis 10.000.– DM gegenüber Luxusuhren von einem Wert über 10.000.– DM einen eigenen Markt bilden.507 Gleich dieser Entscheidung wurde bei Parfums in dem Fall „Douglas/ Yaska“ zwischen hochwertiger und selektiv vertriebener Depotkosmetik auf Beschaffungsseite unterschieden, obwohl im absatzseitigen Bereich nicht mehr zwischen hochpreisiger und Depotkosmetik unterschieden wurde, sondern die Märkte nach Kosmetik- und Parfümeriewaren und Produkte für Körperpflege getrennt wurden.508

506

Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in: WuW 4/1961, S. 246, S. 249.

507

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 90.

508

Schultz, Klaus-Peter, a.a.O. S. 90.

129

130

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Eine solche „preisgetragene“ Abgrenzung könnte ebenfalls auf dem Kunstmarkt Anwendung finden, wenn berücksichtigt wird, dass es sich bei Uhren über 5.000.– € um „Kunstwerke“, und nicht mehr um reine Zeitmessgeräte handelt. Ähnlich dieser Segmentierung hatte das OLG Düsseldorf 1987 den sachlich relevanten Markt für die Art Cologne in der Weise abgegrenzt, dass die betreffende Kunstmesse lediglich mit den Kunstmärkten in Basel, in Paris und in Chicago vergleichbar sein, und somit einen eigenen Markt der „hochrangigen“ Kunstmessen für Galeristen der Fachrichtung moderne Kunst bilden.509 Dabei steht in Frage, welcher Bedarf im Rahmen des Bedarfmarktkonzeptes zu decken ist. Es kommen hierbei namentlich mehrere Bedarfssituationen in Betracht. Einerseits der Bedarf des Galeristen, zu bestimmten Kunstmessen gehen zu können. Sein Bedarf richtet sich aber nach dem Bedarf des Kunden, des Endkäufers. Andererseits kommt der Bedarf des Veranstalters in Betracht. Diese Situationen können bei den Ansätzen zu einer sachlichen Differenzierung von Kunstmessebereichen nicht unberücksichtigt bleiben.

aa)

Ansätze zu einer sachlichen Differenzierung von Kunstmarktbereichen

Für eine sachliche Differenzierung von Kunstmarktbereichen können vorab nochmals die wichtigsten Grundsätze einer Definition des relevanten Marktes zusammengefasst werden. Der relevante Markt ist von der Verwendungsseite her unter Zuhilfenahme der „funktionellen Austauschbarkeit“ aus Sicht der Nachfrager zu bestimmen.510 Unter Anwendung dieser Grundsätze wurde schon der Theatermarkt, als ein Bereich der Kunst, verschieden aufgegliedert. Hier wurde festgestellt, dass Theateraufführungen zwar nie miteinander identisch sind, dies aber nicht zu einer Zersplitterung führen darf. Damit wurde als Gleichartigkeit der Leistungen dieser Theater die Tatsache festgelegt, dass sie Theateraufführungen darbieten und damit das kulturelle Bedürfnis, Theater zu besuchen, befriedigen. Dass die privaten Theater nicht alle die gleiche Art von Stücken spielen, steht dabei dem Merkmal der Austauschbarkeit nicht entgegen. Das Interesse des durchschnittlichen Theaterbesuchers beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes Genre (z.B. Volksstücke, klassische Dramen oder leichte Unterhaltungsstücke), sondern erstreckt sich auf alle Arten von Theaterstücken. In diesem Sinne sind die Theateraufführungen der privaten Theater gegeneinander austauschbar.511 Zweifel509

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

510

Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in: WuW 4/1961, S. 246, S. 255.

511

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 281.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

haft an dieser Aufteilung war der Umstand, dass Theaterbesuchern unterstellt wurde, dass diese ein universelles Interesse an Theater hätten, und keinen spezifizierten Geschmack – z.B. auf Volksstücke – besäßen. Übersetzt auf den Markt der Kunstmessen würde eine solche „generalisierende“ Ansicht zur Folge haben, dass ein potentieller Käufer nur sich für Kunst im Allgemeinen interessiert, ohne Beachtung der Stile, und dementsprechend es keinen Unterschied zwischen den Kunstmessen für ihn gäbe. Zu beachten ist aber, dass viele verschiedene Käuferschichten existieren. Beispielhaft seien zwei Hauptarten von Kaufinteressenten aufgeführt, den Spezialisten, der sich meist auf eine Epoche, oder sogar einen Künstler spezialisiert hat, und den Kunstliebhaber, der sich für schöne Stücke interessiert und sich noch nicht im klaren darüber ist, was er eigentlich möchte. Um dieser Unterscheidung gerecht zu werden, hat sich der Markt dem Verhalten angepasst. Es existieren Kunstmessen, die alle Gebiete abdecken, die so genannten Kunst- & Antiquitätenmessen, deren Sortiment sehr umfassend ist, und die Fachmessen, die reinen Kunst- oder Antiquitätenmessen, die sich immer mehr auf bestimmte Gebiete konzentrieren, um so eine noch stärkere Differenzierung zu erreichen. Beide Arten der Messen existieren auf niedrigem und hohem Preisniveau, von den fast flohmarktartigen Verkaufsveranstaltungen bis hin zu der Art Cologne und als Pendant die Kunstmesse München mit ihren erlesenen Stücken, die von der Antike bis zum 21. Jahrhundert reichen. Folglich ist bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes zu beachten, dass einerseits objektive Merkmale gefunden werden müssen, um eine Begrenzung nachvollziehbar und nachprüfbar machen zu können, dass sich aber auch die Qualität der Ware „Kunstmesse“ nicht nur durch einfache Kriterien bestimmen lässt. So lässt eine geringe Anzahl von Ausstellern einer sonst vergleichbaren Kunstmesse in keiner Weise den Schluss zu, dass diese Messe nicht mit in die Betrachtung zu nehmen wäre. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. Oft begrenzen die Veranstalter von Kunstmessen die Anzahl der ausstellenden Galeristen und Künstler, um einen exklusiven, und u.U. preislich höher angesiedelten Rahmen zu ermöglichen. Daher kann es für einen Galeristen von enormer Bedeutung sein, dass seine zu verkaufenden Kunstwerke nicht nur auf Großveranstaltungen wie der Art Cologne mit ca. 260 Ausstellern gezeigt werden können, sondern auch auf kleinen Kunstmessen mit einem exklusiveren Kundenkreis. Hierbei ist insbesondere der Umstand zu beachten, dass auf den großen Kunstmessen mit vielen Ausstellern ein neuer Trend eingesetzt hat. So besuchen nicht nur potentielle Kunden, oder zumindest Besucher mit der Idee des Einkaufens diese Kunstmessen, sondern ein immer höherer Anteil von Nicht-Käufern ist auf diesen Messen und Veranstaltungen zu finden. Diese Gruppe nutzt die Möglichkeit, ein oftmals höherwertiges Angebot an Kunst zu sehen, wie es in vergleichbaren Museen existiert. Der Besucher sieht dabei ein breites Spektrum an Kunstwerken, von Renoir bis zu Joseph Beuys, in einer Anzahl und Güte, die man sonst nur oft auf Spitzenausstellungen findet. Gleichzeitig wird seine Aufmerksamkeit

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

nicht durch das ständige Erblicken von Kunstwerken des gleichen Künstlers ermüdet, sondern er wird vielmehr durch die Verschiedenheit der Künstler immer wieder zu neuem Nachdenken ermutigt. Und dies alles zu einem Preis, den manche Sonderausstellungen nicht anbieten können. So kostete der Eintritt der Art Cologne im Jahre 2002 für die Erwachsenen-Einzeltageskarte € 10, 50, während der Eintritt in eine einfache Museumsausstellung oft schon bei € 15 liegt. Und gerade dieser Besucherandrang hilft natürlich einerseits dem Galeristen, dass seine ausgestellten Kunstwerke, von evtl. noch nicht bekannten Künstlern, an Popularität und damit evtl. an Wert gewinnen, aber andererseits werden durch diese Masse von Menschen potentielle Käufer abgeschreckt. Käufer von Kunstwerken, deren Einkaufspreis sich oftmals ab € 250.000. – bewegt, meiden lieber diese Massen, und besuchen somit kleinere, für den Kunstinteressierten Nichtkäufer uninteressante Kunstmessen, da sie auf diesen Messen die Zeit und Muße haben, sich ausgiebig und gründlich in Ruhe mit den Werken zu beschäftigen. Sicherlich versuchen manche Galeristen dem Umstand der Massen von Besuchern Rechnung zu tragen, in dem sie auf den großen Messen abgeschlossene Logen einrichten. Dies können sich aber nur große, potente Galeristen leisten, da natürlich dieser Platz als Ausstellungsfläche verloren geht und bezahlt werden muss. Diese Problematik verdeutlicht sehr gut, dass man vergleichbare Messen nicht nur durch die objektiv gemessene Anzahl von Ausstellern und Besuchern findet, sondern dass man eine sehr viel differenzierte Betrachtungsweise anwenden muss, um den tatsächlichen Markt beschreiben zu können. Die Betrachtung nach Qualität der Ware „Kunstmesse“ und der nationalen und internationalen Werbung des Veranstalters hat zu erfolgen, sobald die zunächst objektivierbaren Kriterien zur Marktfestlegung festgestellt wurden. Denn erst muss feststehen, welche Kunst- und Antiquitätenmessen in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht überhaupt als Vergleichsmessen in Betracht kommen, bevor eine, evtl. sehr stark von subjektiven Eindrücken geprägte weitere Auslese erfolgt. Denn der Wert einer Kunst- und Antiquitätenmesse bemisst nach der Qualität der ausgestellten Kunstwerke. Und soweit Kunstwerke zu bewerten sind, verbietet sich eine objektive Bewertung. Selbstverständlich existieren Ansätze, die versuchen eine Bewertung anhand objektiver Kriterien zu ermöglichen. So existiert schon seit dem Jahre 1975 der Kunstkompass der Zeitschrift Capital. In diesem Kunstkompass werden Jahr für Jahr die einhundert wichtigsten Künstler des jeweiligen Jahres anhand verschiedener Kriterien festgelegt. So spielt die Häufigkeit von Zeitungsartikeln über den Künstler, die Anzahl von Ausstellungen, Einzeln oder im Rahmen einer Ausstellung verschiedener Künstler, die Präsenz in Museen und natürlich zu einem gewissen Grade der Preis eine Rolle. Jedoch kann diesem Nachschlagewerk keine Beurteilung der Qualität eines Kunstwerkes entnommen werden. Vielmehr werden rein objektive Fakten bewertet, um einen Index zu erstellen. Kunstwerke sind jedoch nicht mit

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Aktien zu vergleichen. Zwar wird hier spekuliert, jedoch sind tatsächlich langfristig Wertsteigerungen nur in einem geringen Maße, wenn auch stetig, zu messen. So wurde im Rahmen einer Studie zur Bewertung von Kunst im wirtschaftlichen Sinne entdeckt, dass ein Gemälde, welches im Jahre 1600 erworben wurde, die gleiche Steigerung mitgemacht hat, wie wenn das Vermögen auf der Bank mit ca. 4 % p.a. verzinst worden wäre. Hierbei ist selbstverständlich zu beachten, dass das Gemälde Inflationen und Kriegen standhält, während Geld diesen Umständen nicht gewachsen ist. So kann ein Gemälde leicht transportiert werden und wenn es dringend ist, aus dem Rahmen geschnitten und zusammengerollt mitgenommen werden kann. Auf der anderen Seite besteht natürlich die Gefahr der völligen Vernichtung. All diese Argumente und Überlegungen müssen in einer sachlichen Differenzierung 512 der verschiedenen Kunstmarktbereiche aufgenommen werden. Da man sich auf dem sehr emotional geprägten Markt der Kunst bewegt, können Verkaufsanalysen, auch wenn sie differenziert durchgeführt werden um die Bedeutung der Wareneigenschaften für die verschiedensten Kundenkreise genau zu erfassen, nur Anhaltspunkte darstellen, da irrationale und emotionale Bereiche unauflösbar bleiben.513 Diese unauflösbaren Bereiche, geprägt durch Geschmackspräferenzen soziologischer Gruppen, können Faktoren für eine Marktbestimmung darstellen. Schließlich gilt auf dem Kunstmarkt der Grundsatz, dass die Nachfrage bestimmter Personenkreise nicht wie die isolierte Einzelnachfrage vom Zufall abhängig scheint, sondern von der Zugehörigkeit zur Gruppe bestimmt wird.514 Innerhalb der Differenzierung stellt sich als erstes die Frage, ob Kunstmessen überhaupt eine eigenständige Rolle auf dem Kunstsektor einnehmen, oder ob diese Auffassung zu eng wäre.

bb)

Die Kunstmesse als eigenständiger Marktbereich auf dem Kunstmarktsektor

In den anfangs aufgeführten Überlegungen wurde die Kunstmesse stets als eigenständiges Segment auf dem Kunstmarktbereich angesehen. Das wurde notwendig, um eine Ausuferung der Arbeit durch eine allumfassende Beurteilung des Kunstmarktes an sich zu verhindern. Diese Annahme bedarf jedoch noch der Rechtfertigung. Daher steht in Frage, ob tatsächlich Kunstmessen als eigenständiges Segment auf dem Kunstmarkt gesehen werden müssen, oder ob für sie eine Vergleichbarkeit mit anderen Akteuren auf dem Kunstmarkt in Frage 512

Lampert, Thomas, „Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG?“ in: WuW 1998, S. 27, S. 30.

513

Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in: WuW 4/1961, S. 246, S. 254.

514

Barnikel, Hans-Heinrich, a.a.O. S. 254.

133

134

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

kommt. Schließlich könnten Galeristen ihre Objekte auf Auktionen ebenfalls Kunden anbieten. Hier ist vom Grundsatz auszugehen, dass der Kunstmarkt aus vielen verschiedensten Akteuren besteht. Dazu gehört nicht nur der Auktionsmarkt, sondern auch nicht zu einem geringen Teil die Aktivitäten von Galeristen, von Museen und gerade von Kunst- und Antiquitätenmessen. Schließlich gibt es noch ein großes Heer privater Kunstvermittler, „Gentleman Dealer“ und halbkommerzieller Kunstverkäufer, die ihre Ware unter Ausschluss der Öffentlichkeit offerieren.515 Diese Vielfalt an Beteiligten führt dazu, dass in den siebziger Jahren sich ein Wandel von einem einheitlichen geschlossenen Markt in eine Vielzahl von Märkten mit eigenen Vorlieben und Gesetzmäßigkeiten vollzog.516 Auch haben Kunstmessen zu einer Kommerzialisierung des Kunstmarktes mitbeigetragen.517 Innerhalb dieser Märkte stellt sich die Frage, ob nun tatsächlich Kunstmessen ein eigener abgeschlossener Markt gebührt, oder ob sie einem anderen Markt zugerechnet werden müssen. Dieses Problem stellt sich gerade deshalb, weil das unternehmerische Handeln von Galeristen marktrational ist und auf ästhetischen sowie auf ökonomische Faktoren beruht. So stellt speziell die Kommunikation mit 92 % einen der wichtigsten Transmitter für die Galeristen dar, um sich über die Kunstwelt insgesamt zu informieren. Damit bestätigt sich, dass der Kunstmarkt wesentlich ein Kommunikationsmarkt ist, in dem die zu maximierende Variable die Reputation ist.518 Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil von 1989 ausgeführt, dass der „Art Frankfurt“ als Messeveranstaltung ein eigener Bereich innerhalb des Kunstmarktes gebühre.519 Wie schon andere Gerichte, die über den Zugang zu Kunst- und Antiquitätenmessen eine Entscheidung zu treffen hatten 520, wurde das Segment des Messe- und Ausstellungswesens als selbständiger Teilmarkt gewertet. Grundlage war die fundamentale Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1969 521, in der eine Sportartikelmesse ein eigener Markt zugebilligt wurde. Jedoch bedarf dies einer näheren Untersuchung. Es ist fraglich, ob diese Einteilung auch auf den Bereich der Kunst angewendet werden 515

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 9.

516

Herchenröder, Christian, a.a.O. S. 13.

517

Berggruen, Heinz, „Mein Leben – eine Biographie“, Fernsehsendung ARTE / ZDF, 2004.

518

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 282.

519

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW- RR 1990, 1069.

520

Vgl.: OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4174; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994; OLG Frankfurt, Urteil vom 17.03.1992 – 6 W (Kart) 31/92 in GRUR 1992, S. 554.

521

BGH, Beschluss vom 03.03.1968 „Sportartikelmesse II“ – KVR 6/68 in: BGHZ 52, 65 (66).

III. Die Definition des „relevanten Markts“

kann, da „der Kunstmarkt“ nicht mehr existent ist, sondern sich zumindest aus Käufersicht in viele Einzelmärkte aufgespalten hat.522 Trotz dieser Problematik wird jedoch in ökonomischer Hinsicht der Versuch gewagt, eine grobe Einteilung zu erreichen, um eine, wenn auch geringe, Transparenz zu erreichen. Der Kunstmarkt kann in verschiedene Bereiche eingeteilt werden. Hierzu existieren verschiedene Ansätze, die den Markt in zwei 523 oder auch drei 524 Arten aufteilen. Allen Differenzierungen ist jedoch gleich, dass Kunstmessen einen eigenen Sektor bilden. Einer solchen Einteilung des Kunstmessesegments als eigener Markt ist zuzustimmen. Dies wird auch durch die Europäische Kommission befürwortet, die insgesamt Messen ein eigenes Gebiet zubilligt, da diese eigenen Ausdruck des Marktgeschehens bilden, da sie Angebot und Nachfrage an einem Ort zusammenführen und Gelegenheit bieten, eine bessere Kenntnis des Marktes zu gewinnen, neue Trends zu bestimmen, die Konkurrenz zu beobachten oder Kontakte zu knüpfen.525 Insofern ist es zutreffend, das Messen im Bereich der Kunst einen eigenständigen Markt bilden. Sie bieten den Ausstellern die Möglichkeit, ihr Sortiment, Kunstobjekte der verschiedensten Richtungen, einem großen Interessentenkreis, wie Sammlern, Museen und Investoren, zu verhältnismäßig geringen Kosten geschlossen darzubieten (Fremdinformation und Repräsentation), ferner sich über Konkurrenzangebote anderer Galerien schnell und gründlich zu unterrichten (Eigeninformation) und an Ort und Stelle Verkaufsverträge abzuschließen.526 Kunstwerke können zwar durch das Merkmal Original kaum miteinander verglichen werden, trotzdem bietet eine Kunstmesse ein Forum der Repräsentation, Information und Beratung für Kunst. Denn eine Kunstmesse ist, wie jede andere Messe, von hoher wirtschaftlicher Bedeutung.527 Diese Einteilung der Kunstmessen als eigenes Segment innerhalb des Kunstmarktes wird durch den Umstand gefestigt, dass die Aufspaltung des normalen Verbrauchermarktes für Kunst durch eine Fülle von Kunst- und Antiquitätenmessen in ganz Europa illustriert wird 528, als Teil eines Kunstmarktes, welcher eine nicht unbeträchtliche Rolle innerhalb des gesamten Kulturbereichs spielt. 522

Herchenröder, Christian, Die Kunstmärkte, 1978, Econ Verlag, S. 9.

523

Reuter, Mark A., „Artists, Galleries and the Market“, in: 8 Vill. Sports & Ent. L.J.99 (2001), S. 7.

524

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 5; Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst, WUV – Universitätsverlag, Wien, Österreich, 1997, S. 73.

525

Erläuternde Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung der Regeln des Binnenmarktes auf das Messe- und Ausstellungswesen vom 16.12.1997, SEK (97) 2338, Seite 2.

526

BGH, Beschluss vom 03.03.1969 – KVR 6/68 „Sportartikelmesse II“ in WuW/E BGH 1027 (1029).

527

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 204.

528

Herchenröder, Christian, Die Kunstmärkte, Econ Verlag, 1978, S. 9.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Hierbei wird durch den Messeveranstalter den Messeausstellern und Messebesuchern eine gewerbliche Leistung gewährt.529 Diese „Messeleistung“ bildet einen eigenen Markt, die sich aus vielfältigen Leistungen zusammensetzt, welche auch nachgefragt werden. Im Rahmen einer allgemeinen Betrachtung von Messen ergab sich nach einer Messefunktionsanalyse von EMNID im Auftrag der AUMA folgendes Bild auf die Frage, warum Unternehmen Messen besuchen (Mehrfachnennungen waren möglich): 29 % benutzen die Messe als Forum für Vertrags-/Verkaufsabschlüsse, 33 % für die Beeinflussung von Kundenentscheidungen, 50 % für die Erkennung von Kundenwünschen, 50 % für Informationsaustausch /-sammlung, 58 % für die Steigerung der Bekanntheit von Produkten, 60 % für die Einführung / Vorstellung neuer Produkte, 63 % für die Demonstration von Marktpräsenz, 70 % für die Neukundenwerbung, 70 % für die Auffrischung bestehender Kundenkontakte und 85 % für die Steigerung der Bekanntheit des Unternehmens / Imagepflege.530 Überdies werden Kunden, im Unterschied zum Ladenkauf, durch die Verknüpfung von Unterhaltung und Verkaufsveranstaltung oftmals zu einem Kauf verleitet.531 Diese Aspekte sind gleichfalls innerhalb des Kunstmarktes wiederzufinden. Denn die Leistung einer Kunstmesse unterscheidet sich von allen anderen Verkaufsformen, auf die ein Galerist zugreifen könnte, gerade weil sich seit den 80er Jahren ein Konglomerat von Einzelmärkten auf dem Kunstsektor gebildet hat.532 Es spielt dabei keine Rolle, dass nicht alle Galeristen die Form der Kunstmesse als Handelsmedium benötigen, um sich auch wirtschaftlich erfolgreich auf dem Kunstmarkt zu bewegen, solange eine spezifische Nachfrage von Galeristen nach Kunst- und Antiquitätenmessen existiert.533 So wird die Nachfrage auch durch den Umstand bedingt, dass das Funktionieren eines jeden Marktes eine gewisse Metastruktur voraussetzt, die die Tauschinstitutionen und die Informationsvermittlung zwischen potentiellen Tauschpartnern umfasst 534, wie sie durch Kunstmessen geboten wird. Auf den Kunst-

529

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 909.

530

Goschmann, Klaus, „Messeplatz Sinsheim reagiert auf den verschärften Wettbewerb“ in: Wirtschaftsmagazin Rhein Neckar, Ausgabe 7/8 2003, S. 22.

531

OLG Dresden, Urteil v. 28.02.1997 – 8 U 2263/96, ARD Ratgeber Recht Urteilsdatenbank Leitsatz 484, abrufbar unter www.wdr.de/tv/recht/urteile/druck/rld00484.html, Stand am 20.12.2001.

532

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 13.

533

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 909.

534

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17, S. 23.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

messen stellen Galeristen aus, die mit ihren Ständen sowohl Vertreter des Kunsthandels und der Kulturwirtschaft, aber auch kunstinteressierte Besucher auf sich aufmerksam machen wollen. Der Schwerpunkt der Aufgabe und Funktion der Kunstmesse wird deshalb in der Kontaktpflege und umfassenden Information gesehen, wobei der Informationstätigkeit sogar noch größere Bedeutung beigemessen wird, als der Schaffung von Kaufmöglichkeiten. Die große Resonanz der Besucher auf Kunstmessen hat bereits dazu geführt, dass diese als die interessanteren Grossausstellungen bezeichnet werden.535

cc)

Die weitere Abgrenzung innerhalb des Bereichs der Kunstmessen

Nach der Feststellung, dass Kunstmessen ein eigenständiges Segment innerhalb des Kunstmarktes gebührt, muss weiter untersucht werden, ob eine weitere Aufteilung nötig ist. Dies könnte gerade der Fall sein, weil nicht alle nachfragenden Galeristen die gleichen Kunst- und Antiquitätenmessen bestücken möchten, sondern nur solche aussuchen, die ihrem Galeriebild entsprechen. Dabei ist immer noch bei der Frage nach dem sachlich relevanten Markt zu diskutieren, welche Güter oder gewerblichen Leistungen zu einem Markt gehören, weil zwischen Ihnen Wettbewerbsbeziehungen bestehen. Denn der sachlich relevante Markt umfasst eine bestimmte Art von gewerblichen Leistungen, die zur Deckung desselben Bedarfs geeignet sind.536 Es ist dabei das Bedarfsmarktkonzept 537 mit seinen Schwierigkeiten 538 anzuwenden und zu berücksichtigen, dass eine Nichtzulassung einer Lieferverweigerung im Rahmen der nachfragebedingten Machtsituation 539 entspricht. 540 Bei einer Anwendung auf die Situation der Kunst- und Antiquitätenmessen bedeutet dies, dass die Prüfung unter der Sicht der Aussteller durchzuführen ist. Hierbei ist die Frage aufzuwerfen, welche Messen aus ihrer Sicht austauschbar sind, d.h. auf welchen Messen sie ihr Angebot auf ähnliche Art und Weise mit gleicher Wirkung ausstellen können. Zu vernachlässigen ist die Möglichkeit des Angebotsumstellungskonzepts. Eine Umstellung der Produkte, d.h. ein Ausweichen auf andere Künstler oder Kunststile kann aufgrund der Beziehung zwischen Galerist und Künstler der Galerie nicht zugemutet werden. Eine Galerie ist

535

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2000, S. 36.

536

Tetzlaff, Angelika, „Sport unter der Kartelllupe“, in: WuW 2/1988, S. 93 (94).

537

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 168.

538

Huttner, Michael, „Innovationen in der Tafelbildindustrie“ in Kunst und Wirtschaft, von C. H. Andreae [Hrsg.], Seite 96.

539

Vgl. unter Kapitel 3, I, b).

540

Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 125.

137

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

nicht nur Zwischenhändler, sondern gleichzeitig Förderer.541 Für einen Künstler selbst ist eine Umstellung aufgrund der Unsubstituierbarkeit von Ästhetik und Kunst nicht möglich. Damit ist das Angebotsumstellungskonzept ein untaugliches Instrument, es verbleibt nur das Absatzmittlerkonzept. Freilich müssen von Fall zu Fall noch andere Gesichtspunkte berücksichtigt werden.542 Ein weiterer Punkt könnte die Wirtschaftsökonomie der Kunst bilden.543 Daher wird sich zeigen müssen, ob wirtschaftliche Argumente eine sachliche Differenzierung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kommt es noch nicht darauf an, ob ein Messeveranstalter aus sachlich gerechtfertigten Gründen seine Aussteller auf Galerien mit Ausrichtung moderner Kunst beschränken kann. In Frage steht zunächst allein, ob Galeristen beim Verkauf von Werken der Moderne den Händlern mit Objekten der Moderne und gleichzeitig Antiquitäten, Händlern mit einem größeren Kunstangebot wie reine „moderne Kunst“, gleichartig sind, ob sie einem gemeinsamen durch Kunstmessen gebildeten Markt angehören.

(aaa) Ökonomische Ansätze zur Abgrenzung Ein erster Ansatz für eine sachliche Differenzierung von Kunstmessen könnte die ökonomische Sichtweise sein. Wie schon aufgeführt wurde, bildeten des öfteren Gerichte Märkte aufgrund von Preissegmentierungen verschiedener Marktbereiche. So wurde zwischen hochpreisigen und niederpreisigen Uhren unterschieden, oder auch zwischen hochwertigen und Depot Kosmetikartikeln.544 Eine solche Unterscheidung aufgrund von Preisdifferenzierungen könnte auf den Markt von Kunstmessen Anwendung finden. Dies ergibt sich gerade aus dem Umstand, dass zwischen den verschiedenen Kunstmessearten, angefangen von der Tefaf bis zu einem Flohmarkt eine weite Spanne besteht und hierdurch eine Art Hierarchie gebildet wird. Angefangen vom Nobelhandel mit exklusiven Messen und Millionenpreisen, die auch immer wieder in der Presse 545 erscheinen. Als Mittelschicht könnte die Vielzahl von Galerien, Antiquitätenmessen und Provinzmessen mit mittleren und kleinen Preisen bezeichnet werden. Am Ende stehen die Trödel-, Floh- sowie Bric-à-

541

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 142.

542

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 168.

543

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 2.

544

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 90.

545

N-TV Online Pressemitteilung vom 11.05.1999, abrufbar unter http://www.n-tv.de/6761. html (Stand 09.02.2002).

III. Die Definition des „relevanten Markts“

brac-Märkte. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der letzten Kategorie ist jedoch enorm. Beispielhaft sei auf dem Pariser Flohmarkt Saint-Quen hingewiesen, der nach Angaben ein Umsatzvolumen von etwa 150 Millionen € schon Ende des 20. Jahrhunderts besaß.546 Auch in Deutschland existieren viele kleine Flohmärkte, die oft jedes Wochenende an den verschiedensten Orten durchgeführt werden, angefangen von Kaufhausparkplätzen über grüne Wiesen bis zu Einkaufsstraßen in Städten und deren Umsatzvolumen nicht zu gering eingeschätzt werden sollte. Problematisch ist weiterhin, dass nicht jedes Kunstobjekt zu jeder Zeit einen Käufer findet 547 und auch auf Auktionen die Preisbildung sehr verschieden ausfallen kann. Treffen zwei oder mehr Interessenten mit großem Interesse und Willen am Erwerb aufeinander, kann der Preis sehr hoch steigen, findet sich nur ein Interessent, wird nur der Limitpreis erreicht. Bevor aber eine Abgrenzung nach Preissegmenten innerhalb des Kunstmarktes vorgenommen werden kann, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Preise für Kunst zustande kommen, und ob die Preisbildung geeignet ist, einen sachgerechten Differenzierungsgrund für sachlich relevante Märkte innerhalb der Voraussetzungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und besonders des § 20 II GWB bilden kann.

(1)

Die Preisbildung von Kunst

Für die Preisbildung von Kunst stellt sich die Frage, ob Kunst ein Gut wie jedes andere auch ist und sich die Preisbildung anhand rein ökonomischer Fakten darstellen lässt. Für eine solche Annahme müssten im Kunstmarkt wie in jedem anderen Markt die Teilnehmer rational handeln. Damit müssten im Kunstmarkt bestimmte Regeln existieren, nach denen sich dieser Markt vollzieht. Dabei behilft sich die Ökonomie mit der subjektbezogenen Entscheidung über Wertbeimessung, die sich in der individuellen Zahlungsbereitschaft am Markt niederschlägt. Es müssten somit Determinanten auffindbar sein, die für den Kunstmarkt wie für jeden anderen Markt gelten und solche, die nur für den Kunstmarkt gültig sind.548 Grundsätzlich funktioniert im System einer Marktwirtschaft der Marktmechanismus in der Weise, dass bei sinkender monetärer Nachfrage der Preis sinkt und vice versa.

546

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 14.

547

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 11.

548

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 1.

139

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Ein solcher Mechanismus kann als typisch auf Wettbewerbsmärkten angesehen werden. Er ist besonders durch die Flexibilität der Preise nach oben und unten gekennzeichnet. Da Unternehmen ohne Marktmacht nur einen relativ geringen Einfluss auf Marktgrößen nehmen können, sind sie gezwungen, Auf- und Abwärtsbewegungen des Marktes zu folgen. Mit anderen Worten: Sie müssen sich entsprechend den Knappheitsverhältnissen verhalten. Die Höhe des Gewinns bestimmt letztlich der Markt. Unter diesen Umständen wird das Verhalten der Unternehmen durch die Zielsetzung der kurzfristigen Gewinnmaximierung bestimmt, wobei das kurzfristige Gewinnmaximum durch die Gleichheit von Grenzerlösen und Grenzkosten definiert ist. Im Gegensatz zu Unternehmen ohne Marktmacht setzen sich marktmächtige Unternehmen andere Ziele, da sie nicht oder nur in geringem Maße dem ständigen Wettbewerbsdruck von Konkurrenten ausgesetzt sind und damit nur bedingt oder gar nicht dem Marktmechanismus unterliegen. Sie können Marktgrößen von sich aus beeinflussen, die für Unternehmen ohne Marktmacht weitgehend unbeeinflussbar sind. Mit dieser veränderten Sachlage verschiebt sich die Motivstruktur der Unternehmer. Während ein im Wettbewerb befindliches Unternehmen auf Grund des ständigen Wettbewerbsdrucks versucht kurzfristig seinen Gewinn zu maximieren, um überhaupt im Markt zu bleiben, ist das marktmächtige Unternehmen wiederum bemüht, langfristig seine einmal eingenommene Stellung zu behalten und zu sichern. So wird es beispielsweise auf kurzfristige Gewinnmöglichkeiten verzichten, um nicht neue Unternehmer in den Markt zu ziehen und versuchen, die erreichte Position zu erhalten und auszubauen. Eine solche Politik ebenfalls als Gewinnmaximierung zu bezeichnen, bedeutete völlig verschiedene Zielsetzungen mit dem gleichen Terminus zu beschreiben, was unzweckmäßig erscheint, selbst wenn das Attribut langfristig hinzugefügt wird. Unbestritten ist, dass der Unternehmer langfristig einen im Sinne einer Interessensabwägung maximalen Gewinn für sein Unternehmen erzielen möchte. Nur wird diese Gewinnhöhe entscheidend von Größen beeinflusst, die im wesentlichen Wettbewerb stehende Unternehmen nicht berücksichtigen können. Marktmächtige Unternehmen besitzen also einen größeren Entscheidungsspielraum, der ihnen die notwendige Freiheit und die entsprechenden Wahlmöglichkeiten für den Einsatz ihrer Aktionsparameter gewährt.549 Jedoch können diese Parameter des „normalen“ Wirtschaftsverkehrs nicht direkt auf den Kunstmarkt übertragen werden. Es ist zu schwierig, mit Kunstwerken maximale Gewinnergebnisse zu erzielen oder durch eine ausgeklügelte Preisstruktur eine marktstarke Stellung einzunehmen. Überdies sind Kunstwerke Unikate, ein Monopol zu bilden ist nicht möglich. Weiterhin stellt ein

549

Schlegel, Jörg, „Marktmacht und Missbrauch – Mögliche Rechtsgrundlage für Marktuntersuchungen im Hinblick auf den Verdacht marktbeherrschender Stellungen“ in: WuW 1968, S. 176, S. 180/181.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Kunstwerk ökonomisch betrachtet nicht nur einen Sachwert dar, der dazu dient, eine möglichst hohe Rendite auf die Investitionssumme zu erzielen, sondern es ist gleichzeitig ein dauerhaftes Konsumgut 550, welches auch noch einen wichtigen Mitteilungsträger geschichtlicher Epochen darstellt und von nicht definierbarem und unbestimmbarem „Geschmack“ der Käufer gezeichnet ist. Dabei kann von dem allgemeinen Verständnis von Kunst ausgegangen werden, dass Kunst eine Bezeichnung für das ist, was vom Menschen hervorgebracht wurde, ohne durch eine Funktion eindeutig festgelegt zu sein oder sich darin zu erschöpfen. Kunst zeichnet sich insbesondere durch ihre gesellschaftliche Geltung als Ausdruck von Besonderheit aus. Im engeren Sinne ist Kunstproduktion eine schöpferische-gestaltende Tätigkeit, die sich durch Bearbeitung innerer und äußerer Erfahrungsinhalte mit der Welt auseinandersetzt und auf Wertsetzung im Kunstwerk und Werterlebnis des Betrachters abzielt. Kunst lässt sich nach allgemeinem Verständnis in die Teilbereiche Literatur, Musik, Bildende Kunst und Darstellende Kunst gliedern. Die weitere Untersuchung beschränkt sich, wie obig aufgeführt, auf die Bildende Kunst, Kunst im engsten Sinne, und innerhalb dieser Sparte auf Malerei und Bildhauerei; Architektur bleibt unberücksichtigt.551 So sind Kunstwerke sichtbare Zeichen, an denen Menschen ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gemeinschaft, zu ihrer Vergangenheit und Gegenwart ablesen und sich in die Gemeinschaft integrieren. Kunst ist mit der Entwicklung und der Tradition der Gemeinschaft, in der sie geschaffen, gefunden oder während längerer Zeit aufbewahrt wurde, eng verbunden, und daher ein wichtiger Ausdruck sowie Zeugnis derselben. Sie ist einmalig und unersetzlich.552 Kunst kann als dauerhaftes Konsumgut, als Luxusgut betrachtet werden. Und diese Prämisse gilt ebenso, wenn es gleichzeitig als Investitionsgut behandelt wird. Somit gilt in der Kunst als Preis immer die Quersumme von ökonomischem Preis und ästhetischem Wert. Dabei ist es möglich im Rahmen einer Preisuntersuchung die Preisentwicklung von Kunstwerken im Zeitverlauf darzustellen und zu berechnen, wobei die erzielten Renditen immer unter Hinweis auf die mit Investitionen in Kunst verbundenen Risiken (Authentizität, Diebstahl, Zerstörung, usw.) zu bewerten sind. Als Investitionsgut muss Kunst sich auch immer mit anderen Gütern vergleichen, wie Aktien oder festverzinslichem Papier. In diesem Vergleich wächst der Wert von bestimmten Kunstwerken, während andere Geldanlagen oft durch Schwankungen der Börse im Preis variieren. Da550

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 8.

551

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 6.

552

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 9.

141

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

bei ist zu beachten, dass Kunst in Notzeiten, insbesondere Gemälde und Schmuck, leicht mitgenommen werden, und als Reserve dann verkauft werden können. Schmuck lässt sich leicht am Körper tragen, ein Gemälde aus dem Rahmen schneiden, ohne dass es gänzlich den Wert verlieren würde. Jedoch ist das Hauptcharakteristikum von Kunst die Phänomenologie, die ästhetische Realisation des Kunstwerkes. Schon seit Jahrtausenden wird Kunst geschaffen und von jeher war die Kunst Gegenstand philosophischer Betrachtungen. Ziel aller Versuche ist, die Qualität des Kunstwerkes zu beurteilen, denn nach der Qualität bestimmt sich ihr Wert in Abhängigkeit von der geforderten Leistung, die die Kunst zu erbringen habe. Diese Leistung gestaltet sich aber je nach gewähltem philosophischen Ansatz höchst unterschiedlich. So versucht die Kunstgeschichte das Kunstwerk lediglich als Zeitzeugnis einer geschichtlichen Epoche zu sehen und versucht immer wieder, eine Kontinuität in der Entwicklung zu beschreiben. Dagegen zielen philosophische Ansätze auf die Veränderungsleistungen der Kunst beim Einzelnen und der Gesellschaft. Von diesem ästhetischen Blickwinkel aus liegt der Beitrag der Kunst heute überwiegend bei Faktoren, die unmittelbar aus der Bildbetrachtung gewonnen werden, wie erziehungsbegleitende und persönlichkeitsbildende Effekte. Kunst vermag aber immer wieder Hinweise auf gesellschaftliche Werte wie Freiheit zu geben, da Kunst, bzw. das künstlerische Schaffen, auf Freiheit gründet und nur in und durch sie gelebt werden kann, was sich in der Vergangenheit, in der die Kunst wiederholt unterdrückt und missbraucht wurde, gezeigt hat.553 All diese Faktoren müssen bei einer Preisbildung von Kunst beachtet werden. So verläuft ein Kunstkauf nicht nach üblichen Kaufstrukturen, wo sich ein Käufer anhand von Warentests ein Urteil bilden und eine Preis-Nutzen Abwägung durchführen kann. Der Kunstkauf ist viel umfassender. Allein die Informationsbeschaffung ist aufgrund der höheren Marktintransparenz sehr zeitaufwendig, kosten- und zeitintensiver. Spontane Käufe sind selten.554 In der heutigen Zeit wird verstärkt dem Aspekt der Provenienz für die Preisbildung Folge geleistet. Je stärker perfekte Fälschungen auf den Markt drängen, umso wichtiger ist die Feststellung der Originalität durch eine gesicherte Provenienz. Nur so können Höchstpreise für ein Gemälde von Picasso für ca. € 104 Mio. bei Sotheby’s erklärt werden. In diesen Fällen ist die Originalität „gesichert“ und wird dementsprechend honoriert. Daher kann sogar bei einigen Kunstwerken eine permanente Steigerung festgestellt werden. Ein solcher Versuch, durch die bisher aufgezählten Determinanten Kunst mit monetären Aspekten in Verbindung zu bringen, galt bisher nicht nur Ästheten

553

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 2.

554

Klein, Ulrike, a.a.O. S. 164.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

als suspekt und unwürdig. Man darf jedoch nicht übersehen, dass Kunst und Wirtschaft nicht nur im Widerstreit stehen, sondern sich auch gegenseitig bedingen können. Der Wert eines Kunstwerkes wird neben den werkimmanenten Faktoren, wie künstlerischer Wert, Material, Seltenheit, Provenienz und Erhaltungsgrad auch durch das allgemeine wirtschaftliche Umfeld gebildet. In Zeiten wirtschaftlicher Hochphase können meist höhere Preise erzielt werden. Auch wenn Preise von Kunstgütern in der Regel starken Schwankungen unterliegen kann meist ein Basistrend aufgezeichnet werden, welcher die Jahrhunderte aufwärts gerichtet ist. Dies hängt in erster Linie mit dem begrenzten Angebot zumindest alter Gemälde und Antiquitäten zusammen.555 Trotzdem kann ein Großteil der Kunstgüter ohne weiteres durch individuelle Transaktionen am Markt gehandelt werden. Die Verwertbarkeit ist dabei oft durch das UrhG geregelt. Obwohl Kunst einen ideellen Gehalt hat und der künstlerische Informationsgehalt ein nichtrivalisierendes Gut darstellt, wird vielfach diese künstlerische Idee gemeinsam mit dem rivalisierenden Teilgut veräußert, so z.B. in der Malerei als dingliches Bild, in der Literatur als Buch oder Band in verschiedenen Aufmachungen, in der Musik als Notenblätter.556 Diese Doppelnatur führt wie dargestellt zu Schwierigkeiten. Einerseits existieren Kunstwerke in einer konkreten dinglichen Ausgestaltung in Form eines Bildes, Textes, einer Skulptur etc., andererseits ist die darin mitgeteilte künstlerische Idee, also der ästhetische oder philosophische Informationsgehalt, eine konstitutive Eigenschaft für ein Kunstwerk. Der künstlerische Informationsgehalt ist jedoch seiner Natur nach ein nicht-rivalisierendes Gut, d.h. beliebig viele Konsumenten können dieses Gut konsumieren, ohne sich gegenseitig im Konsum zu behindern. Die Zahl der Betrachter eines Bildes tut der künstlerischen Aussage eines Bildes keinen Abbruch. Der Nutzen, den der einzelne Betrachter aus der Aussage zieht, wird nicht dadurch beeinflusst, dass andere das Bild betrachten.557 Neben diesen nichtrivalisierenden, den Kaufpreis bestimmenden Aspekten, nehmen auch verschiedene Käuferschichten Einfluss auf die Preisentwicklung von Kunst. So hatte sich in den achtziger Jahren eine Kunstklientel herausgebildet, die ohne innere Anteilnahme kaufte und verkaufte, wann immer es ihr beliebte. Für sie gehörte Kunst zum gesellschaftlichen Alltag. Man schmückte sich mit ihr, aber trennte sich schnell wieder von ihr, wenn die Preise am höchsten waren. Nicht die Kunst ist das geheime Objekt der Begierde, sondern die schnelle Gewinnmitnahme, denn es gab ja immer wieder andere Sammelgebiete, in die 555

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 10.

556

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 26.

557

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, a.a.O. S. 25.

143

144

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

man neu investieren, andere Modetrends, an die man sich anhängen kann.558 In den neunziger Jahren drängte ein starker Geldfluss aus den asiatischen Staaten auf den europäischen Kunstmarkt und beeinflusste die Preise sehr stark. Diese Schicht wurde abgelöst von den „dot-com“ Millionären, meist aus Amerika, die schnell zu Geld kamen und durch den Kauf von Kunst sich Geschichte und Bildung zulegen wollten. Nachdem sich aber der Internetboom beruhigt hatte, und die Preise wieder normalisiert wurden, kamen neue Käuferschichten, die die Preisbildung beeinflussen. Mittlerweile ziehen es potentielle Konsumenten vor, ihre Präferenzen nicht zu äußern und keinen Preis zu bezahlen, wenn sie ohnehin bei anderen an der künstlerischen Aussage gratis partizipieren können.559 Es lassen sich im Laufe der Jahre verschiedene Trends von Kunstrichtungen aufzeigen, die sich geändert haben, und zu einem Werteverfall, bzw. Werteanstieg bestimmter Kunst geführt haben. Während z.B. in den siebziger und achtziger Jahren französische Glasvasen der Jahrhundertwende, wie von Gallé oder Daum, hoch im Kurs standen, und ebenso Kupferarbeiten des Jugendstils beliebt waren, haben diese Kunstwerke im Jahre 2000 einen großen Wertverfall zu verzeichnen. Dieses gezeichnete Modell des Kunstmarktes, in der Marktteilnehmer, Künstler, Galeristen und Kunstliebhaber bzw. Sammler ihre verschiedenen Wünsche konkretisieren, wirft die Frage auf, ob das Verhalten all dieser Teilnehmer mit den aufgezeigten Determinanten noch als marktrational bezeichnet werden kann, und inwiefern sich ästhetische und ökonomische Aspekte bedingen. Hierzu wurden von Ulrike Klein 1993 ca. 37 New Yorker Galeristen befragt, um zu ermitteln, ob in der Realität Entscheidungskriterien vorliegen, die rational erscheinen.560 Dabei versuchten schon in den achtziger Jahren Wirtschaftsanalytiker, Transparenz zu stiften. Jedoch trugen Sie mehr zur Verwirrung bei. Als Kardinalfehler wurde von den Kritikern der Analytiker der Umstand bezeichnet, dass sie auf ein blankes Zahlenspiel fixiert waren, und vergessen wurde, dass Kunstpreise keine Börsennotierungen, keine abstrakten Ziffern sind. Vielmehr sind sie, mehr als in jedem anderen Wirtschaftszweig, mit Geschmack, Aura, ästhetischen und historischen Wertungen verbunden.561 Überdies bestimmen Kunstkritiker und Auktionshäuser den Markt. So gelingt einem Künstler es erst, einen höheren Preis für seine Kunstwerke zu erzielen,

558

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 302.

559

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 26.

560

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 4.

561

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1. Auflage 1990, Düsseldorf, S. 36.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

wenn der Künstler auf sich aufmerksam gemacht hat und von den Vermittlern, den Kunstkritikern und Konsumenten „entdeckt“ worden ist.562 Diese unterschiedlichen Faktoren belegen auch ökonomische Studien. Tabelle: Durchschnittlich erzielter Preis pro Kunstwerk an Auktionen 1998–2001563 1998

1999

2000

2001

Ø 98–01

Abweichung 98–01 in %

Europa $ 12.199 Durchschnitt

$ 8.088

$ 8.002

$ 6.893

$ 9.005

– 36 %

USA

$ 56.699

$ 65.747

$ 69.736

$ 61.657

+ 75 %

§ 45.180

Schon diese Studie zeigt eine Umkehr der Auktionspreise, die stellvertretend für den gesamten Markt bewertet werden können. Innerhalb dieser Untersuchung wurde festgestellt, dass allein in Deutschland der durchschnittliche Preis von $ 6.095 im Jahre 1998 zu $ 5.437 im Jahre 2001 gesunken ist. Trotz all dieser Differenzen kann dabei als unterstes Preisniveau der Einkaufspreis eines Kunstwerkes zzgl. den Vertriebskosten (Kosten von Ausstellungen, Versicherungsgebühren, Galeristendrittel für die Maklertätigkeit, etc.) in beträchtlichem Ausmaß gelten, so dass im langfristigen Marktdurchschnitt zumindest Preisuntergrenzen gebildet werden können.564 Dies kann aber nur solange Gültigkeit haben, solange es sich um ein älteres Kunstwerk handelt, neue Kunstwerke können nicht mit ihrem Herstellungspreis (Leinwand, Farbe, Arbeitszeit) in Anrechnung gebracht werden, so dass gerade auf Kunstmessen mit moderner Kunst, wie der Art Cologne oder der Art Frankfurt, eine Segmentierung nach sachlichen Aspekten für eine Marktbildung nicht möglich ist. Die aufgezeigten verschiedenen Betrachtungsweisen für die Preisbildung von Kunst können abschließend nochmals kurz zusammengefasst werden, um nicht den Überblick zu verlieren. So unterliegt Kunst der Knappheit. Kunst und Kultur werden durch die Verfügbarkeit über ökonomische Ressourcen begrenzt. Sie sind keine freien Güter, die im Überfluss zur Verfügung stehen. Die Herstellung eines Kunstwerkes erfordert den Einsatz knapper Ressourcen in Form von Arbeit, Kapital (Material), Zeit, Einfallsreichtum und Originalität. Weiterhin ist

562

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C.H. Andreae [Hrsg.], S. 30.

563

TEFAF, Der europäische Kunstmarkt im Jahr 2002 – Eine Studie; Hrsg. The European Fine Art Foundation TEFAF, Niederlande, 2002, S. 12.

564

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C.H. Andreae [Hrsg.], S. 28.

145

146

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Kunst das Ergebnis individuellen Handelns. Künstlerische Leistungen gehen auf das Handeln von Einzelpersonen zurück, und die Nachfrage nach Kunst lässt sich auf individuelle Entscheidungen zurückführen. Dies gilt ebenso für staatliche Stellen (oder andere Kollektive), die Kunst nachfragen, denn auch staatliches Handeln ist das Ergebnis von Handlungen von Wählern, Bürokraten und Politikern, d.h. von Individuen. In der Kunst, wie überall, reagieren Personen in ihrer Eigenschaft als Anbieter und Nachfrager systematisch auf Anreize.565 All diese Punkte lassen nur eine Schlussfolgerung zu: „Die Kunst bewegt sich jenseits eines ökonomischen Kalküls; wegen ihrer Einzigartigkeit lässt sie sich mit nichts anderem vergleichen.“ 566 Trotzdem kann eine Aussage über die Wertentwicklung von Kunst getroffen werden. Diese kann sogar in Verhältnis zu anderen Anlageformen, wie Aktien, gesetzt werden. Der Wert eines Gemäldes kann in einen Vergleich zu der Wertsteigerung von deutschen Aktien oder auch den deutschen Renten gesetzte werden, um den realen Wertzuwachs beurteilen zu können.567 Auch wenn eine stetige Steigerung des Wertes von Cézanne verzeichnet werden konnte, und dies auf eine ökonomische Seite der Kunst hinweist, bleibt aber letztlich festzuhalten, dass Preise von Kunstwerken sich stark nach Wünschen von interessierten Käufern und dem Trend richten. Gerade das nicht- rivalisierende Gut des künstlerischen Inhalts wirkt sich stark auf den Preis aus. Trotz der Aufzeichnung einer stetigen Preissteigerung von gewissen Kunstwerken werden die meisten Kunstwerke je nach Marktbewegung unterschiedlich bewertet. Aufgrund der Tatsache der künstlerischen Idee bleibt aber festzuhalten, dass der oft zitierte Satz, dass „Jedes Kunstwerk den Preis bekommt, den ein Käufer zahlt“, immer noch den Kunstmarkt bestimmt. Diese Diskrepanzen in den verschiedenen Kunstrichtungen führen jedoch dazu, dass eine Trennung verschiedener Märkte für Kunstmessen aufgrund von verschiedenen Preisen für Kunstwerke nicht möglich ist. Dies liegt unter anderem an der Doppelnatur von Kunst, die von grundlegender ökonomischer Bedeutung ist.568 Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedarf jedoch im Rahmen des Diskriminierungsverbots des § 20 II Satz 1 GWB eine feststehende, gesicherte Trennung, die sich nicht je nach ästhetischen Vorlieben der jeweiligen Käuferschichten richten darf. Eine neutrale Trennung ist vielmehr nötig.

565

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 7.

566

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., a.a.O. S. 9.

567

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 24.

568

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17, S. 19.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

(bbb) Abgrenzung nach ausgestellten Kunststilen Nachdem eine Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes anhand von Preiskategorien von Kunstwerken nicht im Sinne des § 20 II GWB verwendet werden kann, könnte ein weiterer Ansatz für die erforderliche Abgrenzung zur Feststellung der Marktmacht einer Kunstmesse in der Einteilung von verschiedenen Kunststilen liegen. Dabei könnte in Betracht gezogen werden, dass Kunstwerke oft in sehr eng umschriebene Kunststile eingeteilt werden könnten. So ordnet man Möbel aus den Jahren 1825–1848 dem Biedermeier zu. Diesbezüglich können ebenso Gemälde verschiedenen Stilen zugeordnet werden, dem Expressionismus, dem Impressionismus, dem Kubismus, der „Stijl“-Bewegung oder sogar dem Suprematismus, um nur einige zu benennen. Diese Einordnung der verschiedenen Kunstrichtungen findet man auch auf den Kunstmessen. Daher böte sich eine Einteilung in dem Sinne an, dass der sachlich relevante Markt dadurch gebildet wird, in dem alle auf der zu bewertenden Kunstmesse vorhandenen Kunststile zusammengefasst werden, und dieses entstandene Konglomerat der Kunststile den relevanten Markt bestimmt. Diese Abgrenzung würde eine Erweiterung des Ansatzes des OLG Frankfurt in seinem Urteil aus dem Jahre 1990 bilden, in dem festgestellt wurde, dass die Kunstmesse „Art Frankfurt“ gegenständlich auf anspruchsvolle, moderne Kunst des 20. Jahrhunderts begrenzt ist.569 Ähnlich würde es die Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 1987 ergänzen, in der schon der Markt nicht nur die Kunst des 20. Jahrhunderts umfassen sollte, sondern eine Akzentuierung der deutschen Gegenwartskunst stattfand.570 Dabei würde nicht nur der Markt der modernen Kunst in die einzelnen Kunststile aufgespalten, sondern, wie obig erwähnt, der Markt der Antiquitäten, kunstgewerblicher Gegenstände mit einem Mindestalter von 100 Jahren nach Nr. 97.06 des Zolltarifs 571 und der Antike gebildet werden. Hierbei stellt sich das Problem, ob es möglich ist, einen eigenen Marktbereich für bestimmte Kunststile zu definieren, der dann in Relation zu dem Segment des Messewesens gesetzt werden muss, oder ob nicht eine einzelfallabhängige Betrachtung der jeweiligen Messeveranstaltung in Bezug zu den ausgestellten und angebotenen Objekten geboten ist.

569

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Kunstmesse Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1070.

570

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4174.

571

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 4.

147

148

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

(1)

Die grundsätzliche Bildung von Märkten nach Kunststilen

Grundgedanke einer Einteilung des Kunstmarktes in bestimmte Kunstrichtungen und bestimmte Stile ist der Umstand, dass Kunstobjekte einer Epoche oder einer Kunstrichtung zugeteilt werden können. Hierbei ist dann zu entscheiden, ob und wie gegebenenfalls Waren einer bestimmten Gattung einem Teilmarkt zuzuordnen sind. Eine solche Zuordnung wäre dann möglich und im Hinblick auf eine trennscharfe Erfassung abhängigkeitsbedingter Marktmacht geboten, wenn und soweit sich aus der jeweiligen Gattung Waren zusammenfassen lassen, die im Wesentlichen die gleichen Eigenschaften haben und aus der Sicht des Verbrauchers geeignet sind, trotz bestehender Unterschiede einen bestimmten Bedarf auf zumutbare und gleichartige Weise zu decken.572 In Frage steht somit, ob sich eigene, abgetrennte Märkte für bestimmte Kunststile bestimmen lassen und diese dann für eine Marktabgrenzung im Sinne der §§ 19 ff GWB benutzt werden können. Es erscheint jedoch fraglich, ob eine solche starre Unterteilung überhaupt Gewähr dafür leisten kann, dass die erforderlichen Aspekte der sachlich relevanten Marktabgrenzung beachtet werden, gleichgültig ob dies durch die Gerichte oder das Bundeskartellamt geschieht. Es erscheint dabei insbesondere in Frage zu stehen, ob eine solche Marktaufspaltung anhand von „Kunstkriterien“ eine eigene, „kunstrechtsspezifische“ Marktaufteilung für das anzuwendende GWB bedeutet, oder ob nicht doch die allgemeinen Kriterien innerhalb dieser Aufteilung Anwendung finden müssen, oder sogar hierdurch Anwendung finden. So hat das OLG Frankfurt in seinem Urteil von 1989 bestimmt, dass es einen eigenen Markt für moderne Kunst des 20. Jahrhunderts für Galerien mit Werken bedeutender Künstler gäbe.573 Jedoch schon die Bezeichnung „moderne Kunst des 20. Jahrhunderts“ stellt einen sehr schwer abzugrenzenden Begriff für Richtungen in der Kunst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts dar.574 So könnte allein dieser Begriff noch in Fachrichtungen unterteilt werden, wie z.B. in die abstrakte Kunst oder Malerei des Informellen, die Pop Art 575, die Op (Optical) Art 576, den neuen Realismus 577 und die Konzeptkunst 578, wobei dies nur die namhaftesten Stilrichtungen darstellen. So hat eine Studie zur Preisbildung von Künstlern nach 1945 bei einer Anzahl von 100 ausgewählten Künstlern allein bis zu dem 572

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 55.

573

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW-RR 1990, 1069 (1070).

574

Goldmann Lexikon 1998, Taschenbuchausgabe, S. 6696.

575

Namhafte Vertreter der Pop Art sind Roy Lichtenstein und Andy Warhol.

576

Namhafte Vertreter sind Vassilakis Takis und Julio Leparc.

577

Namhafte Vertreter sind Yves Klein und Niki de Saint-Phalle.

578

Namhafte Vertretet sind Joseph Boys und Daniel Buren.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Jahre 2000 insgesamt 44 Stilrichtungen ermittelt, wobei berücksichtigt wurde, dass Künstler ihren Stil ändern.579 Überdies kommt man bei einer solchen Marktanalyse zur Kunst des 20. Jahrhunderts nicht um einen Namen herum: Pablo Picasso. Seine Werke ziehen sich wie ein roter Faden von 1900 bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, ob es sich um das impressionistisch-fauvistische Frühwerk, um die kubistische Periode, um die Rückwendung zum Klassizismus, um die surrealistische Phase der dreißiger Jahre oder das ungebremste Alterswerk handelt, der internationale Kunstmarkt assimiliert seit Ende der fünfziger Jahre Werkbeispiele aus allen Altersstufen.580 Schon dieses Beispiel verdeutlicht sehr gut, dass eine Aufspaltung des Marktes nach Kunststilen zwar möglich ist, aber für das Segment des Messewesens ein untaugliches Kriterium darstellen könnte. Dagegen umfasst eine Einstufung, wie „Kunst des 20. Jahrhunderts“ keine exakt definierte Kunstperiode und genau umrissene Stile, sondern beinhaltet die verschiedensten Stile und Richtungen. Im Rahmen der Kunststile könnte sich zusätzlich noch eine weitere Unterteilung aus der Diversifizierung der unterschiedlich bestückten Sammlermärkte ergeben. Hierbei könnte folgende Unterteilung getroffen werden: Der Markt der alten Meister, des Impressionismus und der Moderne, der alten Plastik, der Möbel, der Silbermarkt, der Porzellan- und Fayencenmarkt, der Gläsermarkt, der Juwelen- und Schmuckmarkt, der Ikonen, der primitiven und ethnischen Kunst, der Ostasiatika Markt, der antiken Kunst, der Antiquariatsmarkt, der alten Graphik, der Markt für Jugendstil-Art Decó Objekte und der Photographica-Markt.581 Eine solche vorab Einteilung scheint aber für das Segment des Messe- und Ausstellungswesens im Bereich der Kunst eher noch nicht als geeignetes Kriterium, da eine klare Zuordnung, an der sich Nachfrager und marktmächtige Unternehmen schon im voraus orientieren könnten, fehlt. So dient z.B. die Art Frankfurt der Präsentation anspruchsvoller Kunst, wie Gemälde, Plastiken und Photographien.582 Es werden dabei die verschiedensten Sammlerbedürfnisse kombiniert, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Letztlich steht vor einer Definition eines sachlich relevanten Marktes nach einzelnen, eng umrissenen Kunststilen und Sammelgebieten die einfache, und doch kaum zu beantwortende Frage, „Was ist Kunst?“. Es erscheint kaum möglich, dass es jemanden gibt, der eine solide, essentielle Antwort auf diese Frage geben kann. Die Forderung der Moderne, dass alles Kunst sein kann und die Erfahrung der kulturbe579

Pommerehne, Werner und Schneider, Friedrich, „Warum ist bloß ein Rauschenberg so teuer?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 79.

580

Herchenröder, Christian, Die Kunstmärkte, Econ Verlag 1978, S. 189.

581

Herchenröder, Christian, Die Kunstmärkte, Econ Verlag 1978, S. 35.

582

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW 1990, 1069.

149

150

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

zogenen Sichtweisen sind Einsichten, aber keine Antworten auf die Frage, was Kunst ist. Daher müsste die Frage in dem Sinne modifiziert werden: „Was ist ein Kunstwerk? Das „Was“ werde ich eliminieren und mit einem „Wo“ und einem „Wann“ ersetzen. „Wann“ und „Wo“ geben wir bestimmten Gegenständen die Eigenschaft „Kunstwerk?“.583 Dabei soll im Folgenden nicht eine abschließende Definition von Kunst versucht werden. Es sollen vielmehr die verschiedenen Ansätze einer Definition, durch die Gerichte, durch den Staat, durch die Politik, durch die Rezeptionisten und letztlich auch durch das Gesetz selbst aufgezeigt werden. Die Untersuchung wird dahingehend stattfinden, ob solche Ansätze die erforderlichen Merkmale für die Abgrenzung eines sachlich relevanten Marktes für die Anwendung des Diskriminierungsverbotes des § 20 II GWB in sich tragen.

(1.1)

Die Definition von Kunst

Vor dem Versuch der Definition von Kunst steht die Erkenntnis, dass die Abgrenzung von Kunst und Nichtkunst ziemlich unklar ist. So ist die Grenze zum Kunsthandwerk fließend. Oft zweifeln Künstler und Anhänger verschiedener Kunstrichtungen daran, ob die jeweils anderen Richtungen überhaupt als Kunst angesehen werden können. Ein schwieriges Problem ist die Abgrenzung von Kunst und Raritäten im weitesten Sinne des Wortes. Überdies wird auch im Zusammenhang mit Antiquitäten Kunst und Rarität kaum klar getrennt. Überdies stellt sich oft die Frage nach dem Original-Charakter eines Werkes.584 Schon das Reichsgericht hatte sich 1930 mit der Frage zu beschäftigen, was Kunst ist, und was nicht. Es unterschied in seiner Entscheidung vom 27.02.1930 bei diesem Problem grundsätzlich die verschiedenen Menschengruppen, wobei das streitgegenständliche Bild sich mit der Problematik der Kirche auseinandersetzte. Das RG der Auffassung, dass die meisten Menschen Kunst begreifen würden, und soweit sie die Bilder als geschmacklos bezeichneten, sich nicht durch Kunst in ihren religiösen Empfindungen gestört fühlten. Eine weitere Gruppe würde das Bild zwar auch verstehen, sich aber verletzt fühlen, und es seien auch Menschen denkbar, die nicht in den Sinn der Bilder eindringen vermögen und nur das Äußere an sich wirken lassen.585 Soweit dieses Urteil sich zwar mit der Definition der Kunst auseinandersetzte, und in der Frage der Beantwortung durch die Gruppenbildungen dieses gerade anscheinend offen ließ, enthält der Richterspruch doch den immanenten Gedanken, dass Kunst einen innenliegenden, nicht „äußeren“ Sinn haben muss, um Kunst zu sein. 583

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 14.

584

Steinhöfler, Karl H., „Ökonomische Bemerkungen zur Diskussion“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 109.

585

Reichsgericht – Strafsenat, Urt. v. 27.02.1930 g. G. Gen. II 729/30 in: RGSt 64, S. 121, S. 127.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Ob dies jedoch richtig ist, mag bezweifelt werden. So baute auf diese Entscheidung des Reichsgerichts von 1930 der Bundesgerichtshof seine Entscheidung aus dem Jahre 1961 auf. Er entschied dabei im Gegensatz, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein Kunstwerk Einrichtungen oder Gebräuche einer christlichen Kirche beschimpft, nicht allgemein das Verständnis und das religiöse Gefühl der überzeugten Anhänger dieser Kirche entscheidend ist, soweit sie sich ebenso von übergroßer Reizbarkeit wie von Gleichgültigkeit fernhalten. Entscheidend sei weiterhin nicht allein das schlichte Gefühl des einfachen, religiös gesinnten Menschen. Vielmehr erfordere die vom Grundgesetz gewährleistete Freiheit der Kunst, dass bei der Beurteilung eines Kunstwerkes das Wesen der zeitgenössischen Kunst mitberücksichtigt wird, auch wenn es nicht ganz leicht verständlich ist. Dies begründet der BGH mit der Argumentation, dass das RG in seiner damaligen Entscheidung bei der Würdigung eines Gedichts, in dem der Tatrichter eine Gotteslästerung gesehen hatte, Deutungen in Betracht zog, die nicht nur das „schlichte Gefühl“ des einfachen, religiös gesinnten Menschen voraussetzen, sondern dem Leser des Gedichts schwerwiegende Überlegungen zumuten. Da der Text, über den der BGH zu entscheiden hatte, überdies in einer Studentenzeitung erschienen war, stellte er „künstlerische Anforderungen“ an die Leser. Dies geschah, obwohl die Zeitschrift in Hochschulgebäuden, zu denen jedermann Zutritt hatte, zum Verkauf auslag. Trotzdem war sie somit ersichtlich in erster Linie für Studierende und Dozenten bestimmt, also für einen Personenkreis, der im Allgemeinen mit moderner Kunst vertrauter ist, als ein durchschnittlicher Zeitungsleser. Im Übrigen begnügte der BGH sich mit der Aussage, dass es ausreichend wäre, bei der Bewertung von dem Eindruck auszugehen, „den ein künstlerisch aufgeschlossener oder zumindest um Verständnis bemühter, wenn auch literarisch nicht besonders vorgebildeter Mensch von dem Kunstwerk hat“. Wie dies auf eine solche gedachte Person wirkt, hat der Richter selbst zu beurteilen; nötigenfalls kann er sich das Kunstwerk von einem Sachverständigen erklären lassen. Es müssten aber nicht einzelne Männer und Frauen über die Empfindungen, die das Werk in ihnen hervorruft, als „Zeugen“ vernommen werden, um den Sinn eines Kunstwerks zu finden.586 Schon diese beiden Entscheidungen, obwohl 30 Jahre zwischen ihnen liegen, zeigen deutlich, dass eine Definition von Kunst fast unmöglich war, ist und immer sein wird. Grundsätzlich ist es möglich, einem Kunstwerk bestimmte Determinanten beizugeben, damit es als Kunstwerk angesehen werden kann. So setzt sich der Wert eines Kunstwerks neben der grundsätzlichen Gegebenheit der Dominanz des Affektionswertes zusammen aus a) dem künstlerischen Wert, b) dem Gebrauchs586

BGH, Urt. v. 23.06.1961 – 5 StR 573/60 in: GA 1961, S. 240, S. 241.

151

152

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

wert, der seinerseits als 1. Genusswert, 2. Produktionswert und 3. Schauwert charakterisiert wird, sowie c) dem Tauschwert. All diese Werte konvergieren zum Gesamtwert des Kunstwerks, der seinerseits Bedingung für die Möglichkeit des Kunsterlebnisses ist.587 Bedeutend ist noch der Umstand, dass höhere Schichten in der Gesellschaft eine stärkere Affinität zu Kunst, speziell moderner Kunst, haben, wie niedrigere Schichten. Zudem stehen ältere Personen moderner und abstrakter Kunst aufgeschlossener gegenüber als jüngere Personen.588 Gerade zwischen den Generationen herrscht oft Uneinigkeit, was Kunst ist. Während die jüngere Generation ein „Comic-Strip“ als Kunstwerk bezeichnet, so erzielen mittlerweile Original-Colorationen von Disney hohe Preise, würden ältere Personen sich schwer tun, dies tatsächlich als Kunst bezeichnen. Umgekehrt wird oft der beliebte „Kitsch“ von der Jugend nicht als Kunst bewertet, außer er wurde durch einen renommierten Künstler wieder zur Kunst erhoben. Neben diesem „Generationenkonflikt“ existiert Uneinigkeit über die Tatsache, ob Kunst eine kunsthandwerkliche Fertigkeit voraussetzt. Oftmals hört man gerade auf Kunstmessen der Moderne den Satz: „Das hätte ich auch gekonnt“. Hingegen liegt Kunst-Antiquitäten eine solche Fertigkeit zugrunde, die in der heutigen Zeit kaum oder sogar nicht reproduzierbar ist. Beispielhaft seien hierbei nur die Möbel von David Röntgen (1743–1807) erwähnt, die einzigartige Intarsienarbeiten und komplizierte mechanische Einrichtungen aufweisen. Aufgrund dieser unterschiedlichsten Ansätze von Kunst existieren immer Gerichtsfälle, die aufzeigen, dass „Kunst“ vom Auge des Betrachters abhängt. Dabei bildet wohl einen der amüsantesten Fälle im Rahmen des Kunstrechts die geputzte Badewanne von Joseph Beuys, die gerade den Streit von Kunst und Nichtkunst provoziert. Eine mit Heftpflastern, Müll und ähnlichen Zutaten durch Beuys hergerichtete Badenwanne wurde nach einer Ausstellung in der Asservatenkammer zwischengelagert. Eine Gesellschaft in einem Nebenraum suchte nach einer „Kühlmöglichkeit“ für Getränke und fand die Wanne. Im Glauben, dem Museum noch einen Gefallen zu tun, wurde die Wanne sehr gut gereinigt, und damit das Kunstwerk zerstört. Die diesem Fall zugrundeliegende Problematik, ob und inwiefern ein Kunstwerk wiederhergestellt werden kann, solange der Künstler lebt, ist hierbei irrelevant. Bedeutend ist der Umstand, dass die Wanne nicht als Kunst erkannt wurde.589

587

Thurn, Hans Peter, „Soziologie der bildenden Kunst – Forschungsstand und Forschungsperspektiven“ in: Künstler und Gesellschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1974, Seite 120, S. 141.

588

Thurn, Hans Peter, „Soziologie der bildenden Kunst – Forschungsstand und Forschungsperspektiven“ in: Künstler und Gesellschaft, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1974, Seite 120, S. 144.

589

Braun, Johann, Kunstprozesse von Menzel bis Beuys, Verlag C.H. Beck, München, 1995, S. 57.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Aber auch am Anfang „gerügte“ Kunst fand oft später ihren Weg in die Ruhmeshallen. Viele Galeristen und Kunstunternehmer fördern am Anfang unkonventionelle Kunst in der Hoffnung, dass diese später ihre Anerkennung auf dem Markt finden. So unterstützte z.B. der New Yorker Galerist Leo Castelli die Arbeit von Robert Rauschenberg, der heute zu den Hauptvertretern der PräPop-Art zählt. Castellis Engagement wurde lange Zeit sowohl von den kunstinteressierten Laien als auch von professionellen Kunstexperten angefeindet und verspottet. Ein weiteres wichtiges Beispiel für Kunsthändler, die Künstler und Kunstformen förderten, bevor sie allgemein anerkannt waren, ist Daniel-Henry Kahnweiler. Er hatte unter anderem Picasso unter Vertrag genommen, bevor dieser Erfolge erzielte.590 So sind es gerade diese privaten Kunsthändler, die immer auf Kunstmessen zu finden sind, um die neusten Trends aufzuspüren, meist den Museen weit voraus. Die Arbeiten von Joseph Beuys, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein und Andy Warhol waren bereits anerkannt und erzielten hohe Preise, als viele Museen moderner Kunst nicht einmal in Betracht zogen, sie zu erwerben.591 Dies alles zeigt, dass es nach heutiger Auffassung keinen allgemeingültigen Kunstbegriff gibt. Im weiteren Sinne ist „Kunst“ jede auf Wissen und Übung begründete Tätigkeit. Enger gefasst, repräsentiert sie die Gesamtheit der von Menschen geschaffenen, nicht durch Funktionen festgelegten Werke, zu deren Schöpfung ein hervorragendes und spezifisches Können erforderlich ist. Damit verbunden ist die hohe gesellschaftliche und individuelle Bedeutung des Werkes. In jüngster Zeit sieht man Kunst – unter dem Einfluss pluralistischer Haltung und Denkweise – zunehmend unter individuellen Gesichtspunkten. Formal unterteilt man Kunst in Literatur, Musik und die Darstellende Kunst einerseits, sowie die Bildende Kunst andererseits. Wir befassen uns hier mit dem Kunstmarkt, also mit dem Handel von Werken der Bildenden Kunst. Dazu zählen Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Plastiken, antiquarische Bücher und Autographen, aber auch Werke der angewandten Kunst, also im weitesten Sinne des Kunsthandwerks. Handelt es sich um über hundert Jahre altes Kunsthandwerk, so spricht man von Antiquitäten. Diese formale Zeitabgrenzung wird zunehmend im amerikanischen Raum ausgehöhlt. Inzwischen werden dort wie hier bereits Objekte des Art Déco und sogar der Fünfziger Jahre als antiquarisch gehandelt.592 Diese Ungültigkeit eines festen Kunstbegriffs hat auch Eingang in die Judikative und Legislative gefunden. Denn gerade aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 1. alt GG, der die 590

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 18.

591

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., a.a.O. S. 19.

592

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 7.

153

154

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

„Freiheit der Kunst“ gewährleistet, ergibt sich ein Freiraum, in dem Kunst auf sich gestellt ist. Ausgehend von den Bedürfnissen eines Rechtssystems ist dabei festzuhalten, dass es weder notwendig noch sinnvoll ist, Kunst abschließend zu definieren. Bei den Ansätzen einer Definition, etwa im Urheberrecht oder Zollrecht, sind schnell die Grenzen sichtbar. Überdies bleibt der Kunstbegriff stets im Fluss. So hat der urheberrechtliche Werkbegriff Mühe mit den Kunstbegriffen des 20. Jahrhunderts mitzuhalten. Videos und Fotokunst gelten noch nicht einmal für den Schweizer Zoll als Kunst, gemäß den Gesetzen, auch wenn sie mehrere hunderttausend Euro wert sind.593 So kann in der Praxis eine Entscheidung nur im Einzelfall getroffen werden. Dies ist an der Rechtsprechung bezüglich Kunst erkennbar, die eine Definition von Kunst weitgehend zu umgehen versucht. Indizien für das Recht können nur das Selbstverständnis des Künstlers und das Fremdverständnis des Zielpublikums, der Rezeptionisten, liefern. Meist ist der Künstlerwille eines der wichtigsten Indizien. Aber all diese offenen Fragen zeigen auf, dass es schwierig ist, gerade für den Bereich des Kartellrechts, in dem klare, objektive Linien nötig sind, speziell auch für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes im Sinne des § 20 II GWB, einen Markt nach Kunst fest zu definieren. Es steht daher in Frage, ob nicht die Normen des Kartellrechts sich an die besonderen Gegebenheiten des Kunstmarktes anpassen müssen, um die nötigen Voraussetzungen für eine Anwendung des Diskriminierungsverbotes des GWB auf marktstarke Kunstmessen zu schaffen. Die Fragestellung könnte sogar soweit gefasst werden, ob nicht bei der relevanten Marktabgrenzung, soweit es sich um eine Abgrenzung für Kunstwerke handelt, das Kartellrecht kunstspezifisch geändert werden muss, und so ein Kunstkartellrecht bilden muss, wenn es Anwendung durch die Gerichte finden möchte.

(1.2)

Einteilung nach Kunstkategorien / durch Listen

Abgesehen von der obigen Frage, ob durch die schwierige Definition von Kunst eine Anpassung des Kartellrechts, insbesondere des § 20 II 1 GWB von Nöten ist, könnte zumindest bei unstreitigen Gemälden eine Marktabgrenzung in der Weise in Frage kommen, wie anfangs aufgezeigt wurde, dass jeder Kunststil einen eigenen, in sich abgeschlossenen Kunstmarkt bildet. Der durch das GWB geforderte sachlich relevante Markt würde sich durch eine Zusammenlegung aller auf einer Kunstmesse präsentierten und erlaubten Kunststile ergeben. Ein Markt nach Kunststilen geordnet könnte folgendermaßen gebildet werden: Vorhandene Kunststile auf einer Kunstmesse: 1. Malerei des Informel: Alle

593

Glaus, Bruno und Studer, Peter; Kunstrecht – Ein Ratgeber; Werdverlag, Zürich, 2003, S. 63.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

neuen abstrakten Richtungen umfassend, die Ende der 40er, anfangs der 50er Jahre hervortraten; ausgehend vom „surrealistischen Automatismus“, in den Vereinigten Staaten als „abstrakter Expressionismus“, in Frankreich als „Tachismus“ bekannt. 2. Pop Art: Fast gleichzeitig Ende der 50er Jahre in den Vereinigten Staaten (New York) und Großbritannien (London) entstanden; Versuch, die Gebrauchsgüter des Konsums und die Reklame und Werbung für eine neu definierte Kunst nutzbar zu machen; große Resonanz in den Vereinigten Staaten, da diese Richtung auf amerikanischen Traditionen fußt. 3. Op Art: Eigentlich „Optical Art“; Verwendung optischer Reizeffekte, um Beziehungen zwischen Farbe und Raum und Problemen der Farbe bewusst zu machen. 4. Neuer Realismus: Um 1960 in Paris entstanden; Weiterentwicklung in der Dada-Kunst: Suche nach der Realität in den Dingen des alltäglichen Lebens.594 5. Konzeptkunst: Zusammenfassender Begriff für verschiedenartige Äußerungen, bei denen es den Künstlern eher um theoretische Ideen (daher auch „Ideenkunst“) und Konzepte als um deren Ausführung geht.595 Nicht vorhanden sind folgende Kunststile: 6. Jugendstil, um die Jahrhundertwende – 1914, bis zur Auflösung der berühmten Mathildenhöhe in Darmstadt, sehr viele florale Ornamente. 7. Impressionismus, ab ca. 1860/70, Malstil der unmittelbaren Wahrnehmung. Schaubild: Die Marktbildung durch ein Konglomerat einzelner Kunststile

6

1

2 5

7

3

4

Sachlich relevanter Markt:

Eine solche Abgrenzung würde bedeuten, dass es gerade nicht auf die Sicht der Nachfrager ankäme, sondern der Markt würde von vornherein durch den Kunststil feststehen.

594

Pommerehne, Werner W. und Scheider, Friedrich; „Warum bloß ist ein Rauschenberg so teuer?“ in: Kunst und Wirtschaft von C.-A. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 79.

595

Pommerehne, Werner W. und Scheider, Friedrich, a.a.O. S. 80.

155

156

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Es stellt sich die Frage, ob abgegrenzte Märkte für einzelne Kunststile existieren, oder ob diese sich überschneiden. Grundsätzlich kann man Kunstwerke einzelnen Stilepochen zuordnen. Ausgehend von diesem Grundsatz ergeben sich jedoch 2 nicht unerhebliche Abweichungen. Diese betreffen sowohl die älteren sowie die neuesten Stücke. Es ist bei älteren Stücken gerade nicht unbedeutend, dass, je mehr Zeit vergangen ist, eine Zuordnung zu einer bestimmten Phase immer schwerer wird. Dies bedeutet, dass gerade im Bereich der Antike nur noch eine Zuordnung nach Epochen, oder wie im asiatischen Raum nach Dynastien, zu beobachten ist, und nicht mehr zu einer eng umgrenzten Zeit. Dies betrifft mittlerweile Kunstobjekte bis ins späte 17. Jahrhundert. Eine Rückausnahme ist nur dann möglich, wenn ein Werk einem Künstler direkt zugeordnet werden kann. Kann ein Objekt nur noch dem „Kreis“ oder „Umfeld“ eines früheren Werkschaffenden zugeordnet werden, wird meist die Bestimmung der Zeit schon schwieriger. Dies ist gerade dann der Fall, wenn z.B. die Werkstätte nach dem Tod des Künstlers seine Werke noch länger verbreitet und reproduziert hat. Wenn schon die zeitliche Einteilung schwierig ist, umso schwerer ist dann eine Einteilung nach Stil und Kunstrichtung, falls Künstler ihren Stil geändert, oder sogar einen neuen Stil kreiert haben. Hierbei sei nur das Schaffenswerk von Pablo Picasso erwähnt, der in seinem Leben ein kaum noch überschaubares Gesamtwerk mit den verschiedensten Stilrichtungen geschaffen hat. In diesem Sinne ergibt sich, wie anfangs erwähnt, die zweite Abweichung zu der grundsätzlichen Zuordnungsbarkeit von Kunstwerken. Diese liegt gerade im Bereich der Modernen und Zeitgenössischen Kunst. Denn ein Merkmal des 20. Jahrhunderts war es, dass bedingt durch die Vielzahl von Kunststilen überhaupt eine Trennung von Kunstgattungen häufig unmöglich wird 596, obwohl eine zeitliche Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Diese Ungewissheit ergibt sich in der heutigen Zeit, weil zu viele verschiedenste Richtungen kreiert wurden, diese sich ergänzt haben, als überholt angesehen wurden und vieles mehr. Während noch Richtungen wie der Impressionismus oder Expressionismus klarer abzugrenzen waren, sind am Ende des 20. Jahrhunderts Künstler in einer nicht mehr überschaubaren Anzahl von Stilrichtungen aktiv. Daher kann abschließend festgestellt werden, dass eng umschriebene Märkte für einzelne Kunststile nicht existieren.

(1.3)

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass eine Abgrenzung allein nach den einzelnen Kunststilen, die auf der zu bewertenden Kunstmesse zu finden sind, nicht möglich ist.

596

Baumgart, Fritz, DuMont’s Kleine Kunstgeschichte, Verlag M. DuMont Schauberg, Köln, 1972, S. 304.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Wie die Ausführungen gezeigt haben, existiert kein fest abgegrenzter Markt für einzelne Kunststile. Obwohl schon die Definition von Kunst kaum möglich ist, ist die Zuordnung von Kunstwerken, auch wenn es sich unstrittig um Kunst handelt, zu den einzelnen Epochen und Stilen sehr schwierig. Die Bestimmung und damit letztendlich die Preisbildung von Kunstobjekten ist oft umstritten und schwierig. Während die Zuordnung oft umstritten ist, kann unumstritten eine Marktspaltung in den Markt der Originale und den Markt der Reproduktionen erfolgen. Neben dieser Marktspaltung gibt es noch eine weitere, sehr viel differenziertere Spaltung des Marktes der Originale an Hand des Kriteriums der künstlerischen Qualität. Soweit diese nicht in der subjektiven Vorgenommenheit eines stillen Liebhabers besteht, schlägt sie sich gesellschaftlich messbar in den Preisen der Kunstwerke nieder. Ein Kunstwerk könnte unter Umständen dann wertvoll sein, wenn eine Mehrzahl der Partizipanten der Kunstszene das Kunstwerk für wertvoll erklärt, und diese Überzeugung durch entsprechende Preisangebote zum Ausdruck bringt. Dies äußert sich nach Art der Kunst verschieden: in der Zahl der Theateraufführungen oder Auflagen, ebenso wie im Auktionsergebnis. Es liegt auf der Hand, dass in diesen Fällen die Preise eines Kunstwerks von den ursprünglichen Gestehungskosten, wie sie der Künstler vorgetragen hat, unabhängig sind. Manchmal können sich jedoch, wie festgestellt wurde, als unterste Preisgrenze die Vertriebskosten (Ausstellungen, Versicherungsgebühren, Maklertätigkeit, usw.) manifestieren 597, während sich hingegen die Zuordnungsschwierigkeiten im Preis wiederfinden und diesen stark heben oder senken können. Die Zuordnung ist Teil der in der heutigen Zeit immer stärker werdenden Provenienzforschung, die einen Anteil an der Preisbildung innehat. Letztlich konnte festgestellt werden, dass im Rahmen der Preisbildung die Preise nicht zu den Produktionskosten tendieren, sie folgen vielmehr dem Modell sich selbst erfüllender Prophezeiungen: Wenn ein Kunstwerk als spekulationsträchtig gilt, wird es nachgefragt und damit der erwartete Gewinn herbeigeführt. All diese Schwierigkeiten der Zuordnung und die Tatsache, dass es einen Markt für eng umgrenzte Stile nicht gibt, ergeben den Schluss, dass ein feststehender sachlich relevanter Markt für bestimmte Stile für eine Marktbildung im Sinne der §§ 19 ff GWB nicht angenommen werden kann. Denn auch wenn sich gewisse Sammlerschichten nur für einzelne Kunstrichtungen interessieren oder zum Teil Kunstwerke einen eigenen, immanenten, Interessenten- und Käufermarkt bilden, existiert kein fester Markt. Überdies wäre der zu definierende Markt zu unterschiedlich und zu eng umschrieben, wenn er sich nach den einzelnen Kunst-

597

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17, S. 21.

157

158

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

stilen richten müsste, was nicht im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen liegt. Es kann nicht immer exakt festgestellt werden, welcher Stil auf einer Messe vorhanden ist. Zu sehr ist oft zwischen Experten umstritten, welchem Kunststil ein Objekt angehört, angefangen von den Surrealisten über die Dadaisten, Impressionisten, Expressionisten, etc. Ein solcher, abstrakt abgegrenzter Markt nach einzelnen, eng umschriebenen Kunstrichtungen, ist nicht brauchbar für die Anforderungen des GWB für die Abgrenzung eines sachlich relevanten Marktes.

ccc)

Definition eines Marktes unter Berücksichtigung der Kriterien des Renommees und der Internationalität

Nachdem eine Marktbildung des sachlich relevanten Marktes anhand einzelner Stilrichtungen nicht angenommen werden konnte, könnte sich eine Marktbildung aus anderen Umständen ergeben. So waren weitere Punkte, die von vielen Gerichten in ihren Urteilen angesprochen wurden, die Kriterien der Internationalität und des Renommees als Unterscheidungskriterium für die Begrenzung des relevanten Marktes. Das OLG Düsseldorf urteilte, dass die vier großen Kunstmessen (Köln, Basel, Paris und Chicago) zusammen eine exponierte Stellung erreichten. Dies hätte zur Folge, dass zwischen diesen Kunstmessen eine durch die Internationalität der Kunst und des Kunstschaffens inhärente Interdependenz angenommen werden müsste, die eine, wenn auch numerisch begrenzte, Substitution schaffen würde.598 Dieser Meinung schloss sich das OLG Frankfurt an, indem es nur diese vier Messen als vergleichbar ansah. An diesen Messen müsste sich daher der Markt messen, da höherrangige Messen nicht bekannt seien.599 In einer späteren Entscheidung ging das OLG Frankfurt davon aus, dass durch die wirtschaftliche Bedeutung der Art Frankfurt für Kunstgalerien keine Ausweichmöglichkeit auf andere Messen bestehen würde. Denn es gäbe ohnehin nur eine begrenzte Anzahl solcher Messen, die aber nicht wirtschaftlich vergleichbar mit der Art Frankfurt wären.600 Im Gegensatz hierzu wurde die Art Cologne als einzigartig bezeichnet, und ihr aufgrund dieser Einschätzung ein eigener Markt zugebilligt.601 In einer Entscheidung des OLG Celle geht es im Wesentlichen darum, dass es in Deutschland viele große Kunstmessen gäbe, die international und auch national groß angelegt

598

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U (Kart) 20/86 in WuW/E OLG 4173 (4175).

599

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW-RR 1990, 1069 (1070).

600

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.03.1992 – 6 W (Kart) 31/92 in GRUR 1992, 554 (555).

601

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U (Kart) 20/86 in WuW/E OLG 4173 (4175).

III. Die Definition des „relevanten Markts“

seien. Dies wären die Messe in Berlin, Düsseldorf/Köln, in München, und die Messe in Hannover-Herrenhausen. Sie seien keine regionalen Verkaufsveranstaltungen, sondern international renommierte Messen mit einem Ausstellerkreis aus dem gesamten Bundesgebiet.602 Es wurde hierbei, wie in den anderen Entscheidungen, das Merkmal des Renommees als Abgrenzungskriterium verwandt. Diese getroffenen Einschätzungen gehen davon aus, dass die Merkmale „Renommee“ und „Internationalität“ einer Messe als Abgrenzungskriterium für einen Markt benutzt werden können.

(1)

Das Renommee einer Messe

In einer Einschätzung des Renommees einer Kunstmesse, oder auch der wirtschaftlichen Bedeutung, liegt zugleich die Feststellung der Größe und des Einflusses einer Messe auf dem Kunstmarkt. Jedoch hat die Feststellung der Größe erst nach der Abgrenzung des relevanten Marktes zu erfolgen. Denn je stärker eine Messe auf dem Kunstmarkt ist, desto größer ist ihr Einzugsgebiet, und damit steigt gleichzeitig ihr Ruf. Durch die Feststellung der „Stärke“ und Größe einer Messe wird jedoch deren Rolle auf dem Markt, und damit gleichzeitig deren Marktstärke, beurteilt. Dies ist aber strikt von der Feststellung des sachlich relevanten Marktes zu trennen. Eine solche Beurteilung der Größe ist bei der Feststellung des Beherrschungsgrades eines Unternehmens anhand der Kombination von Marktstruktur- und Marktverhaltenskriterien zu treffen 603, und nicht schon bei der Abgrenzung des Marktes. Insofern stellt das verwendete Merkmal des Renommees einer Messe kein geeignetes Kriterium dar, um den sachlich relevanten Markt zu begrenzen. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der Markt für Kunstmessen durch das Entstehen etlicher neuer Messen in den letzten Jahren in nicht unerheblichem Maße in Bewegung geraten ist. Eine Abgrenzung, wie sie das OLG Düsseldorf einst getroffen hatte, dass die Art Cologne lediglich nur mit den Messen in Basel, Paris sowie Chicago vergleichbar sei, als hochrangige Kunstmessen für Galeristen der Fachrichtung modernen Kunst, ist nicht mehr haltbar.604

(2)

Die Internationalität einer Messe

Weiter wurde durch die Rechtsprechung das Kriterium der Internationalität für eine Abgrenzung verwendet.605 Jedoch stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Bedeutung des Begriffs „International“. Ausgehend von dem

602

OLG Celle, Urteil vom 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 in WuW/E OLG 3897 (3898).

603

Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 103.

604

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

605

Bergmann, Helmut, a.a.O. S.735.

159

160

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Begriff „international“ steht hierfür nur die Bedeutung: „zwischenstaatlich, über die Völkergrenzen hinweg“.606 In Bezug zu Kunst- und Antiquitätenmessen kann dies somit nur bedeuten, dass eine Messe nur dann als international einzustufen ist, wenn in den Teilnahmebedingungen ausländische Aussteller und Besucher nicht ausgeschlossen sind. Dies hat zur Folge, dass die Internationalität einer Messe als Abgrenzungskriterium insoweit benutzt werden kann, als Kunstmessen mit der Möglichkeit von ausländischen Besuchern und Ausstellern zu einem anderen Markt gerechnet werden müssen wie Messen, die diese Möglichkeit nicht zulassen. Dies stellt ein zulässiges Kriterium für eine Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes dar. Nicht jedoch kann man sich der „Internationalität“ im Sinne einer internationalen Bekanntheit der Messe als Abgrenzungskriterium bedienen. Eine solche Einteilung würde wieder auf die Marktstärke einer Messe Bezug nehmen, je größer und stärker eine Messe ist, desto bekannter ist sie, unter Umständen sogar „international“ bekannt. Diese Feststellung ist aber erst nach der Feststellung des sachlich relevanten Marktes zu treffen. Insoweit gehen die erkennenden Gerichte hierbei in der Annahme fehl, dass die Bekanntheit einer Messe, und damit ihr internationaler Ruf, gleichzeitig den Markt begrenzen würden. Dies hätte zur Folge, dass der bekanntesten Messe, und damit der Größten, ein eigener Markt zuzubilligen wäre. Dies ist aber nicht Sinn und Zweck des GWB, möglichst den Markt in kleine Einheiten zu spalten. Vielmehr ist eine Gesamtschau aller Umstände nötig. Und hierbei ist zu beachten, dass in einem Doppelschritt erst der relevante Markt festzustellen ist, und erst in einem zweiten Schritt ist die Marktmacht des Unternehmens auf diesem konkreten Markt zu ermitteln.607 Insofern kann zwar das Kriterium der Internationalität im Gegensatz zu dem Kriterium des Renommees verwendet werden, solange zwischen Messen mit internationalen und Messen ohne internationale Zulassung von Ausstellern und Besuchern unterschieden und insoweit der Markt begrenzt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Aussteller oder Besucher internationale Beteiligung vermisst, wie dies manchmal der Fall ist.608 Vielmehr kommt es auf die rein theoretische Möglichkeit der Beteiligung an. So entstand am Anfang der Art Cologne eine Kunstmesse mit rein deutscher Beteiligungsmöglichkeit, wodurch Art Basel gegründet wurde, um eine Kunstmesse für internationale Aussteller zu schaffen.609

606

Goldmann Lexikon, Taschenbuchausgabe, S. 4666.

607

Tetzlaff, Angelika, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WUW 2/1988, 93.

608

Firsching, Ulrich Raphael, „Euphorisch gaben sich nur wenige“ in: Quelle/Autor: Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching (Stand 08.11.02) abrufbar unter www. kunstmarkt.com.

609

Imdahl, Georg, „Qualität zählt“ in: FAZ, 26.07.2003, S. 41.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Mittlerweile sind internationale Aussteller auf der Art Cologne zugelassen, und die Veranstaltung erfährt einen internationalen Widerhall als Fachmesse der Moderne.610 Im Rahmen dieser Einteilung, Vorhandensein oder nicht Vorhandensein von ausländischen Ausstellern, somit dem Versammeln eines „internationalen“ Galeristenfeldes, ist stets zu beachten, dass hierbei „Internationalität“ die Zulassung von Galeristen aus dem Ausland, und nicht die Ausstrahlungskraft einer Kunstmesse auf ausländisches Publikum bezeichnet. Gerade große Kunstmessen wie die Art Basel oder die Tefaf, die an einer Landesgrenze liegen, beziehen zwangsläufig das Publikum aus den Nachbarstaaten mit ein.611 So kamen von den 262 Galerien der Art Basel 2002 genau 39 aus der Schweiz, 63 aus Deutschland, 50 aus den Vereinigten Staaten, 26 aus Frankreich, 20 aus England und neun aus Asien.612 Überdies wird das Merkmal Internationalität auch nicht durch die Existenz und numerische Begrenztheit von gleichartigen Messen im Ausland geprägt, die vergleichbar wären.613 Denn diese „internationale Vergleichbarkeit“ ist stets umstritten. Während z.T. die Art Cologne als vergleichbar mit den Kunstmessen in Basel, Frankfurt und Chicago gehalten wurde, gilt dies meist nicht umgekehrt. So wurde als vergleichbar mit der Art Basel z.T. nur die TEFAF in Maastricht gehandelt.614 Es kann somit festgehalten werden, dass das Merkmal der Internationalität nur dann als Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes miteinbezogen werden kann, wenn dies die Tatsache der Zulassungsmöglichkeit von nicht-inländischen Galeristen und Künstlern bezeichnet. Die Aspekte der internationalen Bedeutung oder Vergleichbarkeit sind nicht zulässig. Eine Grenze ist jedoch dann zu ziehen, wenn die Möglichkeit „internationaler“ Beteiligung praktisch ausgeschlossen ist, nur rein formal existiert, wie auf regionalen, kleinen Antiquitäten- und Kunstmessen. Eine Aufteilung des sachlich relevanten Marktes aufgrund des „internationalen“ Rufes einer Kunstmesse, wie sie z.T. vorgenommen wurde 615, ist nicht möglich. 610

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

611

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

612

Gropp, Rose-Maria, „Eine Messe ist eine Messe ist – die Kunst“ in: FAZ v. 09. Juni 2002, S. 62.

613

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

614

Gropp, Rose-Maria, „Eine Messe ist eine Messe ist – die Kunst“ in: FAZ v. 09. Juni 2002, S. 62.

615

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4174.

161

162

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

ddd) Die Abgrenzung durch die Bestimmung des Teilnehmerkreises durch Typ und Gegenstand der Veranstaltung Eine Einteilung des Kunstmarktes, isoliert nach Kunststilen, hat zu keinem Ergebnis geführt. Ebenso wenig ist eine Einteilung nach dem Merkmal der Internationalität für eine sachlich relevante Marktabgrenzung geeignet. Das Merkmal des „Renommees“ scheidet aus. Damit könnte sich eine weitere Einteilung des relevanten Marktes im Sinne des GWB danach richten, welche Kunstgebiete auf den Messen ausgestellt oder zugelassen werden in Bezug zu den Richtungen, welche durch die Galeristen nachgefragt werden. Denn ein Markt kann auf verschiedenste Weise durch den Nachfrager oder Anbieter selbst insgesamt abgegrenzt oder in Teilmärkte aufgegliedert werden.616 Dies bedeutet, dass eine Unterteilung danach zu treffen ist, welche Richtungen entweder lt. selbst gesetzten Bedingungen der Veranstalter zugelassen sind, auf der jeweiligen Messe angeboten werden, oder auch welchen Namen sich der Veranstalter für die Messe ausgesucht hat. So definiert sich die Art Cologne gemäß 1.1. der Allgemeinen Teilnahmebedingungen der Art Cologne / Köln Messe (ATB) 617 nur als Ausstellung für die Propagierung und den Verkauf internationaler moderner Kunst. Gemäß 1.2. der Allgemeinen Teilnahmebedingungen ist die Messe dazu bestimmt, ein Bild von der modernen Kunst und der Leistungsfähigkeit der internationalen Galerien in diesem Bereich zu vermitteln. Zugelassen werden hierbei gemäß 4.4 der ATB ausschließlich Werke der internationalen modernen bildenden Kunst. Insofern müssen als Vergleichsmessen alle Kunstmessen betrachtet werden, die auch Galerien mit Werken der modernen Kunst zulassen. Nicht richtig ist hierbei die Auffassung des OLG Düsseldorf, dass nur die vier großen Kunstmessen dem Inhalte nach vergleichbar wären 618, da diese Aufteilung eher durch den Ruf als durch tatsächliche Feststellungen geprägt wurde. Aber es kann nicht darauf ankommen, dass nur Messen vergleichbar wären, auf denen ausschließlich die gleiche Kunstrichtung vertreten ist wie auf der zu beurteilenden Messe. Dies widerspricht der ordnungspolitischen Funktion des GWB, dass mit „bestimmte Art“ nicht Leistungsidentität in jeder Hinsicht verstanden werden kann. Denn maßgeblich ist, dass die Leistungen, in diesem Falle die Kunstmessen, im Wesentlichen die gleichen Eigenschaften aufweisen. Hieraus lässt sich ableiten, dass im Vordergrund nicht ausschließlich die Abgrenzung des

616

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968 S. 131.

617

Allgemeine Teilnahmebedingungen der Art Cologne, abrufbar im Internet: http://www. artcologne.de.

618

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U (Kart) 20/86 in WuW/E OLG 4173 (4175).

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Marktes in die kleinstmöglichsten Einheiten steht, sondern eine Gesamtbetrachtung 619. Überdies existiert, wie obig festgestellt wurde, kein abgegrenzter Markt für moderne Kunst. Insofern kann ein Veranstalter nicht für sich in Anspruch nehmen, er würde nur auf diesem „Markt“ tätig. Er kann zwar die Zulassung durch die Bedingungen auf bestimmte Richtungen beschränken, jedoch wird dadurch nicht der Markt definiert. Vielmehr sind vom Standpunkt der zugelassenen Kunstrichtungen aus sämtliche Kunstmessen als Vergleichsmessen mit zum Markt gehörig zu betrachten, die auch die von der zu beurteilenden Messe zugelassene Kunst in ihren Bedingungen als ausgestellte Objekte erlauben. Daher müssen in eine Marktbetrachtung in Bezug auf die Art Cologne durchgängig alle Kunst- und Antiquitätenmessen miteinbezogen werden, auf denen ebenso moderne Kunst des 20. Jahrhunderts zugelassen wird. In Frage käme z.B. eine Kunst- und Antiquitätenmesse wie die TEFAF in Maastricht, auf der es eine Abteilung Moderner Kunst gibt, wo namhafte Maler und Bildhauer angeboten werden, wie Picasso oder Beuys.620 Insofern kann eine solche Messe als Ausweichmöglichkeit für eine Galerie für moderne Kunst dienen. So könnte auch in den Vergleich die Kunst- und Antiquitätenmesse in HannoverHerrenhausen mit einbezogen werden, die gemäß Ziffer 1. der Ausstellungs- und Teilnahmebedingungen nur der Darstellung des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels und seiner Leistungsfähigkeit dient und gemäß Ziffer 3.b. das vielfältige Angebot des Deutschen Handels auf möglichst hohem Niveau wiederzuspiegeln hat, ohne eine weitere Einschränkung vorzunehmen.621 Während diese Überlegungen den Anschein erwecken, dass hierdurch ein Markt für jegliche Art von Kunst bestehen würde, ergibt sich jedoch eine Differenzierung in dem Moment, in dem Veranstalter in ihren Bedingungen genaue Angaben machen, die sich nicht mehr in Bezug zu anderen Messen setzen lassen. So stellt die Kunstköln gemäß § 2 Absatz 4 der Satzung des Bundesverbandes deutscher Kunstverleger e.V. eine Kunstmesse mit den Schwerpunkten Editionen, Art Brut und Kunst ab 1960 dar, die jährlich stattfindet.622 Sie gehört durch diese Bestimmung mit in den Markt, den die Art Cologne in ihren Bedingungen festgelegt hat. Jedoch schließt sich ihr eigener Marktbereich, den sie durch diese Bedingungen geschaffen hat, mit dem Markt z.B. der Welt-Antik 2002 623 als rei619

Tetzlaff, Angelika, „Sport unter der Kartelllupe“, in: WuW 2/1988, S. 93 (95).

620

Pressemitteilung „Mit Flaubert nach Ägypten“ in: Antiquitäten Zeitung vom 22.02.2002, S. 169.

621

Ausstellungs- und Teilnahmebedingungen für die Kunst- und Antiquitätenmesse HannoverHerrenhausen; Veranstalter: Heckmann GmbH, Unternehmensgruppe Deutsche Messe AG, Hannover.

622

Satzung des Bundesverbandes deutscher Kunstverleger e.V.; abrufbar im Internet unter http://www.bdk.de.

623

Veranstalter: Antiquitäten und Kunsthaus R. Mezger, Donaueschingen.

163

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

ner Antiquitätenmesse aus. Umgekehrt wäre eine Kunstmesse, die keine Einschränkungen enthält, wie z.B. die Art Chicago, deren Conditions of Participation im Jahre 2002 nur Einschränkungen in Bezug auf die Ausführungsarten der Objekte in Ziffer 4. enthält 624, und nicht in Bezug zu einer Periode, als mit zum Markt für alle anderen Kunstmessen einzuordnen. Es ist festzuhalten, dass der Markt nicht in Kunstmessen für moderne Kunst und Kunstmessen mit Schwerpunkt sowohl auf moderner als auch antiker Kunst gespalten werden kann, wie dies z.T. von Gerichten durchgeführt wurde. Vielmehr sind bei der Beurteilung des relevanten Marktes sämtliche Messen und Ausstellungen mit einzubeziehen, die zumindest auch die Kunst zulassen, die auf der zu beurteilenden Messe ausgestellt wird. So ist nicht den Urteilen zuzustimmen, die der Art Cologne einen eigenen Markt für moderne Kunst zugebilligt haben. Dies führt zu einer unnatürlichen Teilung des Marktes „Kunst des 20. Jahrhunderts“, wenn eine Unterscheidung zwischen Kunst- und Antiquitätenmessen und reinen Messen für Moderne Kunst getroffen würde. Denn eine solche Unterscheidung ist dem Markt fremd. Auf beiden Messen ist der Verkauf von Moderner Kunst möglich. Es ist sogar möglich, dass eine Kunst- und Antiquitätenmesse im Bereich der Moderne ein sehr viel erleseneres Angebot besitzt wie eine reine Kunstmesse für moderne Kunst. Denn eine solche kombinierte Messe besitzt die Möglichkeit ein breiteres Publikum zu gewinnen, dass in der heutigen Zeit u.a. auf Kunst als Anlageobjekt achtet und nicht mehr die reine Sammelleidenschaft in sich trägt, und somit bei den Anlageobjekten zwischen verschiedenen Epochen ohne Umstände wechselt. Die Marktabgrenzung, selbst zwischen Kunstmessen mit nur zum Teil sich überschneidenden Kunstgebieten, ist auch stets unter dem Blickwinkel des „Substitutionswettbewerbs“ zu bewerten. Dabei wird unter „Substitutionswettbewerb“ der Wettbewerb verstanden, der von nicht zu einem relevanten Markt gehörenden Produkten auf die in einem relevanten Markt miteinander konkurrierenden Produkten ausgeht.625 Diese Substitution findet jedoch auch auf Kunstmessen statt, die nur begrenzte Überschneidungen aufweisen. Es kann nicht widerlegt werden, dass eine Kunstgalerie mit Schwerpunkt auf der zeitgenössischen Kunst sowohl auf der Art Basel wie auch auf der TEFAF oder der Kunstmesse Köln ihr Angebot eindrucksvoll präsentieren könnte, ohne jeweils Verluste zu erleiden ohne eine „geringere“ Kunstmesse bestücken zu müssen. Alle drei Kunstmessen sind für die betreffende Galerie bestückbar, damit austauschbar und folglich zu einem sachlich relevanten Markt aus der Sicht der betroffenen Galerie gehörig.

624

Conditions of participation Art Chicago 2002, Thomas Blackmann Associates, Inc.; abrufbar im Internet: http://www.artchicago.com.

625

Kleinaltenlamp, Michael, „Die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes von Zeitungen und Zeitschriften“ in: WuW 9/1988, S. 732, S. 741.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Es kann abschließend festgehalten werden, dass sich der Markt für Kunstmessen anhand verschiedenster Kategorien definieren kann. Ein Problem stellt dabei die Begrenzung des sachlich relevanten Marktes durch die Einschränkung der auf einer Kunstmesse zugelassenen Kunststile gemäß den Teilnahmebestimmungen dar.

(1)

Das Problem der Teilnahmebestimmungen

Bei einer Begrenzung des relevanten Marktes anhand der Einschränkungen des Veranstalters könnte der Verdacht aufkommen, dass das subjektive Merkmal zum Schutz des Diskriminierten durch den Diskriminierenden jederzeit beliebig geändert werden könne. So könnten zwei Dinge, nämlich die Abgrenzung des relevanten Marktes einerseits und die Beurteilung der Diskriminierung andererseits in einem Sinn miteinander vermengt werden, die der Gesetzgeber nicht wollte. Jedoch wird nur diese Betrachtung den tatsächlichen Gegebenheiten des Kunstmarktes gerecht. Während auf anderen Gebieten eine Substituierbarkeit der Produkte oder Dienstleistungen leicht durch Techniker zu klären ist, erfüllt ein Produkt die gleichen technischen Spezifikationen wie ein anderes, ist ein Markenartikel wie Asbach geeignet, einen gewissen Bedarf zu decken, so verhält sich dies auf dem Sektor der Kunst nicht so leicht. Kunstrichtungen fließen sehr leicht ineinander über, eine starre Abgrenzung ist nicht möglich, oft umfassen Künstler verschiedene Perioden und Kunststile. Diese Probleme, wobei oft nicht einmal ein einzelnes Kunstwerk einer bestimmten Periode zugeordnet werden kann, verbieten es, eine starre Abgrenzung vorzunehmen. Vielmehr muss das der zu bewertenden Messe gesamte Ausstellungsgut einer solchen Abgrenzung zu Grunde gelegt werden. Dies ergibt sich aber nur aus den Zulassungskriterien, wobei natürlich nicht zu vergessen ist, dass diese durch die tatsächliche Zulassungspraxis modifiziert bewertet werden müssen.

(2)

Die Beschränkungsmöglichkeit des Teilnehmerkreises durch den Veranstalter

Eine Einschränkung des Teilnehmerkreises kann durch die ATB des Veranstalters vorgenommen werden, indem die Kunstmesse z.B. nur bestimmten Gruppen offen steht. Wie dargelegt, ist ein Veranstalter in seiner Entscheidung frei, welchen Rahmen er einer Kunst- und Antiquitätenmesse geben möchte. Dabei ist es ihm unbenommen, den Kreis der Aussteller nach seinen Vorstellungen, denen meist u.a. wirtschaftliche Aspekte zu Grunde liegen, zu formen, wenn er seiner Kunstmesse ein eigenes Profil geben möchte. Neben der obig dargelegten Entscheidungsfreiheit, ob internationale Aussteller zugelassen werden oder nicht, kann er durch Allgemeine Teilnahmebedingungen Voraussetzungen aufstellen, um z.B. nur Aussteller mit der Fachrichtung Moderne Kunst, oder Altertum zuzulassen.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Diese Beschränkungsmöglichkeit definiert wiederum vice versa den sachlich relevanten Markt. Sie ist von dem grundsätzlich vorhandenen Ermessensspielraum des Veranstalters gedeckt und betrifft nicht direkt einen einzelnen Aussteller, sondern legt vielmehr das Aussehen der Kunstmesse fest. Durch diese Definition des sachlich relevanten Marktes auf z.B. die Fachrichtung Moderne werden aber nicht zeitgleich Kunstmessen ausgeschieden, die nicht nur auf diese Fachrichtung spezialisiert sind. Vielmehr sind alle Kunstmessen Teil des Marktes, welcher durch die ATB des Veranstalters geprägt wurde, solange sie entweder ausschließlich oder auch nur zum Teil mit der Fachrichtung der zu bewertenden Kunstmesse korrelieren. Die Beschränkungsmöglichkeit des Teilnehmerkreises ist jedoch nur in Bezug auf Gruppenzuordnungsmerkmale möglich, wie z.B. Kunstrichtungen oder die Festlegung inländische/ausländische Teilnehmer. Weitere Beschränkungen, denen eher Einzelfallcharakter zukommt, müssen vielmehr unter dem Aspekt der Diskriminierung bewertet werden.

(3)

Der Veranstaltungszweck und der Name einer Kunstmesse als Voraussetzung der Beschränkung bestimmter Gruppen

Für die Konstellation, dass keine ausdrücklichen Teilnehmerbeschränkungen in Bezug auf die zugelassenen Fachrichtungen vorliegen, kann eine sachlich relevante Markteinteilung anhand des tatsächlichen Geschäftsgebahrens, des Veranstaltungszweckes und des Namens einer Kunstmesse festgelegt werden. So definiert sich eine reine Kunstmesse für Photographie, auch wenn dies nicht explizit geregelt ist, der Markt aufgrund dieser Kunstrichtung. Dies kann ebenso umgekehrt der Fall sein. Die sehr bedeutende Antiquitätenmesse „Welt-Antik“ die alljährlich in Stuttgart durchgeführt wird, definiert sich schon aufgrund ihres Namens für den Kunstmarkt der Antiquitäten, die Moderne des 21. Jahrhunderts ist bereits begrifflich ausgeschlossen. Durch diese Namensgebung möchte sich die Kunstmesse dem folgenden zu betrachtenden relevanten Markt zuordnen: der Markt für Antiquitäten, eingeschlossen sind dabei Möbel, Gemälde, Schmuck, etc. So kann zwischen der auf die Moderne spezialisierten Kunstköln und der Weltantik ein völlig getrennter sachlich relevanter Markt angenommen werden. Hingegen reicht die Kunstspanne der Art Basel von den Gemälden mit einem Alter von über hundert Jahren bis hin zur Moderne des 21. Jahrhunderts, und somit müssten sowohl die Weltantik als auch die Kunstköln theoretisch mit in dem Markt einbezogen werden, soweit dies nicht noch durch weitere Umstände beeinflusst werden kann. Ein letzter Aspekt für eine Einteilung kann sich daneben aus dem tatsächlichen Geschäftsgebahren ergeben. So sollte die erste süddeutsche Kunstmesse Karlsruhe, nicht verwandt mit der „neuen“ Kunstmesse Karlsruhe, welche von dem Verein „Forum Künstlerinnen“ veranstaltet wurde, ein Forum für die Sparten Malerei, Bildhauerei, Foto, Objekte, Druckgraphik, Installationen, Video und

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Performance sein.626 Durch dieses tatsächliche Moment kann demgemäss eine Marktaufteilung erfolgen, so dass der sachlich relevante Markt in diesem letzten Fall die aufgeführten Sparten in Bezug auf die Moderne umfassen würde. Daher kann auch auf den Zweck der Veranstaltung, und sogar auf den Namen, zurückgegriffen werden, wenn Kriterien für die Definition des sachlich relevanten Marktes benötigt werden.

(4)

Die sachlich relevante Abgrenzung unter Bezugnahmen auf das Bedürfnis der nachfragenden Galerie / Künstler

Eine letzte Definition des sachlich relevanten Kunstmarktes kann sich, ähnlich wie bei dem tatsächlichen Geschäftsgebahren, durch Bezugnahme auf den zugelassenen Teilnehmerkreis ergeben. Begrenzt ein Veranstalter, wie obig dargelegt, den Teilnehmerkreis auf bestimmte Gruppen, so kann sich ein bewerbender Galerist nur auf dieser Kunstmesse bewerben, wenn er das Gruppenmerkmal erfüllt. In diesem Sinne können aber nur Ausweichmessen für ihn als Nachfrager in Betracht kommen, die auch die Zulässigkeit seiner Gruppenzuordnung in ihren allgemeinen Teilnahmebedingungen bejahen. Denn durch die Zulässigkeit ist objektiv erkennbar, gleichgültig welchen Namen eine Kunstmesse trägt oder welche ATB vereinbart wurde, welche Kunstrichtung oder Kunstrichtungen auf einer Kunst- bzw. Antiquitätenmesse auffindbar sein sollen, welchem sachlichen Kunstmarkt sich eine Kunstmesse zuordnen möchte. Nur wenn dies nicht der Fall ist, sollte auf die Kriterien des Namens und des tatsächlichen Geschäftsgebahrens zurückgegriffen werden. Innerhalb der Diskussion muss stets bei der Frage nach den gegenständlichen Grenzen des relevanten Marktes bei Kunstmessen auf die Funktion abgestellt werden, die diesem Begriff im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zukommt. Er soll die Grenzen der Nachfrageelastizität abstecken, also die Frage beantworten, auf welche Kunstmessen ein Galerist zumutbar ausweichen kann, wenn er auf der betreffenden Veranstaltung eine Absage erhält. Dabei kann im Regelfall nur ein Umschalten auf Gleiche oder Gleichartige in Betracht kommen.627 Diese Grundsätze auf den Markt der Kunstmessen übertragen bedeutet, dass es bei Kunstmessen für die Feststellung der maßgeblichen Marktgrenzen nicht nur darauf ankommen kann, ob es andere Messen gibt, die der fraglichen gleichwertig sind bzw. ähnliche Eigenschaften haben. Das wäre zu eng. Entscheidend ist, ob der Galerist ausweichen kann und wird, falls etwa der Veranstalter die Preise für die Ausstellungsfläche nennenswert erhöht. Dabei kommt es auf die Reak-

626

Stadt Karlsruhe, Pressemitteilung für die Zeit Oktober und November 1999, Stand 1.10. 1999.

627

Gleiss, Alfred und Helm, Horst, „Relevanter Markt bei Originalersatzteilen und Originalzubehör“ in: BB 1968, S. 570, S. 571.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

tionsmöglichkeit des Galeristen an. Der Galerist kann in seinem Verhalten Konsequenzen ziehen, wenn ihm die Bedingungen nicht mehr zusagen, die der Veranstalter aufstellt. Und er muss die Konsequenzen ziehen, wenn sein Zulassungsgesuch abgelehnt wird. Dementsprechend ist der sachlich relevante Markt aus der Sicht der nachfragenden Galerien demgemäss abzugrenzen, ob anderweitige Kunstmessen als Alternative, mit ähnlichen Angebotsmöglichkeiten, in Betracht kommen. Dies lässt sich anhand der Art Cologne erläutern. Sie hat sich in den über 30 Jahren seit ihrer Gründung als Deutschlands wichtigste Kunstmesse behauptet und zu ihr werden Galeristen von den Richtungen zeitgenössischer Kunst bis hin zur Kunst des 21. Jahrhunderts tatsächlich zugelassen.628 In diesem Segment des Kunstmarktes bewegt sich folglich diese Veranstaltung. Dabei kommen für einen Aussteller, der die Richtung „Klassische Moderne“ nachfragt, u.a. sogenannte Mischmessen 629 als Ausstellungsgebiet in Frage, die zwar nicht nur sein Gebiet alleinig umfassen, sondern auch noch weitere Gebiete darbieten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in einem solchen Fall das Gebiet auf der betreffenden Mischmesse eine geringere Bedeutung besitzt, oder weniger potentielle Käufer möglich wären. Denn auf diesen Kunstmessen kann er sein Angebot einem Publikum präsentieren, ohne dabei Einbußen befürchten zu müssen.

dd)

Zwischenergebnis

Der sachlich relevante Markt im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nach § 20 II GWB für Kunstmessen definiert sich aus der Sicht der nachfragenden Galerien und Künstler demgemäss, ob neben der nachgefragten Kunstmesse auch anderweitige Kunstmessen als Alternative für den Galeristen in Frage kommen. Der Ähnlichkeit der Kunstmessen darf hierbei nicht zuviel abverlangt werden. Eine Begrenzung in Bezug auf die auf der Messe vertretenen Kunststile und Objekte kann darüber hinaus nur in der Weise erfolgen, dass dem sachlich relevanten Markt nicht Messen zugerechnet werden, auf denen ausschließlich Objekte gehandelt werden, die nicht auf der zu beurteilenden Veranstaltung als Handelsobjekte zugelassen sind. Daher sind alle Messen zu einem Markt zu rechnen, auf denen auch, aber zwingend nicht ausschließlich, die Kunstrichtungen und Ausdrucksarten vertreten sind, die auch auf der zu beurteilenden Messe präsentiert werden, sogenannte Mischmessen. 628

Stadler, Stefanie, „Musen, Maler und Moneten“ in: General Anzeiger Bonn, Abt. Kulturszene Rheinland, abrufbar unter: http://www.general-anzeiger-bonn.de (Stand. 09.02.2002).

629

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Schaubild: beispielhafte Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes 630 1

2 A

B

C

1 = Kunst- & Antiquitätenmesse, Antike + Zeitgenössische Kunst 2 = Kunstmesse, Zeitgenössische und Kunst ab 1960 A = Relevanter Markt für Galerien mit Kunst vor 1900 B = Schnittmenge 1 + 2, relevanter Markt für Galerien mit Zeitgenössischer Kunst C = Relevanter Markt für Galerien mit Kunst ab 1960

Das Schaubild verdeutlicht eine Marktabgrenzung anhand verschiedener Ausgangssituationen. Für eine Galerie mit Kunst ab 1960 käme nur der Marktbereich C in Betracht, für Galerien mit Kunst aus allen Epochen wäre der Marktbereich B, gebildet durch die Märkte A und C relevant und für Kunsthändler mit Kunst ausschließlich vor 1900 der Marktbereich A. Die weitere, z.T. von verschiedenen Gerichten vertretene Abgrenzung, ob es sich um eine international renommierte Messe handelt, oder nur um eine Messe ohne internationales Renommee, stellt für die Beurteilung des sachlich relevanten Marktes kein geeignetes Abgrenzungskriterium dar. Denn sonst würde der im Rahmen des § 20 GWB erforderliche Prüfungspunkt der Marktstärke mit dem der Marktabgrenzung in Konflikt geraten, was unweigerlich zu dem Ergebnis führt, dass die zu beurteilende Messe zumindest immer als marktstark zu bewerten wäre. Dies widerspräche aber dem Sinn und Zweck des GWB. Die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes für Kunstmessen in Bezug zu § 20 II GWB ist einzelfallabhängig und muss in jedem Stadium einer genauen Prüfung unterzogen werden. Nachdem eine Abgrenzung des relevanten Marktes in sachlicher Hinsicht für den Markt der Kunstmessen erfolgen kann, ist weiter zu prüfen, ob nicht räumliche oder zeitliche Spezialmärkte vorhanden sind.631 630

Das Schaubild dient als Beispiel für die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes innerhalb dreier Kunstmessen. Messe 1 bietet Kunst und Antiquitäten an, der Zeitraum der Kunstwerke reicht bis in die Neuzeit, ohne Begrenzung. Messe 2 bietet nur Kunst ab 1960 an. Für eine Galerie mit dem Schwerpunkt auf Antiquitäten kann als relevanter Markt nur der Bereich A angenommen werden, für eine Galerie mit zeitgenössischer Kunst kann dagegen der Bereich B und C als relevanter Markt angesehen werden, so dass diese Bereiche den relevanten Markt in sachlicher Hinsicht bilden.

631

Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in: WuW 4/1961, S. 246, S. 250.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

b)

Räumlich relevanter Markt

Nach der Festlegung des sachlich relevanten Marktes ist als zweite der drei Säulen des relevanten Marktes im Sinne des GWB eine räumliche Marktabgrenzung vorzunehmen.632 Speziell bei Kunstmessen kann diese Abgrenzung problematisch sein, da Kunst international gehandelt wird 633, der je nach Kunstrichtung stärker oder schwächer ausgeprägt ist. Ein Blick in das 19. Jahrhundert zeigt auf, dass in der damaligen Zeit kein einheitlicher Markt, vielmehr viele Nationalmärkte festzustellen waren. In der heutigen Zeit prägen großen Namen den Markt, ob es sich nun um Werke von David Caspar Friedrich oder Andy Warhol handelt. Trotz dieser Internationalität sind noch viele nationale Eigenheiten und Märkte registrierbar. Beispielhaft finden in Deutschland eher Werke von Spitzweg Abnehmer während in Österreich einheimische Maler des 19. Jahrhunderts eher gefragt werden.634 Oft wird in manchen Kunstsparten daher entgegen dem Trend zur Internationalität von Binnenmärkten gesprochen, denn Kunst hat heute noch, in nicht wenigen Fällen, ihre nationalen Grenzen.635 Neben „Einzelmärkten“ existieren auch einige Kunstrichtungen, die internationale gehandelt werden und bei denen nationale Eigenheiten nicht mehr festzustellen sind. Eine solche Kunstrichtung bildet der Impressionismus. Kunstwerke dieser Kunstrichtung werden zwar ohne nationale Schranken gehandelt, aber einen Handelsschwerpunkt bilden dabei die Auktionen in London und New York. Weitere Kunstrichtungen mit ähnlichem Absatzmarkt stellen u.a. der Expressionismus und der Surrealismus dar. Hierbei ist es auch ohne Belang, aus welchem Land der jeweilige Künstler stammt.636 Neben Gemälden hat auch der Möbelsektor eine ähnliche Entwicklung erfahren, speziell wenn es sich um Möbel der Spitzenklasse handelt, wie z.B. Stücke von David Röntgen. In diesem Bereich finden die Stücke international Abnehmer.637 Dagegen hängt der übrige Markt für Möbel sehr von nationalen Gegebenheiten und Trends ab, je nachdem, ob etwa Biedermeier, Jugendstil oder Art Deco nachgefragt wird. Im Bereich der Keramik und des Porzellans war um 1990 festzustellen, dass diese Stücke meist auf Auktionen in London, Genfer und die deutschen Kunstgewerbe632

Markert in Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 2. Auflage 1992, § 26 Rdn. 101.

633

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 133.

634

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 103.

635

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 184.

636

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 167.

637

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 230.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

versteigerungen verteilte.638 Im Bereich der Antike ist wiederum ein internationaler Trend erkennbar, welcher durch die wichtigsten Auktionen in London und New York geprägt wird, wobei auch die Schweiz eine Drehscheibe darstellt.639 Bei den Sammelgebieten der außereuropäischen Kunst ist ein Weltmarkt vorhanden, wobei speziell im Asiatika-Sektor ein starker Rückfluss von Kunstwerken in deren Ursprungsländer zu verzeichnen ist.640 Jedoch ist trotz dieser Internationalität des Kunstaustausches zu beachten, dass grundsätzlich bei wirtschaftlichen Unternehmen, also auch bei Galeristen, alle Anbieter und Nachfrager von Waren durch Geschäftsniederlassung oder Wohnsitz irgendwie standortmäßig gebunden sind. Daraus folgt, dass oft nur wenige Marktteilnehmer, die marktgleiche Güter anbieten oder nachfragen als Austauschpartner füreinander in Frage kommen. Die Grenzen des Marktes ergeben sich aus der Notwendigkeit der Raumüberbrückung. Sie können dabei verschiedene Ursachen, wie gesetzliche, natürliche, technische oder wirtschaftliche Ursachen haben. Ferner kann die räumliche Ausdehnung des Beschaffungs- oder Absatzgebietes administrativ festgelegt sein.641 Dabei ist für die räumliche Marktabgrenzung im Allgemeinen das Bedarfsmarktkonzept anzuwenden. Maßgeblich sind mithin die Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite. Entscheidend für die Zugehörigkeit zu ein und demselben räumlichen Markt ist mithin, welche Kunstmessen aus der Sicht der Bewerber, Galeristen, Künstler, etc., gleichwertig sind, d.h. zur Deckung desselben Bedarfs in Betracht kommen. Das wiederum richtet sich entscheidend nach den Ausweichmöglichkeiten, wie sie bei realistischer und kaufmännischer vernünftiger Betrachtung bestehen.642 Folglich ist bei der wirtschaftlichen Betrachtung der maßgebliche räumliche Markt so abzugrenzen, dass er das Gebiet erfasst, in dem die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen beim Absatz der relevanten Produkte dem wirksamen Wettbewerb aktueller Konkurrenten ausgesetzt sind. Hier müssen die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sein und sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterschei-

638

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 250.

639

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 269.

640

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 282.

641

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 127.

642

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033, 1036.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

den. Dieser Markt kann im Einzelfall größer oder kleiner als das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sein. Dabei wurde bisher für die Feststellung der Voraussetzungen für die formale und materielle Anwendung des GWB der relevante räumliche Markt allenfalls so groß wie das Bundesgebiet aufgefasst.643 Ob diese Begrenzung durch die Umbrüche und Novellierungen der Gesetzestexte der Europäischen Union noch erhalten werden kann, steht jedoch in Frage. Somit befinden sich insbesondere zwei Fragen im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung. Einerseits ist zu klären, ob der relevante räumliche Markt maximal das Gebiet der Bundesrepublik umfassen könnte, oder sogar Europa. Hierbei stellt sich das Problem, dass die Ausstrahlungskraft einer international renommierten deutschen Kunstmesse nicht an den nationalen Grenzen endet und zumindest die anderen europäischen Messen, wie Basel und Paris, auch das interessierte Publikum der Bundesrepublik Deutschland einbeziehen.644 Andererseits ist zu klären, wie die tatsächlichen und wirtschaftlichen Marktbewegungen der Kunstmessen eine Marktbegrenzung rechtfertigen könnten.

aa)

Die maximale äußere Grenze

Bei der Fragestellung nach der Abgrenzung des räumlich relevanten Raumes bedarf es zunächst der Klärung, ob internationale Kunstmessen schon im Rahmen des üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehrs zu beachten sind, was erhebliche Auswirkung auf die Feststellung der Marktstärke haben kann, oder ob deren tatsächliche Existenz erst im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen ist. Aber nicht nur auf der Weltebene, sondern speziell im europäischen Bereich wird oft von einer „inhärenten Interdependenz“ zwischen den führenden Kunstmärkten in Köln, Basel, Paris und Chicago ausgegangen, wie das OLG Düsseldorf 1987 in einem Urteil zu der Art Cologne feststellte.645 Der Ansicht des damals entscheidenden Senats sei richtigerweise ein Weltmarkt für die Märkte und Messen der Kunst des 20. Jahrhunderts anzunehmen. Schon aus der Formulierung in diesem Urteil, „die europäischen Messen müssten als ‚gleich nah‘ und gleichwertig bezeichnet werden“, sowie aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen, lässt sich entnehmen, dass das OLG zumindest einen europaweiten Markt für Kunstmärkte zugrunde legt, auch wenn es dies nicht „expressis verbis“ zu erkennen gibt. Diese Zurückhaltung war wohl auf die ständige Praxis des Bundeskartellamts zurückzuführen, dass als größtmöglichen räumlich relevanten Markt das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland an-

643

BKartA, Beschl. v. 09.10.2000, Gesch.-Z.: B 7 64203 – U – 168/00, S. 6.

644

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

645

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

nimmt und die Einflüsse des internationalen Wettbewerbs erst bei der eigentlichen Prüfung der Marktbeherrschung berücksichtigt.646 Zunehmend und mit guten Gründen wird diese traditionelle Auffassung jedoch angegriffen. Zugegebenermaßen lässt sich hierüber in vielen Bereichen streiten. Auf jeden Fall muss eine Ausdehnung des tatsächlichen Marktes über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus im Bereich der Kunst des 20. Jahrhunderts erfolgen. Gerade in der heutigen Zeit stellen nationale Grenzen keine wirklichen Schranken für den Wettbewerb dar. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass auf allen wichtigen Kunstmärkten ein gleich bleibender Personenkreis von Galeristen, Kunsthändlern, Museumskuratoren, privaten Sammlern, Kritikern und sonstigen Kunstliebhabern anzutreffen ist. So eröffnet und erweitert dieser internationale Kulturgütertransfer den Horizont und ist ein Gewinn für alle Beteiligten.647 Trotz dieser Internationalität des Kulturhandels ist aufgrund des GWB der räumlich relevante Markt im Wege der Radiusbetrachtung um den jeweiligen zu beurteilenden Standpunkt abzugrenzen.648 Dies vorausgeschickt, umfasst der räumlich relevante Markt dasjenige Gebiet, welches ein Galerist aus Kostengesichtspunkten sowie nach dem Kriterium logistischer Optimierung bedienen kann. Es handelt sich um denjenigen Kreis von Kunstmessen, den ein Bewerber bestücken und in dem sie (aktuell oder potenziell) im Wettbewerb mit anderen Galerien stehen kann. Im Notfall ist dann auf eine Radiusbetrachtung zurückzugreifen, wenn keine anderweitigen aussagekräftigen Abgrenzungskriterien vorhanden sind.649 Während dieser Betrachtung stellt sich die Frage, welche Grenzen einer solchen Betrachtung gesetzt sind, sei es, dass diese natürliche oder gesetzliche Ursachen hat. Eine der Hauptfragen besteht darin, ob es bei einer Marktbewertung auf die Stellung der Kunstmesse auf dem internationalen Markt oder nur auf die nationale Bedeutung der Kunstmesse ankommt, wie es das OLG für die Art Cologne entschieden hat. Dabei wurde festgestellt, dass es bei einer Kunstmesse wie der Art Cologne nicht auf die Stellung im internationalen Markt ankommt, sondern allein die nationale Bedeutung zähle.650 Daher definiert sich die nachfolgende Fragstellung danach, ob der räumlich relevante

646

Bergmann, Helmut, a.a.O. S. 737.

647

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 7.

648

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033.

649

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033, 1036.

650

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001).

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Markt im Sinne der Kontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen allenfalls so groß wie das Bundesgebiet sein kann, oder größer aufgefasst werden muss.651

aaa)

Anwendungsbereich des GWB 652

Vor der zu treffenden räumlich relevanten Marktabgrenzung ist der Anwendungsbereich des GWB in Bezug auf Kunstmessen festzulegen. Es kommt dabei ein Anwendungsbereich in Betracht, welcher entweder nach bisheriger Auffassung nur das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik umfasst, aufgrund der europäischen Regelungen auch das Gebiet der Europäischen Union einschließt oder sogar einen Weltmarkt beinhaltet. Eine Begrenzung oder Erweiterung des Marktes hat dabei große Auswirkungen auf die Feststellung der Marktstärke einer Kunstmesse und somit auf die nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen anwendbaren Normen. Hinsichtlich der Größe des räumlich relevanten Marktes steht nach der Änderung des GWB im Jahre 1998 in Frage, ob der räumlich relevante Markt über die Bundesrepublik Deutschland hinaus auszudehnen ist, oder nicht. Vor der Änderung des GWB bildete der deutsche Markt, auch wenn der wirtschaftliche Markt größer war, ein relevanter Teilmarkt, dessen Grenzen auf dem GWB selbst beruhten.653 Nur dieser Teilmarkt war einer Entscheidung zu Grunde zu legen. So urteilte das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1992 in Bezug auf die Art Frankfurt, dass der relevante Markt sich räumlich maximal auf den Geltungsbereich des GWB erstreckt. Im Rahmen einer Beurteilung des § 26 II GWB a.F. könnten daher nur die sich der Marktgegenseite im Inland bietenden Ausweichmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.654 Folgerichtig ging das Gericht davon aus, dass neben der Art Frankfurt noch zu dem Markt die Art Cologne, und evtl. die Kunstmessen in München und Hamburg zu zählen seien, aber nicht die Kunstmessen in Frankreich und der Schweiz. Diese Auffassung der Gerichte wurde durch eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1995 ge-

651

BGH, Beschl. V. 24.10.1989 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, S. 107.

652

Nach Annahme der vorliegenden Arbeit wurde durch den BGH in einem Beschluss v. 05.10.2004, BGH Beschl. v. 05.10.2004 in JZ 2005, S. 467 f, entschieden, dass der räumlich relevanten Markt nur noch nach ökonomischen Gesichtspunkten abzugrenzen sei. Damit wurde der langjährige Grundsatz aufgegeben, dass der räumlich relevante Markt maximal so groß wie der Geltungsbereich des Gesetzes sein kann. Der Verfasser ist jedoch der Ansicht, dass das Anwendungsgebiet des GWB die maximal äußere Grenze des räumlich relevanten Marktes darstellt. Außerhalb des Marktes liegende Einflüsse sind im Rahmen der zu treffendenAbwägung zu berücksichtigen.

653

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968 S. 128.

654

OLG Frankfurt, Urteil vom 17.03.1992 – 6 W (Kart) 31/92 in GRUR 1992, 554 (555).

III. Die Definition des „relevanten Markts“

festigt, in der ausdrücklich festgelegt wurde, dass nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen der räumlich relevante Markt allenfalls so groß wie das Bundesgebiet sein kann. Denn nach dem Gesetz kam es bisher nur darauf an, ob im Inland eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird.655 Jedoch könnte diese Praxis der deutschen Gerichte, dass sie, unter Ausblendung des europäischen Binnenmarktes, als räumlich relevanten Markt grundsätzlich höchstens das Bundesgebiet anerkannte, während Auslandsmärkte, selbst wenn sie mit dem deutschen Markt eine wirtschaftliche Einheit bildeten, nicht berücksichtigt wurden, nach der Änderung des GWB nicht mehr vertretbar sein. Die Verengung des Blickfeldes könnte nicht die Billigung des Gesetzgebers in der sechsten Novelle von 1998 gefunden haben. So bestimmt jetzt § 19 II 1 Nr. 1 GWB ausdrücklich, dass bei der Ermittlung der Marktstellung eines Unternehmens unter anderem der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb Deutschlands ansässiger Unternehmen zu berücksichtigen ist. Hierdurch könnte klargestellt worden sein, dass der räumlich relevante Markt ausländische Märkte umfassen kann 656, somit wären die Grenzen der räumlichen Marktabgrenzung nicht durch den Anwendungsbereich des GWB gesetzt. Andererseits ist es aber möglich, dass die am 1.1.1999 in Kraft getretene GWB Novelle an der bisherigen Rechtslage nichts geändert hat. So beschränkt § 130 Abs. 2 GWB den Anwendungsbereich des Kartellgesetzes ausdrücklich auf solche Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Inland auswirken. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach der Lehre vom Auslandssachverhalt mittlerweile der deutsche Gesetzgeber anerkannt hat, dass ein anwendbares deutsches Gesetz durchaus einen Auslandssachverhalt betreffen kann, Art. 43 Abs. EGBGB. Andererseits kann in Anwendung von § 130 Abs. 2 GWB der räumlich relevante Markt nur so groß wie das Bundesgebiet sein, aufgefasst werden wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Markt an sich größer abzugrenzen wäre. Denn es geht um die Relevanz des zu bestimmenden Marktraums für die formelle und materielle Anwendung des GWB, wie es dass OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Jahre 2000 in Bezug auf die Art Cologne festgestellt hat.657 Dementsprechend würde § 19 II Nr. 1 1 GWB an der Definition der räumlichen Marktabgrenzung keine Änderung bewirken, da diese Norm nur klarstellen sollte, dass auch ausländische Unternehmen, deren Geschäftspolitik den deutschen Markt betreffen, bei einer Betrachtung des Wettbewerbes innerhalb von Deutschland zu berücksichtigen sind. Weiter geht das Bundeskartellamt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des BGH aus

655

BGH, KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, 107 (112).

656

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 172.

657

OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 in WuW 3/2001, 285 (288).

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

dem Jahre 1995 658 sowohl in seinen Entscheidungen aus dem Jahre 2000 659 und 2001, hier unter der Prämisse eines weltweiten Marktes 660, davon aus, dass der räumlich relevante Markt nur so groß wie das Bundesgebiet sein kann. Es stellt sich dabei nun die Frage, ob überhaupt eine Möglichkeit existiert, den räumlich relevanten Markt über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland auszudehnen. Eine solche Ausdehnung würde aber nur dann eine Möglichkeit bilden, wenn die Galerien auf Messen in anderen Staaten Rahmenbedingungen vorfinden würden, die den rechtlichen Gegebenheiten im Inland ähnlich sind, auch wenn gegebenenfalls der tatsächliche wirtschaftliche Markt weit über die deutschen Grenzen hinausragt. In Betracht kommt dabei sowohl eine Erweiterung des Marktes auf EU-Staaten, europäische Non-EU Staaten und nicht europäische Staaten. Diese Erweiterung wäre nur der Fall, wenn in tatsächlicher, wirtschaftlicher und gesetzlicher Hinsicht ausländische Kunstmessen als Ausweichmöglichkeiten für inländische Galerien und Künstler in Betracht kämen. Hierbei sind für die einzelnen Bereiche speziell die rechtlichen Rahmenbedingungen, die während dem Handel mit Kunstwerken auf Kunstmessen auftreten können, näher zu betrachten. Diese Rahmenbedingungen könnten ein Indiz geben, ob Kunstmessen im Ausland für einen Galeristen / Aussteller als Ausweichmöglichkeiten in Betracht gezogen werden können, oder ob nicht die Unterschiede aufzeigen, dass ein Ausweichen nicht in Frage kommen kann. Ein solches Ausweichen wäre dann abzulehnen, wenn durch die Unterschiede völlig verschiedene Ausgangssituationen für einen sich bewerbenden Aussteller zu verzeichnen wären.

bbb) Das Verhältnis zu nichteuropäischen Ländern Als Ausweichmessen für Galeristen wurde unter anderem durch das OLG Düsseldorf die Kunstmesse in Chicago benannt.661 Diese wurde dann im Rahmen der Bestimmung der Markstärke berücksichtigt. Dabei blieb grundsätzlich nicht unberücksichtigt, dass Kunst deutlich internationale Aspekte besitzt. Vor allem erstklassige zeitgenössische Kunst kennt keine nationalen Grenzen. Entsprechend sind die Entscheidungsträger in allen größeren Museen sowie in der Kunstwelt international ausgerichtet. Ein grenzüberschreitender Austausch von Kunst und Kultur wird sehr befürwortet und erfolgt grundsätzlich unter anderem auch durch den internationalen Handel.662 Jedoch ist es sehr fraglich, ob 658 659 660 661

662

BGH, Beschluss vom 24.10.1995 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in BGHZ 131, 107. Bundeskartellamt, Beschluss vom 9.10.2000, Gesch.-Z.: B 7 – 64203 – U 168/00, S. 6. Bundeskartellamt, Beschluss vom 10.10.2001, Gesch.-Z.: B 7 – 31100 – U – 127/01, S. 6. OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4174. Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 148.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

überhaupt Kunstmessen im nichteuropäischen Ausland mit in den räumlich relevanten Markt einbezogen werden können, auch wenn der Handel sich in internationalen Bahnen bewegt. Dies betrifft sowohl Messen in den Vereinigten Staaten als auch in Russland oder anderen Staaten. Zu beachten ist dabei, dass ein räumlicher Markt nur dann Berücksichtigung finden könnte, wenn dies vom Gesetzgeber tatsächlich bezweckt wurde. So sind einige Autoren der Auffassung, das sich dieser Zweck aus dem § 19 II Nr. 1 GWB ergäbe. Dabei könne der räumlich relevante Markt je nach den Marktverhältnissen auch ausländische Märkte umfassen – bis hin zur Maßgeblichkeit des Weltmarktes.663 Diese Auffassung geht jedoch zu weit. Es kann nicht Sinn und Zweck der Marktabgrenzung sein, Teilmärkte einzubeziehen, auf die ein Unternehmen weder Einfluss hat, noch die Möglichkeit, von der gesetzlichen und tatsächlich wirtschaftlichen Situation Kenntnis zu nehmen. Zwar existiert zum Beispiel in den USA mit dem Sherman Act ein Gesetz, wonach jeder Zusammenschluss, jede Verabredung mit dem Ziele oder der Wirkung einer Handelsbeschränkung ungesetzlich und verboten ist. Dies gilt insbesondere für Monopole oder monopolistische Bestrebungen.664 Jedoch war die rechtliche Beurteilung von insbesondere vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen im US-amerikanischen Kartellrecht besonders in den 80er Jahren sehr wechselvoll. Bei zahlreichen vertikalen Beschränkungen schwankte die Rechtsprechung zwischen per-se-Verboten und der Anwendung der rule of reason. So unterliegen einem per-se-Verbot heute nur noch die vertikale Preisbindung, mit Einschränkung die Kopplungsverträge, Klauseln über zwingende Gegenseitigkeitsgeschäfte und schließlich auch Lieferverweigerungen zur Durchsetzung von Kopplungsverträgen und Preisbindungen. Nach der rule of reason dagegen ist die zweite, größere Gruppe von Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen. Sie umfasst die bereits erwähnten Kunden- und Gebietsbeschränkungen, alle sonstigen Lieferverweigerungen (z.B. wegen Nichterfüllung qualitativer Anforderungen durch das Vertriebsunternehmen), die Zuteilung von Alleinvertriebsgebieten, Ausschließlichkeitsbindungen sowie unter bestimmten Voraussetzungen Kopplungsverträge.665 Neben diesen Differenzierungen unterscheidet jedoch das amerikanischen System gleich dem deutschen System im Kartellrecht zwischen dem Produktmarkt und dem räumlichen Markt, wobei dies auf zwei Stufen erfolgt. Auf der ersten Stufe wird lediglich ungefähr abgegrenzt, während die „Feinabstimmung“ auf der zweiten Stufe erfolgt.666 663

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 174.

664

KG Berlin, Urt. v. 07.10.1952 – 5 U 978/52 „Filmmusik“ in WuW/E OLG, S. 29, S. 30.

665

Dreher, Meinrad, „Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen im US-amerikanischen Kartellrecht nach den Vertical Restraints Guidelines des US- Justizministeriums“ in: DB 1986, S. 93.

666

Dreher, Meinrad, a.a.O. S. 93.

177

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Somit besteht zumindest eine vergleichbare kartellrechtliche Situation. Jedoch sind die wirtschaftlichen Verhältnisse sehr verschieden von den deutschen oder sogar europäischen Situationen. Dies betrifft die gesetzliche Lage im Hinblick auf das Ausstellungsrecht, die Ein- und Ausfuhr von Kunstwerken und die Arbeitssituation. Überdies existiert keine gemeinsame Regelung, wie sie durch die europäische Union geschaffen wird und wurde, die eine Annäherung zuließe. Daher sind eine Ausweitung des räumlich relevanten Marktes, und damit die Feststellung der Marktstärke einer Kunstmesse in Deutschland unter Einbeziehung der amerikanischen Messe, nicht möglich. Wenn schon die Vereinigten Staaten nicht im Rahmen der Marktabgrenzung Berücksichtigung finden können, obwohl sie am stärksten an Europa wirtschaftlich und rechtlich derzeit angenähert sind, können weitere nichteuropäische Staaten überdies nicht berücksichtigt werden. Zwar betreibt ein beträchtlicher Teil der größeren Handelsunternehmen grenzüberschreitende Transaktionen, aber er ist dabei gebunden durch Ausfuhrrestriktionen von Seiten der nationalen Regierungen. Dabei versuchen einige aufgrund der wirtschaftlichen Anreize, die entsprechenden Vorschriften, Auflagen und Verbote so gut wie möglich zu umgehen.667 Gerade diese Umgehungsversuche zeigen deutlich, dass ein Weltmarkt im Rahmen des GWB speziell für Kunstmessen nicht angenommen werden kann. Überdies sind die Transport- und Frachtkosten für eine Verschiffung sämtlicher Kunstwerke eines Galeristen für die meisten Händler nicht tragbar, somit steht einem Ausweichen schon die Begrenzung durch wirtschaftliche Aspekte entgegen.

ccc)

Das Verhältnis zu europäischen Ländern

Eine differenzierte Betrachtungsweise könnte sich im Verhältnis zu den europäischen Ländern ergeben. In Europa fallen oft Transportkosten nicht so stark ins Gewicht wie bei einer Verschiffung. Die meisten Kunstmessen können von Deutschland aus innerhalb weniger Stunden angefahren und bestückt werden. Weiterhin entsteht durch die europäische Union langsam eine Rechtseinheit, welche sowohl die rechtlichen Vorsaussetzungen des Handels mit Kunst als auch anderen Gesetzen und Normen, wie das Kartellrecht, betrifft. So stellte das OLG schon 1987, trotz damals fehlender rechtlicher Gemeinsamkeiten, eine Zugehörigkeit der Kunstmessen Köln, Basel und Paris zu einem einheitlichen Markt fest.668 Mithin gehört heute nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch im Europäischen Binnenmarkt die Warenverkehrsfreiheit zu den Grundfreiheiten. Dabei unter667

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S.; Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 147.

668

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

liegt der Handel mit Kulturgütern grundsätzlich den Vorschriften über den freien Warenverkehr, Art. 23 bis 31 EGV. Diese Bestimmungen bilden eine der Grundsäulen der Gemeinschaft. Der freie Binnenmarkt soll den freien Verkehr von Waren, wozu auch die Kulturgüter gezählt werden, Personen, Dienstleistungen und Kapital ermöglichen. Indes erlaubt Art 30 EGV, ausnahmsweise von diesem Prinzip abzuweichen: Demnach sind Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen zulässig, sofern sie dem Schutz des nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert dienen; was nationales Kulturgut im Sinne dieser Bestimmung ist, legen die einzelnen Mitgliedstaaten fest. Diese Bestimmung soll einerseits einen Ausgleich zwischen dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt der Gemeinschaft und andererseits dem Bedürfnis der Mitgliedsstaaten schaffen. Kulturgüter von besonderer kultureller Bedeutung sind als nationales Kulturgut einzustufen, um sie vor Abwanderung zu bewahren. Da die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft wurden, besteht die Gefahr, dass Kulturgüter aus dem kulturellen Erbe eines Mitgliedsstaates über einen anderen Mitgliedsstaat in ein Drittland verbracht werden. Um dies zu verhindern, wurden zwei Instrumente verabschiedet: Ein Rückführungsinstrument in der EG-Richtlinie 93/7 und ein Überwachungsinstrument in der EG-Verordnung 3911/92. Diese Instrumente ergänzen sich und bilden ein allgemeines Schutzsystem für den Verkehr im europäischen Binnenmarkt.669 Aber auch im Kartellrecht fand eine Europäisierung aufgrund der 6. GWB Novelle im Bereich der Regelungen für marktbeherrschende und marktstarke Unternehmen statt. Diese sollte vor allem darauf abzielen, die äußerst zahlreichen, zum Teil erst mit späteren GWB-Novellen geschaffenen Einzeltatbestände des deutschen Rechts wieder auf einige wenige, eindeutig gefasste und systematisch zutreffend eingeordnete Tatbestände zurückzuführen. In diesem Zusammenhang sollten Einzeltatbestände, die im europäischen Recht keine Entsprechung und in der Sache neben §§ 22, 26 GWB keine Berechtigung haben, aufgegeben werden. Dies gilt vor allem für § 27 GWB, dessen – geringer – Anwendungsbereich sich weitgehend mit § 26 Abs. 2 GWB deckt, so dass dem Abgelehnten regelmäßig schon ein zivilrechtlicher durchsetzbarer Aufnahmeanspruch in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung zusteht.670 Aber auch vor dieser Novelle galt der Grundsatz, dass die europäische Fusionskontrolle nicht dazu führt, die Fusionskontrolle nach GWB über dessen Geltungsbereich hinaus auszudehnen. Die europäische Fusionskontrolle hatte sich nur auf Zusammenschlüsse von Unternehmen erstreckt, die bestimmte Größen669

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 38, 39.

670

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 902.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

kriterien erfüllen. Sie überlässt es damit aber nicht den Mitgliedstaaten, die Kontrolle über die anderen in mehreren Staaten tätigen Unternehmen auszuüben. Die europäische Fusionskontrolle verfolgte schon damals Wettbewerbsbeschränkungen, die den Handel im gemeinsamen Markt beeinträchtigten und galt nicht im nationalen Anwendungsbereich des GWB.671 Denn die Tätigkeit eines Unternehmens im Ausland gehörte nur dazu, wenn sie Folgen für den inländischen Markt hat. Eine marktbeherrschende Stellung eines deutschen Unternehmens auf einem ausländischen Markt wurde durch die Zusammenschlusskontrolle des GWB deswegen nur erfasst, wenn sie sich im Geltungsbereich des GWB auswirkte, also auf die Marktstellung des Unternehmens im Inland Einfluss hat. Die Fusionskontrolle erforderte für eine Untersagung den Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung. Es musste wie im Rahmen des § 20 II GWB n.F. daher die Stellung eines Unternehmens auf einem bestimmten Markt untersucht werden. Hierzu gehört nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB a.F. auch das Verhältnis zu seinen Wettbewerbern; denn von ihnen hing es schon in früheren Zeiten ab, ob der Wettbewerber seine Kontrollfunktion behalten hatte, oder ob einem Unternehmen ein vom Wettbewerber nicht oder nicht mehr hinreichend kontrollierter Verhaltensspielraum zur Verfügung stand. Dabei handelte es sich um die Wettbewerber auf dem inländischen Markt; eine Vermachtung des Marktes erfolgt zu ihren Lasten. Die Freiheit des Wettbewerbs konnte nach der Kompetenz des deutschen Gesetzgebers nur für das Inland erstrebt und durchgesetzt werden. Die Wettbewerbsstrukturen, die das GWB durch die Fusionskontrolle schützen wollte, lagen in seinem Geltungsbereich. Bereits hieraus ergab sich eine entsprechende Begrenzung des GWB. Darüber hinaus ließ § 24 GWB eine Ausdehnung nicht zu.672 Eine Änderung ergab sich durch die 6. Novelle des GWB wiederum nicht. Die Bundeskartellbehörden legten bei Ihren Prüfungen, wie die Rechtsprechung, einer Marktbetrachtung stets das Bundesgebiet als möglichste Obergrenze zu Grunde. Durch diese Anwendung der neuen Regelungen der 6. Novelle blieb es somit bei dem Grundsatz, dass, solange die nationalen Kartellbehörden überwiegend Zusammenschlüsse zu prüfen haben, die vor allem den Wettbewerb im Inland betreffen, es zumindest vorerst bei einem räumlich relevanten Markt in der Größe des Anwendungsbereiches des Gesetzes verbleibt. Eine erneute Änderung der kartellrechtlichen Bewertungsmaßstäbe könnte sich aus der neuen Kartellverfahrensverordnung (EG) Nr.1/2003 ergeben. Denn Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bringt eine Veränderung auf der Ebene des materiellen Rechts, nämlich für das Verhältnis zwischen Art. 81 EG und

671

KG Berlin, Beschl. v. 28.06.1991 – Kart. 25/89 „Hotelgeschirr“ in: WuW/E OLG, S. 4865.

672

KG Berlin, Beschl. v. 28.06.1991 – Kart. 25/89 „Hotelgeschirr“ in: WuW/E OLG, S. 4865, S. 4881.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

nationalem Wettbewerbsrecht: Soweit eine Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, also die Anwendungsschwelle des EG Wettbewerbsrechts erreicht, müssen die nationalen Wettbewerbsbehörden auch Art. 81 EG anwenden. Dies bedeutet, dass die Vereinbarung auf Grund nationalen Rechts nur noch dann verboten werden kann, wenn sie auch nach Art. 81 EG verboten ist. Eine solche Verdrängungswirkung wird jedoch nicht für den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG angeordnet. Insoweit bleibt § 20 GWB weiterhin anwendbar.673 Bevor jedoch abschließend geklärt werden kann, wie groß der räumlich relevante Markt zu fassen ist, muss in einzelnen Betrachtungen die jeweilige Situation des Galeristen bei einem Auftreten auf ausländischen Märkten erörtert werden. Speziell der Sektor Kunstmarkt lässt sich hierbei als gutes Beispiel anführen. Es werden von den deutschen Gerichten am häufigsten die folgenden vier großen Messen verglichen: Die FIAC in Paris, die Art Basel in der Schweiz, die Art Chicago und die Art Cologne. So findet man eine Kunstmesse im europäischen Rechtsraum, FIAC in Paris, eine Kunstmesse auf europäischem Boden, aber nicht im europäischen Rechtsgebiet, die Art Basel, und eine Kunstmesse, die keinerlei Bezüge zu den beiden Gebieten aufweist, die Art Chicago. Es stellt sich hierbei die Frage, ob diese Messen tatsächlich und rechtlich eine geeignete und zumutbare Ausweichmöglichkeit, auch im Rahmen eines Rechtsstreits mit dem jeweiligen Veranstalter, darstellen.

(1)

Die rechtliche Situation in anderen europäischen Ländern im Bereich des Kunstrechts

Der internationale Handel, auch in Europa, ist stark durch Ausfuhrverbote für Kunstwerke geprägt. So können die Steuervorschriften sowie die Regelungen hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs eine Rolle bei der Entscheidung eines Käufers oder Verkäufers von Kunst bei der Frage spielen, in welchem Land das betreffende Objekt gehandelt werden soll. Dabei vollzieht sich gerade im privaten Kunsthandel ein beträchtlicher Teil der Transaktionen grenzüberschreitend. Gerade Ausfuhrrestriktionen von Seiten der nationalen Regierungen in den kommerziellen Aktivitäten haben oft den Anreiz, entsprechende Vorschriften, Auflagen und Verbote so gut wie möglich zu umgehen.674 Aus diesen Gründen kann die rechtliche Situation in anderen Ländern insoweit ein Indiz für eine Marktabgrenzung darstellen. Unterschiedliche rechtliche Regelungen im Bezug 673

Weitbrecht, Andreas, Die neue Kartellverfahrensverordnung (EG) Nr. 1/2003 in: Beilage zu Heft 8/2003 der NJW.

674

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 147.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

auf den Handel mit Kunstwerken könnten dazu führen, dass u.U. bestimmte Länder von Kunsthändlern gemieden werden, bzw. nicht von Kunsthändlern als Ausweichmöglichkeit in Betracht gezogen werden könnten, da dort eventuell gesetzliche Restriktionen bestehen, die den Handel verbieten, oder z.B. auch Voraussetzungen an den Provenienzforschung gestellt werden, die tatsächlich nicht erfüllbar wären. Solche rechtlichen Unterschiede könnten dazu führen, dass der Markt eingegrenzt werden müsste, wenn auch im Tatsächlichen eine Verschiebung des Marktes registriert werden kann.

(1.1)

Der Handel von Kunst im allgemeinen

Der Handel mit Kunst existiert schon seit langer Zeit.675 Kunst wurde u.a. aus repräsentativen, kulturellen, ideellen, geschichtlichen und symbolischen Aspekten gehandelt.676 Hierbei war stets zu beachten, dass neben den Individualinteressen der Einzelnen auch Interessen der Allgemeinheit oder des Staates beachtet werden mussten. Dementsprechend versuchen die meisten Länder das nationale Kulturgut gegen Abwanderung zu schützen. Das öffentliche Interesse überlagert in diesen Fällen das Privateigentum.677 So wurde zum Beispiel Mitte der neunziger Jahre in Frankreich der französische Staat verpflichtet, dem Eigentümer von Vincent van Goghs „Jardin à Auvers“ eine Entschädigung von 145 Millionen Francs zu bezahlen, weil ihm die Ausfuhrerlaubnis für das Gemälde verweigert wurde und das Kunstwerk von Amts wegen zu einem „Monument national“ klassifiziert wurde.678 In der europäischen Gemeinschaft existiert eine eigene Richtlinie, welche die Ausfuhr und Rückgabe von bedeutenden Kulturgütern reguliert. Dabei erfasst in räumlicher-persönlicher Hinsicht die Richtlinie 93/7 Kulturgüter, die rechtswidrig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbracht wurden (Art. 2). Somit regelt sie in erster Linie den Verkehr unter den Mitgliedstaaten. Sie ist aber auch anwendbar, wenn ein Kulturgut aus einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat ausgeführt und von dort wieder in einen anderen Mitgliedstaat zurückgeführt wird.679 In Deutschland wurde schon 1955 das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung von Kunstwerken und anderem Kulturgut einschließlich 675

Vgl. unter: Kapitel 1, I. Die historische Entwicklung des Kunstmarktes unter besonderer Berücksichtigung der Kunstmessen, S. 10.

676

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 129, 130.

677

Jayme, Erik, „Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage“ in: Reichelt, Gerte, Internationaler Kulturgüterschutz, Wiener Symposium 18./19. Okt. 1990, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien, 1992, S. 8.

678

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, a.a.O. S. 20 Fn. 36.

679

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, a.a.O. S. 43.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Bibliotheksgut, deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, geschaffen. Solches Kulturgut wird in ein von den jeweiligen Ländern geführtes „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ eingetragen. Die eingetragenen Gegenstände werden bei der Heranziehung von Steuern begünstigt. Die Ausfuhr bedarf der Genehmigung durch die oberste Landesbehörde; sie ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen. Die rechtlichen Aspekte dieser Ausfuhrgenehmigung bekamen in den 1980er Jahren eine neue Brisanz, als die Notwendigkeit des Rückkaufs des Hildesheimer Tafelsilbers oder des Evangeliars Heinrich des Löwen und Watteaus großem Cythera-Bild aus dem Besitz der Hohenzollern diskutiert wurde.680 Problematisch ist in diesem Zusammenhang noch, dass nur wenige Gesetze nähere Bestimmungen darüber enthalten, die das nationale Kunstwerk von anderen Kunstwerken unterscheiden.681 Trotzdem sind solche Regulierungen im Bereich des Kulturgütertransfers notwendig geworden, da der internationale Handel mit Kulturgütern mit der zunehmenden Intensivierung des Welthandels im vergangenen Jahrhundert und erst recht mit der Globalisierung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.682 Neben solchen Restriktionen kommt als Folgeerscheinung die Zunahme des illegalen Handels zustande. Dabei wird der weltweite Handel mit gestohlenen Kulturgütern auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.683

(1.2)

Die Möglichkeit der einklagbaren Teilnahme an Kunstmessen im Ausland

Vor einer Betrachtung einer möglichen einklagbaren Zulassung eines Galeristen in eine Kunstmesse, gleichgültig wo sie ihren Standort hat, ist von Bedeutung, dass grundsätzlich jeder der in den bisher betrachteten Ländern, in Deutschland, der Schweiz und den USA, prinzipiell eine Galerie eröffnen kann.684 In Frankreich existiert ein Kartellrecht, welches dem deutschen GWB nicht unähnlich ist. Wie im europäischen Wettbewerbs- und Kartellrecht spielt die Marktabgrenzung bei Art. 8 der französischen Verordnung, der Art. 86 EGV nachempfunden ist, eine Schlüsselrolle. Nach herrschender Meinung ist hier das

680

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 2.

681

Jayme, Erik, „Die Nationalität des Kunstwerks als Rechtsfrage“ in: Reichelt, Gerte, Internationaler Kulturgüterschutz, Wiener Symposium 18./19. Okt. 1990, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien, 1992, S. 9.

682

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 8.

683

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, a.a.O. S. 8.

684

Klein, Ulrike: Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, S. 139.

183

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Bedarfsmarktkonzept anzuwenden, um den Wettbewerb feststellen zu können. Aber auch in Frankreich gilt hierbei der Grundsatz, dass sich die Ausdehnung des relevanten Marktes auf den nationalen Markt oder einen substantiellen Teil desselben erstrecken muss, um unter Art. 8 zu fallen.685 Auch in der Schweiz ist es denkbar, dass Galerien den Zugang zu Kunstmessen unter Berufung auf das Wirtschaftsrecht gerichtlich geltend machen könnten. Die kartellrechtlichen Regelungen entsprechen den deutschen Vorschriften.686 So könnte ein Markt über nationale Grenzen auch nach diesen Aspekten angenommen werden, wenn der Transport im Rahmen des Möglichen liegen würde. Beispielsweise ist die Entfernung zwischen der Art Frankfurt, der Art Basel und der Art Strasbourg aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten keine Strecke, die eine Eingrenzung bedingen würde, vielmehr ist der Transport nicht wirtschaftlich sinnlos. Es wäre also möglich, für einen Galeristen sich den Zugang über die Gerichte zu erkämpfen. Trotz dieser Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten, insbesondere im Hinblick auf den europäischen Kontext, kann für die Feststellung der Marktstärke der Inlandsbezug bestehen bleiben, denn auch wenn sich rechtliche Ähnlichkeiten ergeben und ein Transport vertretbar ist, bleibt die Feststellung, dass das GWB die räumlichen Grenzen einer Marktbetrachtung auf das Bundesgebiet festlegt. Eine Erweiterung kommt dabei nicht in Betracht.

(1.3)

Das Verhältnis zwischen deutschem und europäischem Kartellrecht

Eine der entscheidenden Fragen stellt im Rahmen der örtlichen Abgrenzung, wie schon aufgezeigt wurde, nun das Verhältnis zwischen dem deutschen und europäischen Kartellrecht dar. Hierbei könnte es insbesondere eine Rolle spielen, inwieweit sich die europäischen Normen auf die Auslegung der deutschen Gesetze auswirken könnten und wie das Verhältnis der Rechtsnormen zueinander sich darstellt. Wie schon dargestellt wurde, existieren in diesem Bereich Unterschiede und Gemeinsamkeiten.687 Grundgedanke der europäischen Regelung war jedoch stets, dass sich Europa in wirtschaftlicher Hinsicht angleicht und sich gegenüber einer globalisierenden Wirtschaft durch die Gemeinsamkeit behauptet.688 Trotz dieses gemeinsamen Anknüpfungspunktes lassen sich viele Unter685

686

687 688

Ebenroth, Carsten-Thomas und Strittmatter, Marc, „Französisches Wettbewerbs- und Kartellrecht im Markt der Europäischen Union“, 1995, Heidelberg, S. 52. Lienhard, Andreas, „Wirtschaftsfreiheit, Standplatzbewerbung“ in: AJP/PJA 6/2001, S. 713, S. 715. Vgl. unter: Kapitel 1: a) Europarecht, S. 73. Müller-Graff, Peter-Christian, „Europäische Verfassungsrechtspolitik für Wirtschaft und Union“ in: Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, Hrsg.: Müller-Graff, PeterChristian, Heidelberger Forum für europäisches Recht, Verlag C. F. Müller, Heidelberg, S. 183.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

schiede und Eigenheiten in den gewachsenen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedsstaaten feststellen. Diese umfassen z.B. die Methoden des Rechtsdenkens, die bindenden Rechtsgrundlagen des Privatrechts und es finden sich letztendlich sogar Eigenheiten in Verständnis und Praxis der Rolle von Rechtsnormen und Gerichtsbarkeit für die Bewältigung von Konflikten.689 In deutscher Hinsicht nun findet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen grds. auf alle Wirtschaftsbereiche Anwendung, wobei z.T. Sonderregelungen bestehen. Das europäische Kartellrecht gilt für alle Wirtschaftsbereiche und Tätigkeiten, soweit sich nicht aus dem EGV oder diesen ergänzenden Vorschriften Ausnahmen ergeben. Dabei ist diese Anwendbarkeit nicht nur auf den Handelsverkehr mit Waren beschränkt. Er umfasst vielmehr auch Dienstleistungen und Kapitalverkehr. Beide Rechtsvorschriften überschneiden sich. Das deutsche Kartellrecht setzt hierbei in § 130 II GWB voraus, dass ein durch das GWB geschütztes Rechtsgut spürbar und mittelbar beeinträchtigt wird. Dies bedeutet, dass, wenn Vereinbarung im Ausland getroffen wird, es wichtig ist, dass sich diese auf dt. Markt auswirkt. Für das GWB gilt somit nach § 130 II GWB das Auswirkungsprinzip (effects doctrine). Danach findet es Anwendung auf alle Wettbewerbsbeschränkungen, die sich im Inland auswirken, auch wenn sie im Ausland veranlasst wurden. Aber nicht jede Wettbewerbsbeschränkung, die sich auswirkt wird vom Auswirkungsprinzip erfasst, sondern nur solche die sich unmittelbar, tatsächlich und spürbar auswirken. Dabei muss der Schwerpunkt der Auswirkung in Deutschland liegen. Völkerrechtlich besteht eine Grenze für das Auswirkungsprinzip, da es ein Einmischungsverbot beinhaltet, das insbesondere bei unverhältnismäßigen Maßnahmen verletzt ist, und bei einem Rechtsmissbrauch, also wenn das Auswirkungsprinzip zu einem Aufdrängen der Wirtschaftspolitik führt. Damit kann das Auswirkungsprinzip als sinnvolle Anknüpfung für wettbewerbsrechtliche Normen und als Grundlage für die Beanspruchung der Regelungs- und Verfahrenszuständigkeit in grenzüberschreitenden Wettbewerbssachen dienen. Es findet dann z.B. keine Anwendung, wenn beispielsweise deutsche Unternehmen Wettbewerbsbeschränkungen im Ausland treffen, die keine Auswirkung auf den inländischen Markt haben. Dass europäische Kartellrecht kennt nun keine ausdrückliche kollisionsrechtliche Norm. Vielmehr muss das Tatbestandsmerkmal „Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handelns“ in Art. 81 und 82 EGV herangezogen werden, um die Anwendbarkeit bejahen zu können. Aber auch auf Gemeinschaftsebene wird das Auswirkungsprinzip vertreten, so dass nationale Wettbewerbsbeschränkungen oder solche innerhalb von Drittstaaten am Maßstab der Artt. 81 ff EGV gemessen werden können, solange

689

Müller-Graff, Peter-Christian, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Auflage, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1999, S. 19.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

sie sich nur im Gebiet der Gemeinschaft auswirken. Dieses Auswirkungsprinzip entspricht dem amerikanischen und auch dem deutschen Recht, wo man für die Anwendung des Kartellrechts auch vom Auswirkungsprinzip ausgeht. Für das Eingreifen der Art. 81 f. EGV ist also nicht unbedingt erforderlich, dass die betreffenden Unternehmen ihren Sitz innerhalb der EG haben. Es genügt, dass die Auswirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung bzw. eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung innerhalb der Gemeinschaft eintreten.690 Auch reicht die bloße Eignung zur Beschränkung des Wettbewerbes aus, wobei sie aber spürbar sein muss. Weiterhin haben beide Rechtsordnungen grundsätzlich verschiedene Zielsetzungen. Während das nationale Recht sich auf die Auswirkungen eines Verhaltens auf den innerstaatlichen Wettbewerb bezieht, richtet sich dagegen das europäische Kartellrecht auf die Auswirkungen eines Handelns auf den zwischenstaatliche Wettbewerb und den gemeinsamen Markt. Denn von Anfang an setzte der EG-Vertrag seit seinem Anbeginn zuallererst auf die kontakterschließenden und verbindenden Kräfte der grenzüberschreitenden initiativen Privatautonomie im Wirtschaftsleben.691 Dieser gemeinsame Markt stellt sich als eine rechtliche Ordnung des europäischen Wirtschaftsraums dar, in dem ein System aus Marktöffnungs- und Marktgleichheitsrechten, abgesichert durch Wettbewerbsvorschriften zur Verhinderung des Missbrauchs privater Macht und unter Beachtung der Regelungsinteressen der Mitgliedsstaaten, eine wettbewerbliche Marktwirtschaft garantiert.692 Dabei wird das Ziel der Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes durch die Herstellungspflicht, soweit der Binnenmarkt noch nicht verwirklicht ist, und durch die dauerhafte Erhaltungspflicht gegenüber allfälligen Gefährdungen des angestrebten Marktintegrationsniveaus geprägt.693 Schon von Anfang an waren die warenverkehrs- und wettbewerbsrechtlichen Zielsetzungen in den gemeinsamen Verträgen niedergelegt.694 Dieser angestrebte Markt setzt dabei die angeführten gleichen Wettbewerbschancen voraus. Wenn nun ein Verhalten beide Rechtsordnungen tangiert, wird das nationale Kartellrecht durch den grds. Vorrang des Gemeinschaftsrechts beeinflusst, wobei eine parallele Zuständigkeit von Kommission und nationalen Kartellbehörden besteht. Dabei ist 690

EuGH, Rs 89/95 v. 27.9.1988, NJW 1988, S. 3086, S. 3087.

691

Müller-Graff, Peter-Christian, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 2. Auflage, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 1999.

692

Kainer, Friedemann, Unternehmensübernahmen im Binnenmarktrecht, 1. Auflage, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2004, S. 151.

693

Müller-Graff, Peter-Christian, „Binnenmarktauftrag und Subsidiaritätsprinzip“ in: ZHR 159 (1995), S. 34, S. 39.

694

Müller-Graff, Peter-Christian, „Intermediäre Marktverbände im Wettbewerbs- und Warenverkehrsrecht des EWG-Vertrags“ in: JZ 1977, S. 632, S. 635; Müller-Graff, Peter-Christian, „Europäische Normgebung und ihre judikative Umsetzung in nationales Recht“ in: DriZ 1996, S. 259, S. 260.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

die gleichzeitige Anwendung des nationalen Rechts nur dann statthaft, soweit die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt wird gemäß Art. 10 EGV („effet utile“). Ein Konflikt kann dann immer ausgeschlossen werden, wenn beide Rechtsordnungen zu gleichen Ergebnissen kommen. In der vorliegenden Fragestellung kann auch dann die Entstehung eines Konflikts ausgeschlossen werden, wenn der zu untersuchende Sachverhalt dem Grunde nach nicht in den Anwendungsbereich des europäischen Kartellrechts fallen würde. Auszugehen ist hierbei von der Situation, dass ein Kunstmesseveranstalter den Zugang zu seiner Veranstaltung erschwert oder verhindert. Dabei ist zu berücksichtigen, auch wenn Bewerber aus verschiedenen europäischen und ausländischen Ländern diskriminiert werden können, diese Maßnahme nicht geeignet ist, den innereuropäischen zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Das Verhalten fällt somit nicht in den Anwendungsbereich der europäischen Kartellrechtsverordnung, weil ihm keine gemeinschaftsweite Bedeutung zukomme. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verhalten des Kunstmesseveranstalters die einheitliche Anwendung und die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen kann. Vielmehr greift hier die nationale Kontrolle ein, wobei die Zielsetzung des europäischen Kartellrechts, die Verhinderung der Verschlechterung der Bedingungen für einen wirksamen Wettbewerb im Sinne der Zielsetzungen des EG-Vertrages, berücksichtigt bleiben muss. Dementsprechend ist der räumlich relevante Markt nur nach den Voraussetzungen des GWB zu definieren. Eine Erweiterung auf den europäischen Markt findet vielmehr nicht statt. Dies wird schon durch die kaum mögliche Erfassung des gesamten europäischen Marktes durch die nationalen Behörden indiziert. Damit muss der bei der Kontrolle nach dem GWB weder der europäische noch der Weltmarkt berücksichtigt werden, wie dies bisher in der Praxis gehandhabt wurde.695

ddd) Fazit der europäischen Rechtsregelung in Bezug zu einer räumlichen Marktabgrenzung Bisher war es in Deutschland Praxis, dass als räumlich relevanten Markt maximal das Bundesgebiet anerkannt wurde. Dies galt auch, wenn Auslandsmärkte mit dem deutschen Markt eine Einheit bildeten.696 Eine solche „verengte“ Ansicht wurde jedoch schon nach der sechsten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen angezweifelt. Hierbei wurde die These aufgestellt, dass nach dieser Novelle der Gesetzgeber in § 19 II Nr. 1 Nr. 2 GWB ausdrücklich bestimmt hätte, dass bei der Ermittlung der überragenden Marktstellung eines

695

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 906.

696

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 174.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Unternehmens unter anderem der (tatsächliche oder potentielle) Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb Deutschlands ansässige Unternehmen zu berücksichtigen sei. Die Obergrenze könne somit sogar ein Weltmarkt sein, wie im Schiffs- oder Flugzeugbau. Dieser Ansicht kann jedoch aufgrund der neuesten Änderungen des GWB und der Richtlinien der Kommission keine Zustimmung erteilt werden. Wie das Bundeskartellamt richtigerweise 2001 festgestellt hat, ist die Prüfung nach dem GWB normativ auf das Inland beschränkt, auch wenn es sich um weltweite Märkte handelt.697 Diese Anwendung wird durch die Auslegung von § 130 Abs. 2 GWB gestützt und dementsprechend vom BGH vertreten.698 Es wurde hierzu ausgeführt, dass die Begrenzung des relevanten Marktes auf das Inland nicht dazu führe, dass die vom Ausland auf den inländischen Markt einwirkenden Wettbewerbseinflüsse nur ungenügend berücksichtigt würden. Alle Einflüsse seien vielmehr in eine spätere Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Diese insoweit normativ bestimmte regionale Marktabgrenzung ist jetzt ständige Praxis. Somit bleibt auch dem Vorwurf kein Raum, dass sich die in Grenzgebieten naturgemäß überlappenden Märkte unberücksichtigt bleiben würden.699 Weiterhin existiert kein Konflikt mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Vielmehr ist nur eine Anwendbarkeit der nationalen Regelungen gegeben. Dementsprechend ist der älteren Auffassung des OLG Düsseldorf, wie man aus der Formulierung, „die europäischen Messen müssten als ‚gleich nah‘ und gleichwertig bezeichnet werden“, sowie aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen entnehmen könnte, dass ein europaweiter Markt für Kunstmärkte zugrunde gelegt werden müsse, auch wenn es dies nicht „expressis verbis“ zu erkennen ist, nicht zu folgen. Schon damals war diese Zurückhaltung des Senats wohl auf die ständige Praxis des BKartA zurückzuführen, das als größtmöglichen räumlich relevanten Markt das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland annahm und die Einflüsse des internationalen Wettbewerbs erst bei der eigentlichen Prüfung der Marktbeherrschung berücksichtigt. Es ist daher fehlerhaft, aus dieser Ansicht gerade im Hinblick auf den Kunstmarkt anzunehmen, dass ein Markt über die Grenzen der Bundesrepublik einer

697

Bundeskartellamt, Beschl. v. 10.10.2001 – Gesch.Z.: B 7 – 31100 – U – 127/01, S. 6.

698

Durch den BGH in einem Beschluss v. 05.10.2004, BGH Beschl. V. 05.10.2004 in JZ 2005, S. 467 f, wurde entschieden, dass der räumlich relevanten Markt nur noch nach ökonomischen Gesichtspunkten abzugrenzen sei. Damit wurde der langjährige Grundsatz aufgegeben, dass der räumlich relevante Markt maximal so groß wie der Geltungsbereich des Gesetzes sein kann. Der Verfasser ist jedoch der Ansicht, dass das Anwendungsgebiet des GWB die maximal äußere Grenze des räumlich relevanten Marktes darstellen kann.

699

Emmerich, Volker, Kartellrecht, S. 174.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Marktstärkenbewertung zugrunde gelegt werden müsste. Zugegebenermaßen existiert zum Beispiel im Bereich der Kunst des 20. Jahrhunderts ein Markt über die nationalen Grenzen hinweg.700 Dies zeigt sich insbesondere daran, dass auf allen wichtigen Kunstmärkten ein gleichbleibender Personenkreis von Galeristen, Kunsthändlern, Museumskuratoren, privaten Sammlern, Kritikern und sonstigen Kunstliebhabern anzutreffen ist. Wie jedoch aufgezeigt wurde, existieren zu viele unterschiedliche Regelungen im Bereich des Kunsthandels und des Kunstexports, die noch den Markt in länderspezifische Grenzen zwingen.701 Folglich kann sich, wie durch das GWB auch zutreffenderweise geregelt wird, der relevante Markt im kartellrechtlichen Sinn räumlich (maximal) auf den Geltungsbereich des GWB erstrecken. Im Rahmen der Beurteilung nach § 20 II 2 GWB können daher nur die sich der Marktgegenseite im Inland bietenden Ausweichmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, wie das OLG Frankfurt schon 1992 ausdrückte, und feststellte, dass für die Art Frankfurt nur Kunstmessen in Berlin, München und Köln vergleichbar wären.702 Dies gilt auch umgekehrt für eine Kunstmesse wie die Art Cologne. Insbesondere ist der räumlich relevante Markt, auf dem die Kunstmesse Art Cologne über eine marktstarke Stellung verfügen muss, nicht über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus auf ganz Europa auszudehnen. Folgerichtig geht auch das BKartA in seinen Entscheidungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des BGH „Backofenmarkt“ 703 davon aus, dass der räumlich relevante Markt (nach wie vor) allenfalls das Inland umfasst. In der Entscheidung „Dürr/Alstom“ 704 wird dies für den Fall angenommen, dass bei rein wirtschaftlicher Betrachtung der Markt an sich größer abzugrenzen ist. Gleiche Begrenzungen finden sich in den Bundeskartellamtsentscheidungen „Drucksensor“ 705 und „Dow Chemical/Shell“.706 Eine Änderung dieser Auffassung ergab sich auch nicht aus der neuesten Verordnung der EG Nr. 1/2003. Eine Verdrängungswirkung gilt weiterhin nicht für den Miss-

700

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

701

Vgl. Weis, Thomas, „Kunst über die Grenzen“, in: Prokunst3 – Steuern – Verträge – Versicherungen, Hrsg.: Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, 2. Auflage, 2002, S. 141 f.

702

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

703

BGH, Beschl. V. 24.10.1989 – KVR 17/94 „Backofenmarkt“ in: BGHZ 131, S. 107.

704

BKartA, WuW/E DE-V 235, 237.

705

BKartA, WuW/E DE-V 157, 159.

706

BKartA, WuW/E DE-V 109/110; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 288.

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190

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

brauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG gilt, damit bleibt § 20 II GWB anwendbar.707 Der Markt für Kunstmessen kann in räumlicher Hinsicht allenfalls so groß wie das Bundesgebiet sein. Kunstmessen in Europa, wie in Frankreich die FIAC, in Belgien die TEFAF oder in der Schweiz die Art Basel, und in Amerika, wie die Art Chicago, können nicht mit Kunstmessen in Deutschland zu einem räumlich relevanten Markt zusammengefasst werden. Der räumlich relevante Markt ist über die Bundesrepublik Deutschland nicht hinaus auszudehnen.708 Insofern kann ein Unterschied zwischen dem tatsächlichen, ökonomischen und dem gesetzlich zu bewertenden Markt existieren. Deshalb ist immer nur das Geltungsgebiet des GWB die äußerste Grenze des räumlichen Marktes, soweit es die Veranstaltung von Messen betrifft. Die Wirkungen der anderen großen europäischen Kunstmessen, können insoweit berücksichtigt werden, als sie im Rahmen der zu treffenden Abwägung Eingang finden, wenn Aussteller auf sie ausweichen könnten. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen muss daher nicht den Gegebenheiten eines „besonderen“ Kunstrechts aufgrund kunsthistorischer und kunsttatsächlicher Situationen angepasst werden, vielmehr können die Konstellationen im Bereich des Kunsthandels in den gesetzlichen Rahmenbedingungen des GWB angewandt und zum Ausdruck kommen.

bb)

Die Möglichkeit der regional-räumlichen Marktbegrenzung

Der räumlich relevante Markt muss sich nicht notwendigerweise auf das gesamte Bundesgebiet erstrecken. Gegebenenfalls genügt die Beeinflussung eines räumlich kleineren Teilmarktes, um Rechtsfolgen auszulösen.709 Im Rahmen einer Beurteilung müssen alle sich im Inland befindenden Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite für die Marktbestimmung in Betracht gezogen werden.710 So kann eine Regionalmesse auf einem nur regionalen Markt marktbeherrschend sein, wenn diese das Angebot für eine bestimmte Region zusammenfasst.711 Als Anhaltspunkt für eine solche Abgrenzung des Gebietes kann hierbei

707

Weitbrecht, Andreas, „Die neue Kartellverfahrensverordnung (EG) Nr. 1/2003“ in: Beilage zu Heft 8/2003 der NJW, S. 1.

708

A.A. BGH, Beschl. v. 05.10.2004 in: JZ 2005, S. 467, vgl. FN 643.

709

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 112.

710

OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.03.1992 – 6 W (Kart) 31/92 „Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, 554 (555).

711

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 204.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

das Einzugsgebiet der jeweiligen Messe dienen. Insofern kann die Belastung einer Galerie mit den Transport- und Reisekosten im Hinblick auf den zu erwartenden Absatz von Objekten ein Anhaltspunkt für eine regionale Abgrenzung sein. Auch hat die regionale Abgrenzung nur dann Bedeutung, wenn der Anbieter mit seiner Marktpolitik darauf eingeht. Insbesondere bei regional konzentrierter Nachfrage kommt es vor, dass die Anbieter sich in ihren Absatzanstrengungen auf eine bestimmte Region konzentrieren und den übrigen technisch und wirtschaftlich möglichen Absatzgebieten wenig Aufmerksamkeit schenken.712 Überdies könnte der Fall vorliegen, dass bestimmte Kunstwerke nur auf einem regional begrenzten Markt gehandelt werden können, so dass schon aus rein tatsächlichen Gründen ein überregionaler Markt abgelehnt werden müsste. Eine solche regionale tatsächliche Beschränkung der Kunst kann durch den Begriff der „Regionalkunst“ erfasst werden. Die kleinstmöglichste Einheit bei einer solchen Beurteilung könnte somit der Veranstaltungsort der Kunstmesse selbst sein. In dieser Hinsicht ging das Oberlandesgericht Frankfurt davon aus, dass die Art Frankfurt räumlich auf Frankfurt und seine nähere Umgebung beschränkt sei.713 Im Gegensatz hierzu ging das OLG Celle davon aus, dass im gesamten Bundesgebiet ein räumlicher überregionaler Markt existiere, den die Kunst- und Antiquitätenmesse Hannover-Herrenhausen und die vergleichbaren Veranstaltungen in Berlin, Köln und München bilden würden. Zwar würden die Besucher meist aus der Region stammen, nicht jedoch die Anbieter.714 Das OLG Düsseldorf wertete im Gegensatz dazu diese Messen aber nur als regionale Verkaufsveranstaltungen und legte als einzige überregionale Messe die Art Cologne fest.715 Ungewiss ist somit, inwieweit zwischen diesen Abgrenzungen von verschiedenen Märkten unterschieden werden kann. Wie das OLG Celle richtigerweise ausführte, kann es nicht darauf ankommen, ob die Besucher aus der Region stammen oder nicht. Vielmehr ist das Gebiet ähnlich wie der sachlich relevante Markt nach den räumlich gegebenen Austauschmöglichkeiten aus Sicht der Nachfrager abzugrenzen. Kleinere räumliche Teilmärkte wären dann zu bilden, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager aus objektiven Gründen regional begrenzt sind, wobei vor allem wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten große Bedeutung zukommt.716 Es ist dabei mit in die Bewertung einzubeziehen, 712

713

714

715

716

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 131. OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, 777 (779). OLG Celle, Urteil vom 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG 3897 (3898). OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U (Kart) 20/86 „Art Cologne II“ in: WUW/E OLG 4173 (4176). Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 106.

191

192

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

ob die Marktpolitik des Veranstalters sich nur auf die Region begrenzt, und er den anderen Gebieten keine Aufmerksamkeit schenkt, oder ob die Veranstaltung darauf angelegt ist, ein Gebiet über die Region hinaus zu bedienen.717 Daher kann zwischen regionalen und überregionalen Messen unterschieden werden, wenn es darauf ankommt, ob eine Kunstmesse für einen Aussteller in einer anderen Region als zumindest auch betrachtenswert eingestuft wird, oder ob die Konzentration nur auf regionaler Basis besteht. In Frage steht daher, ob sich andere Kunstmessen in anderen Regionen im Vergleich zu der zu beurteilenden Messe als Ausweichmöglichkeit für den Aussteller anbieten, selbst bei möglichen geringen Umsatzeinbußen. So könnte z.B. für eine lokale Ausstellung regionaler Künstler ein regionaler Markt angenommen werden, insofern wäre hier wiederum der Begriff der „Regionalkunst“ anwendbar. Hingegen wären Kunstmessen, die sehr stark von nicht regional gebundenen Teilnehmern nachgefragt werden, zu einem Markt zu rechnen. Eine andere Einteilung könnte nur dann angenommen werden, wenn der Markt der zugelassenen Anbieter regional begrenzt wäre auf z.B. nur lokale Galerien durch von dem Veranstalter verwendete Teilnahmebedingungen. Einen weiteren Anhaltspunkt könnte die Quote der Aussteller aus der Region liefern. Sind über die Hälfte der Aussteller aus der Region, handelt es sich meist um eine nur regionale Veranstaltung, liegt die Quote zwischen einem Drittel und der Hälfte, so ist eine Abwägung durch einen Vergleich der Vorjahre, der ausgestellten Objekte, etc. durchzuführen. Liegt die Quote aber unter 30 %, so wird die Messe hauptsächlich von überregionalen Ausstellern nachgefragt, ist somit nicht regional begrenzt. Wenn keine Merkmale für einen regionalen Bezug vorliegen, muss der Markt anhand der obig aufgeführten Merkmale eingeteilt werden. In Bezug auf die Art Cologne existiert aufgrund der Quote von 15,8 % regionaler Aussteller ein auf das Bundesgebiet begrenzter Markt, an dem auch andere Kunstmessen, wie die Art Frankfurt, oder die Kunst- und Antiquitätenmesse in München teilnehmen. Letztendlich geht das GWB selbst davon aus, dass ein Veranstaltungsort den kleinsten räumlich relevanten Markt bilden kann. Dabei ist die Bestimmung des Raumes stets im Wege einer Radiusbetrachtung um das jeweils zu bewertende Unternehmen in der Weise vorzunehmen, da das Ziel einer flächendeckenden Abdeckung des Bundesgebietes vorbereitet wird.718 Aber auch wenn eine solche Flächendeckung vorbereitet werden soll, kann sich grundsätzlich die Monopol-

717

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 131.

718

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

stellung auf ein räumlich eng begrenztes Gebiet beschränken.719 Die räumlich relevanten Märkte können daher kleiner als das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sein.720 Die räumliche Marktabgrenzung muss sich daher nicht immer auf den gesamten Geltungsbereich des Gesetzes erstrecken.721 Das Gebiet kann, wie schon festgestellt, nur den Ort der Veranstaltung umfassen, einen Entfernungsradius nach Autominuten besitzen 722, oder auf ein Bundesland sich beschränken. Für eine solche Begrenzung spielen unter anderem Kostengesichtspunkte und kaufmännische Erwägungen eine Rolle.723 Welche Faktoren im Rahmen der Kunst- und Antiquitätenmessen zu einer räumlichen Begrenzung führen können, wird im Weiteren dargestellt. Dabei kommen wirtschaftliche Ursachen, die Marktpolitik der Veranstalter, gesetzliche, natürliche oder technische Grenzen oder sogar geographische Gegebenheiten in Betracht.

aaa)

Wirtschaftliche Ursachen als Begrenzung

Die wohl wichtigste Begrenzung bilden wirtschaftliche Ursachen, speziell bei kleineren Märkten bzw. Kunstmessen. Im Rahmen der Veranstaltung größerer Messen können wirtschaftliche Ursachen als Begrenzung des räumlichen Einzugsbereiches einer Kunstmesse dienen. Wirtschaftliche Gründe für eine Begrenzung können die Anfahrts- und Transportkosten sein, die gerade bei Kunstobjekten nicht unerheblich sind. Denn gerade auf dem Transportwege müssen hohe Standards erfüllt werden, um eine sichere Ankunft zu gewährleisten. Gemälde müssen in speziellen Holzverpackungen gelagert, Möbel in z.T. klimatisierten Lastkraftwagen verfrachtet werden, um Spannungsrisse zu vermeiden. Weiter bilden die Versicherungsprämien einen Teil der wirtschaftlichen Ursachen für eine räumliche Begrenzung und müssen in einer Kalkulation beachtet werden. Dabei gilt immer noch der Grundsatz, dass Galeristen auch eine Kalkulation aufstellen müssen, d.h. eine Berechnung, ob der Aufwand in einem sinnvollen Kosten-Nutzen Verhältnis steht, oder ob von Anfang an die Kosten den zu erwartenden Gewinn durch direkte Messeverkäufe oder Nachverkäufe außerhalb

719

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 410.

720

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 101.

721

BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863, S. 866.

722

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 102.

723

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033, 1036.

193

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

oder innerhalb der Kostenrelation stehen. In einer solchen „Zahlen“-Kalkulation bleibt jedoch stets der Zugewinn an Reputation unberücksichtigt. Dieser lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken und es bleibt jedem Galeristen überlassen, wie viel er ihm zugestehen möchte. Im Rahmen einer solchen wirtschaftlichen Sichtweise kann festgehalten werden, dass je stärker eine Kunstmesse sich auf dem Kunstmarkt positioniert hat, eine um so größere Attraktivität und Anziehungskraft sie besitzt, je stärker ist der Drang von weiter entfernten Galeristen, auch an dieser Kunstmesse teilnehmen zu können. Dabei müssen jedoch stets fahrende Händler, deren Geschäft nur aus dem Besuch solcher Messen besteht, unberücksichtigt bleiben. In ihrer Gruppe existieren keine wirtschaftlich-räumlichen Begrenzungen. Kleinere Antik- und Kunstmärkte, wie z.B. eine Kunstmesse in Städten wie Schwetzingen, besitzen selbst wenn sie sich „international“ bezeichnen, einen lokal kleineren Einzugsbereich gegenüber Kunst- und Antikmessen, wie die Weltantik in Stuttgart oder die Art Cologne in Köln. Dementsprechend hat eine Kunstmesse hinsichtlich der Aussteller und der Besucher eine Anziehungskraft, die mit der räumlichen Entfernung abnimmt; insbesondere die große Schar der Besucher, die nur zum Betrachten der ausgestellten Objekte oder als Kaufinteressenten für die weniger teuren Objekte kommen, beschränken sich auf den Besuch der nächstgelegenen der vier großen Kunstund Antiquitätenmessen.724 Jedoch ist die Anziehungskraft für Besucher nur im Rahmen der wirtschaftlichen Überlegungen ein Aspekt, der für Galeristen ein Aspekt in ihrer Bewertung darstellt. Weiterhin kann festgestellt werden, dass Entfernungen immer weniger ein Hindernis darstellen, und gerade in wirtschaftlich schwereren Zeiten Galeristen kalkulieren müssen. Denn räumlich austauschbar können nur Messen sein, die dem Aktionsradius des wirtschaftlich gebundenen Ausstellers entsprechen.725 So wurde eine solche Radius-Beschränkung für den norddeutschen Raum für die Kunst- und Antiquitätenmesse Hannover-Herrenhausen angenommen. Dies ergab sich auch aus dem Umstand, dass eine Marktbeherrschung verneint wurde, weil es dort noch regionale Kunstmessen mit qualitativ anspruchsvollen Objekten gab.726 Trotz solcher Einschränkungen existieren immer noch Kunstmessen mit großer Anziehung. Solche „renommierten“ Kunstmessen besitzen einen weiten Radius, welchen sie durch eine langjährige Arbeit aufgebaut haben, in dem sie eine deutschlandweite Anziehungskraft auf Galeristen ausüben. Im Rahmen einer Kalkulation gehen auch Galeristen davon aus, bei solchen Messen schon durch 724

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

725

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 696.

726

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

den direkten Messeverkauf preislich hochwertiger Objekte ihre Unkosten decken zu können, oder durch die Bestückung einer solchen Kunstmesse einen Ruf zu erarbeiten, um später im Messenachgeschäft wirtschaftlich arbeiten zu können. Eine solche wirtschaftliche Bewertung ist jedoch stets aufs Neue durchzuführen. Zu stark schwanken die Bewertungen der wirtschaftlichen Verhältnisse und Stärken von Kunstmessen, so dass keine Bewertung über die Jahre Bestand hätte. Es kann festgehalten werden, dass bei den „großen“ Kunstmessen, die meist Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung sind, in Deutschland aus wirtschaftlicher Sicht räumlich nur ein Markt besteht. Es kann Galeristen zugemutet werden, neben der Art Frankfurt auch Kunstmessen in Köln oder Berlin zu bestücken. Damit kann dem schon im Urteil des LG München festgehaltenen Grundsatz, welcher trotz einer neuen Bewertung immer noch Gültigkeit besitzt zugestimmt werden, dass von einer ausgesprochenen Aufteilung des Marktes für Galerien mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Kunst mit dem Interesse an einer Bestückung der großen Messen wie der Art Cologne nicht mehr gesprochen werden kann.727 Dies wurde auch durch Urteile des OLG Düsseldorf aus den Jahren 2000 und 2002 728 bestätigt, in denen es von einer überregionalen, deutschlandweiten Bedeutung der Art Cologne ausging.

bbb) Gesetzliche, natürliche oder technische Ursachen für eine Begrenzung Eng mit der wirtschaftlichen Sichtweise hängen natürliche oder auch technische Ursachen zur Begrenzung des Radius zusammen. Meist lassen sich diese natürlichen oder technischen Ursachen mit einem hohen Geldeinsatz überwinden. Eine natürliche Begrenzung lag einer Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2002 zugrunde.729 In diesem Fall ging es um das Problem, wie groß ein Markt für Schnelllieferanten für Apotheken gefasst werden müsste. Dabei kam der Senat zum Schluss, dass nach den Bedingungen des Apothekenbelieferungsmarktes Apotheken zeitnah zur Bestellung beliefert werden müssten. Dies ließe sich aber nicht über weite Entfernungen hin realisieren, so dass letztendlich ein Radius von 150 km um die jeweilige Niederlassung des Belieferers gelegt wurde. Im Rahmen von Kunstmessen kommen jedoch natürliche oder technische Schranken für eine Marktbegrenzung nicht in Betracht. Es sind keine Konstella-

727

LG München I, Urt. v. 23.10.1986 – 7 O. 20 404/86 „Kunst- und Antiquitätenmesse“ in WuW/E LG/AG, S. 600.

728

OLG Düsseldorf; U (Kart) 40/00 „Art Cologne IV – Fetting“, in: WUW 3/2001, S. 285, 288 und U (Kart) 60/01 „Stefanelli“, in: WuW/E DE-R 994.

729

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.10.2002 – Kart. 40/01 (V) „Sanacorp/ANZAG“ in: WuW/E DE-R 1033, 1035.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

tionen denkbar, in denen der Markt für Kunstmessen aufgrund eines natürlichen Phänomens oder technischen Gegebenheit eingeschränkt werden müsste. Neben diesen kämen noch gesetzliche Schranken für eine Begrenzung in Betracht. Jedoch liegen für die Fallsituation des Kunstmarktes keine gesetzlichen Besonderheiten in Deutschland vor, die einen Handel mit Kunstwerken auf ein bestimmtes, umgrenztes Teilgebiet von Deutschland, beschränken würden.

ccc)

Marktpolitik der Messeveranstalter

Eine weitere Beschränkung des räumlich relevanten Marktes könnte dann in Betracht kommen, wenn sie sich aus der Marktpolitik der Messeveranstalter ergeben würde. Eine solche Begrenzung wäre entweder durch eine explizite Regelung in den Teilnahmebedingungen möglich, in denen der Veranstalter selbst einen Radius zieht, aus dem maximal die Teilnehmer kommen dürften, oder durch tatsächlich konkludente Handlungen, in dem er nur Galeristen aus einem bestimmten Bereich zulässt. Dabei müsste jedoch stets beachtet werden, dass eine solche, „selbstauferlegte“ Beschränkung nur solange Bestand haben würde, wie sich der Veranstalter selbst an diese Regelung hält, und keine Ausnahmen macht. Die Möglichkeit einer solchen Begrenzung ergibt sich dabei aus dem Gesetz. So stellte der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983 die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Begrenzung wiederholt an dem Beispiel des Vertriebes von Modellbauartikeln fest. Dabei kam er zu der Erkenntnis, dass eine Beschränkung des Vertriebes auf den ortsgebundenen Facheinzelhandel bei technisch komplizierten Geräten, die eine intensive Kundenberatung erfordern, gerechtfertigt sei.730 Jedoch sind regionale Beschränkungen durch Veranstalter auf dem tatsächlichen Kunstmarkt recht selten vorhanden. Meist handelt es sich dann um Leistungsschauen einer Stadt, die eine Kunstmesse für ihre regionalen Galeristen und Künstler veranstaltet. Im übrigen liegt es in der Intention eines jeden Veranstalters, möglichst viele verschiedene Galeristen und Künstler aus den verschiedensten Regionen auf seiner Kunstmesse zu vereinen, um so dem Publikum ein breit gefächertes Angebot präsentieren zu können. Nur dann kann er kaufkräftiges Publikum anziehen, das nicht ortsgebunden ist. Es kann damit in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass die Begrenzung des räumlich relevanten Marktes durch die Marktpolitik eines Veranstalters grundsätzlich möglich und denkbar ist. Dies muss während der Feststellung des räumlich relevanten Marktes im Sinne des Diskriminierungsverbotes des § 20 II GWB stets mitgeprüft werden, auch wenn die meisten Veranstalter von Kunstund Antiquitätenmessen eine solche Begrenzung nicht vornehmen.

730

BGH, Urt. v. 08.03.1983 – KZR 1/82 „Modellbauartikel III“ in: WuW/E BGH, S. 1995.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

ddd) Die geographische Herkunft der Teilnehmer an Kunstmessen am Beispiel dreier Kunstmessen Die eindeutigste Bestimmung des räumlich relevanten Marktes für eine zu bewertende Kunstmesse lässt sich anhand der geographischen Herkunft der Teilnehmer feststellen. Dabei kann insbesondere Berücksichtigung finden, in welchen Anteilen die Aussteller aus welchen Gebieten stammen, somit eine geographische Herkunftskarte der ausstellenden Künstler und Galeristen erstellt werden. Denn Kunstmessen existieren aufgrund verschiedenster Faktoren und Einflüsse und haben sich aufgrund verschiedener Umstände gebildet. Während die Art Cologne anfangs als „Gegenveranstaltung“ der etablierten Kunstmesse in Köln dienen sollte, bilden sich u.a. Kunstmessen an Ferienorten.731 Wenn aber solche verschiedenen Faktoren den Start oder die Entwicklung einer Kunstmesse bedingen, ist gerade eine Einordnung durch die Herkunft der Aussteller unumgänglich. Durch eine solche Einordnung ist dann letztlich die tatsächliche Attraktivität der Kunstmesse für Aussteller aus der Messe nahen oder weit entfernten Gebieten feststellbar. Dabei sind für die anreisenden Aussteller neben den wirtschaftlichen Überlegungen auch künstlerische, oder sogar den „Ruf“ betreffenden Aspekte, die sonst kaum fassbar wären, wichtig und ausschlaggebend, so dass die räumliche Attraktivität der Kunstmesse und Vergleichbarkeit mit anderen Kunstmessen umfassend gewürdigt werden kann. Es ist gerade im Rahmen des § 20 II GWB, wie in den §§ 19 ff GWB, nötig, die Ausweichmöglichkeiten eines diskriminierten Bewerbers festzustellen. Hier ist bei der in Frage kommenden Kunstmesse zu bewerten, ob es sich um eine regionale Kunstmesse handelt, somit für die Feststellung der Marktstärke der Kunstmesse nur Kunstmessen sachlich gleicher Art in dem betreffenden Raum in Frage kommen, die dem Aktionsradius des Ausstellers und dem Einzugsgebiet der Kunstmesse entsprechen 732, oder ob in ganz Deutschland ansässige Kunstmessen berücksichtigt werden müssen. Dementsprechend muss jedoch daneben eine „Quotenregelung“ gefunden werden, durch welche die räumliche Attraktivität der Kunstmesse eingeordnet werden kann, um Fehler durch „Ausreißer“ zu minimieren. So kann insbesondere keine überregionale Kunstmesse dann angenommen werden, wenn 95 % der Aussteller aus einer Region um 100 km um die betreffende Messe stammen und nur 5 % von weiter gekommen sind. Dabei muss dem Umstand Geltung verschafft 731

Herstatt, Claudia, „Sommerfrische – Der Kunstkauf am Urlaubsort ist für Galeristen zu einem einträglichen Geschäft geworden“ in: Die Zeit, Nr. 32, 1. August 2002, Rubrik: Kunstmarkt Feuilleton, S. 39.

732

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 696.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

werden, dass ein gewisser Grundsatz an „fahrenden“ Galeristen existiert, die versuchen, so viele Kunstmessen wie möglich, gleichgültig wo sie in Deutschland stattfinden, zu bestücken. Andererseits kann nicht angenommen werden, dass eine Kunstmesse nur regionale Bedeutung besitzt, wenn über 50 % der Galeristen aus dem gesamten Bundesgebiet, oder darüber hinaus, angereist sind, und weniger als die Hälfte der Aussteller aus einem Radiusgebiet mit einem Durchmesser von 100 km stammen. Jedoch kann festgehalten werden, dass eine „starre“ Quotenregelung kaum möglich ist, vielmehr muss es stets einer Einzelfallbewertung überlassen bleiben, die betreffende Kunstmesse letztendlich einzuordnen. Als Richtwert kann dabei ein Verhältniswert zwischen 60 : 40 und 75 : 25 angenommen werden. Sind somit mehr als 25 %–40 % der Aussteller aus dem nicht-nahen Einzugsgebiet, sondern aus z.B. ganz Deutschland angereist, sollte als räumlich relevanter Markt der betreffenden Kunstmesse das Bundesgebiet festgelegt werden. Stammen hingegen 80 % der Aussteller aus einem Gebiet 100 km um die Kunstmesse, handelt es sich zwar um eine überregionale Kunstmesse mit einem räumlich relevanten Markt mit einem Radius von ca. 100 km um den Standort der betreffenden Kunstmesse, aber nicht um eine Messe mit deutschlandweiter Bedeutung.

cc)

Zusammenfassung hinsichtlich einer räumlichen Abgrenzung

Als Fazit kann festgestellt werden, dass der räumlich relevante Markt in einer Marktabgrenzung maximal das Bundesgebiet umfassen kann. Es ist der auf § 130 Abs. 2 GWB gestützten Auffassung des Bundeskartellamtes und des Bundesgerichtshofes zuzustimmen, dass der räumliche Markt nur das Gebiet Deutschlands umfasst. Diese räumliche Marktbestimmung wurde auch nicht durch die 6. EG-Novelle des Kartellrechts verändert. Weitere europäische Länder, wie Frankreich, halten im Rahmen der nationalen kartellrechtlichen Vorschriften an einer Begrenzung an der Landesgrenze fest.Die Einflüsse außerhalb des Bundesgebietes liegender Umstände bleiben jedoch nicht unberücksichtigt. Sie finden vielmehr Eingang in der erforderlichen Gesamtbetrachtung, wie es der Auffassung des Bundeskartellamtes entspricht.733 Demgegenüber sind aber kleiner abzugrenzende Märkte denkbar, die durch wirtschaftliche, geographische, gesetzliche oder natürliche Ursachen begrenzt werden können. Eine Begrenzung des Marktes kann sich aus der Marktpolitik des Veranstalters, insbesondere durch Verwendung von Begrenzungen in den Teilnahmebedingungen, ergeben. Falls dies nicht der Fall ist, hängt die Einteilung der Märkte davon ab, ob aus der Sicht der Nachfrager Kunstmessen in anderen Regionen als Ausweichmöglichkeit in Betracht gezogen werden, oder ob nur der regionale Markt bedient werden sollte. Für den Fall, dass die Kunstmesse nicht 733

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 100.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

mehr regional begrenzt ist, kann eine weitere Einteilung des überregionalen Marktes aufgrund der heutigen Mobilität der Besucher und der Aussteller nicht mehr erfolgen. Daher ist der Markt für überregionale Kunstmessen nur durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im rechtlichen Sinne begrenzt. Der tatsächliche ökonomische Markt kann diese Grenzen überschreiten. Somit existiert für den Kunstmarkt hochwertiger zeitgenössischer Kunstwerke nur noch ein einziger überregionaler, deutschlandweiter Markt, der gerade auch die „großen“ Kunstmessen wie die Art Cologne, das „art forum“ Berlin, die Art Frankfurt, um nur einige zu nennen, umfasst, und nur durch das Bundesgebiet für die Feststellung des räumlich relevanten Marktes begrenzt ist.734

c)

Der zeitlich relevante Markt

Als dritte Säule für die Definition des kartellrechtlich relevanten Marktes ist neben der sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung die nicht weniger relevante zeitliche Abgrenzung geboten, wenn das zu überprüfende Verhalten in einem Geschäftsverkehr vorkommt, der zeitlich limitiert ist.735 Damit kann der zeitliche Aspekt eine Rolle spielen, wenn die Wirkung wie bei einer Messeveranstaltung nur zeitweilig besteht.736 So könnte nicht nur ein Messezeitraum einen zeitlich begrenzten Markt darstellen, sondern ebenso ein einziger Tag eines Fußballspiels.737 Ein solches, grundsätzlich „limitiertes“ Verhalten liegt auch bei Kunst- und Antiquitätenmessen vor. Es spielt für die Marktabgrenzung, und damit für die Frage der Markstärke, eine wesentliche Rolle, ob als Ausweichveranstaltungen nur Messen in Betracht kommen, die zeitgleich liegen, oder auch solche, die zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden. Konkret bedeutet dies, ob z.B. für die Art Metz, 06. bis 10.05.2004, nur die Art Frankfurt, 07. bis 10.05.2004, für Galeristen als Ausweichmöglichkeit in Betracht gezogen werden muss, oder ob Kunstmessen wie die Art Brüssel und Art Cologne, die zu einem späteren oder früheren Zeitpunkt durchgeführt werden, einbezogen werden müssen. Die entsprechende Rechtsprechung, insbesondere die Urteile des OLG Frankfurt für die Art Frankfurt 738, sahen meist ohne nähere Begründung unter Berufung auf 734

LG München I, Urt. v. 23.10.1986 – 7 O. 20 404/86 „Kunst- und Antiquitätenmesse“ in WuW/E LG/AG, S. 600; OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898; OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S.554, S. 555.

735

Rixen in Frankfurter Kommentar, GWB 1999, § 20 Tz. 60.

736

Gassner, Ulrich, Grundzüge des Kartellrechts, Verlag Franz Vahlen, München, 1999, S. 107.

737

Ebel, Hans R., Kommentar zum GWB, 38. Auflage 2001, § 19 GWB Rz. 9a.

738

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069 ff.

199

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

ein Urteil des BGH zu einer Sportartikelmesse als relevanten zeitlichen Markt den im Fall der durch die Veranstaltung der ersten Kunstmesse in Frankfurt geschaffenen Kurzzeitmarkt.739 Jedoch kann diese Frage isoliert und losgelöst beantwortet werden. Gerade die Abhängigkeit der Marktstellung von der Marktabgrenzung gebietet es bei Kunstmessen, das „zeitliche Moment“ einer eingehenderen und an der Vorstellung des Gesetzgebers orientierten Prüfung zu unterziehen. Ein Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb zwangsläufig nur darin besteht, wiederholt zeitlich begrenzte Leistungen anzubieten, das jedoch von der Summe aller Erträge aller Ereignisse leben muss und nur in wenigen Ausnahmefällen in der Lage ist, mehr bzw. andere Konditionen von der Marktgegenseite zu verlangen, kann unter Umständen nicht nur punktuell kartellrechtlich beurteilt werden.740

aa)

Die Dauer der Veranstaltung als Grenze der zeitlichen Bewertung

Genau dieser zeitliche Aspekt erhielt in den ergangenen Entscheidungen der Gerichte zu Messeveranstaltungen ein besonderes Gewicht. In den getroffenen Entscheidungen war die Konzentration des Interesses der Nachfrager auf ein bestimmtes zeitliches Ereignis maßgeblich für die Marktabgrenzung. Zugrunde gelegt wurde dabei die Entscheidung des BGH zu einer Sportartikelmesse.741 In diesem Fall hatte der Veranstalter einer jährlich nur im Frühjahr stattfindenden Internationalen Sportartikelmesse die Vergabe von Messeständen an Hersteller und Großhändler davon abhängig gemacht, dass diese Ihre Waren nur über den Fachhandel vertreiben dürfen. In diesem Zusammenhang mit dieser Entscheidung befand das OLG Frankfurt im Jahre 1989, dass die Art Frankfurt einen eigenständigen Kurzzeitmarkt nur für den Zeitraum der Messe bilden würde.742 In einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1992 legte sich das OLG Frankfurt nicht mehr genau fest, sondern schloss nur nicht gänzlich aus, dass es sich um einen Kurzzeitmarkt handeln könnte.743 In weiteren Entscheidungen wurde hierzu keine Stellung mehr genommen. Jedoch muss davon ausgegangen werden, dass der Zeitraum nicht mehr auf den Veranstaltungszeitraum der Messe beschränkten wurde. Denn es fand eine Marktbegrenzung auf die Messen in Köln, Paris und Basel 744 statt, und da diese Messen aufgrund der Divergenz der Veranstaltungstermine den zeitlichen Rahmen der einzelnen Messeveranstaltung als Vergleichsmessen überschreiten, impliziert eine solche Festlegung des Marktes, dass ein Kurzzeitmarkt nicht angenommen wurde. 739

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

740

Tetzlaff, Angelica, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WuW 1988, S. 93, S. 99.

741

BGH, KVR 6/68 – Sportartikelmesse II“ in: BGHZ 52, 65.

742

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in NJW-RR 1990, 1069.

743

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.04.1992 – 6 W (Kart) 31/92 in GRUR 1992, 554 (555).

744

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U 20/86 in WuW/E OLG 4173.

; ;

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Ansatzpunkt einer zeitlichen Abgrenzung ist der Umstand, dass Anbieter und Nachfrager nur grundsätzlich dann miteinander in Wettbewerb stehen, wenn sie gleichzeitig zum Leistungsaustausch bereit sind.745 Insofern liegt es nahe, Messen nach ihrem Veranstaltungszeitraum zu beurteilen. Denn ein Messeveranstalter kann nur in dem Zeitraum der Veranstaltung Raum für Messestände zur Verfügung stellen.746 Somit wäre der relevante Markt einer Kunstmesse wie die Art Frankfurt’89 zeitlich auf die Dauer von 6 Tagen – vom 21.4.1989 bis 26.4.1989 begrenzt, wie das OLG Frankfurt 1989 entschied.747 Dies wurde auch durch das erkennende Gericht im Jahre 1992 bestätigt, in dem es entschied, dass die Art Frankfurt einen eigenständigen Kurzzeitmarkt bilden könnte.748

; ; ;

;; ;;

Eine solche Annahme eines Kurzzeitmarktes nur für die Dauer der Veranstaltung würde zur Folge haben, dass in rechtlicher Hinsicht ein Ausweichen für Bewerber nur auf Messen möglich wäre, die zumindest an einigen Tagen sich mit der zu bewertenden Kunstmesse überschneiden. Ungeklärt bleibt dabei, ob nur für die Überschneidungen ein Ausweichen möglich ist, oder auch für die anderen Tage. Schaubild 1:

t

Zu bewertende Messe mit Wiederholung

Messe mit gleicher Kunst; anderer Termin Messe mit anderer Kunst; anderer Termin

Messe mit gleicher Kunst; überschneidender Termin Messe mit anderer Kunst; anderer Termin

745

Beckmann, Peter, Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verlag Gehlen, Bad Homburg, 1968, S. 134.

746

BGH, Beschluss vom 03.03.1968 „Sportartikelmesse II“ – KVR 6/68 in WuW/E BGH 1027 (1030).

747

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

748

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

201

202

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Wie sich aus dem Schaubild 1 ergibt, würde nur die sich zeitlich überschneidende Kunstmesse mit gleicher Kunstrichtung eine Ausweichmöglichkeit ergeben. Eine solche Einschränkung des zeitlich relevanten Marktes führt zu einem Ergebnis, wie es in einer Gerichtsentscheidung zu einem Fußballspiel zwischen dem 1. FC Köln und Inter Mailand zum Ausdruck kam. In dieser Entscheidung erhielt die Marktabgrenzung in zeitlicher Hinsicht besonderes Gewicht, die vor allem Aspekte zur räumlichen Abgrenzung überlagerte. Der BGH hat bestätigt, dass es für die Anwendung des § 22 GWB a.F. unter Umständen auf die Beurteilung eines bestimmten Zeitraums oder Zeitpunktes ankommen könne. Maßgeblich sei in diesen Fällen die Konzentration des Interesses der Nachfrager auf ein bestimmtes, zeitlich begrenztes Ereignis. Dies sei im Fall des Fußballspiels zwischen dem 1. FC Köln und Inter Mailand so erheblich gewesen, dass der 20.02. 1985 den zeitlich relevanten Markt dargestellt habe. Diese beiden Entscheidungen sowohl zu der Sportartikelmesse als auch zu dem Fußballspiel werden jedoch dem tatsächlichen Lebensablauf und den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht gerecht, die aber im Rahmen einer kartellrechtlichen Bewertung berücksichtigt werden müssen. Bei einem Fußballspiel muss der Verein wirtschaftliche Investitionen, insbesondere im Bereich der Spieler- und Trainereinkäufe tätigen. Durch diese hohen Belastungen muss ein Verein über die ganze Saison kalkulieren und alle Spiele mitberechnen, um die nötigen Einnahmequellen auszuschöpfen. Dem Fan ist zwar eine bestimmte Begegnung wichtig, aber es kommt auf die Begegnungen in dem jeweiligen Cup an, die entscheidend sind, und für den Fan als Nachfrager eine Einheit geben. Insoweit kann der Ansicht von Frau Tetzlaff gefolgt werden, dass ein Fußballspiel nicht nur für ca. 2 Stunden einen eigenen Markt bilden kann, somit nicht das Marktgeschehen auf dem Markt an nur einem Tag einer Bewertung zugrunde gelegt werden kann.749 Gerade bei Messen muss entgegen der Auffassung der Rechtsprechung ein längerer Zeitraum für eine Bewertung berücksichtigt werden. Veranstalter von Kunstmessen müssen bei ihren Investitionen einen längeren Zeitraum berücksichtigen und die Wiederholung der Veranstaltung mit einberechnen, wenn sie längerfristig Erfolge feiern möchten. Hierbei ist notwendig, dass konkurrierende Kunstmessen bewertet, deren Durchführung genau analysiert werden. Und die Bewegungen der Aussteller auf den späteren Konkurrenzmessen aufgrund verschiedener Umstände, wie die Neugründungen von Messen oder der allgemeinen Verlagerung des Kunstmarktes muss ein Veranstalter stets im Auge behalten, um nicht aus dem Markt gedrängt zu werden. Aber auch die Nachfrager, also Galeristen und Künstler, betrachten und analysieren nach einem Auftritt bei einer Kunstmesse genau die einzelnen, nacheinander stattfindenden Kunstmessen,

749

Tetzlaff, Angelica, „Sport unter der Kartelllupe“ in: WuW 1988, S. 93, S. 97.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

bevor sie sich wieder um einen Standplatz bei der ersten Kunstmesse an ihrer Wiederholung bewerben. Wenn man jedoch dieses wirtschaftliche und tatsächliche Verhalten berücksichtigt, kann auf dem Markt der Kunstmessen nicht nur der Zeitraum der Durchführung einer Messe einer Bewertung zugrunde gelegt werden. Vielmehr entspricht es der wirtschaftlichen Wirklichkeit, die im GWB zu berücksichtigen ist, dass der Zeitraum der Bewertung eine ganze „Kunstmessensaison“ umfassen muss. Die gleiche Ansicht in Bezug auf ein anderes Gebiet der Kunst, dem Theatermarkt, vertrat schon 1967 das LG Berlin. Es stellte dabei fest, dass der örtlich und zeitlich abzugrenzende relevante Markt derjenige der Theateraufführungen der privaten Theater innerhalb einer Spielzeit ist.750 Im Gegensatz zu den Urteilen, welchen den Markt beschränken, wurde bei dieser Entscheidung der Markt nicht zeitlich auf das einzelne nur an einem Abend stattfindende Theaterstück begrenzt, obwohl das erkennende Gericht sich der Tatsache bewusst war, dass jede Theateraufführung ein Unikat darstellt und nicht immer gleich wiedergegeben werden kann. Dies ist die richtige Ansicht. Die Begrenzung auf den reinen Veranstaltungszeitraum nur eines Theaterstücks, eines Fußballspiels oder einer Kunstmesse würde zu einer solch engen Auslegung des Gesetzes führen, dass gerade das von dem Gesetz bezweckte Ziel – die Offenhaltung der Märkte – in sich verkehrt würde, und zu einer absoluten Schließung der Märkte führen würde. Mit zu berücksichtigen ist dabei, dass durch eine enge Begrenzung der zeitlichen Komponente ein Veranstalter automatisch nicht nur marktstark, sondern Monopolist auf dem von ihm selbst geschaffenen Kurzzeitmarkt werden würde. Dies ist und kann nicht Sinn und Zweck des GWB sein. Eine weite zeitliche Auslegung entspricht der Intention des GWB. Die Frage, für welchen Zeitraum ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen wird, lässt sich nur im Einzelfall beantworten. Die Antwort ist, für einen angemessenen Zeitraum, innerhalb dessen es einem Bewerber zuzumuten ist, von den Ausweichmöglichkeiten Gebrauch zu machen.751 Ähnlich wird im Rahmen der Vergabe von Plätzen auf Volksfesten an fahrende Aussteller geurteilt. So kommen zwar zeitlich für ein Volksfest nur Märkte und Volksfeste als Ausweichmöglichkeiten in Frage, die in derselben Periode stattfinden. Eine solche Periode umfasst aber die ganze Jahreszeit für derartige Veranstaltungen im Freien – etwa von Ende April bis Ende Oktober / Anfang November. In diesem Zeitraum muss ein Aussteller um eine umfassende Auslastung bemüht sein. Veranstaltungen, die für ihn – unter

750

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 280.

751

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 386.

203

204

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Berücksichtigung von Abbau-, Fahrt- und Aufbauzeiten – nacheinander stattfinden, wird er, seine Zulassung unterstellt, nacheinander beschicken.752

bb)

Tatsächliche Marktbewegung und Betrachtung der Teilnehmer von Kunstmessen

Die Zugrundelegung eines Zeitraums zwischen der zu bewertenden Kunstmesse und deren geplanten Wiederholung als zeitlich relevanter Markt entspricht, wie schon angedeutet, dem tatsächlichen Marktgeschehen. Die Veranstaltung einer Kunstmesse ist aufgrund der Eigenheiten des Kunstmarktes weder vergleichbar mit einer Messe für Sportartikelwaren für Zwischenhändler noch mit einem Fußballspiel. Grundsätzlich sind die Tätigkeiten beider Veranstalter von Messen darauf gerichtet, in begrenzten Zeiträumen im Jahr eine gewerbliche Leistung anzubieten. Der relevante Unterschied besteht aber im Interesse der Gegenseite. Während bei Letzterem tatsächlich die Veranstaltung die einzige Möglichkeit für Großhändler war, sich Zwischenhändlern mit ihrer Ware zu präsentieren, existieren in der Kunstszene für Aussteller noch andere Messen, wenn auch nur in evtl. begrenzter Auswahl, um ihre Ware Endverbrauchern, wie Sammlern, anzubieten. Weiterhin existiert, wie schon einmal angeführt, ein so genannter „Kunstzirkus“, indem ein gleich bleibender Kreis von potenten Endverbrauchern immer den Kunstmessen folgt.753 Weiterhin ist zu beachten, dass ein Kunstgut eine Doppelnatur von künstlerischer Idee und individuellem Produkt darstellt. Insofern handelt es sich bei jedem Verkaufsobjekt um ein Original, das nicht ersetzbar ist, es stellt ein nicht-rivalisierendes Gut dar.754 Ein solches Gut, also ein Original, kann aber noch auf anderen Messen angeboten werden, solange diese Messen der Vergleichsmesse in sachlicher Hinsicht entsprechen, ohne dass potentielle Käufer abgeschreckt werden. Denn es existieren verschiedene Käufertypen, die unterschiedliche Künstler und Kunststile kaufen 755, und nicht auf andere Anbieter wechseln, wenn auf einer Messe ein bestimmtes Objekt nicht angeboten wird. Vielmehr besuchen sie die nächste vergleichbare Veranstaltung, um dort das Objekt zu erwerben. Denn die Ausstrahlungskraft einer solchen Messe und von Kunstwerken endet weder an den Grenzen einer Stadt noch an den nationalen Grenzen, und andere Kunstmessen beziehen auch das interessierte Publikum der zu beurteilenden Kunstmesse ein. Dies erklärt sich nicht aus der Internatio752

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 696.

753

OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.1987 – U 20/86 in WuW/E OLG 4173.

754

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse von Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 17 (19).

755

Zembylas, Tasos: Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 60.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

nalität der Kunst und des Kunstschaffens, sondern folgt aus dem elitären Angebotscharakter der Messen. Bei Beträgen der Größenordnung ab 10 000 Euro als Regelpreis, und noch höher, bilden Entfernungen für den kunstinteressierten Anleger, Sammler, Museumseinkäufer, Bevollmächtigten staatlicher Sammlungen, etc. keine ernstzunehmende Distanz.756 Dementsprechend stellt ein Zeitablauf kein Hindernis dar. Während andere Produkte nach einer gewissen Zeit an Wert verlieren, sind Kunstwerke von einem Wertverfall nicht betroffen. Antiquitäten gewinnen sogar an Wert. Daher ist es einem Galeristen zu einem späteren Zeitpunkt möglich, ein Gemälde ohne Verlust, vielleicht sogar mit Gewinn, zu veräußern. Er kann jederzeit eine Kunstmesse mit gleicher Kunstausrichtung, solange sie sachlich und örtlich dem gleichen relevanten Markt entspricht, bestücken.

cc)

Fazit

Verschiedene Kunstmessen bilden ein einheitliches Marktgeschehen auf dem Segment des Kunstmarktes. Eine Trennung des Marktgeschehens in streng abgegrenzte Zeiträume würde zu einer Verzerrung des wirklichen Marktgeschehens führen. Eine weitere Kunstmesse könnte nach der bisherigen Rechtsprechung nur dann in die Urteilsfindung miteinbezogen werden, wenn sie zu den exakt gleichen Daten wie die zu beurteilende Messe stattfinden würde. Schon eine Differenz von etwa einem Tag hätte zur Folge, dass genau an diesem Tag die zu beurteilende Messe alleiniger Anbieter, und somit zwingend marktbeherrschend, wäre. Im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung, in der die Entscheidung des BGH zur Sportartikelmesse angeführt wurde, ist zu beachten, dass sich dem dortigen Veranstalter das Problem stellte, dass er bei der Zulassung von Ausstellern berücksichtigen muss, dass er alleiniger Anbieter auf dem Markt für Sportartikel ist. Dies muss ein Veranstalter für Messen der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts durch die große Anzahl derartiger Messen nicht berücksichtigen. Es kann somit nicht das Geschehen auf dem Markt nur an einem bestimmten Veranstaltungszeitraum zu Grunde gelegt werden. Das Geschehen kann nicht nur punktuell kartellrechtlich beurteilt werden, sondern muss ganzheitlich betrachtet werden, um den Eigenheiten des Kunstmarktes gerecht zu werden. Somit ist als Fazit des zeitlich relevanten Marktes im Hinblick auf Kunstmessen festzuhalten, dass als Zeitraum der Bewertung die Zeit zu Grunde zu legen ist, die zwischen dem ersten Veranstaltungstag, der zu beurteilenden Messe, und dem letzten Tag vor dem ersten Tag des nächsten Termins dieser Messe liegt. Dies entspricht in den meisten Fällen dem Zeitraum von einem Jahr, kann aber auch kürzer sein. Liegen hierbei Messen in diesem Zeitraum, die in sachlicher

756

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

205

206

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

und räumlicher Hinsicht der zu beurteilenden Messe entsprechen, sind diese als Vergleichsmessen dem Markt hinzuzurechnen. Für den Fall, dass keine vergleichbaren Messen existieren, ist diese Messe als alleiniger Veranstalter zu betrachten, nur in einem solchen Falle könnte dann der Messezeitraum an sich als zeitlich relevanter Markt betrachtet werden.

d)

Die Voraussetzung der ständigen Neubeurteilung der Marktsituation

Ob eine Kunstmesse, die schon als zumindest marktstark beurteilt wurde, oder diesen Status noch nicht erreicht hatte, bei der nächsten Veranstaltung als zumindest marktstark beurteilt werden kann, hängt immer von einer Vielzahl von gegenwärtig noch nicht überschaubaren Umständen ab, insbesondere von der dann gegebenen Markstellung der zu bewertenden Kunstmesse und anderer Kunstmessen. Letztlich hängt es auch von dem geschäftlichen Gebaren des Veranstalters und der weiteren Entwicklung und Gestaltung des Unternehmens „Kunstmesse“ ab.757 Um jedoch stets eine sachgerechte Beurteilung des relevanten Marktes im Sinne des Diskriminierungsverbotes des § 20 II GWB erreichen zu können, muss stets für das aktuelle Verfahren um die Zulassung zu einer Kunstmesse eine Neubeurteilung des Kunstmessemarktes erfolgen. Gerade eine statische Betrachtungsweise, oder die Bezugnahme auf gerichtliche Entscheidungen die gleiche Kunstmesse betreffend aus zurückliegenden Jahren verbietet sich. Hierzu ist der Kunstmarkt zu stark von Umbrüchen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Dabei sind Kunstmessen, die angekündigt wurden, aber noch nie vorher stattfanden, auch bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Sie bieten Galeristen eine Plattform und müssen bei der Entscheidung, welchen Einfluss die Messe auf dem konkreten und zukünftigen – sicher feststehenden – Markt hat, miteinbezogen werden.

e)

Fallbeispiel „Art Cologne 2002“

Das folgende Fallbeispiel soll in kurzer Form anhand der Kunstmesse „Art Cologne“ die obig gefundenen Maßstäbe zu einer Marktabgrenzung im Sinne des § 20 II S. 1 GWB (= § 26 II S. 2 GWB a.F.) darstellen. Speziell ist hierbei die Kunstmesse „Art Cologne“ gewählt worden, da sie schon öfters Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen in Bezug auf die Zulassung war. Eine letzte

757

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1397.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

Entscheidung hierzu wurde im Jahre 2001 durch das LG Köln getroffen.758 Während im Jahre 1986 das OLG Düsseldorf 759 noch entschied, dass die Kunstmessen Köln, Basel und Paris zu einem einheitlichen Markt gehören, wurde 2001 durch das LG Köln in Bezug auf eine kurz vorher ergangene Entscheidung des OLG Düsseldorf entschieden, dass der Markt nur Deutschland umfasse. In Bezug auf die sachliche Abgrenzung entschied das Gericht 1986, dass die Messe ihrem Inhalt und Renommee nach einzigartig, und nur mit Basel und Paris vergleichbar sei. Aus dem Urteil im Jahre 2001 ist hierbei keine Abgrenzung ersichtlich. Eine zeitliche Abgrenzung ist nicht getroffen worden, es wurde durch das OLG 1986 nur nicht ausgeschlossen, dass es sich um eine Kurzzeitveranstaltung handeln könne, während im Jahre 2001 zu diesem Punkt auch keine Aussage getroffen wurde. In Frage steht somit, wie nun der relevante Markt in Bezug auf die im Jahre 2002 stattfindende Kunstmesse „Art Cologne“ zu bestimmen ist.

(1)

Abgrenzung des relevanten Marktes

Die Abgrenzung des relevanten Marktes im Sinne des § 20 II GWB erfolgt durch die Festlegung des sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Marktes.

(1.1)

Sachlich relevanter Markt

Die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes ist grundsätzlich einzelfallabhängig und somit vorliegend nur für die zu beurteilende Messeveranstaltung maßgeblich. Eine Begrenzung in Bezug auf die auf der Messe vertretenen Kunststile und Objekte kann nur in einer Weise erfolgen, dass dem sachlich relevanten Markt nicht Messen zugerechnet werden, auf denen ausschließlich Objekte gehandelt werden, die nicht auf der zu beurteilenden Veranstaltung als Handelsobjekt zugelassen sind. Daher sind alle Messen zu diesem Markt zu rechnen, auf denen auch, aber zwingend nicht ausschließlich, die Kunstrichtungen und Ausdruckarten vertreten sind, die auch auf der zu beurteilenden Messe präsentiert werden. Ausweislich der Allgemeinen Teilnahmebedingungen Nr. 1.1 definiert sich die Art Cologne folgendermaßen: „Die Art Cologne ist eine Ausstellung für die Propagierung und den Verkauf internationaler moderner Kunst, an der hervorragende, überregional wirkende Galerien, deren Rang und Bedeutung internationalen Maßstäben standhalten, teilnehmen können.“ Die Art Cologne beschränkt dadurch ihr Angebotssortiment auf moderne Kunst. Dies bedeutet

758

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“.

759

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

im Hinblick auf die Art Cologne, dass der sachlich relevante Markt alle Kunstund Antiquitätenmessen umfasst, auf denen Aussteller moderne Kunst des 20. Jahrhunderts präsentieren können und internationalen Ausstellern zugänglich ist. Nicht zu diesem Markt zu rechnen sind Messen, die nicht moderne Kunst des 20. Jahrhunderts zulassen.

(1.2)

Räumlich relevanter Markt

Bei dem oben abgegrenzten Markt in sachlicher Hinsicht handelt es sich aus rein ökonomischer Sicht vermutlich um einen europaweiten, wenn nicht sogar die USA umfassenden Markt. Die kartellrechtliche Prüfung nach dem GWB ist aber normativ auf das Inland beschränkt. Ausweislich der Ausstellerliste 2001 stammten von 272 Ausstellern insgesamt 32 Aussteller aus Köln, 10 Aussteller aus Düsseldorf und eine Galerie aus Bonn. Aus der Großregion Köln/Bonn/Düsseldorf waren 43 Galerien zu der Messe zugelassen worden. Dies entspricht einer Quote von 15,8 %. Aufgrund der Marktpolitik des Veranstalters ist zu schließen, dass der Großteil der Aussteller nicht aus der Region um Köln stammt. Die Messeveranstaltung wird von Ausstellern aus dem gesamten Bundesgebiet, und sogar darüber hinaus, nachgefragt. Es handelt sich um eine überregionale Messeveranstaltung. Eine regionale Beschränkung des Marktes ist nicht erkennbar. Teilnahmebedingungen, die den Markt regional begrenzen, wurden nicht durch den Veranstalter eingebracht. Ein Ausschluss internationaler Aussteller existiert nicht, so dass alle Messen zu dem Markt zu rechnen sind, die einen solchen Ausschluss auch nicht bestimmen und überregional tätig sind.

(1.3)

Zeitlich relevanter Markt

Als zeitlich relevanter Markt ist bei einer Messeveranstaltung im Segment des Kunstmarktes der Zeitraum zwischen den ersten Veranstaltungstagen zwischen zwei sich wiederholenden Messeveranstaltungen zu werten. Die Art Cologne ist eine im jährlichen Turnus stattfindende Veranstaltung. Im Jahre 2001 fand sie in der Zeit vom 31. Oktober bis zum 4. November statt. Als Veranstaltungszeitraum für das Jahr 2002 wurde die Zeit vom 30. Oktober bis zum 3. November festgelegt. Der relevante Zeitraum umfasst damit die Zeit zwischen dem 31. Oktober 2001 und dem 29. Oktober 2002.

(1.4) Marktfestlegung Als Vergleichsmessen, die dem obig festgelegten relevanten Markt im Sinne des § 20 II GWB zuzurechen sind, können alle Veranstaltungen betrachtet werden, die innerhalb des festgelegten Zeitraums liegen, und die gleichen sachlichen und räumlichen Kriterien erfüllen.

III. Die Definition des „relevanten Markts“

(1.4.1)

„Art Forum Berlin“

Das Art Forum Berlin fand vom 2.–6.10.2002, somit im fraglichen Zeitraum, statt. Während der letzten Veranstaltung waren von 173 Ausstellern nur 40 aus der Region Berlin, somit ca. 23,12 %. Diese Messe kann als überregionale Veranstaltung gewertet werden. Weiterhin werden auch auf dieser Messe Objekte der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts präsentiert. Diese Kunstmesse erfüllt die Voraussetzungen.

(1.4.2) „Art Frankfurt“ Die Art Frankfurt fand vom 29.06.2002 bis zum 03.06.2002 statt. Auf Ihr werden Kunstwerke des 20. Jahrhunderts gehandelt. Auf der letzten Art im Jahre 2001 waren von 184 Ausstellern 19 aus der Region, dies entspricht einer Quote von 10,3 %. Diese Messe bewegt sich daher auf dem gleichen Markt wie die Art Cologne.

(1.4.3) „Kunst Messe Köln“ Die Kunst Messe Köln, genauer ausgedrückt die 33. Westdeutsche Kunstmesse mit Veranstaltungsort in Köln, nicht zu verwechseln mit der KunstKöln, fand vom 13. bis 21.04.2002 statt. Auch hier wurden Kunstwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert gehandelt, wobei grundsätzlich das Angebot sich vom Altertum bis zur Neuzeit erstreckte. Von 141 Ausstellern waren elf Aussteller aus Düsseldorf und zwei aus Hannover und einer aus Köln. Es stammen somit 14 aus der Region. Dies entspricht einer Quote von ca. 9,9 %. Sie kann somit auch als mit den Markt bildend angesehen werden.

(1.4.4) „KunstKöln“ Die Kunstköln gibt sich nach eigener Aussage als Internationale Kunstmesse für Editionen, Art Brut, Kunst nach 1980 und Fotografie. Sie umfasst daher auch die gleiche Kunstrichtung wie die Art Cologne, wenn es auch nur Kunst ab 1980 betrifft. Ihr Veranstaltungszeitraum umfasste die Zeit zwischen dem 13. und 17.04.2002. Von 114 Ausstellern stammten zwanzig aus Köln, drei aus Düsseldorf und einer aus Hannover. Dies ergibt eine Quote von 21 %. Sie stellte eine überregionale Messe dar.

(1.4.5) „Kunstmesse München“ Die 46. Kunstmesse München fand vom 24. November bis zum 2. Dezember 2001 in München Riem statt. Die Mehrzahl der insgesamt 130 Aussteller stammte

209

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

nicht aus der Region. Das Angebotssortiment reichte von der Antike über Werke von Jan Brueghel dem Jüngeren (1601–1678) bis zu der Kunst des 20. Jahrhunderts, wie dem Doppelportrait „Braut und Bräutigam“, das Amadeo Modigliani 1915 malte. Diese Messe ist somit auch zu dem relevanten Markt zu rechnen.

(2)

Der relevante Markt der Kunstmesse Art Cologne

Der relevante Markt umfasst alle Kunst- und Antiquitätenmessen, auf denen auch moderne Kunst des 20. Jahrhunderts gehandelt wird. Er ist nur auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, und nicht regional, begrenzt. Der zeitliche Rahmen umfasst den Zeitraum vom 31. Oktober 2001 bis 29. Oktober 2002. Im speziellen sind die Messen „Art Forum Berlin“, „Art Frankfurt“, „Kunst Messe Köln“, die „KunstKöln“ und die Kunstmesse München zu diesem Markt zu rechnen, auf dem nun in einem zweiten Schritt die Marktstärke der Art Cologne zu ermitteln wäre.

f)

Fazit der Abgrenzung des relevanten Marktes

Es bleibt festzuhalten, dass das GWB auf den Kunstbereich, und insbesondere auf Kunstmessen zwar Anwendung findet, die Normen aber den kunstspezifischen Eigenheiten angepasst und damit modifiziert werden müssen. Dies ergibt sich gerade aus den Eigenheiten von Kunst. Wie dargestellt, existiert jedes Kunstwerk nur einmal, der Begriff des Originals prägt stark den Markt. Jedes Kunstwerk besitzt daher seinen eigenen Markt und Originale sind folglich nicht austauschbar. Während auf „normalen“ Messen industriell gefertigte Produkte feilgeboten werden, die jederzeit austausch- und wiederherstellbar sind, ist das originale Kunstwerk gerade nicht reproduzierbar. Diese Besonderheit wirkt sich auch auf die Bestimmung des relevanten Marktes aus, dessen Definition das Diskriminierungsverbot des § 20 II GWB fordert. Es ist der Auffassung der Europäischen Kommission zuzustimmen, die in ihren Erläuterungen und den Darlegungen das Segment des Messe- und Ausstellungswesens auch im Bereich der Kunst einen eigenen Markt widmet. Die weitere Bestimmung des relevanten Marktes ist jedoch einzelfallabhängig und kann nicht allgemeingültigen Regelungen folgen, wie sie sonst bei Messen und Ausstellungen Anwendung finden. Es ist dabei der Individualität sowohl der Kunstobjekte als auch der verschiedenen Kunstrichtungen Aufmerksamkeit zu schenken. Grundsätzlich kann zwischen den verschiedenen Kunststilen und Kunstarten unterschieden werden, die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes ist aber nur durch eine Betrachtung der Wechselwirkung zwischen dem Angebotssortiment und den Zulassungsbedingungen der jeweiligen Kunstmesse in Bezug auf

III. Die Definition des „relevanten Markts“

andere Kunst- und Antiquitätenmessen möglich. Diese Wechselwirkung wird dadurch gekennzeichnet, dass, auch wenn eine Kunstmesse sich durch ihre Allgemeinen Zulassungsbedingungen eine Kunstrichtung gibt, diese gleichzeitig durch tatsächliche Zulassungshandlungen verändert werden. Insofern können weder die ATB noch die tatsächliche Zulassungspraxis alleinig für eine Definition des sachlich relevanten Marktes dienen. Vielmehr müssen beide in Korrelation zueinander gesetzt werden und nur in gemeinsamer Anwendung kann der sachlich relevante Markt definiert werden. Denn durch die tatsächliche Handlungsweise eines Kunstmesseveranstalters werden nicht nur die in den allgemeinen Zulassungsbedingungen festgelegten Kunstrichtungen verändert, vielmehr wird hierdurch der Markt auch in sachlicher Hinsicht tatsächlich mitdefiniert. Beispielhaft könnte hier ein Veranstalter einer Antiquitätenmesse angeführt werden, welcher aufgrund der sich verändernden Marktsituation mittlerweile auch Aussteller mit modernen Werken zulässt, und dies obwohl er in seinen Zulassungsbedingungen weiterhin davon ausgeht, dass nur Antiquitäten zugelassen werden dürften. In diesem Moment entsteht eine Wechselwirkung zwischen tatsächlichem Verhalten, Zulassung der Moderne, und gestelltem Anspruch, reine Antiquitäten. Durch diese Wechselwirkung muss festgestellt werden, dass sich dieser Veranstalter nicht mehr nur auf dem Sektor der reinen Antiquitätenmessen bewegt, sondern auch auf dem Markt der Moderne tätig wird, so dass er mit in diesen sachlich relevanten Markt für einen sich bewerbenden Galeristen mit Fachrichtung „Moderne“ aufgenommen werden muss. Als Beispiel sei hier die Kunstmesse TEFAF erwähnt, die 1975 mit den Richtungen Altmeistergemälde und mittelalterliche Skulpturen gegründet wurde und erst ab 1991 die Moderne und zeitgenössische Kunst zuließ.760 In diesem Rahmen ist weiterhin die Kunstrichtung, bzw. der Schwerpunkt des evtl. Diskriminierenden zu beachten. Sein Schwerpunkt ist nun in Korrelation zu den Kunstmessen zu setzen, denn aus seiner Sicht wird letztlich auch der sachlich relevante Markt mitbestimmt. Hierdurch wird festgelegt, welche Kunstmessen als austauschbar und vergleichbar angesehen werden müssen. Übertragen auf das obig angeführte Beispiel bedeutet dies, dass für einen Galeristen mit Schwerpunkt „Moderne“ alle Kunstmessen mit der Richtung „Moderne“ in Frage kommen. Diese Kunstmessen, auch wenn sie nur teilweise diese Richtung zulassen, gehören nun zu einem sachlich relevanten Markt. Auch gehört hierzu eine Kunstmesse, die entgegen Ihren Zulassungsbedingungen die „Moderne“ zulässt, wie dargelegt wurde. Weitere Abgrenzungsmerkmale können die Zulassung internationaler Aussteller sein, und die Tatsache, ob es sich um eine regionale oder überregionale Messe

760

Internet-Information der Kunstmesse TEFAF, abrufbar unter http://www.tefaf.com/ history.htm (Stand 02.12.2004).

211

212

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

handelt. Es hat sich ergeben, dass der räumlich relevante Markt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in rechtlicher Hinsicht beschränkt ist, auch wenn der tatsächliche ökonomische Markt über die Grenzen hinausgehen sollte. Eine zeitliche Einschränkung im Hinblick auf die Dauer der Veranstaltung kann nicht im Rahmen der Bewertung gemäß § 20 Abs. 2 GWB getroffen werden, vielmehr ist der Zeitraum zwischen der zu bewertenden und der vorherigen Veranstaltung zugrunde zu legen. Ob es sich um eine international renommierte Messe handelt, oder ob das Renommee eine solche Bedeutung bisher nicht erlangt hat, ist bei der Betrachtung des relevanten Marktes außer Betracht zu lassen, um nicht den Prüfungspunkt der Marktstärke mit dem der Marktfestlegung zu verwechseln. Zugleich ist ein für eine Messe einmal festgelegter Markt mit vergleichbaren Messen keine starre Erscheinung, sondern ist in jedem Jahr neu zu treffen. Die einmal gefundene Abgrenzung ist jedes Jahr auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, und evtl. zu korrigieren. Durch die ständige Fluktuation auf diesem Sektor des Kunstmarktes entstehen ständig neue Messen und bestehende gehen unter. So wurde z.B. im Jahr 2003 erstmalig eine Kunstmesse Karlsruhe mit dem Schwerpunkt „moderne Kunst“ durchgeführt worden, aber die Kunstmesse Hannover-Herrenhausen fand nach Angaben des Veranstalters nicht statt, obwohl sie im Messekalender angekündigt wurde. Diese Faktoren wären bei einer Beurteilung des Marktes zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass bei jeder gerichtlichen Entscheidung der relevante Markt von neuem zu begrenzen wäre, auch wenn dies einen erheblichen Mehraufwand für die betroffenen Gerichte bedeutet. Aber nur durch eine ständige Überprüfung des Marktes für Kunstmessen kann man dem Sinn und Zweck des GWB am ehesten gerecht werden. Denn in der heutigen Zeit, nach dem Zusammenbruch der bisherigen Anlagemärkte, rückt „Kunst“ immer mehr in das Bewusstsein kapitalstarker Gruppen. Kunstobjekte werden immer öfters von Einzelpersonen, oder von Gemeinschaften, zum Zwecke der Vermögensmehrung erworben, wodurch ein künstlicher Markt mit einer sich immer höher treibenden Preisspirale entsteht. Aufgrund dieser Entwicklungen kann eine getroffene Marktabgrenzung nicht statisch sein, denn der Markt ist in Bewegung. Schon 1974 gab es knapp sechzig Messen.761 Und in der Gegenwart gewinnen Kunstmessen immer noch mehr an Bedeutung. Sie ermöglichen allen Kunstmarktteilnehmern, und „Outsidern“, sich auf engstem Raum schnell und bequem eine Fülle von Informationen anzueignen und dienen gleichzeitig durch ihre Verkaufszahlen als Marktbarometer.

761

Pommerehne, Werner, und Frey, Bruno S.; Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, Seite 246.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

Sie stellen auf dem Kunstmarkt ein Gegengewicht zu Auktionen dar 762 und entwickeln derzeit durch eine schnelle Abfolge von Biennalen, Documenta-Veranstaltungen und Kunstmessen, um den Bedürfnissen nach ständig neuen Trends und Entwicklungen gerecht zu werden.763 Und auch der Kunstbegriff wandelt sich. Diese Faktoren sind bei jeder Definition des Kunstmarktes für Kunstmessen immer wieder neu zu betrachten und zu bewerten. Nur so kann eine Abgrenzung dem tatsächlichen Markt am ehesten gerecht werden. Damit kann der bisherigen Begrenzung des relevanten Marktes im Sinne des § 20 GWB für den Bereich der Kunstmessen, wie sie durch die Gerichte bislang vorgenommen wurde, nur teilweise zugestimmt werden. Denn die entsprechenden Urteile erwecken den Eindruck, dass zum Teil eine zu starke Orientierung an den durch die jeweiligen Parteien gehaltenen Vortrag stattfand, ohne sich mit einer konkreten Definition des Marktes auseinander zusetzen.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters Nachdem die Abhängigkeitsmöglichkeiten geklärt und die nachfragebedingte Abhängigkeitsform festgestellt wurde, ist in einem weiteren Schritt auf dem festgelegten Markt die Marktmacht einer Kunstmesse zu bestimmen. Denn der Veranstalter einer Kunstmesse kann als Normadressat des Diskriminierungsverbots gemäß § 20 II 1 GWB marktbeherrschend i.S. der Definition sein. Marktbeherrschend sind Kunst- und Antiquitätenmessen für den Fall, soweit sie auf einem sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzten Markt die Voraussetzungen einer beherrschenden Stellung erfüllen. Die Beherrschungsmöglichkeit und folglich die Marktmacht ergibt sich aus der Tatsache, wenn auf dem definierten relevanten Markt keine ausreichenden und auch keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestehen. Hierbei kommt es darauf an, ob funktionell austauschbare Alternativen überhaupt vorhanden sind und ob das marktstarke Unternehmen eine derartige Bedeutung hat, dass die Marktgegenseite die angebotene Leistung als nicht ohne Inkaufnahme von Wettbewerbsnachteilen austauschbar ansieht. Und bei der Frage der Zumutbarkeit ist allein auf die Interessen des möglicherweise diskriminierten Unternehmens abzustellen.764 Dabei bedarf es stets der

762

Klein, Ulrike, Der Kunstmarkt: zur Interaktion von Ästhetik und Ökonomie; Frankfurt am Main, 1993, Seite 6.

763

Holz, Hans Heinz, Vom Kunstwerk zur Ware, Verlag Luchterhand, Neuwied, Seite 25.

764

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 92.

213

214

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Klärung, ob ein Veranstalter, wie der Veranstalter z.B. der Art Frankfurt, als marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen anzusehen ist.765 Bei einer solchen Bewertung können Aspekte, wie ein hoher Marktanteil und ein großer Marktanteilsabstand zu den nächsten Wettbewerbern eine Rolle spielen. Ob der Bekanntheitsgrad und die Berühmtheit einer Marke ein Ausweichen vorübergehend oder für längere Zeit unmöglich macht, oder zumindest erschwert ist, bedarf jedoch stets der Individualfeststellung.766 Daneben können Werbung, verkaufsfördernde Maßnahmen und das Markenbewusstsein Elemente darstellen, die im Rahmen der Prüfung zu einer Bejahung der Abhängigkeit und der Marktmacht im Einzelfall führen können.767 Jedoch setzt eine marktstarke Stellung, oder sogar eine marktbeherrschende Stellung nicht voraus, dass ein Normadressat des § 20 II 1 GWB auf dem betreffenden Markt völlig ohne Mitbewerber ist.768 Auf der anderen Seite, gerade wenn ein Unternehmen dank seines Bekanntheitsgrades und des für seine wirtschaftlichen Leistungen erlangten Marktanteils in der Lage ist, auf die Wettbewerbsverhältnisse spürbaren Einfluss auszuüben und seine eigene Unternehmenspolitik gegenüber den abhängigen Unternehmen durchzusetzen, unterliegt es dem Diskriminierungsverbot.769 Wann eine marktstarke Stellung unter den Vorraussetzungen festgestellt werden kann, hängt neben den aufgeführten Aspekten davon ab, wie das Merkmal der ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeit definiert werden muss.

a)

Ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten

Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 20 Abs. 1 GWB ist ein Unternehmen marktbeherrschend, soweit es für eine bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ohne Wettbewerb oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist 770, für einen Bewerber also keine ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestehen. Dies bedeutet, dass vorhandene Aus765

Gegenteiliger Ansicht: OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

766

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 561.

767

Fischötter, Werner, „Buchbesprechung zu GWB Gemeinschaftskommentar“ in: GRUR 1978, S. 118, S. 122.

768

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 910.

769

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 670.

770

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 409.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

weichmöglichkeiten die Anwendung des § 20 II 1 GWB dann ausschließen, wenn diese objektiv ausreichend sind und wenn einem eventuell diskriminierten Unternehmen darüber hinaus zugemutet werden kann, von ihnen Gebrauch zu machen. Wie schon im Rahmen der Unbilligkeit einer Behinderung bzw. der Ungleichbehandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund erfordert die Zumutbarkeit eine Interessensabwägung. Das Verhältnis dieser beiden Wertungen bedarf der Klärung, wobei grundsätzlich festzuhalten ist, dass die Abwägung für das Merkmal der Zumutbarkeit nicht die gleiche umfassende Abwägung aller Interessen und Umstände zum Gegenstand haben kann, wie sie für die Prüfung der Frage der Unbilligkeit einer Behinderung oder des sachlich gerechtfertigten Grundes einer Ungleichbehandlung erforderlich ist. Somit darf die Frage der Zumutbarkeit des Ausweichens auf einen anderen Geschäftspartner nur mit Blick auf die Interessen des möglicherweise abhängigen Unternehmens geprüft werden. Damit bleibt die Bewertung der entgegengesetzten Interessen des auf der Gegenseite beteiligten Unternehmens der später durchzuführenden erforderlichen umfassenden Interessensabwägung vorbehalten. Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es zunächst daher darauf an, welche Risiken und Belastungen bei einem Ausweichen auf ein anderes Unternehmen bestehen, wobei die Feststellung dieser Zumutbarkeit nicht nur auf objektive Merkmale beschränkt bleiben darf.771 Gerade hier ist zu unterscheiden, welche Macht eine Kunstmesse besitzt, wobei mehrere Kunstmessen nicht unbedingt getrennt zu betrachten wären. Denn Marktstärke kann sich in Marktmacht verwandeln, wenn z.B. auch ohne direkte Vereinbarung zwei Unternehmen, wie zwei Messen, ohne wesentlichen Wettbewerb dazwischen existieren. Sie können dann sogar ein Oligopolunternehmen darstellen.772 Die Begriffe „ausreichend“ und „zumutbar“ stehen nicht im Verhältnis eines objektiven oder allgemeinen zu einem subjektbezogenen Tatbestandsmerkmal. Vielmehr sind beide Begriffe subjekt- oder einzelfallbezogen zu verstehen, das objektive Merkmal ist die Ausweichmöglichkeit. Das Merkmal der „ausreichenden“ Ausweichmöglichkeit hat keine eigenständige Bedeutung mehr. Es ist lediglich zu prüfen, ob objektiv Ausweichmöglichkeiten vorhanden sind und ob das Ergreifen dieser Möglichkeiten subjektiv zumutbar ist. Ist es zumutbar, dann sind die Ausweichmöglichkeiten in jedem Fall auch ausreichend.773

771

Hefermehl, Wolfgang (Heidelberg); „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 279.

772

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 915.

773

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 383; Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 670; BGH, Urt. v. 24.09. 1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 127.

215

216

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Diese Ausweichmöglichkeit beurteilt sich zunächst danach, welche Möglichkeiten auf dem relevanten Markt überhaupt vorhanden sind, auf entsprechende Geschäftsbeziehungen mit anderen Unternehmen auszuweichen. Es steht dabei der Annahme einer Abhängigkeit nicht entgegen, dass auf dem in Frage stehenden Markt wesentlicher Wettbewerb besteht und eine größere Anzahl von Unternehmen gleichartige Waren vertreibt. Denn Geltung und Ansehen einer bestimmten Ware können auch bei vorhandenem wesentlichen Wettbewerb und einer Vielzahl von Anbietern so bedeutend sein, dass die Nichtmöglichkeit der Inanspruchnahme einer wirtschaftlichen Leistung bei einem Unternehmen, bei dem das Vorhandensein der Ware als selbstverständlich vorausgesetzt wird, zu einem Verlust an Ansehen und zu einer gewichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führen kann.774 Dabei hängt die Wettbewerbsfähigkeit von dem „Wettbewerb“ auf dem Markt allgemein ab. Wettbewerb bedeutet stets, dass ein Unternehmen auf andere Unternehmen ausweichen kann, was aber nicht die Möglichkeit ausschließt, dass ein Unternehmen gleichwohl auf die Erzeugnisse angewiesen sein kann. Für die Frage der Marktbeherrschung im Rahmen des GWB muss aber auch immer auf die Austauschbarkeit eines bestimmten Erzeugnisses in den Augen des „verständigen Verbrauchers“ abgestellt werden. Auch kann immer wieder der Fall eintreten, dass eine Ware oder Dienstleistung oder Ware eines nicht marktbeherrschenden Unternehmens für einen Händler so unentbehrlich ist, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zu bejahen ist. Fraglich ist, ab wann ein Abhängigkeitsverhältnis grundsätzlich als so entscheidend angesehen werden muss, dass ein Ausweichen nicht mehr möglich ist. Hier wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass ein Ausweichen auf andere Geschäftspartner nur dann nicht zumutbar sei, wenn es sich um eine existenzielle Bedrohung handeln würde. Dies ist jedoch kritisch zu betrachten, wie von Hefermehl 775 festgestellt wurde, weil es in diesem Fall bereits an dem Vorhandensein echter Ausweichmöglichkeiten fehlen würde oder jedenfalls keine „ausreichenden“ Ausweichmöglichkeiten vorhanden wären. Jedoch verlangt das Gesetz nicht nur ausreichende, sondern auch zumutbare Ausweichmöglichkeiten. Damit ist erkennbar, dass eine Abhängigkeit auch dann anzunehmen ist, wenn geringere Nachteile als die Existenzvernichtung drohen. Auf der anderen Seite darf die Grenze der Zumutbarkeit auch nicht zu niedrig angesetzt werden. Dies ergibt sich schon aus der Bedeutung des Begriffs „Abhängigkeit“, wobei grundsätzlich nicht jeder Nachteil, der aus einem Verzicht auf eine Geschäftsverbindung entsteht, die Annahme einer „Abhängigkeit“ rechtfertigt. Auch ausgehend von Sinn

774

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 561.

775

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 281.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

und Zweck des GWB, das zwar durch diskriminierende Verhalten bedingte Wettbewerbsverfälschungen verhindern, aber gleichzeitig kein allgemeines Diskriminierungsverbot einführen will, ist nicht möglich, jeden Nachteil schon als „unzumutbar“ zu werten. Denn wenn jeder Nachteil diese Annahme rechtfertigen würde, würde dies dazu führen, dass aufgrund einer stets vorhandenen „Verbundenheit von Unternehmen untereinander eine permanente Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots entstehen würde, unabhängig von der konkreten generellen oder punktuellen Marktstärke im Verhältnis zu dem möglicherweise diskriminierten Unternehmen. Dies kann nicht der Fall sein. Nach § 38a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 GWB a.F. konnten Vertriebsregelungen für Markenwaren durch bestimmte Unternehmen oder Abnehmergruppen ohne sachlich gerechtfertigten Grund vom Vertrieb der Ware ausgeschlossen werden und im Fall ihres Zusammentreffens mit unverbindlichen Preisempfehlungen unabhängig vom Vorliegen absoluter oder relativer Marktmacht den Ansatzpunkt für kartellbehördliche Maßnahmen bilden. Bei einem Vergleich mit § 26 II 2 GWB a.F. zeigte sich schon früh, dass diese Maßnahmen nicht zum Verbot der sachlich ungerechtfertigten Vertriebsregelung, sondern nur zur Aufhebung der Preisempfehlung führen konnten. Somit ergab sich aus diesem Vergleich, dass schon früher das Gesetz Vertriebsregelungen, speziell auch für Markenwaren, keineswegs einer allgemeinen Kontrolle auf die sachliche Rechtfertigung der Auswahl der zu beliefernden Händler unterstellen, sondern solche Vertriebsregelungen im allgemeinen und selbst im Fall ihres Zusammentreffens mit Preisempfehlungen unangetastet lassen wollte. Aus diesem ergab sich nun, dass die Überprüfung an den Maßstäben des § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. auch bei Vertriebsregelungen für Markenwaren Ausnahmecharakter besitzen sollte. Folglich galten schon im Rahmen von § 26 II GWB a.F. nur Schäden oder Gefahren von erheblichem Gewicht als unzumutbar. Aufgrund dieser Umstände kommt es für die Zumutbarkeitsprüfung weder auf eine existenzielle Bedrohung an, noch ist jeder geschäftliche Nachteil bereits als unzumutbar anzusehen. Zwischen diesen beiden Extremen muss die vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung entsprechende Zumutbarkeitsgrenze liegen.776 Aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass das Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit nur bedingt geeignet ist, eine positive Bestimmung der Abhängigkeit zu veranlassen. Wesentlich ist seine Bedeutung für die negative Ausgrenzung der Fälle, in denen die Anwendung des Diskriminierungsverbots nicht in Betracht kommt. Umgesetzt auf den Markt der Kunstmessen bedeutet dies, dass eine so marktstarke Kunstmesse für einen Galeristen derart unentbehrlich sein kann, dass ein 776

Hefermehl, Wolfgang, a.a.O. S. 281.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Abhängigkeitsverhältnis begründet wird, wenn gerade auf dieser speziellen Kunstmesse nur die Umsätze getätigt werden können, die für seine Galerie bedeutend sind. Auch muss der Umstand, dass eine nur marktstarke Abhängigkeitssituation nur in den Fällen von Interesse ist, in denen keine marktbeherrschende Stellung vorliegt, und die betreffende Ware oder Dienstleistung daher generell als austauschbar anzusehen ist, Veranlassung geben, bei der Prüfung der Abhängigkeit im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB mit Vorsicht und Zurückhaltung vorzugehen. Dabei muss man sich insbesondere vor einer unzulässigen Verallgemeinerung bei der Bejahung der Abhängigkeit hüten. Gerade wenn aus Sicht eines evtl. abhängigen Unternehmens die Möglichkeit bestehen könnte, die nachgefragte Ware oder Dienstleistung auszutauschen, kann eine Abhängigkeit immer nur auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.777 Denn wenn, wie schon bei Markenartikeln, keine generelle Vermutung für eine Abhängigkeit z.B. eines Händlers von einem Produzenten besteht, kommt es für den konkreten Fall stets auf eine genaue Analyse und umfassende Würdigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. Hierbei spielen im Rahmen der Gesamtwürdigung unter anderem die Marktstellung der in Rede stehenden Ware oder Dienstleistung eine Rolle. So kann ganz allgemein festgehalten werden, dass bei einer Ware mit geringerem Marktanteil das Vorhandensein ausreichender und zumutbare Ausweichmöglichkeiten wahrscheinlicher ist als bei einer stärker am Markt vertretenen. Eine führende Stellung eines Unternehmens muss nicht zwangsläufig den Ausschlag zugunsten einer Bejahung der Abhängigkeit geben. So kann die örtliche Wettbewerbssituation für die Frage, wie der Verzicht eines Unternehmens sich auswirken kann, von Bedeutung sein. Schon im Rahmen des Vertriebs von Waren wurde festgestellt, dass bei sorgfältiger Würdigung aller Umstände des jeweiligen Falles sich nur selten feststellen lassen wird, dass ein Handelsbetrieb in einem Maß auf eine bestimmte Ware angewiesen ist, dass von vornherein keine Möglichkeit für ein Ausweichen auf andere Erzeugnisse besteht. Das gilt nicht nur für nicht spezialisierte Wiederverkäufer, sondern auch für Fachgeschäfte. Auf den meisten Warengebieten lässt sich feststellen, dass sogar Fachgeschäfte unter den vorhandenen Markenartikeln eine Auswahl treffen und dass selbst die führenden Markenartikel einer Branche nicht ausnahmslos in jedem Fachgeschäft erhältlich sind. Die Frage der Zumutbarkeit 778 ist allein auf die Interessen des möglicherweise diskriminierten Unternehmens gestützt.779 Das Merkmal der Zumutbarkeit des

777

Hefermehl, Wolfgang, a.a.O. S. 280.

778

Hefermehl, Wolfgang, a.a.O. S. 280.

779

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

Ausweichens auf andere Unternehmen enthält einen wertenden, auf eine Interessensabwägung hindeutenden Wortsinn. Er scheint nahe zu liegen, die Entscheidung darüber, welche Nachteile aus der unterschiedlichen Behandlung dem betreffenden Unternehmen noch zugemutet werden können, von den gesetzlich relevanten Interessen beider Seiten abhängig zu machen. Ein solches Verständnis ist indessen unvereinbar mit der systematischen Stellung des Zumutbarkeitskriteriums im Aufbau des erweiterten Diskriminierungsverbots. Die Interessensabwägung ergibt, dass sich die Funktion des Zumutbarkeitskriteriums darauf beschränkt, den Normadressatenkreis des erweiterten Diskriminierungsverbots zu bestimmen. Im Laufe der Zeit wurde diese dahingehend erweitert, dass die objektiv „ausreichenden“ Ausweichmöglichkeiten anhand des Verhältnisses zwischen dem ungleich behandelnden und den hiervon betroffenen Unternehmen näher umrissen werden.780 Auch wenn das Merkmal der Zumutbarkeit sich nach den Interessen des möglicherweise Diskriminierten zu richten hat, und anhand des Verhältnisses der Parteien wertend festgelegt werden muss, ist für die tatsächliche Feststellung der Ausweichmöglichkeiten zu berücksichtigen, dass Ausweichmöglichkeiten nicht endlos angenommen werden können. Zwar entspricht es der Zielsetzung des Diskriminierungsverbots, die Märkte offen zu halten, jedoch darf es nicht zu dem Umstand kommen, dass ein Bewerber stets auf das nächste Unternehmen verwiesen wird, mit dem unhaltbaren Ergebnis, dass für einen Händler der Markt am Ende verschlossen bleibt.781 In der Bestimmung der Marktmacht eines Unternehmens wurden in theoretischen Ansätzen oft verschiedene Modelle aufgeworfen. Hierzu zählen insbesondere das Modell der Kreuz-Preis-Elastizität und Nachfrageelastizität. Dabei kann zuerst als ein wichtiges Strukturmaß sowohl für den besonderen Markteinfluss eines Anbieters als auch für das Maß der Freiheit der Nachfrager beim Vertragsschluss die „Nachfrageelastizität“ angesehen werden. Dabei ist die Freiheit der Nachfrage nicht für den Monopolmissbrauch, sondern nur im Hinblick auf die Marktstruktur als bedeutsam anzusehen. Hier gilt der Satz, dass, je geringer die Nachfrageelastizität anzusehen ist, desto mehr die Abnehmer auf das Gut des Anbieters angewiesen sind, desto geringer ist ihre „Freiheit“. Dass es sich hier um die Freiheit als Erscheinung der Marktstruktur handelt, ergibt sich v.a. daraus, dass die Nachfrageelastizität nicht angibt, wie sehr der einzelne Abnehmer auf das Gut angewiesen ist, sondern wie sehr alle Nachfrager darauf angewiesen sind, soweit sie bei der Preisbildung einheitlich behandelt werden. Ein

780

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 665.

781

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 561.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Monopol liegt danach dann vor, „wenn dem Publikum die Möglichkeit der anderweitigen Wahrung seiner Interessen nicht oder nur unter verhältnismäßig schweren Bedingungen geboten wird“.782 Die Gegenüberstellung von „anderweitiger Wahrung seiner Interessen“ und „unter verhältnismäßig schweren Bedingungen“ spiegelt zugleich den Zusammenhang zwischen Nachfrageänderung und Preisänderung in dem Maß der Nachfrageelastizität wieder.783 Diese „Abstellung“ auf die Nachfrageelastizität im Rahmen der Bestimmung der Marktmacht hängt von dem geltenden Wettbewerbsbegriff ab, der überdies das Fehlen wesentlichen Wettbewerbs im Sinne des Monopolmissbrauchs GWB wiedergeben muss. Es kommt im Hinblick auf das Interesse Dritter am Wettbewerb allein auf die Intensität des Wettbewerbsdrucks auf den Anbieter an. Man kann den von den einzelnen Konkurrenzanbietern ausgehenden Wettbewerbsdruck in der so genannten Kreuz-Preis-Elastizität der Nachfrage ausdrücken. Dabei kann nachgewiesen werden, dass die Summe der Kreuz-Preis-Elastizitäten eines Gutes zu allen Konkurrenzgütern gleich der Nachfrageelastizität ist. Eine geringe Nachfrageelastizität ist somit sowohl Ausdruck nicht wesentlichen Wettbewerbs als auch Ausdruck geringer Freiheit der Nachfragerschaft. Hervorzuheben ist, dass die Nachfrageelastizität beim tatsächlichen Preis zu messen ist und dass für die praktische Messung der objektiven Nachfrageelastizität die subjektive Vorstellung der Monopolisten selbst nur ein Indiz ist. Diese Definition der Nachfrageelastizität zur Festlegung der Marktbeherrschungsstufe dient vor allem dafür, dass die marktbeherrschende Stellung unabhängig von finanzieller Überlegenheit und bei Mehrproduktunternehmen getrennt für jedes Produkt festzustellen ist.784 Im Rahmen der Festlegung einer Marktbeherrschung ist stets zu beachten, dass jedem Unternehmen und jeder Marke mehr oder weniger stark innewohnende individualisierende Wirkung anhaften, die eine Auswirkung auf den Markt haben können. Diese Individualmerkmale könnten sogar für sich schon die Feststellung der Marktmacht rechtfertigen, dies liegt jedoch nicht im Sinn und Zweck des GWB. Vielmehr müssen diese Merkmale mit in weiteren Betrachtungen Berücksichtigung finden 785, wenn die Marktmacht festgestellt werden soll. Es stellt sich vor einer weiteren Betrachtung die Frage, auf welche Art und Weise grundsätzlich Marktmacht

782

Cromme, Franz, „Zur Messbarkeit von Monopolmissbrauch und Monopolstellung bei § 22 GWB“ in: WuW 2/1968, S. 93, S. 98.

783

Cromme, Franz, „Zur Messbarkeit von Monopolmissbrauch und Monopolstellung bei § 22 GWB“ in: WuW 2/1968, S. 93, S. 98.

784

Cromme, Franz, a.a.O. S. 99.

785

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 277.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

bestimmt werden kann, und wie dies auf dem Markt der Kunstmessen geschehen muss, um den Besonderheiten des Kunstmarktes und gleichzeitig den Voraussetzungen des Diskriminierungsverbotes gemäß § 20 II GWB gerecht zu werden, welche Überlegungen der Gesetzgeber bei einer Marktmachtbestimmung angestellt hat. Eine Informationsquelle hierfür bietet, neben und in Zusammenhang mit wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, eine Auslegung der Vorschrift, die sich am Wortlaut orientiert. Mit der Verwendung des Wortes „soweit“ in dieser Vorschrift des § 20 GWB wird zum Ausdruck gebracht, dass ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung von dem oder von der andere Unternehmen in einer bestimmten Weise abhängig sind, nur im Verhältnis zu dem abhängigen Unternehmen nicht aber im Verhältnis zu Dritten, nicht in gleicher Weise von ihm abhängigen Unternehmen den Verboten unterliegt. Die Eigenart des Diskriminierungsverbots ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Vorschrift Unternehmen mit nur relativer Marktmacht in den Anwendungsbereich einbezieht. Ein verbotenes Verhalten liegt demnach nur dann vor, wenn auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt wurde, dass das betroffene Unternehmen von einem anderen Unternehmen in der Weise abhängig ist, das für ihn ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen. Es ist stets hier eine Einzelfallbewertung vorzunehmen, die von der konkreten Fallgestaltung abhängt.786 Eine Marktmacht kann sich aber auch ergeben, wenn ein Unternehmen durch seinen Ruf eine gewisse Stellung innehat. Dieser Ruf kann durch die Jahre geschaffen worden sein, wobei gerade auf dem Bereich der Kunst die teilnehmenden Galerien den Ruf einer Kunstmesse begründen wodurch vice versa diese ein gewisses Renommee erlangt. Aber die Marktstärke kann auch durch Werbung bestimmte Kunden genau diese Kunstmesse, also eine bestimmte Geschäftsverbindung voraussetzen und verlangen und damit bei einer Galerie die Teilnahme an einer bestimmten Kunstmesse einfordern.787 So kann eine Einschränkung eines Unternehmens somit vorliegen, wenn ein Unternehmen durch das Nichtvorhandensein einer bestimmten Ware oder Dienstleistung in den Augen seiner Kunden mit einem erheblichen Merkmal belastet ist. Ein Ausweichen ist dann nicht möglich, wenn gleichartige Ausweichmöglichkeiten keine echte Alternative darstellen. Es kommt zum einen auf die Art des speziellen Artikels und zum anderen auf den Zuschnitt des Geschäftsbetriebs des Abnehmers ankommt, wobei der konkrete Fall bestimmt, ob eine Dienstleistung oder Ware für ein abhängiges Unternehmen so wesentlich ist, um den Geschäftsbetrieb insgesamt nicht als makelhaft und unzulänglich erscheinen

786

Hefermehl, Wolfgang, a.a.O. S. 277.

787

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400, S. 402.

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Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

zu lassen.788 Die Berühmtheit eines Unternehmens kann allein keine Abhängigkeit begründen.789 Das bedeutet, dass die Abhängigkeit einer Kunstmesse wie der Art Cologne nicht allein durch deren Berühmtheit, sprich Renommee geschaffen werden kann. Vielmehr ist es von Nöten, dass gerade diese Messe für einen Abhängigen von einer solchen Bedeutung wäre, dass ein Ausweichen nicht möglich ist. Denn allein die Berühmtheit eines Namens lässt nicht den Schluss zu, ob nicht ebenso berühmte Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen.790 Der Nachteil durch eine Rufbeeinträchtigung ist genau zu prüfen. Ein Verzicht auf eine Geschäftsverbindung kann dazu führen, dass durch das Sinken des Ansehens Kundschaft abwandert. Das Vorliegen der Gefahr muss konkret festgestellt werden. Eine Beeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt der Rufminderung könnte nur dann bejaht werden, wenn die Minderung zu einem Unwerturteil über das gesamte Unternehmen führt und hierdurch Kunden wegbleiben. Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit kann dann angenommen werden, wenn der Umsatz erheblich und nachhaltig beeinträchtigt gemindert wird. Denn der geschäftliche Erfolg eines Unternehmens kann nur an Umsatz und Gewinn gemessen werden. Somit kann eine „mittelbare“ Umsatzbeeinträchtigung im Rahmen der Zumutbarkeitsbeeinträchtigung nicht angenommen werden. Eine „Unzumutbarkeit“ kann nur dort angenommen werden, wenn der Verlust einer Geschäftsbeziehung nicht auszugleichende Umsatzausfälle mit sich bringt. Dabei fällt es schwer, den durch eine Rufschädigung entstehenden Schaden in konkreten Zahlen auszudrücken. Grundsätzlich wird der unmittelbare Verlust, ausgedrückt durch Einbrüche an Umsatz und Gewinn, eine Rolle spielen. Es muss auf der anderen Seite berücksichtigt werden, welche Stellung das diskriminierende Unternehmen auf dem Markt inne hat, welche Möglichkeiten der Kompensation existieren und in welchem Umfang es gelingen kann, den Ausfall durch verstärkte Verkaufsbemühungen zu kompensieren. Weiterhin spielen die Erwartungen des Publikums und der Marktanteil des Unternehmens als Indiz für diese Publikumserwartung eine Rolle. Die Größe des Umsatzes kann ein weiteres Indiz für eine Abwägung darstellen. Im Rahmen der entstehenden Kosten bei einem Ausweichen auf ein anderes Produkt ist zu berücksichtigen, dass diese das Ausweichen nur dann unzumutbar machen, wenn die entstehenden Kosten so groß sind, dass sie die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit wiederum beeinträchtigt wäre.791

788

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 394.

789

Fischötter, Werner, a.a.O. S. 392.

790

Fischötter, Werner, a.a.O. S. 395.

791

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 282, 283.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

Wenn nun all diese Faktoren für die Frage der zumutbaren Ausweichmöglichkeiten beachtet werden, stellt sich weiter die Frage, ab wann nun gerade eine Messe als marktstark bezeichnet werden kann. Eine Marktstärke wurde schon bei einem Marktanteil einer Messe von wenigstens 7 % gegenüber einem Markt mit 4 oder 5 weiteren inländischen Unternehmen angenommen.792 Umgesetzt auf den Kunstsektor würde dies bedeuten, dass eine Kunstmesse wie die Art Cologne somit – auch mit einem Marktanteil von unter 25 %, aber mindestens 7 % – auf einem inländischen Markt mit vier oder fünf weiteren großen Messeveranstaltern, die annähernd die gleiche Art von Kunst präsentieren und in annähernd gleichem Umfang werben, als zumindest marktstark beurteilt werden müsste. Denn gerade Gäste der Art Cologne besuchen speziell diese Messe und lassen sich kaum dazu bewegen, andere Messen zu besuchen. Damit kann schon ein Galerist darauf angewiesen sein, seine Werke auf der Art Cologne zu präsentieren, da sowohl das künstlerische als auch wirtschaftliche Ansehen stark von einer Teilnahme abhängt. Somit stellt in dem Beispielsfall die Art Cologne auf dem Markt der Kunst- und Antiquitätenmessen ein zumindest marktstarkes Unternehmen dar, Rechtsgrundlage bildet dabei § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB.793 Neben den 7 % Marktanteil wurde schon festgesetzt, dass ein Marktanteil von zumindest 33 % ein gewichtiges Indiz für die vorausgesetzte Marktmacht sein kann, wobei bei der Nachfragemacht in der Regel schon geringere Konzentrationsgrade ausreichen können.794 In der Regel wurden Werte um die 25 % Marktanteil als ausreichend für sogar die Annahme einer Marktbeherrschung gesehen.795 Soweit ein Marktanteil überhaupt festgestellt werden kann, was auf dem Sektor des nicht wirtschaftswissenschaftlich durchleuchteten Kunstmarkts wohl gegeben sein wird, ist dieser nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Vielmehr spielt die Größe des Marktanteils der jeweils betroffenen Unternehmen zueinander eine wichtige Rolle und kann entscheidend sind. So kann ein Marktanteil von 25 % bis 40 % schwanken, denn oft sind diese Werte umstritten, gerade dann, wenn sie kaum feststellbar sind, jedoch reicht ein Marktanteil von 25 % dann aus, wenn dieser im Vergleich zu anderen Unternehmen derartig groß ist, dass von einem konkreten Wettbewerb kaum noch gesprochen werden kann.796 Eine Abhängigkeit ist dabei stets konkret festzustellen. Es spielt für die Frage der Abhängigkeit keine Rolle, ob eine Galerie auch ohne Teilnahme an einer Kunst792

793

794 795 796

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 126. OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 995. BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483. LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277. LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 281.

223

224

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

messe auf dem Markt überleben kann.797 Ein weiteres Indiz für die Feststellung der Marktstärke und Abhängigkeit können die tatsächlichen Ausweichversuche darstellen. Dementsprechend kann ein Indiz für das Nichtvorhandensein von Ausweichmöglichkeiten der Umstand bilden, dass ein Aussteller auf einem zumutbaren Ausweichmarkt über Jahre nicht zugelassen wurde.798 Weiterhin könnte die Feststellung eines genauen Marktanteils auf dem Kunstsektor problematisch sein, da die ökonomische Sicht der Kunst eine Vielzahl von Einsichten eröffnet. Kunst kann nicht unendlich vervielfältigt werden, sie ist durch die Verfügbarkeit über ökonomische Ressourcen begrenzt. Kunst ist das Ergebnis individuellen Handelns. Künstlerische Leistungen gehen auf das Handeln von Einzelpersonen zurück, und die Nachfrage nach Kunst lässt sich auf individuelle Entscheidungen zurückführen.799 Insofern sind Kunstmessen von der ausgestellten Kunst abhängig. Trifft diese den Geschmack des Publikums und der Käuferschichten, kann die Kunstmesse einen hohen Stellenwert erlangen, eine Art „Muss“ für Galeristen bilden und Marktmacht ausstrahlen. Ist die gezeigte Kunst aber nicht das vom Markt geforderte, wenden sich Besucher und potentielle Kunden von der Kunstmesse ab, diese verliert ihre Stellung auf dem Markt. Eine Kunstmesse hängt somit von der Qualität der Galeristen und der Kunstwerke ab. Für die Entstehung des Marktwertes eines Kunstwerkes ist ebenfalls der Name des Galeristen wichtig. Kunstmesse, Galerist und Kunstwerken hängen voneinander ab, oft bedingt sich die Einstufung ihrer „Qualität“ gegenseitig.800 Es steht dabei gerade in Frage, wie ein solcher Markt in Zahlen umgedeutet werden könnte. Jedoch ist zu berücksichtigen, wenn diese „Abhängigkeit“ gegeben ist, dass über die Behauptung, eine bestimmte Ware oder Dienstleistung unbedingt zu benötigen, ein in das Belieben des Abnehmers gestellter Kontrahierungszwang erreicht würde, was einen schweren Eingriff in die Privatautonomie des evtl. diskriminierenden Unternehmens bedeuten würde.801 Daher kann eine solche Behauptung allein nicht die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung rechtfertigen.

797

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 561.

798

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 698.

799

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 7.

800

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 84.

801

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 392.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

aa)

Begrenzung der Ausweichmöglichkeiten durch den Diskriminierten

In einem weiteren Schritt muss der Umstand berücksichtigt und gewertet werden, ob ein möglicherweise abhängiger Diskriminierter mit zu einer Begrenzung der Ausweichmöglichkeiten beigetragen hat. Denn wenn ein Unternehmer sein Geschäft in zurechenbarer Weise auf Geschäftsbeziehungen zu einem bestimmten anderen Unternehmen ausgerichtet hat, muss er etwa bei einer Umstellung größere Belastungen und Risiken hinnehmen, als sie in anderen Fällen zumutbar erscheinen würden. Die Hinnahme gewisser Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit könnte als zumutbar gewertet werden. Im Gegenzug muss wiederum eine Ausnahme gemacht werden, wenn eine existenzbedrohende Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit vorliegt. Letztlich ist auch noch der Umstand zu berücksichtigen, wenn ein Unternehmer in eigener Entscheidung sein Geschäft auf nur einen Handelspartner ausgerichtet, oder sogar Möglichkeiten des Ausweichens ausgeschlagen oder bewusst abgelehnt hat. Wenn sich jedoch die Ausrichtung auf nur einen Geschäftspartner als reine Folge der Marktentwicklung darstellt, kann dies wiederum grundsätzlich nicht einem abhängigen Unternehmen angelastet werden. Dabei wäre im Gegenzug zu prüfen, ob dieses Unternehmen nicht mit einer Änderung der Ausgestaltung der Geschäftsbeziehungen rechnen musste oder ob nicht umgekehrt auf Seiten des beherrschenden Partners Umstände hinzugetreten sind, aufgrund derer der Abhängige mit dem Eintritt einer Änderung nicht oder nicht zum jetzigen Zeitpunkt zu rechnen brauchte.802 Jedoch können existenzvernichtende Maßnahmen nur aufgrund einer Abwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots anhand der berechtigten Interessen der beteiligten Personen gewürdigt und gerechtfertigt werden. Damit kann das Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit nur bedingt zur positiven Bestimmung der Abhängigkeit herangezogen werden, während ihm im Rahmen der negativen Abgrenzung die wesentliche Bedeutung zukommt. So können innerhalb der Vorschrift nur Belastungen und Risiken von erheblichem Gewicht Berücksichtigung finden.803 Das Gewicht dieser Belastungen, dass ein diskriminiertes Unternehmen aushalten muss, hängt damit letztendlich von der eigenen wirtschaftlichen Entscheidung ab, inwieweit es sich freiwillig in die Abhängigkeit begeben hat. Dies bedeutet auf dem Kunstsektor, dass eine Galerie durch eine starke einseitige Ausrichtung sich bewusst in eine Abhängigkeit zu einer Kunstmesse begeben kann, wenn sie ihr Kunstarrangement genau auf diese Messe und ihr zugehöriges Publikum ausrichtet. Befindet sie sich dann in dieser Abhängigkeit, steht in Frage, wie weit ihr ein Ausweichen auf andere Kunstmessen auch durch ein 802

Fischötter, Werner, a.a.O. S. 385.

803

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 281.

225

226

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Umstellen ihrer Kunst zugemutet werden kann, ihr es „zumutbar“ ist, da sie selbst zu der Abhängigkeit beigetragen hat. Denn gerade im Bereich der Kunstmessen bedeutet eine Konzentration auf eine umsatzstarke Kunstmesse, dass der Zugang zu anderen Kunstmessen später erschwert sein wird. Umgekehrt wird eine Abhängigkeit dadurch verstärkt, dass Galeristen durch Bestückung nur noch weniger Kunstmessen diese stärken, und Konkurrenzmessen, auf die noch ein Ausweichen möglich gewesen wäre, soweit durch Ihre Nichtpräsenz an renommierten Galerien der Ruf und die Anziehungskraft dieser Messen dann schwindet, so dass diese entweder nicht mehr überlebensfähig, oder zumindest als nicht mehr vergleichbar angesehen werden müssen. Diese Situation, die z.T. durch einen abhängigen Galeristen mitverschuldet wurde, muss in der Bewertung der Abhängigkeit, oder zumindest in der später durchzuführenden Interessensabwägung mitberücksichtigt werden. Steht jedoch die Existenz in Frage, so ist eine Abhängigkeit anzunehmen. Es bedarf nicht mehr der Zumutbarkeitsprüfung. Erst wenn „ausreichende“ Ausweichmöglichkeiten bestehen, ein Verzicht auf die Geschäftsverbindung also „an sich möglich“ erscheint, stellt sich die weitere Frage, ob mit dem Ausweichen auf andere Partner verbundene Belastungen und Risiken auch zumutbar erscheinen. Nur in diesem Fall kann daher die aufgezeigte Problematik, ob ein Galerist seine Zwangslage in zurechenbarer Weise herbeigeführt hat, bereits im Rahmen der Feststellung der Abhängigkeit eine Rolle spielen.804 Diese grundsätzlichen Überlegungen müssen aber noch um eine zeitliche Komponente erweitert werden. Denn der Abhängige kann sich nicht an der einmal gegebenen Abhängigkeit festhalten und sich auf eine „ewige“ Abhängigkeit einstellen.805 Damit kann der zeitlichen Komponente insofern eine Bedeutung zukommen, dass es einem Unternehmen zugemutet werden kann, in einem bestimmten Zeitrahmen seine Kundschaft auf ein anderes Produkt umzugewöhnen, so dass es nach einiger Zeit für das evtl. diskriminierte Unternehmen nicht mehr unzumutbar ist, auszuweichen. Auch können in Zukunft neue oder andere zumutbare Ausweichmöglichkeiten vorhanden sein. In diesen Fällen könnte sogar eine zeitlich begrenzte Abhängigkeit angenommen werden, wobei es dem abhängigen Unternehmen zumutbar sein muss, sich umzustellen. Es widerspricht überdies nicht der Intention des Gesetzgebers, ein Kontrahierungszwang nur solange andauern zu lassen, solange die Abhängigkeit besteht, denn mit dem Diskriminierungsverbot sollen nur die Fälle erfasst werden, in denen eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit aufgrund einer Abhän-

804

Hefermehl, Wolfgang, a.a.O. S. 279.

805

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 386.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

gigkeit zu befürchten ist.806 Daher muss geprüft werden, ob es eine Galerie auch schaffen würde, sich durch ein Umstellen seiner Kunst neue Kunstmessen zu erschließen, die Abhängigkeit von einer Kunstmesse so selbsttätig innerhalb eines gewissen Zeitrahmens zu minimieren. Es kann festgehalten werden, dass insbesondere im Bereich der Kunstmessen zu prüfen ist, ob nicht die „Zumutbarkeit“ ausreichender Ausweichmöglichkeiten eigenhändig durch eine Galerie durch ihre Ausrichtung der Abhängigkeit beigetragen hat, und ob es möglich ist, durch Hinzunahme oder Änderung der Kunstausrichtung neue Märkte, auch innerhalb eines Zeitraums, sich zu erschließen. Dies ist bei einer Bewertung der ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten zu berücksichtigen.

b)

Die Möglichkeiten zur Feststellung von Marktmacht

Nach Festlegung der ausreichenden und zumutbaren Ausweichmöglichkeiten für einen Galeristen auf einem vorher definierten relevanten Markt für Kunstmessen ist es von Nöten für die Anwendung des Diskriminierungsverbots die Marktstärke eines Veranstalter von Kunst- und Antiquitätenmessen zu bestimmen, da er für die Anwendung eine zumindest marktstarke Stellung innehaben muss. Diese Stellung bezieht sich dabei nicht auf die gesamte unternehmerische Tätigkeit, so breit sie auch gefächert sein mag, vielmehr gilt sie nur insoweit, als sie auf einem nach den obig aufgeführten Kriterien sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzten Markt die Voraussetzungen einer beherrschenden oder marktstarken Stellung erfüllen.807 Für die Feststellung der Marktstärke wird in der Praxis des Bundeskartellamtes die Formel angewendet, dass neben einer abstrakten Strukturanalyse eine konkrete Wettbewerbsanalyse durchgeführt wird, unter Berücksichtung der Höhe des Marktanteils.808 Für die endgültige Feststellung der Marktstärke wurde ein Kriterienkatalog erarbeitet: 809 – Marktanteil – Finanzkraft – Zugang zu den Beschaffungs- oder Absatzmärkten

806

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283.

807

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1070.

808

Schultz, Klaus-Peter, Kartellrechtspraxis und Kartellrechtsprechung 200/01, RWS Verlag, 16. Auflage, 2001, Köln, S. 105.

809

Schultz, Klaus-Peter, a.a.O. S. 107.

227

228

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

– Verflechtung mit anderen Unternehmen sowie – Marktzutrittschancen.810 Es sollte dabei eine Gesamtschau unter Heranziehung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungssätze aller Merkmale durchgeführt werden, aber für die Annahme einer überragenden Marktstellung ist es ausreichend, wenn ein Merkmal in überragendem Maße vorhanden ist.811 Die Kriterien können dabei in einer bestimmten Reihenfolge geprüft werden. Nach der Feststellung der Marktstärke unter Berücksichtigung der Marktanteile, des Abstandes zum Mitbewerber und finanzieller Ressourcen ist noch zu prüfen, ob relevante Beteiligungen bestehen, wie z.B. die Durchführung mehrerer renommierter Messen durch den gleichen Veranstalter, oder u.U. vergebliche Versuche einen Ableger einer gefestigten Kunstmesse an einem anderen Ort zu initialisieren. In einem nächsten Schritt ist der tatsächliche und potentielle Wettbewerb zu analysieren, hierzu gehören tatsächliche und angekündigte Kunstmessen. Beispielhaft kann die Frieze Art Fair in London angeführt werden, deren Ankündigung schon zu Verschiebungen im Markt führte.812 Der Wettbewerb mit nicht zum relevanten Markt gehörenden Produkten, also mit z.B. Auktionshäusern, findet nur bei der Marktbeurteilung eingeschränkte Anwendung.813 In dieser Beurteilung sind stets die tatsächlichen Verhältnisse und Geschäftspraktiken festzustellen und zu beurteilen.814 Wenn nun die Marktstärke festgestellt werden soll, geben diese Aspekte eine Vielzahl von Möglichkeiten auf, um die tatsächliche Stärke festzustellen. Es stellt sich dabei insbesondere die Frage, welche Kriterien auf dem Kunstmarkt, insbesondere auf den der Kunstmessen, angewandt werden können, und mit welchen Kriterien überhaupt solche „irrationale“ Güter wie Kunst in einer Art wirtschafts- und kartellrechtlichen Betrachtung eingeordnet werden können. So steht es gerade in Frage, ob nicht die herkömmlichen Methoden, wie sie aufgezeigt wurden, versagen müssen, wenn ein Verhalten gewertet werden soll, das durch nicht fassbare Argumente, wie Geschmack, Ästhetik und der streitigen Auffassung von Kunst bedingt ist.

810

Bundestag, Bericht des Wirtschaftsausschusses, Kartellgesetznovelle – Materiellrechtliche Vorschriften und Erläuterungen in: WRP 1973, S. 376, S. 379.

811

Bundestag, a.a.O. S. 379; Schmidt, Ingo, „Methodische Bedenken gegen Generalklauseln im Kartellrecht am Beispiel der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen – eine Erwiderung“ in: JZ 1967, S. 247.

812

Vgl. unter: Kapitel 1., I., cc) London (Großbritannien), S. 27.

813

Lampert, Thomas, „Der Begriff der Marktbeherrschung als geeignetes Kriterium zur Bestimmung der Normadressaten für das sektorspezifische Kartellrecht nach dem TKG?“ in: WuW 1998, S. 27, S. 32/33.

814

BGH, Urt. v. 20.11.1964 – KZR 3/64 „Rinderbesamung“ in: WuW/E BGH, S. 647, S. 651.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

aa)

Die Bewertung der Abhängigkeit – Die Sichtweise

Eine weitere Frage stellt sich aus welcher Sichtweise eine Festlegung der Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen muss, insbesondere wenn Dritte, Richter oder Kartellbeamte, das Geschehen auf dem Kunstmessenmarkt beurteilen. Dabei könnte die Bewertung aus objektiver Sicht eines Dritten oder aus der Einschätzung durch die Marktteilnehmer selbst erfolgen, oder aus der Sicht der Anbieter oder der Nachfrager.815

aaa)

Sichtweise der Anbieter – Kunstmessenveranstalter

Eine Abgrenzung des relevanten Marktes kann aus der Sicht der Anbieter vorgenommen werden. Dabei würde die Frage, ob Wettbewerb zwischen zwei Produkten, also Kunstmessen, existiert und diese dann dem relevanten Markt zuzuordnen wären, aus der Meinung des Unternehmens über seine Konkurrenten beantwortet. Übersetzt auf den Bereich der Kunstmessen würde dies bedeuten, dass der Wettbewerb zwischen Kunstmessen danach beurteilt werden müsste, wie der jeweilige Veranstalter einer Kunstmesse seine „Gegner“ einordnen würde. Die Einschätzung dieser Konkurrenzsituation fände dabei Ausdruck in der wirtschaftlichen Strategie des Unternehmens. Denn wie ein Unternehmen sich auf dem Markt positionieren würde und welche Konkurrenten er dabei beachtet, würde die Frage beantworten, wie er den relevanten Markt einschätzt. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies der richtige Weg ist. Schon allein die Frage, woher ein Richter oder eine Behörde Einblick in die wirtschaftlichen Konzepte eines Unternehmens bekommen möchte, scheint wenig praktikabel und nicht sachlich angemessen. Wenn Informationen zu bekommen wären, könnte dies nur unter Mithilfe der Unternehmen geschehen. Dabei darf nie vergessen werden, dass bei einer solchen Marktanalyse sich Unternehmen oft so präsentieren möchten, wie es den gerade gestellten Anforderungen entspräche, entweder als absolute Dominanz, oder als ein Unternehmen, dass sie sich einer größeren Anzahl von Mitbewerbern zur Wehr setzen müssten, um den relevanten Markt größer, und damit ihren Marktanteil kleiner, darzustellen. Letztlich berücksichtigt eine Strategie nicht nur den tatsächlichen, sondern auch den potentiellen Wettbewerb immer aus der subjektiven Sicht des Unternehmens, so dass ein Rückschluss von der Strategie auf den relevanten Markt diffus ist.816 Aber auch wenn man dieses Konzept einer Marktstärkebetrachtung zu Grunde legen möchte, ergibt sich ein unklares Bild. Schon eine stichprobenartige

815

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 404.

816

Baum, Herbert, a.a.O. S. 405.

229

230

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Befragung ausgewählter Kunstmessen, ohne dass dabei nach der Marktstärke gefragt wurde, zeigte auf, dass sich jede Kunstmesse nach ihrem Profil einordnen möchte. Eine Kunstmesse sieht sich oft als Konkurrentin einer anderen Kunstmesse, obwohl diese ganz andere Konkurrenten im Blick hat. Bei der Befragung verschiedener Kunstmessen ergab sich, dass die befragten Kunstmesse sich je nach Vorlieben und Wünschen zu positionieren versuchten.817 Daher kann eine Einschätzung aus Sich der Kunstmesseveranstalter nicht zu dem gewünschten Erfolg führen. Wie schon eine Marktabgrenzung aus Unternehmersicht würde die alte Irrtumsproblematik der Marktforschungslehre aufgreifen, dass zwar Fehleinschätzungen durch Unternehmen langfristig von den Marktfakten korrigiert würden, eine aktuelle Einschätzung aber kaum wiedergegeben werden kann.818 Das Problem einer solchen Einschätzung läge weiterhin darin, dass eine solche Simulation nur das hypothetische Verhalten erfassen wird, nicht der tatsächliche Akt. Daher kann es immer zu Abweichungen zwischen dem „erfragten“ und dem tatsächlich relevanten Markt kommt.819 Damit kann einer Entscheidung der Marktstärke aus Sicht der Unternehmen nicht zugestimmt werden.

bbb) Sichtweise der Nachfrager – Bewerber / Aussteller / Galerien Vielmehr kommt im Rahmen der Feststellung der Marktstärke wie schon bei der Definition des relevanten Marktes die Sicht der Nachfrager, also der sich bewerbenden Galeristen und Aussteller, zum Tragen. Diese Alternative zur Sichtweise der Unternehmer ist dadurch geprägt, dass die Marktstärke durch die tatsächlichen Entscheidungshandlungen der Nachfrager bestimmt wird.820 Damit kommt es nicht auf die subjektive, eigene Schätzung des Unternehmens über sich an, sondern auf die Sichtweise der nachfragenden Galerien, die durch mehrere Umstände geprägt sein kann. So bewerten Galerien Kunstmessen nicht allein quantitativ und wirtschaftlich. Vielmehr sind sie wie ein öffentliches Schaufenster für Kunden, Künstler, Museen und die Presse. Eine Bestückung einer Kunstmesse eröffnet weitreichende Möglichkeiten, wie z.B. Kooperationsmöglichkeiten im Ausland oder Einkaufsquellen. Aus diesem Grund investieren Galerien

817

Die Art Frankfurt verglich sich mit Köln, Berlin, Brüssel, Paris, Chicago, etc. (Brief v. 04.03.03),während sich z.B. das art forum Berlin mit der Art Cologne, der Art Basel und der Art Miami verglich, und die Art Frankfurt nicht nannte (Brief v. 17.03.03). Die Kunstmesse München verglich sich nur mit der TEFAF in Maastricht, der Cultura in Basel und der PAN – Amsterdam, ließ aber Messen wie die Art Basel oder auch die Art Cologne, trotz Überschneidungen in manchen Gebieten, aus (Brief v. 07.03.2003).

818

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 406.

819

Baum, Herbert, a.a.O. S. 407.

820

Baum, Herbert, a.a.O. S. 406.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

selbst dann noch in Kunstmessen, wenn die Erträge über Jahre hinweg negativ sind.821 All diese Faktoren bestimmen mit die Stärke einer Kunstmesse auf dem Markt. Daher kann eine Einschätzung der Stärke von Kunstmessen nur aus der Sicht der Nachfrager, der Galerien und anderen Aussteller gerade auf dem Kunstsektor erfolgen. Hier stellt sich nun die Frage, auf welche Instrumentarien ein Entscheidungsträger, Richter oder Beamter zurückgreifen könnte, wenn er diese Sicht konkret fassen möchte.

bb)

Arten der Messung

Es stellt sich die weitere Frage, welche tatsächlichen Arten der Messung auf einem sensiblen Markt der Künste die Kriterien ausfüllen könnten. Dabei muss für die Feststellung im Rahmen des Missbrauchstatbestandes der Diskriminierung v.a. die besonderen Formen des Kunstmarktes beachtet werden, insbesondere ob und wann bei Ihnen der Mechanismus der Marktwirtschaft funktioniert. Dabei erfordert Marktbeherrschung oder eine zumindest marktstarke Stellung die Feststellung eines besonderen Einflusses des einzelnen Marktteilnehmers, d.h. einer Kunstmesse.822 Für die Frage der Messart ist auch der Schutzzweck der Vorschrift entscheidend.823 Für eine tatsächliche Messung kommen explizit mehrere Verfahren in Frage, die folgend dargestellt und auf ihre Tauglichkeit für den Markt der Kunstmessen hin untersucht werden sollen. Jedoch ist eine solche Messweise sehr schwierig, da eine Vielzahl von kaum fassbaren Variablen beachtet werden müssten, was von der Datenlage her Probleme aufwirft. So können Veränderungen viele Ursachen haben und nicht nur auf Preisänderungen, wie die Senkung der Preise für Standkojen, bedingt sein. Eine praktikable Alternative dazu wären Befragungen auf Stichprobenbasis.824 Daneben sind Statistiken sowie die Bezugnahme auf die Aussagen der Parteien denkbar.

aaa)

Statistik

Eine den Wirtschaftswissenschaften entspringende Messungsmöglichkeit stellt die Statistik dar. Hierbei kommen namentlich verschiedene Statistiken für die

821

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

822

Cromme, Franz, „Zur Messbarkeit von Monopolmissbrauch und Monopolstellung bei § 22 GWB“ in: WuW 2/1968, S. 93, S. 98.

823

Cromme, Franz, a.a.O. S. 93.

824

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 406.

231

232

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Messung der Marktstärke einer Kunstmesse in Betracht. So kann eine Statistik über die Zuschauerzahlen einen Hinweis auf die Stärke geben, oder über die Frequentierung und wiederholte Bestückung durch Aussteller. Für die Analyse einer Statistik benötigt man jedoch genaue Listen. Und hier stellt sich das Problem der Verfügbarkeit geeigneten statistischen Materials. Schon bei Kunstauktionen werden erst Ende der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts Aufzeichnungen veröffentlicht. Frühere Daten sind nicht, oder nur sehr schwer zugänglich.825 Während aber bei Auktionen zumindest seit jeher Kataloge geführt wurden, finden sich nur auf wenigen Kunstmessen Listen über Besucherzahlen und die ausstellenden Galeristen. Erst seit einigen Jahren finden sich auf manchen großen Kunstmessen Listen wieder, die eine genaue Aufschlüsselung der Galerien aufgrund des Herkunftslandes zulassen. Jedoch liegen die Namen der ausstellenden Galerien zwar in Papierform vor, eine Untersuchung, welche Galerien welche Kunstmessen in den letzten Jahren wie oft bestückt haben, ist aufgrund der Menge von Daten, die nicht per EDV zu bearbeiten sind, kaum möglich. Letztlich fehlen aber die wichtigsten Namen und Zahlen, nämlich welche und wie viele Galerien sich bei einer Kunstmesse beworben haben, aber abgelehnt wurden. Erst diese Fakten könnten direkt darüber Aufschluss geben, welche Präsenz eine Kunstmesse auf einem relevanten Markt innehat. Da diese Daten jedoch fehlen und die übrigen Daten nur in einem kurzen Datenzeitraum von nur wenigen Jahrzehnten existieren, bleibt aber die Aussagekraft naturgemäß begrenzt. Um sich einen verlässlicheren Eindruck zu verschaffen, müsste man das Preisverhalten trotz des unzulänglichen statistischen Materials im langfristigen Vergleich untersuchen. Auch wenn diese Daten vorlägen, würde sich das Problem stellen, dass aus dem Marktanteil nicht allein auf eine Marktbeherrschung durch überragende Stellung geschlossen werden könne, sondern dass insoweit vielmehr noch weitere Faktoren hinzukommen müssen.826 Der Kunstmarkt ist von zu vielen nicht statistisch fassbaren Determinanten geprägt, die Auswirkung auf die Position einer Kunstmesse haben, aber nicht statistisch aufbereitet werden können. Gerade auf dem Sektor der Kunst ist jede Statistik mit Vorsicht zu genießen. Denn auf dem Gebiet des Kunstmarktes existieren wenige Analysen, und oft lassen sich Zahlen nicht überprüfen. Geschäfte die auf diesem Markt getätigt werden, stehen meist Marktforschungsvorhaben nicht zur Verfügung.827 Kauf und Verkauf von Kunstwerken stellen immer noch private Handlungen dar, die meist nicht der

825

Wilke, Wolfgang, Kunstvoll investieren, Schriftenreihe der Dresdner Bank AG, Frankfurt am Main, 1999, S. 16.

826

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731.

827

Pressemitteilung. „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

Öffentlichkeit präsentiert oder in öffentlich zugänglichen Publikationen dargestellt werden. Insofern kann derzeit und wohl auch in Zukunft die Stärke einer Messe nicht durch Statistiken festgestellt werden.

bbb) Wirtschaftsökonomie Eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise stellt gerade auf dem Kunstsektor unvorhergesehene Probleme auf. So gab es bis vor wenigen Jahren nur seltenst ökonomische Analysen, die eine Bewertung des Kunstmarktes zuließen. Die meisten Besprechungen waren persönlich geprägt.828 Auch in der jetzigen Zeit existieren eher weniger Analysen. Erst in den letzten Jahren kam mit der Studie der TEFAF eine aussagefähige, gesamtumfassende Analyse auf dem Markt, die eine wirtschaftliche Betrachtung differenziert zulassen würde. Jedoch ist diese Studie eher auf den internationalen Markt gerichtet, so dass Deutschland und der nationale Markt kaum alleinig bewertet werden können. Diese Tabuisierung der wirtschaftlichen Analyse von Kunst schaffte einen Freiraum, wobei dieser auch durch den Umstand bedingt wurde, dass die außerordentliche Vielfalt der Erscheinungsformen von wirtschaftlichen Aspekten der Kunst eine generalisierende Analyse kaum zulässt.829 Oft wurde sogar der Satz geprägt, dass „die Kunst sich jenseits eines ökonomischen Kalküls bewegt und wegen ihrer Einzigartigkeit sich mit nichts anderem vergleichen lässt“.830 Natürlich hat Kunst, gerade der Kunsthandel, konsumtive und wirtschaftliche Aspekte.831 Jedoch liegen zu wenige Studien vor, die alle Aspekte des Kunsthandels aufzeigen und berücksichtigen. Daher ist eine rein ökonomische Analyse und Bewertung einer Marktstärke einer Kunstmesse derzeit nicht möglich.

ccc)

Stichproben-Befragung

Eine weitere Möglichkeit der Feststellung von Marktmacht wäre die Befragung von Galeristen, wie sie die einzuschätzende Kunstmesse einordnen würden. Aus diesem Anlass heraus wäre die Einschaltung eines Marktforschungsinstitutes möglich, auf dessen Ergebnis Bezug genommen werden könnte. Durch eine 828

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 2.

829

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17.

830

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 9.

831

Münnich, Frank E., „Zur ökonomischen Analyse der Kunst.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 17, S. 18.

233

234

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

solche repräsentative Umfrage wäre es theoretisch möglich, einen gewissen Anhaltspunkt der nachfragenden Seite, der Galeristen, zu erhalten, der als Indiz für die Stärke einer Kunstmesse genommen werden könnte. Jedoch ist eine solche Umfrage praktisch schwer ausführbar und wirtschaftlich kaum sinnvoll. Es müssten bei einer großen Anzahl von Kunstmessen die dortigen Aussteller befragt und deren Antworten gezählt werden. Darüber hinaus wären die Aussagen der jeweils abgelehnten Bewerber von Nöten. Die Umfrage müsste auch alle Kunstmessen umfassen, die im zeitlich relevanten Bereich stattfinden, und zwar in dem tatsächlichen Zeitraum. Das Ergebnis einer früheren Befragung wäre nicht verwertbar, da der Kunstmarkt auf diesem Sektor zu stark fluktuiert. Während theoretisch eine solche Befragung nützlich sein könnte, ist sie praktisch nicht durchführbar.

ddd) Subjektive Einschätzung durch die Gerichte unter Bezugnahme auf die Aussagen der Parteien Hauptproblem der meisten abgelehnten Galeristen ist die Geltendmachung ihres Anspruches vor einem Kartellgericht. Ein solches Verfahren ist begründet auf den Parteibetrieb und den Verhandlungsgrundsatz. Das heißt, dass nur die Parteien den Streitstoff in den Prozess einführen und unstreitiges als wahr zu unterstellen ist.832 Wenn etwas unstreitig ist, weil z.B. nichtbestritten wurde, darf auch ein Gericht nicht die eigene, vielleicht auch bessere, Sachkenntnis einem Urteil zu Grunde legen.833 Dementsprechend ist eine Entscheidung eines Gerichts zu beurteilen, wenn in dem Verfahren der abgelehnte Galerist für die Begründung der Abhängigkeit im Wege einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers nachgewiesen hat, dass er in den letzten drei Jahren rund 60 % bis 80 % des Umsatzes dem Messe- und Messenachgeschäft verdanke.834 Hier wurde schon nachgewiesen, dass sogar 50 % eines Jahresumsatzes der Kunstmesse zu verdanken sei.835 Wenn nun noch zwischen den Parteien zumindest unstreitig ist, dass eine numerische Begrenztheit von gleichartigen Messen in Basel, Paris, Chicago und Köln existiert, wobei die verklagte Kunstmesse in Köln durchgeführt wird, können nur 832

Zimmermann, Walter, ZPO-Kommentar, 5. Auflage, Verlag C. F. Müller, Heidelberg, 1998, S. 2.

833

Greger, Reinhard, in: Zöller, Richard, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2002, Randzeichen 10 vor § 128 ZPO.

834

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 287.

835

Dittmar, Peter, „Cliquen – Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/ 010818/feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

diese nach dem Vorbringen der Veranstalterin der Kunstmesse als vergleichbar angesehen werden. Unter diesem Aspekt, und weil z.B. in diesem Verfahren auch keine höherrangige Messen genannt wurden, kann unter Berücksichtigung der aufgeführten Grundsätze die Zuordnung der Art Cologne als marktstark für Galerien der in dem Verfahren maßgebliche Kunstrichtung moderne Kunst des 20. Jahrhunderts gerechtfertigt sein.836 Diese Entscheidung über die Marktstärke der Art Cologne wurde in vielen Verfahren unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien hierbei bestätigt.837 Jedoch sollte man das Prinzip beachten. Entweder wird die Marktstärke durch die Parteien unstreitig gestellt, oder der Kartellbeamte oder Kartellrichter muss in das Gewand des verständigen Nachfragers, Galeristen, schlüpfen, die Argumente der Parteien abwägen und eine eigene Einschätzung treffen. Bei der eigenen Einschätzung gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ist er sich seiner Erfahrung und seines Wissens über das Geschehen auf dem Kunstmarkt sicher, dann kann er eine eigene Entscheidung treffen, unter Berücksichtigung der Sicht der abgewiesenen Galerie. Oder er muss sich helfen lassen, in dem er Gutachten einholt, Marktanalysen benutzt und Befragungen durchführen lässt. Wie jedoch schon festgestellt wurde, eignen sich die zuletzt aufgeführten Methoden nicht alleinig zur Feststellung der Marktstärke. Sie können aber im Rahmen einer Gesamtbewertung zu Rate gezogen werden. Damit bleibt aber immer die Entscheidung von wertenden Urteilen durchsetzt. Er muss schließlich abschätzen, welche Differenzen zwischen den Kunstmessen vorliegen, welche Kosten und welcher Zeitaufwand bei der jeweiligen Bestückung der Kunstmesse entstehen, und welche anderen Determinanten die Stellung einer Kunstmesse auf dem Kunstmarkt ausmachen. Einer solchen Abwägung basiert auf Basis subjektiver Überlegungen. Persönliche Einstellungen beeinflussen die Einschätzung. Unterschiedliche Auffassungen zwischen Kartellbehörde, Gericht und Unternehmen werden nicht durch Tatsachenerhebungen zum Ausgleich gebracht, sondern durch schlichte Plausibilitätsüberlegungen.838 Diese subjektiven Überlegungen können aber auf der

836

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1070.

837

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 13; Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11.2001); OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 288; Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734; OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

838

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 402.

235

236

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

anderen Seite solche nicht fassbaren Aspekte wie die Qualität der Kunstmesse, die letztlich deren Rang mitbestimmt und Auswirkung auf den Rang des teilnehmenden Galeristen hat 839, beachten. Aus diesen Gründen heraus wird z.B. die gerichtliche Entscheidung verständlich, dass die Art Cologne ein zumindest marktstarkes Unternehmen sei, weil sie eine besondere Stellung einnimmt, die einer Einzigartigkeit jedenfalls in dem betreffenden Raum nahe kommt, und eine damit zusammenhängenden Anlockwirkung potentieller Kunden besteht. Damit hat sie für Galeristen eine bedeutende Stellung.840 Natürlich kann man eine derart starke Stellung verneinen, wenn man die derzeit mannigfaltigen Ausweichmöglichkeiten berücksichtigen würde.841 Letztendlich verbleibt es bei der subjektiven Einschätzung der Gerichte, die z.T. nachprüfbare Analysen mit in ihrer Entscheidung berücksichtigen.

eee)

Weitere Möglichkeiten zur Festlegung von Marktmacht

Eine weitere Möglichkeit der Feststellung der Markmacht einer Kunstmesse, um den vorgenannten Schwierigkeiten zu entgehen, könnte darin liegen, dass man von dem Preis der Ausstellungsfläche auf den Grad der Marktbeherrschung Rückschlüsse zieht. Dabei wird von dem Grundsatz ausgegangen, dass das am stärksten nachgefragte Produkt wohl den teuersten Preis haben muss, somit die teuersten Messeboxen auf der Kunstmesse zu finden wären, die am stärksten frequentiert wird. Eine solche Annahme wird aber nicht durch die tatsächlichen und gesetzlichen Anforderungen getragen. Die tatsächlichen Einflüsse auf den Preis eines Standes können schon durch Aspekte bedingt sein, auf die ein Veranstalter keinen Einfluss hat. Genannt werden kann beispielhaft der Hallenpreis, die Kosten für Catering, Strom und Reinigung, die Werbekosten und vieles mehr. All dies bedingt einen Standpreis ohne dass bisher eine Aussage getroffen werden konnte, ob die Messe überhaupt eine Stellung auf dem Markt innehat. Schon allein aus diesem Grunde verbietet sich der angeführte Rückschluss. Aber auch aus Gesetzessicht ist ein solcher Rückschluss nicht möglich. Denn wären die sonstigen Kriterien für die Feststellung einer Marktbeherrschung nicht erfüllt, würde das Abstellen auf den Preis bedeuten, dass ein Eingriff fast voraussetzungslos bei teuren Produkten wäre. Der Rückschluss wäre hochspekulativ. Überdies existieren keine determinierten Zusammenhänge zwischen Marktbe-

839

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 189.

840

Schmidt, Ulrich, Kurzkommentar zu LG Köln in: EWiR § 26 GWB 1/99, S. 73.

841

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

herrschung und Marktpreis, die einen solchen Schluss gesichert zuließen.842 Aus diesen Gründen ist eine solche Marktstärkenfestlegung nicht möglich.

cc)

Fazit

Wenn nun die theoretischen Voraussetzungen für die Feststellung des relevanten Marktes und der Marktstärke feststehen, hatte sich zuerst die Frage gestellt, aus wessen Standpunkt heraus die Situation bewertet werden muss. Eine Einschätzung der Marktstärke kann durch Expertenbefragungen, Statistiken und Gutachten unterstützt werden, auf die eine zur Entscheidung berufene Person zurückgreifen darf. Neben dieser Möglichkeit kann ist es möglich, wenn selbst Erfahrungen mit dem Kunstmarkt vorliegen, sei es durch aktive Teilnahme am Handel durch den Kauf und Verkauf von Kunstwerken oder durch ein persönliches Interesse am Kunstmarkt, persönlich entscheiden. Dabei wird der Entscheidungsträger, wenn er versucht, die Auffassung von Galeristen bzw. Kunstmarktteilnehmern zu artikulieren, seine eigene, persönliche Erfahrung mitspielen lassen und gegebenenfalls den Markt in der Weise abgrenzen, wie es ein abgelehnter Galerist seiner Ansicht nach tun würde. In diesen beiden Varianten ist das Urteil mit einer persönlich wertenden Entscheidung durchsetzt. Die persönliche Einschätzung Person besitzt Einfluss auf die endgültige Entscheidung.843 Es ist aber zu berücksichtigen, dass die meisten Gesetze und Tatbestandsmerkmale auszulegen und durch einen Richter oder Kartellbeamten auszufüllen sind. Dementsprechend kann die subjektiv geprägte Einschätzung sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wer sie fällt.844 Ein Kunstmesseveranstalter wird eine andere Einschätzung der Situation besitzen, wie ein Galerist, Künstler, Richter oder gänzlich Unbeteiligter. In diesem Rahmen muss der Umstand respektiert werden, dass auch eine Rechtsunsicherheit entsteht, z.B. je nachdem, welches Gericht das Urteil fällt. Eine Alternative existiert derzeit nicht. Würde man eine solche Einschätzung ablehnen, käme man zu der Alternative, dass eine Feststellung der Marktstärke nicht möglich und damit ein Anspruch auf Zulassung gemäß §§ 33, 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 1 GWB nicht gegeben wäre.845 Weiter muss festgehalten werden, dass bei der Bewertung der Marktstärke, die nun grundsätzlich aus Sicht der Galerien zu erfolgen hat, eine rein wirtschaftlichökonomisch basierte Betrachtung kaum möglich ist. Befragungen und Statistiken können nur der Entscheidungsfindung des Gerichts behilflich sein, auf Ihnen kann eine Entscheidung nicht basieren. Eine Entscheidung ist dann ent842

Baum, Herbert, „Der relevante Markt als Problem der Wettbewerbspolitik“ in: WuW 6/1980, S. 401, S. 404.

843

Baum, Herbert, a.a.O. S. 402.

844

Baum, Herbert, a.a.O. S. 403.

845

Baum, Herbert, a.a.O. S. 403.

237

238

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

behrlich, wenn die Parteien die Stärke einer Kunstmesse unstreitig stellen. Aber sogar Analysen vorliegen, kann aus einem Marktanteil grundsätzlich noch keine Marktstärke angenommen werden, auch wenn es ein starkes Indiz hierfür darstellt.846 Zu beachten ist stets, was sich innerhalb des Kunstmarktes entwickelt hat.847 Dabei kommt es nicht auf die Auffassungen der Veranstalter, Besucher und Käufer oder sogar der ausgestellten Künstler an. Diese können nur als weitere Indizien dienen. Ein Richter oder Kartellbeamte hat vielmehr entweder aus eigenen Erfahrungssätzen oder unter Zuhilfenahme der angeführten Indizien eine, wenn auch subjektiv geprägte, Entscheidung zu fällen, und diese der Bewertung der Marktstärke zu Grunde zu legen. Er hat in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass Alternativen zur eindeutigen Feststellung der Marktstärke nicht gegeben oder nicht alleinig anwendbar sind. Trotzdem kann er z.B. stichprobenartige Befragungen durchführen, um sich einen Gesamteindruck des Marktgeschehens bilden zu können. Es ist ihm möglich, weitere Beteiligte oder Dritte, wie z.B. Personen mit entsprechender Sachkenntnis, zu konsultieren, solange nicht Elemente in einem gerichtlichen Prozess unstreitig gestellt wurden. Hierbei sind auch die ideellen Aspekte des Kunstmarktes mit in eine Entscheidung einzubeziehen.

dd)

Zeitliche Problematik der Messung

Wie schon im Rahmen der Festlegung der Zugehörigkeit einer Kunstmesse zu einem relevanten Markt, ergibt sich bei der Bewertung der Marktstärke eine zeitliche Problematik. Denn eine einmal getroffene Entscheidung für eine marktstarke Stellung einer bestimmten Kunstmesse bedeutet noch lange nicht, dass diese in Zukunft die gleiche Stellung innehaben wird. Durch den Tatbestand des Diskriminierungsverbots, der darauf abstellt, ob ein Unternehmen von einem anderen „in der Weise abhängig ist, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“, wird der Anwendungsbereich der Vorschrift zeitlich relativiert.848 Denn wo heute noch eine Kunstmesse den Markt unter Umständen dominiert, kann sie morgen schon zu den Absteigern auf dem Markt gehören. Gerade aufgrund der stetigen und schnellen Fluktuation auf dem Kunstmarkt kann eine Stellung nicht für immer behalten werden. Vielmehr ist jedes Mal eine Neubewertung nötig.

846

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731.

847

BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1242.

848

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

c)

Einschätzung durch die angerufenen Gerichte

Im Rahmen der Voraussetzungen der Beurteilung der Marktmacht von Kunstmessen in Deutschland soll ein nur kurzer, ausschnittartiger Überblick gegeben werden, wie die Kartellgerichte in den letzten Jahren verschiedene Kunstmessen tatsächlich eingeschätzt haben. Das OLG Frankfurt urteilte 1992, dass nur die Art Cologne mit der Art Frankfurt vergleichbar sei, eine weitere Ausweichmöglichkeit würde nicht bestehen. Daher sei aufgrund des Anteils von 50 % eine marktstarke Stellung der Art Frankfurt anzunehmen, sogar wenn man Kunstmessen in Hamburg oder München mitberücksichtigen würde.849 Schon vorher wurde festgelegt, dass die vier großen Kunst- und Antiquitätenmessen jeweils nur marktstark sein könnten. Eine absolute Marktbeherrschung einer einzelnen Kunstmesse könne nicht angenommen werden.850 Dieses Urteil aus dem Jahre 1992 erweiterte die Auffassung des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1989, in welchem die Art Frankfurt nur mit den Kunstmessen Basel, Paris, Chicago und Köln als vergleichbar angesehen wurde. Damals wurde aufgrund dieser Einschätzung die Kunstmesse für Bewerber mit der Kunstrichtung „moderne Kunst des 20. Jahrhunderts“ als marktstark gewertet.851 Obwohl das OLG Frankfurt die Art Frankfurt mit der Art Cologne vergleichbar ansah, hatte das LG Köln im Jahre 1998 entschieden, dass der Art Cologne eine einzigartige Stellung zukommen würde und damit jedenfalls als marktstark einzuordnen sei.852 Einen bedeutsamen Einblick in die Einschätzungspraktik der Gerichte gewährt das Urteil des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 1987, also 5 Jahre vor dem Urteil des OLG Frankfurt von 1992. Damals urteilten die Richter, dass die Art Cologne als Kunstmesse der Kunst des 20. Jahrhunderts in der Bundesrepublik einzigartig sei. Kunstmessen wie die Art Frankfurt wurden nicht berücksichtigt. Als vergleichbar wurden nur Messen im Ausland, wie die Art in Basel, FIAC in Paris und die Chicago International Art Exposition in Chicago angesehen.853

849

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S.554, S. 555.

850

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ abrufbar unter: juris – online (12.12.2001).

851

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

852

LG Köln, Urt. v. 1.10.1998 – 81 O (Kart) 153/98 „Art Cologne“ in: EWiR 1/99, S. 73.

853

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4174.

239

240

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

Schon allein dieser kleine Ausschnitt aus der gerichtlichen Praxis zeigt auf, dass sich die Beurteilung der Situation nicht nur durch die Jahre stark ändert, sondern auch sehr unterschiedlich ausfallen kann. Insofern kommt es bei einer späteren Beurteilung durch die Gerichte besonders auf die vorgelegten Indizien, wie Statistiken und Umfragen, sowie auf die unstreitig gestellten Tatsachen an. Daher kann der Auffassung des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1992 nicht gefolgt werden, in welcher festgestellt wurde, dass der Markt und die Bedeutung der Kunstmessen sich seit 1989, also seit 3 Jahren, nicht geändert hätten.854 Vielmehr zeigt schon ein solcher Ausschnitt auf, was der realen Situation entspricht, dass der Markt der Kunstmessen stets in Bewegung ist, und immer aufs Neue beurteilt werden muss.

d)

Beurteilung der Marktmacht von Erstveranstaltungen

Bei der Frage, ob auch „Newcomern“ eine Marktmacht zukommen kann, taucht das Problem auf, dass überhaupt keine wirtschaftlichen Indizien zu Hilfe genommen werden können. Es kommt hier vielmehr nur auf die subjektive Einschätzung der Gerichte an, wie sie die zukünftige Kunstmesse aufgrund ihrer Ankündigung bewerten würde. Hierbei wurde schon im Hinblick auf die Art Frankfurt entschieden, dass ihr als „Newcomerin“ zumindest eine marktstarke Stellung zukommen wird. Dies sei durch ihre Größe und ihren Anspruch auf Bedeutung auf dem Kunstmarkt gegeben, da kaum andere Ausweichmessen mit dem gleichen Anspruch existieren würden.855 Eine solche Einschätzung eines „Newcomers“ ist generell möglich. Denn es ist unerheblich, dass eine Kunstmesse zum ersten Mal stattfindet. Eine Einwendung, dass eine Marktmacht erst nach der Durchführung festgestellt werden könnte, ist nicht möglich. Denn die in § 20 II GWB vorausgesetzte Marktmacht ist dann immer gegeben, wenn kaum ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten für Aussteller bestehen. Dabei kommt es darauf an, ob funktionell austauschbare Alternativen überhaupt vorhanden sind und ob das vermeintlich marktstarke Unternehmen eine derartige Bedeutung hat, dass die Marktgegenseite die angebotene Leistung als nicht ohne Inkaufnahme von Wettbewerbsnachteilen austauschbar ansieht.856 Überdies läge es nicht im Zweck des Gesetzes, eine Klage eines abgewiesenen Ausstellers aufgrund von noch nicht geklärter Marktstellung einer Kunstmesse abzuweisen, wenn deren Stärke sich

854

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

855

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

856

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

IV. Die Bestimmung der Marktmacht des Veranstalters

später feststellen lässt. Daher muss eine rein subjektive Bewertung im Vorfeld möglich sein, um abgewiesenen Bewerbern nicht deren Rechte zu nehmen, insbesondere wenn schon vor Beginn der Veranstaltung eingeschätzt werden kann, dass die neue Kunstmesse eine bedeutende Stellung auf dem Markt einnehmen kann.857 Dies zeigt sich gut an dem Beispiel der Frieze Art Fair in London, die schon vor ihrer ersten Durchführung aufgrund der Zeitgleichheit mit dem Art Forum in Berlin für große Verschiebungen sorgte. Da dieser neuen Kunstmesse schon vor Beginn eine solche Bedeutung zugeschrieben wurde, wollten viele Galerien nicht mehr in Berlin, sondern in London ausstellen. Nicht zu vergessen ist dabei stets, dass in einer Vorabeinschätzung oftmals Aspekte nicht berücksichtigt werden können, die später zum Tragen kommen. So wäre unter den vorangestellten Aspekten wohl die Kunstmesse „Forum“ in Hamburg auch als zumindest marktstark eingeordnet worden, obwohl sie sich später als „Flop“ herausstellte.858 Trotz einer solchen späteren „Negativ-Bewertung“ kann aber eine Kunstmesse vor ihrer ersten Durchführung aufgrund der Erwartungshaltung des Marktes eine starke Dominanz bekommen, die eine Festlegung als zumindest marktstark rechtfertigt, auch wenn nach der ersten Durchführung diese Annahme sich nicht mehr rechtfertigen würde. Hierbei ist wiederum der Schutz des möglicherweise Diskriminierten zu beachten, der dann nicht gegeben wäre, wenn eine Kunstmesse gleichwohl ihrer Vorab-Dominanz auf dem Markt nicht dem Diskriminierungsverbot unterfallen würde.

e)

Fazit und Lösungsvorschlag

Die Bewertung der Marktstärke einer Kunst- und Antiquitätenmesse ist durch die Kartellgerichte und Kartellbeamte auf der Sichtweise der nachfragenden Bewerber zu basieren, inwieweit Ihnen ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Für eine solche Bewertung können aufgrund der komplexen Vorgänge auf dem Kunstmarkt, insbesondere aufgrund von ästhetischen Präferenzen der Beteiligten, keine wirtschaftlichen und ökonomischen Analysen alleinig dienen. Auch sind Statistiken mit Vorsicht zu genießen. Diese Aspekte können jedoch in eine spätere, subjektiv geprägte Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde mit einfließen. Es ist möglich, schon vor der ersten Durchführung einer Kunstmesse deren wahrscheinliche Marktstärke festzulegen. Eine einmal getroffene Bewertung be-

857

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

858

Schmid, Karlheinz, „Kein Forum, Hamburgs Messe »Forum«“ in: Kunstforum International, Band 104, 1989, S. 418.

241

242

Kapitel 3: Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots

darf jedoch bei jeder neuen Veranstaltung der betreffenden Kunst- und Antiquitätenmesse der Nachprüfung bzw. Neubewertung. Da meist nur eine marktstarke Stellung festzustellen sein wird, kann eine Abhängigkeit nicht per se angenommen werden. Vielmehr bedarf dies immer einer Feststellung im Einzelfall.859 Dabei muss beachtet werden, dass gerade auf dem Kunstmarkt, wie auch auf den sonstigen wirtschaftlichen Märkten keine Starrheit existiert, sondern Wechsel und Bewegung für das Wirtschaftsleben charakteristisch sind.860 Gerade die Entwicklung der Kunstmessen in den letzten Jahren sorgte für ständige Veränderungen. Und gerade aufgrund der neuen wirtschaftlichen Veränderungen, die eine Verlagerung des Kunstmarktes nach Amerika bedeuten, könnten die neuen amerikanischen Kunstmessen die Rolle des europäischen Messemarktes zeitgenössischer Kunstverändern.861 Dies könnte zu einer Abnahme der Kunstmessen in Deutschland und zu einer Verstärkung der Marktstellung der übrig bleibenden Kunstmessen führen.

f)

Fallbeispiel Art Cologne 2002 – Fortsetzung

Die Definition des Marktes für Kunstmessen ergab, dass die Art Cologne auf dem räumlich maximalen Markt, das Gebiet der Bundesrepublik, vergleichbar mit den Kunstmessen Art Forum in Berlin, Art Frankfurt, Kunst Messe Köln und Kunstköln sowie der Kunstmesse München vergleichbar ist, wenn es sich um einen Bewerber der Richtung klassische Moderne des 20. Jahrhunderts handeln würde. Die Entfernung zwischen diesen spielt eine untergeordnete Rolle, da die Transportkosten im Vergleich zu den übrigen Kosten und den taxierten Preisen auszustellender Kunstobjekte eine untergeordnete Rolle spielen. Somit besitzt die Art Cologne einen Marktanteil von mindestens 16,6 %. Diese „Machtgröße“ reicht unter Heranziehung der individuellen Gegebenheiten, Einzigartigkeit des Messeverkaufs, Auswirkung auf Ruf und Ansehen durch eine Teilnahme an der Art Cologne, Tradition der Art Cologne, etc., aus, dass eine marktmächtige Stellung der Art Cologne bejaht werden muss.

859

Fischötter, Werner, „Buchbesprechung zu GWB Gemeinschaftskommentar“ in: GRUR 1978, S. 118, S. 122.

860

Barnikel, Hans-Heinrich, „Die Abgrenzung des relevanten Marktes“ in: WuW 4/1961, S. 246, S. 253.

861

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S.1 i.V.m. Abs.1 GWB Unterstellt man nun, dass eine bestimmte Kunstmesse marktstark sei, so stellt sich die Frage, ob der Veranstalter der Kunstmesse einen Galeristen oder Künstler durch die Nichtzulassung unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen Bewerbern ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterscheidet. Genereller Ausgangspunkt der Überlegung bildet der Grundsatz, dass es marktstarken Unternehmen nicht verwehrt sein kann, ein Vertriebskonzept aufzustellen und durchzuführen, dass zum Ausschluss von Dritten führt. Dieser Grundsatz hat auch für Messeveranstalter im Verhältnis zu den einzelnen Ausstellern Geltung. Jeder Messeveranstalter darf also im Rahmen seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit das von ihm gewünschte Messekonzept formulieren und durchsetzen. Insofern versuchen Veranstalter von Kunst- und Antiquitätenmessen das Profil ihrer Messe zu definieren und stets den Gegebenheiten des Kunstmarktes anzupassen. Dabei kann der Gestaltungsfreiraum in der Festlegung der „Messepersönlichkeit“ gerade bei Kunstmärkten darin liegen, da das Renommee und Ansehen maßgeblich von der Qualität der Aussteller bestimmt wird, das Messekonzept auf eine Veranstaltung „mit hohem Qualitätsniveau“ auszurichten. Je geschlossener und übersichtlicher sich eine Kunstmesse präsentiert, desto höher liegt seine Qualität und desto größer wird der Zuspruch beim Publikum sein.862 Dabei stellen sich verschiedene Fragen. Wann diese einzelnen Tatbestände greifen, und wie weit der auch durch wirtschaftliche Aspekte geprägte Verhaltensfreiraum eines Kunstmesseveranstalters verändert wird, und inwieweit er dabei die Zulassungen beschränken darf, ohne den Tatbestand des Diskriminierungsverbotes durch sein Handeln zu erfüllen, bedarf dabei der weiteren Klärung. Es stellt sich auch die Frage, ob die Anforderungen des Diskriminierungsverbotes den Bedingungen des Kunstmarktes angepasst werden müssen, somit ein eigenes „Kunst-Kartellrecht“ entsteht, oder ob die geprägten Ausformungen insbesondere des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB den Voraussetzungen des Kunstmarktes gerecht werden.

862

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

244

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

I.

Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots

Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots kann kurz zusammengefasst werden. Durch die Erweiterung des Adressatenkreises in § 26 II 1 GWB a.F. und die Neufassung in § 20 II GWB wurden auch nur marktstarke Unternehmen dem Diskriminierungsverbot unterworfen. Hierdurch kann in deren Beziehungen zu Dritten eine relevante Abhängigkeit sowohl bei bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen als auch im Hinblick für die Zukunft anzustrebenden geschäftlichen Verbindungen festgestellt werden. Ob dies vorliegt, ist jeweils an Hand der Umstände des konkreten Falls zu prüfen. Liegt es vor, gilt diese Feststellung nur für den jeweiligen Sachverhalt. Die Abhängigkeit dritter sich bewerbender Galeristen bedarf jeweils einer gesonderten Prüfung. Nach Feststellung der Abhängigkeit bedarf es dann der Prüfung, ob das abhängige Unternehmen, in der vorliegenden Untersuchung der von einer Kunstmesse abhängige Galerist, diskriminiert wurde. Die Abwägung, ob eine Diskriminierung gegeben ist, bedarf einer Vielzahl von festzulegenden Aspekten die im Einzelnen zu untersuchen sind.863 Dabei ist stets der Grundsatz zu beachten, dass das GWB nicht jegliche Beschränkung des wirtschaftlichen Wettbewerbs verbietet und nicht jedem Unternehmen in jedem Fall ein wettbewerbsförderndes Verhalten gebietet. Vielmehr sollen nur bestimmte Handlungsweisen unterbleiben und im Übrigen der freie Marktverkehr erhalten bleiben.864 Dabei sollen Störungen des Marktes durch das GWB verhindert werden. Solche Störungen tauchen oft gerade dann auf, wenn Unternehmen allmählich an Macht gewinnen. Denn mit zunehmender Marktmacht, oder anders ausgedrückt, mit abnehmender Intensität des Wettbewerbs, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Missbrauchs.865 Diesen Auswirkungen, die missbräuchliche Ausnutzung der Markmacht, soll gerade im Rahmen des Diskriminierungsverbots Einhalt geboten werden.

a)

Überblick

Vor der Entscheidung, ob ein abgelehnter Bewerber, z.B. Galerist, ein Anspruch auf Zulassung zustehen könnte, bedarf es der Prüfung, neben dem Umstand, ob die Kunstmesse als dem Diskriminierungsverbot unterworfen anzusehen ist, ob 863

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 288.

864

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 659; Schlegel, Jörg, „Marktmacht und Missbrauch – Mögliche Rechtsgrundlage für Marktuntersuchungen im Hinblick auf den Verdacht marktbeherrschender Stellungen“ in: WuW 1968, S. 176, S. 187.

865

Schlegel, Jörg, a.a.O. S. 187.

I. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots

sie einen Bewerber behindert oder ohne sachlich rechtfertigenden Grund gegenüber gleichartigen Unternehmen unterschiedlich behandelt hat. Würde dies bejaht werden, muss weiter untersucht werden, welches Gewicht der Diskriminierung beizumessen wäre.866 Insbesondere müsste bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen im einzelnen geprüft werden, in welchem Umfang der Messeveranstalter mit der Kunstmesse den gegenständlichen Markt beherrscht, der ausstellende Galerist mit seiner Tätigkeit wirtschaftlich ihm ausgeliefert und damit von seinen möglicherweise rechtswidrigen Maßnahmen geschädigt werden könnte. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob die Ablehnung des Galeristen eine Rechtfertigung findet. Falls keine Rechtfertigung existiert, könnte ein Aufnahmeanspruch entstehen, wenn die Ablehnung der Aufnahme, unter Abwägung der Interessen des Kunstmesseveranstalters und des abgelehnten Bewerbers, zu einer unbilligen Benachteiligung 867 oder Behinderung führt. Vor einer solchen weitreichenden Prüfung, stehen somit die Begriffe der Behinderung und unterschiedlichen Behandlung, deren Definition und Auslegung von Bedeutung sind.

aa)

Behinderung

Das erste Tatbestandsmerkmal, dass den Diskriminierungstatbestand auszeichnet, stellt die unbillige Behinderung dar. Für die Annahme einer Behinderung reicht grundsätzlich jedes Verhalten aus, das die wettbewerbliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachteilig beeinträchtigt.868 Dabei werden vom Gesetzeszweck her nur solche Behinderungen erfasst, die gerade auf den Einsatz der mit dem Abhängigkeitsverhältnis verbundenen Marktmacht zurückzuführen sind 869 und zwecks Erhaltung oder Vergrößerung bestehender Marktmacht eingesetzt werden. Es ist dabei ohne Belang, ob die Maßnahmen innerhalb oder außerhalb des relevanten Marktes getroffen werden.870 Jedoch indiziert die Tatbestandsmäßigkeit des „Behinderns“ nicht ohne weiteres dessen „Unbilligkeit“ 871, sondern es kommt entscheidend auf eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän-

866

BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675, S. 677.

867

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 112.

868

Bundeskartellamt, Beschl. v. 25.7.1990 – B5 – 766000 – V – 155/87 „VW – Leasing“ in: WuW/E BKartA, S. 2459, S. 2460.

869

Bundeskartellamt, a.a.O. S. 2460.

870

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, Berlin in: WuW/E BGH S. 407, S. 415.

871

BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863.

245

246

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

kungen an.872 Die Abwägung hat in erster Linie anhand des Interessengegensatzes des Diskriminierenden und des Diskriminierten zu erfolgen.873 Im Rahmen dieser notwendigen Gesamtbetrachtung der Unbilligkeit, des Fehlens eines sachlich gerechtfertigten Grundes, ist zu berücksichtigen, dass der Zwang, der gegen den Bewerber ausgeübt wurde, und gegen die Billigkeit der Behinderung spricht, einen zu berücksichtigenden Umstand darstellt, im Hinblick auf die im allgemeinen Interesse der Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs gebotene Wahrung der Entscheidungsfreiheit der Wettbewerbsbeteiligten.874 Somit ist die Entscheidung, ob eine Behinderung als unbillig angesehen werden kann, davon abhängig, ob die Behinderung des ausstellenden Galeristen auf dem Markt der Teilnahme an Kunstmessen durch die Nichtzulassung ohne nach einer Abwägung als sachlich rechtfertigenden Grund geschehen ist. Eine Nichtzulassung behindert einen Galeristen unter Umständen entscheidend bei seinem Umsatz. So wurden in verschiedenen Prozessen durch die jeweiligen abgelehnten Galeristen Umsatzeinbußen von mindestens einem Drittel bis zur Hälfte des Jahresumsatzes vorgetragen. Weiter entscheidend ist der Umstand, dass sich für ihn die Nichtzulassung in seiner eigentlich unternehmerischen Tätigkeit, im Vertrieb von Kunstwerken, auswirkt. Er kann kaum neue Kontakte zu noch lebenden Künstlern und potentiellen Neukunden, die nicht in der Nähe seiner Galerieräume wohnen, knüpfen. Für die Frage der Nichtzulassung sind auch diese Auswirkungen der Behinderungen im Kunstgeschäft auf den Geschäftsbetrieb des Galeristen im Übrigen erheblich. Auf diesem Markt stehen Geschäftsleistungen im Wettbewerb, die sich durch Zuverlässigkeit, Diskretion, ständige Präsenz auf Kunstmessen und die Gabe, die aktuellen Trends und Richtungen der Kunstszene zu erkennen, auszeichnen. Zwar behindert ein Veranstalter einen Galeristen durch die Nichtzulassung nicht unmittelbar in diesen Leistungen, eine Behinderung kann aber darin liegen, dass sich ein abgelehnter Galerist durch die Nichtzulassung aufgrund der angeführten Gründe nicht mehr frei wirtschaftlich betätigen kann. Jedoch kommt neben dem Merkmal der unbilligen Behinderung der Tatbestand der unterschiedlichen Behandlung ohne sachlich rechtfertigenden Grund bei einer Nichtzulassung eines sich bewerbenden Galeristen in Frage. Grundsätzlich dient dabei im Unterschied zur unterschiedlichen Behandlung das Merkmal der „unbilligen Behinderung“ vor allem dem Schutz der Konkurrenten des diskrimi-

872

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 „Kunstmesse“ in: GRUR 1989, Heft 5, S. 370, S. 373; BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863.

873

BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1243.

874

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1743.

I. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots

nierenden Unternehmens, während das Verbot der Ungleichbehandlung die Unternehmen der folgenden und vorangegangenen Handelsstufen schützen soll.

bb)

Unterschiedliche Behandlung

Die Tatbestandsalternative der unterschiedlichen Behandlung wird durch den Umstand geprägt, ob zwischen zwei Unternehmen, zwischen denen eine Gleichartigkeit im Sinne der Norm festgestellt wurde, eine Differenzierung durch das marktstarke Unternehmen vorgenommen wurde. Weiter darf diese Differenzierung nicht ohne sachliche Rechtfertigung geschehen sein. Die Frage, wann ein Grund sich als sachlich gerechtfertigt darstellt, hängt auch hier entscheidend von der Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB ab.875 Als sachlicher Grund kann insoweit jeder Grund angesehen werden, der auf vernünftigen, nicht sachfremden Erwägungen beruhe, die sich aus der Aufgabenstellung und der Zielsetzung des Normadressaten ergäben.876 Daher ist gerade im Rahmen der unterschiedlichen Behandlung auf die Interessenlage beider Seiten abzustellen.877 Bei der Prüfung der Frage, ob eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, sind die Interessen des ungleich Behandelnden und des von der Ungleichbehandlung Betroffenen miteinander abzuwägen. Der Umstand, dass die Interessenlage des Betroffenen schon Gegenstand der Zumutbarkeitsprüfung in dem Sinne war, ob ein Ausweichen auf andere Kunstmessen möglich und zumutbar ist, steht einer nochmaligen Berücksichtigung bei der umfassenden Interessensabwägung nicht entgegen. In einem solchen Fall wird keine unnötige Doppelwertung durchgeführt. Denn im Rahmen der Zumutbarkeit geht es nur um die begrenzte und allein aus der Sicht des ungleich Behandelten zu beantwortende Frage nach der Zumutbarkeit eines Ausweichens auf andere Geschäftspartner. Im Rahmen der Interessensabwägung geht es jedoch um eine umfassende Abwägung der Interessen beider Seiten unter Berücksichtigung aller Umstände und des Zwecks des Gesetzes. In der praktischen Durchführung wird sich die Hintereinanderschaltung der Prüfung häufig dahin auswirken, dass in den Fällen, die bereits durch das Filter der Zumutbarkeitsprüfung gegangen sind, den Interessen des ungleich Behandelten an einer bestimmten Geschäftsverbindung ein erhebliches Gewicht zukommt. Der Schwerpunkt der Interessensabwägung wird in aller Regel in der

875

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 „Kunstmesse“ in: GRUR 1989, Heft 5, S. 370, S. 371.

876

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 172.

877

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 286.

247

248

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Frage liegen, ob dem gegenüber den Interessen des ungleich Behandelnden ein solches Gewicht zukommt, dass sie unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermögen.878 Da jedoch die Frage der Zulassung zu Kunstmessen einen der Lieferverweigerung vergleichbare Situation darstellt, kann eine solche Nichtzulassung sowohl eine unbillige Behinderung oder eine nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung darstellen.879

cc)

Differenzierung von Behinderung und unterschiedlicher Behandlung

Bei einem Vergleich der beiden Alternativen, „unbillige Behinderung“ und „sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung“ fällt auf, dass jeweils eine Abwägung der Interessen der Beteiligten durchgeführt werden muss.880 Gleichzeitig besitzt jede Beschränkung eines Veranstalters, die den Zugang zu seiner Messe verhindert, das Potential einer Behinderung oder unterschiedlichen nicht gerechtfertigen Behandlung, deren Eintritt durch die Zwecksetzung des GWB grundsätzlich verhindert werden soll. Ob eine einzelne Maßnahme durch dieses Gesetz unzulässig ist, oder sich noch im Rahmen der möglichen wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eines einzelnen Unternehmens bewegt, ist für jede einzelne Maßnahme selbständig zu prüfen. Somit kann für den Fall, dass ein Messeveranstalter einen Interessenten nicht zulässt, sowohl die unbillige Behinderung als auch die unterschiedliche Behandlung gegenüber gleichartigen Unternehmen in Frage kommen. Die alternativ nebeneinander gestellten Tatbestandsmerkmale überschneiden sich soweit.881 Hier stellt sich die Frage, ob zwischen diesen Alternativen differenziert werden muss. Eine Differenzierung könnte insofern erforderlich werden, als bei Alternativen eine unterschiedliche Zielsetzung verfolgt wird. Diese Zielsetzung wäre auch jeweils im Rahmen der Abwägung als Bewertungsmaßstab zu Grunde zu legen. Zweck des Verbots der unterschiedlichen Behandlung war es dabei, Unternehmen der vor- bzw. nachgelagerten Wirtschaftsstufe gleiche Marktchancen zu gewährleisten, während das Behinderungsverbot in erster Linie den Schutz der wettbewerblichen Handlungsfreiheit von Wettbewerbern bezweckt. Jedoch

878

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 „Kunstmesse“ in: GRUR 1989, Heft 5, S. 370, S. 373.

879

BGH, Urt. v. 18.09.1978 – KZR 17/77 „Fassbierpflegekette“ m. Anm. von Gloy in: GRUR 1979, S. 69, S. 70.

880

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1395; BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 172.

881

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 912.

I. Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots

wurde schon im Rahmen des vergleichbaren Falls der Lieferverweigerung festgestellt, dass diese Unterschiede sich in einem solchen Falle aufgrund der begrenzten Produktionskapazität aufheben.882 So muss grundsätzlich, auch wenn das Merkmal des Geschäftsverkehrs, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, im Einzelfall bejaht wird, weiter geprüft werden, ob ein Unternehmen in diesem Geschäftsverkehr unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt wird. Die Alternative der unbilligen Behinderung zielt in erster Linie auf den Schutz der Mitbewerber des Diskriminierenden, während die Alternative der sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung vor allem die Unternehmen der folgenden und der vorangehenden Handels- oder Wirtschaftsstufen schützen will. Gleichwohl kann eine Ungleichbehandlung eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Mitbewerbern zugleich eine unbillige Behinderung dieses Unternehmens darstellen. Beide Tatbestände können daher nicht scharf voneinander abgegrenzt werden und überschneiden sich in der praktischen Anwendung häufig. Das Merkmal der Unbilligkeit im Rahmen der ersten Alternative des Diskriminierungsverbots erfordert ebenso wie das des fehlenden Rechtfertigungsgrundes in der zweiten Alternative eine umfassende Abwägung. Eine getrennte Prüfung beider Tatbestandsalternativen ist daher wenig sinnvoll.883 Gerade im vorliegend zu untersuchenden Fall können beide Alternativen nebeneinander gleichzeitig vorliegen. Von der Abweisung der Veranstalterin betroffene Interessierte können sowohl unbillig in ihrer geschäftlichen Tätigkeit behindert als auch gleichzeitig ungerechtfertigt unterschiedlich gegenüber gleichartigen Unternehmen behandelt sein. Gegen die Annahme einer Überschneidung der beiden nicht scharf voneinander abgegrenzten Alternativen bestehen keine Bedenken. Beiden Merkmalen obliegt eine Abwägung.884 Die im Rahmen der Abwägung gewonnenen Erkenntnisse sind gerade in diesen Fällen auf die jeweils andere Alternative übertragbar. Grundsätzlich muss jedoch im Rahmen der Abwägung von jeweils einer Alternative ausgegangen werden 885, je nachdem welcher Nichtzulassungsgrund in Frage kommt. Dies wird durch den Wortlaut des Gesetzes vorgegeben. Im Folgenden wird die

882

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 390.

883

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 284.

884

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716, S. 1717.

885

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479.

249

250

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Alternative der unbilligen Behinderung durchgeführt. Keiner der beiden Alternativen rückt trotz der Überschneidung so in den Vordergrund, dass vorrangig diese der Prüfung zu Grunde gelegt werden müsste.886 Unter dem Aspekt der unbilligen Behinderung sind daher im Folgenden die einzelnen, zum Teil in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen der Messeveranstalter verankerte Nichtzulassungsgründe zu bewerten. Falls sich tatsächlich eine Änderung im Vergleich zu der anderen Alternative ergeben sollte, wird gesondert darauf hingewiesen.

dd)

Interessensabwägung

Schon im Rahmen der Feststellung der Gleichartigkeit von Unternehmen wurde festgelegt, dass die Beurteilung von Differenzierungen der späteren Interessensabwägung vorbehalten bleiben soll. Insofern diente das Merkmal der relativ groben Einteilung. Diese Interessensabwägung ist das Hauptkriterium im Rahmen einer Beurteilung, ob ein Unternehmen gegenüber einem anderen eine dem Diskriminierungsverbot unterworfene ungerechtfertigte Handlung begangen hat. So wäre im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, ob ein den Vertragsschluss begehrendes Unternehmen die Voraussetzungen nicht erfüllt, die Verweigerung durch die Zulassungsvoraussetzung berechtigt wäre.887 Wenn die Abwägung grundsätzlich aufgrund der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes durchgeführt werden muss 888, steht in Frage, durch welche Aspekte die durchzuführende Interessensabwägung, die ausschlaggebend sowohl für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung als auch der Billigkeit einer Behinderung sein kann, noch beeinflusst wird. Dies bedarf einer näheren Betrachtung, um gerade den Anforderungen des Kunstmarktes gerecht zu werden.

II.

Die Auslegung des Diskriminierungsverbots

Wichtigstes Merkmal einer ordnungsgemäßen und an Sinn und Zweck orientierten Anwendung des Diskriminierungsverbots auf einen Sachverhalt ist die Kenntnis, wie dieses Verbot auszulegen ist. Dabei kann die Auslegung des Diskriminierungsverbotes durch verschiedene Ursachen beeinflusst sein. Neben den Anwendungsvoraussetzungen der einzelnen Tatbestandsmerkmale und -alternativen und deren Auslegung kommen namentlich unter anderem Einflüsse des

886

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400, S. 401.

887

BGH, Beschl. v. 28.06.1977 – KVR 2/77 „Autoruf-Genossenschaft in: WuW/E BGH, S. 1495, S. 1496.

888

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 102.

II. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots

Gewerberechts und des öffentlichen Rechts in Betracht. Wie schon eingangs aufgezeigt wurde, behandeln diese beiden Rechtsgebiete die Nichtzulassung von Ausstellern auf Märkten. Insofern können Parallelen gezogen werden und durch eine Kenntnis des gewerberechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verständnisses die gewonnenen Grundsätze beachtet werden.

a)

Der Einfluss des Gewerberechts, § 70 GewO

Ein Einfluss auf die Auslegung der Anwendungsvoraussetzungen kann dem Gewerberecht entstammen. Dort treten bei der Zulassung zu festgesetzten Veranstaltungen im Rahmen des § 70 GewO ähnliche Rechtsprobleme auf, die oft nur durch eine Abwägung zu lösen waren. Dabei gibt es trotz nicht zu verkennender Unterschiede deutliche Wertungsparallelen zu entscheidenden Zulassungsfragen. Auch in diesem Rechtsgebot wird ein gerichtlich grundsätzlich nicht nachprüfbarer Gestaltungsspielraum des Veranstalters anerkannt. Ist in diesem Rahmen z.B. die Auswahl nach qualitativen Gesichtspunkten gerechtfertigt, so muss die Qualität der Aussteller erst recht bei der Zulassung zu Kunstmärkten eine entscheidende Rolle spielen können.889 Damit ist die wichtigste Norm im Rahmen des Gewerberechts bei der Zulassung zu Veranstaltungen § 70 GewO. Diese Norm schränkt das nach allgemeinen Grundsätzen gegebene Ermessen des Veranstalters dahin ein, dass jeder Bewerber, der zu dem nach § 70 Abs. 2 GewO zu bestimmenden Teilnehmerkreis gehört, einen Anspruch auf Zulassung hat. Dies gilt solange, wie nicht § 70 Abs. 3 GewO zur Geltung kommt.890 Liegt dann eine Platzknappheit vor, so wandelt sich der Zulassungsanspruch in einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an einem ermessensfehlerfreien Auswahlverfahren um. In § 70 Abs. 3 GewO wird lediglich davon ausgegangen, dass ein einzelner Bewerber aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere infolge Platzmangels ausgeschlossen werden kann, jedoch wird dabei stillschweigend vorausgesetzt, dass eine Auswahl unter den Bewerbern nach sachgerechten Kriterien vorgenommen wurde.891 Diese Auswahl nach sachgerechten Kriterien entspricht hierbei der bei der Bewertung von Zulassungsbeschränkungen durchzuführenden Interessensabwägung. Trotzdem ist das grundsätzliche Recht des Veranstalters gegeben, die Messe oder die Ausstellung durch die Festlegung von Warengruppen, die vertreten sein sol889

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 738; Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 363.

890

OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 – OVG Bf VI 12/86 in: GewArch 1987/9, S. 303, S. 304.

891

OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 – OVG Bf VI 12/86 in: GewArch 1987/9, S. 303, S. 304.

251

252

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

len, zu definieren und die Beteiligten sich auf der Veranstaltung als Marktpartner gegenübertreten sollen, zu bestimmen. Denn ein modernes Marktmanagement erfordert einen richtigen Zuschnitt des Angebots der Messe um erfolgreich zu sein. Dieser Zuschnitt wird dann immer enger, je größer die Konkurrenz ist, je spezieller das Angebot gefasst wird, während auf der anderen Seite nicht die Nachfrage der Besucher nach einem vollständigen Sortiment aus den Augen verloren werden darf.892 Diese Bestimmung des Angebots, und damit implizit des Teilnehmerkreises 893, verbleibt einem Veranstalter, wobei dessen rechtliche Form variieren kann. Andererseits ist der Ausschluss von Ausstellern, deren Angebot dem Thema und der Zielsetzung der Veranstaltung nicht entspricht, erforderlich, weil sonst der Marktüberblick erschwert wird, die Abwicklung der einschlägigen Geschäfte behindert und die gewünschte Abgrenzung zu anderen Messen oder Ausstellungen wieder verwischt werden würde.894 Wenn nun die Messe definiert und festgesetzt wurde, ist grundsätzlich jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt. In diesem Zusammenhang kann sogar eine einstweilige Anordnung erlassen werden, die das Recht zur Teilnahme regelt, wenn, bzw. solange der benötigte Platz vorhanden ist.895 Reicht jedoch der Platz nicht für alle Teilnehmer aus, so werden sachgerechte Kriterien für einen Ausschluss nötig. Diese Gründe können nur sachgerecht sein, die sich an der Marktfreiheit und am Gleichheitssatz orientieren.896 Vor der Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn nicht genügend Platz vorhanden ist, kann ebenso im Gewerberecht der Streit entstehen, ob überhaupt Platzmangel besteht. Dieser Streit geht solange zugunsten des abgewiesenen Bewerbers aus, solange Reservefläche noch existiert, auch wenn hierdurch der Veranstalter in technische Schwierigkeiten geraten könnte. Der Anspruch ist in einem solchen Verfahren dann nicht mehr gegeben, wenn nachgewiesenermaßen keine Restfläche mehr existiert.897

892

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, 78.

893

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, 77.

894

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, 78.

895

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

896

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150.

897

Schalt, Thomas, a.a.O. S. 151; VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 338.

II. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots

Diese Wertung kann in das Kartellrecht übernommen werden, da hier zumindest dem Veranstalter zugemutet werden könnte, den zur Verfügung stehenden Platz komplett auszunutzen. Weitere im Rahmen des Diskriminierungsverbots zu bedenkende Überlegungen können sich aus der bisherigen Rechtsprechung und Praxis ergeben. Diese Überlegungen können deshalb gut in den Abwägungsvorgang bei Zulassungsbeschränkungen zu Kunstmessen mitaufgenommen werden, da gerade dem § 70 GewO eine vergleichbare Situation zu Grunde liegt, nämlich die Nichtaufnahme eines Ausstellers zu einer Publikumsveranstaltung. Aufgrund der Gleichstellung aller Teilnahmeberechtigten wird dem Veranstalter weiter untersagt, diese gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund, unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln. Dies entspricht wiederum dem Diskriminierungsverbot. Somit handelt auch im Gewerberecht derjenige Veranstalter gesetzwidrig, der willkürlich nach sachfremden Gesichtspunkten eine Auswahl trifft. Gesetzwidrig sind unter anderem die Abweisung von Importeuren oder von Herstellern mit Sitz im Ausland als Aussteller bei einer internationalen Messe; die Ablehnung von Ausstellern, weil sie nicht einem bestimmten Verband angehören; die Nichtzulassung von Ausstellern, die selbst auch Einzelhandel betreiben; die Ausschließung von Produzenten, die nicht eine branchenübliche Vertriebsbindung praktizieren und z.B. Nichtfachhändler beliefern. Weiter ist der Ausschluss von Unternehmen unzulässig, die nicht in einem bestimmten Gebiet ansässig sind 898, es sei denn, es handelt sich um eine Ausstellung, auf der das repräsentative Angebot eines bestimmten Wirtschaftsgebietes gezeigt wird.899 Auch kann als Ausschlussgrund das Verhalten eines Ausstellers dienen, wenn dieser wiederholt gegen die für alle geltenden Bestimmungen verstoßen hat, wie z.B. gegen Lärmschutzvorschriften oder Vorschriften über die Standgestaltung. Da unter den Voraussetzungen des § 70 GewO von einem Veranstalter nicht verlangt werden kann, die Kapazität zu erhöhen, bedarf er eines Auswahlverfahrens. Dieses Verfahren zur Verteilung des begrenzten Platzes kann durch eine Warteliste geschehen. Dies stellt sich im Rahmen des Gewerberechts als sachgerecht dar.900 Diese Bewertungen können Einfluss auf die Abwägung im Rahmen des § 20 II S. 1 i.V.m I GWB nehmen.

898

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 152.

899

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 79.

900

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

253

254

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

b)

Der Einfluss des öffentlich-rechtlichen Bereichs

Neben dem Gewerberecht mag schließlich ein Blick in das öffentliche Recht zur Findung von Argumenten für eine im Rahmen des Diskriminierungsverbots durchzuführende Abwägung dienen. Gerade in diesem Bereich haben in den letzten Jahren Rechtsstreitigkeiten zwischen Volksfestveranstaltern und Schaustellern zugenommen.901 So besteht zu dem kommunalrechtlichen Zulassungsanspruch zu öffentlichen Einrichtungen langjährige Rechtsprechung. Auch in diesem Bereich existieren Unterschiede und Parallelen. Im öffentlichen Recht wird ein gerichtlich grundsätzlich nicht nachprüfbarer Gestaltungsspielraum des Veranstalters anerkannt, der sich auf das Erscheinungsbild, die Begrenzung der Teilnehmerzahl und die Ablehnung wegen Platzmangels bezieht.902 Ein Bewerber hat wegen der regelmäßig die Zahl der vorhandenen Standplätze übersteigenden Zahl von Ausstellern keinen Anspruch auf Vergabe eines Standplatzes, sondern nur auf eine sachgerechte Auswahl. Dabei bedarf die Nichtberücksichtigung einer förmlichen Ablehnung, einer Entscheidung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.903 Folglich sind auch hier bei der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um einen Standplatz sachliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es muss für behördliche Regelungen ein vernünftiger, sachlich einleuchtender Grund gegeben sein.904 Damit sind gerade im öffentlichen Recht bei der Entscheidung über die Zulassung von Bewerbern zu öffentlichen Einrichtungen mit beschränkter Kapazität keine anderen Auswahlkriterien maßgebend als für den privatwirtschaftlichen Unternehmer nach dem GWB.905 Dies hat zur Folge, dass aus der Rechtsprechung und Literatur zu dem Zulassungsanspruch zu öffentlichen Einrichtungen aufgrund der parallelen Maßstäbe Wertungsgrundsätze entspringen können, die bei einer späteren Abwägung den Entscheidungsprozeß beeinflussen könnten.906 Eine weitere Parallele zu dem Gebiet des Kunstrechts entsteht durch den Umstand, dass gerade auf dem Gebiet des Schaustellergewerbes Traditionen und 901

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150.

902

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 738.

903

Lässig, Curt Lutz, „Die Vergabe von Standplätzen auf kommunalen Volksfesten“ in: NVwZ 1983, S. 18, S. 19.

904

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

905

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4142.

906

So stellte Hitzler, Gerhard in: „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365 die These auf, dass das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot strengere Anforderungen besitzen würde.

II. Die Auslegung des Diskriminierungsverbots

Branchenbesonderheiten existieren. Und hier scheinen manchmal die zuständigen Entscheidungsträger nicht informiert zu sein.907 Im Kunstbereich existieren viele Besonderheiten, die sich wie im Schaustellergewerbe aufgrund langjähriger Traditionen ausgebildet haben und nur schwer zu fassen sind. So bedürfen diese der Berücksichtigung, wenn eine sachgemäße Entscheidung gefällt werden soll. Bei einem Vergleich ist grundsätzlich zu beachten, dass bei einer behördlichen Auswahlentscheidung diese nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und der Behörde dabei ein weiter Ermessensspielraum unter Beachtung der Verfassungsgrundsätze eingeräumt ist.908 Eine willkürliche Entscheidung darf nicht getroffen werden.909 Ebenso ist der Aspekt zu beachten, dass im Rahmen einer Auswahlentscheidung wird für den Fall, dass ein Bewerber abgelehnt wird, das Recht der freien Berufswahl nicht verletzt. Zwar wird die Freiheit der beruflichen Tätigkeit vor staatlichen Übergriffen geschützt, aber ein grundrechtliches Recht auf Einräumung einer Sondernutzung aus Art. 12 GG, wie sie die Zuweisung eines Marktstandes darstellt, existiert nicht.910 Weiter sind die subjektiven Vorstellungen der mit der Auswahl betrauten Personen über die Anziehungskraft der einzelnen sich um einen Stand bewerbenden Unternehmen letztlich für die Entscheidung maßgebend, welchen Bewerbern der Vorzug vor anderen zu geben ist. Hier sind jedoch die ersten Schranken einer Zulassung dem Zulassungsanspruch selbst immanent. Schon von der Natur der Sache her kann ein Anspruch auf Benutzung einer öffentlichen Einrichtung nicht geltend gemacht werden, wenn die beabsichtigte Inanspruchnahme der Einrichtung deren Zweckwidmung oder deren tatsächliche Kapazität überschreiten würde bzw. mit der bereits zugelassenen rechtmäßigen Benutzung durch Dritte nicht zu vereinbaren wäre. Demgemäß kann ein Bewerber sich nicht auf den öffentlich-rechtlichen Zulassungsanspruch berufen, wenn er z.B. die Räumlichkeiten einer kommunalen Mehrzweckhalle zu einem Termin in Anspruch nehmen wollte, für den alle in Betracht kommenden Räume schon an andere Benutzer vergeben sind. Bei einer Überzahl von Bewerbern muss es daher zwangsläufig zum Ausschluss einzelner Interessenten von der Benutzung der Einrichtung kommen.911 Weitere Schranken werden durch den Zweck der jeweiligen Einrichtung gebildet. So darf die Zulassung dann abgelehnt werden, wenn diese sich nicht mit dem Zweck vereinbaren ließe, wobei stets beachtet werden muss, dass auch hier jeweils ein ver907

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150.

908

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

909

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 338.

910

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

911

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 338.

255

256

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

nünftiger, sachlich einleuchtender Grund gegeben sein muss.912 Außerdem kann Inhalt und Umfang dieser Einrichtung bestimmt werden. So umfasst der Gestaltungsspielraum insbesondere die Festlegung des räumlichen Umfangs des Festes und des gewünschten Gesamtbildes. Das konkretisiert sich in der Befugnis, die Art der darzustellenden Attraktionen zu bestimmen und gleichartige Angebote zu Vermeidung eines einförmigen Erscheinungsbildes der Zahl nach zu begrenzen.913 In diesem Rahmen existiert kein Recht auf Erweiterung der Kapazität oder Schaffung einer solchen.914 Hauptaugenmerk galt aber in den meisten Entscheidungen dem Merkmal des „bekannten und bewährten“ Ausstellers. Dies ist mittlerweile in der Rechtsprechung anerkannt. Folglich dürfen „bekannte und bewährte“ Schausteller bei der Vergabe von Standplätzen bevorzugt berücksichtigt werden. Denn auch im öffentlichen Bereich ist der Wunsch des Veranstalters zu respektieren, ein konstantes Qualitätsniveau zu gewährleisten.915 Dieses Merkmal wurde schon lange von der Rechtsprechung als sachgerecht und zulässig erachtet.916 Ähnlich dem Merkmal des „bekannten“ kann die Nähe z.B. zu einer Gemeinde ein Auswahlgrund darstellen. So kann eine Gemeinde, vorbehaltlich gesetzlicher Sonderbestimmungen, ihre Angehörigen gegenüber Gemeindefremden bevorzugen, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen. Das Bestehen eines Benutzungsanspruchs hängt also letztlich von der Nähe zur Gemeinde ab. Hierbei kann dann überdies unter mehreren Gemeindeangehörigen nach der Intensität ihrer Verflechtung in der Gemeinde differenziert werden, wobei aufgrund des gewerblichen Schwerpunktes in erster Linie die gewerbliche Verflechtung berücksichtigt werden kann.917 Ebenso ist das Auswahlverfahren sachgerecht auszuführen. Jedoch lässt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz nicht das Recht auf abwechselnde Berücksichtigung als gleichwertig anzusehender Betriebe oder auf Auslosung der am Markt zuzulassenden Unternehmen herleiten.918 Weiterhin ist der öffentlich-rechtliche Entscheidungsträger nicht verpflichtet, bei Überbesetzung einzelner Sparten sämtliche Bewerber im turnusmäßigen Wechsel zuzulassen, sog. Rollierendes System, sofern er sich nicht selbst durch Rechtsvorschrift oder ständige Übung entspre-

912

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

913

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120, S. 121.

914

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120.

915

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 738.

916

Lässig, Curt Lutz, „Die Vergabe von Standplätzen auf kommunalen Volksfesten“ in: NVwZ 1983, S. 18, S. 19.

917

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

918

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

chend bindet.919 Vielmehr reicht hier ein Auswahlverfahren, das den aufgestellten Grundsätzen entspricht, bzw. die Anwendung der differenzierten Einstufung von „bekannten und bewährten“ Ausstellern gewährleistet.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots Nach der Feststellung der Grundsätze im Gewerberecht und öffentlich-rechtlichem Bereich ist es für die durchzuführende Interessensabwägung erforderlich, festzulegen, wie diese ausgelegt und tatsächlich angewendet werden muss. Hierbei müssen insbesondere die Eigenheiten des Kunstmarktes und dessen Tradition und tatsächliche Durchführung beachtet werden. Es steht in Frage, wieweit der internationale Kunstmarkt, der noch nicht in der Festlegung des räumlich relevanten Kunstmarktes berücksichtigt werden konnte, in die Interessensabwägung Eingang findet. Aber auch die historische Sichtweise kann entscheidende Hinweise darauf geben, wie § 20 II GWB auszulegen und anzuwenden ist, gerade in Bezug auf Zulassungsbeschränkungen, die sich in den vielfältigsten Formen gerade auf Kunstmessen wiederfinden.

a)

Die Bedeutung der Interessensabwägung

Wie schon am Anfang der Untersuchung festgestellt wurde, liegt einer Interessensabwägung stets das Gebot zu Grunde, dass Sinn und Zweck des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beachtet werden muss. Dieses besteht in der Erkenntnis, dass die auf der Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des Gesetzes in die Abwägung Eingang finden muss. Erlaubter Wettbewerb bedeutet dabei, dass das Streben nach Geschäftsausweitung und Gewinn, sei es auch auf Kosten eines anderen, grundsätzlich zu billigen ist, solange dies nicht in rechtlich zu missbilligender Weise auf Kosten eines anderen Unternehmens geschieht.920 Schon die historische Entwicklung der Interessenabwägung hat zwei Grundeinstellungen bewirkt: Das Interesse eines Unternehmens an der freien Gestaltung seiner Geschäftsbeziehungen ist zu respektieren und zu bedenken 921 und zweitens sind nur die Interessen der Beteiligten miteinander abzuwägen.922

919

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337.

920

BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863, S. 870.

921

BGH, Urt. v. 08.05.1979 – KZR 13/78 „Modellbauartikel“ in: GRUR 1979, S. 792, S. 795.

922

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875,

257

258

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Neben dieser Überlegung hat eine Abwägung in erster Linie anhand des Interessengegensatzes beider Parteien auf diesem Markt zu erfolgen.923 Denn die rechtliche Würdigung des Einzelfalls muss stets unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit oder Unbilligkeit unter Berücksichtigung der betroffenen Parteiinteressen ausgehen.924 Dabei kommt es unter anderem auf den Umfang der Marktmacht an. Je stärker die Marktstellung eines Unternehmens ist, desto größere Gefährdungen des Wettbewerbs können von dieser Marktstellung ausgehen und desto mehr Rücksichtnahme auf die Belange anderer Unternehmen muss von dem marktstarken Unternehmen verlangt werden. Dies bedeutet, dass ein Eingriff in die Freiheit der Gestaltung der Geschäftsbeziehungen eines Normadressaten umso weniger gerechtfertigt ist, je geringere Marktmacht dieses besitzt. Damit wiegen die eigenen Interessen des evtl. Diskriminierenden umso schwerer, je schwächer seine Position auf dem Markt ist. Die relative Marktmacht rechtfertigt daher weniger weitgehende Eingriffe in die Vertragsfreiheit wie eine absolute Marktstellung eines Monopolisten. Demgegenüber wird den Interessen des evtl. Diskriminierten oft ein erhöhtes Gewicht dann zukommen, wenn er einem marktstärkeren Unternehmen gegenüber steht.925 Letztendlich kann somit festgehalten werden, dass je stärker die Stellung eines Unternehmens auf dem Markt ist, desto größere Gefährdungen des Wettbewerbs können von dieser Marktstellung ausgehen und desto mehr Rücksichtnahme auf die Belange anderer Unternehmen muss von dem marktstarken Unternehmen verlangt werden. Wie diese Marktstärke gewonnen wurde, sei es durch das Unternehmen selbst oder durch gesetzliche Vorschriften, sollte grundsätzlich jedoch nicht in die Abwägung miteinbezogen werden. Denn eine Marktstärke oder sogar Marktbeherrschung ist ein vom GWB nicht missbilligter Zustand.926 Auf der anderen Seite ist ein Eingriff in den freien Gestaltungsspielraum eher weniger gerechtfertigt, wenn das betreffende Unternehmen eine geringe Marktmacht besitzt.927 Es ist nie dabei zu vergessen, dass der letzten Endes entstehende Kontrahierungszwang einen besonders schweren Eingriff in die

S. 2878; Krahe, H., „Zur Anwendung des Diskriminierungsverbotes auf preisbindende Unternehmen“ in: BB 1961, S. 1303. 923

BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1243.

924

BGH, Urt. v. 16.10.1962 – KZR 2/62 „Original-Ersatzteile“ in: WuW 3/1963, S. 247, S. 252.

925

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 287.

926

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, in: WuW/E BGH S. 407, S. 413.

927

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 287.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

unternehmerische Freiheit darstellt.928 Die Anerkennung dieser Freiheit resultiert auch aus dem Grundsatz, dass jeder Messeveranstalter im Rahmen seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit dahin ungebunden ist, welche Art von Messe er veranstaltet und welchen Charakter er ihr geben will.929 Diese Freiheit wird somit von den als schutzwürdig anzuerkennenden Interessen des Normadressaten geprägt. Ob die Grenzen dieser Freiheit verletzt wurden, kann überdies erst festgestellt werden, wenn die Nachteile einer Handlung erkennbar wurden. Denn die Grenzen der Freiheit werden wiederum von den manifesten Tatbeständen der Diskriminierung oder unbilligen Behinderung gebildet und müssen stets aufs Neue festgelegt werden.930 Dieser Bewertungsmaßstab der Abwägung der Individualinteressen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des GWB ist für die kartellrechtliche Überprüfung des Auswahlverhaltens eines Veranstalters maßgeblich.931 Es bedarf einer Gesamtwürdigung aller Gründe und Umstände.932 Problematisch ist stets der dem GWB immanente Widerspruch, dass einerseits Wettbewerb hergestellt und gewährleistet werden soll, andererseits Marktmacht zugelassen wird, die wiederum Wettbewerb verhindern kann.933 Daher verbietet das Kartellrecht nicht jegliche Beschränkung des wirtschaftlichen Wettbewerbs und gebietet nicht jedem Unternehmen in jedem Fall ein wettbewerbsförderndes Verhalten. Nur bestimmte Handlungen sollen verboten werden, im Übrigen bleibt es bei der unternehmerischen Handlungsfreiheit.934 Weiterhin tritt der Umstand zu Tage, dass die Interessen des evtl. Diskriminierten schon bereits im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung als gewichtig anerkannt wurden.935 Daher ist die Interessensabwägung von dem Umstand scharf zu trennen, ob der Gegenseite des angeblich diskrimi928

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1939.

929

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 „Kunstmesse“ in: GRUR 1989, Heft 5, S. 370, S. 371; Dieser Grundsatz wurde im Rahmen von Urteilen zu Genossenschaften geprägt, wie in BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ mit Anm. v. Schramm in: GRUR 1961, S. 141, S. 145 ausgeführt wird.

930

BGH, Beschl. v. 24.02.1976 – KVR 3/75 (KG) „Bedienungsgroßhändler“ in: GRUR 1976, 711, S. 715.

931

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4139; BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S.90, S. 102; BGH, Urt. v. 26.10.1972 – KZR 54/71 „Registrierkassen“ in: WuW/E BGH 1238, 1243.

932

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125.

933

Raisch, Peter, „Methodische Bedenken gegen Generalklauseln im Kartellrecht am Beispiel der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen“ in: JZ 1965, S. 625, S. 629.

934

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 659.

935

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 288.

259

260

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

nierenden Unternehmens zumutbare Ausweichmöglichkeiten verbleiben.936 Jedoch bleibt immer zu beachten, dass eine tatsächlich gegebene Ausweichmöglichkeit, sei es im Inland oder im Ausland, einen Einfluss auf die zu treffende Interessensabwägung ausübt. An letzter Stelle können noch Wertungsmaßstäbe des UWG mitberücksichtigt werden. Überträgt man diese Grundsätze auf den Markt der Kunstmessen, bedeutet dies, dass die Abwägung stets zu berücksichtigen hat, dass das Kartellrecht einerseits eine vorherrschende Stellung einer Kunstmesse zulässt, andererseits der Wettbewerb unter den Kunstmessen, zwischen Galeristen untereinander und zwischen den Stufen gewährleistet bleiben soll. Wenn eine Abwägung stattfindet, muss die Grundidee des Diskriminierungsverbots 937 aufgenommen werden. Neben dem sicherungspolitischen Interesse muss auch berücksichtigt werden, dass gerade das allgemeine berufspolitische Interesse der Galeristen, ihren Besitzstand in der Beteiligung an Kunstmessen zu erhalten oder zu erweitern, für sich allein nicht genügt, um die Nichtbeteiligung eines einzelnen Galeristen an der von einem marktbeherrschenden Veranstalter durchgeführten Messe als „unbillige Behinderung“ dieses Galeristen erscheinen zu lassen. In der Abwägung kommt es vielmehr entscheidend auf die sich im Einzelfall gegenüberstehenden wirtschaftlichen Individualinteressen des Galeristen und des verklagten Veranstalters an.938 Dabei kann berücksichtigt werden, welche Marktstärke die jeweilige Kunstmesse auf dem Kunstmarkt innehat und dass die Handlungen eines Veranstalters die ganze Branche betreffen. Zudem können die Interessen eines Verbandes, dem eine Kunstmesse angehört, und dessen Mitglieder, mit in eine Entscheidung einbezogen werden.939 Nicht verkannt werden darf, dass es dem Gesetz entspricht, dass ein Veranstalter eigentlich in seiner Entscheidung frei ist, welche Galerie er aufnehmen möchte, und welche ausgeschlossen werden soll.940 Prinzipiell steht es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen und kulturellen Freiheit zu, darüber zu entscheiden, mit wem er Geschäftsbeziehungen aufnehmen möchte, um seiner Kunstmesse ein 936

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 670.

937

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4139.

938

BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863, S. 871.

939

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 913.

940

Dies soll gerade für den Fall gelten, wenn ein marktstarkes Unternehmen von einem anderen Unternehmen bessere Konditionen bekommt wie von einem Dritten, vgl. Bechtold, Rainer (Stuttgart), „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1939.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

eigenes Profil zu verschaffen, welches sich von den anderen existenten Kunstmessen unterscheidet. Gloy 941 geht in seiner Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 18. September 1978 noch in richtiger Weise davon aus, dass der Prüfung dann nur die Frage unterliegt, ob der Hersteller sich in dem von ihm selbst gegebenen Vertriebssystem hält und dabei niemanden diskriminiert. Er nimmt jedoch dann irrigerweise an, dass diese Frage, ob er dabei ein Unternehmen zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, im Rahmen der Prüfung der Gleichartigkeit zu entscheiden wäre. Dies ist aber im Rahmen des Diskriminierungsverbots nicht vorgesehen. Vielmehr bezweckt der Begriff der Gleichartigkeit eine nur relativ grobe Sichtung. Ob ein Unternehmen zu Unrecht ausgeschlossen, d.h. diskriminiert oder in ungerechtfertiger Weise ungleich behandelt wurde, ist eine Frage der notwendigen Interessensabwägung.942 In der Abwägung der Individualinteressen beider Seiten kann für einen Galeristen der Umstand in Frage kommen, dass sein Ruf durch die Nichtzulassung geschädigt wird. Dies ist umso stärker, wenn nach mehrmaliger Teilnahme eine Nichtzulassung folgt. Auch stehen wichtige wirtschaftliche Gründe hinter einer Präsenz auf einer Kunstmesse. Andererseits ist das Interesse des Veranstalters einer Kunstmesse zu berücksichtigen, dass seine Aussteller stets höchsten Ansprüchen genügen, in dem sie qualitativ hochwertige Ware, in evtl. entsprechend gestalteten Boxen, den Besuchern bieten. Nur dann kann er die erforderliche Anzahl von Personen dazu bewegen, den geforderten Eintrittspreis zu bezahlen. Und er muss darauf achten, dass er stets die Qualität hält, um sich mit der Kunstmesse einen entsprechenden Ruf zu verschaffen. Im Hintergrund hat er stets zu beachten, dass eine schlechte Kunstmesse, sei es aufgrund der mangelnden Besucheranzahl oder der „schlechten“ Kunst, seine Bestrebungen gänzlich vernichten kann. Um jedoch diesen Ansprüchen gerecht zu werden, muss er notwendigerweise, aufgrund der begrenzten Kapazität der Ausstellungsfläche, eine Auswahl nach verschiedenen Kriterien treffen. Hierbei hat er zu beachten, dass diese Kriterien aufgrund der vorherrschenden Privatautonomie grundsätzlich subjektiviert sein können. Erst die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts zwingt ihn dazu, die Kriterien zu benutzen, die nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern sogar objektiv nachprüfbar sind. Auf eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise und damit im Ergebnis auf wirtschaftspolitische Überlegungen kommt es jedoch nicht an.943 941

BGH, Urt. v. 18.09.1978 – KZR 17/77 „Fassbierpflegekette“ m. Anm. von Gloy in: GRUR 1979, S. 69 ff.

942

BGH, Urt. v. 18.09.1978 – KZR 17/77 „Fassbierpflegekette“ m. Anm. von Gloy in: GRUR 1979, S. 69, S. 72.

943

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 128.

261

262

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

b)

Die Berücksichtigung von ATB

Im Rahmen einer Interessensabwägung darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es einem Veranstalter einer Kunstmesse aufgrund der generellen Anerkennung seiner Vertragsfreiheit nicht verwehrt ist, in seinen Allgemeine Teilnahmebedingungen die Zulassungsbedingungen nach seinen Bedürfnissen und den gesetzlichen Anforderungen zu gestalten. So kann z.B. eine Kunstmesse wie die Art Cologne in ihren Teilnahmebedingungen den Nachweis einer ständigen Galerietätigkeit im Hauptberuf seit mindestens drei Jahren in eigenen Räumen mit Öffnungszeiten von mind. 24 Stunden grundsätzlich verlangen.944 Eine solche Regelung hat solange Bestand, bis seine tatsächliche Wirksamkeit und Gültigkeit aufgrund gesetzlicher Vorschriften überprüft wurde. Dabei kommt neben den gesetzlich normierten Unwirksamkeitstatbeständen, wie die der §§ 305–310 BGB, auch eine Prüfung aufgrund des Kartellrechts in Frage. Die Prüfung von ATB ist dabei an der im Zusammenhang mit § 20 II GWB entwickelten Formel durchzuführen, dass die Ablehnung der Aufnahme, auch wenn dies vom Text der Satzung gedeckt wird, nicht zu einer sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf. In diesem Zusammenhang spielen wiederum die berechtigten Interessen des Bewerbers und des Veranstalters eine Rolle.945 Der Zweck des Behinderungsverbotes richtet sich direkt gegen vertragliche Bestimmungen. § 20 II GWB ist also insoweit ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.946 Dabei kann eine Behinderung schon dann angenommen werden, wenn wesentliche Bestimmungen des Vertrages nicht hingenommen werden müssen, weil deren Übernahme als unzumutbar anzusehen ist.947 Daraus folgt der Umstand, dass ein abhängiger Nachfrager nicht gezwungen werden darf, sachlich nicht gerechtfertigte und unbillige Verpflichtungen auf sich zu nehmen. Ein sich bewerbender Galerist darf nicht gezwungen sein, einem Auswahl- oder Rotationsverfahren zuzustimmen, um zumindest in dem nächsten Jahr berücksichtigt zu werden, wenn schon das Verfahren an sich nicht dem

944

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

945

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282, S. 286.

946

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 699; Eine Entscheidung des Reichsgerichts zur Überprüfung von Vertragsbedingungen findet sich in: Reichsgericht – Zivilsenat, Urt. v. 08.11.1926 – I 154/26 in: RGZ 115, S. 218 ff.

947

BGH, Urt. v. 23.03.1982 – KZR 28/80 „Meierei-Zentrale“ in: WuW/E BGH, S. 1911, S. 1913.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

Gebot des GWB entspräche, nur um ungleiche Wettbewerbschancen gegenüber gleichartigen Bewerbern zu vermeiden.948 Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine Aufnahmebeschränkung sogar dann unwirksam sein kann, wenn deren Zweck zwar an sich sachlich berechtigt ist, der verfolgte Zweck aber durch eine andere, „mildere“ Satzungsgestaltung erreicht werden könnte, die die Aufnahme ermöglichen würde. Dies gilt nur, wenn ein Bewerber ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die zuerst aufgestellten Bedingungen zu erfüllen. Auch können bei der Interessensabwägung hinsichtlich der ATB unter Umständen außerhalb der ATB liegende Sachzusammenhänge berücksichtigt werden, wenn deren Kenntnis allgemein bei allen Beteiligten vorausgesetzt werden kann.949 Ergibt eine Prüfung, das nun einzelne Teile von ATB gegen das Kartellrecht verstoßen, so erfasst diese sich ergebende Nichtigkeit nur dann den gesamten Vertrag, wenn sich die unter das kartellrechtliche Verbot fallenden Teile nicht von seinem anderen Inhalt trennen lassen. Hat der restliche Vertrag jedoch einen selbständigen geltungsfähigen Inhalt, so beurteilt sich die Auswirkung der Teilnichtigkeit nach § 139 BGB. Diese Bestimmung ist aber – durch eine „salvatorische Klausel“ – abdingbar; diese Abdingbarkeit besteht auch bei kartellrechtlicher Nichtigkeit.950 Neben diesen Bedingungen bei der Aufstellung von ATB ist im Rahmen der Interessensabwägung zu beachten, wenn das Kartellrecht anwendbar und die Vertragsfreiheit eines marktstarken Unternehmens eingeschränkt ist, dass der Umstand, dass ein Unternehmen die aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt, nur ein Teilaspekt darstellt, der bei der Prüfung der Frage, ob eine Zulassungsbeschränkung berechtigt ist, beachtet werden muss.951

c)

Die Berücksichtigung des internationalen Marktes für Kunstmessen und dessen Verflechtung mit Deutschland in der zu treffenden Interessensabwägung

Obwohl die räumliche Abgrenzung des tatsächlich relevanten Marktes an den Grenzen Deutschlands endet, ist es trotzdem möglich, im Rahmen der nötigen und zu treffenden Interessensabwägung aufgrund der Voraussetzungen des Dis948

BGH, Beschl. v. 24.02.1976 – KVR 3/75 (KG) „Bedienungsgroßhändler“ in: GRUR 1976, S. 711, S. 714; BGH, Urt. v. 08.05.1979 – KZR 13/78 „Modellbauartikel“ in: GRUR 1979, S. 792, S. 795.

949

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282.

950

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1940.

951

BGH, Beschl. v. 28.06.1977 – KVR 2/77 „Autoruf-Genossenschaft in: WuW/E BGH, S. 1495, S. 1496.

263

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

kriminierungsverbots ausländische Kunst- und Antiquitätenmessen zu berücksichtigen, insbesondere erfolgt der Kunsthandel oft über die Grenzen hinweg.952 Dies betrifft z.B. Werke der Impressionisten und der Moderne.953 Eine Internationalisierung ist auch in Deutschland feststellbar. So hat sich die Art Cologne hat sich zu einer international angesehenen Einrichtung entwickelt 954 und das OLG Düsseldorf verglich sie mit Kunstmessen in Köln, Basel, Paris und Chicago.955 Inwieweit es Ausstellern, Galerien und Künstlern zugemutet werden kann, auf ausländische Messen auszuweichen, und somit diese innerhalb der Abwägung Berücksichtigung finden können, bedarf nochmals einer näheren Erörterung.956

aa)

Europäischer Kontinent

Es kommt in Rahmen einer Beurteilung, welche Länder noch im Rahmen einer Interessensabwägung zu berücksichtigen sind, weniger auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen an, wie sie noch innerhalb des relevanten Marktes eine wichtige Rolle spielten, vielmehr sind jetzt fast nur noch die tatsächlichen wirtschaftlichen Einflüsse von Bedeutung. Dieser wirtschaftliche Einfluss führt dazu, dass gerade in Europa die Ausstrahlungskraft von Kunstmessen nicht an den nationalen Grenzen endet. So beziehen nicht nur deutsche Kunstmessen ausländisches Publikum mit ein, sondern die anderen europäischen Messen, wie Basel und Paris beziehen das interessierte Publikum der Bundesrepublik Deutschland mit ein. Für das in Betracht zu ziehende Abnehmerpublikum des Inlands müssen und können die europäischen Messen als gleich „nah“ bezeichnet werden und es ist zu berücksichtigen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Ausstellern der Art Cologne auch in Basel und Paris ausstellt.957 Auch wenn es immer mehr zweifelhaft ist, ob die Marktbedingungen in Europa im Grundsatz überhaupt so sehr divergieren 958, existieren doch z.T. Unter952

Pressemitteilung „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

953

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 167.

954

Beyer, Philipp, Ausstellungsrecht und Ausstellungsvergütung, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2000, S. 36.

955

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737; OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

956

Vgl. Übersicht über die internationalen Kunstmessen unter Kapitel 1, I, d) Bedeutende Standorte für Kunstmessen in anderen Ländern in Europa, S. 17 ff.

957

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

958

Dreher, Meinrad, „Das deutsche Kartellrecht vor der Europäisierung – Überlegungen zur 6. GWB-Novelle“ in: WuW 11/1995, S. 881, S. 884.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

schiede. Denn die europäische Integration stellt Galeristen, die grenzüberschreitend tätig werden, vor rechtliche Rahmenbedingungen, die von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat stark unterschiedlich ausgeprägt sind.959 Es bedarf nach wie vor der Kenntnis der nationalen Kartellrechtsordnungen, nationalen Gesetze und Eigenheiten.960 Obgleich dieser Unterschiede hat sich aber die Möglichkeit, an ausländischen Kunstmessen teilzunehmen, in den letzten Jahren durch die Entwicklung in Europa stark vereinfacht. Neben steuerlichen Fragen ist es grundsätzlich jedem deutschen Galeristen möglich, an ausländischen Messen, wie an der Art Basel, der TEFAF oder der FIAC Paris, teilzunehmen. Auch wurde der in dem vorliegenden Zusammenhang bedeutende Zuschauerverkehr über die Grenzen hinweg vereinfacht. Es ist hierbei für die Besucher und Einkäufer der Anreiseverkehr und der Erwerb von Kunstgegenständen vereinfacht worden. Einzig allein die Ausfuhr von bedeutenden und geschützten Kulturgütern eines Landes ist noch von starker Bedeutung. Die dementsprechende Richtlinie 961 erfasst Kulturgüter, die rechtswidrig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates verbracht wurden und regelt in erster Linie den Verkehr unter den Mitgliedsstaaten. Sie ist aber auch anwendbar, wenn ein Kulturgut aus einem Mitgliedsstaat in einen Drittstaat ausgeführt und von dort wieder in einen anderen Mitgliedsstaat zurückgeführt wird.962 Damit kann der Verkauf einer Galerie innerhalb Europas nur durch Ausfuhrbeschränkungen des jeweiligen Landes behindert werden. Diese Regelung sollte daher auch immer bei einem Verkauf auf einer Kunstmesse beachtet werden.

aaa)

Die Berücksichtigung von europäischen Kunstmessen mit Beispielen

In Frage steht noch, welche der derzeit aktuellen Kunstmessen in Europa mit den deutschen großen Messen verglichen werden können. Als Referenzmessen in Deutschland sind folgende Kunst- und Antiquitätenmessen zu berücksichtigen: Art Cologne, Art Frankfurt, Art Karlsruhe, Weltantik, „art forum“ Berlin, Kunstmesse Köln, KunstKöln und Kunstmesse München. Weiterhin wird die folgende Bewertung aufgrund rein subjektiver Kriterien durchgeführt. Eine rein objektive Bewertung erscheint kaum möglich. Wie schon 959

Ebenroth, Carsten-Thomas und Strittmatter, Marc, „Französisches Wettbewerbs- und Kartellrecht im Markt der Europäischen Union“, 1995, Heidelberg, S. 5.

960

Ebenroth, Carsten-Thomas und Strittmatter, Marc, a.a.O. S. 5.

961

Verordnung (EWG) Nr. 3911/92 des Europarates vom 9. Dezember 1992 über die Ausfuhr von Kulturgütern; Amtsblatt L 395 vom 31.12.1992, Berichtigung: Amtsblatt L 267 vom 19.10.1996, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14. April 2003; Amtsblatt L 122 vom 16.05.2003.

962

Raschèr, Andrea Francesco Giovanni, Kulturgütertransfer und Globalisierung, 2000, BadenBaden, S. 43.

265

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes festgestellt wurde, gibt es keine Marktanalysen, die einen Schluss auf die Besucher- oder Ausstellerbewegungen zuließen. Und auch die Aussagen der Messeveranstalter ergeben kein klares Bild. Während die Veranstalter des „art forum“ Berlin sich mit der Art Cologne, der Art Basel und der Art Miami vergleichen 963, stellen für die Art Frankfurt die Messen in Köln, Brüssel, Berlin, ARCO in Madrid, Fiac in Paris und die Art Chicago Referenzmessen dar.964 Die Kunstmesse München hingegen vergleicht sich nur mit den Messen TEFAF, Cultura in Basel und Pan-Amsterdam.965

(1)

Frankreich – „FIAC“ / „St’Art“

In Frankreich finden derzeit zwei renommierte Kunstmessen für moderne und zeitgenössische Kunst statt. Dies sind die jährlich in Paris abgehaltene FIAC und die Strasbourger Art. Beide Kunstmessen positionieren sich auf dem Markt der zeitgenössischen und modernen Kunst. Das Preisbild der Strasbourger Kunstmesse St’Art liegt im Mittel bei ca. 10.000.– €, das der FIAC im höheren Bereich, wobei beide aber jeweils das unterste Segment mit Kunstwerken um 100.– € bis 500.– € und das oberste Segment um die 700.000.– € bis 1 Mill. € abdecken. Insofern können sie die Ansprüche der Galerien befriedigen, die in Deutschland auf Messen wie der Art Cologne, dem „art forum“ Berlin oder sogar auf der Kunstmesse München das Segment der Moderne bestücken. Überdies existiert in Frankreich ein dem deutschen Kartellrecht nicht unähnliches Verbot der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.966 Insgesamt kann Frankreich mit Deutschland verglichen werden. Und aufgrund der Nähe zu den deutschen Kunstmessen kann es Galerien zugemutet werden, auf die französischen Messen auszuweichen.

(2)

Großbritannien – „London Fine Art Fair“ & “Frieze Art”

In Großbritannien, speziell in London, findet mit der in 2003 neu gegründeten Frieze Art Fair eine Konkurrenzmesse der zeitgenössischen und modernen Kunst statt. Obwohl insbesondere London mit den beiden größten Auktionshäusern weltweit den Kunstmarkt prägt, fanden Kunstmessen im Bereich der Modernen und in der Zeitgenössischen Kunst kaum statt. Hingegen existieren einige Messen im Bereich der Antike und Antiquitäten, die überregionale Bedeutung besitzen. Im Rahmen der Frieze Art Fair fanden waren überdies Wander-

963

Schriftwechsel mit art forum Berlin, 2003.

964

Schriftwechsel mit Art Frankfurt, 2003.

965

Schriftwechsel mit Kunstmesse München, 2003.

966

Ebenroth, Carsten-Thomas und Strittmatter, Marc, „Französisches Wettbewerbs- und Kartellrecht im Markt der Europäischen Union“, 1995, Heidelberg, S. 56.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

bewegungen der ausstellenden Galerien von Berlin nach London zu registrieren.967 Dies zeigt auf, dass aktuelle und zukünftige Kunstmessen im Rahmen der Interessensabwägung Berücksichtigung finden können, soweit diese vergleichbar mit der zu untersuchenden Kunstmesse sind.

(3)

Niederlande – „TEFAF“

Wie am Anfang dargestellt 968, wird die TEFAF in Maastricht zu Recht als eine der wichtigsten Kunstmessen bezeichnet. Sie stellt auch ein Marktbarometer für den Markt der Moderne dar.969 Jedoch sind die Gebühren für einen Standplatz sehr hoch und die Möglichkeit einen Stand zu bekommen, sehr gering. Trotzdem kann es Galeristen zumindest teilweise zugemutet werden, diese hochwertige Veranstaltung als Ausweichmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Folglich kann die Kunstmesse TEFAF in der zu treffenden Abwägung berücksichtigt werden.

(4)

Österreich – „Art Innsbruck“ + „Art Vienna“

Österreich als weiteres Nachbarland Deutschlands bietet unter anderem die Kunstmessen Art Vienna, 60 Aussteller aus 10 Ländern in 2001, 9000 Besucher 2002 970, und Art Innsbruck, 70 Aussteller aus zehn Ländern in 2002, 62 Aussteller 2001.971 Die rechtlichen Voraussetzungen sind zwar denen in Deutschland nicht unähnlich, aber die Kunstmessen besitzen noch nicht das nötige internationale Renommee. Dabei ist jedoch zu beachten, dass für deutsche Kunstmessen, die noch nicht einen Ruf wie die Art Cologne innehaben, solche Messen als Ausweichmessen zumindest nicht unbeachtet bleiben müssen. Hierbei wäre insbesondere an junge Kunstmessen, wie die Art Karlsruhe oder kleinere Messen wie das „art forum“ Berlin zu denken. Galerien, die an diesen Kunstmessen teilnehmen, könnten auch auf den Veranstaltungen in Österreich teilnehmen. Es muss aber berücksichtigt werden, dass dies einen großen Aufwand für die zum Teil kleinen Galerien bedeuten würde. Daher können in der aktuellen Lage diese Veranstaltungen in Österreich nur bedingt in einer Abwägung Berücksichtigung finden.

bbb) Die Berücksichtigung von Non-EU-Staaten Neben den Staaten der europäischen Union gibt es innerhalb Europas noch Staaten, die zwar nicht an der europäischen Union teilnehmen, aber aufgrund 967

Vgl. unter Kapitel 1, I, d), cc) London, S. 20.

968

Vgl. unter Kapitel 1, I, d), bb) Maastricht (Niederlande), S. 19.

969

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

970

Art-vienna, Presseinformation: Internationale Kunstmesse art-vienna: Highlights, Termine, Fakten, abrufbar unter www.art-vienna.at (Stand 20.02.2002).

971

Art-Innsbruck, arthaus Kunsthandel Gesellschaft m.b.H., Innsbruck, Medieninformation 03.02.2002: Jung, Dynamisch und Gewachsen, abrufbar unter: www.art-innsbruck.at.

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268

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

der Nähe zu Deutschland leicht erreichbar wären. Beispielhaft sei hierbei die Schweiz aufgeführt.

(1)

Schweiz – Art Basel

In der Schweiz fanden mehrere international bedeutende Kunstmessen statt, die Art Basel und die Cultura. Die Cultura findet jedoch nicht mehr statt. Im Bereich der Antike existiert nun die BAAF 972. Die Art Basel stellt dabei die wohl wichtigste Kunstmesse auf dem Markt der modernen und zeitgenössischen Kunst dar und den wichtigsten Umschlagplatz für Kunst im deutschsprachigen Raum.973 Im Gegensatz zu der TEFAF finden sich auf der Art Basel mehr Aussteller aus dem Bereich der modernen und zeitgenössischen Kunst. Speziell die Art Basel kann eine geeignete Ausweichmöglichkeit für Galerien mit Schwerpunkt Moderne oder Zeitgenössische Kunst bilden. Sie kann aufgrund des sogar mittlerweile höheren Renommees und der geringen Entfernung zu Deutschland eine Alternative darstellen. Gerade Ausstellern der Art Cologne kann es zugemutet werden, auf die Art Basel auszuweichen. Somit könne Schweizer Kunstmessen mit in einer Abwägung berücksichtigt werden.

bb)

Der „ westliche“ Kunstmarkt – insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika und Russland

Wie eine Studie der TEFAF verdeutlicht hat, öffnet sich die Preisschere zwischen dem europäischen und dem amerikanischen Kunstmarkt. Kunst zu Spitzenpreisen wird zunehmend in den Auktionshäusern von New York statt in Europa gehandelt.974 Daher ist ein Blick auf den westlichen Kunstmarkt unter Berücksichtigung der USA und Russland von Nöten, um entscheiden zu können, ob diese Märkte mit berücksichtigt werden müssen.

aaa)

USA – Chicago – New York – Miami

Wie schon obig festgestellt wurde, verlagert sich der Markt für moderne und zeitgenössische Kunst immer stärker nach Amerika. So vertrat das OLG Düsseldorf schon in seinem Urteil aus dem Jahre 1987 die Ansicht, dass die „Art Cologne“ mit den Kunstmärkten in Basel, in Paris sowie in Chicago vergleichbar sei.975 Jedoch stellt die „Reise“ einer Galerie nach Amerika immer noch einen erheb-

972

Basel Ancient Art Fair.

973

Ortmann, Peter, „Hoffen auf reiche Bescherung“ in: TAZ NRW-Ausgabe Köln Nr. 26 vom 02.11.2000, S. 5.

974

Pressemitteilung „Aus der Sicht des Handels – Neue Kunstmarkt-Studie“ in: Antiquitäten Zeitung v. 05.04.2002, S. 281.

975

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

lichen technischen und wirtschaftlichen Aufwand dar, wobei nicht nur Transport- und Logistikprobleme bewältigt, sondern weitere Dinge, wie hohe Transportversicherungen miteinbezogen werden müssen. Ein solcher Aufwand kann jedoch einer Galerie nicht zugemutet werden. Hierbei findet auch der Umstand Berücksichtigung, dass tatsächlich viele europäische Galerien Kunstmessen in Amerika bestücken. Eine Besonderheit stellt insoweit die „Art Basel Miami Beach“, durchgeführt von der Art Basel, dar. Auch wenn viele Galerien diese Messen nutzen, steht in Frage, ob im Rahmen einer Abwägung diese Kunstmessen Berücksichtigung finden können. Viele Galerien meiden andererseits die hohen Risiken durch Kosten wie Transport und Versicherung. Diese Kosten müssen berücksichtigt werden. Daher kann einer Galerie nicht zugemutet werden, eine Kunstmesse in Amerika als Ausweichmöglichkeit in Betracht zu ziehen. Kunstmessen in Amerika, wie die Art Chicago, können aufgrund der Entfernung entgegen der Ansicht des OLG Düsseldorf nicht mit in eine Abwägung miteinbezogen werden.

cc)

Die übrigen Staaten

Nach der Erweiterung der Europäischen Union durch den Beitritt von 10 Staaten am 01.05.2004 könnte zwar dieser neue Markt auch eine Ausweichmöglichkeit darstellen, aufgrund der noch ungeklärten tatsächlichen Annahme des neuen Marktes bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Neben dem östlichen Bereich werden überall auf der Welt Kunst- und Antiquitätenmessen veranstaltet. Diese Kunstmessen können aber bei einer Abwägung im Rahmen der Zulassung zu einer deutschen Kunstmesse keine Berücksichtigung finden. Zu weit sind die Entfernungen und zu hoch der Aufwand, den eine Galerie erbringen müsste, um eine Teilnahme zu ermöglichen. Dies kann aber einem Bewerber nicht zugemutet werden.

(dd) Die Möglichkeiten des gutgläubigen Erwerbs in Europa Neben diesen Aspekten könnten bei sich bewerbenden Ausstellern auch rechtliche Fragen wie der gutgläubige Erwerb von Kunstwerken im Rahmen der Überlegungen, auf welche Kunstmessen ausgewichen werden könnte, eine Rolle spielen. Wie dargelegt wurde, differenzieren in den verschiedenen Ländern Europas die rechtlichen Regelungen bzgl. des gutgläubigen Erwerbes gestohlener Kunstwerke.976 Schon hier ist erkennbar, dass diese Regelungen, angefangen von der Unmöglichkeit des Erwerbs über das Lösungsrecht 977 bis hin zu dem gutgläubigen Erwerb im Rahmen der verschiedenen rechtlichen Situationen es nicht erlauben, eine gemeinsame europäische Lösung einer Betrachtung zu Grunde zu

976

Vgl. unter Kapitel 2, b), cc), aaa).

977

BGH, Urt. v. 08.04.1987 – VIII ZR 211/86 „Münzfall“ in: BGHZ 100, S. 321.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

legen. Vielmehr kann aufgrund dieser Uneinheitlichkeit eine gemeinsame Bewertung nicht vorgenommen werden. Diese Unterschiede stellen auch ein Indiz für die noch existente Uneinheitlichkeit der rechtlichen Regelungen in Bezug auf Kunst in Europa dar. Beispielhaft soll in diesem Zusammenhang die Schweiz aufgeführt werden. Sie stellt mit ihrer Kunstmesse „Art Basel“ eine Ausnahme dar und gilt als wichtigste Kunstmesse im deutschsprachigen Raum.978 Das Land gehört nicht der Europäischen Union an, liegt aber inmitten von Europa und gilt immer noch als einer der Hauptumschlagplätze hochwertiger Kunst. Basel liegt im Einzugsbereich von Köln, Paris, Frankfurt und sogar von Berlin. Trotz dieser Gemeinsamkeiten bestehen deutliche Unterschiede. Dies betrifft nicht nur die unterschiedlichen Steuersätze, sondern insbesondere die Regelungen in Bezug auf den Handel, wie den gutgläubigen Erwerb gestohlener Kunstwerke und deren Herausgabe. In der Schweiz gilt das sogenannte „Lösungsrecht“ 979, im Gegensatz zu Deutschland, wo ein gutgläubiger Erwerb gestohlener Güter ausgeschlossen ist. Bevor jedoch diese Probleme nicht endgültig gelöst werden, stellt es für einen Galeristen immer noch einen Unterschied dar, ob er in Deutschland oder in Basel seine Gemälde veräußert.

d)

Die weiteren Grundsätze der Interessensabwägung

Neben der Berücksichtigung von Kunstmessen im Ausland sind im Rahmen der Interessensabwägung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB weitere Grundsätze zu berücksichtigen. So hat der BGH für einen Ausschluss aus einem Verein entschieden, dass dieser umso eher unbillig sein wird, je wichtiger für den Betroffenen die Mitgliedschaft ist. In diesem Fall wären dem Beurteilungs- und Ermessensspielraum enge Grenzen gesetzt.980 Diese Grundsätze können innerhalb des § 20 II GWB zur Anwendung kommen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass ein geschäftlicher Erfolg einer Galerie auch bei Nichtzulassung nicht das Interesse an der Wahrnehmung der gerade durch die Ausstellung auf der Messe gebotenen umfassenden Möglichkeiten in Frage stellt. Das Vorhandensein von wirtschaftlichen Alternativen steht weder der Annahme einer unbilligen Behinderung noch der einer ungerechtfertigt unterschiedlichen Behandlung dar.981 978

Ortmann, Peter, „Hoffen auf reiche Bescherung“ in: TAZ NRW-Ausgabe Köln Nr. 26 vom 02.11.2000, S. 5.

979

BGH, Urt. v. 08.04.1987 – VIII ZR 211/86 „Münzfall“ in: BGHZ 100, S. 321.

980

BGH, Urteil v. 09.06.1997 – II ZR 303/95 „Hamburger Kunstmesse I“ in: NJW 1997, S. 3368, S. 3370.

981

BGH, Beschluss v. 3.3.1969 – KVR 6/68 – „Sportartikelmesse II“ in: NJW 1969, Heft 39, S. 1716, S. 1718.

III. Die Interessensabwägung im Rahmen des Diskriminierungsverbots

Stets zu beachten ist, dass das Diskriminierungsverbot bezweckte, relativ marktstarke, aber nicht marktbeherrschende Unternehmen zu verpflichten, kleinere und mittlere Unternehmen zu beliefern. Dabei standen besonders die Verhältnisse im Sortimenthandel im Mittelpunkt.982 Überdies gilt, dass das Diskriminierungsverbot nicht nur für den Markt existiert, auf dem die marktbeherrschende Stellung existiert, sondern für den Markt, auf dem sie sich darüber hinaus auswirkt.983 Letztlich können sogar die durch das UWG aufgestellten Grundsätze Eingang in die Interessensabwägung finden.

e)

Anpassung des Schutzsuchenden an die Zulassungsvoraussetzungen

Ein letzter Aspekt der zu beachtenden Umstände im Rahmen der Interessensabwägung stellt die Anpassung des Schutzsuchenden an die Zulassungsvoraussetzungen dar. So wurde schon früh im Rahmen der Beurteilung von Vereinen der Grundsatz aufgestellt, dass einem Verein mit Monopolstellung unmöglich der Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens dann gemacht werden könne, wenn dieser an seiner Satzung festhält und der Bewerber sich der Satzung anpassen könnte, ohne unverhältnismäßig Opfer auf sich nehmen zu müssen. Ebenso gilt dieser Grundsatz für die unterschiedliche Behandlung, die in diesem Fall keinen Grund hätte, der nicht sachlich gerechtfertigt wäre.984 Dementsprechend kann das eigene Verhalten des möglicherweise abhängigen Unternehmens bei der Prüfung der Frage, was ihm zugemutet werden darf, nicht außer Betracht bleiben. Denn wenn sich ein Unternehmen, gerade ein Galerist, in zurechenbarer Weise in eine Lage begibt, in der sein Betrieb einseitig auf Geschäftsbeziehungen zu einem bestimmten anderen Unternehmen ausgerichtet ist, müssen ihm im Zusammenhang mit einer möglichen Umstellung auf andere Geschäftspartner größere Opfer und Risiken zugemutet werden als einem Betriebsinhaber, der ohne eigenes Zutun in eine solche Lage geraten ist. Wer z.B. freiwillig das mit der Spezialisierung auf die Bedürfnisse eines bestimmten Geschäftspartners verbundene Risiko in Kauf genommen hat, um so die Vorteile dieser Spezialisierung für sich nutzbar zu machen, dem müssen auch erhöhte Belastungen und Unsicherheiten zugemutet werden, wenn es um ein Ausweichen auf andere Geschäfts-

982

BGH, Beschluss v. 19.01.1993 – KVR 25/91 – „Herstellerleasing“ in: WuW/E BGH, S. 2875, S. 2878.

983

BGH, Urt. v. 23.03.1982 – KZR 28/80 „Meierei-Zentrale“ in: WuW/E BGH, S. 1911, S. 1914.

984

BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947, S. 950.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

partner geht. Gerade dieser Aspekt, der schon in der Bewertung weiterer Tatbestandsmerkmale des Diskriminierungsverbotes zum Tragen kam, ist im Rahmen der Abwägung zu beachten. Dabei kann festgehalten werden, dass eine Spezialisierung wiederum gegenteilig zu bewerten wäre, wenn das marktstarke oder marktbeherrschende Unternehmen einen möglicherweise Diskriminierten zur Spezialisierung veranlasst hätte.985 In dieser Abwägung ist stets zu beachten, dass das GWB einen schonendsten Ausgleich erreichen möchte. Insofern könnte, auch wenn eine Anpassung an die Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich möglich wäre, dann eine unbillige Behinderung angenommen werden, wenn die Zulassung durch eine „mildere“ Bestimmung erreicht werden könnte. Dies ergibt sich gerade aus dem Umstand, dass eine solche „unbillige Benachteiligung“ des Bewerbers vermieden werden muss.986

IV. Zulassung contra Ausschluss von Bewerbern im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 GWB Das Wichtigste stellt die Entscheidung zwischen Ausschluss und Zulassung einer bewerbenden Galerie durch den Veranstalter dar. Oft stellen Veranstalter Voraussetzungen an Bewerber, deren Erfüllung erst überhaupt eine Bewerbung möglich macht. Voraussetzung für die Teilnahme an der Art Cologne wäre u.a. der Nachweis einer ständigen Galerietätigkeit im Hauptberuf seit mindestens drei Jahren in eigenen Ausstellungsräumen und mit regelmäßigen Öffnungszeiten.987 Dabei bedeutet die Erfüllung der Voraussetzungen noch keinen Anspruch auf Aufnahme, sondern nur die grundsätzliche Eignung für das weitere Auswahlverfahren.988 Innerhalb des Verfahrens und der dabei zu treffenden Entscheidung zwischen den verschiedenen, gleichermaßen geeigneten Bewerbern hat der Veranstalter im Rahmen der Interessensabwägung einen Ermessensspielraum, in dem er seine sachlich gerechtfertigte Entscheidung treffen muss.989 Die Wett-

985

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 279.

986

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 111.

987

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

988

Vgl. unter Kapitel 1, b), bb), bbb).

989

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

bewerbskomponente hat namentlich auch zur Folge, dass an die sachliche Rechtfertigung um so höhere Anforderungen gestellt werden, je größer die Marktmacht des differenzierenden Unternehmens oder Kartells ist.990 Es stellt sich hierbei die Frage, welche Prinzipien im Rahmen der Interessensabwägung zu beachten sind, und welchen Ermessensspielraum bzw. Gestaltungsfreiraum ein Veranstalter besitzt. Wenn die Anerkennung eines solchen Gestaltungsfreiraums richtig ist, so stellt sich die für die Praxis wichtige Frage, nach welchen Kriterien der Veranstalter eines Kunstmarktes eine Auslese treffen darf, wenn die Zahl der Bewerber die Ausstellerhöchstzahl übersteigt. Zu unterstreichen ist, dass einem Veranstalter in dieser Situation eine „Steuerungsmöglichkeit“ zuerkannt wird.991

a)

Der Ermessensspielraum des Veranstalters

Im Rahmen der Überprüfung der sachlichen Rechtfertigung einer Ermessensentscheidung, die durch den Veranstalter einer Kunstmesse getroffen wurde, müssen unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. Diese zum Teil sehr unterschiedlichen Aspekte, gründen sich auf verschiedene Grundsätze der Ermessensabwägung, die auch durch den Veranstalter zu beachten sind. Es ist zu beachten, dass ein Unternehmer aufgrund seiner Parteiautonomie grundsätzlich frei in seiner Entscheidung ist, mit wem er Geschäfte abschließen möchte, und mit wem nicht. Er hat die freie Wahl seines Geschäftspartners. Dementsprechend kann er sein Auswahlverfahren nach eigenem Ermessen gestalten.992 Diese Freiheit des Ermessens existierte schon früh in der Entwicklung des Kartellrechts.993 Dieser weite Ermessensspielraum 994 räumt einem Veranstalter die grundsätzliche Befugnis ein, selbst festzulegen, auf welche Weise und mit welchen Ausstellern er seine Ziele verfolgen will.995 Dieser Grundsatz hat auch zu gelten, wenn „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002). 990

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 667.

991

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

992

BGH, Urt. v. 27.09.1962 – KZR 6/61 in: BGHZ 38, S. 90, S. 102; Laufkötter, Regina, Parteiautonomie im internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht, Berlin, 2001, S. 15.

993

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 287.

994

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32 nimmt diesen weiten Ermessensspielraum sogar bei behördlichen Entscheidungen an, die eine öffentliche Messe durchführen möchten.

995

BGH, Urt. v. 4.11.1968 – KZR 3/67 „Universitätssportclub“ in: WuW/E BGH, S. 947, S. 949.

273

274

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

ein Veranstalter eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung innehat, er kann seine Vertriebs- und Bezugswege nach eigener kaufmännischer Entscheidung bestimmen. In diese kaufmännische Entscheidung der Frage fließt eine Vielzahl von Gesichtspunkte ein, die sich etwa daraus ergeben, dass sich die Galeristen auch bei grundsätzlicher Gleichartigkeit in einer Reihe von Punkten unterscheiden. Eine Differenzierung soll grundsätzlich einem marktbeherrschenden oder marktstarken Veranstalter nicht untersagt werden und im Rahmen der Interessensabwägung und gerade bei dem durch diese Freiheiten geprägten Ermessensspielraum eines Veranstalters berücksichtigt werden.996 Durch die Anwendung dieser Grundsätze auf die Veranstalter einer Kunstmesse bedeutet dies, wie OLG Düsseldorf im Jahre 2002 zum wiederholten Male festgestellt hat, dass der Veranstalter, oder dessen Zulassungsausschuss einen nicht zu eng fassenden Beurteilungsspielraum genießt. Dabei hat er über die Zulassung nicht nur eine im eigentlichen Sinn wertende Entscheidung zu treffen, sondern kann eine Prognose in Bezug auf das für den wirtschaftlichen Erfolg der Messe relevante und voraussichtlich zu erwartende Interesse des Publikums treffen und dies in seiner Entscheidung berücksichtigen.997 Eine solche Entscheidung wird durch den Umstand gerechtfertigt, dass ein Unternehmer Sicherheit und wirtschaftliche Ziele anstreben muss.998 Diese Freiheit entspricht den Erfordernissen moderner, auf den Wettbewerb abgestellter Marktorganisation.999 Um auf dem Kunstmarkt einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, muss ein Veranstalter einen Ausgleich zwischen der Spezialisierung und der Abdeckung aller Kunstrichtungen erzielen. Er legt damit gleichzeitig die Zielrichtung der Kunstmesse für die Zukunft fest. Um dies zu erreichen muss, er frei in seiner Entscheidung sein, welche Art von Messe er gestaltet und welchen Charakter er der Messe beimisst.1000 Hierzu gehört auch die Entscheidung, die Art der darzustellenden Attraktionen zu bestimmen, gleichartige Angebote zur Vermeidung eines einförmigen Erscheinungsbildes der Zahl nach zu begrenzen und überzählige Bewerber abzulehnen, soweit dies zur Erreichung des Zweckes einer attraktiven Ausgestaltung oder aus Platzmangel erforderlich ist.1001

996

BGH, Urt. v. 26.05.1987 – KZR 13/85 „Krankentransporte“ in: BGHZ 101, S. 72, S. 82.

997

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 995.

998

Schlegel, Jörg, „Marktmacht und Missbrauch – Mögliche Rechtsgrundlage für Marktuntersuchungen im Hinblick auf den Verdacht marktbeherrschender Stellungen“ in: WuW 1968, S. 176, S. 183.

999

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 78.

1000

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734.

1001

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Auf der anderen Seite wird dieser freie Gestaltungsfreiraum durch das Schutzbedürfnis Bedürftiger begrenzt. Innerhalb des Gestaltungsfreiraums dürfen auch die Grundrechte nicht unbeachtet werden lassen, deren Wirkung sich mittelbar im Kartellrecht entfalten.1002 Dies entspricht den Grundsätzen des Diskriminierungsverbotes des Kartellrechts. Denn das an einen marktstarken Veranstalter einer überregionalen Kunstmesse gerichtete kartellrechtliche Gebot der Gleichbehandlung der Bewerber um einen Ausstellungsplatz konkretisiert sich darin, dass die in Teilnahmebedingungen genannten Auswahlkriterien gleichmäßig und willkürfrei auf alle Bewerber anzuwenden sind.1003 Der Freiraum des Unternehmers steht in einer Wechselbeziehung zu seiner Marktstellung. Je stärker sie ist und je größer die Abhängigkeit anderer Unternehmen, um so mehr wird vom Diskriminierenden verlangt, sich in der Beanspruchung des unternehmerischen Freiraums zurückzuhalten.1004 Neben diesem Grundsatz der Einstufung des Abhängigkeitsverhältnisses ist es möglich, dass das beachtliche Interesse des Normadressaten des GWB an der Behinderung ein so starkes Gewicht besitzt, das demgegenüber die Bedeutung des zur Durchsetzung dieser Belange eingesetzten Mittels für die Beurteilung der Unbilligkeitsfrage in den Hintergrund tritt.1005 Umso mehr darf das von dem Normadressaten des GWB verfolgte Ziel im nicht unberücksichtigt bleiben.1006 Aber nicht nur im nationalen Kartellrecht, sondern auch im internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht, besteht ein beachtliches Parteiinteresse an der autonomen Regelung der Rechtsbeziehungen. Gerade hier sind öffentliche und private Interessen miteinander zu gewichten. Dabei darf aber nicht verkannt werden, dass sich in aller Regel zwei Privatparteien gegenüberstehen. Privatinteressen sind nicht nur Beiwerk. Sie sind die hauptsächlichen Protagonisten in der Wirtschaft.1007 Im Rahmen des Gestaltungsspielraums innerhalb des Wirtschaftsrechts gilt weiterhin der Grundsatz, dass nicht nur auf den Willen der Vertragspartner abzustellen ist, sondern auch das Gemeinwohl aller vorzugswürdigen Interessen umfasst.1008

1002

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

1003

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994.

1004

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560, S. 564.

1005

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1743.

1006

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1744.

1007

Laufkötter, Regina, Parteiautonomie im internationalen Wettbewerbs- und Kartellrecht, Berlin, 2001, S. 17.

1008

Cromme, Franz, „Zur Messbarkeit von Monopolmissbrauch und Monopolstellung bei § 22 GWB“ in: WuW 2/1968, S. 93, S. 94.

275

276

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

aa)

Der Ermessensspielraum der ersten Veranstaltung

Neben den obig aufgeführten Grundsätzen bzgl. des Gestaltungsspielraums eines Veranstalters sind jedoch diese für den Fall zu variieren, wenn eine Kunstmesse zum ersten Mal veranstaltet wird. Speziell bei einer erstmalig ausgerichteten Messe ist dem Veranstalter, insbesondere wegen des anzuerkennenden Bestrebens, die Veranstaltung erfolgreich zu gestalten und damit zu etablieren, sowie der nötigen Abgrenzung zu bereits bestehenden und bekannten Messen gleicher Art an anderen Orten, eine größere Freiheit bei der Festlegung der Zahl und der Auswahl der Teilnehmer einzuräumen. Gerade bei „Newcomern“ auf dem Markt der Kunstmessen erscheint es gerechtfertigt, das unternehmerische Risiko und das Interesse am Erfolg und der Durchsetzung der Veranstaltung stärker zu berücksichtigen als dies sonst geboten ist. Somit ist bei neu ausgerichteten Messen den Veranstaltern ein großer Ermessensspielraum zuzubilligen, da hier das unternehmerische Risiko höher ist und der Veranstalter erfolgreich gestalten muss, um sich gegen andere Veranstaltungen der gleichen Art durchzusetzen.1009 Dieser „weitere“ Ermessensspielraum muss sich aber immer noch an den obig aufgeführten Grundsätzen orientieren. Denn schon einer ersten Kunstmesse kann in Hinblick auf die Größe und den Anspruch eine erhebliche Bedeutung auf dem Kunstmarkt zukommen, so dass für Galerien nur geringe Möglichkeiten bestehen, auf vergleichbare Veranstaltungen auszuweichen.1010

bb)

Der Ermessensspielraum eingeführter Kunstmessen

Einen nicht so „weiten“ Gestaltungsspielraum wie bei der ersten durchgeführten Veranstaltung haben wiederum Kunstmessen ab der zweiten Veranstaltung. Ab diesem Zeitpunkt sind sie keine Newcomer mehr, sondern auf dem Markt etabliert, so dass die Bindungen des Kartellrechts im Rahmen der Ermessensausübung stärker durch den Veranstalter zu berücksichtigen sind. Dabei kann das unternehmerische Interesse und die besonderen wirtschaftlichen Besonderheiten der erstmaligen Veranstaltung nicht mehr in besonderem Maße berücksichtigt werden.1011 So müssen z.B. bei einem etablierten Veranstalter die Auswahlkriterien für die Zulassung festgelegt werden, damit sie nachprüfbar sind, um diskriminierende Entscheidungen auszuschließen.1012 Denn gerade eine Auswahl ist auch für den Veranstalter wichtig, um das Bild der Kunstmesse zu prägen.1013 1009

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777, S. 779.

1010

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1011

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777, S. 780.

1012

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1013

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen:

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

cc)

Ermessenseinschränkende Aspekte

Neben den grundsätzlichen Freiraum gestaltenden Aspekten existieren einige ermessenseinschränkende Gründe, die in der zu treffenden Interessensabwägung Berücksichtigung finden könnten. So unterliegt, wie festgestellt, eine Kunstmesse als inländisch marktstarkes Unternehmen folglich dem kartellrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung. Dazu zählt namentlich die Verpflichtung, die in ihren Allgemeinen Teilnahmebedingungen aufgestellten Auswahlkriterien gleichmäßig und willkürfrei anzuwenden. Soweit es in diesem Zusammenhang auf die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe, insbesondere auf die Bewertung der von den anmeldenden Galerien vertretenen Künstlern und deren auszustellenden Werke geht, steht dem Veranstalter dabei zwar ein weiter Beurteilungsspielraum zu, dieser unterliegt aber teilweise der gerichtlichen Nachprüfung.1014 Auch ist die Bedeutung der Veranstaltung als solche, die in vielen Fällen einen wirksamen Schutz der potentiellen Teilnehmer gegen diskriminierende Behandlung fordert, zu beachten. Die grundsätzliche Sicherung der Teilnahmemöglichkeit aller Teilnehmer, die nach der Marktkonzeption des Veranstalters angesichts ihrer Funktion auf diesem Markt dorthin gehören, ist grundsätzlich notwendig. Denn die Gefahr des Missbrauchs bzw. der willkürlichen Auswahl, u.U. mit Hilfe eines üblicherweise eingesetzten Ausstellungsbeirats, darf nicht außer Acht gelassen werden.1015 Es ist weiter zu berücksichtigen, dass ein Aufnahmezwang dem grundsätzlich freien Ermessen des Veranstalters konträr ist.1016 Dementsprechend ist das grundsätzlich weite unternehmerische Ermessen, welche Galerien zur Messe zugelassen werden sollen, dadurch eingeschränkt, dass hinsichtlich der Auswahlkriterien und des Auswahlverfahrens bestimmte, der gerichtlichen Nachprüfung unterliegende Mindesterfordernisse eingehalten werden müssen.1017 Diese Mindesterfordernisse können sich dabei auch auf ATB auswirken.

Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003). 1014

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 288.

1015

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 79.

1016

BGH, Urteil v. 2.12.1974 – II ZR 78/72 „Rad- und Kraftfahrerverbund“ in: WuW/E BGH S. 1347, S. 1348.

1017

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

277

278

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

dd)

Auswirkungen auf ATB

Es ist möglich, dass durch die Anwendung des Gesetzes einzelne Teilnahmeoder Bewerbungsregelungen gegen das GWB verstoßen und damit unwirksam sind. Diese partielle Unwirksamkeit kann sich sogar auf den ganzen Vertrag mit den enthaltenen ATB auswirken. Denn enthält ein Vertrag neben anderen Bestimmungen Regelungen, die gegen das Kartellrecht verstoßen, so erfasst die sich aus Kartellrecht ergebende Nichtigkeit nur dann den gesamten Vertrag, wenn sich unter das kartellrechtliche Verbot fallende Teile nicht von seinem anderen Inhalt trennen lassen. Besteht der restliche Vertrag jedoch mit einem selbständigen geltungsfähigen Inhalt, so beurteilt sich die Auswirkung der Teilnichtigkeit nach § 139 BGB. Der BGH hat dabei entschieden, dass diese Bestimmung durch eine „salvatorische Klausel“ abdingbar ist, so dass diese Abdingbarkeit auch bei kartellrechtlicher Nichtigkeit besteht.1018 Wenn ein Veranstalter einer Kunstmesse aber ATB verwendet, und die dort aufgestellten Grundsätze seinen Bewerbern zur Auflage macht, ist er in seinem Auswahlermessen insoweit eingeschränkt, dass er nun verpflichtet ist, die in den Teilnahmebedingungen genannten Auswahlkriterien gleichmäßig und willkürfrei auf alle Bewerber anzuwenden.1019 Ihm ist es dabei nicht möglich, die vorher aufgestellten Teilnahmebedingungen nach Abschluss der Bewerbungen abzuändern, um manchen Galerien einen Vorteil zu verschaffen. Er muss sich somit an dem von ihm selbst gegebenen Auswahlsystem halten und darf niemanden durch ein willkürliches Ändern diskriminieren.1020 Schon wenn eine Kunstmesse durch einen Verein veranstaltet wurde, stellten Allgemeine Teilnahmebedingungen nachrangiges Satzungsrecht dar, und waren damit für die Dauer ihrer Existenz als selbstbindendes Vereinsrecht einzuordnen.1021 In diesem Zusammenhang kann eine Diskriminierung immer dann angenommen werden, wenn sich ein Messeunternehmen bei der Entscheidung über die Zulassung zur Teilnahme eines Interessenten nicht an die von ihm selbst geschaffenen allgemeinen Teilnahmebedingungen hält. Gerade in einem solchen

1018

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1940.

1019

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994; OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4176.

1020

BGH, Urt. v. 18.09.1978 – KZR 17/77 „Fassbierpflegekette“ m. Anm. von Gloy in: GRUR 1979, S. 69, S. 72.

1021

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4176.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Fall handelt es ohne sachlich gerechtfertigten Grund.1022 Denn eine gleichmäßige und willkürfreie Anwendung von ATB ist stets Voraussetzung, um sich nicht schon hier dem Vorwurf der Diskriminierung auszusetzen.1023 Die Auswirkungen der ermessenseinschränkenden Aspekte auf die ATB werden auch dadurch geprägt, dass diese gleichwohl unwirksam sein können, wenn „mildere“ ATB den gleichen Zweck erfüllen würden, solange ein Bewerber nicht ohne unverhältnismäßige Opfer in der Lage wäre, die zuerst aufgestellten Bedingungen zu erfüllen.1024

ee)

Wirtschaftliche Aspekte

Der dem Veranstalter zugebilligte Gestaltungsspielraum ist neben den künstlerischen Aspekten von wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprägt. Diese wirtschaftlichen Überlegungen für die Ausgestaltung des Freiraums dürfen einem Veranstalter auch nicht verwehrt werden. Der Bundesgerichtshof hat schon in seiner Entscheidung „Modellbauartikel III“ 1983 festgestellt, dass es auch markstarken Unternehmen ermöglicht werden muss, Vertriebskonzepte aufzustellen und zu befolgen, die zum Ausschluss von Bewerbern führen können, sofern die Veranstalter die Konzeption für wirtschaftlich sinnvoll halten.1025 Diese Wirtschaftlichkeit, die im Rahmen der zu treffenden Abwägung nach dem GWB nicht unberücksichtigt bleiben darf 1026, ist wichtig für das Überleben der Kunstmesse. Wie schon festgestellt wurde, darf eine Kunstmesse eine gewisse Größe nicht überschreiten1027, um für das Publikum attraktiv zu bleiben und um so Besucher und potentielle Kunden anzuwerben. Eine solche Anwerbung führt dann dazu, dass neue Galerien, mit international bedeutendem Ruf, auch von der Messe angelockt und ständig neue Käuferschichten angezogen werden. Für die Schaffung einer solchen wirtschaftlichen Attraktivität muss es einem Messeveranstalter erlaubt sein, aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen entscheiden zu können, welche Art von Messe er gestalten und welchen Charakter er ihr beimessen will

1022

Schmidt, Ulrich, Kurzkommentar zu LG Köln in: EWiR § 26 GWB 1/99, S. 73.

1023

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001).

1024

BGH, Urteil v. 2.12.1974 – II ZR 78/72 „Rad- und Kraftfahrerverbund“ in: WuW/E BGH S. 1347.

1025

BGH, Urt. v. 08.03.1983 – KZR 1/82 „Modellbauartikel III“ in: WuW/E BGH, S. 1995, S. 1996.

1026

BGH, Urteil v. 7.10.1987 – KZR 25/79 „Rote Liste“ in: WuW/E S. 1740, S. 1744.

1027

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

279

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

und welche Höchstzahl an Ausstellern ihm noch ökonomisch vernünftig erscheinen.1028 Er muss nämlich Sorge dafür tragen, dass seine Kunstmesse Ansehen und Anziehungskraft bei Ausstellern und Besuchern erreicht. Eine solche Attraktivität der Veranstaltung wird er aber nur gewährleisten können, wenn er z.B. schon bekannte Galerien zur Ausstellung zulässt.1029 Es können insbesondere die Größe der Räume, der Boxen, die Eintrittspreise für Besucher, die Ausstellergebühren und die Werbung in seiner unternehmerischen Entschließung eine große Rolle spielen. Gleichzeitig können Gründe der Rentabilität, insbesondere auch Gründe der Vereinfachung der Verwaltung und der Verbilligung der Preise für Aussteller und Besucher Konsequenzen in der konkreten Ausgestaltung haben.1030 Somit bleibt festzuhalten, dass die im Ermessensspielraum enthaltene wirtschaftliche Freiheit einen Auswahlgrund sachlich rechtfertigen vermag, wenn dieser auf vernünftigen betriebswirtschaftlichen oder auf kaufmännischen Erwägungen beruht.1031 Dabei müssen bei der Durchführung gerade einer Kunstmesse wirtschaftliche Aspekte auch in dem Sinne berücksichtigt werden, dass Galerien, mögen sie die Standmieten aufbringen können, für das Ansehen einer Messe und deren Ruf von ausschlaggebender Bedeutung sind. Insofern fließt in diesem Punkt die Qualität der einzelnen Galerie mit in die Qualität der Messe ein. So stellt es einen wirtschaftlichen Grund dar, wenn Besucher aufgrund einer Abneigung aufgrund künstlerischer Aspekte gegen eine oder mehrere Galerien der Messe fernbleiben. Auch die Anzahl der Besucher schlägt sich nicht nur in der Buchhaltung nieder. So schließen viele Galeristen aufgrund mangelnder Besucher auf die schlechte Qualität der Messe und werden nicht mehr ihren Stand auf der nächsten Messe buchen. Umgekehrt schließen Besucher durch nachlassende Besucherzahlen auf den Umstand, dass die Qualität der Messe nicht gut sei, und sehen von einem Besuch ab, wenn sie es aus der Presse erfahren haben, oder besuchen die Messe nicht wieder. Eine solche Spirale ist für eine Kunstmesse tödlich. Eine Abneigung kann einen sachlich gerechtfertigten Grund darstellen. Insofern muss die derzeitige Auslegung des GWB den Gegebenheiten und den Eigenheiten des Kunstmarktes angepasst werden.

1028

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

1029

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe – Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3151.

1030

BGH, Urt. v. 08.06.1967 – KZR 5/66 („Rinderbesamung II“) in: WuW/E BGH S. 863, S. 872.

1031

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Dabei muss trotz der wirtschaftlichen Freiheiten stets beachtet werden, dass das Diskriminierungsverbot dann eingreift, wenn eine willkürliche Differenzierung vorliegt 1032, denn es liegt in der Intention des GWB, möglichst allen Interessenten Zugang zu einem beschränkten Markt zu verschaffen.1033 Ein Veranstalter einer Kunstmesse muss auch den Wettbewerb und das Marktgeschehen berücksichtigen. Oftmals werden nicht alle verfügbaren Standkojen nachgefragt, so dass Plätze frei bleiben. In diesen Fällen wird er evtl. die Zulassungsbedingungen entschärfen oder die Konzeption der Messe ändern. Diese Nachfrage der Aussteller stellt neben dem Verhalten der Konkurrenten die zu berücksichtigende Größe dar. Je mehr sich aber eine Kunstmesse vom Wettbewerb entfernt, desto unabhängiger wird sie vom Markt, desto autonomer kann sie ihre Ziele, sowohl in wirtschaftlicher als auch in künstlerischer Hinsicht, verfolgen, desto mehr kann sie das Marktgeschehen ignorieren, da die Nachfrage um einiges das Angebot übersteigt. Jedoch müssen marktmächtige Unternehmen potentielle Wettbewerber fürchten. Von dieser Seite droht den bereits gesicherten Kunstmessen die größte Gefahr, wenn z.B. besonders publikumsanziehende Aussteller mit qualitativ hochwertigen Objekten wechseln möchten. Daher gilt es, den potentiellen Konkurrenten daran zu hindern, in diesen Markt einzutreten. Letztendlich ist immer in der Abwägung der wirtschaftlichen Gründe zu bedenken, dass sich eine Änderung der Situation und damit der Abwägung ergeben kann, wenn der Veranstalter selbst in seiner Existenz bedroht ist.1034

ff)

Fazit

Der Veranstalter einer Kunstmesse muss sowohl künstlerische Werte als auch tatsächliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Einklang bringen. Er hat hierbei Betriebskosten, Personalkosten, etc. zu beachten. Auf der anderen Seite muss er berücksichtigen, dass die Messe, um auf dem Kunstmarkt längerfristigen Erfolg zu haben, wichtige Galerien und bedeutende Künstler vereinigen muss, ohne potentielle Käufer mangels Masse, Klasse oder zu hohe Preise abzuschrecken. Dies wird im Rahmen des Kartellrechts berücksichtigt. Im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung besitzt ein Veranstalter einen nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum. Dieser wird sowohl durch künstlerische als auch durch wirtschaftliche Aspekte geprägt.1035 Durch das Diskriminierungsver1032

BGH, Urt. v. 10.10.1978 – KZR 10/77 – „Zeitschriften-Grossisten“ mit Anm. v. Lutz in: GRUR 1979, S. 177, S. 178.

1033

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4140.

1034

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 913.

1035

KG, Beschl. v. 15.03.1991 – Kart. 15/90 („VW-Leasing“) in: WuW/E OLG S. 4753, S. 4761.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

bot wird nicht jegliches wirtschaftliches Verhalten beschränkt. Es untersagt vielmehr nur einzelne näher umschriebene Verhaltensweisen und lässt im Übrigen die unternehmerische Handlungsfreiheit unangetastet.1036 Daher ist zunächst das Konzept zu respektieren, dass ein Veranstalter der Messe zugrunde legen möchte.1037 Ein Messeveranstalter muss eine gewisse fachliche Auswahl treffen, wenn er seinen Ausstellungszweck verwirklichen möchte. Es kann ihm nicht untersagt werden, gewisse unternehmerische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, und zwar auch nicht im Interesse einzelner Händler, denen bisher aus sachfremden Gründen keine Ausstellungsfläche zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich darf die unternehmerische Entschließungsfreiheit nicht zu stark beeinträchtigt werden, wenn Händler ohne Einschränkung zugelassen werden müssten.1038 Denn das Kartellrecht greift gerade in die Problematik ein, dass die Vertragsfreiheit eines Kunstmesseveranstalters im Namen der Vertragsfreiheit des Gegenübers beschränkt und aufgehoben wird, somit wird Privatautonomie zugunsten der Privatautonomie zurückgebunden, um einen Wettbewerb zu gewährleisten.1039 Im Rahmen der Überprüfung wird stets berücksichtigt, ob es sich um eine erstmalig durchgeführte Kunstmesse oder um eine eingeführte Veranstaltung handelt, und ob der Veranstalter eine letztmalige Veranstaltung zur Abwendung einer eventuellen Insolvenz organisiert, und angeführt, wenn dies relevant werden sollte.

gg)

Überprüfungsmöglichkeit des Ermessensspielraums durch die Gerichte

Wesentlich für die Kontrolle der Maßnahmen des kartellrechtlich gebundenen Veranstalters sind die Möglichkeiten der Gerichte, sein Handeln im Rahmen des Gestaltungsspielraums überprüfen zu können, welches zum Ausschluss eines Bewerbers geführt haben mag. Dabei wird diesem Punkt ein eigenes Kapitel im Rahmen dieser Arbeit gewidmet.1040 Grundsätzlich ist zu beachten, dass Einerseits der nicht zu eng zu fassende Beurteilungsspielraum des Veranstalters und seine die Bewerbungen um eine Teilnahme betreffenden Entscheidungen nur im

1036

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 659.

1037

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1038

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 915.

1039

Merz, Hans, Privatautonomie heute – Grundsatz und Rechtswirklichkeit, Verlag C. F. Müller, Karlsruhe, 1970.

1040

Vgl. unter Kapitel 5, III, bb) Die Entscheidungsmöglichkeiten des angerufenen Gerichts, S. 274.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Hinblick darauf einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist, ob von einem vollständig und zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, und ob die Entscheidung sachlich vertretbar und nicht willkürlich ist.1041 Andererseits hat aber der Kartellsenat des BGH entschieden, dass z.B. bei Rabattentscheidungen von Firmen ein Mitspracherecht des Richters im Rahmen des Veranstalter zustehenden Ermessensspielraums existiert. Denn der Ermessensspielraum eines Unternehmens muss innerhalb seiner Grenzen ausgefüllt werden. Dabei seien eine Bewertung und Berücksichtigung der Interessen der übrigen von der Vergünstigung Ausgeschlossenen und die Auswirkungen auf den Markt notwendig. Dadurch können die Richter sich selbst zu Preiskommissaren ernennen.1042 Auf diesen Konflikt zwischen reiner Überprüfung und Einmischung durch die Gerichte wird aber, wie dargestellt, an späterer Stelle einzugehen sein.1043

b)

Gründe für eine Nichtzulassung eines Bewerbers

Die großen Kunstmessen in Europa zählen 80 bis 250 Aussteller, die rund 1.250 Künstler und bis zu 6.000 Kunstwerke präsentieren. Diese Werte gelten als Maximum für eine Kunstmesse, wenn sie sich auf dem internationalen Markt behaupten möchte. Wenn sie diese Grenze halten möchte, muss der Veranstalter teilweise bis zu 50 Prozent der Bewerber ablehnen. Hierbei offenbart sich der Unterschied zu den Konsum- und Industriemessen: Jede Kunstmesse muss nach Qualität auswählen und ist daher per se im Wachstum begrenzt. Kunstmessen können sich „nur“ vermehren.1044 Im Rahmen der Vorauswahl können die einzelnen Gründe für eine Nichtzulassung unterschiedlichster Natur sein. So bestimmen die ATB der Art Cologne, dass Grundvoraussetzung für die Teilnahme ist, dass u.a. alle Bewerber in ihren Ausstellungsräumen im Minimum vier Ausstellungen pro Jahr über den geforderten Drei-Jahreszeitraum durchführen und kontinuierlich für die Vermittlung moderner Kunst eintreten. Ferner muss dokumentiert sein, dass sich das avisierte Ausstellungsprogramm mit den Erfordernissen und den Zielen der Art Cologne deckt.1045 1041

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994.

1042

BGH, Beschl. v. 24.02.1976 – KVR 3/75 (KG) „Bedienungsgroßhändler“ in: GRUR 1976, S. 711, S. 715.

1043

Vgl. unter Kapitel 5, III, bb) Die Entscheidungsmöglichkeiten des angerufenen Gerichts, S. 274.

1044

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung traditierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

1045

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe

283

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Diese unterschiedlichen Gründe für eine Nichtzulassung können auf objektiven oder auf subjektiven Kriterien beruhen. So kann die Versagung eines Standplatzes wegen eines objektiven Grundes, z.B. unbehebbaren Platzmangels, oder subjektiver, in der Person des Bewerbers liegender, sich auf die Veranstaltung auswirkender Gründe zulässig sein.1046 Sie sind grundsätzlich einzeln im Rahmen der obig aufgezeigten sehr schwierigen Interessensabwägung zu bewerten, um ihre jeweilige Gültigkeit feststellen zu können.1047 Hierbei ist zu beachten, dass ein Grund grundsätzlich nur dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn er auf vernünftigen betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Erwägungen beruht. Zu beachten ist allerdings, dass das Willkürverbot nicht dazu führen soll, die Zweckmäßigkeitserwägungen des Gerichts an die Stelle der unternehmerischen Überlegungen der Diskriminierten zu setzen.1048 Auch ist im Rahmen der folgenden Abwägung einzelner Nichtzulassungsgründe festzuhalten, dass einzelne Gründe in besonderen Fällen milder zu gestalten sind, um eine Aufnahme zu ermöglichen, damit eine unbillige Behinderung vermieden werden kann, selbst wenn der Grund an sich zulässig wäre.1049 Dann könnte u.U. sogar der Zugang erreicht werden. Dabei ergibt sich die Möglichkeit, dass, auch wenn ein Nichtzulassungsgrund grundsätzlich positiv bewertet wird, und somit Aufnahme in entsprechenden ATB eines Veranstalters finden könnte, sich die Unzulässigkeit aber noch aus der Zusammenschau aller Ausschlussgründe ergeben kann, auch wenn der Ausschlussgrund allein noch nicht ausreichend wäre, eine Diskriminierung zu bejahen. Gegenteilig dazu ist ebenso zu berücksichtigen, dass Gründe, die für sich allein eine Verweigerung nicht zu rechtfertigen vermögen, im Zusammenhang und in Verbindung mit weiteren Gründen und Begleitumständen ein solches Gewicht erhalten, das ihnen andernfalls nicht zukäme, und dadurch eine Verweigerung rechtfertigen.1050

„Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002). 1046

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

1047

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283.

1048

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 281.

1049

BGH, Urteil v. 2.12.1974 – II ZR 78/72 „Rad- und Kraftfahrerverbund“ in: WuW/E BGH S. 1347, S. 1348.

1050

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 128.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Ist eine mildere Gestaltung grundsätzlich möglich, so wird dies bei den einzelnen Gründen in einem gesonderten Abschnitt erklärt werden. Dies ist jedoch sehr stark einzelfallabhängig und kann nicht im Vorfeld geklärt werden. Es muss vielmehr durch ein erkennendes Gericht für den jeweiligen Prozess individuell entschieden werden. Schließlich können nicht nur die bei einer vorgenommenen Vergabe herangezogenen Gründe als willkürlich beurteilt werden, sondern auch bei gerechtfertigten Gründen könnte die Vergabe der Messestände dann als sachlich nicht mehr gerechtfertigt angesehen werden, wenn das bei der Vergabe angewandte Verfahren unter Berücksichtigung der sich gegenüberstehenden Interessen als willkürlich beurteilt werden müsste.1051 Für einen Überblick über mögliche Auswahlkriterien des Veranstalters ergeben sich drei Gruppen von in Betracht kommenden Gründen für eine Nichtzulassung. Diese drei Gruppen können wie folgt eingeteilt werden: In objektive Gründe, d.h. Kriterien die nicht durch einen Bewerber beeinflussbar sind, in subjektive Gründe, d.h. Gründe die rein in der Person des Bewerbers liegen, und in die dritte große Gruppe. Diese letzte Gruppe bilden die Gründe, die dann zur Diskussion stehen, wenn das Platzangebot begrenzt und unter den Kandidaten eine Auswahl getroffen werden muss. Hier sind sowohl Belange des Bewerbers als auch des Veranstalters voneinander abhängig.

aa)

Objektive Gründe für eine Nichtzulassung

Bei Kunstmessen kommt es häufiger vor, dass ein Überangebot an Bewerbern existiert, Während dies noch von den Achtziger Jahren bis an das Ende der Neunziger Jahre eine Art Dauerzustand bildete, wirkt sich mittlerweile die verlangsamte Wirtschaft des neuen Jahrtausends und der Boom der Kunstmessen in Europa auf die Bewerberanzahl aus. Viele Galerien möchten sogar evtl. mehrere Kunstmessen beschicken 1052, jedoch können sich dies die meisten Galerien kaum noch leisten. Sogar die renommierte Kunstmesse FIAC in Paris verzeichnete Galerien, die lieber nach London gingen.1053 Alle Bewerbungen können aber aufgrund von Platzmangel nicht berücksichtigt werden. Damit stellt der Mangel an Platz an erster Stelle einen zu prüfenden Ausschlussgrund dar.

1051

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1052

Huester, Wiebke, „Da ist die junge Kunst, die sich der Natur zuwendet“ in: F.A.Z. vom 04.10.2003, S. 51.

1053

Heinick, Angelika, „Standhaft in den Gewitterwolken“ in: F.A.Z. vom 11.10.2003, S. 47.

285

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

aaa)

Platzmangel

Wie bei § 70 Abs. 3 GewO stellt auch bei § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m Abs. 1 GWB Platzmangel einen sachlich gerechtfertigten Grund zur Begrenzung der Teilnehmerzahl dar. So kann sogar eine einstweilige Anordnung, die einen auf § 70 Abs. 1 GewO gestützten Anspruch auf Zulassung als Anbieter zu einer nach den §§ 60b, 69 Abs. 1 GewO festgesetzten Veranstaltung sichern oder sogar erfüllen soll, nur erlassen werden, wenn bzw. solange auf dem Festgelände ein vom Bewerber benötigter Platz vorhanden ist.1054 Der Platzmangel könnte nur geheilt werden, wenn entweder die Kapazität erhöht, oder der vorhandene Platz besser aufgeteilt würde.

(1)

Kein Anspruch auf Erweiterung der Kapazität

Leicht könnte ein Veranstalter einer Kunstmesse die Nachfrage gänzlich befriedigen, wenn er das Platzangebot erhöhen würde. So könnten Kunstmessen, die auf Messegeländen stattfinden, wie die Art Frankfurt oder die Art Cologne, leicht auf mehrere Hallen ausgedehnt werden, um allen Bewerbern einen Platz zuzuweisen. Jedoch richtet sich die Bemessung der Kapazität nicht nur nach einer Veranstaltung aus. Man könnte anführen, dass mehr teilnehmende Galerien einen höheren Gewinn für den Veranstalter bedeuten. Dieses rein wirtschaftliche Argument ist auch nicht zu vernachlässigen. Jedoch sind Kunstmessen nicht vergleichbar mit normalen Konsummessen. Denn Kunst ist ein ganz spezielles Gut. Übersteigt das Angebot die Wahrnehmungsfähigkeit des Betrachters bzw. Interessenten, ist eine Kunstmesse kaum noch überschaubar. Dann kehrt sich das angestrebte Ziel, nämlich großes Interesse und zahlreiche Käufer für moderne Kunst zu finden, ganz schnell ins Gegenteil um: Die Kunstmesse verschreckt durch Überforderung.1055 Es ist der Wunsch des Veranstalters zu respektieren, eine international ausgerichtete Kunstmesse mit hohem Anspruch zu veranstalten und gleichzeitig die Größe der Messe und die Anzahl der Aussteller festzulegen. Denn die Erwägung, dass gerade eine Kunstmesse, die sich an ein eher elitäres Publikum wendet, eine gewisse Größenordnung nicht überschreiten sollte, ist ohne weiteres nachzuvollziehen.1056 Dabei ist im Rahmen des Diskriminierungsverbots anerkannt, das ein Hersteller niemals zur Erweiterung seiner Produktionskapazität gezwungen sein kann, nur um alle Nachfrager zu befriedigen.1057 1054

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

1055

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

1056

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1057

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 396.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Dementsprechend hat ein Veranstalter einer Kunstmesse grundsätzlich die Autonomie der freien Gestaltung des äußeren Rahmens durch Auswahl geeignet erscheinender Räume, und die Festlegung der Gesamtgrößenordnung sowie der Ausgestaltung. Es steht ihm dabei frei, das Niveau der Messe festzulegen und die Zahl der Aussteller sowie der Ausstellungsfläche selbst zu begrenzen, um nicht das Niveau der Messe zu gefährden.1058 Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei einem Vergleich mit dem öffentlichen Recht. So kann ein Veranstalter einer nach § 70 GewO festgesetzten Veranstaltung diese auf eine bestimmte Fläche begrenzen.1059 Da diese Begrenzung der häufigste und zugleich meist zwingende Grund für den Ausschluss von Ausstellern von der Veranstaltung ist, wird er im Gesetz auch besonders als Beispiel erwähnt. Es kann von dem Veranstalter nicht verlangt werden, dass er weiteren Ausstellungsraum bereitstellt. Denn die Bemessung der Ausstellungskapazitäten richtet sich nach den langfristigen Nutzungsmöglichkeiten, nach den Finanzierungsmöglichkeiten für etwaige Neubauten, nach Rentabilitätserwägungen u.ä., nicht jedoch nach dem Spitzenbedarf bei einer oder mehreren Veranstaltungen auf dem in Betracht kommenden Messe- und Ausstellungsplatz.1060 Aber auch bei öffentlichen Einrichtungen besteht ein Anspruch auf Zulassung nur im Rahmen ihrer Kapazität; ein Recht auf Erweiterung oder Schaffung einer öffentlichen Einrichtung ergibt sich aus dem öffentlichen Recht, wie z.B. einer Gemeindeordnung, nicht.1061 Daher ist festzuhalten, dass der Veranstalter einer Kunst- und Antiquitätenmesse das Recht hat, deren äußeren Rahmen durch Auswahl geeignet erscheinender Räume, deren Größe, und Festlegung ihrer Ausgestaltung zu bestimmen.1062 Ein Anspruch auf Erhöhung der Ausstellungsfläche besteht nicht.1063 Er ist aus Platzgründen berechtigt, die Zahl der zuzulassenden Aussteller auf eine Höchstzahl zu begrenzen.1064

1058

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 86.

1059

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

1060

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

1061

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120.

1062

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

1063

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

1064

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

(2)

Kein Anspruch auf Um- oder Neuordnung der verteilten Standplätze

Eine Unterbringung vieler Bewerber bei begrenztem Platzangebot käme dann in Betracht, wenn der Veranstalter gezwungen wäre, den vorhandenen Platz optimal zu nutzen und nach den kleinstmöglichen Boxengrößen zu verteilen. Dieser Weg erscheint grundsätzlich möglich, solange dies technisch machbar ist.1065 Dies könnte entweder von vornherein geplant oder durch eine nachträgliche Umstrukturierung geschehen. Jedoch ist zu beachten, dass die Verteilung der Boxen und die Größe oft schon in der Planungsphase einem bestimmten Schema folgen. So wird durch eine bestimmte Verteilung auf der Kunstmesse München eine Art Rundgang geschaffen, die den Besucher von den Galerien mit Kunstwerken der Antike über das Mittelalter, das 18. und 19. Jahrhundert bis hin zur der klassischen Moderne, sogar zur zeitgenössischen Kunst führt.1066 Aber auch auf der neuen Kunstmesse „Frieze Art Fair“ wurde durch den Veranstalter eine klare Linie verfolgt. Durch eine Mischung aus großen und kleinen Kojen soll eine markante Blockbildung erhindert werden.1067 So erfolgt sogar die Hallenbelegung bei den übrigen Messen nach verschiedenen Kriterien, wobei Galerien mit größerem finanziellem Spielraum größere Boxen zugeteilt bekommen, oder gewisse Kunstwerke, wie best. Installationen, schon von ihrer Natur aus mehr Platz benötigen. Es ist erkennbar, dass die Belegung der Halle den verschiedensten Aspekten folgt, die ein Veranstalter beachten muss. Dabei muss er sowohl künstlerische als auch wirtschaftliche Aspekte beachten, wobei die wirtschaftlichen Aspekte nicht nur die Vermietung der Boxen betreffen, sondern auch die Besuchern, denen ein ansprechendes Bild geboten werden muss, wenn die Messe erfolgreich sein soll. Es kann daher dem Veranstalter nicht zumutbar sein, die Boxengröße der Anzahl der Bewerber anzupassen, gleichgültig zu welchem Zeitpunkt, und ob es dem Veranstalter überhaupt zumutbar und möglich gewesen wäre.1068 Entsprechend den zu dem Liefervertrieb aufgestellten Grundsätzen im GWB stellt es einen sachlich gerechtfertigten Grund dar, wenn vernünftige Mindestabnahmemengen durch den Händler festgelegt werden.1069 Aber auch im öffent1065

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

1066

Kunst Messe München GmbH, Katalog zur 47. Kunstmesse München, Weltkunst Verlag GmbH, München, 2002: Hallenplan der Kunstmesse München.

1067

Imdahl, Georg, „Eine neue Messe drückt auf die Tube“ in: F.A.Z. vom 18.10.2003, S. 49.

1068

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479, S. 2480.

1069

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 396.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

lichen Recht bei der Vergabe von Standflächen hat ein Bewerber keinen Anspruch darauf, dass der Veranstalter für den Bewerber ausreichende Standfläche durch eine Änderung des Verteilungsplanes schafft und andere Geschäfte umgelegt bzw. verschoben werden.1070 Aufgrund des Umstandes, dass ein Veranstalter einer Kunst- und Antiquitätenmesse das Recht hat, deren äußeren Rahmen durch Auswahl geeignet erscheinender Räume und Festlegung ihrer Ausgestaltung zu bestimmen1071, besteht kein Anspruch eines Bewerbers, dass die Hallenbelegung geändert und der Anzahl der Bewerber angepasst wird.

(3)

Kein Anspruch auf Zuweisung einer bestimmten Box

Bei begrenztem Platzangebot entsteht oftmals eine Diskussion um die „besten“ Standplätze. In diesem Zusammenhang wird auch manchmal der Vorwurf laut, dass bestimmten Galerien aus verschiedensten Gründen die begehrtesten Plätze zugewiesen wurden. Zu beachten ist, dass es dem Veranstalter nicht verwehrt ist, innerhalb der Hallenbelegung bestimmten Galerien einen bestimmten Platz oder eine bestimmte Halle zuzuweisen. Eine Gliederung nach Branchen ist ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Zuweisung in eine bestimmte Halle, auch wenn in einer Halle eher alle renommierten Händler sind und die andere Halle ungünstiger ist. Daher kann eine solche Platzierung nicht als unbillige Behinderung oder unterschiedliche Behandlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund angesehen werden.1072 Es entspricht dem Üblichen, das auf den ersten Blick bestimmte Plätze in einer Halle eher ungeeignet sind, weil sie am Rande oder in einer entfernten Ecke liegen, und manche günstig, z.B. gleich am Eingang einer Messe. Wie nun die Galerien in der Halle verteilt werden, geschieht aufgrund ökonomischer und künstlerische Aspekte. Hierbei ist zu beachten, dass es zwar nach planerischen Aspekten „schlechte“ und „gute“ Plätze gibt, diese Verteilung aber durch den Umstand relativiert wird, dass die zu verkaufende Ware Kunst ist. Kunst ist einzigartig, d.h. kein Objekt gleicht einem anderen. Ein potentieller Kunde wird nicht gleich durch den „Erstbesten“ Händler einem anderen weggenommen, vielmehr ist ein Kunstkäufer auf der Suche nach einem seinem „Geschmack“ entsprechenden Werk. Dass dieses u.a. bei den „schlechter“ platzierten Händlern gefunden werden kann, ist aufgrund der Einzigartigkeit eines jeden Kunstwerkes ihm bekannt. Er wird daher ebenso die hinteren Galerien aufsuchen, um sich ein genaues

1070

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

1071

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

1072

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479, S. 2480.

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290

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Marktbild zu verschaffen, bevor er ein Kunstobjekt erwirbt. Genau diese Umstände schaffen einen Ausgleich zwischen anfänglich guten und schlechten Standplätzen. Denn bei einer Kunstmesse besitzt jeder Aussteller verschiedene Werke, die ihren Käufer finden, und die auch gesucht werden. Es besteht somit kein Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Standplatzes.

bb)

Subjektive Gründe

Neben den rein objektiven Gründen kommen auch rein subjektive, nur in der Person des Bewerbers liegende Auswahlkriterien in Betracht. Diese liegen nur in der Sphäre des Bewerbers und auf deren Vorliegen hat der Veranstalter einer Kunstmesse keinen Einfluss.

aaa)

Unzuverlässigkeit des Bewerbers

Als erstes Kriterium kommt die Unzuverlässigkeit des Bewerbers in Betracht. Dieses ist zu unterscheiden von etwaigen Auswahlgründen wie „bekannt und bewährt“. Während „bekannt und bewährt“ auf die geschäftlichen Beziehungen zwischen den Parteien abstellt, ist unzuverlässig nach § 35 Abs. 1 GewO derjenige, der keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Wie im Gewerberecht ist dieser Begriff rein finalorientiert und setzt weder ein Verschulden noch Charaktermangel voraus. Eine solche Unzuverlässigkeit dann zu bejahen, wenn der Bewerber bei früheren oder ähnlichen Veranstaltungen gegen Bestimmungen des Messevertrages oder gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen hat. Weiterhin liegt sie auch dann vor, wenn der Bewerber einschlägige Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen hat. Dabei ist im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen, je nach Schwere der vorgeworfenen Handlung, dass der Bewerber zumindest die Möglichkeit der Erklärung haben muss, um den in § 20 II GWB innewohnendem Missbrauchsgedanken Geltung zu verschaffen. Weiterhin kann es unter Umständen bei geringen Verfehlungen erforderlich werden, den Bewerber abzumahnen. Hinzu kommen Gründe, die im Rahmen des § 20 II GWB als Lieferverweigerungsgründe anerkannt sind, wie Kreditunwürdigkeit oder unzureichender Kundendienst.1073 Jedoch kann das Argument des fehlenden Kundendienstes, wenn dieser persönlichen Kundenberatung eine gesteigerte Beratung zukommt 1074, nur im übertragenen Sinne auf den Bereich der Kunstmessen angewandt werden. Vergleichbar wäre dies noch mit der Verpflichtung des Galeristen, Besucher der Messe und damit potentielle Käufer zu bedienen. Jedoch kann es einem Gale1073

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 130.

1074

BGH, Urt. v. 08.03.1983 – KZR 1/82 „Modellbauartikel III“ in: WuW/E BGH, S. 1995, S. 1998.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

risten nicht verwehrt werden, seine Kunden sich auszusuchen. Daher kann das Argument des „Kundendienstes“ nur beschränkt angewandt werden. Hingegen kann die Kreditunwürdigkeit ohne Einschränkung übernommen werden. Bei den großen Kunstmessen wird ein immer höherer Aufwand an Werbung und Hallendekoration benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Unkosten werden sowohl durch die Eintrittskarten, aber auch durch die stetig steigenden Standgebühren beglichen. Es kann einem Veranstalter dabei im Rahmen der zu treffenden Abwägung nicht zugemutet werden, einen kreditunwürdigen Aussteller zu akzeptieren, bei dem er Gefahr läuft, dass die Mietgebühren nicht bezahlt werden. Hierdurch würde er selbst in seiner Existenz gefährdet. Daher ist es ihm zu gestatten, kreditunwürdigen Bewerbern von vornherein die Zulassung zu versagen.

bbb) Weitere Tätigkeit im Bereich des Kunstmarktes des Bewerbers Die Zulassung kann noch aufgrund weiterer subjektiver Gründe erfolgen. Hierzu ist insbesondere die weitere Tätigkeit des Bewerbers auf dem Kunstmarkt neben seiner Galerietätigkeit zu zählen. So liegt nach der Entscheidung des LG München 1075 ein sachlicher Ausschlussgrund dann vor, wenn ein Galerist auch als Auktionator tätig ist. Die von dem Messeveranstalter aus den genannten Gründen, Gründung und Durchführung der Messe gerade als Gegenpol zum Versteigerungsgewerbe, über Jahre hinaus unwidersprochen praktizierte Nichtzulassung von Auktionatoren ist nach Auffassung des LG München auch bei der Durchführung der erforderlichen Abwägung nach den genannten Grundsätzen gerechtfertigt.1076 Dies entspricht dem Grundgedanken des GWB, dass sich niemand einer wirtschaftlichen Neuentwicklung, wie z.B. der Absatzwege, entgegenstellen darf. Und gerade im Rahmen des § 20 II GWB ist dieser Gesichtspunkt besonders zu berücksichtigen. Zwar erlauben grundsätzlich Sinn und Zweck einer Fachmesse nicht, die Zulassung von Ausstellern davon abhängig zu machen, dass sie bestimmte Vertriebswege einhalten. Jedoch soll jede Messe ein möglichst maßstabgerechtes Modell der absatzwirtschaftlichen Struktur des Wirtschaftsbereiches sein, an den sie sich wendet.1077 Dementsprechend kann ein Messeveranstalter, wie z.B. ein Kunsthändlerverband, bei einer von ihm veranstalteten Messe diejenigen Kunsthändler, die sich an einer konkurrierenden Vertriebsform, z.B. Kunstversteigerungen aktiv, direkt oder indirekt, beteiligen, als Aussteller ausschließen, wenn die Messe der Förde1075

LG München I, Urt. v. 23.10.1986 – 7 O.20 404/86 „Kunst- und Antiquitätenmesse“ in WuW/E LG/AG, S. 600.

1076

LG München I, Urt. v. 23.10.1986 – 7 O.20 404/86 „Kunst- und Antiquitätenmesse“ in WuW/E LG/AG, S. 600.

1077

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 914.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

rung des Kunsthandels gegenüber anderen Vertriebsformen dient und dieses Ziel durch die Teilnahme von Händlern, die beide Vertriebsformen betreiben, gefährdet würde.1078 Anerkannt ist dabei im GWB, dass ein selektiver Vertrieb aufgrund objektiv-qualitativer Kriterien unbedenklich ist, die sich aus der Eigenart des Produkts ergeben, wie z.B. nur Belieferung des Fachhandels. Hier fehlt es zur Feststellung einer Diskriminierung gegenüber dem ausgeschlossenen Nichtfachhändler bereits an der Voraussetzung des gleichartigen Unternehmens.1079 Unter Anwendung dieses Grundsatzes kann damit der Ausschlussgrund „Auktionator“ auch in die Allgemeinen Teilnahmebedingungen aufgenommen werden. So stellt eine Zulassungsbedingung, bei der nicht Aussteller zugelassen werden, die sich „öffentlich indirekt oder direkt als Versteigerer betätigen“ eine allgemeine Geschäftsbedingung dar, die nicht im Sinne von § 5 AGBG unklar ist. Indirekt betätigt sich als Versteigerer, der Auktionen wesentlich fördert.1080 Sogar im öffentlichen Recht ist dieser Grundsatz anwendbar. Speziell im Rahmen des § 70 GewO liegt auch in der (indirekten) Versteigerertätigkeit einer Galerie ein sachlich gerechtfertigter Grund für deren Ausschluss.1081 Dieser gerichtlich zugelassene Differenzierungsgrund der weiteren Tätigkeit auf dem Kunstmarkt in einem anderen Bereich hat aber darüber hinaus Gewicht, da die Disziplinierung von Ausstellern zugelassen worden ist, die hinsichtlich ihrer ursprünglichen und weiterhin überwiegenden Geschäftstätigkeit und Ausstellungsteilnahme alle positiven Anforderungen des Veranstalters erfüllen. Die Aufnahme einer zusätzlichen Tätigkeit in einem anderen Gewerbezweig, der Umsätze vom Kunsthandel auf Kunstmessen abzieht, wird als negative Zulassungsvoraussetzung anerkannt.1082 Problematisch ist insoweit, ob einer Galerie die Zulassung versagt werden kann, wenn sie nur Gemälde auf Auktionen versteigern lässt, d.h. Waren bei Auktionshäusern einliefert. Dies scheint aber nicht sachgerecht. Gerade Galerien müssen alle Absatzwege ansprechen, die für sie erreichbar sind. Während die Ablehnung eines Auktionshauses als Teilnehmer einer Messe noch aufgrund der zu treffenden Abwägung als sachgerecht zu bewerten ist, wird dies nicht mehr möglich bei einer Galerie, die nur Objekte über Auktionen veräußert. Schwierig

1078

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 in: EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

1079

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 396.

1080

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 in: EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

1081

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 in: EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

1082

OLG München, Urt. v. 13.10.1988 – U (K) 3912/88 in: EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

wird die zu treffende Abwägung, wenn eine Galerie nur gelegentlich Auktionen durchführt, also nicht professionell wie die großen Auktionshäuser, z.B. Sotheby’s und Christies. Eine Abwägung ist in diesem Fall dann aufgrund des Tätigkeitsschwerpunktes des Bewerbers zu treffen. Liegt dieser im Galeriebereich, so ist eine Ablehnung unbillig, liegt dieser dagegen im Auktionsbereich, so ist er sachgerecht, die Nichtzulassung sachgerecht. Somit bleibt festzuhalten, dass ein Bewerber dann abgelehnt werden kann, wenn er hauptsächlich im Auktionsbereich tätig ist. Eine Ablehnung verstößt dann gegen das Diskriminierungsverbot, wenn der Bewerber nur gelegentlich Auktionen durchführt oder nur Objekte in Auktionen einliefert.

c)

Auswahlmöglichkeiten bei Bewerberüberhang und begrenzter Platzkapazität

Sobald die Kapazität hinsichtlich des zu besetzenden Platzes geklärt, und im Vorfeld Bewerbern anhand der subjektiven Kriterien die Ablehnung der Bewerbung erklärt wurde, stellt sich für den Veranstalter und somit die Praxis die wichtige Frage, nach welchen Kriterien er eine Auslese treffen darf, wenn die Zahl der weiteren Bewerber die Ausstellerhöchstzahl übersteigt. Zu unterstreichen ist, dass dem Veranstalter eine Art „Steuerungsmöglichkeit“ zuerkannt wird. Es kann dabei unter Umständen möglich sein, dass die Verteilung der beschränkten Standplätze der Veranstalter vielmehr nach Qualitätsgesichtspunkten erfolgt.1083 Dabei ist unter den genannten rechtlichen Gesichtspunkten zunächst das Konzept des Veranstalters ausschlaggebend.1084

aa)

Die Einhaltung der Grundsätze des Diskriminierungsverbots

Wie schon im Rahmen der rein subjektiven und rein objektiven Auswahlkriterien ist der Veranstalter auch bei der Entscheidung der übrig bleibenden Galerien an die Grundsätze des Diskriminierungsverbots gebunden. Eine vorgenommene Vergabe der Messestände könnte daher nur wiederum dann als sachlich nicht mehr gerechtfertigt angesehen werden, wenn entweder das bei der Vergabe angewandte Verfahren oder die für die Auswahlentscheidung herangezogenen Kriterien unter Berücksichtigung der sich gegenüberstehenden Interessen als willkürlich beurteilt werden müssten 1085 bzw. keine billigenswerten Gründe maßgebend

1083

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

1084

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1085

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

293

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

gewesen wären.1086 Dies bedeutet, dass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot auch dann vorliegen kann, wenn eine Galerie zu einer Messe nicht zugelassen wird und dabei der Veranstalter die Zulassungskriterien nicht gleichmäßig und nicht willkürfrei angewendet hat und wenn er die Nichtzulassung nicht ausreichend oder widerspruchsvoll begründet hätte.1087 Dies gilt umso mehr, wenn ein Zulassungskriterium seinerseits nicht den Anforderungen des § 20 Abs. 2 GWB genügen würde.

aaa)

Einhaltung der Verpflichtung zur optimalen Ausnutzung der Messehallen

Auch wenn ein Messeveranstalter grundsätzlich das Recht hat, seine Messekapazitäten nach freiem Ermessen in verschieden große Boxen zu ordnen, und unterschiedlich große Stände vergeben kann, so ist es ihm aber verwehrt, aufgrund reiner Willkür Platz frei zu lassen, nur um Galerien mit dem Argument abzuweisen, die Halle sei belegt. Dabei ist es ihm nicht genommen, die Hallenkapazität insgesamt durch z.B. Stellwände zu verkleinern, um der Messe ein geordnetes Bild zu geben, oder Freiflächen für ein besucherfreundliches Ambiente durch z.B. Bänke zum Ruhen oder für Dekorationen zu schaffen. Es widerspricht den Grundsätzen des Diskriminierungsverbots, bewusst Freiraum zu schaffen, um die Bewerbung von Galerien ablehnen zu können. Diese Möglichkeit ist einem Veranstalter, soweit auf ihn das Diskriminierungsverbot Anwendung findet, genommen. Vielmehr ist er verpflichtet, den vorhandenen Raum so optimal zu nutzen, dass die von den Bewerbern in Anspruch genommene Fläche zugeteilt werden kann, ohne willkürlich ohne weitere Begründung freie Flächen übrig zu lassen. Denn das marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen ist in einem solchen Falle nicht befugt, nur den Bedarf eines Teils der Nachfrage zu decken und andere gleichartige Unternehmen auszuschließen. Es ist vielmehr gehalten, die Nachfrage anteilig zu befriedigen und nach sachgerechten Gesichtspunkten zuzuteilen.1088 Hierbei kann es seine Pflicht sein, bei abgelehnten Bewerbern, deren Platzansprüche aufgrund des zu geringen Restraums nicht mehr befriedigt werden können, auf die Möglichkeit der Zulassung mit einem kleineren Stand hinzuweisen, und diesen ihnen anzubieten. Diese Pflicht besteht aber nur, wenn die Bewerber diese Möglichkeit der kleineren Box auf der Bewerbung schon angegeben haben. Es kann nicht in seinen Tätigkeitsbereich fallen, sämtliche wegen Platzmangel abgelehnten Bewerber auf die Möglichkeit des kleineren Standes hinzuweisen. 1086

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

1087

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554.

1088

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 86.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Manchmal haben Kunstwerke einen bestimmten Platzbedarf, insbesondere Installationen, und Galerien wollen oft auf Messen ihren vorgefertigten Stand benutzen oder ein bestimmtes Bild darbieten. Diese Umstände kann ein Veranstalter nicht wissen, und es ist ihm aufgrund des zusätzlichen massiven Tätigkeitsaufwandes nicht zumutbar, ständig Rückfrage zu halten. Jedoch wenn im Vorfeld schon eine Galerie zur Kenntnis gegeben hat, auch mit geringerem Platzbedarf sich begnügen zu können, hat er, aufgrund der Verpflichtung zur optimalen Ausnutzung der Hallenkapazitäten, diesem Bewerber die Möglichkeit mitzuteilen und im weiteren bei Zusage den Stand zuzuteilen.

bbb) Möglichkeit des Freihaltens von Restraum für evtl. Notfälle Auch wenn der Veranstalter die Pflicht zur optimalen Raumausnutzung innehat, kann es gerechtfertigt sein, Freiraum zu behalten. Dies ist aus sachlich nachvollziehbaren Gründen möglich, wie z.B. die Schaffung von Ruheraum für Besucher, der Möglichkeit von Dekorationen oder für die Möglichkeit einer großzügigen Atmosphäre einer Messe. Ein weiterer sachlich gerechtfertigter Aspekt ist das Freihalten von Restraum für eventuelle Notfälle, wie z.B. noch schwebende gerichtliche Verfahren um einen Standplatz, um nicht schadenersatzpflichtig zu werden. Das VG Stuttgart hat im Rahmen des öffentlichen Rechts entschieden, dass aus einer Reservefläche, die für Maßschwierigkeiten, wie überstehende Kojen, etc, zurückgehalten worden war, ein Bewerber dann befriedigt werden müsste, solange dies technisch machbar sei.1089 In Anwendung dieser Grundsätze auf das GWB und im Umkehrschluss ergeben sich drei Aspekte. Erstens ist sachgerecht, dass ein Veranstalter Restraum freihält, um bei Maßschwierigkeiten von falsch zugewiesenen Kojengrößen reagieren zu können, zweitens kann er den Raum noch bis zum Ende von noch ausstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen freihalten und drittens ist er aber verpflichtet, den nicht mehr benötigten Raum, wenn alle Probleme behoben sind, noch zu verteilen, solange dies technisch möglich ist. Hierbei ist außerdem zu beachten, dass ein Veranstalter best. Raum nicht von vornherein nicht zur Bewerbung ausschreiben muss, um ihn für besonders qualifizierte potentielle Messeteilnehmer vorzureservieren. Dies wird bedingt durch die Autonomie der freien Gestaltung des äußeren Rahmens und betrifft den Umstand, dass er das Niveau der Messe sichern will, indem er versucht, sowohl die nationalen als auch internationalen gefragtesten Galeristen zu gewinnen und ihnen schon im Vorfeld eine Koje reserviert. Er muss aber, wie dargelegt, für den Rest der freien Stände ein Verfahren zur sachgerechten Verteilung vorsehen 1090 und für die noch freiwerdenden Plätze eine Verteilung vornehmen. 1089

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 151.

1090

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 86.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

bb)

Die Auswahlkriterien

Nachdem die bisherigen Kriterien bei begrenzter Kapazität eher das Verhalten des Veranstalters in Bezug auf die Räumlichkeiten betrafen, kommen daneben noch weitere Auswahlgründe in Betracht, die das Verhältnis Veranstalter – Bewerber betreffen. Diese sind durch den Umstand geprägt, dass ein Veranstalter unter den übrig gebliebenen Bewerbern eine Auswahl treffen möchte, nach der diejenigen Galerien dann auf der Kunstmesse vertreten sind, die seiner Ansicht nach „am besten“ in das Bild der Messe und zu der Klientel und dem Anspruch der Messe passen.

aaa)

„Bekannt und bewährt“

Das wohl bekannteste und am meisten in der Rechtsprechung diskutierte und abgewogene Merkmal für die Frage der Zulassung zu einer Veranstaltung, sei es im Rahmen des öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Bereichs, ist das Kriterium „bekannt und bewährt“. Das OLG Celle stellte schon in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 fest, dass es aus kartellrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden sei, wenn ein Veranstalter einer Kunstmesse zur Wahrung des Ranges der Messe einen großen Teil der zur Verfügung stehenden Ausstellungsplätze an diejenigen ständigen Aussteller vergeben würde, die durch die gleich bleibende hohe Qualität ihrer Angebote das Niveau der Messe bestimmen, so dass für neue oder nicht regelmäßige Aussteller nur eine begrenzte Anzahl von Ausstellungsständen übrig bleiben würde.1091 Diese Auffassung wurde jedoch in der Vergangenheit öfters beanstandet, wenn nicht sogar abgelehnt. Dabei wurde die Meinung vertreten, dass eine Auswahl nach den Kriterien „bekannt und bewährt“ mit den Voraussetzungen des Kartellerchts nicht vereinbar sei. Denn das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot würde strengere Anforderungen an die Vergabe knapper Stellplätze als die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zum öffentlichen Recht stellen.1092 Ob, und inwieweit dieses Merkmal „bekannt und bewährt“ im Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nun Anwendung finden kann, bedarf daher einer näheren Erörterung.

(1)

Das Merkmal im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung

Einen ersten Überblick über die später zu treffende Interessensabwägung und Differenzierung gibt die bisherige Rechtsprechung der Gerichte. Der BGH stellte 1091

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3899.

1092

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

1987 in seinem Urteil „Krankentransporte“ fest, dass es bei einer Interessensabwägung sachgerecht und nicht willkürlich ist, wenn eine Firma, bzw. ein Nachfrager, erhebliche Vorteile hat, und sie nutzen darf, wenn er eine bewährte Zusammenarbeit fortsetzt. Dabei trifft ihn im Allgemeinen keine Verpflichtung, die von ihm benötigten Waren und Leistungen in der Weise nachzufragen, dass jeder Anbieter einen seiner Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern entsprechenden Anteil an den zu vergebenden Aufträgen erhält.1093 Schon im Jahre 1986 wurde entschieden, dass ein Veranstalter einer Kunst- und Antiquitätenmesse zur Wahrung des Ranges der Messe einen großen Teil der zur Verfügung stehenden Ausstellungsplätze an diejenigen ständigen Aussteller vergeben darf, die durch die besonders gleich bleibend hohe Qualität ihrer Angebote das Niveau der Messe bestimmen.1094 Damit durften zur Wahrung des Ranges der Messe Aussteller auch Kojen erhalten, die durch gleich bleibend hohe Qualität aufgefallen sind und das Niveau der Messe mitbestimmt haben.1095 Folgerichtig urteilte schon das OLG Koblenz 1987 in seinem Urteil „Dürkheimer Wurstmarkt“, dass die Praxis, auf bekannte und bewährte Schausteller bevorzugt zurückzugreifen, von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gebilligt und unter dem Blickwinkel des § 26 II GWB a.F. unbedenklich ist.1096 In den ergangenen Entscheidungen ist dabei der Trend erkennbar, dass das Merkmal „bekannt und bewährt“ ohne weitere Schwierigkeiten auf den Tatbestand des Diskriminierungsverbots anwendbar erscheint.

(2)

Die Merkmale im Rahmen einer Beurteilung nach der GewO und den öffentlich-rechtlichen Grundsätzen

Weitaus mehr Rechtsprechung findet sich im Rahmen der Zulassung zu öffentlich-rechtlichen Veranstaltungen, wie zu Volksfesten oder Märkten. So urteilte 1976 das Bundesverwaltungsgericht, dass es unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG keine Verletzung dessen darstellt, wenn die Auswahl unter den Gesichtspunkten „bekannt und bewährt“ getroffen wird. Denn der Gleichheitsgrundsatz 1097 gebietet keine abwechselnde

1093

BGH, Urt. v. 26.05.1987 – KZR 13/85 „Krankentransporte“ in: BGHZ 101, S. 72, S. 82.

1094

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897.

1095

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ abrufbar unter: juris – online (12.12.2001).

1096

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 698.

1097

Lässig, Curt Lutz, „Die Vergabe von Standplätzen auf kommunalen Volksfesten“ in: NVwZ 1983, S. 18, S. 19; VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Zulassung oder gar eine Auslosung unter den Bewerbern. Die erprobte Eignung stellt einen sachgemäßen Auswahlgesichtspunkt dar. Dabei ist sie gerechtfertigt durch verschiedene Sicherheitserfordernisse 1098, wie z.B. Aspekte beim Aufbauen und Abräumen der Gerätschaften zu Beginn und Ende der Veranstaltung. Diese Argumente sprechen dafür, bekannten und bewährten Unternehmen, deren Zuverlässigkeit erprobt ist, den Vorzug zu geben.1099 Dabei ist die erforderliche Sicherheit und ein störungsfreier Betriebsablauf bei bekannten und gerade auf der speziellen Veranstaltung bewährten Ausstellern eher geleistet ist als bei Unbekannten. Weiter sprechen für dieses Prinzip der geringere Verwaltungsaufwand und das Interesse der Besucher an traditionellen Ausstellern.1100 Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG, wenn z.B. eine Gemeinde als Veranstalter eines Volksfestes die wegen Platzmangels gebotene Auswahl unter den sich um Zulassung zum Volksfest bewerbenden Gewerbetreibenden aus sachlichen Erwägungen nach dem Bekanntheits- und Bewährungsgrad der Bewerber vornimmt 1101 und damit nach dieses Prinzip verwendet.1102 Das Kriterium ist sachgerecht und die Zurückweisung von Interessenten, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot. Darüber hinaus ist z.B. der Urteilsbegründung des VG Augsburg 1103 zu entnehmen, dass nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch dem besonderen Bekanntheits- und Bewährungsgrad solcher Unternehmen, die auf einem bestimmten Volksfest schon bisher zur Gewerbeausübung zugelassen waren, eine derartige Bedeutung zukommt, dass sie – ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz – gegenüber solchen Bewerbern bevorzugt werden können, die sich – mangels Zulassung – auf der betreffenden Veranstaltung noch nicht bewähren konnten. Es mag zwar gegen die persönliche Zuverlässigkeit der neuen Bewerber und ihrer gewerblichen Tätigkeit bei anderen Gelegenheiten auch nichts einzuwenden sein, aber Gelingen und Attraktivität einer Veranstaltung als solche sind bei der Zulassung gewerblicher Betätigung gebührend in Rechnung zu stellen und können bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern nicht unberücksichtigt bleiben. Gerade unter diesen Gesichtspunkten erscheint es sachge-

1098

BVerwG, Urt. v. 18.02.1976 – VIII C 14.75 m. Anm. von Rother, Heinz in: GewArch. 1976, S. 379, S. 381.

1099

BVerwG, Urt. v. 18.02.1976 – VIII C 14.75 m. Anm. von Rother, Heinz in: GewArch. 1976, S. 379, S. 381.

1100

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120, S. 121.

1101

BVerwG, Beschl. v. 14.09.1981 – 7 B 217/80 in: NVwZ 1982, S. 194.

1102

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120; Hitzler, Gerhard (München), „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 363.

1103

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 339.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

recht und keineswegs willkürlich, wenn der Veranstalter im Bereich von Sparten, in denen ein Überangebot besteht, an einem Stamm altbewährter, in regelmäßiger Wiederkehr zugelassener Unternehmer festhält. Damit kann das bei der Vergabe von Marktständen zuständige Marktamt berücksichtigen, ob das zuzulassende Unternehmen in Bezug auf den Betrieb und die Ordnungsmäßigkeit seiner Betriebsführung bekannt ist und daher den Sicherheitsanforderungen sowohl während des Betriebes als auch beim Auf- und Abbau genügt. Zwar darf die Tatsache allein, dass ein Aussteller schon mehrere Jahre an der Veranstaltung teilgenommen hat, für die Verteilung der Standplätze nicht entscheidend sein. Denn unerlässlich ist in jedem Fall, dass das angewandte Ausleseverfahren objektiv, in der Wirkung nicht diskriminierend und für alle Beteiligten transparent ist.1104 Dessen ungeachtet ist es aber nicht sachwidrig, wenn die Behörde Unternehmen, deren Eignung für den Marktverkehr in der Vergangenheit erprobt ist, anderen Bewerbern um einen Stand vorzieht.1105 Bekanntermaßen bevorzugen viele Veranstalter solche Aussteller, mit denen sie lange, zum Teil schon seit Generationen, zusammenarbeiten. Dieser Aspekt wurde von den Gerichten für zulässig erklärt. Hierdurch wird nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Denn es ist zu befürchten, dass bei der Zulassung weiterer Bewerber eine Minderung der Qualität des Angebots eintritt, weil bei anderen Systemen mit einer Vielzahl weiterer Bewerber gerechnet werden müsse, deren Qualifikation meist erst im nachhinein sicher beurteilt werden kann. Es muss vielmehr einem Veranstalter erlaubt sein, auf bewährte und eingeführte Qualität zu bauen und nicht ein unnötiges Risiko einzugehen. Ein Zwang z.B. zur turnusmäßigen Zulassung aller persönlich nicht unzuverlässigen, im Rahmen der konkreten Veranstaltung aber nicht hinreichend erprobten Gewerbetreibenden würde dem Veranstalter nicht unerhebliche Risiken in Bezug auf die Qualität des Angebots und die Abwicklung des Benutzungsverhältnisses überbürden, von einem erheblichen Maße an Verwaltungsaufwand ganz abgesehen. Weiter ist das Besucherinteresse zu berücksichtigen, vertraute und beliebte Aussteller aus früheren Veranstaltungen wiederzufinden 1106, dass ein höheres Gewicht hat als das Interesse von Neubewerbern, ihnen ohne weiteres die kommerziellen Vorteile durch eine Zulassung zu erschließen. Es ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Auswahlgrund „bekannt und bewährt“ vorher festgelegt werden muss, wenn er angewendet werden soll. Gleich-

1104

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

1105

BVerwG, Beschl. v. 14.09.1981 – 7 B 217/80 in: NVwZ 1982, S. 194.

1106

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 151.

299

300

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

zeitig hat die Rechtsprechung nicht festgestellt, dass der bekannte und bewährte Aussteller einen bevorzugten Zulassungsanspruch innehat. Die Gerichte haben vielmehr ausgeführt, dass die Bevorzugung bekannter und bewährter Aussteller keinesfalls die einzig denkbare rechtmäßige Lösung wäre, sondern dass auch andere sachgerechte und willkürfreie Lösungen existieren. Die Auswahl unter derartigen, einander rechtlich gleichwertigen Lösungen zu treffen, obliege dann, unbeschadet des grundsätzlichen Zulassungsanspruchs des einzelnen Bewerbers, der Entscheidung durch den Veranstalter. Im Übrigen dürfe gerade bei anderen Prinzipien, wie z.B. einem rollierenden System, die Berücksichtigung von neuen Bewerbern in der Praxis nicht dazu führen, dass alteingesessene Anbieter immer gegenüber den jeweiligen Neulingen den Kürzeren ziehen. Denn in diesem Falle wäre die Marktfreiheit wiederum in erheblicher Weise beeinträchtigt, diesmal zu Lasten der Alteingesessenen, welche dann überhaupt nicht mehr zugelassen würden, solange immer wieder ein Neuling auftrete.1107 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass zwar ein Veranstalter das Merkmal als Auswahlkriterium benutzen darf, aber umgekehrt diesem Kriterium bei der Zulassungsentscheidung kein derart entscheidendes Gewicht zukommt, dass ein bewährter Bewerber ein Recht auf bevorzugte Berücksichtigung fordern kann.1108 Es setzte sich auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung durch, dass sich der Bekanntheitsgrad nach örtlichen Gegebenheiten richten kann. So kann unter dem als Auswahlkriterium „bekannt und bewährt“ demjenigen, der sein Gewerbe ausschließlich vom Gemeindegebiet aus betreibt, bei Vorliegen von im übrigen gleichen Voraussetzungen der Vorzug vor einem Bewerber gegeben werden, der nur einen Teil seiner gewerblichen Betätigung von der Gemeinde aus verrichtet. Sein Bekanntheitsgrad wird in aller Regel den eines Gewerbetreibenden übertreffen, der nur mit einem Teil seiner gewerblichen Betätigung in der Gemeinde verankert ist.1109 Es kann somit festgehalten werden, dass der Grundsatz „bekannt und bewährt“ im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Bereichs bei der Auswahl der Bewerber eine Rolle spielen darf, ohne dass der Veranstalter damit gegen das Gebot der sachlichen Differenzierung oder das Willkürverbot verstößt. Denn für das Prinzip lassen sich unter Berücksichtigung sachliche Gesichtspunkte finden, die seine Anwendung rechtfertigen. Als tragfähig erweist sich die Überlegung, dass die erforderliche Sicherheit und ein störungsfreier Betriebsablauf bei bekannten und gerade auf der Veranstaltung bewährten Ausstellern eher gewährleistet ist als bei unbekannten. Weiter sprechen für dieses Prinzip der geringere Verwaltungsauf-

1107

Schalt, Thomas, a.a.O. S. 152.

1108

OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4142.

1109

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

wand und insbesondere das Interesse der Besucher an einem traditionellen Bild der Veranstaltung, zu dem außer Neuheiten gehört, beliebte Aussteller am gewohnten Ort wieder zu finden.1110 Diese Rechtsprechung kann mittlerweile als gesichert angesehen werden und hat sich in der öffentlich-rechtlichen Praxis durchgesetzt.

(3)

Die Vergabe von Dauerstandplätzen

Das Merkmal „bekannt und bewährt“ findet eine weitere Ausgestaltung in der Vergabe von Dauerstandplätzen. Hierbei wird einer bekannten und bewährten Galerie nicht nur die Wiederzulassung garantiert, sondern gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, den „angestammten Platz“ wieder zu erhalten. Dies stellt einen wirtschaftlich hohen Wert dar, denn die potentiellen Käufer finden diese Galerie jedes Jahr an der gleichen Stelle wieder, sofern nicht der Raum, d.h. die Messehalle, verlegt wurde. Es ergibt sich eine Kontinuität, deren wirtschaftlicher Wert nicht zu unterschätzen ist. Besucher der Galerie müssen nicht den Hallenplan zu Rate ziehen, und werden nicht auf dem neuen, unbekannten Weg zu neuen Galerien geführt, sondern sie können zielstrebig und bewusst „ihre“ Galerie aufsuchen. Insofern findet hierbei diese Form der Vergabe von Standplätzen den größten Zulauf von Galerien. So ist es im Rahmen des – auf private und öffentlichrechtliche – Veranstaltungen gleichermaßen anzuwendenden § 70 GewO zulässig, ständigen Ausstellern von Märkten Dauerstandplätze zuzuweisen, solange der Zugang für neue Bewerber im Rahmen eines sachgerechten Auswahlverfahrens erhalten bleibt.1111 Mit der Vergabe von Dauerstandplätzen macht daher ein Veranstalter im Grundsatz einen fehlerfreien Gebrauch von seinem Organisationsrecht. Denn die Einrichtung von Dauerstandplätzen ist sachgerecht. Sie liegt im Interesse des Besuchers, der seine gewohnten und vertrauten Galeristen schnell stets an deren Stammplatz finden möchte und ein gewisses Niveau erwartet.1112 Außerdem liegt es im Interesse des Veranstalters, weil er dadurch die Kontinuität des Marktes im Hinblick auf das Warenangebot und die Nachfrage von Seiten der Verbraucher sichert, und es den Verwaltungsaufwand bei der Verteilung der Flächen wesentlich verringert. Schließlich liegt es im Interesse der Aussteller, da Sie sich auf die jeweilige Situation einstellen 1113 und durch die ständige Belegung des gleichen Platzes Geld und Zeit bei der Vorbereitung auf die Messe sparen, und sich gleichbleibend den Besuchern präsentieren können. Bekanntlich widerspricht es den Gepflogenheiten des Messepublikums, sich auf einen neuen Standplatz eines

1110

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120, S. 121.

1111

OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 – OVG Bf VI 12/86 in: GewArch 1987/9, S. 303, S. 304.

1112

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120, S. 121.

1113

OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 – OVG Bf VI 12/86 in: GewArch 1987/9, S. 303, S. 304.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Ausstellers einzustellen. Oftmals kann bei einer Umstellung der Standorte sogar ein Rückgang der Geschäftsabschlüsse verzeichnet werden.1114 Die Vergabe von Dauerplätzen darf nicht dazu führen, dass diejenigen Bewerber, die nicht über einen Dauerstand verfügen, von der Teilnahme auf Dauer praktisch ausgeschlossen sind. Solange ausreichend Platz ist, um neben den Inhabern von Dauerstandplätzen sämtliche sonstigen Bewerber zu berücksichtigen, ergibt sich kein Problem. Die Vergabe von Dauerstandplätzen findet aber dort ihre Grenze, wo sie dazu führen würde, dass neue Bewerber ohne ausreichenden sachlichen Grund abgewiesen werden müssten. Das heißt, mit der Vergabe von Dauerstandplätzen darf das in der Sache gebotene Auswahlverfahren im Falle von Platzmangel nicht umgangen oder unmöglich gemacht werden. Hieraus folgt, dass die Vergabe von Dauerstandplätzen ihrerseits nach sachgerechten Kriterien zu erfolgen hat, dass also bei mehreren Dauerstandplatzbewerbern eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung erfolgt, und dass die Aufrechterhaltung der Dauerstandplätze nicht zu einer ermessensfehlerhaften Abweisung von Neubewerbern führen darf.1115 Weiter kann die Vergabe von Dauerstandplätzen noch von anderen Umständen abhängig gemacht werden. So behindert ein Messeveranstalter die Bewerber um einen Dauerstandplatz nicht unbillig, wenn er die Vermietung von Dauerstandplätzen nicht allein von der Zahlung eines Mietzinses abhängig macht, sondern, wie es z.B. in der Kündigungsregelung der Vertragsbedingungen zum Ausdruck kommen kann, auch auf die Leistungs- und Zahlungsfähigkeit des Ausstellers abstellt. Der Veranstalter, der im Verhältnis mit anderen Messeausrichtern steht, muss nämlich Sorge tragen, dass seine Messe höchstes Ansehen und Anziehungskraft bei Ausstellern und Besuchern erzielt. Eine solche Attraktivität seiner Veranstaltung wird er daher nur gewährleisten können, wenn er lediglich leistungsstarke Unternehmen zur Ausstellung zulässt. Überdies können insolvente Unternehmen sogar den Ruf der Veranstaltung schädigen.1116 Es bleibt damit festzuhalten, dass die Vergabe von Dauerstandplätzen, auch im Rahmen einer Kunstmesseveranstaltung, sachlich gerechtfertigt ist. Nicht nur, dass als besondere Ausprägung der Wiederzulassung eines bekannten und bewährten Ausstellers für alle drei Beteiligten einer Messe-Veranstalter, Aussteller und Besucher – nachvollziehbare Gründe existieren. Es konnte den Argumenten, die für die Vergabe von Dauerstandplätzen sprechen, im Rahmen der zu treffenden Abwägung der Vorzug gegeben werden. Überdies kann ein Veranstal-

1114

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3151.

1115

OVG Hamburg, Urt. v. 04.11.1986 – OVG Bf VI 12/86 in: GewArch 1987/9, S. 303, S. 305.

1116

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3151.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

ter durch eine solche Vergabe diejenigen Galerien bevorzugen, die ihm in schlechteren Zeiten die Treue halten, und so auch zum dauerhaften Erhalt der Messe beitragen, und im Bereich der Kunstmessen dauerhaft qualitative Kunst präsentierten, so dass hierdurch auch der Ruf der Kunstmesse gesichert wurde und für die Zukunft gesichert wird. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich Messen verändern, und gerade in der jetzigen Zeit sind einige Wechsel zu verzeichnen. So ist die Art Frankfurt in eine andere Messehalle gezogen, und auch der Art Cologne steht in den nächsten zwei Jahren ein großer Wechsel des Standortes bevor, der zu einer Veränderung der Kojen führen wird. Auch können Änderungen des Konzepts der Messe, welches sich gerade bei Kunstmessen öfters ändern kann, zu einer Umverteilung führen, und so Dauerstandplätze wieder neu entstehen.

(4)

Fazit und Lösungsvorschlag

Das Kriterium „bekannt und bewährt“ hat sich in der öffentlich-rechtlichen Praxis durchgesetzt und wird von den Gerichten gebilligt. Dieses Kriterium kann auch in das Kartellrecht übernommen werden, da überdies das Merkmal meist wirtschaftlichen Gesichtspunkten sogar entspringt. Eine Auswahl nach dem Kriterium „bekannt und bewährt“ ist im Rahmen des § 20 II 1 i.V.m. I GWB zulässig und unter dem Aspekt der zu treffenden Interessensabwägung als unbedenklich einzustufen.1117 Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Anwendung des Merkmals nicht zu einer Abschottung des Marktes gegenüber Neubewerbern führen darf, da diese per se durch die permanente Nichtzulassung nie „bekannt und bewährt“ werden könnten. Es muss somit, wie von der Rechtsprechung gefordert, eine gewisse Quotenregelung eingeführt werden, um den Voraussetzungen des freien Wettbewerbs noch gerecht werden zu können. Dies gilt aber nur solange, wie sämtliche Standplätze einer Kunstmesse aufgrund des Kriteriums „bekannt und bewährt“ vergeben werden. Solange Plätze nicht unter Zuhilfenahme des Kriteriums vergeben werden, sondern andere Aspekte zum Tragen kommen, bei denen neue Bewerber die gleichen Startchancen wie altbekannte Bewerber haben, ist kein Freihalten von Raum für Neulinge erforderlich. Aber nicht nur dem Veranstalter persönlich bekannte und bewährte Aussteller können in den Genuss der Bevorzugung durch dieses Auswahlkriterium kommen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob sich dass Merkmal nicht nur veranstaltungsspezifisch, sondern auch auf vergleichbare Veranstaltungen beziehen könnte. Dies würde bedeuten, dass ein Veranstalter das Merkmal dann zur Anwendung bringen könnte, wenn sich ein Aussteller zwar nicht auf den eigenen, sondern auf fremden Messen bewährt hätte, und der Veranstalter aufgrund des Rufs des Ausstellers diesem den Vorrang vor anderen gewähren würde. Im Rah1117

OLG Koblenz, Urteil v. 13.07.1987 – U 1311/86 (Kart.) „Dürkheimer Wurstmarkt“ in: WuW/E 8/1990, S. 695, S. 698.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

men der Abwägung ist es sachgerecht und befriedigt die Interessen aller Beteiligten und den Sinn und Zweck des § 20 II 1, I GWB, wenn ein Veranstalter das Kriterium „bekannt und bewährt“ insoweit auf andere Veranstaltungen anwendet, soweit diese in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit stehen. Dies gilt sowohl wenn er als Veranstalter der anderen Messe auftritt als auch dass er in Kooperation mit einer anderen Kunstmesse steht. So könnte der Veranstalter der TEFAF in Maastricht bekannte und bewährte Aussteller der Kunst- & Antiquitätenmesse Pan Amsterdam aufgrund des Merkmals zulassen, da er die letztere mitveranstaltet.1118 Die Bekanntheit und Bewährtheit fremder Messen kann dagegen nicht als Auswahlkriterium dienen, da in diesen Fällen ein Veranstalter sich rein auf die Aussage eines dritten Veranstalters verlassen müsste und ein Aussteller keinerlei Möglichkeit hätte, gegen die Bewertung des Dritten vorzugehen. Hierdurch würde der Sinn und Zweck des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgehöhlt, der Wettbewerb also behindert. Somit kann das Merkmal nur im weiteren Sinne ausstellungsspezifisch verstanden werden.

bbb) Renommee und Internationalität der Galerie Weitere, oft zitierte und umstrittene Merkmale, sind die Auswahlkriterien „Renommee“ und „Internationalität“, entweder separat oder in Kombination verwendet. So könnte es als möglich erscheinen, die Zulassung zu einer Messe auch auf einer Beurteilung der Qualität der Galerie zu gründen. In Köln wird z.B. auf die Internationalität und Marktpräsenz der angemeldeten Künstler abgestellt.1119 Das LG Frankfurt urteilte im Jahre 1989 in Bezug auf die Art Frankfurt 89, dass es nicht als willkürlich anzusehen ist und somit nicht zu beanstanden sei, dass ein Veranstalter etwa 200 Galerien von sich aus anschreibt, um das Ansehen der Messe durch die Anwesenheit „renommierter“ Namen zu heben. Dieses angewandte Verfahren kann gleichfalls nicht als willkürlich angesehen werden.1120 Indirekt billigte das erkennende Gericht damit das Kriterium „Renommee“ als Auswahlgrund. Das „Renommee“ ist gleichbedeutend mit dem Ruf oder auch Ansehen.1121 Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, ob das Merkmal des Renommees überhaupt als Auswahlkriterium geeignet ist.

1118

Beispielhaft könnte sich eine Anwendung auch für die von der Art Basel durchgeführt Art Basel Miami Beach ergeben.

1119

Peters, Louis, „Haben Galeristen einen Anspruch auf Zulassung zu einer Kunstmesse?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

1120

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652.

1121

Goldmann Lexikon, Bertelsmann Verlag, Gütersloh, 1998, Band 18, S. 8153.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Es steht in Frage, ob durch die Beurteilung des Renommees einer Galerie einem Veranstalter der Vorwurf gemacht werden kann, willkürlich gehandelt zu haben. Problematisch an diesem Kriterium ist der Umstand, dass es weder messbar ist, noch an einem einzigen tatsächlichen Merkmal festgemacht werden kann. Es steht damit im völlig freien Ermessen der Auswahljury einer Kunstmesse, ob sie eine Galerie für genügend renommiert hält. Oft wird das Renommee mit einer internationalen Komponente vermengt. Dies bedeutet, dass es sich um einen international renommierten Künstler handeln müsste, wenn die Galerie, die diesen Künstler vertritt, zu der Kunstmesse zugelassen werden sollte. So urteilte das LG Köln in einem Urteil aus dem Jahre 2001, dass es zwar nicht eine Bewertung der künstlerischen Qualität vornehmen könne, aber die Möglichkeit der Überprüfung der Tatsache, ob ein Künstler international renommiert sei, innehabe. Denn diese internationale Bedeutung sei feststellbar, anhand getätigter Ausstellungen, verliehenen Preisen, etc.1122 Schwierig ist dabei, dass die Internationalität von Künstlern, bzw. deren internationaler Ruf, kaum feststellbar ist. Es steht in Frage, ob eine Ausstellungstätigkeit in einer nicht nationalen Stelle oder einem ähnlichen Ort ausreicht, um die Internationalität zu bejahen. Genügt eine in einer amerikanischen Zweigstelle einer Bank durchgeführte Ausstellung oder muss es eine Ausstellung in dem Museum of Modern Art in New York sein? Diese Fragen können nicht gelöst werden, es gibt gerade keine Kriterien, ab welchem Zeitpunkt ein Künstler „international renommiert“ bezeichnet werden darf und kann. Kann es langen, dass ein Künstler im Ausland bekannt ist, d.h. ob seine Werke von nicht nationalen Käufern nachgefragt werden? Obgleich dies zwar anhand mancher Verkaufslisten von Galerien und Auktionshäusern festgestellt werden könnte, kann dies nicht zufrieden stellen. Auch der Hinweis auf internationale Aussteller kann nicht zu einem Ausschluss führen. International kann in diesem Sinne nur bedeuten, dass der Aussteller an einer „international“ renommierten Messe teilgenommen haben müsste, um an der „internationalen“ Messe eines Ausstellers, wie der Art Cologne, teilnehmen zu können. Dies würde zu dem irrwitzigen Ergebnis führen, dass ein Aussteller von einer „internationalen“ Messe immer mit dem Hinweis abgelehnt werden könnte, er hätte noch nie an einer solchen teilgenommen, was zu einer endlosen Schleife führen würde, mit dem Ergebnis entweder der endgültigen Verweigerung auf Dauer, oder dass die Zulassung davon abhängt, dass eine ausländische „internationale“ Messe ihn zuerst zulassen müsste. In diesem Falle wäre die Zulassung letztlich davon abhängig, dass eine ausländische Stelle über die Erfüllung der Voraussetzung entscheiden würde. Dies kann aber nicht der Fall sein. Wie der BGH schon in seinem Urteil von 1974 festgestellt hat, stellt es eine 1122

LG, Köln, Urt. v. 21.09.2001 – Az.: 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 16.

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306

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Schwierigkeit dar, eine Internationalität festzustellen. Jedoch kann es nicht sein, dass ein Erfordernis der internationalen Anerkennung dazu führen darf, dass über die Zulassung zu einer nationalen Kunstmesse eine ausländische Stelle zu befinden hat. Dies liegt nicht im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.1123 Insofern kann das Auswahlkriterium „internationales Renommee“ keine Geltung beanspruchen. Denn einerseits ist es für die Gerichte nicht nachprüfbar, inwieweit ein Künstler international renommiert ist oder nicht. Auch wenn von Gerichten gelegentlich Ansätze zu der Überprüfung des internationalen Renommees existieren, so weichen diese Entscheidungen dennoch dem Problem aus und stellen oft nur dar, dass das Auswahlgremium verschiedene Aspekte nicht berücksichtigen würde, was zu einer Nachprüfung der Auswahlentscheidung letztendlich führt. Andererseits ist es, wie dargelegt, nicht zulässig, dass die Entscheidung durch ausländische Stellen getroffen werden kann. Ungeachtet dessen ist selbstverständlich das Renommee eines Künstlers, oder eines Kunstwerks sehr bedeutend. Nicht nur, dass für den Künstler der Rang des Sammlers wichtig ist, sondern auch für den Sammler der Rang des Händlers.1124 Neben dem Renommee ist die Provenienz eines Kunstwerkes von großer Bedeutung. Dabei ist zu beachten, dass die Provenienz eines Kunstwerkes noch messbar ist, ein Renommee, nicht zu verwechseln mit der Qualität, nicht. Dieses stellt etwas gänzlich anderes dar. Das Renommee, der Ruf, ist nicht messbar. Gemäß den Voraussetzungen des Tatbestandes des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen muss aber jede Willkür vermieden werden. Daher stellt nur das Renommee allein, der Ruf, etwas nicht konkret Fassbares und somit kein geeignetes Auswahlkriterium dar.

ccc)

Ausstellungstätigkeit der Galerie

Aber auch die Ausstellungstätigkeit einer Galerie kann als Auswahlgrund in Frage kommen. Hierbei kann man zwischen der geplanten Ausstellung auf der Kunstmesse, dem Programm für den Auftritt auf der jeweiligen Veranstaltung, und der bisherigen Ausstellungstätigkeit unterscheiden.

(1)

Geplanter Auftritt auf der Kunstmesse

Im Jahre 1986 urteilte das OLG Celle, dass an Bewerbungsunterlagen hohe Anforderungen gestellt werden könnten. So könne ein Zulassungsausschuss es als nicht ausreichend ansehen, wenn der Bewerber sich lediglich mit der Erklärung vorstellt, sein Angebot umfasse im wesentlichen Porzellan und Gemälde, in 1123

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282, S. 289.

1124

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 189.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

beiden Gebieten liege der Schwerpunkt beim beginnenden 20. Jahrhundert, dem Jugendstil und Art Deco und dazu versichert, dass er durchaus in der Lage sei, einen Stand mit besonderen und ausgesuchten Objekten im Rahmen der Ausstellungsrichtlinien entsprechend auszustatten. Solche Angaben können nicht ausreichen, um dem Messeausschuss eine ausreichende Vorstellung von der Qualität des Warenangebots zu verschaffen.1125 Es steht in Frage, ob diese Vorgehensweise als zulässig angesehen werden kann. Zu beachten ist, dass hinter einem Messeauftritt einer Galerie hohe wirtschaftliche und künstlerische Erwartungen stehen. Insbesondere ist der Veranstalter davon wirtschaftlich abhängig, dass Galeristen der Kunstmesse entsprechende Objekte darbieten. Im Rahmen der zu treffenden Abwägung erscheint es sachgerecht, dass ein Veranstalter an die Vorstellung einer Galerie und deren Angaben in dem Bewerbungsbogen hohe Anforderungen stellt. Seine wirtschaftliche Situation und das Ansehen der Messe hängt von jedem einzelnen ausstellenden Galeristen ab. Um sich vorab ein Konzept erstellen zu können, ist daher die genaue Angabe der vorgesehenen Objekte, respektive Künstler, notwendig. Aufgrund dieser Umstände ist daher dem Vorgehen des Veranstalters, eine genaue Aussage über den geplanten Auftritt zu bekommen, der Vorzug zu geben.

(2)

Bisherige Ausstellungstätigkeit

Neben dem geplanten konkreten Ausstellungsvorhaben auf der Kunstmesse stellt die Beurteilung der bisherigen Ausstellungstätigkeit einer Galerie ein weiteres, den Grundsätzen des bekannten und bewährten nicht unähnliches Auswahlkriterium dar. Hierbei berücksichtigt ein Veranstalter nicht das vorgestellte Messeprogramm des Galeristen als Auswahlaspekt, sondern beurteilt die bisherigen Ausstellungen eines Galeristen auf Messen Dritter und in seinen eigenen Räumen. Im Rahmen dieser Bewertungen wurde gerichtlich festgestellt, dass es nicht ausreicht, wenn ein Bewerber erklärt, dass sein Schwerpunkt der Galerietätigkeit im wesentlichen Porzellan und Gemälde umfasst, wobei der Schwerpunkt in beiden Gebieten beim beginnenden 20. Jahrhundert, dem Jugendstil und Art Deco liege.1126 Demgemäß ist nicht die Konvergenz von Künstlern, die bisher von der jeweiligen Galerie präsentiert wurden, und den auf der Art Cologne präsentierten Künstlern maßgebend. Für die Konvergenz von Messeprogramm und übrigem Galerieprogramm sei „alleine maßgebend, ob die zur Ausstellung vorgesehenen Kunstwerke in Bezug auf ihre Kunstrichtung sowie den Wert und Rang der 1125

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3899.

1126

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3899.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Exponate das Galerieprogramm widerspiegeln“.1127 Jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Beurteilung der bisherigen Galerietätigkeit gerade bei dem Veranstalter gegenüber unbekannten Galeristen die einzige Möglichkeit ist, deren Programm zu beurteilen. Folglich muss ein Mittelweg benutzt werden. Galeristen, deren Programm durch frühere Tätigkeiten auf der Kunstmesse dem Veranstalter bekannt ist, darf nicht der Zugang verwehrt werden, wenn ihr zulässiges Ausstellungsprogramm nicht den Ansprüchen der Kunstmesse zuwiderläuft, auch wenn ihr „normales“ Galerieprogramm nicht passend wäre. Bei unbekannten Galerien hingegen darf der Messeveranstalter das „normale“ Galerieprogramm seiner Entscheidung zugrunde legen.

ddd) Teilnahme der Galerie an konkurrierenden Kunstmessen In der täglichen Praxis werden häufig Galerien ausgeschlossen, die an konkurrierenden Messen teilnehmen. Diese Möglichkeit des Ausschlusses wird dabei regelmäßig als eine Art „Strafe“ benutzt. Hierdurch möchte ein Veranstalter verhindern, dass Galerien von seiner Kunstmesse auf andere Messen ausweichen oder diese zusätzlich buchen, und dadurch der Gegenveranstaltung zu deren Aufstieg helfen könnten. Dies könnte als der indirekte Versuch angesehen werden, einer Konkurrenzmesse von Anfang an die Möglichkeit der Akquise guter Galerien zu erschweren, und damit deren Etablierung auf dem schon jetzt sehr vollen Markt für Kunstmessen zu verhindern. Es ist zu beachten, dass diese Art der Auslese meist auf regionalen Messen und Märkten eher anzutreffen ist, als auf dem überregionalen, internationalen Sektor. Grundsätzlich kann man zwischen dem regionalen und überregionalen Sektor sehr gut unterscheiden. Natürlich sind Fälle denkbar, bei denen Aussteller regionaler Kunstmessen zu internationalen Kunstmessen wandern. Grundsätzlich sind dabei die Argumente eines Veranstalters einer Kunstmesse nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt insbesondere, weil es ihm grundsätzlich gestattet ist, seine eigene wirtschaftliche Position zu schützen. Dabei ist nicht die Intention des GWB zu vergessen, möglichst allen Interessenten Zugang zu einem beschränkten Markt zu verschaffen.1128

(1)

Überregionale Kunstmessen

Grundsätzlich ist festzustellen, dass auf großen Kunstmessen meist die gleichen Galerien und Käufer zu finden sind.1129 Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gerade einen Wettbewerb erwirken möchte, auch wenn in den heutigen Zeiten des Messebooms Messeneugrün1127

1128 1129

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001). OLG Schleswig, Urteil v. 16.06.1987 – 6 U 44/86 „Internord“ in: WuW/E OLG 4138, 4140. OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4175.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

dungen Bedenken auslösen.1130 Weiterhin muss ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden. Dies bedeutet gerade auf dem internationalen Markt, dass Galerien gezwungen sind, andere Messen zu bestücken, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Schließlich dient eine Galerietätigkeit auch geschäftlichen Zwecken. Entsprechend kann der Ausschluss aufgrund der Teilnahme an konkurrierenden Kunstmessen nicht zu einer Ablehnung führen.1131 Aufgrund der Intention des GWB ist es zulässig, „treue“ Aussteller zu belohnen, eine Bestrafung Abtrünniger ist jedoch nicht zulässig. Gerade auf dem internationalen Markt ist die Präsentation auf mehreren Messen, soweit dies überhaupt terminlich möglich ist, von enormer Bedeutung. Eine Ablehnung der Bewerbung aufgrund der Teilnahme an einer konkurrierenden internationalen Kunstmesse ist aufgrund der zu treffenden Interessensabwägung unzulässig. In der Praxis spielt jedoch gerade auf dem internationalen Markt dieser Ablehnungsgrund eine eher ungeordnete Rolle.

(2)

Regionale Kunstmessen

Auf dem regionalen Sektor ist dies aber eher umgekehrt der Fall. Oft haben regionale Messen ein ungeschriebenes Gesetz, welches besagt, dass Händler nicht an konkurrierenden Antikmärkten ausstellen dürfen, ohne dabei in die Gefahr zu kommen, ihren bisherigen Stammplatz zu verlieren. Dies ist umso häufiger gerade auf regionalen Messen anzutreffen, da diese einem viel stärkeren Konkurrenz- und Preisdruck ausgesetzt sind, als die „großen“ Messen. Hier geht es um die Existenz des einzelnen Veranstalters, der durch diese Bindung eine Ausschaltung der Konkurrenz betreibt. Oft stellen sogar einzelne Veranstalter ein Quasi-Monopol in einem bestimmten Raum, wie z.B. Frankfurt und Umgebung, dar. Und gerade in diesem Segment haben es Aussteller schwerer, eine weite Strecke zu einem anderen Markt in Kauf zu nehmen. Der Bezug zur Örtlichkeit stellt sich viel stärker dar als auf dem internationalen Parkett. Sie sind vielmehr von diesem einen Veranstalter in einem Maße abhängig, dass man sogar den Begriff der totalen Abhängigkeit in den Raum stellen könnte. Dementsprechend kann erst recht auf dem regionalen Sektor im Rahmen der zu treffenden Abwägung der „strafende“ Ausschlussgrund der Teilnahme an Konkurrenzmessen als unzulässig bewertet werden. Gleichgültig, ob es sich um eine regionale oder überregionale Kunstverkaufsveranstaltung handelt, der Ausschluss an einer Messe eines Dritten kann nicht als Ausschlussgrund dienen. Daher ist der Wechsel eines Galeristen, von der lokalen 1130

Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt.com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_ detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

1131

BGH, Urt. v. 02.12.1974 – KZR 78/72 in: BGHZ 63, S. 282, S. 289.

309

310

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

auf die internationale Ebene zulässig, ohne dass er aus diesem Grunde von seiner bisherigen Stammmesse ausgeschlossen werden darf.

eee)

Das Kriterium der ortsansässigen Galerie

Ein weiteres Auswahlkriterium stellt das Merkmal der Ortsansässigkeit dar. Hierbei bedeutet Ortsansässigkeit, dass die Bewerber aus der Stadt stammen, in der die Kunstmesse stattfindet, bzw. aus dem näheren regionalen Raum. Es wird hierbei öfters gefordert, dass solche Galerien überproportional vertreten sein müssten. Diese Argumentation spielt dabei insbesondere im verwaltungsrechtlichen Bereich eine starke Rolle. So kann z.B., wenn Städte privatwirtschaftlich agieren und Kunstmessen zur Förderung der örtlichen Kunstszene initiieren, dieser Gesichtspunkt eine tragende Bedeutung bekommen. Schließlich kann es Auswirkungen auf die zu treffende Interessensabwägung haben, wenn eine Kunstmesse durch die öffentliche Hand subventioniert wird. Es ist zu berücksichtigen, dass es eine entscheidende Rolle spielen kann, ob ein öffentlich-rechtlicher Veranstalter dem Kartellrecht oder dem öffentlichen Recht unterliegt. So kann es im Rahmen einer öffentlich-rechtlich durchgeführten Veranstaltung noch zulässig sein, Gewerbetreibende, die in der betreffenden Stadt ansässig sind und dort Steuern zahlen, den Vorzug zu geben, während eine solche Handlungsweise im Rahmen einer internationalen Kunstmesse kaum noch tragfähig erscheinen mag. Daher ist im Folgenden grundsätzlich zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen, bzw. durch die öffentliche Hand subventionierten Veranstaltern zu unterscheiden, auch wenn dies im Ergebnis unter Umständen keinen Unterschied mehr darstellt.

(1)

Öffentlich-rechtlicher Veranstalter

Vor der Klärung der Frage, ob ein öffentlich-rechtlicher Veranstalter im Rahmen einer privatrechtlich veranstalteten Kunstmesse ortsansässige Bewerber bevorzugt berücksichtigen muss oder darf, ist zu analysieren, ob im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Handelns dieses Kriterium überhaupt Berücksichtigung findet. Es ist zu beachten, dass es als willkürfrei und sachlich gerechtfertigt angesehen wurde, wenn sich ein öffentlichrechtlicher Veranstalter an dem Grad der Bekanntheit und Bewährung der einzelnen Bewerber orientiert. So wird es z.B. im Rahmen des Art 21. BayGO als sachlich gerechtfertigt angesehen, dass die veranstaltende Gemeinde die örtlichen Bewerber gegenüber auswärtigen berücksichtigt.1132 1132

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 363.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Dabei kann die Gemeinde Gemeindefremde zur Benutzung zulassen, aber auch ihre Angehörigen gegenüber Gemeindefremden bevorzugen, ohne den Gleichheitssatz zu verletzen. Das Bestehen eines Benutzungsanspruchs hängt also letztlich von der Nähe zur Gemeinde ab. Dieser Gedanke lässt zu, unter mehreren Gemeindeangehörigen nach der Intensität der Verflechtungen in der Gemeinde zu differenzieren. Dabei kann, da es um die Zulassung mit einer gewerblichen Betätigung geht, in erster Linie auf die gewerbliche Verflechtung in einer Gemeinde abgestellt werden.1133 Denn der Bekanntheitsgrad eines voll in der Gemeinde integrierten Bewerbers wird in aller Regel den eines Gewerbetreibenden übertreffen, der nur mit einem Teil seiner gewerblichen Betätigung in der Gemeinde verankert ist.1134 Somit kann festgehalten werden, dass im Rahmen der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen prinzipiell eine Auswahl aufgrund der Ortsansässigkeit vorgenommen werden kann. Diese Berücksichtigung örtlicher Interessen findet jedoch weniger Geltung, wenn es sich nicht mehr um die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen handelt, sondern um die Zulassung zu festgesetzten Veranstaltungen. Dementsprechend bedeutet dies angewandt auf die Frage, ob einheimische gegenüber auswärtigen Bewerbern bevorzugt zugelassen werden dürfen, dass die Herkunft des Schaustellers aus einer bestimmten Stadt grundsätzlich keine bzw. nur eine untergeordnete Rolle spielen darf. Dies ergibt sich ja schon aus dem Grundsatz der Marktfreiheit.1135 Wenn schon im Rahmen des § 70 GewO die Auswahl aufgrund des Merkmals der Ortsansässigkeit nicht mehr zulässig erscheint, so ist es erst recht nicht zulässig, wenn die Veranstaltung dem Kartellrecht unterfällt. Eine Auswahl nach dem Kriterium „Ortsansässigkeit“ ist nicht mehr gerechtfertigt. Im Rahmen der Abwägung gemäß den Voraussetzungen des GWB finden sich keine überwiegenden Argumente, die eine örtliche Bevorzugung zulassen würden. Insbesondere ist es Sinn und Zweck des GWB, grundsätzlich den Markt allen zu öffnen, ohne dabei regionale Unterschiede zu machen. Daher existiert kein Anspruch eines Ausstellers aus der Region auf bevorzugte Berücksichtigung, auch wenn der Veranstalter dem öffentlich-rechtlichen Bereich entstammt, sich aber im privatwirtschaftlichen Bereich betätigt. Dies gilt, wenn ein Veranstalter zu 100 % eine Stadt ist und die Messe finanziert, um die Förderung einer bestimmten Region zu veranlassen. Es kann nicht dem OLG Frankfurt dahingehend gefolgt werden, dass, wenn die Stadt Frankfurt zu 100 % Gesellschafterin der Art Frankfurt ist, und diese mit 2 Mio. DM vorfinanziert, es erforderlich werden könnte, beispielsweise durch Erhöhung der Raumkapazität,

1133

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

1134

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241, S. 242.

1135

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 152.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

mehr Galerien aus dem Frankfurter Raum zuzulassen, um dem durch die Stadt verfolgten Zweck, der Förderung des Frankfurter Kunstmarktes, gerecht zu werden.1136 Vielmehr ist zu beachten, dass die Stadt Frankfurt dem Kartellrecht unterliegt, wenn sie eine private Kunstmesse veranstaltet, und sich insbesondere an den Voraussetzungen des GWB zu orientieren hat. Diese Anforderungen des GWB dürfen nicht unterlaufen werden. Vielmehr müssen die anzuwendenden Normen in Kombination angewendet werden. Solange § 70 GewO keine vorrangige Berücksichtigung vorsieht, existiert kein Kollisionsproblem. Weiterhin spielt es keine Rolle, aus welchem Grund die Kunstmesse finanziert wird, solange dies nicht positiv in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen, oder in der Zweckfestsetzung der Messe festgehalten wird. Dementsprechend kann ein Veranstalter einer Kunstmesse den Bezug zu der Örtlichkeit positiv in seinen AGB regeln. Eine positive Regelung ist jederzeit möglich und im Rahmen der Ermessensfreiheit zulässig. Ein ähnliches Problem mit der verstärkten Zulassung örtlicher Aussteller ergab sich, wenn ein Veranstalter Subventionen erhält. Hierbei urteilte das OLG Frankfurt im Jahre 1989, dass als Auswahlkriterium aber, wenn die Anmietung größerer Ausstellungsräume nicht möglich ist, ein Rotationsprinzip vorgesehen werden müsste. Dieses Prinzip müsste, wenn die Veranstaltung durch kommunale Mittel subventioniert würde, in verstärktem Maße örtliche Bewerber berücksichtigen, zumindest dann, wenn die Kommune als alleinige Gesellschafterin mit dem Veranstalter identisch wäre. Die Rotation braucht nicht alle verfügbaren Messeplätze zu umfassen, vielmehr genügt ein Prozentsatz von etwa 20 % bis 30 % der Messeplätze, die notfalls zu verlosen wären.1137 Zu beachten ist jedoch, dass bei Subventionen gemäß der „Zwei-Stufen-Theorie“ die Entscheidung, „ob“ im Rahmen des öffentlichen Rechts, die Auszahlung entweder öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgezahlt werden kann.1138 Dies bedeutet, dass die Entscheidung Subventionen zu gewähren, keine Auswirkung auf Dritte, d.h. Bewerber, hat. Vielmehr betrifft dies nur das Verhältnis Veranstalter-Subventionsgeber, nicht das Verhältnis Veranstalter-Aussteller. Und wenn Subventionen gewährt werden, um regionale Galerien zu stärken, kann dies noch keine Auswirkung auf den Veranstalter haben. Nur kann bei einer zweckgebundenen Subvention ein Veranstalter gezwungen sein, örtliche Bewerber überverhältnismäßig zu berücksichtigen. Aber solange er dies tatsächlich nicht ausführt, besteht kein direkter Anspruch eines Bewerbers. Bleibt der Zweck der Subvention unausgeführt, kann die Rückzahlung der Subvention, 1136

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1071.

1137

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1069.

1138

Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 7. Auflage 2000, § 35 Rdn. 41.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

oder sogar evtl. ein Schadensersatzanspruch der öffentlichen Hand gegen den Veranstalter existieren. Weiterhin existiert in dieser Konstellation weder ein Rechtsanspruch eines örtlichen Galeristen, noch kann ein Veranstalter das Auswahlkriterium anwenden, wenn dies nicht vorab in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen geregelt wurde. Weiterhin ging das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1989 1139 davon aus, dass die Ermessensfreiheit des Veranstalters bei einer erstmaligen Veranstaltung weiter gehen würde, als bei einer im Markt gut positionierten Messe. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass, falls die erste Messe ein Erfolg wird und beim Publikum eine gewisse Anerkennung erfährt, es sich als sachlich ungerechtfertigt erweisen könnte, unter Aufbringung erheblicher Geldmittel Galerien aus anderen Regionen und aus dem Ausland zu holen, ihnen den hiesigen Markt zu eröffnen und andererseits damit die schützenswerten Interessen hier ansässiger Mitkonkurrenten unberücksichtigt zu lassen. Der Veranstalter müsste deshalb gegebenenfalls eine Änderung seiner Satzung und der Teilnahme- und Zulassungsbedingungen vorzunehmen haben.1140 Dieser Auffassung kann jedoch aufgrund der obig dargelegten Grundsätze nicht gefolgt werden. Selbstverständlich ist es einem Messeveranstalter nicht verwehrt, in seinen AGB eine Förderung des regionalen Kunstmarktes zu initiieren, jedoch ist es nicht möglich, nur aufgrund einer finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand den Grundsätzen des GWB entgegenzuwirken. Für den Fall, dass eine Stadt den regionalen Kunstmarkt fördern möchte, muss dies explizit in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen geregelt werden, damit sich nichtregional gebundene Bewerber darauf einstellen und in ihrer Bewerbung berücksichtigen können. Nur dann kann der Wettbewerb gemäß der Intention des GWB frei gehalten werden.

(2)

Privater Veranstalter

Bei rein privaten Veranstaltern ist grundsätzlich zu beachten, dass, wenn sie ihre Veranstaltung nach den Bestimmungen der GewO festsetzen lassen, für sie auch die Vorschriften über die Marktfreiheit gelten. Hierbei haben sich schon die Zivilgerichte mit dem Problem befasst, ob ortsansässige Bewerber Vorrechte haben, wenn eine Veranstaltung von einem örtlichen Verband und nicht von der Stadt selbst veranstaltet wird. Das LG Karlsruhe 1141 hat im Jahre 1978 den

1139

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1069.

1140

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777, S. 780.

1141

Urteil des LG Karlsruhe vom 9.3.1978 – 5 O 53/78.

313

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

angeblich vorrangigen Zulassungsanspruch eines einheimischen Schaustellers verneint. Das Gericht hat ausgeführt, dass dem Kläger als Karlsruher Schausteller aus § 10 Abs. 2 GemO BW ein vorrangiger Zulassungsanspruch nicht zustehe. Der Wohnsitz am Veranstaltungsort sei nicht als die Zulassung zwingend fordernder sachgerechter Grund im Sinne von § 70 GewO anzusehen. Zwar gewähre § 10 Abs. 2 GemO BW den Gemeindebewohnern ein Zugangsrecht zu öffentlichen Einrichtungen, worunter auch Volksfeste zu verstehen seien. Es gehe aber nicht an, § 10 Abs. 2 GemO BW in dem Sinn auszulegen, dass – speziell auf wirtschaftlichem Gebiet – bei gleicher Sachlage zwangsläufig ortsansässigen gegenüber ortsfremden Bewerbern der Vorzug zu geben sei. Eine solche Auslegung würde eindeutig den Sinn des § 70 GewO widersprechen, der von dem Grundsatz der Marktfreiheit ausgehe und auf die Chancengleichheit aller hinweise. Sollten bei anderen Messen ortsansässige Schausteller bevorzugt werden, so verstoße dies gegen geltendes Recht.1142 Der private Veranstalter ist also an die gleichen Rechtsvorschriften wie der öffentliche gebunden, wenn er die Veranstaltung festsetzen lässt. Ihn erwarten die gleichen rechtlichen Probleme.1143 Es gilt daher das obig Festgestellte. Für den Fall, dass die Veranstaltung nicht festgesetzt ist, gelten die Regelungen des GWB uneingeschränkt. Insofern hatte das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1989 1144 entschieden, dass ein solcher örtlicher Vorrang bei den Anwendungsvoraussetzungen des GWB existiere. Jedoch gerät das OLG Frankfurt in die Schwierigkeit, dass es einerseits den unternehmerischen Ermessensspielraum des Veranstalters anerkennt und ihm zubilligt, eine Messe mit internationaler Beteiligung zu schaffen, gleichzeitig ihn aber dazu zwingt, bei weiteren Veranstaltungen und einem gewissen wirtschaftlichen Erfolg dann durch die erzwungene Zulassung von regionalen Bewerbern seinen Einfluss auf die Auswahl zu verlieren. Es ist aber nicht Sinn und Zweck des Kartellgesetzes, den deutschen, oder regionalen Markt zu schützen. Wäre eine solche Annahme richtig, würde unweigerlich das Kartellgesetz mit den Grundfreiheiten der EU, insbesondere der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs kollidieren. Vielmehr geht das GWB gerade davon aus, dass der Markt von einer unzulässigen Beeinflussung geschützt wird, und nicht von der Abschottung eines Regionalmarktes. Daher kann es gerechtfertigt sein, dass der Veranstalter einer Messe auch Galerien aus anderen Regionen und Ländern zu der Messe einlädt, um die Liga der großen internationalen Kunst- und Antiquitätenmessen zu erreichen.

1142

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 154.

1143

Schalt, Thomas, a.a.O. S. 154.

1144

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Diesen Status kann ein Veranstalter meist aber nur erreichen, wenn er nicht nur regionale Bewerber an seiner Messe teilnehmen lässt. Hierbei ist es auffällig, dass an den großen Messen vorwiegend nicht mehr als 20 % der Aussteller aus der Region stammen. Im Anschluss an die aufgeführten Grundsätze ist es nicht zulässig, dass ein privater Veranstalter Ortsansässige ohne vorherige genaue Darlegung der Beteiligung dieser Ausstellergruppen in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen bevorzugt. Eine solche „regionale“ Auswahl würde den Diskriminierungstatbestand erfüllen. Als Kehrseite existiert kein Anspruch eines örtlichen Galeristen auf Bevorzugung bei der Zulassung zu einer in seiner Stadt stattfindenden Kunstmesse.

(3)

Fazit

Es ist einem Veranstalter im Rahmen des Privat- & Kartellrechts nicht möglich ist, ohne vorherige schriftliche Festlegung das Kriterium der Ortsansässigkeit in einem geschlossenen Auswahlverfahren anzuwenden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob es sich um einen öffentlich-rechtlich organisierten Veranstalter handelt, der privatwirtschaftlich handelt, oder um einen rein Privaten, gleichgültig, ob er von öffentlicher Seite subventioniert wird oder nicht. Jedoch liegt es im Rahmen seiner wirtschaftlichen Ermessensfreiheit, den Bezug zu der Örtlichkeit dadurch herzustellen, indem er in seinen Allgemeinen Teilnahmebedingungen die Bevorzugung örtlicher Aussteller festlegt. Für diesen Fall hat er aber entweder eine Prozentangabe festzulegen, oder eine definierte Fläche der Ausstellungsfläche örtlichen Ausstellern zuzuweisen. Diese feste Größenzuordnung ist nötig, um den Verdacht der Willkür zu entkräften. Falls eine solche Größenordnung nicht existiert, könnten sich Bewerber, örtliche oder außerörtliche, nicht wirtschaftlich darauf einrichten, in welchem Maße sie jeweils eine Standbox erhalten könnten. Denn auch nicht örtlich gebundene Aussteller haben das Recht, solange die Veranstaltung den Regelungen des GWB unterfällt, auf einen freien Zugang. Dieser Zugang erscheint jedoch nicht gesichert, wenn die Größenangabe nicht festliegt, und die Beteiligung örtlicher Aussteller zwischen 1 % und 99 % liegen kann, ohne dass dies bekannt ist. Zu beachten ist, dass Galerien, die sich bewerben, hohe wirtschaftliche Investitionen schon in der Vorbereitungszeit auf sich nehmen müssen, wenn sie eine Bewerbung für eine Kunstmesse anstrengen. Diese wirtschaftliche Anstrengung ist aber unsinnig, wenn die Bewerber nicht wissen, in welchem Anteil der Gesamtfläche ihre Gruppe Berücksichtigung finden könnten. Diese Argumente überwiegen im Rahmen der zu treffenden Abwägung gemäß § 20 II GWB. Daher kann eine Bevorzugung örtlicher Aussteller dann vorgenommen werden, wenn dies in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen geregelt und der Quotient der Berücksichtigung örtlicher Aussteller definiert ist. Auch kann bei der erst-

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

maligen Veranstaltung einer Kunstmesse von dem Veranstalter bei einer schon überproportionalen Beteiligung regionaler Aussteller nicht verlangt werden, noch weitere zuzulassen.1145 Im Gegenzug kann ein Veranstalter sogar internationalen Ausstellern eine gewisse Fläche reservieren. So ist die Anwendung anderer oder zusätzlicher Kriterien, die, etwa bei einer internationalen Messe, dafür sorgen sollen, dass auch ausländische Aussteller angemessen bei der Veranstaltung vertreten sind, nicht ausgeschlossen.1146

fff)

Die wirtschaftliche Position der Galerie

Ein weiteres Auswahlkriterium mit dem sich wiederum das OLG Frankfurt bei einem Zulassungsverfahren zu der Art Frankfurt zu beschäftigen hatte, stellte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Galeristen dar. Hierbei urteilte der zuständige Senat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1983, dass die Vertragsbedingungen eines Messeveranstalters, nach der die Messebeteiligung eines Ausstellers von dessen Leistungs- und Zahlungsunfähigkeit abhängig gemacht wird, sachlich gerechtfertigt seien.1147 Grundsätzlich ist zu beachten, dass es innerhalb eines selektiven Vertriebssystems sachlich nicht gerechtfertigt ist, nur solche Abnehmer zuzulassen, die die Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus erwarten lassen.1148 Andererseits ist zu beachten, dass gleichzeitig im Rahmen der Abwägung für die Tatbestandsmerkmale der sachlichen Rechtfertigung und der Unbilligkeit Kontrahierungspflichten als besonders starken Eingriff in die unternehmerische Freiheit zu werten sind. Denn ein Anbieter von Waren oder Dienstleistungen hat vielfältige wirtschaftliche Risiken zu tragen. Somit kann ein Unternehmen, auch wenn es nach §§ 33, 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB grundsätzlich kontrahierungspflichtig ist, Geschäftsbeziehungen wegen schlechter Zahlungsmoral aufkündigen, selbst bei Existenzgefährdung der anderen Seite.1149 Diese wirtschaftlichen Argumente überwiegen. Es kann der Ansicht des OLG Frankfurt gefolgt werden, dass ein Veranstalter einer Kunstmesse einen sich

1145

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777, S. 780.

1146

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

1147

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149.

1148

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 396.

1149

Bechtold, Rainer, „Zur Entwicklung des deutschen Kartellrechts 1993–1995“ in: NJW 1995, S. 1936, S. 1939.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

bewerbenden Galeristen nicht unbillig behindert, wenn er die Vermietung von Kojen oder Dauerstandplätzen nicht allein von der Zahlung eines Mietzinses abhängig macht, sondern, wie in der Kündigungsregelung der Vertragsbedingungen oft zum Ausdruck kommt, auch auf die Leistungs- und Zahlungsfähigkeit des ausstellenden Unternehmens abstellt. Ein Veranstalter einer Kunstmesse, der im Verhältnis mit anderen Messeausrichtern steht, muss nämlich Sorge tragen, dass seine Messe höchstes Ansehen und Anziehungskraft bei Ausstellern und Besuchern erzielt. Eine solche Attraktivität seiner Veranstaltung wird er daher nur gewährleisten können, wenn er lediglich leistungsstarke Unternehmen zur Ausstellung zulässt. Zwar kann ein Unternehmen im Konkurs noch höchste Leistungen erbringen, da es aber für die Zukunft nicht mehr in der alten Form nicht fortbesteht, würde es auf dem Markt nicht mehr als ernster Mitbewerber angesehen. Dieser Umstand beeinträchtigt nicht nur den Galeristen selbst. Vielmehr ist es geeignet, das Ansehen der Messe zu beeinträchtigen und damit dem Ruf des Veranstalters als Ausrichter einer renommierten Kunstmesse zu schaden.1150 Dementsprechend kann ein Veranstalter einer Kunstmesse, nicht nur um seinen Ruf zu wahren, sondern auch um seine eigene Zahlungsfähigkeit gegenüber Dritten, z.B. dem Eigentümer der Messefläche, zu gewährleisten, die Zahlungsund Leistungsfähigkeit etwaiger Bewerber berücksichtigen. Speziell innerhalb der Kunstszene spielt die Gewährleistung der Liquidität eine große Rolle. Kann eine Kunstmesse ihre offenen Posten nicht begleichen, kann es dazu führen, dass sie im nächsten Jahr nicht mehr die Messehallen zur Verfügung bekommt und gezwungen ist, den Ort der Veranstaltung zu wechseln. Ein solcher Wechsel kann jedoch das Aus bedeuten, insbesondere bei Veranstaltungen, deren Namen gleichzeitig den Ort beschreibt, wie z.B. Art Frankfurt, Art Basel, Art Strasbourg, Art Vienna, etc.

(1)

Die Eintragung im Handelsregister als Beweis einer gewerblichen Tätigkeit

Das nächste Auswahlkriterium betrifft den Nachweis der tatsächlichen Galerietätigkeit, welcher nachprüfbar ist. Hierbei setzt der Veranstalter voraus, dass ein Bewerber um einen Ausstellungsplatz auf der Kunstmesse eine Eintragung im Handels- oder Gewerberegister besitzen muss, um zugelassen werden zu können. Es ist dabei zu beachten, dass oft ein Veranstalter auf seiner Messe möglichst nur professionelle Galeristen haben möchte, um Besuchern und potentiellen Kunden ein Umfeld zu präsentieren, welches von Profis besetzt ist. Dies steigert nicht nur den Ruf der Kunstmesse, sondern erweckt und stärkt auch das

1150

OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.08.1983 – 6 U 5 6/83 „Messe-Dauerstandplatz“ in WuW/E OLG, S. 3149, S. 3151.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Vertrauen Dritter in die Kunstmesse und deren Aussteller. Diese Interessen überwiegen im Rahmen der Abwägung. Daher kann als Zulassungskriterium die Eintragung in einer solchen Liste in die Allgemeinen Teilnahmebedingungen aufgenommen werden. Es ist weiter zu beachten, wenn als Zulassungsvoraussetzung nicht festgelegt wurde, dass die Galerie im Handels- oder Gewerberegister registriert ist, dass das Fehlen der Eintragung nicht den Schluss zulässt, dass eine selbständige und hauptberufliche Galerietätigkeit nicht ausgeübt werde.1151 Somit muss ein Veranstalter, möchte er die Zulassung von einer solchen, gerichtlich nachprüfbaren, Eintragung abhängig machen, diese Voraussetzung in den Allgemeinen Teilnahmebedingungen vorher festlegen. Es entspricht dem Interesse von Bewerbern, wenn sie über die Voraussetzungen der Zulassung vor der Bewerbung Kenntnis haben. Aber auch ohne das Erfordernis der Eintragung ist es einem Veranstalter erlaubt, gewisse Anforderungen an die Galerietätigkeit des Ausstellers zu stellen. Daher könne der Messeveranstalter entsprechende Regelungen aufstellen. Eine Regelung, wie sie beispielhaft die Art Cologne fordert 1152 ist als mildere Ausgestaltung als das Eintragungserfordernis zulässig. Denn sie gewährt auch Galeristen ohne Eintragung die Möglichkeit der Teilnahme, solange diese tatsächlich professionell das Galeriegewerbe ausüben.

ggg) Die Preisgestaltung der Galerie Ein weiteres, in der Rechtsprechung noch nicht beurteiltes Kriterium, stellt die Preisgestaltung einer Galerie im Hinblick auf die auszustellenden Kunstobjekte dar. Hierbei verwendet ein Veranstalter als Auswahlkriterium den Preis, den ein Kunde für ein Kunstwerk bezahlen müsste, der dem Kunstobjekt durch den Galeristen zugesprochen wurde. In der aktuellen Kunstmesseszene fällt dabei auf, dass auf Kunstmessen immer mehr versucht wird, junge, nicht zahlungsstarke Käufer als Besucher zu gewinnen, indem man entweder Kojen mit Objekten unter z.B. € 1.000 einrichtet oder besonders günstige Stücke speziell kennzeichnen lässt, wie z.B. auf der Art Basel. Hierbei stellen die teilnehmenden Galeristen diese Stücke zur Verfügung.

1151

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: GRUR 1989, Heft 7, S. 777, S. 780.

1152

Die Zulassungsbedingungen der Art Cologne erfordern den Nachweis einer ständigen Galerietätigkeit im Hauptberuf seit mindestens drei Jahren in eigenen Ausstellungsräumen und mit regelmäßigen Öffnungszeiten von mindestens 24 Stunden pro Woche. Weiterhin müssen alle Bewerber in ihren Ausstellungsräumen im Minimum vier Ausstellungen pro Jahr über den geforderten Drei-Jahreszeitraum durchführen und kontinuierlich für die Vermittlung moderner Kunst eintreten; Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne -?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www. kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02. 2002).

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Jedoch ist zu beachten, dass die Werke eines Ausstellers sehr unterschiedliche Preise haben können. So kann der Wert eines Werkes des Künstlers Pablo Picasso zwischen € 1.500.– und 3,7 Mill. € liegen 1153, ohne Spitzenpreise wie für das Gemälde „Junge mit Pfeife“ zu berücksichtigen. Der stark variable Preis würde dem Veranstalter als Kriterium für die Zulassung dienen. Dabei möchte ein Veranstalter durch die Einflussnahme versuchen, seiner Kunstmesse auf dem Kunstmarkt einen Ruf zu schaffen. Denn könnte in den Augen der Besucher ein Werk als überteuert gelten, wäre die Folge, dass sie die Kunstmesse das nächste Mal meiden, da auf dieser ein „fairer“ Preis nicht zu erhalten sei. Die Preisgestaltung einer Galerie kann sich daher direkt auf den Ruf einer Kunstmesse und ihren wirtschaftlichen Erfolg auswirken. Unstreitig hat ein Galerist, also ein Kunsthändler, bei der Preisbildung der zu verkaufenden Werke viele Faktoren zu berücksichtigen. Hierbei spielt nicht nur der zu erwartende Marktpreis aufgrund der Verkaufszahlen vergleichbarer Werke eine Rolle, sondern die Grundkosten der Galerie, die Messe-, Transport-, Versicherungskosten und letztendlich sogar die Erwartungshaltung seiner Stammkäufer im Hinblick auf das gewohnte Preisschema. Je nach Standort einer Galerie, z.B. in einer Weltstadt wie Berlin oder in einem kleineren Ort wie Eberbach, erwarten die Käufer unterschiedliche Preise für ein Kunstwerk, welche abhängig von der Kaufkraft des Publikums sind. Zwar ist das Interesse des Veranstalters, auf seiner Messe Kunstwerke mit „guten“ Preisen zu haben, anerkennenswert, jedoch muss es im Rahmen einer Abwägung hinter den Interessen des Galeristen zurückstehen. Ein Galerist müsste, wenn er an einer Kunstmesse teilnehmen möchte, sich der Preisbildung durch den Veranstalter beugen. Dabei würde der Veranstalter nicht direkt auf die Preise einwirken, sondern indirekt, in dem er nur Galeristen zulassen würde, die seinem Preisbild entsprächen. Langfristig würden dann die anderen Galeristen versuchen, das Schema des Veranstalters zu erfüllen. Dies würde dazu führen, dass ein Veranstalter zu große Macht über das Schicksal eines Galeristen und zu viel Einfluss auf den Kunstmarkt hätte, wenn er indirekt die Preise der Kunstwerke bestimmen könnte. Hier ist auch zu beachten, dass ein Galerist durch den Druck des Veranstalters, seinen Preisvorstellungen zu genügen, gezwungen würde, die eigene Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund zu stellen, was aber dem Sinn und Zweck des GWB zuwiderlaufen würde. Dann verstößt ein Veranstalter gegen § 20 II 1, I GWB. Eine Auswahl aufgrund der Preisbildung ist damit nicht zulässig. Gleichzeitig kann ein Veranstalter selbstverständlich Boxen mit Werken unter einem gewissen Preisniveau einrichten, oder verfügen, dass Kunstwerke unter einem definierten Betrag speziell gekennzeichnet werden, aber er darf nicht verlangen, dass jeder Galerist ein solches „günstiges“ Objekt mit auf die Messe bringt. 1153

Vgl. Nachweise Artprice Indicator „Chiner malin“ 2002, Hrsg. Artprice.com, Verlag Ehrmann, 2002, S. 1232.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

hhh) Sonstiges Verhalten der Galerie Abgesehen von den bisherigen beurteilten Kriterien haben sich die Gerichte im Rahmen der Zulassung von Galeristen zu Kunstmessen noch mit weiteren, z.T. sehr verschiedenen Aspekten, die Veranstalter bei der Auswahl angewendet haben, beschäftigt. Das OLG München stellte in einer Entscheidung fest, dass ein Umsatzrückgang bei zugelassenen Ausstellern, soweit er auf Umsatzerfolgen gleichartiger Aussteller auf der Messe beruhen würde, einen vorsorglichen Ausschluss, bzw. eine zukünftige Nichtzulassung nicht rechtfertigt.1154 Die „Verdrängung“ der Unternehmen eines traditionellen Gewerbezweigs durch eine erfolgreiche neue Vertriebsform ist Wettbewerb und deshalb nicht von vornherein als Rechtfertigung für Abwehr-Wettbewerbsbeschränkungen geeignet.1155 Neben diesen Grundsätzen tauchten in weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen verschiedene Problemstellungen auf, die zum Teil sehr unterschiedlich gelöst wurden. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt und erläutert werden.

(1)

Anforderung an ordnungsgemäße Bewerbung

Ein nicht zu unterschätzendes Auswahlkriterium ist die Anforderung eines Veranstalters an die Bewerbungsunterlagen. An diese können hohe Anforderungen gestellt werden. Es kann als ungenügend bewertet werden, wenn ein Galerist als Programm Porzellan und Möbel aus dem beginnenden 20. Jahrhundert angibt. Eine Änderung der Einschätzung ergibt sich auch nicht dann, wenn er versichern würde, dass sein Stand besondere und ausgesuchte Objekte im Rahmen der Ausstellungsrichtlinien enthalten wird. Solche Angaben können nicht ausreichen, um dem Messeausschuss eine ausreichende Vorstellung von der Qualität des Warenangebots zu verschaffen.1156 Denn ein Veranstalter muss sich vergewissern können, dass die Aussteller fähig und bereit sind, den Anspruch der Messe erfüllen zu können. Dies kann er aber nur, wenn die Bewerbungsunterlagen ordnungsgemäß ausgefüllt sind. Es kann nicht erwartet werden, dass ein Veranstalter selbst alle Galeristen, bzw. Bewerber, auf eigene Initiative überprüfen müsste. Insofern kann er verlangen, dass genauere Angaben der auszustellenden Objekte getätigt werden.

1154

OLG München, EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

1155

OLG München, EWiR § 26 GWB 1/90, 71 (Niederleithinger).

1156

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3899.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

(2)

Kritik an der Veranstaltung durch den Bewerber

Während der Vorbereitung, der Ausführung und der Nachbearbeitung einer Kunstmesse kann es immer wieder zu Problemen kommen. Diese müssen nicht nur aus dem Verhältnis zwischen Aussteller und Veranstalter stammen, sondern können andere Ursachen haben. Dabei kann es passieren, dass sich Aussteller über etwaige Probleme nicht nur beschweren, sondern auch Kritik an der Kunstmesse üben. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang schon in einem Urteil aus dem Jahre 1967 in Hinblick auf das Kartellrecht festgelegt, dass ein Unternehmer in der Regel nicht unabhängig von etwaigen Gefahren für das System eine seitens der Abhängigen geäußerte Kritik an der Ausgestaltung des Systems unterbinden darf. Insbesondere darf er nicht den Abhängigen wegen einer solchen Kritik für den Fall, dass er nicht in der einen oder anderen Form bereit ist, davon abzurücken, gegenüber anderen Teilnehmern schlechter stellen. Dies gilt im Allgemeinen auch dann, wenn die Kritik in zum Teil recht scharf formulierten, jedoch nicht beleidigenden Wendungen geäußert wird. Dabei können Besonderheiten jedoch eine andere Beurteilung rechtfertigen.1157 In einem späteren Urteil aus dem Jahre 1979 hat der Bundesgerichtshof diesen Grundsatz wiederholt und festgestellt, dass ausgesprochene „Anschwärzungen“ grundsätzlich nicht geeignet sind eine Liefersperre für sich allein zu rechtfertigen, sie können aber in eine Gesamtbetrachtung miteinbezogen werden.1158 Insbesondere kann ein solches „Anschwärzen“ eine Verweigerung der Aufnahme nicht begründen, da die um Aufnahme suchende Galerie ja gerade durch dieses Begehren sich mit ihren vorherigen Aussagen in Widerspruch setzt. Es ist gerade ein Vorteil des Veranstalters, wenn er eine Galerie aufnimmt, welche zu Anfang die Messe „kritisiert“ hat, und nun auf dieser Messe ausstellen möchte. Somit kann ein Veranstalter nicht völlig sachfremde Erwägungen seiner Entscheidung über die Aufnahme zugrunde legen. Im Rahmen der Abwägung ist aber zu berücksichtigen, dass die Kritik des Bewerbers nicht völlig frei von subjektiv geprägten Ansichten ist. Diese darf weder persönlich die Person eines Jurymitgliedes verunglimpfen, noch völlig sachfremde Themen zum Inhalt haben. In einem solchen Falle wäre ein Ausschluss aufgrund einer Gesamtbetrachtung zulässig. Dabei stellen kleine Zweifel an der Unkenntnis von Kunst, oder sogar z.B. die Bezeichnung „Kunstbanause“ eines Jury-Mitgliedes noch keine Verunglimpfung dar. Schließlich ist speziell auf dem Kunstsektor der Begriff der Kunst sehr umstritten und ständig im Fluss, oft ist sogar eine starke Differenz der Ansichten erkennbar. Somit ist grundsätzlich die Ansicht über den Kunstverstand als Kri1157

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400, S. 403.

1158

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 128.

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tik nicht geeignet, einen Ausschluss zu rechtfertigen, solange sie sich in den Grenzen des Vertretbaren hält. Dabei muss dies aber im Einzelfall überprüft und in einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden.

(3)

Weitere Wettbewerbsverstöße

Neben den bisher dargestellten Ausschlussgründen können noch weitere Gründe im Verhalten der Veranstaltungsteilnehmer liegen, oder sich aus dem gestörten Verhältnis zwischen dem Veranstalter und dem Aussteller im Rahmen einer laufenden Kunstmesse ergeben. Als ein weiterer Grund kann auf einer Messe das (wissentliche) Anbieten von Fälschungen als Ausschlussgrund dienen. Fälschungen, gute und schlechte, gefährden die Reputation einer Messe und die Glaubwürdigkeit der anderen Anbieter, da Besucher meist nur wissen, dass Fälschungen auf der Messe existieren, aber nicht genau wissen, welche Anbieter betroffen sind. Um solche „schwarzen“ Schafe ausfindig zu machen, greifen Veranstalter zu oft harten Mitteln. So müssen Aussteller der Kunstmesse München vertraglich anerkennen, dass ein Jury-Komitee ohne Zuschauer und ohne die Aussteller als Personen durch die aufgebauten Messestände sich bewegen und Bewertungen vornehmen darf, ob die ausgestellten Kunstobjekte sowohl den Beschreibungen der Aussteller entsprechen als auch dem Niveau der Messe an sich. Ist eines der beiden nicht der Fall, kann dies den sofortigen Ausschluss des Werkes oder sogar des Ausstellers bedeuten. Weiterhin ist es z. B. möglich, dass, falls ein Aussteller wiederholt gegen die für alle geltenden Bestimmungen verstößt, der Veranstalter ihn im Interesse einer geordneten Durchführung der Veranstaltung zeitweilig oder dauernd von der Teilnahme ausschließen darf. Dabei ist gleichgültig, gegen was sich der Verstoß richtet. In Frage kommt ein Verstoß gegen Bestimmungen im Standmietvertrag, gegen Vorschriften über die Standgestaltung, gegen das Verbot von Handverkäufen bei Messen. Aber auch das Verbot der Vermeidung reißerischer Werbung und die Einhaltung bestimmter Lärmgrenzen bei der Standwerbung sowie Grenzwerte über die Emission von Abgasen bei der Vorführung von Maschinen müssen eingehalten werden. Dementsprechend sind sonstige Vorschriften, wie z.B. über die Einhaltung bestimmter Gangbreiten, über Feuerschutzvorkehrungen, über die Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften und dergleichen zu respektieren.1159 Jedoch ist bei diesen Wettbewerbsverstößen grundsätzlich zu beachten, dass längere Zeit zurückliegende Verstöße grundsätzlich alleinig keine Rechtfertigung für eine später ausgesprochene Nichtzulassung darstellen können. So kann nach einem Zeitraum von 1–11/2 Jahren nach Verstößen zwar kein Ausschluss mehr 1159

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

gerechtfertigt sein, aber die Verstöße können im Rahmen einer Gesamtbetrachtung beachtet werden. Sie können zumindest in die notwendige Gesamtwürdigung aller geltend gemachten Rechtfertigungsgründe eines Ausschlusses durch einen Veranstalter einbezogen werden.1160

(4)

Mindestgröße und Ausstattung einer Koje

Im Rahmen der Gestaltung einer Kunstmesse nimmt besonders das Aussehen der Hallen und deren Dekoration immer mehr Bedeutung ein. So stellt die künstlerische Gestaltung der Hallen einen sehr wichtigen Punkt dar, der von Besuchern immer stärker honoriert wird. Auf der im Jahre 2003 zum ersten Mal durchgeführten Kunstmesse „Frieze Art“ in London wurde ein Zelt errichtet, um der Veranstaltung einen Eventcharakter zu geben. Dabei ist nicht nur die äußere Hallengestaltung von Bedeutung, sondern auch das „Innenleben“, wie die Kojengröße und deren Ausstattung. Daher kann die Abnahme einer Mindestgröße für Kojen vorgeschrieben werden. Während auf Floh- und Trödelmärkten und meist kleineren Regionalmessen sich der Preis für den Stand nach dem laufendem Meter bestimmt, richten sich die Preise für die Stände auf den großen Kunstmessen oft nach der Kojengröße bzw. der qm-Zahl. Insofern könnte ein Veranstalter einer Kunstmesse berechtigt sein, eine gewisse Mindestgröße für Kojen zu verlangen. Eine solche Mindestgröße ist vergleichbar mit der in anderen Branchen üblichen Mindestabnahmemenge1161, die gemessen an den Voraussetzungen des Kartellrechts zulässig ist. Wie ein Veranstalter die konkrete Ausgestaltung seiner Kunstmesse gestaltet, insbesondere die Größe der Räume, Boxen, Eintrittspreise für Besucher, Ausstellergebühren und Werbung, muss in erster Linie seiner unternehmerischen Entschließung überlassen werden. Dies ist soweit möglich, solange kein Anhaltspunkt dafür existiert, dass er von sachfremden, insbesondere von wettbewerbswidrigen Erwägungen ausgegangen wäre oder gar willkürlich gehandelt hat. Vielmehr können Gründe der Rentabilität, insbesondere Gründe der Vereinfachung der Verwaltung und der Verbilligung der Preise für Aussteller und Besucher dafür sprechen, dass der Geschäftsbetrieb so eingerichtet wurde, wie er es geplant hat. Dementsprechend kann ein Aussteller ausgeschlossen werden, wenn er wiederholt gegen die Bestimmungen im Standmietvertrag verstößt, wie z.B. gegen die Vorschriften über die Standgestaltung oder über die Freihaltung der Gangbreiten.1162 1160

BGH, Urt. v. 24.09.1979 – KZR 20/78 „Modellbauartikel II“ mit Anm. v. Zindel in: GRUR 1980, S. 125, S. 128.

1161

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 396.

1162

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Auch ist zu beachten, dass es einem Veranstalter einer Kunstmesse darauf ankommen kann, sich von dem „Trödellook“ eines Flohmarktes schon dadurch zu unterscheiden, dass keine kleinen Boxen, die auf eine starke Zersplitterung des Gesamtbildes hinwirken, auf seiner Veranstaltung vertreten sind. Es kann einem Veranstalter nicht verwehrt werden, das optische Gesamtbild einer Messe frei zu definieren. Hierzu zählt auch die Mindestgröße einer Koje. Zwar kann es auftreten, dass insbesondere Galerien mit geringer Geldausstattung sich dann eine Koje nicht mehr leisten können, aber diese Abwägung muss zugunsten des Veranstalters ausfallen. Ihm kann es nicht auferlegt werden, das wichtige optische Bild einer Messe durch Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Verhältnisse einer Galerie zu gefährden. Seine Position überwiegt, da die Handlungsfreiheit des Veranstalters nicht durch Aspekte beschränkt werden kann, auf deren Zustandekommen er nicht den geringsten Einfluss ausüben kann. Ob eine Galerie wirtschaftlich in der Lage ist, hängt allein von dem Geschick des Galeristen ab. Zwar ist die wirtschaftliche Stellung durch die Teilnahme an Kunstmessen beeinflussbar, aber in einem solchen Fall würde die wirtschaftliche Zukunft der Galerie, deren Entwicklung durch die Teilnahme auf rein spekulativer Basis erfolgt, schon mit in eine Abwägung einbezogen werden, ohne den tatsächlichen Ausgang zu kennen. Und gerade dies ist nicht mehr in den Tätigkeitskreis des Veranstalters miteinbezogen. Die Voraussetzung der Mindestgröße einer Koje stellt keine unbillige Behinderung dar. Ähnlich verhält es sich mit der Pflicht, die Koje auszustatten. Schon auf regionalen Kunstmessen ist es mittlerweile vertragliche Pflicht, die Kojen zumindest mit Stoff zu beziehen. Auf den großen Antiquitätenmessen existiert ein wahres „Übertrumpfen“ der verschiedenen Händler. So sind alle Stände auf der TEFAF auf das Beste dekoriert und ausgestattet, mit Parkettböden, tapeziert, oft mit einer Täfelung und noch vielen anderen Details versehen. Hier stellt die Präsentation eher eine Kür als Pflicht dar. Hingegen präsentieren sich die meisten Galerien auf Kunstmessen mit moderner Kunst noch in einfachen weiß gestrichenen Boxen ohne jegliche weitere Ausstattung, der Boden mit dem üblichen grauen Nadelfilz ausgelegt. Jedoch ist auf den Messen der Trend immer stärker zu spüren, dass die Besucher nicht nur an dem reinen Kunstobjekt interessiert sind, sondern auf einer Messe eine gewisse Dekoration fordern. So kann man auf der Art Basel feststellen, dass immer mehr Galerien ihre Stände mit einer dekorativen Ausstattung präsentieren, um so neue Kunden zu gewinnen. Dies ist durch den Umstand bedingt, dass sich der ganze Kunstmarkt verändert. Die klassischen Sammler sind kaum noch zu finden. Kunst wird entweder gekauft, weil sie gefällig ist, eine Wertsteigerung verspricht oder dem Käufer eine gewisse „Reputation des Kunstkenners“ vermittelt. Und gerade der erste und letzte Aspekt können nur durch die dekorative Zurschaustellung der Kunstobjekte einen Käufer animieren. Diesem Trend muss

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

auch durch die Messeveranstalter Rechung getragen werden. Kunstkauf stellt mittlerweile eine Art „Happening“ dar, die Messehallen werden stärker dekoriert, die Kaffees und Restaurants miteinbezogen, es finden Workshops am Rande der Messe statt, all diese Dinge muss eine Kunstmesse leisten, wenn sie noch wettbewerbsfähig bleiben und neue, junge Käufer anlocken möchte. Da bei solch einem Trend die Kojen der Galerien miteinbezogen werden müssen, stellt es keinen Verstoß gegen die Voraussetzungen des Kartellrechts dar, wenn ein Veranstalter eine gewisse Mindestdekoration von Ausstellern fordert, solange diese verhältnismäßig bleiben. So kann die Ausstattung der Kojenwände mit Stoff im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung noch als verhältnismäßig angesehen werden, die Ausstattung mit Parkettboden jedoch nicht mehr. Eine solche Pflicht würde eine Galerie mit normalen wirtschaftlichen Verhältnissen in ungerechtfertigter Weise behindern und wäre nicht mehr durch den Gestaltungsspielraum des Veranstalters gedeckt. Die Voraussetzung der Mindestabnahme von best. Kojengrößen und die Einhaltung von Standeinrichtungsanforderungen sind somit zulässig.

cc)

Kriterien, welche den durch die Galerie vertretenen Künstler oder die dargebotene Kunstrichtung betreffen

Wichtige Gründe für eine Differenzierung zwischen den einzelnen Ausstellern, bzw. Bewerbern, können auch in der auszustellenden Kunst selbst verankert sein.

aaa)

Ausschluss der Häufung von Galerien mit ähnlicher Kunstrichtung

Eine Nichtzulassung eines Bewerbers kann aufgrund des Umstandes erfolgen, dass ein Veranstalter zwischen Galerien mit gleicher Kunst sich entscheidet und nur eine zulässt. Er möchte damit auf seiner Veranstaltung ein breit gefächertes Angebot den Besuchern darbieten und vermeiden, dass das vorgestellte Angebot zu eintönig wird. Bei einer Kunstmesse ist jede Galerie eine Art von Attraktion. Sie möchte durch ihre Kunstwerke Besucher und potentielle Käufer begeistern. Und gerade von der Vielfalt der „Attraktionen“ lebt eine Messe. Gleich einem Volksfest, bei dem es auch im Rahmen der Ausgestaltungsfreiheit des Veranstalters liegt, die Anzahl der verschiedenen Attraktionen festzulegen, z.B. nur zwei Tombolen zuzulassen, muss es dem Ausrichter einer Kunstmesse erlaubt sein, die zuzulassenden Künstler und Kunstrichtungen frei zu bestimmen. In diesem Zusammenhang hat der Bayrische VGH 1163 im Jahre 1985 entschieden, dass es rechtlich nicht beanstandet werden kann, wenn ein Veranstalter nur wenige Aussteller gleicher Art zu1163

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

lässt. Die liege innerhalb der Ausgestaltungsbefugnis bei der Festlegung des räumlichen Umfangs der Veranstaltungen und des gewünschten Gesamtbildes. Es könne dabei nicht als willkürlich angesehen werden, wenn ein Veranstalter gleichartige Angebote zur Vermeidung eines einförmigen Erscheinungsbildes der Zahl nach begrenzt und im Interesse einer attraktiven, umfassenden und ausgewogenen Darbietung von Ausstellern bei dem knappen Platzangebot die Zahl gleicher Geschäfte auf z.B. zwei beschränkt. Dabei sei es möglich, die Zahl für eine Veranstaltung zu erhöhen, um sie dann im Folgejahr wieder zu reduzieren.1164 Damit darf ihm nicht verwehrt werden, die Anzahl der jeweiligen „Attraktion“, also zugelassenen Kunstrichtung, jedes Mal neu zu bestimmen. Dies muss selbstverständlich im Voraus geschehen, um sich nicht dem Vorwurf der willkürlichen Behandlung auszusetzen. Denn der Bereich „moderne Kunst“ ist zwar breit gefächert, aber eine Messe würde zu eintönig, wären nur Galerien vorhanden, die Werke von Pablo Picasso anbieten. Insofern ist gerade auch das Programm der Galerie ausschlaggebend, und nicht nur die Kunstrichtung, derer sie sich zuordnet. Ein Veranstalter muss sich über dieses Instrument der wandelnden Marktsituation anpassen, wobei der stärkste Trend auf einer Kunstmesse am häufigsten vertreten sein wird. Sei es in den 90er Jahren durch Künstler wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein, oder wie Anfang des 20. Jahrhunderts der Trend der „Photographie“. Ein Veranstalter ist im Interesse einer attraktiven, umfassenden und ausgewogenen Darbietung berechtigt bei knappem Platzangebot die Zahl der Galerien mit dem Angebot von Werken desselben Künstlers oder der gleichen Kunstrichtung zu beschränken. Er kann die Zahl dieser Galerien wieder zu verändern, nachdem er in den vorangegangenen Jahren für die Kunstmesse eine größere Anzahl dieser Galerien zugelassen hatte. Dieser Grundsatz gilt folglich für eine ausgewogene Selektion der Aussteller nach den verschiedenen von ihnen angebotenen Warengruppen, denn diese müssen zusammen bei einer Messe das „wesentliche Angebot“ oder bei einer Ausstellung „ein repräsentatives Angebot“ ergeben.1165 Auch aus der Mitberücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich keine andere Bewertung, denn er wird nur verletzt, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzierung nicht ersichtlich ist. Bei der Entscheidung über die Gestaltung einer Veranstaltung, die die unterschiedlichsten Erwartungen der Marktbesucher erwecken und befriedigen soll, können die mit der Aus-

1164

Bayer. VGH, Urt. v. 27.11.985 – 4 B 83 A. 1917 – in: GewArch 1986/7, S. 241.

1165

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

wahl betrauten Personen ihre subjektiven Vorstellungen miteinbeziehen. Dies kann dabei die Einschätzung der Anziehungskraft der einzelnen sich um einen Stand bewerbenden Unternehmen umfassen. Die Standzuweisung an einen von mehreren Bewerbern mit im Wesentlichen gleichen Darbietungen, kann daher grundsätzlich nicht als willkürlich angesehen werden. Aus dem Gleichheitsgrundsatz lässt sich nicht das Recht auf abwechselnde Berücksichtigung gleichwertig anzusehender Betriebe oder auf Auslosung der am Markt zuzulassenden Unternehmen herleiten.1166 So dient die Gesamtgestaltung einer Veranstaltung der Anziehungskraft, sie kann somit als primärer Zweck angesehen werden. Hierdurch wird der äußere Rahmen für die Betätigung von Gewerbetreibenden abgesteckt wird. Gelingen und Attraktivität einer Veranstaltung sind daher bei der Zulassung gewerblicher Betätigung gebührend in Rechnung zu stellen und können auch bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern nicht unberücksichtigt bleiben.1167 Unter Übertragung dieser Grundsätze auf das Kartellrecht im Rahmen der zu treffenden Abwägung ergibt sich, dass es nicht sachwidrig ist, wenn ein Veranstalter die Anzahl der Galerien mit gleicher Kunstrichtung beschränkt, um auf der Kunstmesse ein möglichst breites Spektrum der verschiedenen Kunststile oder auch möglichst viele Vertreter einer Kunstrichtung präsentieren zu können.

bbb) Auswahlentscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst Das wohl umstrittenste Auswahlkriterium stellt die Entscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst dar. In dieser Entscheidung liegt einer der Kernpunkte der vorliegenden Arbeit. Es geht um die Kollision von Kunstfreiheit, der Freiheit zu entscheiden, was Kunst oder Nichtkunst ist, und der gesetzlichen Vorgabe, nicht willkürlich zu handeln. Es entsteht die Problematik, ob eine Bewertung der Kunst kartellrechtlichen Grundsätzen genügen muss, oder ob das Kartellrecht, insbesondere das Diskriminierungsverbot durch die Eigenheiten der Kunst und des Kunstmarktes an die Grenzen der rechtlichen Möglichkeiten stößt, Kunst das „allgemeine“ Recht überlagert und nur durch die Schaffung eigener „Kunstrechtsnormen“ Abhilfe geschaffen werden könnte. In dieser Problematik stoßen Veranstalter, Galeristen, Künstler und Juroren an die Grenzen der zu treffenden Entscheidungen. Es tauchen Fragen auf, ob Kunst überhaupt beurteilt werden kann, und falls ja, wer diese Beurteilung treffen kann, wessen Urteil zählt. Es steht in Frage, ob eine „normale“ Person diese Entscheidung treffen kann, oder ob es ein Künstler oder sogar ein Sachverständiger sein muss. Und auch wenn die Entscheidung getroffen werden kann, darf sie dann ein Veranstalter als Auswahlaspekt berücksichtigen, ohne sich gleichzeitig 1166

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

1167

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 339.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

im Rahmen des GWB dem Vorwurf der Willkür auszusetzen? Und dieser Vorwurf wird selbstverständlich von der Galerie erhoben werden, dessen Kunst nicht zugelassen, und damit als nicht künstlerisch wertvoll beurteilt wurde. Und letztendlich entsteht noch die Frage, ob Gerichte die künstlerische Entscheidung überprüfen, und eventuell sogar selbst treffen dürfen. Es tauchen viele Problemstellungen auf, die nacheinander der Klärung bedürfen. Schon in der Pariser Salons des 19. Jahrhunderts war die Frage der künstlerischen Bewertung strittig.1168 Grundsätzlich kann das Kartellrecht nicht verlangen, sich über das persönliche Geschmacksurteil des Unternehmers hinwegzusetzen. Es kann nicht von einem Unternehmer verlangen, ohne ästhetische Berücksichtigung, die nicht nachprüfbar ist, jeden Bewerber zu akzeptieren, was den Sinn einer Kunstmesse in das Gegenteil verkehren würde. Denn jede Messe stellt eine Auswahl der nach ihrer Auffassung „besten“ Künstler dar. Würde aber der Besucher davon ausgehen müssen, dass eine solche Auswahl dem Veranstalter nicht möglich war, würde er die Messe meiden. Denn eine reine Zusammenstückelung ohne Konzept und Sinn ist sowohl wettbewerbs- als auch verkaufslähmend. Dies kann nicht Sinn und Zweck sein. Aber es gibt Versuche, Kunst zu bewerten, wie z.B. der Art Sales Index von der Zeitschrift Capital. Schon allein die Frage nach objektiven Maßstäben für die Qualität von Künstlern und Kunstwerken ist sehr umstritten. Als einige wesentliche Kriterien können angeführt werden: Originalität des Kunstwerks (Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit), Fortentwicklung des künstlerischen Gesamtwerks, Ökonomie des Kunstwerkes (Erkennen des Wesentlichen und Weglassen des Überflüssigen), Ausstrahlung der Künstlerpersönlichkeit, Faszination des Kunstwerkes im Auge des Betrachters u.a.m. Neben diesen verschiedenen Aspekten muss beachtet werden, dass Kunst überdies ein Kommunikationsphänomen ist und damit als Mittler zwischen verschiedenen Beteiligten dient. Kunst wird zum Teil von Künstlern gemacht, der andere Teil entsteht durch Rezeption und Rezension durch den Betrachter, Leute also, die mit Kunst umgehen oder sich damit auseinandersetzen. Die Identifikation insbesondere des Galeristen mit der Arbeit seines Künstlers verschafft dessen Kunst überhaupt erst Beachtung, Anerkennung und einen Markt. Man könnte von einer Mystifizierungsfunktion des Kunsthandels sprechen, denn auf solche Weise bekommt die Kunst ein Gütesiegel, wie es ihr von keinem Kulturbeamten verliehen werden könnte. Insbesondere die Preisfestsetzung im Kunsthandel trägt zum Entstehen von Wertvorstellungen und zur Aura eines Kunstwerkes bei. Wie ernst der Betrachter bzw. der Konsument ein Kunsturteil meint, drückt sich in seiner Zah-

1168

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 149.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

lungsbereitschaft aus.1169 Wenn eine Kunstmesse durchgeführt werden soll, muss der Veranstalter der Kunstmesse sich entscheiden, welches Niveau er der Kunstmesse geben möchte, welche Kunst zugelassen werden soll. Meist wird er nur in seinen Augen „gute“ Kunst zulassen wollen, während „schlechte“ Kunst nicht auf der Messe zu finden sein soll.1170 Es bedarf vorab der Klärung, wie eine Auswahlentscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst eines Kunstmesseveranstalters rechtlich zu werten ist, bevor weitere Aspekte betrachtet werden. Überdies ist das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit, Kartellrecht und Privatautonomie klärungsbedürftig. Aber auch die Messbarkeit von Kunstqualität sowie die Preisbildung von Kunst bedürfen der Erörterung. Letzten Endes entsteht das Problem, inwieweit Kartellgerichte und Kartellbehörden eine eigene Entscheidung über Kunst treffen bzw. eine getroffene Entscheidung eines Veranstalters überprüfen dürfen. Am Anfang einer solchen Erörterung steht die Frage, ob eine Messung der Qualität von Kunst nach objektiven Kriterien möglich ist.

(1)

Messbarkeit von Kunstqualität

Wenn nach Kriterien für eine Bewertung von Kunst gefragt wird, kommen u.a. preisbildende Indizien sowie das Merkmal der Originalität in Betracht. Kunst wird zwar von vielen Betrachtern begriffen, die Bewertung kann jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. Die Bandbreite reicht von absoluter Begeisterung bis hin zu der Bezeichnung „geschmacklos“. Auch ist es möglich, dass manche Menschen ein Kunstwerk nicht verstehen, wobei dies nichts über deren Kunstverständnis auszusagen vermag.1171 Man könnte dabei sagen, dass wenn ein Kunstwerk bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für ästhetische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Bevölkerung nachhaltigen Protest auslöst, diese wohl keine „gute“ Kunst darstellt.1172 Eine solche Auffassung würde aber dazu führen, dass nur das, was dem Durchschnitt gefällt, „Kunst“ wäre, was aber nicht Sinn und Zweck der Kunst ist. Denn Aufgabe der Kunst ist es auch, zu provozieren, zu missfallen. Dementsprechend steht außer Frage, dass die Abgrenzung von Kunst und Nichtkunst ziemlich unklar ist. Gerade Anhänger einer bestimmten Kunstrichtung

1169

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C.H. Andreae [Hrsg.], S. 35.

1170

Peters, Louis, „Haben Galeristen einen Anspruch auf Zulassung zu einer Kunstmesse?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

1171

Reichsgericht – Strafsenat, Urt. v. 27.02.1930 g. G. Gen. II 729/29 in: RGSt 64, S. 121, S. 127.

1172

BVerwG, Beschl. v. 13.04.1995 – 4 B 70/95 (München) in: NJW 1995, S. 2648, S. 2649.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

zweifeln daran, ob die jeweils anderen Kunstrichtungen überhaupt als Kunst angesehen werden können.1173 Damit entsteht das Problem, ob es objektive Kriterien gibt, an denen ein Veranstalter die Qualität von Kunst messen kann.1174 Kann es seiner subjektiven Sicht überlassen werden, und darf er die nach seiner Ansicht schwächeren Bewerber ablehnen? 1175 Dies alles steht in Bezug zu dem grundsätzlich gewährten großen Beurteilungsspielraum eines Veranstalters.1176 Es stellt sich die Frage, ob ein Veranstalter nicht nur nach qualitativ hochwertiger und niedriger Kunst unterscheiden darf, sondern ob es ihm erlaubt ist, für seine Kunstmesse adäquate Kunst zuzulassen, und innerhalb von Kunstrichtungen zwischen Nuancen zu unterscheiden.1177 Eine Bewertung wird dabei entweder meist von dem Veranstalter selbst, oder durch einen Ausschuss hochrangiger Fachleute der Kunstszene vorgenommen.1178 Im Mittelpunkt einer Bewertung, und dem Problem, ob eine Bewertung zulässig und nachprüfbar ist, steht das Rätsel: „Was ist Kunst?“ Hier entstehen die meisten Zweifel, ob dies überhaupt beantwortet werden kann. Aus diesem entspringt die weitere Frage: „Was ist ein Kunstwerk“, wobei die Moderne fordert, dass alles Kunst sein kann.1179 Für die Beantwortung stehen viele Faktoren, die eine Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst, „schlechter“ und „guter“ Kunst beeinflussen.1180 Dies wird auch durch die verschiedenen Rezipienten von Kunst geprägt, die unterschiedliche Künstler und Kunststile bevorzugen und kaufen.1181 Damit entsteht als erstes die Frage, welche Ansätze für eine Differenzierung von Kunst existieren. Kann z.B. der Preis eines Kunstwerkes eine Differenzierung rechtfertigen? 1173

Steinhöfler, Karl H., „Ökonomische Bemerkungen zur Diskussion“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 109.

1174

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 283.

1175

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

1176

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 14.

1177

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001).

1178

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

1179

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 14.

1180

Zembylas, Tasos, a.a.O. S. 15.

1181

Zembylas, Tasos, a.a.O. S. 60.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

(1.1)

Ansätze für eine Kunstdifferenzierung

Ein erster Ansatz für eine Differenzierung zwischen „guter“ und „schlechter“ Kunst könnte in der Bildung von verschiedenen Preisregionen sein, wonach „gute“ Kunst eher teuer und „schlechte“ Kunst eher billig gehandelt würde. Der Preis von Kunst richtet sich grundsätzlich nach den verschiedensten Determinanten. Für eine Beurteilung der Qualität können zuerst das Motiv, das Format, der Erhaltungszustand, die Provenienz, die Entstehungszeit, die Technik und die „Vita“ des Künstlers ausschlaggebend sein. Dies alles bestimmt die Preiserwartung, die sich auch in der Wiederverkäuflichkeit ausdrückt.1182 Sogar Argumente, die auf den ersten Blick makaber erscheinen, können einen Einfluss auf den Preis habe. So wurde schon früh der Spruch geprägt, „Nur ein toter Künstler ist ein guter Künstler“. Denn unbestritten steigen nach dem Tod eines Künstlers die Preise für seine Werke in aller Regel, da kein Nachschub mehr zu erwarten ist.1183 Es stellt sich nun die Frage, ob die Qualität an dem Preis gemessen werden könnte.1184 Wenn dies der Fall wäre, könnte man leicht die Einordnung „gut oder schlecht“ anhand von Preistabellen erkennen. Hierbei kommen insbesondere Indize wie der Art Price Index in Frage. Jedoch berücksichtigt dieser nur Ergebnisse von bekannten Auktionen, nicht das wichtige Galeriegeschäft. Insofern kann er keine wesentliche Aussage über die Qualität von Kunst, sondern nur über deren Wert treffen. Natürlich hängt der Wert von der Qualität ab, aber in Zeiten, in denen Kunst mehr als Anlage wie als Sammelobjekt benutzt wird, schwindet die Aussagekraft solcher Preisbücher. Ein weiterer Ansatzpunkt wäre der jährlich herausgegebene Kunstkompass der Zeitschrift Capital. Hier werden nicht nur die Preise, sondern auch noch weitere Umstände für die Erstellung einer Rangliste berücksichtigt. Man könnte weitergehen und noch die Ergebnisse in Auktionskatalogen dazu benutzen, sich ein Preisbild zu erstellen.1185 All diese „Preisüberlegungen“ begegnen jedoch dem Problem der Doppelnatur von Kunstwerken. Zwar existieren sie in einer konkreten dinglichen Ausgestaltung in Form eines Bildes, Textes, einer Skulptur etc., die gehandelt werden kann und deren Preis ermittelbar ist, andererseits ist die mitgeteilte künstlerische Idee, also der ästhetische oder philosophische Informationsgehalt, eine konstitutive Eigenschaft für ein Kunstwerk, die die Grundlage einer künstlerischen Beurtei1182

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 33.

1183

Koelnmesse, Pressemitteilung, Nr. 10-/Köln, April 2004.

1184

Hoffmann, Dieter, „Ist der Kunstmarkt lenkbar?“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 183.

1185

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 34.

331

332

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

lung bildet.1186 Auch richtet sich der Preis eines Werkes, wie schon angesprochen, nach der verfolgten Entwicklung eines Künstlers. Dadurch ist aber eine sprunghafte Entwicklung möglich, ein plötzlicher Umschwung ist vom Galeristen oft sogar erwünscht. Ein negativer Umschwung müsste zwar den potentiellen Käufern erst erklärt werden und ein Aufbau von vorne beginnen, aber dies ist das Risiko des Kunstmarktes. So beeinflusst der Markt den Galeristen und dieser wiederum den Künstler, der in seiner künstlerischen Freiheit damit unter Umständen eingeschränkt wird. Nicht erst seit Joseph Beuys „Jeder ist ein Künstler“ postulierte, gibt es mehr Künstler als Kunstkäufer. Deshalb haben Künstler, wie Kunsthändler, es schwer, damit genug Geld zu verdienen. Nur etwa 2 % der Künstler können alleine von ihrer Arbeit leben.1187 Kein Wunder also, dass sich auf dem Kunstmarkt eigenartige Formen bildeten: Aussagelose Bilder werden massenhaft hergestellt und zu geringen Preisen verkauft, Ausstellungen werden mit Industrie-Sponsoring unterstützt, Städte veranstalten Kunstmessen um ihr Image zu verbessern und schließlich wird direkt für den Markt produziert (Kunstmarktkunst). Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst verschwinden immer mehr. Es gilt: „Alles ist Kunst“ und Kunst ist ein Produkt wie jedes andere. Dies führt zu Kunstverkäufen bei Discountern, bei denen „Originale“ in großer Auflage für € 14,99 verkauft werden und bei den Kunden die Vorstellung hervorrufen, sowohl eine Wertanlage erworben zu haben, als auch „Prestige“ eines Kunstkenners zu entwickeln. Bei dieser Liste zählt ganz bewusst ein häufig vorgebrachter Einwand gegenüber einer marktmäßig angebotenen Kunst: Dass nur noch jene Kunstgattungen und Kunstrichtungen aufrechterhalten bleiben, die dem „Massengeschmack“ entsprechen. Dieser Einwand beruht – als allgemeingültige Aussage – auf der demokratischen Entscheidung, die mit der einfachen Mehrheit verglichen wird. Minderheiten, die intensive Präferenzen für eine künstlerische und kulturelle Darbietung haben, können gerade auf dem Markt zum Zug kommen. So kann die Zahlungsbereitschaft von z.B. Musikliebhabern kann insgesamt durchaus die Kosten eines Kammer- oder sogar Symphonieorchesters übersteigen. Wird dagegen mit einfacher Mehrheit entschieden, werden die Wünsche der Minderheit vernachlässigt. Ein weiteres, üblicherweise vorgebrachtes Argument, dass sich auf dem Markt vor allem neuartige und unkonventionelle Kunst nicht durchsetzen könne, ist nicht allgemeingültig. Es ist durchaus möglich, dass „Kulturunternehmer“ progressive Kunst unterstützen, in der Hoffnung, dass in der Zukunft eine Nachfrage danach entsteht. Diese Art von Kunstspekulation ist vor allem bei jenen Kunstformen möglich, die über die Zeit hinweg bewahrt werden kön-

1186

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, a.a.O. S. 25.

1187

Vgl. Workshop „Marketing für Künstler“ von Bernd Labetzsch, Köln 25.2.95.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

nen, also insbesondere bei der Malerei, der Musik und der Architektur. Und in der Tat sind etwa auf dem Gebiet der Förderung von Malern nicht selten private Galerien wegweisend,1188 um durch eine bewusste Förderung eines jungen Künstlers einen wirtschaftlichen Gewinn zu erreichen. Letztlich gilt aber, dass eine künstlerische Bewertung nach Preiskategorien aufgrund der Doppelnatur von Kunst und der kaum überschaubaren Determinanten, die den Wert beeinflussen, kaum möglich ist. Zwar verschieden manchmal Spekulationen den Preis eines Objektes, auf lange Sicht erreichen aber Kunstwerke einen Marktwert, der ihre „ästhetische“ Bewertung widerspiegelt.1189 Dies gilt gerade dann, wenn auf einer Auktion durch zwei Bieter ein Kunstwerk einen sehr hohen Preis erzielt. Dieser Preis wird seltenst bei einem Weiterverkauf zu erzielen sein, wenn einer der beiden Bieter nun nicht mehr auf dem Markt vorhanden ist. Der Durchschnittspreis für Kunst hängt sehr von dem „Zeitgeschmack“ und den dazugehörigen Sammlern ab. Während noch Ende des 20. Jahrhunderts Glasvasen des Künstlers Gallé oder auch Kupferobjekte des Jugendstils zu hohen Preisen gehandelt wurden, ist dieser Markt am Anfang des 21. Jahrhunderts eingebrochen. Umgekehrt entwickelt sich derzeit eine Nachfrage nach Objekten der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, die noch vor einiger Zeit kaum Käufer fanden. Daher kann zwar ein Preis eines Kunstwerkes als Indiz für dessen „Qualität“ bilden, aber auch nicht mehr. Die Qualität eines Kunstwerkes ist nicht an dessen Preis messbar. Überdies ist der Kunstmarkt mittlerweile durch die Zeiten der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit und der anhaltend hohen Inflation als Anlagemarkt in das Interesse der Allgemeinheit gerückt.1190 Diese Interessen beeinflussen jedoch sehr stark den Wert eines Objektes, ohne überhaupt dessen künstlerische Idee, die „Qualität“, zu berücksichtigen. Es kann nicht dem Grundsatz gefolgt werden, dass „Der Preis das Objekt adelt“, den viele Auktionshäuser und Kunstmessen verfolgen, und auf ihre teuersten Exponate verweisen.1191 Zwar muss sich ein Kunstwerk auf dem freien Markt den allgemeinen Marktregeln und Marktgesetzen unterordnen, dass gilt aber nicht für die „Qualität“. Denn es können bei diesem „Wert“ nicht marktwirtschaftliche über ästhetische Prinzipien gestellt werden, wie oft geschehen.1192 1188

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., „Kunst zwischen Freiheit und Demokratie.“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 27, S. 31.

1189

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 61.

1190

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C. H. Andreae [Hrsg.], S. 33.

1191

Herchenröder, Christian, Die neuen Kunstmärkte, Verlag Wirtschaft und Finanzen, 1990, Düsseldorf, S. 19.

1192

Herchenröder, Christian, a.a.O. S. 31.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

In einer Kategorie des Kunstmarktes kann der Preis ein stärkeres Indiz für die Qualität spielen, und zwar dann, wenn es sich um alte Möbel und Handwerksarbeiten handelt. Hier ist im Gegensatz zu der zeitgenössischen Kunstszene eine gewisse preisliche Kontinuität anhand von Aufzeichnungen ablesbar.1193 In diesen Fällen besteht oftmals eine Kongruenz zwischen Preis und handwerklichem Können, also Qualität. Aber mehr als ein stärkeres Indiz stellt der Preis auch hier nicht dar. Auch bei Antiquitäten kann der Name des Herstellers oder Künstlers zu einer Preisentwicklung beitragen, die sich sehr stark von vergleichbaren Stücken abhebt, wobei dann oft von einer „anderen“ Qualität“ bei einer solchen Zuschreibung gesprochen wird. Eine weitere Einschätzung von Kunst könnte anhand der steuerrechtlichen Beurteilung erfolgen. Jedoch ist auch hier anerkannt, dass ein allgemeinverbindlicher Kunstbegriff nicht existiert.1194 Es existiert zwar auch die Auffassung, dass die Feststellung, ob ein Künstler gegeben ist, danach beurteilt werden könnte, wenn seine Arbeit zumindest von einer Minderheit der zur fachlichen Beurteilung kompetenten Personen als künstlerisch beurteilt wird.1195 Jedoch wird auch hier das Problem entstehen, welche Personen fähig sind zu beurteilen, was Kunst oder Nichtkunst ist. Die Lösung der Frage würde sich danach beurteilen, welche Gutachter befragt wurden. Es stellt sich aber die Frage, ob ein Gutachter feststellen kann, was Kunst ist. Insofern verlagert das Gericht die Entscheidung auf eine weitere Person. Jedoch existieren zu viele Aspekte, die Kunst bedingen. Ein rein formales Gutachten kann nicht die Entscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst treffen. Auch der Begriff der „Gestaltungshöhe“ beseitigt nicht den Vorwurf, willkürlich eine Entscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst zu treffen. Die Gestaltungshöhe hängt von den angelegten Maßstäben ab, welche wiederum willkürlich festgesetzt werden. Insofern kann auch hier keine gültige Entscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst, guter und schlechter Kunst getroffen werden.

(1.2)

Die Voraussetzung „Original“

Eine weitere Voraussetzung der Beurteilung von künstlerischer Qualität stellt das Merkmal „Original“ dar. Die Einordnung „Original“ oder „Fälschung“ besitzt eine wesentliche Bedeutung für die Wertschätzung eines Kunstwerkes und seines Wertes. Dabei bedeutet „Original“ grundsätzlich das ursprüngliche Werk, das Urstück. Gerade bei einem Verkauf von Kunst kommt es oft auf diesen Originalcharakter an, den ein Verkäufer seiner Kaufentscheidung zu Grunde legt.

1193

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

1194

Boochs, Wolfgang, „Kunst und Steuern“, in: NWB Fach 2 (1999), S. 7281.

1195

Boochs, Wolfgang, „Kunst und Steuern“, in: NWB Fach 2 (1999), S. 7281.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Problematisch ist in diesem Zusammenhang speziell im Kunstbereich die Frage, wann noch ein Original vorliegt, und ab wann eine Fälschung gegeben ist. Es gilt dabei der Grundsatz, dass ein Original sich aufgrund der erfolgten Erstfixierung von Vervielfältigung (Reproduktion), von Kopien – also Nachbildungen und Nachahmungen – oder auch Fälschungen qualitativ abgrenzt. Hierbei entscheidet auch der Wille des Künstlers über diesen Originalcharakter. Eine „leichte“ Einordnung eines Werkes ist dann möglich, wenn es sich um ein Unikat handelt, also bei unmittelbaren eigenhändigen Schöpfungen von Einzelstücken durch den Künstler, wie z.B. bei Handzeichnungen, Aquarellen, Mischtechniken, Skulpturen, Gemälden. Bei Stücken, bei denen eine Vervielfältigung möglich und gewollt ist, wie z.B. Lithographien und Bronzen, entstehen oftmals Probleme der Einordnung. In diesen Fällen, wie auch bei postmortalen Bronzegüssen in den Originalformen, herrscht eine große Uneinigkeit in der Kunstwelt, die noch nicht endgültig geklärt ist.1196 Ein Indiz für ein Original kann hierbei die Signatur darstellen, ist aber kein unverzichtbares Merkmal. Denn es gibt signierte und unsignierte Originale und nicht immer sind signierte Werke Originale.1197 In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass das Merkmal „Original“ zur Einschätzung eines Kunstwerkes geeignet ist, und für eine Bewertung der Kunst in Frage kommt. Wenn jedoch ein Veranstalter dieses Merkmal für die Einschätzung der Qualität benutzen möchte, ist er verpflichtet, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Originalität des Kunstwerks festzustellen. Ein Abstellen auf die Signatur kann nicht ausreichend sein, insbesondere bei Zweifeln sollte er Sachverständige hinzuziehen. Trotzdem ist eine Auswahl nach dem Merkmal „Original“ zulässig, gerade wenn der Zweck verfolgt wird, eine Antiquitäten- und Kunstmesse auf besonders hohem Niveau zu veranstalten, die durch das Vorhandensein von einwandfreien und gut erhaltenen Originalen geprägt wird.1198

(2)

Das Verhältnis von Kunstfreiheit, Kartellrecht und Privatautonomie

Im Zentrum einer Beurteilung der Kunst durch einen Veranstalter einer Kunstmesse und deren Nachprüfung steht das Spannungsverhältnis zwischen Kunstfreiheit, Kartellrecht und der Privatautonomie. Das LG Frankfurt urteilte 1989 1199, dass es unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet werden kann, wenn die Auswahl nach künstlerischer

1196

Einen guten Meinungsstand gibt hier Heinbuch, Holger, „Kunsthandel und Kundenschutz“ in: NJW 1984, S. 15, S. 18 wieder.

1197

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 100.

1198

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390, S. 1391.

1199

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652, S. 653.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Bewertung getroffen wird, und dabei inhaltliche, und nicht nur formale Kriterien berücksichtigt werden. Eine Vergabe von Messeständen aufgrund künstlerischer Erwägungen steht dem nicht entgegen. Denn gerade bei Kunstmessen hängt der Erfolg davon ab, ob es gelingt, dem Publikum eine künstlerisch hochwertige Auswahl zu präsentieren, die den Zeitgeschmack trifft. Dabei kann es vorkommen, dass neue, marktfrische Kunst auch präsentiert werden soll. Wenn man jedoch diese Freiheit grundsätzlich anerkennen würde, besteht auch im Kunstbereich die Gefahr des Missbrauchs wirtschaftlicher Marktstellung. Gerade dann kann es passieren, dass eine künstlerische Auswahl als Deckmantel benutzt wird, um sachfremde, diskriminierende Motive in der Auswahl zu verbergen. Auf der anderen Seite sollen nach dem Zweck des Diskriminierungsverbots alle sachfremden Motive verbannt werden. Trotz dieses rechtlichen Anspruches muss aber der künstlerische Beurteilungsspielraum gewahrt bleiben. Speziell bei der Interessensabwägung, die bei einem Ausschluss durchzuführen ist, kann seltenst eine klare Trennung der von beiden Seiten vorgebrachten Gesichtspunkte, unter Eliminierung aller ein künstlerisches Werturteil bedingenden Gründe, vorgenommen werden. Gerade das Gegenteil ist der Fall. So urteilte schon der BGH im Jahre 1970 in der Entscheidung „Hamburger Volksbühne“, dass oft eine angeführte künstlerisch geringwertige Qualität nur ein Vorwand sei, deren gerichtliche Nachprüfung sich mitten im Spannungsverhältnis der Grundrechte bewegt.1200 An dieser Stelle ist zu beachten, dass eine Kunstmesse, auch wenn sie den Regelungen des Kartellrechts unterliegt, nicht zu unterschiedsloser Behandlung von Kunst verpflichtet sein kann, die zu einer reinen Verteilerstelle von Standkojen herabsinkt. Vielmehr verlangt es die Privatautonomie der Kunstmesse, dass sie eine künstlerische Entscheidung treffen kann. Ihre Aufgabe ist es, Besuchern der Kunstmesse ein lebendiges Bild der durch den Veranstalter bestimmten Kunst zu präsentieren.1201 Hierzu gehört es gerade im strittigen Bereich der Kunstbewertung, dass es einem Veranstalter erlaubt sein muss, seinen eigenen Kunstgeschmack durchzusetzen, um der Kunstmesse ein künstlerisches Profil zu geben. Auch wenn der Bewerber im Rahmen der grundgesetzlich gesicherten Kunstfreiheit darüber befinden darf, ob seine Kunstwerke Kunst oder evtl. hochwertige Kunst ist, so muss dies auch für den Kunstmesseveranstalter gelten. Beide Seiten können hierbei im Rahmen der Kunstfreiheit darüber befinden, um welche Art von Kunst es sich handelt. Insbesondere kommt hier noch die Privatautonomie des Veranstalters zum Tragen, die ihm gleichwohl kartellrechtlicher Bindungen die

1200

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 175.

1201

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 282.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Entscheidung überlassen muss, ob er Kunst für „gut“ oder „schlecht“ hält. In diesem Bereich fordert auch die Kunstfreiheitsgarantie, dass der Austausch zwischen Künstlern, Galeristen und Kunstabnehmern frei von staatlicher Bevormundung sein muss. Eine gesetzliche Gleichbehandlung von Kunst ist unhaltbar und kann nicht im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen liegen.1202 Eine andere Auffassung kann auch bei stärkerer Beachtung der Grundrechte nicht vertreten werden. Gerade die Kunstfreiheit umfasst auch das Recht zur Vermittlung von Kunst an Dritte, den sogenannten Wirkbereich.1203 Es muss berücksichtigt werden, dass grundsätzlich § 20 GWB als allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 II GG anzusehen ist. Damit könnte es dem Grundrecht aus Art. 5 I GG eine Schranke setzen. Eine solche Schranke wäre aber keine starre Grenze. Vielmehr sind allgemeine Gesetze, die Grundrechte einschränken, ihrerseits wiederum im Lichte der Bedeutung des Grundrechts auszulegen. Die so entstehende Wechselwirkung schränkt demgemäss die Wirkung der Schranke wiederum ein. Jedoch gilt für Art. 5 III 1 GG die Schranke des Art. 5 II GG nicht.1204 Trotzdem wirkt ein ähnliches Prinzip der Wechselwirkung auch für die Begrenzung der in Art. 5 Abs. 3 GG garantierten unbegrenzten Kunstfreiheit. „Einbruchstellen“ der Grundrechte in das Zivilrecht sind dabei vor allem die Generalklauseln, die gemäß der im Grundrechtsabschnitt des GG aufgestellten Werteordnung ausgelegt werden müssen. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, die Voraussetzungen für ein staatliches Eingreifen so zu umgrenzen, dass der freie künstlerische Beurteilungsspielraum gewahrt bleibt.1205 Dieser Beurteilungsspielraum wird durch die im Grundgesetz aufgestellte Privatautonomie geprägt. Der Ausgleich dieser kollidierenden Grundrechte ist nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz herbeizuführen, d.h. alle betroffenen Grundrechte der Beteiligten müssen sich gegebenenfalls Abstriche gefallen lassen; sie sind so verhältnismäßig zu begrenzen, dass alle zu optimaler Wirksamkeit gelangen können.1206 Aber auch bei einer solchen Abwägung muss der Grundsatz bewahrt werden, dass eine Bewertung der künstlerischen Bedeutung nach Art. 5 III 1 GG frei bleiben muss.1207 Insofern kann die Kunstfreiheitsgarantie nur nach Maßgabe der grundgesetzlichen Werteordnung und unter Berücksichtigung der Ein-

1202

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 175.

1203

BVerwG, Beschl. v. 13.04.1995 – 4 B 70/95 (München) in: NJW 1995, S. 2648.

1204

BVerfG, Beschl. v. 24.02.1974 – 1 BvR 435/68 „Mephisto“ in: BVerfGE 30, S. 173.

1205

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 173.

1206

Nicklisch, Fritz, „Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen“ in: JZ 1976, S. 105, S. 110.

1207

VG Berlin, Beschl. v. 26.05.1995 – 19 A 831/95 „Verhüllter Reichstag“ in: NJW 1995, S. 2650.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

heit dieses grundlegenden Wertsystems betrachtet und gegebenenfalls eingeschränkt werden.1208 Damit ist im Rahmen der in einer Interessensabwägung mit zu berücksichtigenden Kollision von Grundrechten zu beachten, dass es einem Veranstalter nicht verwehrt werden darf, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots, Galerien anhand der subjektiven Beurteilung der Qualität der Kunst auszuwählen. Es muss ihm aufgrund seines Beurteilungsspielraums erlaubt sein, zu entscheiden, welche Kunstwerke zu seiner Kunstmesse passen, ihm „adäquat“ sind, und welche nicht. Hier stellt sich gerade auch das Problem, dass manche Veranstalter gar nicht „hochwertige“ Kunst auf ihrer Messe präsentieren möchten, da die Angst besteht, das Zielpublikum durch hohe Preise zu „verschrecken“. Vielmehr möchten sie „günstigere“ Preise vertreten sehen, um sich als Kunsteinsteigermesse darstellen zu können, und so eine Nische auf dem Kunstmarkt auszufüllen.

(3)

Die Möglichkeiten der gerichtlichen Nachprüfbarkeit einer Kunsteinschätzung

Eine weit schwierigere Frage stellt sich, ob die subjektiv geprägte Auswahl aufgrund künstlerischer Qualitätseinschätzung durch den Veranstalter einer Kunstmesse durch Kartellgerichte in einem gerichtlichen Verfahren nachgeprüft werden kann. Gerade hier entsteht das Problem, inwieweit Gerichte die evtl. willkürliche Einschätzung der Qualität von Kunst nachprüfen können und dürfen. Wie schon festgestellt wurde, existieren kaum Möglichkeiten, Qualität von Kunst objektiv zu bewerten. Dementsprechend käme eine gerichtliche Nachprüfung einer subjektiven Einschätzung der zuständigen Kartellrichter über die Kunst gleich. Die Kunstauffassung der Richter wäre damit entscheidend für die Überprüfung der Auswahlentscheidung. Während Aspekte wie Originalität oder Provenienz nachprüfbar sind, streiten sich über die Qualität von Kunst seit jeher die Geschmäcker. Schon bei den Zulassungsentscheidungen der Jury des Pariser Salons wurden Entscheidungen getroffen, die aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar sind. Dies belegt, dass sich die Ansicht über Kunst ändern kann, was heute „gut“ ist, kann morgen „schlecht“ sein, und umgekehrt. Wollte man jedoch eine feststehende Bewertung der Kunst durch Gerichte zulassen, würde dies eine rein willkürliche Entscheidung des Gerichts bedeuten. Willkür des Veranstalters, die man durch das Kartellrecht zu verhindern sucht, würde durch Willkür der Richter ersetzt, denen nicht einmal Indizien für eine Bewertung an die Hand gegeben werden könnten. Deshalb ist zu Recht der Auffassung zu fol-

1208

BVerfG, Beschl. V. 24.02.1974 – 1 BvR 435/68 „Mephisto“ in: BVerfGE 30, S. 173, S. 191.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

gen, dass der Staat, auch nicht durch seine Gerichte die Qualität künstlerischer Leistungen bewerten darf.1209 Die Einschätzung über Kunst kann und darf gerichtlich nicht nachprüfbar sein.1210 Dieser Ansicht, dass eine gerichtliche Bewertung von künstlerischer Qualität nicht erfolgen darf, folgen mittlerweile die meisten Gerichte.1211 Ein künstlerisches Werturteil des Staates, auch wenn Gerichte entscheiden, muss schon deshalb fragwürdig erscheinen, weil er damit in den Freiheitsbereich eingreift, den Art. 5 Abs. 3 GG der Kunst gewährleistet. Wenn ein Gericht ein Urteil über Kunst fällen müsste, käme dies einer Zensur nach. Gerade aber Kunst, und dessen Einschätzung, muss von jeglicher Zensur freigehalten werden. Das erfordert schon die Kunstfreiheitsgarantie. Bewertungen auf diesem Gebiet müssen deshalb den gesellschaftlichen Kräften überlassen werden.1212 Folglich sind solche Urteile abzulehnen, die die Auffassung vertraten, dass der künstlerische Wert dem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglich, und daher die Ablehnung der Zulassung einer Galerie zu einer Kunstmesse aus Gründen angeblicher mangelnder künstlerischer Qualität gerichtlich nachprüfbar sei.1213 Denn die Kunst ist auf die befruchtende Vielfalt der gesellschaftlichen Kräfte und Strömungen angewiesen. Wenn aber schon die Grenzziehung zwischen Kunst und Nicht-Kunst umstritten ist, ist es ein von vornherein aussichtloses Unterfangen, die notwendigen allgemeinverbindlichen Maßstäbe zu finden, an denen die Qualität künstlerischer Leistungen gemessen werden könnten. Fragen des künstlerischen Geschmacks und eine spezifische künstlerische Wertung können kaum nach objektiven Kriterien festgestellt werden. Geschmacksbildung und Konsumerwartung sind im Bereich des Kunstlebens so unterschiedlich, dass es einem Sachverständigen schwerlich gelingen wird, einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab zu finden.1214 Überdies verbietet gerade Art. 5 III 1 GG ein solches Vorgehen der Gerichte, was einer Vorfahrtsregel nach Qualitätsgesichtpunkten gleich käme.1215

1209

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 175.

1210

Schmidt, Ulrich, Kurzkommentar zu LG Köln in: EWiR § 26 GWB 1/99, S. 73.

1211

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 16.

1212

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 173.

1213

Schmidt, Ulrich, LG Köln, Urt. v. 1.10.1998 – 81 O (Kart) 153/98 „Art Cologne“ in: EWiR 1/99, S. 73, S. 74.

1214

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 173.

1215

VG Berlin, Beschl. v. 26.05.1995 – 19 A 831/95 „Verhüllter Reichstag“ in: NJW 1995, S. 2650, S. 2652.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Damit liegt die Beurteilung über die Qualität eines Kunstwerkes oder eines Künstlers und deren präsentierende Galerie in dem gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum des Veranstalters einer Kunstmesse.1216 Keinesfalls kann ein Gericht anstelle des Zulassungsausschusses entscheiden, ob eine Galerie mit ihrem künstlerischen Messeprogramm den Teilnahmebedingungen in qualitativer Hinsicht genügt.1217 An dieser Stelle wäre der Einwand möglich, dass durch eine solche gerichtlich nicht nachprüfbare Entscheidungsbefugnis des Veranstalters der Willkür Tür und Tor geöffnet wären. Es ist aber zu bedenken, dass der Kunstmarkt ein sehr diffiziles Gebäude ist. Gerade Aussagen über künstlerische Werte werden nur sehr zurückhaltend gemacht. Ein Veranstalter wird auch mit einer solchen Begründung sehr selten aufwarten, weil er befürchten muss – falls seine Entscheidung dadurch in Zweifel gezogen wird, weil der abgewiesene Künstler Berühmtheit erlangt – dass dies dem Ruf seiner Kunstmesse großen Schaden bringen könnte. Dadurch wären viele Aussteller und gerade auch Besucher gewarnt, weil auf dieser Veranstaltung hochwertige Kunst aufgrund von fatalen Fehleinschätzungen der zur Auswahl berufenen Personen nicht zu finden sei. Dies würde letztlich das Ende der Kunstmesse bedeuten. Insofern wird ein Veranstalter selten von diesem „Willkürrecht“ Gebrauch machen. Bei der Einschätzung des Merkmals „Original“ im Gegensatz zu der subjektiven Einschätzung der Qualität ist zu beachten, dass sie nachprüfbar ist, auch wenn hier einige Schwierigkeiten entstehen. Ein Gericht kann insoweit die Beurteilung einer Zulassungsjury oder eines Veranstalters dahingehend überprüfen, ob er z.B. ein Kunstwerk zu Recht oder zu Unrecht als „Fälschung“ eingeschätzt hat. Ein Problem ergibt sich, wenn die Experten ihre Meinung über den Originalcharakter eines Kunstwerkes im Laufe der Zeit ändern. Beispielhaft wären für diesen Fall Gemälde von Rembrandt, deren Zuschreibung im Laufe der Geschichte sich oft geändert hat. Hier entsteht die Frage, welcher Zeitpunkt der Beurteilung Gültigkeit besitzt. Wie bei einem Verkauf maßgebend ist, was zur Zeit des Verkaufs galt 1118, muss dies auch für die Auswahlentscheidung des Veranstalters gelten. Daher muss der Stand der Expertenmeinung zum Zeitpunkt der Beurteilung durch den Veranstalter bei einer späteren gerichtlichen Überprüfung maßgeblich sein.

1216

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 997.

1217

Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion ? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www. kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002).

1218

Flume, Werner, „Der Kauf von Kunstgegenständen und die Urheberschaft des Kunstwerks“ in: JZ 1991, S. 633.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

(4)

Fazit

Es kann festgehalten werden, dass ein Veranstalter einer Kunstmesse bei der Zulassung eine Auswahl nach Qualitätsgesichtspunkten treffen kann.1219 Hierzu kann er Argumente wie die Bewertung „verbrauchte Formsprache“ benutzen.1220 Eine solche künstlerische Auswahl stellt dabei ein sachgerechtes Kriterium dar. Diese subjektive Wertung ist gerichtlich nicht nachprüfbar, so dass ein Gericht anstelle des Zulassungsausschusses nicht entscheiden kann, ob eine Galerie mit ihrem künstlerischen Messeprogramm den Teilnahmebedingungen in qualitativer Hinsicht genügt.1221 Zwar handelt es sich bei der Einstufung der Qualität speziell im Kunstbereich um eine schwierig vorzunehmende Bewertung und Abstufung, die auch mit Hilfe der Beurteilung einer aus unanhängigen Kunstexperten zusammengesetzten Jury getroffen werden kann1222, dies muss aber gerade im Hinblick auf den weiten Beurteilungsspielraum des Veranstalters und das Gebot der Kunstfreiheit akzeptiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine objektive Feststellung nie möglich ist. Dies gilt insbesondere für Werke avantgardistischer Kunst, die sich dem allgemeinen Kunstverständnis vielfach entziehen und deren Kunsteigenschaft nicht selten sogar bestritten wird. Die Qualität einzelner Kunstwerke entzieht sich objektiver Feststellbarkeit. Es ist dies der Umstand, der den Markt für zeitgenössische Kunst zu einem Markt für verhältnismäßig wenige „Eingeweihte“ macht, die sich über den Kunstcharakter von Artefakten vereinbaren.1223 Es kann damit nicht der Ansicht mancher Gerichte beigepflichtet werden, dass die Frage, ob es sich um „gute“ oder „weniger gute“ Kunst handelt, bei der Auswahl keine Rolle spielen darf.1224 Wie schon der BGH ausgeführt hat, ist die Qualität von Kunst nicht fassbar und somit nicht nachprüfbar. Denn einem Veranstalter einer Kunst- und Antiquitätenmesse muss es frei stehen, das Niveau der Messe nach Qualitätsmerkmalen der auszustellenden Stücke zu bestimmen. Er

1219

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734.

1220

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

1221

Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion ? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www. kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002).

1222

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

1223

Bongard, Willi, „Zur Preisentstehung von Werken zeitgenössischer Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 38, S. 39.

1224

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

341

342

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

darf nicht gezwungen werden, jeden Bewerber aufzunehmen und dadurch das Konzept der Messe zu gefährden.1225 Vielmehr steht es ihm zu, die zu seiner Messe adäquate Kunst nach subjektiven Kriterien auszuwählen.1226 Dies muss gelten, wenn er zwischen verschiedenen Nuancen einer Kunstrichtung unterscheidet. Es ist gerade auch hier den Gerichten nicht möglich, Kunst danach zu bewerten, ob sie noch einer Kunstart angehören, oder stark abweichen. Diese qualitative Auswahl ist sogar dann möglich, wenn eine Galerie zwar formal die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, aber in qualitativer Hinsicht dem unteren Bereich zuzuordnen ist.1227 Hierbei könnte es aufgrund der Voraussetzungen des GWB in Frage kommen, dass ein Veranstalter gehalten ist, in den ATB aufzuführen, dass eine Auswahl aufgrund qualitativer Gesichtspunkte durchgeführt wird. Mehr kann nicht gefordert werden. Denn in Anbetracht der Schwierigkeiten der Beurteilung von Kunst muss hingenommen werden, dass ein Veranstalter keine exakten Auswahlkriterien angibt und sich vielmehr auf seine Intuition, sein Recht auf eine subjektive Ansicht und das persönliche Gefühl bezieht. Gerade bei der Differenziertheit der Strömungen moderner Kunst und ihrer Vielfalt in der Welt ist es nicht möglich, objektive Kriterien zur Qualitätsmessung von Kunst aufzustellen.1228 Dass hierdurch der Willkür ein Tor geöffnet werden könnte, muss dabei akzeptiert werden. Dieser Aspekt wiegt jedoch nicht so schwer, da Fehleinschätzungen eines Veranstalters sofort durch den Markt registriert werden, und dies sogar dazu führen kann, dass es eine weitere Durchführung der Kunstmesse nicht mehr geben wird. Ein solcher Vorgang kann als Selbstregulierung des Marktes aufgefasst werden. Aus diesem Grund wird sich ein Veranstalter einer Kunstmesse mit der Ablehnung aufgrund der Qualität von Kunst zurückhalten, um nicht später die falsche Beurteilung vorgehalten zu bekommen. In diesem Rahmen drängt sich ein Vergleich mit dem Arbeitsrecht auf. So existiert in Tendenzbetrieben das Recht des Arbeitgebers seine Angestellten nicht nur nach objektiv gleichen Kriterien auszuwählen, sondern auch kann auch die subjektiv geprägten Umstände der politischen oder religiösen Einstellung der Bewerber mit in die Abwägung einführen. Auch hier will das Gesetz ein ausgewogenes System zwischen dem Sozialstaatsprinzip einerseits und den Freiheits1225

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3898.

1226

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1071.

1227

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

1228

OLG Frankfurt, Beschl. V. 01.07.1992 – 25 W 44/92 in: NJW 1993, S. 1472, S. 1473; Bongard, Willi, „Zur Preisentstehung von Werken zeitgenössischer Kunst“ in: Wirtschaftspolitische Blätter 1980, S. 38, S. 39.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

rechten der Tendenzträger andererseits schaffen.1229 Einzig das Merkmal der Originalität ist durch Gerichte, wenn auch nur bedingt, nachprüfbar, wobei stets von dem Zeitpunkt der Ausschlusshandlung als Zeitpunkt der Beurteilung auszugehen ist.

ccc)

Ausschlussgrund „Renommee des Künstlers“

Auch das „Renommee“ eines Künstlers als kann Ablehnungsgrund im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung stehen.1230 Das Renommee unterscheidet sich jedoch von der Bewertung, ob ein Künstler gut oder schlecht ist. Es bedeutet vielmehr die Wertung eines Künstlers an sich, nicht nur seiner Werke; also die Beurteilung der äußerlichen Berühmtheit der Person, seines Lebens und seiner Werke. Ein Schwerpunkt liegt dabei auch in der Vita des Künstlers. Bevor aber die Frage erhoben werden kann, wann ein Künstler als renommiert gilt, und ob diese Entscheidung eines Veranstalters gerichtlich überprüfbar ist, ist zu klären, wann überhaupt ein Künstler ein Künstler ist. Der Begriff des Künstlers wird weder vom Gesetz fest definiert, noch stellt es einen geschützten Beruf dar. Vielmehr muss der Begriff des Künstlers als ein Gebrauchmachen von einer gesellschaftspolitischen Funktion, als „Ausweis“, auf dem Kunstmarkt verstanden werden. Wenn jedoch eine Person sich als „Künstler“ fühlt, greifen in diesem Augenblick die verschiedensten Rechtsfolgen an diese Einordnung an, wie z.B. Urherber, Künstlername, Ausbildung zum Künstler, Kunstfreiheit, Künstlersozialversicherung, etc. Nur im Steuerrecht existiert der Begriff des „anerkannten Künstlers“. Danach gilt eine Person als Künstler erst dann, wenn eine Vielzahl von Kunstsachverständigen und kunstinteressierten Personen sein Gesamtwerk als künstlerisch einschätzt. Dabei liegt eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des Steuerrechts nur dann vor, wenn die Person eine selbständige schöpferische Tätigkeit entfaltet, die über das Handwerkliche hinaus der individuellen Gestaltungskraft des Künstlers entspringt, somit eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht. Diese Hilfskonstruktion ist vielleicht für das Steuerrecht nützlich, kann aber keinesfalls auf das allgemeine Recht übertragen werden.1231 Gerade hier muss aufgrund der Kunstfreiheit akzeptiert werden, dass ein Künstler jede Person ist, die sich schöpferisch entfaltet. Wenn nun aber nicht geklärt werden kann, ab wann ein Künstler als solcher angesehen werde muss, könnte ein Veranstalter in diesem Zusammenhang auf

1229

Schaub, Günter, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Auflage, Verlag C. H. Beck, München, 2000, § 214 Rz. 52.

1230

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 997.

1231

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C. H. Beck, München, S. 62.

343

344

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

das Renommee abstellen, um zwischen Künstlern unterscheiden zu können. Dabei kommt ein Ausschluss eines Künstlers als Ganzes dann in Betracht, wenn nicht nur einzelne Kunstwerke nicht als ausstellungsfähig bewertet werden, s.u., sondern das ganze Œuvre des Künstlers bewertet wird, um einen Ausschluss auf allgemeiner Basis zu entwickeln. Dass hierbei auch die Kunst bewertet werden muss, steht dabei außer Frage. Aber es kommen noch weitere Aspekte in Betracht. So wurde eine Galerie ausgeschlossen, die eine „one-man-show“ präsentieren wollte, wobei sich die Jury auf den Umstand berief, dass der auszustellende Künstler nicht international renommiert sei.1232 Anhand des Falles merkt man schon, dass ein Ausschluss eines Künstlers als solchen nicht nur die künstlerische Seite betrifft, sondern viel weiter geht. Es geht um das ganze Wirken und Auftreten eines Künstlers auf dem Kunstmarkt. Wie schon bei der Bewertung der Kunst ist eine Bewertung des Renommees sehr subjektiv geprägt. Hingegen ist in dem Urteil des LG Köln anstelle des Renommees vielmehr der Umstand der Bekanntheit, national oder international, bewertet worden. Wenn das Gericht in diesem Urteil von dem Umstand ausging, dass die Tatsache des internationalen Renommees anhand objektiver Tatsachen, wie z.B. Auszeichnungen, Preise, etc., festgestellt werden könnte,1233 meinte dies eher die Bekanntheit und die Einstufung des Künstlers durch Dritte. Nur dies könnte unter Umständen objektiv gemessen werden. Diese Umstände drücken sich auch im Preis aus. Denn wenn ein Künstler bekannt ist, dürfte es ihm meist gelingen, einen höheren Preis durchzusetzen.1234

(1)

Messbarkeit der Bekanntheit eines Künstlers

Wenn nicht das Renommee eines Künstlers objektiv festgestellt werden kann, könnte unter Umständen das Auswahlkriterium der Bekanntheit eines Künstlers durch Gerichte objektiv überprüfbar sein. Auszugehen ist hierbei von dem Umstand, dass es für den Veranstalter einer Kunstmesse ein sachgerechtes Auswahlkriterium darstellt, wenn er seine Kunstmesse nur mit Künstlern ausstatten möchte, die einen gewissen Mindestbekanntheitsgrad auf dem Kunstmarkt erreicht haben. Auf diesem Gebiet existieren einige Datenbanken und Bücher, die eine Bekanntheit eines Künstlers anhand objektiv nachvollziehbarer Tatsachen festzulegen versuchen.

1232

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 997.

1233

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 16.

1234

Andreae, Clemens-August und Keuschnigg, Christian, „Kunst und Wirtschaft“ in: Kunst und Wirtschaft von C.H. Andreae [Hrsg.], S. 30.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

So können als erstes die Angaben in dem jährlich herausgegebenen Kunstkompass der Zeitschrift Capital für einen ersten Überblick verwendet werden. Diese Angaben berücksichtigen dabei das Gesamtwerk des Künstlers – und nicht etwa ein einzelnes Werkstück. Dabei werden öffentliche und private Sammlungen, die Teilnahme an Ausstellungen und Kunstmessen innerhalb einer Gruppenausstellung oder als Solist, die Meinung von Fachleuten sowie das Vorkommen in Publikationen gewertet.1235 Insgesamt ergeben sich fast 600 solcher Parameter. Diese werden dann im Rahmen eines Punktesystems bewertet. So kann z.B. ein Künstler, der in der ständigen Sammlung des Museums of Modern Art in New York mit einer Arbeit vertreten ist, 300 Punkte erhalten, während seine Präsenz in einem Kunstmuseum, das nach Einschätzung der Kunstwelt als weniger bedeutend gilt, mit entsprechend niedrigeren Punkten bedacht wird. Die Summe aller Punkte ergibt dann den Status auf der Rangliste, aus dem auch die Bekanntheit des Künstlers abgeleitet werden kann. Aus dieser Rangliste werden dann die hundert Besten in den Kunstkompass für das betreffende Jahr eingefügt.1236 Auch wenn es in diesem Kunstkompass nur hundert Künstler sind, so lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass die Bekanntheit eines Künstlers eine nachvollziehbare Größe ist, deren Bewertung durch ein Auswahlkomitee einer Kunstmesse nachprüfbar ist. Bei jedoch jungen Künstlern stellt sich das Problem, dass solche Listen immer nur am Jahresende eine Analyse herausgeben. So wurden z.B. schon Arbeiten von Rauschenberg und Beuys hoch gehandelt, als sie in Museen noch nicht vertreten waren, also in der Liste noch keinen hohen Stellenwert innehatten.1237 Diesem Problem begegnen neue Datenbanken im Internet. So versucht die neue Datenbank artfacts.net1238 anhand von regelmäßig aktualisierten Daten seit 1999 eine permanente Online-Ressource darzustellen. All diese Informationen werden wie schon bei dem Kunstkompass der Zeitschrift Capital mit Hilfe eines bestimmten Algorithmus in einen Wert umgewandelt, der wiederum seinen Ausdruck in Tabellenform findet. Anhand dieser Daten kann sich eine Bekanntheitskurve bilden lassen.

1235

Rohr-Bongard, Linde, Kunst = Kapital – Der Capital Kunstkompass von 1970 bis heute, Salon Verlag, Köln, 2001, S. 134.

1236

Pommerehne, Werner W. und Scheider, Friedrich, „Warum bloß ist ein Rauschenberg so teuer?“ in: Kunst und Wirtschaft von C.-A. Andreae [Hrsg.], Köln, 1983, S. 77.

1237

Pommerehne, Werner W. und Frey, Bruno S., Musen und Märkte: Ansätze zu einer Ökonomie der Kunst, Verlag Franz Vahlen, München, 1993, S. 19.

1238

Abrufbar unter www.artfacts.net (Stand 2004), In dieser Datenbank befinden sich nach eigenen Angaben Informationen von 2.500 Kunstinstitutionen aus über 40 Ländern, 20.000 Künstler, 600 aktuelle und 18.000 archivierte Ausstellungen, 1.800 Kunstwerke und 1.200 Kunstkataloge.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Schaubilder: Bekanntheit von Paul Klee und Joseph Beuys In der folgenden Grafik wird die Entwicklung der Bekanntheit durch die graue Kurve dargestellt, während der durchschnittliche Bekanntheitswert durch die dünne schwarze Linie symbolisiert wird.

Joseph Beuys

Paul Klee 4

–3–

4

–4– –5–

8 10

–10–

12

5 artist’s rank

–5–

6 artist’s rank

346

6 7

–7–

14 8 16 18 –18– 1999 2000 2001 2002 2003 2004

–8–

–8–

–9– –9– 9 1999 2000 2001 2002 2003 2004

Diese Tabellen lassen sehr gut erkennen, dass der Bekanntheitsgrad geprägt durch Teilnahme an Messen, Ausstellungen, dem Vorkommen in Sammlungen, etc. von Paul Klee in den Jahren seit 1999 gestiegen ist, und derzeit leicht fällt, während der Bekanntheitsgrad von Beuys in den letzten Jahren abgenommen hat. Beide Tabellen zeigen sehr gut auf, dass Bekanntheit eine ökonomische Größe darstellen kann. Aufgrund der festgestellten Aspekte ist davon auszugehen, dass der Bekanntheitsgrad eines Künstlers gemessen werden kann. Dem Urteil des LG Köln aus dem Jahre 2001 ist insofern beizupflichten, dass die internationale Bekanntheit, nicht Bedeutung oder Renommee, wie fälschlicherweise ausgeführt wurde, anhand objektiver Kriterien messbar und nachprüfbar ist.1239

(2)

Beurteilung des Künstlers

Neben dem Renommee und der Bekanntheit eines Künstlers kommt als Auswahlkriterium auch die künstlerische Beurteilung des Künstlers in Betracht. Diese Beurteilung ähnelt sehr der Beurteilung der durch eine Galerie gezeigten Kunst, ist jedoch auf den Künstler beschränkt. Dabei kommen aber hier die gleichen Argumente zum Tragen. Wie schon bei der Beurteilung der Kunst ist davon auszugehen, dass eine Kunstmesse frei darin sein muss, einen Künstler danach zu 1239

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 16.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

beurteilen, ob er der künstlerischen Ausrichtung der Kunstmesse entspricht, und ob es sich um einen „guten“ oder „schlechten“ Künstler, bzw. eine dementsprechende Phase dessen handelt. Damit kann den Urteilen des OLG Frankfurt aus den Jahren 1989 und 1992 gefolgt werden. In diesen wurde festgestellt, dass es sowohl unzulässig sei, einen weithin bekannten Künstler und dessen Galeristen durch die Begründung „verbrauchte Formsprache“ abzulehnen 1240, sowie dass es überhaupt einem Kunstmesseveranstalter, bzw. dem Auswahlkomitee, untersagt sei, darüber zu befinden, ob es sich um gute oder schlechte Künstler handelt.1241 Wie schon bei der Beurteilung der Kunst festgestellt wurde, liegt es im Rahmen des gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraums einer Kunstmesse, wie die zu zeigende Kunst künstlerisch bewertet wird. Genau dasselbe gilt für die Beurteilung des Künstlers. Auch hier ist die Kunstmesse in ihrer subjektiven Bewertung frei, wie sie einen Künstler einschätzt. Damit kann eine Kunstmesse eine sachlich gerechtfertigte Auswahl in qualitativer Hinsicht vornehmen.1242 Wie immer ist die Abgrenzung zwischen Kunst und Nichtkunst ziemlich unklar. Hier streiten die beteiligten Parteien oft, ob etwas überhaupt, bzw. jemand überhaupt Künstler ist.1243 Einem Gericht ist es aus tatsächlichen Gründen unmöglich, in diesen Streit einzugreifen, da es schon keine objektiven Ansatzpunkte für eine solche Beurteilung gibt. Daher kann ein Veranstalter seine Beurteilung eines Künstlers als Auswahlkriterium benutzen. Dies gilt, auch wenn der Vorwurf der Willkür gerade in diesem Zusammenhang leicht erhoben werden kann. Hier ist aber zu beachten, dass eine verfehlte Auswahlpolitik und eine fehlerhafte Beurteilung von Künstlern schnell das Ende der betreffenden Kunstmesse und den Ruf eines Veranstalters oder Gremiums in der Kunstwelt vernichten kann, so dass tatsächlich von diesem Auswahlkriterium kaum Gebrauch gemacht wird.

(3)

Unterscheidung zwischen bisherigem Galerieprogramm und geplantem Ausstellungsprogramm

Ein weiteres Kriterium der Unterscheidung zwischen verschiedenen Bewerbern könnte eine Auswahl aufgrund der Übereinstimmung zwischen bisherigem Galerieprogramm und geplantem Ausstellungsprogramm sein. Hierbei würde der

1240

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554.

1241

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1070.

1242

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

1243

Steinhöfler, Karl H., „Ökonomische Bemerkungen zur Diskussion“ in: Wirtschaftspolitische Blätter, 1980, 27. Jahrgang, S. 109.

347

348

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Veranstalter bzw. das zur Auswahl berufene Gremium zwischen zwei sich bewerbenden Galerien danach unterscheiden, welches Ausstellungsprogramm den bisher gezeigten Künstlern und Werken am ehesten entspricht. Die Galerie, deren Abweichung am größten wäre, würde somit keine Zulassung erhalten. Dabei steht in Frage, ob dieses Unterscheidungskriterium sachlich gerechtfertigt ist. Innerhalb der Interessensabwägung muss zugunsten des Veranstalters berücksichtigt werden, dass er ein Interesse daran hat, dass Besucher der Kunstmesse bei einem späteren Galeriebesuch die gleichen Werke, Künstler und das entsprechende Niveau wiederfinden werden, um einen guten „Gesamteindruck“ bei einem Besucher zu hinterlassen. Dieser Gesamteindruck wird gerade durch den Umstand geprägt, dass sich oft ein starker Messenachverkauf ergibt. Auf der anderen Seite muss im Interesse der Bewerber beachtet werden, dass viele Galeristen „gute“ Werke im Hinblick auf die Kunstmesse zurückhalten, um auf der Kunstmesse „frische“ Ware präsentieren zu können. Auch mischen viele Galeristen ihr übliches Galerieprogramm auf der Messe mit „gefragten“ Werken, um z.B. neuen Künstlern eine Chance zwischen bekannten Künstlern zu geben. So werden durch bekannte Künstler potentielle Käufer an den Stand gelockt, die dann die „Jungen“ entdecken und sogar evtl. erwerben, um sie in die entsprechenden, privaten oder öffentlichen Sammlungen aufzunehmen. Daher ist gerade in dieser Abwägung zugunsten des Galeristen zu entscheiden. Damit ist nicht die Konvergenz von Künstlern, die bisher von der jeweiligen Galerie präsentiert wurden, und den auf der Art Cologne präsentierten Künstlern entscheidend. Einzig berücksichtigt werden könnte nur, ob die zur Ausstellung vorgesehenen Kunstwerke „in Bezug auf ihre Kunstrichtung sowie den Wert und Rang der Exponate das Galerieprogramm widerspiegeln“.1244

(4)

Verpflichtung zur Einbeziehung aller Umstände in das zu treffende Urteil hinsichtlich der Zulassung

Auch wenn nun feststeht, dass ein Gericht eine Beurteilung der Qualität des Künstlers, bzw. der Galerie, nicht überprüfen kann, unterliegt eine Kunstmesse doch den strengen Voraussetzungen des Kartellrechts. In diesem Falle ist der zur Auswahl betroffene Veranstalter oder das Gremium verpflichtet, alle Tatsachen zu berücksichtigen, die für eine solche Entscheidung notwendig sind. Die aus diesen Tatsachen gewonnenen Schlussfolgerungen müssen dementsprechend nachvollziehbar sein.1245 Damit ist eine Kunstmesse in der Beurteilung der künstlerischen Qualität eines Galerieprogramms nicht völlig frei. Aus § 20 Abs. 1 GWB ergibt sich vielmehr, 1244

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001).

1245

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 14.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

dass „Bewerber nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen“ ausgeschlossen werden dürfen. Wenn aber eine Entscheidung nicht alle relevanten Tatsachen berücksichtigt und deshalb eine Ablehnung nicht nachvollziehbar ist, so ist sie deshalb willkürlich und damit rechtswidrig.1246 Es unterliegt somit der Kontrolle des Gerichts, ob eine Kunstmesse bei der Auswahlentscheidung von einem vollständigen und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob die Begründung auf widerspruchsfreie, in sich nachvollziehbare und auf sachgerechte Gesichtspunkte gestützt werden kann.1247 Eine Beurteilung des Renommees ist im Gegensatz zu der Überprüfung der Bekanntheit nicht möglich.1248

(5)

Fazit

Es kann festgehalten werden, dass eine Kunstmesse frei in ihrer subjektiv geprägten Beurteilung der Qualität eines Künstlers, der Galerie und des Renommees ist. Gerichtlich überprüft werden kann, ob sie bei der Entscheidungsfindung alle relevanten Tatsachen berücksichtigt hat. Die Feststellung der Bekanntheit eines Künstlers ist gänzlich überprüfbar, da eine objektive Tatsachenfeststellung möglich ist. Als Ausschlussgrund kann weiterhin nicht die Divergenz zwischen geplantem Ausstellungsprogramm und tatsächlichem Galerieprogramm angewendet werden, solange es im Übrigen den künstlerischen Anforderungen genügt. Diese Aspekte sollten bei zukünftigen Veranstaltungen im Einzelnen von vornherein konkret und nachvollziehbar den Bewerbern mitgeteilt werden, um den Vorwurf der Willkür auszuschließen.1249

dd)

Die Zulassung von Newcomern

Ein besonderes Problem innerhalb der Auswahl von Bewerbern ergibt sich gerade bei sogenannten „Newcomern“, die meist den Veranstaltern von Kunstmessen oder den eingesetzten Auswahlgremien unbekannt sind. Speziell entsteht hier die Problematik, dass oft die gesamte Fläche der Kunstmesse an bekannte und bewährte Aussteller vergeben wird, oder sogar mit Dauerstandplätzen belegt, so dass in einem solchen Falle neue Galerien auf dem Markt praktisch und theoretisch keine Chance besitzen, einen Platz zu erwerben. Gerade im Bereich des Auswahlkriteriums „bekannt und bewährt“ wurde festgestellt, dass die Anwen-

1246

Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion ? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002).

1247

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285, S. 288.

1248

LG Köln, Urteil vom 21.09.2001 – 81 O (Kart) 138/01 „Art Cologne III“, S. 16.

1249

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1071.

349

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

dung des Kriteriums zulässig, solange noch Restplätze für Neulinge freigehalten werden, bzw. die Standplätze ohne Zuhilfenahme dieses Kriteriums vergeben werden.1250 Hierbei musste gefragt werden, ob für eine Anwendung des § 20 II GWB auf Newcomer, d.h. neuen Galerien auf dem Markt der Kunstmessen, überhaupt eine Abhängigkeit angenommen werden kann, obwohl noch kein geschäftlicher Kontakt bestand. Wäre eine Abhängigkeit nur bei bestehenden Geschäftsbeziehungen möglich, wäre ein Veranstalter einer Kunstmesse davor sicher, jemals einen Newcomer aufnehmen zu müssen. Er könnte alle Standplätze an Stammgaleristen vergeben. Eine solche Interpretation ließe sich leicht dem Wort „abhängig“ entnehmen, da eine Abhängigkeit eine Anknüpfung an eine bestehende Verbindung voraussetzt. Es muss zunächst erst eine Geschäftsverbindung bestehen, von der dann ein Ausweichen auf eine Andere möglich wäre. Andererseits wurde schon festgestellt, dass eine Marktabschottung gegenüber Newcomer über das Kriterium „bekannt und bewährt“ unzulässig ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Abhängigkeit in den verschiedensten Formen vorkommt, sogar dann, wenn Geschäftsbeziehungen noch nicht bestanden. Bei einer Auslegung des Wortes „ausweichen“ kommt der Gedanke auf, dass dies von einer zunächst nur in Aussicht genommenen Geschäftsverbindung mit einem Partner auf eine andere Verbindung geschehen kann. Da somit keine eindeutige Auslegung aus dem Wortlaut möglich ist, kommt es auf Sinn und Zweck der Norm an. Diese besagt, dass der Wettbewerb funktionsfähig und Märkte offen bleiben sollen, eine Erstarrung bestehender Wettbewerbspositionen ist zu verhindern. Folglich ist der Markt für Neulinge offen zu halten1251, um gleiche Chancen, auch Startchancen, zu sichern. Zwar kann sich nun ein Galerist, der neu auf den Markt der Kunstmessen einsteigen möchte, einseitig in den Schutzbereich der Vorschrift begeben, aber dies muss akzeptiert werden. Es entsteht durch die zu treffende Interessensabwägung ein Ausgleich aller Interessen; ein einseitiger Nachteil eines Kunstmesseveranstalters entsteht nicht. Ein Newcomer kann, um seine Galerie überhaupt entwickeln zu können, auf den Besuch einer Kunstmesse in gleicher Weise angewiesen sein, wie der eingeführte Galerist. Zwar könnte man der Tatsache, dass ein Galerist auch ohne Besuch der Kunstmesse wirtschaftlich überlebensfähig war, entnehmen, dass er in seiner Wettbewerbsfähigkeit nicht eingeschränkt ist. Aber gerade hier ist zu berücksichtigen, dass der „Bestandsschutz“ zu einer Zementierung der Verhältnisse führen würde. Die Rechtsprechung der Kartellsenate hat stets eine Auslegung vermieden, die eine derartige Konsequenz in sich trägt, und auch dem Gesetz-

1250

Siehe oben.

1251

BGH, Urt. v. 18.09.1978 – KZR 17/77 „Fassbierpflegekette“ m. Anm. von Gloy in: GRUR 1979, S. 69, S. 72.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

geber kann man eine Billigung dieser Folge nicht unterstellen.1252 Folglich kann der Tatbestand der Diskriminierung durch Newcomer geltend gemacht werden. Es sind hierbei alle Aspekte im Rahmen der Interessensabwägung zu berücksichtigen, die auch sonst Geltung haben. Eine Abhängigkeit eines neuen Galeristen von einer Kunstmesse könnte aber noch unter gewissen Umständen abgelehnt werden. Dies gilt gerade dann, wenn der Galerist z.B. nicht versucht hat, noch auf anderen, gleichwertigen Kunstmessen sich zu bewerben, sondern nur auf einer speziellen Kunstmesse ausstellen wollte. Dies gilt soweit noch andere Kunstmessen auf dem relevanten Markt existieren, auf denen ein Ausweichen möglich ist.1253 Eine solche Ablehnung muss jedoch mit Vorsicht angenommen werden, denn Sinn und Zweck des GWB ist es, jedem Teilnehmer an einem Markt die gleichen Chancen zu gewähren, und nur in Ausnahmefällen dieses Recht zu versagen. Grundsätzlich ist es möglich, dass ein Ausschluss von Newcomern ebensowenig sachlich gerechtfertigt sein kann, wie ein Ausschluss von Wiederbewerbern.1254 Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass ein erstmaliger Bewerber nicht alleinig aufgrund der Ablehnung diskriminiert wird, wenn der nicht für alle ausreichende Raum anderen Bewerbern zugeteilt wird.1255 Er muss sich den Bedingungen eines Auswahlverfahrens stellen1256, besitzt somit keinen Anspruch auf eine Vorzugsbehandlung. Solange noch weitere Kriterien in einem Auswahlverfahren zum Tragen kommen, bei denen auch ein Newcomer zumindest die theoretische Chance auf eine Zulassung besitzt, kann ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und die Verpflichtung zur Zulassung einer gewissen Quote von Neulingen, nicht bestehen.1257 Bei einigen Auswahlkriterien muss beachtet werden, dass eine Kunstmesse nicht sofort verpflichtet sein darf, einen Galeristen aufzunehmen, wenn dieser neu auf dem Markt ist. Insbesondere muss es im Rahmen der künstlerischen Auswahl gestattet sein, dass der Adressat des Diskriminierungsverbots Gelegenheit haben muss, sich ein Bild von dem künstlerischen Niveau zu machen.1258

1252

Fischötter, Werner, a.a.O. S. 394.

1253

BGH, Urt. v. 26.06.1979 – KZR 7/78 – „Markt-Renner“ in: GRUR 1979, S. 731, S. 732.

1254

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

1255

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897.

1256

BGH, Urt. v. 26.05.1987 – KZR 13/85 „Krankentransporte“ in: BGHZ 101, S. 72, S. 82.

1257

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 339.

1258

LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 282.

351

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

ee)

Die Gleichstellung Newcomer – Wiederbewerber

Wie festgestellt, finden bei den Kriterien „bekannt und bewährt“ und bei der Vergabe von Dauerstandplätzen unterschiedliche Ansätze zwischen Newcomern und Wiederbewerbern Anwendung. Auch im Rahmen der Bewertung der künstlerischen Qualität einer Galerie oder eines Künstlers ist es einem Veranstalter oder dem eingesetzten Auswahlgremium gestattet, die Entwicklung gerade bei erst gegründeten Galerien einige Zeit zu verfolgen, bevor darüber entschieden werden kann. In allen anderen Auswahlkriterien sind jedoch Newcomer und Wiederbewerber gleichgestellt. D.h. die Kriterien müssen gleichmäßig bei beiden angewendet werden.

ff)

Die Wiederzulassung von einmal abgelehnten Bewerbern

Hinsichtlich der Frage, ob einmalig abgelehnte Bewerber wieder zuzulassen sind, muss zwischen den verschiedenen Ablehnungsgründen unterschieden werden. Dabei stellt sich gerade die Frage, ab wann ein dem Diskriminierungsverbot unterliegendes Unternehmen verpflichtet ist, evtl. nach Ablauf einer angemessenen Zeit die Geschäftsbeziehungen wieder aufzunehmen.1259 So können Ausschlussgründe, die in dem ausgeschlossenen Unternehmen direkt, oder in der Person des Inhabers bzw. Geschäftsführers, begründet sind, wie z.B. die wirtschaftliche Unzuverlässigkeit, einen längeren Ausschluss nach sich ziehen. Bei einem längeren Ausschluss ist jedoch zu beachten, dass dies zu hohen wirtschaftlichen Einbußen führen kann. Dementsprechend muss in diesen Fällen dem abhängigen Unternehmen nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder ein Anspruch auf zumindest Zulassung der Bewerbung gegeben werden. Dies gilt umso mehr, wenn das abgelehnte Unternehmen, der abgewiesene Galerist, eine Änderung seiner Situation nachweisen und die begründeten Bedenken gegen z.B. seine wirtschaftliche Zuverlässigkeit entkräften kann.1260 Dabei bedarf es stets der genauen Prüfung, bei welchen Gegebenheiten ein „Dauerausschluss“ gerechtfertigt sein kann.1261 Hinsichtlich allgemein gestellter objektiver Gründe muss dabei festgestellt werden, dass Bewerber, die wegen dieser Kriterien, wie z.B. ordnungsgemäße Bewerbung, abgelehnt wurden, stets aufs Neue ein Anspruch auf Prüfung der Bewerbung anzuerkennen ist.

1259

BGH, Urt. v. 12.05.1976 – KZR 14/75 in: NJW 1976; S. 2302.

1260

BGH, Urt. v. 12.05.1976 – KZR 14/75 in: NJW 1976; S. 2302, S. 2303.

1261

BGH, Urt. v. 12.05.1976 – KZR 14/75 in: NJW 1976; S. 2302, S. 2303.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Als weitere Kriteriengruppe kommen die künstlerischen Aspekte in Betracht. In diesem, sehr umstrittenen Bereich, kann ein Dauerausschluss nicht begründet sein. Der Kunstmarkt ändert sich schnell. Gleich dieser schnellen Veränderung wechselt auch die Qualität einer Galerie, wobei es heutzutage nur sehr wenige Galerien gibt, die langjährig die gleiche Qualität präsentieren und sich auf diesem hohen Niveau halten können. Da aber in dem zeitlich relevanten Rahmen von meist einem Jahr, der sich aus dem Wiederholungsrhythmus der Kunstmesse ergibt, Galerien sich stark verändern können, muss eine Kunstmesse jedes Jahr aufs Neue verpflichtet sein, das Zulassungsgesuch erneut zu prüfen, wenn es den Anforderungen des GWB, willkürfrei zu entscheiden, genügen will. Somit bleiben am Ende nur noch schwerwiegende Verfehlungen der Galerie oder des Künstlers, wie z.B. die Begehung von Straftaten gegen den Veranstalter der Kunstmesse, übrig. In diesen Fällen kann das Diskriminierungsverbot nicht fordern, dass sich ein Veranstalter wieder der Gefahr freiwillig aussetzt, wobei die Schwere der Tat stets einer Einzelfallbetrachtung überlassen bleiben muss.

gg)

Fazit

Wie festgestellt wurde, kann sich auf das Diskriminierungsverbot neben den „bekannten“ Galerien auch ein Newcomer berufen.1262 Dabei kann eine Diskriminierung jedoch nicht schon dann angenommen werden, wenn der nicht für alle ausreichende Raum anderen Galerien und nicht dem erstmaligen Bewerber zugesprochen wird. Dies gilt, solange ein Veranstalter einer Kunstmesse nicht alle Plätze nur aufgrund des Kriteriums „bekannt und bewährt“ vergibt 1263, sondern auch noch weitere Auswahlkriterien bei der Vergabe entscheidend sind, bei denen dieses Merkmal keine Berücksichtigung findet. Da eine Abhängigkeit auch bei Newcomern besteht, existiert die Gefahr einer Diskriminierung. Damit muss bei der Bewertung der Auswahlkriterien stets überprüft werden, ob diese auch für Newcomer Anwendung finden können, oder ob innerhalb der Interessensabwägung eine unterschiedliche Gewichtung der beiderseitigen Interessen stattfinden muss. In den meisten Auswahlkriterien, wie z.B. in der Beurteilung der künstlerischen Qualität, sind jedoch Newcomer und Wiederbewerber gleichzustellen. Bei wiederholten Bewerbern kann überdies ein längerer Ausschluss gerechtfertigt sein, ausgehend von dem Nichtzulassungskriterium und der Schwere einer evtl. Verfehlung.

1262

Ulmer, Peter, „Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller“ in: BB 1975, S. 661, S. 667.

1263

OLG Celle, Urteil v. 06.08.1986 – 13 U (Kart) 95/86 „Kunstmesse“ in: WuW/E OLG S. 3897, S. 3899.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

d)

Das Auswahl- und Zulassungsverfahren

Nicht nur die Auswahlkriterien können den Tatbestand des Diskriminierungsverbotes erfüllen, sondern auch Fehler und willkürliche Handlungsweisen im Rahmen des eigentlichen Zulassungsverfahrens. Insbesondere kommen im Rahmen einer Zulassung verschiedene Verfahrensarten in Betracht. Dabei kann man z.B. das Los-, Rotationsverfahren oder „first come – first serve“-Prinzip in Betracht ziehen. Aber auch die Besetzung der zur Auswahl der Kunst und der Galerien berufenen Person oder Personen kann im Blickpunkt einer Auseinandersetzung um die Zulassung sein. Weiterhin könnte in Betracht kommen, mehrere Verfahren zu kombinieren – so ein Direkt- und ein Rotationsverfahren miteinander zu verbinden – wie dies auf der Art Cologne geschehen ist.1264 Wie schon öfters erwähnt, finden die Sätze « de faire un choix parmi les ouvrages qui seront présentés pour l’exposition » und « d’éloigner ceux qui ne seraient pas dignes d’y avoir place » Anwendung.1265

aa)

Die Anwendung der Auswahlkriterien

Wie festgestellt, müssen die Auswahlkriterien, gleichgültig welches Verfahren durchgeführt wird, bei gleicher Eignung, willkürfrei angewendet werden. Dabei spielt es im Rahmen der gleichmäßigen Anwendung der Kriterien keine Rolle, ob ein Veranstalter verpflichtet sein könnte, z.B. ein Losverfahren durchzuführen oder nicht.1266 Da weiterhin der Veranstalter nicht verpflichtet ist, die Ausstellungskapazität bei einem Überhang an Bewerbern zu erhöhen 1267, muss er zwischen allen gleich „guten“ Bewerbern ein Auswahlverfahren durchführen. In Frage steht aber, welche Auswahlverfahren er anwenden darf und kann, um sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung auszusetzen. Dabei stehen namentlich verschiedene Verfahren zur Auswahl.1268

1264

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

1265

Sfeir-Semler, Andrée, Die Maler am Pariser Salon 1791–880, Campus Verlag, Frankfurt / New York / Paris ; 1992, S. 116.

1266

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

1267

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

1268

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

bb)

Die verschiedenen Auswahlverfahren bei gleicher Eignung

Eine Mangellage befreit einen Normadressaten nicht von dem grundsätzlichen Verbot der unterschiedlichen Behandlung oder unbilligen Behinderung. Ein Unternehmen ist in einem solchen Fall nicht befugt, nur den Bedarf eines Teils der Nachfrage zu decken und andere gleichartige Unternehmen auszuschließen. Es ist vielmehr gehalten, die Nachfrage anteilig zu befriedigen und nach sachgerechten Gesichtspunkten zu repartieren. Dabei kommen verschiedene Verfahren hinsichtlich der Art und Weise der Auswahl von Messebewerbern in Frage. Namentlich könnte ein Rotationsverfahren, ein Losverfahren, das Prioritätsprinzip oder ein gemischtes Verfahren für eine Auswahl angewendet werden. Zu beachten ist jeweils, dass in diesen Verfahren Galerien, die die Teilnahmebedingungen erfüllen, bei einem wiederholten Ausschluss durch diese Maßnahme diskriminiert werden könnten, wenn gleichzeitig Galerien zugelassen werden, die noch nicht abgelehnt worden sind. Um dies zu vermeiden, erscheint die Einführung eines Rotationssystems oder Losverfahrens besonders geeignet, weil damit eine größtmögliche Gerechtigkeit bei der Verteilung der einzelnen Plätze auf die zahlreichen Bewerber erreicht werden kann und die an sich zulassungsfähigen Aussteller gerade im Hinblick auf das GWB am geringsten beeinträchtigt.1269 Neben dieser Mischform kommen aber noch weitere gemischte Auswahlverfahrensarten in Betracht, die eine Diskriminierung ausschließen. Beachtet werden muss dabei stets, ob es überhaupt technisch möglich ist, ein bestimmtes, z.B. rollierendes, System, einzuführen, oder ob ein bestimmtes System, z.B. das Prioritätsprinzip, nötig ist.1270 Damit stellt sich letztendlich die Frage, ob ein Veranstalter, der bei einem Platzmangel die Zulassung steuern muss, verpflichtet ist ein bestimmtes Auswahlsystem zu benutzen, oder ob er die Wahl zwischen verschiedenen Systemen besitzen könnte. Solche Auswahlverfahren greifen natürlich nur dann, wenn ein Platzmangel herrscht, wobei die Frage besteht, ob allgemein Platzmangel herrschen muss, oder ob ein Veranstalter verschiedene Bereiche bilden kann. Kunst ist vielfältig. Möchte ein Veranstalter wirtschaftlichen Erfolg durch die entsprechende Anerkennung seiner Kunstmesse in der Kunstszene erreichen, muss er ein breit gefächertes Spektrum anbieten, solange er sich nicht nur auf ein Kunstgebiet spezialisieren möchte, wie z.B. Numismatika. Wenn aber ein solches Angebot erreicht werden soll, muss es einem Veranstalter aufgrund seiner ihm zustehenden unternehmerischen Freiheit erlaubt sein, für einzelne Kunstgebiete be1269

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S.1069, S. 1072.

1270

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 365.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

stimmte Bereiche zu reservieren. Denn es liegt nicht im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, dass eine Kunstmesse durch eine erzwungene Zulassung zu vieler Galerien einer Kunstrichtung sich in einer Weise verändert und geprägt wird, dass sie nicht mehr den Anforderungen des Marktes gerecht wird, und ein Veranstalter keinen Einfluss mehr auf die Richtung der Kunst ausüben kann. Da es einem Veranstalter erlaubt ist, gewisse Zulassungskriterien für die Veranstaltung zu gebrauchen, kann er zwischen Bewerbern unterscheiden, die alle Kriterien erfüllen, und Galeristen, die z.T. Kriterien nicht erfüllen. Wenn nun noch die angeführten künstlerischen Aspekte der verschiedenen Kunstrichtungen beachtet werden, könnte diese Gruppe von Galerien, die jeweils verschiedene Zulassungskriterien erfüllen, nochmals in Kunstabteilungen aufgeteilt werden, solange diese Abteilungen dem Bild der Messe entsprechen und sich auch auf der Veranstaltung wiederfinden. Daher kann es passieren, dass z.B. im Bereich der Photographie des 20. Jahrhunderts alle Bewerber, gleichgültig wie viele Kriterien sie erfüllt haben, einen Standplatz zugewiesen bekommen, während im Bereich der zeitgenössischen Gemälde ein Überangebot an sich bewerbenden Galerien herrscht. Dies hätte zur Folge, dass alle Galerien einen Standplatz bekommen, die auch alle Zulassungskriterien erfüllen, dass aber zwischen Galerien, die ein einziges Kriterium nicht erfüllen, eine sachgerechte und willkürfreie Auswahl getroffen werden muss, und Galerien, die mehr als zwei Kriterien nicht erfüllen, nicht mehr in dem Zulassungsverfahren Berücksichtigung finden. Letztendlich besteht die Frage, welches Verfahren für die Zulassung angewendet werden muss, wenn am Ende mehr Bewerber für die noch freien Standplätze übrig bleiben. Dabei kann zwischen Galerien, die alle Erfordernisse erfüllt haben, und solchen, die nicht alle erfüllt haben, unterschieden werden. Diese Unterscheidung kann auch auf die jeweiligen Kunstabteilungen ausgedehnt werden.

aaa)

Das Rotationsprinzip – Rollierendes oder Alternierendes Prinzip

Ein Auswahlprinzip bei Platzmangel und einem Überhang an Bewerbern könnte das Rotationsprinzip darstellen, um eine sachgerechte, diskriminierungsfreie Auswahl zwischen den Bewerbern zu treffen, ohne dass ein sich bewerbender Galerist der Willkür ausgesetzt sehen müsste, oder durch den Veranstalter im Vergleich zu Dritten ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt würde. Dabei wurde das Mittel der Rotation schon als „sinnvoll“ einem Kunstmesseveranstalter vorgeschlagen und als am geringsten die Rechte der Bewerber beeinträchtigend eingestuft. Mitberücksichtigt wurde, dass selbst bei einer Verlosung nicht alle Bewerber berücksichtigt werden könnten, und sich eine Rotation letztlich auch nur von einer Verlosung dadurch unterscheiden würde, dass die Ver-

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

losung einem Zulassungsausschuss, oder einem Veranstalter, keine Steuerungsmöglichkeit belassen würde.1271 Die Zulässigkeit der Rotation wurde sogar dann bejaht, wenn ein Auswahlverfahren noch nicht existierte und erst erschaffen werden musste, falls zu viele Bewerbungen vorliegen würden.1272 Dabei funktioniert das Rotationsprinzip folgendermaßen, wie es sich an dem Beispiel der Art Cologne gut darlegen lässt Eine Einstimmigkeit der Jury bei der Vorauswahl ist obligatorisch für die Teilnahme. Alle Galerien mit Mehrheitsvotum sind Kandidaten für die Rotation, das heißt, sie setzen für ein Jahr ihre Teilnahme an der Kunstmesse aus. Die Entscheidungen des Gremiums folgen dem Bemühen, ein möglichst breit gefächertes Programm zu bekommen. Das Gremium legt fest, welche Galerie teilnimmt und welche rotiert. Die aussetzende Galerie hat bei gleich bleibenden Voraussetzungen die Möglichkeit zur Teilnahme im kommenden Jahr. Jede Galerie kann aber freiwillig aussetzen. Dies muss sie der Art Cologne rechtzeitig mitteilen. Auch ihr ist die Zulassung im Folgejahr fast sicher, wenn sie die Bedingungen der ATB erfüllt. Bei freiwilliger Rotation entfällt auch die Gebühr für die Teilnahme am Zulassungsverfahren im Rotationsjahr.1273 Diesem Rotationsprinzip entsprechen auch die manchmal auftauchenden alternierenden oder rollierenden Prinzipien, umschreibend für zwei Bewerber, welche sich abwechseln. Solche Prinzipien stammen meist aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich, speziell bei der Vergabe von Standplätzen auf Volksfesten wurden sie angewandt. Dabei wurde für diesen Bereich festgestellt, dass ein solches rollierendes System zwar zulässig und sachgerecht, aber die Einführung nicht rechtlich geboten ist.1274 Denn aus dem Gleichheitsgrundsatz lässt sich nicht das Recht auf abwechselnde Berücksichtigung als gleichwertig anzusehender Betriebe herleiten.1275 Auch wurde das Erfordernis eines solchen Systems in der verwaltungsgerichtlichen Praxis bisher nicht aufgestellt.1276 Insbesondere ist der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur dann verletzt, wenn ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine Differenzie1271

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

1272

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4176.

1273

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne ?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

1274

Hitzler, Gerhard, „Die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und Volksfesten durch Gemeinden – Eine Frage des Verwaltungsrechts oder des Kartellrechts“ in: GewArch 1981/11-12, S. 360, S. 363.

1275

BVerwG, Beschl. v. 14.09.1981 – 7 B 217/80 in: NVwZ 1982, S. 194.

1276

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 339.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

rung nicht ersichtlich wäre.1277 Dies liegt jedoch nicht vor, wenn ein Rotationsprinzip gewählt wird, auch wenn der Verwaltungsaufwand für ein solches Prinzip höher wäre, und die Einführung letztlich nicht erforderlich ist.1278 Diese öffentlich-rechtliche Auffassung, dass ein Rotationsprinzip grundsätzlich nicht unzulässig, aber auch nicht zwingend sei, wurde durch ein Urteil des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1989 1279 in Frage gestellt, als festgelegt wurde, dass als Auswahlverfahren ein Rotationsprinzip vorgesehen werden müsste. Dabei bräuchte die Rotation nicht alle verfügbaren Messeplätze zu umfassen, vielmehr genüge ein Prozentsatz von etwa 20 % bis 30 % der Messeplätze, die sogar notfalls zu verlosen wären. Grundsätzlich setzt sich diese Entscheidung in Übereinstimmung mit einem Urteil des OLG Köln, ob überhaupt eine Rotation zulässig ist. Beide Urteile gehen dabei davon aus, dass das Auswahlkriterium der Rotation nicht zu beanstanden sei. Darüber hinaus legte das OLG Köln fest, dass bei der Prüfung der Verweisung von zulassungsfähigen Bewerbern in die Rotation Qualitätsgesichtspunkte berücksichtigt werden dürften.1280 Jedoch steht in Frage, in welcher Art und Weise das Auswahlverfahren der Rotation zulässig ist und für beide Seiten, sowohl Veranstalter als auch Bewerber, eine sachgerechte Lösung zulässt. Dabei sind insbesondere die Verhältnisse des Kunstmarktes zu berücksichtigen. Während auf einer Konsumentenmesse Produkte gleicher Art von verschiedenen Herstellern hergestellt werden, entscheidet immer noch auf dem Kunstsektor die Individualität des Objektes und dessen z.T. umstrittene Qualität. Eine Schwierigkeit des Rotationsverfahrens liegt darin, dass bei einer Zulassung eines Galeristen zur Rotation der Veranstalter diesem einen „Freibrief“ für die nächste Veranstaltung gibt. Er genehmigt im Voraus die Kunstauswahl, bzw. den Künstler. Dadurch vergibt er seine ihm eingeräumte Möglichkeit, bei der nächsten Messeveranstaltung die Kunst der Galerie zu bewerten, und sie unter Umständen aufgrund der vertretenen Kunstrichtung nicht zuzulassen. Auch könnte die Annahme vertreten werden, dass, wenn eine Galerie zweimal auf die Warteliste gesetzt wird, dies bedeutet, dass ihr Programm nicht den Zielen der Messe zuwiderläuft. Damit bestünde grundsätzlich ein Zulassungsanspruch, außer die übrigen Voraussetzungen hätten sich geändert.1281

1277

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

1278

VGH München, Beschl. v. 11.09.1981 – 4 CE 81 A. 1921 in: NVwZ 1982, S. 120, S. 121.

1279

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1280

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

1281

Schmidt, Ulrich, Kurzkommentar zu LG Köln in: EWiR § 26 GWB 1/99, S. 73.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Dadurch wäre ihm aufgrund der von den Gerichten vorgeschlagenen Rotationsprinzipien die Auswahlmöglichkeit genommen. Man könnte den Konflikt lösen, in dem man dem Veranstalter trotz der Pflicht zur Berücksichtigung einer zurückgewiesenen Galerie das Recht zur nochmaligen Auslese gewährt. Dies würde aber wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen und außerdem die Lage der Galerie nicht verbessern, da sie wiederum keine Sicherheit über die Teilnahme hätte. Andererseits kann es dem Veranstalter nicht zugemutet werden, einen „Freibrief“ an eine Galerie zu vergeben, ohne zu wissen, welche Kunst und welchen Künstler sie im nächsten Jahr präsentieren wird. Hierdurch würde der dem Veranstalter zugebilligte Ermessensspielraum bei der Erstellung der Messegrundsätze zu sehr beschränkt, seine Einflussnahme zu sehr unberücksichtigt. Ein Veranstalter besitzt ein wirtschaftliches Interesse daran, nur ausgesuchte Kunst zuzulassen. Ein Zwang zur turnusmäßigen Zulassung aller persönlich nicht unzuverlässigen, im Rahmen der konkreten Veranstaltung aber nicht hinreichend erprobten Bewerber würde dem Veranstalter nicht unerhebliche Risiken in Bezug auf die Qualität des Angebots und die Abwicklung des Benutzungsverhältnisses überbürden. Zusätzlich entsteht ein erhebliches Mehr an Verwaltungsaufwand.1282 Da aber die Qualität der Kunst stets neu zu überprüfen ist, können in einem ersten Verfahren nur Galerien auf die Rotationsliste verwiesen werden, die nicht bei der Kunstauswahl durchgefallen sind, sondern deren Ausschluss auf anderen Gründen beruht. Dies würde wiederum dazu führen, dass der Veranstalter bei der Auswahl zwei verschiedene Listen führen müsste. Eine Liste mit den Galerien, deren Ausschluss nicht auf künstlerischen Erwägungen beruht, und daher auf die Rotationsliste zu setzen wäre, und eine weitere Liste mit Galerien, deren Ausschluss auf künstlerischen Erwägungen beruht. Es erscheint zweifelhaft, ob eine solche Unterscheidung mit verschiedenen Verfahrenslisten noch dem Gebot des Diskriminierungsverbots entspricht. Vielmehr ist es daher erforderlich, den Veranstalter nicht durch den Versuch der Einhaltung der Voraussetzungen des GWB wieder auf der anderen Seite zu einem Bruch mit den Geboten zu zwingen. Daher erscheint das Rotationsverfahren nicht geeignet, dem Verbot des GWB, Bewerber ohne Grund ungleich zu behandeln oder ohne Grund zu benachteiligen, im Falle der Anwendung auf den Kunstbereich zu entsprechen. Gerade die erlaubte Selektion nach Kunststilen und der Qualität von Kunst kann nicht im Rahmen eines solchen Rotationsverfahrens genügend Beanspruchung finden. Während bei neuen Waren, wie Modeartikel oder andere industriell gefertigten Güter die Einführung eines Rotationsverfahrens noch möglich erscheint, um eine sachgerechte und gleichmäßige Berücksichtigung von Bewerbern einzurichten, ist dies gerade auf einem Markt, auf dem es vergleichbare Güter aufgrund 1282

VG Augsburg, Urt. v. 4.4.1979 – Au 124 IV 78 in: GewArch 1979, S. 337, S. 339.

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360

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

der Originalität eines jeden Ausstellungsobjekts nicht gibt, kaum möglich. Denn gerade die Originalität von Kunstwerken, deren Einzigartigkeit, begründet den Umstand, dass Kunstwerke per se keine austauschbaren Güter darstellen, bei denen es für einen Wiederverkäufer einen nur geringen Unterschied macht, von welchem Händler er seine Ware bezieht. Vielmehr sind Kunstwerke aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit für einen privaten oder gewerblichen Käufer nicht austauschbar, es macht gerade den im Kunstmarkt wichtigen Unterschied aus, um welches Kunstwerk von welchem, bekannten oder unbekannten Künstler, es sich handelt. Und gerade diese Auswahlmöglichkeit würde sich ein Veranstalter nach den Grundsätzen des Urteils des Landgerichts Köln nehmen, wenn er durch die Aufnahme einer Galerie in eine Rotationsliste sich jeglicher künstlerischen Entscheidungsfindung für die nächsten Messen nehmen würde, obwohl gerade diese für den künstlerischen und wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg der Kunstmesse von enormer Wichtigkeit ist. Aus diesen Gründen kann ein Rotationsverfahren im Gegensatz zu den Urteilen des Oberlandesgerichts Düsseldorf 1283 und des Oberlandesgerichts Frankfurt 1284, welche das Rotationsprinzip als geeignetes Auswahlverfahren ansahen, unter Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts 1285 und den von Bergmann angestellten Überlegungen1286 nicht als geeignetes Kriterium für die Durchführung einer Kunstmesse angesehen werden. Dies gilt, solange eine abgelehnte Galerie zwangsweise zu der nächsten Veranstaltung zugelassen werden müsste. Eine Einschränkung kann jedoch dann gemacht werden, wenn eine abgelehnte Galerie nach ihrer erneuten Beurteilung wieder der Gruppe zugesprochen wird, in der ein Überangebot besteht. In einem solchen Fall kann es einem Veranstalter zugemutet werden, diese Galerie dann zulassen zu müssen, da er durch die erneute Beurteilung kundgetan hat, dass sie wieder den Voraussetzungen wie im Jahr davor entspricht, in einem solchen Fall müsste er auch nur eine Liste führen. Es kann festgehalten werden, dass ein Veranstalter einer Kunstmesse nicht verpflichtet ist, grundsätzlich die Einführung eines Rotationsverfahrens abgelehnter Galerien einzuführen, wenn er dadurch Galerien zulassen müsste, ohne sie erneut beurteilen zu können. Weiterhin ergibt sich eine Einschränkung aus dem 1283

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106 m.w.N.

1284

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1285

BVerwG, Beschl. v. 16.11.1964 – I B 182/64 in: GewArch 1965, S. 30, S. 32.

1286

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Umstand, dass die Berücksichtigung neuer Bewerber innerhalb eines rollierenden Systems nicht dazu führen darf, dass alteingessene Anbieter gegenüber den jeweiligen Neulingen nachteilig behandelt werden. Denn in diesem Falle wäre die Marktfreiheit wiederum in erheblicher Weise beeinträchtigt, diesmal zu Lasten der Alteingessenen, welche dann überhaupt nicht mehr zugelassen würden, solange immer wieder ein Neuling hinzukommt. Dabei kann dies aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung entnommen werden.1287 Ein Rotationsverfahren, rollierendes oder alternierendes System, kann nur dann eingeführt werden, wenn die Galerien jedes Jahr hinsichtlich ihrer Eignung geprüft werden können. Für den Fall, dass sie wieder alle Voraussetzungen erfüllen, und in ihrer Gruppe wiederum ein Überangebot an Galeristen existiert, entspräche es den Voraussetzungen des Diskriminierungsverbotes, wenn ein Veranstalter dann ein solches System einführt und hierdurch Willkürfreiheit unter Beweis stellt. Dann würde eine Kunstmesse bei Platzmangel die Zulassung sachlich steuern, indem sie die Auswahl zunächst in qualitativer Hinsicht durch einen Ausschuss hochrangiger Fachleute der Kunstszene vornehmen lässt und die danach qualitätsschwächeren Bewerber nach einem Rotationsprinzip zulässt.1288 Letztendlich besteht aber nicht die Verpflichtung zu einem allgemeinen Rotationsverfahren, solange noch weitere Verfahren in Frage kommen. Ein Rotationsverfahren bildet nur eines unter mehreren sachgerechten Ablehnungsverfahren.1289

bbb) Das Prioritätsprinzip Ein weiteres Verfahren, um eine Auswahl bei gleichen Voraussetzungen ohne sachliche Benachteiligung zu treffen, stellt das Prioritätsprinzip dar. Hierbei entzieht sich auch ein Veranstalter dem Vorwurf einer Diskriminierung durch willkürliche Handlungen oder Unterscheidungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund, indem er wiederum objektive, nicht von ihm beeinflussbare Umstände berücksichtigt, wie das Eingangsdatum der Bewerbung. Ein solches, häufig praktiziertes Warteliste-Verfahren, wobei Standwünsche nach der Reihenfolge ihrer Anmeldung berücksichtigt werden, kann in der Regel als sachgerecht angesehen werden.1290 Das Prioritätsverfahren stellt ein zulässiges Verfahren im

1287

Schalt, Thomas, „Der Zulassungsanspruch des Schaustellers zu Volksfesten und Märkten in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung“ in: GewArch 1981, S. 150, S. 152.

1288

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173.

1289

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

1290

Schmitz, Werner G., „Marktfreiheit bei Messen und Ausstellungen und ihre Grenzen“ in: GewArch 1977, S. 76, S. 80.

361

362

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Sinne der Voraussetzungen des Diskriminierungsverbotes dar.1291 Denn es liegt allein im Machtbereich der sich bewerbenden Galerie, wann sie ihre Bewerbung für die nächste Veranstaltung abgibt.

ccc)

Das Losprinzip

Als letztes Auswahlprinzip, ohne das bisher eine Mischform angesprochen wurde, kommt das Losprinzip in Frage. Hierbei werden die sich bewerbenden Galeristen mittels Zufall gezogen, wobei der Veranstalter Gruppen bilden kann. Das heißt, es ist ihm unbenommen, zwischen Galeristen der ersten Gruppe und der zweiten Gruppe zu unterscheiden, also zwischen denjenigen, die auf jeden Fall einen Standplatz zugewiesen bekommen, und denen, die sich um die übrigen Standplätze bewerben. Diese Gruppenbildung ist hier möglich, solange der Veranstalter die aufgeführten Grundsätze der Auswahl willkürfrei und sachgerecht anwendet. Bei der Anwendung des Losprinzips kann sich ein Veranstalter zu keiner Zeit dem Vorwurf der Diskriminierung oder unterschiedlichen Behandlung eines Bewerbers aussetzen, da er selbst keinerlei Einfluss auf das Ergebnis des Zufalls besitzt. Dieses Verfahren könnte somit angewendet werden. Jedoch ist ein Veranstalter einer Kunstmesse nicht verpflichtet, ein Losverfahren durchzuführen, das zu einem Zufallsergebnis führt 1292, da auch noch andere Verfahren angewendet werden könnten. Überdies erscheint es nicht sachgerecht, dass die letztendliche Entscheidung dem Zufall überlassen werden soll. Auch könnte es hierbei passieren, dass durch „Zufall“ Galerien zu keinem Zeitpunkt zugelassen werden, da ihr „Los“ nie gezogen wird, sie „Pech“ haben. Trotzdem stellt das Losverfahren ein geeignetes Mittel zur Auswahl bei begrenzter Kapazität dar.

ddd) Die Vorauswahl von Bewerbern Neben der Auswahl von sich bewerbenden Galerien schreiben viele Veranstalter vor der durchzuführenden Veranstaltung Galeristen an, um sie für die Kunstmesse zu gewinnen. In einem solchen Fall müssen sie diesen Galeristen auch Platz anbieten, falls es sich nicht nur um eine „invitatio ad offerendum“ handelt, wenn sie sich nicht einem „schlechten“ Ruf aussetzen möchten. Diese Einladungen sind auch sehr bedeutend für einen Veranstalter. Denn es kommt für den Ruf einer Kunstmesse, und deren weitere Entwicklung, darauf an, dass „renommierte“ Galeristen an der Kunstmesse teilnehmen, dieser durch ihre Teilnahme „Glanz“ verleihen und der Kunstmesse einen gewissen Status geben.

1291

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479, S. 2480.

1292

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

Diese Vorauswahl kann aber nicht im Rahmen der üblichen Auswahl nach einem erlaubten Auswahlverfahren geschehen. Vielmehr muss es einem Veranstalter möglich sein, eine gewisse Anzahl von Ausstellern entweder von sich aus, oder als Daueraussteller neben dem standardisierten Auswahlverfahren einen Standplatz zuzuweisen, um den künstlerischen Anspruch der Veranstaltung ein sicheres Standbein zu geben. Ein guter Quotient zwischen Ausstellern aus dem Auswahlverfahren und Ausstellern aus einer Art Vorauswahl läge bei ca. 30–50 %. Dadurch würde gesichert, dass die Hälfte der Aussteller für eine nach Veranstaltergesichtspunkten gesicherte „Grundabsicherung“ der künstlerischen und internationalen Ansprüche der Kunden und Besucher sorgen, während die andere Hälfte der Aussteller zwar auch nach Qualitätsgesichtspunkten ausgesucht wurde, aber ein nicht zu unterschätzendes Restrisiko besteht. Allein bei hochwertigen Kunstmessen wie z.B. der Tefaf in Maastricht kann das Auftauchen mehrerer Reproduktionen das mühsam aufgebaute Renommee der Messe über Jahre schädigen, wenn nicht sogar gänzlich zerstören. Daher erscheint es sachgerecht, wenn der Veranstalter dieses Restrisiko durch die Zulassung von Dauerausstellern und Galerien, von deren Qualität er sich selbst überzeugen konnte und deren Einladung aufgrund der Initiative des Veranstalters erfolgte, zumindest auf die Hälfte reduziert. Somit kann es einem Veranstalter nicht genommen werden, Galerien von sich aus anzuschreiben und für die Teilnahme zu werben. Dabei kann es sich um konkrete Angebote zur Miete eines Standplatzes handeln.

eee)

Das Auswahlgremium – Die „Jury“

Schon in der Geschichte der Kunstmessen zeigte sich, dass ein typischer Reibepunkt zwischen Veranstalter und Bewerbern die praktische Arbeit der Juroren betraf. So erfolgte die Durchsicht der eingereichten Arbeiten an den Pariser Salons nicht nach Bildgattungen geordnet, stattdessen wurden Landschafts- und Historiengemälde, Genrebilder, Portraits und Stiche von den Wärtern des Depots in eben der zufälligen Reihenfolge den Jurymitgliedern vorgeführt, wie sie dort abgegeben worden waren. Ein abgewogenes Urteil war infolge der mangelnden Vergleichsmöglichkeiten innerhalb der Bildergattungen nicht möglich. Erschwert wurde die Arbeit der Juroren durch den Mangel an Zeit. Die Jury musste innerhalb einer vorgegebenen Zeit alle Objekte sichten. Während der letzten Salons führte dies dazu, dass 3900 Minuten für 4883 Werke, ohne dass die Juroren Pausen und Beratung hatten, ausreichen mussten.1293 Diese historischen Konflikte entstanden auch dadurch, dass Maler, Bildhauer, Architekten und Graveure immer auch die Arbeiten der Nachbardisziplinen zu beurteilen hatten.

1293

Sfeir-Semler, Andrée, Die Maler am Pariser Salon 1791–1880, Campus Verlag, Frankfurt / New York / Paris; 1992, S. 127.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Somit blieben Diskussionen in ästhetischen Fragen und Ansichten nicht aus, was zum Beispiel 1845 die Jury bis an den Rand der Spaltung brachte.1294 Dies geschah, obwohl schon in damaliger Zeit die Jury der Pariser Salons die Aufgabe hatte, willkürfrei und gerecht zu handeln.1295 Aber nicht nur in der Geschichte der Kunstausstellungen war die Auswahlentscheidung einer oder mehreren Personen angezweifelt worden. Die Auswahlentscheidungen sind auch in heutiger Zeit sowohl in künstlerischer als auch persönlicher Hinsicht umstritten.1296 Bei der Art Cologne steht der Zulassungsausschuss im Zentrum der Kritik.1297 Grundsätzlich ist vor dem Hintergrund der Bindungen des Kartellrechts, wie schon festgestellt wurde, jeder Messeveranstalter im Rahmen seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit dahingehend ungebunden, welche Art von Messe er gestaltet und welchen Charakter er ihr beimessen will. Dies kann somit von dem Zulassungsausschuss bei seiner Entscheidung beachtet werden.1298 Weiter kann auch, wie das OLG Düsseldorf schon im Jahre 1987 festgestellt hat, ein Veranstalter grundsätzlich bei Vornahme der Auswahlentscheidungen und Abstufungen der Qualitätsgesichtspunkte die Beurteilung einer aus unabhängigen Kunstexperten zusammengesetzten Jury berücksichtigen.1299 So besteht z.B. bei der Art Cologne ein achtköpfiger Zulassungsausschuss der Art Cologne aus sieben Galeristen und einem Vertreter der Kölnmesse. Er begutachtet während einer mehrtätigen Prozedur die eingereichten Unterlagen des Bewerbers über die Zulassung.1300 Es ist jedoch umstritten, wie zu verfahren ist,

1294

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 127.

1295

Sfeir-Semler, Andrée, a.a.O. S. 116.

1296

Dittmar, Peter, „Cliquen-Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/ 010818/feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

1297

Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion ? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002); Dittmar, Peter, „Cliquen-Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08.2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/010818/ feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

1298

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4177.

1299

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737.

1300

Aufderheide, Bernd (ART Cologne, Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www. kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002).

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

wenn die erforderliche Neutralität in Frage stehen könnte, weil sich z.B. unter einer aus 41 Personen bestehenden Jury 30 Händler befinden, die zugleich Aussteller sind und zwei von ihren Exponaten der gleichen Art ausgestellt haben wie der ausgeschlossene Händler.1301 Insofern bedarf es der Klärung der Frage, aus wie vielen und welchen Personen die Jury besetzt sein müsste, um den Anforderungen des Diskriminierungsverbots gerecht zu werden. Weiterhin ist zu klären, in welchem Verlauf das Ausleseverfahren in Hinblick auf die Kunstwerke und die Galerien durchzuführen ist, um sich nicht dem Vorwurf der Willkür auszusetzen. Ein Verschulden eines Veranstalters könnte sich aus der Besetzung der Jury oder aus dem Weg zu der Juryentscheidung ergeben.1302

(1)

Eine Einzelperson als „Jury“

Eingangs kommt die Besetzung einer „Auswahljury“ mit nur einer Person, meist dem Veranstalter persönlich, in Betracht. Dies stellt die kleinstmöglichste Einheit einer Auswahljury dar. Hierbei ist auf dem tatsächlichen Kunstmarkt zu beachten, dass sowohl bei regionalen und kleineren überregionalen Veranstaltungen als auch bei Newcomern meist der Veranstalter als Einzelperson die Auswahl der Aussteller trifft. Hingegen treten auf den „großen“ Kunstmessen immer öfters aus mehreren Personen zusammengesetzte Gremien auf. Aber dies stellt keine starre Regel, sondern nur ein Überblick über die generelle Situation dar. Oft wird hingegen auf jeder Kunstmesse ein anderes Verfahren ausgeübt. So existiert auf der „documenta“ in Kassel zwar ein beratendes Gremium, die letzte Entscheidung trifft aber der zuständige künstlerische Leiter.1303 Es ist zu beachten und dem OLG Frankfurt zuzustimmen, dass die Fachkenntnisse und Erfahrungen einer einzelnen Person als Zulassungsausschuss grundsätzlich nicht geringer zu bewerten sind als die eines aus mehreren Mitgliedern zusammengesetzten Fach-Gremiums, solange dadurch eine fundiertere Entscheidung zu erwarten ist. Dabei kann die zu entscheidende Auswahl sogar durch den Veranstalter der Veranstaltung selbst getroffen werden.1304 Dies gilt selbstverständlich, wenn die Person, die für die Auswahl nach künstlerischen Gesichtspunkten zuständig ist, sich einen Namen als Veranstalter von Kunstausstellungen gemacht hat. In diesem Falle ist diese Auswahlentscheidung der Künstlerauswahl von vornherein nicht in Frage zu stellen. Selbstverständlich

1301

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390.

1302

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390, S. 1391.

1303

OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.07.1992 – 25 W 44/92 in: NJW 1993, S. 1472.

1304

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1071.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

kann diese Person Befürworter und Gegner haben. Und sogar, wenn der künstlerische Leiter erklärt hat, er wisse nicht, was Kunst ist, so kann das nichts weiter als eine Provokation, die nichts über seine Fähigkeiten als Ausstellungsmacher aussagt, darstellen.1305 Es ist nicht zu beanstanden, dass einem künstlerischen Leiter die alleinige Entscheidung über die Künstlerauswahl zugestanden wird, wobei zu beachten ist, dass diesem keine Kriterien von der Gesellschaft an die Hand gegeben sind. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Garantie der Kunstfreiheit dem Staat gebietet, die Freiheit, die Pluralität sowie die Eigengesetzlichkeit der Kunst zu beachten und die Regelung insbesondere vor staatlichem Kunstdirigismus schützt.1306 Dementsprechend ist die Besetzung der Stelle durch eine Person nicht zu beanstanden und nicht als willkürlich zu bewerten, solange nicht nachgewiesen ist, dass diese Person seine Entscheidung durch außerhalb der Kunstmesse und ihren Prinzipien stehenden Aspekte beeinflussen lässt. Somit ist festzuhalten, dass es nicht erforderlich ist, dass die Auswahl durch ein Sachverständigenkriterium getroffen wird, wenn dem Veranstalter zumindest eine Einzelperson zur Verfügung steht, die über die erforderliche Sachkunde verfügt.1307 Es ist gerechtfertigt, wenn nur eine einzelne Person die Auswahl über die Kunst trifft. Zu berücksichtigen ist, dass dabei bei einer einzelnen Person immer der Vorwurf der Willkür im Raum bleibt. Dies ist kaum vermeidbar. Und wenn sich ein Veranstalter nicht permanent dem Vorwurf aussetzen möchte, ist er gehalten, eine Jury einzusetzen. Wie diese aufgebaut sein sollte, wird noch zu diskutieren sein.

(2)

Eine mehrere Personen umfassende „Jury“

Wie obig angeführt, ist es grundsätzlich zulässig, wenn nur eine berufene Person eine Auswahl trifft. Umso unschädlicher ist die Einsetzung einer mehrere Personen umfassende Auswahljury. Es ist daher sachgerecht, dass zur Beurteilung der unter Qualitätsgesichtspunkten erfolgenden Zulassung eine unabhängige Expertenkommission herangezogen wird.1308 Dabei ist natürlich zu beachten, dass durch die Schaffung eines Auswahlgremiums für die zuzulassenden Aussteller sich ein Veranstalter einer Kunstmesse nicht den Bindungen des GWB entziehen kann, sondern diese Jury die Voraussetzungen des Diskriminierungsverbots be-

1305

OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.07.1992 – 25 W 44/92 in: NJW 1993, S. 1472, S. 1473.

1306

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1472.

1307

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1308

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: AfP 1988, S. 106.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

achten muss.1309 Die Einsetzung einer Kommission aus mehreren Personen stellt keine Willkür dar und ist zulässig. Die Bewertung dieser Kommission, auch wenn sie unabhängig ist, kann somit in der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden.1310 Im Rahmen der Besetzung der Jury kann der Veranstalter sich selbst mit aufnehmen. Es liegt im Rahmen der Ermessensfreiheit des Veranstalters, wenn in die Jury auch Mitaussteller aufgenommen werden. Hier ist auch nicht zu vergessen, dass in einem solchen Falle die wertenden Mitaussteller sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen dürfen, um sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung aussetzen zu dürfen. Dabei setzt sich ein Veranstalter durch die Aufnahme von Konkurrenten in die Jury unvermeidlich dem Vorwurf aus, dass keine neutrale Entscheidung getroffen wird. In einem solchen Falle könnte es nötig werden, genaue Protokolle der Sitzungen anzufertigen, um in einem späteren eventuellen Prozess den Vorwurf der Willkür entkräften zu können. Dies wird aber im Rahmen der Begründungsund Beweispflichten eines Veranstalters bei einer Ablehnung in einem späteren Abschnitt 1311 zu erörtern sein.

(2.1)

Die Einbeziehung außenstehender Personen

Um den Vorwurf der Willkür gänzlich auszuschalten, wäre die Einbeziehung Außenstehender, wenn nicht sogar die vollständige Besetzung einer Auswahlkommission mit außenstehenden Personen nötig. Somit wäre eine ausreichende Sachkunde, die über jeden Zweifel erhaben ist, dann gewährleistet, wenn außenstehende Experten miturteilen. So z.B. wenn neun Kunst- und Antiquitätenexperten renommierter deutscher Museen Mitglied der Jury sind und vier der in der Jury vertretenen Händler öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige wären.1312 Mittlerweile werben sogar Kunst- & Antiquitätenmessen mit der Tatsache, dass ihre Jury gänzlich ohne Mitaussteller besetzt sei.1313

(2.2) Die Problematik der Teilnahme von Mitausstellern an der „Jury“ Wie schon obig erwähnt, ist es einem Veranstalter nicht verwehrt, Mitaussteller, und damit Konkurrenten, mit in die Jury aufzunehmen. In einem solchen Falle 1309

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4176.

1310

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 735.

1311

Vgl. unter Kapitel 4 IV d) cc).

1312

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390.

1313

Pressemitteilung „Prognosen und Konsequenzen – Zweieinhalb Mitarbeiter“ in: Antiquitäten Zeitung v. 9.01.2004, Nr. 1/2004, S. 1, S. 2.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

dürfen die wertenden Mitaussteller sich nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen, um sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung auszusetzen. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BGH z.B. eine Schiedsgutachterklausel nur dann im Hinblick auf § 9 AGB-Gesetz wirksam wäre, wenn die Schiedsrichter neutral, also unabhängig vom AGB-Verwender sind und ausreichend Sachkunde haben. Ohne dass über die richtige Besetzung entschieden werden muss, ist jedenfalls allein die Beteiligung von zwei unmittelbaren Wettbewerbern eines Ausstellers in einer Messejury solange unschädlich, wie die Jury mit 41 Personen besetzt ist. Diese geringe Beteiligung von Mitausstellern kann jedenfalls keine Zweifel an deren Unabhängigkeit begründen, wenn der Jury außer zahlreichen anderen, ebenfalls ausstellenden Händlern, noch in nicht geringem Umfang weitere Personen, wie unabhängige Museumsfachleute und nicht ausstellende Händler, angehören. Insofern kann die bloße Behauptung eines abgewiesenen Bewerbers, die Jurymitglieder seien von dem Veranstalter abhängig gewesen, nicht ausreichen. Dies gilt umso mehr, wenn wie weithin üblich die ausstellenden Jurymitglieder erst dann mit in der Kommission beteiligt sind, wenn sie selbst zur Messe endgültig zugelassen sind.1314 Jedoch bleibt die Gefahr bestehen, dass sie über ihre Beteiligung versuchen könnten, Galerien mit einem ähnlichen Spektrum an Künstlern und Kunstwerken abzuhalten. Um dies auszuschließen, wären besondere Pflichten im Falle der Ablehnungsbegründung unter Umständen nötig.

(3)

Das Ausleseverfahren

Ein weiterer, bisher in der Rechtsprechung und der Literatur eher kaum beachteter Aspekt, stellt das Ausleseverfahren dar. Dies umschreibt sowohl die Auslese der Galerien als auch die Auslese der Kunstwerke. Es werden nicht nur Galerien durch eine Jury abgelehnt, sondern auch die Kunstwerke der zugelassenen Galerien werden oft noch bewertet. Zum Beispiel verpflichten sich die Teilnehmer der TEFAF Kunstmesse in Maastricht, dass Experten zwei Tage vor Ausstellungsbeginn die fertigen Kojen ohne den jeweiligen Mieter besichtigen und die Kunstwerke beurteilen dürfen. Sollte hierbei ein Kunstwerk nicht in das Konzept der Messe passen, muss es umgehend entfernt werden. Konzept bedeutet, dass ein Messeveranstalter seine Kunstmesse nach seiner Idee und seinen Vorstellungen durchführen möchte. Er gibt dabei nicht nur die Kunstrichtungen vor, denen die Galerien mindestens schwerpunktmäßig angehören müssen, sondern er verlangt auch, dass sich die gezeigten Werke in das Gesamtbild der Kunstmesse „integrieren“ müssen. Dementsprechend kann es passieren, dass gewisse Kunstwerke einer Galerie nicht dem einer Kunstmesse zu Grunde gelegten Konzept entsprechen, sondern vielmehr aussortiert werden müssen. Dabei wurde schon obig auf1314

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390, S. 1391.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

gezeigt, dass es einem Veranstalter grundsätzlich erlaubt ist, seine Entscheidung über die Qualität der auszustellenden Kunstwerke einem Ausleseverfahren zu Grunde zu legen, er kann die Qualität der einzelnen Kunstwerke bewerten und demgemäss sortieren. Dies stellt keine Willkür, sondern vielmehr ein sachgerechtes Auswahlkriterium dar. Die Bewertung von Kunst sowie die Auswahl der Kunstwerke sind für den Erfolg oder den Misserfolg einer Kunstmesse ausschlaggebend, und der Kunstmesseveranstalter trägt hierbei die gesamte Verantwortung. Das Ausleseverfahren war selbst zu den Zeiten der Pariser Salons sehr umstritten. Die Auswahl der Werke erfolgte nicht nach einem Ordnungssystem, sondern nach deren Eingang oder in zufälliger Reihenfolge. Damit konnte keine Entscheidung aufgrund eines direkten Vergleichs zwischen Werken derselben Gattung getroffen werden. So stand den Juroren nur sehr wenig Zeit zur Verfügung und die Jury bestand aus den vielfältigsten Personen verschiedenster Kunstarten, die zusammen auch über jeweils ihnen unbekannte Kunstrichtungen entscheiden mussten.1315 Es verwundert daher, dass in der heutigen Zeit kaum der Vorwurf erhoben wurde, die Jury hätte zu wenig Zeit gehabt. Immerhin müssen zum Teil aus über 900 Bewerbungen für eine Messe 3/4 der Bewerber abgelehnt werden. Allein in einem Verfahren des OLG Frankfurt aus dem Jahre 1993 wurde dies angeführt. Hierbei entschied das OLG, dass bei der Frage, ob die Entscheidung der Jury offenbar unrichtig ist, auch der Zeitdruck berücksichtigt werden müsste, unter dem die Jury steht.1316 Unter Anwendung der Grundsätze des GWB ist aber zu beachten, dass ein geringer Zeitraum den Vorwurf der Unrichtigkeit tragen könnte. So ist im Rahmen einer Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Veranstalters einerseits und den künstlerischen Aspekten auf der anderen Seite bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen Ausgleich zu treffen. Dabei erscheint die von der Messeleitung der TEFAF getroffene Zeiteinteilung für die Bewertung der ausgestellten Objekte fehlerfrei. Etwa 120 Spezialisten begutachten die verschiedenen Objekte der rund 200 Aussteller. Hingegen ist bei der Vorauswahl der Galerien eine pauschalisierende Aussage kaum möglich. Die Bewertung muss den Gerichten im Einzelfall überlassen bleiben, wobei folgende Punkte zu berücksichtigen wären: die Anzahl der Bewerbungen, der Zeitraum zwischen Bewerbungsschluss, Zusage und Messebeginn, die Anzahl der zur Auswahl betroffenen Personen und das gewählte Zulassungsverfahren.

1315

Sfeir-Semler, Andrée, Die Maler am Pariser Salon 1791–1880, Campus Verlag, Frankfurt / New York / Paris ; 1992, S. 127.

1316

OLG Frankfurt, Urt. v. 29.04.1993 – 6 U (Kart) 13/92 in: NJW-RR 1993, S. 1390.

369

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

fff)

Die Verteilung von Restplätzen bei Absagen – das Nachrücksystem

Nach dem gewählten Verfahren und Einsetzung einer Jury bleibt dem Veranstalter nur noch die Problematik, in welcher Art und Weise mit Restplätzen verfahren werden sollte, wenn diese entweder durch kurzfristige Absagen freigeworden sind, oder nach Durchführung der gerichtlichen Auseinandersetzungen übrig blieben. Hierbei hat das OLG Frankfurt im Jahre 1989 entschieden, dass, wenn vorgesehene Messeplätze durch Absagen frei werden, ein Veranstalter nicht einfach die Ausstellungsfläche zugelassener Galerien vergrößern darf, sondern die Möglichkeit des „Nachrückens“ ausgeschlossener Galerien zumindest in Betracht ziehen muss. Fehlt es an jeglicher Konzeption über das „Nachrücken“, kann ein Anspruch für ausgeschlossene Galerien zu bejahen sein, wenigstens einen Informationsstand zu erhalten.1317 Es ergibt sich der Grundsatz, dass, wenn nachträglich wieder Messeplätze frei werden, ein Nachrücksystem zu entwickeln und einzuführen ist, um sicherzustellen, dass einem kleinen Teil abgewiesener Bewerber, die auch die Bedingungen erfüllen, doch noch ein Platz zugute kommt.1318 Dieses Nachrückverfahren kann sich dabei an das Prinzip des Erstverfahrens halten. So können Bewerber, deren Listenplatz im ersten Durchgang nicht mehr berücksichtigt werden konnte, deren Platz aber jetzt auf Nummer eins steht, nunmehr zugelassen werden. Daher kann ein Veranstalter als Nachrücksystem das in seinen Allgemeinen Zulassungsbedingungen geregelte Zulassungsverfahren bei Überhang an Bewerbern weiter verwenden. Es ist ihm aufgrund seiner unternehmerischen Ermessensfreiheit nicht verwehrt, ein neues, den Voraussetzungen des Diskriminierungsverbotes entsprechendes Verfahren für das Nachrücksystem einzuführen.

ggg)

Fazit

Bei einer Überkapazität an Bewerbern stehen einem Kunstmesseveranstalter verschiedene zulässige Auswahlverfahren zur Verfügung, ohne sich dem Vorwurf der Diskriminierung aussetzen zu müssen. Insbesondere kann er dabei das Prioritätsprinzip oder das Losprinzip wählen, da in beiden Fällen kein Konflikt mit den Anforderungen des Diskriminierungsverbots entsteht. Das von verschiedenen Gerichten in Ihren Entscheidungen geforderte Rotationsprinzip ist nur bedingt anwendbar. Eine Anwendung gebietet sich dann, wenn eine Galerie nicht bei Ablehnung automatisch die Zusicherung eines Standplatzes für das Folgejahr erhält, sondern nur dann für die nächste Veranstaltung bevorzugt

1317

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1318

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1072.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

behandelt wird, wenn sie wieder die übrigen Auswahlkriterien erfüllt und somit wieder wie im Vorjahr in der gleichen Gruppierung angesiedelt ist. In einem solchen Falle hat sie bei Anwendung des Rotationsprinzips Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung. Dabei ist stets zu beachten, dass solche Auswahlverfahren nicht „global“ auf alle Bewerber Anwendung finden, sondern nur für die Bereiche gilt, in denen eine Überkapazität besteht. Es bleibt einem Veranstalter unbelassen, sowohl Gruppen zu bilden, um eine Präsenz aller Kunstrichtungen auf seiner Kunstmesse zu erreichen. Er kann z.B. eine Abteilung Photographie des 20. Jahrhunderts, eine Abteilung zeitgenössische Gemälde, eine Abteilung Plastiken, etc. bilden, für die ein Galerist sich jeweils nach dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf dem Kunstmarkt für die Bewerbung entscheiden muss. Diesen verschiedenen Abteilungen, oder Gruppierungen, kann ein Veranstalter jeweils vorher genau definierten Hallenraum zusprechen, so dass in einigen Gruppen ein Überangebot besteht, bzw. in anderen Gruppen noch Plätze frei sind. Daneben kann der Veranstalter innerhalb der Gruppen verschieden große Kojen anbieten, um ein Bild der Kunstmesse zu erreichen, wie es nach seiner Ansicht den wirtschaftlichen und künstlerischen Anforderungen der Zeit und des Publikums entspricht, um eine gute „Durchmischung“ der präsentierten Kunstrichtungen zu erwirken. Innerhalb dieser gebildeten Gruppen können dann die einzelnen Auswahlverfahren greifen. Ihm ist es belassen, für die einzelnen gebildeten Gruppen jeweils Stellflächen zu reservieren, so dass in einer Gruppe ein Rotationsverfahren greifen könnte, während für die andere Gruppe sogar noch Stellfläche übrig wäre. Auch liegt es im Rahmen seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die Kojengröße festzulegen und dabei eine Mindestabnahme zu fordern, oder sogar Kojen verschiedener Größen anzubieten, so dass der Fall eintreten kann, dass die kleinen Kojen ausgebucht sind, während größere noch zur Verfügung stehen. Dabei kann ihm nicht auferlegt werden, diese größeren Kojen zu teilen, um mehr Aussteller zuzulassen. Denn die Größe und Aufteilung der Kojen wird durch seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit gesichert, welche wiederum durch notwendige wirtschaftliche Aspekte bedingt ist. Es kann der Fall eintreten, dass eine Galerie, auch wenn für ein Segment, oder eine „Gruppe“ schon mehr Aussteller sich beworben haben als Kojen zur Verfügung stehen, trotzdem einen Standplatz bekommt, wenn sie sich auf die noch nicht besetzten großen Kojen beworben hat. Eine solche Zulassung verstößt in einem solchen Fall nicht gegen das Diskriminierungsverbot und kann nicht als Willkür angesehen werden, da es an den benötigten Standgrößen liegt.1319

1319

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479, S. 2480.

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Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Bekanntermaßen benötigen Galerien verschiedene Größen für Kojen, je nachdem, welche Art von Kunst sie präsentieren möchten. Kleinere Kojen empfehlen sich bei Gemälden oder Kleinplastiken, während Großplastiken oder Installationen ihrer Natur nach schon viel Standfläche benötigen. Wenn aber eine Kunstmesse alle Facetten der Kunst präsentieren möchte, und es aufgrund der Anforderungen des Publikums muss, kann es einem Veranstalter nicht genommen werden, für alle Bereiche den nötigen Platz zur Verfügung zu stellen, um allen Kunstarten gerecht zu werden. In einem solchen Fall handelt er weder willkürlich noch wird zwischen Galerien ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschieden. Jedoch erfordert das Diskriminierungsverbot, dass sowohl bei einer globalen Bewerbung wie auch bei der Bewerbung für verschiedene Abteilungen alle einzelnen Aspekte des Auswahl- und Zulassungsverfahrens von vornherein feststehen, wenn sich nicht der Veranstalter dem Vorwurf der Diskriminierung aussetzen möchte. Nur wenn alle Details, von den einzeln Kojengrößen über die verschiedenen Kunstgruppierungen, für einen Bewerber bei dem Zulassungsgesuch ersichtlich sind, kann er sich auf die Umstände einstellen und seine Bewerbung den Erfordernissen anpassen.

cc)

Die Begründungspflicht bei Ablehnung eines Bewerbers

Ein weiterer Verstoß gegen Voraussetzungen, nicht willkürfrei und mit sachlich gerechtfertigtem Grund zu differenzieren, wurde von den Gerichten im Rahmen der Begründungspflicht des Veranstalters bei Ablehnung eines Galeristen angenommen. Hierbei wurde im Rahmen einer Entscheidung des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2002 festgelegt, dass die Begründung einer ablehnenden Entscheidung die tragenden Gründe einer Ablehnung nachprüfbar, verständlich und widerspruchsfrei enthalten müsste; maßgebend für die gerichtliche Überprüfung sei der tatsächliche Sachstand im Zeitraum der letzten ablehnenden Entscheidung des Veranstalters, die der auf eine Zulassung antragende Antragssteller mit seinem Klagebegehren bekämpft.1320 Jedoch ist eine Überprüfung in einem etwaigen Prozess dadurch erschwert, dass ein Veranstalter wenige Gründe, wenn überhaupt, gegenüber einem abgelehnten Bewerber angibt. Daher ist es selten möglich, oder nicht möglich, eine Ablehnung gerichtlich zu überprüfen. Hierbei stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Voraussetzungen des GWB eine solche Ablehnungsbegründung verlangt werden kann, und gegebenenfalls, welcher notwendige Inhalt vorhanden sein müsste. Denn grundsätzlich ist im Rahmen des Abschlusses von privatrechtlichen Verträgen jeder Partei erlaubt, einen Vertragsabschluss ohne nähere Angabe von Gründen abzulehnen, unabhängig von dem Entstehen von Schadensersatzansprüchen bei einer vorsätzlichen Täuschung bei Eingehung eines Vertrages über die Ernsthaftigkeit des Vorgehens. 1320

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

aaa)

Vergleich mit dem öffentlichen Recht und anderen Rechtsgebieten

Ein erster Hinweis auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Begründungspflicht könnte sich aus einem Vergleich mit dem öffentlich-rechtlichen Bereich ergeben.

bbb) Die bisherige Rechtsprechung und Praxis Für eine endgültige Lösung der Frage der Begründungspflicht ist eine Übersicht über die bisherige Rechtsprechung und die Praxis unabdingbar. Schon 1960 setzte sich der Bundesgerichtshof in einem Kartellverfahren mit der Frage der Begründungspflicht im Rahmen einer Ablehnung auseinander. So entschied der zuständige Senat, dass im Kartellrecht der um die Aufnahme Aufgesuchte in seiner Entschließung grundsätzlich frei ist, wen er als Mitglied aufnehmen will, und dementsprechend kann er, eben wegen dieser Freiheit, den einen ablehnen und den anderen werben, ohne die Gründe für diese Handlungsweise offenbaren zu müssen. Eine Nichtoffenbarung könne daher nicht als „willkürlich“ oder „schikanös“ bezeichnet werden. Zu Unrecht habe sich in dem damaligen vorhergegangenen Prozess der Kläger auf ein früheres Urteil des Bundesgerichtshofs berufen. Zwar sei in diesem allerdings gesagt worden, dass die ohne Angabe von Gründen ausgesprochene Ablehnung der Aufnahme eines Unternehmens in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung eine „sachlich nicht gerechtfertigte“ ungleiche Behandlung dieses Unternehmens im Sinne von § 27 GWB darstelle, dabei wurde aber der Tatbestand des § 27 GWB als gegeben vorausgesetzt, wonach bei sachlich nicht gerechtfertigter Ablehnung ein Aufnahmeanspruch besteht. Die in dem früheren Urteil gemachten Ausführungen würden dagegen nichts für einen Fall besagen, wie den vorliegenden, in dem ein Aufnahmeanspruch gerade nicht besteht.1321 Weitere Entscheidungen in Hinsicht auf eine evtl. bestehende Begründungspflicht ergaben sich aus Verfahren im Hinblick auf eine Zulassung zu der Kunstmesse Art Frankfurt. Das OLG Frankfurt entschied 1989, dass eine Nichtzulassung gegenüber abgelehnten Bewerbern begründet werden müsste, sofern er es verlangt, wenn sich eine Kunstmesse etabliert habe. Denn dann müssten die Auswahlkriterien für die Zulassung festgelegt werden, die nachprüfbar sind, um diskriminierende Entscheidungen auszuschließen.1322 Daher sei eine Ablehnungsentscheidung jedenfalls dann zu begründen, wenn dies vom abgewiesenen Bewerber verlangt würde. Dabei wäre dem abgelehnten Bewerber seine Nicht-

1321

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ mit Anm. v. Schramm in: GRUR 1961, S. 141, S. 145.

1322

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

373

374

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

berücksichtigung eingehend und für ihn nachprüfbar darzulegen, um die getroffene Entscheidung transparent zu machen. Folglich wäre jedenfalls dann eine Ablehnungsentscheidung zu begründen, wenn dies von dem abgewiesenen Bewerber verlangt würde.1323 Eine andere Sichtweise kann sich dann ergeben, wenn es um die Begründung der künstlerischen Einschätzung geht. So urteilte das LG Frankfurt im Rahmen der Art Frankfurt 1989 richtigerweise, dass die Überprüfung der Ablehnungsentscheidung dadurch erschwert werden würde, wenn ein Veranstalter seine Ablehnungsentscheidung nicht näher gegenüber dem abgewiesenen Bewerber begründe. Eine solche nähere Begründung könne jedoch auf Grund der Besonderheiten des Falles ausnahmsweise von dem Veranstalter nicht verlangt werden. Denn die der getroffenen Entscheidung zugrunde liegende künstlerische Bewertung sei – zumal es um die Zusammenstellung einer größeren Ausstellung geht – ein komplexer Vorgang, der sich einer näheren und nachvollziehbaren Erläuterung entzieht. Unter diesen Umständen könnten dem Veranstalter auch im Rahmen von § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. keine Nachteile daraus entstehen, dass er von vornherein auf eine Begründung der Ablehnungsentscheidung, die sich allenfalls in der Wiedergabe wenig aussagekräftiger Leerformeln hätte erschöpfen können, verzichtet hätte.1324 In einem späteren Entschluss aus dem Jahre 1992 entschied das OLG Frankfurt, ein Veranstalter einer Kunstmesse sei als Normadressat des § 26 II GWB a.F. gehalten, die Auswahlkriterien gleichmäßig und willkürfrei anzuwenden und eine etwaige Ablehnungsentscheidung auf Verlangen des Bewerbers eingehend und nachprüfbar zu begründen. Dieser Begründungspflicht komme in diesem Zusammenhang eine besonders große Bedeutung zu; denn gerade weil ein Veranstalter bei seiner Auswahl inhaltlich einen großen Entscheidungsspielraum habe, könne von ihm verlangt werden, dem abgelehnten Bewerber die für die Ausübung des Ermessens tragenden Gesichtspunkte vollständig mitzuteilen, damit dieser überprüfen könne, ob der Veranstalter zumindest die weitgesteckten Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten habe. Dies sei ein formelles Erfordernis für eine eingehende und nachprüfbare Begründung. Für den Fall, dass diese Pflicht verletzt würde, könne dies zu einem Anspruch auf Zuteilung eines Standes führen.1325 Das OLG Frankfurt entschied in einem Beschluss aus demselben Jahr, dass das Recht auf subjektive Ansicht und das persönliche Gefühl auf Notwendigkeit

1323

OLG Frankfurt, a.a.O. S. 1071.

1324

LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15.02.1989 – 2/6 O.30/89 „Art Frankfurt 89“ in: WuW/E LG/AG S. 652, S. 653.

1325

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

eines künstlerischen Leiters einer Kunstmesse in Anbetracht der Schwierigkeiten des Auswahlproblems akzeptiert werden müsse. Dies würde umfassen, dass der Leiter um ein Konzept und eine Linie bemüht sein darf, keine exakten Auswahlkriterien angeben muss und sich in einem Schreiben gegenüber einem Bewerber auf seine Intuition beziehen könne. Es sei nicht mit Willkür gleichzusetzen und widerspreche auch nicht dem Gesellschaftszweck der Förderung des allgemein Besten auf geistigem-kulturellem Gebiet. Bei der Differenziertheit der Strömungen moderner Kunst und ihrer Vielfalt in der Welt sei es auf einer Weltausstellung nur möglich, Ausschnitte zu zeigen, die immer höchst subjektiv geprägt sein werden, gleichgültig ob es dem für die Auswahl der Künstler Verantwortlichen mehr oder weniger gelingen würde, die von ihm verfolgte Linie zu verdeutlichen. Wollte man Bewerbungsanspruch und Kriterienkataloge für die Künstlerauswahl fordern, so wäre die Durchführung einer Weltausstellung wie der documenta entscheidend gehemmt. Beide Aspekte sind in diesem Zusammenhang nicht tragbar und verhinderten die beabsichtigte Förderung der Kunst.1326 Weiterhin entschied das Landgericht Köln 1998, dass Umstände existieren, welche die Darlegung des Rechtfertigungsgrundes für die Ablehnung durch unterschiedliche Auffassungen vom künstlerischen Wert der beabsichtigten Präsentation des Bewerbers erforderlich machen könnten. Diese könnte dann gegeben sein, wenn ein Veranstalter einen Bewerber in zwei Jahren auf die Warteliste gesetzt hat und dadurch dokumentiert, dass die um die Teilnahme nachsuchende Galerie keineswegs ein Programm zeigen will, welches den Zielen der Messe zuwiderläuft.1327 Im Rahmen dieser Rechtsprechung ist aber zu bedenken, dass dies eine Konfliktsituation für einen Veranstalter einer Kunstmesse verursacht, aus der ein Ausweichen kaum möglich ist. Einerseits wird dem Veranstalter auferlegt, ein Rotationssystem und Wartelisten einzuführen und andererseits kann er, wenn er eine Galerie auf die Warteliste gesetzt hat, nicht mehr seinen künstlerischen Ermessensspielraum ausüben. Grundsätzlich ist die Auffassung richtig, dass das Kunstprogramm einer zweimalig auf die Warteliste gesetzten Galerie prinzipiell wohl nicht den Zielen dieser Messe widerspricht. Dies hat auch dann Geltung, wenn ein Veranstalter gerade für solche Fälle in seinen allgemeinen Teilnahmebedingungen vorgesehen hat, dass dann grundsätzlich ein Zulassungsanspruch besteht. Falls jedoch aufgenommen wurde, dass dies nicht gilt, wenn die übrigen Voraussetzungen sich geändert haben, könnte unter Umständen die Darlegung eines Rechtfertigungsgrundes für die Ablehnung gefordert werden.1328

1326

OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.07.1992 – 25 W 44/92 in: NJW 1993, S. 1472, S. 1473.

1327

LG Köln, Urt. v. 1.10.1998 – 81 O (Kart) 153/98 „Art Cologne“ in: EWiR 1/99, S. 73, S. 74.

1328

Schmidt, Ulrich, Kurzkommentar zu LG Köln in: EWiR § 26 GWB 1/99, S. 73.

375

376

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

Neben einer solchen Pflicht zur Begründung der Ablehnung, die durch die Kartellgerichte aufgestellt wurde, erlangte noch ein weiterer Umstand der Verfahrenweise Bedeutung. In der gerichtlichen Auseinandersetzung im Jahre 2001 kam dem formellen Zustandekommen der Jury – Entscheidung ein wesentlicher Einfluss zu. Dabei trug die abgewiesene Galerie vor, dass nicht nur die erstmalige Ablehnung nicht begründet worden sei, sondern vielmehr auch die Beratungen des mit fünf Galeristen und zwei Kunsthistorikern besetzten Zulassungsausschusses nicht protokolliert worden seien. Durch diesen Umstand und die Tatsache, dass die Ablehnung durch ein Jury-Mitglied erst hinterher formuliert wurde, verlor die Kunstmesse den Prozess.1329 In einer der neuesten Entscheidungen aus dem Jahre 2002 entschied das OLG Düsseldorf, dass der Begründung einer ablehnenden Entscheidung eine besondere Rolle zukommen würde. Denn die Begründung müsse die tragenden Gründe einer Ablehnung nachprüfbar, verständlich und widerspruchsfrei enthalten. Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung ist somit der tatsächliche Sachstand im Zeitraum der letzten ablehnenden Entscheidung und ihrer Begründung durch den Zulassungsausschuss der Kunstmesse.1330

ccc)

Fazit und Lösungsvorschlag

Der Auffassung, dass auch im Kartellrecht der um die Aufnahme Aufgesuchte in seiner Entschließung grundsätzlich frei ist, wen er als Mitglied aufnehmen will, und aufgrund dieser Freiheit ablehnen und zulassen kann, ohne die Gründe für diese Handlungsweise offenbaren zu müssen, ist zuzustimmen. Eine Nichtoffenbarung kann daher nicht als „willkürlich“ oder „schikanös“ bezeichnet werden. Denn gerade auf dem Kunstsektor ist es oft nicht möglich, eine Auswahlentscheidung, die nach Intuition und Geschmack getroffen wird, zu begründen. Natürlich steht auf der anderen Seite der Wunsch der abgelehnten Galerie, die Ablehnungsgründe zu erfahren, um entweder bei der nächsten Bewerbung den Makel beheben zu können, oder um in einem Prozess Beweismaterial gegen den Veranstalter zu erlangen. Dabei taucht das Problem auf, dass es sich bei einer langen Begründung in künstlerischer Hinsicht tatsächlich oft um leere Floskeln handelt, deren Aussagegehalt kaum nachprüfbar ist. Weiterhin ist im Rahmen des GWB davon auszugehen, dass Beratungen nicht ausführlich protokolliert werden müssen. Denn

1329

Dittmar, Peter, „Cliquen-Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08. 2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/010818/ feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

1330

OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2002 – U (Kart) 60/01 „Stefanelli“ in WuW/E DE-R, S. 994, S. 995.

IV. Zulassung contra Ausschluss im Rahmen der Interessensabwägung

diese sind von ständigen Diskussionen begleitet, und von einem Veranstalter kann nicht verlangt werden, ein unverhältnismäßig großen Aufwand, der wirtschaftlich kaum finanzierbar ist, zu betreiben, nur um alle Wünsche des Bewerbers gerecht zu werden. Hingegen ist im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen, wirtschaftliche und planerische auf der einen Seite, prozessuale und wiederum wirtschaftliche Aspekte auf der anderen Seite, festzustellen, dass im Verhältnis keine allzu hohe Belastung sichtbar wäre, wenn im Rahmen der Auswahldiskussion wenigstens eine kurze Rechtfertigung der letztendlich getroffenen ablehnenden Entscheidung notiert würde. Denn die Auswahl muss unter Berücksichtigung der Grundsätze des Kartellrechts getroffen werden. Und es stellt keine allzu hohe Anforderungen an den Veranstalter einer Kunstmesse dar, wenn er verpflichtet ist, während des Auswahlverfahrens eine kurze Begründung auf die Bewerbung einer Galerie zu notieren, gleichgültig ob die Ablehnung aus künstlerischen Aspekten, aus verfahrenstechnischen Gründen oder aus den zulässigen Differenzierungsgründen geschehen ist. Diese Notiz kann dann im Falle einer Ablehnung durch den Abgelehnten schriftlich angefordert werden. Nicht mehr und nicht weniger kann von dem Veranstalter, respektive Auswahlgremium, an Begründungpflicht verlangt werden. Dabei ist zu beachten, dass im Falle einer Ablehnung aus künstlerischen Aspekten der Veranstalter nur eine kurze Erläuterung benutzen darf. Denn der künstlerische Geschmack ist und bleibt individuell und kann nur selten begründet werden. Stehen andere Auswahlaspekte im Vordergrund, sind diese darzulegen, und können auch dementsprechend in einem späteren Prozess verwandt und als Begründung verlangt werden.

dd)

Die Verpflichtung zur Erstellung von Aufnahmebedingungen

Es ist von Bedeutung, dass Bewerber von vornherein darüber aufgeklärt werden, welche Chancen sie im Rahmen ihres Zulassungsgesuchs für eine Kunstmesse haben. Speziell die Größe der zu verteilenden Gesamtfläche, die Größe der zu vergebenden Kojen und die grundsätzlichen Auswahlkriterien spielen dabei eine große Rolle. Schließlich bedeutet es für eine Galerie eine nicht zu verachtende finanzielle Investition, einen Messeauftritt auf einer der großen Kunstmessen zu planen. Wie weiterhin obig dargelegt wurde, ist ein Veranstalter gehalten, das Zulassungsprinzip darzulegen, und die künstlerischen Grundsätze zu offenbaren. Denn es käme dem Verdacht der Erfüllung des Diskriminierungstatbestandes des § 20 II GWB sehr nahe, wenn eine Nachprüfung gänzlich unmöglich wäre. Zu unterscheiden ist jedoch die erstmalige Veranstaltung einer Kunstmesse und deren Wiederholung. Während bei einer erstmaligen Veranstaltung noch ein

377

378

Kapitel 4: Die Anwendung des § 20 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB

größerer Freiraum angenommen werden kann, da das Konzept der Messe noch im Unklaren ist und die Abläufe sich erst finden müssen, sollten bei einer Wiederholung genaue Aufnahmebedingungen erstellt werden. Es sind für künftige Veranstaltungen die Auswahlkriterien von vornherein im Einzelnen konkret und nachvollziehbar festzulegen, um die danach getroffene Entscheidung über die Nichtzulassung eines Bewerbers und die sachgerechte Ausübung des unternehmerischen Ermessens nachprüfbar zu machen.1331 Weiterhin ist darzulegen, welche Art des Auswahlverfahrens bei einem Überhang an Bewerbern und begrenzter Platzkapazität Anwendung finden wird. Bei einer erstmaligen Veranstaltung kann einem Veranstalter noch zugebilligt werden, dass dieses Problem erst bei dem erstmaligen Auftreten berücksichtigt werden muss, so dass erst nach dem Eingang der Bewerbungen ein solches Verfahren gefunden werden muss. Eine eingeführte Kunstmesse muss sich jedoch auf dieses Problem aufgrund deren Bekanntheit bei Parallelveranstaltungen einrichten und schon im Vorfeld für eine sachgerechte und willkürfreie Entscheidungsfindung Sorge tragen. Falls dies nicht geschehen ist, könnten fehlende Bestimmungen die Annahme der Diskriminierung rechtfertigen, da einer Willkür oder Ungleichbehandlung ohne sachgerechten Grund nicht von vornherein durch die Aufstellung von Allgemeinen Teilnahme- und Zulassungsbedingungen entgegengewirkt wurde.

V.

Die Zulassung ausländischer Bewerber

Auf den meisten international renommierten Kunstmessen finden sich Aussteller, Galeristen und Künstler aus dem Ausland. Sei es, dass auf der Art Cologne italienische oder auf der Art Basel deutsche Galeristen Kunstwerke präsentieren. Meist leben auch die großen Kunstmessen von international „wichtigen“ Galerien, durch deren Teilnahme der Ruf der Messe erhöht und das qualitative Angebot der dargebotenen Kunstobjekte verbessert wird. Grundsätzlich steht es dabei dem Veranstalter einer Kunstmesse frei, für den Fall der qualitativen Gleichwertigkeit eine ausländische Galerie zuzulassen, um bei einer auf die Internationalität ausgelegten Kunstmesse ein ausgewogenes oder selbst schwerpunktmäßiges Bild ausländischer Galerien zu präsentieren.1332 Die Freiheit des Veranstalters wird jedoch sowohl durch die Allgemeinen Teilnahmebedingungen, die er sich selbst auferlegt, als auch durch die tatsächliche

1331

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069, S. 1071.

1332

OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.07.1987 – U (Kart.) 20/86 „Art Cologne II“ in: WuW/E OLG S. 4173, S. 4178.

V. Die Zulassung ausländischer Bewerber

Praxis eingeschränkt. Lässt ein Veranstalter aufgrund seiner ATB die Möglichkeit der Bewerbungsauflagen die Applikation eines ausländischen Ausstellers zu, so kann dessen Zulassung nicht mit dem Argument verweigert werden, die Kunstmesse stelle nur eine reine Präsentation der Leistungsfähigkeit deutscher Kunstmarktteilnehmer dar. In einem solchen Fall würde die Zulassung aufgrund von Willkür eingeschränkt, das Diskriminierungsverbot würde eingreifen, ein Anspruch auf Zulassung wäre gerechtfertigt. Gleiches gilt im Falle der tatsächlichen Zulassung ausländischer Galeristen, sogar wenn die ATB ausdrücklich die Zulassung auf inländische Galeristen beschränken, aber aufgrund von tatsächlicher Übung das Gegenteil praktiziert wurde. Auch in diesem Fall kann trotz entgegenstehender ATB eine Zulassung aufgrund der Herkunft des Galeristen nicht verweigert werden, da der Kunstmesseveranstalter durch die vorherige Zulassung ausländischer Galeristen das Gegenteil seiner ATB kundgetan hat, und somit die Ungleichbehandlung nicht durch einen sachgerechten Grund gedeckt wäre.

379

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung Einen wichtigen Gesichtspunkt im Rahmen eines Zulassungsstreits stellen die Möglichkeiten einer gerichtlichen Geltendmachung dar. Letztendlich entscheiden die Gerichte, ob einem die Zulassung verwehrten Bewerber doch noch ein Stand zugebilligt werden muss. Hierbei reichen die Entscheidungen der Gerichte von der Möglichkeit eines ganzen Standes, wie beantragt, über einen kleineren Stand bis hin zu einer reinen Informationstafel auf der jeweiligen Kunst- und Antiquitätenmesse. Dabei ist stets davon auszugehen, dass die Berufung auf eine kartellrechtliche Nichtigkeit eines Vertrages oder Bestandteil dessen keinen Rechtsmissbrauch darstellt.1333

I.

Das gerichtliche Verfahren

Die Zulassung zu Kunstmessen führt, gerade vor den großen und wichtigen Messen, immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.1334 Dabei ist stets nicht zu vergessen, dass die Zulassung eines Bewerbers nicht rechtlich, sondern nur tatsächlich die Zulassung eines weiteren Bewerbers auf demselben Platz ausschließt.1335 Dies bedeutet, dass ein Platz aus tatsächlicher Sicht nur einmal vergeben werden kann. Auch wenn ein Anspruch auf einen Standplatz gegeben ist, kann ein Auftreten auf der Messe nicht mehr möglich sein, wenn der gesamte Platz schon vergeben ist. In diesem Falle kommen Ansprüche auf Schadensersatz in Betracht. Um alle Klagen rechtzeitig zu bearbeiten, richten sich die Gerichte terminlich zum Teil auf die Kunstmessen ein. So behält sich das LG Köln vor der Art Cologne zwei bis drei Tage frei, um alle anfallenden gerichtlichen Klageanträge auf Zulassung abarbeiten zu können.1336

1333

BGH, KZR 2/72 – „Stromversorgungsgemeinschaft“ in: WuW/E BGH 1313.

1334

Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter: URL: http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 30.11. 2001).

1335

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26, S. 27.

1336

Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion? Die Zulassung zur Kunstmesse Art Cologne?“, Aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www. kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 06.02. 2002).

382

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

a)

Der Klageantrag

Das gerichtliche Verfahren wird durch die Einreichung eines Klageantrags eröffnet, wobei im Rahmen der kartellrechtlichen Verfahren besondere Voraussetzungen zu beachten sind.

aa)

Die grundsätzlichen Voraussetzungen des Klageantrags

Der Klageantrag richtet sich stets nach dem Begehren des Klägers. So richtet sich das Ziel einer gerichtlichen Klage meist nicht auf etwaige Schadensersatzansprüche in Geld, sondern vielmehr auf eine Zulassung zu der betreffenden Kunstmesse. Dabei ist zu beachten, dass, wenn eine Diskriminierung im Sinne des § 20 II GWB vorliegen würde, der diskriminierende Veranstalter den Zustand wieder herstellen müsste, der bestehen würde, wenn eine unterschiedliche Behandlung ohne sachlich rechtfertigenden Grund bzw. eine willkürliche Handlung vorliegen würde.1337 In vergleichbaren gerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich Lieferpflichten aus der Rechtsprechung zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. konnte dabei festgestellt werden, dass in diesen Fällen ein begründeter Schadensersatzanspruch des benachteiligten Unternehmens die Ausführung bestellter Lieferungen zum Inhalt haben kann.1338 Damit bestand auch bei Verstößen die Möglichkeit, als Schadensersatz die Zulassung zu einer Messe zu erreichen.1339 Als Ziel eines Klageantrags kann damit der Abschluss eines gegenseitigen Vertrages für die Bereitstellung eines Standplatzes in Frage kommen, der mit Rechtskraft des Urteils als geschlossen gälte (ZPO § 894).1340 Für eine solche Entscheidung ist in einem Klageantrag mitzuberücksichtigen, dass der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung prozessual maßgebend ist.1341 Als Anträge können dabei sowohl Leistungsklageanträge als auch Feststellungsklageanträge in Betracht kommen. So sollte bevorzugt eine Leistungsklage erhoben werden, wobei eine Feststellungsklage in früheren Urteilen eine Lieferverpflichtung betreffend nicht als unzulässig betrachtet wurde, da den Feststellungsanträgen bzgl. einer gegenwärtigen, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehenden Lieferpflicht und auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht für Verletzung einer bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lieferverpflichtung nicht das Rechtschutzbedürfnis fehlen würde. Denn rechtlich und wirtschaftlich würden sich die Parteien im Kern um eine Lieferver-

1337

BGH, Urt. v. 25.05.1964 – KZR 11/62 „Uhrenoptiker“ in: WuW/E BGH, S. 675, S. 677.

1338

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400.

1339

Bischoff, Friedrich, Kunstrecht von A–Z, 1990, C.H. Beck, München, S. 86.

1340

OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.1977 – 6 U 105/76 (Kart) in: WRP 10/77, S. 656, S. 658.

1341

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 386.

I. Das gerichtliche Verfahren

pflichtung streiten, und somit den Grundsätzen der Prozessökonomie entsprechen, diesen Rechtsstreit im Rahmen einer Feststellungsklage durchzuführen.1342 Innerhalb der Überlegungen, ob ein Antrag auf Zulassung gestellt wird, ist auch stets zu berücksichtigen, dass der gestellte Antrag das Gericht bindet und durch Erfolg oder Nichterfolg die Kostenfolge bestimmt.1343 Daher sollten vor Klageerhebung umfänglich die Erfolgsaussichten eines Zulassungsbegehrens geprüft werden, und in den Anträgen die Entscheidungsmöglichkeiten des angerufenen Gerichts beachtet werden.

bb)

Die Entscheidungsmöglichkeiten des angerufenen Gerichts

Die angerufenen Gerichte bei ablehnenden Bescheiden von Kunstmessen besitzen oft einige Erfahrung im Umgang mit dieser Situation, da sie öfters mit Fällen konfrontiert werden, wenn sich eine Kunst- und Antiquitätenmesse etabliert hat. Maßgeblich für alle Verfahren war jedoch, dass ein Zulassungsbegehren gestellt wurde. Dabei stellt sich die Frage, ob nicht eine Zulassungsentscheidung über das Maß hinausgeht, und nicht durch diese Entscheidung zu sehr in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Diskriminierenden eingegriffen, und nicht nur das konkret diskriminierende Verhalten untersagt wird. Insbesondere stellt sich die noch zu entscheidende Frage, ob ein Gericht einem bestimmten Antrag auf einen bestimmten Platz auf der Kunstmesse stattgeben kann, oder ob nur der Zugang an sich gerichtlich geklärt werden kann, und die Zuweisung des Platzes letztendlich dem Veranstalter überlassen werden muss. Auszugehen ist bei einer solchen Fragestellung, dass eine Zulassung die unter das Verbot des § 20 II GWB fallende Diskriminierung durch Nichtzulassung beheben kann.1344 Denn schon bei § 249 BGB wird festgelegt, dass der Zustand hergestellt werden muss, der ohne den zum Schadensersatz verpflichtenden Umstand bestehen würde. Damit kann eine Zulassung, Zug um Zug gegen Zahlung des Standpreises, den Zustand herstellen, der bei einer nicht-diskriminierenden Verhaltensweise entstanden wäre.1345

1342

BGH, Urt. v. 17.01.1979 – KZR 1/78 – „Fernsehgeräte“ m. Anm. v. Fischötter / Lübbert in: GRUR 1979, S. 560.

1343

Greger, Reinhard, in: Zöller, Richard, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2002, § 253 Randzeichen 13.

1344

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, Berlin in: WuW/E BGH S. 407, S. 411.

1345

BGH, Urt. v. 09.11.1967 – KZR 7/66 in: NJW 1968, S. 400, S. 403.

383

384

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

Dabei darf aber nicht der Umstand vergessen werden, dass eine Zulassung durch die Entscheidungs- und Ermessensfreiheit des Veranstalters geprägt wird. Dieses Ermessen muss auch ein Richter würdigen, aber er darf es nicht ersetzen.1346 Damit kommen verschiedene Möglichkeiten der gerichtlichen Entscheidungsfindung in Betracht.

aaa)

Standplatzzuteilung

Eine Standplatzzuteilung würde einem Antrag eines abgewiesenen Bewerbers am ehesten entsprechen und seine Bedürfnisse umfänglich befriedigen. Ein solcher Anspruch kann dann angenommen werden, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Diskriminierungsanspruchs, wenn ein Standplatz im Tatsächlichen noch geschaffen werden kann. Dabei kann die Schaffung einer ausreichenden Standfläche entweder durch eine Änderung des Verteilungsplanes mit der Umlegung bzw. Verschiebung anderer Aussteller erreicht werden 1347, oder indem der Veranstalter schon von vornherein eine solche Fläche für evtl. auftretende gerichtliche Auseinandersetzungen frei gehalten hat, wie dies auch zulässigerweise geschehen kann. Ein Veranstalter kann jedoch dann nicht mehr zu der Schaffung eines Standplatzes verurteilt werden, falls dies unzumutbar für ihn oder die schon zugelassenen Bewerber wäre.1348 In einem solchen Fall müssen durch das Gericht andere Alternativen gesucht, bzw. diese schon im Klageantrag aufgenommen werden. Überdies ist zu bedenken, dass der Anspruch auf einen bestimmten Standplatz stark in die unternehmerische Freiheit eingreifen würde. Dabei stellt sich gerade die Frage, ob ein abgelehnter Bewerber einen „guten“ Platz einklagen kann, oder ob er auch einen „schlechten“ akzeptieren muss. Zu beachten ist, dass eine gerichtliche Verpflichtung über die Beseitigung des diskriminierenden Verhaltens hinausgehen würde, wenn ein bestimmter Standplatz eingeklagt werden könnte. Die Diskriminierung betraf nur die Nichtzulassung. Bei Beseitigung dieser steht damit nur die Zulassung als solche im Raum, nicht der Erhalt eines bestimmten Platzes. Denn die Halle wird erst unter allen zugelassenen Bewerbern nach weiteren Kriterien aufgeteilt. Würde aber ein bestimmter Platz einklagbar sein, wäre dem Veranstalter einer Kunstmesse jegliche Entscheidungsfreiheit bei der Gestaltung seiner Kunstmesse genommen. Diese Freiheit muss aber gewahrt bleiben, insbesondere da es mehrere Alterna-

1346

Gegenteilig in: BGH, Beschl. v. 24.02.1976 – KVR 3/75 (KG) „Bedienungsgroßhändler“ in: GRUR 1976, S. 711, S. 715 wo sich die Richter zu „Preiskommissaren“ ernannten. Dies liegt aber nicht in der Intention des GWB, das Ermessen des Diskriminierenden gänzlich zu ersetzen.

1347

VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

1348

Schon zu § 70 GewO wurde festgestellt, dass ein Anspruch auf Zulassung nur solange möglich ist, wie der Standplatz auch tatsächlich zur Verfügung steht. Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.09.1983 – 6 S 2246/83 in: GewArch 1984/1, S. 26.

I. Das gerichtliche Verfahren

tiven gibt, wie eine Halle unter den zugelassenen Galerien aufgeteilt wird, so können künstlerische Aspekte eine Rolle spielen, oder auch preisliche Aspekte eine Aufteilung bedingen. Diese Entscheidung darf aber nicht einem Veranstalter genommen werden. Denn es wird in rechtlicher Hinsicht nur verlangt, dass das Verhalten, das durch die Untersagungsverfügung mittelbar erzwungen wird, das genaue Spiegelbild des diskriminierenden Verhaltens ist.1349 Folglich ist es einem Gericht verwehrt, einem diskriminierten Galeristen einen bestimmten Standplatz zuzuteilen. Vielmehr kann es nur eine Art „Bescheidungsurteil“ erlassen, d.h. den Veranstalter verpflichten, einem abgelehnten Bewerber einen Standplatz zuzuteilen.

bbb) Informationsstand Neben der Zuweisung eines Standplatzes durch das Gericht kommt die Verurteilung des Kunstmesseveranstalters zur Schaffung eines Informationsstandes auf dem Messegelände in Frage, wenn ein Stand mangels Kapazität tatsächlich nicht mehr geschaffen werden kann. Dabei ist im Grundsatz zu beachten, dass ein Veranstalter nicht einfach die Ausstellungsfläche zugelassener Galerien vergrößern darf, wenn vorgesehene Messeplätze durch Absagen frei werden, sondern die Möglichkeit des „Nachrückens“ ausgeschlossener Galerien zumindest in Betracht ziehen muss. Fehlt es dann aber an jeglicher Konzeption über das „Nachrücken“, kann ein Anspruch für ausgeschlossene Galerien zu bejahen sein, wenigstens einen Informationsstand zu erhalten.1350 Dieser Informationsstand ist auch insoweit als Mindestanspruch geboten, um zumindest teilweise den Anforderungen des Diskriminierungsverbots gerecht zu werden.1351 In beiden Situationen, in denen die Schaffung eines Informationsstandes in Frage kommt, erscheint es nicht möglich, dass die Schaffung eines solchen Informationsstandes aus tatsächlichen Gründen nicht in Frage käme. Hierfür befindet sich auf den Kunstmessen zu viel Fläche, die ohne Behinderung dritter Aussteller eingeschränkt werden kann, sei es der öffentliche Raum für Ruhezonen oder Dekoration, sei es, dass gastronomische Zonen eingeschränkt werden müssten, ohne dass tatsächlich Einbußen vorliegen, da ein Informationsstand einen geringen Platzbedarf besitzt.

1349

BGH, Beschl. v. 08.02.1994 – KVZ 22/93 „Lüdenscheider Taxen“ in: WuW/E BGH, S. 2906, S. 2908.

1350

OLG Frankfurt, Urteil v. 13.04.1989 – 6 U (Kart) 44/89 „Art Frankfurt I“ in: NJW-RR 1990, S. 1069.

1351

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554.

385

386

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

ccc)

Aufnahme in den Katalog

Neben der körperlichen Präsenz auf der Kunstmesse ist es für Galerien und Künstler von großer Bedeutung in den entsprechenden Messekatalog aufgenommen zu werden. Solche Kataloge, meist eher großformatige Bildbände, dienen dabei sowohl dem Auffinden auf der Messe als auch dem Nachweis der Anwesenheit auf der jeweiligen Veranstaltung sowie der späteren Repräsentation. Solche „Messekataloge“ umfassen dabei bei den großen Kunstmessen oft mehrere hundert Seiten, sind auf Hochglanzpapier gedruckt und meist erst ab einem Preis von € 30.– zu erwerben. Sie entsprechen daher eher dem Format eines Kunstbuches, da meist jeder Aussteller die Möglichkeit erhält, mindestens eines seiner Kunstobjekte auf einer Seite großformatig präsentieren zu können. Somit stellen solche Kataloge sowohl in der Messevorbereitung eine Art „Visitenkarte“ dar, und dienen der Vorauswahl der zu besuchenden Galerien, und in der Nachphase bieten sie die Möglichkeit, nochmals die Kunstmesse im Geiste zu überdenken und Adressen von interessanten Galerien zu bekommen. Aus diesen Umständen ergibt sich die enorme Bedeutung der Aufnahme in den Messekatalog. Da jeder zugelassene Aussteller die Möglichkeit erhält, sich in einem Katalog zu präsentieren, dieses Recht als Annex an der Zulassung hängt, muss dies auch für unrechtmäßig abgelehnte Bewerber gewährt werden, wenn sie entweder einen Standplatz zugeteilt bekommen, oder nur einen Informationsstand besitzen. Dabei ist die Aufnahme in den Messekatalog jederzeit möglich, entweder durch die noch rechtzeitige Berücksichtigung vor Drucklegung, oder durch die nachträgliche Beilage eines Blattes, sogar zuletzt an den Tagen der Veranstaltung bei Erwerb des Kataloges. Die Kosten einer solchen Berücksichtigung sind durch das diskriminierende Unternehmen zu tragen, wenn der Ausschluss unrechtmäßig geschah.

ddd) Schadensersatz in Geld Als vorletzte Maßnahme einer gerichtlichen Auseinandersetzung würde für eine diskriminierte Galerie Schadensersatz in Geld in Frage kommen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, welche Kosten ersetzt werden könnten, und ob auch ein entgangener Gewinn durch den Anspruch des diskriminierten Unternehmens gedeckt wäre. In diesem Zusammenhang entschied dass OLG München 1982, dass ein abgelehntes Unternehmen keinen Anspruch auf Schadensersatz hätte, da aufgrund der Sachlage in diesem Prozess die Möglichkeit bestand, durch eine Teilnahme an der Messe unter geänderten Bedingungen einen Gewinnentgang zu vermeiden. Überdies bestand die Möglichkeit, durch anderweitige geschäftliche Aktivitäten den Verlust zu minimieren.1352 1352

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479, S. 2480.

I. Das gerichtliche Verfahren

Jedoch steht in Frage, ob diese Grundsätze auf den Bereich des Kunstmarktes übernommen werden können. Unstreitig sind die Kosten zu ersetzen, die durch die Vorbereitung des Auftritts der Galerie auf der Kunstmesse entstanden sind, wie Werbung, etc.. Problematisch ist jedoch, ob auf dem Sektor des Kunstmarktes ein entgangener Gewinn geltend gemacht werden kann. Ausgehend von der Unsubstituierbarkeit eines Kunstwerks und der Tatsache, dass Käuferschichten den Kunstmessen folgen, ist es nicht möglich festzustellen, ob ein Kunstwerk verkauft werden würde oder nicht. Auf der anderen Seite kann eine Galerie durch Vorlage von früheren auf der betreffenden Kunstmesse getätigten Umsätzen vorlegen, dass diese Umsätze nun in der Jahresbilanz fehlen. So wies der Bielefelder Galerist Baumgarten vor dem OLG Düsseldorf nach, rund 50 % seines Jahresumsatzes verdanke er der Art Cologne. Damit sei die Messebeteiligung für ihn existenziell.1353 Jedoch sind solche Umsatzzahlen kaum richtungsweisend. Während bei austauschbaren Industrieprodukten eine tatsächliche Abhängigkeit nachgewiesen werden kann, ist dies für den Kunstmarkt schwierig. Zu sehr richtet sich der Umsatz einer Galerie nach uneinschätzbaren Kriterien. Für einen Umsatz wäre es nötig, dass genau die Käufer die angebotenen Objekte dieser Galerie nachfragen, da auf der jetzigen Kunstmesse nicht die gleichen Objekte zu Verfügung stehen wie auf der letzten Veranstaltung. Die Frage des entgangenen Gewinns erscheint daher schwierig, da durch eine Teilnahme an anderen Konkurrenzkunstmessen genau diese Schichten diese Kunst kaufen würden. Auch kann ein ausgeschlossener Galerist nicht an dem wachsenden Wohlstand eines Diskriminierenden teilnehmen. Denn das Interesse am Wohlstand ist ein Interesse, das über den geschützten Bereich hinausgeht.1354 Unter Berücksichtigung dieser Aspekte ist wohl in den meisten Fällen ein Schadensersatzanspruch eines abgelehnten Galeristen, der in eine Geldzahlung hinausliefe, kaum möglich, da ein tatsächlicher entgangener Gewinn kaum feststellbar sein wird. Gerade Kunstwerke sind einzigartig. Ob sie Käufer finden, hängt von vielen, nicht objektiv bewertbaren Umständen ab. So beeinflussen Geschmack, künstlerische Ansicht und sogar persönliche Stimmungen die Entscheidung, wann ein Kauf getätigt wird. Dies alles sind nicht messbare Tatsachen. Ein Schadensersatz kann daher meist nur die Kosten ersetzen, die im Vorfeld der Bewerbung entstanden. 1353

Dittmar, Peter, „Cliquen-Wirtschaft – Galeristen klagen gegen Messe-Zulassungsverfahren, in denen Kollegen über Konkurrenten entscheiden“ in: Berliner Morgenpost vom: 18.08. 2001 (Feuilleton), abrufbar unter: URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2001/010818/ feuilleton/story451211.html (Stand 30.11.2001).

1354

BGH, Urt. v. 07.11.1960 – KZR 1/60 „Molkereigenossenschaft“ m. Anm. v. Reg.-Ass. Siegfried Klaue, Berlin in: WuW/E BGH S. 407, S. 411.

387

388

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

eee)

Anspruch auf Aufnahme für die Zukunft

Die letzte Frage betrifft einen Anspruch auf Teilnahme für die Zukunft. Dabei muss unterschieden werden, ob es sich um die Teilnahme an einem etwaigen Rotationsverfahren handelt, oder tatsächlich die Teilnahme eingeklagt wird. Jedoch hängt grundsätzlich die Beurteilung, ob künftig eine Lieferverpflichtung besteht, nach den hier in Betracht kommenden Bestimmungen des § 20 Abs. 2 GWB oder des § 826 BGB entscheidend von einer Vielzahl von gegenwärtig noch nicht überschaubaren Umständen ab. Insbesondere kommt es auf die dann gegebene Marktstellung der beiden Parteien und nicht zuletzt auch auf das geschäftlichen Gebaren und die weitere Entwicklung und Gestaltung des diskriminierenden Unternehmens an.1355 Wie schon festgestellt wurde, bedeutet auch die grundsätzliche Zulassung zu einem etwaigen Rotationsverfahren keinen Anspruch auf Teilnahme, sondern nur, dass die Galerie wieder alle Voraussetzungen erfüllt. Ob dies der Fall ist, hängt aber von zu vielen zukünftigen Aspekten ab. Ein direkter Anspruch auf Zulassung existiert nicht, dies würde zu sehr in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit des Veranstalters eingreifen, der Diskriminierende wäre in einem solchen Falle der Diskriminierte. Die Zulassung zu dem Rotationsverfahren kann jedoch gewährt werden, unter der Voraussetzung, dass die Galerie für die nächste Veranstaltung alle Kriterien erfüllt, auch die künstlerische Auswahl. Damit kann letztendlich zumindest der gerichtliche Antrag auf Zulassung zu dem Rotationsverfahren der nächsten Veranstaltung, soweit eines durchgeführt werden muss, gestellt und dies durchgesetzt werden. Falls für die betreffende Kategorie kein Auswahlverfahren mangels Überhang an Bewerbern durchgeführt werden müsste, entsteht ein quasi-direkt Anspruch auf Zulassung, soweit die übrigen Kriterien den Vorgaben entsprechen.

fff)

Fazit

Das gerichtliche Verfahren wird durch den Parteibetrieb und die Anträge der Parteien geprägt. Dabei kann ein durch eine Nicht-Zulassung diskriminierter Galerist nach den Voraussetzungen des Diskriminierungsverbots gemäß § 20 II 1 GWB verschiedene Anträge stellen. So kommt der Antrag auf Platzzuteilung im Rahmen eines Bescheidungsurteils in Betracht, wobei hilfsweise ein Informationsstand gefordert werden kann. Auch die Klagbarkeit einer Aufführung der Galerie oder des Künstlers im Kunstmessekatalog ist gegeben. Ob ein Schadensersatz in Geld durch das jeweilige Gericht gewährt wird, bleibt dem Einzelfall überlassen, insbesondere ob ein entgangener Gewinn glaubhaft nachgewiesen werden kann. 1355

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1397.

I. Das gerichtliche Verfahren

cc)

Die Beweislast

Eine wichtige Rolle für den Gewinn einer gerichtlichen Auseinandersetzung stellt die Frage der Beweislast im Prozess dar. Auszugehen ist hierbei von dem Grundsatz, dass jeder Anspruchssteller die Beweislast für die rechtsbegründenden, der Anspruchsgegner für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatbestandsmerkmale trägt.1356 Folgerichtig muss ein Galerist, der Ansprüche wegen unbilliger Beeinträchtigung oder Behinderung geltend machen möchte, den Umfang im einzelnen darlegen, in dem er sich als unbillig beeinträchtigt oder behindert betrachtet.1357 Daneben muss er den Beweis des unzumutbaren Ausweichens bzw. die Beeinträchtigung seiner Wettbewerbsfähigkeit führen. Er hat alle Fakten darzulegen, die den Schluss auf eine Abhängigkeit zulassen.1358 Er hat die Tatsachen darzulegen, aus denen sich eine „Unbilligkeit“ oder „ungleiche Behandlung“ ergeben kann, und zwar soweit diese seinem eigenen Wissenskreis angehören.1359 Jedoch existieren auch Beweislastumkehrungen. So muss im Rahmen der Vermutungsregelungen des GWB ein diskriminierender Veranstalter einer Kunstmesse darlegen, wenn er seine Marktmacht bestreitet, warum er nicht marktmächtig ist. Ein Zurückziehen auf unsubstantiiertes Bestreiten ist dabei nicht möglich.1360 Diese Vermutungsregeln wurden dabei schon durch die zweite Kartellgesetznovelle von 1973 in das Gesetz eingefügt.1361 Überdies ist ein Veranstalter einer Kunstmesse dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass seine Auswahlkriterien für die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt sind.1362 Dementsprechend muss ein Messeveranstalter die Gründe für eine Ablehnung im Einzelfall genau darlegen, um den Vorwurf der Diskriminierung auszuräumen.1363 Neben diesen Grundsätzen erhebt sich die Frage, ob nicht die angeführten Gesichtspunkte im Bereich des Kunstlebens zu einer anderen Beweislastvertei-

1356

Greger, Reinhard, in: Zöller, Richard, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2002, Randzeichen 17a vor § 284 ZPO.

1357

BGH, Urt. v. 16.10.1962 – KZR 2/62 „Original-Ersatzteile“ in: WuW 3/1963, S. 247, S. 250.

1358

Fischötter, Werner, „Zum erweiterten Diskriminierungsverbot nach § 26 Abs. 2 GWB“ in: WuW 6/1974, S. 379, S. 395.

1359

OLG München, Urt. v. 12.02.1982 – U (K) 3456/80 „Bau 76“ in: WuW/E OLG, S. 2479.

1360

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483.

1361

BGH, Urt. v. 23.02.1988 – KZR 17/86 „Sonderungsverfahren“ in: WuW/E BGH, S. 2483, S. 2489.

1362

BGH, Urt. v. 20.11.1975 – KZR 1/75 „Rossignol“ in: WuW/E BGH S. 1391, S. 1395; LG Berlin, Urt. v. 24.04.1967 – 16.O.69/65 („Theaterplätze“) in: WuW/E LG/AG S. 277, S. 282.

1363

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.7.1968 – Kart 2/68 „Sportartikelmesse“ in: WuW/E OLG S. 907, S. 915.

389

390

Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

lung führen sollten. Gerade hier käme eine folgende Verteilung in Betracht: Wie dargestellt ist der Diskriminierende für das Vorliegen eines rechtsfertigenden Grundes beweispflichtig. Bei künstlerischen Gesichtspunkten, die eine Auswahl zwischen Galeristen betreffen, könnte man eine Beweislast zulasten des Diskriminierenden in der Weise annehmen, dass dieser den Nachweis dafür bringen muss, dass ein sachfremdes, außerhalb des freien Beurteilungsspielraums liegendes Motiv für die unterschiedliche Behandlung maßgebend war. Denn gerade im Bereich der Kunst besitzt die Kunstmesse einen weiten Ermessensspielraum, der überdies gerichtlich nicht nachprüfbar ist.1364 Problematisch ist insofern, dass ein Diskriminierter meist nur schwer Einblick in den Ablauf des Auswahlverfahrens besitzt und bekommt. Als gangbarer Mittelweg käme daher in Frage, dass ein Diskriminierter zumindest Indizien vorlegen muss, die den Schluss zulassen, dass entweder nicht künstlerische Motive die Auswahl prägten, oder während der künstlerischen Auswahl Fehler gemacht wurden. Eine solche Vorgehensweise würde gerade den Beweislastregeln des GWB und den Anforderungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gerecht.

II.

Die einstweilige Verfügung

Eine weitere Möglichkeit, neben der „normalen“ Klage, stellt die einstweilige Verfügung dar. Dieses Verfahren erlangte eine unrühmliche Bekanntheit im Bereich des Kunstrechts, als während eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eines abgelehnten Bewerbers das zuständige Gericht die Entscheidung über den „Eilantrag“ erst Wochen nach Antragsstellung entschied, und damit der Anspruch letztlich zunichte gemachte wurde. Dabei ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren von dem Prinzip der zügigen Behandlung geprägt. Es gelten hierbei die besonderen Vorschriften der §§ 937– 945 ZPO und über § 936 ZPO auch z.T. die Vorschriften über den Arrest. Gerade im Bereich der einstweiligen Verfügung soll einem Anspruchsteller die Möglichkeit gegeben werden, seinen Individualanspruch ohne ein langwieriges Hauptverfahren vorab zu sichern.1365 Dabei hat ein Diskriminierter die den Verfügungsanspruch ergebenden Tatsachen glaubhaft zu machen, wenn sein Anspruch Erfolg haben soll. Um dieser „Gefahr“ zu entgehen, hat sich mittlerweile, insbesondere in Wettbewerbssachen, die Möglichkeit der Schutzschrift als vorbeugendes Rechtsschutz-

1364

BGH, Urteil v. 29.10.1970 – KZR 3/70 (OLG Hamburg) „Hamburger Volksbühne“ in: GRUR 1971, Heft 4, S. 171, S. 173.

1365

Vollkommer, Max in: Zöller, Richard, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2002, § 935 ZPO Randzeichen 1.

II. Die einstweilige Verfügung

mittel entwickelt, um das Grundrecht des rechtl. Gehörs, dass durch diese Eilmaßnahme gewissen Beschränkungen unterworfen wird, doch noch zu sichern. Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass einstweilige Verfügungen gerade wegen Diskriminierung im Bereich des Kartellrechts nur in engen Grenzen zugelassen werden.1366 Denn eine einstweilige Verfügung sollte die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht vorwegnehmen, die angeordnete Maßnahme nur ein Minus im Verhältnis zum Hauptanspruch darstellen. Aber im Bereich des Wettbewerbsrechts gibt es kaum ein „Minus“. So existierte in den Fällen der Belieferungspflichten gleich den Zulassungen zu Messen fast nur die Möglichkeit der Zulassung. Jedoch kommt in diesen Fällen der Erlass einer auf die endgültige Befriedigung des Erfüllungsanspruchs gerichteten einstweiligen Verfügung nur dann in Betracht, wenn der dem Diskriminierten aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu dem Schaden steht, der dem Diskriminierenden aus der sofortigen Erfüllung droht. Und in diese Abwägung der beiderseitigen Belange der Parteien sind darüber hinaus die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen.1367 Einzige Möglichkeit eines „Minus“ stellt in den Fällen der Zulassung zu Kunstmessen die Zuteilung eines Informationsstandes anstelle des tatsächlichen Standplatzes dar.1368 Diese Möglichkeit sollte durch das angerufene Gericht bedacht werden, wenn es den Anforderungen des einstweiligen Rechtsschutzes unter Beachtung der Interessen der Parteien gerecht werden wollte. Im Rahmen der oben aufgezeigten Grundsätze der einstweiligen Verfügung kommt das Urteil des OLG Düsseldorf aus dem Jahre 2000 zum Tragen. Es entschied, dass es dem Prinzip eines fairen Gerichtsverfahren widerspricht, wenn einem abgelehnten Bewerber erst nach vielen Wochen, und zu einem Zeitpunkt, in dem eine rechtzeitige Verhandlung über den eingereichten Klageantrag nicht mehr gewährleistet war, mitgeteilt wird, dass sein Verfügungsantrag unzulässig ist, weil eine besondere Terminierungspraxis des Gerichts existiert, die eine kurzfristige Geltendmachung der Rechte des Diskriminierten in einem Hauptverfahren ermöglicht hätte. Eine solche Entscheidungspraxis würde damit auf eine völlige Verweigerung der gerichtlichen Hilfe hinauslaufen.1369 Dies entspricht aber weder Sinn und Zweck der durch das Gesetz zugebilligten gerichtlichen Möglichkeiten. Wie zu Recht gerügt wurde, stellt eine solche Verfahrensweise eine abgewiesene Galerie in wirtschaftliche Bedrängnis und verhin-

1366

Greger, Reinhard, in: Zöller ,Richard, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 23. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln, 2002, § 940 ZPO Randzeichen 8.

1367

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285.

1368

OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 17.3.1992 – 6 U (Kart) 31/92 „Kunstmesse Art Frankfurt II“ in: GRUR 1992, S. 554, S. 555.

1369

OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 – U (Kart) 40/00 „Fetting“ in: WUW 3/2001, S. 285.

391

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Kapitel 5: Die gerichtliche Geltendmachung

dert die gerichtliche Geltendmachung der Rechte. Daher muss gerade in diesen Fällen das zuständige Gericht entweder zügig über den Verfügungsantrag entscheiden, oder dem Antragssteller unverzüglich die Möglichkeit der Hauptklage mitteilen. Denn gerade bei Kunstmessen, die nur eine kurze begrenzte Zeit andauern, besteht die Gefahr, dass durch Zeitablauf der Anspruch auf Teilnahme tatsächlich erledigt, und der Schaden kaum behoben werden kann. Denn insbesondere ist ein Schadensersatz in Geld sehr schwer feststellbar, wie obig ausgeführt wurde.

III. Die Verpflichtung zur ständigen Neubegutachtung des Marktes für Kunstmessen In allen gerichtlichen Verfahrensarten steht jedoch außer Frage, dass eine Bezugnahme bzgl. der Marktstellung eines Unternehmens und der angewandten Beurteilungsprinzipien hinsichtlich der Abhängigkeit und der Auswahlkriterien auf ältere Urteile des gleichen Gerichts, oder auf Urteile anderer Gerichte, kaum möglich ist. Denn bei Feststellung einer Abhängigkeit in einem Verfahren steht damit noch nicht fest, dass diese Abhängigkeit auch in Zukunft andauern wird, gerade auf dem schnellen Markt der Kunstmessen. Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird durch den Umstand zeitlich relativiert, ob ein Unternehmen von einem anderen „in der Weise abhängig ist, dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“. Wo heute ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen, können sie morgen vorhanden sein. Damit entspricht es der Intention des Gesetzgebers, dass eine Pflicht zur Zulassung aufgrund von festgestellter Diskriminierung nur so lange existieren kann, wie eine Abhängigkeit und damit die Voraussetzungen des Diskriminierungsverbots bestehen.1370 Wie oben aufgeführt muss dies speziell auf dem Sektor der Kunst- und Antiquitätenmessen gelten. Denn durch das Entstehen etlicher neuer Kunstmessen in den letzten Jahren ist dieser Markt in nicht unerheblichem Maße in Bewegung.1371 Auch beeinflussen so viele nicht messbare unterschiedliche Faktoren den Kunstmarkt, dass

1370

Hefermehl, Wolfgang, „Zur Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB auf selektive Vertriebssysteme“ in: GRUR 1975, Heft 6, S. 275, S. 283.

1371

Bergmann, Helmut, Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.1987 – 6 U (Kart.) 20/86 („Art Cologne II“) in: WRP 12/87, S. 734, S. 737; Fesel, Bernd, Mitteilung auf Kunstmarkt. com vom 08.04.2003, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter: http://www.kunstmarkt.com/pages/kuk/marktanalysen_detailansicht.html?id=50959 (Stand 20.05.2003).

III. Die Verpflichtung zur ständigen Neubegutachtung des Marktes für Kunstmessen

langfristige Prognosen kaum möglich sind. Man könnte ihn als „chaotisches“ Feld bezeichnen.1372 Aus diesen Gründen ist ein erkennendes Gericht verpflichtet, alle Tatbestandsmerkmale, und insbesondere die Marktmacht, stets aufs Neue zu beurteilen, und kann nicht auf ältere Urteile Bezug nehmen.

1372

Zembylas, Tasos, Kunst oder Nichtkunst: über Bedingungen und Instanzen ästhetischer Beurteilung, WUV – Universitätsverlag, Wien, 1997, S. 92.

393

Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick I.

Zusammenfassung und Ergebnisse

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Zulassungsanspruch von Galeristen und Künstlern zu Kunstmessen, für die Fälle, in denen ihr Bewerbungsgesuch abgelehnt wurde. Basierend auf einem Urteil des LG Köln aus dem Jahre 2001 wurde hierbei der Schwerpunkt auf die kartellrechtliche Norm des Diskriminierungsverbots und dessen Auswirkungen auf den Kunstmarkt gelegt. Ausgehend von diesem Thema wurde untersucht, welchen Einfluss neben den deutschen Regelungen das europäische Recht besitzt. Hierbei wurden die internationalen Aspekte aufgezeigt. Daneben wurde der Frage nachgegangen, ob der Handel mit Kunst an sich überhaupt mit den bestehenden Gesetzen zu fassen ist, oder ob nicht ein eigenes Kunstrecht geschaffen werden müsste. Es wurde kurz dargestellt, welchen internationalen Rahmenbedingungen der Kunstmarkt und insbesondere die Kunstmessen unterliegen, und welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten sich die Kunstmessen anpassen müssen. Schließlich wurde noch ein Blick auf die letztlich entscheidende gerichtliche Geltendmachung geworfen, da einem abgelehnten Bewerber oft nur der Weg zu den Gerichten bleibt, wie dies durch die ansteigende Anzahl an Klagen in den 90er Jahren, besonders im Hinblick auf die Art Cologne belegt wurde. Dies war oft ein wichtiger Schritt für Galeristen und Künstler. Im Folgenden sollen die wesentlichen Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammengefasst werden: Der Zulassungsanspruch eines abgewiesenen Bewerbers, Galeristen oder Künstlers, richtet sich meist nach der Vorschrift des § 20 II 1 i.V.m. I GWB, dem Diskriminierungsverbot des Kartellrechts. Hierbei kommen noch weitere gesetzliche Normen, wie § 826 BGB oder § 1 UWG in Betracht, bei denen aber die gleichen Grundsätze hinsichtlich der Bewertung der sachlichen Rechtfertigung zum Tragen kommen. Diese Norm ist auf verschiedene rechtliche Formen von Veranstaltern von Kunstmessen anwendbar. In europäischer Hinsicht wird die nationale Vorschrift des Diskriminierungsverbotes nicht durch europäische Normen verdrängt, sondern bleibt in seiner bisherigen Form weiterhin anwendbar. Speziell auf dem Sektor der Kunst ist dabei zu beachten, dass eine Einheitlichkeit gerade bei der Veräußerung von Kunst nicht existiert und ein Gleichlauf von internationalen Regelungen nicht feststellbar ist.

396

Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick

Bei der Bestimmung der Marktmacht einer Kunstmesse ist von der Sicht der abgewiesenen Galeristen, oder Künstler, auszugehen. Deren Einschätzung ist einer Bewertung der betreffenden Kunst- und Antiquitätenmesse zu Grunde zu legen. Ein kaum lösbares Problem stellt dabei die relevante Marktabgrenzung des Marktes für Kunstmessen dar. Gerade in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass Kunst und der Handel damit eigenen Spielregeln unterliegt und diese nur schwer mit den Anforderungen des Gesetzes greifbar sind. Es wurde deutlich, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen an feste objektive Werte anknüpfen möchte, die ökonomisch messbar und bewertbar sind. Aber Kunst hat zwei Seiten, eine wirtschaftliche und eine künstlerische Seite. Speziell die künstlerische Seite ist mit objektiven Verfahren nicht messbar, beeinflusst aber stark den, auch wirtschaftlichen, Erfolg oder Misserfolg eines Künstlers. Künstlerischer Geschmack kann kaum gemessen werden. An diesem Punkt stößt das GWB an die Grenzen der Umsetzung. Bedingt durch diese Problematik, und noch weitere Punkte, speziell im Bereich des Auswahlverfahrens, wäre eine kunstspezifische Regelung sinnvoll und nötig, um den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. Da jedoch derzeit nur eine Anwendung des GWB in Frage kommt, mussten Determinanten gefunden werden, die eine der Situation angepasste Marktabgrenzung erlauben. Es wurde festgestellt, dass der bisherigen Begrenzung des relevanten Marktes im Sinne des § 20 II 1 GWB für den Bereich der Kunstmessen, wie sie durch die Gerichte bislang vorgenommen wurde, nur bedingt zugestimmt werden kann. Gerade das Merkmal „Austauschbarkeit“ einer Ware kann kaum auf Kunst angewendet werden, denn jedes Kunstwerk besitzt seinen eigenen Markt, und Originale sind nicht austauschbar. Demgegenüber ist das GWB eher auf industriell gefertigte Produkte zugeschnitten, die austausch- und wiederherstellbar sind. Da jedoch das Diskriminierungsverbot, soweit man es anwendet, eine solche Abgrenzung erfordert, ist als erstes festzuhalten, dass das Segment des Messe- und Ausstellungswesens im vielfältigen Bereich des Kunstmarktes einen eigenen Markt bildet. Die weitere Eingrenzung des relevanten Marktes ist stark vom Einzelfall abhängig, wobei der Individualität sowohl der Kunstobjekte als auch der verschiedenen Kunstrichtungen Aufmerksamkeit zu schenken ist. Die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes ist durch eine Betrachtung der Wechselwirkung zwischen dem Kunstsortiment und den Zulassungsbedingungen der jeweiligen Kunstmesse in Bezug auf andere Kunst- und Antiquitätenmessen möglich. Daneben kommen Merkmale wie die Zulassung internationaler Aussteller und die Tatsache, ob es sich um eine regionale oder überregionale Messe handelt, in Betracht. Als maximale Obergrenze ist jedoch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beachten. Dabei kann mittlerweile gerade bei

I. Zusammenfassung und Ergebnisse

„großen“ Kunstmessen davon ausgegangen werden, dass diese auf diesem Maximalmarkt tätig sind. Der zeitliche Rahmen umfasst die Periode zwischen dem Beginn des ersten Veranstaltungstages und dem letzten Tag vor dem nächsten ersten Veranstaltungstag der Wiederholung der Kunstmesse. Die sachliche, räumliche und zeitliche Abgrenzung ist jedoch nie eine starre Festlegung, sondern sie muss jedes Mal neu getroffen werden, bzw. die einmal getroffene Festlegung ist jedes Jahr auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und evtl. zu korrigieren. Bei der weiter durchzuführenden Abwägung, ob ein Ausschluss diskriminierend war, bzw. ob der Grund hierfür den Anforderungen des § 20 II GWB entspricht, müssen u.a. der weite Ermessensspielraum des Veranstalters der Kunstmesse, die Anforderungen der Kunst und die Bedürfnisse des Bewerbers berücksichtigt werden. Die hierbei gefundenen Grundsätze zu den einzelnen Auswahlkriterien dienen dabei als Leitlinie und bedürfen stets einer genauen Überprüfung, bevor sie auf den Einzelfall angewendet werden können. Dabei konnte festgestellt werden, dass Kapazitätsmangel grundsätzlich zu einer Auswahl berechtigt, da ein Recht eines Bewerbers auf Erweiterung der Kapazität oder Umordnung der Kojen grundsätzlich nicht besteht. Neben weiteren Auswahlkriterien, wie bekannt und bewährt, stellt die Auswahl nach künstlerischen Motiven das Kriterium dar, das wohl am meisten umstritten ist. Es wurde festgestellt, dass ein Veranstalter nach seinen künstlerischen Gesichtspunkten eine Galerie oder einen Künstler auswählen kann, solange keine wesensfremden Gesichtspunkte zum Tragen kommen. Er ist dabei verpflichtet, alle Umstände, die auf die künstlerische Entscheidung Einfluss nehmen könnten, zu berücksichtigen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass die künstlerisch geprägte Auswahlentscheidung in Bezug auf das künstlerische Element gerichtlich nicht nachprüfbar ist. Trotzdem wird sich ein Veranstalter mit der künstlerischen Bewertung zurückhalten, um nicht seinen Namen auf dem Kunstmarkt zu „verbrennen“, wenn er falsche künstlerische Entscheidungen getroffen hat. Als Auswahlgremium kommen dabei verschiedene Möglichkeiten in Betracht. So kann ein Veranstalter, wenn er die nötige Kunstkenntnis besitzt, eine eigene Entscheidung treffen. Er kann aber, wenn er sich nicht von Anfang an dem Vorwurf der Diskriminierung aussetzen möchte, ein Gremium einrichten, dass aber nicht, oder nur in engen Grenzen, mit Mitbewerbern besetzt sein darf. Wenn nach Anwendung aller Auswahlkriterien ein Überhang an gleichen Bewerbern im Verhältnis zu dem zur Verfügung stehenden Platz besteht, kann ein Veranstalter verschiedene Auswahlverfahren anwenden, um für eine „diskriminierungsfreie“ Besetzung zu sorgen. Er kann das Prioritätsprinzip oder das Losprinzip wählen, während das Rotationsprinzip nur bedingt anwendbar ist. Denn bei diesem Verfahren gebietet die Anwendung, dass eine Galerie nicht bei

397

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Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick

einer Ablehnung automatisch die Zusicherung eines Standplatzes für das Folgejahr erhält, sondern nur dann für die nächste Veranstaltung bevorzugt behandelt wird, wenn sie wieder die übrigen Auswahlkriterien erfüllt und somit wieder wie im Vorjahr in der gleichen künstlerischen Gruppierung angesiedelt ist. Andernfalls würde man den Ermessensspielraum des Veranstalters zu sehr beschränken, was aber nicht Sinn und Zweck des GWB sein kann. Hierbei ist zu beachten, dass solche Auswahlverfahren nicht „global“ auf alle Bewerber Anwendung finden, sondern nur für die Bereiche gelten, in denen eine Überkapazität besteht. Ein Veranstalter kann Gruppen bilden, um eine Präsenz aller Kunstrichtungen auf seiner Kunstmesse zu erreichen. Diesen Gruppen kann er vorher festgelegten Raum zusprechen, so dass es in manchen Bereichen zu einer Überkapazität an Bewerbern kommen kann, während in anderen Bereichen noch nicht alle Plätze vergeben wurden. Er darf innerhalb einer Gruppe verschieden große Kojen anbieten, um seine Vorstellung des Messebildes zu verwirklichen. Ferner kann er Galerien verschiedene Größen von Kojen zuteilen, je nachdem, welche Art von Kunst sie präsentieren möchten und dementsprechend Platz benötigen. So benötigen Galerien mit Gemälden normalerweise weniger Platz als Galerien mit z.B. Installationen oder Großplastiken. Um jedoch den Anforderungen des Diskriminierungsverbots gerecht zu werden, ist ein Veranstalter einer Kunstmesse gehalten, gerade wenn es sich um eine eingeführte Kunstmesse handelt, von vornherein auf alle Auswahlkriterien und Verfahren in seinen Bedingungen hinzuweisen. Denn nur wenn alle Punkte von Anfang an für einen Bewerber ersichtlich sind, kann er sich auf die Umstände einstellen und seine Bewerbung den Erfordernissen anpassen. Für den Fall, dass eine Diskriminierung vorliegt, stehen einem Diskriminierten verschiedene rechtliche Möglichkeiten zu. Dabei ist in einem Prozess zwischen den verschiedenen Möglichkeiten, wie Zuteilung einer Koje oder nur eines Informationsstandes, anhand der Interessen der Beteiligten und den tatsächlichen Möglichkeiten abzuwägen. Vor der Einschaltung einer Auseinandersetzung vor den staatlichen Gerichten haben die Veranstalter die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren einzubeziehen. Dieses unterliegt jedoch den gesetzlichen Anforderungen. Wenn ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren eingeleitet wird, ist das angerufene Gericht verpflichtet, über den Antrag zügig zu entscheiden, um nicht die Rechte des Diskriminierten tatsächlich unmöglich zu machen. Letztlich sind die Gerichte verpflichtet, den jeweiligen individuellen einer Klage zu Grunde liegenden Sachverhalt stets zu prüfen und zu beurteilen. Eine Bezugnahme auf früher ergangene Urteile ist nur bedingt möglich. Durch die ständige Änderung des Kunstmarktes tritt immer eine neue tatsächliche Situation ein, die nur teilweise mit früheren Gegebenheiten übereinstimmt. Es kann festgehalten werden, dass die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Diskriminierungsverbots im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur

II. Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen

bedingt mit den Gegebenheiten des Kunstmarktes ausgefüllt werden können. Um das Geschehen auf dem Kunstsektor in zutreffender Weise rechtlich fassen zu können, wäre vielmehr die Schaffung einer auf diesen Markt zugeschnittenen Norm nötig und richtig. Denn Kunst ist und bleibt eine Sache des Geschmacks, die mit den üblichen wirtschaftlichen Ansätzen kaum zu fassen ist, und auch ökonomische Studien der Kunst und des Kunstmarktes können nur bedingt die reale Situation wiederspiegeln. Ob ein Künstler tatsächlich erfolgreich ist, hängt von mehr als nur wirtschaftlichen Aspekten ab.

II.

Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen

Der Kunstmarkt ist immer noch in ständiger Bewegung. Schon früher war es kaum möglich, eine Kontinuität anhand von Preisaufzeichnungen festzustellen.1373 Dies gilt noch heute. Neue Trends werden ständig gesetzt, während alte hochpreisige Kunstobjekte derzeit ihren Wert verlieren. Während im Bereich der Pop-Art ein Abschwung überwiegt, bleiben Werke von Künstlern wie Monet oder auch Degas preisstabil. Aber auch im Bereich der neuen Medien, wie Photographie kann eine Stagnation festgestellt werden. Insgesamt ist der Kunstmarkt „zahmer“ geworden. Während Ende der 1990er Jahre noch sehr umstrittene Kunstobjekte auch das Bild der Kunstmesse prägten, kann man auf den Kunstmessen im Jahre 2004 eine Art „gefällige“ Kunst feststellen, die leicht integriert werden kann. International gesehen, wird der Kunstmarkt durch einen Abfluss von Kunstwerken nach Amerika geprägt, obwohl zeitweise hier ein Niedergang gerade von zeitgenössischen Werken feststellbar war.1374 Aber auch durch die Erweiterung der EU wird sich ein Teil des Kunsthandels umsiedeln1375, während die kaufstarken Länder der 1990er Jahre aus dem asiatischen Bereich sich zurückhalten. Dementsprechend werden den Auktionshäusern die Veranstalter von Kunstmessen in die kaufstarken Länder folgen. Dies wird eine Verlagerung des Kunstmarktes und der Kunstmessen mit sich bringen. Trotzdem ist immer noch auf europäischer Ebene ein Messeboom zu spüren. Gerade Kunstmessen wie die neue Kunstmesse „Frieze Art“ in London führen

1373

Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: FAZ v. 07.04.2002, S. 49.

1374

Trabert, Heidi P., a.a.O.

1375

Pressemitteilung, „Im Westen nichts Neues“ in: Antiquitätenzeitung vom 30. Mai 2003, S. 489.

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Kapitel 6: Zusammenfassung, Ergebnisse und Ausblick

vor, dass auch in Europa noch genug Platz für neue Kunstmessen ist. Kunstmessen müssen sich stark dem Geschmack des Publikums anpassen, wenn sie überlebensfähig bleiben wollen. Die Art des Kunstkaufs hat sich hierbei stark gewandelt und trägt zur Veränderung des Kunstmarktes bei. Früher waren auf Kunstmessen Kunsthändler und Sammler unterwegs, und die ganze Aufmerksamkeit galt den Kunstwerken. Die Ausstattung und die Präsentation der Kunstmesse waren Nebensache. In der heutigen Zeit ist der Besuch einer Kunstmesse zu einer Art „Happening“ geworden. Eine Kunstmesse muss sich optisch präsentieren. Reine weiße Boxen für Galerien genügen den Ansprüchen nicht mehr. Der Besucher und potentielle Käufer von Kunst möchte ein Gesamtkonzept präsentiert bekommen. Dies gilt für den klassischen Sammler ebenso wie für den „neuen“ reinen Investor, der nur Kunst als Wertanlage sieht. Bestes Beispiel hierfür ist die „Königin“ der Kunstmessen, die TEFAF. Gerade auf dieser Kunstmesse wird deutlich, wie wichtig mittlerweile die „Verpackung“ der Kunst für den Verkauf ist. Dies gilt nicht nur für private Käufer, sondern auch die wichtigen Einkäufer von privaten und öffentlichen Sammlungen und Museen, sowie die Einkäufer von großen Firmen. Neben diesen Aspekten rückt der Kunstmarkt immer stärker in das Interesse der Medien, die stets auf der Suche nach Neuem sind. Während früher Kunstsendungen eher in quotenarmen Bereichen gesendet wurden, entwickeln sich Kunstsendungen zu Quotenschlagern auf allen Kanälen und sensibilisieren auch ein breites und junges Publikum für Kunst. Dieser Trend wird durch die Kunstmessen aufgegriffen, in dem sie gerade für junge Sammler erschwingliche Werke speziell kennzeichnen und anbieten. Neben den klassischen Käufern besuchen immer mehr „nur“ Kunstinteressierte Kunstmessen, um sich dort der Kunst zu erfreuen, und eine Bandbreite präsentiert zu bekommen, die man sonst nur sehr schwer in Museen besichtigen kann. Dies alles verdeutlicht, dass der Markt für Kunstmessen sich noch lange nicht am Ende einer Entwicklung befindet. Es existiert in Deutschland noch ein starker Bedarf an neuen Kunstmessen. So findet in Berlin im Jahre 2004 zum ersten Mal parallel zum art-forum eine neue „Kunstausstellung“ statt. Und gerade die Kunstmesse art-forum hat durch die zeitliche Verschiebung der Frieze-Art Fair wieder eine Stärkung erfahren1376 und konnte sich wieder etablieren.1377 Auch die Kunstmesse München bekommt zeitgleich eine Gegenveranstaltung, die zwar noch nicht als Konkurrenz angesehen werden kann, aber deren Entwicklung beobachtet werden muss. Letztlich hat sogar die Art Frankfurt ihre Wiederho-

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Gropp, Rose-Maria, „Berlin sammelt sich und Kunst“, in: F.A.Z. vom 18.09.2004, S. 47.

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Herold, Thea, „Von Wachstum und Wechsel im Berliner Kunstwandel“, in: Süddeutsche Zeitung vom 18./19.09.2004, S. 18.

II. Die weitere Entwicklung des Kunstmarktes und die Zukunft der Kunstmessen

lung für die Jahre 2005 und 2006 trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten angekündigt.1378 Neben diesen Trends spielen auch die Globalisierung und die weltweite Datenvernetzung eine wichtige Rolle. Die Rolle der Kunstmesse könnte dadurch geschwächt werden, dass Kunst nun auch über das Internet angeboten und verkauft werden kann. Gerade in diesem Bereich ist es auch für Einsteiger in den Kunstmarkt gut möglich, sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Jedoch darf bei all diesen Überlegungen nicht vergessen werden, dass der Kauf von Kunst immer noch stark von Geschmack und Intuition abhängt. Während ein industriell gefertigtes Produkt ohne Probleme über das Internet zu dem günstigsten Preis geordert werden kann, sind Kunstwerke jeweils ein Original. Ein früher Picasso ist kaum mit einem späten Werk von ihm vergleichbar. Kunst muss persönlich in Augenschein genommen werden, bevor sie gekauft wird. So wird stets auch der wichtige haptische Bereich eine große Rolle spielen. Käufer werden ihren Händlern und Galeristen weiterhin Vertrauen schenken. Und gerade auch Künstler bedürfen eines Galeristen, wenn sie sich erfolgreich auf dem Kunstmarkt etablieren wollen, und sich nicht um ihre eigene Vermarktung kümmern möchten. Ein Beispiel hierfür bildet auch das Auktionshaus Sotheby’s, das den teuren und aufwendigen Versuch der Internetauktion mittlerweile eingestellt hat. Es bleibt festzuhalten, dass der Kunstmarkt, national und international, noch stark in Bewegung ist. Eine Richtung kann derzeit kaum festgestellt werden, zu verschieden sind die Einflüsse, die auf den Sektor der Kunst einwirken. Trotzdem werden Kunstmessen, auch in Deutschland, ihren Platz auf dem Kunstmarkt behalten, auch wenn sie sich an die Gegebenheiten der neuen Käufer- und Sammlerschichten anpassen müssen, um auf dem Markt zu überleben.

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Pressemitteilung, „Die Art Frankfurt bleibt nun doch“ in: F.A.Z. vom 06.11.2004, S. 47.

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41. Trabert, Heidi P., „Kunstvoll investieren“ in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 07.04.2002, S. 49 42. Villinger, Carina, „An Basel kommt keiner vorbei“ in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.06.2002, S. 55 43. Zeitz, Lisa, „Kaufrausch für alle: „Affordable Art Fair“; New York hat jetzt eine Messe für erschwingliche Kunst“ in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 27. Oktober 2002, S. 58 Internetpublikationen 1. Art Basel; Messegesellschaft; Medieninformationen 2002, abrufbar unter www.artbasel.com 2. art-vienna; Veranstalter; Presseinformation 2001, Internationale Kunstmesse art-vienna: Highlights, Termine, Fakten, abrufbar unter www.art-vienna.at 3. arthaus Kunsthandel Gesellschaft m.b.H, Art-Innsbruck, Medieninformation vom 03.02.2002: Jung, Dynamisch und Gewachsen abrufbar unter www.art-vienna.at 4. Aufderheide, Bernd (Art Cologne Köln), „Wer darf zur Art Cologne?“ aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002) 5. Felber, Markus, „Das Verfassungsgericht als Messeorganisator?“ in: Jusletter (www.weblaw.ch) 2000 vom16.10.2000; abrufbar unter: http://www. weblaw.ch (Stand 2003) 6. Fesel, Bernd, „Boom der Kunstmessen: Doch kein Aufbruchsignal – Strukturprobleme zwingen zur Neubewertung tradierter Messestrategien“ abrufbar unter http://www.kunstmarkt.com/ (Stand 2003) 7. Firsching, Ulrich Raphael, „Euphorisch gaben sich nur wenige“ abrufbar unter http://www.kunstmarkt.com (Stand 2003) 8. Jürgensen, Andri, „Gericht verwirft Zulassungspraxis der Art Cologne und rüffelt Vorinstanz“ abrufbar unter http://www.kunstrecht.de/news/00allg15.htm (Stand 2003) 9. Jürgensen, Andri, „Paten-System oder Qualitäts-Selektion? Die Zulassung zur Art Cologne“ aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 09.11.2001 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/news/2001/01kunst06.htm (Stand 2003) 10. Peters, Louis, „Haben Galeristen einen Anspruch auf Zulassung zu einer Kunstmesse?“ aus der Reihe „Nachgefragt …“ vom 20.10.2000 unter www.kunstrecht.de, abrufbar unter: www.kunstrecht.de/nachgefragt/messen.htm (Stand 06.02.2002)

Bibliographie

11. Philipp, Christine, „ARCO 2002 öffnet ihre Pforten“ abrufbar unter http://www.kunstmarkt.com (Stand 13.02.2002) 12. Sakowski, Ralf, „Messen und Verkaufsveranstaltungen: Rechtliche Aspekte für Anbieter“ abrufbar unter: URL: http://www.anwaltnotruf.de/newsletter/recht016.html (Stand 20.12.2001) 13. Volksbanken Spar- und Darlehenskassen in Westfalen, Branchenbrief, „Branchenbrief 012w: Antiquitätenhandel“ abrufbar unter http://www.volksbank-brilon.de/branchenbriefe/012.txt (Stand 09.02.2002) Sonstiges 1. Artprice Indicator „Chiner malin“ 2002, Hrsg. Artprice.com, Verlag Ehrmann, 2002 2. Berggruen, Heinz, „Mein Leben – eine Biographie“, Fernsehsendung ARTE / ZDF, 2004 3. Brockhaus, Lizenzierte Bertelsmann Ausgabe F. A. Brockhaus GmbH, Leipzig, Mannheim, 1998 4. Kastenmüller & Ebert Anmeldungsformular, Firma Kastenmüller & Ebert, Gmund, 2003 5. Kunstmesse München Katalog zur 47. Kunstmesse München, Hallenplan der Kunstmesse München, Weltkunst Verlag, München, 2002 6. Labetzsch, Bernd, Ankündigung Workshop „Marketing für Künstler“ Köln, 1995 7. Süma Maier OHG Anmeldungsformular, Lörrach, 2003 8. WDR 5 – Sendung „Scala“ „Die 35. Art Cologne – Wie hart ist der Kunstmarkt?“ Ausstrahlung am 02.11.2001, WDR 2001

421

Register Abhängigkeit 106 Allgemeine Teilnahmebedingungen 60 f, 165, 262, 278, 377 Arco Madrid 17, 29, 268 Art Basel 17, 25 ff, 164 Art Cologne 17, 19 ff, 52, 111, 163, 206 Art forum Berlin 22 ff, 209 Art Frankfurt 18, 21 ff, 123, 209 Art Innsbruck 267 Art Vienna 267 Auktionen 41 ff Ausleseverfahren 368 Ausstattung 323 Aussteller 59, 63 Ausstellungsrhythmus 51 ff Ausstellungstätigkeit 307 Auswahlgremium 363 Auswahlkriterien 354 Ausweichmöglichkeiten 214 f Basel 25 ff Begründungspflicht 372 Behinderung 245 Bekannt und bewährt 296 Berlin 22 ff Besucher 63 Christies

28, 41

Dauerstandplatz 301 Delacroix 15 Documenta 103 Einstweilige Verfügung 390 Ermessensspielraum 273 f FIAC 17, 266 Folgerecht 80 Frankfurt 21 Freies Geleit 79 Freiraum / Restraum 295 Frieze Art Fair 22, 28, 52, 266

Galerie 36 ff Galerieauftritt 306 Gericht 338, 348, 383 GewO 55 f, 251 Gleichartigkeit 118 Gute / schlechte Kunst 327 Gutgläubiger Erwerb 81 f Halleneigentümer 59 Handelsregister 317 Informationsstand 385 Interessensabwägung 250, 257 f Internationalität 158, 159 f, 304 Jury

363

Kapazitätserweiterung 286 Katalog 386 Klagantrag 382 Köln 18 ff Konkurrenzmessen 308 Kritik 321 Kunstdefinition 150 Kunstfreiheit 335 Kunsthandel 34 Kunstkategorie 154 f KunstKöln 20, 109 Kunstmarktentwicklung 10 ff Kunstmesse München 209 Kunstmessesektor 133 ff Kunstqualität 329 Kunststile 147 f Kunstverein 40 f, 95 London 27 ff Losprinzip 362 Maastricht 27 Messehalle 294 Miami 32 Mindestgröße 323 Mitaussteller 367

424

Register Nachrücksystem 370 Neubegutachtung 392 New York 31, 268 Newcomer 349 Nicht-kommerzielle Kunstschauen 100 Öffentlich-rechtlicher Träger Original 334 Ortsansässige Galerie 310

Sachlich relevanter Markt 125 ff Schadensersatz 386 Sotheby’s 28, 41 Standplatzverteilung 288 Standplatzzuteilung 384 Strasbourg 29 Stuttgart 23

97 f

Paris 29 Pariser Salonausstellungen 13, Picasso, Pablo 124, 142, 326 Platzmangel 286 Preisbildung von Kunst 139 f Preisgestaltung 318 Prioritätsprinzip 361 Publikum 53 f Räumlich relevanter Markt 170 ff Regional 190 Relevanter Markt 115, 122 ff Renommee 158, 159, 304, 343 Repräsentatives Angebot 326 Res extra commercium 83 Restplätze 370 Rotationsprinzip 356 Russland 33

TEFAF 27, 164, 267 Teilnehmerkreis 162 Unternehmenseigenschaft 88 Unterschiedliche Behandlung 247 Unzuverlässigkeit 290 Veranstalter 59, 63 Veranstaltungszweck 166 Verbände 40 f, 93 Verkaufs-Kunstmesse 91 f Vorauswahl 362 Weltantik 23 Westdeutsche Kunstmesse Köln Wettbewerbsverstöße 322 Wiederzulassung 352 Wirtschaftliche Position 316 Zeitlich relevanter Markt 199 ff Zulassungsanspruch 66 ff

20