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German Pages 332 [333] Year 2022
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 333
Datenschutz und Kartellrecht Von
Fabian Uebele
Duncker & Humblot · Berlin
FABIAN UEBELE
Datenschutz und Kartellrecht
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 333
Datenschutz und Kartellrecht Von
Fabian Uebele
Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit beruht auf einer Dissertation an der Abteilung Rechtswissenschaft der Universität Mannheim. Sie wurde vom Promotionsausschuss im Herbst 2021 angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Dezember 2021 berücksichtigt. Datenschutz- und Kartellrecht befinden sich im Umbruch. Das Aufkommen datenbasierter Geschäftsmodelle stellt beide Rechtsgebiete vor neue Herausforderungen. So unterschiedlich die Grundkonzeption beider Rechtsgebiete ist, ergeben sich doch mannigfaltige Querbezüge zwischen beiden bei genauerer Betrachtung. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, diese Querbezüge herauszuarbeiten. Die Arbeit ist im Wesentlichen Ergebnis meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Kartellrecht bei Herrn Professor Dr. Jens-Uwe Franck, LL.M. (Yale), der auch mein akademischer Lehrer ist. Dessen analytischer und kritischer Denkweise ist es zu verdanken, dass meine Lehrstuhlzeit nicht nur ein Lebensabschnitt war, sondern viel größeren Einfluss auf meine Art zu denken und zu arbeiten hat. Gleichzeitig hat er mir stets große Freiheiten gelassen. Seine Hinweise haben zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Dafür gebührt ihm mein Dank. Auch Herr Professor Dr. Friedemann Kainer hat als Zweitgutachter zu diesem Buch beigetragen, indem er in der Diskussion meinen Gedankengängen noch mehr Stringenz verliehen hat. Da es sich um das Ergebnis meiner Tätigkeit als Akademischer Mitarbeiter handelt, möchte ich auch meinen Kollegen Maximilian Schipke, Nils Stock, LL.M., und Simon Wizemann für die Unterstützung und das mühselige Korrekturlesen danken. Nicht zuletzt gilt mein Dank meiner Familie. Zur Entstehung dieses Werks haben mein Bruder Sebastian und mein Vater Martin durch die Unterstützung beim Korrekturlesen beigetragen. Widmen möchte die Arbeit meinen Eltern Gudrun und Martin, die mir nicht nur im Rahmen meiner Ausbildung und auf meinem bisherigen Lebensweg jede denkbare Unterstützung haben zukommen lassen. London, im Januar 2022
Fabian Uebele
Inhaltsübersicht Kapitel 1 Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Thema der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 27 29 29
§ 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Normativ geprägtes Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Verständnis des Datenschutzes als Schutzziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Kapitel 2 Vom Stellenwert des Datenschutzes
36
§ 3 Daten als Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Anbieter-Nutzer-Verhältnis (B2C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Märkte für Daten (B2B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 § 4 Konflikte um den Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Argumente für ein niedriges Datenschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Argumente für ein hohes Datenschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis: zunehmende Datenschutzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 41 42 47
Kapitel 3 Datenschutz im Kartellrecht
48
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht . . . . . . . . . A. Die Durchsetzung des Datenschutzrechts – bedarf es des Kartellrechts? . . . . . . . . B. Das Durchsetzungsinstrumentarium des Kartellrechts: was das Kartellrecht zu leisten vermag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Datenschutzrecht als Parameter der Kartellrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 49
§ 6 Setzung strengerer Datenschutz-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Missbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
267 267 283 285
65 75
10
Inhaltsübersicht Kapitel 4 Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
§ 7 Überblick über die 10. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Präzisierung bei der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung und Datenzugangsanspruch im Rahmen der Missbrauchsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. „Klarstellung“ zum Kriterium des Zusammenhangs in § 19 Abs. 1 GWB . . . . . . C. Missbrauchsaufsicht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung: „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ und Verbot bestimmter Tipping-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287 287 288 289 290
§ 8 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit
27
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Das Thema der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Normativ geprägtes Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Der Ursprung und die Verortung des Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Datenschutz und Privacy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Verständnis des Datenschutzes als Schutzziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Kapitel 2 Vom Stellenwert des Datenschutzes
36
§ 3 Daten als Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 A. Anbieter-Nutzer-Verhältnis (B2C) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Märkte für Daten (B2B) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 § 4 Konflikte um den Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 A. Argumente für ein niedriges Datenschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Argumente für ein hohes Datenschutzniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Datenschutz als Grundrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Nutzerpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Intransparente Einwilligungserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Das Privacy Paradox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 V. Preisdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 VI. Daten als Marktzutrittsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Zwischenergebnis: zunehmende Datenschutzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
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Inhaltsverzeichnis Kapitel 3 Datenschutz im Kartellrecht
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§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht . . . . . . . . . 48 A. Die Durchsetzung des Datenschutzrechts – bedarf es des Kartellrechts? . . . . . . . . 49 I. Public enforcement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Von der Richtlinie zur Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Die Durchsetzung und das Sanktionsrecht im Besonderen . . . . . . . . . . . . . 51 II. Private enforcement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Betroffenenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Ansprüche von Wettbewerbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Lauterkeitsrechtlicher Datenschutz neben dem Rechtsbruchtatbestand 56 b) Der Rechtsbruchtatbestand § 3a UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Datenschutzrechtliche Vorschriften als Marktverhaltensregelungen
57
bb) Abschließende Regelungen der Rechtsfolgen durch die DS-GVO? 58 3. Kollektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Verbandsklagen nach dem UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Verbandsklagen nach dem UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Musterfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 III. Fazit: „Durchsetzungsdefizite“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. Das Durchsetzungsinstrumentarium des Kartellrechts: was das Kartellrecht zu leisten vermag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Public enforcement im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Kartellverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Abstellungsverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Verpflichtungszusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 d) Sektoruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 e) Behördlicher Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Kartellbußgeldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Die Bedingungen des public enforcement allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4. Der Digital Markets Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Kartellzivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. Ergebnis: Die lückenschließende Funktion des Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . 74 C. Datenschutzrecht als Parameter der Kartellrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Das Datenschutzrecht als Gegenstand der Missbrauchsaufsicht . . . . . . . . . . . 76 1. Die Funktion der Missbrauchsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Schutz des Wettbewerbs als Institution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Schutz der Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Inhaltsverzeichnis
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c) Kein unmittelbarer Schutz der Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 d) Verbraucher als Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 e) Notwendige Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Die marktbeherrschende Stellung, insbesondere ihr Bezug zu mehrseitigen Märkten und dem Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Sachliche Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Annahme eines Marktes auch ohne monetäre Gegenleistung . . . 84 (2) Getrennte Märkte oder Gesamtbetrachtung? . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (3) Kriterien der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (a) Das Bedarfsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (b) Der SSNIP-Test und verwandte quantitative Methoden . . . . 92 (c) Angebotsumstellungsflexibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (4) Insbesondere: Datenschutz als Wettbewerbsparameter . . . . . . . . 97 bb) Räumliche Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Ausblick: Verliert die Marktabgrenzung ihre Bedeutung? . . . . . . . . 101 b) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Charakteristika der Marktbeherrschung auf (Online-)Plattformmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Der Marktanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (a) Die relativierte Bedeutung des Marktanteils . . . . . . . . . . . . . 107 (b) Berechnung des Marktanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Weitere Kriterien zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (a) Direkte und indirekte Netzwerkeffekte (§ 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (b) Standards, Parallelnutzung und lock in-Effekte (§ 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (c) Der Einfluss des Rechts auf Datenübertragbarkeit auf Parallelnutzung und lock in-Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (d) Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten (§ 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Das missbräuchliche Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Die gesetzliche Verortung des Rechtsbruchs im Missbrauchstatbestand 125 aa) „Missbrauch durch Rechtsbruch“ als Konditionenmissbrauch . . . . . 125 bb) Der Konditionenmissbrauch im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Der Rechtsbruch als Konditionenmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
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Inhaltsverzeichnis bb) Wettbewerbsanalogie und normative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . 132 (1) Das Vergleichsmarktkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) Die Konzepte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (b) Das Gesetz als Untermaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Die normative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (a) Deutsches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (b) Europäisches Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (c) Abwägungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Der Datenschutzrechtsbruch als Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Die Anwendung im Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 (2) Zum Erfordernis eines Wettbewerbsbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Daten und Datenverarbeitung als Wettbewerbsfaktoren . . . . 153 (b) Datenschutzrecht als Regelung des marktlichen Verhaltens 154 (c) Betrachtung der Marktwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Der Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Die europäische Entscheidungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Die deutsche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 cc) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 dd) Nachweis des Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (1) Doppelkausalität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (2) Negativbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (3) Positivbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 d) Parallelzuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Abschließende Regelung der Zuständigkeit durch die DS-GVO? 176 bb) Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Das Doppelbestrafungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (1) Ursprung und Inhalt des Doppelbestrafungsverbots . . . . . . . . . . 179 (a) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (b) Begriff der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (c) Tatidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Anwendung auf Konstellationen mit Bezug zum Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (a) Parallele Ermittlungen durch Kartell- und andere (Fach-) Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (b) Doppelte Zuständigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4. Die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
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b) Die Entscheidung des Bundeskartellamts vom 06. 02. 2019 . . . . . . . . . . 201 aa) Tenor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Konzernstruktur und Angebot Facebooks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (2) Facebooks Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 cc) Rechtliche Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (1) Rechtsgrundlage der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (2) Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (a) Sachlich: Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer 208 (b) Räumlich: nationaler Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (c) Bewertung der Marktabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (a) Marktanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (b) Weitere Kriterien nach § 18 Abs. 3a GWB . . . . . . . . . . . . . . 212 (c) Würdigung der Bestimmung der Marktstellung . . . . . . . . . . 213 (4) Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (a) Untergeordnete Rolle des Wettbewerbsbezugs . . . . . . . . . . . 214 (b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (c) Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (d) Datenschutzrechtlicher Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (e) Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (f) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (g) Bewertung der Ausführungen zur Missbräuchlichkeit . . . . . 223 c) Abschließende Einordnung der Facebook-Entscheidung . . . . . . . . . . . . 227 5. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. 08. 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Ausbeutung der Nutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 b) Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 c) Behinderung der Wettbewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 d) Zusammenfassende Beurteilung des Beschlusses des OLG Düsseldorf 236 6. BGH, Beschluss vom 23. 06. 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Marktabgrenzung und marktbeherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Missbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Ausbeutungs- und Behinderungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Wettbewerbsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 cc) Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 dd) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Konsequenzen der Entscheidung und abschließende Bewertung . . . . . . 244 7. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 03. 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
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Inhaltsverzeichnis 8. Ergebnis zum Datenschutzrecht in der Missbrauchsaufsicht und rechtspolitischer Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Die Berücksichtigung des Datenschutzrechts im Missbrauchsverbot de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) De lege ferenda: „Datenschutzrechtliche Lösung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Die Bedeutung des Datenschutzrechts im Rahmen des Kartellverbots . . . . . . 251 1. Mögliche Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Die beschränkte Funktion des Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 3. Die beschränkte Eignung des Verbotstatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Die eingeschränkte Offenheit des Freistellungstatbestands . . . . . . . . . . . . . 255 a) Das Politisierungs-Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) Verortung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 5. Bedenklicher Rückzug der hoheitlichen Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . 257 6. Die Versicherungs-GVO: Bestätigung, keine Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . 257 7. Die Entscheidung Asnef-Equifax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 III. Das Datenschutzrecht in der Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Datenschutzrecht in der europäischen Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . 262 2. Datenschutzrecht in der deutschen Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . 263 3. Berücksichtigung im Rahmen der Marktabgrenzung und der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4. Datenschutzrecht als limitierender Faktor bei der Ausübung von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
§ 6 Setzung strengerer Datenschutz-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 A. Zusammenschlusskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Besorgnisse um den Datenschutz im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen 267 II. Zusammenschlusskontrolle allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Direkte Berücksichtigung von Datenschutzbelangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Indirekte Berücksichtigung von Datenschutzbelangen . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Datenschutz als Wettbewerbsparameter: Entscheidungspraxis . . . . . . . . 270 aa) TomTom/Tele Atlas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 bb) Facebook/WhatsApp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 cc) Microsoft/LinkedIn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Qualitätswettbewerb um Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 aa) Verringerung der Wahlmöglichkeiten durch Marginalisierung eines Wettbewerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Inhaltsverzeichnis
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bb) Verringerung der Wahlmöglichkeiten durch Zukauf eines Wettbewerbers mit „besserem“ Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. „Schutz anderer berechtigter Interessen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Art. 21 Abs. 4 FKVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Datenschutz als weiteres unbenanntes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Fehlende Kompetenz im Datenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Möglichkeiten zur Schaffung einer Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 B. Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 C. Missbrauchsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Kapitel 4 Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
287
§ 7 Überblick über die 10. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 A. Präzisierung bei der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung und Datenzugangsanspruch im Rahmen der Missbrauchsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 B. „Klarstellung“ zum Kriterium des Zusammenhangs in § 19 Abs. 1 GWB . . . . . . 289 C. Missbrauchsaufsicht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung: „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ und Verbot bestimmter Tipping-Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 § 8 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Abkürzungen a. A. a. a. O. ABl. Abs. AEUV a. F. AGB AGCM Anh. Anm. API Art. Art. 29 WP
andere(r) Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte(r) Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato Anhang Anmerkung Application Programming Interface Artikel Article 29 Data Protection Working Party (Artikel-29-Datenschutzgruppe, abgelöst durch den EDSA) AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen B2B Business-to-Business B2C Business-to-Consumer BDSG Bundesdatenschutzgesetz BDSG a. F. Bundesdatenschutzgesetz in der bis 24. 05. 2018 gültigen Fassung BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begr. Begründer/Begründung ber. berichtigt Beschl. Beschluss BfDI der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BKartA Bundeskartellamt BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BR-Drs. Drucksache des Deutschen Bundesrates BT-Drs. Drucksache des Deutschen Bundestages BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerwG Bundesverwaltungsgericht bwLDSG Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg bzw. beziehungsweise CERRE Centre on Regulation in Europe CMA Competition and Markets Authority
Abkürzungsverzeichnis CNIL DICE Diss. DMA-E
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Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés Düsseldorf Institute for Competition Economics Dissertation Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte), COM(2020) 842 final, vgl. DMA unter Rechtsakte der Europäischen Union DS-GVO-E Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Datenschutz-Grundverordnung), KOM(2012) 11 endg., vgl. DS-GVO unter Rechtsakte der Europäischen Union ebd. ebenda ECN European Competition Network (Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden) Ed. Edition EDSA Europäischer Datenschutzausschuss EEA European Economic Area (Europäischer Wirtschaftsraum, EWR) EGKSV Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EL Ergänzungslieferung EMRK Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten endg. endgültig Entsch. Entscheidung EnWG Energiewirtschaftsgesetz et al. et alii EU Europäische Union EuG Gericht der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäische Union EWGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum f. folgende/r FG Festgabe Fn. Fußnote FS Festschrift FTC Federal Trade Commission GA Generalanwalt/Generalanwältin GDPR General Data Protection Regulation, vgl. DS-GVO unter Rechtsakte der Europäischen Union GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GR-Charta Charta der Grundrechte der Europäischen Union GVO Gruppenfreistellungsverordnung GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Habil. Habilitationsschrift HGB Handelsgesetzbuch HMT Hypothetischer Monopoltest/Hypothetical Monopolist Test
20 Hrsg. HS i. d. F. IRIS i. S. d. i. S. e. ISU i. S. v. i. V. m. jurisPK KEK KG LfDI lit. LLC LLP LSE M&A m. Anm. MMC m. w. N. NBER Nr. o. OECD OGH OLG PC PET plc PND PSN RefE RegE Rn. Rs. RStV S./s. S.A. scil. SDÜ SGB V SIEC Slg. sog. SSNDQ SSNIC
Abkürzungsverzeichnis Herausgeber Halbsatz in der Fassung Internationales Rechtsinformatik Symposion im Sinne der/des im Sinne einer/eines International Skating Union im Sinne von in Verbindung mit juris Praxiskommentar Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich Kammergericht Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit BadenWürttemberg littera Limited Liability Company Limited Liability Partnership London School of Economics Mergers & Acquisitions mit Anmerkung Monopolies and Mergers Commission (nunmehr CMA) mit weiteren Nachweisen National Bureau of Economic Research Nummer oben Organisation for Economic Co-operation and Development Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberlandesgericht Personal Computer Privacy Enhancing Technology Public Limited Company Portable Navigation Device Professional Social Network Referentenentwurf Gesetzentwurf der Bundesregierung Randnummer Rechtssache Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) Satz/Seite/siehe Société Anonyme scilicet Schengener Durchführungsübereinkommen Sozialgesetzbuch, fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung significant impediment to effective competition Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz sogenannte/sogenannter/sogenanntes small but significant non-transitory decrease in quality small but significant non-transitory increase in (exchanged) costs
Abkürzungsverzeichnis SSNIP StGB TKG TMG u. u. a. UAbs. UKlaG Univ. Urt. USA UWG v. verb. Rs. vgl. Vorb. VR VwVfG VwVG ZPO zugl.
small but significant non-transitory increase in price Strafgesetzbuch Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz unten und andere/unter anderem Unterabsatz Unterlassungsklagengesetz Universität Urteil Vereinigte Staaten von Amerika Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb von/vom/versus verbundene Rechtssachen vergleiche Vorbemerkung Virtual Reality (virtuelle Realität) Verwaltungsverfahrensgesetz (Bund) Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (Bund) Zivilprozessordnung zugleich Zeitschriften, Entscheidungssammlungen und andere regelmäßige Veröffentlichungen
AcP Am. Econ. Rev. Antitrust Antitrust Bull. Antitrust L. J. AWD BB BeckRS BGHSt BGHZ BVerfGE C.M.L.R. Comp. L. J. CPI CPI Antitrust Chronicle CR DB DÖV DuD ECJ ECLR ecolex EJLT
Archiv für die civilistische Praxis The American Economic Review American Bar Association Antitrust Magazine The Antitrust Bulletin Antitrust Law Journal Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Betriebs-Berater beck-online.RECHTSPRECHUNG Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Common Market Law Review Competition Law Journal Competition Policy International Competition Policy International Antitrust Chronicle Computer und Recht Der Betrieb Die öffentliche Verwaltung Datenschutz und Datensicherheit European Competition Journal European Competition Law Review ecolex. Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht European Journal of Law and Technology
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22 E. L. Rev. EuCML EuGRZ EuR Eur. J. Soc. Psychol. EuZW EWiR EWS GA Ga. L. Rev. Geo. Mason L. Rev. Ger. L. J. GRUR GRUR Int. GRUR-Prax GRUR-RR GRUR-RS GWR Harv. L. Rev. Inf. Syst. Res. Innov. Pol’y & Econ. Int’l. & Comp. L. Q. Int’l. Data Privacy L. I/S: J. L. & Pol’y for Info. Soc’y J. Antitrust Enforc. J. Comp. L. & Econ. J. Consum. Aff. J. Econ. Lit. J. Eur. Comp. L. & Prac. J. Eur. Econ. Ass’n. J. Indus., Comp. & Trade J. Int. L. JöR J. Tech. L. & Pol’y J. Telecomm. & High Tech. L. Jusletter IT JZ K&R List Forum Maast. J. Eur. & Comp. L. Md. L. Rev.
Abkürzungsverzeichnis European Law Review Journal of European Consumer and Market Law Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht European Journal of Social Psychology Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Georgia Law Review George Mason Law Review German Law Journal Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. RechtsprechungsReport Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht. RechtsprechungsSammlung Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Harvard Law Review Information System Research Innovation Policy and the Economy International and Comparative Law Quarterly International Data Privacy Law I/S: A Journal of Law and Policy for the Information Society Journal of Antitrust Enforcement Journal of Competition Law & Economics Journal of Consumer Affairs Journal of Economic Literature Journal of European Competition Law & Practice Journal of the European Economic Association Journal of Industry, Competition & Trade Journal of Internet Law Jahrbuch des öffentlichen Rechts (neue Folge) Journal of Technology Law & Policy Journal on Telecommunications and High Technology Law Jusletter IT – Die Zeitschrift für IT und Recht Juristenzeitung Kommunikation & Recht List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik Maastricht Journal of European and Comparative Law Maryland Law Review
Abkürzungsverzeichnis MMR
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Multimedia und Recht. Zeitschrift für IT-Recht und Recht der Digitalisierung N.C. L. Rev. North Carolina Law Review NJW Neue Juristische Wochenschrift NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nw. U. L. Rev. Colloquy Northwestern University Law Review Colloquy NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht ÖBl Österreichische Blätter für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ORDO ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft PinG Privacy in Germany RDV Recht der Datenverarbeitung Rev. Econ. Stud. The Review of Economic Studies Tech. Science Technology Science U. Pa. L. Rev. University of Pennsylvania Law Review U.S. United States Report VerwArch Verwaltungsarchiv VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Wash. U. L. Rev. Washington University Law Review wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter W. Comp. World Competition WiRO Wirtschaft und Recht in Osteuropa WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WSJ Wall Street Journal WuW Wirtschaft und Wettbewerb WuW/E BGH Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen des Bundesgerichtshofs WuW/E DE-R Wirtschaft und Wettbewerb – Deutschland Rechtsprechung WuW/E EV Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen der Europäischen Verwaltungsbehörden WuW/E OLG Wirtschaft und Wettbewerb – Entscheidungen der Oberlandesgerichte Yale J. on Reg. Yale Journal on Regulation ZD Zeitschrift für Datenschutzrecht ZD-Aktuell Newsdienst ZD-Aktuell ZGE Zeitschrift für Geistiges Eigentum ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht
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Abkürzungsverzeichnis Rechtsakte der Europäischen Union
Cookie-RL
Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/ 22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/ 58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ABl. 2009 L 337, 11, ber. ABl. 2013 L 241, 9, ber. ABl. 2017 L 162, 56 DMA (Vorschlag) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte), COM(2020) 842 final DSA (Vorschlag) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Gesetz über digitale Dienste) und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG, COM(2020) 825 final DS-GVO Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung), ABl. 2016 L 119, 1, ber. ABl. 2016 L 314, 72, ber. ABl. 2018 L 127, 2, ber. ABl. 2021 L 74, 35 DS-RL Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. 1995 L 281, 31, aufgehoben durch Art. 94 DS-GVO ECN-Plus-RL Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, ABl. 2019 L 11, 3 ePrivacy-RL Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. 2002 L 201, 37, zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndRL 2009/ 136/EG v. 25. 11. 2009 (ABl. 2009 L 337, 11, ber. ABl. 2013 L 241, 9, ber. ABl. 2017 L 162, 56) ePrivacy-VO (Vorschlag) Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/ 58/EG (Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation), COM(2017) 10 final
Abkürzungsverzeichnis FKVO
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Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung), ABl. 2004 L 24, 1 FKVO 1989 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395, 1, aufgehoben durch Art. 26 Abs. 2 FKVO Fluglinientarif-RL Richtlinie 87/601/EWG des Rates vom 14. Dezember 1987 über Tarife im Fluglinienverkehr zwischen Mitgliedstaaten, ABl. 1987 L 374, 12, aufgehoben durch Art. 13 VO (EWG) 2342/90, ABl. 1990 L 217, 1 Kartellschadensersatz-RL Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. 2014 L 349, 1 Kartellverfahrens-VO Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003 L 1, 1, zuletzt geändert durch Anh. I ÄndVO (EG) 487/2009, ABl. 2009 L 148, 1 Klausel-RL Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. 1993, L 95, 29, zuletzt geändert durch Art. 1 RL (EU) 2019/2161, ABl. 2019 L 328, 7 Verbandsklagen-RL Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. 2020 L 409, 1 Versicherungs-GVO Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor, ABl. 2010 L 83, 1 Vertikal-GVO Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl. 2010 L 102, 1 VO 17/62 Verordnung Nr. 17, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl. 1962 P 13, 204, aufgehoben durch Art. 43 Abs. 1 Kartellverfahrens-VO
Kapitel 1
Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit § 1 Einführung A. Das Thema der Arbeit Das Aufkommen datenbasierter Geschäftsmodelle in den verganenen Jahrzehnten stellt die Kartellrechtsanwendung vor neue Herausforderungen. Die Funktionsweise der betroffenen Märkte führt zu erheblichen Monopolisierungstendenzen; neue Arten wettbewerbsschädlicher Verhaltensweisen werden ermöglicht. Dies wirft die Frage nach den Regulierungsmöglichkeiten auf. Antworten bieten dabei sowohl das Kartell- als auch das Datenschutzrecht, wenngleich der Fokus dieser beiden Rechtsgebiete ein gänzlich anderer ist. Das Verhältnis dieser beiden Rechtsgebiete ist ungeklärt. Die vorliegende Arbeit ist zum einen eine Untersuchung über die Bedeutung des Datenschutzes für das Kartellrecht. Zum anderen wird die Relevanz kartellrechtlicher Erwägungen im Datenschutzrecht untersucht. Die damit eingenommene Perspektive ist eine zweifache. Einerseits soll herausgearbeitet werden, an welchen Stellen des Kartellrechts Bezüge zum Datenschutz gegeben sind. Anderseits soll auch umgekehrt ergründet werden, in welchen Bereichen des Datenschutzrechts Verbindungen zum Kartellrecht und allgemein zu wettbewerblichen Erwägungen bestehen. Die Verarbeitung personenbezogener Daten steht seit vielen Jahren im Zentrum der Diskussion um die Anwendung des Kartellrechts. Diese Diskussion folgt mit Verzögerung dem Aufkommen datenbasierter Geschäftsmodelle im Internet. Deren Erfolg beruht neben dem Einsatz von immer leistungsfähigeren Algorithmen maßgeblich auf der Auswertung der Daten der Nutzer. Durch eine bessere Auswertung dieser lassen sich deren Bedürfnisse antizipieren, um das Angebot besser auf sie zuzuschneiden und um Werbung einsetzen zu können, die diese Bedürfnisse aufnimmt. Die kartellrechtliche Seite der Diskussion beherrschen vor allem zwei Problemkreise. Zum einen geht es darum, ob die gegenwärtigen Regelungen des Kartellrechts genügen, eine hinreichende kartellrechtliche Kontrolle digitaler Märkte
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Kap. 1: Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit
sicherzustellen und damit den Wettbewerb auf diesen Märkten zu schützen.1 Dies hat in der 9. GWB-Novelle zu ersten punktuellen Anpassungen des deutschen Kartellrechts geführt,2 die in der 10. Novelle3 noch ausgebaut wurden. Bei diesen Fragen geht es im Kern darum, ob die Instrumente des Kartellrechts noch geeignet sind, ihrem Zweck – dem Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen, namentlich durch die Adressierung von Monopolproblemen – auch auf digitalen und Plattformmärkten zu dienen. „Klassische“ kartellrechtliche Schieflagen auf Digitalmärkten werden auch in der vorliegenden Arbeit nicht unberücksichtigt bleiben. Vor allem wird es aber um den zweiten Fragekomplex gehen: Nach einer Bestandsaufnahme über die Schutzzwecke des Kartellrechts, ist zu hinterfragen, inwieweit diese einer Aktualisierung bedürfen. Kann und soll das Kartellrecht auch in den Dienst anderer Politikziele gestellt werden?4 Sind die kartellrechtlichen Generalklauseln bereits derart offen formuliert, dass sie sich einsetzen lassen, um – auch – andere Politikziele zu erreichen? Als ein derartiges Politikziel soll in der vorliegenden Arbeit der Datenschutz5 dienen. In diesem decken sich die beiden angesprochenen Themenkomplexe der Wirksamkeit des Kartellrechts auf Digitalmärkten und der Aktualisierung seiner Schutzzwecke. Im Februar 2019 hat das Bundeskartellamt einen Beschluss erlassen, mit dem es dem sozialen Netzwerk Facebook6 auf der Grundlage von § 19 Abs. 1 GWB bestimmte als – auch – datenschutzrechtswidrig erkannte Praktiken untersagte.7 Obgleich das Bundeskartellamt mit dem Beschluss neues Terrain beschreitet, ist er doch erkennbar davon geprägt, den Verstoß in bekannte kartellrechtliche Kategorien zu fassen. Der Beschluss und damit die Frage nach dem Anwendungsbereich des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots wird das Thema dieser Arbeit illustrieren. Gleichzeitig wird aber auch ein Seitenblick auf das Kartellverbot und die Fusionskontrolle geworfen; auch hier könnte der Datenschutz ein gewichtiger Gesichtspunkt der Kartellrechtsanwendung sein.
1 S. nur die zu diesem Thema veröffentlichten Studien Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, September 2019; Crémer/ Montjoye/Schweitzer, Competition Policy for the Digital Era, 2019; Furman et al., Unlocking digital competition. Report of the Digital Competition Expert Panel, März 2019; Schweitzer et al., Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 29. 08. 2018. 2 BGBl. I 2017, 1416. 3 BGBl. I 2021, 2. 4 Grundlegend Ezrachi, J. Antitrust Enforc. 5 (2017), 49; Kovacic/Hyman, Geo. Mason L. Rev. 23 (2016), 1163. 5 Art. 16 AEUV. 6 Hier und im Folgenden ist mit Facebook die US-amerikanische Meta Platforms, Inc. (vormals Facebook, Inc.), sowie ihre Tochtergesellschaften gemeint, soweit nicht anders angegeben. 7 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16.
§ 1 Einführung
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B. Abgrenzungen Es ist nicht Ziel der Arbeit – und würde auch ihren Rahmen sprengen –, eine datenschutzrechtliche Bewertung einzelner Praktiken vorzunehmen. Derartige Bewertungen können immer nur am Rande vorgenommen werden; in dieser Arbeit sollen jedoch allgemeingültige Funktionsweisen dargestellt werden. An gegebener Stelle soll daher im Rahmen dieser Untersuchung von einer Verletzung des Datenschutzrechts ausgegangen werden, ohne diese im Einzelnen zu begründen oder die Stichhaltigkeit zum Beispiel der datenschutzrechtlichen Prüfung des Bundeskartellamts in Facebook im Einzelnen zu hinterfragen. Andererseits wird es freilich auch an vereinzelten Stellen doch erforderlich werden, zu spezifisch datenschutzrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Ebenfalls nicht Ziel der Arbeit sind grundlegende Ausführungen zur Marktabgrenzung und zur Marktbeherrschung in der digitalen Ökonomie. Zu diesem Themenkomplex findet sich bereits eine Reihe von Ausarbeitungen in der Literatur.8 Daher soll hier nur auf die Marktabgrenzung und die Marktbeherrschung eingegangen werden, soweit sich Bezüge zum Datenschutz und zum Datenschutzrecht ergeben.
C. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit ist in vier Kapitel mit insgesamt acht Abschnitten unterteilt. Das erste Kapitel widmet sich nach dieser Einführung den begrifflichen Grundlagen mit der Frage, wie der Begriff des Datenschutzes im Rahmen der weiteren Untersuchung zu verstehen sein wird (§ 2)9. Aus diesem Begriffsverständnis ergibt sich die weitere Unterteilung des Hauptteils im dritten Kapitel. Davor soll jedoch im zweiten Kapitel der Stellenwert des Datenschutzes auf digitalen Märkten herausgestellt werden. Dadurch wird die besondere Relevanz des Themas verständlich. Zunächst sollen dafür Daten in ihrer Funktion als Wirtschaftsgut charakterisiert werden (§ 3)10, um sodann die Konflikte darzustellen, die sich um Daten und Datenschutz ergeben (§ 4)11. Den Hauptteil der Arbeit bildet das dritte Kapitel. Entsprechend der in § 2 vorgenommenen Unterscheidung zwischen der Durchsetzung des Datenschutzrechts 8 Beispielsweise Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387; Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 154 – 161; Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162; Kehder, Konzepte und Methoden der Marktabgrenzung und ihre Anwendung auf zweiseitige Märkte, 2013; Klotz, WuW 2016, 58; Volmar, Digitale Marktmacht, 2019. 9 S. 30 – 35. 10 S. 36 – 41. 11 S. 41 – 47.
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Kap. 1: Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit
und einer darüber hinausgehenden Förderung des Datenschutzniveaus ist dieses Kapitel zweigeteilt. Zunächst wird es um die Durchsetzung bestehender Normen des Datenschutzrechts mit den Mitteln des Kartellrechts gehen (§ 5)12. Dabei bildet das Missbrauchsverbot den Schwerpunkt. Daneben wird aber auch nach einem Einsatz des Kartellverbots oder der Fusionskontrolle gefragt werden. Sodann wird genauer untersucht, ob das Kartellrecht auch dazu geeignet ist, zusätzliche Anforderungen an den Datenschutz der Unternehmen zu stellen, die über die Durchsetzung des Datenschutzrechts hinausgehen (§ 6)13. Die Arbeit wird mit dem vierten Kapitel abgeschlossen. In diesem werden die Änderungen durch die jüngste 10 GWB-Novelle dargelegt, soweit für die vorliegende Arbeit relevant (§ 7)14, und die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst (§ 8)15.
§ 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz? In dem folgenden Abschnitt wird der Begriff des „Datenschutzes“ genauer umrissen. Ein besseres Begriffsverständnis wird als Ausgangspunkt für die Untersuchung über die Verbindungen von Kartellrecht und Datenschutz dienen. Datenschutz ist nämlich kein klar umrissener Rechtsbegriff. Es gibt keine gesetzliche Definition. Ihm werden von verschiedener Seite unterschiedliche Bedeutungen beigemessen. Dass der durch die DS-GVO16 gewährte Schutz nicht eindimensional ist, zeigt sich bereits in den Schutzzwecken dieser Verordnung nach ihrem Art. 1 Abs. 1. Demnach dient sie nicht allein dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, sondern gleichrangig auch dem freien Datenverkehr als Teil der Verwirklichung des Binnenmarktes.17 Datenschutzkonstellationen sind von vielen konträren Interessen geprägt,18 was eine eindeutige Bestimmung des Begriffes 12
S. 48 – 266. S. 267 – 286. 14 S. 287 – 293. 15 S. 293 – 299. 16 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 17 Damit steht sie in der Tradition der OECD-Leitlinien für den Schutz des Persönlichkeitsbereichs und den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten vom 23. September 1980. Hauptziel dieser – unverbindlichen – Leitlinien war es, Handelshemmnisse zu beseitigen, die sich aus unterschiedlichen Datenschutzregimen ergeben könnten, s. Abs. 2 der Präambel der Leitlinien. Vgl. hierzu Kühling/Seidel/Sivridis, Datenschutzrecht, 3. Aufl. 2015, Rn. 14. 18 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Einführung, Rn. 1. 13
§ 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz?
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ebenfalls schwierig macht, da eine am Schutzzweck angelehnte Auslegung hierdurch ebenfalls gezwungenermaßen uneindeutig wird.19 Eine grobe Einteilung lässt sich vornehmen in ein normatives Verständnis – das heißt, ein solches, das den Datenschutz als von den Normen des Datenschutzrechts geprägt betrachtet – sowie ein vom Schutzzweck geprägtes – gleichsam über oder neben dem Gesetz stehendes – Verständnis. An dieser Dichotomie wird sich die weitere Untersuchung orientieren.20 Hiermit ist jedoch nicht gesagt, dass diese beiden Auffassungen in einem Verhältnis der Alternativität stünden. Das Datenschutzrecht dient vielmehr weitgehend dem Privatheitsschutz, sodass es sich eher um zwei sich überschneidende Kreise handelt. Die im Folgenden vorzunehmende Gegenüberstellung ist jedoch deshalb erforderlich, weil es einen fundamentalen Unterschied macht, einerseits zu untersuchen, ob Regelungen des Datenschutzrechts zu berücksichtigen sind bei der Kartellrechtsanwendung, oder ob anderseits auch nicht gesetzlich festgelegte Schutzzweckerwägungen eine Rolle spielen. Denn letzteres würde den Rechtsanwendern einen erheblich größeren Beurteilungsspielraum lassen. Angesprochen ist damit die Unterscheidung zwischen Recht und Politik.
A. Normativ geprägtes Begriffsverständnis I. Der Ursprung und die Verortung des Datenschutzes21 Datenschutz lässt sich zum einen als die Gesamtheit der Normen des Datenschutzrechts verstehen. Er ist auf vielen Ebenen normiert; eine gesetzliche Definition hat er allerdings nicht erhalten. Art. 1 Abs. 1 DS-GVO geht implizit vom Datenschutz als Zweck der Verordnung aus. Der Datenschutz ist gleichsam Folge, aber in vielen Bereichen auch Aliud dessen, was sich Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff Privacy22 – zu Deutsch in etwa Privatheit oder Privatsphäre – entwickelte. Er lässt sich als Ausfluss des Rechts auf Privatsphäre verstehen, weil er die Daten natürlicher Personen schützen soll, wie dies auch das Bundesverfassungsgericht seinem Volkszählungsurteil von 1983 zugrunde gelegt hatte, in dem es aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf informationelle 19
S. zu den konträren Interessen, die durch das Datenschutzrecht auszugleichen sind, § 4 (S. 41 – 47). 20 In § 5 der vorliegenden Arbeit (S. 48 – 266) wird untersucht, ob sich der Datenschutz i. S. e. normativen Verständnisses durch das Kartellrecht durchsetzen lässt. Demgegenüber behandelt § 6 (S. 267 – 286) die Frage, ob durch das Kartellrecht auch aktiv neue Standards im Datenschutz – an dessen Schutzzweck orientiert und über den bereits normierten Datenschutz hinaus – (durch-)gesetzt werden können. 21 Eine vertiefte Darstellung der Datenschutzrechtsgeschichte findet sich bei Rüpke/von Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, § 2. Vgl. auch von Lewinski, in: Arndt et al. (Hrsg.), Freiheit – Sicherheit – Öffentlichkeit, 2009, S. 196, passim. 22 Warren/Brandeis, Harv. L. Rev. 4 (1890), 193, 195 – 220.
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Kap. 1: Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit
Selbstbestimmung ableitete.23 Durch die Entscheidung wurde die Entwicklung des Datenschutzes in Deutschland wesentlich geprägt. Bereits über ein Jahrzehnt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde er jedoch erstmalig gesetzlich geregelt im Hessischen Datenschutzgesetz von 1970.24 Der Datenschutz auf europäischer Ebene fand eine erste Normierung in der DSRL von 1995.25 Diese wurde durch die ePrivacy-RL von 200226 und die Cookie-RL von 200927 bereichsspezifisch ergänzt. Mit dem Vertrag von Lissabon trat sodann zum 1. Dezember 2009 die GR-Charta in Kraft. In dieser wurde erstmalig expressis verbis ein Grundrecht auf Datenschutz garantiert: Art. 8 Abs. 1 GR-Charta gewährleistet den Schutz der personenbezogenen Daten.28 Diese spezielle Ausprägung geht zurück auf die Rechtsprechung des EGMR. Dieser leitet ein Recht auf Datenschutz aus dem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ab.29 Nachdem sich die DS-RL im Laufe der Zeit als nicht mehr zeitgemäß herausgestellt und sich die Erkenntnis entwickelt hatte, dass das Instrument der Richtlinie ein einheitliches Datenschutzniveau im Sinne eines level playing field nicht garantieren könne, wurde schließlich 2016 die DS-GVO erlassen, die seit dem 28. Mai 2018 anwendbar ist.30 Sie soll durch eine noch zu verabschiedende ePrivacy-VO ergänzt werden.31 23 BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983, Volkszählung, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 41 – 43. 24 GVBl. Hessen 1970 I, 625. Vgl. Ronellenfitsch, in: BeckOK Datenschutzrecht, 28. Ed. 2018, Einleitung zum BDSG 2003, Rn. 6. 25 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. 26 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation). 27 Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der Richtlinie 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. 28 Monographisch zu diesem Grundrecht Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht, 2018, passim. Vgl. auch Gusy, EuGRZ 2018, 244, 245. Die Ausgestaltung des Datenschutzgrundrechts in der GR-Charta wird trotz der Normierung als „unterkomplex“ empfunden, Buchholtz, in: Piecha et al. (Hrsg.), Rechtskultur und Globalisierung, 2017, S. 97, 108. 29 Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Einführung, Rn. 17 – 22; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 32 – 34. 30 Wolff/Brink, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Einleitung zur DS-GVO, Rn. 11 – 15.
§ 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz?
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In dieser Entwicklung wird auch der Wandel des Verständnisses und der Funktion von Datenschutzrecht deutlich. Zu Beginn der Datenschutzgesetzgebung und in den ersten Jahrzehnten nach seiner Institutionalisierung war das Datenschutzrecht überwiegend in seiner Dimension als Abwehrrecht gegenüber dem Staat bedeutsam, wie sich exemplarisch am Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zeigt. Ungefähr mit dem Erlass der DS-RL Mitte der 90er Jahre und der Durchsetzung des Internets wurden jedoch auch neue Formen der Datenverarbeitung durch Private möglich. Die europäische Datenschutzgesetzgebung zielte daher von Beginn an auf die Regulierung dieser privaten Datenverarbeitungsvorgänge durch Sekundärrecht, wohingegen die grundrechtliche Verankerung in der GR-Charta erst deutlich später stattfand.32 Heute lauern zumindest in Europa und in vielen anderen Teilen der Welt die Gefahren für den Datenschutz vor allem in der Datenverarbeitung durch private Stellen.33
II. Datenschutz und Privacy Datenschutz ist dabei auch etwas anderes als Privacy, indem der Anwendungsbereich des Datenschutzes nicht vom Vorliegen einer besonderen Privatheit abhängt34 und sich außerdem auch auf unidentifizierte, aber identifizierbare Personen erstreckt.35 Für die weiteren Zwecke dieser Arbeit ist es daher wichtig, hervorzuheben, dass es sich hier tatsächlich um zwei unterschiedliche Konzepte handelt.36 Privacy, deren genaue Definition ebenso wie die des Datenschutzes schwer zu finden ist,37 befasst sich mit dem Schutz des Privatlebens.38 Die Umschreibung 31 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Achtung des Privatlebens und den Schutz personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation und zur Aufhebung der Richtlinie 2002/58/EG (Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation), COM(2017) 10 final. S. auch die Änderungsvorschläge des Rates vom 04. 11. 2020, 2017/0003(COD), abrufbar unter: https://da ta.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9931-2020-INIT/en/pdf. Alle in der vorliegenden Arbeit angegebenen Internetadressen, auch solche im Literaturverzeichnis, wurden zuletzt am 30. 12. 2021 überprüft. 32 J.-P. Schneider, in: Körber/Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 113, 120 – 122. 33 Lepsius, WuW 2020, 566: „Heute verfügen Private, nicht der Staat, über Datenbestände, die solche Effekte für den Freiheitsgebrauch des Einzelnen haben. […] Der private Rechtsverkehr ist vielmehr zum primären Anwendungsfall geworden […].“ Näher dazu u. § 4 (S. 41 – 47). 34 Tznaou, J. Int. L. 17 (2013), 21, 26 f. 35 Lynskey, Int’l. & Comp. L. Q. 63 (2014), 569, S. 582 f. 36 Vgl. zum Verhältnis von Datenschutz und Privacy vertieft Lynskey, The Foundations of EU Data Protection Law, 2015, S. 89 – 106. 37 Tznaou, J. Int. L. 17 (2013), 21, 23 f. 38 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 284.
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Kap. 1: Einführung – zum Gegenstand dieser Arbeit
Westins, eines der Begründer der modernen US-amerikanischen Forschung zur Privacy, hat immer noch allgemeine Gültigkeit: Privacy is the claim of individuals, groups, or institutions to determine for themselves when, how, and to what extent information about them is communicated to others. Viewed in terms of the relation of the individual to social participation, privacy is the voluntary and temporal withdrawal of a person from the general society through physical or psychological means, either in a state of solitude or small-group intimacy or, when among larger groups, in a condition of anonymity or reserve.39
Schutz erfährt die Privatheit über Art. 7 GR-Charta und Art. 8 Abs. 1 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens), deren Wortlaut beinahe identisch ist. Im Gegensatz zur Privacy dient der Datenschutz allein dem Schutz personenbezogener Daten, wie sich etwa aus Art. 1 Abs. 2 DS-GVO ergibt. Dabei geht es aber immer um den Schutz der natürlichen Personen, deren Daten verarbeitet werden.40 Damit lässt sich Datenschutz auch als primär durch seine gesetzlichen Grundlagen geprägt verstehen: als das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der durch das Bundesverfassungsgericht ausgeprägten Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einerseits sowie die zum Schutz dieses Rechts erlassenen Gesetze andererseits. Der Datenschutz schützt auch Informationen, die nicht die Privat- und Intimsphäre betreffen,41 etwa in Bezug auf die demokratischen Grundrechte wie die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit. Er ist schließlich auch und vor allem als prozedurales Recht ausgestaltet,42 als durch die Regelungen der Datenschutzgesetze überwiegend ein Schutz durch die Einhaltung bestimmter Verfahren über Vorgaben zur Art und Weise der Datenverarbeitung erreicht werden soll. Gegenüber dieser vorrangig formellen Prägung des Datenschutzes hat Privacy eine stärkere materielle Prägung; hier geht es vor allem um die Abwägung bestimmter Positionen und Interessen. Man kann Privacy und Datenschutz daher als zwei sich teilweise überschneidende, sich aber nicht vollständig deckende Kreise verstehen.43
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Westin, Privacy and Freedom, 1969 (Neuauflage 2015), S. 5. Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Klug/Körffer/Schomerus (Hrsg.), BDSG, 12. Aufl. 2015, § 1 Rn. 1. 41 Costa-Cabral/Lynskey, C.M.L.R. 54 (2017), 11, 20; Tznaou, J. Int. L. 17 (2013), 21, 26 f. 42 Tznaou, J. Int. L. 17 (2013), 21, 26 f. 43 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 285. Diese Unterscheidung zwischen Privacy und Datenschutz wird in der – insbesondere in der angloamerikanischen und in der ökonomischen – Literatur nicht immer konsequent vorgenommen; die Begriffe werden teils synonym verwendet, vgl. etwa Posner, Am. Econ. Rev. 71 (1981), 405. 40
§ 2 Begriffliche Grundlagen: Was ist Datenschutz?
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B. Verständnis des Datenschutzes als Schutzziel Neben dem soeben beschriebenen normativen Verständnis des Datenschutzes lässt sich dieser auch weiter verstehen, nämlich als allgemeines Schutzziel der Rechtsanwendung. Demnach bedeutet Datenschutz nicht allein die Gesamtheit der Normen des Datenschutzrechts. Es geht vielmehr darum, ein bestimmtes sozial erwünschtes Schutzniveau zu erreichen. Wo dieses Niveau zu verorten ist – also im Sinne eines strengen oder weniger strengen Datenschutzes –, hängt von dem jeweiligen Akteur ab. Entscheidend ist, wie dieser einen optimalen Schutz versteht. Datenschutz in diesem Sinne ist nicht allein Aufgabe der staatlichen Gewalten. Hierzu berufen fühlen können sich vielmehr auch die datenverarbeitenden Stellen selbst. So müssen Unternehmen das Datenschutzrecht nur als Untergrenze ihrer Verpflichtungen betrachten. Ihnen steht es frei, darüberhinausgehende Mechanismen zum Schutz persönlicher Informationen einzuführen.44 Behörden und Gerichte können sich außerdem einem allgemeinen Schutzziel verpflichtet fühlen. Dann wenden sie nicht bloß Datenschutzrecht an, sondern schaffen aktiv Standards durch ihre Entscheidungen. Ob eine solche Standardsetzung zulässig ist, wird an späterer Stelle zu diskutieren sein.45 Zunächst werfen wir jedoch einen Blick auf den Stellenwert des Datenschutzes, um die Motivation der vorliegenden Untersuchung zu verstehen.
44 Dies hat zur Folge, dass sich Wettbewerb auf der Grundlage von Datenschutz-Standards entwickeln kann, s. u. § 5.C.I.2.a)aa)(4), (S. 97 – 100). 45 S. u. § 6 (S. 267 – 286).
Kapitel 2
Vom Stellenwert des Datenschutzes Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Stellenwert des Datenschutzes in unserer Gesellschaft. Wenn wir diesen Stellenwert begreifen, so wird verständlich, warum es sich lohnen mag, darüber nachzudenken, das Kartellrecht als zusätzlichen Durchsetzungsmechanismus des Datenschutzrechts zu verstehen. Die aufkommenden Forderungen nach einem Einsatz des Kartellrechts mit diesem Ziel1 stehen nämlich vor dem Hintergrund einer oft behaupteten2 Schwäche des Datenschutzrechts. Bevor jedoch zu der Schwäche des Datenschutzrechts und der möglichen Abhilfe durch das Kartellrecht Stellung genommen wird, soll zunächst untersucht werden, warum dem Datenschutzrecht eine derart wichtige Stellung zukommt. Dadurch wird die Forderung nach einer – ergänzenden – Durchsetzung mit den Mitteln des Kartellrechts verständlich. Die wachsende Bedeutung des Datenschutzrechts ist darauf zurückzuführen, dass Daten sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Wirtschaftsgut entwickelt haben (§ 3).3 Um dieses haben sich – wie bei allen Gütern – Verteilungskonflikte entwickelt (§ 4).4 Daher bedarf es eines Ausgleichs der Interessen in Form des Datenschutzes.
§ 3 Daten als Wirtschaftsgut Daten haben eine nicht zu überschätzende Relevanz für die digitale Wirtschaft. Sie werden verschiedentlich als „Öl“5 oder „Währung“6 des Internets bezeichnet. 1 Vgl. etwa European Data Protection Supervisor, Privacy and competitiveness in the age of big data: The interplay between data protection, competition law and consumer protection in the Digital Economy. Preliminary Opinion of the European Data Protection Supervisor, März 2014, Rn. 71. 2 Eingehend u. § 5.A. (S. 49 – 65). 3 S. 36 – 41. 4 S. 41 – 47. 5 Dold/Krieger, in: Friedewald/Lamla/Roßnagel (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel, 2017, S. 181. 6 Dewenter/Lüth, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 9, 12; Körber, WRP 2012, 761, 764; Rempe, K&R 2017, 149, 153; European Data Protection Supervisor, Privacy and competitiveness in the age of big data: The
§ 3 Daten als Wirtschaftsgut
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Auch wenn solche Gleichsetzungen mit gänzlich anderen Wirtschaftsgütern einer inhaltlichen Betrachtung nicht standhalten,7 vermögen sie dennoch den Wert klarzumachen, der Daten in der digitalen Wirtschaft zukommt.8 Dieser Wert lässt sich in zweifacher Hinsicht fassen. Zunächst kann die Hingabe von Daten – in einer etwas schiefen Analogie gleich einer Währung – im Verhältnis zwischen Anbietern und Nutzern von Online-Diensten gleichsam die Gegenleistung für diese Dienste bilden. Darüber hinaus wird auch im Verhältnis B2B Handel mit den Daten getrieben, und Daten bilden die Grundlage für Rechtsbeziehungen in diesem Verhältnis.
A. Anbieter-Nutzer-Verhältnis (B2C) Der Wert der Daten zeigt sich zunächst im Verhältnis zwischen Webseitenbetreibern und privaten Nutzern. Die Internetökonomie ist durch Plattformmärkte9 geprägt.10 Auf diesen Märkten sind Daten ein essenzielles Gut für die Plattformbetreiber.11 Denn allein auf der Grundlage möglichst genauer Daten lassen sich die einzelnen Nutzergruppen zusammenführen. Für die Nutzer lassen sich Transaktionsund Suchkosten senken, wenn die Anbieter zunehmend mehr von ihren Interessen wissen und dadurch immer besser passende Angebote bereitstellen können.12 Die Dienstleistungen auf diesen Plattformen werden heute in vielen Fällen nicht mehr mit einem monetären Entgelt bezahlt. In der digitalen Wirtschaft findet eine Ablösung der durch Gegenleistung finanzierten Geschäftsmodelle durch solche statt,
interplay between data protection, competition law and consumer protection in the Digital Economy. Preliminary Opinion of the European Data Protection Supervisor, März 2014, S. 10. 7 Haucap, Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 77, S. 12, verweist darauf, dass die Nutzung von Daten – anders als die von Öl – nicht-ausschließbar ist. Daten können geteilt und weiterverbreitet werden, ohne dass die betroffene Person hiervon überhaupt etwas mitbekommen muss, geschweige denn dass sie diese – faktisch – unterbinden könnte. Vgl. auch Cecere et al., in: Palgrave Macmillan (Hrsg.), The New Palgrave Dictionary of Economics, 3. Aufl. 2018, S. 10755, 10756; Haucap, Data Protection and Antitrust: New Types of Abuse Cases? An Economist’s View in Light of the German Facebook Decision, CPI Antitrust Chronicle 2019, S. 2 f. Schepp/Wambach, J. Eur. Comp. L. & Prac. 7 (2016), 120, 121, weisen darauf hin, dass die Bezeichnung als „Währung des Internets“ nicht treffend ist, denn anders als eine Währung ist der Wert von Daten stark abhängig vom Kontext, ihrer Genauigkeit und ihrem Alter. 8 Costa-Cabral/Lynskey, The Internal and External Constraints of Data Protection on Competition Law in the EU (LSE Working Papers 25/2015), S. 12. 9 Dazu grundlegend Rochet/Tirole, J. Eur. Econ. Ass’n. 1 (2003), 990. 10 Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 32 – 35 (Rn. 34 – 44). 11 Damit gemeint ist allein der ökonomische Wert für den Anbieter ohne Rücksicht auf die – bislang ungeklärte – Frage des „Dateneigentums“, vgl. dazu Drexl, NZKart 2017, 339. 12 Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 29 f. (Rn. 25).
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Kap. 2: Vom Stellenwert des Datenschutzes
die aufmerksamkeits- und datenbasiert sind.13 Die Erhebung von Daten ermöglicht es, dass die Nutzung von Plattformmärkten für die Nutzer häufig nicht von der Zahlung eines (monetären) Entgelts abhängig ist.14 Gleichzeitig besteht häufig eine weitere Form der Gegenleistung der Nutzer in der aufgewandten Aufmerksamkeit für Werbung.15 Dass auf dieser Seite des Marktes keine Kostendeckung erreicht werden kann, stellt für das Funktionieren kein Hindernis dar, denn dies kann durch ein Entgelt16 in einem anderen Leistungsverhältnis17 des Anbieters ausgeglichen werden.18 Die erhobenen Daten sind vielseitig in ihrem Inhalt. Sie reichen von den Informationen, die bei der Registrierung angegeben werden, über solche, die bei der Nutzung anfallen,19 bis hin zu Daten über die Nutzung anderer Internetseiten.20 Die Daten lassen sich einteilen in direkte und indirekte Daten beziehungsweise Metadaten.
13 Dewenter/Lüth, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 9, 10. 14 Dementsprechend wurde durch die 9. GWB-Novelle § 18 Abs. 2a GWB neu eingeführt, wonach die unentgeltliche Erbringung der Leistung nicht der Annahme eines Marktes entgegensteht. Die Entgeltlichkeit ist somit keine notwendige Bedingung für die Annahme eines Marktes, Pohlmann/Wismann, NZKart 2016, 555, 556 f. 15 Dewenter/Lüth, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 9, 10. Daher ist es auch nicht richtig, den Plattformen die Qualität als zweiseitige Märkte abzusprechen, wie dies etwa N. Newman, Yale J. on Reg. 31 (2014), 401, 406, tut. Zwar profitieren die Nutzer nicht direkt von der Anwesenheit der Werbenden auf den Plattformen. Gleichwohl ist das dauerhafte und entgeltfreie Anbieten der Plattform auf der Nutzerseite nur möglich, wenn auf der anderen Seite ein monetäres Entgelt gezahlt wird. 16 Mitunter ist das unmittelbare Ziel zunächst gar nicht die Monetarisierung auf der anderen Marktseite. Vielmehr kann es den Plattformbetreibern darum gehen, auf der Nachfragerseite zu wachsen (und diese Größe später zu monetarisieren) oder einen Standard zu etablieren (und aufgrund dieses Standards später einen umso größeren Umsatz zu generieren), Laitenberger, EU Competition Law in Innovation and Digital Markets (Rede vom 10. 10. 2017), S. 10. 17 Hierunter fallen etwa die Preise, die Anzeigenkunden zahlen oder – zum Beispiel bei Verkaufsplattformen wie Ebay – die Gebühren, die Verkäufer auf diesen Plattformen zahlen. 18 Podszun, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 1, Rn. 3. 19 Vgl. beispielhaft Facebook, Datenrichtlinie, Stand: 21. 08. 2020, abrufbar unter: https: //de-de.facebook.com/policy.php; Google, Datenschutzerklärung, Stand: 01. 07. 2021, abrufbar unter: https://policies.google.com/privacy?hl=de. 20 Facebook ermöglicht beispielsweise Dritten die Einbindung des „Gefällt mir“-Buttons auf deren Webseiten. Dies ist auf Nachrichtenseiten und Blogs (genauso wie ähnliche Buttons weiterer sozialer Medien) häufig anzutreffen. Dadurch können die Nutzer die Beiträge mit ihren „Facebook-Freunden“ teilen. Ein derart eingebundener „Gefällt mir“-Button ermöglicht Facebook auch die Erhebung von Daten über die Nutzung dieser Facebook-fremden Webseiten, vgl. Facebook, Datenrichtlinie, Stand: 21. 08. 2020, abrufbar unter: https://de-de.facebook.com/ policy.php.
§ 3 Daten als Wirtschaftsgut
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Direkte Daten sind solche, die direkt vom Nutzer stammen und die dieser bewusst teilt.21 Beispielsweise macht ein Nutzer bestimmte Angaben zu seiner Person, wenn er sich bei Facebook anmeldet, er lädt dort Fotos hoch oder markiert Beiträge seiner „Freunde“ mit der Funktion „Gefällt mir“. Anders verhält es sich bei indirekten Daten beziehungsweise Metadaten. Das sind Daten, die aus der Beobachtung des Nutzungsverhaltens gewonnen werden.22 Derlei Daten werden nicht durch den Nutzer bereitgestellt, sondern allein durch den Betreiber der Webseite erhoben.23 Facebook gelingt es aufgrund dieser indirekten Daten etwa, Präferenzen des Nutzers festzustellen. Hierdurch kann die Timeline, also der Kern der Seite, immer mehr entsprechend den Nutzerwünschen angepasst werden.24 Es wird gleichfalls möglich, dem Nutzer für ihn (mutmaßlich) besonders interessante Werbeanzeigen zu schalten. Diese Anzeige von maßgeschneiderter Werbung nennt sich Targeted Advertising.25 Eine besondere Form der Datenverarbeitung ist schließlich die Verknüpfung bereits erhobener Daten verschiedener Dienste eines Anbieters untereinander. Google26 und Facebook teilen etwa in ihren Datenschutzerklärungen mit, dass sie die personenbezogenen Daten mit anderen personenbezogenen Daten, die sie in ihren jeweiligen anderen Diensten erhoben haben, verknüpfen.27 Hierdurch können umfassende Profile erstellt werden, decken doch die Dienste dieser beiden Anbieter viele Lebensbereiche ab: Facebook bietet neben dem sozialen Netzwerk beispielsweise Messenger-Dienste (WhatsApp und Facebook Messenger), einen Bilderdienst (Instagram) und „Virtual Reality“-Produkte (Oculus) an.28 Das Portfolio von Google erstreckt sich von der Google-Suche29 über einen E-Mail- (Gmail) und einen VideoDienst (Youtube) bis hin zu einem – mittlerweile eingestellten – sozialen Netzwerk (Google+). Die umfassenden Profile über die betroffenen Personen lassen sich – 21 Graef, W. Comp. 38 (2015), 473, 475 f.; Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 347; R. Weber, ZWeR 2014, 169, 172. 22 Graef, W. Comp. 38 (2015), 473, 475 f.; Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 347; R. Weber, ZWeR 2014, 169, 172. 23 Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 347. 24 Die angezeigten Meldungen in der Timeline hängen etwa von der Häufigkeit der Interaktion mit bestimmten „Freunden“ ab, vgl. Facebook, „So funktionieren die Neuigkeiten“, abrufbar unter: https://www.facebook.com/help/327131014036297. 25 Vgl. Fast/Schnurr/Wohlfarth, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 745, 756 – 769 (Rn. 20 – 28). 26 Mit Google sind im Rahmen dieser Arbeit sowohl die Google LLC und ihre Tochtergesellschaften sowie die durch diese angebotenen Produkte als auch die Holding-Gesellschaft Alphabet Inc. gemeint. 27 Facebook, Datenrichtlinie, Stand: 21. 08. 2020, abrufbar unter: https://de-de.facebook. com/policy.php; Google, Datenschutzerklärung, Stand: 01. 07. 2021, abrufbar unter: https://poli cies.google.com/privacy?hl=de. 28 Vertieft zum Produktportfolio von Facebook u. § 5.C.I.4.b)bb)(1). (S. 203 f.). 29 Hier untergliedert sich das Portfolio noch einmal in die „horizontale“ Text-Suche sowie die spezialisierten Bilder-, Nachrichten-, Produkt- und Bücher-Suchdienste.
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Kap. 2: Vom Stellenwert des Datenschutzes
durch Personalisierung der Angebote und der Werbung – auch wieder für die anderen Diensten der Anbieter nutzen.30
B. Märkte für Daten (B2B) Die einmal von den Nutzern erhobenen personenbezogenen Daten stellen auch Wirtschaftsgüter im Verhältnis zwischen Unternehmen dar. Hier sind sie Gegenstand von Leistungsbeziehungen. Auf vielen Plattformmärkten findet allein in diesem Verhältnis die Monetarisierung durch den Plattformbetreiber statt.31 Die dergestalt erlangten Informationen können dann zur Erstellung zielgerichteter Werbung eingesetzt werden. Hierfür sollen die Nutzer individuell nach ihren Bedürfnissen ausgewählte Werbung angezeigt bekommen. Dies ist – bezogen auf Suchmaschinen – Ergebnis einer längeren Entwicklung. 1997 nahm die Suchmaschine GoTo32 den Betrieb auf. Mit dieser wurde erstmals erfolgreich ein Geschäftsmodell eingeführt, bei dem die Werbekunden den Suchmaschinenbetreiber nur dann bezahlen mussten, wenn die Nutzer die Anzeige tatsächlich anklickten (pay per click).33 GoTo war daher daran interessiert, dass die Werbung besonders relevant für das (Such-)Interesse des Nutzers war. Dieses Prinzip übernahm – das relativ spät in den Markt eingetretene34 – Google. Für die Vermittlung der Werbeplätze werden hier Auktionen eingesetzt. Auch hier muss für den Werbeplatz nur gezahlt werden, wenn der Nutzer die Werbung tatsächlich angeklickt hat.35 Zusätzlich zur Vermittlung von Werbeflächen in der eigenen Google-Suche (AdWords) bietet Google dritten Webseitenbetreibern mit AdSense ein ähnliches Verfahren an. Hierdurch können Werbeflächen auf den Seiten dieser Betreiber vermarktet werden.36 Darüber hinaus können die gesammelten Daten auch als Gegenstand von Austauschbeziehungen im Rahmen von Datenhandel dienen. Die einmal gesammelten Daten werden von den Webseitenbetreibern weiterverkauft. Gerade hierin zeigt sich der ökonomische Wert der Daten, werden sie doch sogar zum Gegenstand monetärer Austauschbeziehungen gemacht. 30 Dazu kommt bei Google noch, dass das Unternehmen die Werbedienstleistungen AdSense und AdWords betreibt. Hierdurch werden Werbeflächen im Rahmen der Google-Suche (AdWords) und auf Webseiten Dritter (AdSense) vermarktet. Auch hier kann Google die erhobenen und verknüpften Daten gezielt nutzen für die Personalisierung der Werbung. 31 Ziel des Plattformbetreibers kann es aber auch sein, dass auch hier (vorerst) keine Monetarisierung erfolgt, vgl. Kap. 2 Fn. 16. 32 GoTo wurde später in Overture umbenannt und schließlich 2003 von Yahoo gekauft, vgl. Vanberg, EJLT 3 (2012), 1, 3. 33 Vanberg, EJLT 3 (2012), 1, 3. 34 Vanberg, EJLT 3 (2012), 1, 4. 35 Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 61 (Rn. 118). 36 Vanberg, EJLT 3 (2012), 1, 4.
§ 4 Konflikte um den Datenschutz
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Daten sind schließlich auch äußerst heterogene Güter.37 Die Arten der geteilten Daten sind mannigfaltig, reichen etwa von Daten über die Person über geteilte Fotos bis hin zu Suchanfragen. Aufgrund dieser Heterogenität kann nicht angenommen werden, dass ein einziger Markt für jedes beliebige Datum existiert;38 es gibt vielmehr eine große Zahl von Teilmärkten für die unterschiedlichsten Daten.
§ 4 Konflikte um den Datenschutz Dieses große Ausmaß der Datenerhebung und die ebenfalls große Bandbreite der Verwendungsmöglichkeiten für Daten bringen es mit sich, dass der Datenschutz im Zentrum vieler Konflikte steht.
A. Argumente für ein niedriges Datenschutzniveau Argumente für ein möglichst niedriges Datenschutzniveau orientieren sich an einer strikt ökonomischen Betrachtung und finden sich vor allem bei den Vertretern der Chicago School. Privatheitsschutz wird hier als Hindernis für einen möglichst effizienten Markt angesehen.39 Durch Berufung auf zu schützende private Daten würden potenziell (vertrags-)relevante Informationen der Gegenseite gegenüber nicht offenbart.40 Dies sei auf die Nichtberücksichtigung externer Effekte durch die Nutzer zurückzuführen, da diese allein ihre eigenen Kosten und Nutzen der Offenbarung abwägten, ohne den sozialen Nutzen miteinzubeziehen.41 Positive Externalitäten blieben bei der Abwägung damit außer Betracht,42 ebenso wie negative. Dem Wohlfahrtsgewinn durch die Datenoffenbarung stünden sie gleichgültig gegenüber. Dies führe zu einem ineffizient niedrigen Maß an offenbarten Informationen.43
37 Dewenter/Lüth, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 9, 14. 38 Dewenter/Lüth, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 9, 14. 39 So bereits Posner, Am. Econ. Rev. 71 (1981), 405, 406 – 408. Vgl. auch die übersichtliche Darstellung bei Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 450 f., sowie Budzinski/ Grusevaja, in: Seufert (Hrsg.), Media Economics revisited, 2017, S. 35, 37. 40 So bereits Posner, Ga. L. Rev. 12 (1978), 393, 399 f.; Posner, Am. Econ. Rev. 71 (1981), 405, 405 f. 41 Dold/Krieger, in: Friedewald/Lamla/Roßnagel (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel, 2017, S. 181, 188 f. 42 Graef, W. Comp. 38 (2015), 473, 484. 43 Dold/Krieger, in: Friedewald/Lamla/Roßnagel (Hrsg.), Informationelle Selbstbestimmung im digitalen Wandel, 2017, S. 181, 188 f.
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Andererseits wird aber auch eingewandt, ein „schlechter“ Datenschutz führe dazu, dass die Nutzer das Vertrauen in die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen verlören. Aufgrund des fehlenden Vertrauens würden Transaktionen nicht vorgenommen, die bei einem ungestörten Vertrauensverhältnis sehr wohl stattfinden würden. Hieraus resultierten wiederum Wohlfahrtsverluste.44
B. Argumente für ein hohes Datenschutzniveau I. Datenschutz als Grundrechtsschutz In einem deutlichen Spannungsverhältnis zu diesen an ökonomischen Erwägungen orientierten Gesichtspunkten steht die Ausgestaltung des Datenschutzes als Grundrecht.45 Dies verbietet es, den Menschen als bloßes Objekt, als ökonomische Größe zu behandeln.46 Eine Ausgestaltung der Datenordnung ohne Berücksichtigung des grundrechtlichen Charakters verbietet sich daher.47 Darüber hinaus ist funktionierender Datenschutz eine Grundvoraussetzung für die Ausübung einer Vielzahl anderer Grundrechte, da Grundrechtsträger aus Angst vor einem Kontrollverlust über die eigenen Daten von der Ausübung ihrer Rechte abgeschreckt werden könnten.48 Ist die (unkontrollierte) Überwachung der Grundrechtsausübung zu befürchten, so könnten die Grundrechtsträger von ebendieser Ausübung zurückschrecken. In letzter Konsequenz ist der Datenschutz damit Grundbedingung demokratischer Teilhabe.49
II. Nutzerpräferenzen Hinzu kommen die individuellen Präferenzen der Nutzer, die über bloße wirtschaftliche Effizienzen hinausgehen. Dies bedeutet zunächst, dass sich ein generelles ungutes Gefühl einstellt, wenn Daten offenbart werden (müssen).50 In einem solchen Fall ist es schon ein Wert an sich, wenn die ungewollte Erhebung, Verbreitung, Nutzung oder Weitergabe von Informationen durch Maßnahmen des Datenschutzes verhindert wird. Umgekehrt bedeutet der rechtswidrige Umgang mit ihren Daten für 44
Ezrachi/Stucke, Virtual Competition, 2016, S. 242 – 244. Vgl. hierzu o. § 2.A.I. (S. 31 – 33). 46 Herdegen, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 55. EL 2009 (Werkstand 95. EL 2021), Art. 1 Abs. 1 Rn. 36. 47 Vgl. zur Anwendung von GG, EMRK und GR-Charta auf den Datenschutz Timmermann, DÖV 2019, 249, 257 – 260. 48 So bereits BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983, Volkszählung, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 43; Timmermann, DÖV 2019, 249, 251 f. 49 Westin, Privacy and Freedom, 1969 (Neuauflage 2015), S. 25 – 28. 50 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 251 f. 45
§ 4 Konflikte um den Datenschutz
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manche Verbraucher eine tiefe Beeinträchtigung oder Belästigung. Viele Nutzer legen auch Wert auf Datensparsamkeit. Ökonomisch betrachtet stellt der Datenschutz für diese Verbraucher ein Konsumgut dar.51 Diese – abstrakte – Wertschätzung wird zusätzlich aufgewertet durch eine steigende Zahl an Fällen des Missbrauchs von Daten.52 Durch diese sinkt das Sicherheitsgefühl der Nutzer noch zusätzlich. Hinzu kommt, dass Schutzvorkehrungen53 den systematischen Nachteil haben, dass sie gegenüber den zunehmenden Bedrohungen relativ schwach sind, denn viele Gefahren werden erst erkannt, wenn sie sich bereits verwirklicht haben. Die Wertschätzung der Nutzer für den Datenschutz zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass sie bereit sind, einen Preis für einen besseren Schutz zu zahlen, was auch experimentell nachgewiesen werden konnte.54
III. Intransparente Einwilligungserklärungen Ein weiteres grundlegendes Problem der Handhabung des Datenschutzes sind intransparente Einwilligungserklärungen, die dadurch für die privaten Nutzer unzugänglich sind. Art. 4 Nr. 11 DS-GVO bestimmt, dass eine Einwilligung eine (unter anderem) in informierter Weise abgegebene Willensbekundung ist.55 Eine solche informierte Einwilligung kommt häufig aber einer bloßen Fiktion gleich: Datenschutzerklärungen haben oft einen derartigen Umfang, dass die wenigsten Verbraucher sie tatsächlich lesen.56 Die „Datenrichtlinie“ von Facebook57 etwa umfasst sieben Druckseiten,58 die von Google59 ist 34 Seiten lang. Sie sind beide zusätzlich in
51 Konsumgüter sind ein finaler Zweck, nach dem Verbraucher streben. Die Bedürfnisbefriedigung liegt hier also gerade im Datenschutz. Demgegenüber sind Produktionsgüter solche Güter, die der Herstellung von Konsumgütern dienen. Der Datenschutz kann beide Formen annehmen, was ökonomisch betrachtet eine seiner vielen Besonderheiten ist, Acquisti/Taylor/ Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 445. A. A. Posner, Ga. L. Rev. 12 (1978), 393, 394, mit dem Argument, eine ökonomische Analyse eines Konsumguts als „Geschmack“ („taste“) des Verbrauchers sei nicht möglich. 52 Das betrifft etwa den Diebstahl digitaler Identitäten und Identitätsmissbrauch sowie Verletzungen der Datensicherheit („data breaches“), vgl. Bundeskriminalamt, Cybercrime. Bundeslagebild 2020, 2021, S. 12 f. 53 Sogenannte Privacy Enhancing Technology (PET). 54 Tsai et al., Inf. Syst. Res. 22 (2011), 254. 55 Dazu Ernst, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 4 DS-GVO, Rn. 79 – 86. 56 Pollmann/Kipker, DuD 2016, 378, 378 f.; Specht, JZ 2017, 763, 766. 57 Facebook, Datenrichtlinie, Stand: 21. 08. 2020, abrufbar unter: https://de-de.facebook. com/policy.php. 58 Hinzu kommen zahlreiche Verlinkungen auf andere (Unter-)Seiten, sodass die Erfassung der „Datenrichtlinie“ zusätzlich erschwert wird.
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Kap. 2: Vom Stellenwert des Datenschutzes
einer sehr abstrakten Sprache gehalten, die für die meisten Nutzer unverständlich ist. Hinzu kommt in beiden Fällen, dass sich in den Erklärungen eine Vielzahl von Links zu weiteren Unterseiten der Unternehmen finden. Dort werden einzelne Punkte noch eingehender erklärt. Es ist einem Verbraucher kaum möglich, sich in einem überschaubaren Zeitraum einen Überblick über den Umfang seiner Einwilligung zu verschaffen.60 Die Grundlage einer erteilten Einwilligung ist damit höchst zweifelhaft. Hinzu kommt, dass die Intransparenz der Einwilligungserklärungen einhergeht mit der Verschiebung des Anwendungsbereichs des Datenschutzrechts vom Schutz des Einzelnen gegenüber staatlicher Überwachung hin zum Schutz vor Daten verarbeitenden Unternehmen. Damit verbunden ist nämlich die schleichende Ersetzung des Gesetzesvorbehalts im Verhältnis vom Staat zum Bürger durch die Einwilligung.61 Damit sind die Voraussetzungen rechtmäßiger Datenverarbeitung kategorisch andere geworden. Dies mag es erforderlich machen, die Durchsetzung und Stärkung des Datenschutzes unabhängiger von solchen – zweifelhaften – Einwilligungserklärungen zu machen.62 Art. 25 Abs. 1 DS-GVO greift diesen Gedanken auf, indem das Datenschutzrecht zu technischen und organisatorischen Maßnahmen verpflichtet, die die Datenschutzgrundsätze wirksam umsetzen sollen (privacy by design).63
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Google, Datenschutzerklärung, Stand: 01. 07. 2021, abrufbar unter: https://policies.goo gle.com/privacy?hl=de. 60 Um die Unmöglichkeit der informierten Einwilligung zu veranschaulichen wird oftmals die Zeit berechnet, die ein privater Nutzer jährlich angeblich einsetzen müsste, um alle Datenschutzerklärungen tatsächlich zu lesen, denen man zustimmt. Bereits 2008 berechnete eine Studie eine Dauer von 201 Stunden, McDonald/Cranor, I/S: J. L. & Pol’y for Info. Soc’y 4 (2008), 543, 565. Über die hier angeführten Punkte hinaus kann auch die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens zur faktischen Wirkungslosigkeit von Einwilligungserklärungen führen, Steinrötter, EWS 2018, 61, 65. S. zur Unwirksamkeit der Einwilligung wegen der marktbeherrschenden Stellung des Datenverarbeiters BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 646; s. u. § 5.C.I.4.b)cc)(4)(d) (S. 217 – 221). 61 Lepsius, WuW 2020, 566, 566 f. 62 Clifford/Graef/Valcke, Ger. L. J. 20 (2019), 679. Einem anderen Ansatz folgen etwa die USA, in denen der Datenschutz gesetzlich nur rudimentär geregelt ist. Dort sind die Unternehmen aufgrund der Praxis der FTC dazu verpflichtet, Datenschutzerklärungen bereitzustellen. Der Inhalt der Erklärungen ist hingegen nicht kontrollierbar, die Ausübung der Rechte in der Erklärung durch die Unternehmen nur insoweit, als es sich um täuschende oder unfaire Praktiken handelt. Damit haben die Unternehmen einen weiten Handlungsspielraum, vgl. Esteve, Int’l. Data Privacy L. 7 (2017), 36, 38. Hierin dürfte auch der Grund dafür liegen, dass die (im Grundsatz von vielen Unternehmen weltweit einheitlich verwendeten, vgl. ebd. S. 37) Datenschutzerklärungen einen derart beträchtlichen Umfang erreichen: Die Unternehmen versuchen hierin alle möglichen Eventualitäten abzusichern. Vgl. aber auch Coates, Competition Law and Regulation of Technology Markets, 2011, Rn. 9.112 – 9.122, insbesondere Rn. 9.119. 63 Jandt, DuD 2017, 562, 378 f.
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Hinzu kommt noch, dass die Nutzer den Wert ihrer Daten praktisch nicht einschätzen können. Auf Märkten, auf denen die „Zahlung“ mit Daten an Stelle eines Preises tritt, ist es für sie damit nicht möglich, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung richtig zu bewerten.64
IV. Das Privacy Paradox Es lässt sich beobachten, dass Internetnutzer regelmäßig eine besondere Wertschätzung für den Datenschutz ausdrücken, wenn sie abstrakt danach gefragt werden. In ihrem praktischen Handeln im Internet scheinen sie diese Grundsätze jedoch weitgehend aufzugeben und sind deutlich freizügiger mit ihren Daten, als sie dies vorab erklärt hatten.65 Dieser Effekt ist das sogenannte Privacy Paradox.66 Das Handeln der Verbraucher ist scheinbar67 paradox, wenn sie ihrem tatsächlichen Handeln nicht ihre abstrakt kundgegebenen Grundsätze zugrunde legen. Eine Erklärung für das Privacy Paradox könnte sein, dass die Internetnutzer permanent Trade-Offs gegenüberstehen.68 Sie müssen die Vor- und Nachteile der Informationsfreigabe abwägen, die materieller oder immaterieller Natur sein können.69 Wenn die Verbraucher also abstrakt dem Datenschutz eine besonders große Bedeutung beimessen, so mag sich diese Wertschätzung ändern, wenn es für sie gilt, ihn mit anderen Gütern – etwa dem Zugang zu Informationen oder zu einem sozialen Netzwerk – abzuwägen. Eine andere Erklärung für das Privacy Paradox ist, dass die Nutzer auf die Verwendung dateninvasiver Dienste angewiesen sind, weil es ihnen an Alternativen mangelt.70 Der Einsatz von datenschützenden Technologien oder der Verzicht auf dateninvasive Anwendungen ist außerdem ebenfalls mit Opportuni-
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Budzinski/Stöhr, ECJ 15 (2019), 15, 25. Athey/Catalini/Tucker, The Digital Privacy Paradox, Juni 2017. Der Niederschlag der Einstellung im Verhalten ist empirisch nachweisbar, wenn er auch gering ausfällt, Dienlin, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 305, 319 (Rn. 28). 66 Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 476 f.; Dienlin/Trepte, Eur. J. Soc. Psychol. 45 (2015), 285, 294 f.; Norberg/Horne/Horne, J. Consum. Aff. 41 (2007), 100, 118. 67 Scheinbar insoweit, als es sich mit den Erwägungen im folgenden Absatz erklären lässt. Es handelt sich daher nicht tatsächlich um ein Paradoxon. Diesen Schluss ziehen freilich nicht alle Autoren, vgl. etwa Lucchini et al., J. Eur. Comp. L. & Prac. 9 (2018), 563, 564, mit weitreichenden Implikationen für die wettbewerbliche Bewertung des Datenschutzes. Dies wird an späterer Stelle noch einmal adressiert, u. § 5.C.I.3.c)dd)(2) (S. 173). 68 Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 477; Posner, Am. Econ. Rev. 71 (1981), 405, 405 f. S. auch Reyna, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 240, 243 – 245. 69 Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 447. 70 Stucke/Grunes, Big Data and Competition Policy, 2016, Rn. 5.24 – 5.37. 65
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tätskosten verbunden, sodass auch deshalb ein Handeln entgegen der geäußerten Einstellung rational sein kann.71
V. Preisdiskriminierung Durch die umfangreiche Sammlung von Daten über eine Person wird es Unternehmen leichter möglich, deren Reservationspreis abzuschätzen.72 Dies kann zu höheren Preisen führen. Aufgrund großer Datenmengen scheint es möglich, dass Preisdiskriminierungen73 vorgenommen werden.74 Unternehmen könnten dadurch etwa ihre Kunden nach deren individueller Zahlungsbereitschaft einteilen und von ihnen sodann entsprechende Preise verlangen. Es handelt sich in enem solchen Fall um negative externe Effekte der übermäßigen Datennutzung. Durch solche Preisdiskriminierungen ersten Grades75 werden besonders die Verbraucher beeinträchtigt, die einem Gut einen besonders hohen Wert beimessen. Auch eine Diskriminierung nach anderen Merkmalen könnte hierdurch ermöglicht werden.76 Effektiver Datenschutz kann dazu beitragen, derartige Diskriminierungen zu verhindern, indem die Menge an Daten, die erhoben werden und die als Grundlage der Diskriminierung dienen können, begrenzt wird.77
VI. Daten als Marktzutrittsschranke Die Sammlung großer Datenmengen kann schließlich auch marktverschließende Wirkung haben. Sie können eine Marktzutrittsschranke bilden.78 Daten werden breit erhoben; sie stammen aus vielen verschiedenen Quellen und haben mannigfaltige Informationsgehalte.79 Die Datensätze vieler Unternehmen stellen die Grundlage 71 Dienlin, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 305, 317 f. (Rn. 25). 72 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 252. 73 Vgl. zum Begriff der Preisdiskriminierung und zu deren verschiedenen Graden Miller, J. Tech. L. & Pol’y 19 (2014), 41, 44 – 47, 55 f. 74 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 252; Kerber, GRUR Int. 2016, 639, 641; Shelanski, U. Pa. L. Rev. 161 (2013), 1663, 1680. 75 Preisdiskriminierung ersten Grades bedeutet eine Differenzierung des Preises nach dem jeweiligen Reservationspreis der Verbraucher, vgl. Miller, J. Tech. L. & Pol’y 19 (2014), 41, 55. 76 So wird immer wieder über Fälle berichtet, in denen Bestellungen über mobile Geräte teurer waren als Bestellungen am PC, vgl. etwa Kannenberg, Preisdiskriminierung: Minister wollen Kunden besser schützen, 20. 04. 2016, abrufbar unter https://www.heise.de/-3178889. 77 Datenschutz ist dann im oben unter Kap. 2 Fn. 51 dargestellten Sinne ein Produktionsgut. 78 Shelanski, U. Pa. L. Rev. 161 (2013), 1663, 1680 f. 79 Graef, W. Comp. 38 (2015), 473, 483; Schepp/Wambach, J. Eur. Comp. L. & Prac. 7 (2016), 120, 121.
§ 4 Konflikte um den Datenschutz
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zum Teil sehr detaillierter Persönlichkeitsprofile dar.80 Dies wird durch das exponentielle Wachstum der Rechenleistung ermöglicht.81 Aufgrund der neu entstehenden Verwendungsmöglichkeiten für Daten82 stellt dieses Wachstum eine wesentliche Grundbedingung vieler Märkte dar.83 Können (potenzielle) Wettbewerber mit dergestalt gesammelten Daten nicht mithalten, so ist ihnen der Zugang zu dem Markt verschlossen.
C. Zwischenergebnis: zunehmende Datenschutzkonflikte Einer allein an ökonomischen Gesichtspunkten orientierten Betrachtung des Datenschutzes stehen gewichtige Argumente entgegen. Um den Datenschutz verlaufen verschiedene Konfliktlinien. Unterschiedliche Ansätze zur Auflösung dieser Konfliktlinien sollen im folgenden Kapitel thematisiert werden.
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Big Data wird häufig durch das Vorliegen der drei „V“s definiert, nämlich volume, velocity und variety, vgl. Schepp/Wambach, J. Eur. Comp. L. & Prac. 7 (2016), 120; Davilla, J. Eur. Comp. L. & Prac. 8 (2017), 370, 371. Volume bedeutet die schiere Menge an Daten, velocity die Geschwindigkeit, mit der diese erhoben werden, und variety die Bandbreite der Daten. Zum Teil wird noch ergänzend der Wert der Daten mit value als viertem „V“ hierzu gerechnet, vgl. J.-P. Schneider, in: Körber/Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 113, 116. Die vier Dimensionen von Big Data werden anschaulich beschrieben von Stucke/ Grunes, Big Data and Competition Policy, 2016, Rn. 2.01 – 2.28. 81 Shelanski, U. Pa. L. Rev. 161 (2013), 1663, 1678. 82 Vgl. oben S. 37. 83 Shelanski, U. Pa. L. Rev. 161 (2013), 1663, 1678.
Kapitel 3
Datenschutz im Kartellrecht In diesem Kapitel wird untersucht, ob der Datenschutz ein Faktor in der Kartellrechtsanwendung sein kann und sollte. Dabei ist, wie bereits zuvor dargestellt, strukturell zwischen der Durchsetzung des Datenschutzrechts und der Forcierung strengerer Datenschutz-Standards mit den Mitteln des Kartellrechts zu unterscheiden. Diese Unterscheidung spiegelt sich auch im Aufbau dieses Kapitels wider. In § 51 wird zunächst die Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts mit den Mitteln des Kartellrechts untersucht. In § 62 geht es hingegen um die kartellrechtliche Schaffung und Durchsetzung strengerer Datenschutz-Standards, das bedeutet: darum, ob es Kartellbehörden und -gerichten gestattet ist, besondere Anforderungen an den Datenschutz von Unternehmen zu stellen, ohne dafür eine Grundlage im Datenschutzrecht zu haben.
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht Dem Einsatz des Kartellrechts muss eine kartellrechtliche Ratio immanent sein. Dies ist zwingende Voraussetzung jeder Kartellrechtsanwendung. Dieses darf nicht für die Verfolgung anderer Zwecke eingesetzt werden. Diese Unterscheidung wird teilweise jedoch nicht vorgenommen, und eine „kartellrechtliche Lösung“ wird gerade damit begründet, dass das Datenschutzrecht Lücken aufweise.3 Zunächst wird im Folgenden die Durchsetzung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen de lege lata in der gebotenen Kürze dargestellt werden, um die Argumentation mit datenschutzrechtlichen „Lücken“ zum einen zu verstehen, diese zum anderen aber auch nötigenfalls zurückweisen zu können. Dazu kommt der rein rechtstatsächliche Befund, der auch hier vertreten wird, dass eine Diskussion um den Einsatz des Kartellrechts dann tatsächlich überflüssig wäre, sollten sich die anderen Wege, um Datenschutzrecht durchzusetzen, als ausreichend erweisen. Dann würde
1
S. 48 – 266. S. 267 – 286. 3 Vgl. etwa Harbour, Dissenting Statement in the Matter of Google/DoubleClick, FTC File No. 071 – 0170, 20. 12. 2007, S. 10. 2
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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der zusätzliche Einsatz des Kartellrechts (bestenfalls überflüssige) Doppelstrukturen entstehen lassen. Daher soll im Folgenden zunächst untersucht werden, ob es jedenfalls rechtspolitisch einen Bedarf an der Anwendung des kartellrechtlichen Instrumentariums gibt. Danach sollen aus kartellrechtlicher Sicht Grund und Grenzen dieser Anwendung untersucht werden. Daher wird im Folgenden zunächst die Durchsetzung des Datenschutzrechts dargestellt, wobei zwischen behördlicher (A.I.) und privater Rechtsdurchsetzung (A.II.) zu unterscheiden ist. Kann dadurch festgestellt werden, dass die Rechtsdurchsetzung defizitär ist, soll dieser Feststellung das Instrumentarium des Kartellrechts gegenübergestellt worden. Es wird herausgearbeitet werden, inwieweit das Kartellrecht geeignete Mechanismen bereithält, die zur Beseitigung der Defizite dienen können (B.). Wenn damit ebenso das Bedürfnis nach einer weitergehenden Rechtsdurchsetzung genauso konstatiert ist wie auch die Möglichkeit des Kartellrechts, hier zumindest prinzipiell Abhilfe zu schaffen, soll schließlich als Schwerpunkt dieses Abschnitts das Augenmerk auf die Zulässigkeit des Einsatzes des Kartellrechts gerichtet werden (C.).
A. Die Durchsetzung des Datenschutzrechts – bedarf es des Kartellrechts? Das Datenschutzrecht wird sowohl öffentlich-rechtlich durch die Datenschutzbehörden durchgesetzt, als auch durch privatrechtlich organisierte Verbände und Wettbewerber aufgrund des UKlaG beziehungsweise des UWG. Für Betroffene, das heißt die bei der Datenverarbeitung identifizierten beziehungsweise identifizierbaren natürlichen Personen4, bestehen spezielle Anspruchsgrundlagen in der DS-GVO.
I. Public enforcement Das Datenschutzrecht wird vorrangig durch originär datenschutzrechtliche Normen5 geschützt. Wichtigste Rechtsquellen sind hier die DS-GVO und das BDSG, wobei es noch eine Reihe an Spezialgesetzen gibt.
4 5
Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. S. zu diesen o. § 2.A.I. (S. 31 – 33).
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
1. Von der Richtlinie zur Verordnung Das Datenschutzregime unter der DS-GVO vermittelt einen größeren Schutz als noch die Richtlinie von 1995. Das ist erklärtes Ziel der DS-GVO6 und entspricht auch der gewählten Handlungsform als Verordnung7. Die Richtlinie war hingegen von einem dezentralen Kontrollsystem geprägt.8 Eine wesentliche Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Datenschutzrechts erfolgte in räumlicher Hinsicht durch den Übergang vom Territorial- und Niederlassungsprinzip der Richtlinie zum Marktortprinzip der DS-GVO. Das Niederlassung-9 und das Territorialprinzip10 führten bei international agierenden Unternehmen häufig zur Unanwendbarkeit der Richtlinie, weil die Datenverarbeitung durch multinationale Konzerne oft in nicht zur Union gehörenden Ländern stattfindet. Dadurch waren diese Konzerne formell nicht Adressaten der Bestimmungen. Nur unter einer über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung11 von Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL war es dem EuGH in der Sache Google Spain möglich, zur räumlichen Anwendbarkeit der Richtlinie zu gelangen.12 Unter Beibehaltung des Niederlassungs-13 und des Territorialprinzips14 erweitert Art. 3 Abs. 2 DS-GVO den räumlichen Anwendungsbereich erheblich durch die Einführung des Marktortprinzips. Dadurch wird die Anwendbarkeit erweitert auf nicht in der Union niedergelassene Verantwortliche und Auftragsverarbeiter, die Daten von in der Union befindlichen Personen verarbeiten, wenn dies damit in Zusammenhang steht, den Betroffenen Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Dies führt zu einer weiten Anwendbarkeit der DS-GVO auch auf global agierende Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU.15 6
Vgl. Erwägungsgrund 10 der DS-GVO. Vgl. Art. 288 UAbs. 2 AEUV. 8 Kamann, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 59, 74. 9 Art. 4 Abs. 1 lit. a und lit. b DS-RL. Hiernach kam es auf die Datenverarbeitung im Rahmen der Tätigkeit einer Niederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates bzw. zumindest auf die Anwendbarkeit des Rechts des Mitgliedstaates an dem Ort der Datenverarbeitung an. 10 Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL. Ohne Rücksicht auf den Ort der Niederlassung des Verantwortlichen war die DS-RL anzuwenden, wenn der Verantwortliche auf Mittel in der Union zurückgriff. 11 So Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU, 2017, Teil 3, Rn. 31. 12 EuGH, Urt. v. 13. 05. 2014, Google Spain, Rs. C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317, Rn. 42 – 60. 13 Art. 3 Abs. 1 DS-GVO. Es ist jedoch zu beachten, dass Erwägungsgrund 22 die extensive Auslegung durch den EuGH in Google Spain wieder begrenzt: „Eine Niederlassung setzt die effektive und tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch eine feste Einrichtung voraus.“ Vgl. Rüpke/von Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, § 9 Rn. 2. 14 Art. 3 Abs. 3 DS-GVO. 15 Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU, 2017, Teil 3, Rn. 35. 7
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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Materiell übernahm die Verordnung viele Teile der Richtlinie. Neu sind vor allem das Recht auf Vergessenwerden16 und auf Datenübertragbarkeit17. Deutlich verschärft wurde das Sanktionssystem. 2. Die Durchsetzung und das Sanktionsrecht im Besonderen Unter der Richtlinie wurde den Mitgliedstaaten ein weiter Spielraum gelassen für Sanktionen gegen Datenschutzverstöße. Die Richtlinie enthielt lediglich eine nichtspezifizierte Sanktionsregelung, wonach die Sanktionen des mitgliedstaatlichen Rechts lediglich geeignet sein mussten, „um die volle Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie sicherzustellen“.18 Eine unterschiedlich strenge Handhabung war die Folge. Die mitgliedstaatlichen Regelungen fielen zum einen unterschiedlich aus. Dazu kam noch eine unterschiedliche Vollzugspraxis der Behörden. In Deutschland zum Beispiel war die Bußgeldpraxis der Behörden von Zurückhaltung geprägt.19 Diese hatte ihren Ursprung bereits in der vergleichsweise niedrigen Bußgeldhöhe von 50.000 Euro für formelle und 300.000 Euro für materielle Verstöße.20 Generell wurden verwaltungsrechtliche Mittel eher selten eingesetzt.21 Die DS-GVO brachte eine wesentliche Verschärfung dieser Sanktionsmechanismen mit sich. Die Sanktionen bleiben gleichwohl hinter den Möglichkeiten, die den Kartellbehörden zur Verfügung stehen, zurück. Das Kartellrecht diente als Vorbild für das Sanktionsrecht der DS-GVO. Nach Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO können, je nach Art des Verstoßes, Geldbußen von bis zu 10 Millionen Euro (für formelle Verstöße) beziehungsweise bis zu 20 Millionen Euro (für materielle Verstöße), alternativ in Höhe von bis zu 2 beziehungsweise bis zu 4 Prozent des Gesamtjahresumsatzes, verhängt werden. Zur Berechnung des Gesamtjahresumsatzes ist auf die im Kartellrecht entwickelten Grundsätze zurückzugreifen.22 Entsprechend der Rechtslage im Kartellrecht haftet das Mutterunternehmen für Datenschutzverstöße des Tochterunternehmens, weil auch im Datenschutzrecht 16 Art. 17 DS-GVO. Dieses geht zurück auf die Entscheidung EuGH, Urt. v. 13. 05. 2014, Google Spain, Rs. C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317, Rn. 89 – 99. 17 Art. 20 DS-GVO. 18 Art. 24 DS-RL. 19 Linsenbarth/Schiller, WRP 2013, 576, 578; Weichert, VuR 2006, 377, 378. 20 § 43 Abs. 3 BDSG a. F. § 17 Abs. 4 OWiG erlaubte und erlaubt weiterhin die Überschreitung des gesetzlichen Höchstmaßes, damit der wirtschaftliche Vorteil des Täters überschritten wird. Unter engen Voraussetzungen erlaubte § 44 Abs. 1 BDSG a. F. auch strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen materielles Datenschutzrecht. 21 Weichert, VuR 2006, 377, 378. Zur Schwäche der behördlichen Praxis unter der Richtlinie allgemein auch Lüdemann/Wenzel, RDV 2015, 285, 287 – 291. 22 Ausführlich wurde dies bereits an anderer Stelle erörtert, Uebele, EuZW 2018, 440, 443 – 446. S. auch Louuven, in: FS Taeger, S. 725, 732 – 737.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Anknüpfungssubjekt der Haftung das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit ist.23 Zwar wird vorgebracht, für die Auslegung des Begriffs „Unternehmen“ sei auf die Legaldefinition in Art. 4 Nr. 18 DS-GVO zurückzugreifen.24 Dagegen spricht freilich, dass dieser vermeintliche Gleichlauf zwischen dem in Art. 83 DS-GVO verwendeten Begriff und der Legaldefinition in der englischen sowie einer Reihe anderer Sprachfassungen nicht besteht: Beispielsweise wird in der englischen Fassung der Begriff des „enterprise“ legaldefiniert; das Bußgeld hat sich hingegen an das „undertaking“ zu richten.25 Entscheidend für die Übertragung des kartellrechtlichen Unternehmensbegriffs spricht jedoch S. 3 des Erwägungsgrunds 150 der DS-GVO, der für den datenschutzbußgeldrechtlichen Unternehmensbegriff auf das Verständnis im Kartellrecht verweist.26 Der weite Unternehmensbegriff wird wohl auch von der Praxis zugrunde gelegt.27 Die DS-GVO nahm neben der Verschärfung des Bußgeldrechts weitere Elemente des Kartell(verfahrens)rechts auf. Genau wie dieses28 ist das Datenschutzrecht unionsrechtlich überformt und eine unionsweit einheitliche Anwendung damit zumindest im Grundsatz gesichert.29 Das in Art. 13 Kartellverfahrens-VO niederge-
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Uebele, EuZW 2018, 440, 442 f. Umfassend hierzu Hessel/Potel, K&R 2020, 654. Bergt, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 83 DS-GVO, Rn. 42; Faust/Spittka/Wybitul, ZD 2016, 120, 123 f.; Spindler, DB 2016, 937, 946 f. Tendenziell ebenso Paal, RDV 2020, 57, 60 f. 25 Uebele, EuZW 2018, 440, 443. 26 Erwägungsgrund 150 S. 3 lautet: „Werden Geldbußen Unternehmen auferlegt, sollte zu diesem Zweck der Begriff ,Unternehmen‘ im Sinne der Artikel 101 und 102 AEUV verstanden werden.“ 27 Vgl. Uebele, EuZW 2018, 440 mit Fn. 4 – 7, sowie Datenschutzkonferenz, Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen, 14. 10. 2019, S. 3. Zu diesem Konzept Paal, RDV 2020, 57. Auch die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL und der Conseil d’État legen den Unternehmensbegriff nach kartellrechtlichen Grundsätzen als wirtschaftliche Einheit aus, Gerhold, EuZW 2020, 849, 953. 28 Art. 3 Abs. 1 – 2 Kartellverfahrens-VO (Verordnung [EG] Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln). 29 Eine weitere bemerkenswerte Ähnlichkeit von Datenschutz- und Kartellrecht ist, dass beide Rechtsgebiete ihre Regelungszwecke durch bestimmte Prozesse erreichen sollen, anstatt ein festgelegtes Ergebnis zu definieren. Beide Rechtsgebiete setzen darauf, dass das sozial wünschenswerte Ergebnis (auch) dadurch erreicht wird, dass durch bestimmte Verfahren die Handlungsfreiheit der Akteure eingehegt wird, ohne gleichzeitig das erwünschte Ergebnis vorzuschreiben. Damit gemeint ist, dass einerseits im Datenschutzrecht der Datenschutz wesentlich durch Verfahren verwirklicht wird (vgl. nur das Konzept von privacy by design und privacy by default, o. § 4.B.III. [S. 44]). Andererseits ist im Kartellrecht der Wettbewerb als Findungsverfahren Schutzgut; grundsätzlich garantiert er nicht ein bestimmtes Marktergebnis. Dieser Befund stellt einen deutlichen Unterschied zum sogleich zu erörternden Lauterkeits- und zum allgemeinen Verbraucherschutzrecht dar, wo im Gegensatz dazu immer ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden soll. A. A. wohl Weidlich-Flatten, ZRP 2014, 196, 197. 24
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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legte (eingeschränkte)30 one stop shop-Prinzip hat eine strengere Parallelregelung (uneingeschränktes one stop shop-Prinzip) in den Bestimmungen zur federführenden Aufsichtsbehörde bei grenzüberschreitender Verarbeitung nach Art. 56 Abs. 1 DSGVO erfahren.31 Gleichwohl werden Durchsetzungsdefizite32 konstatiert.33 Diese sind – allgemein gesprochen – auf die fehlende Flexibilität des geltenden Rechts zurückzuführen, welche sich etwa darin zeigt, dass nicht zwischen den Charakteristika verschiedener Arten von Daten hinreichend unterschieden wird, sondern jedwedes personenbezogene Datum gleichbehandelt wird34 (Prinzip der Technikneutralität).35
II. Private enforcement Neben der behördlichen kommt die private Rechtsdurchsetzung durch die im Sinne von UKlaG und UWG Anspruchsberechtigten sowie durch die Betroffenen nach den Regelungen der DS-GVO in Betracht. 1. Betroffenenrechte Obgleich theoretisch mit einer Vielzahl an Ansprüchen und (Klage-)Rechten ausgestattet, nahmen die Betroffenen36 unter der Richtlinie ihre Rechte nur in Ausnahmefällen wahr.37 Dadurch dürfte die Befolgung der Regelungen des Datenschutzrechts durch die verarbeitenden Stellen nicht wesentlich beeinflusst worden sein. Ob die Betroffenen ihre Rechte unter der Verordnung vermehrt in Anspruch nehmen werden, bleibt abzuwarten, nachdem hier die Rechte noch erheblich weiter institutionalisiert und ausgebaut wurden. 30 Art. 13 Abs. 1 Kartellverfahrens-VO verpflichtet die Behörden nicht zur Einstellung des zweiten Verfahrens, sondern stellt die Einstellung lediglich in das Ermessen der Behörde, s. Schneider, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 13 VO Nr. 1/ 2003, Rn. 23. 31 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 299 f. 32 S. u. § 5.A.III. (S. 64 – 65). Zu den Defiziten allgemein Lindhorst, Sanktionsdefizite im Datenschutzrecht, 2010, S. 35 – 62. Die Ausführungen haben auch nach Inkrafttreten der DSGVO größtenteils noch Gültigkeit. 33 Hierzu kommen noch diverse Schwächen des materiellen Datenschutzrechts, deren Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Einen Überblick geben Buchner, in: FS Köhler, 2014, S. 51, 57, und Lindhorst, Sanktionsdefizite im Datenschutzrecht, 2010, S. 35 – 62. 34 Härting, BB 2012, 459, 460 – 463. 35 Lynskey, The Foundations of EU Data Protection Law, 2015, S. 23 – 26. 36 Vgl. zum Begriff der betroffenen Person nunmehr Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. 37 Das gilt insbesondere bei Streuschäden, bei denen die Beeinträchtigung des Einzelnen gering ist, Golla, Die Straf- und Bußgeldtatbestände der Datenschutzgesetze, 2015, S. 219 f.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO bildet den Kern der Rechtsstellung des Betroffenen im Datenschutzrecht.38 Das damit festgehaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt39 ist eines der Grundprinzipien des Datenschutzrechts.40 Die Betroffenenrechte im engeren Sinne sind im dritten Kapitel der DS-GVO normiert.41 Sie reichen von klassischen Informationsansprüchen42 bis hin zum Recht auf Vergessenwerden und zur Datenübertragbarkeit als genuin neue Instrumente,43 die durch die DS-GVO erstmals normiert wurden. Art. 23 DS-GVO beinhaltet eine Öffnungsklausel für die Mitgliedstaaten, aufgrund derer sie den Anwendungsbereich dieser Rechte unter bestimmten Voraussetzungen einschränken können; der deutsche Gesetzgeber hat hiervon in §§ 32 – 37 BDSG Gebrauch gemacht.44 Art. 77 – 79 DSGVO stellen dem Betroffenen Beschwerde- und Klagerechte zur Verfügung, welche durch das Recht auf Vertretung aus Art. 80 Abs. 1 DS-GVO45 flankiert werden. Schließlich besteht nach Art. 82 DS-GVO ein Schadensersatzanspruch, der – mit der DS-GVO neu eingeführt – neben materiellen auch immaterielle Schäden umfasst. Gegen eine Wahrnehmung dieser Rechte in spürbarem Umfang durch die Betroffenen spricht jedoch, dass die Betroffenen in aller Regel rational apathisch handeln46 und auf eine Geltendmachung ihrer Rechte verzichten, so sie diese denn überhaupt kennen. Dies liegt darin begründet, dass der Schaden und die Belästigungen durch Verletzungen des Datenschutzrechts für den Einzelnen selten wirklich spürbar sind, einem Vorgehen dagegen andererseits aber erhebliche Prozessrisiken gegenüberstehen.47 Selbst wenn es vereinzelt und vermehrt zu entsprechenden Klagen von Betroffenen kommt, so haben diese doch insgesamt einen geringen
38 Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU, 2017, Teil 3, Rn. 37; Buchner, in: FS Köhler, S. 51, 52. 39 Louven, Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, 2021, S. 323. Gegen diese Einordung Roßnagel, NJW 2019, 1, 4 f. (keine Prüfung durch Behörde im Einzelfall). 40 Buchner, in: FS Köhler, 2014, S. 51, 52. 41 Art. 12 – 23. 42 Art. 13 f. 43 Das „Recht auf Vergessenwerden“ wurde durch den EuGH, bevor es in der DS-GVO erstmalig normiert wurde, aus dem Widerspruchsrecht nach Art. 14 Abs. 1 lit. a DS-RL und dem Löschungsanspruch nach Art. 12 lit. b DS-RL hergeleitet, EuGH, Urt. v. 13. 05. 2014, Google Spain, Rs. C-131/12, ECLI:EU:C:2014:317, Rn. 89 – 99. 44 Kritisch dazu Reibach, in: Taeger (Hrsg.), Rechtsfragen digitaler Transformationen, 2018, S. 131, 138 – 140. 45 Demnach kann die betroffene Person einen Datenschutzverein mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragen. Dazu Neun/Lubitzsch, BB 2017, 2563, 2565 f. 46 von Lewinski, PinG 2013, 12, 13 f.; Pohl, PinG 2017, 85, 87. 47 Pohl, PinG 2017, 85, 87; Ritter/Schwichtenberg, VuR 2016, 95, 96. Zum Lauterkeitsrecht Hager, Streuschäden im Wettbewerbsrecht, 2011, S. 34 f.
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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Einfluss auf das Durchsetzungsniveau im Ganzen.48 Dies ist der Grund für die Stärkung kollektiver Rechtsschutzmöglichkeiten durch den Gesetzgeber.49
2. Ansprüche von Wettbewerbern Kontrovers diskutiert wird, ob Wettbewerber Ansprüche aus dem Datenschutzrechtsverstoß eines Konkurrenten herleiten können. Einerseits haben Wettbewerber unbestritten keinen Anspruch darauf, dass generell und unabhängig von der Wettbewerbssituation objektives Recht wie das Datenschutzrecht eingehalten wird. Andererseits kennt das UWG jedoch Ansprüche, die dazu führen können, dass Anspruchsgegner zumindest reflexhaft auch das Datenschutzrecht einhalten.50 In der Praxis besonders wichtig sind die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nach § 8 Abs. 1 UWG.51 Daneben treten der (praktisch freilich nur wenig bedeutsame)52 Schadensersatzanspruch nach § 9 S. 1 UWG53 sowie der Abschöpfungsanspruch nach § 10 UWG. Letzterer mag zwar auf dem Papier abschreckend wirken, doch auch er scheint in der Praxis weitgehend bedeutungslos.54 Das liegt zum einen daran, dass der Tatbestand häufig nur schwer nachzuweisenden Vorsatz voraussetzt.55 Zum anderen steht auf der Rechtsfolgenseite die Abführung des Gewinns an den Bundeshaushalt, was für einen potenziellen Kläger nur einen geringen Anreiz zur Klageerhebung darstellt.56 Daher wird der Anspruch auf Gewinnabschöpfung nur 48
Ritter/Schwichtenberg, VuR 2016, 95, 96. Siehe dazu § 5.A.II.3.a) (S. 61 – 64).Vgl. Ost, in: Schulte-Nölke/Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Hrsg.), Neue Wege zur Durchsetzung des Verbraucherrechts, 2017, S. 189, 195. Die Bekämpfung von sog. Summationsschäden ist eine typische staatliche Aufgabe, wie sie etwa auch aus dem Umweltrecht bekannt ist, vgl. von Lewinski, PinG 2013, 12, 15. 50 Vgl. aus der umfangreichen Fallpraxis nur KG, Beschl. v. 29. 04. 2011, Gefällt-mirButton, Az. 5 W 88/11, GRUR-RR 2012, 19; OLG München, Urt. v. 12. 01. 2012, Az. 29 U 3926/11, ZD 2012, 330 (m. Anm. M. Schröder); OLG Karlsruhe, Urt. v. 09. 05. 2012, Az. 6 U 38/11, NJW 2012, 3312 (m. Anm. J. Schneider); OLG Köln, Urt. v. 17. 01. 2014, Az. 6 U 167/ 13, NJW 2014, 1820. 51 Kritisch bezüglich der Eignung des lauterkeitsrechtlichen Instrumentariums, Abhilfe zu schaffen bei Verletzungen des Datenschutzrechts, Köhler, WRP 2019, 1279, 1284. 52 Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 9 Rn. 8. 53 Man beachte die Einführung eines Schadensersatzanspruchs der betroffenen Verbraucher gemäß § 9 Abs. 2 UWG ab dem 28. Mai 2022 durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. August 2021, BGBl. I 2021, 3504. 54 Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 10 Rn. 5 – 8. 55 Dazu etwa OLG Frankfurt, Urt. v. 04. 12. 2008, Abo-Fallen, Az. 6 U 186/07, GRUR-RR 2009, 265, 268; Podszun, in Kühling/Zimmer (Hrsg.), Neue Gemeinwohlherausforderungen, 2020, S. 199, 205 f. 56 Goldmann, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig. UWG, 5. Aufl. 2021, § 10 Rn. 5; Henning-Bodewig, GRUR 2015, 731, 735. Vgl. auch die Parallelvorschrift im Kartellrecht, § 34a GWB. 49
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
selten gerichtlich geltend gemacht.57 Aufgrund der speziellen Anspruchsgrundlagen des UWG, die im UKlaG nicht existieren, hat sich der Streit auch nach Einführung der Verbandsklage gegen Datenschutzverstöße durch das Gesetz vom 17. Februar 201658 nicht erledigt.59 a) Lauterkeitsrechtlicher Datenschutz neben dem Rechtsbruchtatbestand In §§ 4, 4a, 5, 5a und 7 UWG finden sich originär lauterkeitsrechtliche Tatbestände, die jeweils in gewisser Hinsicht auch eine datenschutzrechtliche Schutzrichtung haben.60 Anwendungsvoraussetzung für sie ist allerdings nicht ein Verstoß gegen Datenschutzrecht, sodass sie in der folgenden Untersuchung unberücksichtigt bleiben können. b) Der Rechtsbruchtatbestand § 3a UWG Schwierig ist das Verhältnis des in § 3a UWG verankerten Rechtsbruchtatbestands zum Datenschutzrecht zu bestimmen. Nach § 3a UWG handelt unlauter, „[…] wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen“. An die Feststellung als unlautere geschäftliche Handlung knüpft nach § 3 Abs. 1 UWG die Rechtsfolge der Unzulässigkeit mit den oben genannten Rechtsfolgen an. Zwei Aspekte sind hier umstritten: Zum einen ist nach wie vor nicht geklärt, ob Normen des Datenschutzrechts „dazu bestimmt [sind], im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln“, ob sie also sogenannte Marktverhaltensregelungen sind (unten aa)). Zum anderen wird die Anwendbarkeit des Rechtsbruchtatbestandes auch deshalb in Zweifel gezogen, weil die DS-GVO die Rechtsfolgen von Datenschutzverstößen abschließend und ohne Einbeziehung der in § 8 Abs. 3 UWG genannten Anspruchsberechtigten regele; diesen fehle deshalb die Aktivlegitimation (unten bb)).
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Henning-Bodewig, GRUR 2015, 731, 735. BGBl. I 2016, 233. 59 So jedoch Köpernik, VuR 2014, 240, 242; ähnlich noch Köhler, in: Köhler/Bornkamm (Hrsg.), UWG, 35. Aufl. 2017, § 3a, Rn. 1.74, der die Diskussion als überholt bezeichnete (anders mittlerweile in der 40. Aufl. 2022). Wie hier hingegen Ohly, in: Ohly/Sosnitza (Hrsg.), UWG, 7. Aufl. 2016, § 3a, Rn. 79. 60 Ausführlich Ohly, GRUR 2019, 686, 691 – 693. Vgl. auch Podszun/Toma, NJW 2016, 2987, 2992; Podszun/Toma, in: Möstl/Wolff (Hrsg.), Datenschutz in der betrieblichen Praxis, 2016, S. 71, 90 f. 58
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aa) Datenschutzrechtliche Vorschriften als Marktverhaltensregelungen Nach der insoweit grundlegenden Zweckbetrieb-Entscheidung des BGH muss eine Norm „[…] jedenfalls auch die Funktion haben, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen […]“,61 um eine Marktverhaltensregelung zu sein. Dem Marktverhalten vorgelagertes oder nachfolgendes Verhalten genügt dafür nicht.62 Die Argumente, die gegen die Qualifikation der Normen des Datenschutzrechts als Marktverhaltensregelung vorgetragen werden, sind nach wie vor die gleichen wie vor Inkrafttreten der DS-GVO: Das Datenschutzrecht diene einzig dem Schutz des Betroffenen in seinem Persönlichkeitsrecht und seiner Privatsphäre; die wirtschaftlichen Interessen des Betroffenen seien hingegen nicht berührt.63 Die DS-GVO soll jedoch ausweislich ihres Art. 1 Abs. 1 nicht allein natürliche Personen schützen, sondern gleichrangig den freien Verkehr personenbezogener Daten innerhalb der Union garantieren.64 Die einzelnen Bestimmungen der Verordnung sollen zu gleichwertigen Bedingungen für die Datenverarbeitung innerhalb der Union beitragen. Darin zeigt sich, dass das Datenschutzrecht in seiner Gesamtheit auch das marktliche Verhalten in Bezug auf personenbezogene Daten regeln soll.65 Dadurch wird zwar nicht jede einzelne Norm des Datenschutzrechts zur Marktverhaltensregelung. Aber zumindest bei Normen, die den Betroffenen gerade in seiner Eigenschaft als Marktteilnehmer schützen und damit insoweit zugleich den Pflichtenbestand innerhalb der Union harmonisieren sollen, ist die marktverhaltensregelnde Tendenz zu bejahen. Das nahm auch die Rechtsprechung bereits vor 61
BGH, Urt. v. 02. 12. 2009, Zweckbetrieb, Az. I ZR 152/07, GRUR 2010, 654, 656. BGH, Urt. v. 02. 12. 2009, Zweckbetrieb, Az. I ZR 152/07, GRUR 2010, 654, 656. 63 Ohly, in: Ohly/Sosnitza (Hrsg.), UWG, 7. Aufl. 2016, § 3a, Rn. 79; Zech, WRP 2013, 1434, 1435. Die datenschutzrechtlichen Normen sollen auch nicht den Schutz der Marktteilnehmer bezwecken, Walter, in: FS Köhler, 2014, S. 771, 778 – 782. 64 Vgl. zum Verhältnis der beiden Hauptzwecke der Verordnung Lynskey, The Foundations of EU Data Protection Law, 2015, S. 47 – 88. 65 Ausführlich Uebele, GRUR 2019, 694, 695 f. Dagegen Ohly, GRUR 2019, 686, 690 mit Fn. 46, der darauf verweist, dass bei einem derartigen Verständnis EU-Rechtsakte, die sich auf die Binnenmarktkompetenz der Art. 114 f. AEUV stützen, zwangsläufig als Marktverhaltensregelung zu qualifizieren seien. Gegen derartige Befürchtungen dürfte jedoch sprechen, dass im Rahmen dieser Vorschriften zwischen Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen zu unterscheiden ist (Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim [Hrsg.], EUV/AEUV, 59. EL 2016 [Werkstand 74. EL 2021], Art. 114 AEUV, Rn. 96). Damit besteht eine Parallele zu der Unterscheidung zwischen Marktzutritts- und Marktverhaltensregelungen. Auch wenn es für erstere nicht ausgeschlossen ist, dass sie ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 3a fallen, bedarf diese Frage doch der genaueren Prüfung im Einzelfall, BGH, Urt. v. 11. 11. 2004, Testamentsvollstreckung durch Banken, Az. I ZR 213/01, NJW 2005, 969; Ullmann, GRUR 2003, 817, 824. Daher dürfte sich keineswegs immer als zwingende Folge des Binnenmarktbezugs auch eine marktverhaltensregelnde Tendenz ergeben. Speziell im Fall der DS-GVO ist dies nach hier vertretener Meinung hingegen tatsächlich der Fall, da die Verordnung konkrete Anforderungen gerade an das Verhalten im Wettbewerb stellt. 62
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dem Inkrafttreten der DS-GVO – ohne Verweis auf die binnenmarktrechtliche Relevanz – etwa für §§ 4, 28 Abs. 3 BDSG a. F.66 und § 13 TMG67 an.68 Würde man eine solche Datenerhebung als dem Marktverhalten vorgelagert – und damit nicht als Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel – begreifen, so wäre das eine Verkennung der wirtschaftlichen Realität. Die Funktion datenschutzrechtswidriger Datenerhebung erschöpft sich nicht allein in der Vorbereitung eines etwa durch Werbung noch anzubahnenden Vertragsverhältnisses.69 Die Datenerhebung als solche ist vielmehr zentraler Bestandteil einer Vielzahl von B2C-Verträgen. In derartigen Fällen ist die Hingabe der Daten selbst Teil des marktlichen Austauschverhältnisses.70 bb) Abschließende Regelungen der Rechtsfolgen durch die DS-GVO? Neu71 mit der DS-GVO aufgetreten ist die Frage, ob diese ihr Rechtsfolgenregime abschließend regelt. Wäre das der Fall, könnte der Rechtsbruchtatbestand nicht mehr angewendet werden.72 Terminologisch ungenau73 wird behauptet, die DS-GVO sei „vollharmonisierend“.74 Tatsächlich versuchen Mitbewerber aber überhaupt nicht, Ansprüche un66 Nutzung personenbezogener Daten im Adresshandel und der Werbung nur mit Einwilligung des Betroffenen. Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 09. 05. 2012, Az. 6 U 38/11, NJW 2012, 3312, 3314 f. (m. Anm. J. Schneider); OLG Köln, Urt. v. 17. 01. 2014, Az. 6 U 167/13, NJW 2014, 1820, 1821. 67 Unterrichtungspflicht des Diensteanbieters über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten. Vgl. KG, Beschl. v. 29. 04. 2011, Gefällt-mirButton, Az. 5 W 88/11, GRUR-RR 2012, 19, 21. 68 Vgl. auch Schaffert, in: FS Bornkamm, 2014, S. 463, 467 – 472; Schaffert, in: Münchener Kommentar UWG, 3. Aufl. 2020, § 3a, Rn. 81 f., und Schaub, WRP 2019, 1391, 1392 – 1396, die weitere Anwendungsfälle des BDSG a. F. bzw. der DS-GVO und des TMG diskutieren. Für eine „ausnahmslose“ Anwendung des § 3a UWG auf das Datenschutzrecht Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Rn. 1900. Ähnlich wohl Hasselblatt/Gregor, in: Gloy (Begr.)/Loschelder/Danckwerts (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl. 2019, S. 597, Rn. 95. 69 So jedoch Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 70 f. 70 Der BGH scheint in der Entscheidung App-Zentrum auch einer derartigen weitgehenden Interpretation nahezustehen, Uebele, WRP 2020, 1187, 1188. Vgl. auch Galetzka, K&R 2015, 77, 80; Uebele, GRUR 2019, 694, 695. 71 Das Problem wurde vor Inkrafttreten der Verordnung kaum diskutiert. Vgl. aber Ohly, in: FS Köhler, 2014, S. 507, 514 f., der bereits zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Verordnung im Sinne einer abschließenden Regelung durch das Datenschutzrecht argumentierte. Ohly vertritt auch die rechtspolitische These, dass der Gesetzgeber häufiger von der Möglichkeit Gebrauch machen solle, das Verhältnis des Rechtsbruchtatbestandes (damals noch § 4 Nr. 11 UWG a. F.) zu sonstigen Verbots- und Gebotsnormen ausdrücklich verbindlich zu regeln. 72 BGH, Urt. v. 07. 02. 2006, Probeabonnement, Az. KZR 33/04, BGHZ 166, 154, 159 – 161 (Rn. 13 – 16). 73 Dieser Begriff ist auf eine Verordnung schon im Ansatz nicht anwendbar; dazu Uebele, GRUR 2019, 694, 698 mit Fn. 67.
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mittelbar aus der DS-GVO herzuleiten. Es steht daher allein die Frage im Raum, ob das Rechtsfolgenregime der DS-GVO auch ein mittelbares Berufen – konkret: vermittelt über § 3a UWG – auf eine Verletzung des Datenschutzrechts ausschließt. Richtigerweise geht es deshalb darum auszulegen, wie weit die Rechtsfolgenregelungen des Datenschutzrechts reichen.75 Dieses selbst kennt keine Ansprüche zugunsten von Wettbewerbern. Auch eine Öffnungsklausel, die es den Mitgliedstaaten erlauben würde, im nationalen Recht Ansprüche von Wettbewerbern vorzusehen, beinhaltet die DS-GVO nicht, im Gegensatz etwa zu Art. 84 DS-GVO, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, über die Regelungen der Verordnung hinausgehende Sanktionen festzulegen.76 Damit bleibt es bei der Frage: Soll durch die Verordnung ihr Rechtsfolgenregime umfassend geregelt werden, sodass Mitbewerber keine Ansprüche über § 3a UWG geltend machen können? Oder hat der Verordnungsgeber – gleich ob bewusst oder unbewusst77 – die Aktivlegitimation von Mitbewerbern nicht geregelt, um sie der Regelung durch die Mitgliedstaaten zu überlassen? Für den umfassenden und abschließenden Charakter soll es sprechen, dass das Rechtsfolgenregime der DS-GVO primär behördlich ausgestaltet sei und lediglich in Kapitel VIII zusätzliche „Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“ (so der Titel des Kapitels) vorgesehen seien.78 Als weiteres Argument werden die Erwägungsgründe der Verordnung, insbesondere die Gründe 11 und 13, angebracht, die gleichwertige Sanktionen (im Sinne einer gleichwertigen Rechtsdurchsetzung) fordern sollen.79
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Spittka, GRUR-Prax 2019, 272, 274. Ausführlich wurde diese Frage bereits an anderer Stelle erörtert, s. Uebele, GRUR 2019, 694, 696 – 699; Uebele, WRP 2021, 11, 13 f. 76 Hasselblatt/Gregor, in: Gloy (Begr.)/Loschelder/Danckwerts (Hrsg.), Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl. 2019, S. 597, Rn. 96, und Wolff, ZD 2018, 248, 251, meinen, Art. 84 DS-GVO, der die Möglichkeit von „Vorschriften über andere Sanktionen für Verstöße gegen diese Verordnung“ vorsieht, enthalte eine derartige Öffnungsklausel. Das ist jedoch nicht richtig, denn Art. 84 DS-GVO erlaubt nur weitergehende verwaltungs- und strafrechtliche Sanktionen, jedoch keine zivilrechtlichen, s. Martini/D. Wagner/Wenzel, VerwArch 109 (2018), 296, 297 – 301. 77 In beiden Fällen wären mangels unionsrechtlicher Determinierung die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber in der Lage, dies zu regeln. 78 LG Bochum, Urt. v. 07. 08. 2018, Az. I-12 O 85/18, BB 2018, 2580; LG Stuttgart, Urt. v. 20. 05. 2019, Az. 35 O 68/18 KfH, ZD 2019, 366, Rn. 18 – 22; G. Barth, WRP 2018, 790, 791 f.; Hohlweck, in: Büscher (Hrsg.), UWG, 2019, § 3a, Rn. 284; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/ Feddersen/Alexander (Hrsg.), UWG, 40. Aufl. 2022, § 3a, Rn. 1.40a – 1.40j, 1.74b; Köhler, ZD 2018, 337, 338; Köhler, WRP 2018, 1269, 1272 – 1275; Köhler, WRP 2019, 1279, 1280; Köhler, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, 18. 10. 2019, S. 7 – 11 (auch abgedruckt bei Köhler, WRP 2019, 1550, 1552 f.); Ohly, GRUR 2019, 686, 689 f. 79 G. Barth, WRP 2018, 790, 791; Köhler, WRP 2018, 1269, 1271; Schmitt, WRP 2019, 27, 30; Spittka, GRUR-Prax 2019, 4, 5. 75
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Bei näherer Betrachtung adressieren die Erwägungsgründe 11 und 13 DS-GVO jedoch nur die straf- und verwaltungsrechtliche Durchsetzung, für die zivilrechtliche Durchsetzung machen sie hingegen keine Vorgaben.80 Erwägungsgrund 11 lautet: Ein unionsweiter wirksamer Schutz personenbezogener Daten erfordert die Stärkung und präzise Festlegung der Rechte der betroffenen Personen sowie eine Verschärfung der Verpflichtungen für diejenigen, die personenbezogene Daten verarbeiten und darüber entscheiden, ebenso wie – in den Mitgliedstaaten – gleiche Befugnisse bei der Überwachung und Gewährleistung der Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sowie gleiche Sanktionen im Falle ihrer Verletzung.
In Erwägungsgrund 13 heißt es in Satz 1: Damit in der Union ein gleichmäßiges Datenschutzniveau für natürliche Personen gewährleistet ist und Unterschiede, die den freien Verkehr personenbezogener Daten im Binnenmarkt behindern könnten, beseitigt werden, ist eine Verordnung erforderlich, die für die Wirtschaftsteilnehmer einschließlich Kleinstunternehmen sowie kleiner und mittlerer Unternehmen Rechtssicherheit und Transparenz schafft, natürliche Personen in allen Mitgliedstaaten mit demselben Niveau an durchsetzbaren Rechten ausstattet, dieselben Pflichten und Zuständigkeiten für die Verantwortlichen und Auftragsverarbeiter vorsieht und eine gleichmäßige Kontrolle der Verarbeitung personenbezogener Daten und gleichwertige Sanktionen in allen Mitgliedstaaten sowie eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten gewährleistet.
Die Erwägungsgründe sprechen lediglich von gleichen und gleichwertigen Sanktionen, von denen aber bereits ausweislich des Titels von Kapitel VIII der DSGVO die privatrechtliche Durchsetzung durch Rechtsbehelfe und Haftung zu unterscheiden ist. Bezüglich letzterer bestimmen die Erwägungsgründe hingegen nur für die betroffenen Personen, dass die Rechte „mit demselben Niveau“ festgelegt werden sollen. Über Ansprüche von Wettbewerbern und Verbänden treffen die Erwägungsgründe keine Aussage. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Erwägungsgründe allein die Tätigkeit der Aufsichtsbehörden erwähnen. Offensichtlich sollte die Vereinheitlichung der Rechtsdurchsetzung sich auf die behördliche Praxis beschränken. Das einheitliche Schutzniveau der DS-GVO (Erwägungsgrund 9 S. 1) wird primär durch Angleichung der materiellen Regeln erreicht. Einer vollständigen Angleichung der Regelung der zivilrechtlichen Folgen hingegen bedarf es dafür nicht, denn auch mit einem nicht vollständig vereinheitlichten Rechtsfolgenregime sind keine Beschränkungen des binnengrenzüberschreitenden Datenverkehrs im Sinne des Art. 1 Abs. 1 DS-GVO zu befürchten.81
80
Ähnlich Diercks, CR 2018, S1, Rn. 20 – 23. Uebele, GRUR 2019, 694, 698 f. Vgl. nunmehr auch OLG Naumburg, Urt. v. 07. 11. 2019, Az. 9 U 6/19, K&R 2020, 71, 72 (m. Anm. Apel/Bosman); OLG Stuttgart, Urt. v. 27. 02. 2020, Az. 2 U 257/19, GRUR-RS 2020, 2392; OGH, Beschl. v. 26. 11. 2019, Az. 4 Ob 84/19k, WRP 2020, 337 (m. Anm. Köhler). 81
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Auch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26. 11. 202082 ändert an dieser Rechtslage schließlich nichts. Es sieht in § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG den Entfall des Anspruchs auf Ersatz der Abmahnkosten vor bei: […] sonstigen Verstößen gegen die [DS-GVO] und das [BDSG] durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen.83
Das bedeutet zwar im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber Wettbewerber grundsätzlich für befugt hält, Abmahnungen wegen Datenschutzverletzungen auszusprechen und Klage zu erheben. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch nicht die Kompetenz, die Auslegung einer europäischen Verordnung verbindlich zu bestimmen.84 3. Kollektiver Rechtsschutz Über die Rechtsdurchsetzung durch den Betroffenen sowie durch Konkurrenten des Rechtsverletzers hinaus ist auch ein kollektives Vorgehen durch Verbände sowie aufgrund von Musterfeststellungsklagen möglich. a) Verbandsklagen nach dem UKlaG Aufgrund der rationalen Apathie der Verbraucher, die aus der individuell geringen Beeinträchtigung herrührt,85 droht eine systematisch unter dem sozial erwünschten Niveau liegende Durchsetzung durch die Verbraucher. Dazu kommt speziell im Bereich des Datenschutzrechts die lückenhafte behördliche Durchsetzung. Dem soll das UKlaG entgegenwirken. Durch den mit dem Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts von 17. Februar 201686 neu eingeführten § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 82
BGBl. I 2020, 2568. Der Regierungsentwurf vom 15. 05. 2019 hatte hier noch auf „Kleinstunternehmen sowie kleine Unternehmen nach Artikel 2 des Anhangs zur Empfehlung der Kommission K(2003) 1422“ verwiesen, vgl. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/ RegE_Staerkung_faierer_Wettbewerb.pdf?__blob=publicationFile&v=2. In der Empfehlung sind Kleinstunternehmen definiert als Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz bzw. einer Jahresbilanz, die zwei Millionen Euro nicht übersteigt. Kleine Unternehmen haben weniger als 50 Beschäftigte und einen Jahresumsatz bzw. eine Jahresbilanz von nicht mehr als zehn Millionen Euro. Im Ergebnis wurde der Ausschluss des Ersatzanspruchs damit durch den Gesetzesbeschluss auch auf Ansprüche gegen mittlere Unternehmen i. S. d. Empfehlung der Kommission ausgeweitet. 84 Ablehnend daher Köhler, WRP 2019, 1279, 1280; Köhler, WRP 2019, 1550, 1552 f. Vgl. noch zu dem Gesetzesentwurf Uebele, GRUR 2019, 694, 701 f. 85 Dönch, BB 2016, 962; Elbrecht/M. Schröder, K&R 2015, 361; Golla, RDV 2017, 123, 127. 86 BGBl. I 2016, 233. 83
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Nr. 11 UKlaG besteht ein Anspruch auf Unterlassung der Verletzung verbraucherschützender Normen, insbesondere von […] Vorschriften, welche die Zulässigkeit regeln a) der Erhebung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer oder b) der Verarbeitung oder der Nutzung personenbezogener Daten, die über einen Verbraucher erhoben wurden, durch einen Unternehmer, wenn die Daten zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels, des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden […].
Bei einer Verletzung derartiger Vorschriften besteht nach § 2 Abs. 1 S. 2 UKlaG auch ein Anspruch auf Beseitigung nach den entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorschriften, mithin auf Löschung und Sperrung der Daten.87 Der Anspruch deckt jedoch nur einen Teilbereich möglicher Datenschutzverstöße ab. Ausgeschlossen sind insbesondere objektive Rechtsverletzungen und Verstöße gegen Informationsund Transparenzpflichten.88 Die Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG stellt keinen Verstoß gegen die mit Anwendungsvorrang ausgestattete DS-GVO dar. Deren Art. 80 Abs. 2 enthält eine Öffnungsklausel, nach der die Mitgliedstaaten die Verbandsklage durch sogenannte Datenschutzverbände erlauben können. Die Regelung im UKlaG ist eine vorzeitige (Teil-)Umsetzung89 ;90 bei der Auslegung ist auch Art. 80 DS-GVO zu berücksichtigen, da das UKlaG anders als dieser das Kriterium der Gemeinnützigkeit nicht kennt, das aber nicht alle nach § 3 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen aufweisen. Die dort genannten Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern 87
Art. 17 f. DS-GVO, § 13 Abs. 4 Nr. 2 TMG. Vgl. Halfmeier, NJW 2016, 1126, 1128. Ausführlich zu den Lücken der Verbandsklagebefugnis Uebele, GRUR 2019, 694, 699 f. 89 Der Begriff der (Teil-)Umsetzung findet vor allem auf Richtlinien Anwendung, die von den Mitgliedstaaten erst umzusetzen sind (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Die DS-GVO ähnelt dem Instrument der Richtlinie insoweit, als sie fakultative Öffnungsklauseln enthält. Daher ist auch für diese der Begriff angebracht. 90 KG, Urt. v. 20. 12. 2019, Az. 5 U 9/18, K&R 2020, 310, 311 (bezüglich Verbraucherzentralen nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG); G. Barth, WRP 2018, 790, 793; Baumgartner/ Sitte, ZD 2018, 555, 559; Bergt, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 80 DS-GVO, Rn. 13; Schaffert, in: Münchener Kommentar UWG, 3. Aufl. 2020, § 3a, Rn. 84; Uebele, GRUR 2019, 694, 699 f. Wohl ebenso Piltz, K&R 2017, 85, 90. A. A. Frenzel, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 80 DS-GVO, Rn. 13 (die DS-GVO erlaube keine Teilumsetzungen); Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen/Alexander (Hrsg.), UWG, 40. Aufl. 2022, § 2 UKlaG, Rn. 29a (die Regelung im UKlaG beziehe sich noch – allein – auf die Vorgängerregelung in der Richtlinie); Köhler, WRP 2018, 1269, 1276; Köhler, WRP 2019, 1279, 1285. Tendenziell gegen die Annahme einer vorzeitigen Umsetzung auch Ohly, GRUR 2019, 686, 688 f. Der EuGH wird nunmehr nach Vorlage durch den BGH über diese Frage zu entscheiden haben, BGH, Beschl. v. 28. 05. 2020, App-Zentrum, Az. I ZR 186/17, WRP 2020, 1182 (m. Anm. Uebele). 88
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dürften daher generell nicht klagebefugt sein.91 Als weitere Einschränkung ist zu berücksichtigen, dass Art. 80 Abs. 2 DS-GVO die Verbandsklage auf die Verletzung von Individualrechten beschränkt und damit die Verletzung objektiven Rechts nicht geltend gemacht werden kann.92 b) Verbandsklagen nach dem UWG Auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 – 4 UWG sind Verbände, qualifizierte Einrichtungen und Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern befugt, Ansprüche wegen der Verletzung von UWG-Normen geltend zu machen. Hier kann nichts anderes gelten als bei § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG, sodass auch diese Regelung als vorzeitige (Teil-)Umsetzung zu verstehen und unionsrechtskonform auszulegen ist.93 c) Musterfeststellungsklage Neben der Verbandsklage besteht die Möglichkeit der Musterfeststellungsklage nach den 2018 eingeführten §§ 606 – 614 ZPO.94 In Betracht käme etwa die kollektive Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Art. 82 DS-GVO.95 In der Praxis dürfte die Musterfeststellungsklage für das Datenschutzrecht jedoch keine bedeutende Rolle spielen. Das liegt daran, dass die Musterfeststellungsklage zu ihrer Zulässigkeit der Eintragung von mindestens 50 Verbrauchern im Klageregister bedarf.96 Außerdem muss auch nach einem stattgebenden Urteil jeder Verbraucher noch weiter seinen individuellen Anspruch geltend machen.97 Damit begründet die rationale Apathie der Verbraucher ähnlich hohe Hürden für ein erfolgreiches Musterfeststellungsverfahren wie für die individuelle Durchsetzung der Betroffenenrechte.98 Für einen breiten Erfolg der Musterfeststellungsklage – auch – im Datenschutzrecht wird es daher darauf ankommen, dass die klagebefugten Verbraucherverbände99 in erheblichem Umfang bei den Verbrauchern für die Teilnahme an einem 91
G. Barth, WRP 2018, 790, 793. Bergt, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 80 DS-GVO, Rn. 14; Uebele, WRP 2021, 11, 14 f. 93 KG, Urt. v. 20. 12. 2019, Az. 5 U 9/18, K&R 2020, 310, 311 (bezüglich Verbraucherzentralen nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG); Uebele, GRUR 2019, 694, 697. Auch hierüber wird der EuGH auf Vorlage des BGH zu entscheiden haben, BGH, Beschl. v. 28. 05. 2020, App-Zentrum, Az. I ZR 186/17, WRP 2020, 1182 (m. Anm. Uebele). 94 Geissler/Ströbel, NJW 2019, 3414, 3416 – 3418; Moos/Schefzig, in: Taeger/Gabel (Hrsg.), DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 80 DS-GVO, Rn. 31 – 36. 95 Geissler/Ströbel, NJW 2019, 3414. 96 §§ 606 Abs. 3 Nr. 3, 608 ZPO. 97 Das Musterfeststellungsurteil hat nach § 613 ZPO Bindungswirkung in den nachfolgenden zivilprozessualen Verfahren. 98 Hoffmann/Horn, ZWeR 2019, 454, 479, in Bezug auf kartellrechtliche Musterfeststellungsverfahren. 99 § 606 Abs. 1 ZPO. 92
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
derartigen Verfahren werben. Das war bei den Musterfeststellungsklagen im „Dieselskandal“, der die Ratio für die Einführung der Musterfeststellungsklage bildete, noch nicht notwendig, da den Verbrauchern angesichts vier- bis fünfstelliger Schadenssummen kein (rationales) Desinteresse unterstellt werden konnte.100
III. Fazit: „Durchsetzungsdefizite“ Konnten Datenschutzbeauftragte vor einigen Jahren noch mit Recht als „zahnlose Papiertiger“ bezeichnet werden,101 so sind die Unzulänglichkeiten – nicht zuletzt durch die DS-GVO – in erheblichem Maße abgebaut worden. Gleichwohl lassen sich noch Durchsetzungsdefizite konstatieren.102 Die Betroffenenrechte wurden gestärkt, jedoch besteht wenig Anlass zu der Annahme, dass dies zu spürbar vermehrter Inanspruchnahme dieser Rechte führen wird. Genau wie die daneben bestehenden verbraucher- und lauterkeitsrechtlichen Klagebefugnisse kranken diese Ansprüche wesentlich daran, dass – es wird sich in der Mehrzahl der Fälle um Unterlassungsansprüche handeln – die ZPO als Sanktionsinstrument ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zur Verfügung stellt,103 was, wie der Vergleich zu den neuen Bußgeldern der DS-GVO zeigt, kein Abschreckungspotenzial für global agierende Unternehmen birgt.104 Die Einwilligung als zentraler Erlaubnistatbestand der Datenverarbeitung105 verliert ihre Legitimation in Bereichen, in denen der Nutzer keine echte Wahlmöglichkeit hat; die erforderliche Freiwilligkeit verkommt zur Fiktion.106 Sie stellt dann kein geeignetes Mittel zur Begrenzung der Datenverarbeitung mehr dar. Im Kern handelt es sich nämlich um ein Monopolproblem.107 Im Bereich des public enforcement durch die Aufsichtsbehörden ist das Datenschutzregime ebenfalls engmaschiger geworden. Insbesondere die neuen Bußgelder haben das Potential einer abschreckenden Wirkung. Gleichwohl wirken die perso100
Waclawik, NJW 2018, 2921. Vgl. Pahlen-Brandt, DuD 2007, 24. 102 Halfmeier, NJW 2016, 1126; Linsenbarth/Schiller, WRP 2013, 576 – 578; Neun/Lubitzsch, BB 2017, 2563; Podszun/Toma, NJW 2016, 2987; Pohl, PinG 2017, 85. 103 § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO. Vgl. Franck, ZWeR 2016, 137, 141; Paal, in: Körber/Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 143, 149. 104 Grundlegend zu den Schwächen einer rein privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung im Lauterkeitsrecht Köhler, WRP 2020, 803, 804 f. 105 S. o. § 5.A.II.1. (S. 53 – 55). 106 European Data Protection Supervisor, Privacy and competitiveness in the age of big data: The interplay between data protection, competition law and consumer protection in the Digital Economy. Preliminary Opinion of the European Data Protection Supervisor, März 2014, Rn. 79; Costa-Cabral, Maast. J. Eur. & Comp. L. 23 (2016), 495, 497. A. A. Heberlein, Datenschutz im Social Web, 2018, S. 184 f. 107 Vgl. daher vertieft u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175). 101
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nellen und finanziellen Beschränkungen der Behörden hemmend auf die Durchsetzung.108 Hinzu kommt der teils fehlende politische Wille der zuständigen Behörden, gegen Verstöße einzuschreiten und das Datenschutzrecht durchzusetzen.109 Trifft dies auf die bei grenzüberschreitender Datenverarbeitung110 allein zuständige federführende Aufsichtsbehörde111 zu, so ist eine effektive hoheitliche Durchsetzung des Datenschutzrechts von Vornherein in Frage gestellt. Von dem Prinzip der federführenden Aufsichtsbehörde ist nach Art. 56 Abs. 2 DS-GVO nämlich nur dann eine Ausnahme zu machen, „wenn der Gegenstand [scil. einer Beschwerde oder eines Verstoßes] nur mit einer Niederlassung in ihrem Mitgliedstaat zusammenhängt oder betroffene Personen nur ihres Mitgliedstaats erheblich beeinträchtigt“.112 Damit steht und fällt die effektive Datenschutrechtsdurchsetzung in der Regel mit dem politischen Willen der federführenden Aufsichtsbehörde. Es gibt damit, zusammenfassend, kein umfassendes Datenschutzregime, das eine „lückenlose“ Durchsetzung erlaubt. Es ist also nach wie vor so, dass eine Durchsetzung durch das Kartellrecht ein Mehr an Compliance befördern kann. Dies liegt vor allem am Instrumentarium des Kartellrechts, welches im Folgenden dargestellt wird.
B. Das Durchsetzungsinstrumentarium des Kartellrechts: was das Kartellrecht zu leisten vermag Bevor im nächsten Abschnitt die Zulässigkeit des Einsatzes des Kartellrechts zur Behebung der festgestellten Lücken im Datenschutzregime untersucht wird, soll im Folgenden überblicksartig dargestellt werden, was das Besondere im Regime des Kartellrechts im Vergleich zu dem des Datenschutzrechts ist, das derartige Überlegungen sinnvoll erscheinen lässt. Dabei zeigt sich ein struktureller Vorteil bei der Anwendung sowohl im Kartellverwaltungs- und im Kartellbußgeld- als auch im Kartellzivilrecht. Auch die Fusionskontrolle kann bei der Stärkung der Durchsetzung des Datenschutzrechts zusätzliche Perspektiven bieten.
108 Einen ersten Überblick über die behördliche Praxis unter der DS-GVO bieten Nägele et al., K&R 2019, 361, 361 f. 109 Vgl. Vinocur, One Country Blocks the World, Politico v. 24. 04. 2019, abrufbar unter: https://www.politico.eu/interactive/ireland-blocks-the-world-on-data-privacy/. 110 Art. 4 Nr. 23 DS-GVO. 111 Art. 56 Abs. 1 DS-GVO. 112 S. dazu Erwägungsgrund 127; Dix, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 56 DS-GVO, Rn. 10.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
I. Public enforcement im Kartellrecht Kapitel III113 und VI114 der Kartellverfahrens-VO regeln die verwaltungs- und bußgeldrechtlichen Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Kartellverbot nach Art. 101 AEUVund das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 102 AEUV bei der Anwendung dieser Normen durch die Europäische Kommission.115 1. Kartellverwaltungsrecht a) Abstellungsverfügungen Nach der Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 101 f. AEUV kann die Kommission den Verletzer verpflichten, die Zuwiderhandlung abzustellen.116 Dabei muss sie sich nicht darauf beschränken, die Abstellung anzuordnen, sondern kann den Verletzer auch zu konkreten verhaltensorientierten und strukturellen Maßnahmen verpflichten (sogenannte positive Tenorierung), wobei vorrangig verhaltensorientierte Maßnahmen vorzuschreiben sind, wenn diese gleich wirksam sind.117 Der Vorrang der Anordnung verhaltensorientierter Maßnahmen ist ein Ausfluss des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgebots.118 Verpflichtet die Kommission ein Unternehmen zu verhaltensorientierten Maßnahmen, kann dies sowohl die Vornahme bisher rechtswidrig unterbliebener Handlungen umfassen als auch das Verbot, bestimmte Handlungen vorzunehmen.119 Sollte sich etwa herausstellen, dass die Verwendung (rechtswidriger) Datenschutzbestimmungen gegen Art. 102 AEUV verstößt, so ist es möglich, dem Unternehmen aufzugeben, diese nicht mehr zu verwenden. Die positive Tenorierung kann auch zur
113
Art. 7 – 10. Art. 23 f. 115 Die Europäische Kommission wird im Folgenden synonym auch Kommission genannt. Die Befugnisse der deutschen Kartellbehörden in §§ 32 – 32e, 81 GWB sind aufgrund der europäischen Rechtsangleichung den Regelungen der Kartellverfahrens-VO mittlerweile weitgehend nachgebildet bzw. waren umgekehrt Vorbild für diese. Auf eine gesonderte Darstellung wird daher verzichtet, um Wiederholungen zu vermeiden. Es soll auf die Parallelvorschriften im GWB jeweils nur kurz verwiesen werden. Wo sich im deutschen Kartellrecht Unterschiede ergeben – namentlich bei Sektoruntersuchungen und im behördlichen Informationsaustausch –, wird auf diese eingegangen. 116 Art. 7 Abs. 1 S. 1 Kartellverfahrens-VO. Die Parallelvorschrift ist § 32 Abs. 1 GWB. 117 Art. 7 Abs. 1 S. 2, S. 3 Kartellverfahrens-VO; § 32 Abs. 2 GWB. 118 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.109. 119 EuGH, Urt. v. 06. 03. 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents, Rs. 6/73 und 7/73, ECLI:EU:C:1974:18, Rn. 45; Urt. v. 06. 04. 1995, RTE und ITP (Magill), Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, ECLI:EU:C:1995:98, Rn. 90. 114
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Verpflichtung, bestimmte Informationen zu teilen, führen.120 Anstatt sich nur auf den konkreten Verstoß zu beschränken, kann die Kommission auch aussprechen, dass zukünftig gleichartige Verstöße zu unterbleiben haben.121 Strukturelle Maßnahmen, also solche, durch die in konkrete Eigentumspositionen eingegriffen wird122, wurden von der Kommission bisher noch nicht angeordnet.123 Sie sind nur dann zulässig, wenn aufgrund der Struktur eines Unternehmens das Risiko anhaltender oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegeben ist.124 Das kann etwa bei vertikal integrierten Unternehmen der Fall sein, die essenzielle Vorleistungen kontrollieren.125 Gerade im Datenschutzrecht könnten derartige strukturelle Maßnahmen jedoch ein sinnvolles und erforderliches Mittel sein. Hier sind Verstöße aufgrund der Netzwerkeffekte und der Integration vieler Bereiche unter dem Dach eines (Mutter-)Unternehmens besonders schädlich.126 b) Einstweilige Maßnahmen Auf der Grundlage von Art. 8 Kartellverfahrens-VO127 ist es zudem möglich, einstweilige Maßnahmen zur Verhinderung eines ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens zu erlassen. Dadurch soll das – mitunter langwierige – Verfahren, das zu einer Abstellungsverfügung führen soll, abgesichert werden.128 Einstweilige Maßnahmen sind in der Praxis äußerst selten.129
120 EuGH, Urt. v. 06. 04. 1995, RTE und ITP (Magill), Rs. C-241/91 P und C-242/91 P, ECLI:EU:C:1995:98, Rn. 91. 121 Europäische Kommission, Entsch. v. 24. 03. 2004, Microsoft, COMP/C-3/37.792, C(2004)900 endg., Rn. 996; EuG, Urt. v. 06. 10. 1994, Tetra Pak, Rs. T-83/91, ECLI:EU:T: 1994:246, Rn. 220. 122 Sura, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 7 VO 1/2003, Rn. 4. 123 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.107. Auch in Deutschland ist die Entscheidungspraxis zurückhaltend. 124 Erwägungsgrund 12 S. 3 Kartellverfahrens-VO. Vgl. dazu Smijter/Sinclair, in: Faull/ Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.111. 125 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.111. 126 Die Anwendbarkeit struktureller Maßnahmen gegen Datenschutzverstöße sollen an einer späteren Stelle vertieft dargestellt werden, vgl. § 5.C.I.4.c) (S. 227 – 229). 127 Die Parallelvorschrift im deutschen Kartellrecht ist § 32a GWB. Durch die 10. GWBNovelle wurde der Anwendungsbereich der einstweiligen Maßnahmen nach § 32a GWB im deutschen Kartellrecht erweitert. 128 EuGH, Beschluss v. 17. 01. 1980, Camera Care, Rs. 792/79, ECLI:EU:C:1980:18, Rn. 14 – 19; de Bronett, Europäisches Kartellverfahrensrecht, 2. Aufl. 2012, Art. 8 Rn. 1. 129 Vgl. aber Europäische Kommission, Entscheidung v. 16. 10. 2019, Broadcom (Interim Measures Decision), Rs. AT.40608. Das Verfahren wurde am 07. 10. 2020 gegen Verpflichtungszusagen endgültig eingestellt.
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c) Verpflichtungszusagen Das Instrument der Verpflichtungszusage nach Art. 9 Abs. 1 KartellverfahrensVO dient der einvernehmlichen Verfahrenserledigung.130 In der Praxis erfreut es sich großer Beliebtheit.131 Ein Unternehmen, gegen das die Kommission wegen eines Verstoßes gegen Art. 101 f. AEUV ermittelt, kann anbieten, Verpflichtungen einzugehen, die dem Verstoß abhelfen. Dabei kommen alle Maßnahmen in Betracht, die auch die Kommission im Rahmen des Art. 7 Kartellverfahrens-VO anordnen könnte. Verpflichtungszusagen unterliegen jedoch nicht den gleichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, da es Sache des Unternehmens ist, zu entscheiden, ob es die Verpflichtung eingehen möchte.132 Es handelt sich damit um ein Instrument zum schnellen und einvernehmlichen Schutz des Wettbewerbs.133 Aufgrund der Einvernehmlichkeit ist eine gerichtliche Anfechtung der Entscheidung durch das Unternehmen unwahrscheinlich, was wiederum zu einer alsbaldigen Befriedung beiträgt.134 Die Kommission kann derartige Verpflichtungszusagen für bindend erklären, anstatt eine Abstellungsverfügung zu erlassen. Sie kann die Einhaltung der Verpflichtungszusage durch Verhängung eines Zwangsgelds nach Art. 24 Abs. 1 lit. c Kartellverfahrens-VO135 erzwingen. Repressiv ist nach Art. 23 Abs. 2 lit. c Kartellverfahrens-VO136 bei schuldhafter Nichteinhaltung der Verpflichtungszusage auch die Verhängung einer Geldbuße möglich. Das Interesse an der Einhaltung der Vorgaben des materiellen Kartellrechts wird schließlich auch dadurch abgesichert, dass nach Art. 9 Abs. 2 Kartellverfahrens-VO137 unter bestimmten Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Kartellverfahrens mit der Möglichkeit des Erlasses einer Abstellungsverfügung zulässig ist.
130 131
Rn. 1.
Die Parallelvorschrift im deutschen Kartellrecht ist § 32b GWB. Anweiler, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 9 VerfVO,
132 EuGH, Urt. v. 29. 06. 2010, Alrosa, Rs. C-441/07 P, ECLI:EU:C:2010:377, Rn. 48; Botta/Wiedemann, Antitrust Bull. 64 (2019), 428, 445; Schütz, in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 2013, Art. 9 VO 1/2003, Rn. 7; Sura, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 7 VO 1/2003, Rn. 9. Kritisch Monti, C.M.L.R. 39 (2002), 1057, 1076. 133 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.126. 134 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.126. 135 Im deutschen Recht erfolgt dies über § 11 VwVG, wenn das Bundeskartellamt die zuständige Kartellbehörde ist. Die Vollstreckung durch die Landeskartellbehörden richtet sich nach Landesverwaltungsvollstreckungsrecht. 136 § 81 Abs. 2 Nr. 2 lit. a GWB. 137 § 32b Abs. 2 GWB.
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d) Sektoruntersuchungen Schließlich existieren mit § 32e Abs. 5 und 6 GWB und mit § 50c Abs. 1 S. 1 GWB seit der 9. GWB-Novelle zwei Besonderheiten im deutschen Kartellrecht, die so im europäischen nicht zu finden sind: Die Befugnis des Bundeskartellamts zur Durchführung von Sektoruntersuchungen in § 32e GWB wurde um die genannten Absätze erweitert.138 Auf der Grundlage von § 32e Abs. 1 GWB konnten das Bundeskartellamt und die obersten Landesbehörden bereits vor der Novelle bestimmte Wirtschaftszweige oder bestimmte Arten von Vereinbarungen untersuchen, wenn eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs zu vermuten ist. Nach § 32e Abs. 4 GWB haben die Behörden dafür die Ermittlungsbefugnisse der §§ 57139 und 59140 GWB. Nach § 32e Abs. 5 GWB kann das Bundeskartellamt derartige Untersuchungen nunmehr auch „bei begründetem Verdacht […] auf erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften, die nach ihrer Art oder ihrem Umfang die Interessen einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern beeinträchtigen“ durchführen.141 Der Umfang der Ermittlungsbefugnisse nach § 32e Abs. 4 GWB wird jedoch durch § 32e Abs. 5 S. 3 GWB eingeschränkt. Es handelt sich bei den beiden neuen Absätzen des § 32e GWB im Kern um Verbraucher-, nicht um Kartellrecht.142 Die Norm könnte der erste Schritt eines Umbaus des Bundeskartellamts zu einer sowohl für Kartellrecht als auch für Verbraucherrecht zuständigen „Doppel-Behörde“143 sein. Mit dem Begriff der „verbraucherrechtlichen Vorschriften“ wird direkt an § 2 Abs. 2 S. 1 UKlaG und die verbraucherschützenden Vorschriften des UWG angeknüpft; eine mögliche Verletzung der dort erfassten Normen kann also Gegenstand einer Sektoruntersuchung sein.144 Die 9. GWB-Novelle brachte jedoch keine exekutiven Befugnisse, mit denen an die Sektoruntersuchung angeknüpft werden könnte. Auf der Grundlage einer Untersuchung nach § 32e Abs. 1 GWB hingegen könnte ein Verfahren mit dem Ziel einer Untersagungsverfügung eingeleitet werden, diese Möglichkeit gibt es bei der Untersuchung nach § 32e Abs. 5 GWB nicht. Der Ausbau des Bundeskartellamts zu einer (Auch-)Verbraucherschutzbehörde mit entsprechenden Befugnissen zeichnet 138 BGBl. I 2017, 1416. Ausführlich dazu Uebele, NZKart 2018, 459; Uebele, NZKart 2018, 521. Die Kartellverfahrens-VO kennt zwar in Art. 17 ebenfalls Sektoruntersuchungen, eine § 32e Abs. 5 – 6 GWB entsprechende Regelung fehlt jedoch. 139 § 57 GWB regelt die Zulässigkeit und den Umfang der Beweiserhebung. 140 In § 59 GWB ist das Auskunftsverlangen geregelt. 141 Im Gesetzgebungsverfahren wurden noch umfassendere Kompetenzen des Bundeskartellamts im Verbraucherschutz diskutiert, aber letztlich verworfen, Podszun/Schmieder, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle 2017, S. 86, Rn. 3 – 13, 91 – 107. 142 Podszun, WuW 2017, 266, 267. 143 Becker, ZWeR 2017, 317, 318. Dezidiert dafür sodann Becker, ZWeR 2018, 229. 144 Alexander, NZKart 2017, 391, 392.
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sich zwar ab.145 Einstweilen kann eine Sektoruntersuchung im Verbraucherrecht jedoch nur der Informationsbeschaffung mit möglichen legislativen Implikationen dienen.146 e) Behördlicher Informationsaustausch Die 9. GWB-Novelle brachte schließlich auch eine Erweiterung des in § 50c Abs. 1 S. 1 GWB geregelten behördlichen Informationsaustauschs.147 Demnach können die Kartellbehörden auch mit der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und den Landesbeauftragten für Datenschutz Informationen austauschen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dadurch die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Fragen in Kartellverfahren erleichtert werden.148 2. Kartellbußgeldrecht Art. 23 Abs. 2 lit. a Kartellverfahrens-VO sieht empfindliche Geldbußen bei Verstößen gegen materielle Vorschriften des Kartellrechts vor.149 Bei einem Verstoß gegen Art. 101 f. AEUV droht eine Geldbuße von bis zu zehn Prozent des (Konzern-) Gesamtjahresumsatzes. Die Regelung war Vorbild für den Bußgeldtatbestand des Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO,150 wobei die dort möglichen Bußgelder von bis zu vier Prozent des Gesamtjahresumsatzes hinter dem kartellrechtlich Möglichen zurückbleiben. 3. Die Bedingungen des public enforcement allgemein Zu diesem Instrumentarium des öffentlich-rechtlichen Kartellrechts kommt, dass die Kartellbehörden – zumal verglichen mit Datenschutzbehörden – institutionell eine starke Stellung besitzen. Während Datenschutzbehörden herkömmlich ein geringes Budget zur Verfügung haben – was Folge ihrer institutionellen Unabhän145 Ackermann, NZKart 2016, 397. Auch in der 10. GWB-Novelle fehlen jedoch korrespondierende Befugnisse. 146 Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 32e GWB; Podszun/Schmieder, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 86, Rn. 17. 147 Den wesentlichen Anstoß hierfür dürfte die Monopolkommission geliefert haben, vgl. Monopolkommission, XX. Hauptgutachten, 2012/2013, S. 73 (Rn. 66); Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 175 (Rn. 533). 148 Begr. RegE, BT-Drs. 18/10207, S. 81 f. 149 Die Parallelvorschrift im deutschen Kartellrecht ist § 81 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 GWB. 150 S. o. § 5.A.I.2. (S. 51 – 53).
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gigkeit ist151 –, sind Kartellbehörden finanziell und personell gut ausgestattet.152 Exemplarisch lag das Budget des Bundeskartellamts 2019 bei 40,3 Millionen Euro;153 das des Hamburgischen Beauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (in dessen örtliche Zuständigkeit beispielsweise die FacebookZentrale in Deutschland liegt) betrug im gleichen Zeitraum bloß 3,1 Millionen Euro.154 Anderseits genießen die Kommission und die Kartellbehörden nicht die gleiche Unabhängigkeit wie die Datenschutzbehörden.155
4. Der Digital Markets Act Als Ergänzung und Erweiterung zum bestehenden Instrumentarium des Kartellrechts wurde Mitte 2020 der Erlass eines New Competition Tool durch die Europäische Kommission angekündigt. Zur Diskussion standen vier verschieden weite Optionen, denen gemein war, dass sie ein Einschreiten bereits erlauben sollten, bevor eine marktbeherrschende Stellung missbraucht wird beziehungsweise sogar bereits vor Entstehung einer solchen Stellung.156 Mutmaßlich aufgrund kompetenzrechtlicher Erwägungen157 nahm die Kommission von diesem Vorhaben wieder Abstand und stellte im Dezember 2020 stattdessen den Digital Markets Act158 vor.159 Dieser sieht die Regulierung von als solchen zunächst durch die Kommission nach Art. 3 DMA-E zu benennenden Gatekeepern vor. 151
von Lewinski, PinG 2013, 12, 16. Podszun, ZGE 8 (2016), 350, 355. 153 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2020, BT-Drs. 19/11800, S. 1253 (Einzelplan 09, S. 157). 154 Freie und Hansestadt Hamburg, Haushaltsplan 2019/2020, Einzelplan 1.04 Datenschutz und Informationsfreiheit, S. 109. 155 Die Datenschutzbehörden genießen nach Art. 52 DS-GVO Unabhängigkeit, die auch institutionell abzusichern ist. Das Bundeskartellamt ist demgegenüber zwar eine selbständige Bundesoberbehörde, als solche jedoch in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie eingebunden. Letzteres hat damit bestimmte Einwirkungsrechte, § 51 GWB. 156 Europäische Kommission, Single Market – new complementary tool to strengthen competition enforcement, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/haveyour-say/initiatives/12416-New-competition-tool. Hierzu Schweitzer, The New Competition Tool: Its institutional set up and procedural design. Expert study, 2020. 157 Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 31 – 35. 158 DMA – Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (Gesetz über digitale Märkte), COM(2020) 842 final. 159 Gemeinsam mit dem Digital Services Act (DSA – Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Binnenmarkt für digitale Dienste [Gesetz über digitale Dienste] und zur Änderung der Richtlinie 2000/31/EG, COM[2020] 825 final). Der Anwendungsbereich der im DSA vorgesehenen Regelungen ist allgemein und bestimmt sich nicht nach der Größe der Unternehmen. Anders als beim DMA ergibt sich daher keine direkte Beziehung zum mit dem Kartellrecht. 152
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Die Voraussetzungen für die Benennung nach Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 DMA-E sind eng, sodass nur eine Handvoll von Gatekeepern in Betracht kommen wird. Art. 5 f. DMAE zählen enumerativ bestimmte Verhaltsverpflichtungen für Gatekeeper auf. Das Verhältnis des DMA zum Kartellrecht, nämlich einerseits zum europäischen Katellrecht und den dort verankerten Kompetenznormen und andererseits zu nationalen Regelungen wie namentlich § 19a GWB, ist bisher noch offen.160
II. Kartellzivilrecht Neben der behördlichen Verfolgung von Kartellunrecht ruht die Durchsetzung des Kartellrechts wesentlich auf dem private enforcement. Die Erhöhung der Durchsetzungskraft war entscheidendes Motiv für den EuGH in Courage, einen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung von Art. 85 EG (nunmehr Art. 101 AEUV) anzuerkennen.161 Der effet utile war also – noch vor dem gerechten Schadensausgleich – ausschlaggebend für die Zuerkennung des Anspruchs.162 Durch das Kartellzivilrecht erfolgt eine dezentrale Umsetzung. Die Ausgestaltung des Kartellzivilrechts ist den Mitgliedstaaten überlassen, wobei sie mittlerweile wesentlich auf der Umsetzung der KartellschadensersatzRL163 und der Auslegung des Primärrechts durch den EuGH beruht.164 In Deutschland erfolgte die Umsetzung in §§ 33 – 33h GWB:165 § 33 GWB gewährt einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bei Verletzung des materiellen Kartellrechts, § 33a GWB flankiert diesen mit einem Schadensersatzanspruch. Die große Bedeutung zivilrechtlicher Ansprüche bei der Durchsetzung des Kartellrechts166 wird auch bedingt durch die Möglichkeit von follow on-Klagen: Nach § 33b S. 1 und S. 2 GWB gilt in Schadensersatzprozessen eine Feststellungswirkung hinsichtlich des Kartellverstoßes, wie er in einem behördlichen oder 160
Podszun/Bongartz/Langenstein, EuCML 2021, 60, 66 f.; Polley/Konrad, WuW 2021, 198, 199; Zimmer/Göhsl, ZWeR 2021, 29, 31 – 35, 56 – 60. Zu den Konsequenzen s. Grünwald, NZKart 2021, 496. 161 EuGH, Urt. v. 20. 09. 2001, Courage und Crehan, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26 f. 162 Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Vor § 33 GWB, Rn. 13. 163 Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union. 164 Franck, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, Vor §§ 33 – 34a GWB, Rn. 9 – 32. 165 Daneben steht noch die Nichtigkeitsfolge kartellrechtswidriger Absprachen nach Art. 101 Abs. 2 AEUV und § 134 BGB. 166 Bornkamm/Tolkmitt, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Vor § 33 GWB, Rn. 4 – 11.
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gerichtlichen (Rechtsmittel-)Verfahren festgestellt wurde. Der Kläger hat damit den Kartellverstoß nicht mehr zu beweisen. Der Schwerpunkt in Kartellschadensersatzprozessen verschiebt sich damit auf den Nachweis von Kausalität und Schaden. Dadurch werden Schadensersatzklagen erleichtert.
III. Zusammenschlusskontrolle Neben den Bestimmungen der Art. 101 f. AEUV und im ersten und zweiten Kapitel des ersten Teils des GWB167, die einer repressiven Verhaltenskontrolle dienen, wird der vom Kartellrecht bezweckte Schutz des Wettbewerbs durch die Zusammenschlusskontrolle präventiv verwirklicht.168 Mit der Zusammenschlusskontrolle werden Unternehmenszusammenschlüsse auf ihre Wettbewerbsverträglichkeit geprüft. Sie ist auf der europäischen Ebene in der FKVO169 normiert; im GWB findet sie sich in §§ 35 – 43. Wenn es sich um einen Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung nach Art. 1 Abs. 1 – 3 FKVO handelt, richtet sich die Beurteilung des Zusammenschlusses nach der FKVO, und die Europäische Kommission ist zuständig. Fehlt die gemeinschaftsweite Bedeutung, sind aber die Schwellenwerte des GWB170 erreicht, ist das Bundeskartellamt zuständig, und es hat den Zusammenschluss nach Maßgabe des GWB zu prüfen.171 Ein Zusammenschluss ist zu untersagen, wenn durch ihn wirksamer Wettbewerb behindert würde, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt.172 Das Verfahren erfolgt in zwei Phasen; eine Untersagung des Zusammenschlusses ist erst in der zweiten Phase, dem Hauptprüfverfahren, möglich.173 Vor der Freigabe eines Zusammenschlusses besteht ein Vollzugsverbot.174 Um eine drohende Untersagung des Zusammenschlusses abzuwenden, können die Parteien Verpflichtungszusagen abgeben, um die wettbewerblichen Bedenken zu beseitigen. Häufiger als bei Art. 9 Kartellverfahrens-VO und § 32b GWB kommen hier strukturelle Maßnahmen (sogenannte Veräußerungszusagen) in Betracht.175 167 168
Rn. 3. 169
§§ 1 – 21 GWB. Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, Vorb. zu § 35
Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung). 170 § 35 GWB. 171 Die Prüfung nach FKVO und GWB ist strukturell gleich, daher wird auch im Folgenden auf eine getrennte Darstellung verzichtet. 172 Art. 2 Abs. 3 FKVO, § 36 Abs. 1 S. 1 GWB. 173 Art. 8 Abs. 3 FKVO, § 40 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GWB. 174 Art. 7 Abs. 1 FKVO, § 41 Abs. 1 GWB. 175 Bengtsson/Carpi Badia/Kadar, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 5.1055.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Damit bestehen auch in der Zusammenschlusskontrolle flexible Möglichkeiten der Verfahrensgestaltung.
IV. Ergebnis: Die lückenschließende Funktion des Kartellrechts Mit Abstellungsverfügungen und Verpflichtungszusagen haben die Kartellbehörden wirksame und flexibel einsetzbare Instrumente zur Beseitigung von Wettbewerbsverstößen. Die im Kartellbußgeldrecht zulässige Höhe von Bußgeldern übersteigt das im Bußgeldrecht der DS-GVO Mögliche deutlich. Die behördliche Rechtsdurchsetzung im Kartellrecht wird entscheidend unterstützt durch mit zahlreichen starken Rechten ausgestattete – man denke an follow on-Klagen und Akteneinsichtsrechte – private Kläger. Der reaktiven Verhaltenskontrolle auf der Grundlage des Kartell- und des Missbrauchsverbots strukturell vorgeschaltet ist die präventive Zusammenschlusskontrolle. Diese dient dazu, die Entstehung von Marktkonzentration zu verhindern. Es ist – vorbehaltlich der noch zu prüfenden Zulässigkeit – vorstellbar, dass im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle auch mögliche Auswirkungen auf das Datenschutzrecht zu berücksichtigen sind. Möglichkeit der Sektoruntersuchungen auch im Verbraucherrecht hat das Potenzial, Missstände zumindest aufzuzeigen. Überhaupt sind die in diesem Abschnitt dargestellten Instrumente des Kartellrechts dazu bestimmt und geeignet, die Funktionsweise von Märkten zu gestalten. Sie dienen nicht allein der Reaktion auf erfolgte Rechtsverletzungen, sondern gestalten für die Zukunft. Durch die Schaffung und Stärkung der Funktionsbedingungen von Wettbewerb ist das Kartellrecht in der Lage, die Eigenverantwortlichkeit der Verbraucher zu garantieren, weil ihnen Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben. Im Gegensatz dazu vermag diese Funktion dem überwiegend reaktiv eingesetzten und nur begrenzt zukünftiges Marktverhalten in den Blick nehmenden Datenschutzrecht nicht zuzukommen.176 Dadurch könnte der sogleich zu diskutierende Einsatz des Kartellrechts zu Ergebnissen führen, die aus dem Einsatz des Datenschutzrechtsinstrumentariums allein nicht folgen könnten. Vorbehaltlich der Prüfung der Zulässigkeit des Einsatzes von Kartellrecht zur Durchsetzung des Datenschutzrechts lässt sich damit bereits an dieser Stelle konstatieren, dass das Kartellrecht die Durchsetzung des Datenschutzrechts durch DSGVO, BDSG, Lauterkeits- und Verbraucherrecht gut ergänzen würde. Das Instrumentarium des Kartellrechts ist dem in diesen Rechtsgebieten Möglichen überlegen. Das macht den Ruf nach einer stärkeren Verknüpfung von Datenschutz- und Kartellrecht177 einerseits verständlich.178 Andererseits bedarf die Berücksichtigungsfä176
Vgl. zur Maxime eigenverantwortlicher Rechtewahrnehmung und Rechtedurchsetzung Buchner, Informationelle Selbstbestimmung im Privatrecht, 2006, S. 312. 177 Vielleicht am prominentesten durch den ehemaligen Europäischen Datenschutzbeauftragen Hustinx, vgl. European Data Protection Supervisor, Privacy and competitiveness in the
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higkeit des Datenschutzrechts in der Kartellrechtsanwendung der eingehenden Erörterung und einer kartellrechtsimmanenten Rechtfertigung.
C. Datenschutzrecht als Parameter der Kartellrechtsanwendung Das Kartellrecht ruht auf den drei Säulen des Kartellverbots179, des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung180 und der Zusammenschlusskontrolle181. Im Folgenden ist zu diskutieren, ob und inwieweit diese Bereiche unterstützend zur Durchsetzung des Datenschutzrechts herangezogen werden können. In diesem Abschnitt soll es nur um die Möglichkeit gehen, den durch das Datenschutzrecht vorgegebenen gesetzlichen Mindeststandard (wieder-)herzustellen. Sofern mit der Kartellrechtsanwendung ein über diesen Standard hinausgehendes – höheres – Datenschutzniveau bezweckt werden soll, erfolgt die Diskussion weiter unten.182 Zunächst wird das Missbrauchsverbot in den Fokus genommen (I.)183, dann das Kartellverbot (II.)184 und schließlich die Zusammenschlusskontrolle (III)185. Mit der Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts liegt als bisher einziger Präzedenzfall ein Missbrauchsverfahren vor, sodass zunächst auf das Missbrauchsverbot eingegangen werden soll. Wichtige Erkenntnisse, die sich aus der Analyse des Missbrauchsverbots ergeben, können sodann auch für die Analyse der anderen beiden „Säulen“ fruchtbar gemacht werden. age of big data: The interplay between data protection, competition law and consumer protection in the Digital Economy. Preliminary Opinion of the European Data Protection Supervisor, März 2014, Rn. 85 – 88. Die gleiche Einschätzung treffen beispielsweise Harbour, Dissenting Statement in the Matter of Google/DoubleClick, FTC File No. 071 – 0170, 20. 12. 2007, S. 10; Kuner et al., Int’l. Data Privacy L. 4 (2014), 247: „[…] competition law is frequently depicted as the silver bullet which will render data protection rules more effective by injecting competition into monopolized markets and facilitating individual choice.“ Tendenziell auch Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 265. 178 Vgl. auch für eine de lege ferenda nach dem Vorbild des Kartellrechts auszugestaltende behördliche Durchsetzung des Lauterkeitsrechts Köhler, WRP 2018, 519. 179 Art. 101 AEUV und Teil 1, Kapitel 1 des GWB. Sofern im Folgenden allein auf die Regelungen aus dem Unionsrecht abgestellt wird, liegt dies daran, dass diese weitgehend parallel mit denen des GWB ausgestaltet sind und Dopplungen vermieden werden sollen. Wo sich Abweichungen im deutschen Recht oder in der deutschen Rechtsprechung ergeben, werden diese kenntlichgemacht. 180 Art. 102 AEUV und Teil 1, Kapitel 2 des GWB. 181 FKVO und Teil 1, Kapitel 8 des GWB. 182 § 6 (S. 267 – 286). 183 S. 76 – 251. 184 S. 251 – 261. 185 S. 261 – 266.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
I. Das Datenschutzrecht als Gegenstand der Missbrauchsaufsicht Verschiedentlich werden gute Chancen für eine kartellrechtliche Durchsetzung datenschutzrechtlicher Normen über den Weg der Missbrauchskontrolle gesehen. Hier ist im Einzelnen vieles streitig. Das Anliegen des folgenden Abschnitts ist es, die Möglichkeiten des Einsatzes der Missbrauchsaufsicht zu untersuchen. Im ersten Teil dieses Abschnitts (1.–3.)186 wird zunächst ein grundsätzliches Modell zur Berücksichtigung außerwettbewerblicher Belange, namentlich des Datenschutzrechts, entwickelt. Zu diesem Zweck wird zunächst die Funktion der Missbrauchsaufsicht dargestellt (1.)187. Diese wird später von Bedeutung sein, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob ein Datenschutzverstoß einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen kann (3.)188. Davor soll jedoch zunächst noch auf den Begriff der marktbeherrschenden Stellung eingegangen werden, insbesondere soweit sich bei der Bestimmung dieser Stellung Besonderheiten durch das Datenschutzrecht ergeben (2.)189. Nach dieser Entwicklung eines eigenen Konzepts widmet sich der zweite Teil (4. bis 7.)190 der Umsetzung in der Praxis, wenn die Entscheidungen des Bundeskartellamts, des OLG Düsseldorf und des BGH im Eilverfahren sowie des OLG Düsseldorf in der Hauptsache in Sachen Facebook innerhalb des im ersten Teil entwickelten Rahmens eingeordnet und bewertet werden. Im abschließenden dritten Teil (8.)191 werden die Ergebnisse zusammengefasst, um darauf aufbauend rechtspolitische Änderungen vorzuschlagen. 1. Die Funktion der Missbrauchsaufsicht Um erfassen zu können, wo die Grenzen der Missbrauchsaufsicht liegen, ist es zunächst notwendig, ihre Funktion im System der Wettbewerbsordnung der Verträge einzuordnen. Art. 102 UAbs. 1 AEUV bestimmt Folgendes: Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
186 187 188 189 190 191
S. 76 – 198. S. 76 – 80. S. 124 – 198. S. 81 – 124. S. 199 – 245. S. 246 – 251.
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a) Schutz des Wettbewerbs als Institution Der Binnenmarkt, mit dem missbräuchliche Verhaltensweisen in Art. 102 AEUV für unvereinbar erklärt werden, ist nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 EUV eines der Ziele der Union. Der alte Art. 3 Abs. 1 lit. g EGV präzisierte dies noch dahingehend, dass der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen zu schützen sei.192 Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon findet sich das Ziel des Schutzes vor Verfälschungen in Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb.193 Nach Art. 51 EUV ist das Protokoll aber Bestandteil der Verträge, sodass die Bestimmung den gleichen Rang hat wie zuvor im Vertrag. Im Sinne ordoliberaler Vorstellungen ist damit der Wettbewerb als Institution und als Mittel zur Steigerung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt geschützt.194 Vor dem Hintergrund des Schutzes des Binnenmarktes vor Verfälschungen lässt sich das Missbrauchsverbot auch verstehen: Auf dem betroffenen Markt ist ein Marktbeherrscher tätig, der bereits durch seine Anwesenheit den Wettbewerb schwächt.195 Daher müssen für Marktbeherrscher besondere Regeln gelten, derer es bei wirksamen Wettbewerbsverhältnissen nicht bedürfte.196 Die Missbrauchsaufsicht soll Rahmenbedingungen schaffen, die denen bei hypothetisch funktionierendem Wettbewerb entsprechen (sogenannter Als-ob-Wettbewerb).197 Statt marktbeherrschende Unternehmen zu zerschlagen (wodurch zwar funktionsfähiger Wettbewerb wiederhergestellt werden könnte, was aber einen sehr einschneidenden Eingriff darstellen würde)198 wird an den (negativen) Auswirkungen der Stellung des 192 Der EuGH betonte bereits in Continental Can den hohen Stellenwert dieser Regelung, EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU:C:1973: 22, Rn. 23. 193 ABl. 2008 C 115, 309. Vgl. zu Protokoll Nr. 27 im System der Verträge Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 2. 194 Nazzini, The Foundations of European Union Competition Law, 2011, S. 107 – 121. 195 Die bereits durch die Anwesenheit des Marktbeherrschers bestehende Schwächung des Wettbewerbs ist daher für den EuGH auch ein wichtiges Element der Definition der missbräuchlichen Ausnutzung, s. EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI: EU:C:1979:36, Rn. 91: „Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ist vielmehr ein objektiver Begriff. Er erfaßt die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produktoder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“ 196 EuG, Urt. v. 23. 10. 2003, Van den Bergh Foods, Rs. T-65/98, ECLI:EU:T:2003:281, Rn. 159. 197 Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art 102 AEUV, Rn. 5. Kritisch zum Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 9 („Das Bild einer wohlfahrtstheoretisch angeleiteten Planwirtschaft, in der Planziele wettbewerbsanalog verwirklicht werden sollen […]“). 198 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 84.
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Marktbeherrschers angesetzt. Diesem werden bestimmte Verhaltensweisen verboten, die nicht-marktbeherrschenden Unternehmen weiterhin erlaubt sind. Der EuGH sieht dementsprechend eine „besondere Verantwortung“ des marktbeherrschenden Unternehmens dafür, den Wettbewerb nicht zu beeinträchtigen.199 b) Schutz der Marktgegenseite Neben dem Wettbewerb als Institution schützt das Missbrauchsverbot auch die Marktgegenseite. Dies wird aus dem Beispielskatalog des Art. 102 UAbs. 2 AEUV deutlich. Nach dessen lit. a ist etwa die unmittelbare oder mittelbare „Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen“ verboten. Damit ist direkt – auch – der Schutz der Handelspartner des Marktbeherrschers angesprochen.200 Entsprechendes gilt für § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB. c) Kein unmittelbarer Schutz der Verbraucher Zu weit ginge es jedoch, das Missbrauchsverbot als Verbraucherschutznorm zu verstehen.201 Weder ist der Verbraucherschutz im Gesetzeswortlaut angelegt,202 noch wäre das Missbrauchsverbot für einen wirksamen Verbraucherschutz geeignet, denn aufgrund der Anknüpfung an eine marktbeherrschende Stellung wird eine große Zahl von Fällen nicht erfasst, in denen Verbraucher durch Unternehmen geschädigt werden, die die Schwelle der Marktbeherrschung nicht erreichen.203 Dementsprechend bedarf es für die Feststellung eines Missbrauchs auch nicht des Nachweises, dass durch die Verhaltensweise Verbraucher geschädigt wurden.204 199 EuGH, Urt. v. 09. 11. 1983, Michelin, Rs. 322/81, ECLI:EU:C:1983:313, Rn. 57; Urt. v. 17. 02. 2011, TeliaSonera Sverige, Rs. C-52/09, ECLI:EU:C:2011:83, Rn. 24. 200 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 4, auch bezüglich Art. 102 UAbs. 2 lit. c AEUV. 201 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2014, § 16 Rn. 11; Nazzini, The Foundations of European Union Competition Law, 2011, S. 112. Anders generell für den Ausbeutungsmissbrauch Schweitzer, ZHR 181 (2017), 119, 128: „[…] unerwünschter Sonderfall […]. Anders als die übrigen Verbotstatbestände des Wettbewerbsrechts, die auf den Schutz des Wettbewerbsprozesses abzielen, hat das Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs eine unmittelbar verbraucherschützende Zielsetzung.“ Eine (praktisch wenig bedeutsame) Ausnahme von der Regel, dass in der Missbrauchsaufsicht nicht direkt der Verbraucherschutz bezweckt wird, ist das Verbot des Untereinstandspreisverkaufs von Lebensmitteln nach § 20 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 GWB. Dieses soll durch ruinösen Preiskampf entstandene Lebensmittelskandale verhindern und dient damit direkt dem Schutz der Verbraucher, Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 20 Rn. 306. 202 Nazzini, The Foundations of European Union Competition Law, 2011, S. 112. 203 Ackermann, NZKart 2016, 397, 398. 204 EuGH, Urt. v. 06. 10. 2009, GlaxoSmithKline, verb. Rs. C-501/06 P, C-513/06 P, C-515/ 06 P und C-519/06 P, ECLI:EU:C:2009:610, Rn. 63.
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Davon zu trennen ist der Befund, dass die Verbraucher reflexhaft von der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs profitieren.205 Werden Verbraucher durch eine bestimmte Verhaltensweise geschädigt, so bewirkt deren Untersagung als mittelbare Folge ihren Schutz. Hierin zeigt sich der Charakter der Missbrauchskontrolle als Marktergebniskontrolle: Zwar wird durch die kartellrechtliche Intervention kein bestimmtes Marktergebnis festgelegt; gleichwohl kann auch die Untersagung bestimmter Verhaltensweisen dafür sorgen, dass das Marktverhalten in eine bestimmte Richtung gelenkt wird.206 d) Verbraucher als Marktgegenseite Der Befund, dass Verbraucher durch die Anwendung des Missbrauchsverbots nicht unmittelbar geschützt werden, darf nicht zu dem (Fehl-)Schluss führen, dass diesen jeglicher Schutz zu versagen ist.207 Denn Verbraucher werden dann zur geschützten Personengruppe, wenn sie die Marktgegenseite sind, wie dies gerade bei Situationen des Ausbeutungsmissbrauchs der Fall sein kann.208 Dies bedeutet nicht, dass damit jeglicher Belang des Verbraucherschutzes kartellrechtlich relevant würde. Jedoch werden dadurch zumindest die wettbewerblichen Interessen der Verbraucher primärer Schutzzweck des Missbrauchsverbots.209 e) Notwendige Beschränkungen Die Missbrauchsaufsicht als eine Marktergebniskontrolle zu verstehen, birgt jedoch auch Gefahren. Evident ist, dass der Schutz des Wettbewerbs, verstanden als Ratio der Missbrauchsaufsicht, seinen Stellenwert verlöre, wäre oberstes Ziel nicht ein offenes Findungsverfahren, sondern ein bestimmtes (politisch determiniertes) Ergebnis.210 Der beschränkte Schutzzweck der Missbrauchsaufsicht macht ebenso eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs erforderlich,211 anderenfalls die 205 Franck, ZWeR 2016, 137, 141; Podszun, ZGE 8 (2016), 350, 357; Satzky, NZKart 2018, 554, 555 f. 206 Mano/Nazzini/Zenger, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 4.16. Einschränkend Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 211b; Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 267 f. 207 So wohl aber Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 237. 208 Brinkmann unterscheidet in diesen Fällen unzulässigerweise zwischen der Marktgegenseite und Verbrauchern trotz dieser Identität. Der erste Schritt müsste freilich zunächst die Anerkennung des Datenschutzrechts als Verbraucherschutzrecht sein, vgl. dazu im Ansatz bereits Uebele, GRUR 2019, 694, 702 f. mit Fn. 131. 209 Anders Wiemer, WuW 2011, 723, 731 f. 210 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 169. 211 Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 185: „Aus dem allgemeinen Ziel des GWB, der Funktionsgewährleistung der Wettbe-
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Funktion des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren im Sinne von Hayeks212 eliminiert würde.213 Soll die Anwendung der Missbrauchsaufsicht ausnahmsweise ein bestimmtes Ergebnis produzieren und nicht nur zur Offenhaltung des Wettbewerbs beitragen, so müssen sich deshalb dafür gute Gründe finden lassen. Während bei den Fallgruppen des Struktur-214 und des Behinderungsmissbrauchs215 die Zielsetzung der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs evident ist, ist der Ausbeutungsmissbrauch216 differenziert zu betrachten:217 Nicht jede dem Vertragspartner des Marktbeherrschers nachteilige Vertragsklausel ist automatisch missbräuchlich. Das führt zu einer doppelten Beschränkung. Zum einen kann kartellbehördliches Einschreiten nur dann zulässig sein, wenn der Wettbewerb als Korrekturmechanismus nicht mehr funktioniert, weil er strukturell gestört ist. Nur dann bedarf es des Eingriffs von außen zur Wiederherstellung wettbewerblicher Strukturen.218 Das Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs soll da eingreifen, wo die Selbstkorrektur des Marktes durch funktionierenden Wettbewerb (dauerhaft) nicht mehr greift und es der Korrektur durch die (staatliche) Missbrauchsaufsicht bedarf.219 Zum anderen ist ein Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem missbräuchlichen Verhalten notwendig. Nur dann zeigen sich die Marktmachtprobleme in dem missbräuchlichen Verhalten. Ohne den Zusammenhang liegen die Ursachen des Verhaltens in anderen Defiziten, nicht hingegen in mangelndem Wettbewerb begründet.220
werbsordnung, wurde beim Mitteleinsatz das Prinzip der Wettbewerbskonformität abgeleitet. Daraus ergab sich in einer Art Dreistufentheorie innerhalb der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, daß diese vorrangig die weitere Verfestigung marktbeherrschender Stellungen durch strukturverändernde Maßnahmen (Zusammenschlüsse) und durch sonstige restriktive Einzelmaßnahmen zu unterbinden hat. Erst in dritter Linie kommt eine an Als-Ob-Maßstäben ausgerichtete Performance-Kontrolle in Betracht, die letztlich immer ein Notbehelf bleiben wird.“ Vgl. dazu auch Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt, 1975, S. 40. Ähnlich auch Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 38, 205. 212 Grundlegend von Hayek, Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, 1968. 213 Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 126 – 128. 214 Dabei verändert ein marktbeherrschendes Unternehmen zu seinen Gunsten die Struktur des Marktes. Anwendungsfälle dieser Fallgruppe sind rar. 215 Das sind gegen Konkurrenten gerichtete Maßnahmen. 216 Damit ist die missbräuchliche Ausnutzung der Marktgegenseite gemeint. 217 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 20 Rn. 89. 218 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 170 f. 219 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 39; Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 162. Weniger streng wohl J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 45 f. 220 Zum Zusammenhang vertieft u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175), § 5.C.I.4.b)cc)(4)(e) (S. 222 f.), § 5.C.I.5.b) (S. 231 – 234) und § 5.C.I.6.b)cc) (S. 241 f.).
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2. Die marktbeherrschende Stellung, insbesondere ihr Bezug zu mehrseitigen Märkten und dem Datenschutzrecht Bevor Maßstäbe für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit des einseitigen Verhaltens eines Unternehmens aufgestellt werden können, muss festgestellt werden, ob das Unternehmen überhaupt eine marktbeherrschende Stellung221 innehat, die es durch das Verhalten missbräuchlich ausnutzt. Die Frage der marktbeherrschenden Stellung soll auch in der vorliegenden Arbeit nicht ausgespart werden. Zum einen wird die an späterer Stelle zu besprechende Fallgruppe des Konditionenmissbrauchs besonders auf mehrseitigen Märkten relevant, die derartiges Verhalten aus verschiedenen Gründen fördern. Die Marktabgrenzung und Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung gerade auf diesen Märkten ist aber Gegenstand umfangreicher Diskussionen, denen sich auch die vorliegende Arbeit stellen muss. Zum anderen haben verschiedene Regelungen des Datenschutzrechts Einfluss auf die die in diesem Abschnitt zu besprechende Problematik. Aufgrund des Themas der vorliegenden Untersuchung sind auch diese Aspekte genauer darzustellen. Dabei beschränkt sich die Relevanz der Bestimmung des relevanten Marktes und der marktbeherrschenden Stellung keineswegs auf das Missbrauchsverbot. So ist die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung Hauptanwendungsfall für den sogenannten SIEC-Test222 sowohl nach Art. 2 Abs. 3 FKVO als auch nach § 36 Abs. 1 S. 1 GWB.223 Auch die Anwendung des Kartellverbots bedarf häufig, im Falle einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung sogar immer, der Abgrenzung des relevanten Marktes und der Bestimmung der Marktanteile. Auch die Spürbarkeit und die Zwischenstaatlichkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme sowie der potenzielle Wettbewerb sind regelmäßig nur feststellbar, wenn
221 Nach Art. 102 UAbs. 1 AEUV muss die beherrschende Stellung „auf dem Binnenmarkt oder einem wesentlichen Teil desselben bestehen“; eine entsprechende (auf den deutschen Markt bezogene) Regelung fehlt im GWB. Der verlangte Binnenmarktbezug verknüpft zwei Regelungsanliegen: Zum einen soll hierdurch i. S. d. Auswirkungsprinzips sichergestellt werden, dass sich das zu untersuchende Verhalten auf dem Binnenmarkt und damit im Anwendungsbereich der Verträge auswirkt. Eine Norm wie § 185 Abs. 2 GWB, die das für das deutsche Recht ausdrücklich regelt, fehlt im AEUV (vgl. zum Auswirkungsprinzip Kling/ Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 4 Rn. 24 f., § 17 Rn. 1 – 4). Zum anderen erfolgt dadurch, dass die marktbeherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Binnenmarkts bestehen muss, eine kompetenzielle Abgrenzung zum mitgliedstaatlichen Recht und damit letztlich eine Zuständigkeitsverteilung zwischen mitgliedstaatlichen Kartellbehörden und Europäischer Kommission, wobei die mitgliedstaatlichen Behörden gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 Kartellverfahrens-VO neben dem mitgliedstaatlichen Missbrauchsverbot auch Art. 102 AEUV anzuwenden haben. 222 Significant impediment to effective competition (erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs). 223 Dementsprechend gilt auch die Legaldefinition der marktbeherrschenden Stellung des § 18 GWB im Rahmen des Regelbeispiels des § 36 Abs. 1 S. 1 GWB, BGH, Beschl. v. 19. 12. 1995, Raiffeisen, Az. KVR 6/95, WuW/E BGH, 3037, 3039.
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der Markt abgegrenzt wurde.224 Schließlich hängt auch die Anwendbarkeit vieler Gruppenfreistellungsverordnungen davon ab, dass eine bestimmte Marktanteilsschwelle nicht überschritten wurde.225 Vor dem Hintergrund des breiten Anwendungsbereichs der Marktabgrenzung und des Begriffs der Marktbeherrschung unterscheidet sich die Auslegung nach der Ratio der der Anwendung jeweils zugrundeliegenden Norm. Ein wesentlicher Systemunterschied liegt darin, dass die Missbrauchsaufsicht einer Betrachtung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens – und damit der marktbeherrschenden Stellung zu dem Zeitpunkt des mutmaßlich missbräuchlichen Verhaltens – bedarf, wohingegen bei der Fusionskontrolle ex ante die absehbaren Wettbewerbsverhältnisse nach dem Zusammenschluss zu beurteilen sind. Zwangsläufig sind dadurch andere Gesichtspunkte und Wertungsmaßstäbe anzulegen.226 Der Breite des Anwendungsbereichs der Marktabgrenzung und der Bestimmung der beherrschenden Stellung auf dem abgegrenzten Markt entspricht die Vielzahl von Ausarbeitungen zu diesem Thema. Die nachfolgenden Ausführungen werden sich daher auf die wesentlichen Grundzüge beschränken, sodass die Bedeutung für die Missbrauchs- und die Zusammenschlusskontrolle verständlich wird. Ebenso mannigfaltig ist mittlerweile die Literatur zur Marktabgrenzung und -beherrschung auf zweiseitigen beziehungsweise Plattformmärkten.227 Auch wenn diese besondere Form der Marktorganisation keineswegs auf Internetmärkte beschränkt ist,228 so zeigen sich ihre extremen Auswirkungen doch gerade dort229 – und damit auf Märkten, für die ebenso das Thema dieser Arbeit ihrer Natur nach bedeutsamer ist als auf „analogen“ Märkten. Daher sollen die Ausführungen in diesem Abschnitt im Besonderen die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung auf zweiseitigen beziehungsweise Plattformmärkten behandeln. Auf eine getrennte Darstellung des europäischen sowie des deutschen Kartellrechts wird auch im Folgenden verzichtet, denn im Grundsatz gelten in beiden Rechtskreisen die gleichen Kriterien.230 Wo Besonderheiten im deutschen Recht bestehen, wird auf sie hingewiesen. 224 Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 139. 225 Praktisch besonders wichtig ist Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO (Verordnung [EU] Nr. 330/ 2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen), wonach weder der Anbieter noch der Abnehmer einen Marktanteil von über 30 Prozent haben dürfen. 226 Vgl. Christiansen/Knebel, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 36 GWB, Rn. 93 – 100; Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 45. 227 Grundlegend Rochet/Tirole, J. Eur. Econ. Ass’n. 1 (2003), 990. 228 Vgl. bereits Rochet/Tirole, J. Eur. Econ. Ass’n. 1 (2003), 990, 992. 229 Selbstredend sind im Internet nicht nur zweiseitige Märkte anzutreffen, sondern daneben auch „klassisch“ direkte Marktbeziehungen, Körber, WuW 2015, 120, 121 f. 230 Paal/Hennemann, Big Data as an Asset, S. 66, 68.
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a) Marktabgrenzung Bevor beurteilt werden kann, ob ein Unternehmen einen bestimmten Markt beherrscht, muss dieser zwingend zunächst abgegrenzt werden. Eine (zu) enge oder (zu) weite Abgrenzung kann dabei gravierende Folgen für die weitere Prüfung haben, denn wesentliche Gesichtspunkte der Prüfung der Marktbeherrschung – wie die Berechnung der Marktanteile oder die Bestimmung des potenziellen Wettbewerbs – beruhen auf einer korrekten Marktabgrenzung. Vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung der Marktabgrenzung sind die Schwierigkeiten mit derselben in Zusammenhang mit Plattform- beziehungsweise mehrseitigen Märkten231 zu verstehen. Damit gemeint sind Märkte, auf denen sich Anbieter mindestens zwei Gruppen von Nachfragern gegenübersehen; zwischen diesen Gruppen bestehen indirekte Netzwerkeffekte.232 Im Gegensatz zu direkten Netzwerkeffekten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Nutzen eines Gutes mit der Zahl der Nutzer auf der eigenen Seite steigt,233 bestehen indirekte Netzwerkeffekte dann, wenn der eigene Nutzen mit der Zahl der Nachfrager auf der anderen Marktseite steigt.234 Ebenso wie diese positive Rückkoppelung gibt es bei bestimmten Plattformen eine negative Rückkopplung in Fällen, in denen der eigene Nutzen sinkt, je mehr Teilnehmer auf der anderen Marktseite aktiv sind. Das kann etwa passieren, wenn die Zahl der Werbetreibenden auf der anderen Marktseite und dementsprechend die Menge der Werbeanzeigen steigt, wodurch die private Nutzung der Plattform weniger attraktiv wird. Beides – direkte und indirekte Netzwerkeffekte – lässt sich zum Beispiel auf sozialen Netzwerken wie Facebook beobachten. Für die Nutzer steigt deren Attraktivität, mit je mehr anderen Nutzern sie sich vernetzen können. Je mehr dieser Möglichkeiten zur Vernetzung bestehen (abhängig von der Gesamtzahl der registrierten Nutzer, der Zahl der Nutzer aus dem persönlichen Umfeld des einzelnen Nutzers, der Aktivität dieser anderen Nutzer sowie der einfachen Bedienbarkeit des 231 Diese Begriffe sollen hier synonym verstanden werden, so wie dies auch das Bundeskartellamt in seiner Anwendungspraxis tut, vgl. BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 8, 14. Auf S. 8 – 16 werden dort verschiedene Definitionsansätze dargestellt und bewertet. Eine Abgrenzung kann noch vorgenommen werden zum Netzwerk, das von direkten Netzwerkeffekten geprägt ist, Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 49. Diese weitere Unterscheidung soll vorliegend nicht übernommen werden, denn ihr fehlt es einerseits an Relevanz für die weitere Abhandlung, andererseits – und das merkt auch Kumkar auf S. 50 richtigerweise an – ist gerade das von ihr gewählte Beispiel Facebook durch das Vorliegen indirekter Netzwerkeffekte zumindest auch eine Plattform. Die Bezeichnung ein und desselben Dienstes als Netzwerk einerseits und als Plattform andererseits trägt nicht zu einer konsistenten Begriffsbildung bei. 232 Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, 2. Aufl. 2011, S. 61. 233 Whish/Bailey, Competition Law, 9. Aufl. 2018, S. 11. Ein einfaches Beispiel für direkte Netzwerkeffekte sind Telekommunikationsnetzwerke. Hier steigt der Nutzen eines eigenen Anschlusses mit der Zahl der anderen Anschlüsse, die mit diesem erreicht werden können. 234 Evans, Yale J. on Reg. 20 (2003), 325, 332. Ausführlich zu beiden Formen der Netzwerkeffekte Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 29 – 34.
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Netzwerks zum Auffinden der anderen Nutzer), desto stärker wirkende direkte Netzwerkeffekte weist das Netzwerk relativ im Vergleich zu anderen Netzwerken auf. Steigt dadurch die Nutzerzahl, so steigt damit auch die Attraktivität des Netzwerks für Werbetreibende, die hierdurch mehr potenzielle Kunden ansprechen können. Einerseits kann dadurch möglicherweise das Angebot der Plattform auch für die privaten Nutzer verbessert werden, da durch mehr Werbeeinnahme eine verbesserte Plattform zur Verfügung gestellt werden könnte. Andererseits könnte aber auch die oben beschriebene negative Rückkoppelung durch ein Übermaß an Werbeanzeigen verursacht werden. Das Maß der Reaktionsverbundenheit der beiden Marktseiten beschreibt die Stärke der indirekten Netzwerkeffekte. Derartige Effekte – und damit Plattformmärkte – finden sich zwar nicht nur in der digitalen Welt,235 doch dort zeigt sich das Problem der Marktabgrenzung und der Prüfung der Marktbeherrschung auf Plattformmärkten verschärft. Das dürfte weniger an der größeren Zahl von Plattformmärkten im Internet liegen,236 sondern vielmehr daran, dass aufgrund der Möglichkeiten von Big Data die Angebote im Internet besser auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden können, wodurch das Matching zwischen den Kundengruppen erleichtert wird, und der Wettbewerbsdruck aufgrund immer häufigerer und disruptiver Innovationen steigt. Dadurch wirken auf digitalen Märkten die Kriterien, die für die Bestimmung der Marktmacht heranzuziehen sind, besonders stark. aa) Sachliche Marktabgrenzung Märkte lassen sich sachlich und räumlich, gelegentlich auch zeitlich, abgrenzen. (1) Annahme eines Marktes auch ohne monetäre Gegenleistung Seit dem Aufkommen der Plattformmärkte wird die Frage kontrovers diskutiert, ob die Annahme eines Marktes eine monetäre Gegenleistung voraussetzt. Dabei ist die Relevanz dieses Problems keinesfalls auf Plattformmärkte beschränkt, kann doch ein Geschäftsmodell, bei dem kein monetäres Entgelt verlangt wird, auch auf anderen Strategien beruhen, die auch auf „analogen“ Märkten angewendet werden können, namentlich wenn die Preisstruktur nicht-neutral ist.237 235 Vgl. Rochet/Tirole, J. Eur. Econ. Ass’n. 1 (2003), 990, 992, mit Beispielen „analoger“ Plattformmärkte. 236 So jedoch Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 127. 237 Vgl. dazu Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 46 – 48; Sauermann, ZWeR 2018, 341, 347 – 357. Demnach gibt es auch andere Geschäftsstrategien, bei denen zumindest eine der Marktseiten kein monetäres Entgelt zu zahlen hat, sodass sich das gleiche Problem stellt. Das ist etwa der Fall bei komplementären Produkten, bei denen eines verschenkt wird, bei „Premium-Upgrade-Strategien“ (sog. Freemium), im Rahmen eines predatory pricing, bei freier Software oder in Fällen, in denen es technisch oder rechtlich unmöglich ist, einen Preis zu verlangen.
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Diese Frage wurde auch durch den im Rahmen der 9. GWB-Novelle eingefügten § 18 Abs. 2a GWB nicht gelöst.238 Dieser bestimmt lediglich, dass es der Annahme eines Marktes nicht entgegensteht, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird. Der Gesetzgeber sah diese Regelung als erforderlich an, um einer möglichen Entwicklung in der Rechtsprechung entgegenzuwirken, die auf eine Ablehnung der Marktqualität entsprechender Märkte hinausgelaufen wäre.239 Das OLG Düsseldorf hatte es in der HRS-Entscheidung zuvor nämlich noch abgelehnt, einen Markt in der unentgeltlichen Vermittlung von Hotelbuchungen zu sehen.240 Hingegen war der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts bereits vor Inkrafttreten der 9. GWBNovelle zu entnehmen, dass die Unentgeltlichkeit auf einer Marktseite nicht deren Qualität als Markt im kartellrechtlichen Sinne hindere.241 Für die Europäische Kommission stellt Unentgeltlichkeit schließlich auch schon länger kein Kriterium mehr dar, mit dem die Qualität als Markt abgelehnt werden könnte.242 Nach dem Vorstehenden – auch unter Geltung des § 18 Abs. 2a GWB – ist damit nach wie vor nicht geklärt, wann von einem Markt im kartellrechtlichen Sinne ausgegangen werden kann. Im Ausgangspunkt ist ein ökonomisches Begriffsverständnis von „Markt“ anzunehmen, nach dem entscheidendes Wesensmerkmal der gegenseitige Leistungsaustausch ist.243 Der Rückgriff auf das vom EuGH entwickelte 238 Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 111; Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 329. Anders wohl Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 129 f.; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 79. 239 Vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 18/10207, S. 48. 240 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09. 01. 2015, Bestpreisklauseln, Az. VI-Kart 1/14 (V), NZKart 2015, 148, 149. 241 BKartA, Beschl. v. 20. 04. 2015, Immowelt/Immonet, Az. B6 – 39/15, Fallbericht v. 25. 04. 2015, S. 3; Beschl. v. 08. 09. 2015, Google/VG Media, Az. B6 – 126/14, Rn. 132 – 134; Beschl. v. 22. 10. 2015, Parship/Elitepartner, Az. B6 – 57/15, Rn. 79. Vgl. auch BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 41 f. 242 Europäische Kommission, Entsch. v. 24. 03. 2004, Microsoft, COMP/C-3/37.792, Rn. 402 – 425; Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/Whatsapp, COMP/M.7217, Rn. 45 – 62; Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 10 – 17; Entsch. v. 27. 06. 2017, Google Search (Shopping), AT.39740, Rn. 155 – 190 (insb. Rn. 158); Entsch. v. 18. 07. 2018, Google Android, AT.40099, Rn. 719 – 725. Vor dem Aufkommen digitaler Plattformen war die Kommission hier freilich noch zurückhaltender, vgl. Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 49 – 91, mit einem Überblick über die Entwicklung der europäischen Entscheidungspraxis. 243 Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 105 – 107. Ein etwas anderes Verständnis hat Volmar, WRP 2019, 582, 586, der konstatiert: „Dort, wo Wettbewerb stattfindet, muss ein Markt sein.“ Ebenso bei Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 112 – 117. An dieser Definition ist problematisch, dass es nach wie vor keine allgemein anerkannte Definition für „Wettbewerb“ gibt (Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, S. 4 – 6). Das Abstellen auf den vom EuGH praktizierten Begriff des Leistungswettbewerbs (bei Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 114) ist dabei auch nur begrenzt hilfreich, denn dieser wird vor allem negativ danach bestimmt, was nach Ansicht des EuGH nicht „Leistungswettbewerb“ sein soll. Dann bleibt Volmar jedoch eine praktikable Formel schuldig. Kritisch zur Definition Volmars auch Louven,
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Instrument des Leistungswettbewerbs vermag über das Problem der Anwendung auf nicht-monetäre Märkte nicht hinwegzuhelfen,244 denn damit umschreibt der EuGH lediglich einzelne Phänomene ex negativo, die jedenfalls keine normale Wettbewerbstätigkeit darstellen sollen. Was nach seiner Interpretation aber gerade ein „normaler“ Leistungswettbewerb sein soll, ist damit noch nicht geklärt. Hinzu kommt, dass das Kartellrecht nach seiner Zielsetzung gerade dann eingreifen soll, wenn der Wettbewerb beeinträchtigt oder vollständig beseitigt ist. Dann kann die Existenz von (normalem, also unbeeinträchtigtem) Wettbewerb nicht das Abgrenzungskriterium sein, um über die Anwendbarkeit des Kartellrechts zu entscheiden. Die Frage des Wettbewerbs und seiner Funktionsfähigkeit kann demnach sinnvollerweise erst im Rahmen der materiellen Prüfung Bedeutung erlangen. Nehmen wir also den „Markt“ als Ort des Leistungsaustauschs als Grundlage, so ist im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung vor allem interessierenden datenbasierten Geschäftsmodelle daher in besonderer Weise erörterungsbedürftig, ob die Hingabe personenbezogener Daten als ausreichende Gegenleistung angesehen werden kann, um ein Marktverhältnis zu begründen. Dabei haben sich in der Literatur verschiedene Begründungsstränge herausgebildet, nach denen auch in diesem Verhältnis eine marktliche Beziehung vorliegt. Teilweise wird vertreten, dass der leitende Gesichtspunkt hierbei die Ratio der Marktabgrenzung sein müsse. Bestimmt werden sollen demnach die Wettbewerbskräfte, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist. Aufgrund der indirekten Netzwerkeffekte kann sich ein auf einem Plattformmarkt tätiges Unternehmen nicht darauf beschränken, nur um die ein monetäres Entgelt zahlende Nutzergruppe zu werben. Diese Nutzergruppe hat nur dann ein Interesse, auf der Plattform vertreten zu sein, wenn auch die andere Nutzergruppe „an Bord“ ist.245 Daher kann in solchen Fällen ebenfalls von einem Wettbewerbsverhältnis – mithin einem Markt – auf der anderen Nutzerseite ausgegangen werden, in dem um diese Nutzer konkurriert wird.246 Kumkar stellt demgegenüber auf eine Abgrenzung von Geschäftsmodellen ab, in denen die Bereitstellung von Daten lediglich der Vertragserfüllung dient und der Anbieter diese nicht weiter wirtschaftlich verwerten kann.247 Eine Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Eine wesentliche Rolle dürfte jedoch das jeweilige Geschäftsmodell spielen: Wird dieses durch Targeted Advertising finanziert, so liegt
Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, 2021, S. 184 f. Wie hier Akman, J. Eur. Comp. L. & Prac. 10 (2019), 589, 590. 244 A. A. Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 114. 245 Filistrucchi et al., J. Comp. L. & Econ. 10 (2014), 293, 319. Das Erfordernis, beide Marktseiten gleichzeitig anzuziehen, führt zu einem „Henne und Ei“-Problem, Budzinski/Stöhr, ECJ 15 (2019), 15, 17. 246 Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 331. 247 Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 108.
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auf der Hand, dass die übermittelten Daten auch dazu verwendet werden, die Werbeanzeigen auf die Interessen der Nutzer zuzuschneiden.248 Die weiteste Ansicht – die, verglichen mit den anderen, am ehesten zu generalisieren ist, da sie für alle Formen unentgeltlicher Beziehungen anwendbar ist – nimmt einen Markt dann an, wenn es Transaktionen zwischen zwei oder mehr Parteien gibt, von denen zumindest eine aus ökonomischen Gründen handelt. Dadurch sollen im Wesentlichen nur die staatliche Aufgabenerfüllung sowie philanthropische Zwecke als Tätigkeiten am „Markt“ ausgeschlossen werden.249 Zu weitgehend ist es jedenfalls, mit der Hingabe von Daten oder einer anderen nicht-monetären Gegenleistung ein synallagmatisches Austauschverhältnis im Sinne eines do ut des zu begründen:250 Das Angebot der Plattform besteht unabhängig davon, wie viele – und wie viele kommerziell verwertbare – Daten von den Nutzern hingegeben werden. So ist man etwa bei Facebook nur verpflichtet, zum Anlegen des Kontos ganz grundlegende Daten wie den (Klar-)Namen, die Handynummer oder die E-Mail-Adresse, das Geburtsdatum und das Geschlecht anzugeben. Die Angabe weiterer Daten erfolgt hingegen freiwillig251; außerdem werden Daten auch indirekt beziehungsweise als Metadaten erhoben252. Eine vertragliche Verpflichtung zur Hingabe von Daten gibt es damit in diesen Fällen nur im Hinblick auf solche Daten, mit denen die Vertragserfüllung – konkret: die Anmeldung – sichergestellt werden soll. Ein synallagmatisches Austauschverhältnis kann also nur vertrags-, nicht jedoch kartellrechtlich eine Rolle spielen. Mit der genannten Ansicht wird daher verkannt, dass die zivilrechtliche Gewährung der Vertragsfreiheit ein anderes Ziel verfolgt als das Kartellrecht. Die Ergebnisse der dargestellten Ansichten – (1) Feststellung des Wettbewerbs auf dem Nutzermarkt wegen der Wirkungen indirekter Netzwerkeffekte; (2) Feststellung, dass die verlangten Daten nicht lediglich der Vertragserfüllung dienen; (3) Suche nach ökonomischen Motiven der Parteien – dürften sich in der praktischen Anwendung bei sogenannten Aufmerksamkeitsplattformen decken. Deren Geschäftsmodell besteht darin, die Aufmerksamkeit der einen für die Angebote der
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Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 108. Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 54. Ähnlich Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 79 f. Ähnlich auch Topel, in: FS Wiedemann, S. 57, 61, die es als erforderlich, aber auch ausreichend erachtet, dass auf irgendeiner der Marktseiten eine monetäre Gegenleistung fließt. 250 So jedoch Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 59, die aus dem Synallagma ein wirtschaftliches Austauschverhältnis und daraus wiederum einen kartellrechtlich relevanten Markt herleitet. Ebenso wohl Klotz, WuW 2016, 58, 60. 251 „Freiwillig“ soll hier bedeuten, dass die Angabe nicht verpflichtend ist, um Facebook nutzen zu können. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die datenschutzrechtliche Einwilligung freiwillig erteilt wurde (vgl. Art. 4 Nr. 11 DS-GVO). 252 S. o. § 3.A. (S. 37 – 40). 249
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anderen Nutzgruppe herzustellen.253 Diese Aufmerksamkeit unterscheidet sich aber vom „eigentlichen“ Vertragszweck aus Sicht der Marktseite, um deren Aufmerksamkeit es geht. Beispiele für eine derartige Aufmerksamkeitsplattform sind werbefinanzierte soziale Netzwerke wie Facebook: Diese produzieren die Aufmerksamkeit der Endverbraucher, um – personalisierte – Werbeanzeigen schalten zu können. Das geht über den Vertragszweck im Verhältnis der Netzwerke zu den Endverbrauchern hinaus, der in der sozialen Verknüpfung mit anderen Personen liegt. In diesem Verhältnis wird im Sinne Kumkars254 gleichzeitig ein Mehr an Daten gesammelt, um personalisierte Werbeanzeigen schalten zu können. Gleichzeitig ist es aufgrund der wirkenden indirekten Netzwerkeffekte erforderlich, die Endverbraucher „an Bord“ zu bekommen, um für die andere Seite der Werbetreibenden attraktiv zu sein. Mithin gibt es entsprechend der Ansicht Lohses255 auch einen Wettbewerb um die Seite der Endverbraucher. Schließlich handeln Facebook sowie seine Werbepartner auch aus ökonomischen Gründen. Unterschiedlich fällt das Ergebnis hingegen auf sogenannten Matchingplattformen aus. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Dating-Plattformen oder Jobbörsen. Diese dienen dazu, ein Matching zwischen zwei heterogenen Nutzergruppen herzustellen.256 Hier erschöpft sich die Tätigkeit der Plattform in der Ermöglichung des 253
BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 24 f. Aufmerksamkeitsplattformen werden mitunter auch Nichttransaktions- oder Werbeplattformen genannt. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wird jedoch die Terminologie des BKartA verwendet, da die Argumente für die Ablehnung des Begriffs der Nichttransaktionsplattform durch das BKartA a. a. O., S. 24 f., überzeugen. Vgl. dazu auch Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, 24 f. 254 Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 108. 255 Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 331. 256 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 22. Unter den Begriff der Matchingplattformen werden demnach sowohl Transaktionsplattformen gefasst als auch solche ohne Transaktionen (vgl. ebd. S. 22 f.). Ein anderes Verständnis haben Filistrucchi et al., J. Comp. L. & Econ. 10 (2014), 293, 298, die vielmehr zwischen Transaktions- und Nichttransaktionsplattformen unterscheiden (s. Fn. 253). Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll der Definition des Bundeskartellamts gefolgt werden. Der Umstand, dass eine (beobachtbare) Transaktion stattfindet, kann kein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen Plattformtypen sein. Entscheidend ist vielmehr der Umstand, dass auf den Aufmerksamkeitsplattformen indirekte Netzwerkeffekte deutlich anders wirken als auf Matchingplattformen. Die Wettbewerbsbedingungen sind daher, je nach Plattformtyp, gänzlich unterschiedlich. So tendieren Aufmerksamkeitsplattformen deutlich eher zum Kippen des Marktes, sodass nur noch ein Anbieter oder sehr wenige Anbieter übrigbleiben, was augenscheinlich im Fall von Facebook auf dem Markt für private soziale Netzwerke geschehen ist. Demgegenüber bieten Matchingplattformen die Möglichkeit für mehrere Anbieter, auf dem Markt dauerhaft tätig zu sein. Beispielsweise konnte das Bundeskartellamt im Rahmen seiner Sektoruntersuchung Vergleichsportale rund 150 Anbieter benennen, vgl. BKartA, Konsultationspapier zur Sektoruntersuchung Vergleichsportale, 12. 12. 2018, S. 9. Aber auch auf Märkten, die Filistrucchi et al. als Nichttransaktionsplattformen (und das Bundeskartellamt als Matchingplattformen ohne Transaktion) bezeichnen würden – etwa Immobilien- oder DatingPlattformen – ist die parallele Existenz einer Vielzahl von Anbietern feststellbar, was ebenfalls durch schwache indirekte Netzwerkeffekte erklärbar ist.
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Matching, also der Zusammenführung heterogener Nutzergruppen. Die Datenerhebung beschränkt sich dann – sofern nicht als zweite Funktion der Plattform Werbeanzeigen geschaltet werden – auf das zum Matching Erforderliche. Bei derartigen „reinen“ Matchingplattformen müsste man mit Kumkar zur Ablehnung eines Marktes gegenüber den Endverbrauchern gelangen, wenn die erhobenen Daten allein für das Matching, nicht hingegen für darüberhinausgehende wirtschaftliche Zwecke (zum Beispiel Werbung) genutzt werden. Dies würde jedoch dazu führen, dass der Wettbewerb, der um die Anwesenheit der Endverbraucher auf der Plattform geführt wird, nicht ausreichend berücksichtigt werden könnte. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob von einem einheitlichen oder von getrennten Märkten auszugehen ist, der im Folgenden nachgegangen wird. (2) Getrennte Märkte oder Gesamtbetrachtung? Das Bundeskartellamt grenzt die Märkte vorrangig danach ab, ob es sich um eine Matching- oder eine Aufmerksamkeitsplattform handelt. Demnach ist bei Matchingplattformen ein einziger Markt für die gesamte Vermittlungsleistung anzunehmen.257 Im Falle von Aufmerksamkeitsplattformen soll demgegenüber jede einzelne Marktseite einen kartellrechtlich eigenständig zu betrachtenden Markt begründen.258 Diese Unterscheidung hat auch etliche Vertreter in der Literatur.259 257 BKartA, Beschl. v. 20. 12. 2013, HRS, Az. B9 – 66/10, Rn. 110; Beschl. v. 22. 10. 2015, Parship/Elitepartner, Az. B6 – 57/15, Rn. 71. In der Tendenz ebenso, aber im Ergebnis offengelassen von BKartA, Beschl. v. 20. 04. 2015, Immowelt/Immonet, Az. B6 – 39/15, Fallbericht v. 25. 04. 2015, S. 1; Beschl. v. 24. 07. 2015, Verivox/ProSiebenSat.1, Az. B8 – 76/15, Fallbericht v. 05. 08. 2015, S. 1 f. Vgl. auch BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 31 – 33. 258 So OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05. 12. 2018, Ticketvertrieb, Az. VI-Kart 3/18 (V), NZKart 2019, 53, 54; Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/Whatsapp, COMP/M.7217, Rn. 13 – 79; Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 87 – 117; BKartA, Beschl. v. 08. 09. 2015, Google/VG Media, Az. B6 – 126/14, Rn. 141 – 151. Vgl. zu der zuletzt genannten Entscheidung jedoch auch LG Berlin, Urt. v. 19. 02. 2016, Google/VG Media, Az. 92 O 5/14 Kart, NZKart 2016, 338, 338 f.: Hier ging das Gericht von einem Markt für Internetsuchmaschinen aus. Kritisch zu diesem Urteil Kersting/Dworschak, ZUM 2016, 840, 842 f. 259 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 135 f.; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 388 f.; Filistrucchi et al., J. Comp. L. & Econ. 10 (2014), 293, 301 f.; Körber, WuW 2015, 120, 125; Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 121; Volmar, ZWeR 2017, 386, 390 f. A. A. Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 60; Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 22 – 39; Grave, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 17, Rn. 18; Klasse/Wiethaus, WuW 2017, 354, 358. Differenzierend Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 116 – 118: Im Grundsatz sei eine Trennung von Transaktions- bzw. Matchingplattformen (einheitliche Abgrenzung) und Nichttransaktions- bzw. Aufmerksamkeitsplattformen (getrennte Abgrenzung) denkbar. Dieses Ergebnis sei aber über eine Betrachtung der Stärke der wirkenden Netzwerkeffekte zu korrigieren. Wenn auf beiden Marktseiten starke indirekte Netzwerkeffekte festzustellen seien, sei eine einheitliche Ab-
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Diese Unterscheidung verdient Zustimmung. Matchingplattformen liegt mit dem Matching eine einheitliche Leistung der Plattformen zugrunde.260 Das wettbewerbliche Umfeld auf dem Gebiet dieser Leistung, mithin der sachlich relevante Markt, lässt sich vor diesem Hintergrund verhältnismäßig einfach bestimmen. Dabei ist der Zweck der Marktabgrenzung nicht aus den Augen zu verlieren. Der Markt wird nicht als bloßer Selbstzweck abgegrenzt, sondern um den die unternehmerische Handlungsfreiheit einschränkenden Wettbewerbsdruck zu erfassen, der von den Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite sowie dem Verhältnis zu den Wettbewerbern des Unternehmens abhängt. Die Entscheidung für eine Gesamtbetrachtung oder eine getrennte Abgrenzung der einzelnen Marktseiten der Plattform ist daher nur ein erster grober Filter, der die weitere Prüfung zwar strukturieren, nicht jedoch determinieren kann. Vor diesem Hintergrund ist zu betonen, dass auch bei einer einheitlichen Marktabgrenzung bei Matchingplattformen weiter zu untersuchen ist, wie die Substitutionsmöglichkeiten der verschiedenen Marktseiten sind. Diese können unterschiedlich gut sein, etwa bei Dating-Plattformen, die den Zugang für Männer und Frauen unterschiedlich ausgestalten. Auch wenn das Produkt in diesen Fällen einheitlich ist, nämlich die Herstellung des Matching zwischen den Marktseiten, können die Substitutionswirkungen, die von Wettbewerbern ausgehen, damit unterschiedlich stark sein. Bei Aufmerksamkeitsplattformen wird die Marktabgrenzung, anders als bei Matchingplattformen, regelmäßig asymmetrisch ausfallen aufgrund der auf den einzelnen Marktseiten meist unterschiedlich stark wirkenden indirekten Netzwerkeffekte.261 Als Beispiel dafür mag ein soziales Netzwerk herangezogen werden: Dieses versucht, die Aufmerksamkeit der einen Marktseite (der Endverbraucher) auf die andere Marktseite (die Nachfrager von Werbeflächen auf dem sozialen Netzwerk) zu lenken. Anders als bei Matchingplattformen wirken hier die indirekten Netzwerkeffekte asymmetrisch:262 Die Marktseite der Werbetreibenden profitiert von der Zunahme der Zahl der Endverbraucher stark, während andererseits letztere keinen oder nur einen sehr geringen263 zusätzlichen Nutzen von einer größeren Zahl an Werbetreibenden auf der Aufmerksamkeitsplattform haben. Dass die Marktabgrenzung nun regelmäßig asymmetrisch – also auf den einzelnen Marktseiten ungrenzung angebracht, da indiziert sei, dass auch der Bedarf der beiden Marktseiten identisch sei. Wirken die indirekten Netzwerkeffekte hingegen asymmetrisch, so sei eine getrennte Marktabgrenzung vorzunehmen (ebd. S. 117 f.). 260 Filistrucchi et al., J. Comp. L. & Econ. 10 (2014), 293, 301. 261 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 388 f. 262 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 25. 263 Ob ein Zusatznutzen durch das Auftreten weiterer Werbetreibender entsteht (etwa durch Werbung, die den eigenen Bedürfnissen besser entspricht) und wie hoch dieser mögliche Zusatznutzen ist, braucht hier nicht weiter vertieft zu werden. Ebenso ist denkbar, dass der Nutzen sogar sinkt, sollten weitere Werbetreibende ein insgesamt höheres Werbeaufkommen auf der Plattform bedeuten, vgl. Volmar, ZWeR 2017, 386, 390. Dann handelte es sich um negative indirekte Netzwerkeffekte, wodurch das Argument der asymmetrischen Marktabgrenzung umso mehr gilt.
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terschiedlich weit – ausfällt, liegt an den unterschiedlichen Ausweichmöglichkeiten der beiden Marktseiten: Für Endverbraucher bestehen diese nur sehr eingeschränkt, wollen sie das Produkt „soziales Netzwerk“ nutzen. Die Werbetreibenden haben demgegenüber größere Ausweichmöglichkeiten, mit denen sie die Endverbraucher auch erreichen können, ohne Anzeigen in dem sozialen Netzwerk zu schalten.264 Vor diesem Hintergrund ist der von der herrschenden Meinung vorgenommenen Unterscheidung zwischen Matching- und Aufmerksamkeitsplattformen zuzustimmen. Die Wettbewerbsbedingungen auf den einzelnen Seiten von Aufmerksamkeitsplattformen unterscheiden sich regelmäßig derart stark voneinander, dass eine zusammengefasste Betrachtung verfehlt wäre. Bei Matchingplattformen gibt es hingegen nur ein Produkt der Plattform, das in der Vermittlungsleistung besteht. Eine Aufspaltung in verschiedene Märkte ist hier nicht erforderlich. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass diese Einteilung nicht zu der voreiligen Annahme verleiten darf, dass die bei Aufmerksamkeitsplattformen getrennt zu betrachtenden Marktseiten beziehungslos nebeneinanderstünden. Die Betrachtung einzelner Märkte dient dem Zweck, das jeweilige wettbewerbliche Umfeld genauer bestimmen zu können. Die zwischen den verschiedenen Marktseiten wirkenden indirekten Netzwerkeffekte haben Einfluss auf die Anwendbarkeit bisher gebräuchlicher Methoden der Marktabgrenzung und müssen außerdem bei der Marktbeherrschung berücksichtigt werden.265 Letzteres stellt auch § 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB seit der 9. GWB-Novelle klar. (3) Kriterien der Marktabgrenzung Die Abgrenzung des betroffenen Marktes erfolgt anhand des Bedarfsmarktkonzepts, das durch verschiedene quantitative Methoden sowie die Methode der Angebotsumstellungsflexibilität ergänzt wird. Die hergebrachten Methoden der Marktabgrenzung eignen sich dabei nur eingeschränkt zur Anwendung auf innovationsgetriebene Plattformmärkte.266 Geeignetere Methoden wurden bislang freilich auch nicht gefunden. Die bisher angewendeten Methoden bedürfen daher teils der Adaption. (a) Das Bedarfsmarktkonzept Nach dem Bedarfsmarktkonzept gehören Waren oder Dienstleistungen demselben Markt an, wenn sie aus Sicht der Marktgegenseite austauschbar sind. Dafür
264
Volmar, ZWeR 2017, 386, 390 f. Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 390. Ausführlich Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 39 – 46. 266 Ebenso Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 136. 265
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erforderlich ist, dass sie für diese demselben Zweck dienen.267 Neben den Verbraucherpräferenzen in Bezug auf die Beschaffenheit sind dafür auch der Preis und die Verfügbarkeit am Markt zu vergleichen.268 Hier zeigt sich eine Auswirkung der asymmetrischen Marktabgrenzung bei Aufmerksamkeitsplattformen: Die Marktabgrenzung wird regelmäßig zu unterschiedlichen Substitutionsmöglichkeiten für die jeweiligen Marktseiten kommen, sodass die Märkte auch unterschiedlich weit abzugrenzen sind.269 Mögliche Konsequenz hieraus ist, dass auf dem dergestalt enger abgegrenzten Markt eine marktbeherrschende Stellung festzustellen ist, auf dem weiter abgegrenzten hingegen nicht. Eine weitere Herausforderung für das Bedarfsmarktkonzept ist, dass es als statisches Modell nur sehr eingeschränkt auf dynamischen Märkten funktioniert. Diese Märkte sind von einer hohen Innovationsgeschwindigkeit geprägt; neue Produkte treten im digitalen Bereich häufig eher in Form einer Revolution denn einer Evolution auf.270 Daher kann sich eine einmal getroffene Marktabgrenzung schnell als überholt erweisen.271 (b) Der SSNIP-Test und verwandte quantitative Methoden Das Bedarfsmarktkonzept als qualitative Methode zur Bestimmung des relevanten Markts wird ergänzt durch quantitative Methoden, die den Vorteil der Objektivität haben, sodass es – möglicherweise irrtümlicher – wertender Annahmen nicht bedarf.272 Aber auch die Anwendbarkeit quantitativer Methoden hat auf Plattformmärkten Grenzen. Die quantitativen Methoden sind eher als Gedankenexperimente denn als tatsächliche empirische Untersuchungen angelegt, da es in der Regel an realen Daten mangeln wird.273 Die am häufigsten angewendete quantitative Methode ist der SSNIP-Test.274 Zur Durchführung dieses Tests geht man zunächst vom denkbar engsten Markt aus, der von einem „hypothetischen Monopolisten“ beherrscht wird. Sodann wird unterstellt, dieser „hypothetische Monopolist“ hebe die Preise geringfügig (um fünf bis zehn 267 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 28. 268 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 23. 269 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 136 f. 270 Stakheyeva/Toksoy, ECLR 38 (2017), 265, 269. 271 Dreher, ZWeR 2009, 149, 156. Dazu Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 64 – 66. 272 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 8 Rn. 135. 273 S. beispielsweise BKartA, Beschl. v. 30. 09. 2005, Railion/RBH, Az. B9 – 50/05, BeckRS 2005, 31707, Rn. 85 – 89, mit einem Anwendungsbeispiel, bei dem der SSNIP-Test durch eine Befragung der maßgeblichen Akteure der Marktgegenseite umgesetzt wurde. 274 SSNIP steht für den hypothetisch vorzunehmenden „small but significant non-transitory increase in price“. Dieser Test wird auch „hypothetischer Monopoltest“ (HMT) oder „Kreuzpreiselastizität“ genannt.
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Prozent), aber dauerhaft an. Kann diese Preiserhöhung gewinnbringend vorgenommen werden, so handelt es sich um einen sachlich abgrenzbaren Markt. Weichen die Abnehmer in Folge der Preiserhöhung hingegen auf andere Waren oder Dienstleistungen aus, so sind diese aus Sicht der Marktgegenseite austauschbar mit den Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt des hypothetischen Monopolisten, sodass sie diesem hinzuzurechnen sind. Der SSNIP-Test ist dann so lange zu wiederholen, bis ein genügend weiter Markt gefunden ist, auf dem eine Preiserhöhung gewinnbringend vorgenommen werden kann und jede Erhöhung auf einem hypothetisch noch weiter gefassten Markt hingegen nicht mehr gewinnbringend wäre.275 Die Ergebnisse eines dergestalt durchgeführten SSNIP-Tests scheinen eindeutig. Er leidet jedoch sowohl an allgemeinen Problemen der Anwendung auf jeder Art von Markt als auch an solchen, die der Anwendung auf Plattformmärkten eigen sind. Allgemein eignet sich der Test nicht auf bereits monopolistisch beherrschten Märkten: Die monopolbedingt bereits überhöhten Preise würden hier zu einer zu breiten Marktabgrenzung führen.276 Daneben ist die Preisbasiertheit des SSNIP-Tests zwar insoweit vorteilhaft, als damit dem Rechtsanwender ein objektives Kriterium an die Hand gegeben wird; dies kann jedoch auch nachteilig sein, weil hierdurch andere, möglicherweise ebenso wichtige Kriterien wie die Qualität unberücksichtigt bleiben.277 Der SSNIP-Test kann überhaupt nicht – oder jedenfalls nur stark modifiziert – durchgeführt werden auf Märkten ohne ein monetäres Entgelt278, wie sie besonders bei Aufmerksamkeitsplattformen häufig auf einer der Marktseiten zu finden sind.279 Aber auch auf Plattformmärkten, auf denen ein Preis verlangt wird, ist die Anwendung des Tests nicht ohne Modifikation durchführbar, da aufgrund der indirekten Netzwerkeffekte Rückkoppelungen entstehen:280 Ein Nachfragerückgang auf der einen Marktseite kann die Nutzung der Plattform auch für die andere Marktseite 275 Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372, 5, Rn. 17. 276 Sog. „cellophane fallacy“, vgl. dazu und zu Lösungsansätzen O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 3. Aufl. 2020, S. 145 – 147. 277 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 51. 278 EuG, Urt. v. 11. 01. 2017, Topps Europe, Rs. T-699/14, ECLI:EU:T:2017:2, Rn. 82; Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 390; Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 291, andererseits aber auch ebd., S. 295 (Möglichkeit eines Preishöhenmissbrauchs bei exzessiver Datenverwertung). Grundlegend Hammelmann/Haucap, ORDO 67 (2016), 269, 273 – 277. Vgl. jedoch mit dem Versuch, einen SSNIP-Test für „Daten-Preise“ zu beschreiben Eben, I/S: J. L. & Pol’y for Info. Soc’y 14 (2018), 227, 269 – 279. Dabei geht sie jedoch von einem vollständig informierten Verbraucher aus, der auch um den Wert seiner hingegebenen Daten weiß. Diese Annahme entbehrt zumindest gegenwärtig einer Tatsachengrundlage. 279 Sauermann, ZWeR 2018, 341, 348 – 351. 280 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05. 12. 2018, Ticketvertrieb, Az. VI-Kart 3/18 (V), NZKart 2019, 53, 55. Dazu auch Filistrucchi et al., J. Comp. L. & Econ. 10 (2014), 293, 330 – 333.
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unattraktiver machen. Dadurch folgt auch auf dieser Seite ein Nachfragerückgang, welcher die Plattform wiederum für die erste Marktseite noch unattraktiver macht, und so weiter. Dadurch entsteht ein sich selbst verstärkender feedback loop.281 Hierdurch stellt sich die Wirkung einer hypothetischen Preiserhöhung deutlich gravierender dar als auf Märkten ohne Netzwerkeffekte.282 Eine Preiserhöhung könnte zunächst profitabel vorgenommen werden, würde jedoch mit zunehmendem Wirken der positiven indirekten Netzwerkeffekte immer unprofitabler werden.283 Folge davon ist eine zu enge Marktabgrenzung.284 Neben den indirekten sind auch direkte Netzwerkeffekte bei der Marktabgrenzung zu berücksichtigen: Aufgrund dieser können Nutzer derart auf einer Plattform eingeschlossen sein (lock in)285, dass sie auf einen Wechsel zu einer anderen Plattform verzichten (müssen), obwohl diese nach qualitativen Kriterien zum selben Markt zu zählen wäre.286 Daher begünstigen auch die direkten Netzwerkeffekte eine zu enge Marktabgrenzung, sorgen sie doch dafür, dass der Wechsel zu Plattformen unterbleibt, die nach ihrer Beschaffenheit als austauschbar anzusehen wären. Zumindest dieses letztgenannte Kriterium lässt sich dadurch in den Griff bekommen, dass der SSNIP-Test von der Rechtsprechung ohnehin lediglich als Hilfsmittel verstanden wird. Demnach ist das aufgrund des Bedarfsmarktkonzepts gewonnene Ergebnis vorrangig.287 Ist dieses eindeutig, kann der SSNIP-Test nicht zu einem anderen Ergebnis führen.288 Aufgrund der genannten Unzulänglichkeiten des SSNIP-Tests auf Plattformmärkten werden verschiedene Modifikationen des Tests vorgeschlagen. Aus der Überlegung heraus, dass für die Marktgegenseite die Beschaffenheit eines Produktes ebenso wichtig sein kann wie der Preis289 – und diesen auf nicht-monetären Märkten sogar vollständig ersetzt –, entstand der Vorschlag, den Test, statt anhand einer Preiserhöhung, mit einer Senkung der Qualität des Dienstes durchzuführen: SSNDQ-Test (small but significant non-transitory decrease in quality).290 Vorstellbar
281
Evans/Noel, J. Comp. L. & Econ. 4 (2008), 663, 665. BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 45. 283 Kehder, Konzepte und Methoden der Marktabgrenzung und ihre Anwendung auf zweiseitige Märkte, 2013, S. 77; Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, 210 f. 284 Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 334 f. 285 Ein weiterer Faktor, der zu lock in-Effekten führen kann, ist die mangelnde Datenübertragbarkeit einer Plattform, s. u. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(c) (S. 113 – 119). 286 Vgl. R. Weber/Volz, WuW 2015, 356, 359. 287 BGH, Beschl. v. 04. 03. 2008, Soda-Club II, Az. KVR 21/07, BGHZ 176, 1, 7 (Rn. 18). 288 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05. 12. 2018, Ticketvertrieb, Az. VI-Kart 3/18 (V), NZKart 2019, 53, 55. Ein derart eindeutiges Ergebnis dürfte sich aufgrund der gerade dargestellten Probleme des Bedarfsmarktkonzepts freilich häufig gerade nicht finden. 289 Evans/Schmalensee, Innov. Pol’y & Econ. 2 (2002), 1, 16. 290 Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 156 – 159. 282
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als derartige Qualitätsverschlechterungen sind etwa eine Verschlechterung der Sicherheit der Plattform oder längere Ladezeiten auf Webseiten.291 Der SSNDQ-Test ist berechtigter Kritik ausgesetzt. Im Gegensatz zum Preis ist die Qualität ein von jedem Nutzer individuell beurteiltes Kriterium:292 Dem einen mag der Funktionsumfang eines Dienstes relativ egal sein, andere hingegen werden bestimmten Funktionen einen besonders hohen Wert beimessen, während sie die übrigen Funktionen des Dienstes überhaupt nicht nutzen. Ohnedies ist die Bestimmung, was eine fünf- bis zehnprozentige Qualitätsreduktion sein soll, naturgemäß deutlich schwieriger zu treffen als die einer fünf- bis zehnprozentigen Preiserhöhung.293 Als weitere Variante des SSNIP-Tests wird der SSNIC-Test vorgeschlagen: small but significant non-transitory increase in (exchanged) costs.294 Durchgeführt werden soll dieser Test beispielsweise durch eine (hypothetische) fünf- bis zehnprozentige Erhöhung der Menge beziehungsweise Dauer der Werbung, der der Nutzer ausgesetzt ist295 oder eine entsprechend geringfügige Erhöhung der durch den Nutzer bereitzustellenden Daten.296 Die hinter diesem Test stehende Idee ist die richtige Annahme, dass in Märkten, in denen es an einem monetären Entgelt mangelt, der entgeltfrei Nutzende den Dienst „mit seinen Daten“ beziehungsweise der Aufmerksamkeit, die er auf Werbeanzeigen richtet, „bezahlt“: Die Daten und die Aufmerksamkeit sind dann das Äquivalent eines monetären Preises. Letztlich gilt für den SSNIC-Test jedoch die gleiche Kritik wie für den SSNDQTest: Da der Wert, der den eigenen Daten zugeschrieben wird, und die wahrgenommene Belästigung durch den Konsum von Werbung individuell sehr unterschiedlich sind, wirkt sich eine fünf- bis zehnprozentige Erhöhung für jeden Nutzer individuell unterschiedlich aus.297 Allgemeine Aussagen, wie sie bei einer Preiserhöhung möglich sind, lassen sich daher nicht zuverlässig treffen.298 Zwar ist auch die 291 Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 158. Vgl. auch Reyna, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 240, 248, der in der Entscheidung Facebook/WhatsApp der Kommission einen möglichen Ansatzpunkt für die Anwendung des SSNDQ-Tests sieht. 292 Wasastjerna, ECJ 14 (2018), 417, 436. Dagegen jedoch mit einem Versuch der Quantifizierung Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 202 – 204. 293 Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 77 f. Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 207, nimmt diesen Punkt zum Anlass, anzumerken, dass auch beim SSNIP-Test das Kriterium der fünf- bis zehnprozentigen Preiserhöhung eine willkürliche Grenze darstellt und nicht frei von subjektiven Wertungen ist. 294 J. Newman, Wash. U. L. Rev. 94 (2016), 49, 66. 295 J. Newman, Wash. U. L. Rev. 94 (2016), 49, 66. 296 Sauermann, ZWeR 2018, 341, 346. 297 Mitunter mag ein Nutzer gar ein Mehr an (auf ihn zugeschnittener) Werbung als positiv beurteilen, vgl. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 78. Die Wirkung des SSNIC-Tests würde sich dann umkehren. Das zeigt einmal mehr, dass „Daten“ und „Aufmerksamkeit“ sich in vielen Modellen nicht als gleichwertiger Ersatz für einen monetären Preis eignen. 298 Sauermann, ZWeR 2018, 341, 346.
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individuelle Bewertung eines monetären Preises nicht völlig objektiv, denn im individuellen Reservationspreis gibt es auch eine gewisse Variabilität. Doch zum einen ist diese Variabilität quer durch die Bevölkerung nicht derart hoch wie bei der Beurteilung von (sonstigen) „exchanged costs“. Zum anderen ist auch intraindividuell die Bewertung der „exchanged costs“ unterschiedlich, je nach dem Kontext, in welchem diese verlangt werden (zum Beispiel je nach dem, in welchem Kontext zusätzliche Werbung ausgespielt wird). Die intraindividuelle Bewertung eines Preises in Geld ist dahingegen einheitlich. Ein weiteres Problem, das sich beim SSNIC-Test einstellt, ist die notwendige Voraussetzung, dass der Test durch die Spürbarkeit der (geringfügigen) Erhöhung bedingt ist. Das bedeutet, dass die Erhöhung nicht durch mittelbare Effekte gleichsam kompensiert wird. Das betrifft zum einen das Verbot, die Erhöhung der Zahl der Werbeanzeigen dadurch zu kompensieren, dass diese insgesamt kürzer angezeigt werden, oder die Erhöhung der abgefragten Daten dadurch, dass insgesamt nur weniger sensible Daten verlangt werden.299 Ebenfalls darf die Abfrage von mehr Daten auch nicht dazu führen, dass diese dazu verwendet werden, den Dienst zu verbessern, da durch die Verbesserung der Attraktivitätsverlust der Plattform aufgrund der zusätzlich abgefragten Daten kompensiert werden könnte.300 Zusammenfassend betrachtet erlauben sowohl der SSNIP-Test als auch seine Modifikationen keine hinreichend sichere Rechtsanwendung. Zentral für die Marktabgrenzung bleibt daher das qualitative Bedarfsmarktkonzept.301 (c) Angebotsumstellungsflexibilität Da die Marktabgrenzung dazu dient, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen ein Unternehmen ausgesetzt ist, kann die Abgrenzung aus Sicht der Marktgegenseite nicht genügen. Denn wesentlicher Wettbewerbsdruck kommt gerade auch von den Wettbewerbern des Unternehmens.302 Daher sind in den sachlichen Markt auch solche Waren und Dienstleistungen einzubeziehen, die zwar aus Sicht der Marktgegenseite wegen ihres spezifischen Bedarfs nicht (im Sinne der Nachfragesubstituierbarkeit) austauschbar sind, die aber andere Anbieter kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand ebenfalls anbieten könnten (Angebotsumstel-
299
J. Newman, Wash. U. L. Rev. 94 (2016), 49, 66 f. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 78. 301 Ebenso Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, 387, 390; Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 79, die richtigerweise darauf hinweist, dass die sich aus der Unzuverlässigkeit der Marktabgrenzung ergebenden Unsicherheiten zu berücksichtigen sind, wenn die Frage der marktbeherrschenden Stellung beurteilt wird. Ähnlich Dreher, ZWeR 2009, 149, 164 – 167, der eine stärkere prognostische Ausrichtung des Bedarfsmarktkonzepts fordert. A. A. Hoffer/Lehr, NZKart 2019, 10, 15. 302 Daher stellt die Legaldefinition der marktbeherrschenden Stellung in § 18 Abs. 1 GWB vorrangig auch auf das Verhältnis des Unternehmens zu seinen Wettbewerbern ab. 300
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lungsflexibilität).303 Ist das der Fall, so wird das Unternehmen auch von diesen Anbietern in seiner wettbewerblichen Unabhängigkeit beschränkt, und deren Waren und Dienstleistungen gehören damit ebenfalls dem relevanten Markt an. Die Komplexität von Plattformmärkten im Internet dürfte jedoch der erforderlichen flexiblen Produktionserweiterung oder -umstellung regelmäßig entgegenstehen.304 So lässt sich beispielsweise ein berufliches soziales Netzwerk nicht ohne weiteres zu einem privaten – und damit einem Konkurrenten von beispielsweise Facebook – umwandeln. Das liegt zum einen an den erforderlichen Innovationen, die dafür nötig wären, aber – vor allem auch im Hinblick auf die hohe Geschwindigkeit von Innovationen – nicht ohne Weiteres zu entwickeln sind.305 Ebenso gravierend sind die Einschränkungen der Angebotsumstellungsflexibilität, die sich aus der Wirkung der direkten und indirekten Netzwerkeffekte ergeben. Denn selbst wenn eine Plattform entwickelt würde, die aufgrund ihrer Funktionen austauschbar wäre – also den gleichen Funktionsumfang böte –, so fehlten ihr immer noch die Akteure auf den verschiedenen Marktseiten. Dadurch wäre es für Nutzer weiterhin weniger attraktiv, auf die Plattform des Wettbewerbers zu wechseln. Die Zahl der Nutzer müsste daher unter großem Aufwand aufgebaut werden: Eine kurzfristige Umstellung im Sinne der Angebotsumstellungsflexibilität wäre nicht möglich.306 Diese Überlegungen haben in der Literatur teilweise zu dem Schluss geführt, mächtige Plattformen wie Facebook bildeten sogar ihren jeweils eigenen Markt.307 (4) Insbesondere: Datenschutz als Wettbewerbsparameter Das qualitative Bedarfsmarktkonzept ist auch und gerade auf (Online-)Plattformmärkten das wichtigste Mittel der Marktabgrenzung. Vor dem Hintergrund des Themas der vorliegenden Arbeit soll hier noch auf folgenden Punkt eingegangen 303 BGH, Beschl. v. 04. 03. 2008, Soda-Club II, Az. KVR 21/07, BGHZ 176, 1, 9 f. (Rn. 23); Kühnen, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 18 GWB, Rn. 50 f. Die Angebotsumstellungsflexibilität ist vom Konzept des potenziellen Wettbewerbs zu unterscheiden. Letzterer spielt erst eine Rolle, wenn man die Marktstellung eines Unternehmens bestimmt. Die Anforderungen zur Bejahung potenziellen Wettbewerbs sind geringer als für die Angebotsumstellungsflexibilität; mit anderen Worten: Auch ein Unternehmen, das nach dem Kriterium der Angebotsumstellungsflexibilität nicht auf demselben Markt ist, kann doch als potenzieller Wettbewerber einen gewissen Wettbewerbsdruck ausüben. Entscheidend für die Bejahung potenziellen Wettbewerbs ist, dass der Markteintritt eines bestimmten Unternehmens wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist sowie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, BGH, Urt. v. 15. 12. 2015, Pelican/Pelikan, NZKart 2016, 276, 277 (Rn. 26). 304 Dreher, ZWeR 2009, 149, 158 f., nennt das „Pfadabhängigkeit“. Vgl. auch Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 86 f. 305 Dreher, ZWeR 2009, 149, 158 f. 306 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 48. 307 Telle, WRP 2016, 814, 817; Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 86 f. Dagegen Weck, NZKart 2015, 290, 293. Im Ergebnis offengelassen von BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 272 – 276.
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werden: Wie festgestellt, orientiert sich das Bedarfsmarktkonzept unter anderem an den Nutzerpräferenzen. In Zeiten, in denen der Schutz personenbezogener Daten zunehmende Bedeutung erlangt hat, kann die Datenschutzpolitik eines Unternehmens einen Parameter für Produktqualität und damit ein Auswahlkriterium für die Plattform darstellen; der Datenschutz ist dann ein Wettbewerbsfaktor.308 Diese Ansicht scheint auch bei den Kartellbehörden vorzuherrschen.309 Sie wird auch durch die ökonomische und psychologische Forschung um das „Privacy Paradox“ bestätigt, die erklären kann, warum die vom einzelnen Nutzer statuierte Einstellung zum Datenschutz nicht zwangsläufig mit seinem praktizierten Verhalten übereinstimmen muss.310 Die Anerkennung des Datenschutzes als Wettbewerbsparameter zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass sich ein Markt für Datenschutztechnologien311 entwickelt hat.312 Angeboten werden etwa Browser-Erweiterungen, die Daten besser schützen sollen, und vollständige Alternativen zu als sehr datenhungrig empfundenen Anwendungen: Die Suchmaschine DuckDuckGo soll eine datenschutzfreundliche Suchmaschinen-Alternative zu Google sein, ebenso wie Threema und Telegram zu dem Messaging-Dienst WhatsApp.313 Je nachdem, wie stark die Nutzerpräferenz für Datenschutz ausgeprägt ist, mag dies im Einzelfall sogar dazu führen, dass diese Alternativen gar einen eigenen, von der dateninvasiveren Variante getrennten Markt bilden.314 „Datenschutz als Wettbewerbsparameter“ ist freilich nur ein Oberbegriff, der der Ausfüllung im Einzelfall bedarf. So sind unterschiedliche Facetten zu betrachten. Beispiele hierfür sind:
308 Bania, ECJ 14 (2018), 38, 52; Cooper, Geo. Mason L. Rev. 20 (2013), 1129, 1136 – 1138; Costa-Cabral/Lynskey, The Internal and External Constraints of Data Protection on Competition Law in the EU (LSE Working Papers 25/2015), S. 16 – 18; Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 306 – 315; Harbour/Koslov, Antitrust L. J. 76 (2010), 769, 792 – 794; Scharf, Daten(schutz) als nicht-preisbezogener Wettbewerbsfaktor, Jusletter IT, 22. 02. 2018, Rn. 8 – 13; Stucke/Grunes, No Mistake About It: The Important Role of Antitrust in the Era of Big Data, S. 5 f. 309 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 87; BKartA, Big Data und Wettbewerb, Oktober 2017, S. 12. Vgl. Wasastjerna, ECJ 14 (2018), 417, 423 – 432. 310 Zum Privacy Paradox s. o. § 4.B.IV. (S. 45 – 46). Kritisch insgesamt jedoch Llanos, ECJ 15 (2019), 225, 233 – 244. 311 Privacy Enhancing Technologies (PET). 312 Harbour, in: FS Hustinx, 2014, S. 225, 231 f. 313 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 306 f. 314 Diese Konsequenz hat die Europäische Kommission freilich zumindest in Facebook/ WhatsApp nicht gezogen, als sie Telegram und Threema dennoch demselben Markt für Endkundenkommunikationsdienste wie WhatsApp zurechnete, vgl. Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/M.7217, Rn. 85.
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– Der Umstand, dass Daten gesammelt werden, und die Menge an gesammelten Daten,315 – Löschfristen und deren Länge,316 – die Detailliertheit und Verständlichkeit von Datenschutzerklärungen,317 – das Vorhandensein von privacy enhancing technology (PET), zum Beispiel Endezu-Ende-Verschlüsselung.318 Problematisch bei der Anerkennung des Datenschutzes als Wettbewerbsparameter ist die sehr unterschiedliche Wertschätzung, die jeder einzelne Nutzer für den Datenschutz hat.319 Wie bei anderen Qualitätsaspekten eines Produktes sind allgemeingültige Aussagen über die Bedeutung der einzelnen Aspekte für jeden einzelnen Nutzer daher nur schwer zu treffen. Mitursächlich für die unterschiedliche Wertschätzung des Datenschutzes ist, neben individuellen Präferenzen, die Eignung des Datenschutzes, je nach Fallkonstellation, ein Produktions- oder ein Konsumgut zu sein.320 Ein Produktionsgut ist der Datenschutz dann, wenn durch seine Einhaltung andere – finale – Güter geschaffen werden. Anders gewendet, kann es eine Beeinträchtigung anderer Güter darstellen, wenn der Datenschutz verringert oder verletzt wird. Durch eine möglichst umfangreiche Ansammlung von Daten über eine Person wird es Unternehmen leichter möglich, den Reservationspreis dieser Person abzuschätzen.321 Dies kann zu höheren Preisen führen; im Einzelfall aber auch zu niedrigeren. Aufgrund großer Datenmengen werden Preisdiskriminierungen ermöglicht.322 Unternehmen wird es etwa ermöglicht, ihre Kunden nach deren individueller Zahlungsbereitschaft einzuteilen und von ihnen sodann entsprechende Preise zu verlangen. Durch solche Preisdiskriminierungen ersten Grades werden gerade die Verbraucher beeinträchtigt, die einem Gut einen besonders hohen Wert beimessen. Auch eine Diskriminierung nach anderen Merkmalen wird so möglich. Datenschutz kann aus Sicht der Nutzer jedoch auch ein Konsumgut – also ein finaler Zweck als solcher – sein. Denn vielen Verbraucher bereitet es schon Unbehagen, dass sie Informationen offenbaren müssen.323 In einem solchen Fall ist es ein Wert an sich, wenn die ungewollte Verbreitung oder Weitergabe von Informationen 315
Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 170. Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 169 f. 317 Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 170. 318 Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 170. 319 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 310 f. Kritisch daher auch Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 247. 320 Vgl. Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442. 321 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 252. 322 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 252; Kerber, GRUR Int. 2016, 639, 641; Shelanski, U. Pa. L. Rev. 161 (2013), 1663, 1680. 323 Farrell, J. Telecomm. & High Tech. L. 10 (2012), 251, 251 f. 316
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durch Maßnahmen des Datenschutzes verhindert wird. Umgekehrt bedeutet die illegale Weitergabe oder Nutzung von Daten für manche Verbraucher eine tiefe Beeinträchtigung oder Belästigung. Die Wertschätzung der Nutzer für Belange des Datenschutzes stellte auch die Kommission in den Entscheidungen Facebook/WhatsApp324 und Microsoft/ LinkedIn325 fest. Dasselbe zeigt exemplarisch das Verhalten der Nutzer infolge der Ankündigung der Übernahme von WhatsApp durch Facebook im Februar 2014. Nachdem diese bekanntgegeben wurde, wechselten viele WhatsApp-Nutzer zu dem als sicherer wahrgenommenen326 Threema. Diesem gelang es, innerhalb von vier Tagen seine Nutzerzahl auf 1,2 Millionen zu versechsfachen.327 Viele Nutzer befürchteten die Datenweitergabe an Facebook, zumal WhatsApp bereits zuvor als nicht sehr sicher bekannt war.328 Freilich konnten diese Vorgänge der Marktstellung von WhatsApp beziehungsweise Facebook nicht dauerhaft schaden, schafften diese es doch in der Folgezeit, die Nutzerzahlen von WhatsApp trotzdem weiter zu steigern.329 bb) Räumliche Marktabgrenzung Die Bestimmung des räumlich relevanten Markts erfolgt maßgeblich auf der Grundlage der Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten 324 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 87. 325 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 348 – 350. 326 Threema zeichnet sich – im Gegensatz zu anderen Apps wie WhatsApp oder dem Facebook-Messenger – durch ein besonders hohes Datenschutzniveau aus. So werden etwa Kontaktdaten nicht auf den Servern des Unternehmens gespeichert, sondern auf den Geräten der Nutzer, und nach der Übermittlung der Nachrichten werden diese von den Servern gelöscht, vgl. Threema, Welche Daten werden bei Threema gespeichert?, abrufbar unter: https://threema.ch/ de/faq/data. 327 Hubik, Nutzer-Ansturm bei der WhatsApp-Konkurrenz, 25. 02. 2014, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/instant-messenger-nutzer-ansturm-beider-whatsapp-konkurrenz/9531916.html. 328 Ähnliches zeigte sich nach der Änderung der AGB von WhatsApp im August 2016. Bis dahin – und auch im Fusionskontrollverfahren – hatte Facebook behauptet, eine Zusammenführung der Daten von Facebook und WhatsApp sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und daher nicht geplant (vgl. Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/ WhatsApp, COMP/M.7217, Rn. 138). Nach der AGB-Änderung sollte eine derartige Zusammenführung plötzlich doch vorgenommen werden. Daraufhin konnte Threema erneut einen sprunghaften Anstieg der Nutzer feststellen, vgl. Threema, Neuer Angriff auf die Privatsphäre: Threema, WhatsApp gibt Handynummern seiner Nutzer an Facebook weiter, 29. 08. 2016, abrufbar unter: https://threema.ch/de/blog/posts/neuer-angriff-auf-die-privatsphare-whatsappgibt-handynummern-seiner-nutzer-an-facebook. 329 Esayas, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 181, 195. Deshalb insgesamt kritisch zur Einordnung des Datenschutzes als Wettbewerbsfaktor Llanos, ECJ 15 (2019), 225, 245 f.
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Marktes.330 Demnach umfasst der räumlich relevante Markt „[…] das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet“.331 Bei Online-Märkten fallen Transportkosten, die in traditionellen Märkten oft entschieden gegen eine weite Marktabgrenzung sprechen,332 praktisch nicht ins Gewicht. Der Zugriff auf die meisten Internetangebote ist grundsätzlich weltweit möglich. Dennoch führt dies nicht zwangsläufig für alle Online-Märkte zu weltweiten Märkten. Denn auch Sprachbarrieren, kulturelle Besonderheiten und nationale Vorlieben können zu engeren Grenzen führen.333 So kam die Kommission bei der Abgrenzung der Märkte für Online-Werbung,334 für professionelle soziale Netzwerke335 und für allgemeine Suchdienste336 etwa dazu, dass diese national beziehungsweise entlang von Sprachgrenzen vorzunehmen sei. Doch auch eine weitere Abgrenzung ist möglich, so etwa bei privaten sozialen Netzwerken, wo nach Ansicht der Kommission ein EWR- oder gar weltweiter Markt bestehen soll.337 cc) Ausblick: Verliert die Marktabgrenzung ihre Bedeutung? Der Überblick über die Marktabgrenzung insbesondere auf Plattformmärkten zeigt, dass sie sowohl mit großen Schwierigkeiten in der Anwendung als auch Unsicherheiten im Ergebnis behaftet ist.338 Die Klarheit, die eine nur im Ergebnis 330
Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372, 5. 331 So sinngemäß bereits bei EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI: EU:C:1978:22, Rn. 10/11, 44. Vgl. auch Art. 9 Abs. 7 S. 1 FKVO. Die vorliegend zitierte Definition stammt aus Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372, 5, Rn. 8. 332 Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 C 372, 5, Rn. 50. 333 Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, 162, 166. 334 Europäische Kommission, Entsch. v. 11. 03. 2008, Google/DoubleClick, COMP/ M.4731, Rn. 83 f. 335 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124 Rn. 119 – 125. 336 Europäische Kommission, Entsch. v. 27. 06. 2017, Google Search (Shopping), AT.39740, Rn. 252 – 255. 337 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 64 – 68. A. A. (nationale Abgrenzung) BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 344 – 351. 338 Grundsätzliche Kritik am Festhalten an der Marktabgrenzung äußert daher Kaplow, Harv. L. Rev. 124 (2010), 437; Kaplow, Antitrust L. J. 79 (2013), 361.
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exakte Marktabgrenzung erwarten lässt, wird damit oft zum Schein.339 Diese Schwächen der Marktabgrenzung auf Plattformmärkten, ebenso wie die – wie sich gleich noch zeigen wird – Probleme bei der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung,340 haben in Teilen der Literatur zu Forderungen geführt, auf die Marktabgrenzung gänzlich zu verzichten.341 Stattdessen soll nach dem US-amerikanischen Vorbild der theory of harm unmittelbar nach den negativen Auswirkungen des Verhaltens gesucht werden. Ließen sich diese finden, so sei dadurch das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung indiziert.342 Vorschläge, die auf eine Vereinfachung oder gänzliche Abschaffung der Marktabgrenzung oder gar der gesamten Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung hinauslaufen, sind im Hinblick auf die in diesem Abschnitt beschriebene Fehleranfälligkeit der Marktabgrenzung nachvollziehbar. Dazu kommt: Die vorstehend beschriebenen Verfahren bereiten vor allem auf (Online-)Plattformmärkten Schwierigkeiten und dauern dort besonders lange.343 Gleichzeitig sind gerade diese Märkte von einer starken Dynamik geprägt, die nicht zuletzt aus der ausgeprägten Innovationstätigkeit der Marktteilnehmer herrührt. Jahrelange Missbrauchsverfahren geraten so in die Gefahr, zu spät zu einem Abschluss zu gelangen und dadurch ihr Ziel zu verfehlen. Bei Fusionskontrollverfahren mit ihren gesetzlich vorgegebenen Fristen344 lässt sich eine vertiefte Prüfung dann ohnehin nur noch schwer durchführen. Daher resümieren auch Crémer/de Montjoye/Schweitzer in ihrem Bericht von 2019: Even more crucially, it should be remembered that the importance of market definition, and the methodologies developed for identifying it, were built for standard goods and services. In the digital world, it is less clear that we can identify well-defined markets. Furthermore, in the case of platforms, the interdependence of the markets becomes a crucial part of the 339
Podszun/Kersting, ZRP 2019, 34; Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98, 102 f. Vgl. Stakheyeva/Toksoy, ECLR 38 (2017), 265, 269. 341 Kaplow, Harv. L. Rev. 124 (2010), 437; Kaplow, Antitrust L. J. 79 (2013), 361 (Marktmachtbestimmung ohne vorherige Marktabgrenzung). 342 Podszun, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 1, Rn. 35; Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98, 102 f. Differenziert Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 87 f. 343 Man denke nur an die Dauer des Verfahrens Google Search (Shopping) (AT.39740). Dieses wurde von der Europäischen Kommission 2010 eingeleitet und endete erst 2017 mit einer Untersagungs- und Bußgeldentscheidung. Die Klage hiergegen hat das EuG abgewiesen (EuG, Urt. v. 10. 11. 2021, Google Shopping, Rs. T-612/17, ECLI:EU:T:2021:763). Die Erfahrung aus dem Intel-Verfahren lehrt, dass auch das Rechtsmittelverfahren ähnlich lange dauern kann: Hier hatte die Kommission 2004 Ermittlungen eingeleitet, die zu einer Entscheidung 2009 führten. Die von Intel hiergegen eingelegte Klage wurde durch das EuG 2014 abgewiesen. Dieses Urteil wiederum wurde durch den EuGH 2017 aufgehoben, und die Sache wurde an das EuG zurückverwiesen, vgl. zur Prozessgeschichte EuGH, Urt. v. 06. 09. 2017, Intel, Rs. C-413/14 P, ECLI:EU:C:2017:632, Rn. 8 – 27. 344 Art. 10 FKVO und § 40 Abs. 1, Abs. 2 GWB. 340
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analysis whereas the role of market definition traditionally has been to isolate problems. Therefore, in digital markets, less emphasis should be put on the market definition part of the analysis, and more importance attributed to the theories of harm and identification of anticompetitive strategies.345
Allerdings: Wie gerade die vorliegende Untersuchung noch zeigen wird, indiziert missbräuchliches Verhalten keineswegs immer das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung.346 Besonders die Fallgruppe des Missbrauchs durch Rechtsbruch ist dadurch gekennzeichnet, dass das missbräuchliche Verhalten von Marktbeherrschern wie auch von nicht-marktbeherrschenden Unternehmen praktiziert werden kann und in der Tat auch von beiden praktiziert wird.347 Um die Anwendung des Missbrauchstatbestands im Rahmen der Ratio der Vorschriften zu halten, ist es daher erforderlich, dass die marktbeherrschende Stellung ursächlich geworden ist für das missbräuchliche Verhalten.348 Hieraus folgt, dass nach der aktuellen Gesetzeslage im deutschen und europäischen Kartellrecht die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung keineswegs entbehrlich ist: Zum einen sind, zumindest in der Fallgruppe des „Missbrauchs durch Rechtsbruch“, auch gleiche Verhaltensweisen durch nichtmarktbeherrschende Unternehmen beobachtbar, sodass hier keine Indizwirkung des missbräuchlichen Verhaltens für die marktbeherrschende Stellung besteht. Zum anderen ist notwendige Voraussetzung für den Nachweis des missbräuchlichen Verhaltens, dass dieses in Zusammenhang steht mit der marktbeherrschenden Stellung, sodass auch aus diesem Grund nicht auf diesen Prüfungsschritt verzichtet werden kann. Doch auch Ansätze, zumindest auf die Marktabgrenzung zu verzichten und die Marktmacht von Unternehmen anhand ökonometrischer Methoden – namentlich mithilfe des Lerner-Index’349 – zu bestimmen, überzeugen in der Praxis nicht. Der Lerner-Index soll eine direkte Bestimmung der Marktmacht ermöglichen, indem der Preissetzungsspielraum des Unternehmens gemessen wird. Die Fixierung auf den Wettbewerbsparameter Preis genügt in der Praxis nicht, wenn daneben noch andere 345 Crémer/Montjoye/Schweitzer, Competition Policy for the Digital Era, 2019, S. 46. Relativierend Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 10 f. 346 Dezidiert anders Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 380 – 400. Dieser diskutiert die „Kausalität“ eines missbräuchlichen Verhaltens (namentlich Preishöhenmissbrauch und die Verwendung unangemessener Geschäftsbedingungen) für die Marktmacht. Um tatsächliche Kausalität – auch in einem weit verstandenen Sinne als Zusammenhang, s. u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175) – kann es sich hierbei schon deshalb nicht handeln, weil ein missbräuchliches Verhalten, das das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung voraussetzt, nicht gleichzeitig dessen Ursache sein kann. In der Sache diskutiert er daher vielmehr die Frage, ob das missbräuchliche Verhalten ein Indiz für das Bestehen einer derartigen Stellung sein kann. 347 S. u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175). Nach Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 393, hat dieser Befund lediglich zur Folge, „[…] dass alle Anbieter einen gewissen Grad an Marktmacht besitzen“. 348 S. zur Frage des Zusammenhangs u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175). 349 Lerner, Rev. Econ. Stud. 1 (1934), 157.
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Parameter bedeutsam sind.350 Gänzlich unbrauchbar wird der Index auf Märkten, auf denen ein monetäres Entgelt fehlt.351 Hinzu kommen praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Grenzkosten, deren Bestimmung erforderlich ist, um den Preissetzungsspielraum festzustellen.352 Zu diesen praktischen Nachteilen beim Verzicht auf die Abgrenzung des relevanten Marktes kommt hinzu, dass deren Erforderlichkeit im europäischen und deutschen Kartellrecht zum Teil auf eine etablierte Entscheidungspraxis353 und zum Teil sogar auf zwingenden gesetzlichen Vorgaben354 beruht. Diese Rechtslage macht einen Verzicht auf die Marktabgrenzung aktuell unmöglich. b) Marktbeherrschung Sobald der relevante Markt bestimmt ist – und an der Bestimmung des relevanten Marktes führt auch nach dem Vorstehenden kein Weg vorbei –, kann untersucht werden, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung auf diesem innehat. Der EuGH definiert diesen Begriff in ständiger Rechtsprechung als „[…] die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens […], die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten.“355
In § 18 Abs. 1 GWB findet sich eine Legaldefinition für das deutsche Kartellrecht: „Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt 1. ohne Wettbewerber ist, 2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder 3. eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.“ 350
Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 18 GWB, Rn. 24. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 46 f. 352 Vgl. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 47 f. 353 Grundlegend zur Notwendigkeit der Marktabgrenzung EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU:C:1973:22, Rn. 32: „[…] ist die Abgrenzung des betroffenen Marktes von wesentlicher Bedeutung, denn die Wettbewerbsmöglichkeiten lassen sich nur nach Maßgabe derjenigen Merkmale der fraglichen Erzeugnisse beurteilen, die sich zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders geeignet und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar erscheinen lassen.“ 354 Beispielsweise in Art. 3, 6, 7 Vertikal-GVO und § 18 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 6 GWB. 355 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 38. 351
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Beide Definitionen setzen voraus, dass dem Marktbeherrscher Verhaltensspielräume zur Verfügung stehen, die nicht in ausreichendem Maße durch andere Marktteilnehmer kontrolliert werden. Im deutschen Kartellrecht fehlt, anders als im europäischen, die ausdrückliche Bestimmung, dass diese Spielräume auch gegenüber Abnehmern und (zumindest mittelbar) Verbrauchern bestehen können. Gleichwohl ist anerkannt, dass der Begriff der marktbeherrschenden Stellung in beiden Rechtskreisen im Wesentlichen deckungsgleich ist.356 Bevor auf die für die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung relevanten Kriterien eingegangen wird, sollen zunächst die Besonderheiten der Marktbeherrschung auf Plattform- und Internetmärkten beschrieben werden. Diese Besonderheiten wirken sich nämlich auch auf die Frage aus, ob ein Unternehmen die für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung erforderliche wettbewerbliche Unabhängigkeit hat. aa) Charakteristika der Marktbeherrschung auf (Online-)Plattformmärkten (Online-)Plattformmärkte werden typischerweise als „winner takes it all“-Märkte charakterisiert.357 Mit diesem Schlagwort wird die Wirkung umschrieben, die aus Effekten resultiert, die sich besonders auf diesen Märkten zeigen, nämlich die bereits angesprochene Bedeutung von Innovation und Netzwerk-, Skalen- und lock in-Effekten sowie die Tendenz zu Standardisierung.358 Diese Faktoren haben einerseits zur Folge, dass der Kundenstamm einer erfolgreichen Plattform (durch das Wirken von (direkten) Netzwerkeffekten) stetig zunimmt, dass diese Kunden (durch lock inEffekte und erfolgte Standardisierung) auf der Plattform gebunden werden und dass (wegen der Skaleneffekte) der Betrieb einer größeren Plattform profitabler ist als der einer kleinen. Diese Phänomene in ihrer Gesamtheit können dafür sorgen, dass Märkte kippen, dass also nur eine große Plattform alleine oder eine geringe Zahl von Plattformen bestehen kann (Tipping). Die Neigung von (Online-)Plattformmärkten zum Tipping359 hat zur Folge, dass diese häufig monopolistische Strukturen ausbilden.360 Die Stellung eines (quasi-) monopolistischen Marktbeherrschers ist aufgrund der vorgenannten Effekte mit den 356
Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 18 GWB, Rn. 88. Vgl. nur Paal, in: Körber/Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 143, 150. 358 Dreher, ZWeR 2009, 149, 151 – 155. 359 Das Phänomen ist dabei keineswegs auf Online-Plattformmärkte beschränkt. Auch Offline-Plattformmärkte weisen diese Eigenschaft auf, allerdings in der Regel in schwächerem Ausmaß. Das liegt daran, dass die genannten Effekte aufgrund der höheren Geschwindigkeit von Innovationen und der Ubiquität von Daten auf Online-Märkten stärker wirken. Vgl. dazu Dreher, ZWeR 2009, 149, 154 f. 360 Andererseits muss Tipping aus wohlfahrtsökonomischer Sicht nicht zwingend nachteilig sein, vgl. die differenzierte Betrachtung von Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 73 – 79. 357
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Mitteln des Leistungswettbewerbs kaum noch angreifbar: Konkurrenten müssten (wegen der Wirkung der indirekten Netzwerkeffekte) einen beträchtlichen Kundenstamm aufbauen, um für alle Marktseiten attraktiv zu sein, doch ist der Wechsel für jeden einzelnen Nutzer mangels ausgebauter Netzwerkstrukturen unattraktiv („Henne und Ei“-Problem). Hinzu kommt die marktverschließende Wirkung von lock in-Effekten.361 Wettbewerb mit dem gleichen oder einem ähnlichen Angebot wie der Marktbeherrscher ist daher wenig aussichtsreich. Um seine Stellung aufzubrechen, bedarf es vielmehr eines innovativen neuen Angebots, um neue Nachfrage entstehen zu lassen. Dieses Phänomen wird häufig mit der Formel umschrieben, Wettbewerb finde um den Markt, nicht auf ihm statt.362 Das bedeutet, dass eine verfestigte Marktstellung nur noch dann angreifbar ist, wenn es einem Herausforderer gelingt, alle Nutzer oder zumindest einen erheblichen Teil der Nutzer zum Wechsel von einer Plattform zur anderen zu bewegen; bei mehrseitigen Plattformen müssen sogar die Nutzer auf allen Marktseiten den Wechsel vornehmen.363 Was ergibt sich hieraus für die Beurteilung des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung? Die dargestellten typischen Entwicklungen auf (Online-)Plattformmärkten erklären die häufig auf diesen Märkten festgestellten hohen Marktanteile. Das wirft die Frage nach der Bedeutung von Marktanteilen auf diesen Märkten auf, die im Folgenden noch zu untersuchen sein wird. bb) Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung Marktanteile sind keineswegs das einzige, aber doch eines der wichtigsten Kriterien zur Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens.
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Um die wettbewerbsschädliche Wirkung der lock in-Effekte zu verringern oder gar zu beseitigen, sind zwei Lösungen denkbar. Die DS-GVO sieht zum einen in ihrem Art. 20 ein Recht des Betroffenen auf Datenübertragbarkeit vor. Dieses Instrument ist nach einer häufig vertretenen Ansicht ein kartellrechtlicher Fremdkörper in der Verordnung. Die Auswirkungen dieses Rechts auf die kartellrechtliche Prüfung sollen an späterer Stelle untersucht werden (s. u. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(c) [S. 113 – 119]). Denkbar ist daneben zum anderen eine (Re-)Aktivierung der essential facility-Doktrin. Mithilfe dieser kann möglicherweise ein direkter Zugangsanspruch von Konkurrenten in Bezug auf personenbezogene Daten konstruiert werden, sodass der Aufbau einer konkurrenzfähigen Plattform erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht wird. Die Untersuchung der essential facility-Doktrin würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, vgl. zu dieser Frage Colangelo/Maggiolino, ECJ 13 (2017), 249; Ellger, ZWeR 2018, 272, 283; Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 249 – 280; M. Wagner/ Brecht/Raabe, PinG 2018, 229, 234 – 236. Vgl. außerdem Louven, ZWeR 2019, 154, 168 – 172, zum Datenzugang allgemein, sowie S. Schmidt, WuW 2018, 459. 362 Vgl. Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 131; Monopolkommission, XX. Hauptgutachten, 2012/2013, S. 62 (Rn. 22); Paal, in: Körber/Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 143, 150; Podszun/Schwalbe, NZKart 2017, 98, 100. Grundlegend Geroski, J. Indus., Comp. & Trade 3 (2003), 151. 363 Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 79.
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(1) Der Marktanteil Die herausragende Bedeutung des Marktanteils wird dadurch unterstrichen, dass der deutsche Gesetzgeber ihn in § 18 Abs. 3 Nr. 1 GWB als erstes zu berücksichtigendes Kriterium zur Bestimmung der Marktstellung eines Unternehmens nennt und dazu in § 18 Abs. 4 – 7 GWB detaillierte Regelungen dafür geschaffen hat, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Marktanteile eine Vermutung für das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung begründen.364 Für den Marktanteil als zentrales Kriterium spricht seine – mitunter aber auch nur scheinbare365 – Genauigkeit, die als Vorteil gegenüber den anderen Kriterien gesehen wird, die ihrerseits allesamt einen mehr oder weniger großen Interpretationsspielraum lassen. Auch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gilt im europäischen Kartellrecht Ähnliches wie im deutschen.366 Die Bedeutung des Marktanteils zur Bestimmung der Marktmacht wird auf (Online-)Plattformmärkten aus zwei Gründen allerdings relativiert:367 Zum einen soll der Marktanteil generell an Aussagekraft eingebüßt haben für die Bestimmung der Marktmacht. Zum anderen – und darin zeigt sich eine Parallele zur Marktabgrenzung – lässt sich der Marktanteil vor allem auf nicht-monetären Märkten oftmals nicht verlässlich oder nur unter erheblichem Aufwand feststellen. (a) Die relativierte Bedeutung des Marktanteils Die relativierte Bedeutung des Marktanteils bei der Beurteilung der Marktmacht auf (Online-)Plattformmärkten soll aus zwei disziplinierenden Gegengewichten 364 Die praktische Bedeutung dieser Tatbestände freilich ist eingeschränkt; nicht in allen Fällen handelt es sich um Vermutungen im Rechtssinne, Thomas, WuW 2002, 470. 365 Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten bei der Bestimmung des relevanten Marktes fehlt Marktanteilen die absolute Aussagekraft, die sie durch die Angabe einer exakten Zahl zu haben vorgeben. Hinzu kommen Unsicherheiten bei der Bestimmung des Marktanteils, von denen gleich noch zu reden sein wird. 366 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 41; Europäische Kommission, Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (Prioritätenmitteilung), ABl. 2009 C 45, 7, Rn. 13 – 15; Europäische Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 C 31, 5, Rn. 17 f.; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 87 – 93. 367 Körber geht weiter und will hohe Marktanteile gar als Zeichen funktionierenden Wettbewerbs „um den Markt“ verstehen, vgl. Körber, WuW 2015, 120, 123; Körber, ZUM 2017, 93, 94 f. Als Beschreibung der Funktionsweise der „winner takes it all“-Märkte mag diese Beobachtung funktionieren. Insofern mit dem Hinweis auf „funktionierenden Wettbewerb“ eine Zurückhaltung der Kartellrechtsdurchsetzung auf diesen Märkten gefordert wird, ist dem jedoch zu widersprechen: Auch eine ohne wettbewerbswidrige Mittel erlangte Marktstellung kann für wettbewerbswidrige Zwecke eingesetzt werden. Ob es sich um ein missbräuchliches Verhalten im kartellrechtlichen Sinne handelt, darf aber nicht mit der Frage der marktbeherrschenden Stellung vermengt werden, wie dies Körber a. a. O. zu insinuieren scheint.
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herrühren, die wiederum diesen Märkten zwar nicht eigen sind, auf ihnen aber doch verstärkt wirken. Das eine Gegengewicht sind konditionierende Wirkungen der Tätigkeit der Marktgegenseite und von Konkurrenten. In der Fusionskontrollentscheidung Microsoft/Skype hatte die Europäische Kommission für den Markt der Videotelefoniedienste festgestellt, dass wegen der Möglichkeit des Multi-Homing ein erheblicher Anteil der Nutzer Skype verlassen würde, würde dieses für sein bisher kostenloses Angebot ein Entgelt einführen.368 Auch von einer Vielzahl konkurrierender Angebote – sowohl kleinere, innovative als auch etablierte Anbieter wie Google und Facebook – erwartete die Kommission eine Beschränkung des Handlungsspielraums von Microsoft.369 Aus diesen Gründen war selbst ein Marktanteil der fusionierten Einheit von 90 Prozent370 kein Grund, den Zusammenschluss zu untersagen.371 Ein zweiter disziplinierender Faktor findet sich auf Aufmerksamkeitsplattformen. Die hier wirkenden indirekten Netzwerkeffekte können zur Folge haben, dass eine Preiserhöhung auf der einen Marktseite zu einem Nachfragerückgang auf dieser führt, welcher wiederum auch zu einem Rückgang auf der anderen Marktseite führt und damit einen sich selbst verstärkenden Effekt hat, da für diese Seite die Plattform an Attraktivität verloren hat.372 Gleiches gilt für eine Qualitätsreduktion, was auf nicht-monetären Märkten besonders bedeutsam ist.373 Aus diesen Gründen wird die Berechtigung starrer, an Marktanteilen ausgerichteter Grenzen für Marktbeherrschungsvermutungen374 auf (Online-)Plattformmärkten angezweifelt.375 Jedenfalls sollen die Anforderungen zur Widerlegung der Vermutungen abgesenkt werden.376 Nicht überzeugend ist hingegen die Forderung, dass auf zweiseitigen Märkten stets Marktbeherrschung auf beiden Marktseiten bestehen muss. Das soll aufgrund der disziplinierenden Wirkung indirekter Netzwerkeffekte gelten.377 Diese Sicht368 Europäische Kommission, Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 120 – 122. 369 Europäische Kommission, Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 123 – 127. 370 Europäische Kommission, Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 109. 371 Vgl. auch Körber, ZUM 2017, 93, 95. 372 Evans/Schmalensee, CPI 3 (2007), 151, 173 f. 373 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 95 f. 374 EuGH, Urt. v. 03. 07. 1991, AKZO, Rs. C-62/86, ECLI:EU:C:1991:286, Rn. 60; § 18 Abs. 4 – 6 GWB. 375 BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 78; Tamke, NZKart 2018, 503, 508. Dagegen Pautke/Schultze, WuW 2019, 2, 5. 376 Tamke, NZKart 2018, 503, 508. 377 Körber, WuW 2015, 120, 127. Ähnlich Mandrescu, ECLR 38 (2017), 410, 414. Mit einem anderen Verständnis wohl Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 147 f.
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weise blendet jedoch aus, dass auch bei Marktbeherrschung auf nur einer Marktseite Verhaltensspielräume entstehen, die der kartellrechtlichen Kontrolle bedürfen.378 Hinzu kommt: Die disziplinierende Wirkung indirekter Netzwerkeffekte setzt die beiderseitige Möglichkeit des Multi-Homing voraus. Kann aufgrund unterschiedlicher Substitutionsmöglichkeiten nur die eine Marktseite zu anderen Anbietern ausweichen und bleibt diese Möglichkeit der anderen Seite aufgrund der lock inEffekte verschlossen, so wirkt sich eine Preiserhöhung beziehungsweise Qualitätsreduktion nicht in der beschriebenen Weise aus.379 Bei bloß einseitigem MultiHoming können die indirekten Netzwerkeffekte damit nicht die gleiche disziplinierende Wirkung zeitigen wie bei beidseitigem. Es zeigt sich damit, dass der Marktanteil auf (Online-)Plattformmärkten zwar ein nicht so verlässlicher Indikator ist wie in klassischen Industrien. Gleichwohl spielt er auch hier noch eine wichtige Rolle, zumal de lege lata die gesetzlichen Marktbeherrschungsvermutungen anzuwendendes Recht sind. (b) Berechnung des Marktanteils Diese Beobachtung stellt den Rechtsanwender vor die Frage, wie der Marktanteil zu berechnen ist. Der Umsatz des Unternehmens mit dem relevanten Produkt oder der relevanten Dienstleistung, der normalerweise zur Berechnung des Marktanteils herangezogen wird,380 ist auf nicht-monetären Märkten nicht messbar, da er null beträgt. Die Kartellbehörden haben in ihrer jüngeren Entscheidungspraxis jedoch vermehrt alternative Kennzahlen herangezogen, die an die Stelle des Umsatzes treten sollen.381 So wurden für Suchmaschinen etwa Marktanteile anhand der Zahl der Suchanfragen382 gemessen beziehungsweise anhand von page views383 und site visits.384 Bei dem Zusammenschluss Parship/Elitepartner betrachtete des Bundeskartellamt ebenfalls alternativ drei Arten der Marktanteilsberechnung, nämlich die Zahl der registrierten Mitglieder, die individuelle monatliche Besucherzahl (unique visitors) und die Erlöse (ohne Werbeerlöse). Das war wegen der unterschiedlich ausgestalteten Geschäftsmodelle auf dem Markt für Online-Dating-Plattformen als 378
Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 54. Kumkar, Online-Märkte und Wettbewerbsrecht, 2017, S. 71. 380 Bergmann/Fiedler, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art 102 AEUV, Rn. 128. 381 Vgl. BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 78 – 80; Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, 71 f.; Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 342 f. 382 BKartA, Beschl. v. 08. 09. 2015, Google/VG Media, Az. B6 – 126/14, Rn. 154. 383 Europäische Kommission, Entsch. v. 27. 06. 2017, Google Search (Shopping), AT.39740, Rn. 277. Mit page view wird der Aufruf einzelner Seiten bezeichnet, Ivanovic/ Collin, Dictionary of Marketing, 2011, Eintrag „page view“. 384 Europäische Kommission, Entsch. v. 27. 06. 2017, Google Search (Shopping), AT.39740, Rn. 278 – 284. Site visit ist der Besuch einer Internetseite innerhalb eines bestimmten Zeitraums; die Intensität der Nutzung der Seite (Verweildauer, Zahl der aufgerufenen Unterseiten) wird damit, anders als beim page view, nicht berücksichtigt. 379
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notwendig erachtet worden.385 Im Fall Immowelt/Immonet wiederum bestimmte das Bundeskartellamt die Marktanteile anhand der (geschätzten) Zahl der durch die Plattformen vermittelten Transaktionen. Zusätzlich wurden die (mit den Immobilienanbietern erzielten) Umsätze der Plattformen sowie die Zahl der unique visitors herangezogen.386 Je nach Lage des Einzelfalls mag es auch naheliegen, die tatsächliche (durchschnittliche) Nutzungszeit eines Dienstes durch die privaten Nutzer als Berechnungsgröße für den Marktanteil heranzuziehen. Hierin zeigt sich nämlich häufig die Bedeutung eines Dienstes für die Nutzer. Außerdem wächst mit längerer Zeit tendenziell auch die Menge der erhobenen Daten, die der Diensteanbieter wiederum in einem anderen Rechtsverhältnis monetarisieren kann. Schließlich bewirkt eine längere Nutzungsdauer und die damit verbundene tendenziell höhere Personalisierung auch einen größeren lock in der Nutzer sowie damit verbundene höhere Wechselhürden.387 Dieser Überblick zeigt, dass der Umsatz nicht die einzige Möglichkeit zur Berechnung des Marktanteils ist. Die angewandten alternativen Kriterien eignen sich dabei ähnlich gut, um den Markterfolg eines Unternehmens zu beurteilen: Analog zu einem höheren Umsatz in Märkten mit monetären Gegenleistungen zeigen die hier aufgezählten alternativen Kriterien das Maß der Unabhängigkeit gegenüber den Konkurrenten an.388 Die Fälle Parship/Elitepartner und Immowelt/Immonet zeigen, dass die Anwendung mehrerer alternativer Kriterien nebeneinander möglich ist. Wie die einzelnen Kriterien zueinander zu gewichten sind, ist dabei noch offen. Das Erfordernis einer Gewichtung zeigt sich dabei anschaulich bei Parship/Elitepartner, wo sich teils gravierende Unterschiede der Marktanteile zeigten, je nach zugrunde gelegtem Parameter.389 Dabei zeigt jedoch gerade dieser Fall, dass eine solche Gewichtung häufig dann Schwierigkeiten bereiten dürfte, wenn Anbieter mit teils recht unterschiedlichen Geschäftsmodellen in einem gemeinsamen Markt zusammengefasst werden.390 Relevant für die relative Gewichtung unterschiedlicher zur Verfügung stehender Kriterien mögen der jeweilige Grenznutzen einer längeren Nutzungsdauer (site visits oder unique visitors bei geringem Grenznutzen einerseits und page views oder individuelle Nutzungsdauer bei hohem Grenznutzen andererseits) und das Entwick385
BKartA, Beschl. v. 22. 10. 2015, Parship/Elitepartner, Az. B6 – 57/15, Rn. 130 – 138. BKartA, Arbeitspapier Marktmacht von Plattformen und Netzwerken, Juni 2016, S. 80. 387 Esayas, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 181, 192 – 194. 388 Kritisch Kersting/Dworschak, ZUM 2016, 840, 843. 389 So soll die fusionierte Einheit einen Marktanteil im Hinblick auf registrierte Mitglieder von lediglich 15 – 20 Prozent gehabt haben, im Hinblick auf die Erlöse (ohne Werbeerlöse) hingegen einen Anteil von 45 – 50 Prozent, BKartA, Beschl. v. 22. 10. 2015, Parship/Elitepartner, Az. B6 – 57/15, Rn. 132. 390 Im Fall Parship/Elitepartner zum Beispiel einerseits durch Werbung, andererseits durch Mitgliedsbeiträge finanzierte Modelle. 386
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lungsstadium des Marktes (bei einem erst entstehenden Markt dürfte die Zahl der Nutzer wichtiger sein, auf einem bereits etablierten Markt tendenziell eher die Umsatzerlöse, wenn der Wettbewerb um den Markt bereits abgeschwächt ist) sein. (2) Weitere Kriterien zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung Neben dem Marktanteil nennt § 18 Abs. 3 Nr. 2 – 8 GWB nicht abschließend weitere Kriterien, die zur Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens zu berücksichtigen sind. Daneben sind seit der 9. GWB-Novelle gemäß § 18 Abs. 3a GWB „insbesondere bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken“ fünf weitere Kriterien maßgeblich. Eine erschöpfende Darstellung würde über den Forschungsgegenstand der vorliegenden Untersuchung hinausgehen. Daher werden hier nur einzelne Besonderheiten auf (Online-)Plattformmärkten dargestellt. Im europäischen Kartellrecht finden sich derartige Regelbeispiele nicht. Gleichwohl können die nachfolgenden Ausführungen auch hier herangezogen werden; der Begriff der marktbeherrschenden Stellung bedarf der inhaltlichen Ausfüllung, und die im Rahmen der 9. GWB-Novelle gefundenen Maßstäbe sind dafür, neben den überkommenen Grundsätzen, gut geeignet.391 (a) Direkte und indirekte Netzwerkeffekte (§ 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB) Die Bedeutung der Netzwerkeffekte für die kartellrechtliche Analyse wurde bereits herausgestellt. Es ist zwischen direkten und indirekten Netzwerkeffekten zu unterscheiden, die beide jeweils schwach oder stark ausgeprägt sein können. Direkte Netzwerkeffekte können Marktzutrittsschranken darstellen, sodass der Marktzutritt potenzieller Konkurrenten erschwert wird.392 Diese müssten erst eine kritische Zahl an Nutzern erreichen, um ein vergleichbar attraktives Angebot bieten zu können wie der Marktbeherrscher mit den von ihm gebotenen Möglichkeiten der Vernetzung. Sind die direkten Netzwerkeffekte besonders stark ausgeprägt, so können sie dazu beitragen, die Stellung des marktbeherrschenden Unternehmens zu zementieren. Die Wirkung indirekter Netzwerkeffekte wurde ebenfalls bereits beschrieben.393 Sie hat zur Folge, dass eine Plattform beide Marktseiten „an Bord“ bekommen muss, um sich am Markt durchzusetzen; nur durch die Anwesenheit der einen (meist der Nutzer-)Seite ist die Plattform attraktiv für die andere (in der Regel die Werbetreibenden-)Seite. Potenziellen Wettbewerbern muss daher ein „doppelter Marktzutritt“
391 Paal/Hennemann, Big Data as an Asset, S. 85. Gleichwohl schlagen Paal/Hennemann a. a. O. sowie Lettl, WRP 2018, 145, 149 f., eine gesetzliche Fixierung der Kriterien auch auf Unionsebene vor. In welchem Rahmen dies geschehen soll, ist unklar. 392 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 147. 393 S. o. § 5.C.I.2.a) (S. 83 – 84).
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auf beiden Marktseiten gelingen.394 Auch dieses Erfordernis kann, je nach Stärke der Effekte, eine mehr oder weniger hohe Marktzutrittsschranke begründen. Andererseits können Netzwerkeffekte gerade durch das Erfordernis, beide Marktseiten „an Bord“ bekommen zu müssen, auch disziplinierend wirken und Preissetzungsspielräume, mithin den für die Marktbeherrschung erforderlichen Verhaltensspielraum des Unternehmens, begrenzen.395 (b) Standards, Parallelnutzung und lock in-Effekte (§ 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB) Neben den Netzwerkeffekten gibt es weitere Eigenheiten digitaler Märkte, die Marktzutrittsschranken darstellen können. Die Tendenz zur Standardisierung wurde bereits bei den Charakteristika der Marktbeherrschung auf (Online-)Plattformmärkten beschrieben und eingeordnet. Die Entwicklung von Standards kann zu einer Schlüsselrolle des Unternehmens, das über den Standard verfügt, führen, um den Zutritt auf den Markt zuzulassen oder zu verhindern. Derartige Standards können zum Beispiel durch geistige Eigentumsrechte (Patente, Gebrauchsmuster, Designs, Urheberrechte, Marken) gegen den Zugriff Dritter geschützt sein.396 Ähnlich den Netzwerkeffekten können auch lock in-Effekte Marktzutrittsschranken sein. Nach § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB sind daher „die parallele Nutzung mehrerer Dienste und der Wechselaufwand für die Nutzer“ zu berücksichtigen. Ist eine parallele Nutzung unüblich und aufwändig (das heißt, in Fällen des SingleHoming) und ist der Wechsel zu einer anderen Plattform schwierig, so sind Nutzer auf der einmal gewählten Plattform gefangen (lock in-Effekt). Ein rational agierender Nutzer würde in einem solchen Fall nur zu einer anderen Plattform wechseln, wenn diese ein erheblich besseres Angebot böte. Dieser Effekt ist besonders bei sozialen Netzwerken zu beobachten, bei denen die privaten Nutzer viel Zeit in den Aufbau und die Pflege sozialer Kontakte investieren. Eine parallele Nutzung (MultiHoming) und ein geringer Wechselaufwand ist hingegen auf Verkaufsplattformen üblich, wobei aber auch hier die Wechselkosten (zum Beispiel Zeit, Mühe, Verzicht auf ein personalisiertes Profil) erheblich sein können. Die Plattformen sind daher auf diesen Märkten durch das Risiko, dass die Nutzer zu anderen Anbietern abwandern, in ihrem Verhaltensspielraum generell jedoch deutlich eingeschränkter als beispielsweise soziale Netzwerke.397 Ein Online-Plattformen eigenes Phänomen, das lock in-Effekte weiter begünstigt, ist das sogenannte Single Sign On-Verfahren. Dieses wird auf einer Vielzahl von Internetseiten und in etlichen Apps angeboten. Dieses Verfahren soll eine Alternative dazu bieten, dass der Nutzer sich auf verschiedenen Internetseiten jeweils einzeln 394
Körber, WuW 2015, 120, 123. Zu diesem letzten Aspekt Lohse, ZHR 182 (2018), 321, 344 f. 396 Vgl. dazu Körber, WuW 2015, 120, 122. 397 Vgl. zur Definition von Single- und Multi-Homing auch Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 56. 395
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registriert und anmeldet. Dafür gibt es auf diesen Seiten die Möglichkeit, sich stattdessen mit dem eigenen Facebook-398 oder Google-Konto399 anzumelden. Facebook oder Google authentifizieren dann den Nutzer gegenüber der Drittseite.400 Je nachdem, wie umfangreich diese Möglichkeit genutzt wird, ist mit einem Konto eine Vielzahl weiterer Konten verbunden, was einen Wechsel noch einmal zusätzlich erschwert. (c) Der Einfluss des Rechts auf Datenübertragbarkeit auf Parallelnutzung und lock in-Effekte Das in Art. 20 DS-GVO mit der Verordnung neu eingeführte Recht auf Datenübertragbarkeit401 hat Auswirkungen auf die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung, indem es die Parallelnutzung mehrerer Plattformen erleichtern und dadurch lock in-Effekte verringern könnte. Dieser Regelung – „eine der wenigen wirklichen Neuerungen in der DS-GVO“402 – kommen nach dem gesetzgeberischen Willen viele Funktionen zu. Unter anderem soll das Recht zur Abschwächung von lock in-Effekten beitragen und dadurch pro-kompetitive Wirkung zeitigen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das Problem der Übertragbarkeit von Daten ein deutlich weiter gestecktes ist,403 die Regelung in Art. 20 DS-GVO hingegen nur einen Teilbereich betrifft, nämlich den der Übertragbarkeit personenbezogener Daten.404 Im Kern handelt es sich bei dieser Vorschrift durch die gesetzgeberische Zielsetzung der Förderung des Multi-Homing um eine kartellrechtliche Regelung im Gewand des Datenschutzrechts. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist diese datenschutzrechtliche Einkleidung jedoch problematisch, denn sie führt zu einem deutlich engeren Anwendungsbereich, verglichen mit einem originär kartellrechtlichen Instrument.405
398 Vgl. auch die Feststellungen bei BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/ 16, Rn. 62 – 65. 399 Auch andere Anbieter wie Twitter und Amazon bieten dieses Verfahren, diese sind aber nicht so häufig anzutreffen wie die Single Sign On-Verfahren über Facebook und Google. 400 Vgl. zur Funktionsweise sowie zu datenschutzrechtlichen Fragen Kremer, in: Handbuch IT- und Datenschutzrecht, 3. Aufl. 2019, § 28 Rn. 91. 401 In Anlehnung an die englische Sprachfassung wird auch häufig von (Daten-)Portabilität gesprochen. Aufgrund des Inhalts des Rechts wäre eine Bezeichnung als Datenübertragung (Hennemann, PinG 2017, 5, 5 f.) bzw. -portierung treffender gewesen. 402 von Lewinski, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 1. 403 Vgl. Bania, ECJ 14 (2018), 38, 56 – 63. 404 Vgl. zu weiteren, sektorspezifischen Datenzugangsansprüchen und deren Verhältnis zu Art. 20 DS-GVO Graef/Husovec/van den Boom, EuCML 2020, 3. 405 Die Verweigerung der Datenübertragbarkeit in einem weiteren Sinne – also auch über personenbezogene Daten hinaus – könnte ihrerseits ein missbräuchliches Verhalten i. S. v. Art. 102 lit. b AEUV, § 19 Abs. 1 GWB darstellen, vgl. Bania, ECJ 14 (2018), 38, 56 – 63; Geradin/Kuschewsky, Competition Law and Personal Data. Preliminary Thoughts on a Complex Issue, 2013, S. 11 f.; Graef/Verschakelen/Valcke, Law: The Journal of the Higher School of
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Nach Art. 20 DS-GVO hat die betroffene Person406 „das Recht, die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format407 zu erhalten, und sie hat das Recht, diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten bereitgestellt wurden, zu übermitteln“, sofern die Verarbeitung auf einer Einwilligung oder einem Vertrag beruht und die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt.408 Technische Machbarkeit vorausgesetzt, kann nach Abs. 2 auch die direkte Übertragung zu einem anderen Verantwortlichen erwirkt werden. Der Anspruch ist dabei nicht umfassend. Er betrifft zum einen nur die den Anspruchsinhaber betreffenden personenbezogenen Daten, das ergibt sich auch aus dem Schutzzweck der DS-GVO nach Art. 1 Abs. 1. Darunter fallen solche Daten nicht, die keinen Bezug zum Betroffenen haben, etwa anonymisierte Daten oder solche, die zwar mit dem Konto des Betroffenen verknüpft sind, jedoch keinen Personenbezug haben.409 Zum anderen sind nur solche Daten von dem Anspruch umfasst, die durch den Betroffenen bereitgestellt wurden. Der Begriff soll weit verstanden werden und neben den unmittelbar vom Betroffenen bereitgestellten Daten auch solche umfassen, die aus einer Beobachtung durch den Verarbeiter folgen, um dem Betroffenen die Nutzung dieses Dienstes zu ermöglichen. Letzteres betrifft etwa Standortdaten bei Kartendiensten oder die mit Fitnesstrackern aufgezeichneten Daten.410 Nicht dazu gehören abgeleitete Daten.411 Das bedeutet, dass solche personenbezogenen Daten nicht erfasst sind, die der Verarbeiter erst durch eine weitergehende Verarbeitungstätigkeit erzeugt; dazu gehört etwa ein mithilfe der mittels eines Fit-
Economics, Annual Review 2013, 53, 59. Vgl. aus Sicht des US-Kartellrechts Picker, Nw. U. L. Rev. Colloquy 103 (2008), 1, 6 – 8. 406 Vgl. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. 407 Die Einzelheiten zur Datenübermittlung sind für die Zwecke dieser Arbeit irrelevant. Vgl. hierzu stattdessen die Kommentarliteratur, beispielsweise Herbst, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 20 DS-GVO, Rn. 19 – 21. 408 Vgl. zu den beiden zuletzt genannten Voraussetzungen beispielsweise Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 18 f. 409 Herbst, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 20 DS-GVO, Rn. 9. 410 Art. 29 WP, Guidelines on the right to data portability (Working Paper 242), 05. 04. 2017, S. 9 – 11. Kritisch zu dieser extensiven Auslegung Piltz, in: Gola (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 15. Vgl. zu dem umstrittenen Begriff der „Bereitstellung“ weiterhin auch von Lewinski, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 37 – 48. 411 Art. 29 WP, Guidelines on the right to data portability (Working Paper 242), 05. 04. 2017, S. 10. Im Wortlaut heißt es dort „inferred and derived data“, was beides im Deutschen mit „abgeleitet“ zu übersetzen ist.
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nesstrackers bereitgestellten Daten erstelltes Gesundheitsprofil. Die Übertragung eines solchen kann folglich beispielsweise nicht verlangt werden.412 Dieser Überblick über die Voraussetzungen des Rechts zeigt: Dieses wird nur äußerst lückenhaft gewährt und das auch nur im Hinblick auf die (aus Sicht der die Daten empfangenden Plattform) ökonomisch weniger interessanten bereitgestellten Daten, die sich relativ einfach duplizieren lassen. Während ein Wettbewerber direkt vom Betroffenen ohne große Probleme die dem Verarbeiter mitgeteilten Stammdaten (Name, Adresse, Alter und so weiter) erhalten könnte, besteht kein Anspruch auf Übertragung von Daten, die aus komplexen Verarbeitungstätigkeiten stammen und die auch der Betroffene selbst dem Wettbewerber nicht mitteilen könnte, wie etwa aus den erhobenen Daten errechnete Gesundheitsprofile. Als problematisch angesehen wird weiterhin, dass die Norm von den Verpflichteten nicht die Entwicklung interoperabler Systeme verlangt,413 ebenso wenig wie einen Echtzeit-Zugang, bei dem der Datenverarbeiter durchgehend verpflichtet wäre, durch den Betroffenen neu bereitgestellte Daten im Rahmen der Datenübertragbarkeit zur Verfügung zu stellen.414 Das weckt Zweifel daran, ob die Regelung ihren Zweck erreicht. Die Ratio ist eine dreifache. Zunächst zielt das Recht nach dem Willen des Verordnungsgebers direkt darauf ab, die Wechselkosten der Nutzer zu senken.415 Die vorstehend im Abschnitt zur Parallelnutzung und zu lock in-Effekten beschriebenen Mechanismen sollen dadurch abgeschwächt werden, dass Nutzer einfacher von einem Anbieter zu einem anderen wechseln können. Dadurch soll der Betroffene „eine bessere Kontrolle über die eigenen Daten“416 erhalten. Mit dieser Betrachtungsweise ist Ziel der Regelung nicht der Datenschutz im oben unter § 2.B.417 dargestellten Sinne. Unmittelbarer Schutzzweck der Absenkung der Wechselkosten ist vielmehr der Verbraucherschutz. Den Verbrauchern soll die Möglichkeit erhalten bleiben, von einem einmal gewählten Anbieter zu einem anderen wechseln zu können. Nach dem Vorstehenden ist klar, dass der zweite Zweck der Datenübertragbarkeit ein wettbewerbsfördernder und damit kartellrechtlicher ist: Durch die Regelung sollen lock in-Effekte abgeschwächt werden.418 (Allein) aufgrund von lock in-Effekten und fehlender Parallelnutzung bestehende marktbeherrschende Stellungen 412 Vgl. auch Graef/Verschakelen/Valcke, Law: The Journal of the Higher School of Economics, Annual Review 2013, 53, 56. 413 Hennemann, PinG 2017, 5, 7. 414 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, September 2019, S. 40 f. 415 Vgl. Coates, Competition Law and Regulation of Technology Markets, 2011, Rn. 9.190. 416 Erwägungsgrund 68 S. 1 DS-GVO. 417 S. 35. 418 Hornung, ZD 2012, 99, 103. Vgl. zu den Zielen des Rechts auf Datenübertragbarkeit, die originär außerhalb des Datenschutzrechts zu suchen sind, Lynskey, Int’l. & Comp. L. Q. 63 (2014), 569, 587, 591.
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sollen angreifbar gemacht werden. Folge daraus ist, dass der Wechselaufwand und die (fehlende) Parallelnutzung nach § 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB bei der Bestimmung der Marktstellung eines Unternehmens nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Diese Wirkung des (seinerzeit noch gar nicht in Kraft getretenen) Art. 20 DSGVO wurde auch von der Europäischen Kommission in der Entscheidung Sanofi/ Google/DMI JV von 2016 festgestellt.419 Sanofi (ein Pharmazeutika-Hersteller) und Google beabsichtigten die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das Dienstleistungen für die Behandlung und Therapie von Diabetes anbieten sollte. Die Dienstleistungen sollten insbesondere auf der Grundlage von Datenerhebung, -verarbeitung und -analyse erfolgen. Nach Ansicht der Kommission sollten die beteiligten Unternehmen jedoch wegen des Rechts auf Datenübertragbarkeit keine Möglichkeit haben, ihre Kunden420 an sich zu binden. Daher mangelte es dem Gemeinschaftsunternehmen nach Ansicht der Kommission an hinreichender Marktmacht, um Konkurrenten vom Markt auszuschließen. Gleichsam auf der dritten Stufe der Zwecke des Rechts auf Datenübertragbarkeit steht die Ermöglichung beziehungsweise Förderung des Wettbewerbs um datenschutzfreundliche Technologien.421 Im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Zwecken liegt die Ratio hier im Datenschutz.422 Die Erreichung dieses datenschutzrechtlichen Zwecks der Vorschrift scheint fraglich. Die Spürbarkeit für die Verpflichteten des Rechts auf Datenübertragbarkeit ist davon abhängig, dass dieses in erheblichem Umfang von Betroffenen wahrgenommen wird.423 Anderenfalls erzeugt zumindest dieses Recht allein nicht den erforderlichen Druck auf die Anbieter, in einen Wettbewerb um datenschutzfreund419
Europäische Kommission, Entsch. v. 23. 02. 2016, Sanofi/Google/DMI JV, COMP/ M.7813, Rn. 67 – 69. Kritisch zu diesem Aspekt der Entscheidung Graef/Clifford/Valcke, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 200, 216: Die Entscheidung sei voreilig gewesen, da zum einen im Februar 2016 die DS-GVO noch gar nicht erlassen gewesen und zum anderen (nach wie vor) der Anwendungsbereich des Art. 20 DS-GVO nicht geklärt sei. 420 Das heißt: Patienten, also natürliche Personen, sodass der persönliche Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet ist. 421 Albrecht, CR 2016, 88, 93; Heckmann/Scheurer, in: jurisPK-Internetrecht, 6. Aufl. 2019, Kapitel 9, Rn. 394; von Lewinski, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 12.1. 422 Aus diesem Grund ist die von Dehmel/Hullen, ZD 2013, 147, 153, vorgebrachte Ablehnung von Art. 20 DS-GVO, dieser sei „systemfremd“, verfehlt. Im Übrigen ist es dem europäischen Gesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz unbenommen, en passant Regelungen in datenschutzrechtlichen Vorschriften zu treffen, die in den Überschneidungsbereich von Datenschutz- und Kartellrecht gehören. S. dazu auch Herbst, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 20 DS-GVO, Rn. 4. 423 Richter, PinG 2017, 231, 232. Ernüchternd sind insoweit die ersten Erfahrungen aus der Praxis: Das Recht auf Datenübertragbarkeit scheint kaum genutzt zu werden. So hat die Stiftung Datenschutz festgestellt, dass bei dem Musikstreaming-Anbieter Deezer bis August 2018 lediglich 500 entsprechende Anfragen gestellt wurden, obwohl Deezer in dem Zeitraum auf ungefähr 14 Millionen Nutzer kam, Stiftung Datenschutz, Datenportabilität: Transparenz unter Ausschluss der Öffentlichkeit? (Politikbrief August 2018), S. 4.
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liche Technologien einzutreten. Im Übrigen würden die Nutzer ihre Wechselentscheidung nicht allein von der möglichen Datenschutzfreundlichkeit des anderen Anbieters abhängig machen (auch wenn man anerkennt, dass Aspekte des Datenschutzes durchaus eine Rolle bei der Auswahlentscheidung der Nutzer spielen),424 sondern ebenso von anderen Parametern wie Preis und Qualität. Dass die Datenübertragbarkeit damit tatsächlich zu mehr Wettbewerb um datenschutzfreundlichere Technologien führen wird, scheint nicht gesichert. Zusätzliche Erkenntennise könnten sich aus der vom Bundeskartellamt nach § 32e Abs. 5 GWB eingeleiteten Sektoruntersuchung, die mögliche Verbraucherund Datenschutzrechtsverstöße auf dem Markt für Messengerdienste ermitteln soll. Speziell im Hinblick auf die Datenübertragbarkeit „erhofft sich das Bundeskartellamt Erkenntnisse, ob Verbesserungen an dieser Stelle zu einer vermehrten Nutzung von datenschutzfreundlichen Diensten führen können“.425 Daneben ist das Recht auf Datenübertragbarkeit weiteren Zweifeln im Hinblick auf seine datenschutzrechtliche Wirksamkeit ausgesetzt. Aufgrund von Art. 20 DSGVO kann die Herausgabe der Daten in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format verlangt werden. Dadurch, dass die Gesamtheit der (vom Betroffenen bereitgestellten) personenbezogenen Daten von einem Anbieter auf einmal heruntergeladen werden kann, wird dieses System anfällig für den unberechtigten Zugriff Dritter.426 Hinzu kommt, dass die Übermittlung „ohne Behinderung durch den Verantwortlichen“ zu erfolgen hat. Diese Voraussetzung könnte zur Folge haben, dass Überprüfungen der Berechtigung durch den Verantwortlichen unzulässig sind, was ein weiteres Risiko für die Datensicherheit darstellen könnte.427 Neben der datenschutzrechtlichen Ratio des Rechts auf Datenübertragbarkeit erfährt auch die wettbewerbsfördernde Ratio Kritik, denn ein Aufbrechen verfestigter Marktstellungen ist keineswegs zwingende Folge dieses Rechts.428 Die Bewertung als wettbewerbspolitisch problematisch stützt sich dabei – neben der bereits 424
S. o. § 5.C.I.2.a)aa)(4) (S. 97 – 100). BKartA, Pressemitteilung vom 12. 11. 2020, abrufbar unter: https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2020/12_11_2020_SU_Messenger_Diens te.html. Vgl. BKartA, Sektoruntersuchung Messenger- und Video-Dienste. Zwischenbericht „Branchenüberblick und Stimmungsbild Interoperabilität“, 04. 11. 2021, abrufbar unter: https: //www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Sektoruntersuchungen/Sektoruntersu chung_MessengerVideoDienste_Zwischenbericht.pdf?__blob=publicationFile&v=9. 426 Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 373 f.; R. Weber, ZWeR 2014, 169, 179. Letzterer kritisiert a. a. O. das Recht auf Datenübertragbarkeit auch deshalb, weil dieses die bisher durch den Gesetzgeber nicht geklärte Frage des „Dateneigentums“ stillschweigend dahingehend löse, dass das „Eigentum“ dem Betroffenen zustehe. Vgl. dazu auch Jülicher/ Röttgen/von Schönfeld, ZD 2016, 358, 361: „Während [die informationelle Selbstbestimmung] bis dato vor allem im Einwilligungsvorbehalt Ausdruck fand, sorgt Art. 20 Abs. 1 DS-GVO nunmehr dafür, dass der Betroffene ,seine‘ Daten nicht nur zur Nutzung freigeben, sondern zugleich auch über deren ,Zuordnung‘ disponieren kann.“ 427 Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 374 f. 428 Körber, NZKart 2016, 348, 350: „[…] wettbewerblich zumindest ambivalent.“ 425
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
angesprochenen fraglichen Wirksamkeit in der praktischen Umsetzung429 – auf zwei Gründe: Zum einen ist der Umfang der Daten, auf deren Übertragung ein Anspruch besteht, ausgesprochen eingeschränkt. Es muss sich um personenbezogene Daten handeln, die von dem Betroffenen bereitgestellt wurden. Rechte und Freiheiten anderer Personen (das heißt vor allem anderer Nutzer) dürfen darüber hinaus gemäß Art. 20 Abs. 4 DS-GVO durch die Übertragung nicht beeinträchtigt werden. Das betrifft vor allem personenbezogene Daten Dritter,430 etwa Chatverläufe oder Fotos mit Dritten. Auch wenn Art. 20 Abs. 4 DS-GVO im Hinblick auf die Effektivität des Rechts auf Datenübertragbarkeit eng auszulegen sein soll431, so kann die Übertragung von Daten Dritter – insbesondere im Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz nach Art. 8 GR-Charta – gleichwohl nur dann erfolgen, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage besteht; diese dürfte sich regelmäßig allenfalls aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO432 ergeben433. Diese Einschränkung sorgt dafür, dass gerade bei sozialen Netzwerken, die eigentlich den gesetzgeberisch intendierten Hauptanwendungsfall für die Datenübertragbarkeit bilden434, nur ein sehr beschränkter Anspruch besteht,435 verglichen mit der Gesamtmenge an verfügbaren personenbezogenen Daten.436 Die Menge an ökonomisch relevanten Daten, die Wettbewerber erhalten können, um mögliche marktbeherrschende Stellungen aufzubrechen, ist damit ebenso eingeschränkt.
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Es handelt sich schließlich um einen Anspruch einzelner Betroffener, nicht um einen von Wettbewerbern. Letztere sind daher ganz grundsätzlich darauf angewiesen, dass eine erhebliche Zahl an Betroffenen von ihrem Anspruch Gebrauch macht, damit sich dies auch spürbar auf den Wettbewerbsdruck auf das marktbeherrschende Unternehmen auswirken kann. 430 von Lewinski, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 94. 431 Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU, 2017, Teil 4, Rn. 21. 432 Dieser erlaubt die Datenverarbeitung, wenn nach einer Interessenabwägung das Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten („Dritter“ in diesem Sinne bezieht sich hier auf den Betroffenen, der den Anspruch nach Art. 20 DS-GVO geltend macht) das des Betroffenen (also wiederum des Dritten i. S. d. Art. 20 Abs. 4 DS-GVO) überwiegt. 433 Piltz, in: Gola (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 40. A. A. Schantz, NJW 2016, 1841, 1845. Vgl. auch von Lewinski, in: BeckOK Datenschutzrecht, 38. Ed. 2021, Art. 20 DS-GVO, Rn. 98, und Lynskey, E. L. Rev. 42 (2017), 793, 802 – 814, insb. S. 810: Das Recht auf Datenübertragbarkeit ist ein eigenständiges Recht und nicht bloß ein wettbewerbsrechtliches Instrument. Daher ist eine eigenständige Auslegung geboten, die nicht (allein) an Maßstäben des Kartellrechts zu erfolgen hat. 434 So waren soziale Netzwerke nach Erwägungsgrund 55 S. 2 des Verordnungsvorschlags der Europäischen Kommission vom 25. 01. 2012, KOM(2012) 11 endg., „insbesondere“ als Anwendungsfall der Datenübertragbarkeit genannt. Dass diese Wendung in der endgültigen Fassung der Verordnung in Erwägungsgrund 68 S. 1 entfallen ist, rechtfertigt keine andere Beurteilung der Tatsache, dass die Datenübertragbarkeit vorrangig auf soziale Netzwerke abzielen soll. An der Gesetzgebungshistorie zeigt sich, dass der Verordnungsgeber immer besonders die sozialen Netzwerke bei der Regelung im Blick hatte, Graef/Verschakelen/Valcke, Law: The Journal of the Higher School of Economics, Annual Review 2013, 53, 60 f. 435 Hennemann, PinG 2017, 5, 8. 436 Jülicher/Röttgen/von Schönfeld, ZD 2016, 358, 361.
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Das Vorstehende zeigt, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit aus wettbewerblicher Sicht zum einen zu eng ist.437 Es ist, verglichen mit möglichen kartellrechtlichen Instrumenten, jedoch auch (zu) weit geraten.438 Es setzt, anders als Art. 102 AEUV und § 19 GWB keine marktbeherrschende Stellung voraus.439 Es ist unterschiedslos auf alle Verantwortlichen anzuwenden, also sogar auf kleine und mittlere Unternehmen.440 Die Verpflichtung zur Bereitstellung entsprechender Software trifft kleine Unternehmen hingegen ungleich härter als große und kann sie daher – entgegen der gesetzgeberischen Intention zur Stärkung des Wettbewerbs – sogar vom Markteintritt abhalten.441 Weitere Folge wäre eine Einschränkung der Innovationstätigkeit durch das Ausscheiden oder den unterbliebenen Markteintritt von Wettbewerbern.442 Weiter bedeutet die Verpflichtung auch kleiner und mittlerer Anbieter, dass Betroffene das Recht auf Datenübertragbarkeit auch nutzen können, um zu einem größeren – marktbeherrschenden – Wettbewerber zu wechseln. Ein solches Verhalten der Nutzer ist aufgrund der auf Plattformmärkten wirkenden direkten Netzwerkeffekte besonders naheliegend: Vorstellbar ist es etwa, wenn die bei Aufkommen eines neuen Marktes für eine bestimmte Plattform getroffene Entscheidung sich insoweit als „falsch“ herausstellt, als die Entwicklung der Nutzerzahlen bei dieser gegenüber einer Konkurrentin zurückbleibt und die Interaktionsmöglichkeiten des Nutzers daher eingeschränkter sind. In einem solchen Fall ist es naheliegend – und mithilfe der Datenübertragbarkeit auch leicht umsetzbar –, von der kleineren zur größeren Plattform zu wechseln. Dann verkehrt sich die Wirkung des Rechts auf Datenübertragbarkeit in das Gegenteil des gesetzgeberisch Intendierten; Monopolisierungstendenzen würde Vorschub geleistet.443 437 Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 264 – 275, betrachtet das Recht auf Datenübertragbarkeit vor allem im Hinblick auf das Regulierungsrecht und den dort etablierten „3-Kriterien-Test“. Sie zweifelt an der Notwendigkeit der Regulierung, kritisiert aber vor allem die fehlende Eignung des Instruments zur Behebung von Wettbewerbsproblemen. So sei denn eher eine Erhöhung als eine Senkung der Marktzutrittsschranken zu befürchten (S. 272 – 274). 438 Die wettbewerbsfördernde Zielsetzung der Norm daher infrage stellend Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 263. 439 Auch muss der Verantwortliche kein Unternehmen im kartellrechtlichen Sinne sein, sodass der Anspruch aus Art. 20 DS-GVO auch gegen natürliche Personen und Behörden geltend gemacht werden kann, Lynskey, E. L. Rev. 42 (2017), 793, 801. 440 Lynskey, E. L. Rev. 42 (2017), 793, 802; Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 351 – 353. Vgl. mit einem Vorschlag de lege ferenda Vanberg/Ünver, EJLT 8 (2017), 1, 14. 441 Graef/Verschakelen/Valcke, Law: The Journal of the Higher School of Economics, Annual Review 2013, 53, 60; Lynskey, E. L. Rev. 42 (2017), 793, 807 – 809. 442 Swire/Lagos, Md. L. Rev. 72 (2013), 335, 352 f., 357 – 360. 443 Ähnlich Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, September 2019, S. 41. Weniger kritisch Crémer/Montjoye/Schweitzer, Competition Policy for the Digital Era, 2019, S. 82. Bedenken bestehen für diese nur in den (seltenen) Fällen, in denen bereits die unverarbeiteten Rohdaten (auf die Übertragung abgeleiteter Daten besteht schließlich kein Anspruch, s. o. Kap. 3 Fn. 411) essenziell für die In-
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der DMA-E in Art. 6 Abs. 1 lit. h das Recht auf auf Datenübertragbarkeit aus Art. 20 DS-GVO erweitert. Hiernach könnte zum einen der Anspruch gegenüber nach Art. 3 DMA-E designierten Gatekeepern auf aggregierte und nicht-personenbezogene Daten ausgeweitet werden. Zum anderen bestünde auch ein Anspruch gewerblicher Nutzer auf Übertragung ihrer Daten.444 (d) Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten (§ 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB) Der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten ist ein weiteres bei der Beurteilung der Marktmacht zu berücksichtigendes Kriterium. Die Formulierung des § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB lässt dabei offen, um welche Daten es sich handeln und wie der Zugang beschaffen sein muss. Bei der Auslegung muss die Ratio der Norm entscheidend sein. Bei der Bestimmung der Marktstellung eines Unternehmens geht es darum, nicht durch Wettbewerber oder die Marktgegenseite kontrollierte Verhaltensspielräume zu beurteilen. Daher kann es einerseits nicht ausreichen, nur eine genügend große Menge (wie auch immer gearteter445) Daten zu verlangen.446 Unberücksichtigt bliebe dann das Marktumfeld, das über ähnliche Mengen verfügen könnte. Außerdem beruht die Bedeutung von Big Data wesentlich auf dem geringen Alter der Daten. Große Mengen an Informationen über eine Person, die aber jahrealt sind, sind weniger wert als Datensätze geringeren Umfangs, die aber jünger und akkurater sind und dadurch besser dabei helfen, das zukünftige Verhalten dieser Person vorherzusagen. Entscheidender Gesichtspunkt muss daher vielmehr die ökonomische Bedeutung der Daten sein,447 also die Frage, ob diese dem Unternehmen einen nicht kontrollierten Verhaltensspielraum verschaffen. Der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten ist bei genauerer Betrachtung nichts wesentlich anderes als der Zugang zu Beschaffungsmärkten nach § 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB.448 Zugang zu den Beschaffungsmärkten bedeutet in diesem Zusammenhang die Verflechtung mit der vorgelagerten Marktstufe, die bis hin zur vertikalen Intenovationstätigkeit seien, kein Substitut für diese Daten bestehe und das marktbeherrschende Unternehmen auch nicht einfach ein solches entwickeln könne. Crémer/Montjoye/Schweitzer schlagen daher a. a. O. ein Regime des Art. 20 DS-GVO vor, das für marktbeherrschende Unternehmen strenger sein soll als für nicht-marktbeherrschende. Das verkennt jedoch, dass der Umfang der Anspruchs auf Datenübertragbarkeit auch ohne abgeleitete Daten beträchtlich ist. Das gilt im Besonderen in Fällen, in denen ein Nutzer, der einen Dienst für eine lange Zeit genutzt und dadurch diesem Daten in einem großen Umfang zur Verfügung gestellt hat, diese auf einen anderen Dienst übertragen will. In diesen – gewiss nicht seltenen Fällen – ist der angesammelte Datenschatz für den zweiten Dienst nicht ohne Weiteres duplizierbar. 444 Kerber, ZD 2021, 544, 546 f. 445 Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 18 GWB, Rn. 60. 446 So wohl tendenziell aber Tamke, NZKart 2018, 503, 506 f. 447 Holzweber, NZKart 2016, 104, 109. 448 Grave, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 17, Rn. 51.
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gration reichen kann, sodass der Zugang der Wettbewerber zu dieser Stufe erschwert oder potenziell behindert wird. Ein solcher Zugang kann sich beispielsweise aus Unternehmensbeteiligungen, langfristigen Lieferbeziehungen oder einem vertraglich abgesicherten Vertriebssystem ergeben.449 Einem derartigen Zugang zu den Beschaffungsmärkten ähnlich, kann ein gesicherter Zugang zu Daten die Marktposition einer Internet-Plattform absichern oder den Zugang zu bestimmten nachgelagerten Märkten erst eröffnen. Dabei ist es dem Charakter von Plattformmärkten geschuldet, dass sich die Datenverfügbarkeit sogar auf mehreren Märkten gleichzeitig positiv auswirken kann, nämlich zum Beispiel auf dem Werbemarkt durch die Möglichkeit, zielgerichtete Werbung zu schalten, und auf dem Endkundenmarkt durch die Verbesserung und Individualisierung des Angebots. Wie sich hierin zeigt, lassen Daten sich mehrmals nutzen, sind also nicht-rival.450 Andererseits lassen sich gleichwertige rechtliche Absicherungen wie beim Zugang zu den Beschaffungsmärkten (Unternehmensbeteiligungen, langfristige Lieferbeziehungen, vertraglich abgesicherte Vertriebssysteme) zumindest auf dem „Primärmarkt“ für den Zugang, also gegenüber privaten Nutzern, nicht vereinbaren. Um eine gleiche Anwendung von § 18 Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 3a Nr. 4 GWB zu ermöglichen, muss bei letzterem das Erfordernis der rechtlichen Absicherung des Zugangs durch eine faktische Absicherung ersetzt werden. Nicht unbedingt erforderlich ist dabei ein exklusiver Zugriff auf bestimmte Daten,451 wobei ein solcher aber in jedem Fall ausreichend wäre.452 Ein faktisch abgesicherter Datenzugang kann sich dabei aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Denkbar ist zum Beispiel, dass es einem Unternehmen durch die Gestaltung seiner Plattform gelingt, besonders viele oder besonders gut individualisierte Daten zu erlangen.453 Das kann etwa der 449 Vgl. Kühnen, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 18 GWB, Rn. 91. 450 Vgl. zur Nicht-Rivalität von Daten Acquisti/Taylor/Wagman, J. Econ. Lit. 54 (2016), 442, 446. 451 So jedoch Esser/Höft, NZKart 2017, 259, 264. Verfehlt ist dabei der Hinweis auf die Regierungsbegründung der 9. GWB-Novelle (Begr. RegE, BT-Drs. 18/10207, S. 51), die mehrfach die „exklusive Herrschaft“ erwähne. Tatsächlich steht in der Begründung a. a. O., dass eine solche eine Marktzutrittsschranke darstellen könne. Offen lässt sie es hingegen, ob auch unter der Schwelle der Exklusivität ein besonders gearteter Datenzugang Verhaltensspielräume des Unternehmens eröffnen kann, was nach hier vertretener Auffassung bejaht werden kann. Wie Esser/Höft auch M. Wagner/Brecht/Raabe, PinG 2018, 229, 234. Ähnlich wie hier hingegen Grave, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 17, Rn. 51; wohl auch Louven, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 779, 796 f. (Rn. 28 f.); Louven, Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, 2021, S. 42 f. 452 Dass ein tatsächlich exklusiver Datenzugang kaum einmal zu finden sein dürfte, erkennen auch Esser/Höft, NZKart 2017, 259, 264, an. Sie diskutieren hingegen nicht, ob es tatsächlich das gesetzgeberische Ziel gewesen sein kann, eine Regelung ohne praktischen Anwendungsbereich zu schaffen. 453 Ähnlich wie hier Grave, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 17, Rn. 51.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Fall sein, wenn die Plattform durch die längere Verweildauer der Nutzer deren Verhalten genau beobachten kann. Hierunter fällt auch die Möglichkeit, das Verhalten der Nutzer auf Webseiten Dritter zu beobachten, wie dies Gegenstand des Facebook-Verfahrens war: Facebook wurde vorgeworfen, das Verhalten der Nutzer auf Dritt-Seiten zu beobachten, auf denen die sogenannten Facebook Business Tools (zum Beispiel der Like-Button) verwendet werden.454 Stehen einer Plattform derartige Möglichkeiten zur Verfügung, so ist in der Regel ihre Stellung gegenüber ihren Wettbewerbern abgesichert, was ihr zusätzliche Spielräume verschafft. In jedem Fall bedarf es aber einer genauen Analyse der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Daten. Für die Schaffung von Marktzutrittsschranken durch Datenzugang spricht es vor allem, wenn die gleichen Daten – obwohl im Grunde nicht-rival – für andere Unternehmen schwer zu beschaffen sind.455 Neben der bloßen Betrachtung der Daten, auf die das Unternehmen zugreifen kann, ist auch die besondere Fähigkeit zur Analyse und Verarbeitung der Daten von Bedeutung, etwa aufgrund eines besonders fortschrittlichen Algorithmus.456 Bei der Analyse spielt die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Datenzugangs keine Rolle, denn bei der Prüfung der marktbeherrschenden Stellung geht es allein darum, den tatsächlichen Verhaltensspielraum des Unternehmens zu ermitteln.457 Auch rechtswidrig erlangte Daten können einen derartigen Spielraum vermitteln.458 Dabei kann gerade der datenschutzrechtswidrige Datenzugang ein Indiz für die erforderliche wettbewerbliche Unabhängigkeit des Unternehmens sein. Analog dazu ist es anerkannt, dass die Fähigkeit zu lang andauernden einseitigen Preiserhöhungen ohne nennenswerte Umsatzeinbußen auf eine marktbeherrschende Stellung hindeutet.459 Ebenso kann es gerade als Zeichen für einen nicht kontrollierten Verhaltensspielraum gewertet werden, wenn eine Plattform ihre Daten sogar unter Verletzung datenschutzrechtlicher Normen erlangt und trotzdem keinen (spürbaren) Rückgang der Nutzerzahlen hinnehmen muss, obwohl, was im Einzelfall festzustellen ist, der Datenschutz für die Nutzer ein wichtiges Qualitätskriterium ist. In jedem Fall ist weiterhin auch zu prüfen, ob die rechtswidrige Datenerhebung nicht umgekehrt ein Zeichen funktionierenden Wettbewerbs ist. Das kann der Fall sein, wenn der Wettbewerbsdruck besonders hoch ist und ein Unternehmen rechtswidrige Mittel einsetzen muss, um im Wettbewerb zu bestehen. Auch könnten kleinere 454
S. u. § 5.C.I.4.b)bb)(1) (S. 203 f.). Buiten, in: Mathis/Tor (Hrsg.), New Developments in Competition Law and Economics, 2019, S. 265, 274 f. 456 Mischau, GRUR Int. 2020, 233, 245. 457 Ebenso Telle, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, 2016, S. 835, 839. 458 Vgl. auch Hoeren, WuW 2013, 463, der anregt, durch Verletzungen des Datenschutzrechts erlangte Wettbewerbsvorteile in die kartellrechtliche Würdigung einfließen zu lassen. 459 Vgl. zur Preisführerschaft eines Unternehmens als Indiz für dessen marktbeherrschende Stellung Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), EUV/AEUV, 56. EL 2015 (Werkstand 74. EL 2021), Art. 102 AEUV, Rn. 109. 455
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Marktteilnehmer sich gezwungen sehen, sich den rechtswidrigen Praktiken ihrer größeren Konkurrenten anzuschließen. c) Zwischenergebnis Die in diesem Abschnitt dargestellten Probleme der Marktabgrenzung und der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere auf (Online-) Plattformmärkten sind von Bedeutung bei der Kartellrechtsanwendung. Märkte im kartellrechtlichen Sinne können auch dann anzunehmen sein, wenn zwischen den Marktseiten kein monetäres Entgelt gezahlt wird. Das besagt auch § 18 Abs. 2a GWB, der freilich einen beschränkten Regelungsgehalt hat: Seine Rechtsfolge führt nicht konstitutiv zur Annahme von Märkten. Daher besteht im Falle nicht-monetärer Beziehungen weiterhin ein gewisser Begründungsaufwand, um im Einzelfall einen Markt bejahen zu können; § 18 Abs. 2a GWB nimmt dem Rechtsanwender diese Begründung nicht ab. Es gibt verschiedene Begründungsstränge, die zur Annahme eines Marktes führen können; sie schließen einander nicht aus, können daher auch nebeneinander angewandt werden. So kann einerseits ein Markt angenommen werden, wenn die Wirkung indirekter Netzwerkeffekte festzustellen ist. Dann ist es eine gängige Preisstruktur, auf einer der Marktseiten auf ein monetäres Entgelt zu verzichten, wenn dies auf einer anderen Seite wieder ausgeglichen werden kann. Eine derartige Preisstruktur (die vom Plattformbetreiber im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit gewählt und nicht allein von äußeren Zwängen durch Wettbewerb beeinflusst wurde) rechtfertigt es nicht, die nicht-monetäre Marktseite von der kartellrechtlichen Prüfung auszunehmen. Daneben ist es auch dann gerechtfertigt, einen Markt zu bejahen – und damit in die weitere kartellrechtliche Prüfung einzutreten –, wenn Daten gleich einem Anspruch in Geld die Gegenleistung in einem Vertragsverhältnis darstellen. Als weitere Methode ist es zulässig, die Abgrenzung danach vorzunehmen, ob eine der Parteien aus ökonomischen Gründen handelt. Die verschiedenen Ansätze werden sich in der praktischen Anwendung im Ergebnis regelmäßig decken. Als weitere Vorfrage der Marktabgrenzung wurde ebenso geklärt, dass Aufmerksamkeitsplattformen zwei oder mehr getrennte Märkte konstituieren, Matchingplattformen hingegen einen einheitlichen Markt für beide Marktseiten schaffen. Diese unterschiedliche Behandlung resultiert daraus, dass auf diesen beiden Plattformtypen grundlegend andere Wettbewerbs- und Austauschbeziehungen herrschen. Nachdem diese Vorfragen geklärt sind, kann der relevante Markt – in sachlicher, räumlicher und gegebenenfalls auch zeitlicher Hinsicht – abgegrenzt werden. Dieser Prüfungsschritt kann de lege lata nicht entfallen. Wie die im nächsten Abschnitt darzustellende Fallgruppe missbräuchlichen Verhaltens, der Konditionenmissbrauch, zeigen wird, ist die Marktabgrenzung und die daran anknüpfende Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung essenziell für die weitere kartellrechtliche Würdigung.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Das nach wie vor wichtigste Kriterium zur Marktabgrenzung ist das Bedarfsmarktkonzept. Quantitative Methoden wie der SSNIP-Test sind auf Märkten ohne monetäre Leistungsbeziehung hingegen kaum geeignet, das qualitativ ausgerichtete Bedarfsmarktkonzept zu ergänzen. Das gilt auch von den in der Literatur vorgeschlagenen Varianten des SSNIP-Tests. Diese sind in der Praxis nicht handhabbar. Bei der Anwendung des Bedarfsmarktkonzepts, bei dem eine Marktabgrenzung nach den Erwartungen der Marktgegenseite zu erfolgen hat, kann auch der von den Anbietern angewandte Datenschutz ein zu berücksichtigender Wettbewerbsparameter sein. Das kann dazu führen, dass verschiedene Dienste mit einem unterschiedlichen Datenschutzniveau aus Sicht der Marktgegenseite nicht austauschbar sind. Auf der Grundlage des dergestalt abgegrenzten Marktes kann die Marktstellung eines hierauf tätigen Unternehmens beurteilt werden, um feststellen zu können, ob dieses marktbeherrschend und der Anwendungsbereich der Missbrauchsaufsicht damit eröffnet ist. Die Bestimmung des (absoluten und relativen) Marktanteils des Unternehmens ist die wichtigste Methode. Gleichzeitig ergeben sich auch hier Schwierigkeiten auf Märkten mit nicht-monetären Leistungsbeziehungen, da der Umsatz als etablierte Größe zur Marktanteilsberechnung entfällt. Die Entscheidungspraxis hat in jüngerer Zeit verschiedene alternative Bezugsgrößen angewandt, die ebenso wie der Umsatz den Markterfolg repräsentieren können. Neben dem Marktanteil wurden auch weitere Kriterien dargestellt, wie sie mittlerweile auch in § 18 Abs. 3a GWB gesetzlich verankert sind, namentlich direkte und indirekte Netzwerkeffekte sowie Standards, Parallelnutzung (Multi-Homing), lock in-Effekte und der Datenzugang. Das Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DS-GVO hat das Potenzial, lock in-Effekte abzumildern und dadurch wettbewerbsförderlich zu wirken. Dieses Recht hat eine dreifache Zielsetzung, nämlich Verbraucher-, Wettbewerbs- und Datenschutz. In der Analyse des Rechts erweisen sich diese Ziele als untereinander nur teilweise vereinbar, sodass die Wirksamkeit im Hinblick auf die Ziele Wettbewerbsförderung (durch Relativierung von lock in-Effekten) und Datenschutz fraglich erscheint. 3. Das missbräuchliche Verhalten Die Frage, ob die datenschutzrechtswidrige Erhebung personenbezogener Daten den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, war zentral in der Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts. Im Folgenden wird zunächst nach dem richtigen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für ein kartellrechtliches Verbot eines derartigen Verhalten gesucht (a)460. Danach wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsverletzung – und ein Datenschutzrechtsverstoß im Besonde-
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S. 125 – 130.
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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ren – als missbräuchliches Verhalten zu werten ist (b))461. Anschließend wird das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauch untersucht (c))462. Abschließend wird das Problem paralleler Zuständigkeiten – in concreto der Kartell- neben den Datenschutzbehörden – behandelt (d))463. Nach diesen Vorarbeiten wird unter 4.–6.464 das Facebook-Verfahren mit den Entscheidungen des Bundeskartellamts sowie des OLG Düsseldorf und des BGH im Eilverfahren und unter 7.465 die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Hauptsacheverfahren eingeordnet. a) Die gesetzliche Verortung des Rechtsbruchs im Missbrauchstatbestand Bevor Art. 102 AEUV und § 19 GWB im Hinblick auf Fälle der Verletzung des Datenschutzrechts („Missbrauch durch Rechtsbruch“) untersucht werden können, bedarf es zunächst der Bestimmung des rechtlichen Rahmens, der sich wiederum aus den verschiedenen Tatbeständen der genannten Normen ergibt. Wie aufgezeigt, ist grob zwischen den Varianten des Behinderungs-, des Ausbeutungs- und des Strukturmissbrauchs zu unterscheiden. Es gibt Normierungen bestimmter Fallgruppen missbräuchlichen Verhaltens in Art. 102 UAbs. 2 AEUV und § 19 Abs. 2 GWB. Ist hiervon keine einschlägig, so kann auf die Generalklauseln Art. 102 UAbs. 1 AEUV und § 19 Abs. 1 GWB zurückgegriffen werden. aa) „Missbrauch durch Rechtsbruch“ als Konditionenmissbrauch Datenschutzrechtswidriges Verhalten hat Elemente sowohl des Ausbeutungsmissbrauchs – wenn man vor allem auf die Ausnutzung der Daten der privaten Nutzer abstellt – als auch des Behinderungsmissbrauchs – wenn man ebenso berücksichtigt, dass durch diese Ausnutzung eine wettbewerbliche Besserstellung gegenüber Konkurrenten erfolgt, die diese Möglichkeit nicht haben oder sie jedenfalls nicht nutzen. Ausnutzung der Marktgegenseite und Behinderung der Wettbewerber bedingen und verstärken sich damit mitunter gegenseitig.466 Auch wenn eine Einteilung in eine dieser beiden Kategorien für die Kartellrechtsanwendung nicht notwendig ist, um den Missbrauchstatbestand anzuwenden, so ist eine Beschäftigung mit diesen Kategorien doch deshalb sinnvoll, weil sie das Wesen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung umschreiben. 461 462 463 464 465 466
S. 130 – 159. S. 159 – 175. S. 175 – 198. S. 199 – 245. S. 245. Lettl, WRP 2020, 1391, 1395.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Es überzeugt nicht, den Missbrauch durch Rechtsbruch einzig als Behinderungsmissbrauch einzuordnen.467 Unter dem Sammelbegriff des Behinderungsmissbrauchs werden Verhaltensweisen zusammengefasst, durch die die Marktsituation der Konkurrenten verschlechtert wird. Hingegen nimmt der Begriff des Ausbeutungsmissbrauchs die Marktgegenseite in den Blick: Diese soll vor Ausbeutung geschützt werden.468 Datenschutzrechtswidriges Verhalten schädigt zunächst einmal und per se die durch das Datenschutzrecht geschützten Betroffenen, also aus Sicht des Verletzers die Marktgegenseite. Eine wettbewerbliche Besserstellung des Verletzers oder – umgekehrt – eine Schlechterstellung von dessen Konkurrenten folgt daraus nicht automatisch. So ist auch vorrangig die Marktgegenseite von der Fallgruppe des Ausbeutungsmissbrauchs geschützt.469 Dass eine Behinderung von Wettbewerbern, möglicherweise auch nur auf einem anderen Markt, durch das Verhalten eintritt, ist trotzdem denkbar. Eine solche bildet einen wesentlichen Gesichtspunkt für die Kartellrechtsanwendung. Ebenfalls nicht überzeugend sind Überlegungen, ein datenschutzrechtswidriges Verhalten als Preishöhenmissbrauch470 zu definieren.471 Derartige Überlegungen gehen von der – im Ansatz richtigen – Annahme aus, Daten stellten für eine Vielzahl von Angeboten auf mehrseitigen Märkten die Gegenleistung dar.472 Auf derartigen Märkten müssen sich die Plattformanbieter für eine Preisstruktur entscheiden: Häufig wird von einer Marktseite dann kein tatsächlich zu entrichtendes Entgelt verlangt. Ein solches hat umgekehrt aber die andere Marktseite zu leisten.473 So ist etwa die Nutzung sozialer Netzwerke häufig kostenlos, wohingegen Werbetreibende oder App-Entwickler dem Plattformanbieter ein monetäres Entgelt zahlen, sodass 467
So jedoch Telle, WRP 2016, 814, 820: „Auch könnte eine wettbewerblich nicht mehr gerechtfertigte Bindung der Nutzer an den Plattform-Betreiber aufgrund der von ihnen freigegeben Daten in Betracht kommen.“ Der durch den Begriff der „Bindung“ insinuierte Bezug zum Behinderungsmissbrauch greift nicht. Die Bindung der Nutzer hängt nicht von der Einhaltung des Datenschutzrechts ab. Entscheidend für die Bindung ist vielmehr die Stärke der wirkenden Netzwerk- und lock in-Effekte. Mit der gleichen Begründung ist auch die Argumentation Wiemers abzulehnen (Wiemer, WuW 2018, 53: „Dass auch der Wettbewerb geschützt wird, drängt sich nicht unmittelbar auf: denn andere soziale Netzwerke werden durch die beanstandete Praxis nicht daran gehindert, ebenfalls Daten zu sammeln – letztere sind ja duplizierbar.“). 468 Mano/Nazzini/Zenger, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 4.253. 469 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 201; Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 17. 470 I. S. d. Regelbeispiele der Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 1 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 GWB. 471 Ähnlich Colangelo/Maggiolino, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 224, 233 f. Zurückhaltend Robertson, C.M.L.R.57 (2020), 161, 173 – 178. 472 Vgl. etwa Langhanke/Schmidt-Kessel, EuCML 2015, 218. 473 Rochet/Tirole, J. Eur. Econ. Ass’n. 1 (2003), 990 f. Vgl. Kalimo/Majcher, E. L. Rev. 42 (2017), 210, 229.
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dieser im Ergebnis seine Aufwendungen gegenüber der Nutzerseite ausgleichen kann. Vor der 9. GWB-Novelle wurde vom OLG Düsseldorf daher mangels eines monetären Entgelts in dem Verhältnis zwischen Nutzer und Plattformbetreiber ein Markt abgelehnt.474 Dementgegen – und im Sinne der dem OLG widersprechenden Literatur – wurde durch die 9. GWB-Novelle § 18 Abs. 2a GWB eingeführt, wonach es der Annahme eines Marktes nicht entgegensteht, „dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird“. Die Änderung kann als direkte Reaktion auf die Praxis des OLG verstanden werden.475 Sie hat Auswirkungen auf die Frage der Marktabgrenzung und -beherrschung.476 Daraus die Gleichung „Daten = Entgelt = Preishöhenmissbrauch“ abzuleiten, mag zwar naheliegend erscheinen,477 weder ist sie aber praktikabel,478 noch auf der Linie der Rechtsprechung zum Preishöhenmissbrauch überhaupt umsetzbar.479 Nach dieser bedarf es zur Bestimmung eines überhöhten Preises des Vergleichs mit dem
474 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09. 01. 2015, Bestpreisklauseln, Az. VI-Kart 1/14 (V), NZKart 2015, 148, 149. 475 Podszun, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 1, Rn. 15. 476 Grundlegend Podszun, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 1. 477 Datentschutzrechtswidriges Verhalten unter dem Gesichtspunkt des Preishöhenmissbrauchs werten etwa Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 165 – 168; S. Schmidt, WuW 2016, 572, 579; Pomana/M. Schneider, BB 2018, 965, 970. Ebenso Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 181 – 188, die den Preishöhenmissbrauch neben dem Konditionenmissbrauch diskutiert. In Ansätzen ebenso Bania, ECJ 14 (2018), 38, 65 – 69. Tendenziell ebenfalls Budzinski, List Forum 43 (2017), 221, 235; Budzinski/ Grusevaja, in: Seufert (Hrsg.), Media Economics revisited, 2017, S. 35, 51. Letzteren zustimmend Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 295. Ähnlich Möllnitz, CR 2019, 640, 642 f. (Vermögenswert der Einwilligung). Botta/Wiedemann, J. Eur. Comp. L. & Prac. 10 (2019), 465, 466 f., diskutieren eine Übertragung der Grundsätze aus der Entscheidung EuGH, Urt. v. 14. 09. 2017, AKKA/LAA, Rs. C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689. 478 Es gibt im Rahmen des behördlichen Vollzugs des Preishöhenmissbrauchs Schwierigkeiten, die bei der Kontrolle von Geschäftsbedingungen nicht oder zumindest nicht im gleichen Umfang auftreten: die Beeinträchtigung der Wettbewerbsdynamik durch die behördliche Kontrolle der Preise, der Umstand, dass der hohe Preis als Signalfunktion für den Markteinstieg potenzieller Wettbewerber entfällt, und Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines gerechten Preises, Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 374 f. Zur Signal- und Anreizfunktion hoher Preise insbesondere Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 82 – 103. Gegen die unbefangene Übertragung dieser Grundsätze auf den Konditionenmissbrauch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 43. 479 In dieser Hinsicht etwas irreführend Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 186: „Da ungünstige Geschäftsbedingungen einen wirtschaftlichen Nachteil darstellen, den man rechnerisch in Geld ausdrücken kann, gibt es keine scharfe Unterscheidung zwischen Preis- und Konditionenmissbrauch. Für die Frage der Unangemessenheit gelten darum bei Geschäftsbedingungen ähnliche Maßstäbe wie bei Preisen.“
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Wert der Leistung480 (Prinzip der Gewinnspannenermittlung).481 Es bedürfte also eines Vergleichs des Wertes der (im Sinne eines Preises) hingegebenen Daten mit dem Wert der erbrachten Leistung. Beide Werte lassen sich in Ermangelung eines monetären Preises nicht mit der notwendigen Sicherheit bestimmen,482 zumal im Sinne der Favorit-Rechtsprechung des BGH auch nicht die einzelnen Leistungen für sich zu betrachten sind, sondern eine „Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels“ anzustellen ist483. Der Versuch, den individuellen Nutzerdaten einen konkreten monetären Wert beizumessen, ist aufgrund der Komplexität, Heterogenität, Individualität484 und Kontextabhängigkeit485 der Daten zum Scheitern verurteilt. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit von Daten.486 Diese können in kurzer Zeit ihren Wert verlieren. Auch das zeigt die Aussichtslosigkeit von Versuchen, den Wert der Daten zu quantifizieren, um eine (mehr oder minder statische) Preiskontrolle durchführen zu können. Ein konkret bezifferbarer Wert der Daten, der für einen Vergleich erforderlich wäre,487 ist nicht feststellbar.488 Richtigerweise ist der Missbrauch durch (Datenschutz-)Rechtsbruch daher unter die Fallgruppe des Ausbeutungsmissbrauchs in Form des Konditionenmissbrauchs zu fassen,489 wobei das Verhalten ebenfalls Elemente einer Wettbewerberbehinderung zeigt490. Auch die Rechtsprechung hat den „Missbrauch durch Rechtsbruch“ bisher als Konditionenmissbrauch verstanden.491
480
257. 481
EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/
Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 100. Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 184. Das Problem erkennt auch Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 186, die inkonsequent gleichwohl konstatiert, Daten seien „zweifelsohne sehr wertvoll“. 483 BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 319 f. 484 Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 185. Vgl. Kalimo/Majcher, E. L. Rev. 42 (2017), 210, 229 – 231. 485 Robertson, C.M.L.R. 57 (2020), 161, 173 f. 486 Eines der vier „V“, die Big Data charakterisieren sollen, ist velocity, s. o. Kap. 2 Fn. 80. 487 BGH, Urt. v. 28. 06. 2005, Stadtwerke Mainz, Az. KVR 17/04, BGHZ 163, 282, 290; Urt. v. 18. 10. 2005, Stromnutzungsentgelt, Az. KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 346. 488 Vgl. aber zu möglichen Ansätzen Lehner, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 471, 481 – 483 (Rn. 23 – 26). 489 Vgl. aus der mannigfaltigen Literatur nur beispielhaft Körber, NZKart 2016, 348, 351; Paal/Hennemann, Big Data as an Asset, S. 72 – 76. Vgl. außerdem BKartA, Big Data und Wettbewerb, Oktober 2017, S. 12. 490 Gegen eine zu formalistische Einordnung auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 76, 165; Künstner, K&R 2019, 605, 607. 491 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65); Urt. v. 24. 01. 2017, VBL-Gegenwert II, Az. KZR 47/14, NZKart 2017, 242, 243 f. (Rn. 35). 482
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bb) Der Konditionenmissbrauch im Gesetz Im Schrifttum zum europäischen Kartellrecht wird die gesetzliche Verankerung des Konditionenmissbrauchs nicht diskutiert, was daran liegen dürfte, dass die Prioritätenmitteilung sich nur mit dem Behinderungsmissbrauch befassen und den Ausbeutungsmissbrauch ausklammern492 und dementsprechend auch der Durchsetzungsschwerpunkt der Kommission auf dem Behinderungsmissbrauch liegt.493 Perspektivisch dürfte sich der Fokus mehr auf ausbeuterische Maßnahmen verschieben, denn zum einen erhalten Preishöhenmissbräuche insbesondere im pharmazeutischen Sektor erhöhte Aufmerksamkeit494. und zum anderen ermöglichen datenbasierte Geschäftsmodelle ebenso neue Formen von Ausbeutung. Im deutschsprachigen Schrifttum ist umstritten, ob die Subsumtion unter die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB oder unter das Regelbeispiel des § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB zu erfolgen hat. Der Grundtatbestand enthält – ebenso wie Art. 102 UAbs. 1 AEUV – das grundsätzliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Auch das europäische Kartellrecht kennt das Regelbeispiel des Ausbeutungsmissbrauchs, das hier geringfügig anders formuliert ist als im deutschen Kartellrecht.495 In Art. 102 UAbs. 2 lit. b AEUV heißt es: Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen: […] b) der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen […] § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB lautet hingegen: Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen […] 2. Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen […]
Trotz dieser klaren gesetzlichen Normierung sah sich der BGH in VBL-Gegenwert nicht dazu gezwungen, diesen Tatbestand anzuwenden; vielmehr griff er auf die
492 Europäische Kommission, Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. EU 2009 C 45, 7), Rn. 7. 493 Bania, ECJ 14 (2018), 38, 64 f. 494 Vgl. OECD, Excessive Prices in Pharmaceutical Markets. Background Note by the Secretariat, DAF/COMP(2018)12, 03. 10. 2018. 495 Zusätzliche Voraussetzung allein im europäischen Kartellrecht ist die Zwischenstaatlichkeit des missbräuchlichen Verhaltens. Insoweit sei auf die Kommentarliteratur zu dieser Voraussetzung verwiesen, etwa Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 22 – 25.
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Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB zurück.496 Damit eröffnete er sich die Möglichkeit, den Sachverhalt abweichend von dem im Regelbeispiel angelegten Vergleichsmarktkonzept zu beurteilen (wonach danach zu fragen ist, ob die Geschäftsbedingungen von denen auf vergleichbaren Märkten abweichen).497 Der BGH hielt die Anwendung der Generalklausel für angezeigt, um dadurch normative Gesichtspunkte wie die dem AGB-Recht zugrundeliegenden gesetzlichen Wertentscheidungen in die Bewertung als „missbräuchlich“ einfließen lassen zu können.498 Er hat an der Anwendung der Generalklausel auch in VBL-Gegenwert II festgehalten.499 Auch das Bundeskartellamt beurteilt den Missbrauch durch Datenschutzrechtsverstöße im Besonderen anhand der Generalklausel.500 Anders als in Art. 102 UAbs. 2 lit. a AEUV, der durch den Begriff der „Unangemessenheit“ auch normative Wertungen einfließen lassen kann, ist im deutschen Kartellrecht durch das in § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB angelegte Vergleichsmarktkonzept die Prüfung eingeschränkt. Daher ist hier mit dem BGH zwischen der Generalklausel und dem Regelbeispiel zu unterscheiden.501 Dadurch können über die Generalklausel Fälle erfasst werden, in denen ein Vergleichsmarkt fehlt oder der Vergleich schwierig vorzunehmen ist und daher nur eine normative Begründung der Missbräuchlichkeit des Verhaltens möglich ist.502 b) Der Rechtsbruch als Konditionenmissbrauch Damit sind regelmäßig Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 2 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB der geeignete Prüfungsmaßstab. Sofern sich hiernach kein Missbrauch feststellen lässt, kann auf die jeweilige Generalklausel zurückgegriffen werden.
496 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65). 497 Bechtold/Bosch, Kartellgesetz, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 62. 498 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65). Ähnlich bereits BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 320 f.; offengelassen in BGH, Urt. v. 07. 06. 2016, Pechstein, Az. KZR 6/15, BGHZ 210, 292, 310 (Rn. 48). 499 BGH, Urt. v. 24. 01. 2017, VBL-Gegenwert II, Az. KZR 47/14, NZKart 2017, 242, 243 f. (Rn. 35). 500 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 163; ebenso bereits BKartA, Big Data und Wettbewerb, Oktober 2017, S. 12. 501 Kritisch Franck, ZWeR 2016, 137, 147: Die Wertungen des AGB-Rechts seien auch im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts insoweit zu berücksichtigen, als sie bestimmten, welche Konditionen sich auch bei wirksamem Wettbewerb nicht ergeben würden. Die Entscheidung darüber, ob die Generalklausel oder das Regelbeispiel anzuwenden sind, gänzlich offenlassen will hingegen Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 186. 502 A. A. wohl Telle, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, 2016, S. 835, 839 f., für den die normative Betrachtung und das Vergleichsmarktkonzept dasselbe zu sein scheinen.
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Beide Regelbeispiele verbieten die Verwendung von Geschäftsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen: Im europäischen Kartellrecht wird die Unangemessenheit der Geschäftsbedingung verlangt, im deutschen ist hingegen eine Vergleichsmarktanalyse anzuwenden. aa) Geschäftsbedingungen Der Missbrauchskontrolle nach den Regelbeispielen503 unterliegen nur Geschäftsbedingungen. Das sollen alle Vertragsbedingungen zwischen dem Marktbeherrscher und Dritten sein.504 Alles, was in einem Vertrag oder Vertragsbestandteil geregelt wird, ist demnach Geschäftsbedingung.505 Damit sind insbesondere auch die Datenschutzbestimmungen, in denen die Unternehmen regelmäßig festlegen, wie sie mit den Daten der Nutzer umgehen, kontrollfähig.506 Damit ist aber die Missbrauchskontrolle für eine Vielzahl von Verhaltensweisen verschlossen. Sie ist auf viele Datenschutzrechtsverstöße nicht anwendbar, nämlich solche bei denen die Verstöße nicht auf der Grundlage von Geschäfts- beziehungsweise Datenschutzbedingungen geschehen. Das betrifft zum Beispiel die rechtswidrige Sammlung von Daten Dritter, mit denen keine Geschäftsbeziehung besteht. So wurden etwa 2018 gegen Facebook Vorwürfe erhoben, sogenannte Schattenprofile zu erstellen. Das sind Nutzerprofile über Personen, die nicht bei Facebook angemeldet sind. Die Datensammlung geschehe durch auf Drittseiten eingebundene Cookies wie den Like-Button.507 In einem solchen Fall wird nicht auf der Grundlage einer vertragsförmigen Geschäftsbedingung gehandelt, sodass eine Kontrolle im Rahmen der Regelbeispiel der Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 2 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht möglich ist. Im Übrigen ist hier auch der Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem Verhalten nicht gegeben. Das Unternehmen kann das Verhalten nicht aufgrund seiner Marktmacht durchsetzen, diese ist irrelevant für das Verhalten. Dieses beruht auf der Ausnutzung rein faktischer Zugriffsmöglichkeiten auf die Daten. Zu restriktiv ist jedoch die Ansicht Brinkmanns, Geschäftsbedingung können nur die (niedergeschriebenen) Datenschutzbedingungen eines Unternehmens sein. Von solchen Datenschutzbedingungen – die nach § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen seien – 503 Die Beschränkung auf Geschäftsbedingungen gilt nicht für die Generalklauseln, J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 215 f. 504 Busche, in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 2017, § 19 GWB, Rn. 28. 505 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 208. 506 G. Schneider, J. Eur. Comp. L. & Prac. 9 (2018), 213, 220 f. 507 Fanta, „Ob Nutzer oder nicht: Facebook legt Schattenprofile über alle an“, 29. 03. 2018, abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2018/ob-nutzer-oder-nicht-facebook-legt-schattenprofileueber-alle-an/. Dazu auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 203.
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unterscheidet sie Datenschutzverstöße im Sinne einer Verletzung des Datenschutzrechts. Eine Subsumtion der Datenschutzverstöße unter die Regelbeispiele der Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 2 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB sei bei diesen in Ermangelung einer Geschäftsbedingung nicht möglich.508 Diese Unterscheidung überzeugt nicht. Nur weil sich der Begriff der Geschäftsbedingung und der Allgemeinen Geschäftsbedingung in der deutschen Sprache decken, bedeutet dies nicht, dass sie gleich zu verstehen sein müssen. So spricht etwa die englische Sprachfassung des Missbrauchsverbots in Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 2 AEUV von unfair trading conditions; dadurch wird der Abstand zu general business terms509 deutlicher als in der deutschen Sprachfassung. Gegen eine zu restriktive Auslegung des Begriffs der „Geschäftsbedingung“ spricht auch einer der Zwecke des Missbrauchsverbots, nämlich der Schutz der Geschäftspartner des marktbeherrschenden Unternehmens vor Ausbeutung.510 Die Form dieser Ausbeutung hat für die Ausbeutungswirkung jedoch keine Bedeutung. Zum Schutz des Geschäftspartners bedarf es daher einer extensiven Auslegung des Begriffs der „Geschäftsbedingung“. Demnach ist es für eine Geschäftsbedingung im Sinne der Art. 102 UAbs. 2 lit. a Var. 2 AEUV und § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB hinreichend, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmen und einem Vertragspartner besteht. Ob die einzelnen Inhalte dieses Rechtsverhältnisses auch Niederschlag in einem (förmlichen) Vertrag gefunden haben, ist demgegenüber irrelevant.511 Anderenfalls würden Unternehmen privilegiert, die auf Datenschutzerklärungen oder eine andere Art der vertraglichen Regelung gänzlich verzichten; gegen sie könnte dann nicht vorgegangen werden bei einem engen Verständnis von „Geschäftsbedingung“. Damit ist die eingangs wiedergegebene Definition zu erweitern: Alles, was in einem Vertrag oder Vertragsbestandteil geregelt ist oder innerhalb eines bestehenden Geschäftsverhältnisses faktisch praktiziert wird, ist Geschäftsbedingung. bb) Wettbewerbsanalogie und normative Betrachtung Was ist nun die richtige Methode, um festzustellen, ob ein Missbrauch vorliegt? Die Entscheidungspraxis der Unionsorgane einerseits und der deutschen Behörden und Gerichte andererseits haben zum Begriff des Missbrauchs etliche Schadenstheorien entwickelt. Die Mehrzahl der Fälle betrifft jedoch den Preishöhenmissbrauch. In der 508 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 233 – 235. Wie hier hingegen J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 200 – 203. 509 Etwa Art. 7 Klausel-RL (Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen) in der englischen Fassung. 510 Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 6. 511 Ähnlich Franck, ZWeR 2016, 137, 159; Louven, CR 2019, 352, 356.
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bisherigen behördlichen und gerichtlichen Praxis haben die hier interessierenden Fälle – vorrangig als Ausbeutungs- und nur nachrangig als Behinderungsmissbrauch einerseits, als Konditionen- neben dem Preishöhenmissbrauch andererseits – keine große Bedeutung.512 Es steht langfristig zu erwarten, dass sich dies, zumindest in Relation zum Preishöhenmissbrauch, zugunsten des Konditionenmissbrauchs ändern wird mit abnehmender Bedeutung des Preises auf Plattformmärkten. Hier wird dann einzig die Kontrolle der Konditionen möglich sein.513 Die Methoden, die unmittelbar an die Höhe des Preises anknüpfen (Gewinnspannenermittlung),514 sind für den Konditionenmissbrauch ungeeignet. Das Vergleichsmarktkonzept hingegen ist für den Preishöhen- wie für den Konditionenmissbrauch gleichermaßen geeignet. In der Rechtsprechung werden speziell beim Konditionenmissbrauch meist jedoch normative Methoden mit unterschiedlichen Akzentuierungen eingesetzt. Zur Feststellung eines Konditionenmissbrauchs sind beide Methoden jedoch gleichermaßen geeignet. (1) Das Vergleichsmarktkonzept Das Vergleichsmarktkonzept – genau genommen handelt es sich um insgesamt drei Konzepte, nämlich ein räumliches, ein sachliches und ein zeitliches – dient als Annäherung daran, den angestrebten Als-ob-Wettbewerb zu bestimmen.515 Das ist der hypothetische Wettbewerb, der bestünde, hätte das betreffende Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung.516 Dabei kann im Rahmen der Aufsicht über den Ausbeutungsmissbrauch nur eine Marktergebniskontrolle stattfinden. Es wird also nur ein Symptom – zu hohe Preise beziehungsweise unangemessene Geschäftsbedingungen – bekämpft, nicht jedoch dessen Ursache, die in der Marktstruktur und in der Marktstellung des Unternehmens zu finden ist. Daher ist es aus wettbewerblicher Sicht sinnvoller, wettbewerberbehindernde Maßnahmen zu kontrollieren anstelle
512
Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 36 f.; Lorenz, in: Berg/Mäsch (Hrsg.), Kartellrecht, 3. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 91; Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 171 (Rn. 517); Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 122. 513 Dazu dürften noch neue Möglichkeiten der Ausbeutung kommen aufgrund der besseren Möglichkeiten, das Verhalten von Nutzern zu überwachen und dadurch den eigenen Profit zu erhöhen, Graef/Clifford/Valcke, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 200, 211 f. 514 EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 248/ 257. Der EuGH hat hier ebenfalls auf die Generalklausel rekurriert. Durch das Bundeskartellamt und die deutschen Gerichte wird daneben das in § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB niedergelegte Vergleichsmarktkonzept herangezogen, Kuhn, WuW 2006, 578, 582 – 585. Kuhn belegt auch andere Methoden zur Bestimmung des Preishöhenmissbrauchs. 515 Albach, Als-Ob-Konzept und zeitlicher Vergleichsmarkt, 1976, S. 5. 516 Zum Vergleichsmarktkonzept allgemein Kuhn, WuW 2006, 578, 580 – 582.
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von reinen Ausbeutungsmissbräuchen,517 zumindest solange die Marktstruktur und das jeweilige Verhalten dies erlauben. Das Vergleichsmarktkonzept eignet sich für die Bestimmung eines Preishöhenund eines Konditionenmissbrauchs gleichermaßen. Tatsächlich wurde es von den europäischen Institutionen bisher jedoch nur im Rahmen der Preishöhenkontrolle eingesetzt. Im Rahmen der Kontrolle von Konditionen ist ein Einsatz jedoch gleichermaßen denkbar.518 Auch in der deutschen Entscheidungspraxis sind normative Betrachtungen bedeutsamer, wobei jedoch der BGH zumindest in der Entscheidung Favorit auch das (sachliche) Vergleichsmarktkonzept anerkannte.519 Die Methodik des Vergleichsmarktkonzepts ist in der europäischen wie der deutschen Praxis die gleiche. (a) Die Konzepte im Einzelnen Mit dem Vergleichsmarktkonzept wird zunächst nach einem mit dem zu untersuchenden Markt vergleichbaren Markt gefragt. Sodann kann ein Vergleich dieser beiden Märkte angestellt werden, um festzustellen, inwiefern zugunsten des Marktbeherrschers Entgelte erhöht sind oder unbillige Geschäftsbedingungen verwendet werden. Dabei sind Korrekturzu- oder -abschläge vorzunehmen, um möglichst genau die hypothetischen Bedingungen auf dem zu untersuchenden Markt zu simulieren.520 Unter diesen Voraussetzungen ist sogar der Vergleich mit einem monopolistisch beherrschten Markt zulässig.521 Dergestalt festgestellte Abweichungen von dieser Wettbewerbssimulation können einen Missbrauchsvorwurf begründen. Wie bereits erörtert, findet sich das Vergleichsmarktkonzept in § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB speziell normiert, wenn es heißt, dass „insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen“ seien. Im europäischen Kartellrecht gilt der Sache nach dasselbe.522 In dem Begriff der „vergleichbaren Märkte“ unmittelbar verkörpert sind das räumliche und das sachliche Vergleichsmarktkonzept, weil hier verschiedene Märkte miteinander verglichen werden. Das zeitliche Vergleichsmarktkonzept bezieht sich hingegen auf denselben Markt, wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt. Auch dieses kann jedoch angewendet werden, was sich entweder aus einer extensiven Auslegung 517
Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 185. 518 Bulst, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 102 AEUV, Rn. 181. 519 BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 319 f. 520 Zu den Zu- und Abschlägen Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 99 – 107. 521 BGH, Urt. v. 28. 06. 2005, Stadtwerke Mainz, Az. KVR 17/04, BGHZ 163, 282, 291 f.; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 144. 522 EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 261/ 266; EuGH, Urt. v. 14. 09. 2017, AKKA/LAA, Rs. C-177/16, ECLI:EU:C:2017:689, Rn. 38; Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 253 f. (Rn. 656) mit Fn. 195.
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des Begriffs der „vergleichbaren Märkte“, zumindest jedoch aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ in der Norm ergibt.523 Um das räumliche Vergleichsmarktkonzept anzuwenden, sind bei einem in räumlicher Hinsicht lokal abzugrenzenden Markt andere innerdeutsche Regionen heranzuziehen, ansonsten auch ausländische Märkte.524 Bei Anwendung des räumlichen Vergleichsmarktkonzepts ist also zu untersuchen, wie das marktbeherrschende Unternehmen den Datenschutz auf anderen als dem zu untersuchenden Markt anwendet. Läuft auf dem anderen Markt die Datenverarbeitung rechtskonform ab, auf dem zu untersuchenden jedoch nicht, spricht dies für einen Missbrauch. Im Rahmen der vorzunehmenden Zu- und Abschläge ist insbesondere zu berücksichtigen, ob auf dem Vergleichsmarkt das gleiche oder ein zumindest ähnliches Datenschutzrecht gilt und ob auch die sonstigen Wettbewerbsbedingungen vergleichbar sind. Nach Inkrafttreten der DS-GVO gilt dieses zumindest im Grundsatz für alle in der Union erfolgenden Datenverarbeitungsvorgänge und damit alle (Teil-)Märkte in der Union.525 Mit einem Markt, auf dem das Datenschutzrecht deutlich weniger streng ist, wie etwa den USA, ist ein Vergleich hingegen kaum praktikabel. Das räumliche Vergleichsmarktkonzept versagt schließlich gänzlich bei globalen Märkten. Beispielhaft seien die Fälle Microsoft/Skype und Facebook/WhatsApp genannt, in denen die Kommission jeweils einen weltweiten Markt für Endkundenund Unternehmenskommunikation,526 für Kommunikationsanwendungen für Endkunden527 beziehungsweise für Dienste für die soziale Vernetzung528 zumindest für möglich hielt.529 Das sachliche Vergleichsmarktkonzept lässt den Rechtsanwender hingegen nach sachlich vergleichbaren Märkten, also ähnlichen Produkten und Dienstleistungen,
523 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 223. Kritisch bezüglich der Heranziehung des zeitlichen Vergleichsmarktkonzepts hingegen Busche, in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 2017, § 19 GWB, Rn. 32. 524 Bechtold/Bosch, Kartellgesetz, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 58. 525 Das gilt aufgrund des Marktortprinzips nach Art. 3 Abs. 2 DS-GVO. Ein gewisser Spielraum der Mitgliedstaaten verbleibt jedoch aufgrund der zahlreichen Öffnungsklauseln, Kühling/Martini, EuZW 2016, 448, 449 f. 526 Europäische Kommission, Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 65 – 67. 527 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 36 – 44. 528 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 64 – 68. 529 Eine konkrete Festlegung zur Definition des räumlichen Marktes fehlt in diesen Entscheidungen. Hingegen wurde in Microsoft/LinkedIn – wenngleich mit einigen Einschränkungen – für Unternehmenskommunikationsdienste ein EWR-weiter und für professionelle soziale Netzwerke ein nationaler Markt angenommen, Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 85 f., 119 – 125.
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suchen, um sodann den Vergleich anzustellen.530 So könnten etwa die Bedingungen auf den Märkten für private soziale Netzwerke und denen für professionelle soziale Netzwerke verglichen werden.531 Als drittes besteht die Möglichkeit eines zeitlichen Vergleichsmarkts, auch Sockeltheorie genannt.532 Bei diesem Konzept wird derselbe sachliche und räumliche Markt betrachtet, jedoch wird das Verhalten des Unternehmens zu einem Zeitpunkt vor oder nach dem Bestehen der marktbeherrschenden Stellung – also bei noch wirksamem Wettbewerb –, untersucht.533 Die gegen das zeitliche Vergleichsmarktkonzept vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch. Es wird angebracht, dass nicht gesichert sei, dass zu dem Vergleichszeitpunkt eine missbrauchsfreie Praxis des Unternehmens stattgefunden habe.534 Diese Kritik gälte jedoch zum einen für jegliches Vergleichsmarktkonzept gleichermaßen. So kann nicht ohne letzten Zweifel auch auf sachlich oder räumlich anderen Märkten eine missbräuchliche Handhabung ausgeschlossen werden. Dort ist aber selbst der Vergleich mit einem Monopolunternehmen zulässig.535 Hinzu kommt, dass § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 GWB nur einen Vergleich mit dem verlangt, was sich „mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würde“; im europäischen Recht gilt im Ergebnis das gleiche. Letzte Zweifel am Vorliegen von Wettbewerbsbedingungen auf dem Vergleichsmarkt stehen dem Vergleich damit nicht entgegen. Verbleibende Zweifel und Unterschiede zwischen den verglichenen Märkten sind durch die anerkanntermaßen vorzunehmenden Zu- und Abschläge auszugleichen.536 Grundsätzliche Kritik am zeitlichen Vergleichsmarktkonzept ist damit nicht angezeigt.537 530
Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 95. Das sachliche Vergleichsmarktkonzept ablehnend Albach, Als-Ob-Konzept und zeitlicher Vergleichsmarkt, 1976, S. 6. 531 Die Kommission hatte zunächst offengelassen, ob es sich um zwei sachlich getrennte Märkte handelt, Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/M.7217, Rn. 59. In dem Verfahren Microsoft/LinkedIn hat sie sich jedoch für zwei separate Märkte entschieden, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 97 – 115. Das Bundeskartellamt nimmt ebenfalls getrennte Märkte an, BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 230 – 343; bestätigt von BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, KVR 69/19, Rn. 25 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). Dazu auch Pomana/M. Schneider, BB 2018, 965, 966. 532 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 229. 533 EuGH, Urt. v. 11. 11. 1986, British Leyland, Rs. 226/84, ECLI:EU:C:1986:421, Rn. 26 – 30; Europäische Kommission, Entsch. v. 02. 07. 1984, BL, IV/30.615, ABl. 1984 L 207/11, Rn. 29; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 146. 534 Busche, in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 2017, § 19 GWB, Rn. 32, der das zeitliche Vergleichsmarktkonzept daher gänzlich ablehnt. 535 BGH, Urt. v. 28. 06. 2005, Stadtwerke Mainz, Az. KVR 17/04, BGHZ 163, 282, 291 f.; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 144. 536 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 225.
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Nach hier vertretener Auffassung kann das zeitliche Vergleichsmarktkonzept in der praktischen Anwendung sogar besonders gut geeignet sein. Denn lässt sich mit Hilfe eines chronologischen Vergleichs der Datenschutzbestimmungen eines Unternehmens feststellen, dass die Bestimmungen mit zunehmender Verfestigung der marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens kontinuierlich „schlechter“ wurden, so ist dies gleichsam ein starkes Indiz für das Bestehen des erforderlichen Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten.538 In der kontinuierlichen Verschlechterung zeigt sich dann, dass das Unternehmen zunehmend unabhängig von Wettbewerbern, Abnehmern und schließlich den Verbrauchern handeln konnte.539 Für Facebook wurde eine derartige (beinahe) kontinuierliche Absenkung des Datenschutzniveaus mit steigender Nutzerzahl bereits nachgewiesen.540 (b) Das Gesetz als Untermaß Die Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts soll nach einer verbreiteten Ansicht nicht dazu führen, ein Verhalten als (zumindest) kartellrechtlich legal anzusehen, nur weil sich ein Vergleichsmarkt finden lässt, auf dem ebenso wie auf dem zu betrachtenden Datenschutzrecht verletzt wird. Das vom Gesetzgeber bestimmte Maß des außerkartellrechtlich Zulässigen ist demnach gleichsam das Untermaß für die Frage des Vergleichsmarkts. Dabei ist es zweitrangig, ob man dieses Ergebnis auf den „Modell- und Mustercharakter“ des Rechts541 oder auf die „besondere Verantwortung“ des marktbeherrschenden Unternehmens542 stützt. Wenn der Vergleichsmarkt dahinter zurückfällt, sei an seiner statt das vom Gesetzgeber Bestimmte maßgeblich.543 537 Ebenfalls entschieden für die Anwendung des zeitlichen Vergleichsmarktkonzepts Albach, Als-Ob-Konzept und zeitlicher Vergleichsmarkt, 1976, S. 8 – 11. 538 Weitergehend Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 256 (Rn. 669), wonach bei der Bejahung von Missbräuchlichkeit nach dem Vergleichsmarktkonzepts stets der Zusammenhang vorliege. 539 So definiert der EuGH die beherrschende Stellung, vgl. EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 63/66. 540 Shore/Stein, Did You Really Agree to That? The Evolution of Facebook’s Privacy Policy, Tech. Science 2015. S. auch Blankertz, How competition impacts data privacy, September 2020, S. 11 f. Auf S. 19 warnt Blankertz davor, dass im Einzelfall auch ein Fall umgekehrter Kausalität vorliegen kann, der dann gerade nicht für ein missbräuchliches Verhalten sprechen würde. So könne es auch sein, dass ein Unternehmen aufgrund eines weniger strengen Datenschutzes sein Produkt besser monetarisieren kann, etwa durch Targeted Advertising. Aufgrund dieses besseren Produkts würde die Marktmacht des Unternehmens wachsen. In einem solchen Fall wäre ein sich verschlechternder Datenschutz kein Indikator für wachsende Marktmacht, sondern würde diese vielmehr überhaupt erst ermöglichen. 541 Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 198. Im Anschluss an diesen ebenso Franck, ZWeR 2016, 137, 147, 154 f. 542 Bulst, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 102 AEUV, Rn. 182. 543 Im Ergebnis ebenso Lettl, WuW 2016, 214, 220, der bei einem Rechtsbruch ipso jure von einem Missbrauch ausgeht. A. A. Thomas, NZKart 2017, 92, 97 f., für den allein die Frage nach
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Eine derartige Einschränkung müsste man mit der Argumentation Lettls nicht vornehmen. Dieser meint: Ein Rechtsbruch ist aber bei hypothetischem Wettbewerb weniger wahrscheinlich, da die Verbraucher andernfalls die sie weniger benachteiligenden Angebote anderer, rechtstreuer Unternehmen annehmen würden.544
Demzufolge wäre mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon davon auszugehen, dass der Rechtsbruch auf dem Vergleichsmarkt gerade nicht stattfindet. Dementsprechend bedürfte es der hier dargestellten Einschränkung gar nicht, weil sich bereits aus dem Vergleich im Sinne Lettls eine Abweichung ergibt. Diese Annahme steht freilich unter der Bedingung, dass die Verbraucher auf dem Vergleichsmarkt eine Wahlmöglichkeit haben, diese kennen und sie schließlich auch ausüben. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, dass diese drei Voraussetzungen tatsächlich nicht gegeben sind.545 So ist erstens keineswegs gesichert, dass die Wahlmöglichkeit den Verbrauchern faktisch tatsächlich zusteht. Es gibt Märkte, auf denen alle Anbieter datenschutzwidrige Praktiken anwenden. Dann besteht die Wahlmöglichkeit allein darin, keinen Dienst zu nutzen. Zweitens ist die Kenntnis der Verbraucher von ihren Rechten einerseits und vom durch die Unternehmen tatsächlich praktizierten Datenschutz andererseits, empirisch belegt, schwach ausgeprägt.546 Schließlich – zum dritten – handeln selbst die Verbraucher, die Kenntnis haben, nicht im Sinne der eigentlich erklärten Datenschutz-Präferenz und nehmen einen schlechten Datenschutz hin (Privacy Paradox).547 Nicht von der Hand zu weisen ist, dass das Kriterium des normativ Bestimmten als Untermaß eine bloße Fiktion bleibt und eine Einschränkung des reinen Vergleichsmarktkonzepts darstellt. Es ist ein Mittel, um außerkartellrechtliche Wertungen direkt im Missbrauchstatbestand zu verankern. Auch auf nicht beherrschten Märkten wird jedoch Datenschutzrecht verletzt. Ein hypothetischer Markt ohne Rechtsverletzungen stellt damit nicht zwangsläufig den empirisch richtigen Vergleichsmarkt dar. Mit dieser Einschränkung wird also kein Marktmachtproblem adressiert, sondern das Kartellrecht wird unmittelbar einem anderen Regelungsauftrag unterstellt. dem wettbewerblichen counterfactual (Als-ob-Wettbewerb) maßgeblich ist. Nach dieser Ansicht ist also nur die hypothetische Marktlage unter Wettbewerbsbedingungen entscheidend; normative Wertungen lehnt er ab. Das verkennt freilich, dass es mit der normativ-abstrakten Wertung (siehe dazu sogleich) einen weiteren – eigenständigen – Begründungsstrang gibt, den deutsche und europäische Gerichte gleichermaßen anwenden; zumindest in der europäischen Rechtsprechung scheint dieser Begründungsstrang sogar vorherrschend zu sein. 544 Lettl, WuW 2016, 214, 220. Zustimmend J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 97. 545 Das gilt im Speziellen für das Datenschutzrecht mit seinen rechtstatsächlichen Besonderheiten. In anderen Rechtsbereichen mag dies anders sein, sodass die Argumentation Lettls in diesen durchgreifen könnte. 546 Rothmann/Buchner, DuD 2018, 342, 344 f. 547 S. o. § 4.B.IV. (S. 45 – 46).
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Der Rechtsprechung des BGH folgend, scheint es angebrachter, hier scharf zwischen dem Vergleichsmarktkonzept einerseits und der normativen Betrachtung andererseits zu unterscheiden. Allein bei letzterer sind demnach gesetzliche Wertentscheidungen zu berücksichtigen.548 Ansätze zur Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts würden zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Vermischung dieser beiden Tatbestände führen.549 Außerdem genügt auch bei der normativen Betrachtung die Feststellung eines Verstoßes gegen außerkartellrechtliches Recht nicht.550 Ein solcher ist nur ein (wenngleich bedeutsamer) Gesichtspunkt der Interessenabwägung. Diese Lösung verhindert schließlich auch falsch negative Ergebnisse; das heißt die unterbliebene kartellrechtliche Untersagung eines Verhaltens aufgrund dessen datenschutzrechtlicher Zulässigkeit, obwohl dieses Verhalten eigentlich kartellrechtlich unzulässig ist. Diese Gefahr drohte, würde das Datenschutzrecht zum alleinigen Maßstab der Kartellrechtsanwendung gemacht werden.551 Wie aber noch unter § 6552 gezeigt wird, gibt es auch Fälle kartellrechtswidrigen und gleichzeitig das Datenschutzniveau verringernden Verhaltens, bei denen nicht gleichzeitig Datenschutzrecht verletzt wird. In diesen Fällen liegt es unter Umständen in der Hand der Kartellbehörden, zu entscheiden, welches Maß an Datenschutz das richtige ist, um es in die Kartellrechtsanwendung einzubauen. (2) Die normative Betrachtung Als zweite – neben dem Vergleichsmarktkonzept eigenständige – Methode zur Bestimmung, ob Geschäftsbedingungen „unangemessen“553 sind554 beziehungsweise 548
Kritisch auch Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 168 f. Im Ergebnis ebenso Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 195 f. Diese nimmt allerdings die Unterscheidung zwischen Regelbeispiel und Generalklausel mit dem sich daraus ergebenden unterschiedlichen Prüfprogramm nicht vor. Ein Verständnis des Datenschutzrechts als Untergrenze würde ihrer Ansicht nach jedoch die Interessenabwägung einschränken. 549 Ähnlich Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 113: „Die Entscheidung des BGH, gesetzliche Wertentscheidungen im Rahmen der Generalklausel zu berücksichtigen, lässt darauf schließen, dass ein nach anderen Gesetzen rechtswidriges Verhalten marktbeherrschender Unternehmen, sofern es kartellrechtlich relevant ist, stets nur unter die Generalklausel in § 19 Abs. 1 GWB zu fassen ist.“ Vgl. weiterhin ebd., S. 195, 209. 550 A. A. J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 216 f. 551 S. auch Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 236. 552 S. 267 – 286. 553 Telle, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, 2016, S. 835, 840, bemerkt, „der Missbrauchsbegriff des § 19 GWB bzw. Art. 102 AEUV [richte] sich nicht nach Begriffen wie Unangemessenheit oder Unlauterkeit“. Das steht in Widerspruch zum Wortlaut des Art. 102 AEUV. Ähnlich auch Telle, WRP 2016, 814, 818. 554 Art. 102 UAbs. 2 lit. a AEUV.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
von unter Wettbewerbsverhältnissen zustande gekommenen Bedingungen abweichen555, kann eine normative Betrachtung angestellt werden. In Rechtsprechung und Literatur finden sich derartige Methoden in unterschiedlichen Ausprägungen. (a) Deutsches Kartellrecht Während sich zum europäischen Recht eine gewisse Fallpraxis entwickelt hat, sind Fälle in der deutschen Rechtsprechung rar.556 Der BGH stellte in Favorit – nachdem er mittels Vergleichsmarktanalyse keinen Missbrauch feststellen konnte557 – „auf die allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen [ab], wie sie dem dispositiven Recht“ zugrunde gelegt seien.558 In VBL Gegenwert I und II griff er aufgrund der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB auch auf die „gesetzliche Wertentscheidung“ zurück, um die Konditionenkontrolle durchzuführen.559 In den beiden zuletzt genannten Entscheidungen prüfte der BGH das Vergleichsmarktkonzept gar nicht mehr. Im Ergebnis läuft das auf eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen hinaus.560 Ähnlich bestimmte der BGH dann auch in der Entscheidung Pechstein, dass grundrechtliche Wertungen Berücksichtigung zu finden haben bei der Bestimmung der Missbräuchlichkeit des Verhaltens.561 Anders als bei einer AGB- oder datenschutzrechtlichen Prüfung, bei der jede einzelne Klausel für sich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen ist, sind bei einer kartellrechtlichen Missbrauchsprüfung die einzelnen Klauseln nicht isoliert zu betrachten. Stattdessen ist eine „Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels“ anzustellen.562 Dadurch kann die Belastung des Vertragspartners aufgrund ihm nachteiliger Klauseln einerseits durch ihn begünstigende Klauseln andererseits ausgeglichen werden,563 sodass im Ergebnis der Missbrauchsvorwurf entfällt. Es zeigt sich damit, dass es mit einer bloßen Subsumtion unter das außerkartellrechtliche Recht jeden555
§ 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 1 GWB. Im Schrifttum wird diese Methode als „vorzugswürdig“ gegenüber der Vergleichsmarktanalyse bezeichnet, Busche, in: Kölner Kommentar zum Kartellrecht, 2017, § 19 GWB, Rn. 30. Ebenso noch Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2014, § 19 GWB, Rn. 256. 557 BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 319 f. 558 BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 320 f. Bereits zuvor in Grundzügen entwickelt von Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 198 f. 559 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65); Urt. v. 24. 01. 2017, VBL-Gegenwert II, Az. KZR 47/14, NZKart 2017, 242, 243 f. (Rn. 35). 560 Kordel, ZWeR 2005, 359, 371 f. 561 BGH, Urt. v. 07. 06. 2016, Pechstein, Az. KZR 6/15, BGHZ 210, 292, 311 – 319 (Rn. 51 – 66). Ähnlich bereits BGH, Beschl. v. 04. 03. 2008, Soda-Club II, Az. KVR 21/07, BGHZ 176, 1, 15 – 17 (Rn. 38 – 41): Berücksichtigung der Eigentumsfreiheit. 562 BGH, Urt. v. 06. 11. 1984, Favorit, Az. KVR 13/83, GRUR 1985, 318, 319. 563 Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 122. 556
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falls nicht getan ist.564 Die bloße Feststellung eines (Datenschutz-)Rechtsverstoßes genügt daher nicht, um einen Missbrauchsvorwurf zu begründen; ein datenschutzwidriges Verhalten muss nicht per se kartellrechtswidrig sein.565 Dies ist ein wesentlicher Unterschied der Fallgruppe „Missbrauch durch Rechtsbruch“ im Kartellrecht zum sonstigen einfachgesetzlichen Recht: Die Begründung des kartellrechtlichen Verstoßes muss, wie an späterer Stelle noch genauer auszuführen sein wird566, intrinsisch kartellrechtlich sein. Dem Verstoß gegen sonstiges Recht kann daher nicht mehr als Indizcharakter zu kommen; er entbindet den Rechtsanwender nicht von einer umfassenden Würdigung des gesamten Leistungsbündels. (b) Europäisches Kartellrecht Die Rechtsprechung der Unionsgerichte ist demgegenüber ausdifferenzierter; im praktischen Ergebnis dürften sich hingegen weniger Unterschiede bemerkbar machen.567 Während die deutsche Rechtsprechung sich zumindest semantisch an den „gesetzlichen Wertentscheidungen“ orientiert – im Ergebnis gleichwohl vor allem eine Abwägung vornimmt –, ist die europäische Entscheidungspraxis weniger normativ geprägt. Sie führt zu einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit; in der Anwendung unterscheiden sich die beiden Linien damit kaum. Ohne dass damit eine praktikable und subsumtionsfähige Definition gefunden wäre,568 legt der EuGH den Begriff der „Unangemessenheit“ von Geschäftsbedingungen so aus, dass diese „unbillig“ sein müssen.569 Er prüft die Verhältnismäßigkeit der Geschäftsbedingung in einem zweistufigen Test. Zunächst ist demnach zu untersuchen, ob das Unternehmen, das die Geschäftsbedingung „erzwingt“, damit einen legitimen Zweck verfolgt.570 Ist ein solcher Zweck feststellbar, kann im zweiten Schritt das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) geprüft werden.571 Der EuGH hat hierzu eine umfangreiche Judikatur entwickelt.572 564
Bechtold/Bosch, Kartellgesetz, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 61. Ebenso Esser, in: FS Schroeder, 2018, S. 249, 253 f. A. A. Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 193, der die Abwägung stets zulasten des Normadressaten ausfallen lassen will, wenn ein Normverstoß festzustellen sei. Ähnlich Lettl, WuW 2016, 214, 220. 566 S. u. 5.C.I.3.b)cc)(c). 567 Ebenso Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 123: „Insoweit läuft die Abwägung mit der zu Art. 102 AEUV konform.“ Im Ergebnis ebenso Weck/Reinhold, WuW 2021, 70, 75 f. 568 Ebenso Bulst, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 102 AEUV, Rn. 180; Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 325 f. 569 EuGH, Urt. v. 30. 04. 1974, Sacchi, Rs. 155/73, ECLI:EU:C:1974:40, Rn. 17. 570 EuGH, Urt. v. 27. 03. 1974, BRT/SABAM II, Rs. 127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 6/8. 571 EuGH, Urt. v. 27. 03. 1974, BRT/SABAM II, Rs. 127/73, ECLI:EU:C:1974:25, Rn. 6/8 – 15; Europäische Kommission, Entsch. v. 02. 06. 1971, GEMA, IV/26.760, ABl. 1971 L 134/15, 24; Entsch. v. 04. 12. 1981, GEMA-Satzung, IV/29.971, ABl. 1982 L 94/12, Rn. 36 – 53; Entsch. v. 20. 04. 2001, DSD, COMP D3/34493, ABl. 2001 L 166/1, Rn. 112. 565
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Was den Konditionenmissbrauch durch Rechtsbruch anbelangt, so ist die Judikatur deutlich weniger umfangreich.573 Jedoch gibt es zumindest in dem Urteil Ahmed Saeed Flugreisen Ausführungen zu der Frage, inwieweit Sekundärrecht – in concreto die Fluglinientarif-RL574 – in die Abwägung einzubeziehen ist. Der EuGH hatte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens unter anderem darüber zu entscheiden, ob eine bestimmte Art der Erhebung von Linienflugtarifen gegen das Missbrauchsverbot des Art. 86 EWGV575 verstieß. Die Tarife konnten nach Ansicht des EuGH unangemessen sein, wenn sie überhöht oder unangemessen niedrig seien. Um die Angemessenheit des verlangten Preises beurteilen zu können, bezog er sich direkt auf das Sekundärrecht: Für die Beurteilung der Frage, ob der Tarif in diesem Sinn überhöht oder übermäßig niedrig ist, lassen sich aus der Richtlinie 87/601, die die von den Luftverkehrsbehörden bei der Genehmigung von Tarifen einzuhaltenden Grundsätze festlegt, bestimmte Auslegungskriterien ableiten. Insbesondere ergibt sich aus Artikel 3 der Richtlinie, daß die Tarife in einem angemessenen Verhältnis zu den langfristig voll zugewiesenen Kosten des Luftfahrtunternehmens stehen müssen, wobei die Bedürfnisse der Verbraucher, die Notwendigkeit einer angemessenen Kapitalverzinsung, die Wettbewerbslage einschließlich der Tarife anderer dieselbe Strecke bedienender Luftfahrtunternehmen und die Notwendigkeit der Vermeidung von Dumpingpreisen zu berücksichtigen sind.576
Es zeigt sich damit, dass nach Ansicht des EuGH das Sekundärrecht – im Fall Ahmed Saeed Flugreisen eine Richtlinie – als Vergleichsmaßstab für das primärrechtliche Missbrauchsverbot herangezogen werden kann. Das ist ein erstaunlicher Befund, wird hierdurch doch die Rangfolge von Primär- und Sekundärrecht auf den Kopf gestellt. Dieses Verhältnis ist normalerweise dadurch geprägt, dass das Sekundär- anhand des Primärrechts auszulegen ist und mit diesem vereinbar zu sein hat.577 In Ahmed Saeed Flugreisen wird dieses Verhältnis umgekehrt, indem die 572 Vgl. zum Überblick Bulst, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 102 AEUV, Rn. 184 f. 573 Die Entscheidung AstraZeneca (EuGH, Urt. v. 06. 12. 2012, AstraZeneca, Rs. C-457/10 P, ECLI:EU:C:2012:770) ist überhaupt eine der wenigen, in denen der EuGH sich mit der Bedeutung eines Rechtsbruchs für die kartellrechtliche Bewertung befasste. Dem Unternehmen wurde jedoch keine ausbeuterische, sondern eine behindernde Praxis vorgeworfen, vgl. etwa Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 117 – 119; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 212. Zum Missbrauch durch Datenschutzrechtsbruch gibt es, genau wie von der deutschen Rechtsprechung, bisher keine Entscheidungspraxis des EuGH. 574 Richtlinie 87/601/EWG des Rates vom 14. Dezember 1987 über Tarife im Fluglinienverkehr zwischen Mitgliedstaaten. Die Richtlinie wurde aufgehoben durch Art. 13 Verordnung (EWG) 2342/90, ABl. 1990 L 217, 1. 575 Zum Zeitpunkt der Entscheidung war das Missbrauchsverbot noch in Art. 86 EWGV verankert, der inhaltsgleich mit dem heutigen Art. 102 AEUV war. 576 EuGH, Urt. v. 11. 04. 1989, Ahmed Saeed Flugreisen, Rs. 66/86, ECLI:EU:C:1989:140, Rn. 43. 577 EuGH, Urt. v. 13. 12. 1983, Kommission/Rat, Rs. 218/82, ECLI:EU:C:1983:369, Rn. 15.
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sekundärrechtliche Fluglinientarif-RL zur Auslegung des primärrechtlichen Missbrauchsverbots herangezogen wird.578 Noch weitergehend ist Lettl der Ansicht, der Rechtsbruch führe ipso jure zur Unangemessenheit der Geschäftsbedingung, eine Interessenabwägung könne daher entfallen, ebenso wie der Nachweis einer gewissen Schwere des Verstoßes oder des Zusammenhangs.579 Nach hier vertretener Auffassung kann das nicht richtig sein: Die Betrachtung einer einzelnen Vertragsklausel kann wegen der erforderlichen Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels nicht den Missbrauch begründen. Die gesamte vertragliche Regelung der beiderseitigen Interessen muss in die Abwägung einbezogen werden.580 Die Verletzung gesetzlicher Standards ist dennoch ein wesentlicher Abwägungsgesichtspunkt.581 Es ist jedoch nicht zwingend erforderlich, dass für den Nachweis eines missbräuchlichen Verhaltens ein Verstoß gegen Sekundärrecht nachgewiesen wird, wobei einem nachgewiesenen Verstoß gleichwohl entscheidendes Gewicht im Rahmen der Abwägung beizumessen ist.582 Die Verletzung mitgliedstaatlichen Rechts583 allein kann hingegen nicht zum Verdikt eines Missbrauchs nach Art. 102 AEUV führen. Der Vorrang des Unionsrechts584 erfordert dies.585 Als eigener Aspekt sollen im europäischen Kartellrecht noch die Ziele des Binnenmarktes zu berücksichtigen sein.586 Dieser (zusätzliche) Begründungsstrang
578 Allgemein zu dieser „umgekehrten Konformauslegung“ Nettesheim, EuR 2006, 737, 753 – 757. 579 Lettl, WuW 2016, 214, 218. Ähnlich Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 193, zum deutschen Recht. Nunmehr anders Lettl, WRP 2020, 1391, 1396 (Ergebniskausalität erforderlich). 580 A. A. Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 298 f. 581 In diesem Sinne ist wohl auch EuGH, Urt. v. 11. 04. 1989, Ahmed Saeed Flugreisen, Rs. 66/86, ECLI:EU:C:1989:140, Rn. 43, der letztlich auch bloß von „bestimmte[n] Auslegungskriterien“ spricht, zu verstehen, womit das Sekundärrecht auch nicht zum allein Maßgeblichen erhoben wird. 582 S. u. § 5.C.I.3.b)bb)(2)(c) (S. 144 – 147); Volmar/Helmdach, ECJ 14 (2018), 195, 202 f. 583 Im Datenschutzrecht betrifft das nach Wirksamwerden der DS-GVO vor allem die Ausfüllung der Öffnungsklauseln. Kritisch zu deren Funktion Reibach, in: Taeger (Hrsg.), Rechtsfragen digitaler Transformationen, 2018, S. 131. 584 EuGH, Urt. v. 15. 07. 1964, Costa ENEL, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 (Slg. 1964, 1253, 1269 f.). 585 Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 376. 586 Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, 3. Aufl. 2014, Art. 102 AEUV, Rn. 36; Bulst, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 102 AEUV, Rn. 181. Letzterer versteht dies hingegen wohl als eigenständige Methode zur Begründung eines Missbrauchs (also unabhängig von der Interessenabwägung): „Die Angemessenheit von Geschäftsbedingungen kann ferner anhand ihrer Auswirkungen auf die Wettbewerbsstrukturen innerhalb des europäischen Binnenmarktes beurteilt werden.“ (Hervorhebung im Original).
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passt nicht so ganz zur Ratio des Verbots des Ausbeutungsmissbrauchs.587 Dieses soll (im Sinne Möschels als „Notbehelf“588) die die Marktgegenseite treffenden nachteiligen Wirkungen von Marktmacht abmildern, wo dieser Marktmacht nicht mit strukturellen Maßnahmen beizukommen ist. Das Interesse an der Binnenmarktintegration wird im Rahmen des Art. 102 AEUVausreichend dadurch gewahrt, dass die marktbeherrschende Stellung auf dem Binnenmarkt oder einem Teil desselben bestehen muss und dass das missbräuchliche Verhalten den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen muss (Zwischenstaatlichkeitsklausel).589 Die Ziele des Binnenmarktes taugen daher nicht als eigenständige Begründung eines missbräuchlichen Verhaltens. Die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels mag daher allenfalls als zusätzlicher Gesichtspunkt einer bereits an sich tragfähigen Begründung der Missbräuchlichkeit taugen. (c) Abwägungsgesichtspunkte Damit ist etabliert, dass bei der Anwendung des normativen Prüfkonzepts sowohl im deutschen als auch im europäischen Kartellrecht eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Neben der Interessenabwägung gibt es in § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB das Tatbestandsmerkmal der sachlichen Rechtfertigung. Dieses gilt auch für den Ausbeutungsmissbrauch nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB, obwohl es hier im Gesetzeswortlaut fehlt.590 Die Rechtfertigung erfordert ebenso eine Interessenabwägung.591 Dieser zusätzliche Prüfungsschritt kann allerdings dann entfallen, wenn die Interessenabwägung bereits auf der Stufe der normativen Betrachtung vorgenommen wird. In die Abwägung sind alle berechtigten Interessen der Parteien einzustellen. Dabei spielt der durch den Verwender592 der Geschäftsbedingungen begangene Rechtsbruch eine hervorgehobene Rolle.593 Zwar ist es mit einer bloßen Subsumtion unter außerwettbewerbliche Normen nicht getan, um die Interessenabwägung zu
587
S. o. § 5.C.I.1.e) (S. 79 – 80). Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 185. 589 Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), EUV/AEUV, 56. EL 2015 (Werkstand 74. EL 2021), Art. 102 AEUV, Rn. 56. 590 BGH, Beschl. v. 16. 12. 1976, Valium, Az. KVR 2/76, BGHZ 68, 24, 36 f.; Beschl. v. 09. 11. 1982, gemeinsamer Anzeigenteil, Az. KVR 9/81, WuW/E BGH 1965, 1966. 591 Loewenheim, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 75. 592 Vgl. §§ 305 Abs. 1 S. 1, 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. 593 Vgl. die ähnlich ausgestaltete Rechtslage im Gewerberecht. Nach § 35 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes bei Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu untersagen. Diese soll sich auch aus gravierenden Datenschutzrechtsverstößen ergeben können, Dix, in: Kühling/ Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, § 40 BDSG, Rn. 18. 588
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entscheiden.594 Gleichwohl ist ein Rechtsbruch in der Regel der entscheidende Gesichtspunkt der Interessenabwägung,595 denn an der Durchführung rechtswidriger Praktiken besteht kein schutzwürdiges Interesse. Der BGH umschreibt dies als „Berücksichtigung gesetzlicher Wertentscheidungen“596. In einem solchen Fall hat die durchzuführende Interessenabwägung die Aufgabe, zu bestimmen, in welchem Umfang eine bestimmte Geschäftsbedingung missbräuchlich ist. Aus der Abwägung kann – je nach Lage des Einzelfalles – folgen, dass allein die jeweils rechtswidrige Klausel missbräuchlich ist; oder die Missbräuchlichkeit erfasst weitere Vertragsbestandteile, bis hin zu dem gesamten Rechtsverhältnis. Die (auch) kartellrechtliche Rechtswidrigkeit nur der einzelnen gegen das Datenschutzrecht verstoßenden Klausel kommt etwa in Betracht bei Verstößen, deren Schwere eher im Bagatellbereich zu verorten ist, und wenn der Umfang der Datenverarbeitung nur gering ist. Denn es muss zumindest kartellrechtlich erlaubt sein, eine zum Betrieb eines Netzwerks unbedingt erforderliche Datenverarbeitung durchzuführen.597 Dass ein (Datenschutz-)Rechtsbruch auch im Rahmen des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots zu prüfen ist, folgt aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung.598 Gesetzgeberische Wertungen sind demnach über die gesamte Rechtsordnung hinweg zu berücksichtigen. Der BGH hat das schon für Verstöße gegen Wertungen aus HGB und TKG festgestellt.599 Damit kann es allenfalls im 594
203. 595
Holzweber/Scharf, ecolex 2018, 258, 260; Volmar/Helmdach, ECJ 14 (2018), 195, 201 –
Ebenso Holzweber/Scharf, ecolex 2018, 258, 260. Zurückhaltender Volmar/Helmdach, ECJ 14 (2018), 195, 203: „However, a violation of data protection law gives the abuse theory additional weight.“ 596 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65). Zur Berücksichtigung der Grundrechte: BGH, Urt. v. 07. 06. 2016, Pechstein, Az. KZR 6/15, BGHZ 210, 292, 314 (Rn. 57). 597 Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 132 f. 598 Künstner, K&R 2019, 605, 611; ähnlich Mackenrodt/Wiedemann, ZUM 2021, 89, 102. Dagegen jedoch Louven, Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, 2021, S. 328, der nur den Gesetzgeber hieran gebunden sieht. 599 BGH, Urt. v. 07. 10. 1980, Neue Osnabrücker Zeitung, Az. KZR 8/80, WuW/E BGH 1783, 1785 f.: in dem Fall ging es um eine sogenannte Sperrabrede unter Arbeitgebern. Die beklagte Zeitung machte den Abdruck einer Stellenanzeige, mit der unter anderem nach Setzern gesucht werden sollte, davon abhängig, dass die Klägerin einwilligte, Setzer nicht von der Beklagten abzuwerben. Die Klägerin verweigerte eine solche Abrede und verlangte den bedingungslosen Abdruck der Stellenanzeige. Eine Sperrabrede unter Arbeitgebern ist als solche zwar nicht verboten; nach § 75f HGB ist sie jedoch kraftlos, da beide Parteien frei von ihr zurücktreten können und aus ihr weder Klage noch Einrede stattfinden können. Nach Ansicht des BGH ist diese rechtliche Missbilligung der Sperrabrede auch im Rahmen der kartellrechtlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen, BGH a. a. O.: „Eine derartige Interessenwahrung, die in die Arbeitsvertragsfreiheit Dritter eingreift, ist auch im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB nicht schutzwürdig.“ (Hinweis: § 26 Abs. 2 GWB enthielt bis zur 6. GWB-Novelle ein Diskriminierungs- und Behinderungsverbot. Dieses ist seit der Novelle in § 19 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu finden.) Allgemein ebenso BGH, Urt. v. 24. 01. 2017, Kabelanlagen (Kabel Deutschland), Az. KZR 2/15, NZKart 2017, 198, 200 (Rn. 30): „Nicht berücksichtigt werden
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Einzelfall für nur mittlere oder geringfügige Rechtsverletzungen in Betracht kommen, deren Bekämpfung allein dem außerkartellrechtlichen Recht zu überlassen; das ist Frage der Erforderlichkeit. In solchen Fällen kann im Einzelfall das Interesse des Datenverarbeiters das des Betroffenen trotz des Rechtsverstoßes immer noch überwiegen. Auch der EuGH gelangte bereits in einzelnen Entscheidungen zu der Relevanz eines Rechtsverstoßes gegen außerkartellrechtliches Recht für die Anwendung von Art. 101 f. AEUV. In seiner Entscheidung Ahmed Saeed Flugreisen waren die in der Fluglinientarif-RL festgelegten Grundsätze für die Tariffestlegung auch ausschlaggebend für die Bewertung als missbräuchlich überhöht im Sinne des Missbrauchsverbots.600 In Allianz Hungária wiederum – einem Fall, in dem es um die Auslegung des Begriffs der „bezweckten Wettbewerbsbeschränkung“ im Kartellverbot ging – diente das ungarische Recht (nämlich die Regelungen des ungarischen Rechts über die Rolle der als Versicherungsagenten oder -makler tätig werdenden Vertragshändler) als Maßstab für das „gute Funktionieren des Marktes für KfzVersicherungen“601. Die Branchenüblichkeit einer rechtswidrigen Praxis allein kann diese jedenfalls nicht rechtfertigen.602 Eine allgemeine Rechtsregel, wonach das rechtswidrige Verhalten Dritter zum Entfall der Rechtswidrigkeit des eigenen Verhaltens führen würde, existiert nicht. Es gibt keine Gleichheit im Unrecht.603 Dass das marktbeherrschende Unternehmen einem strikteren Sanktionsregime unterworfen wird – nämlich neben dem datenschutzrechtlichen Instrumentarium auch dem kartellrechtlichen –, ist seiner besonderen Verantwortung für den Restwettbewerb geschuldet. Als wesentlicher Filter zur Unterscheidung kartellrechtlich verbotener und nicht verbotener Maßnahmen dienen dann die Kriterien des Wettbewerbsbezugs und des Zusammenhangs.604 Daher kann das ebenso rechtswidrige Verhalten der Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens nur im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, nicht jedoch bei der normativen Betrachtung im Rahmen der Generalklausel. In der Literatur wird dieses Ergebnis auch vereinzelt über den Begriff der „Fairness“ herzuleiten versucht. So könne der Begriff der „unangemessenen Geschäftsbedingungen“ (englisch: „unfair trading conditions“) nach Art. 102 AEUV dürfen dabei Interessen, deren Durchsetzung rechtlich missbilligt wird, wobei insbesondere die kartellrechtlichen Wertungen einzubeziehen sind.“ 600 EuGH, Urt. v. 11. 04. 1989, Ahmed Saeed Flugreisen, Rs. 66/86, ECLI:EU:C:1989:140, Rn. 43. 601 EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 47. 602 A. A. Holzweber/Scharf, ecolex 2018, 258, 261. 603 BVerfG, Beschl. v. 09. 10. 2000, Boykott von Importarzneimitteln, Az. 1 BvR 1627/95, GRUR 2001, 266, 270. 604 S. u. § 5.C.I.3.b)cc)(2) (S. 150 – 159) und § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175).
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ausgefüllt werden durch Regelungen, die ebenso die Fairness in Vertragsverhältnissen adressieren, wie eben die Regelungen des Datenschutzrechts.605 Die zusätzliche Begründung mit den Zielen des Binnenmarktes606 ist besonders in den hier untersuchten Fällen des Datenschutzrechtsbruchs aufschlussreich. Denn das moderne europäische Datenschutzrecht dient ausweislich Art. 1 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO neben dem Persönlichkeitsschutz auch dem freien Datenverkehr. Nachdem die Mitgliedstaaten durch die Zollunion Freiheit im Binnenmarkt begründet haben, soll diese Freiheit nicht wieder durch Maßnahmen von Unternehmen beeinträchtigt werden.607 Daher kann es ein besonderer und zu einer umfassenderen Untersagung führender Abwägungsgesichtspunkt sein, der zu einer umfassenderen Untersagung führen kann, dass ein Unternehmen durch seine Handlungen den freien Datenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt. Letzten Endes kann das Merkmal der Interessenabwägung neben der grundsätzlichen Frage der Anwendbarkeit des Kartellrechts auch dazu dienen, die Zuständigkeiten von Datenschutz- und Kartellbehörden im Einzelfall auszutarieren. Neben einer ausdrücklichen Zuständigkeitsregelung kann diese Abgrenzung auf materiell-rechtlicher Ebene dadurch erfolgen, dass ein Eingreifen der Kartellbehörden nur zulässig ist bei besonders schwerwiegenden Verstößen. Folgende Fragen leiten dann die Interessenabwägung: Ist die Beeinträchtigung des Wettbewerbs derart schwerwiegend, dass allein der Einsatz der Datenschutzbehörden das wettbewerbliche Missverhältnis nicht beheben könnte? Können die Datenschutzbehörden die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht en passant beheben? Zur Beantwortung dieser Fragen müssen die jeweils betroffenen Interessen im Einzelfall analysiert werden. Namentlich muss deutlich werden, dass für die (im Sinne des Datenschutzrechts) Betroffenen nicht nur eine Bedrohung für die Vertraulichkeit ihrer Daten besteht, sondern sie – beziehungsweise die Wettbewerber des datenverarbeitenden Unternehmens – auch in ihren wettbewerblichen Interessen beeinträchtigt werden. Kann man letzteres jedoch bejahen, so ist die (Datenschutz-) Rechtsverletzung ein starkes Indiz für einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot, sodass nur in außergewöhnlichen Fällen einmal nicht von einem missbräuchlichen Verhalten ausgegangen werden kann. cc) Der Datenschutzrechtsbruch als Missbrauch Nach dem Vorstehenden ist geklärt, wie sich missbräuchliches Verhalten feststellen lässt. Dabei hat sich gezeigt, dass, unabhängig von der angewendeten Methode, ein entscheidender Gesichtspunkt ist, ob eine Geschäftsbedingung positives 605
Ezrachi, Competition Law Goals and the Digital Economy, Juni 2018, S. 16 f.; Graef/ Clifford/Valcke, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 200, 212; Kalimo/Majcher, E. L. Rev. 42 (2017), 210, 231 f.; Sauter, J. Antitrust Enforc. 8 (2020), 406, 422. 606 S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(2)(b) (S. 143 f.). 607 Für die Dienstleistungsfreiheit im Besonderen Art. 56 AEUV.
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Recht verletzt.608 Daher stellt sich die Frage, wie dieses Recht beschaffen sein muss, ob insbesondere die Verletzung von Datenschutzrecht einen Missbrauch begründen kann. Es ist im Folgenden darzulegen, welche Art von Rechtsverstoß kartellrechtlich relevant sein kann. Dabei sind zwei Punkte voneinander zu trennen. Aufgrund des Mehrebenensystems zwischen EU- und mitgliedstaatlichem Recht sowohl im Datenschutz-609 als auch im Kartellrecht610 ist zunächst zu klären, welches kartellrechtliche für welches datenschutzrechtliche Regime anwendbar ist, ob also im europäischen und im deutschen Kartellrecht europäisches und deutsches Datenschutzrecht gleichsam zu berücksichtigen sein können. Als zweites ist sodann zu bestimmen, wie das verletzte Recht beziehungsweise der Verstoß materiell beschaffen sein muss, um berücksichtigt zu werden. In der Literatur hat sich hier das Erfordernis eines – in verschiedenen Facetten ausformulierten – Wettbewerbsbezuges herausgebildet. (1) Die Anwendung im Mehrebenensystem Sowohl das Kartell- als auch das Datenschutzrecht – letzteres zumindest, seitdem das europäische Datenschutzrecht mit der DS-GVO unmittelbar anwendbar ist – sind davon geprägt, dass mehrere Rechtsebenen unmittelbar parallel anwendbar sind auf ein und denselben Sachverhalt. Im Kartellrecht betrifft dies die parallele Regelung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung sowohl in Art. 102 AEUV als auch in § 19 GWB. Mitgliedstaatliches Datenschutzrecht ist in Deutschland das BDSG, die Landesdatenschutzgesetze der Bundesländer und einzelne sektorspezifische Datenschutzregulierungen. In der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht wurde der Normkonflikt dergestalt gelöst, dass die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden und -gerichte nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 Kartellverfahrens-VO das europäische neben dem mitgliedstaatlichen Missbrauchsverbot anzuwenden haben. Nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO können die mitgliedstaatlichen Normen oder ihre Anwendung jedoch strenger sein. Ist die Europäische Kommission zuständig, so wendet sie allein europäisches Kartellrecht an, die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten entfällt, Art. 11 Abs. 6 S. 1 Kartellverfahrens-VO. Materiell unterscheidet sich Art. 102 AEUV von § 19 GWB im Wesentlichen durch das Erfordernis, dass das missbräuchliche Verhalten zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führen können muss (Zwischenstaatlichkeitsklausel), das allein das europäische Kartellrecht kennt. Die Frage, welche (Datenschutz-)Rechtsordnung im Rahmen der Fallgruppe des Missbrauchs durch Rechtsbruch berücksichtigungsfähig ist, beantwortet sich parallel hierzu. Wird ein Fall allein nach § 19 GWB beurteilt, so ist ein Verstoß gegen 608
Zurückhaltender Telle, WRP 2016, 814, 818. DS-GVO einerseits, BDSG und Landesdatenschutzgesetze sowie sektorspezifische Datenschutzregulierungen andererseits. 610 Art. 102 AEUV einerseits, § 19 GWB andererseits. 609
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europäisches wie gegen deutsches611 Datenschutzrecht zu prüfen, weil der Inhalt des Missbrauchsverbots in der Variante der Konditionenmissbrauchs hier sowohl durch deutsches als auch europäisches Datenschutzrecht ausgefüllt wird. Anders ist dies bei der Anwendung von Art. 102 AEUV: Hier ist allein der Bruch europäischen Datenschutzrechts relevant; ob ein Verstoß gegen deutsches Datenschutzrecht vorliegt, ist hingegen kein berücksichtigungsfähiger Gesichtspunkt.612 Bei der Anwendung des europäischen Kartellrechts ist das innerstaatliche Datenschutzrecht nicht entscheidend.613 Das folgt aus dem Anwendungsvorrang des europäischen Rechts.614 Das deutsche Datenschutzrecht kann daher nicht zur Auslegung von Art. 102 AEUV herangezogen werden. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist auch nicht geboten, wenn das mitgliedstaatliche Recht eine Öffnungsklausel der DS-GVO ausfüllt.615 Denn in der Ausfüllung materialisiert sich nicht die Intention des europäischen Gesetzgebers: Dieser lässt den Mitgliedstaaten gerade einen Spielraum, um in bestimmten Bereichen selbstbestimmt eine Politik verfolgen zu können. Die legislative Entscheidung des mitgliedstaatlichen Gesetzgebers drückt in diesem Fall nicht den Willen des europäischen Gesetzgebers aus. Der mitgliedstaatliche Gesetzgeber führt seine Legitimation nicht auf Art. 102 AEUV zurück, sodass seine autonome gesetzgeberische Entscheidung nicht auf die von den Vertragsparteien des AEUV herzuleiten ist. Mangels einer derartigen Legitimationskette kann das mitgliedstaatliche Recht nicht zur Interpretation der Bestimmungen des AEUV herangezogen werden.
611 Deutsches Datenschutzrecht bedeutet unter der Geltung der DS-GVO vor allem die Ausfüllung der zahlreichen Öffnungsklauseln sowie bereichsspezifische Regelungen, Buchner, DuD 2016, 155, 160; Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Einführung, Rn. 129 f. 612 Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 376. Ebenso Lettl, WuW 2016, 214, 216 mit der Ausnahme, dass es sich um die Umsetzung einer Richtlinie handle, weil dann auch im mitgliedstaatlichen Recht der Wille des europäischen Gesetzgebers zum Ausdruck komme. Im Anschluss an Lettl auch Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 147 f. A. A. Körber, NZKart 2016, 348, 354. 613 EuGH, Urt. v. 16. 12. 1975, Suiker Unie, verb. Rs. 40 bis 48, 50, 54 bis 56, 111, 113 und 114/73, ECLI:EU:C:1975:174, Rn. 478/481. 614 EuGH, Urt. v. 15. 07. 1964, Costa ENEL, Rs. 6/64, ECLI:EU:C:1964:66 (Slg. 1964, 1253, 1269 – 1271). 615 Ein Beispiel für eine derartige Öffnungsklausel stellt Art. 8 Abs. 1 UAbs. 1 DS-GVO dar, der die Einwilligungsfähigkeit von Kindern ab 16 Jahren regelt. Nach UAbs. 2 kann dieses Alter auf (mindestens) 13 Jahre als absolute Untergrenze herabgesetzt werden durch eine mitgliedstaatliche Regelung. Würde ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und ein Verantwortlicher gegen die mitgliedstaatliche Regelung verstoßen, so stellte sich die (hier verneinte) Frage, ob dies einen Verstoß auch gegen Art. 102 AEUV begründen könnte.
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(2) Zum Erfordernis eines Wettbewerbsbezugs616 Ein auf außerwettbewerbliche Ziele ausgerichtetes Kartellrecht liegt außerhalb seines Regelungsauftrags. Die Voraussetzung eines Wettbewerbsbezugs dient dazu, eine überschießende Anwendung des Kartellrechts zu verhindern. Aufgabe des Kartellrechts ist nämlich die Adressierung von Marktmachtproblemen, nicht eine wie auch immer geartete Ergebniskontrolle anhand Maßstäben, die sich in anderen Rechtsmaterien finden.617 Eine solche wird stattdessen (unter anderem) von datenschutzrechtlichen und anderen außerkartellrechtlichen Normen erzielt.618 Die Argumentation des EuGH in Allianz Hungária619 erweist sich daher als Irrweg. Der EuGH hatte im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens über die Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV zu entscheiden.620 Das ungarische Kartellamt hatte eine Reihe von Vereinbarungen zwischen Kfz-Versicherern und Kfz-Ver616 Für die nachfolgend behandelte Thematik hat sich in der Literatur der Begriff des Wettbewerbsbezugs bzw. der Wettbewerbsbezogenheit herausgebildet, vgl. Ackermann, NZKart 2016, 397, 398; Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 171 – 173 (Rn. 518, 523); Rempe, in: Taeger (Hrsg.), Smart World – Smart Law?, 2016, S. 187, 192. Daneben findet die Diskussion unter dem Begriff der Markt(wert)relevanz (Franck, ZWeR 2016, 137, 160), der Marktstruktur- und/oder Marktverhaltensregelung (Lettl, WuW 2016, 214, 217; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397) und der competition issues (Tamke, ZWeR 2017, 358, 373) statt. 617 Nazzini, The Foundations of European Union Competition Law, 2011, S. 120: „[…] competition law is concerned with the process of rivalry rather than directly with an outcome […].“ Daher warnend Colangelo/Maggiolino, J. Eur. Comp. L. & Prac. 8 (2017), 363, 367: „if the German authority does not ascertain the unfairness of Facebook’s contractual terms independently from any privacy infringement, the Bundeskartellamt will eventually include the protection of personal data among the objectives of competition law […]“. 618 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 222; Ohlhausen/Okuliar, Antitrust L. J. 80 (2015), 121, 151. Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 200, 205, möchte der Diskussion des Wettbewerbsbezugs vorgreifen und das Kartellrecht „in den Dienst der Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts“ gestellt sehen, nachdem im Rahmen der 9. GWB-Novelle verbraucherschutzrechtliche Sektoruntersuchungen und die verbraucherschutzrechtliche Amicuscuriae-Regelung eingeführt wurden (§§ 32e Abs. 5, 90 Abs. 6 GWB, vgl. dazu Uebele, NZKart 2018, 459; Uebele, NZKart 2018, 521). Die Diskussion um den Wettbewerbsbezug dürfte sich freilich gleichwohl nicht erledigt haben: Der Regelungsplan der neuen verbraucherschutzrechtlichen Instrumente im GWB ist ein völlig anderer (vgl. Uebele a. a. O.). Sie sind anders ausgestaltet als das bisherige kartellrechtliche Instrumentarium. Die Einführung weitergehender verbraucherschutzrechtlicher Befugnisse der Kartellbehörden ist auch durch die 10. GWB-Novelle nicht gekommen. Nach der gegenwärtigen Gestaltung handelt es sich um zwei unterschiedliche Regelungskreise im GWB, die sich nicht gegenseitig beeinflussen. 619 EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160. 620 Im Ausgangsverfahren ging es freilich mangels Zwischenstaatlichkeit der in Rede stehenden Vereinbarungen nur um das ungarische Kartellverbot. Der EuGH sah sich aufgrund der Inhaltsgleichheit der europäischen wie der ungarischen Vorschrift gleichwohl als zuständig an, EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 17 – 23.
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tragshändlern untersagt. Diese unterhielten eine zweifache Beziehung zueinander: Die Vertragshändler reparierten zum einen die bei den Versicherern versicherten Fahrzeuge unmittelbar auf Rechnung der Versicherer, zum anderen wurden die Händler als Agenten eingesetzt, um Kfz-Versicherungen zu vermitteln. Das ungarische Kartellamt ging gegen Einzelvereinbarungen vor, nach denen sich der Stundensatz der Händler erhöhen sollte, wenn die vermittelten Policen einen bestimmten Prozentsatz der Summe der von diesem Vertragshändler verkauften Versicherungen erreichten. Es wertete die Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen.621 Der EuGH setzte sich mit der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung auseinander.622 An diesem Punkte dehnte der EuGH den Regelungsauftrag des Kartellrechts bedenklich623 aus: Zwar bedeutet die Herstellung einer solchen Verbindung zwischen zwei grundsätzlich voneinander unabhängigen Tätigkeiten nicht automatisch, dass die betreffende Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, sie kann aber einen wichtigen Aspekt bei der Beurteilung der Frage darstellen, ob diese Vereinbarung ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Unabhängigkeit der genannten Tätigkeiten für dieses Funktionieren erforderlich ist.624
Eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung könne insbesondere dann vorliegen, wenn […] die Rolle, die das nationale Recht den als Versicherungsagenten oder -makler tätig werdenden Vertragshändlern zuweist, deren Unabhängigkeit von den Versicherungsgesellschaften erfordert. Die Regierung führt insoweit aus, dass diese Vertragshändler nicht im Namen eines Versicherers, sondern im Namen des Versicherungsnehmers handelten und die Aufgabe hätten, diesem aus dem Angebot der verschiedenen Versicherungsgesellschaften die für ihn am besten geeignete Versicherung vorzuschlagen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob unter diesen Umständen und im Hinblick auf die Erwartungen der Versicherungsnehmer das gute Funktionieren des Marktes für Kfz-Versicherungen durch die im Ausgangsverfahren fraglichen Vereinbarungen erheblich gestört werden kann.625
In dieser – singulär gebliebenen626 – Entscheidung setzte der EuGH damit die Unabhängigkeit der Maklertätigkeit mit dem Funktionieren des Wettbewerbs 621
EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 6 – 12. 622 EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 31 – 51. 623 Zurückhaltender Paal/Hennemann, Big Data as an Asset, S. 37. 624 EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 41. 625 EuGH, Urt. v. 14. 03. 2013, Allianz Hungária, Rs. C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, Rn. 47. 626 Die Entscheidung ist auch Gegenstand von Kritik, weil der EuGH sie nicht ausreichend auf seine bisherige Entscheidungspraxis zurückführt, Kovács, WiRO 2013, 327, 330 f.
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gleich.627 Die Vermutung liegt nahe, dass das ungarische Kartellamt – letztlich gedeckt durch den EuGH – die fehlende Durchsetzung durch die Versicherungsaufsichtsbehörden zu kompensieren suchte.628 Würde dies Schule machen, bedeutete dies die Ausweitung des Kartellrechts im Sinne eines Schutzes der Marktinformationsordnung.629 Dem Missbrauchstatbestand ist hingegen der Schutz der Wettbewerbsordnung immanent.630 Dass nicht jeder Rechtsverstoß ausreichen kann, ergibt sich für das deutsche Recht auch aus § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB, der ein Abweichen von den Bedingungen, die sich bei wirksamem Wettbewerb ergeben würden, verlangt. Im europäischen Kartellrecht gilt der Sache nach das gleiche.631 Das Bestehen oder Nichtbestehen wirksamen Wettbewerbs muss sich also auf die fragliche Geschäftsbedingung auswirken. Das kann nur dann der Fall sein, wenn die Geschäftsbedingung beziehungsweise der Verstoß gegen das außerkartellrechtliche Recht einen – noch genauer zu definierenden – Wettbewerbsbezug hat. Auch erschließt sich das Erfordernis des Wettbewerbsbezugs aus der weiteren Voraussetzung des Zusammenhangs zwischen Marktbeherrschung und rechtswidrigen Konditionen.632 Zu reinen nicht-wettbewerblichen Verhaltensweisen kann der geforderte Zusammenhang nicht bestehen. So verstanden, handelt es sich beim Wettbewerbsbezug um einen ersten Filter bei der Prüfung des Zusammenhangs.633
627 Körber, NZKart 2016, 348, 352 f., kritisiert auch das AstraZeneca-Urteil (EuGH, Urt. v. 06. 12. 2012, AstraZeneca, Rs. C-457/10 P, ECLI:EU:C:2012:770) unter dem Gesichtspunkt, hier würde das Kartellrecht zur Behebung von Mängeln des Patentrechts instrumentalisiert. 628 Nagy, W. Comp. 36 (2013), 541, 561. 629 Franck, ZWeR 2016, 137, 142. Vgl. Scharf, ECLR 40 (2019), 332, 339. 630 Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 222. Es ist daher zumindest missverständlich, wenn die Monopolkommission formuliert: „Dass im Verstoß gegen Rechtsvorschriften (zugleich) ein Marktmachtmissbrauch liegen kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung deutscher Gerichte. Das gilt insbesondere für die Verletzung wettbewerbsbezogener Vorschriften.“, Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 171 (Rn. 518; Hervorhebung hinzugefügt). Die Kartellrechtswidrigkeit als automatische Folge eines Verstoßes gegen außerwettbewerbliches Recht (freilich eingeschränkt durch das sogleich zu behandelnde Kausalitätserfordernis) behauptet G. Schneider, J. Eur. Comp. L. & Prac. 9 (2018), 213, 223. 631 S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(1) (S. 133 – 137). 632 Zum Erfordernis des Zusammenhangs vertieft u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175) sowie § 5.C.I.4.b)cc)(4)(e) (S. 222 f.), § 5.C.I.5.b) (S. 231 – 234) und § 5.C.I.6.b)cc) (S. 241 f.). 633 Ein etwas anderes Verständnis scheint die Monopolkommission zu haben. Demnach ist der Zusammenhang (Rn. 677) zwischen der marktbeherrschenden Stellung und der missbräuchlichen Verhaltensweise der einzige Prüfstein zum Ausschluss außerkartellrechtlichen Rechts, Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 258 (Rn. 676).
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In der Literatur haben sich drei – sich in der Argumentation teilweise überschneidende – Begründungsstränge herausgebildet, um das Vorliegen des Wettbewerbsbezugs beurteilen zu können.634 (a) Daten und Datenverarbeitung als Wettbewerbsfaktoren Ein oft vertretener Ansatz beruht auf der – richtigen – Annahme, Daten stellten einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor dar.635 Die wettbewerbliche Relevanz von Daten zeigt sich auch darin, dass sie dazu beitragen können, Informationsasymmetrien zu beseitigen.636 Würden aufgrund eines Datenschutzrechtsverstoßes mehr Daten gesammelt als dies legal zulässig ist, so verschaffte sich das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil.637 Gleichbedeutend werden die wirtschaftlichen Implikationen der Datenverarbeitung als den Wettbewerbsbezug begründende Faktoren betrachtet.638 Durch die Argumentation mit Wettbewerbsvorteilen begibt sich dieser Ansatz in die Nähe der Wertungen des Lauterkeitsrechts in § 3a UWG.639 Ähnlich wie in der Entscheidung Allianz Hungária werden dadurch unterschiedliche Regelungsanliegen auf eine wenig sinnvolle Weise miteinander verwoben.640 Sofern Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten das Problem sind, so wird dies – treffender641 – durch das AGB-642 und Verbraucherschutzrecht adressiert. 634
Gänzlich auf das Erfordernis des Wettbewerbsbezugs verzichtet (wohl) Paal, in: Körber/ Kühling (Hrsg.), Regulierung – Wettbewerb – Innovation, 2017, S. 143, 160. Für diesen scheint das einzige eingrenzende Kriterium der Zusammenhang zu sein. In der Formulierung ebenfalls zu weit gehend Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 193: „Das normative Unwerturteil eines missbräuchlichen Verhaltens wird dann bereits getragen von den Wertungen des außerkartellrechtlichen Gesetzesrechts, gegen die der Normadressat mit seinen Forderungen verstößt, ohne dass es des ergänzenden Rückgriffs auf genuin kartellrechtliche Wertungen bedarf.“ A. a. O. Rn. 203 wird dies dann freilich doch wieder eingeschränkt und qualifizierte Anforderungen an das verletzte Recht gestellt. 635 J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 106 – 108; Körber, NZKart 2016, 348, 349; Podszun, EuCML 2019, 49, 51; Rempe, K&R 2017, 149, 152. In diese Richtung auch Autorité de la concurrence/Bundeskartellamt, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, S. 23 f. 636 BKartA, Big Data und Wettbewerb, Oktober 2017, S. 8. 637 Haus/Cesarano, NZKart 2019, 637, 641; Rempe, K&R 2017, 149, 152; Telle, WRP 2016, 814, 818. Kritisch hingegen Louven, Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen, 2021, S. 325 („nichtexistente Parallele“). 638 Tamke, ZWeR 2017, 358, 374. Dazu Autorité de la concurrence/Bundeskartellamt, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, S. 23 f. 639 Darauf weisen auch Birnstiel/Eckel, WRP 2016, 1189, 1195, hin, erkennen darin allerdings, anders als hier vertreten, kein Problem. Ähnlich auch Louven, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 779, 809 f. (Rn. 52 f.). 640 So auch Scharf/Zanol, in: Schweighofer et al. (Hrsg.), Verantwortungsbewusste Digitalisierung, 2020, S. 157, 165. 641 Ackermann, NZKart 2016, 397, 398.
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Dieser Ansatz krankt sodann auch daran, dass er nicht verallgemeinerungsfähig für andere Rechtsgebiete ist, wohingegen der hier vertretene Ansatz der Betrachtung der Marktwirkung643 allgemein gültig ist. Eine verallgemeinerungsfähige Argumentation ist aus Gründen der Rechtssicherheit Einzelfallentscheidungen je nach Qualifikation des außerkartellrechtlichen Rechts vorzuziehen. (b) Datenschutzrecht als Regelung des marktlichen Verhaltens Ebenso problembehaftet ist die Argumentation, dass der Wettbewerbsbezug darauf beruhe, dass das Datenschutzrecht eine Regelung des marktlichen Verhaltens der Unternehmen darstelle.644 Demnach sei es entscheidend, ob eine Norm einen Regelungsgehalt bezüglich Marktstruktur oder Marktverhalten habe.645 Auch bei diesem Ansatz werden Kategorien des UWG unreflektiert übernommen.646 Dagegen spricht aber die Divergenz der Schutzzwecke der beiden Materien, nämlich die Lauterkeit des Wettbewerbs einerseits und die Erhaltung von Wahlmöglichkeiten im Wettbewerb andererseits.647 Hinzu kommt: Wäre allein ein lauterkeitsrechtliches Verständnis maßgeblich, so wäre es aus Sicht der Marktgegenseite willkürlich, ob ihr Vertragspartner Marktbeherrscher ist oder nicht. Doch nur in ersterem Fall würde das Missbrauchsverbot eingreifen; in letzterem bliebe es allein bei der vor allem zivilrechtlich ausgestalteten Durchsetzung durch das Lauterkeitsrecht. Ein derart definierter Anwendungsbereich des kartellrechtlichen Missbrauchsverbots wäre aber willkürlich.648
642
Thomas, NZKart 2017, 92, 94. Mit einem weitergehenden Verständnis Mohr, EuZW 2019, 265, 271, demzufolge das AGB-Recht neben Informationsasymmetrien auch durch Marktmacht bedingte Verhandlungsungleichgewichte beheben soll. Vgl. dazu auch Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 295 f. Gegen Mohr wiederum Körber, NZKart 2019, 187, 194 („[…] eher Ausdruck von Vertragsimparität als notwendig von Marktmacht […]“). 643 S. u. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) S. 155 – 159. 644 Ellger, WuW 2019, 446, 452; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 216 f.; Körber, NZKart 2016, 348, 349; Lettl, WuW 2016, 214, 217; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397 – 1399; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 203. 645 Lettl, WuW 2016, 214, 217; Lettl, WRP 2020, 1391, 1397. 646 Ausdrücklich bei Lettl, WRP 2020, 1391, 1399 („Parallele zu § 3a UWG“). So aber auch bei Nuys, WuW 2016, 512, 519 mit Fn. 79. In dieselbe Richtung auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 54 – 58, 85; differenziert jedoch wiederum S. 92 f. 647 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 192; Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 214a; Louven, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 779, 809 f. (Rn. 52 f.). A. A. Lettl, WRP 2020, 1391, 1399 (Gleichlauf der Gesetzeszwecke). 648 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 193.
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Im deutschen Kartellrecht ist eine Verankerung dieser Argumentation dazuhin in § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB unmöglich: Hiernach ist zunächst ein Vergleich mit den hypothetischen Marktbedingungen im funktionierenden Wettbewerb vorzunehmen. Unerheblich dafür ist jedoch die Qualifikation des verletzten Rechts. (c) Betrachtung der Marktwirkung Mehr als derartige statische Betrachtungen allein nach der Qualifikation der verletzten Rechtsnorm empfiehlt sich eine Untersuchung danach, ob das fragliche Verhalten eine schädigende Marktwirkung entfaltet, ob es also den Wettbewerb, der bereits durch die Anwesenheit des marktbeherrschenden Unternehmens geschwächt ist, noch weiter schwächt.649 Schematische Betrachtungen nach der Qualifikation des verletzten Rechts verbieten sich hingegen. Der Begriff der Marktwirkung ist weit zu verstehen. Er erfasst nicht nur die Behinderung von Wettbewerbern, sondern gleichermaßen die wettbewerbliche Schlechterstellung der Marktgegenseite. Den Hintergrund bildet die bereits an anderer Stelle angestellte Beobachtung, dass das Missbrauchsverbot nur subsidiär dem Zweck dient, Ergebnisse zu korrigieren, die durch das Fehlen wirksamen Wettbewerbs entstanden sind.650 Das Verbot ausbeuterischer Praktiken ist eine Grundentscheidung des historischen Gesetzgebers. Das zeigt, dass die Argumentation, durch das Kartellrecht sei der Wettbewerb einzig durch Offenhaltung der Märkte geschützt651, jedenfalls zu kurz greift. Denn gerade in Fällen, in denen wirksamer Wettbewerb fehlt (und auch nicht durch behördliche Eingriffe wiederhergestellt werden kann), liegt es im Schutzbereich des Missbrauchsverbots, dass die negativen Auswirkungen dieses Fehlens auf ein wettbewerbsanaloges Maß begrenzt werden. Zu berücksichtigen ist jedoch die Ambivalenz kartellbehördlichen Eingreifens in Fällen von Preishöhenmissbrauch. Hohe Preise des Marktbeherrschers könnten durch ihre Signalwirkung gerade Anreize setzen für den Markteintritt von (zunächst noch potenziellen) Wettbewerbern und dadurch letztlich sogar pro-kompetitiv wirken.652 Daher sollen Eingriffe nur dann geboten sein, wenn der Eintritt aufgrund 649 Wie hier Pomana/M. Schneider, BB 2018, 965, 971. Ähnlich Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 327, der negative Auswirkungen auf die Wertrelation von Leistung und Gegenleistung verlangt. Der vorliegend vertretene Ansatz wurde auch von der Monopolkommission erkannt, eine Entscheidung dafür oder dagegen wurde jedoch offengelassen, vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 172 f. (Rn. 519, 523); vgl. aber auch Rn. 525, wonach die Förderung des Tipping einen Wettbewerbsbezug aufweisen könne. 650 S. o. § 5.C.I.1.e) (S. 79 – 80). 651 So jedoch beispielsweise Möllnitz, CR 2019, 640, 642. 652 Daher betrachtet der US Supreme Court die Innehabung einer marktbeherrschenden Stellung sowie das Fordern überhöhter Preise auch fundamental anders als dies in Europa getan wird: „The mere possession of monopoly power, and the concomitant charging of monopoly
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hoher Marktzutrittsschranken unwahrscheinlich sei. Entsprechendes gelte für den Konditionenmissbrauch als andere Variante des Ausbeutungsmissbrauchs neben dem Preishöhenmissbrauch.653 Allerdings ist der Konditionenmissbrauch wiederum etwas kategorisch anderes als der Preishöhenmissbrauch, als ersterer eher Elemente einer Wettbewerberbehinderung habe. Daher ist die Einordnung als bloße ultima ratio für den Konditionenmissbrauch nicht zwingend.654 Die Betrachtung der Marktwirkung des Verhaltens verhindert, dass das Kartellrecht zu einer bloßen Subsumtion unter das außerwettbewerbliche Recht degradiert wird.655 Gleichzeitig entspricht allein dieser Ansatz dem deutschen Kartellrecht in § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB, der ein Abweichen vom hypothetischen Zustand bei wirksamem Wettbewerb verlangt. Dieser Ansatz hat weiter für sich, dass er zu einer zielgerichteten Rechtsanwendung durch die Kartellbehörden und -gerichte gelangt. Diese sind geübt in der Bestimmung der Auswirkungen bestimmter unternehmerischer Verhaltensweisen auf den Wettbewerb, nicht jedoch in der Subsumtion unter außerkartellrechtliche Rechtsnormen.656 Einzig mit der Marktwirkungsbetrachtung lässt sich die – gerade im Datenschutzrecht häufig zu beobachtende – kollektive Verletzung individueller Rechte erfassen. Bloß einzelne Rechtsverletzungen würden hingegen auch unter die beiden zuvor genannten Ansätze fallen, ließen sich aber nicht sinnvoll durch die Kartellbehörden verfolgen: Die Verfolgung einzelner Rechtsverletzungen wäre eine Aufgabe, die die Kartellbehörden nicht leisten könnten.657 Sie fällt in den Zuständigkeitsbereich der Verbraucherschutzbehörden.658 prices, is not only not unlawful; it is an important element of the free-market system. The opportunity to charge monopoly prices – at least for a short period – is what attracts ,business acumen‘ in the first place; it induces risk taking that produces innovation and economic growth. To safeguard the incentive to innovate, the possession of monopoly power will not be found unlawful unless it is accompanied by an element of anticompetitive conduct.“, US Supreme Court, Urt. v. 13. 01. 2004, Verizon Communications Inc. v. Law Offices of Curtis v. Trinko, LLP, 504 U.S. 398, 407. 653 Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 255 (Rn. 663). Ähnlich kritisch Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 38, 205; Gal, in: Lianos/Geradin (Hrsg.), Handbook on European Competition Law. Substantive Aspects, 2013, S. 385, 396 – 400, 414 – 422. 654 J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 86 – 88. 655 Vgl. zu diesem zweiten Punkt Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 326 f. 656 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 335. 657 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 336. 658 Ohlhausen/Okuliar, Antitrust L. J. 80 (2015), 121, 154 f. Verbraucherschutzbehörden gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu zahlreichen anderen Ländern, die ihren Behörden breite Befugnisse eingeräumt haben – bislang nur punktuell. Es zeichnet sich jedoch ab, dass sich dies mittelfristig ändern wird, teils auf der autonomen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, teils auf zwingendem Richtlinienrecht beruhend, Becker, ZWeR 2018, 229.
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Damit ist zusätzlich zur Interessenabwägung eine Untersuchung darüber anzustellen, ob die konkret untersuchte unternehmerische Verhaltensweise den Wettbewerb einschränkt. Pauschale Feststellungen wie mit den beiden zuvor dargestellten Ansätzen verbieten sich. § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB (wonach der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten bei der Bewertung der Marktstellung zu berücksichtigen ist)659 spricht freilich für die grundsätzliche Wettbewerbsrelevanz, wenn ein Unternehmen datenschutzrechtswidrig Daten erlangt oder verarbeitet.660 Das Kriterium der nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb ist weit zu verstehen. Das beruht auf der gesetzgeberischen Grundentscheidung in Art. 102 AEUV und § 19 GWB, den Ausbeutungsmissbrauch selbständig neben wettbewerberbehindernden Praktiken zu verbieten. Um dieser Entscheidung gerecht zu werden, muss es genügen, dass die Wettbewerbsposition der ausgebeuteten Marktgegenseite verschlechtert wird, ohne dass gezeigt werden müsste, dass das marktbeherrschende Unternehmen gleichzeitig seine Position gegenüber seinen Wettbewerbern verbessert.661 Die Feststellung der Marktwirkung kann daher auch dadurch erfolgen, dass sich das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zugunsten des Marktbeherrschers verändert.662 Kann das marktbeherrschende Unternehmen diese Verschiebung des Wertverhältnisses durchsetzen, so zeigt dies eine (weitere) Schwächung der Verhandlungsposition der Marktgegenseite und indiziert dadurch eine weitere Schwächung des Wettbewerbs. Eine derartige Verschiebung des Wertverhältnisses liegt insbesondere bei Verletzungen des Datenschutzrechts nahe: Werden Daten etwa entgegen der Einwilligungserklärung rechtswidrig zu anderen Zwecken verwendet, so erhöht sich damit deren Wert für den Datenverarbeiter; Folge ist eine Verschiebung des Wertverhältnisses. Hierbei handelt es sich auch um ein Verhalten im Wettbewerb, denn das datenverarbeitende Unternehmen tritt insoweit seinen Nutzern gegenüber als Nachfrager des Gutes „Daten“ auf.663 Dass die von einigen Stimmen in der Rechtsprechung und der Literatur vertretene Ablehnung einer auch verbraucherschützenden Tendenz des Ausbeutungsmissbrauchs (und damit die Bejahung des Erfordernisses eines besonderen wettbewerbsschützenden – verstanden als nur wettbewerberschützenden – Zwecks des 659
55.
Dazu Grave, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWB-Novelle, 2017, S. 17, Rn. 50 –
660 S. zu dem Umstand, dass im Rahmen des § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB auch datenschutzrechtswidrig erlangte Daten zu berücksichtigen sind, o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(d) (S. 122 f.). 661 Endler, VuR 2021, 3, 4. 662 Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 327. Anders wohl Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 239 – 243, die nur Auswirkungen auf Werbekunden (also die andere Marktseite) und den Wettbewerb untersuchen will, nicht hingegen auf die Nutzerseite. Ähnlich wie Grothe auch Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 72c. 663 Buchner, WRP 2019, 1243, 1245.
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kartellrechtlichen Einschreitens) bloße Fiktion ist, zeigt sich deutlich bei der Ansicht, die diese Ablehnung allein im Verlangen einer strikten Kausalität kondensiert664, bereits darin, dass es willkürlich anmutet, die Kartellbehörden nur einschreiten zu lassen, wenn die Ausbeutung auf der Marktbeherrschung beruht, aber nicht, wenn sie ausschließlich auf anderen Ursachen fußt. Ein Mehr oder Weniger an Leistungswettbewerb lässt sich nämlich in keiner dieser beiden Konstellationen feststellen, sodass allein mit dieser Begründung eine Ungleichbehandlung ausscheiden muss. Im Ergebnis gibt es auch im Datenschutzrecht Bereiche, die keinen Wettbewerbsbezug haben. Das gilt etwa für das Arbeitnehmerdatenschutzrecht nach § 26 BDSG. Gleichzeitig sind auch noch die Besonderheiten zweiseitiger Märkte zu berücksichtigen. Die exzessive rechtswidrige Datensammlung auf der Nutzerseite wirkt sich nämlich nicht nur auf dieser aus. Vielmehr verbessert der Plattformbetreiber dadurch seine Marktstellung auf der anderen Marktseite, also in vielen Fällen auf dem Werbemarkt. Auch auf dieser Marktseite werden damit die Wettbewerbsverhältnisse nachteilig verändert.665 Die nachteilige Auswirkung auf den Wettbewerb läge dann in dem hierdurch verursachten Tipping des Marktes beziehungsweise jedenfalls in der erhöhten Gefahr eines Tipping.666 Sollten derartige Wirkungen des Verhaltens festzustellen sein, so handelt es sich eher um eine Form des Behinderungs- denn eine des Ausbeutungsmissbrauchs, denn Ratio für den Einsatz des Kartellrechts ist dann die die Wettbewerber behindernde Wirkung des Verhaltens.667 Dies hindert jedoch nicht die Anwendung des Missbrauchstatbestands, denn die Übergänge zwischen den einzelnen Missbrauchsvarianten sind nicht starr. Wenn die nachteiligen Auswirkungen des Verhaltens nicht allein in der Ausbeutung gefunden werden, sondern vielmehr auch in direkten Nachteilen für den Wettbewerb und für Wettbewerber, so steht die Rechtsanwendung von Anfang an auch nicht in der Kritik, die Funktion des Ausbeutungsmissbrauchs als Notbehelf668 zu überdehnen. Die Ratio der Rechtsanwendung liegt dann unmittelbar im guten Funktionieren des Wettbewerbs.669 664 Etwa bei Lohse, NZKart 2020, 292, 298 (= Lohse, in: FS Wiedemann, S. 373). Vgl. dazu u. § 5.C.I.3.c) (S. 159 – 175). 665 G. Schneider, J. Eur. Comp. L. & Prac. 9 (2018), 213, 224 f. 666 Monopolkommission, Sondergutachten 68 – Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte, 2015, S. 173 (Rn. 525). Vgl. dazu Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 213. 667 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 247 – 250. 668 Vgl. Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 185. 669 Ähnlich J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 86 – 88: Der Konditionenmissbrauch sei anders zu behandeln als die Preishöhenkontrolle, auch weil ersterer eher Elemente einer Wettbewerberbehinderung habe. Daher sei seine Einordnung als bloße ultima ratio nicht zwingend.
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Dieser Befund entbindet den Rechtsanwender jedoch nicht davon, zu beurteilen, ob die Wirkung des Verhaltens eher in der Behinderung oder der Ausbeutung liegt. Denn für letzteren Fall gelten, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, nach hier vertretener Auffassung strengere Anforderungen für den Nachweis des Zusammenhangs.670 c) Der Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauch Die Frage des Zusammenhangs zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem missbräuchlichen Verhalten beschäftigt die Forschung seit Langem671, praktische Relevanz war ihr aber bisher kaum beschieden672, was auch daran liegen dürfte, dass dieses Tatbestandsmerkmal beim Behinderungsmissbrauch weit verstanden wird. Das dürfte sich mit dem Aufkommen des Problemkreises „Missbrauch durch Rechtsbruch“ ändern. Denn anders als in „klassischen“ Konstellationen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gibt es für dieses missbräuchliche Verhalten auch alternative Erklärungsmöglichkeiten wie etwa die Apathie der Verbraucher dem Datenschutz gegenüber. Es kommt also zum Schwur, ob – und in welcher Form – der Nachweis des Zusammenhangs erforderlich ist, um ein bestimmtes Verhalten unter die Missbrauchsverbotstatbestände zu fassen (aa) – cc))673. Der Nachweis – und damit ein Schwerpunkt der neueren Diskussion – stellt eine besondere Herausforderung der Fallgruppe des Missbrauchs durch Datenschutzrechtsbruch dar (dd))674. Der Feststellung eines Zusammenhangs – sofern man diesen nicht generell für entbehrlich hält – bedarf es nur beim (praktisch wichtigeren) Prüfkonzept der normativen Betrachtung. Beim Vergleichsmarktkonzept entfällt dieser Prüfungspunkt hingegen, da sich die Kausalität der Marktmacht für das missbräuchliche Verhalten bereits aus der Abweichung vom hypothetischen Verhalten auf dem wettbewerblich geprägten Vergleichsmarkt ergibt.675
670
S. u. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 175). Das Problem des Zusammenhangs wurde etwa von Mestmäcker bereits bei seiner Antrittsvorlesung im Jahre 1958 – im Jahr des Inkrafttretens des GWB und damit des Missbrauchsverbots im deutschen Recht (vgl. § 22 Abs. 3 GWB i. d. F. v. 01. 01. 1958, BGBl. I 1957, 1081) – an mehreren Stellen angesprochen. Er positionierte sich i. S. e. strengen Kausalitätserfordernisses, vgl. Mestmäcker, Das marktbeherrschende Unternehmen im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1959, S. 10, 16 f., 21 – 23. 672 So Fuchs, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV, Rn. 136; Jung, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), EUV/AEUV, 56. EL 2015 (Werkstand 74. EL 2021), Art. 102 AEUV, Rn. 138. Vgl. zum Streit um das Erfordernis bei Erlass des GWB Satzky, NZKart 2018, 554, 555 f. 673 S. 161 – 170. 674 S. 170 – 175. 675 Fokken, PinG 2019, 195, 198. 671
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Im Folgenden soll zwischen zwei Begriffen unterschieden werden, die in der Literatur für diesen Problemkreis teilweise synonym verwendet werden: Zusammenhang und Kausalität. Kausalität soll hier das bezeichnen, was im Schrifttum teilweise auch strenge Kausalität oder Handlungskausalität genannt wird, nämlich den Ursachenzusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten im Sinne einer conditio sine qua non. Der Begriff des Zusammenhangs676 hingegen ist weiter als der der Kausalität. Er bezeichnet eine Form des Zusammenwirkens der beiden Tatbestandsmerkmale marktbeherrschende Stellung und missbräuchliche Ausnutzung beziehungsweise Missbrauch, die nicht den instrumentellen Einsatz der marktbeherrschenden Stellung erfordert. Entscheidend für den Nachweis des Zusammenhangs ist vielmehr und einzig, dass die besondere wettbewerbsschädliche Wirkung des missbräuchlichen Verhaltens auf der marktbeherrschenden Stellung beruht. Beide Begriffe werden unter cc)677 detaillierter ausgearbeitet. Bevor jedoch auf das Zusammenhangserfordernis im Detail eingegangen werden kann, bedarf es zunächst der Beantwortung der Frage, warum hier der Zusammenhang neben dem Wettbewerbsbezug als eigenständige Voraussetzung behandelt wird.678 In der Literatur wird mitunter von einer Alternativität dieser Voraussetzungen ausgegangen; nur einer dieser Begründungsstränge sei erforderlich, um den Wettbewerbsbezug eines Datenschutzverstoßes zu begründen.679 Diese Alternativität genügt jedoch nicht, um den Anwendungsbereich der Missbrauchskontrolle auf das nach ihrem Sinn und Zweck Erforderliche zu beschränken. Wie bereits ausgearbeitet, erfordert der Schutzzweck die Feststellung wettbewerbswidriger Wirkungen eines Verhaltens. Gäbe es diese Wirkungen nicht, so würde kein Wettbewerbsproblem adressiert werden. Andererseits, und das wird im Folgenden noch zu zeigen sein, ist es erforderlich, das Verhalten beziehungsweise seine Wirkungen auf die marktbeherrschende Stellung zurückführen zu können, um den Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots nicht zu entgrenzen. Allein das Erfordernis des Zusammenhangs kann die notwendige Abgrenzung leisten zu Rechtsverstößen, die gleichermaßen durch nicht-marktbeherrschende Unternehmen begangen werden (können).680 676
Auch normative Kausalität, Ergebnis- oder Erfolgskausalität genannt. S. 167 – 170. 678 Für eine doppelte Voraussetzung von Wettbewerbsbezug und Zusammenhang (Kausalität) auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 94. 679 Vgl. den Überblick bei Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 199 – 217. 680 Vgl. bereits Kubiciel, WuW 2004, 162, 168: „Dieser Funktionsbezug sondert solche Fälle aus dem Machtmissbrauchsverbot aus, in welchen zwar die Verfehlung außerwettbewerblicher Zwecke konstatiert werden muss, der Mechanismus der privatautonomen Interessenkoordinierung aber nicht machtbedingt versagt. Der erforderliche Bezug ist hingegen hergestellt, wenn das in Rede stehende Ziel zwar typischerweise von einem Marktakteur in den 677
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Mit der bisher geringen praktischen Relevanz der Frage nach dem Zusammenhang einher geht eine überschaubare Judikatur, die zudem meist andere – spezielle – Konstellationen betrifft. Auf diese Rechtsprechung soll zunächst eingegangen werden. aa) Die europäische Entscheidungspraxis Der EuGH positionierte sich zunächst in zwei Entscheidungen – scheinbar – deutlich gegen das Erfordernis des Zusammenhangs. Diese Interpretation wird jedoch durch mehrere nachfolgende Entscheidungen relativiert. In Continental Can ging es im Kern um die Kontrolle eines Unternehmenszusammenschlusses, die vor Inkrafttreten der FKVO681 allenfalls über die Missbrauchsaufsicht möglich war. Nach Ansicht der Kommission hatte Continental Can seine beherrschende Stellung dadurch missbraucht, dass über ein Tochterunternehmen Anteile eines Konkurrenten eines weiteren Tochterunternehmens erworben wurden.682 In seiner Leitentscheidung billigte der EuGH die grundsätzliche Anwendbarkeit des Missbrauchsverbots als eine Art Zusammenschlusskontrolle sui generis.683 Er traf hierbei auch die Feststellung, dass Art. 3 lit. f EWGV684 unmittelbar anwendbares Recht sei und nicht lediglich ein rechtlich unverbindlicher Programmsatz.685 Daraus – und aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Kartellverbot – leitete der EuGH ab, dass vom Missbrauchsverbot auch Formen des sogenannten (Markt-)Strukturmissbrauchs erfasst sind.686 Das betroffene Unternehmen rügte jedoch die fehlende Kausalität zwischen marktbeherrschender Stellung und dem missbräuchlichen Verhalten.687 Hierzu stellte der EuGH fest: Bei diesem Sinn und dieser Tragweite des Artikels 86 EWG-Vertrag [= Art. 102 AEUV] kommt es auf die von den Klägerinnen aufgeworfene Frage des ursächlichen Zusammenvertraglichen Koordinierungsprozess eingeführt wird, der Marktbeherrscher dies hier aber durch die Wettbewerbsbeschränkung verhindert.“ 681 FKVO 1989 (Verordnung [EWG] Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989 L 395, 1; aufgehoben durch Art. 26 Abs. 2 FKVO). 682 Europäische Kommission, Entsch. v. 09. 12. 1971, Continental Can, IV/26.811, ABl. 1972 L 7, 25, Rn. 22 – 31. 683 EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU: C:1973:22, Rn. 21. 684 Nunmehr Protokoll Nr. 27, s. o. § 5.C.I.1.a) (S. 77 – 78). 685 EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU: C:1973:22, Rn. 23. 686 EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU: C:1973:22, Rn. 25 f. 687 Vgl. die Urteilsanmerkung von Gleiss, AWD 1973, 269, 271.
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hangs, der nach ihrer Ansicht zwischen der beherrschenden Stellung und der mißbräuchlichen Ausnutzung bestehen muß, nicht an, denn die Verstärkung der Stellung eines Unternehmens kann ohne Rücksicht darauf, mit welchen Mitteln und Verfahren sie erreicht worden ist, mißbräuchlich und nach Artikel 86 des Vertrages verboten sein, sofern sie die vorstehend beschriebenen Wirkungen hervorruft.688
Auf diese Ausführungen gestützt, wird im Schrifttum häufig das Erfordernis eines Zusammenhangs abgelehnt.689 Dagegen wird man jedoch den Ausnahmecharakter der Entscheidung als Zusammenschlusskontrolle sui generis zu berücksichtigen haben, der ein derart – gewissermaßen notgedrungen – weites Verständnis des EuGH erklären kann.690 Eine deutliche Ablehnung ist in der zitierten Passage nur, aber immerhin, im Hinblick auf ein striktes Kausalitätserfordernis zu sehen. Eine Absage an ein schlichtes Zusammenhangserfordernis zwischen der marktbeherrschenden Stellung und den negativen Marktwirkungen ist darin hingegen nicht enthalten.691 Deutlicher wurde der EuGH freilich in der diverse Rabattgestaltungen betreffenden Entscheidung Hoffmann-La Roche: Der Qualifizierung als einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung läßt sich auch nicht die von der Klägerin vorgeschlagene Auslegung entgegenhalten, der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung setze voraus, daß die durch eine beherrschende Stellung erlangte Wirtschaftskraft als Mittel für die Verwirklichung des Mißbrauchs eingesetzt werde. Der Begriff der mißbräuchlichen Ausnutzung ist vielmehr ein objektiver Begriff. Er erfaßt die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.692 688 EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU: C:1973:22, Rn. 27. 689 Vgl. beispielsweise Jones/Sufrin/Dunne, EU Competition Law, 7. Aufl. 2019, S. 367; Thompson/Brown/Gibson, in: Bailey/John (Hrsg.), Bellamy & Child, European Union Law of Competition, 8. Aufl. 2018, Rn. 10.009. Plakativ Emmerich, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, 36. EL 2014 (Werkstand 53. EL 2021), H. I. § 3 Art. 102 AEUV, Rn. 59: „Deshalb sollte daran festgehalten werden, dass es auf eine wie immer [sic!] geartete Kausalität zwischen der Macht des beherrschenden Unternehmens und dem missbräuchlichen Verhalten nicht ankommt, und zwar schon deshalb nicht, weil dem Unternehmen in beherrschender Stellung seine Macht, die ja nichts anderes als eine zusammenfassende Bezeichnung seiner besonderen Stellung auf den Märkten ist, schattengleich folgt, so dass man sie bereits gedanklich nicht von dem Verhalten des Unternehmens trennen kann.“ (Hervorhebungen im Original). 690 Darauf verweisen auch O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU, 3. Aufl. 2020, S. 316 (bei Fn. 234). 691 Mestmäcker, in: FS Raisch, 1995, S. 441, 457. 692 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 91.
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„Missbrauch“ ist demnach also ein „objektiver Begriff“. Mit einigem Aufwand wird hier der Wortlaut des (nunmehr) Art. 102 UAbs. 1 AEUV abgewandelt, in dem eigentlich die „missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ verlangt wird. Nach der Interpretation durch den EuGH in dieser Entscheidung geht es hingegen vielmehr um „Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung“: Das Element der Ausnutzung lässt er hierdurch entfallen. Das ermöglichte dem EuGH eine Auslegung, die auf den Zusammenhang gänzlich verzichtete, während er dadurch jedoch den Wortlaut der Norm überstrapazierte. Eilmansberger weist auf einen Wertungswiderspruch in der Entscheidung Hoffmann-La Roche hin: Einerseits wird an der soeben zitierten Stelle das Zusammenhangserfordernis rundheraus abgelehnt. Andererseits wendete der EuGH die in United Brands entwickelte693 (und auch heute noch von ihm gebrauchte) Definition der marktbeherrschenden Stellung an, wonach damit die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint sei, „die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten“.694 Das marktbeherrschende Unternehmen muss also – gerade – durch seine Marktstellung „in die Lage versetzt“ werden; diese muss „ihm die Möglichkeit verschaff[en]“. Bereits in dieser Definition klingt also ein Konnex zwischen den beiden Tatbestandsmerkmalen an.695 Konträr zu den Entscheidungen Continental Can und Hoffmann-La Roche formulierte der EuGH dementsprechend sodann auch in Tetra Pak: Es trifft zu, daß die Anwendung von Artikel 86 [= Art. 102 AEUV] einen Zusammenhang zwischen der beherrschenden Stellung und dem angeblich mißbräuchlichen Verhalten voraussetzt, der in der Regel nicht gegeben ist, wenn sich ein Verhalten auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt dort auswirkt. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um verschiedene, aber verbundene Märkte, so können nur besondere Umstände eine Anwendung von Artikel 86 auf ein Verhalten rechtfertigen, das auf dem verbundenen, nicht beherrschten Markt festgestellt wurde und sich dort auswirkt.696
Ganz ähnlich entschied der EuGH auch in TeliaSonera Sverige.697 In beiden Fällen handelte es sich jedoch wiederum (wie in gewisser Hinsicht auch bei Continental Can) um Sonderkonstellationen, da es hier um Drittmarktbehinderungen ging. Der
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EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 63/66. EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 38. 695 Eilmansberger, C.M.L.R. 42 (2005), 129, 142; Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 274. 696 EuGH, Urt. v. 14. 11. 1996, Tetra Pak, Rs. C-333/94 P, ECLI:EU:C:1996:436, Rn. 27. 697 EuGH, Urt. v. 17. 02. 2011, TeliaSonera Sverige, Rs. C-52/09, ECLI:EU:C:2011:83, Rn. 86. 694
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Gerichtshof mag hier in besonderem Maße um die Eingrenzung ansonsten potenziell uferloser Konstellationen bemüht gewesen sein. Gleichsinnig entschied jedoch auch das EuG in Irish Sugar698, Aéroports de Paris699 und Atlantic Container Line700. Ähnlich äußert sich schließlich auch die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich701 und in der Entscheidung ECS/AKZO702. Die Entscheidungspraxis der europäischen Institutionen scheint damit wenig stringent. Man kann ihr jedoch zumindest entnehmen, dass eine strikte Kausalität nicht nachzuweisen sein soll. Für den im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Konditionenmissbrauch wurde das Zusammenhangserfordernis durch die europäischen Gerichte noch gar nicht untersucht. Bei einer Übertragung der (wie gesehen: ohnehin nicht stringenten) Entscheidungspraxis ist damit Vorsicht geboten. bb) Die deutsche Rechtsprechung Auch die deutsche Rechtsprechung hat sich bisher nicht eindeutig zum Zusammenhangserfordernis positioniert. Mitunter wird gar (strikte) Kausalität zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten verlangt. Dezidierte Aussagen zum hier interessierenden Konditionenmissbrauch finden sich in den Entscheidungen VBL-Gegenwert I und VBL-Gegenwert II des BGH. In diesen Verfahren war über Rechtsstreitigkeiten zwischen der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes (den Beteiligten der VBL) zu entscheiden. Die Beteiligten hatten Gruppenversicherungsverträge für ihre Arbeitnehmer mit der VBL abgeschlossen. Kündigten die Beteiligten den Vertrag, so war nach der VBL-Satzung an die VBL ein bestimmter „Gegenwert“ zu zahlen, der die weiterhin bestehenden Verpflichtungen der VBL gegenüber den Arbeitnehmern der Beteiligten abdecken sollte. Die kündigenden Beteiligten hielten die entsprechende Gegenwert-Regelung der VBL-Satzung für nichtig nach § 134 BGB in Verbindung mit § 19 Abs. 1 GWB. In der ersten VBL-Entscheidung heißt es: Die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch marktbeherrschende Unternehmen kann grundsätzlich einen Missbrauch im Sinne von § 19 GWB 698
EuG, Urt. v. 07. 10. 1999, Irish Sugar, Rs. T-228/97, ECLI:EU:T:1999:246, Rn. 66. EuG, Urt. v. 12. 12. 2000, Aéroports de Paris, Rs. T-128/98, ECLI:EU:T:2000:290, Rn. 164. 700 EuG, Urt. v. 30. 09. 2003, Atlantic Container Line, verb. Rs. T-191/98, T-212/98 bis T-214/98, ECLI:EU:T:2003:245, Rn. 633. 701 Europäische Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich, ABl. 1998 C 265, 2, Rn. 81. 702 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 12. 1985, ECS/AKZO, IV/30.698, ABl. 1985 L 374, 1, Rn. 85. 699
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darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vereinbarung der unwirksamen Klausel Ausfluss der Marktmacht oder einer großen Machtüberlegenheit des Verwenders ist.703
Es stellt demnach zumindest dann einen Anwendungsfall des Konditionenmissbrauchs dar, wenn die angegriffene Geschäftsbedingung „Ausfluss“ der Marktmacht ist: Sie muss sich dafür auf die marktbeherrschende Stellung als conditio sine qua non zurückführen lassen. Andererseits ist die Kausalität nach dieser Rechtsprechung nur „insbesondere“ ein Fall des Konditionenmissbrauchs. Der BGH hat durch seine Formulierung offengelassen, ob es auch Fälle des Konditionenmissbrauchs ohne Kausalität gibt. Die Kausalität wäre dann eine hinreichende, aber keine notwendige Bedingung.704 Vom Zusammenhangserfordernis hat sich der BGH aber in der Entscheidung Hochzeitsrabatte wieder distanziert; hier sprach er sich dezidiert gegen das Erfordernis einer Kausalität aus. In der Entscheidung ging es um eine andere Fallgruppe des Ausbeutungsmissbrauchs, nämlich das Anzapfverbot nach § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB, wonach es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten ist, andere Unternehmen aufzufordern, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren. Die Formulierung, dass das marktbeherrschende Unternehmen „seine Marktstellung dazu ausnutz[en]“ muss, wurde mit der 9. GWB-Novelle gestrichen.705 Der BGH hatte das Anzapfverbot in dem Fall jedoch noch in der Fassung vor der 9. GWB-Novelle anzuwenden. Nach seiner Ansicht kam dem Tatbestandsmerkmal jedoch bereits damals keine eigenständige Bedeutung zu – Kausalität sollte damit beim Anzapfverbot nicht erforderlich sein –, da der erforderliche, aber auch hinreichende Zusammenhang sich schon aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf marktbeherrschende Unternehmen ergebe. Letztlich sieht er das Regelbeispiel als bloße Ausprägung der Generalklausel an, was implizit zu unterstellen scheint, dass der Generalklausel ein Kausalitätserfordernis ebenfalls fremd sei. Damit lehnte er nicht nur ein Erfordernis strenger Kausalität706 ab, sondern ebenso eine bloße normative Kausalität707 (in der vorliegenden Arbeit „Zusammenhang“ genannt).708 703 BGH, Urt. v. 06. 11. 2013, VBL-Gegenwert I, Az. KZR 58/11, BGHZ 199, 1, 14 (Rn. 65). Beinahe wortgleich BGH, Urt. v. 24. 01. 2017, VBL-Gegenwert II, Az. KZR 47/14, NZKart 2017, 242, 243 f. (Rn. 35). 704 Mit diesem Verständnis Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 208. Ähnlich Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 259 (Rn. 679). 705 Zur Entstehungsgeschichte und zur Auslegung unter der Geltung des „Ausnutzungs“Erfordernisses Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 242 f. Zur beschränkten Bedeutung der Streichung Bueren, ZHR 185 (2021), 556, 563 f. 706 In diesem Sinne einschränkend jedoch Säcker/Mohr, WRP 2010, 1, 23. 707 Diese noch annehmend Köhler, WRP 2006, 139, 141; Künstner, WuW 2015, 1093, 1100 f.; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 242. 708 BGH, Beschl. v. 23. 01. 2018, Hochzeitsrabatte, Az. KVR 3/17, NZKart 2018, 136, 143 f. (Rn. 79 – 86).
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Bemerkenswerterweise meinte der BGH in der Entscheidung Hochzeitsrabatte noch ergänzend im Hinblick auf die Fallgruppe der unbilligen Behinderung und Diskriminierung in § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB: Eine Kausalität zwischen Vorteil und Marktmacht ist beim Tatbestandsmerkmal „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“ in § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB ebenso wie bei § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB nicht zu prüfen.709
Entsprechende Ausführungen zum Konditionenmissbrauch fehlen hingegen.710 Bei den VBL-Entscheidungen ging es um missbräuchliches Verhalten, das auf demselben Markt auftrat, auf dem auch die beherrschende Stellung bestand. Belege für ein striktes Kausalitätserfordernis finden sich im Übrigen in der Rechtsprechung hingegen in Fällen der Drittmarktbehinderung, also in solchen, in denen der beherrschte Markt von demjenigen, auf dem der Missbrauch auftritt, zu unterscheiden ist.711 Ratio des strengen Kausalitätserfordernisses ist in diesen Drittmarktkonstellationen, dass Wettbewerber auf dem Drittmarkt zwar geschützt werden sollen, aber eben nur vor den Äußerungen der Marktstellung des Marktbeherrschers712, aber eben nicht vor Wirkungen normalen wettbewerblichen Verhaltens. Es ist in den Drittmarktkonstellationen zu vermeiden, dass die Anwendung des Missbrauchsverbots auf Drittmärkten zu einem allgemeinen Schutz vor (nicht von einer marktbeherrschenden Stellung gestützten) Konkurrenz verkommt, was nur durch ein striktes Kausalitätserfordernis erreicht werden kann. Auch der deutschen Rechtsprechung lassen sich hiernach keine definitiven Aussagen zum Zusammenhangserfordernis entnehmen. Klar lässt sich jedoch feststellen, dass es im Fall der Drittmarktbehinderung einer strikten Kausalität bedürfen 709 BGH, Beschl. v. 23. 01. 2018, Hochzeitsrabatte, Az. KVR 3/17, NZKart 2018, 136, 137 (Rn. 16). 710 Mit beachtlichen Gründen gegen eine Übertragung auf andere Fallgruppen des Missbrauchsverbots Satzky, NZKart 2018, 554, 559. 711 BGH, Urt. v. 23. 02. 1988, Sonderungsverfahren, Az. KZR 17/86, WuW/E BGH 2483, 2490; Urt. v. 04. 11. 2003, Strom und Telefon, Az. KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 382 f.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 11. 2015, Hochzeitsrabatte, Az. VI-Kart 6/14 (V), NZKart 2015, 541, 543. Vgl. zur zuletzt genannten Entscheidung jedoch Bechtold/Bosch, Kartellgesetz, 10. Aufl. 2021, § 19 Rn. 86, wonach der Gesetzgeber auf diese Entscheidung mit der Streichung des „Ausnutzungs“-Erfordernisses reagiert habe. Kritisch jedoch, dem Gesetzgeber diese Absicht zu unterstellen, und mit einer gut nachvollziehbaren anderen Begründung Satzky, NZKart 2018, 554, 559. Entsprechend der Gesetzesänderung wurde die Entscheidung des OLG jedoch durch den BGH aufgehoben, vgl. die bereits besprochene Entscheidung BGH, Beschl. v. 23. 01. 2018, Hochzeitsrabatte, Az. KVR 3/17, NZKart 2018, 136. Weiterhin in einem Fall, der keine Drittmarktbehinderung betraf, OLG Frankfurt, Urt. v. 09. 12. 2014, Kabel Deutschland, Az. 11 U 95/13 (Kart), NZKart 2015, 107, 108. In einem weiteren keine Drittmarktbehinderung betreffenden Fall verlangte das KG lediglich einen Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und Marktentwicklung, also keine strenge Kausalität, KG, Urt. v. 26. 01. 1977, Kombinationstarif, Az. Kart. 27/76, WuW/E OLG 1767, 1770 f. Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 12. 07. 2017, Einspeisung von Fernsehprogrammsignalen III, Az. VI-U (Kart) 16/13, NZKart 2017, 481, 483. 712 BGH, Urt. v. 04. 11. 2003, Strom und Telefon, Az. KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 383.
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soll. Für den Konditionenmissbrauch scheint die Kausalität nach Ansicht des BGH lediglich eine hinreichende Bedingung darzustellen. Ob es darüber hinaus Fälle eines bloß losen oder auch gar keines Zusammenhangs geben kann, ist hingegen offen. In beiden Rechtskreisen, das heißt der europäischen und der deutschen Entscheidungspraxis, ist ein – gar dogmatisch fundierter – Ansatz zur Frage des Zusammenhangserfordernisses mithin nicht erkennbar. cc) Eigener Ansatz Der Wortlaut des Missbrauchsverbots – als Ausgangspunkt jeder Auslegung – im deutschen wie im europäischen Kartellrecht ist dahingegen reichlich klar in Bezug auf die Frage, ob es eines Zusammenhangs bedarf: Art. 102 Abs. 1 AEUV und § 19 Abs. 1 GWB verbieten die „missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ beziehungsweise den „Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“. Bis zur 10. GWB-Novelle sprach auch § 19 Abs. 1 GWB noch von der „missbräuchlichen Ausnutzung“. Die Begriffe des „Missbrauchs“ und der „Ausnutzung“ implizieren einen instrumentellen Einsatz der Stellung.713 Die Normen verlangen gerade nicht schlicht ein missbräuchliches Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens.714 Damit muss in jedem Fall eine Art von Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten bestehen.715 Damit ist jedoch noch nicht gesagt, welche Qualität des Zusammenhangs zu verlangen ist. Die Meinungen im Schrifttum reichen von einem (lockeren) Erfordernis eines Zusammenhangs im Sinne normativer oder Ergebniskausalität716 bis zu Ansichten, die strenge Kausalität verlangen717. 713 Deutlich Gleiss, AWD 1973, 269, 271: „Damit ist im Gesetz doppelt ausgesprochen, daß die Stellung ,gebraucht‘ und ,benutzt‘ sein muß: Kein Missbrauch ohne Gebrauch, und keine Ausnutzung ohne Benutzung. Dazu kommt noch 3., daß ,Missbrauch‘ ein besonders intensiver, ja verwerflicher Gebrauch ist und 4. daß ,Ausnutzung‘ eine besonders intensive und verwerfliche Benutzung ist.“ So wohl auch Engert, AcP 218 (2018), 304, 373. S. auch GA Roemer, Schlussanträge v. 21. 11. 1972, Europemballage Corporation und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU:C:1972:101, S. 255. 714 Mit dieser Interpretation hingegen EuGH, Urt. v. 13. 02. 1979, Hoffmann-La Roche, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Rn. 91. 715 Anders Thompson/Brown/Gibson, in: Bailey/John (Hrsg.), Bellamy & Child, European Union Law of Competition, 8. Aufl. 2018, Rn. 10.009; Lettl, WuW 2016, 214, 215 f., der dies mit der „besonderen Verantwortung“ des marktbeherrschenden Unternehmens begründet. Ebenso Pomana/M. Schneider, BB 2018, 965, 974, die die Kausalität gleichwohl bejahen. 716 J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 217 – 225; Bischke/Brack, NZG 2016, 502, 504; Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 273; Fuchs, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 72; Jones/Sufrin/Dunne, EU Competition Law, 7. Aufl. 2019, S. 367; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2014, § 16 Rn. 42; Möschel, Der Oligopolmissbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, S. 205 – 207; Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kar-
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Ratio der Missbrauchsaufsicht ist die – mit den Mitteln des Rechts, nicht des Wettbewerbs, erzwungene (da letzterer diese Aufgabe im Sinne eines Findungsverfahren im Einzelfall nicht mehr wahrnehmen kann) – Herstellung von wettbewerbsanalogen Marktbedingungen.718 Daraus folgt freilich nur, dass ein Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und den Folgen, die das missbräuchliche Verhalten für den Wettbewerb hat, bestehen muss.719 Dieser (lockere) Zusammenhang, auch normative oder Ergebniskausalität genannt, verlangt, dass die negativen Folgen für den Wettbewerb720 sich gerade deshalb zeigen, weil das Unternehmen marktbeherrschend ist. Dieser Zusammenhang genügt – eine strikte Kausalität zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten ist mithin nicht nachzuweisen –, weil die Missbrauchsaufsicht in der Fallgruppe des Ausbeutungsmissbrauchs die Herstellung eines bestimmten Ergebnisses bezweckt; das eingesetzte Mittel ist bei der Bestimmung der Wettbewerbsanalogie nicht von Belang. Eine Auslegung, die das Zusammenhangserfordernis missachtete, würde hingegen den Auftrag des Protokolls Nr. 27721 ignorieren. Besonders in Bezug auf den Komplex „Missbrauch durch (Datenschutz-)Rechtsbruch“ verkäme das Kartellrecht dann gleichsam zu einem Sanktionsanhängsel.722 Dementsprechend heißt es auch in der Definition der marktbeherrschenden Stellung des EuGH, das Unternehmen müsse durch seine Stellung „in die Lage versetzt [werden], die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten“.723 Die Möglichkeit zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs folgt demnach direkt aus der marktbeherrschenden Stellung. tellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 211; Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 34. 717 Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Aufl. 2016, § 6 Rn. 90; Körber, NZKart 2016, 348, 351 f.; Körber, ZUM 2017, 93, 100; Nuys, WuW 2016, 512, 519; G. Schneider, J. Eur. Comp. L. & Prac. 9 (2018), 213, 224; Thomas, NZKart 2017, 92, 95 f.; Wiedmann/Jäger, K&R 2016, 217, 220. Differenzierend Eilmansberger, C.M.L.R. 42 (2005), 129, 143; Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 277; Franck, ZWeR 2016, 137, 151; Steinvorth, WuW 2019, 528, 529 (Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook [Eilverfahren], Az. VI-Kart 1/19 [V], NZKart 2019, 495). 718 S. o. § 5.C.I.1.e) (S. 79 f.); Thomas, NZKart 2017, 92, 95. 719 Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 274. 720 S. o. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). 721 S. o. § 5.C.I.1.a) (S. 77 – 78). 722 Franck, ZWeR 2016, 137, 152. 723 EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 63/66 (Hervorhebung hinzugefügt). S. o. § 5.C.I.3.c)aa) (S. 161 – 164).
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Vor diesem Hintergrund sind auch die Ausführungen des EuGH in Continental Can724 stimmig. Bei einem Marktstrukturmissbrauch kann das missbilligte Verhalten notwendigerweise nur durch ein marktbeherrschendes Unternehmen durchgeführt werden. Der Eingriff in die Marktstruktur kann dann denklogisch nur auf der Marktmacht des Unternehmens beruhen. Die marktbeherrschende Stellung war in diesem Fall also sogar conditio sine qua non für das missbräuchliche Verhalten und für das Marktergebnis. Gesonderte Feststellungen in Bezug auf das notwendigerweise Vorliegende wären überflüssig gewesen.725 Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass es für andere Formen des Missbrauchs der Feststellung des Zusammenhangs gleichwohl bedarf. Das erklärt auch den Umstand, dass in der Rechtsprechung das Erfordernis besonders betont wird bei Fällen der Drittmarktbehinderung. Hier bedarf es aufgrund der Verschiedenheit der betroffenen Märkte – ganz im Gegensatz zu Fällen des Marktstrukturmissbrauchs – der gesonderten Begründung des Zusammenhangs. Wieder anders liegen die Dinge jedoch im hier besonders interessierenden Fall des Konditionenmissbrauchs. Das kartellrechtlich Verbotene ist hier eins mit dem außerkartellrechtlich Verbotenen; Handlung und Marktwirkung sind identisch.726 Die Handlung selbst begründet beim Ausbeutungsmissbrauch den Vorwurf des Missbrauchs, nicht erst eine behindernde Wirkung wie beim Behinderungsmissbrauch, bei dem sich die negativen Folgen erst in der Verschlechterung der Marktposition der Wettbewerber zeigen.727 Bricht etwa ein (marktbeherrschendes) Unternehmen Datenschutzrecht, so tritt die negative Marktwirkung im Einzelfall unmittelbar ein. Die nachteiligen negativen Folgen auf den Wettbewerb ergeben sich erst aus der Kumulation einer Vielzahl von Fällen, was jedoch für die Frage der Ausbeutung des einzelnen Nutzers unerheblich ist. Es handelt sich damit beim Ausbeutungsmissbrauch um etwas kategorisch anderes als beim Behinderungsmissbrauch, als nur bei letzterem eine Verschlechterung der Marktstellung der Wettbewerber eine notwendige Bedingung ist. Das macht eine strengere Handhabung des Ausbeutungsmissbrauchs erforderlich, dessen Anwendungsbereich ansonsten jede Kontur verlöre, da dann jedes ausbeuterische Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens hierunter fiele, also auch solches, das genauso gut nicht-marktbeherrschende Unternehmen vornehmen könnten.728 Diese Erkenntnis zwingt dazu, in Fällen des Konditionenmissbrauchs strikte Kausalität 724 EuGH, Urt. v. 21. 02. 1973, Europemballage und Continental Can, Rs. 6/72, ECLI:EU: C:1973:22, Rn. 27. 725 Ähnlich Eilmansberger, C.M.L.R. 42 (2005), 129, 141. Er versteht die Passage jedoch nur als Absage an ein striktes Kausalitätserfordernis. 726 Satzky, NZKart 2018, 554, 557. 727 Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 173. 728 Buiten, in: Beyer et al. (Hrsg.), Privatrecht 2050 – Blick in die digitale Zukunft, 2020, S. 311, 326.
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zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten (also der Verwendung unzulässiger Konditionen) zu verlangen.729 In diesem Erfordernis zeigt sich der Regelungsauftrag des Missbrauchsverbots im Bereich des Ausbeutungsmissbrauchs in besonderer Deutlichkeit. Das kartellrechtliche Instrumentarium soll da Anwendung finden, wo sich ein Monopolproblem offenbart. Dieses Instrumentarium ist – anders als beispielsweise das des Datenschutzrechts – darauf ausgelegt, Probleme, die ihren Ursprung in fehlendem Wettbewerb haben, an der Wurzel zu packen. Daher kann es beim Ausbeutungsmissbrauch nur angezeigt sein, dieses Instrumentarium einzusetzen, wenn es sich bei dem Verhalten auch tatsächlich um eine Äußerung der marktbeherrschenden Stellung handelt, wenn also Kausalität zu bejahen ist. Anders ist dies beim Behinderungsmissbrauch, bei dem das Monopolproblem sich in der Behinderung und Marktabschottung zum Nachteil von Konkurrenten zeigt, denn hier liegt der Schaden bereits in der Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen, sodass hier bereits ein schlichter Zusammenhang (Ergebniskausalität) genügt. dd) Nachweis des Zusammenhangs Damit ist etabliert, dass in Fällen des Konditionenmissbrauchs strikte Kausalität zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem missbräuchlichen Verhalten nachzuweisen ist. Wie lässt sich ein derartiger Beweis, insbesondere im Hinblick auf den Datenschutzrechtsbruch, erbringen? Es kann weder richtig sein, die Kausalität ungeachtet des Einzelfalls mit dem Argument zu bejahen, nur ein marktbeherrschendes Unternehmen könne missbräuchliche und rechtswidrige Geschäftsbedingungen durchsetzen.730 Gegen diese 729 Ähnlich Eilmansberger, C.M.L.R. 42 (2005), 129, 143; Eilmansberger/Bien, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 102 AEUV, Rn. 277; Franck, ZWeR 2016, 137, 151. Ähnlich auch Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 230 – 234, die ihre Ansicht sowohl mit Schutzzweckerwägungen als auch mit dem Hinweis auf sonst drohende Kompetenzüberschneidungen begründet. Das Kriterium der Kausalität ist freilich nicht geeignet, derartige Überschneidungen zu verhindern, denn ein Unternehmen, das seine marktbeherrschende Stellung instrumentell einsetzt, sähe sich nach wie vor zwei Sanktionssystemen ausgesetzt für dasselbe Verhalten. So verstanden bietet das Kausalitätserfordernis damit auch nicht umfassend den von Grothe unterstellten Zweck der Zuständigkeitsabgrenzung. Die Argumentation mit Kompetenzbereichen ist auch zirkelschlüssig, denn sie unterlässt es, aufzuzeigen, wo der Kompetenzbereich der Kartellbehörden zweckmäßigerweise enden soll (so ebd. S. 234). So verstanden, wäre Kartellrecht dann und insoweit anwendbar, wenn und weil es anwendbar ist. Damit bleibt aber nach wie vor unklar, wo die Grenze liegt für Fälle, die sinnvollerweise Kartellbehörden bearbeiten, und solche, die zweckmäßigerweise in die Zuständigkeit der Datenschutz- und Verbraucherschutzbehörden gehören. 730 So jedoch Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten, 2018, S. 214; O’Donoghue/Padilla, The Law and Economics of Article 102 TFEU,
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schematische Betrachtung spricht, dass auch Alternativszenarien denkbar sind: Die erfolgreiche Durchsetzung datenschutzrechtswidriger Geschäftsbedingungen kann (auch) durch Informations- und Motivationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien ermöglicht werden. Genauso verbietet sich jedoch auch eine schematische Ablehnung unter dem Hinweis auf diese möglichen Alternativszenarien.731 (1) Doppelkausalität? Die namentlich von Bien angestellten Überlegungen hinsichtlich der Möglichkeit einer Doppelkausalität sind nicht zur Lösung dieses Problems geeignet.732 Problematisch werden sie dann, wenn durch den Hinweis auf mögliche alternative Ursachen die Kausalität der marktbeherrschenden Stellung in Abrede gestellt werden soll.733 Die Figur der Doppelkausalität stammt aus dem Straf- und Deliktsrecht.734 Es handelt sich um Konstellationen, in denen mehrere Ursachen für einen Erfolg gesetzt wurden. Jede dieser Ursachen hätte dabei für sich genommen kausal werden können. Eine strikte Anwendung der Formel conditio sine qua non735 müsste hier dazu gelangen, dass keine der Ursachen kausal wurde, weil jede für sich hinweggedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg entfiele. Der BGH behilft sich in Strafsachen mit einer Modifikation der conditio-Formel: Alle Handlungen sind demnach dann kausal für den Erfolg, wenn sie zwar alternativ, nicht jedoch kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele.736 Der überwiegende Teil des Schrifttums gelangt unter Anwendung der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung zum gleichen Ergebnis.737 Auch im Deliktsrecht will der BGH die conditio-Formel in gleicher Weise modifizieren.738 3. Aufl. 2020, S. 264 f. (für den Preishöhenmissbrauch); Vogelenzang, C.M.L.R. 13 (1976), 61, 68. 731 Gleichwohl in Richtung pauschalem Ausschluss der Kausalität speziell im FacebookFall Nuys, WuW 2016, 512, 518; Podszun/Toma, NJW 2016, 2987, 2993 (gleichartige Verstöße durch kleinere Anbieter widerlegten die These, der Datenschutzrechtsbruch sei allein Marktbeherrschern möglich); Wiedmann/Jäger, K&R 2016, 217, 220; Wiemer, WuW 2018, 53, 161 (die rationale Apathie der Verbraucher als Alternativszenario). 732 Bien, Das Facebook-Verfahren des Bundeskartellamts, 20. 12. 2017; Bien, Concurrences N81 – 2018, 201, 203. 733 Insoweit auch kritisch Guski, ZWeR 2019, 272, 303. 734 Zum Strafrecht Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 11 Rn. 25 f.; zum Deliktsrecht Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl. 1987, S. 434. 735 Eine Handlung ist hiernach kausal, wenn sie nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der Erfolg entfiele. 736 BGH, Urt. v. 30. 03. 1993, Az. 5 StR 720/92, BGHSt 39, 159, 197 f.; entwickelt von Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 44 f. 737 Etwa Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931, S. 21; Freund, in: Münchener Kommentar StGB, 4. Aufl. 2020, Vorb. zu § 13 Rn. 334, 340.
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Wenn Bien nun unterstellt, diese Grundsätze können ebenfalls auf Konstellationen des Konditionenmissbrauchs angewendet werden739, verdeckt das nur den Kern des Problems: Die Überlegungen lassen die Frage offen, ob denn die marktbeherrschende Stellung tatsächlich kausal gewirkt hat, was auch im Falle unterstellter Doppelkausalität zu klären bleibt. Nach wie vor bleibt in diesen Fällen die empirische Frage offen, ob die marktbeherrschende Stellung – wenn auch eventuell bloß als eine von mehreren Bedingungen – kausal für den Datenschutzrechtsverstoß geworden ist. Der Verweis auf die Doppelkausalität kann diesen Prüfungspunkt nicht entfallen lassen.740 (2) Negativbeweis Wie kann nun aber die Kausalität der marktbeherrschenden Stellung für das missbräuchliche Verhalten nachgewiesen werden? Eine Möglichkeit ist, den Beweis negativ zu führen durch den Ausschluss alternativer Ursachen.741 Wenn alle denkbaren alternativen Ursachen eliminiert werden können, so bleibt es allein bei der marktbeherrschenden Stellung als einziger verbleibender Ursache für das missbräuchliche Verhalten. Im Falle des Konditionenmissbrauchs durch Datenschutzrechtsbruch werden als Alternativursachen namentlich Informationsasymmetrien auf Seiten der Verbraucher ins Feld geführt. Zu diesem Ausschluss von Ersatzursachen gibt Franck einige Ansatzpunkte: Zum einen seien Informationsasymmetrien unwahrscheinlich, wenn dem Rechtsgeschäft ein ungewöhnlich hohes Transaktionsvolumen742 zugrunde liege oder ein unüblicher Verzicht auf die eigenen AGB erklärt werde. In beiden Fällen könne nicht von Informationsasymmetrien ausgegangen werden: Der Verzicht auf die eigenen Rechte dürfte in diesen Fällen regelmäßig bewusst und freiwillig stattfinden.743 Beide 738 BGH, Urt. v. 20. 02. 2013, Az. VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018, 2019 (Rn. 27). Auch hier im Ergebnis gleiche Lösungsansätze in der Literatur: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. 1996, Rn. 153; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl. 2003, S. 156 f. 739 Bien, Das Facebook-Verfahren des Bundeskartellamts, 20. 12. 2017; Bien, Concurrences N81 – 2018, 201, 203. 740 Ähnlich Ellger, WuW 2019, 446, 453. 741 Mit einem anderen Verständnis negativer Beweisführung Guski, ZWeR 2019, 272, 301: „Hier drängt sich die Frage auf nach einem Zusammenhang zwischen Marktdominanz und der Durchsetzbarkeit unangemessener Bedingungen, indem überprüft wird, was nur einem Unternehmen mit beherrschender Marktmacht möglich ist bzw. nur in dessen Position rational. Dem entspricht negativ die Frage, was einem [sic!] normaler Mitbewerber unter wirksamen Konkurrenzbedingungen nicht tun könnte.“ Doch die Antwort auf diese Frage würde nicht zwangsläufig die Schlussfolgerung zulassen, dass das Mittel, das zu dem Missbrauch geführt hat, tatsächlich die marktbeherrschende Stellung war; sie würde nur eine gewisse Bandbreite möglicher Mittel des Marktbeherrschers aufzeigen. Immer noch wären Reserveursachen vorstellbar. Damit ist die von Guski vorgeschlagene Fragestellung zwar ein mitunter hilfreiches Indiz, sie genügt jedoch nicht für den vollständigen Nachweis. 742 In den Raum gestellt werden mindestens sechsstellige Beträge. 743 Franck, ZWeR 2016, 137, 156 f.
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Fallgruppen sind freilich in Verbraucher- und Datenschutzkonstellationen kaum einmal einschlägig. Über diese Fälle der Behebung von Informationsasymmetrien hinaus gibt es eine weitere Möglichkeit, Informationsasymmetrien als Ersatzursachen auszuschließen: Informationsintermediäre können dazu beitragen, dass den Verbrauchern datenschutzrechtswidriges Verhalten bekannt wird. Solche Intermediäre können namentlich Verbraucherschutzverbände, die Stiftung Warentest oder auch Konkurrenten sein, die besonders mit ihrem „besseren“ Datenschutz werben und damit gleichzeitig auf den „schlechteren“ Datenschutz durch den Marktbeherrscher hinweisen. Lassen sich Verbraucher dann gleichwohl auf bekanntermaßen „schlechte“ Datenschutzbestimmungen ein, so liegt das jedenfalls nicht an Informationsasymmetrien, die deshalb als Ersatzursachen ausscheiden.744 Ein Nachteil des Ausschlusses der Ersatzursache Informationsasymmetrien durch Informationsintermediäre liegt darin, dass dies im Wesentlichen eine Tatsachenfrage ist;745 eine unsichere Handhabung im Einzelfall ist damit programmiert. Gleichwohl kann auch an dieser Stelle konstatiert werden, dass das datenschutzrechtswidrige Verhalten vieler großer Plattformen weithin bekannt ist. Dies entspricht auch den Erkenntnissen aus der psychologischen Forschung um das Privacy Paradox.746 Danach ist die Handhabung des Datenschutzes den Nutzern in der Regel gerade nicht egal, ihr Handeln diesbezüglich – die Frage, ob und welche Informationen geteilt werden – ist vielmehr auf einem Abwägungsprozess begründet. Wenn man dies in Betracht zieht, liegt der Schluss jedenfalls nahe, dass die Nutzer einerseits (zumindest auf einem abstrakten Level) um ihre Rechte und den Wert ihrer Daten wissen, dass ihnen aber auch andererseits (den Durchschnittsverbraucher zugrunde gelegt) Verstöße gegen das Datenschutzrecht durch die Anbieter bewusst sind.747 Letztlich ist es eine empirisch zu untersuchende Frage, ob sich die Nutzer der datenschutzrechtswidrigen Praxis bewusst sind.748 Dies unterstellt, scheidet es aus, Informationsasymmetrien als Ersatzursache dafür anzusehen, dass missbräuchliche Geschäftsbedingungen angewendet werden. Ein zweiter Nachteil dieses Negativbeweises ist jedoch, dass mit dieser Methode immer ein mehr oder weniger großes Maß an Restzweifeln besteht. So könnten die Nutzer sich – gerade unter Berücksichtigung des Privacy Paradox’ – aufgrund eines autonomen Willensentschlusses entscheiden, die datenschutzrechtswidrigen Ge744 Franck, ZWeR 2016, 137, 157 f. Ebenso Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 167 f., insb. Fn. 1024, mit Verweis auf den Datenschutz-Skandal um Cambridge Analytica, infolgedessen ebenso wenig eine Änderung des Nutzerverhaltens zu beobachten gewesen sei, trotz ausführlicher Medienberichterstattung. So auch Lohse, NZKart 2020, 292, 293. 745 Franck, ZWeR 2016, 137, 158. 746 S. zum Privacy Paradox o. § 4.B.IV. (S. 45 f.). 747 Ähnlich Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 166 f. 748 Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 166 f.
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schäftsbedingungen zu akzeptieren. Es ist denkbar, dass die Nutzer (bestimmten) Rechtsverstößen bei ihrer Entscheidung überhaupt keine Rolle beimessen, sodass diese, ob mit oder ohne Rechtsverstößen, gleich ausfallen würde. Dann wäre jedoch nicht die marktbeherrschende Stellung kausal geworden, sondern vielmehr die fehlende Motivation der Nutzer, auf die Durchsetzung ihrer (Datenschutz-)Rechte zu bestehen. (3) Positivbeweis Der Ausgangspunkt für einen positiv geführten Nachweis der Kausalität ist die allgemein anerkannte Definition der marktbeherrschenden Stellung. Nach der vom EuGH gefundenen Definition besteht eine solche Stellung dann, wenn das Unternehmen „in die Lage versetzt [ist], die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten“.749 Derartige Verhaltensspielräume können sich in zweifacher Hinsicht zeigen: Zum einen kann ein Unternehmen einen derart großen Teil des Marktes oder auch den gesamten Markt beherrschen, sodass praktisch keine Ausweichmöglichkeiten für die Verbraucher existieren.750 Den Nutzern bliebe dann keine Wahl, außer die nachteiligen Datenverarbeitungsbedingungen zu akzeptieren oder den Markt vollständig zu verlassen.751 Zum anderen könnte das Unternehmen als Marktführer fungieren; dann schließen sich seine Konkurrenten seinen missbräuchlichen Geschäftsbedingungen an.752 Auch in dem zweiten Fall gibt es faktisch keine Ausweichmöglichkeit für die Nutzer, da sie überall die im Wesentlichen gleichen (rechtswidrigen) Geschäftsbedingungen antreffen.753 Ist auf einem Markt eine derartige Konzentration eingetreten – wozu 749 EuGH, Urt. v. 14. 02. 1978, United Brands, Rs. 27/76, ECLI:EU:C:1978:22, Rn. 63/66. Die Definition in § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB ist in den wesentlichen Grundzügen gleich. Hier heißt es: „Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt 1. ohne Wettbewerber ist, 2. keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist […].“ 750 Ähnlich Budzinski/Grusevaja, in: Seufert (Hrsg.), Media Economics revisited, 2017, S. 35, 49 f. Das entspricht der Definition der überragenden Marktstellung in § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB. 751 Blankertz, How competition impacts data privacy, September 2020, S. 20. 752 Zur Vorbildfunktion der großen Plattform-Unternehmen auch Podszun, GRUR 2020, 1268, 1272. 753 Einen anderen Schluss zieht Esser, in: FS Schroeder, 2018, S. 249, 265 f.: Gleichgerichtete Praktiken aller – auch nicht-marktbeherrschender – am Markt tätiger Unternehmen sollen beweisen, dass das Verhalten nicht ursächlich auf der marktbeherrschenden Stellung beruht. Das verkennt jedoch, dass das marktbeherrschende Unternehmen zum einen als Vorbild
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Plattformmärkte aufgrund des Tipping neigen754 – und können Informationsasymmetrien ausgeschlossen werden, so bleibt nur der Schluss auf die Kausalität der marktbeherrschenden Stellung.755 ee) Zwischenergebnis Die Feststellung eines Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauch ist Tatbestandsmerkmal der Missbrauchskontrolle, zusätzlich zum Nachweis des Wettbewerbsbezugs. Die Untersuchung der Entscheidungspraxis sowohl auf EU- als auch deutscher Ebene hat gezeigt, dass die Auslegung dieses Kriteriums bisher nicht eindeutig erfolgt. Die Praxis reicht vom vollständigen Verzicht jeglichen Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten bis hin zum Verlangen strenger Kausalität. Grundsätzlich reicht ein Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem wettbewerbsverzerrenden Ergebnis der Handlung aus, ohne dass es deren instrumentellen Einsatzes bedarf. Strenge Kausalität, das heißt der instrumentelle Einsatz der marktbeherrschenden Stellung, ist hingegen erforderlich beim Konditionenmissbrauch. Der Nachweis der Kausalität lässt sich sowohl positiv als auch negativ führen. Ein Negativbeweis erfolgt über den Nachweis, dass jegliche denkbare Alternativursache nicht gewirkt hat. Das kann insbesondere dadurch erfolgen, dass gezeigt wird, dass Informationsasymmetrien nicht zu dem missbräuchlichen Verhalten geführt haben. Ein Positivbeweis kann dadurch erfolgen, dass die quasi-monopolistische Stellung des marktbeherrschenden Unternehmens oder zumindest dessen praktische Marktführerschaft bewiesen wird. d) Parallelzuständigkeiten Die Besonderheit des Gegenstands dieser Untersuchung, nämlich dass ein datenschutzrechtswidriges Verhalten – auch – kartellrechtlich untersucht wird, führt zu parallelen Zuständigkeiten von Datenschutz- und Kartellbehörden für das im Kern gleiche Verhalten. Das wirft Fragen auf im Hinblick auf das System der Zustän-
für andere – nicht-marktbeherrschende – Unternehmen dienen und diesen gleichzeitig für ebenso missbräuchliche Verhaltensweisen den Weg ebnen kann. Dass das marktbeherrschende Unternehmen dafür in die Verantwortung genommen wird, ist Ausfluss seiner besonderen Verantwortung. 754 Zum Tipping allgemein s. o. § 5.C.I.2.b)aa) (S. 105 f.). 755 Anders hingegen Fokken, PinG 2019, 195, 199: Der Verstoß beruhe möglicherweise nicht auf der marktbeherrschenden Stellung, sondern auf den wirkenden Netzwerkeffekten (§ 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB, s. o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(a) [S. 111 f.]). Diese Ansicht verkennt jedoch, dass beide Phänomene miteinander verknüpft sein können.
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digkeiten im Datenschutzrecht (aa))756, das Kollisionsrecht (bb))757 sowie das Doppelbestrafungsverbot (cc))758. aa) Abschließende Regelung der Zuständigkeit durch die DS-GVO? Gegen die Berücksichtigungsfähigkeit von Verstößen gegen das Datenschutzrecht im Rahmen der kartellrechtlichen Prüfung soll es sprechen, dass die DS-GVO ihre behördliche Durchsetzung abschließend regele.759 Richtig daran ist zwar zum einen, dass Kartellbehörden und die Kommission keine Aufsichtsbehörden im Sinne des Art. 51 DS-GVO sind. Aufsichtsbehörden in Deutschland sind allein der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)760 und die Landesdatenschutzbeauftragten761. Richtig ist zum anderen auch, dass die deutschen Kartellbehörden durch ihre institutionelle Einbindung in die Geschäftsbereiche der Wirtschaftsministerien762 nicht die nach Art. 52 DS-GVO zwingend erforderliche Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden besitzen und daher von Vornherein keine Datenschutzbehörden sui generis sein könnten.763 Entsprechendes gilt für die Kommission, der es als politisches Organ ebenso an der erforderlichen Unabhängigkeit mangelt. Dieser Befund beantwortet die Frage nach der abschließenden Regelung aber nicht erschöpfend. Denn parallel zum Problem um die Aktivlegitimation von Wettbewerbern und Verbänden bei Datenschutzverstößen nach §§ 3a, 8 Abs. 3 UWG und §§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 11, 3 UKlaG764 hilft eine formalistische Be-
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S. 176 f. S. 178 f. 758 S. 179 – 187. 759 So etwa Karbaum, DB 2019, 1072, 1076; Körber, NZKart 2019, 187, 194. A. A. Bueren, ZWeR 2019, 403, 434. 760 Der BfDI hat die Aufsicht über die öffentlichen Stellen des Bundes, §§ 8 f. BDSG. 761 In Baden-Württemberg etwa der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI), § 40 BDSG, § 20 bwLDSG. Die Zuständigkeit des LfDI erstreckt sich auf die Aufsicht über die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen des Landes sowie durch nichtöffentliche Stellen. Entsprechende Zuständigkeiten bestehen auch in den anderen Bundesländern. 762 § 51 Abs. 1 S. 2 GWB für das Bundeskartellamt, das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gehört. Die meisten Landeskartellbehörden sind unmittelbar bei den jeweiligen Wirtschaftsministerien angesiedelt; in Baden-Württemberg etwa beim Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie beim Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. 763 Karbaum, DB 2019, 1072, 1076. Zur fehlenden Unabhängigkeit der Kartellbehörden im von der DS-GVO geforderten Sinne vertieft J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 128. 764 Dazu o. § 5.A.II.2. (S. 55 – 61) und § 5.A.II.3. (S. 61 – 64). S. auch Bueren, ZWeR 2019, 403, 433 f. 757
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trachtung nicht weiter und bedarf es einer Untersuchung des Umfangs der Verfahrensregeln unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks. Die Kartellbehörden erhalten nach der hier vorgeschlagenen Lösung nicht die Möglichkeit, Datenschutzrecht losgelöst von kartellrechtlichen Wertungen anzuwenden. Ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht kann nur ein – wenn auch im Einzelfall entscheidender – Aspekt der Anwendung des Missbrauchsverbots sein. Die Kartellbehörden werden jedoch auch im Falle festgestellter Datenschutzverstöße nicht davon entlastet, eine umfassende wettbewerbliche Abwägung vorzunehmen. Damit verdrängen die Kartellbehörden nicht die Aufsichtsbehörden im Sinne der DS-GVO, denn die diesen zustehenden Befugnisse765 können sie nicht ergreifen. Ihr Tätigwerden schafft gleichwohl ein paralleles Sanktionssystem. Dagegen, dass Kartellbehörden – wenn auch nur mittelbar – Datenschutzrecht anwenden, soll jedoch weiter sprechen, dass hierdurch das von der DS-GVO intendierte Ziel einer harmonisierten Rechtsanwendung gefährdet werde,766 wie es in Erwägungsgrund 10 der Verordnung niedergelegt ist.767 Die Harmonisierung768 wird neben der (insbesondere durch die Handlungsform einer Verordnung erreichten) Vereinheitlichung der materiellen Regeln durch die Kooperation der Aufsichtsbehörden verfolgt. Das Kohärenzverfahren769 soll zu einer einheitlichen Anwendung der Verordnung beitragen, Art. 63 DS-GVO. Hierdurch soll die Rechtsanwendung durch die Aufsichtsbehörden unter Vermittlung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) koordiniert werden. Der Ausschuss kann jedoch nach Art. 65 Abs. 1 DS-GVO nur in bestimmten Fällen verbindliche Beschlüsse erlassen. In vielen anderen Streitfällen zwischen Aufsichtsbehörden verbleibt es bei (bloß empfehlenden) Stellungnahmen nach Art. 64 Abs. 3 DS-GVO. Die Tätigkeit des Ausschusses beschränkt sich ohnehin auf grenzüberschreitende Fälle;770 bei rein innerstaatlichen Datenverarbeitungsvorgängen wird die Praxis der Behörden allenfalls indirekt und unverbindlich durch die Tätigkeit des Ausschusses und anderer Aufsichtsbehörden beeinflusst. Damit ist die Anwendung des Datenschutzrechts nach wie vor nicht auf vollständige Einheitlichkeit angelegt. Daher ist es auch unschädlich für die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Wertungen durch Kartellbehörden, dass letztere nicht am Kohärenzverfahren beteiligt sind.771 765
Art. 58 DS-GVO. Körber, NZKart 2019, 187, 194. 767 Erwägungsgrund 10 S. 2 lautet: „Die Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sollten unionsweit gleichmäßig und einheitlich angewandt werden.“ 768 Dass der Begriff (Voll-)Harmonisierung für die DS-GVO eigentlich nicht passend ist, wurde bereits an anderer Stelle behandelt, Uebele, GRUR 2019, 694, 698 mit Fn. 67. 769 Art. 63 – 67 DS-GVO. 770 Albrecht, CR 2016, 88, 96. 771 A. A. Schwedler, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Innovation im Kartellrecht – Innovation des Kartellrechts, 2020, S. 57, 65 – 67. 766
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bb) Kollisionsrecht Namentlich Körber bringt Bedenken an, die auf ein gleichsam gegensätzliches Problem hinweisen: Die für das materielle Datenschutzrecht und das Kartellrecht geltenden Kollisionsregeln seien unvereinbar miteinander772. Das Kartellrecht unter Anwendung des Auswirkungsprinzips habe einen quasi umfassenden Geltungsanspruch. Dieses Prinzip besagt, dass das deutsche beziehungsweise europäische Kartellrecht anwendbar ist, sobald sich eine Wettbewerbsbeschränkung im Geltungsbereich des GWB beziehungsweise in der Europäischen Union auswirkt.773 Im Gegensatz dazu galt noch unter dem alten Datenschutzrecht das Sitzprinzip: Nach § 1 Abs. 5 S. 1 BDSG a. F. fand das BDSG keine Anwendung, sofern die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten durch eine in einem anderen Staat in der Europäischen Union oder dem EWR ansässige Stelle erfolgte.774 So war es für große Unternehmen vergleichsweise einfach, der Anwendbarkeit des deutschen Datenschutzrechts und der Aufsicht durch die deutschen Datenschutzbehörden zu entkommen, indem sie ihren Sitz in einem anderen Unions- oder EWR-Staat wählten. Besonders Irland mit seinem (damals) lockeren Datenschutzregime775 wurde oft gewählt. Eine Aushebelung dieses datenschutzrechtlichen Sitzprinzips durch das weitergreifende kartellrechtliche Auswirkungsprinzip, wodurch es, wie von Körber befürchtet, zu einer Anwendung deutschen Datenschutzrechts auf im (EU-)Ausland ansässige Unternehmen „durch die Hintertür“ des Kartellrechts käme,776 ist unter Geltung der DS-GVO nicht mehr zu befürchten.777 In deren Art. 3 Abs. 2 wurde das Marktortprinzip verankert. Demnach reicht es für die Anwendbarkeit des europäischen Datenschutzrechts aus, dass die betroffene Person sich in der Europäischen Union befindet. Damit ist ein weitgehend gleicher Anwendungsbereich des Datenschutz- und des Kartellrechts geschaffen.778 Für beides genügt, dass der – vom jeweiligen Schutzgut her gedachte – Verletzungserfolg im räumlichen Anwendungsbereich der europäischen beziehungsweise deutschen Regelungen liegt. Auf 772
Körber, NZKart 2016, 348, 354 f. Für das deutsche Recht § 185 Abs. 2 GWB. Die europäische Entscheidungspraxis und Rechtsprechung haben diesen Grundsatz ebenso entwickelt, ohne dass er expressis verbis normiert wäre, EuGH, Urt. v. 27. 09. 1988, Ahlström u. a. (Zellstoffhersteller), verb. Rs. C-89/ 85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85, C-125/85, C-126/85, C-127/85, C-128/85 und C129/85, ECLI:EU:C:1988:447, Rn. 15; EuG, Urt. v. 25. 03. 1999, Gencor, Rs. T-102/96, ECLI: EU:T:1999:65, Rn. 89 – 111 (bezüglich der FKVO 1989); Basedow, NJW 1989, 627, 634. 774 Vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL. 775 Caspar, DuD 2015, 589, 591 f. 776 Körber, NZKart 2016, 348, 354 f. 777 Wie hier J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 150. 778 Zerdick, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 14, versteht das kartellrechtliche Auswirkungsprinzip daher sogar als Vorbild für die Regelung in Art. 3 Abs. 2 DS-GVO. 773
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das formale Kriterium des Sitzes oder der Verletzungshandlung kommt es nicht zwingend an.779 cc) Das Doppelbestrafungsverbot Damit besteht eine Grundlage für die parallele Anwendung europäischen und deutschen Kartell- und Datenschutzrechts. Das wirft wiederum die Frage auf, ob ein Verhalten, das einmal unter den Gesichtspunkten des Datenschutzrechts und erneut unter denen des Kartellrechts betrachtet wird, behördlicherseits durch Datenschutzund Kartellbehörden verfolgt und gegebenenfalls auch bebußt werden kann. Das Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem) könnte auf diese Fälle anzuwenden sein.780 (1) Ursprung und Inhalt des Doppelbestrafungsverbots Der Rechtsgrundsatz des Doppelbestrafungsverbots ist nicht neu,781 auch nicht im Kartellrecht. Er leitet sich aus einer Vielzahl von Rechtsquellen her, die allesamt, auch geprägt durch die Praxis der jeweils rechtsanwendenden Organe, einen jeweils eigenen Gesichtspunkt des Prinzips regeln. (a) Rechtsquellen Auf europarechtlicher Ebene erhielt das Doppelbestrafungsverbot seine erste Regelung in Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK. Dieser lautet: Niemand darf wegen einer Straftat [englisch: offence; französisch: infraction], wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.782
Solange die Bundesrepublik Deutschland das 7. Zusatzprotokoll noch nicht ratifiziert hat und dieses für sie damit nicht verbindlich ist783 und so lange die Euro-
779 S. vertieft zum Auswirkungskriterium bei der Kartellrechtsanwendung im Bereich sozialer Netzwerke, deren Betreiber besonders häufig außerhalb der EU (nämlich vor allem in den USA) ansässig sind, Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 41 – 43. 780 Soweit ersichtlich, wurde diese Frage für das Verhältnis von Datenschutz- und Kartellrecht erstmals von Meriani, ECLR 38 (2017), 89, 94, aufgeworfen, ohne dass jedoch eine Antwort gefunden wurde. 781 Zeder, in: Hochmayr (Hrsg.), „Ne bis in idem“ in Europa, 2015, S. 145, 154 f., bezeichnet diesen Grundsatz als „das älteste vom EuGH judizierte Grundrecht“. 782 Die deutsche Sprachfassung ist nicht authentisch, weshalb neben den zweifelhaften deutschen Begriff „Straftat“ (dazu sogleich) die in der englischen und der französischen Version verwendeten Begriffe gesetzt wurden. 783 Vgl. Chart of Signatures and Ratifications of Treaty 117, abrufbar unter: https://www. coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/117/signatures?p_auth=roOW3PhW.
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päische Union noch nicht der EMRK beigetreten ist784, hat diese Normierung des ne bis in idem freilich keine unmittelbar bindende Wirkung in deutschen und europäischen Kartellverfahren. Andererseits bestimmt jedoch Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta die Auslegung der in der Charta niedergelegten Rechte (hier: des Doppelbestrafungsverbots in Art. 50 GR-Charta) in Analogie zu den Bestimmungen der EMRK.785 Im deutschen Verfassungsrecht sind die Bestimmungen der Konvention wiederum als Auslegungshilfen heranzuziehen.786 Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK gilt nicht nur für die zweite Bestrafung, sondern verbietet bereits die erneute Strafverfolgung. Bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist demnach verboten. Der Anwendungsbereich der Norm ist jedoch restriktiv, als er doch nur ein erneutes Strafverfahren „desselben Staates“ verbietet, in dem auch das erste Strafverfahren stattgefunden hat. Von der Regelung nicht erfasst sind damit (auch EU- oder EMRK-binnen-)grenzüberschreitende Konstellationen, in denen die zeitlich erste Sanktion durch einen anderen Staat verhängt wurde.787 Diese Lücke schließt zumindest teilweise Art. 50 GR-Charta, zu dessen Auslegung, wie bereits ausgeführt, Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK heranzuziehen ist.788 Nach Art. 50 GR-Charta sperrt eine rechtskräftige erste Verurteilung oder ein rechtskräftiger erster Freispruch „in der Union“ eine erneute Verfolgung oder Bestrafung wegen derselben Straftat.789 Die Charta gilt ausweislich ihres Art. 51 Abs. 1 S. 1 für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht. Damit sind die in ihr verbrieften Grundrechte bei der Rechtsanwendung durch die Europäische Kommission790 und den EuGH sowie durch die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte dann zu beachten, wenn diese im Kartellverfahren (auch791) Art. 101 f. AEUV prüfen. 784
Vgl. Art. 6 Abs. 2 S. 1 EUV. Dazu EuGH, Gutachten 2/13 v. 18. 12. 2014, ECLI:EU:C: 2014:2454; Hatje, in: Schwarze et al. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 6 EUV, Rn. 10 – 25. 785 Vgl. aber Art. 6 Abs. 3 EUV. 786 BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 2004, Görgülü, Az. 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 317. 787 Es ist zwischen Sanktionen zu unterscheiden, die von EU-Staaten verhängt werden, und solchen von Drittstaaten, vgl. ausführlich etwa Baudisch, Die Rechtsstellung des Unternehmens in grenzüberschreitenden Kartellverfahren, 2009, passim; Roesen, Mehrfache Sanktionen im internationalen und europäischen Kartellrecht, 2009, passim. 788 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 15. 10. 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij (LVM), verb. Rs. C238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, ECLI:EU:C:2002:582, Rn. 59. 789 Auch hier spricht die englische Fassung von offence, die französische von infraction. Im Gegensatz zur EMRK sind jedoch alle Sprachfassungen, auch die deutsche, authentisch. 790 Vgl. auch Erwägungsgrund 37 der Kartellverfahrens-VO. 791 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Kartellverfahrens-VO.
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Eine weitere Rechtsquelle des Doppelbestrafungsverbots ist Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ). Dieser verbietet die Verfolgung durch eine Vertragspartei, wenn „dieselbe Tat“ durch eine andere Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, „vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann“. In gewisser Hinsicht ist Art. 54 SDÜ damit das Spiegelbild792 zu Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK, gewährt er nämlich das Doppelbestrafungsverbot nicht nur rechtssystemintern, sondern auch für die Strafverfolgung durch andere Vertragsparteien des Schengener Übereinkommens. Auch im deutschen Recht ist der Grundsatz ne bis in idem als Grundrecht ausgestaltet: Art. 103 Abs. 3 GG verbietet die mehrmalige Bestrafung „wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze“. Einfachgesetzlich findet sich eine Absicherung in § 84 OWiG, demzufolge eine Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werde kann, wenn über sie bereits als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat rechtskräftig entschieden worden ist. In diesem Fall kann nach § 84 Abs. 2 OWiG auch keine Strafverfolgung mehr eingeleitet werden. (b) Begriff der Strafe Bei der Bestimmung des Umfangs des Doppelbestrafungsverbots sind zwei Begriffe in besonderem Maße auslegungsbedürftig: Die Frage, wann überhaupt eine „Strafe“ vorliegt, sowie die Bestimmung der Identität zweier Taten. Die Auslegung wird durch die große Zahl (potenziell) anwendbarer Rechtsquellen für das Doppelbestrafungsverbot mit teils abweichendem Wortlaut zusätzlich erschwert. Die zur Anwendung der jeweiligen Normen berufenen Behörden und Gerichte haben eine sich teils stark unterscheidende Spruchpraxis entwickelt. Wenden wir uns zunächst dem Begriff der Strafe zu – nur die doppelte Bestrafung ist verboten, ein Nebeneinander von Strafe mit nichtstrafrechtlichen Sanktionen793 damit erlaubt –, so ist die Entscheidungspraxis des EGMR von großer Bedeutung. Dessen sogenannte Engel-Kriterien wurden ursprünglich entwickelt, um zu bestimmen, ob ein wehrdisziplinarrechtlicher Akt strafrechtlicher Natur ist. In Engel hatte der Gerichtshof in einem Fall aus dem niederländischen Militärdisziplinarstrafrecht794 zu entscheiden, ob Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) anwendbar war. Das setzt eine „strafrechtliche Anklage“ (englisch: criminal charge; französisch: accusation en matière pénale)795 voraus. Die Ausführungen des EGMR 792
Vleeshouwers/Verstraeten, ECLR 38 (2017), 305, 306. Zum Beispiel Vorteilsabschöpfung und Schadensersatz, zumindest solange letzterer nicht als „Strafschadensersatz“ ausgestaltet ist; umfassend Poelzig/Bauermeister, NZKart 2017, 491, 494 – 496. Vgl. auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 148 f. 794 EGMR, Urt. v. 08. 06. 1976, Engel, Nr. 5100/71; 5101/71; 5102/71; 5354/72; 5370/72, Rn. 12. 795 Nur die englische und die französische Sprachfassung sind authentisch. 793
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zum Begriff der „strafrechtlichen Anklage“ sind aufschlussreich für die Auslegung des Begriffs der für Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK erforderlichen „Straftat“, denn die strafrechtliche Anklage stellt eine staatliche Reaktion auf ein derartiges Verhalten dar. Dementsprechend entwickelte der EGMR drei Kriterien, um zu bestimmen, ob es sich um eine strafrechtliche Anklage handelt. Das erste Kriterium ist die Einordnung durch den nationalen Gesetzgeber.796 Dabei ist diese jedoch nur ein erster Anhaltspunkt, anderenfalls obläge es allein dem Gesetzgeber, durch die Einordnung darüber zu entscheiden, ob Art. 6 EMRK anwendbar ist.797 Als gewichtigeres, zweites Kriterium ist daher nach der Natur des Vergehens („the very nature of the offence“) zu fragen.798 Der EGMR hat dieses Kriterium nicht näher spezifiziert.799 Das dritte und letzte Engel-Kriterium ist schließlich die Schwere der angedrohten Sanktion.800 Das zweite und das dritte Kriterium müssen nur alternativ, nicht jedoch notwendigerweise kumulativ vorliegen.801 Der EuGH hat sich in Bonda – einem beihilferechtlichen Fall, in dem es um die Anwendbarkeit des Doppelbestrafungsverbots802 ging – dieser Rechtsprechung angeschlossen.803 Wendet man die drei Kriterien auf die Befugnis der Kommission zur Verhängung von Geldbußen nach Art. 23 Kartellverfahrens-VO an, so gelangt man dazu, dass auch hierauf die strafverfahrensrechtlichen Garantien anzuwenden sind.804 Aufgrund der Ähnlichkeit von kartellrechtlichen Bußgeld-Entscheidungen mit strafrechtlichen 796 EGMR, Urt. v. 08. 06. 1976, Engel, Nr. 5100/71; 5101/71; 5102/71; 5354/72; 5370/72, Rn. 82. 797 EGMR, Urt. v. 08. 06. 1976, Engel, Nr. 5100/71; 5101/71; 5102/71; 5354/72; 5370/72, Rn. 81. 798 EGMR, Urt. v. 08. 06. 1976, Engel, Nr. 5100/71; 5101/71; 5102/71; 5354/72; 5370/72, Rn. 82. 799 Kritisch Mansdörfer, Das Prinzip des ne bis in idem im europäischen Strafrecht, 2004, S. 106 f. 800 EGMR, Urt. v. 08. 06. 1976, Engel, Nr. 5100/71; 5101/71; 5102/71; 5354/72; 5370/72, Rn. 82. 801 EGMR, Urt. v. 10. 02. 2009, Sergey Zolotukhin, Nr. 14939/03, NJOZ 2010, 2630, 2631 (Rn. 53). 802 In concreto war das in der polnischen Strafprozessordnung verankerte Doppelbestrafungsverbot betroffen. Der EuGH hatte zu entscheiden, ob eine bestimmte beihilferechtliche Regelung eine strafrechtliche Sanktion war, was er unter Anwendung der Engel-Kriterien verneinte. 803 EuGH, Urt. v. 05. 06. 2012, Bonda, Rs. C-489/10, ECLI:EU:C:2012:319, Rn. 37. Vertieft zu dieser Entscheidung und kritisch zur Anwendung der Kriterien in dem Fall Zeder, in: Hochmayr (Hrsg.), „Ne bis in idem“ in Europa, 2015, S. 145, 156 – 161. 804 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2014, § 22 Rn. 69; Nowak, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 23 VerfVO, Rn. 51.
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Sanktionen sind die strafrechtlichen Garantien wie das Doppelbestrafungsverbot auch auf die Geldbußen anzuwenden.805 Das widerspricht zwar dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 5 Kartellverfahrens-VO, wonach die von der Kommission getroffenen Bußgeld-Entscheidungen keinen strafrechtlichen Charakter haben. Im Sinne der Engel-Kriterien ist die gesetzgeberische Einordnung jedoch nicht entscheidend, zumal sie in diesem Fall wohl vor allem aus kompetenzrechtlichen Problemen des Unionsrechts entspringt. Der Union wurden durch die Mitgliedstaaten nämlich keine Kompetenzen im Bereich des Strafrechts übertragen;806 durch die Regelung in Art. 23 Abs. 5 Kartellverfahrens-VO wollte der Unionsgesetzgeber die Diskussion hierüber vermeiden. Damit ist zwar das erste Engel-Kriterium nicht erfüllt (Einordnung durch den Gesetzgeber), das jedoch nach Ansicht des EGMR nur ein erster Anhaltspunkt ist und keinesfalls entscheidend sein kann. Andererseits handelt es sich bei Geldbußen nach der Kartellverfahrens-VO um empfindliche Sanktionen (sie betragen bei materiellen Verstößen bis zu zehn Prozent des Gesamtjahresumsatzes eines Unternehmens), und sie übernehmen die Funktionen der Repression und der Prävention verbotenen Verhaltens,807 was klassischerweise Funktionen des Strafrechts sind808. Damit sind das zweite und das dritte Engel-Kriterium für die Einordnung als „strafrechtliche Anklage“ erfüllt. Wenden wir uns der deutschen Verfassungsrechtsprechung zu, fällt auf, dass der Ansatz hier ein deutlich formalerer ist. Für Art. 103 Abs. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass mit „allgemeine Strafgesetze“ nur das Kriminalstrafrecht gemeint ist, also nicht das Dienst-, Ordnungs- und Polizeistrafrecht.809 Das folgt aus der Auslegung anhand der Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 3 GG. Der Normentwurf hatte zunächst keinen Hinweis auf die „allgemeinen Strafgesetze“ enthalten; dieser war sodann gerade mit dem Ziel eingeführt worden, ein Nebeneinander von straf- und disziplinarrechtlichen Sanktionen zuzulassen.810 Dementsprechend fällt auch das Ordnungswidrigkeitenrecht aus dem Anwendungsbereich des Doppelbestrafungsverbots heraus.811 Wie bereits festgestellt, erhält das Verbot der Doppelbestrafung seine Geltung im Ordnungswidrigkeitenrecht jedoch einfachgesetzlich über § 84 OWiG. 805 Einhellige Auffassung, vgl. Nowak, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 23 VerfVO, Rn. 50 f. m. w. N. 806 Nowak, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, Art. 23 VerfVO, Rn. 50. 807 Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 23 VO 1/ 2003, Rn. 335 f. 808 Baudisch, Die Rechtsstellung des Unternehmens in grenzüberschreitenden Kartellverfahren, 2009, S. 250 – 253. 809 BVerfG, Beschl. v. 02. 05. 1967, Az. 2 BvL 1/66, BVerfGE 21, 391, 400 – 405; Beschl. v. 09. 11. 1976, Az. 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 105. 810 JöR 1 (1951), 740 – 744. 811 Remmert, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 85. EL 2018 (Werkstand 95. EL 2021), Art. 103 Abs. 3 Rn. 58.
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In jedem Fall fällt die Führung eines reinen Verwaltungsverfahrens nach Art. 7 Kartellverfahrens-VO beziehungsweise § 32 GWB nicht unter den Begriff der „Strafe“, sodass es keinen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem darstellt. Ob und wie hier doppelte Verfahren durch Kartell- und Datenschutzbehörden außerhalb von Bußgeldverfahren verhindert werden sollten, ist jedoch eine ähnlich gelagerte Frage, sodass wir uns ihr erneut im Anschluss an die Darstellung des Doppelbestrafungsverbots zu stellen haben werden. (c) Tatidentität Was die Bestimmung der Tatidentität anbelangt, so ist die Rechtsprechung der verschiedenen Gerichte genauso uneinheitlich wie bei der Auslegung des Begriffs „Strafe“. Dass der EGMR hierzu selbst keine einheitliche Rechtsprechungslinie hatte, erkannte dieser in Sergey Zolotukhin.812 Zuvor hatte er teils auf die Einheitlichkeit der Tathandlung abgestellt,813 teils aber auch auf die rechtliche Bewertung.814 Diese Rechtsprechung hatte eine uneinheitliche Handhabung der Garantie in Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK zur Folge, führte die Bestimmung der Einheitlichkeit nach der rechtlichen Bewertung doch zu einem deutlich engeren Anwendungsbereich der Garantie.815 Daher nutzte der EGMR die Gelegenheit, um die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Unter argumentativem Rückgriff auf den effet utile, also einer Auslegung der Konvention mit dem Ziel, dass deren Garantien möglichst praktisch und anwendbar sind, gelangte er dazu, dass Identität des Sachverhalts (in den wesentlichen Punkten) genügt, um einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot bejahen zu können.816 Die Rechtsprechung des EuGH hingegen ist nach wie vor uneinheitlich. Der Gerichtshof hat zwar einen Begriff des „idem“ gefunden, der mit dem des EGMR 812 EGMR, Urt. v. 10. 02. 2009, Sergey Zolotukhin, Nr. 14939/03, NJOZ 2010, 2630, 2633 (Rn. 78). 813 EGMR, Urt. v. 23. 10. 1995, Gradinger, Nr. 15963/90, Rn. 55: „same conduct“. 814 EGMR, Urt. v. 30. 07. 1998, Oliveira, Nr. 84/1997/868/1080, Rn. 26: „That is a typical example of a single act constituting various offences (concours idéal d’infractions). The characteristic feature of this notion is that a single criminal act is split up into two separate offences, in this case the failure to control the vehicle and the negligent causing of physical injury. In such cases, the greater penalty will usually absorb the lesser one. There is nothing in that situation which infringes Article 4 of Protocol No. 7 since that provision prohibits people being tried twice for the same offence whereas in cases concerning a single act constituting various offences (concours idéal d’infractions) one criminal act constitutes two separate offences.“ 815 Die uneinheitliche Rechtsprechung und den Wandel durch Zolotukhin zusammenfassend Jung, GA 2010, 472, 474 – 476; Vleeshouwers/Verstraeten, ECLR 38 (2017), 305, 307. 816 EGMR, Urt. v. 10. 02. 2009, Sergey Zolotukhin, Nr. 14939/03, NJOZ 2010, 2630, 2633 f. (Rn. 79 – 82).
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nach Zolotukhin übereinstimmt. Doch gerade im Wettbewerbsrecht legt er einen strengeren Maßstab an die Tatidentität. Im Allgemeinen lässt der EuGH die „Identität der materiellen Tat, verstanden als das Vorhandensein eines Komplexes konkreter, unlösbar miteinander verbundener Umstände“817, genügen.818 Demnach ist „Tat“ als Lebenssachverhalt zu verstehen. Dieses Verständnis entspricht im Wesentlichen dem soeben zitierten neueren Verständnis des EGMR. Seit der Rechtsprechung zum Teerfarben-Kartell wird im europäischen und deutschen Kartellrecht jedoch ein davon abweichendes Verständnis zugrundegelegt.819 Zunächst hatte der EuGH in Walt Wilhelm zu entscheiden.820 Zugrunde lagen kartellrechtliche Ermittlungen sowohl der Europäischen Kommission als auch des Bundeskartellamts in Bezug auf wettbewerbsbeschränkende Absprachen großer europäischer Farbstoffhersteller. Die Kommission hatte am 31. 05. 1967 ein Verfahren wegen Absprachen über die Erhöhung der Anilin-Preise in den Jahren 1964 und 1965 eröffnet. In dieses Verfahren bezog sie später noch eine weitere Absprache vom 18. 07. 1967 ein, was den Beteiligten auch förmlich mitgeteilt worden war. Gleichzeitig ermittelte das Bundeskartellamt wegen dieser letzten Absprache und setzte am 28. 11. 1967 Geldbußen gegen die Betroffenen fest, gegen die diese Einspruch zum KG einlegten. Dabei rügten sie insbesondere die fehlende Befugnis des Bundeskartellamts aufgrund des parallelen Verfahrens der Kommission.821 Das KG legte dem EuGH den Fall im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens vor und erbat die Beantwortung mehrerer Fragen in Bezug auf konkurrierende Zuständigkeiten und das Doppelbestrafungsverbot.822 Der EuGH verneinte einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot durch die parallelen Verfahren von Europäischer Kommission und Bundeskartellamt. Anders als in anderen Rechtsbereichen wollte der EuGH in Walt Wilhelm die Identität der tatsächlichen materiellen Umstände nicht genügen lassen. Vielmehr soll zur Bejahung des „idem“ die Beurteilung des Verhaltens „nach den gleichen Gesichts-
817 Bezüglich Art. 54 SDÜ EuGH, Urt. v. 09. 03. 2006, Van Esbroeck, Rs. C-436/04, ECLI: EU:C:2006:165, Rn. 36. 818 In dem Verfahren ging es um eine Verurteilung wegen der Einfuhr von Betäubungsmitteln nach Norwegen einerseits und wegen der Ausfuhr aus Belgien anderseits, die beide durch dieselbe Handlung bewirkt wurden. 819 Vgl. mit einem Versuch, die Anwendung auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des EuGH zu vereinheitlichen, Veenbrink, W. Comp. 42 (2019), 67, 81 – 86. 820 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1969, Walt Wilhelm, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4. 821 Im Juli 1969 – also nach der Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen und vor dem Beschluss des KG – verhängte sodann auch die Europäische Kommission Bußgelder gegen die Betroffenen, Europäische Kommission, Entsch. v. 24. 07. 1969, Farbstoffe, IV/26.267, ABl. 1969 L 195/11. 822 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1969, Walt Wilhelm, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4. Vgl. zudem BGH, Beschl. v. 17. 12. 1970, Teerfarben, Az. KRB 1/70, BGHSt 24, 54 – 56; KG, Beschl. v. 28. 08. 1969, Teerfarben, Az. Kart 5 – 11/68, WuW/E OLG 1015, 1015 – 1017.
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punkten“ erforderlich sein.823 Das sei dann nicht der Fall, wenn einerseits das (nunmehr) Unionskartellrecht824, andererseits das nationale Kartellrecht angewendet werde; ersteres schütze den zwischenstaatlichen Handel, letzteres sei hingegen nach den eigenen Erwägungen der Mitgliedstaaten auszulegen.825 Aus Gründen der Billigkeit sei jedoch auch bei nach diesen Maßstäben fehlender Identität die erste Entscheidung bei der Bemessung der späteren Sanktion in der zeitlich zweiten Entscheidung zu berücksichtigen, wie dies auch Art. 90 UAbs. 2 S. 2 EGKSV826 vorgesehen habe.827 Diese Rechtsprechung hat der EuGH in Aalborg Portland weiter präzisiert. Demnach soll die Anwendung des Doppelbestrafungsverbots „von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts“ abhängen.828 Diese gespaltene Auslegung des Doppelbestrafungsverbots durch den EuGH wurde aufgrund ihrer Uneinheitlichkeit vielfach kritisiert.829 Der EuGH hielt gleichwohl an seiner Auffassung fest.830 Ein Grund für diese engere Auslegung des Doppelbestrafungsverbots mag darin gesehen werden, dass nicht alle EU-Mitgliedstaaten das 7. Zusatzprotokoll zur EMRK ratifiziert haben831 und die Straf823 Dagegen J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 135 f. 824 Bei Erlass der Entscheidung war das noch Art. 85 EWGV. 825 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1969, Walt Wilhelm, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4, Rn. 3, 11. 826 Dieser lautete: „Sie [scil. die Kommission] ist ferner von der endgültigen Entscheidung [scil. in einem mitgliedstaatlichen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren] in Kenntnis zu setzen und hat diese Entscheidung bei der etwaigen Festsetzung einer Sanktion zu berücksichtigen.“ 827 EuGH, Urt. v. 13. 02. 1969, Walt Wilhelm, Rs. 14/68, ECLI:EU:C:1969:4, Rn. 11. 828 EuGH, Urt. v. 07. 01. 2004, Aalborg Portland, verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/ 00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, ECLI:EU:C:2004:6, Rn. 338. Kritisch zu der Entscheidung Brammer, EuZW 2013, 617, 619. Vgl. außerdem EuG, Urt. v. 13. 07. 2011, Thyssen Krupp, Rs. T-144/07, T-147/07, T-148/07, T-149/07, T-150/07 und T-154/07, ECLI: EU:T:2011:364, Rn. 162, wonach die nationalen Kartellbehörden sowie die Kommission Verstöße gegen (nunmehr) Art. 101 f. AEUV verfolgten, womit das gleiche Interesse geschützt sei, nämlich der freie Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt. Einen Überblick über die weitere Rechtsprechung gibt Roesen, Mehrfache Sanktionen im internationalen und europäischen Kartellrecht, 2009, S. 263 – 267. 829 Vgl. nur GA Kokott, Schlussanträge v. 09. 09. 2011, Toshiba, Rs. C-17/10, ECLI:EU:C: 2011:552, Rn. 121 – 123; GA Wahl, Schlussanträge v. 29. 11. 2018, Powszechny Zakład Ubezpieczen´ na Z˙ ycie, Rs. C-617/17, Rn. 46; Devroe, in: Bernitz/Groussot/Schulyok (Hrsg.), General Principles of EU Law and European Private Law, 2013, S. 401, 404 f.; Lillich, Das Doppelstrafverbot bei Kartelldelikten im deutschen Recht und im Recht der Europäischen Gemeinschaft, 1978, S. 66 – 68; Vleeshouwers/Verstraeten, ECLR 38 (2017), 305, 308 – 312; Zeder, in: Hochmayr (Hrsg.), „Ne bis in idem“ in Europa, 2015, S. 145, 155. 830 EuGH, Urt. v. 14. 02. 2012, Toshiba, Rs. C-17/10, ECLI:EU:C:2012:72, Rn. 97. In Powszechny Zakład Ubezpieczen´ na Z˙ ycie hat der EuGH sich hingegen nicht ausdrücklich auf seine abweichende Auslegung im Kartellrecht berufen, vgl. Simpson, J. Eur. Comp. L. & Prac. 10 (2019), 367, 368. 831 S. o. Kap. 3 Fn. 783.
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rechtsgarantien im Wettbewerbsrecht als nicht voll wirksam – also wohl nicht als zwingendermaßen vollständig anwendbar – angesehen werden.832 Zurück zum Teerfarben-Kartell: Nachdem das KG den Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts – nicht wegen eines Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot, den das KG aufgrund des Urteils des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren auch nicht erkennen konnte,833 sondern aus anderen Gründen – aufgehoben hatte834, hatte der BGH über die Rechtsbeschwerde zu entscheiden. Nachdem dieser kurz unter Verweis auf den EuGH in Walt Wilhelm feststellte, dass das Bundeskartellamt gegen kein gemeinschaftsrechtliches Doppelbestrafungsverbot verstoßen habe,835 gelangte er mit der Argumentation des EuGH zum (nunmehr) unionsrechtlichen Doppelbestrafungsverbot in Walt Wilhelm dazu, dass Art. 103 Abs. 3 GG ebenfalls nicht verletzt sei. Das Bundeskartellamt und die Kommission haben demnach die Bußgeldverfahren unter unterschiedlichen Gesichtspunkten zu führen, nämlich einerseits als Verstoß gegen deutsches Kartellrecht, andererseits als Verstoß gegen Gemeinschaftskartellrecht.836 Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit sei jedoch eine Anrechnung entsprechend dem Grundgedanken von (nunmehr) § 51 Abs. 3 StGB837 vorzunehmen.838 (d) Zwischenergebnis Zur Entscheidung von Fällen mit möglichem Bezug zum Doppelbestrafungsverbot sind verschiedene Rechtsquellen zu berücksichtigen, namentlich Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK, Art. 50 GR-Charta, Art. 54 SDÜ, Art. 103 Abs. 3 GG und § 84 OWiG. Der Begriff der Strafe wird anhand der Engel-Kriterien ausgelegt, das heißt anhand der Einordnung durch den nationalen Gesetzgeber, der Natur des Vergehens und der Schwere der angedrohten Sanktion. Hiernach ist die kartellrechtliche Bußgeldsanktion nach Art. 23 Kartellverfahrens-VO und nach § 81 GWB als Strafe zu verstehen, sodass für sie das Doppelbestrafungsverbot gilt. Die Tatidentität wird in kartellrechtlichen Sachverhalten eng bestimmt, nämlich nach der dreifachen Voraussetzung der Identität sowohl des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden sowie des geschützten Rechtsguts.
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Lenaerts, NZKart 2013, 175, 181. KG, Beschl. v. 28. 08. 1969, Teerfarben, Az. Kart 5 – 11/68, WuW/E OLG 1015, 1018. 834 KG, Beschl. v. 28. 08. 1969, Teerfarben, Az. Kart 5 – 11/68, WuW/E OLG 1015. 835 BGH, Beschl. v. 17. 12. 1970, Teerfarben, Az. KRB 1/70, BGHSt 24, 54, 56 f. 836 BGH, Beschl. v. 17. 12. 1970, Teerfarben, Az. KRB 1/70, BGHSt 24, 54, 57 – 60. 837 § 51 Abs. 3 S. 1 StGB lautet: „Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist.“ 838 BGH, Beschl. v. 17. 12. 1970, Teerfarben, Az. KRB 1/70, BGHSt 24, 54, 60 f. 833
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(2) Anwendung auf Konstellationen mit Bezug zum Datenschutzrecht Parallelzuständigkeiten können auftreten, sollten Kartellbehörden vermittelt über den Missbrauchstatbestand außerwettbewerbliches Recht in ihre Prüfung integrieren. Ist zur Durchsetzung dieses Rechts eine weitere (Fach-)Behörde berufen, so fragt sich, ob die Führung paralleler Verfahren durch die beiden Behörden – bereits die Verfahrenseinleitung würde genügen – gegen den Grundsatz des ne bis in idem verstößt.839 Bei dieser Fallgruppe handelt es sich um etwas Neues, verglichen mit den in Rechtsprechung und Literatur bekannten Fallgruppen des Doppelbestrafungsverbots, denn die bisher behandelten Fallgruppen beschäftigten sich mit doppelten Ermittlungen durch Behörden mit unterschiedlicher örtlicher Zuständigkeit, aber der selben sachlichen Zuständigkeit.840 Bei den im Folgenden zu behandelnden Konstellationen geht es hingegen darum, dass zwei Behörden Verfahren einleiten (könnten), die für sachlich unterschiedliche Materien zuständig sind, nämlich die Europäische Kommission und nationale Kartellbehörden einerseits, andere (Fach-) Behörden andererseits. Parallel dazu konkurriert die Anwendung der materiellen kartellrechtlichen Regelungen mit der anderer Normen, die anderen Zielen dienen. Hier sind zwei Situationen zu unterscheiden: Zum einen können Ermittlungen durch die Kartell- oder die andere Behörde bereits mit dem Ziel, eine Bußgeldentscheidung zu erlassen, eingeleitet oder sogar abgeschlossen sein. Dann fragt sich, ob die jeweils andere Behörde noch Ermittlungen aufnehmen kann oder vielmehr durch das Doppelbestrafungsverbot daran gehindert ist. Zum anderen braucht es aber auch verfahrensrechtliche Regeln für die Situation vor Aufnahme der Ermittlung durch die erste Behörde, um die Zuständigkeit der beiden Behörden voneinander abzugrenzen. Das ist dann aber kein Fall des Doppelbestrafungsverbots im engeren Sinne, sondern eine rechtspolitische Frage. Beide Fragen sind eng miteinander verknüpft. (a) Parallele Ermittlungen durch Kartell- und andere (Fach-)Behörden Wenden wir uns zunächst der ersten dieser beiden Konstellationen (eine Behörde hat bereits Ermittlungen in einem Bußgeldverfahren eingeleitet) zu: Verbietet hier das Doppelbestrafungsverbot die Aufnahme weiterer Ermittlungen durch die andere Behörde?
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Unproblematisch in dieser Hinsicht sind hingegen die bisher vom BGH entschiedenen Fälle, in denen außerkartellrechtliche Wertungen berücksichtigt wurden, namentlich VBLGegenwert I und II sowie Pechstein. Im AGB-Recht und für die Grundrechte gibt es keine behördliche Rechtsdurchsetzung, sodass Kompetenzkonflikte nicht auftreten können, Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 260 f. (Rn. 687). Vgl. umfassend zu einer denkbaren Fortentwicklung des Kartellstrafrechts und zum Zusammenhang mit dem Doppelbestrafungsverbot Jaeger, wbl 2018, 418. 840 Zu diesen etablierten Fallgruppen Roesen, Mehrfache Sanktionen im internationalen und europäischen Kartellrecht, 2009, S. 229 – 326.
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Eine Antwort ist vor dem Hintergrund der uneinheitlichen Auffassungen über das das Doppelbestrafungsverbot kennzeichnende „idem“ nicht eindeutig. Wendet man die Rechtsprechung des EGMR nach Zolotukhin an, gelangt man zu einem weiten Verständnis des Doppelbestrafungsverbots, wie das auch vom Gerichtshof mit der Anwendung des effet utile beabsichtigt war. Demnach ist für die Tatidentität allein die Sachverhaltsidentität entscheidend. Wenn eine einzelne Handlung unter datenschutzrechtlichen wie unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten zu werten ist, handelt es sich damit gleichwohl noch um eine Tat. Demnach verbietet das Doppelbestrafungsverbot in der Auslegung des EGMR die Aufnahme von Ermittlungen durch die zweite Behörde. Die Anwendung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze führt zum gegenteiligen Ergebnis.841 Zur Anwendbarkeit des Doppelbestrafungsverbots bedarf es nach dieser Rechtsprechung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts.842 Es stellt sich damit die Frage, welchem Schutzgut ein in den Dienst des Datenschutzrechts gestelltes Kartellrecht überhaupt dient. Nach den in dieser Arbeit entwickelten Grundsätzen darf freilich die Kartellrechtsanwendung jedenfalls nicht allein der Durchsetzung des Datenschutzrechts dienen.843 In jedem Fall sind nachteilige Marktwirkungen des Verhaltens zu prüfen, das heißt vor allem die Verschlechterung der Marktposition der anderen Marktseite ist zu belegen. Nur wenn dieses konstitutive Merkmal festgestellt werden kann, ist das Verhalten nicht nur datenschutz-, sondern auch kartellrechtswidrig. Datenschutzund Kartellrechtsverstoß bedingen einander nicht. Das zeigt, dass die Schutzgüter verschiedenartig sind. In jedem Fall müssen die Kartellbehörden nachweisen, dass das von ihnen verfolgte Unrecht über einen bloßen Datenschutzverstoß hinausgeht und sich nachteilig auf den Wettbewerb auswirkt.844 Die Grundsätze des EuGH verdienen in einer Konstellation wie der hier untersuchten auch den Vorrang gegenüber der EGMR-Rechtsprechung. Denn anders als im Kartellrecht, wo die nationalen Kartellbehörden europäisches und deutsches Kartellrecht anzuwenden haben,845 fehlt eine übergreifende horizontale Kompetenz für die Durchsetzung des Datenschutz- und des Kartellrechts. Es gibt also keine Behörde, deren Sanktionen den vollständigen Unrechtsgehalt des Verhaltens berücksichtigen könnten. Mit dieser Lösung verbunden ist freilich die Gefahr einer – in Bezug auf die Tatund Schuldangemessenheit der zu findenden Geldbuße – unangemessen hohen 841
So auch Stauber, Facebook’s Abuse Investigation in Germany and Some Thoughts on Cooperation Between Antitrust and Data Protection Authorities, CPI Antitrust Chronicle 2019, S. 8. 842 S. o. Kap. 3 Fn. 828. 843 S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(2)(c) (S. 144 – 147) und § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). 844 Volmar/Helmdach, ECJ 14 (2018), 195, 211. 845 Art. 3 Abs. 1 Kartellverfahrens-VO.
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Bestrafung.846 Wenn bereits in dem ersten Verfahren eine Geldbuße festgesetzt wurde, die ausreicht, um general- und spezialpräventiv zu wirken, so wäre jede weitere Geldbuße, die den Gesamtbetrag noch weiter ansteigen lässt, nicht erforderlich, also nicht mehr verhältnismäßig.847 Denn auch wenn die Wertungen des Doppelbestrafungsverbots zu zwei unterschiedlichen Taten kommen, liegt diesen doch dieselbe tatsächliche Handlung zugrunde, die nur unterlassen oder eben nicht unterlassen werden kann. Diese Gefahr besteht im Besonderen gerade in den beiden hier untersuchten Rechtsgebieten. So bieten die Bußgeldnormen keinen starr vorgegebenen – auf einen bestimmten Betrag gedeckelten – Bußgeldrahmen. Vielmehr richtet sich die maximale Bußgeldhöhe nach dem Gesamtjahresumsatz des betroffenen Unternehmens.848 Im europäischen Kartellrecht wird diese Obergrenze sogar nur als eine Kappungsgrenze verstanden, sodass hier sogar noch deutlich höhere Bußgelder zu erwarten sind.849 Die Gefahr eines over-enforcement ist damit bereits in der gesetzlichen Regelung angelegt. Dabei ist auch die Verhaltenssteuerung als Ziel staatlichen Handelns in diesen Bereichen zu berücksichtigen. Die Sanktionierung soll general- und spezialpräventiv von einem sozial unerwünschten Verhalten abhalten. Übermäßige Sanktionierung des Verhaltens würde dieses Ziel übertreffen und wäre damit nicht erforderlich. Sie würde überabschreckend wirken und könnte Normadressaten auch von erlaubtem – gar sozial erwünschtem – Verhalten abschrecken. Daher ist das richtige Maß an 846 Devroe, in: Bernitz/Groussot/Schulyok (Hrsg.), General Principles of EU Law and European Private Law, 2013, S. 401, 401 f. (over-enforcement); Wils, W. Comp. 26 (2003), 131, 136 f. (over-punishment). Wils relativiert die Gefahr unangemessen hoher Sanktionen bei doppelter Bestrafung allerdings mit dem Argument, dass immerhin die Möglichkeit bestünde, dass das erste behördliche Verfahren zu einem – gemessen am Ziel der Abschreckung – zu niedrigen Sanktionsmaß geführt habe. Die mangelnde Abschreckung des ersten Verfahrens werde dann durch die Gefahr der zweimaligen Inanspruchnahme kompensiert. Dieses Argument unterstellt ein unausweichliches Versagen des zeitlich ersten Verfahrens. In vielerlei Hinsicht sinnvoller wäre es, institutionell dafür zu sorgen, dass dieses Versagen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Dann bedürfte es nicht mehr der Reparatur durch das zweite Verfahren. 847 Wils, W. Comp. 26 (2003), 131, 136. 848 Art. 23 Abs. 2 Kartellverfahrens-VO und § 81 Abs. 4 S. 2 GWB einerseits, Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO andererseits. 849 EuGH, Urt. v. 28. 06. 2015, Dansk Rørindustri, verb. Rs. C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/ 02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, ECLI:EU:C:2005:408, Rn. 277 f.; vgl. auch Europäische Kommission, Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003, ABl. 2006 C 210, 2 (2006/C 210/02), Rn. 32. Anders hingegen für das deutsche Kartellrecht BGH, Urt. v. 26. 02. 2013, Grauzementkartell, Az. KRB 20/12, BGHSt 58, 158, 174 – 178 (Rn. 55 – 65). Für die Regelung in Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO wurde bereits an anderer Stelle für ein Verständnis als Bußgeldrahmen plädiert, Uebele, EuZW 2018, 440, 446. Eine behördliche oder gerichtliche Praxis hat sich hier, soweit erkennbar, noch nicht herausgebildet, vgl. jedoch Datenschutzkonferenz, Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen, 14. 10. 2019.
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Verhaltenssteuerung durch die Bußgeldbewährung verbotenen Verhaltens zu finden. Dies kann nicht schematisch, sondern nur durch eine Abwägung im Einzelfall gelingen. Das rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgebot verlangt die (mitunter auch vollständige) Anrechnung der zuerst verhängten Sanktion auf die zweite.850 Der Maßstab hat hierbei zu sein, dass das insgesamt verhängte Bußgeld zum einen abschreckend genug ist, um general- und spezialpräventiv von dem inkriminierten Verhalten abzuschrecken. Gleichzeitig darf es jedoch auch nicht zu hoch sein, sodass es von erlaubtem Verhalten abschreckte. Diese beiden Ziele auszutarieren, ist im Einzelfall schwierig. (b) Doppelte Zuständigkeit? Mit diesem Ergebnis stellt sich die rechtspolitische Frage, wie mit der damit bejahten parallelen Zuständigkeit von Datenschutz- und Kartellbehörden für ein einheitliches Verhalten rechtspolitisch umzugehen ist. Die Parallelzuständigkeit müsste sowohl institutionell – das heißt: verbunden mit möglichen Doppelstrukturen und eventuell widersprüchlichen Entscheidungen – als auch im Hinblick auf vermeidbare zusätzliche Belastungen der betroffenen Unternehmen durch doppelte Ermittlungen akzeptabel sein. Die Vorschläge in der Literatur reichen hier von Lösungen, die Doppelzuständigkeiten akzeptieren und deren nachteilige Folgen durch schlichte Koordination und Kooperation unter den Behörden ausgleichen wollen,851 bis hin zu einem generellen institutionellen Vorrang der speziellen Fachbehörde gegenüber der Kartellbehörde, sodass die letztere nur bei einem Nichteinschreiten oder Versagen der ersteren zuständig sein sollen.852 Die mit der 9. GWB-Novelle in § 50c Abs. 1 S. 1 GWB geschaffene Möglichkeit des Informationsaustauschs mit Datenschutzbehörden853 stellt jedenfalls keine Regelung der Zuständigkeit dar. Das Funktionieren eines solchen Systems wäre daher auf eine einverständliche Vorgehensweise der beteiligten Behörden angewiesen. Dies dürfte jedoch spätestens dann nicht mehr praktikabel sein, sobald eine wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweise den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigt und nach Art. 3 Abs. 1 Kartellverfahrens-VO zwingend europäisches Kartellrecht neben dem mitgliedstaatlichen anzuwenden ist. Auf die Anwendung dieser Normen können die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden dann nicht im Rahmen der Kooperation mit Datenschutzbehörden verzichten. Ist sodann gar die Europäische Kommission zuständig, so ist eine Kooperation mit den mitgliedstaatlichen Datenschutzbehörden praktisch ausgeschlossen. In einem solchen Fall
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So ebenfalls, wenn auch im Kontext kartellrechtlicher Drittstaatssanktionen, Eilmansberger, EWS 2004, 49, 53 f. 851 Nothdurft, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, § 19 GWB, Rn. 201. 852 Bania, ECJ 14 (2018), 38, 68 f.; Wils, W. Comp. 26 (2003), 131, 136 f. 853 Dazu Kieck, PinG 2017, 67, 70 f.; Podszun, in: Kersting/Podszun (Hrsg.), Die 9. GWBNovelle, 2017, S. 351, Rn. 46 – 60.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
wären de lege lata häufig nach wie vor ineffiziente doppelte Ermittlungen854 durch beide Behörden erforderlich, um den vollen Unrechtsgehalt auszuschöpfen. Andererseits scheinen aber auch Ansätze wenig sinnvoll, wonach eine doppelte Zuständigkeit in der Form zuzulassen sein soll, dass zunächst die sachnähere Fachbehörde (hier: Datenschutzbehörde) den Vorrang hat und die Kartellbehörde nur einschreiten kann, wenn die sachnähere Behörde nicht oder nicht in „ausreichendem Maße“ eingeschritten ist.855 Es kann nämlich auch legitime Gründe für das (vorläufige) Nichthandeln einer Behörde geben, etwa wenn sie noch mit anderen Ermittlungen ausgelastet ist oder mit dem betroffenen Unternehmen über eine einverständliche Verfahrensbeendigung verhandelt. Auch ist es im Einzelfall nicht einfach zu bestimmen, wann die Durchsetzung durch die sachnähere Behörde versagt hat. Die Ansätze haben hingegen gemeinsam als richtigen Ausgangspunkt, dass die sachnäheren Behörden aufgrund ihrer besseren Kenntnisse auf dem jeweiligen Fachgebiet den grundsätzlichen Vorrang vor den Kartellbehörden verdienen.856 Andererseits bleiben die Sanktionsbefugnisse im Datenschutzrecht hinter denen des Kartellrechts zurück. Eine Sanktionierung allein unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten würde nicht den vollen Unrechtsgehalt des Missbrauchs durch Rechtsbruch erfassen. Es ist jedoch sinnvoll, die Sanktionierung bei einer Behörde zu konzentrieren, um ineffiziente Doppelstrukturen zu vermeiden.857 So könnte es etwa geboten sein, den Katalog der bei der Bußgeldbemessung zu berücksichtigenden Umstände nach Art. 83 Abs. 2 S. 2 DS-GVO um die Fallgruppe der zusätzlichen Verwirklichung des Tatbestands des Art. 102 AEUV oder entsprechender mitgliedstaatlicher Regelungen zu erweitern. Gleichzeitig könnte dann für die Erfüllung dieser Fallgruppe in einem eigenen Absatz der Bußgeldrahmen auf 14 Prozent des Gesamtjahresumsatzes erhöht werden, um sowohl den Art. 83 Abs. 4 – 6 DS-GVO als auch den in Art. 23 Abs. 2 Kartellverfahrens-VO verkörperten Unrechtsgehalt bei der Bußgeldbemessung erfassen zu können. Dabei kann es eben nicht den Datenschutzbehörden obliegen, den (zusätzlichen) kartellrechtlichen Unrechtsgehalt festzustellen. Dies setzt vielmehr die enge Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden voraus. Ermöglicht wird dies in Deutschland durch den behördlichen Informationsaustausch nach § 50c Abs. 1 S. 1 GWB. Auf dieser Grundlage 854
Wils, W. Comp. 26 (2003), 131, 137. Paal, GRUR 2019, 43, 50, äußert ebenso grundsätzliche Bedenken wegen drohender „[…] Friktionen zwischen den unterschiedlichen Gesetzesmaterien und Kompetenzkollisionen […]“. 855 So jedoch Bania, ECJ 14 (2018), 38, 68 f.; Wils, W. Comp. 26 (2003), 131, 136 f. 856 Vgl. Bania, ECJ 14 (2018), 38, 68. 857 Die Gefahr ineffizienter Doppelstrukturen erkennt auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 131 f., die allerdings andere Schlussfolgerungen zieht, nämlich dass zunächst die Datenschutzbehörde den datenschutzrechtlichen Teil des Verstoßes feststellen solle, bevor die Kartellbehörde sich mit der kartellrechtlichen Seite beschäftigen kann. Die Lösung liegt demnach in einer möglichst effizienten Kooperation der Behörden.
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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muss ein Benehmen zwischen Datenschutz- und Kartellbehörden vor der Entscheidung hergestellt werden.858 Die hier vorgeschlagene (de lege ferenda) Lösung hätte zur Folge, dass, sobald eine Datenschutzbehörde den Sachverhalt aufgreift und ein Bußgeldverfahren betreibt, weitere Ermittlungen durch Kartellbehörden nach dem Doppelbestrafungsverbot gesperrt wären: Mit dieser Lösung hätten nämlich beide Behörden den Sachverhalt unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen; über die Erweiterung des Art. 83 Abs. 2 S. 2 DS-GVO wäre das geschützte Rechtsgut teilidentisch, weil die Ahndung durch die Datenschutzbehörden dann den Sachverhalt auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen hätte. Ineffiziente Doppelzuständigkeiten würden dadurch vermieden werden. Der hier vorgeschlagene institutionelle Vorrang der Datenschutzbehörden hat noch einen zweiten Vorteil: Die für die Missbrauchsaufsicht vorgesehenen Rechtsfolgen sind als staatliche Reaktionen in Datenschutzkonstellationen nur bedingt geeignet; das datenschutzrechtliche Instrumentarium ist ihnen überlegen. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Kartellrecht sind ihrer Natur nach darauf angelegt, Beeinträchtigungen des Wettbewerbs zu beheben.859 Daraus muss zwar nicht zwangsläufig die Wirkungslosigkeit zur Abstellung datenschutzrechtlicher Verstöße folgen. Doch wie im Folgenden zu zeigen sein wird, werden die Verstöße besser durch das Datenschutzrecht adressiert. Der Vorteil der datenschutzrechtlichen Regelungen – das bedarf der Klarstellung – liegt dabei mit der hier vorgeschlagenen Lösung de lege lata zur Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Belange im Kartellrecht keineswegs auf der materiellrechtlichen Ebene. Datenschutzrechtliche Regelungen wie etwa die Bestimmungen für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten860 verlangen daher in vollem Umfang Berücksichtigung, wenn ein möglicher Datenschutzverstoß unter das Missbrauchsverbot gefasst werden soll. Die Unterschiede liegen vielmehr auf der Rechtsfolgenebene, also bei den Sanktionen. Wie bereits beschrieben, liegt eine der Ursachen für Datenschutzverstöße in den Informationsasymmetrien zwischen Verbrauchern und Verarbeitern. Derartige Asymmetrien lassen sich kaum sinnvoll durch Einzelmaßnahmen, wie sie Behörden typischerweise treffen, beseitigen. Die beste Lösung wäre daher auf legislativer Ebene zu finden, die Wirkung erga omnes hat und nicht nur gegenüber einem bestimmten Unternehmen, an das eine Verfügung, gestützt auf Datenschutz858
Zum Benehmen noch einmal vertieft u. § 5.C.I.8.b) (S. 248 – 251). Ein Überblick über das kartellrechtliche Instrumentarium wurde bereits o. § 5.B. (S. 65 – 75) gegeben. 860 Art. 8 – 10 DS-GVO: Verarbeitung der Daten von Kindern; besondere Kategorien personenbezogener Daten (Daten mit Bezug auf Rasse, ethnische Herkunft, politische Meinung, Religion, Weltanschauung; genetische, biometrische und Gesundheitsdaten; Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung); Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten. 859
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
oder Kartellrechtsverstöße, gerichtet ist.861 Insbesondere die Schaffung besserer Instrumente zur Verbraucheraufklärung dürfte umfassendere Wirkung haben.862 Ein erster bedeutender Vorteil des datenschutz- gegenüber dem kartellrechtlichen Verfahren – als zweitbeste Lösung nach legislativen Mitteln der Verbraucheraufklärung – sind die abgesenkten Aufgreifschwellen. Kartellrechtliche Ermittlungshandlungen bedürfen eines Anfangsverdachts: Es müssen ernsthafte Indizien863 für einen Kartellverstoß vorliegen.864 Das Datenschutzrecht hingegen kennt zahlreiche Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, die einen derartigen Anfangsverdacht nicht erfordern. Zu nennen sind die in Art. 57 Abs. 1 lit. a – e DS-GVO aufgezählten Aufgaben zur Sensibilisierung, Aufklärung und Beratung und Information sowohl der Öffentlichkeit, staatlicher Stellen (etwa der Parlamente), Verantwortlicher und betroffener Personen gleichermaßen.865 Effektiv eingesetzt, kann dies zur Verringerung von Informationsasymmetrien beitragen. Weitere Vorfeldmaßnahmen sind die Untersuchungsbefugnisse in Art. 58 Abs. 1 DS-GVO. Diese erlauben präventive und anlasslose866 Anweisungen, Datenschutzüberprüfungen, Überprüfungen von Zertifizierungen, Hinweise auf vermeintliche867 Verstöße und den Zugang zu Daten und Geschäftsräumen.868 Die Datenschutzbehörden haben damit die Möglichkeit, deutlich sensibler auf neu auftretende Probleme zu reagieren.869 861
R. Weber, ZWeR 2014, 169, 182. Akman, J. Eur. Comp. L. & Prac. 10 (2019), 589, 590; Stucke/Grunes, No Mistake About It: The Important Role of Antitrust in the Era of Big Data, S. 12 f. 863 EuG, Urt. v. 14. 11. 2012, Nexans, Rs. T-135/09, ECLI:EU:T:2012:596, Rn. 67. 864 Miersch/Israel, in: Kamann/Ohlhoff/Völcker (Hrsg.), Kartellverfahren und Kartellprozess, 2017, S. 87, Rn. 6, für das europäische Kartellrecht einerseits; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 06. 2003, Stromcontracting, Az. Kart 7/03 (V), WuW/E DE-R 1179, 1183, für das deutsche Kartellrecht andererseits. Unbenommen bleiben den Kartellbehörden dabei die formlosen Mittel der Kartellaufsicht, Bach, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, Vor § 54, Rn. 14 – 23. 865 Die korrespondierende Befugnisnorm findet sich in Art. 58 Abs. 3 lit. b DS-GVO. 866 Selmayr, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 58 Rn. 11. 867 In der englischen Fassung treffender „alleged“, Boehm, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 58 DS-GVO, Rn. 17. 868 Art. 53 Abs. 2 lit. b DS-GVO-E sollte im Vorschlag der Kommission (Zugang zu Geschäftsräumen; in der endgültigen Fassung Art. 58 Abs. 1 lit. b DS-GVO) noch einen Anfangsverdacht voraussetzen. Dies wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ersatzlos gestrichen, Boehm, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 58 DSGVO, Rn. 19. 869 Dabei geht es – das soll an dieser Stelle noch einmal betont werden – immer noch um sich abzeichnende Verletzungen datenschutzrechtlicher Normen. Eine andere Frage ist dann, ob Kartellbehörden auch eingreifen können, wenn zwar keine Datenschutzrechtsverletzung konkret droht, aber ein sozial erwünschtes Datenschutzniveau erreicht werden soll, vgl. N. Newman, Yale J. on Reg. 31 (2014), 401, 447, mit dem Beispiel der Kombination der Nutzerdaten der Google-Suche und von Youtube, die er als bedrohlich ansieht. Eine mögliche Lösung sei die Aufspaltung in eigenständige Unternehmen. Mit diesem Thema befasst sich § 6 (S. 267 – 286) der vorliegenden Arbeit. 862
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Steht ein (auch nur drohender) datenschutzrechtlicher Verstoß fest, steht den Datenschutzbehörden der Katalog der Abhilfebefugnisse des Art. 58 Abs. 2 DSGVO zur Verfügung. Dieser reicht von der bloßen Warnung (lit. a) über die Anweisung, wie bestimmte Verarbeitungsvorgänge auszuführen sind (lit. d) bis hin zu Geldbußen (lit. i). Das ist ausdifferenzierter als das kartellrechtlich Mögliche. Dieses erlaubt zwar im Rahmen von Abstellungsverfügungen nicht nur die (negative) Verpflichtung zur Abstellung der Zuwiderhandlung, sondern ebenso die sogenannte positive Tenorierung, in der den betroffenen Unternehmen konkrete Maßnahmen aufgegeben werden.870 Konkrete Verhaltenspflichten können jedoch auch auf der Grundlage von Art. 58 Abs. 2 lit. c, d, e, g DS-GVO auferlegt werden. Auch das Kartellordnungswidrigkeitenrecht bietet, mit der hier vorgeschlagenen Erweiterung des Bußgeldrahmens des Art. 83 Abs. 5 und 6 DS-GVO verglichen, keinen Vorteil gegenüber dem Datenschutzrecht.871 Der vollständige Unrechtsgehalt sowohl in kartellrechtlicher wie in datenschutzrechtlicher Hinsicht kann damit durch die Bebußung nach Art. 83 DS-GVO erfasst werden. Als wesentlicher Vorteil der Sanktionen des Kartellrechts bleibt jedoch nach wie vor die in §§ 33 – 33h GWB normierte privatrechtliche Durchsetzung zu nennen. Diese hat durch die 9. GWB-Novelle ein gegenüber früheren Fassungen deutlich detaillierteres Regelungsgefüge erfahren.872 Dem durch einen Kartellverstoß Geschädigten stehen Schadensersatz-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zu. Diese Ansprüche werden durch eine Reihe von Regelungen flankiert, die die Durchsetzung erleichtern beziehungsweise attraktiver machen. Zuvorderst zu nennen sind die großzügige Zinsregelung des § 33a Abs. 4 S. 1 GWB (Verzinsungspflicht ab Eintritt des Schadens), die Bindungswirkung kartellbehördlicher Entscheidungen nach § 33b GWB, der Anspruch auf Herausgabe von Beweismitteln und Erteilung von Auskünften nach § 33g GWB und die gegenüber der Regelverjährung873 den Gläubiger begünstigende Verjährung nach § 33h GWB. Demgegenüber nimmt sich das private enforcement der DS-GVO – namentlich der Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO – rudimentär aus.874 Dies dürfte aufgrund der geringen praktischen Bedeutung des datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruchs875 freilich auch nicht spürbar nachteilig für das Durchset870
Art. 7 Abs. 1 S. 2 Kartellverfahrens-VO; § 32 Abs. 2 GWB. Hingewiesen sei noch auf die Bedenken hinsichtlich der praktischen Bedeutung des Bußgeldtatbestands beim Ausbeutungsmissbrauch wegen des aufgrund der Offenheit des Tatbestands zweifelhaften Verschuldens, Höft, Die Kontrolle des Ausbeutungsmissbrauchs im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 2013, S. 345 f. 872 Die Änderung war aufgrund der Kartellschadensersatz-RL notwendig geworden. 873 §§ 195, 199 BGB. 874 Gleichwohl wurden die Rechte des Geschädigten, verglichen mit dem Zustand unter der Richtlinie, gestärkt, Bergt, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 82 DS-GVO, Rn. 1 – 5. 875 Nemitz, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 82 Rn. 2. 871
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
zungsniveau des Datenschutzrechts sein: Die bereits angesprochene876 rationale Apathie der Verbraucher steht einer wesentlichen Hebung des Durchsetzungsniveaus durch die Wahrnehmung eigener Rechte durch die Betroffenen entgegen. Damit zeigt sich unter dem Strich, dass auch das Kartellschadensersatzrecht nicht für eine notwendige parallele Anwendbarkeit von Datenschutz- und Kartellrecht oder gar einen Vorrang des letztgenannten spricht. Vielmehr bedarf es zur Erreichung eines angemessenen Durchsetzungsniveaus der behördlichen Rechtsdurchsetzung – und hier zeigt sich das datenschutzrechtliche Instrumentarium deutlich besser gewappnet. Doppelte Zuständigkeiten von Datenschutz- und Kartellbehörden für das (im Kern) selbe Verhalten sind nicht nur aufgrund doppelten Ermittlungsaufwands ineffizient und belasten die Unternehmen, gegen die ermittelt wird877, zusätzlich. Derartige Redundanzen gilt es zu vermeiden.878 Die Ineffizienz doppelter Ermittlungen durch zwei Behörden – oder gar solcher durch die Kartellbehörden allein – zeigt sich auch in der mangelnden datenschutzrechtlichen Fachkompetenz der Kartellbehörden. Der entsprechende Sachverstand liegt naturgemäß bei den Datenschutzbehörden, in deren Hand daher auch das Verfahren wegen eines – zumindest im Kern – Datenschutzverstoßes liegen sollte. In eine ähnliche Richtung gehen auch die von der Monopolkommission im XXII. Hauptgutachten angestellten Überlegungen. Demnach würde die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Wertungen durch Kartellbehörden die durch die DS-GVO angestrebte Vereinheitlichung879 der Anwendung des Datenschutzrechts behindern.880 Daneben besteht die Gefahr, dass die Europäische Kommission und die
876
S. o. § 5.A.II.1. (S. 53 – 55). Auf die Verwendung des (kartell-)verwaltungsrechtlichen Begriffs „Betroffener“ soll hier aufgrund der Doppeldeutigkeit verzichtet werden, da er ebenso die „betroffene Person“ i. S. d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO bezeichnen könnte. 878 Paal/Hennemann, Big Data as an Asset, S. 86. 879 Erwägungsgrund 10 S. 2 der DS-GVO lautet: „Die Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sollten unionsweit gleichmäßig und einheitlich angewandt werden.“ 880 Monopolkommission, XXII. Hauptgutachten, 2018, S. 261 (Rn. 692). Ähnlich auch Körber, NZKart 2019, 187, 194 f.: Doppelzuständigkeiten bergen demnach die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, zumal das Bundeskartellamt seine Fälle nicht dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen könne. Dagegen spricht freilich, dass auch alle Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Anwendung berufen sind sowie die sie überwachenden Verwaltungsgerichte und schließlich auch alle Zivilgerichte in zivilrechtlichen Streitigkeiten um den Datenschutz. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist hier schon programmiert; auch die Datenschutzbehörden können nicht gemäß Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsverfahren veranlassen. Den Gerichten – gleich ob Zivilgerichten (Anwendung des Kartellrechts und Überprüfung der Entscheidungen der Kartellbehörden) oder Verwaltungsgerichten (Überprüfung der Entscheidungen der Datenschutzbehörden) – steht dieser Weg hingegen offen, sodass letztendlich gerade in streitigen Verfahren oftmals doch die 877
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Kartellbehörden besondere Datenschutzstandards für marktbeherrschende Unternehmen schaffen, die sich von den allgemeinen Anforderungen des Datenschutzrechts unterscheiden. Diese Besorgnis ist im Grunde berechtigt, auch wenn man vor dem Hintergrund der zahlreichen Öffnungsklauseln in der DS-GVO, die die Mitgliedstaaten zu einer individuellen Regelung verpflichten oder zumindest dazu berechtigen,881 ohnehin nicht von einem vollständig harmonisierten Datenschutzrecht sprechen kann.882 Die DS-GVO sieht in ihrem Kapitel VII („Zusammenarbeit und Kohärenz“) ein abgestuftes System der Kooperation zwischen den Datenschutzbehörden vor. Das Ziel ist eine „einheitliche Anwendung dieser Verordnung“883. Um diese zu erreichen, sind die Behörden zu Zusammenarbeit und gegenseitiger Amtshilfe verpflichtet und können gemeinsame Maßnahmen wie Untersuchungen vornehmen.884 Zur einheitlichen Rechtsanwendung soll die Tätigkeit des Europäischen Datenschutzausschusses885 führen.886 Dazu dient insbesondere das Kohärenzverfahren887 mit der Möglichkeit der die Streitbeilegung durch den Ausschuss.888 Der Ausschuss hat, als Nachfolger der Art.-29-Arbeitsgruppe889, eine Ausweitung des Aufgabenkatalogs erfahren.890 Durch diese Regelungen wurde eine gleichlaufende Anwendung des europäischen Datenschutzrechts erreicht. Das europäische Kartellrecht kennt zwar das Europäische Wettbewerbsnetz891 nach Art. 12 – 16 der Kartellverfahrens-VO und der ECN-Bekanntmachung der Europäischen Kommission.892 Diese Regelungen beinhalten zwar ebenfalls Formen der Zusammenarbeit zwischen Kommission und nationalen Wettbewerbsbehörden, Möglichkeit der zur einheitlichen Rechtsanwendung beitragenden Entscheidung durch den EuGH offensteht. 881 Buchner, DuD 2016, 155, 160. 882 Reibach, in: Taeger (Hrsg.), Rechtsfragen digitaler Transformationen, 2018, S. 131. 883 Erwägungsgrund 139, Art. 63 DS-GVO. 884 Art. 60 – 62 DS-GVO. 885 Art. 68 DS-GVO. 886 Art. 68 – 76 DS-GVO, insbesondere Art. 70 Abs. 1 S. 1 DS-GVO. 887 Art. 63 – 67 DS-GVO. 888 Art. 65 DS-GVO. 889 Benannt nach Art. 29 der DS-RL. Die Arbeitsgruppe hatte beratende Funktion und bestand aus Vertretern der mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden. Bei der Umwandlung zum Ausschuss mit Wirksamwerden der DS-GVO hat sich daran nichts Wesentliches geändert. 890 Albrecht, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 70 Rn. 1. 891 European Competition Network (ECN). 892 Europäische Kommission, Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags, ABl. 2004 C 101, 54. Vgl. auch ECN-Plus-RL (Richtlinie [EU] 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, ABl. 2019 L 11, 3) sowie die zur Umsetzung bestimmten §§ 50a – 50f GWB.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
ebenso wie die Bindungswirkung der Kommissionsentscheidungen nach Art. 16 Kartellverfahrens-VO.893 Diese Zusammenarbeit hat jedoch keine Verstetigung erfahren, die mit den Maßnahmen der DS-GVO, insbesondere in Form des Europäischen Datenschutzausschusses, vergleichbar wäre. Kartellbehörden sind selbstredend nicht an die Vorgaben des Kapitels VII der DS-GVO gebunden. Das ist allerdings konträr zum Ziel der einheitlichen Anwendung der DS-GVO. Die Öffnung des Kartellrechts für Belange des Datenschutzrechts – gleichbedeutend damit die Öffnung des Datenschutzrechts für eine Durchsetzung mit Mitteln des Kartellrechts – hat damit das Potenzial, zu einer erneuten Rechtszersplitterung im Datenschutzrecht zu führen, die mit Inkrafttreten der DS-GVO eigentlich weitgehend überwunden war. Kerber hat richtigerweise angemerkt, es sei eine Besonderheit der Fälle des Konditionenmissbrauchs durch Datenschutzrechtsbruch, dass es zu einer gegenseitigen Verstärkung von Marktversagen und Informationsasymmetrien kommen kann. Schwacher Wettbewerb führt demnach dazu, dass Unternehmen weniger detailliert über die von ihnen gesammelten Daten aufklären.894 Umgekehrt hat eine geringe Transparenz zur Folge, dass der Wettbewerbsdruck aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit der Produkte verschiedener Anbieter sinkt.895 Das entspricht auch der Erkenntnis, dass ein niedriges Datenschutzniveau eines Unternehmens indiziell für dessen starke Marktstellung ist.896 Daher hat die Behebung von Informationsasymmetrien mit den Mitteln des Datenschutzrechts, wie hier vorgeschlagen, auch Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation und kann dazu beitragen, diese zu beleben.897 Die Gesamtschau dieser Argumente zeigt die Sinnhaftigkeit der hier vorgeschlagenen Konzentration des Verfahrens bei den Datenschutzbehörden im Benehmen mit den Kartellbehörden und unter teilweiser Ausweitung der Befugnisse der Datenschutzbehörden. Im folgenden Abschnitt wird vor dem Hintergrund der Ausführungen de lege lata die Entscheidung des Bundeskartellamts in Sachen Facebook dargestellt und bewertet. Gerade vor diesem Hintergrund ergeben sich weitere Argumente für die hier vorgeschlagene Lösung de lege ferenda. Dieser Vorschlag soll in dem diesen Abschnitt zusammenfassenden Ergebnis noch weiter skizziert werden.898
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Vgl. auch § 33b GWB. Empirisch belegt bei Shore/Stein, Did You Really Agree to That? The Evolution of Facebook’s Privacy Policy, Tech. Science 2015. Aktualisiert bei Blankertz, How competition impacts data privacy, September 2020, S. 11 f. 895 Kerber, GRUR Int. 2016, 639, 644. 896 S. o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(d) (S. 120 – 123). 897 Ebenso N. Newman, Yale J. on Reg. 31 (2014), 401, 448. In dieselbe Richtung Podszun, in: Kühling/Zimmer (Hrsg.), Neue Gemeinwohlherausforderungen, 2020, S. 199, 209. 898 S. u. § 5.C.I.8.b) (S. 248 – 251). 894
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4. Die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts In dem folgenden Abschnitt wird die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts vom 06. 02. 2019899 in den Kontext der Fallgruppe des Konditionenmissbrauchs gestellt. Bei der Entscheidung handelt es sich um den ersten Fall, in dem eine Kartellbehörde ihre Entscheidung wesentlich auf datenschutzrechtliche Erwägungen stützte.900 Im Folgenden wird zunächst der Verlauf des Verfahrens dargestellt (a))901, um sodann auf die eigentliche Entscheidung einzugehen (b))902. Anschließend wird eine zusammenfassende Bewertung vorgenommen (c))903, wobei insbesondere vor dem Hintergrund eines alternativ möglichen datenschutzbehördlichen Verfahrens der Sinn des Handelns des Bundeskartellamts hinterfragt werden soll. Nachfolgend – unter 5.904 und 6.905 – widmen wir uns dann den Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des BGH im Eilverfahren. Abschließend wird unter 7.906 auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Hauptsacheverfahren eingegangen und unter 8.907 eine Zusammenfassung vorgenommen. a) Verfahren Das Bundeskartellamt leitete das Verfahren im März 2016 ein908 und führte es als Verwaltungsverfahren nach § 32 GWB. Beteiligte waren sowohl die Facebook Inc.909 899
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16. Vgl. aber die Entscheidung der belgischen Kartellbehörde Belgische Mededingingsautoriteit, Beschl. v. 22. 09. 2015, Nationale Loterij NV, Az. BMA-2015-P/K-27-AUD (Zusammenfassung bei WuW 2016, 149). Im November 2018 erließ außerdem die italienische Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (AGCM) eine Bußgeldentscheidung gegen Facebook wegen ähnlicher Vorwürfe wie denen des Bundeskartellamts. Die AGCM ist, anders als das Bundeskartellamt, auch für die behördliche Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts zuständig, auf das sie ihre Entscheidung auch stützte, ohne ihre kartellrechtliche Zuständigkeit zu bemühen, AGCM, Pressemitteilung vom 07. 12. 2018 („Facebook fined 10 million Euros by the ICA for unfair commercial practices for using its subscribers’ data for commercial purposes“), abrufbar unter: https://en.agcm.it/en/media/press-releases/2018/12/Facebook-fined-10million-Euros-by-the-ICA-for-unfair-commercial-practices-for-using-its-subscribers%E2%80% 99-data-for-commercial-purposes. Dazu Botta/Wiedemann, Antitrust Bull. 64 (2019), 428, 442 – 444. 901 S. 199 – 201. 902 S. 201 – 226. 903 S. 227 – 229. 904 S. 229 – 236. 905 S. 236 – 245. 906 S. 245. 907 S. 246 – 251. 908 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 151. 909 Nunmehr Meta Platforms, Inc., s. o. Kap. 1 Fn. 6. 900
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
als auch ihre Tochtergesellschaften Facebook Ireland Ltd. und Facebook Germany GmbH.910 Die Ermittlungen hatten ursprünglich noch einen weiteren Umfang als schließlich tatsächlich in die Entscheidung eingegangen ist. Ausweislich der Pressemitteilung vom 02. 03. 2016 bestand „[…] der Anfangsverdacht, dass die Nutzungbedingungen [sic!] von Facebook gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen“.911 Mit diesem umfassenden Ansatz wären sowohl die Daten erfasst worden, die direkt bei der Nutzung von Facebook.com anfallen (sogenannte On-Facebook-Daten), als auch solche, die das Unternehmen bei der Nutzung von anderen Internetseiten oder Apps erhebt, sowohl bei unternehmenseigenen Diensten wie WhatsApp oder Instagram als auch bei unabhängigen Seiten Dritter, die bestimmte Werkzeuge von Facebook verwenden, die letzterem die Datenerhebung gestatten (sogenannte Off-FacebookDaten). Die erste Pressemitteilung von März 2016 legte es auch nahe, dass die Prüfung relativ eng an die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Verhaltens von Facebook angelehnt erfolgen würde: Es bestehen erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit dieser Vorgehensweise insbesondere nach dem geltenden nationalen Datenschutzrecht912. Soweit ein Zusammenhang mit der Marktbeherrschung besteht, könnte ein solcher Verstoß auch kartellrechtlich missbräuchlich sein.913
Dieser Maßstab scheint sich im Verlauf des Verfahrens geändert zu haben. So heißt es in der Pressemitteilung vom 19. 12. 2017 nur noch, dass nach der vorläufigen Bewertung ein Verstoß gegen „datenschutzrechtliche Wertungen“ vorliege.914 Anders als nach der Formulierung der ersten Pressemitteilung scheint also nicht mehr – quasi automatisch – aus der Verletzung des Datenschutzrechts ein Kartellrechts-
910 Die Facebook, Inc. (nunmehr Meta Platforms, Inc.), ist die Muttergesellschaft des Konzerns, die Facebook Ireland Ltd. betreibt für sie das Europa-Geschäft, die Facebook Germany GmbH ist im Wesentlichen für die Vermarktung von Werbung in Deutschland zuständig, Fokken, PinG 2019, 195, 196. Im Folgenden werden drei Unternehmen in ihrer Gesamtheit als „Facebook“ bezeichnet. 911 BKartA, Pressemitteilung vom 02. 03. 2016, abrufbar unter: https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2016/02_03_2016_Facebook.html. 912 Das Verfahren wurde vor dem Inkrafttreten der DS-GVO eingeleitet, als noch die DS-RL und das BDSG a. F. das maßgebliche Datenschutzrecht waren. 913 BKartA, Pressemitteilung vom 02. 03. 2016, abrufbar unter: https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2016/02_03_2016_Facebook.html. 914 BKartA, Pressemitteilung vom 19. 12. 2017, abrufbar unter: https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2017/19_12_2017_Facebook.html; BKartA, Hintergrundinformationen zum Facebook-Verfahren des Bundeskartellamtes vom 19. 12. 2017, S. 4, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/ DE/Diskussions_Hintergrundpapier/Hintergrundpapier_Facebook.pdf?__blob=publicationFi le&v=5.
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verstoß zu folgen.915 Außerdem konzentrierten sich die Ermittlungen nur noch auf Off-Facebook-Daten916 : Weiter ist das Amt der Ansicht, dass Facebook missbräuchlich handelt, indem das Unternehmen die Nutzung des sozialen Netzwerks davon abhängig macht, unbegrenzt jegliche Art von Nutzerdaten aus Drittquellen sammeln und mit dem Facebook-Konto zusammenführen zu dürfen. Zu diesen Drittseiten gehören zum Einen [sic!] konzerneigene Dienste wie WhatsApp oder Instagram. Hierzu gehören aber auch Webseiten und Apps anderer Betreiber, auf die Facebook über Schnittstellen zugreifen kann.917
Diese Erwägungen tragen auch den schließlich am 06. 02. 2019 erlassenen Beschluss. Facebook hat gegen diesen Beschluss beim OLG Düsseldorf Beschwerde eingelegt, verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, dem das OLG mit Beschluss vom 26. 08. 2019 entsprochen hat.918 Unter Aufhebung des OLG-Beschlusses hat der BGH wiederum am 23. 06. 2020 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt.919 In einem Hängebeschluss ordnete das OLG Düsseldorf die aufschiebende Wirkung erneut an.920 Der BGH ließ die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung zu.921 Im Hauptsacheverfahren hat das OLG Düsseldorf mittlerweile dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.922 b) Die Entscheidung des Bundeskartellamts vom 06. 02. 2019 aa) Tenor Das Bundeskartellamt untersagt Facebook in dem Beschluss, Off-FacebookDaten ohne die Einwilligung der Nutzer mit deren über Facebook.com erhobenen Daten (On-Facebook-Daten) zu verknüpfen. Im Einzelnen: 915
Colangelo/Maggiolino, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 224, 227 f. In der Entscheidung klingt gleichwohl an, dass das Bundeskartellamt auch die Erhebung der On-Facebook-Daten für (teilweise) datenschutzrechtswidrig hält; damit bestünde auch eine Grundlage für ein diesbezügliches Verfahren, BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 696. 916 Louven, CR 2019, 352, 353. 917 BKartA, Pressemitteilung vom 19. 12. 2017, abrufbar unter: https://www.bundeskartell amt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2017/19_12_2017_Facebook.html. 918 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495. S. dazu u. § 5.C.I.5. (S. 229 – 236). 919 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473. S. dazu u. § 5.C.I.6. (S. 236 – 245). 920 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30. 11. 2020, Facebook II, Az. Kart 13/20 (V), NZKart 2021, 59. 921 BGH, Beschl. v 15. 12. 2020, Facebook II, Az. KVZ 90/20, NZKart 2021, 115. 922 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 03. 2021, Facebook III, Az. VI-Kart 2/19 (V), NZKart 2021, 306. Beim EuGH handelt es sich um Rs. C-252/21.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
– Untersagung der Verwendung von Nutzungsbedingungen, die die Nutzung von Facebook.com davon abhängig machen, dass (a) und b)) Daten, die bei konzerneigenen Diensten923 von Facebook erhoben wurden (WhatsApp, Oculus, Masquerade und Instagram)924, und (c)) Daten von Drittanbietern, die Facebook Business Tools925 verwenden, ohne die ausdrückliche Einwilligung der Nutzer mit deren Facebook-Daten verknüpft und verwendet werden (Tenor Ziffer 1), – Untersagung der tatsächlichen Durchführung der Nutzungsbedingungen durch Verknüpfung der Off-Facebook-Daten mit den On-Facebook-Daten und deren Verwendung (Ziffer 2)926, – Bestimmung einer Umsetzungsfrist von 12 Monaten (a) und b)) und Verpflichtung zur Vorlage eines Umsetzungsplans innerhalb von vier Monaten (c)) (Ziffer 3) sowie – die ausdrückliche Klarstellung927, dass eine Einwilligung in die Verknüpfung und Verwendung nicht vorliege, wenn die Bereitstellung von Facebook.com von der Erteilung der Einwilligung abhängig gemacht wurde (Ziffer 4). Durch die Trennung der Datenbestände soll eine „innere Entflechtung“928 bewirkt werden.929 923
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 926. Instagram wird in dem Beschluss gesondert aufgeführt, weil dieser Dienst, anders als WhatsApp, Oculus und Masquerade (bis zu dessen Einstellung, s. u. Kap. 3 Fn. 934), nicht durch andere Konzernunternehmen, sondern wie Facebook.com durch die Facebook Ireland Ltd. betrieben wird, vgl. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 4. Dadurch entfällt aus datenschutzrechtlicher Sicht der bei den anderen Diensten erforderliche Übermittlungs- und Empfangsvorgang von einem Konzernunternehmen zum anderen, sodass die datenschutzrechtliche Wertung geringfügig anders ist, vgl. ebd. Rn. 616. 925 Die Facebook Business Tools werden ebenso wie die konzerneigenen Dienste im nächsten Unterpunkt über den Sachverhalt der Entscheidung näher beschrieben. 926 Derartige Datenbanktrennungen bzw. „vertical firewalls“ wurden bereits zuvor als mögliche Verpflichtungszusagen und Abhilfemaßnahmen in der Fusionskontrolle betrachtet, vgl. Holzweber, NZKart 2016, 104, 111; Paas, ECLR 27 (2006), 209, 213 (beide Fundstellen beziehen sich allerdings nicht explizit auf datenschutzrechtliche Verstöße). Solche Trennungen seien allerdings kritisch zu sehen wegen der Schwierigkeit der fortlaufenden Überwachung, dass die Datenbanken tatsächlich getrennt gehalten werden, Holzweber a. a. O.; Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 245. 927 Vgl. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 916, 929. 928 Mundt, NZKart 2019, 117; vgl. auch das Zitat Mundts bei BKartA, Pressemitteilung vom 07. 02. 2019, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/ DE/Pressemitteilungen/2019/07_02_2019_Facebook.html?nn=3591568. 929 Bereits vor der Entscheidung begann Facebook mit Plänen zur Zusammenlegung der Messaging-Funktionen von Facebook, Instagram und WhatsApp. Durch diese Zusammenlegung könnte die Entscheidung des BKartA zumindest insoweit ihre Grundlage verlieren, als hiernach keine fortlaufende Verknüpfung der Daten aus den Messaging-Diensten mehr erforderlich wäre. Bemerkenswerterweise überlegt die FTC, diese Zusammenlegung durch eine einstweilige Verfügung zu untersagen, vgl. McKinnon/Glazer, FTC Weighs Seeking Injunction Against Facebook Over How Its Apps Interact, WSJ v. 12. 12. 2019. Hintergrund ist zum einen 924
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bb) Sachverhalt Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Verknüpfung von Off-Facebook-Daten mit den On-Facebook-Daten der Nutzer. (1) Konzernstruktur und Angebot Facebooks Facebook.com ist ein soziales Netzwerk, das sein Angebot sowohl an private Nutzer richtet als auch an Inhalteanbieter, namentlich Unternehmen, Vereine und Einzelpersonen, deren Facebook-Seiten von den Nutzern abonniert werden können.930 Darüber hinaus ist die Plattform für Werbetreibende geöffnet, die eine Vielzahl an Möglichkeiten haben, an den Lebensumständen und Interessen der Nutzer orientierte Werbung zu schalten.931 Die dritte Gruppe von Angeboten von Facebook sind die sogenannten Facebook Business Tools, die nicht direkt auf der Plattform Facebook.com verwendet werden. Facebook bietet Entwicklern eine große Zahl von Programmierschnittstellen (APIs) an, die Dritte in ihre Webseiten, Apps und Online-Angebote einbinden können. Beispiele für diese Schnittstellen sind der „Gefällt mir“- und der „Teilen“-Button, das Kommentar-Plugin, der Facebook-Single Sign On, Analyse-Tools und etliche weitere.932 Ein Datenfluss von den Angeboten der Dritten an Facebook wird bereits durch die bloße Integration dieser APIs auf den Dritt-Webseiten ermöglicht; eines aktiven Zutuns durch die privaten Nutzer bedarf es nicht, abgesehen vom Besuch der Webseiten.933 Daneben bietet Facebook weitere Dienste an, die sich an Nutzer richten, nämlich Instagram, WhatsApp, Masquerade934 und Oculus. Instagram ist ein soziales Netzwerk, das auf das Teilen von Fotos und kurzen Videos spezialisiert ist. Die Instagram die befürchtete Behinderung von Wettbewerbern aufgrund verschlechterter Interoperabilität. Zum anderen wird befürchtet, dass Facebook durch die Zusammenlegung eine mögliche Zerschlagung des Konzerns erschweren könnte. Vgl. auch Hubbard, How to Stop Facebook’s Dangerous App Integration Ploy, The New York Times v. 05. 02. 2019, abrufbar unter: https:// www.nytimes.com/2019/02/05/opinion/facebook-integration.html. Die FTC hat zusammen mit Generalstaatsanwälten von 46 Bundesstaaten sowie des District of Columbia und von Guam ein Verfahren wegen des Verdachts der Monopolisierung gegen Facebook eingeleitet; s. die Beschwerde der FTC: FTC v. Facebook, Complaint for Injunction and Other Equitable Relief, 09. 12. 2020, abrufbar unter: https://www.ftc.gov/system/files/documents/cases/1910134fbcomp laint.pdf. 930 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 15 – 36, 224 f. 931 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 37 – 49, 219 – 222. 932 Im Einzelnen BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 50 – 73, 226 – 228. 933 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 61. 934 Masquerade wurde im Frühjahr 2020 eingestellt. Die Funktionen der App wurden in die anderen Produkte von Facebook überführt, Wittenhorst, Facebook stellt Augmented-RealityApp MSQRD ein, 14. 03. 2020, abrufbar unter: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Face book-stellt-Augmented-Reality-App-MSQRD-ein-4682959.html.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Inc. wurde 2012 von Facebook erworben, das Angebot wird mittlerweile aber ebenso wie Facebook.com von der Facebook Ireland Inc. selbst betrieben.935 Die WhatsApp Inc., eine Tochtergesellschaft von Facebook, betreibt einen Endkundenkommunikationsdienst, der auf direkte Kommunikation ausgelegt ist.936 Schließlich sind auch die Masquerade Technologies Inc. und die Facebook Technologies LLC (ehemals Oculus VR, LLC) beziehungsweise die Facebook Technologies Ireland Ltd. Tochterunternehmen von Facebook. Masquerade war eine App, die die Bearbeitung von Fotos mit Filtern und Masken erlaubt. Oculus bezeichnet eine Virtual-Reality-Brille (VR) und entsprechendes Zubehör.937 Im Auftrag des Bundeskartellamts wurde eine Nutzerbefragung über das Nutzungsverhalten auf sozialen Medien durchgeführt. Die einzelnen Aspekte der Befragung werden in der rechtlichen Würdigung behandelt.938 (2) Facebooks Nutzungsbedingungen In seinen Nutzungsbedingungen und in seiner Datenrichtlinie lässt sich Facebook von seinen Nutzern das Recht einräumen, Daten über die Facebook Business Tools zu erfassen. Daneben wird es Facebook auch erlaubt, Daten über die Facebook-Unternehmen hinweg zu verarbeiten. Entsprechendes wird auch in den Datenschutzrichtlinien von WhatsApp, Instagram, Masquerade und Oculus geregelt. Die Identifizierung der Nutzer und die Zuordnung zu einem Facebook-Konto erfolgt entweder dadurch, dass diese sich bei diesen Anwendungen über ihr Facebook-Konto einloggen, oder über die sogenannte Familiengeräte-ID, die für jedes mobile Endgerät individuell vergeben wird. Bei den Facebook Business Tools werden zur Zuordnung Cookies939 und das „Advanced Matching“940 eingesetzt.941 935
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 4, 74 – 82. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 7, 83 – 87. 937 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 8 f. Oculus ist nunmehr Gegenstand eines eigenen Verfahrens des Bundeskartellamts. Untersucht wird, ob ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot begangen wird, indem die Benutzung von Oculus-Brillen vom Innehaben eines Facebook-Kontos abhängig gemacht wird, BKartA, Pressemitteilung vom 10. 12. 2020, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Presse mitteilungen/2020/09_12_2020_Facebook_Oculus.html?nn=3591568. Außerdem hat das BKartA wegen dieses Verhalten auch ein Verfahren nach § 19a GWB eingeleitet, BKartA, Pressemitteilung vom 28. 01. 2021, abrufbar unter: https://www.bundeskartellamt.de/Shared Docs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2021/28_01_2021_Facebook_Oculus.html?nn=3591 568. 938 S. u. § 5.C.I.4.b)cc)(2)(a) (S. 208 f.). Kritisch bezüglich der Methodik der Befragung Kruse, NZKart 2019, 418, 420 – 423. 939 Facebook selbst definiert Cookies wie folgt: „[…] kleine Textstücke, die zum Speichern von Informationen in Webbrowsern verwendet werden“, Facebook, Cookie-Richtlinie, Stand 23. 06. 2021, abrufbar unter: https://www.facebook.com/policies/cookies/. 940 Hierfür werden bestimmte „Identifikatoren“ wie der Name, das Geburtsdatum und die E-Mail-Adresse verwendet. Diese werden von dem dritten Webseitenbetreiber „gehasht“, das heißt, dass mittels eines Algorithmus diesen Daten ein bestimmter „Hashwert“ zugeordnet 936
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cc) Rechtliche Würdigung Nach Ansicht des Bundeskartellamts ist Facebook marktbeherrschend auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer. Es nutze diese Stellung durch die Verwendung der im Tenor bezeichneten Nutzungsbedingungen und deren Durchführung aus. (1) Rechtsgrundlage der Entscheidung Das Bundeskartellamt stützt sich dabei allein auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB.942 Damit bleibt zum einen das Vergleichsmarktkonzept des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB unangewendet. Zum anderen wendet es aber auch Art. 102 AEUV nicht an.943 Letzteres begründet das Bundeskartellamt damit, dass sich bisher, anders als in Deutschland, auf europäischer Ebene keine Entscheidungspraxis entwickelt habe, die die Feststellung der Missbräuchlichkeit wesentlich an grundrechtlichen und einfachgesetzlichen Wertungen vornehme. Dabei verweist die Entscheidung auf Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO.944 Dieser erlaubt es den Mitgliedstaaten in der Tat, strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen zu erlassen oder anzuwenden. Das betrifft unzweifelhaft Fälle unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung, im deutschen Recht also namentlich die an Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht gerichteten Verbote nach § 20 GWB.945 Eine andere Frage, die, soweit ersichtlich, bis zur Facebook-Entscheidung in der Wissenschaft und der Entscheidungspraxis noch keine Aufmerksamkeit erfahren hatte, lautet, ob es den Mitgliedstaaten auch erlaubt ist, innerstaatliche Normen wird. Ausschließlich dieser wird sodann an Facebook übertragen. Wenn dort ein registrierter Nutzer mit demselben „Hashwert“ gefunden wird, so bedeutet dies, dass auch die „Identifikatoren“ dieselben sind und damit auch Personenidentität vorliegt, vgl. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 148. 941 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 88 – 150. 942 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 163. 943 Zustimmend J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 27 f. Kritisch Satzky, in: FS K. Schmidt, Band II, S. 303, 313 f.; Sideri, ECLR 40 (2019), 354, 356; Wils, Concurrences N8 3 – 2019, 58, 62 – 64. 944 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 914. 945 Vgl. Erwägungsgrund 8 S. 5 f. der Kartellverfahrens-VO sowie Rehbinder, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 3 VO 1/2003, Rn. 32 – 43. Ob die weiteren einseitigen Handlungen des § 21 GWB auch hierunter fallen, scheint fraglich aufgrund der Regelung des Art. 3 Abs. 3 Kartellverfahrens-VO. Demnach gelten die Absätze 1 und 2 nämlich ohnehin nicht, wenn die Mitgliedstaaten mit einer Regelung „überwiegend ein von den Artikeln 81 und 82 des Vertrags abweichendes Ziel verfolgen“. Dies scheint bei der Regelung des § 21 GWB denkbar, braucht hier jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Einen Überblick über die Anwendung im europäischen Vergleich gibt Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper Accompanying the Communication from the Commission to the European Parliament and Council Report on the Functioning of Regulation 1/2003, COM(2009)206 final, SEC(2009)574 final, 29. 04. 2009, Rn. 160 – 176.
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strenger auszulegen, die nach Art. 102 AEUV (mit Ausnahme des Elements der Zwischenstaatlichkeit) verbotene Verhaltensweisen direkt adressieren, die also die missbräuchliche Ausnutzung beziehungsweise Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbieten.946 Schließlich erlaubt Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO nur den Erlass und die Anwendung strengerer Vorschriften; die strengere Auslegung sinngemäß der Generalklausel des Art. 102 AEUV entsprechender Vorschriften scheint von Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO hingegen nicht erfasst zu sein.947 Erwägungsgrund 8 S. 5 der Kartellverfahrens-VO nennt als Beispiele auch nur „[…] Bestimmungen zum Verbot oder zur Ahndung missbräuchlichen Verhaltens gegenüber wirtschaftlich abhängigen Unternehmen […]“. Mit der (auf deutschen Wunsch eingefügten948) Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 S. 2 KartellverfahrensVO war vor allem an solche Bestimmungen wie (nunmehr) § 20 GWB gedacht worden.949 Freilich wäre nach der in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagenen Lösung das Ergebnis bei gleichzeitiger Anwendung des Art. 102 AEUV auch nicht anders ausgefallen, da die Auslegung mit § 19 GWB parallel zu erfolgen hat.950
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So zwischenzeitlich OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 03. 2021, Facebook II, Az. VI-Kart 2/19 (V), Rn. 26, unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 21. 11. 2002, Testa, Rs. C-356/00, ECLI:EU: C:2002:703, Rn. 45. 947 Dafür spricht neben dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO zumindest auch die Äußerung bei Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper Accompanying the Communication from the Commission to the European Parliament and Council Report on the Functioning of Regulation 1/2003, COM(2009)206 final, SEC(2009)574 final, 29. 04. 2009, Rn. 174: „Besides the rules applicable to unilateral behaviour by firms that expressly extend to undertakings that do not have a dominant position in the market within the meaning of Article 82 EC, national laws may also foresee different standards for assessing dominance as well as stricter national provisions governing the conduct of dominant undertakings.“ Die Kommission scheint dabei ebenfalls nicht an die Möglichkeit der strengeren Auslegung der mitgliedstaatlichen Generalklausel zu denken. Unklar insoweit J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 26: „Die Bewertung eines missbräuchlichen Verhaltens gemäß § 19 GWB kann also strenger ausfallen als nach europäischem Recht, insbesondere dort, wo der Wortlaut der Vorschriften nicht kongruent ist.“ Was bei (weitgehender) Kongruenz der Vorschriften, wie im Falle der Generalklauseln des Missbrauchsverbots (wie auch des Kartellverbots), gelten soll, bleibt dabei offen. 948 Kirchhoff, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Einleitung (Band 1. Europäisches Wettbewerbsrecht), Rn. 1563. 949 RegE, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 15/3640, S. 29 f.; Alexander, WuW 2012, 1025, 1035. 950 Ähnlich wie hier J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 26. Ebenso Botta/Wiedemann, Antitrust Bull. 64 (2019), 428, 441: Art. 3 Abs. 2 Kartellverfahrens-VO sei nicht anwendbar auf den vorliegenden Fall. Der EuGH hält sich auch für die Vorabentscheidung über die überschießende Umsetzung von Unionsrecht durch das mitgliedstaatliche Recht zuständig, EuGH, Urt. v. 26. 11. 2015, SIA „Maxima Latvia“, Rs. C-345/14, ECLI:EU:C:2015:784, Rn. 11 – 14. Dazu auch Botta/Wiedemann, J. Eur. Comp. L. & Prac. 10 (2019), 465, 471 f., die das Verhalten Facebooks ebenfalls als Verstoß gegen Art. 102 AEUV würdigen. So auch Nagel/Horn, ZWeR 2021, 78, 104 f.
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Das Bundeskartellamt geht allerdings durch die Nichtanwendung des unionsrechtlichen Missbrauchsverbots951 einer Auseinandersetzung mit der Entscheidungspraxis von Kommission und EuGH aus dem Weg, die an verschiedenen Stellen doch betonen, dass der Datenschutz gerade kein bei der Kartellrechtsanwendung zu berücksichtigender Faktor sei.952 Eine weitere Frage lautet, wie mit einer mitgliedstaatlichen Entscheidung umzugehen ist, die unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 S. 2 oder gegen Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO zustande gekommen ist. Es wird vorgeschlagen, dass jeglicher Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 Kartellverfahrens-VO zur Nichtigkeit der Entscheidung führe, da es sich aufgrund des durch die Norm geschaffenen level playing field um eine fundamental wichtige Regel des Kartellverfahrensrechts handele.953 Wils hingegen hält diese Rechtsfolge allenfalls bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Anwendung von Art. 101 AEUV954 für angebracht, da hier die Kartellverfahrens-VO für einen vollständigen Gleichlauf der Rechtsanwendung sorgen solle. Werde hingegen bei einseitigen Maßnahmen lediglich das mitgliedstaatliche Verbot angewandt, nicht hingegen der eigentlich gleichermaßen einschlägige Art. 102 AEUV, so sei die Rechtsfolge der Nichtigkeit nicht angebracht, da sich der Zweck des Art. 3 Abs. 1 S. 2 Kartellverfahrens-VO darin erschöpfe, dass auch Art. 102 AEUV angewendet werde, und dieser nicht dafür sorgen solle, dass eine unter Missachtung dieser Norm ergangene Entscheidung nichtig sein solle. Vielmehr sei die Lösung darin zu finden, dass die Gerichte Art. 102 AEUV auch noch im Rechtsmittelverfahren neben § 19 GWB anzuwenden haben.955 Die richtige Antwort auf diese Frage dürfte letztlich mit der auf die gerade angesprochene über die Reichweite von Art. 3 Abs. 2 S. 2 Kartellverfahrens-VO zusammenhängen. Bezieht sich dieser nur auf Verbotsnormen unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung oder außerhalb des Missbrauchsbegriffs nach Art. 102 AEUV – mit anderen Worten: lautet der Anwendungsbefehl der Norm ansonsten auf Gleichlauf der mitgliedstaatlichen Entsprechungen von Art. 102 AEUV mit diesem –, so spricht einiges dafür, dass auch bei einseitigen Maßnahmen ein teilweises 951
An der Erfüllung der Zwischenstaatlichkeitsklausel in dem Fall dürften keine ernstlichen Zweifel bestehen, Wils, Concurrences N8 3 – 2019, 58, 62. 952 Vgl. auch die Antwort von Wettbewerbskommissarin Vestager auf die Anfrage aus dem Europäischen Parlament, ob sie eine Hochzonung der Facebook-Entscheidung als europäischen Standard für erstrebenswert halte: „The Commission took note of the decision of the German Federal Cartel Office. The German Federal Cartel Office’s concerns are based on German competition law. The European legislator has made sure that the type of conduct in question is addressed by the General Data Protection Regulation (Regulation (EU) 2016/679).“, answer given by Ms Vestager on behalf of the European Commission, P-001183/2019. Konflikte mit der Kommission wären daher denkbar gewesen, hätte das Bundeskartellamt Art. 102 AEUV dennoch angewandt. 953 De Smijter/Sinclair, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 2.52 – 2.54. 954 Art. 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Kartellverfahrens-VO. 955 Wils, Concurrences N8 3 – 2019, 58, 65 f.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
level playing field geschaffen werden soll im Hinblick auf missbräuchliche Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen. Sollte dem so sein, so spräche einiges dafür, auch in solchen Fällen die Nichtigkeit einer hiergegen verstoßenden Entscheidung anzunehmen. Möglicherweise ließe sich dieser Fehler jedoch auch noch im Rechtsmittelverfahren heilen, indem auch ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV geprüft und bejaht wird. (2) Marktabgrenzung Das Bundeskartellamt gelangt zu dem Ergebnis, dass ein nationaler Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer abzugrenzen sei. Daneben betroffen seien die nationalen Märkte für Online-Werbung956 und die Märkte für soziale Plugins, zentrale Log-Ins und Mess- und Analysedienste.957 (a) Sachlich: Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer Facebook wird zunächst als Netzwerk und mehrseitiger Markt charakterisiert. Neben privaten Nutzern richte sich sein Angebot an Werbetreibende, Inhalteanbieter und Entwickler.958 Entsprechend der bisherigen Linie betrachtet das Bundeskartellamt die einzelnen Marktseiten getrennt voneinander, wobei vorliegend allein die Seite der privaten Nutzer relevant sei. Die Seite der Werbetreibenden sei hingegen für das Produkt „soziales Netzwerk“ nicht zwingend erforderlich; das Hinzufügen dieser Seite diene allein der Monetarisierung des Netzwerks und verfolge damit ein gänzlich anderes Ziel als das Handeln auf der Nutzerseite. Auch die Inhalteanbieter nutzten das Netzwerk vor allem zu Vermarktungszwecken. Schließlich nutzten die Entwickler die Angebote von Facebook (APIs) zur Verbesserung und Monetarisierung der eigenen Produkte.959 Das Bundeskartellamt nimmt einen Markt trotz Unentgeltlichkeit der Nutzerseite an. Dabei stützt es sich auf § 18 Abs. 2a GWB, der allerdings die Voraussetzungen für die Einordnung als Markt trotz Unentgeltlichkeit offenlasse. Die unentgeltliche Nutzerseite sei aber […] jedenfalls dann als Markt im Sinne des GWB anzusehen, soweit sie mit einer zahlungspflichtigen Nutzerseite verknüpft ist. Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass auch zwischen den Tätigkeiten der Plattform auf der Werbeseite und der „Aufmerksamkeitsseite“ 956 Im Einzelnen BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 352 – 364. Dabei wurde erstmals auch entschieden, dass suchgebundene von nicht-suchgebundenen Online-Werbemärkten zu unterscheiden seien, ebd. Rn. 358 – 360. Relativierend insoweit jedoch BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 96 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 957 Im Einzelnen BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 365 – 373. 958 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 213 – 229. 959 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 231 – 237.
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ein enger Zusammenhang besteht und ein einheitlicher Erwerbszweck der Tätigkeit anzunehmen ist.960
Das entspricht im Ergebnis der Ansicht, die einzig staatliche und altruistische Tätigkeit vom Anwendungsbereich der Missbrauchsaufsicht ausschließen will.961 Das Bundeskartellamt wendet zur Marktabgrenzung das Bedarfsmarktkonzept an962 ; die (privaten) Nutzer übernehmen dabei ökonomisch betrachtet die Funktion der Nachfrager. Der spezifische Bedarf für private soziale Netzwerke sei von dem für andere soziale Medien zu unterscheiden. Andere soziale Medien dienten jeweils spezifischen Zwecken, wohingegen private soziale Netzwerke die Funktion eines „umfassenden persönlichen ,virtuellen Raum[s]‘ für eine soziale Nutzererfahrung“963 haben. Zu den damit nicht in den Markt einzubeziehenden anderen sozialen Medien gehören Berufsnetzwerke, Messaging-Dienste sowie Video- und Fotoplattformen.964 Diese Dienste seien auch nicht im Hinblick auf die Angebotsumstellungsflexibilität in den Markt einzubeziehen. Dafür fehle es an der Bereitschaft und Möglichkeit der anderen Anbieter, ihre Produktion kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umzustellen. Ausschlaggebend hierfür seien die mangelnde Bereitschaft der anderen Anbieter, in den Markt von Facebook einzutreten, sowie die starken Netzwerkeffekte.965 Demzufolge seien auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer neben Facebook einzig noch die Netzwerke StudiVZ, Jappy und Google+ (bis zu dessen Einstellung im Frühjahr 2019) tätig.966 Dabei merkt das Bundeskartellamt abschließend an, dass die Austauschbarkeit selbst zwischen diesen Netzwerken nur eingeschränkt gegeben sei aufgrund der starken direkten Netzwerkeffekte. Die im Vergleich zu den anderen Netzwerken deutliche höhere Zahl an Nutzern auf Facebook mache das Angebot von Facebook nur beschränkt austauschbar mit dem der anderen. Dies führe zu einem lock in der Nutzer auf Facebook, ein Wechsel sei nur schwer möglich. Damit komme sogar ein eigener „Markt für Facebook“ in Betracht;967 dies hat das Bundeskartellamt im Ergebnis jedoch offengelassen.968 960
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 241. Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 54; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 79 f. 962 Kritisch zu der Nutzerbefragung durch das Bundeskartellamt Kruse, NZKart 2019, 418, 420 – 423. 963 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 256. 964 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 245 – 343. 965 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 299 – 305, 316 f. Vgl. Mohr, EuZW 2019, 265, 269. 966 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 199, 187, 183, 265 – 271. 967 So bereits Waller, N.C. L. Rev. 90 (2011), 1771, 1799. Vgl. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 86 f. 968 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 272 – 276. 961
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(b) Räumlich: nationaler Markt Der Markt sei national abzugrenzen, da die Nutzer sich überwiegend allein mit ihren in Deutschland wohnenden „Freunden“ vernetzten. Außerdem sei auch der Markteintritt in Deutschland aus anderen geographischen Märkten unwahrscheinlich, sodass auch keine Angebotsumstellungsflexibilität bestehe. Auch dies sei durch die starken direkten Netzwerkeffekte bedingt.969 Das Bundeskartellamt unterlässt es jedoch zu erklären, warum dies für Facebook anders war, das bei seinem Markteintritt in Deutschland auch relativ etablierte Netzwerke, insbesondere StudiVZ, antraf. (c) Bewertung der Marktabgrenzung Die vom Bundeskartellamt vorgenommene sachliche Marktabgrenzung ist überzeugend. Es hat keine quantitativen Methoden, sondern allein das qualitative Vergleichsmarktkonzept angewendet. Insgesamt liegt es nahe, für Facebook.com aufgrund seiner besonders starken Stellung, die beinahe unanfechtbar scheint, sogar einen eigenständigen Markt anzunehmen, auch wenn das Bundeskartellamt dies letztlich offengelassen hat. Die bei Facebook.com besonders stark wirkenden Netzwerkeffekte sorgen für einen lock in der Nutzer, sodass aus deren Sicht die bedeutend kleineren Netzwerke StudiVZ und Jappy, obgleich die Funktionen teilweise ähnlich sein mögen, nicht austauschbar sind. Die Annahme eines Marktes für soziale Netzwerke für private Nutzer (oder gar eines eigenen Marktes für Facebook) – und nicht eines allgemeinen Marktes für soziale Medien – wird auch durch den an späterer Stelle der Entscheidung festgestellten Tipping-Prozess970 untermauert. Aus diesem Prozess geht Facebook auf dem besagten Markt als „Sieger“ hervor, wobei das gleiche für Youtube auf dem Markt für Video-Plattformen festzustellen ist, ebenso wie beispielsweise für LinkedIn auf dem für Berufsnetzwerke.971 Dass diese Dienste sich in ihren jeweiligen Segmenten behaupten können, indiziert, dass sie in der Tat nicht auf demselben durch einen Tipping-Prozess charakterisierten Markt wie Facebook tätig sein können, da sich anderenfalls langfristig ebenfalls nur einer dieser Anbieter auf einem hypothetischen gemeinsamen Markt behaupten könnte, was aber erkennbar nicht der Fall ist.972 Die räumliche Marktabgrenzung als national dürfte hingegen zu eng sein. So ist für viele private Nutzer auch die Möglichkeit wesentlich, sich mit anderen Nutzern weltweit zu vernetzen.973 Die Kommunikation erfolgt auch dann auf Deutsch, wenn sich die deutschen Nutzer kurz- oder langfristig im Ausland aufhielten. Vorge969
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 344 – 351. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 432 – 440. 971 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 439 f. 972 Vgl. dazu auch ergänzend BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 457, wonach auch Multi-Homing nur angenommen werden könne, wenn die verschiedenen Dienste auf demselben Markt angeboten werden. 973 Louven, CR 2019, 352, 354. 970
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schlagen wird, jedenfalls aufgrund der Verbreitung der deutschen Sprache den Markt um die deutschsprachigen Nachbarländer zu erweitern.974 In Übereinstimmung mit der Kommission in Facebook/WhatsApp975 wird zum Teil auch ein zumindest EWR-, wenn nicht gar weltweiter Markt für soziale Netzwerke vorgeschlagen, da auch der Zugriff auf das Netzwerk prinzipiell weltweit möglich ist.976 Dafür spricht auch, dass Facebook.com grundsätzlich als einheitliches Angebot weltweit präsentiert wird. Ein Zugriff auf dieses Angebot kann prinzipiell von jedem Ort der Welt erfolgen, ohne dass es seinen Charakter ändern würde, zumal eine Vielzahl an Spracheinstellungen vorgenommen werden kann. Schließlich belegt auch der erfolgreiche Markteintritt von Facebook selbst, trotz vorhandener starker Wettbewerber, dass mangelnde Angebotsumstellungsflexibilität über nationale Grenzen hinweg zu nationalen Märkten führen muss. (3) Marktbeherrschung Auf dem dergestalt abgegrenzten deutschen Markt für soziale Netzwerke für private Zwecke ist Facebook nach Ansicht des Bundeskartellamts marktbeherrschend. (a) Marktanteil Das entscheidende Kriterium hierbei ist der Marktanteil von Facebook. Dabei benennt das Bundeskartellamt verschiedene Bezugsgrößen, die in Ermangelung eines Umsatzes auf dem relevanten Markt herangezogen werden – namentlich die registrierten sowie die täglich und monatlich aktiven Nutzer –, und betrachtet letztlich die täglich aktiven Nutzer als maßgebliche Kennzahl.977 Denn diese Zahl sei der wichtigste Indikator für den Markterfolg eines sozialen Netzwerks, da sich der Bedarf der Nutzer gerade in einer hohen Nutzungsintensität ausdrücke.978 Dementsprechend komme Facebook auf einen Marktanteil von 90 Prozent.979 Damit greift auch die Marktbeherrschungsvermutung des § 18 Abs. 4 GWB.980
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Bucher, ÖBl 2019, 173, 174; Mohr, EuZW 2019, 265, 269. Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 64 – 67; vgl. Zschoch, Soziale Netzwerke im Kartellrecht, 2018, S. 87 – 89. 976 Stauber, Facebook’s Abuse Investigation in Germany and Some Thoughts on Cooperation Between Antitrust and Data Protection Authorities, CPI Antitrust Chronicle 2019, S. 4. 977 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 400 – 413. 978 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 407. 979 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 392 – 394, 413. 980 Die Vermutung würde selbst dann greifen, wenn man auf die registrierten bzw. monatlich aktiven Nutzer abstellte, denn bei diesen beträgt der Anteil von Facebook nach den Feststellungen des Bundeskartellamts zwischen 45 und 65 Prozent respektive zwischen 73 und 88 Prozent. 975
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(b) Weitere Kriterien nach § 18 Abs. 3a GWB Neben dem Marktanteil betrachtet das Bundeskartellamt ausführlich die neuen Kriterien nach § 18 Abs. 3a GWB und untermauert dadurch die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung. Im Hinblick auf die nach § 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB zu berücksichtigenden Netzwerkeffekte hält es fest, dass die starken direkten Netzwerkeffekte in Zusammenhang mit dem hohen relativen Marktanteil von Facebook (das heißt: dem Abstand zu den Wettbewerbern) sich gegenseitig verstärkten und dadurch die Gefahr eines Tipping-Prozesses vergrößert werde.981 Dadurch können weitere Marktzutrittsschranken errichtet werden.982 Der Effekt werde durch die wirkenden indirekten Netzwerkeffekte weiter verstärkt, da es für einen nachhaltigen Marktzutritt schließlich erforderlich sei, mindestens zwei Marktseiten „an Bord“ zu bekommen.983 Ein weiteres Argument für die marktbeherrschende Stellung von Facebook sei das fehlende parallele Nutzungsverhalten der Nutzer, welches auch auf hohe Wechselhürden zurückzuführen sei (§ 18 Abs. 3a Nr. 2 GWB). Wirksames Multi-Homing sei demnach nicht feststellbar; dies müsste sich in geringeren Marktanteilsabständen zeigen, die aber nicht festzustellen seien. Wechselhürden ergeben sich aus den identitätsbasierten direkten Netzwerkeffekten, die für einen lock in der Nutzer sorgten. Ohne darauf einzugehen, ob der neu geschaffene Anspruch nach Art. 20 DS-GVO für eine bessere Übertragbarkeit der Daten sorgt984, erkennt das Bundeskartellamt keine ausreichende Datenübertragbarkeit, die die Wechselhürden senken könnte. Dagegen spreche, dass die Mitnahme der „Freunde“ von einem Netzwerk zum anderen beziehungsweise der Verzicht auf sie für die Nutzer im neuen Netzwerk eine hohe Hürde sei. Darüber hinaus sei auch das Anlegen eines neuen Profils aufwändig.985 Facebook profitiere von Größenvorteilen in Zusammenhang mit Netzwerkeffekten (§ 18 Abs. 3a Nr. 3 GWB). Durch die – im Vergleich zu seinen Wettbewerbern – hohe Zahl an Nutzern erziele Facebook hohe Skaleneffekte. Die gemeinsame Monetarisierung der Facebook-Dienste verstärke diese noch. Diese Wirkungen begünstigen damit auch das Tipping auf dem Markt.986 Weiter verfügt Facebook nach Ansicht des Bundeskartellamts über einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, was eine zusätzliche Marktzutrittsschranke begründe und damit ebenfalls das Tipping begünstige (§ 18 Abs. 3a 981 982 983 984 985 986
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 423 f., 432 – 440. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 426, 441 – 451. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 443. S. dazu o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(c) (S. 113 – 119). BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 452 – 476. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 477 – 480.
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Nr. 4 GWB).987 Dabei beschreibt das Bundeskartellamt zunächst die vielfältigen Datenquellen von Facebook und stellt insbesondere auch auf den Zugriff auf die Datensätze weiterer konzerneigener Dienste ab sowie auf die Daten der Entwickler, die die Facebook-APIs verwenden.988 Sodann stellt es die Wettbewerbsrelevanz dieser Daten für Facebook heraus. Das Produkt „soziales Netzwerk“ sei ein datengetriebenes; Daten sind demnach ein essenzieller Input. Dabei werden die Daten für verschiedene Zwecke verwendet, nämlich einmal für personalisierte Inhalte des sogenannten News Feed989 (im Sinne einer Verbesserung und Individualisierung des Angebots), zum anderen für personalisierte Werbung. Den durch Facebook mittlerweile aufgebauten Vorsprung an wettbewerbsrelevanten Daten können Wettbewerber nach Ansicht des Bundeskartellamts nicht mehr aufholen. Dadurch werden sowohl die direkten und indirekten Netzwerkeffekte als auch die lock in-Effekte noch weiter verstärkt. Daraus folge ein Selbstverstärkungseffekt,990 der sich wiederum in einer größeren Tipping-Geneigtheit des Marktes auswirke.991 Schließlich erkennt das Bundeskartellamt aktuell auch keinen ausreichenden innovationsgetriebenen Wettbewerbsdruck im Sinne des § 18 Abs. 3a Nr. 5 GWB, der die Marktstellung von Facebook relativieren könnte. Dabei erkennt es zwar an, dass die Sicherung der Marktstellung einer gewissen Innovationstätigkeit bedarf und auch Facebook nicht auf einem bestimmten Stand seiner Produkte bleiben könne. Jedoch sei momentan kein derartiger Wettbewerbsdruck festzustellen, dass die Marktstellung von Facebook ernsthaft gefährdet sei.992 (c) Würdigung der Bestimmung der Marktstellung Dass Facebook auf dem – gleich ob räumlich eng oder weit abgegrenzten – relevanten Markt beherrschend ist, ist überzeugend und dürfte im Ergebnis kaum Zweifeln ausgesetzt sein.993 Umso mehr verwundert es, welchen Aufwand das Bundeskartellamt bei der Marktabgrenzung und der Bestimmung der Marktstellung von Facebook unternommen hat. Damit hat es aber bei der Marktabgrenzung auf Plattformmärkten sowie bei der Anwendung von § 18 Abs. 3a GWB wichtige Pionierarbeit geleistet. Ebenfalls überzeugend ist, dass der Marktanteil das nach wie vor wichtigste Kriterium zur Bestimmung der Marktstellung bleibt. Findet sich die passende Größe zur Feststellung des Marktanteils – hier: die Zahl der täglich aktiven Nutzer –, so ist er ein verlässlicher Indikator, sodass auch der Rückgriff auf die Marktbeherr987
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 461. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 483 – 487. 989 Der News Feed ist praktisch der Kern von Facebook.com. Hier werden die Beiträge von „Freunden“ und Seiten, denen man folgt, sowie Werbung angezeigt. 990 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 496. 991 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 481 – 500. 992 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 501 – 521. 993 A. A. Volmar, NZKart 2020, 170, 173 f. 988
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
schungsvermutung zulässig ist, zumal der Anteil von Facebook erheblich über deren Grenzen liegt. (4) Missbrauch Das Bundeskartellamt beschäftigt sich in der Entscheidung ausschließlich mit der Verknüpfung der Off-Facebook-Daten mit den On-Facebook-Daten der Nutzer. Ob die Erhebung und Verwendung allein der On-Facebook-Daten ebenfalls das Missbrauchsverbot verletzt – wie es anscheinend die Arbeitshypothese zu Beginn des Verfahrens war –, lässt es hingegen ausdrücklich offen.994 Anders als hier vorgeschlagen, prüft das Bundeskartellamt auch nicht einen Verstoß sowohl nach dem Vergleichsmarktkonzept des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB als auch aufgrund der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB995, sondern beschränkt sich allein auf letzteres, obwohl es sogar das Tatbestandsmerkmal „Geschäftsbedingungen“ des Regelbeispiels prüft.996 Der Weg über die Generalklausel und das normative Prüfkonzept steht im Einklang mit der überwiegenden Rechtsprechung des BGH997, der sich ebenfalls meist auf die Anwendung dieser beschränkt und nicht zunächst das Vergleichsmarktkonzept bemüht. (a) Untergeordnete Rolle des Wettbewerbsbezugs Das Bundeskartellamt stellt zunächst klar: Abgesehen von der Frage des Zusammenhangs spielt der Wettbewerbsbezug seiner Ansicht nach keine Rolle, um den Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots einzuschränken: Die im Tenor im Einzelnen bezeichnete Verwendung und Durchführung von Nutzungsbedingungen konkretisiert durch die Daten- und Cookie-Richtlinie oder vergleichbare Vertragsdokumente stellt eine missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer in Form des Konditionenmissbrauchs nach der Generalklausel in § 19 Abs. 1 GWB dar, da sie als Ausfluss von Marktmacht gegen die Wertungen der DSGVO verstoßen.998
Damit wird bereits deutlich, dass der einzige kartellrechtliche Filter für den Missbrauch der Zusammenhang (in der Entscheidung bezeichnet als „Ausfluss“ entsprechend der BGH-Diktion in VBL-Gegenwert I und II) ist.
994
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 522. Kritisch Satzky, in: FS K. Schmidt, Band II, S. 303, 314. 995 Zu den zwei Formen des Konditionenmissbrauchs auch BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 527 f.; Louven, CR 2019, 352, 355. 996 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 524, 559 – 572. 997 S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(2)(a) (S. 140 f.). 998 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 523.
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Das Bundeskartellamt spricht auch an anderer Stelle bloß von „Wertungen“ der DS-GVO, die es der Prüfung zugrunde lege.999 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass abgesehen vom Zusammenhang eine streng an der DS-GVO ausgerichtete datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen wird.1000 Begründet wird dies damit, dass das Bundeskartellamt bei der Anwendung des Missbrauchsverbots die Möglichkeit – gar die Verpflichtung – habe, Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Sei bei der Anwendung der Generalklausel die Angemessenheit von Geschäftsbedingungen zu beurteilen, so seien zur Prüfung „Wertungen aus Vorschriften der Rechtsordnung, die die Angemessenheit von Konditionen in ungleichgewichtigen Verhandlungssituationen regeln, als Angemessenheitskonzepte“1001 heranzuziehen. Speziell für das Datenschutzrecht sei dies auch erforderlich, um den grundrechtlichen Wertungen – namentlich dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Grundrecht auf Schuz personenbezogener Daten aus Art. 8 GR-Charta – zur Durchsetzung zu verhelfen. Da diese grundrechtlichen Wertungen im einfachen Datenschutzrecht konkretisiert seien, sei dieses heranzuziehen.1002 (b) Zuständigkeit Das Bundeskartellamt hält sich für zuständig für die Anwendung des Datenschutzrechts im Rahmen der Missbrauchsprüfung. Dem stehen zum einen nicht die Regelungen über das Kohärenzverfahren nach Art. 63 – 67 DS-GVO entgegen. Diese sehen eine unionsweite Koordinierung unter den Datenschutzbehörden vor, um eine einheitliche Rechtsanwendung zu gewährleisten. Nach Ansicht des Bundeskartellamts ist der Anwendungsbereich dieser Regelungen jedoch lediglich auf Datenschutzbehörden beschränkt; weiterhin sollten die Regelungen der Anhebung des Schutzniveaus und damit nicht der Einschränkung des Anwendungsbereichs dienen.1003 Im Übrigen sei auch eine uneinheitlichere Auslegung des Datenschutzrechts durch die Anwendung durch das Bundeskartellamt nicht zu befürchten, haben doch zum einen ebenso bereits alle Zivilgerichte dieses anzuwenden; zum anderen habe in jedem Fall der EuGH letztverbindlich im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV über die Auslegung der DS-GVO zu entscheiden.1004
999
Vgl. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 573. Freilich werden bei einzelnen Tatbestandsmerkmalen der DS-GVO die marktbeherrschende Stellung von Facebook und andere originär kartellrechtliche Gesichtspunkte zur Auslegung verwendet, vgl. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 710, 745, 747 – 749, 783 – 785, 858 – 860. Darauf wird im Folgenden noch eingegangen. 1001 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 526. Vgl. auch Rn. 529, 536, 551 und 573. 1002 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 527, 529. 1003 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 539. 1004 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 540 – 543. Gegen doppelte Zuständigkeiten dezidiert Körber, NZKart 2019, 187, 194. 1000
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Weiterhin sehe die DS-GVO keine abschließende Regelung für marktbeherrschende Unternehmen wie etwa in § 111 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG1005 vor.1006 Demnach sei die Anwendung der Regelungen des Missbrauchsverbots nicht gesperrt. Dementsprechend habe das Verfahren des Bundeskartellamts auch Zustimmung von Datenschutzbehörden erhalten;1007 die förmliche Zusammenarbeit mit diesen sei auf der Grundlage des neuen § 50c GWB erfolgt.1008 Bemerkenswert ist, dass das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang meint: Die angeordnete Missbrauchsaufsicht über Datenverarbeitungskonditionen kann dabei nicht bedeuten, dass die Kartellbehörde bei der ihr zugewiesenen Aufsicht über den Datenverarbeitungsspielraum die Wertungen des allgemeinen Datenschutzrechts außer Acht zu lassen hat und einen hiervon unabhängigen Maßstab bzw. andere Instrumentarien entwickeln muss. Dieses ist schon im Hinblick auf die verfassungsgemäße Pflicht der Kartellbehörde, bei der Anwendung der Generalklauseln jedenfalls die höherrangigen Grundrechte nach der EU-Charta und dem Grundgesetz zu berücksichtigen, nicht möglich und stünde letztlich dem Kohärenzbemühen der DS-GVO sogar entgegen. Ein Missbrauch der Marktbeherrschung kann vielmehr – wie die VBL-Gegenwert-Rechtsprechung auch deutlich macht – gerade darin liegen, dass das Unternehmen noch nicht einmal den allgemeinen Rechtsrahmen beachtet. Die Missbrauchsaufsicht über den Datenverarbeitungsspielraum muss daher auch die Beachtung des Datenschutzrechts beinhalten.1009
Unklar ist demnach: Will das Bundeskartellamt – wie zuvor postuliert – bloße „Wertungen“ des Datenschutzrechts in die Prüfung einfließen lassen, oder geht es um die gleichsam akzessorische „Beachtung“ des Datenschutzrechts insoweit, als der in Rede stehende Konditionenmissbrauch vollständig nach Maßstäben des Datenschutzrechts ausgelegt wird? Für letzteres spricht auch der Verweis auf die Kohärenzregelungen der DS-GVO, die entwertet würden, würde das Bundeskartellamt eine eigene Auslegung der DS-GVO zugrunde legen oder auch nur einen mit Wertungen des Datenschutzrechts angereicherten eigenen Maßstab zur Bewertung des missbräuchlichen Verhaltens verwenden. Wie die weitere Prüfung durch das 1005 Demnach sind die §§ 19, 20 und 29 GWB nicht anzuwenden, soweit das EnWG oder eine aufgrund des EnWG erlassene Rechtsverordnung abschließende Regelungen treffen. Freilich sieht auch § 111 EnWG nicht die Unanwendbarkeit von Art. 102 AEUV – also sobald die Zwischenstaatlichkeit einer Maßnahme gegeben ist – vor. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts könnte dies mitgliedstaatlich auch gar nicht geregelt werden, Steinbeck, in: Theobald/Kühling (Hrsg.), Energierecht, 95. EL 2017 (Werkstand 112. EL 2021), § 111 EnWG, Rn. 13. 1006 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 547. 1007 Vgl. beispielsweise BfDI, Pressemitteilung vom 07. 02. 2019 („Wegweisende Entscheidung des Bundeskartellamtes zu Facebook“), abrufbar unter: https://www.bfdi.bund.de/ DE/Infothek/Pressemitteilungen/2019/06_BundeskartellamtzuFacebook.html. Vgl. auch die zustimmende Äußerung durch den damaligen Europäischen Datenschutzbeauftragten Buttarelli, Blog-Beitrag vom 07. 02. 2019 („Big step towards coherent enforcement in the digital economy“), abrufbar unter: https://edps.europa.eu/press-publications/press-news/blog/big-steptowards-coherent-enforcement-digital-economy_en. 1008 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 544 – 558. 1009 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 551.
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Bundeskartellamt noch zeigen wird, sieht es die kartellrechtliche Prüfung als streng akzessorisch zur datenschutzrechtlichen an.1010 (c) Geschäftsbedingungen Zunächst wendet das Bundeskartellamt sich aber noch der Frage zu, ob es sich bei den Datenverarbeitungsbedingungen von Facebook um Geschäftsbedingungen im Sinne des § 19 GWB handelt. Das Bundeskartellamt versteht diesen Begriff denkbar weit.1011 Dass das datenschutzrechtliche Transparenzgebot als öffentliches Recht zu einer Information über die Datenverarbeitung verpflichte,1012 hindere die Eigenschaft als zivilrechtliche Geschäftsbedingung nicht. Die „gesamte von einem Machtgefälle [geprägte] Anbieter-Nachfrager-Beziehung“1013 solle vom Missbrauchsverbot erfasst werden. Daher seien auch „die faktischen Geschäftsbedingungen, die ohne Zustimmung der Nachfrager durchgeführt werden, einzubeziehen. Dazu gehören alle tatsächlichen Vorgänge, die Gegenstand einer vertraglichen Regelung sein können.“1014 Weiterhin sieht das Bundeskartellamt die Hingabe von Daten nicht als Preis beziehungsweise Entgelt mit der Möglichkeit der Preishöhenkontrolle nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GWB an. Dazu stellt es auf die Nutzersicht ab, die den Eindruck einer unentgeltlichen Leistung durch Facebook habe, sowie auf den Umstand, dass es zu keiner wirtschaftlichen Belastung der Nutzer komme. Im Übrigen zeige die Existenz von § 18 Abs. 2a GWB, dass der Gesetzgeber die Hingabe von Daten nicht als Entgelt verstehe.1015 (d) Datenschutzrechtlicher Verstoß Entsprechend seinen Ausführungen zum Prüfungsmaßstab und zur Zuständigkeit nimmt das Bundeskartellamt eine umfassende Datenschutzprüfung vor, die auch den Kern der Entscheidung bildet. Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Facebook sei nicht nach Art. 6 und 9 DS-GVO gerechtfertigt und verstoße damit gegen das Datenschutzrecht. Zunächst beschreibt das Bundeskartellamt die verschiedenen Arten, auf die Facebook personenbezogene Daten verarbeite. Neben (einfachen) personenbezogenen Daten werden auch besondere Kategorien verarbeitet im Sinne des Art. 9 DSGVO, das heißt solche Daten, „aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen 1010 Für eine streng akzessorische Prüfung auch J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 57 f., 89 – 98, 216 f. 1011 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 561 – 566. 1012 Art. 5 Abs. 1 lit. a, 12 – 15 DS-GVO. 1013 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 562. 1014 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 563. 1015 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 569 – 572.
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Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person“. Die Rechtfertigung der Verarbeitung besonderer Kategorien unterliegt nach Art. 9 Abs. 2 DS-GVO gegenüber der allgemeinen Norm des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO verschärften Anforderungen. Die Erfassung dieser besonderen Kategorien durch Facebook ergebe sich dabei vor allem aus der Einbindung der Facebook Business Tools und APIs auf Dritt-Webseiten, auf denen auch besondere Kategorien von Daten erhoben werden könnten.1016 Facebook erhebe Daten bei der Nutzung von Facebook.com, aus den konzerneigenen Diensten und von Dritt-Webseiten über Cookies, Facebook Business Tools und über andere Maßnahmen. Die Daten aus den konzerneigenen Diensten und von Dritt-Webseiten können mit den On-Facebook-Daten abgeglichen werden.1017 Dadurch erfolge eine Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO, namentlich durch Erfassung, Verknüpfung und Verwendung der Daten.1018 Indem die Daten auch für die Personalisierung von Facebook.com sowie für Targeted Advertising verwendet werden, erfolge ebenso ein Profiling im Sinne des Art. 4 Nr. 4 DS-GVO.1019 Auch die Benutzung der aus den Konzernunternehmen wie WhatsApp, Oculus und Masquerade stammenden Daten stelle eine Verarbeitung im Sinne der DS-GVO dar. Facebook könne sich nicht auf ein Konzernprivileg berufen, da ein solches im Datenschutzrecht überhaupt nicht gelte. Vielmehr sei jedes einzelne Konzernunternehmen für sich Verantwortlicher nach Art. 4 Nr. 7 DS-GVO.1020 Facebook dringt schließlich auch nicht mit dem Argument durch, im Hinblick auf die Facebook Business Tools lediglich Auftragsverarbeiter nach Art. 4 Nr. 8, Nr. 28 DS-GVO zu sein. Wäre das der Fall, so würden Facebook eine Reihe eigener Pflichten treffen, jedoch gerade nicht die eines Verantwortlichen.1021 Die in den Nutzungsbedingungen für Facebook Business Tools vorgesehene Bestimmung, dass die Betreiber der DrittWebseiten Verantwortliche und Facebook lediglich Auftragsverarbeiter sei1022, genüge den Anforderungen für die Begründung einer Auftragsverarbeitung nach Art. 28 DS-GVO nicht.1023 1016
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 584 – 588. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 575 – 583. 1018 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 590 – 596. 1019 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 597 – 604. Konsequenz des Profiling sind noch strengere Vorgaben für die Datenverarbeitung, s. beispielsweise Art. 22 DS-GVO. 1020 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 608 – 616. Vgl. zum (fehlenden) Konzernprivileg im Datenschutzrecht auch Uebele, EuZW 2018, 440, 442, 444. 1021 Im Einzelnen Hartung, in: Kühling/Buchner (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Nr. 8 DS-GVO, Rn. 4. 1022 Facebook, Nutzungsbedingungen für Facebook Business Tools, Stand 31. 08. 2020, unter Punkt 5.a, abrufbar unter: https://www.facebook.com/legal/technology_terms. 1023 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 617 – 628. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 29. 07. 2019, Fashion ID, Rs. C-40/17, ECLI:EU:C:2019:629, Rn. 64 – 85, 1017
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Die damit durch Facebook erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten müsste nach Art. 6 DS-GVO gerechtfertigt sein; im Falle der besonderen Kategorien personenbezogenen Daten richtet sich die Rechtfertigung nach Art. 9 DS-GVO. Das Bundeskartellamt prüft die verschiedenen Rechtfertigungsgründe ausführlich, gelangt jedoch dazu, dass keiner einschlägig, die Datenverarbeitung damit rechtswidrig sei. Zunächst liege keine Einwilligung der Betroffenen nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO vor; für die besonderen Datenkategorien fehle dementsprechend auch die nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO erforderliche ausdrückliche Einwilligung. Denn eine Einwilligung setze nach Art. 4 Nr. 11 DS-GVO die Freiwilligkeit voraus,1024 der jedoch die marktbeherrschende Stellung entgegenstehe.1025 Im Übrigen spreche gegen die Freiwilligkeit auch das Koppelungsverbot nach Art. 7 Abs. 4 DS-GVO,1026 wonach bei der Beurteilung der Freiwilligkeit auch zu berücksichtigen sei, „ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind“. Die Freiwilligkeit der Einwilligung werde auch nicht dadurch erreicht, dass die Nutzer in ihren Privatsphäre-Einstellungen auf Facebook.com die Verwendung von Off-Facebook-Daten für Werbung untersagen sowie durch ihre Browser-Einstellungen das Setzen von Cookies unterbinden können. Durch die Einstellungen zu den Werbeanzeigen ließe sich zum einen nur die Anzeige unterbinden, wohingegen die Erfassung und Verknüpfung von Daten weiterhin vorgenommen werden könne. Bezüglich der Cookie-Einstellungen merkt das Bundeskartellamt an, dass die Möglichkeit zu einem „Opt-out“ den Anforderungen der DS-GVO nicht genüge und bei der Benutzung von mobilen Apps selbst dies nicht möglich sei.1027 Die Datenverarbeitung ließe sich nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO auch dann rechtfertigen, wenn sie zur Vertragserfüllung erforderlich ist. Doch auch diesen Rechtfertigungsgrund erkennt das Bundeskartellamt in dem Fall nicht an. Dieser sei schon gar nicht anwendbar, wenn einer der Vertragspartner – in diesem Fall Facebook – den Vertragsinhalt einseitig festlege. Unter Berufung auf eine Stellungnahme
wonach auch der Betreiber der Dritt-Webseite durch Einbindung des Like-Buttons zusammen mit Facebook für einen Teil der Datenverarbeitung gemeinsamer Verantwortlicher ist. Die Entscheidung erging noch zur DS-RL; für die DS-GVO dürfte jedoch Entsprechendes gelten. 1024 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 643 f., 646. Vgl. Ernst, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 4 DS-GVO, Rn. 76. Unrichtig ist deshalb die Interpretation durch Botta/Wiedemann, Antitrust Bull. 64 (2019), 428, 439, die Diktion des Bundeskartellamts weiche von der der DS-GVO ab. 1025 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 646. 1026 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 645. 1027 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 651 – 665.
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der Art.-29-Arbeitsgruppe1028 meint das Bundeskartellamt außerdem, der Begriff der „Erforderlichkeit“ sei eng auszulegen. Bei der Subsumtion sei sodann wieder die marktbeherrschende Stellung von Facebook ebenso wie die einseitige Auferlegung der Vertragsinhalte und der Datenverarbeitung einzubeziehen. Daraus ergebe sich, dass – selbst wenn man die einseitige Auferlegung nicht von vornherein als unzulässig erachte – eine Verknüpfung mit den Daten aus konzerneigenen Diensten und aus Facebook Business Tools nicht erforderlich sei. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass allein das gewählte Geschäftsmodell eine unbegrenzte Datenverarbeitung ermöglichen könnte, was gerade keinen Ausgleich der Interessen darstellen würde. Dann obläge es allein dem datenverarbeitenden Unternehmen, den Anwendungsbereich des Erlaubnistatbestands zu definieren.1029 Im Übrigen sei auch die Verknüpfung mit Off-Facebook-Daten nicht zwingend notwendig, um ein personalisiertes Angebot auf Facebook.com erbringen zu können. Die Erforderlichkeit sei schließlich auch deshalb abzulehnen, weil anderenfalls – bei Zulässigkeit der Verknüpfung der Daten aus den verschiedenen konzerneigenen Diensten – eine Übertragung der Marktmacht auf die anderen konzerneigenen Dienste zu befürchten sei.1030 Nur kurz widmet sich das Bundeskartellamt den Rechtfertigungsgründen nach Art. 6 Abs. 1 lit. c – e DS-GVO (Erforderlichkeit zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, zum Schutz lebenswichtiger Interessen des Betroffenen oder einer anderen natürlichen Person respektive zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt), die es allesamt nicht als gegeben ansieht. In all diesen Fällen habe Facebook nur abstrakte Begründungen vorgetragen, dass einmal einer dieser Fälle tatsächlich eintreten könnte und die Daten daher bereits „auf Vorrat“ verarbeitet würden. Das genügt dem Bundeskartellamt jedoch nicht; die Fälle der Art. 6 Abs. 1 lit. c – e DS-GVO müssen vielmehr jeweils konkret vorliegen.1031 Als letzte Möglichkeit der Rechtfertigung der Datenverarbeitung kommt Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO in Betracht, wonach die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie zur Wahrung der Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Auch dies lehnt das Bundeskartellamt jedoch ab. Zur Auslegung greift es auf die Stellungnahme der Art.-29-Arbeitsgruppe zurück, wonach eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen sei.1032 Die Abwägung wird für die konzerneigenen
1028 Vgl. Art. 29 WP, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG, S. 21 f. (noch zur DS-RL). 1029 Vgl. Buchner, WRP 2019, 1243, 1248. 1030 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 666 – 713. 1031 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 714 – 726. 1032 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 730; Art. 29 WP, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG, S. 30.
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Dienste einerseits und für die Facebook Business Tools andererseits getrennt vorgenommen, wobei die Argumentation jedoch im Wesentlichen die gleiche ist.1033 Facebook trage die Darlegungslast für das Vorliegen erheblicher eigener Interessen. Es gelinge ihm jedoch nicht, diese substantiiert vorzutragen. Aber auch die vom Bundeskartellamt selbst ermittelten Interessen Facebooks begründeten nicht die Erforderlichkeit; hier legt es einen ähnlich strengen Maßstab an wie bei Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO, sodass nicht jeder von Facebook verfolgte Zweck berücksichtigt werden könne, andernfalls es allein mit möglichst breit angelegten Zwecken der Datenverarbeitung diese rechtfertigen könne. Den Interessen Facebooks stellt das Bundeskartellamt das Interesse des Betroffenen an informationeller Selbstbestimmung und Privatsphäre gegenüber. Es berücksichtigt eine mögliche Übertragung und Absicherung der Marktmacht von Facebook und die damit verbundene Gefahr der Verdrängung und Behinderung von Wettbewerbern als Aspekte der Interessenabwägung.1034 Bei der vorsorglich (unterstellt, die Datenverarbeitung sei erforderlich für die Erreichung der Ziele von Facebook) vorgenommenen Interessenabwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO1035 berücksichtigt das Bundeskartellamt die Art der Daten und der Datenverarbeitung, die begründeten Erwartungen der Nutzer sowie die Stellung des Verantwortlichen und der betroffenen Personen.1036 Im Einzelnen: Es seien auch sensible Daten betroffen (besondere Kategorien sowie Kommunikations- und Standortdaten), mit denen sich detaillierte Profile erstellen ließen. Die Datenverarbeitung sei nach Art und Umfang von hohem Ausmaß, und die Daten werden für Profiling genutzt. Speziell im Hinblick auf die Business Tools merkt das Bundeskartellamt an, dass durch das Tracking ein wesentlicher Teil des Internetverhaltens der Nutzer verfolgt werden könne. Die vernünftigen Erwartungen der Nutzer beruhen darauf, dass diesen das Ausmaß der Datenverarbeitung nicht bewusst sei. Die Stellung des Verantwortlichen Facebook sei von dessen marktbeherrschender Stellung geprägt. Es bestehen daher keine Ausweichmöglichkeiten für die Nutzer. Außerdem seien viele der Nutzer Jugendliche oder junge und unerfahrene Personen, deren Unerfahrenheit ebenfalls zu berücksichtigen sei. Schließlich habe Facebook es auch unterlassen, Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten vorzunehmen.1037
1033
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 732 – 795, 796 – 869. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 747 – 749. 1035 Diese ist konzeptionell von der kartellrechtlichen Interessabwägung zu trennen, wenngleich das Bundeskartellamt ähnliche Faktoren in jene Abwägung einstellt, s. u. § 5.C.I.4.b)cc)(4)(f) (S. 223). 1036 Vgl. Art. 29 WP, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG, S. 49 – 52. 1037 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 770 – 795, 836 – 869. 1034
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(e) Zusammenhang Anschließend an die datenschutzrechtliche Prüfung widmet sich die Entscheidung der Anknüpfung an das Missbrauchsverbot nach § 19 Abs. 1 GWB. Die Formel des BGH aus den VBL-Entscheidungen, dass es „insbesondere“ einen Verstoß gegen das Missbrauchsverbot darstelle, wenn die Verletzung außerkartellrechtlicher Normen „Ausfluss der Marktmacht“ sei, zeige, dass es sich bei der strengen (instrumentellen) Kausalität um eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung missbräuchlichen Verhaltens handele. Dies ergebe sich auch aus dem Begriff der „Ausnutzung“. Dementsprechend sei keine strenge Kausalität erforderlich, es genüge vielmehr normative Kausalität (das heißt ein Zusammenhang).1038 Die normative Kausalität sei im vorliegenden Fall gegeben, denn die datenschutzrechtliche Bewertung beruhe wesentlich auf der marktbeherrschenden Stellung von Facebook, da die einzelnen geprüften datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände durch sie ausgeschlossen seien; bei einem nicht-marktbeherrschenden Unternehmen wäre die Prüfung anders ausgefallen.1039 Daher sei sogar strenge Kausalität gegeben.1040 Daran schließt das Bundeskartellamt eine Ergebniskontrolle an: Die vorgenommene Berücksichtigung der marktbeherrschenden Stellung bei der Datenschutzprüfung sei nachvollziehbar und sachgerecht, weil sie maßgebliche Bedeutung für die Frage der Wahlmöglichkeiten der Nutzer habe, auch im Hinblick auf das Datenschutzniveau.1041 Schließlich scheint das Bundeskartellamt noch eine Absage an eine falsche Auslegung des – eigentlich ohnehin nicht geprüften – Vergleichsmarktkonzepts zu erteilen; demnach könne das Verhalten Facebooks nicht durch einen angeblichen „etablierten Industriestandard“ gerechtfertigt werden, da das Verhalten anderer schließlich nicht Maßstab für das Missbrauchsverbot sei.1042 Im Hinblick auf die normative Kausalität führt das Bundeskartellamt weiter aus, dass Facebooks Wettbewerber durch das Verhalten behindert werden. Demnach bestehe der Anreiz zur Übertragung der Marktmacht auf den Werbemarkt; die detaillierten personenbezogenen Daten erlaubten es Facebook, den Werbekunden bessere Angebote zu machen als seine Wettbewerber.1043 Der besondere Daten1038 Vgl. aber auch den Hinweis in Fn. 723 der Facebook-Entscheidung auf die in der vorliegenden Arbeit o. § 5.C.I.3.c)bb) (S. 165 f.) besprochene BGH-Entscheidung Hochzeitsrabatte, wonach (bei der Fallgruppe des Anzapfverbots) nicht einmal normative Kausalität zu prüfen sei (i. S. e. Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten). Jedoch zurecht skeptisch bezüglich der Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Rechtsprechung und der Bedeutung des geänderten § 19 Abs. 2 Nr. 5 GWB durch die 9. GWBNovelle Satzky, NZKart 2018, 554, 559. 1039 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 872 – 879. 1040 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 880. 1041 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 883. 1042 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 884. 1043 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 886 f.
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reichtum Facebooks erhöhe des Weiteren die Marktzutrittsschranken auf dem Markt für soziale Netzwerke.1044 (f) Interessenabwägung Eine Interessenabwägung ist nach Ansicht des Bundeskartellamts nicht erforderlich, wenn bereits der Zusammenhang festgestellt sei. Selbst wenn man eine derartige Abwägung vornehme, könne diese gar nicht anders ausfallen als die datenschutzrechtliche Prüfung, da ähnliche Abwägungsfaktoren einschließlich der Marktbeherrschung zugrunde zu legen seien. Die Angemessenheitsregeln des außerwettbewerblichen Rechts seien ihrerseits bereits Ergebnis eines Abwägungsprozesses. Es könne kein Interesse geben, das rechtswidriges Verhalten rechtfertige.1045 Bei der vorsichtshalber gleichwohl vorgenommenen Interessenabwägung stellt das Bundeskartellamt im Wesentlichen die gleichen Kriterien ein wie bei der datenschutzrechtlichen Prüfung; es berücksichtigt auch grundrechtliche Wertungen sowie den Umstand, dass es den Nutzern an Ausweichmöglichkeiten mangele.1046 (g) Bewertung der Ausführungen zur Missbräuchlichkeit Der bisherigen Rechtsprechung des BGH entspricht es, dass das Bundeskartellamt sich direkt der Prüfung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB zuwendet, ohne sich mit dem Vergleichsmarktkonzept des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB auseinanderzusetzen. Damit bleibt die Prüfung jedoch unvollständig, zumal vergleichbare regionale Märkte leicht zu finden gewesen wären: Das Bundeskartellamt geht schließlich von einem nationalen deutschen Markt aus, sodass ein Vergleich mit anderen EULändern hätte gezogen werden können, bei denen die kulturellen und (aufgrund der anwendbaren DS-GVO) rechtlichen Rahmenbedingungen vergleichbar sind. Freilich dürfte auf diesen Märkten im Ergebnis das gleiche Verhalten Facebooks festzustellen sein, sodass das regionale Vergleichsmarktkonzept allein nicht den Schluss auf die Missbräuchlichkeit erlaubt hätte.1047 Nachvollziehbar ist die Argumentation, mit der das Bundeskartellamt das Vorliegen von Geschäftsbedingungen – und nicht von Entgelten oder eines anderen, vom Konditionenmissbrauch nicht erfassten Rechtsverhältnisses – bejaht. Das weite Verständnis des Begriffs der „Geschäftsbedingung“ wird auch in der vorliegenden Arbeit zugrundegelegt.
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BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 888. BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 890 – 893. 1046 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 894 – 913. 1047 J. Barth, Datenschutzrechtsverstöße als kartellrechtlicher Konditionenmissbrauch, 2020, S. 209, nimmt an, Vergleichsmärkte seien für Facebook schon gar nicht bestimmbar. 1045
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Schwach ist hingegen die dogmatische Begründung, mit der die Anwendung des Datenschutzrechts im Missbrauchsverbot gerechtfertigt werden soll.1048 Zur Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen beruft sich das Bundeskartellamt1049 auf die Pechstein-Entscheidung des BGH. Dieser hatte die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zwischen einer Eisschnellläuferin und der International Skating Union (ISU) am Maßstab des § 19 Abs. 1 GWB zu messen. Dabei griff der BGH bei der Interessenabwägung zugunsten der Klägerin auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG sowie auf das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK zurück. Im Ergebnis überwogen nach Ansicht des BGH gleichwohl die Interessen der ISU, namentlich die aus Art. 9 Abs. 1 GG stammende Verbandsautonomie und die Verpflichtung der beklagten ISU ihrerseits zur Vereinbarung von Schiedsabreden gemäß dem Internationalen Übereinkommen gegen Doping im Sport (World Anti-Doping Code), sowie auch der Umstand, dass das Schiedsgericht unabhängig und neutral zu besetzen war, sodass auch hierdurch die Interessen der Klägerin geschützt waren.1050 Entgegen der Ansicht des Bundeskartellamts ist die Übernahme dieser Rechtsprechung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht zwingend geboten. Im Fall Pechstein war die Klägerin darauf angewiesen, der Schiedsklausel zuzustimmen, um ihren Beruf als Eisschnellläuferin ausüben zu können. Die Nichtnutzung eines sozialen Netzwerks – auch wenn es sich um das Netzwerk des QuasiMonopolisten handelt – ist keine vergleichbare Zwangslage.1051 Das schließt es zwar nicht aus, auf diese Rechtsprechung Rückgriff zu nehmen. Erklärungsbedürftig wäre es jedoch gewesen, wodurch die im Facebook-Fall nicht in gleichem Maße bestehende Zwangslage – diese war bei Pechstein immerhin durch den Zugang zum Beruf der Eisschnellläuferin begründet – aufgewogen wird. Das Bundeskartellamt will gleichwohl alle Normen in die Prüfung einbeziehen, „soweit sie die Angemessenheit von Konditionen in einer ungleichgewichtigen Verhandlungssituation betreffen“1052. Eine dogmatische Rückführung dieses breiten Anwendungsbereichs auf den Begriff des Missbrauchs fehlt jedoch in der Ent1048
Kritisch Hoeren, MMR 2019, 137, 138; Louven, WRP 2020, 433, 435; Paal, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, 34. Ed. 2021, Art. 102 AEUV, Rn. 80d; Satzky, in: FS K. Schmidt, Band II, S. 303, 310. 1049 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 528. 1050 BGH, Urt. v. 07. 06. 2016, Pechstein, Az. KZR 6/15, BGHZ 210, 292, 308 – 319 (Rn. 42 – 66). 1051 Körber, NZKart 2019, 187, 191. Ähnlich Brinkmann, Marktmachtmissbrauch durch Verstoß gegen außerkartellrechtliche Rechtsvorschriften, 2018, S. 246: Anders als im Fall Pechstein (behaupteter Grundrechtsverstoß) gebe es bei Datenschutzverstößen Behörden, in deren Zuständigkeit der Rechtsschutz falle. Dem Einsatz des Kartellrechts fehle es damit an der Erforderlichkeit. Kritisch hingegen zu der Ansicht, der Beitritt zu einem sozialen Netzwerk sei grundsätzlich weniger schutzbedürftig als die Ausübung des Berufs der Eisschnellläuferin, Bueren, ZWeR 2019, 403, 433 mit Fn. 216. 1052 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 529. Vgl. auch Bunte, EWiR 2019, 575, 576.
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scheidung.1053 Entsprechend § 3a UWG ist für das Bundeskartellamt damit allein der Charakter der verletzten Rechtsnorm entscheidend.1054 Andere Faktoren, die zur Bestimmung des Wettbewerbsbezugs heranzuziehen sind, bleiben dabei außer Betracht. Der eigentliche Prüfungsmaßstab wird sodann auch nicht durch die Ausführungen des Bundeskartellamts zu seiner Zuständigkeit klar. Dass es seine Zuständigkeit – wie auch in der vorliegenden Arbeit vertreten1055 – nicht als durch die datenschutzrechtlichen Regelungen gesperrt ansieht, verdeckt den Blick auf die eigentlich entscheidende Frage, ob die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Regelungen in der Missbrauchsprüfung direkt aus dem Kartellrecht folgt. Dieser Frage stellt das Bundeskartellamt sich nicht; dass das Verfahren den Zuspruch der – chronisch unterbesetzten – Datenschutzbehörden erfahren hat, kann die Anwendung aus sich heraus selbstverständlich auch nicht rechtfertigen. Dementsprechend beschäftigt sich der größte Teil der Prüfung des missbräuchlichen Verhaltens auch mit originär datenschutzrechtlichen Fragestellungen, nämlich vor allem mit der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung durch Facebook. Nach umfangreicher Prüfung aller Rechtmäßigkeitsgründe des Art. 6 DS-GVO lehnt das Bundeskartellamt diese jedoch allesamt ab. Entsprechend der thematischen Eingrenzung der vorliegenden Arbeit soll diese datenschutzrechtliche Beurteilung nicht im Einzelnen bewertet werden.1056 Bemerkenswert ist freilich, dass für das Bundeskartellamt bei allen vertieft geprüften Tatbeständen des Art. 6 DS-GVO auch originär kartellrechtliche Argumente wenngleich zwar nicht ausschlaggebend für die Entscheidung, so jedoch zumindest mitentscheidend waren. So soll Facebooks marktbeherrschende Stellung sowohl gegen die Freiwilligkeit der von den Nutzern erteilten Einwilligung1057 als auch gegen die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Verfolgung des Vertragszwecks sprechen. Gegen Facebook wird auch im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO angeführt, dass es marktbeherrschend sei und es den Nutzern damit an Ausweichmöglichkeiten mangele. Weiter wird an mehreren Stellen die Verknüpfung der Daten aus den verschiedenen konzerneigenen Diensten als negativer Aspekt in der datenschutzrechtlichen Prüfung angeführt, da es hierdurch einerseits zu einer Absicherung und Verstärkung der Marktstellung von Facebook.com komme und andererseits diese Marktmacht auch auf die angren1053
Künstner, K&R 2019, 605, 608. Podszun, GRUR 2020, 1268. 1055 S. o. § 5.C.I.3.d)aa) (S. 176 f.). 1056 Die datenschutzrechtliche Prüfung hat jedenfalls überwiegend Zustimmung in der Literatur erfahren, vgl. Buchner, WRP 2019, 1243, 1247 f. Differenziert, insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der marktbeherrschenden Stellung im Rahmen der datenschutzrechtlichen Erlaubnistatbestände, Paal, ZWeR 2020, 215, 220 – 243. Kritisch zur engen Anknüpfung an das Datenschutzrecht allgemein jedoch Fountoukakos et al., Comp. L. J. 18 (2019), 55, 64. 1057 A. A. Heberlein, Datenschutz im Social Web, 2018, S. 184 f. 1054
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zenden Märkte übertragen werden könne. Dementsprechend wird teilweise zustimmend angemerkt, dass die Untersagung der Zusammenführung der Daten dazu beitragen könne, dass die direkten Netzwerkeffekte mitunter neutralisiert werden.1058 Dadurch, dass die Entscheidung vorrangig den Umfang der Datensammlung durch Facebook adressiere und diese einschränke, werde unmittelbar Facebooks wettbewerbliche Unabhängigkeit eingeschränkt. In Wahrheit handele es sich deshalb um eine strukturelle kartellrechtliche Abhilfemaßnahme.1059 Anders als die vorliegende Arbeit1060, vertritt das Bundeskartellamt die Ansicht, auch im Falle des Konditionenmissbrauchs genüge der schlichte Zusammenhang zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten; des Nachweises der Kausalität im Sinne der conditio-Formel bedürfe es nicht. Vorsorglich versucht es gleichwohl zu begründen, dass sogar eine derartige strenge Kausalität gegeben sei. Da die vertieft geprüften Rechtfertigungsgründe nach Art. 6 Abs. 1 lit. a, b und f DS-GVO letztlich an der marktbeherrschenden Stellung von Facebook scheiterten, sei diese ursächlich für den Verstoß.1061 Diese Argumentation ist zirkulär und verengt die Prüfung nach § 19 Abs. 1 GWB dadurch auf die Feststellung der marktbeherrschenden Stellung: Sobald diese zu bejahen ist, scheint für das Bundeskartellamt die missbräuchliche Ausnutzung beinahe zwangsläufig zu sein. Das überzeugt nicht: Die derart beschriebene „Ursächlichkeit“ bezeichnet allein den Umstand, dass die datenschutzrechtliche Wertung maßgeblich von der marktbeherrschenden Stellung abhängt. Vielmehr hätte das Bundeskartellamt begründen müssen, dass gerade das tatsächliche Verhalten von Facebook allein auf dessen marktbeherrschender Stellung beruht.1062 Ansätze, wie ein solcher Nachweis sowohl negativ als auch positiv zu führen gewesen wäre, wurden bereits dargestellt.1063 Dazu hätte es entweder des Ausschlusses von Ersatzursachen (namentlich von Informationsasymmetrien) oder des Nachweises bedurft, dass der Handlungsspielraum von Facebook durch die marktbeherrschende Stellung erweitert und die missbräuchlichen Geschäftsbedingungen erst dadurch ermöglicht oder zu einem industrieweiten Standard wurden. Freilich ist keineswegs ausgeschlossen, dass dieser Nachweis (negativ wie positiv) im Instanzenzug geführt werden kann. So spricht einiges dafür, dass sich namentlich Informationsasymmetrien als Ersatzursache des missbräuchlichen Verhaltens ausschließen lassen.1064
1058
Stoffel, EuZW 2019, 177, 178. Colangelo/Maggiolino, W. Comp. 42 (2019), 355, 362, 374. 1060 S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). 1061 Zustimmend Volmar, Digitale Marktmacht, 2019, S. 396 f. 1062 Ebenso Karbaum, DB 2019, 1072, 1077. Ähnlich Bueren, ZHR 185 (2021), 556, 570; Louven, CR 2019, 352, 357 f.; Nagel/Horn, ZWeR 2021, 78, 89; Satzky, in: FS K. Schmidt Band II, S. 303, 312. 1063 S. o. § 5.C.I.3.c)dd) (S. 170 – 175). 1064 S. o. § 5.C.I.3.c)dd)(2) (S. 172 – 174). 1059
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c) Abschließende Einordnung der Facebook-Entscheidung Neben der rechtlichen Bewertung der Entscheidung, die bei den einzelnen Punkten bereits teilweise vorgenommen wurde, soll uns auch der Nutzen des Verfahrens als kartellrechtliches interessieren: Hätten Datenschutzbehörden nicht ebenso effektiv handeln können? Die Entscheidung gebietet zunächst jedoch einer Reihe an kritischen Stimmen Schweigen, die im Vorfeld Befürchtungen geäußert hatten, dass sich das Bundeskartellamt zu einer Art Datenschutzbehörde sui generis aufschwingen würde. Die detaillierte Prüfung des relevanten Marktes sowie der marktbeherrschenden Stellung zeigen, dass sich das Bundeskartellamt der kartellrechtlichen Eingriffsvoraussetzungen durchaus bewusst ist und diese respektiert. Die Marktabgrenzung und die Anwendung von § 18 GWB erfolgten weitgehend wie erwartet. Freilich wurde nach dem hier vertretenen Standpunkt der Wettbewerbsbezug des Verhaltens von Facebook nicht hinreichend gewürdigt; auch das Erfordernis eines Zusammenhangs hat das Bundeskartellamt nicht angemessen gewürdigt. Im Ergebnis gilt jedoch, dass die Entscheidung die wettbewerblichen Missstände auf dem relevanten Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer an der Wurzel anpackt: Die Untersagung der Verbindung von On- mit Off-Facebook-Daten bewirkt eine Abmilderung der hier wirkenden Netzwerkeffekte (§ 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB), die Menge der wettbewerbsrelevanten Daten (§ 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB) wird verringert, und eine Übertragung der Marktmacht von Facebook.com auf die angrenzenden Märkte (das heißt einerseits die andere Marktseite, den Werbemarkt, aber auch benachbarte Märkte wie beispielsweise Videoplattformen und berufliche Netzwerke) wird erschwert. Wie der vorangehende Abschnitt1065 gezeigt hat, wäre das gleiche Ergebnis wohl auch mit einer strengeren Prüfung des Wettbewerbsbezugs und des Zusammenhangs zu erreichen gewesen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht dient die Entscheidung dazu, abzusichern, dass die Datenverarbeitung durch Facebook auf der Grundlage eines Erlaubnistatbestandes nach Art. 6 Abs. 1 lit. a, b oder f DS-GVO stattfindet.1066 Indem die Verknüpfung der On- mit den Off-Facebook-Daten aus Sicht des Bundeskartellamts für das Geschäftsmodell Facebooks nicht zwingend erforderlich ist und sich damit nicht jegliche Art von Datenverarbeitung jeglichen Ausmaßes rechtfertigen lässt,1067 kommt als möglicher Rechtfertigungsgrund nur eine – tatsächlich freiwillig erteilte1068 – Einwilligung in Betracht.1069 1065
§ 5.C.I.3. (S. 124 – 198). S. zur parallelen Beurteilung im Datenschutzrecht, Mackenrodt/Wiedemann, ZUM 2021, 89, 96 – 102. 1067 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 695, 744. 1068 Vgl. Ziffer 3 des Tenors der Entscheidung. 1069 Hierin zeigen sich aber auch deutlich die Grenzen eines – auch – in den Dienst des Datenschutzrechts gestellten Kartellrechts. Zwar besteht kein so stark spürbarer Antagonismus wie zwischen Kartell- und Regulierungsrecht mit einer ex-post-Betrachtung einzelner abge1066
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Damit bleibt es bei der Frage, was durch das Vorgehen des Bundeskartellamts gewonnen ist, ob mit anderen Worten die Datenschutzbehörden hier nicht ebenso effektiv hätten handeln können. Ein Blick auf Art. 58 Abs. 2 DS-GVO zeigt, dass letzteren eine Vielzahl an Abhilfebefugnissen zusteht, die von schlichten Warnungen (bei bloß drohenden Verstößen) bis zur Verhängung von Geldbußen reichen. Dabei scheint weniger die nach Art. 58 Abs. 2 lit. d DS-GVO mögliche Anweisung zur Ergreifung von bestimmten Maßnahmen, um Verarbeitungsprozesse in Einklang mit der Verordnung zu bringen, geeignet, den Tenor der Facebook-Entscheidung nachzubilden, denn bei fehlender Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung kann diese nicht in Einklang mit der DS-GVO gebracht werden1070. Denkbar ist jedoch nach lit. f eine Beschränkung der Verarbeitung, bis hin zum Verbot.1071 Dadurch könnte die Verarbeitung teilweise – nämlich im Hinblick auf die Verknüpfung – untersagt werden, sofern keine freiwillig erteilte ausdrückliche Einwilligung der Nutzer hierzu vorliegt. Den deutschen Datenschutzbehörden wäre es nach § 40 Abs. 5 BDSG erlaubt, „zur Erfüllung ihrer Aufgaben Grundstücke und Geschäftsräume der Stelle zu betreten und Zugang zu allen Datenverarbeitungsanlagen und -geräten zu erhalten“. Damit wäre auch eine dauerhafte Überwachung der tatsächlichen Einhaltung entsprechender Verpflichtungen möglich. Anordnungen von Datenschutzbehörden wären auch – anders als die des Bundeskartellamts (§ 185 Abs. 2 GWB)1072 – nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik beschränkt, sondern hätten Auswirkungen auf die Tätigkeit in der gesamten Union. Denn abweichend von Art. 55 Abs. 1 DS-GVO (Zuständigkeit jeder Aufsichtsbehörde im Hoheitsgebiet ihres eigenen Mitgliedstaates) ist bei grenzüberschreitender Datenverarbeitung nach Art. 56 Abs. 1 DSGVO (allein) die Aufsichtsbehörde der Hauptniederlassung oder der einzigen Niederlassung des Verantwortlichen zuständig für von diesem durchgeführte grenzüberschreitende Datenverarbeitung1073 (one stop shop-Prinzip).1074 schlossener Sachverhalte einerseits und einer ex-ante-Betrachtung und mitunter abstrakt-generellen Regelungen andererseits. Gleichwohl fällt es deutlich schwerer, den Wettbewerbsschutz als Schutzgut des Kartellrechts zu fassen, verglichen mit dem zum Schutz personenbezogener Daten bestimmten Datenschutzrecht. Das erschwert die Rechtsanwendung, soll das Kartellrecht nicht völlig entgrenzt werden. 1070 Körffer, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 58 DS-GVO, Rn. 20. Anders wohl Schwedler, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Innovation im Kartellrecht – Innovation des Kartellrechts, 2020, S. 57, 62. Auch Lohse, NZKart 2020, 292, 298, stellt auf lit. d und lit. f ab. 1071 Körffer, in: Paal/Pauly (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 58 DS-GVO, Rn. 20. Schwedler, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Innovation im Kartellrecht – Innovation des Kartellrechts, 2020, S. 57, 62. 1072 Anders Weitbrecht, NZKart 2020, 45, 46, der meint, das Bundeskartellamt erhalte durch sein Vorgehen de facto eine unionsweite Kompetenz. 1073 S. zum Begriff der „grenzüberschreitenden Verarbeitung“ Art. 4 Nr. 23 DS-GVO. 1074 Wolff, Durchsetzung des Datenschutzrechts, in: Schantz/Wolff (Hrsg.), Das neue Datenschutzrecht, 2017, S. 295, Rn. 1020 – 1023.
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Diese starke Stellung der Datenschutzbehörden findet, wie bereits an anderer Stelle gezeigt1075, freilich dann ihre Grenze, wenn die Behörden (etwa wegen schlechter finanzieller Ausstattung) nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, das Recht auch tatsächlich durchzusetzen. Die Untätigkeit wirkt sich wegen des Prinzips der federführenden Aufsichtsbehörde auch unionsweit aus. Dabei war es in der Vergangenheit für viele Unternehmen besonders attraktiv, in Irland die europäische Hauptniederlassung zu errichten, weil dort neben Steuerersparnissen auch eine besonders nachlässige Handhabung des Datenschutzrechts durch die Data Protection Commission praktiziert wurde.1076 Eine Entscheidung der Datenschutzbehörden, die ebenso schlagkräftig wie die des Bundeskartellamts wäre, wäre damit alles andere als sicher.1077 Die in der Verordnung vorgesehenen Möglichkeiten der Zuständigkeit weiterer Aufsichtsbehörden sind nicht geeignet, eine umfassende Anwendung der Verordnung bei einem Ausfall der federführenden Aufsichtsbehörde sicherzustellen, da diese Zuständigkeit nur bei lokal begrenzten Datenverarbeitungen eingreift.1078 5. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. 08. 2019 Im Eilverfahren vor dem OLG Düsseldorf war Facebook zunächst erfolgreich; das Gericht ordnete mit Beschluss vom 26. 08. 20191079 gemäß § 65 Abs. 3 S. 3, S. 1 Nr. 2 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde in der Hauptsache an. Die dazu erforderlichen „ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung“ beruhen auf drei Erwägungen des Gerichts. Dieses erkannte zum einen nicht die für einen Ausbeutungsmissbrauch erforderliche Ausbeutung der Nutzer. Zum zweiten konnte es keinen Zusammenhang (verstanden als Verhaltenskausalität) zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem Verhalten Facebooks erkennen. Schließlich fehlte ihm der Nachweis, dass durch das Verhalten Wettbewerber behindert würden. 1075
S. o. § 5.A.I.2. (S. 51 – 53). B. Wagner/Ruhmann, ZD-Aktuell 2019, 6546. Vgl. zu den Hintergründen auch Vinocur, One Country Blocks the World, Politico v. 24. 04. 2019, abrufbar unter: https://www.politico.eu/ interactive/ireland-blocks-the-world-on-data-privacy/. 1077 Vgl. auch den vorsichtigen Hinweis bei Europäische Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat. Datenschutz als Grundpfeiler der Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger und des Ansatzes der EU für den digitalen Wandel – zwei Jahre Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung, 24. 06. 2020, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/le gal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020DC0264&from=EN: „Da die größten multinationalen Technologieunternehmen in Irland und Luxemburg niedergelassen sind, fungieren die Datenschutzbehörden dieser Länder in vielen wichtigen grenzüberschreitenden Fällen als federführende Behörden und benötigen möglicherweise mehr Ressourcen, als die Bevölkerungszahl dieser Länder ansonsten vermuten ließe.“ 1078 Art. 56 Abs. 2 DS-GVO; s. o. § 5.A.III. (S. 64 f.). 1079 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495. 1076
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Wie auch hier vertreten, bemängelt das OLG außerdem die fehlenden Feststellungen zu einem Vergleichsmarkt, sodass eine Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht möglich sei1080 und die Argumentation sich allein auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB stütze. Zur Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV finden sich keine Ausführungen. a) Ausbeutung der Nutzer Das Gericht kann in dem Verhalten Facebooks keinen Wettbewerbsschaden erkennen, den es jedoch als erforderlich auch für die Variante des Ausbeutungsmissbrauchs ansieht.1081 So sei eine Ausbeutung nicht in der Hingabe der Daten als solcher zu sehen, da die Daten nicht-rival seien und damit keine wirtschaftliche Ausbeutung der Nutzer zu erkennen sei.1082 Diese Argumentation verkennt jedoch, dass im kontrafaktischen Szenario – bei unterstellter tatsächlicher Möglichkeit der Nutzer, in die Verknüpfung mit Off-Facebook-Daten nicht einzuwilligen – eine erheblich geringere Menge an Daten von Facebook verarbeitet werden könnte. Das unterstellt, geben die Nutzer sehr wohl mehr von dem Vermögensgegenstand „Daten“ her, als sie es bei einer datenschutzrechtskonformen – und damit auf Grundlage der Argumentation des Bundeskartellamts unterstellt kartellrechtskonformen – Datenverarbeitung würden.1083 Auch den vom Bundeskartellamt festgestellten Kontrollverlust der Nutzer will das OLG nicht gelten lassen. Ein solcher Kontrollverlust liege schon deshalb nicht vor, weil die Datenverarbeitung „mit Zustimmung des Facebook-Nutzers“ erfolge.1084 Dabei geht das OLG von einem verständigen und vollständig informierten Nutzer aus.1085 Das geht ersichtlich an der Realität der Facebook-Nutzer vorbei. Nach datenschutzrechtlichen Wertungen dürfte gerade keine wirksame Einwilligung an1080 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 496; vgl. Haus/Cesarano, NZKart 2019, 637, 639 f. 1081 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 496. 1082 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 496, 497. 1083 Bergmann/Modest, NZKart 2019, 531, 533; Haus/Cesarano, NZKart 2019, 637, 640. 1084 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 497. 1085 Vgl. etwa das Zitat „Die Abwägung kann der Nutzer unbeeinflusst und vollkommen autonom nach seinen persönlichen Präferenzen und Wertvorstellungen treffen. […] Unzureichend ist schließlich die pauschale Behauptung des Amtes, der private Facebook-Nutzer könne bei der Hingabe und Weitergabe persönlicher Daten nur schwer überblicken, welche Daten in welchem Ausmaß bei welchen Unternehmen erhoben und wohin sie weitergegeben werden und welche Tragweite eine Einwilligung in die Datenverarbeitung besitze.“, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 497 (nur teilweise abgedruckt; im Übrigen aus dem Beschlussumdruck S. 10 f.). Zustimmend Galle, BB 2019, 2514.
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zunehmen sein. Das Verhältnis zwischen Facebook und seinen Nutzern ist von einem Informations-, Motivations- und Machtgefälle geprägt. Das OLG diskutiert (insoweit konsequent) nicht, ob dieses Gefälle überhaupt vom Kartellrecht adressiert wird. Auch bei einem unterstellten Datenschutzverstoß will das OLG keinen Wettbewerbsschaden erkennen1086 ; es soll am Wettbewerbsbezug mangeln. Dabei setzt es Facebook in Kontrast zu den Entscheidungen VBL Gegenwert I und II und Pechstein. Bei diesen habe der BGH eine wettbewerbsschädliche Wirkung feststellen können, die in Facebook hingegen gefehlt habe.1087 So habe der Schaden in VBL Gegenwert I und II in einer Marktabschottung zum Nachteil der Wettbewerber der VBL bestanden, ebenso wie in einer unangemessenen Vertragsbindung der Kunden der VBL.1088 In Pechstein wiederum habe der BGH den Wettbewerbsschaden darin erkannt, dass die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin (wenn auch im Ergebnis gerechtfertigt) dadurch eingeschränkt worden sei, dass der Abschluss der Schiedsvereinbarung zur Voraussetzung für die Berufsausübung gemacht wurde. Einen gleichartigen Schaden für den Wettbewerb sieht das OLG in dem Verhalten Facebooks nicht. Dabei verkennt das OLG jedoch, dass vom gesetzlichen Leitbild des Ausbeutungsmissbrauchs ausgehend ein weites Verständnis des Wettbewerbsbezuges geboten ist1089 ; der Ausschluss nicht vom Missbrauchsverbot adressierter Fälle erfolgt vorrangig durch das Kriterium des Zusammenhangs. Davon ausgehend, ist es im Hinblick auf die Ausnutzung der Marktgegenseite ausreichend, dass sich das Wertverhältnis zwischen den Leistungen der beiden Seiten – hier die Datenhingabe der Nutzer einerseits und das Angebot „soziales Netzwerk“ andererseits – zu Ungunsten der Nutzerseite verschiebt. Eine solche Verschiebung des Wertverhältnisses folgt a priori aus der Verwendung datenschutzrechtswidriger Verarbeitungsbedingungen und kann daher nur unter besonderen Umständen abgelehnt werden. Wenn sich ein Verantwortlicher in seinen Datenverarbeitungsbedingungen eine Verarbeitung vorbehält, die über das gesetzlich zulässige Maß hinausgeht, so ist dies nämlich ein wesentliches Anzeichen dafür, dass das Wertverhältnis zugunsten des Verarbeiters verschoben wird. b) Zusammenhang Damit verschiebt sich auch in der Entscheidung des OLG der Schwerpunkt der Diskussion auf die Frage des Zusammenhangs. Das OLG arbeitet zunächst heraus, dass nach seiner Ansicht strenge Kausalität zwischen marktbeherrschender Stellung 1086 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 498 f. 1087 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 16 f. (nicht abgedruckt in der NZKart). 1088 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 16 (nicht abgedruckt in der NZKart). 1089 S. o. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). Ähnlich Haus/Cesarano, NZKart 2019, 637, 641.
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und missbräuchlichem Verhalten zu fordern ist,1090 um diese sodann als nicht gegeben anzusehen.1091 Das Gericht gelangt durch eine Auslegung anhand von Wortlaut und Sinn und Zweck sowohl für das deutsche als auch das europäische Missbrauchsverbot dazu, diese verlangten einen Zusammenhang, wobei für den Ausbeutungsmissbrauch sogar strenge Kausalität (Verhaltenskausalität) zu verlangen sei. Auch wenn der Forderung nach strenger Kausalität im Bereich des Ausbeutungsmissbrauchs im Ergebnis zuzustimmen ist,1092 so überzeugt die Argumentation des OLG nicht. Dieses meint: Die Ausbeutung eines Verbrauchers führt nicht deshalb zu einem für den Verbraucher ungünstigen Marktergebnis, weil das missbräuchliche Verhalten durch ein marktbeherrschendes Unternehmen praktiziert wird. Grund für eine Ausbeutung ist vielmehr, dass die vereinbarten Konditionen für den Verbraucher wegen ihres Inhalts nachteilig sind. Ob die Konditionen in einem solchen Fall von einem marktbeherrschenden Unternehmen oder einem den relevanten Markt nicht beherrschenden Unternehmen gesetzt werden, ist für die Belastung des Verbrauchers ohne jeden Belang. Diese Erkenntnis zwingt zu dem Schluss, dass der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Missbrauch und Marktbeherrschung im Bereich des Ausbeutungsmissbrauchs nicht mit dem Instrument der Ergebniskausalität begründet werden kann. Geeigneter Maßstab ist allein die Verhaltenskausalität […].1093
Diese Stelle muss man wohl so verstehen, dass für das Gericht die bloße Ausbeutung der Nutzer durch datenschutzrechtswidrige und sie damit benachteiligende Verarbeitungsbedingungen nicht von Belang sein soll; eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung folgt nach Ansicht des Gerichts erst daraus, dass der Wettbewerbsprozess beeinträchtigt wird und die Nutzer hierdurch geschädigt werden. Denn Schädigungen der Verbraucher, die nicht durch verringerten Wettbewerb verursacht sind, können nach Ansicht des OLG von marktbeherrschenden wie nicht-marktbeherrschenden Unternehmen gleichermaßen bewirkt werden.1094 Daher verlangt das OLG strenge Kausalität. Kartellrechtlich geschützt wären die Verbraucher demnach allein mittelbar. Damit befasst sich das Gericht erneut mit dem Wettbewerbsbezug, den es in der Entscheidung des Bundeskartellamts nicht zu erkennen vermag. Doch diese Ansicht engt, wie bereits gezeigt, den vom Gesetzgeber intendierten Anwendungsbereich des Ausbeutungsmissbrauchs unzulässig ein. Eine wettbewerbsvermittelte Ausbeutung der Nutzer, wie sie das OLG verlangt, könnte wohl allenfalls dann zu erkennen sein, wenn nachgewiesen würde, dass Facebook aufgrund der 1090 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 499. 1091 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 499 f. 1092 S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). 1093 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 20 (nicht abgedruckt in der NZKart; Nachweise ausgespart, Hervorhebung hinzugefügt). 1094 S. die hervorgehobene Stelle in der zuvor zitierten Passage.
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Datenverarbeitungsbedingungen seine Marktstellungen gegenüber seinen Wettbewerbern verbessern und diese dadurch aus dem Markt verdrängen könnte; dann dürfte in der verringerten Wahlfreiheit der Verbraucher im Hinblick auf soziale Netzwerke eine Ausbeutung liegen, die den Anforderungen des OLG genügte. Dadurch dass diese Ansicht jedoch eine Behinderung der Wettbewerber zur conditio sine qua non einer Ausbeutung der Marktgegenseite macht, macht das OLG die Variante des Ausbeutungsmissbrauchs letztlich obsolet. Wie bereits gezeigt, liegt der eigentliche Ursprung des Kausalitätserfordernisses beim Ausbeutungsmissbrauch an anderer Stelle: Das auf die Behebung von Monopolproblemen ausgerichtete kartellrechtliche Instrumentarium soll nur da zur Anwendung kommen, wo sich diese Monopolprobleme äußern, nicht hingegen bei Verhaltensweisen, die von marktbeherrschenden wie von nicht-marktbeherrschenden Unternehmen gleichermaßen praktiziert werden.1095 Deshalb ist dem OLG im Ergebnis zumindest insoweit zuzustimmen, als es eben diese Kausalität der marktbeherrschenden Stellung Facebooks für dessen Verhalten verlangt. Abzulehnen ist allerdings die enge Auslegung des Kausalitätskriteriums, die letztlich das OLG dazu veranlasst, Kausalität zu verneinen und das Akzeptieren der Nutzungsbedingungen als „das Ergebnis einer individuellen Abwägung der Nutzer“1096 zu verstehen. Zwar geht auch das OLG, im Gegensatz zum Bundeskartellamt, richtigerweise davon aus, dass die Frage der Kausalität nicht allein damit bejaht werden kann, dass der datenschutzrechtliche Verstoß auf wettbewerblichen Erwägungen beruht und damit nach einer rechtlichen Wertung die marktbeherrschende Stellung Voraussetzung für den Datenschutzrechtsverstoß ist. Denn hierdurch allein ist noch nicht festgestellt, dass das Akzeptieren der Nutzungsbedingungen durch die Facebook-Nutzer kausal durch die marktbeherrschende Stellung Facebooks verursacht wird.1097 Nach Ansicht des OLG beruht die Akzeptanz jedoch auch deshalb nicht auf der marktbeherrschenden Stellung, weil es sich vielmehr um eine autonome Entscheidung der Nutzer handele.1098 Das soll daraus folgen, dass die Nutzer nicht von Facebook abhängig seien. Außerdem entstehe auch keine Pfadabhängigkeit durch die Registrierung, da die Nutzer auch nach dieser ihre Daten noch beliebig teilen können. Schließlich seien die Angebote Facebooks auch keine „für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs notwendigen Güter“.1099 Diese Beschränkung des kar1095
S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 31 (nicht abgedruckt in der NZKart). 1097 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 26. Kritisch zur Auslegung des Kausalitätskriteriums durch das OLG auch Wolf, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 19 GWB, Rn. 34. 1098 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 499. 1099 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), Beschlussumdruck S. 28 f. (nicht abgedruckt in der NZKart). 1096
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tellrechtlichen Anwendungsbereichs auf solch existenzielle Güter ist mit der Systematik des Kartellrechts allerdings unvereinbar.1100 Würde sich diese Auslegung durchsetzen, so wäre die extreme Einengung des Anwendungsbereichs der kartellrechtlichen Vorschriften die Folge. Die Erklärung des OLG allein reicht sodann auch nicht aus, um zu begründen, dass bei den Nutzern keine Informationsdefizite vorliegen sollen.1101 So kann die Ursache für das Akzeptieren der nachteiligen Nutzungsbedingungen ebenso in der fehlenden Ausweichmöglichkeit der Nutzer und damit in der marktbeherrschenden Stellung Facebooks liegen.1102 c) Behinderung der Wettbewerber Das OLG sieht daneben auch die Behinderung der Wettbewerber Facebooks auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Zwecke als nicht erwiesen an.1103 Deren schwache Stellung beruhe vor allem auf der Wirkung der starken direkten Netzwerkeffekte. Dass daneben die von Facebook (datenschutzrechtswidrig) erhobenen Mehrdaten die Marktzutrittsschranken weiter erhöhten, hält das Gericht in dem Beschluss des Bundeskartellamts für nicht ausreichend dargelegt.1104 Daneben sieht es keine Gefahr der Marktmachtübertragung auf angrenzende Märkte.1105 Überhaupt sieht das Gericht die Verfügung des Bundeskartellamts insoweit als ungeeignet an, eine – unterstellte – Mitbewerberbehinderung abzustellen, denn diese würde durch den Umstand allein auch nicht behoben, dass die Nutzer wirksam in die Datenverarbeitung einwilligten.1106 Der zuletzt genannte Befund des OLG ist nur dann richtig, wenn man unterstellt, dass das Datenaufkommen auch dann das gleiche wäre, wenn die Nutzer vor eine 1100 Haus/Cesarano, NZKart 2019, 637, 642. Ähnlich auch Robertson, C.M.L.R. 57 (2020), 161, 181: „[O]ne might find that a user’s choice lies between setting up his or her own social network, e-mailing system or online search – or agreeing to extensive third-party tracking by the dominant service provider.“ 1101 Ähnlich Bergmann/Modest, NZKart 2019, 531, 534, die vertreten, dass das Akzeptieren der Nutzungsbedingungen darauf beruhe, dass die Nutzer bei einem Unternehmen „in derart herausragender Position“ eine datenschutzrechtskonforme Verarbeitung erwarten würden. S. zu diesem Effekt auch Blankertz, How competition impacts data privacy, September 2020, S. 26 – 28. Wie das OLG hingegen Volmar, NZKart 2020, 170, 173 f., der dieses Problem jedoch bereits im Rahmen der Marktbeherrschungsprüfung diskutieren will. 1102 S. o. § 5.C.I.3.c)dd)(3) (S. 174 – 175). 1103 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 500 f. 1104 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 500 f. 1105 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 500. 1106 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 501.
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tatsächliche Wahl gestellt würden, ob sie die Einwilligung in die Verknüpfung der Datenbestände erteilen. Die Annahme, dass ein großer Teil der Nutzer auch unter diesen Umständen noch die Einwilligung erteilen würde, erscheint jedoch fernliegend.1107 Auch die anderen Wertungen des OLG überzeugen nicht. Der 2017 neu eingeführte § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB gemahnt zu einer genauen Prüfung der wettbewerblichen Bedeutung von Daten, auf die das Unternehmen zugreifen kann. Dabei genügt der faktisch abgesicherte besondere Zugriff auf Daten, über den Wettbewerber nicht in gleichem Maße verfügen und die ein wesentlicher Vermögensgegenstand des Unternehmens sind.1108 Beides liegt bei den von Facebook erhobenen Mehrdaten auf der Hand. Eine gleichartige Verknüpfung über etliche Dienste hinweg (die Plattform Facebook selbst, zum Facebook-Konzern gehörende Dienste sowie die Angebote Dritter, die Facebook Business Tools verwenden) ist Wettbewerbern nicht möglich. Selbst Plattformen ähnlicher Größe – die aber von vornherein keine Wettbewerber Facebooks sind; etwa Google – mögen zwar ähnlich umfangreiche Datensammlungen anlegen, doch beruhen ihre gesammelten Daten auf einem gänzlich anderen Ausgangsdatenbestand, sodass sie nicht mit denen Facebooks austauschbar sind. Bei der Beurteilung der Behinderungswirkung darf jedoch auch nicht aus den Augen verloren werden, dass ein derartiger Datenbestand allein noch nicht ausreicht, aktuelle Wettbewerber vom Markt zu verdrängen und potenzielle Wettbewerber vom Marktzutritt abzuhalten. Daher ist das Facebook vorgeworfene Verhalten etwas Anderes als beispielsweise Kampfpreisstrategien, Ausschließlichkeitsbindungen oder Kopplungsstrategien. Jene etablierten Fallgruppen haben gemein, dass die Marktmacht als Hebel eingesetzt wird, um die Gesamtzahl derjenigen Kunden zu verringern, um welche Wettbewerber noch konkurrieren können. Die Erhebung von mehr Daten, als dies unter der Bedingung funktionierenden Wettbewerbs möglich wäre, ist, für sich betrachtet, damit nicht zu vergleichen. Allerdings muss in die Beurteilung der Behinderungswirkung auch die verstärkende Wirkung durch die spezielle Marktstruktur mit einfließen, die im Fall von Facebook durch direkte und indirekte Netzwerkeffekte, einen hohen Innovationsdruck und hohe Marktzutrittsschranken geprägt ist. Diese Strukturmerkmale verstärken sich teilweise gegenseitig. Ein Mehr an Nutzerdaten kann, richtig eingesetzt, hierbei einen erheblichen Vorsprung vor (potenziellen) Wettbewerbern bieten, sodass das Ergebnis der Strategie der „klassischen“ Behinderungspraktiken gleichkommen kann.
1107 1108
Bergmann/Modest, NZKart 2019, 531, 534 f.; Künstner, K&R 2019, 605, 610. S. o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(d) (S. 120 – 123).
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d) Zusammenfassende Beurteilung des Beschlusses des OLG Düsseldorf Das Bundeskartellamt hat – letztlich zu einem erheblichen Teil auf der Grundlage seiner theoretischen Vorarbeiten gemeinsam mit der Autorité de la concurrence1109 und der 9. GWB-Novelle – versucht, das kartellrechtliche Instrumentarium für neue theories of harm zu öffnen. Wenn auch das Bundeskartellamt diese Rechtsanwendung, wie gezeigt, teilweise ausufern lässt, so ist umgekehrt ebenso zu konstatieren, dass das OLG zu einer zu restriktiven Anwendung des Missbrauchsverbots gelangt.1110 Das zeigt sich darin, dass es an einer sehr engen Auslegung des Wettbewerbsbezugs beim Ausbeutungsmissbrauch festhält. Das Gericht erkennt zwar richtigerweise, dass man bei der Frage des Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten zwischen Ausbeutungs- und Behinderungsmissbräuchen unterscheiden muss. Letztlich legt es aber auch für die Kausalität einen zu strengen Maßstab an. Schließlich überzeugen auch die Ausführungen zur Behinderung der Wettbewerber nicht; hier unterschätzt das in traditionellen Kategorien verhaftete OLG die wettbewerbliche Bedeutung der Datenverarbeitungsvorgänge. 6. BGH, Beschluss vom 23. 06. 2020 Der BGH hob im Eilverfahren die Entscheidung des OLG Düsseldorf auf und lehnte den Antrag Facebooks auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ab.1111 Er gelangt zu diesem Ergebnis trotz des beschränkten Beurteilungsspielraums im Rechtsbeschwerdeverfahren, wonach nur eine Plausibilitätskontrolle vorzunehmen ist.1112 Der BGH befindet die Entscheidung des OLG für schlicht nicht mehr vertretbar.1113 Die Aufhebung trotz des eingeschränkten Maßstabes legt es nahe, dass der BGH auch im Hauptsacheverfahren im gleichen Sinne entscheiden wird.
1109 Autorité de la concurrence/Bundeskartellamt, Competition Law and Data, 10. 05. 2016, S. 22 – 25. 1110 Ebenso Bergmann/Modest, NZKart 2019, 535; Bunte, EWiR 2019, 575; Künstner, K&R 2019, 605; Steinvorth, WuW 2019, 528. Dem OLG hingegen zustimmend Galle, BB 2019, 2514. 1111 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473. 1112 § 65 Abs. 3 S. 3 i. V. m. S. 1 Nr. 2 GWB. S. hierzu ergänzend K. Schmidt, in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 76 GWB, Rn. 13 (Geltung des § 65 GWB auch im Rechtsbeschwerdeverfahren kraft Sachzusammenhang). 1113 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 474 (Rn. 12).
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a) Marktabgrenzung und marktbeherrschende Stellung Auch wenn der Teil der Entscheidung zur Marktabgrenzung und zur Marktstellung Facebooks relativ großen Raum einnimmt, werden die Ausführungen des Bundeskartellamts bestätigt. Für die Annahme eines Marktes trotz unentgeltlicher Leistung (§ 18 Abs. 2a GWB) legt der BGH einen weiten Maßstab an. Demnach ist die gesamte weitere Geschäftstätigkeit des unentgeltlich handelnden Unternehmens zu betrachten. Wenn die unentgeltliche Leistung demnach Teil einer weiter zu fassenden auf Erwerbszwecke angelegten Geschäftstätigkeit ist, so liegt auch ein Markt im kartellrechtlichen Sinne vor.1114 Die verschiedenen Marktseiten seien getrennt zu betrachten. Eine einheitliche Marktabgrenzung sei nur möglich bei einem einheitlichen Bedarf der verschiedenen Marktseiten.1115 Die eigentliche Marktabgrenzung erfolgt erwartbar eng. Einschlägig ist demnach – wie schon vom Bundeskartellamt angenommen – der Markt für soziale Netzwerke für private Zwecke. Richtigerweise positioniert sich der BGH gegen einen Markt für die Aufmerksamkeit der Nutzer.1116 Die Annahme eines derartigen Marktes würde dem Bedarfsmarktkonzept widersprechen. Denn der Bedarf der Marktgegenseite, das heißt der privaten Nutzer, ist nicht darauf ausgerichtet, unspezifisch Aufmerksamkeit aufzuwenden. Deren Interesse ist vielmehr darauf gerichtet, ihr Bedürfnis nach sozialer Interaktion, über ein soziales Netzwerk vermittelt, zu stillen. Dementsprechend ist auch die Annahme richtig, dass andere soziale Medien (beispielsweise Berufsnetzwerke und Jobbörsen, Messaging-Dienste sowie Video-Plattformen) nicht zum selben Markt gehören,1117 wenngleich es sich um benachbarte Märkte handelt. Räumlich sei der Markt regional abzugrenzen.1118 Auch die Feststellung, dass Facebook auf dem dergestalt abgegrenzten Markt beherrschend ist, ist gut begründet. Richtigerweise geht der BGH davon aus, dass es ausreicht, Marktbeherrschung auf einer der Marktseiten festzustellen. Die Wettbewerbsverhältnisse auf der anderen Marktseite seien insoweit irrelevant. Die Wirkung 1114
BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 28 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). So auch Franck/Peitz, Market Definition and Market Power in the Platform Economy, Mai 2019, S. 54. 1115 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 31 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1116 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 22 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1117 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 25 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1118 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 475 (Rn. 33 – 35, nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck).
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der indirekten Netzwerkeffekte schließe nämlich das Bestehen unkontrollierter Verhaltensspielräume auf der Nutzerseite nicht aus, sondern bilde umgekehrt sogar vielmehr einen Anreiz, diese Spielräume auszunutzen, um die Marktstellung auf der anderen Marktseite zu verbessern.1119 Der einschlägige Wert für die Bestimmung des Marktanteils ist nach Ansicht des BGH die Zahl der täglichen aktiven Nutzer. Der nach diesen Maßstäben berechnete Marktanteil ist beträchtlich.1120 Die starken direkten Netzwerkeffekte sorgten außerdem für ein schwach ausgeprägtes MultiHoming der Nutzer.1121 Auch der Substitutionswettbewerb von den benachbarten Märkten sei nicht ausreichend, um spürbaren Wettbewerbsdruck auf Facebook auszuüben.1122 b) Missbrauch Der BGH bewertet das durch das Bundeskartellamt festgestellte Verhalten Facebooks als missbräuchlich. Die rechtliche Begründung fällt allerdings anders aus, denn zum einen berücksichtigt er die datenschutzrechtliche Bewertung des Verhaltens nicht in gleichem Maße wie das Bundeskartellamt, zum anderen betont er, anders als dieses, stärker die behindernde Wirkung und weniger die Ausbeutung der Nutzer.1123 aa) Ausbeutungs- und Behinderungswirkung Auch nach Auffassung des BGH beutet Facebook seine Nutzer durch die streitgegenständliche Datenverarbeitung aus. Ebenso schwerwiegend scheint jedoch zu sein, dass hierauf eine Behinderung der Wettbewerber beruht.1124 Die Wettbewerber behindernde Wirkung stellt sich demnach auf zwei Märkten ein. Zum einen ist der Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer betroffen.1125 Bereits nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wird dieser quasi-monopolistisch von Face-
1119
BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 475 (Rn. 42 f.). 1120 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 475 (Rn. 38 f.). 1121 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 48 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1122 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 476 (Rn. 49; nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck). 1123 Podszun, GRUR 2020, 1268, 1270. 1124 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 477, 481 (Rn. 64, 94 f., 120; nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck). 1125 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 94 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck).
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book beherrscht.1126 Zum anderen werden auch die Wettbewerber auf dem Markt für Online-Werbung behindert.1127 Die enge Verknüpfung beider Wirkungen beruht auf der Reaktionsverbundenheit der verschiedenen Marktseiten, welche aus den indirekten Netzwerkeffekten herrührt.1128 bb) Wettbewerbsbezug Der (wie auch in der vorliegenden Arbeit vertreten1129) erforderliche Wettbewerbsbezug ergibt sich für den BGH daraus, dass unter Wettbewerbsbedingungen ein Angebot auf dem relevanten Markt entstehen würde, das die Nutzerpräferenzen besser berücksichtigen würde.1130 Die vom BGH gewählte Begründung erweist sich jedoch als problematisch. Er versteht nämlich funktionierenden Wettbewerb vor allem als einen solchen ohne die „sich aus dem Lock-in-Effekt […] ergebenden Wechselhürden“.1131 Der lock inEffekt und die sich aus ihm ergebenden Wechselhürden sind allerdings keine Folge der Facebook vorgeworfenen Datenverarbeitung. Sie sind vielmehr dem von Facebook gewählten Geschäftsmodell eines sozialen Netzwerks für private Zwecke immanent. Als solche sind sie daher aber, ebenso wenig wie das Geschäftsmodell, illegitim. An der zitierten Stelle nimmt der BGH diese Differenzierung nicht vor, da er wirksamen Wettbewerb mit der Abwesenheit von lock in-Effekten gleichsetzt. Dass der BGH nicht in der gebotenen Weise zwischen diesen beiden Ebenen unterscheidet, zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass er an der soeben zitierten Stelle für den Begriff der lock in-Effekte auf Rn. 44 seiner Entscheidung verweist. Dort – in dem Abschnitt des Urteils zur Marktstellung von Facebook – stellt der BGH jedoch lediglich das Bestehen von indirekten Netzwerkeffekten auf dem relevanten Markt (als Faktor der Marktmacht) fest und beschreibt deren Wirkung. Dies stellt jedoch keinen Konnex her zwischen den indirekten Netzwerkeffekten, dem vorgeworfenen Verhalten und den Auswirkungen auf den Wettbewerb. Selbstredend verstärkt das Verhalten Facebooks die indirekten Netzwerkeffekte. Auch nutzt Facebook die indirekten Netzwerkeffekte aus, indem es die Bedingungen 1126
BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 392. BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 94, 96 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). In Rn. 96 lässt der BGH die genaue Abgrenzung dieses Marktes offen, vgl. stattdessen BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 358 – 360. 1128 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 93 f. (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck); Podszun, GRUR 2020, 1268, 1270 f. 1129 S. o. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). 1130 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 479 (Rn. 86). 1131 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 479 (Rn. 86). 1127
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der Datenverarbeitung diktiert. Das hat jedoch mit der Überlegung des BGH nichts zu tun, denn selbst bei Abwesenheit des vorgeworfenen Verhaltens – das heißt, wenn Facebook seinen Nutzern ein (zusätzliches) Modell anböte, das auf die Verknüpfung der On- mit den Off-Facebook-Daten verzichtete – würde dies nicht zur Beseitigung der lock in-Effekte, sondern allenfalls der Relativierung der Wirkung dieser Effekte führen. Wenn es dem BGH an der zitierten Stelle nicht gelingt, das inkriminierte Verhalten deutlich von den lock in-Effekten und der damit verbundenen Marktstellung Facebooks zu unterscheiden, wird daraus letztlich ein Vorwurf an Facebook wegen seines Geschäftsmodells und seiner marktbeherrschenden Stellung, die jedoch beide gleichermaßen legitim und als solche nicht mit Mitteln der Missbrauchsaufsicht angreifbar sind. Demgegenüber stellt der BGH in erfreulicher Klarheit dar, auf welche Weise Facebook seine Wettbewerber behindert, aus der dann auch die eigentliche – illegitime – Wirkung auf den Wettbewerb folgt. Es ist nämlich zunächst so, dass die unmittelbaren Wirkungen des Verhaltens von Facebook auf der Marktseite der privaten Nutzer in Form deren Ausbeutung eintreten. Den Nutzern wird ein Leistungsinhalt aufgedrängt, nämlich die Verknüpfung ihrer On- und Off-FacebookDaten, den sie möglicherweise nicht wählen würden, gäbe es wirksamen Wettbewerb und damit ausreichende Wahlmöglichkeiten.1132 Nach Ansicht des BGH muss Facebook demnach seinen privaten Nutzern (mindestens) zwei verschiedene Optionen anbieten: Einmal ein Angebot mit umfassender Verknüpfung der On- und OffFacebook-Daten mit entsprechend umfangreicherem Funktionsumfang und zum anderen ein eingeschränkteres Angebot, das allein die auf Facebook.com erhobenen (also nur der On-Facebook-)Daten verwendet.1133 Durch die wegen der Ausgestaltung des Geschäftsmodells zusätzlich erhobenen Daten, über die Facebook bei wirksamem Wettbewerb nicht verfügen würde, werden aktuelle und potenzielle Wettbewerber auf dem Markt für soziale Netzwerke für private Zwecke noch über die Wirkung der (als solche legitimen) direkten Netzwerkeffekte hinaus behindert.1134 Gleichzeitig behindert Facebook aufgrund der indirekten Netzwerkeffekte1135 auch seine Wettbewerber auf einem weiteren Drittmarkt, nämlich auf dem Markt für Onlinewerbung.1136 1132 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 476 f. (Rn. 58). 1133 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 476 f. (Rn. 58). 1134 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 94 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1135 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 93 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1136 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 94, 96 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck); Haus/Cesarano, NZKart 2020, 521, 524.
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Richtigerweise erkennt der BGH eine (von Facebook behauptete) Marktüblichkeit des Verhaltens nicht als Rechtfertigungsgrund an. Aus der Marktüblichkeit ließen sich keine Rückschlüsse auf die Marktbedingungen bei hypothetischem Wettbewerb ziehen.1137 Vielmehr ist es nach der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Auffassung sogar richtig, aus der Nachahmung durch Konkurrenten auf die Missbräuchlichkeit zu schließen.1138 Denn gerade daraus, dass sich weitere Unternehmen dem Verhalten anschließen, ergibt sich, dass dessen Wirkung über ein einzelnes konkretes Rechtsverhältnis (nämlich das zwischen privatem Nutzer und Plattform) hinaus Wirkung zeitigt. Als genauso irrelevant erkennt der BGH richtigerweise schließlich auch die Unentgeltlichkeit des Angebots von Facebook gegenüber seinen privaten Nutzern. Denn die erhobenen Daten sind eine wirtschaftlich wertvolle Leistung der Nutzer, die der Monetarisierung in anderen Rechtsverhältnissen und damit letztlich der Quersubventionierung des unentgeltlichen Angebots dient.1139 cc) Zusammenhang Der BGH lässt normative Kausalität im Sinne eines Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und Missbrauch genügen.1140 Die Begründung überzeugt jedoch nicht. Der BGH begründet die nicht durch ein strenges Kausalitätserfordernis eingeschränkte Anwendung des Missbrauchstatbestandes damit, dass die marktbeherrschende Stellung einerseits und die Verwendung missbräuchlicher Konditionen andererseits einander begünstigen: Insbesondere in Fällen, in denen die Verwendung bestimmter – nach den allgemeinen Maßstäben der Rechtsordnung zulässiger oder unzulässiger – Vertragskonditionen geeignet ist, die marktbeherrschende Stellung abzusichern oder zu vergrößern, rechtfertigt die Auswirkung der durchsetzbaren Konditionen vorbehaltlich der Interessenabwägung im Einzelfall die grundsätzliche Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle.1141
Dazu kommt für den BGH, dass Facebook durch sein Verhalten nicht nur die privaten Nutzer ausbeutet, sondern gleichzeitig seine Wettbewerber behindert.1142 1137 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 88 – 90 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1138 S. o. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). 1139 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 477, (Rn. 61 f.; nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck). 1140 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 478 (Rn. 71 f.). 1141 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 478 (Rn. 75). 1142 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 478 f. (Rn. 77, 80); Grewe, K&R 2020, 692, 694.
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Das ist insoweit richtig, als es sich bei dem festgestellten Verhalten Facebooks nicht um eine bloße Ausbeutung der Nutzer handelt, die tatsächlich des Nachweises strenger Kausalität bedürfte.1143 Umgekehrt bedeuten die Ausführungen des BGH jedoch auch, dass es nach wie vor unklar ist, welche Anforderungen in Konstellationen gelten sollen, in denen lediglich eine Ausbeutung ohne ein zusätzliches behinderndes Moment nachweisbar ist.1144 dd) Interessenabwägung Zuletzt nimmt der BGH eine umfassende und detaillierte Interessenabwägung vor. Vor allem die Ausführungen zur Ausstrahlungswirkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Privatrechtsverhältnis zwischen Facebook und seinen privaten Nutzern fallen deutlich aus. Der erste – und zwar „gegebenenfalls ausschlaggebend[e]“ – Faktor ist die Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung.1145 Das ist insoweit überraschend1146, als an anderen Stellen der Entscheidung die Bedeutung des Rechtsbruchs für die Frage des Missbrauchs relativiert wird.1147 Der BGH prüft die Erlaubnistatbestände der DS-GVO ausführlich und kommt, wie das Bundeskartellamt, zu dem Ergebnis, dass keiner der Tatbestände einschlägig ist.1148 Auch wenn hier offensichtlich wird, dass dem Rechtsbruch für die Frage des Missbrauchs große Bedeutung zukommen soll1149, so ist er doch nicht das allein entscheidende Kriterium.1150 1143
S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). Mohr, WuW 2020, 506, 510. A. A. Podszun, GRUR 2020, 1268, 1275 (entweder Verhaltenskausalität oder Ergebniskausalität mit zusätzlicher Behinderungswirkung erforderlich). 1145 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 480 (Rn. 99). 1146 Ebenso Grewe, K&R 2020, 691, 694. 1147 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 477 (Rn. 64): „Ebenso wenig wie die Verwendung von nach Wertungen der Rechtsordnung unzulässigen Vertragskonditionen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen indiziert allerdings die durch Vertragsbedingungen aufgedrängte Erweiterung des Leistungsumfangs schon als solche eine Gefährdung der Schutzgüter des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.“ Ebenso ebd., Rn. 75: „Insbesondere in Fällen, in denen die Verwendung bestimmter – nach den allgemeinen Maßstäben der Rechtsordnung zulässiger oder unzulässiger – Vertragskonditionen geeignet ist, die marktbeherrschende Stellung abzusichern oder zu vergrößern, rechtfertigt die Auswirkung der durchsetzbaren Konditionen vorbehaltlich der Interessenabwägung im Einzelfall die grundsätzliche Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle.“ 1148 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 480 f., (Rn. 106 – 119; nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck). 1149 Buchner, WRP 2020, 1401, 1402 f.; Lettl, WRP 2020, 1391, 1396 f. 1150 A. A. Grewe, K&R 2020, 691, 694: „Insofern dürfte das Datenschutzrecht, das eine das hier relevante Recht auf informationelle Selbstbestimmung betreffende Interessenabwägung 1144
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Auffallend knapp sind die Ausführungen in der Interessenabwägung über die Behinderungswirkung durch das Verhalten Facebooks.1151 Auch hierdurch wird deutlich, dass die Ausbeutungswirkung nach wie vor eine wesentliche Bedeutung für die Beurteilung hat. So stellt der BGH zum einen den Zugang zu Facebook als entscheidend für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dar.1152 Dabei stellt er die „Bedeutung für den öffentlichen Diskurs in politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen“1153 heraus.1154 Zum anderen leitet der BGH auch ein Argument aus der Grundrechtsbindung Privater1155 in Verbindung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung1156 ab.1157 Die Deutlichkeit dieser Ausführungen zur Grundrechtsbindung Privater ist neu für den BGH und geht noch einmal über die Interessenabwägung in der Entscheidung Pechstein1158 hinaus.1159
gewissermaßen strukturiert, die kartellrechtliche Interessenabwägung maßgeblich determinieren.“ 1151 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 481 (Rn. 120). 1152 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 480 (Rn. 102). 1153 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 481 (Rn. 124). 1154 Prägnant Podszun, GRUR 2020, 1268, 1273: „Während das Kartellrecht traditionell nur die wirtschaftliche Bedeutung eines Unternehmens in den Blick nimmt, ergänzt der Kartellsenat hier die gesellschaftliche Bedeutung […] Facebook steht nicht nur als Marktbeherrscher in der Verantwortung, sondern auch als gesellschaftlich höchst relevanter Kommunikationsdienstleister.“ 1155 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, Rn. 105 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck): „Je nach den Umständen, insbesondere wenn private Unternehmen – wie hier – in eine dominante Position rücken und die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen, kann die Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates im Ergebnis vielmehr nahe- oder auch gleichkommen.“ Die Formulierung, dass die Grundrechtsbindung Privater derjenigen des Staates „nahe- oder auch gleichkommen“ könne, stammt aus der Entscheidung BVerfG, Urt. v. 22. 02. 2011, Fraport, Az. 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226, 249. Mit generell einem zurückhaltenderen Verständnis der Stelle in der BGH-Entscheidung hingegen wohl Lepsius, WuW 2020, 566, 567 f.: „Der BGH wählt vielmehr einen kartellrechtsimmanenten Ansatz, der die grundrechtlichen Belange nicht über die Normhierarchie der Grundrechte gegenüber dem einfachen Privatrecht berücksichtigt, sondern sie als Teil einer kartellrechtlichen Interessenabwägung bei der Missbrauchskontrolle einführt.“ 1156 Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. 1157 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 480, (Rn. 103 – 105; nur teilweise abgedruckt in der NZKart, im Übrigen bezieht sich die Angabe auf den Beschlussumdruck). Kritisch Louven, CR 2021, 36, 39, der eher die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankerte negative Abschlussfreiheit für einschlägig erachtet. 1158 BGH, Urt. v. 07. 06. 2016, Pechstein, Az. KZR 6/15, BGHZ 210, 292, 311 – 319 (Rn. 51 – 66). 1159 S. zur Grundrechtsbindung sozialer Netzwerke im Besonderen Reinhard/Yazicioglu, in: Taeger (Hrsg.), Den Wandel begleiten, 2020, S. 819, passim.
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Schließlich stellt der BGH auch noch den Grad der Marktbeherrschung sowie die gegebenen Marktstrukturen in die Abwägung ein, sodass in der Gesamtschau das Interesse Facebooks zurücktritt.1160 Das Interesse Facebooks wird dabei darauf reduziert, „sein Leistungsangebot nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.“1161 Dass darüber hinaus noch weitere legitime, insbesondere wirtschaftliche, Interessen Facebooks bestehen könnten, blendet der BGH hingegen aus. c) Konsequenzen der Entscheidung und abschließende Bewertung Auch die Schlussfolgerung akzentuiert der BGH anders als das Bundeskartellamt, nämlich wieder deutlicher losgelöst von datenschutzrechtlichen Kategorien. In der Tenorierung des Bundeskartellamts wurde die Verwendung und Durchführung der Nutzungsbedingungen noch untersagt, solange keine wirksame, das heißt vor allem freiwillige, Einwilligung der privaten Nutzer hierin vorliegt.1162 Entsprechend seinen vorangegangenen Ausführungen formuliert der BGH auch die Schlussfolgerung aus seiner Beurteilung unter § 19 Abs. 1 GWB anders, wenngleich sich, wie auch bei der materiellen Begründung des Missbrauchs, keine Änderungen in der Substanz ergeben. Wie auch in der Begründung, geht es dem BGH vor allem um die Erhaltung der Wahlfreiheit der Nutzer:1163 [Facebook] darf dies [scil. seinen privaten Nutzern ein „personalisiertes Erlebnis“ anbieten] angesichts seiner ausgeprägten marktbeherrschenden Stellung jedoch keinesfalls tun, ohne seinen Nutzern die Wahl zwischen einem solchen Leistungsangebot und einem Leistungsangebot zu lassen, das auf die Erfassung und Verarbeitung von Daten verzichtet, die durch die Internetnutzung außerhalb von Facebook generiert worden sind und in deren Übermittlung an Facebook der Nutzer nicht ausdrücklich eingewilligt hat.1164
Abschließend und nur kurz geht der BGH noch auf die Zuständigkeit des Bundeskartellamts ein. Da die DS-GVO nicht abschließend sei, sei das Bundeskartellamt nicht an der ausgesprochenen Untersagungsverfügung gehindert.1165 Der BGH zeigt mit dieser Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz einerseits, dass das Instrument der Missbrauchsaufsicht über die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB ein großes Maß an Flexibilität bietet, um auch atypische Fälle wie den 1160 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 481 (Rn. 121). 1161 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 481 (Rn. 121). 1162 BKartA, Beschl. v. 06. 02. 2019, Facebook, Az. B6 – 22/16, Rn. 917 – 949 sowie Tenor, Ziffern 1 – 4. 1163 Zustimmend zum Ansatz der Entscheidung, vor allem die Verbrauchersouveränität ins Zentrum zu stellen, Podszun, GRUR 2020, 1268, 1273. 1164 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 481 (Rn. 121). Zur (fehlenden) Wahlmöglichkeit der Nutzer s. auch ebd., Rn. 58. 1165 BGH, Beschl. v. 23. 06. 2020, Facebook I, Az. KVR 69/19, NZKart 2020, 473, 482 (Rn. 126).
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Konditionenmissbrauch auf Digitalmärkten zu erfassen. Die gewonnene Flexibilität bringt es als Kehrseite allerdings auch mit sich, dass Rechtssicherheit zu einem gewissen Grad verloren geht. Die Entscheidung ist erkennbar von dem Willen getragen, den Beschluss des Bundeskartellamts aufrechtzuerhalten, wobei sich der BGH mit der Begründung des Bundeskartellamts jedoch schwertut.1166 Diese wird daher weitgehend ausgetauscht, wodurch die eigentliche Rolle des Rechtsbruchs – der zentrales Begründungselement für das Bundeskartellamt war – letzten Endes nicht klar wird. Da dies lediglich eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz ist – es aufgrund der deutlichen Sprache des Beschlusses aber auch schwer vorstellbar ist, dass der BGH von seiner Würdigung noch einmal abrücken wird –, wäre es für die Entscheidung in der Hauptsache wünschenswert, dass vor allem die Interessenabwägung nachgeschärft wird: Die Rolle und das Gewicht des Rechtsbruchs bedürfen der Klarstellung; ebenso fehlt in dem vorliegenden Beschluss eine umfassende Würdigung der Interessen Facebooks, sodass die Abwägung gezwungenermaßen einseitig ausfällt. 7. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. 03. 2021 Das OLG Düsseldorf hat nunmehr im Hauptsacheverfahren mehrere Fragen zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt.1167 Die Vorlagefragen beziehen sich dabei allesamt auf die Auslegung der DS-GVO. Erkennbar legt das OLG hierbei die Missbrauchstheorie des Amtes zugrunde, die auf einem Verstoß gegen die DS-GVO fußt. Die Fragen 1, 6 und 7 haben insoweit einen kartellrechtlichen Bezug, als in Frage 1 danach gefragt wird, ob es mit Art. 51 ff. DS-GVO zu vereinbaren sei, wenn eine mitgliedstaatliche Kartellbehörde einen Verstoß „gegen die DS-GVO feststellt“, Frage 6 klären soll, ob eine freiwillige Einwilligung auch gegenüber einem marktbeherrschenden Unternehmen erklärt werden kann, und Frage 7 sich schließlich darum dreht, ob nationale Kartellbehörden inzident einen Verstoß gegen Datenschutzrecht prüfen dürfen. Die Fragen 2 bis 5 hingegen betreffen allesamt rein datenschutzrechtliche Fragestellungen. Der Missbrauchstheorie des BGH schließt sich das OLG Düsseldorf deshalb nicht an, weil nach seiner Auffassung die vom BGH angenommene Behinderungseignung nicht in dem Beschluss des Bundeskartellamtes festgestellt worden sei.1168
1166
Bechtold, NZKart 2021, 3, 4. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 03. 2021, Facebook III, Az. VI-Kart 2/19 (V), NZKart 2021, 306. Beim EuGH handelt es sich um Rs. C-252/21. 1168 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 03. 2021, Facebook III, Az. VI-Kart 2/19 (V), Rn. 69 – 73 (nicht abgedruckt in der NZKart, die Angabe bezieht sich auf den Beschlussumdruck). 1167
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8. Ergebnis zum Datenschutzrecht in der Missbrauchsaufsicht und rechtspolitischer Vorschlag a) Die Berücksichtigung des Datenschutzrechts im Missbrauchsverbot de lege lata In Abschnitt § 5.C.I.1169 wurde die Relevanz eines datenschutzrechtlichen Verstoßes für die Prüfung des kartellrechtlichen Ausbeutungsmissbrauchs dargestellt. Die Ratio des Missbrauchsverbots (die Offenhaltung des Wettbewerbs; speziell in der Fallgruppe des Ausbeutungsmissbrauchs auch die Korrektur von durch Marktmacht vermittelten unerwünschten Marktentwicklungen) dient als Einfassung dieses Tatbestands, was als notwendige Beschränkung des Ausbeutungsmissbrauchs mit sich bringt, dass diese Marktergebniskontrolle nur als letztes Mittel nach Eingriffen in die Marktstruktur dienen kann.1170 Der Ausbeutungs- beziehungsweise Konditionenmissbrauch ist die in Frage kommende Fallgruppe, um einen (Datenschutz-)Rechtsbruch im Rahmen des Missbrauchsverbots zu bewerten, wobei auch Aspekte der Mitbewerberbehinderung zu berücksichtigen sind. Dabei hat die Untersuchung der deutschen und europäischen Entscheidungspraxis ergeben, dass der Maßstab ein doppelter sein kann, nämlich zum einen die Bewertung anhand der Generalklausel von Art. 102 UAbs. 1 AEUV, § 19 Abs. 1 GWB (normative Betrachtung), zum anderen die Wettbewerbsanalogie, die in § 19 Abs. 2 Nr. 2 HS 2 GWB normiert ist, aber ebenso im europäischen Kartellrecht gilt. Wendet man sich den einzelnen Tatbestandsmerkmalen dieser beiden Fallgruppen zu, zeigt sich, dass der (Datenschutz-)Rechtsbruch zwar unter das Missbrauchsverbot fällt, mit dieser Figur jedoch nicht alle datenschutzrechtswidrigen Praktiken erfasst sind. Die erste Hürde ist der Begriff der „Geschäftsbedingungen“, mit dem sämtliche Praktiken vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, die gegenüber Dritten geschehen, mit denen keine Geschäftsverbindung besteht.1171 Die Variante der Wettbewerbsanalogie stützt sich auf das Vergleichsmarktkonzept. Bei der Konditionenkontrolle hat sie in der Entscheidungspraxis bisher keine Bedeutung erlangt, mit Ausnahme der Favorit-Entscheidung des BGH. Die geringe Bedeutung dürfte daran liegen, dass ein räumlicher Vergleichsmarkt schwer zu finden ist. Die Anwendung des sachlichen Vergleichsmarktkonzepts ist hingegen denkbar; das zeitliche Vergleichsmarktkonzept hat den Vorteil, dass es bei der Bestimmung des Zusammenhangs eine wertvolle Vorarbeit leisten kann. Bei der Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts sind in jedem Fall aber die geltenden (Datenschutz-)Normen nicht als Untermaß der Missbrauchsprüfung anzusehen, da es
1169 1170 1171
S. 76 – 251. S. o. § 5.C.I.3.a) (S. 125 – 130). S. o. § 5.C.I.3.b)aa) (S. 131 f.).
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allein auf einen tatsächlichen Vergleich der Bedingungen auf dem betrachteten Markt und auf dem Vergleichsmarkt abstellt.1172 Die normative Bewertung anhand der Generalklausel ist in der europäischen und deutschen Rechtsprechung der bevorzugte Prüfungsmaßstab. Auch wenn die Formulierungen der Gerichte unterschiedlich sind, besteht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass eine Interessenabwägung im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgebots zu erfolgen hat. Dabei kommt in beiden Rechtskreisen gesetzgeberischen Wertungen eine bedeutende Rolle zu.1173 Eine wichtige Einschränkung des Anwendungsbereichs des Missbrauchsverbots folgt aus dem Erfordernis eines Wettbewerbsbezugs, welcher nach der hier vertretenen Ansicht den Nachweis nachteiliger Auswirkungen auf den Wettbewerb voraussetzt. Dafür genügt eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Marktgegenseite, die sich insbesondere aus einer für sie nachteiligen Verschiebung des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ergeben kann.1174 Die wesentliche Einschränkung folgt aus dem Erfordernis eines Zusammenhangs. Bereits im Wortlaut des Missbrauchsverbots ist der erforderliche Nachweis des Zusammenhangs zwischen marktbeherrschender Stellung und missbräuchlichem Verhalten angelegt, wobei sich dieses Problem jedoch erstmals in voller Schärfe bei der Fallgruppe des Missbrauchs durch Rechtsbruch stellt, weil hier auch Alternativszenarien denkbar sind, bei denen gerade nicht die marktbeherrschende Stellung zu dem Verhalten geführt hat. Grundsätzlich genügt nach dem hier vertretenen Ansatz ein Zusammenhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und den nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb (Ergebniskausalität). In der Fallgruppe des Missbrauchs durch Rechtsbruch gibt es freilich eine Besonderheit insoweit, als hier missbräuchliches Verhalten und Auswirkungen auf den Wettbewerb in demselben Verhalten zusammentreffen. Daher bedarf es ausnahmsweise des Nachweises einer strengen Kausalität.1175 Der Nachweis der Kausalität kann in der Praxis schwerfallen. Denkbar ist es aber, ihn durch den Ausschluss möglicher Alternativszenarien zu führen, indem gezeigt wird, dass insbesondere (erhebliche) Informationsasymmetrien nicht bestehen. Die erforderliche Kausalität zeigt sich auch dann, wenn es an Ausweichmöglichkeiten für Verbraucher mangelt oder der Marktbeherrscher vermittels seiner Marktführerschaft die Bedingungen für die Datenverarbeitung auf dem gesamten Markt faktisch diktiert.1176 Als letzter Problemkreis wurden mögliche Parallelzuständigkeiten von Datenschutz- und Kartellbehörden behandelt. Dazu wurde der (durch die Rechtsprechung 1172 1173 1174 1175 1176
S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(1) (S. 133 – 139). S. o. § 5.C.I.3.b)bb)(2) (S. 139 – 147). S. o. § 5.C.I.3.b)cc)(2)(c) (S. 155 – 159). S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). S. o. § 5.C.I.3.c)dd) (S. 170 – 175).
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breit gefächerte) Inhalt des Doppelbestrafungsverbots dargestellt. Die Rechtsprechung von EGMR einerseits und von EuGH und BGH andererseits dürfte für die hier besprochene Konstellation zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen bei der Frage der Identität der Tat. Der EGMR dürfte nach seiner bisherigen Rechtsprechung, die bloße Sachverhaltsidentität genügen lässt, dazu gelangen, dass doppelte Ermittlungen durch beide Behörden verboten sind. EuGH und BGH verlangen hingegen eine „Beurteilung nach den gleichen Gesichtspunkten“, die bei Datenschutz- und Kartellrecht nicht gegeben sein dürften. Daher dürfte mit dieser Sichtweise das Eingreifen des Doppelbestrafungsverbots zu verneinen sein. De lege lata verdient dies auch den Vorzug, denn bisher gibt es keine Behörde, deren Kompetenz das gesamte (Datenschutz- und Kartell-)Unrecht abdecken würde.1177 b) De lege ferenda: „Datenschutzrechtliche Lösung“ Aus der Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Gesichtspunkte in der kartellrechtlichen Prüfung – und damit der potenziellen Einschlägigkeit zweier Sanktionssysteme und der daraus folgenden potenziellen Zuständigkeit zweier Behörden für dasselbe Verhalten – erwächst freilich die Gefahr des over-enforcement sowie ineffizienter Doppelstrukturen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich das Instrumentarium von DS-GVO und BDSG besser gewappnet, datenschutzrechtliche Missstände zu beheben. Die Befugnisse der Kartellbehörden erscheinen zwar schlagkräftiger, doch sind sie weniger geeignet, diese Missstände zu bekämpfen, die häufig auch von Informationsasymmetrien verursacht werden.1178 Art. 58 Abs. 1 DS-GVO bietet einen ausdifferenzierten Katalog an Befugnissen sowie von Vorfeldmaßnahmen, die bereits vor der Begehung (und zur Verhinderung) von Datenschutzverstößen ergriffen werden können.1179 Dementsprechend wird hier vorgeschlagen, de lege ferenda das Datenschutzrecht aus dem Anwendungsbereich des Missbrauchsverbots auszuklammern. Zu diesem Zweck könnte der Katalog des Art. 83 Abs. 2 S. 2 DS-GVO, der die Kriterien für die Bußgeldbemessung festlegt, folgendermaßen erweitert werden: Geldbußen werden je nach den Umständen des Einzelfalls zusätzlich zu oder anstelle von Maßnahmen nach Artikel 58 Absatz 2 Buchstaben a bis h und j verhängt. Bei der Entscheidung über die Verhängung einer Geldbuße und über deren Betrag wird in jedem Einzelfall Folgendes gebührend berücksichtigt: 1177
S. o. § 5.C.I.3.d) (S. 175 – 198). Eine Ausnahme sind verbraucherschutzrechtliche Sektoruntersuchungen nach § 32e Abs. 5 GWB. Schafft es das Bundeskartellamt, mit seiner Tätigkeit (nicht nur mit den Abschlussberichten, sondern ebenso mit anderen Formen der Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen der Untersuchung) die Öffentlichkeit über entsprechende Missstände aufzuklären und zu sensibilisieren, so scheinen die Untersuchungen auch ohne hieran anknüpfende Sanktionsbefugnisse geeignet, Informationsasymmetrien zumindest zu verringern. 1179 Die entsprechenden Aufgaben im Vorfeld des Datenschutzrechtsbruches finden sich in Art. 57 Abs. 1 lit. a – e DS-GVO. 1178
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[…] l) die gleichzeitige Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 102 AEUV und/oder innerstaatlicher Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von marktbeherrschenden Unternehmen.
Daneben müsste der Bußgeldrahmen von Art. 83 Abs. 5 und 6 DS-GVO entsprechend auf 14 Prozent erhöht werden, um auch die kartellrechtlichen Auswirkungen des Verstoßes erschöpfend berücksichtigen zu können. Wenn dies umgesetzt wird, so haben die Datenschutzbehörden den Sachverhalt (auch) unter den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen wie die Kartellbehörden. Dabei können die Datenschutzbehörden auf der Grundlage der Regelungen zur behördlichen Zusammenarbeit nach § 50c Abs. 1 S. 1 GWB Informationsaustausch mit den deutschen Kartellbehörden betreiben, wodurch das Verfahren und die Entscheidung koordiniert werden können. Die Form der Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden könnte auch so weit reichen, dass ein Handeln im Benehmen verlangt wird.1180 Das Handeln im Benehmen bedeutet nicht, dass eine Willensübereinstimmung herzustellen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der anderen Behörde – hier der Kartellbehörde – Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und sich mit den von ihr vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt wird. Anders als beim Einvernehmen ist eine Willensübereinstimmung hingegen nicht erforderlich1181, die Datenschutzbehörden könnten auch Entscheidungen treffen, die der Ansicht der Kartellbehörden widersprechen. Es wäre verfassungs- und auch datenschutzrechtlich nicht möglich, die Datenschutzbehörden zur Herstellung eines derartigen Einvernehmens zu verpflichten. Das liegt zum einen daran, dass das Grundgesetz ein grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung zwischen Bundes- und Landesbehörden bestimmt.1182 Das zeigt sich im Normgefüge der Art. 83 – 91 GG, die von einer Trennung der Verwaltungsebenen ausgehen,1183 was sich insbesondere in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ausdrückt, wonach es für die bundeseigene Verwaltung eines eigenen Verwaltungsunterbaus bedarf1184. Bereits aus dieser verfassungsrechtlich angeordneten Trennung der Verwaltungsebenen ergibt sich, dass eine gemeinsame Entscheidung durch Bundesbehörden (Bundeskartellamt) und Landes1180 Ähnlich Kieck, PinG 2017, 67, 70, die eine Parallele zu § 113f Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 TKG zieht, wonach die Bundesnetzagentur im Benehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit einen Katalog technischer Vorkehrungen und sonstiger Maßnahmen erstellt bzw. bei Bedarf anpasst. Im Anschluss an Kieck auch Buchner, WRP 2020, 1401, 1403. 1181 K. Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 23. Aufl. 2019 (Stichwort „Einvernehmen“). Für das Planungsrecht BVerwG, Beschl. v. 31. 10. 2000, Az. 11 VR 12/00, NVwZ 2001, 90, 91; Külpmann/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 242. 1182 BVerfG, Beschl. v. 12. 01. 1983, Az. 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 36 – 41; Urt. v. 15. 07. 2003, Az. 2 BvF 6/98, BVerfGE 108, 169, 182; Urt. v. 20. 12. 2007, Az. 2 BvR 2433, 2434/04, BVerfGE 119, 331, 365. 1183 BVerfG, Beschl. v. 12. 01. 1983, Az. 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 39. 1184 Ibler, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 64. EL 2012 (Werkstand 95. EL 2021), Art. 87 Rn. 54.
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behörden (Datenschutzbehörden) nicht möglich ist. Hinzu kommt – speziell im Datenschutzrecht –, dass die Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden auch primärrechtlich verankert ist in Art. 39 S. 2 EUV und Art. 16 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 AEUV. Diese Unabhängigkeit hat Niederschlag gefunden in Art. 52 DS-GVO, dessen Abs. 2 direkte und indirekte Beeinflussung und Weisung von außen untersagt.1185 Damit wäre es unvereinbar, wenn die Entscheidungen der Datenschutzbehörden von der Zustimmung der Kartellbehörden abhingen. Eine (verbotene) Einflussnahme läge hingegen noch nicht vor, würde man die Datenschutzbehörden lediglich dazu verpflichten, im Benehmen mit den Kartellbehörden zu handeln, denn dadurch würden sie noch nicht in ihrer unabhängigen Entscheidung eingeschränkt werden. Eine ähnliche Lösung für ein ähnliches Problem findet auch § 39 OWiG. Dieser betrifft Fälle, in denen nach §§ 36 – 38 OWiG mehrere Verwaltungsbehörden für die Verfolgung einer einzelnen Ordnungswidrigkeit1186 zuständig sind. Um dem einfachgesetzlichen Doppelbestrafungsverbot nach § 84 OWiG zu entsprechen,1187 trifft § 39 Abs. 1 OWiG eine Regelung, welcher Behörde der Vorzug gebührt.1188 Durch Vereinbarung der Behörden kann nach § 39 Abs. 2 S. 1 OWiG die Bearbeitung jedoch auch auf eine andere der zuständigen Verwaltungsbehörden übertragen werden. Nach § 39 Abs. 2 S. 2 OWiG sind jedoch in jedem Fall vor dem Abschluss der Ermittlungen die anderen zuständigen Verwaltungsbehörden durch die Behörde, der nach Abs. 1 S. 1 der Vorzug gebührt, zu hören. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Sachkunde der anderen zuständigen Behörden in die Entscheidung einfließen kann.1189 § 39 OWiG kann damit als Beispiel einer Norm zur Verfahrenskonzentration bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller zuständigen Behörden dienen. Das Erfordernis des Handelns im Benehmen mit anderen Behörden ist schließlich auch dem Bundeskartellamt nicht fremd. So ist es gemäß § 158 Abs. 2 S. 3 SGB V verpflichtet, das Benehmen mit den zuständigen Aufsichtsbehörden herzustellen, wenn es die Fusion von Krankenkassen untersagen möchte. In dem dort geregelten Verfahren ist die Rolle des Bundeskartellamts freilich eine andere als in dem hier vorgeschlagenen Modell: Die Rolle des Bundeskartellamts nach § 158 SGB V ist die
1185 Vgl. EuGH, Urt. v. 09. 03. 2010, Kommission/Deutschland, Rs. C-518/07, ECLI:EU:C: 2010:125, Rn. 17 – 30 (zur Vorgängervorschrift Art. 28 Abs. 1 UAbs. 2 DS-RL). 1186 Dass es sich um dieselbe Tat handeln muss, verkennt Stauber, Facebook’s Abuse Investigation in Germany and Some Thoughts on Cooperation Between Antitrust and Data Protection Authorities, CPI Antitrust Chronicle 2019, S. 8. 1187 Lampe, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 39 Rn. 1. 1188 In § 39 Abs. 1 OWiG heißt es, „der Vorzug [gebührt] der Verwaltungsbehörde, die wegen der Tat den Betroffenen zuerst vernommen hat, ihn durch die Polizei zuerst hat vernehmen lassen oder der die Akten von der Polizei nach der Vernehmung des Betroffenen zuerst übersandt worden sind“. 1189 Lampe, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 39 Rn. 24.
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der führenden Behörde, das bedeutet, dass es die Letztentscheidungsbefugnis hat.1190 Nach dem hier vorgeschlagenen Modell soll umgekehrt die Datenschutzbehörde die führende Behörde sein.
II. Die Bedeutung des Datenschutzrechts im Rahmen des Kartellverbots Im vorangegangenen Abschnitt wurde aufgezeigt, inwieweit datenschutzrechtliche Wertungen bei der kartellrechtlichen Beurteilung einseitiger Verhaltensweisen zu berücksichtigen sind. Weniger beleuchtet sind hingegen die Möglichkeiten des Kartellverbots und der Fusionskontrolle zu diesem Zweck. Prima facie muss dies überraschen, dienen diese doch mit dem Wettbewerbsschutz demselben Ziel wie das Missbrauchsverbot. Vor dem Hintergrund der Diskussion um Art. 102 AEUV und § 19 GWB erscheint es daher auch fruchtbar, mögliche Weiterungen im Rahmen des Kartellverbots und der Fusionskontrolle zu diskutieren. 1. Mögliche Anwendungsbereiche Bevor auf die Zulässigkeit des Kartellverbots aus Art. 101 AEUV1191 zur Durchsetzung des Datenschutzrechts näher eingegangen wird, sollen zunächst mögliche Anwendungsfälle dargestellt werden. Diese herauszustellen ist deshalb erforderlich, weil eine bestimmte, einseitig vorgenommene Datenverarbeitungspraxis als solche keine Absprache im Sinne des Kartellverbots darstellt. Die denkbaren Anwendungsfälle sind daher zunächst einmal nicht so klar umrissen wie beim Kartellverbot. Die Diskussion um die Anwendung des Art. 101 AEUV steht schließlich auch in engem Zusammenhang mit dessen Struktur. In Abs. 11192 wird das grundsätzliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen normiert. Abs. 31193 bestimmt nach seinem Wortlaut, dass die Bestimmung des Abs. 1 unter vier Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, für nicht anwendbar erklärt werden kann. Die Anwendung des Kartellverbots ist zum einen diskutabel, wenn eine festgestellte Unterschreitung des datenschutzrechtlichen Minimums auf Unternehmens1190 Mühlhausen, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Aufl. 2020, § 172a, Rn. 9. Die Kommentierung gilt noch für die Rechtslage vor dem Gesetz für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. 03. 2020 (BGBl. I 2020, S. 604). Am Text der Norm hat sich jedoch nichts geändert. 1191 Auch im Folgenden gilt, dass mit dem Verweis auf die europäischen Normen ebenfalls die deutschen Parallelvorschriften erfasst sind, solange nicht die Rechtslage oder die behördliche oder gerichtliche Entscheidungspraxis ausnahmsweise abweichend ist, was entsprechend kenntlich gemacht wird. 1192 § 1 GWB. 1193 § 2 GWB.
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absprachen beruht.1194 Ein möglicher Anwendungsfall ist es etwa, wenn Unternehmen vereinbaren, dass dem Verlangen der betroffenen Personen nach Löschung ihrer Daten1195 branchenweit nicht entsprochen werden soll.1196 Dann ist es denkbar, ein Einschreiten der Kartellbehörden etwa damit zu rechtfertigen, dass die durch die Absprache und das darauf beruhende Absinken unter das gesetzliche Mindestmaß beeinträchtigte Verbraucherwohlfahrt gleichzeitig – neben anderen Zwecken – auch Schutzzweck des Kartellrechts ist.1197 Ein weiterer denkbarer Anwendungsfall des Art. 101 AEUV im Datenschutzrecht sind Absprachen, die darauf gerichtet sind, bisher bestehende Unterschreitungen des Datenschutzrechts abzustellen. So könnten etwa Unternehmen, die sich bisher – etwa aufgrund des wettbewerblichen Umfelds – „gezwungen“ sahen, Datenschutzrecht zu verletzen1198, vereinbaren, ihre Datenschutzerklärungen nunmehr rechtskonform auszugestalten, um ein race to the bottom zumindest auf das gesetzlich zulässige Maß zu beschränken (sogenanntes privacy fixing).1199 Hierin könnte eine Wettbewerbsbeschränkung in Bezug auf den Wettbewerbsparamater Datenschutz1200 zu sehen sein. Fraglich ist dann, ob mit dem Argument der Einhaltung des Datenschutzrechts eine Ausnahme vom Tatbestand des Kartellverbots oder eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu rechtfertigen ist. 2. Die beschränkte Funktion des Art. 101 AEUV Diesen Topoi ist die beschränkte Funktion des Tatbestands des Art. 101 AEUV entgegenzuhalten. Dieser dient dem Wettbewerbsschutz, nicht dem Grundrechtsoder dem Datenschutz.1201 Eine Übertragung außerwettbewerblicher Belange in das Kartellverbot ist ohne Anknüpfung an dessen Zwecke unzulässig. Eine Freistellung unter Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 GWB bedarf des Nachweises ökonomischer Effizienzen.1202 Eine Indienststellung des Kartellverbotes für andere Zwecke ist damit
1194 Vgl. Coates, Competition Law and Regulation of Technology Markets, 2011, Rn. 9.188, mit dem hypothethischen Beispiel einer horizontalen Verhaltensabsprache zwischen Microsoft, Yahoo! und Google, bei der die drei Unternehmen ihr Verhalten bezüglich Tracking, Vorratsdatenspeicherung und dem Teilen von Daten miteinander koordinieren. 1195 Art. 17 DS-GVO. 1196 Das Beispiel stammt von Köhler, WRP 2018, 1269, 1272. 1197 Zum Zweck des Kartellrechts als Verbraucherschutz, gerade auch im Vergleich mit dem Datenschutzrecht, Kamann, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 59, 65 – 67. S. auch Monti, C.M.L.R. 39 (2002), 1057, 1059 – 1062. 1198 Stucke/Grunes, Big Data and Competition Policy, 2016, S. 56. 1199 Bueren, ZWeR 2019, 403, 409; Scharf, Daten(schutz) als nicht-preisbezogener Wettbewerbsfaktor, Jusletter IT, 22. 02. 2018, Rn. 2. 1200 Zum Datenschutz als Wettbewerbsparameter s. o. § 5.C.I.2.a)aa)(4) (S. 97 – 100). 1201 Frenz, EWS 2014, 193, 195. 1202 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 343.
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a priori ausgeschlossen. Anders als § 3a UWG1203, § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG1204, und – unter Einschränkungen – der Konditionenmissbrauch nach Art. 102 AEUV1205 dient Art. 101 AEUV nicht als Ansatzpunkt für die Durchsetzung für nicht oder zumindest nicht primär wettbewerbsrechtliche Normverstöße. Wollten Unternehmen vor Inkrafttreten der Kartellverfahrens-VO eine Freistellung erlangen, so mussten sie die wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen gemäß Art. 4 der mittlerweile aufgehobenen VO 17/621206 bei der Kommission anmelden, die die Freistellung erteilen konnte. Von diesem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist mit dem Inkrafttreten der Kartellverfahrens-VO zum 1. Mai 2004 allein der Wortlaut des Art. 101 Abs. 3 AEUV geblieben, nach dem die Bestimmungen des Abs. 1 nach wie vor „für nicht anwendbar erklärt“ werden können. Tatsächlich besteht seitdem jedoch ein Verbot mit Legalausnahme: Art. 1 Abs. 2 Kartellverfahrens-VO erklärt ipso jure derartige Maßnahmen für nicht verboten, die die Voraussetzungen von Art. 101 Abs. 3 AEUVerfüllen. Einer konstitutiven Freistellungsentscheidung durch die Kommission bedarf es nicht mehr. Wenngleich die Frage, ob außerökonomische Belange in Abs. 1 oder in Abs. 3 AEUV zu behandeln sind, einen Teil ihrer Brisanz damit verloren hat, sind nach wie vor Systemunterschiede zwischen grundsätzlichem Verbot und Freistellung festzustellen.1207 Die Judikatur der Unionsgerichte hat noch keine klare Linie entwickelt, in welcher Form außerwettbewerbliche Belange in Art. 101 AEUV zu berücksichtigen sind.1208 3. Die beschränkte Eignung des Verbotstatbestandes Überlegungen, den soeben dargestellten Topoi im Rahmen des Verbotstatbestandes des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu begegnen, führen nicht weit. Die aus dem USamerikanischen Kartellrecht stammende rule of reason1209 wurde durch den EuGH und das EuG zu Recht nicht rezipiert. Das EuG hat ihre Anwendung vielmehr
1203
S. o. § 5.A.II.2.b) (S. 56 – 61) und § 5.A.II.3.b) (S. 63). S. o. § 5.A.II.3.a) (S. 61 – 63). 1205 S. o. § 5.C.I. (S. 76 – 251). 1206 Verordnung Nr. 17, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages, ABl. 1962 P 13, 204. 1207 Zusammenfassend Ulmer, Kartellverbot und außerökonomische Rechtfertigung, 2014, S. 172 – 176. 1208 Vgl. aber Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 165 – 167, wonach der EuGH nur in bestimmten Fällen tatbestandsimmanente Restriktionen des Art. 101 Abs. 1 AEUV vornimmt, außerhalb dieser aber keine Interessenabwägung zulässt. 1209 Zur rule of reason im US-Kartellrecht Ackermann, Art. 85 Abs. 1 EGV und die rule of reason, 1997, S. 11 – 51. 1204
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
mehrmals ausdrücklich abgelehnt.1210 Eine unionsrechtliche rule of reason würde der Systematik des Art. 101 AEUV widersprechen, der zwischen Verbots- und Freistellungstatbestand unterscheidet.1211 Die differenzierten Tatbestandsmerkmale des Freistellungstatbestandes würden genauso umgangen werden wie die in Art. 2 Kartellverfahrens-VO getroffene Beweislastverteilung.1212 Der Verbotstatbestand ist damit allein auf die Bestimmung wettbewerblicher Nachteile von Maßnahmen gerichtet.1213 Eine Ausnahme vom Kartellverbot mit der Begründung, die Maßnahme stelle (datenschutz-)rechtskonforme Zustände her (der oben als zweiter dargestellte Topos möglicher Anwendungsgebiete des Kartellverbots), muss damit ausscheiden.1214 Die Ausrichtung des Kartellverbots auf den Wettbewerbsschutz sorgt gleichzeitig dafür, dass die bloße datenschutzrechtsverletzende Wirkung einer Maßnahme nicht zum Eingreifen des Kartellverbots führen kann. Sofern sich im Einzelfall nachweisen lässt, dass das von den Unternehmen praktizierte Datenschutzniveau ein berücksichtigungsfähiger Parameter bei der Bestimmung der Wettbewerbskräfte ist,1215 könnte mit der Ausschaltung oder Verringerung dieses Wettbewerbsparameters auch eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellverbots verbunden sein.
1210
EuG, Urt. v. 18. 09. 2001, M6 u. a., Rs. T-112/99, ECLI:EU:T:2001:215, Rn. 72 – 78; Urt. v. 23. 10. 2003, Van den Bergh Foods, Rs. T-65/98, ECLI:EU:T:2003:281, Rn. 106 f. 1211 Anders Roth, in: FS Mestmäcker, S. 411, 433 f., der zwischen einer (unzulässigen) wettbewerblich ausgerichteten und einer (zulässigen) nichtwettbewerblichen rule of reason unterscheidet. Letztere könne sich auf die Entscheidung Wouters des EuGH (Urt. v. 19. 02. 2002, Wouters, Rs. C-309/99, ECLI:EU:C:2002:98) stützen, sodass nichtwettbewerbliche Gesichtspunkte im Rahmen des Art. 101 Abs. 1 AEUV mitzuberücksichtigen seien. 1212 Die Kritik zusammenfassend Ulmer, Kartellverbot und außerökonomische Rechtfertigung, 2014, S. 153 – 159. 1213 Dagegen großzügiger zur Berücksichtigung außerwettbewerblicher Belange Monti, C.M.L.R. 39 (2002), 1057, 1069 – 1078. Monti befürwortet die Berücksichtigung von Unionszielen im Rahmen des Freistellungstatbestandes immer dann, wenn durch die fragliche Vereinbarung gleichzeitig einem der drei von ihm identifizierten Zielen des Kartellrechts (wirtschaftliche Freiheit, Marktintegration und Effizienz) gedient ist. Dieser Ansatz ist jedoch kaum operationabel, denn zum einen fragt sich, was der zusätzliche Nutzen des Arguments der Unionsziele ist, wenn die Freistellung schon kartellrechtsimmanenten Zwecken dient und damit allein schon aus diesem Grund freistellungsfähig ist. Zum anderen ist auch nicht klar, inwieweit wettbewerbliche und außerwettbewerbliche Ziele gegeneinander zu gewichten sind. 1214 Die vereinzelten Entscheidungen, bei denen der EuGH Ausnahmen vom Verbotstatbestand vorgenommen hat, namentlich Wouters, waren allesamt Sonderkonstellationen. Bei diesen war aufgrund divergierender mitgliedstaatlicher Regelungen von vornherein fraglich, ob es sich um eine kartellrechtlich relevante unternehmerische und nicht um eine öffentlichrechtliche Tätigkeit handelte. Daher ist es gangbar, dem Rechtsanwender in diesem Bereich einen größeren Beurteilungsspielraum zu lassen, Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rn. 166. 1215 S. o. § 5.C.I.2.a)aa)(4) (S. 97 – 100).
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4. Die eingeschränkte Offenheit des Freistellungstatbestands Mehr Ansatzpunkte zur Berücksichtigung außerwettbewerblicher Belange bietet der Freistellungstatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV. Dieser ermöglicht die beschränkte Berücksichtigung der im Primärrecht zu findenden Querschnittsklauseln und -ziele1216 und anderer außerwettbewerblicher Ziele. Während die Berücksichtigungsfähigkeit von Querschnittsklauseln und -zielen Gegenstand einer kontroversen Auseinandersetzung in der Wissenschaft ist1217, wurde bisher, soweit erkennbar, noch nicht diskutiert, ob auch die Herstellung außerkartellrechtlich legaler – hier im speziellen: datenschutzrechtskonformer – Zustände zur Freistellung einer wettbewerbswidrigen Maßnahme führen kann. a) Das Politisierungs-Argument Gegen die Öffnung des Art. 101 Abs. 3 AEUV für außerkartellrechtliche Belange generell1218 oder zumindest gegen eine als zu großzügig empfundene Öffnung1219 wird eingewandt, der Freistellungstatbestand würde dadurch zu einem Einfallstor für politische Erwägungen gemacht werden.1220 Die dahinterstehende Überlegung ist wohl, ein auch auf außerkartellrechtliche Ziele ausgerichtetes Kartellrecht könnte leichter zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen gemacht werden als eines, das allein am Schutz des Wettbewerbs orientiert ist. Die Kartellrechtsanwendung würde dadurch unberechenbar, und die verfolgten Ziele könnten sich schnell ändern. Die Behördenpraxis wäre durch die betroffenen Unternehmen nur noch schwer antizipierbar, was Rechtsunsicherheit zur Folge hätte. Die Befürchtung einer Politisierung genügt jedoch nicht, um das Ziel der Herstellung außerkartellrechtlich legaler Zustände aus dem Anwendungsbereich des Freistellungstatbestands auszuschließen. Denn eine Auslegung des Freistellungstatbestands, die diesem Zweck dienen soll, wäre bereits vollständig durch das au1216 Einen Überblick über die Querschnittsklauseln im Primärrecht bietet Schweitzer, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 21, 22 – 25. 1217 Vgl. etwa Breuer, Das EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, 2013, passim; Kirchhoff, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 11; Kokott/Dittert, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 15; Schweitzer, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 21; Podszun, in: FS Schroeder, 2018, S. 613, 627 – 630. 1218 Körber, NZKart 2016, 348, 355 f. (= Körber, in: Körber/Immenga (Hrsg.), Daten und Wettbewerb in der digitalen Ökonomie, 2017, S. 81 = Körber, Is Knowledge (Market) Power, 06. 02. 2018). 1219 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 324, 331. 1220 Das gleiche Argument erhebt Körber, NZKart 2019, 187, 195, gegen die FacebookEntscheidung des Bundeskartellamts im Hinblick auf das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
ßerkartellrechtliche Recht determiniert. Damit bestünde kein Auslegungsspielraum mehr, der für politische Zwecke genutzt werden könnte.1221 Würde die Maßnahme die Herstellung datenschutz(rechts-)konformer Zustände bewirken, so wäre sie zwingend freizustellen; wäre das nicht der Fall, wäre die Freistellung (jedenfalls allein aus diesem Grund) zu versagen. Ein Spielraum zur Ausnutzung für politische Erwägungen durch die Kartellbehörden bestünde hier nicht. b) Verortung im Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV Wenngleich die Befürchtung vor einer politischen Inanspruchnahme des Freistellungstatbestands damit dessen Anwendung nicht entgegensteht, so ist damit noch nicht gesagt, dass diese Anwendung tatsächlich auch zulässig ist. Art. 101 Abs. 3 AEUV erlaubt – anders als Art. 106 Abs. 2 mit den weit zu verstehenden „allgemeinen wirtschaftlichen Interessen“1222 – keine unbeschränkte Abwägung, sondern eine Freistellung nur unter vier kumulativen und abschließend aufgezählten Voraussetzungen.1223 Daraus folgt, dass sich alle außerkartellrechtlichen Ziele unter die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV subsumieren lassen müssen, damit sie berücksichtigungsfähig sind.1224 Gelingt eine Subsumtion nicht, ist der außerkartellrechtliche Belang auch nicht berücksichtigungsfähig.1225 Erste – und zentrale – Voraussetzung der Einzelfreistellung sind Effizienzgewinne, nämlich die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung und die Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts. Notwendig sind objektive wirtschaftliche Effizienzen.1226 Die Herstellung des außerkartellrechtlich legalen Zustands kann hierunter nicht verstanden werden. Die Anhebung auf ein gesetzliches Minimum stellt einen Zustand dar, auf den die betroffenen Verbraucher einen – auch einklagbaren – Anspruch haben.1227 Eine wertungsmäßige Besser1221 Vgl. auch die streng akzessorische Prüfung durch das Bundeskartellamt in der Facebook-Entscheidung o. § 5.C.I.4.b)cc)(4)(d) (S. 217 – 221). 1222 Grundlegend EuGH, Urt. v. 30. 04. 1974, Sacchi, Rs. C-155 – 73, ECLI:EU:C:1974:40, Rn. 14. Die Mitgliedstaaten haben bei der Auslegung dieses Begriffs einen weiten Spielraum, BGH, Urt. v. 06. 10. 2015, zentrales Verhandlungsmandat, Az. KZR 17/14, NZKart 2016, 78, 79 (Rn. 21); Schweitzer/Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 106 Abs. 2 AEUV, Rn. 79. 1223 Koch, ZHR 169 (2005), 625, 631. 1224 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rn. 321 – 331; Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 343; Koch, ZHR 169 (2005), 625, 643. 1225 Vgl. auch Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, ABl. 2004 C 101, 97 (2004/C 101/08), Rn. 42, bezüglich der Querschnittsziele des Primärrechts. 1226 Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EGVertrag, ABl. 2004 C 101, 97 (2004/C 101/08), Rn. 59. 1227 Daneben bestehende Ansprüche von Verbänden und Wettbewerber sind hingegen unbeachtlich, da Art. 101 Abs. 3 AEUV die „angemessene Beteiligung der Verbraucher“ vor-
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stellung ist deshalb damit nicht verbunden. Außerdem ist dieser Vorteil auch nicht wirtschaftlicher, sondern rechtlicher Art. Es gelingt damit auch nicht, die möglichen Topoi im Rahmen der Einzelfreistellung zu verorten.1228 5. Bedenklicher Rückzug der hoheitlichen Rechtsdurchsetzung Das damit gefundene (Teil-)Ergebnis, dass eine Einzelfreistellung zur Herstellung außerkartellrechtlich legaler Zustände nicht möglich ist, wird noch durch die folgende Überlegung untermauert. Akzeptierte man, dass die Herstellung außerkartellrechtlich legaler Zustände einen Freistellungsgrund darstellte, so würde dies im Ergebnis dazu führen, dass exekutive und judikative Gewalt auf die Unternehmen übertragen würde. In Bereichen, in denen diese aufgrund von Maßnahmen den Industriestandard auf das gesetzliche Minimum zu heben gedenken, könnten sich die staatlichen Institutionen gänzlich zurückziehen oder zumindest auf eine ex-postKontrolle der Rechtsausübung durch die Unternehmen beschränken. Dies widerspräche dem Prinzip der Funktionentrennung zwischen Staat und Unternehmen. Nach diesem ist strikt zwischen staatlicher Regulierung und privater Selbstregulierung zu trennen. Während für erstere die Grundfreiheiten den wesentlichen äußeren Rahmen setzen, ist für die Selbstregulierung der Unternehmen die Grenze des Art. 101 Abs. 3 AEUV zu beachten, da nur unter dessen Voraussetzungen eine Selbstregulierung stattfinden kann.1229 Die Zuständigkeit für die Regelsetzung und -durchsetzung liegt nämlich bei den staatlichen Organen.1230 Würde diese – auch nur teilweise – auf die Unternehmen übertragen werden, bestünde langfristig die Gefahr, dass sie sich von der Rechtsdurchsetzung aus bestimmten Bereichen gänzlich zurückzögen. Behörden und Gerichte könnten für die Rechtsanwendung wertvolle Präzedenzfälle nicht mehr entscheiden. 6. Die Versicherungs-GVO1231: Bestätigung, keine Ausnahme Die inzwischen außer Kraft getretene1232 Versicherungs-GVO enthielt eine Regelung, die auf den ersten Blick der hier gefundenen Lösung zu widersprechen aussetzt, Kokott/Dittert, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 15, 17 f. 1228 Ohne Begründung ebenso BKartA, Beschl. v. 29. 06. 2016, Bezahlverfahren im Internet, Az. B4 – 71/10, WuW 2016, 548, 554 (Rn. 423). 1229 Schweitzer, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 21, 38. 1230 Schweitzer, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 21, 38. 1231 Verordnung (EU) Nr. 267/2010 der Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
scheint, diese aber bei genauerer Betrachtung sogar bestätigt. Die VersicherungsGVO behandelte zwei Regelungsbereiche: Zum einen wurden nach Art. 2 – 4 gemeinsame Erhebungen, Tabellen und Studien durch Unternehmen des Versicherungssektors vom Kartellverbot freigestellt; eine Freistellung galt zum anderen nach Art. 5 – 8 auch für Mit- und Mitrückversicherungen. Für die Freistellung von gemeinsamen Erhebungen, Tabellen und Studien waren nach Art. 3 Versicherungs-GVO bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a Versicherungs-GVO war insbesondere erforderlich, dass die beteiligten Versicherungsunternehmen oder ein Versicherungsnehmer nicht identifiziert wurden. Während der Grund für die Nichtidentifizierbarkeit der Versicherungsunternehmen auf der Hand liegt – andernfalls könnte gedeckt durch die VersicherungsGVO ein Marktinformationsverfahren eingeführt werden1233 –, ist die Ratio bei der Nichtidentifizierbarkeit der Versicherungsnehmer nicht offensichtlich. Denkbar wäre es, diesen Ausschluss mit einem Primat des Datenschutzrechts zu begründen. Wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung verboten ist, ließe sich dies mittelbar durch die Versagung der Freistellung absichern. Doch dieser Schluss wurde gerade nicht gezogen. Die Voraussetzung der Nichtidentifizierbarkeit der Versicherungsnehmer beruhte vielmehr auf einer doppelten Erwägung. Zum einen sollte eine abgestimmte Verhaltensweise der Versicherungsunternehmen gegenüber einzelnen Versicherungsnehmern verhindert werden.1234 Damit ging es im Kern um die Verhinderung wettbewerblich unerwünschten Verhaltens. Zum anderen wäre die Identifizierbarkeit von Versicherungsnehmern nicht erforderlich gewesen zur Bestimmung der Durchschnittskosten.1235 Die Offenlegung der Durchschnittskosten allein war aber Ratio der Gruppenfreistellung, weil auf Grundlage einer möglichst breiten Datenbasis eine bessere Risikokalkulation gelingt; dadurch wurde auch der Marktzutritt neuer Wettbewerber erleichtert.1236 Informationsasymmetrien wurden beseitigt oder zumindest verringert.1237 Somit lässt sich der auf den ersten Blick naheliegende Schluss nicht ziehen, dass die Voraussetzung der Nichtidentifizierbarkeit auch einem datenschutzrechtlichen Primat dient. Die Ratio war eine rein kartellrechtliche. Das Beispiel der Versiche1232 Nach Art. 9 UAbs. 2 Versicherungs-GVO war die Geltungsdauer bis zum 31. März 2017 befristet. Mangels Erfordernisses für eine Nachfolgeregelung wurde eine solche nicht mehr erlassen. Eine mögliche Freistellung ist seitdem am Maßstab des Art. 101 Abs. 3 AEUV zu messen. 1233 Meyer-Lindemann, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 75. EL 2011 (Werkstand 95. EL 2020), Sonderbereiche Versicherungswirtschaft, Rn. 51. 1234 Hörst, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, Versicherungswirtschaft, Rn. 53. 1235 Hörst, in: Loewenheim et al. (Hrsg.), Kartellrecht, 3. Aufl. 2016, Versicherungswirtschaft, Rn. 53. 1236 Ellger, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. 2012, Einl. Vers-GVO, Rn. 3. 1237 Roth, ECLR 21 (2000), 107, 110 f.
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rungs-GVO verdeutlicht damit noch einmal die strikte Trennung der zwei Rechtsmaterien. 7. Die Entscheidung Asnef-Equifax Die hier gefundene Lösung der weitgehenden Trennung der beiden Rechtsmaterien Datenschutz- und Kartellrecht wird durch die Entscheidung des EuGH in Asnef-Equifax1238 bestätigt. a) Die Entscheidung Der EuGH hatte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens über die Zulässigkeit eines Informationsaustauchsystems zwischen Finanzinstituten zu entscheiden. Die Beklagte des Ausgangsrechtsstreits, die Asnef-Equifax, Servicios de Información sobre Solvencia y Crédito, SL, an der die spanische Nationale Vereinigung der Kreditinstitute beteiligt war, wollte ein Register einrichten. In dieses sollten personenbezogene Daten von Kreditnehmern wie etwa deren Identität, ihre wirtschaftliche Tätigkeit sowie relevante Angaben wie Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit aufgenommen werden. An das Register angeschlossenen Kreditinstitute sollten hieraus Auskünfte erteilt bekommen können. Auf der Grundlage von Art. 3 des spanischen Kartellgesetzes (der Art. 101 Abs. 3 AEUV entspricht1239) wurde das Register durch das Tribunal de Defensa de la Competencia für die Dauer von fünf Jahren genehmigt. Hiergegen erhob die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Ausbanc1240, Nichtigkeitsklage, der in erster Instanz stattgegeben wurde. Daraufhin legten Asnef-Equifax und die Administración del Estado Kassationsbeschwerde ein. Das mit dieser Beschwerde befasste Tribunal Supremo legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor, die die Vereinbarkeit mit Art. 81 EGV (nunmehr Art. 101 AEUV) betrafen.1241 Streitpunkt war der Austausch von Kreditinformationen,1242 sodass auch die Frage im Raum stand, wie ein möglicherweise damit einhergehender Verstoß gegen das Datenschutzrecht in der Bewertung nach Art. 81 EGV zu würdigen ist. Der EuGH stellte fest, dass Marktinformationssysteme, je nach Konstellation, wettbewerbs-
1238 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734. 1239 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 5. 1240 Asociación de Usuarios de Servicios Bancarios. 1241 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 1 – 11. 1242 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 30.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
fördernde Wirkung haben können.1243 Dementsprechend hielt er diese unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig, da sie keine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben.1244 Bezüglich der für die vorliegende Untersuchung interessierenden Frage der Integration einer datenschutzrechtlichen Prüfung im Rahmen des Kartellverbots bemerkte der EuGH: […] etwaige Fragen im Zusammenhang mit der Sensibilität personenbezogener Daten, die als solche nicht wettbewerbsrechtlicher Natur sind, [sind] nach den einschlägigen Bestimmungen zum Schutz solcher Daten zu beantworten.1245
Der EuGH entschied sich damit ebenfalls für eine Trennung der beiden Rechtsmaterien. b) Bewertung Mit der zitierten Passage entspricht die Auffassung des EuGH der hier vorgeschlagenen Lösung. Mögliche Verstöße gegen das Datenschutzrecht sind nach den entsprechenden Datenschutznormen zu verfolgen. Eine Instrumentalisierung des Kartellrechts scheidet aus. Überflüssig ist hingegen die Einschränkung durch den EuGH, dass es sich bei diesem Ausschluss nur um „Fragen im Zusammenhang mit der Sensibilität personenbezogener Daten [handelt], die als solche nicht wettbewerbsrechtlicher Natur sind“. Dass umgekehrt solche Fragen, die als solche wettbewerbsrechtlicher Natur sind, der Beurteilung im Kartellverfahren unterliegen, ist eine Selbstverständlichkeit. Andererseits ist aber zu beachten, dass diese Feststellung durch den EuGH eine Vorlagefrage bezüglich (nunmehr) Art. 101 AEUV betraf. Anders als dies zum Teil in der Literatur gefolgert wird1246, hat sie keinen direkten Einfluss auf die Anwendung von Art. 102 AEUV auf einseitige Handlung und der FKVO.1247 Anders als durch das Kartellverbot werden durch das Missbrauchsverbot die Nutzer direkt vor 1243 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 55 – 58. 1244 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 58 – 62. 1245 EuGH, Urt. v. 23. 11. 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, Rs. C-238/ 05, ECLI:EU:C:2006:734, Rn. 63. 1246 Vgl. etwa Cornelius, NZWiSt 2016, 421, 422; Costa-Cabral/Lynskey, C.M.L.R. 54 (2017), 11, 19; Tucker, The Proper Role of Privacy in Merger Review, CPI Antitrust Chronicle 2015, S. 3. 1247 Ähnlich Ellger, ZWeR 2018, 272, 286. Grundsätzlich zweifelnd, ob die Kommission und die europäischen Gerichte ihre restriktive Linie der Trennung von Datenschutz- und Kartellrecht aufrechterhalten werden, Hatzopoulos, The Collaborative Economy and EU Law, 2018, S. 123.
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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Ausbeutung geschützt, sodass dort, wie bereits gezeigt wurde, datenschutzrechtliche Wertungen eine bedeutendere Rolle spielen. 8. Ergebnis In diesem Abschnitt konnte gezeigt werden, dass es zwar denkbare Anwendungsfälle für die Durchsetzung des Datenschutzrechts mittels des Kartellverbots gibt. Der Einsatz von Art. 101 AEUV ist dafür jedoch kaum geeignet. Im Kern ist dies auf dessen Beschränkung auf Koordinierungen zwischen mehreren Unternehmen zurückzuführen, die nicht typischerweise in Zusammenhang steht mit einer Datenverarbeitung. Auch im Falle einer Koordinierung ist die Funktion des Kartellverbots beschränkt, da es nicht dem Grundrechts-, sondern allein dem Wettbewerbsschutz dient. Daher unterfallen auch Maßnahmen, die (datenschutz-)rechtskonforme Zustände herstellen sollen, dem Anwendungsbereich des Verbotstatbestands des Art. 101 Abs. 1 AEUV, sofern sich nachweisen lässt, dass der Datenschutz im Einzelfall ein Wettbewerbsparameter ist. Der Freistellungstatbestand des Art. 101 Abs. 3 AEUV ist hingegen offener gestaltet und daher auch der Berücksichtigung außerwettbewerblicher Belange geöffnet. Es gelingt jedoch nicht, die Herstellung (datenschutzrechtlich) legaler Zustände unter die Tatbestandsmerkmale der Norm zu fassen. Dieses Ergebnis wird sodann noch durch zwei weitere Überlegungen gestützt: Zum einen wäre der Rückzug des Staates aus der exekutiven und judikativen Verantwortung ein politisch unerwünschtes Ergebnis. Zum anderen wäre in der Versicherungs-GVO ein Anknüpfungspunkt für die Transformation datenschutzrechtlicher Bedenken in die Kartellrechtsanwendung denkbar gewesen. Dieser Weg wurde aber bewusst nicht beschritten, sondern es wurde allein auf die wettbewerbliche Ratio des Art. 3 Abs. 2 lit. a Var. 2 Versicherungs-GVO abgestellt. Der EuGH hat in der Entscheidung AsnefEquifax schließlich ebenfalls die Trennung des Datenschutzrechts vom Kartellverbot konstatiert.
III. Das Datenschutzrecht in der Zusammenschlusskontrolle Im folgenden Abschnitt soll untersucht werden, ob und inwieweit die Fusionskontrolle Mittel bereithält, um zur Durchsetzung des Datenschutzrechts beizutragen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Kartellbehörden im Rahmen der Fusionskontrolle weitergehende Anforderungen an das Zusammenschlussvorhaben in Zusammenhang mit dem Datenschutz der beteiligten Unternehmen stellen können, also unabhängig von einem (zu erwartenden) Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht. Darum soll es erst an späterer Stelle gehen.1248 Ein weiterer Komplex ist das von den beteiligten Unternehmen im Rahmen von Transaktionen zu beachtende Daten1248
S. u. § 6.A. (S. 267 – 283).
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
schutzrecht, etwa bei der Übertragung von in einem Asset Deal gekauften Daten; darauf wird im Folgenden nicht weiter eingegangen.1249 1. Datenschutzrecht in der europäischen Zusammenschlusskontrolle Die Kommission prüft Zusammenschlüsse1250 auf ihre Rechtmäßigkeit, wenn sie von gemeinschaftsweiter Bedeutung sind.1251 Nach Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 lit. a FKVO berücksichtigt sie dabei „die Notwendigkeit, im Gemeinsamen Markt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu entwickeln“; lit. b legt dafür (enumerativ) einzelne Kriterien fest. Eine Untersagung hat zu erfolgen, wenn durch den Zusammenschluss „wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung“ (sogenannter SIECTest1252); andernfalls ist er freizugeben.1253 Die Bezugnahme auf die Offenhaltung des Wettbewerbs macht deutlich, dass außerwettbewerbliche Kriterien von der Kommission nicht zu berücksichtigen sind. Dementsprechend hält sie in der Entscheidung Facebook/WhatsApp fest: Any privacy-related concerns flowing from the increased concentration of data within the control of Facebook as a result of the Transaction do not fall within the scope of the EU competition law rules but within the scope of the EU data protection rules.1254 1249 S. dazu Apel/Hofmann, in: Specht-Riemenschneider/Werry/Werry (Hrsg.), Datenrecht in der Digitalisierung, 2020, S. 560, 570 f., 573 – 585, 587 f. (Rn. 20 – 21, 39 – 60, 66 f.); Tribess/ Spitz, GWR 2019, 261. Vgl. auch Baranowski/Glaßl, BB 2017, 199, 200 – 203. Der Beitrag bezieht sich zwar auf das Datenschutzrecht unter dem BDSG a. F., durch das Inkrafttreten der DS-GVO haben sich insoweit aber keine gravierenden Änderungen ergeben, Baranowski/Glaßl a. a. O., S. 203. 1250 Art. 3 FKVO. 1251 Art. 1 FKVO. 1252 Significant impediment to effective competition. 1253 Art. 2 Abs. 2 und 3 FKVO. 1254 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 164. Zustimmend Bhattacharya/Buiten, in: FS Van den Bergh, 2018, S. 115, 128 – 130. Die gleiche Formulierung findet sich bei Europäische Kommission, Entsch. v. 23. 02. 2016, Sanofi/Google/DMI JV, COMP/M.7813, Rn. 70. Ähnlich bereits Entsch. v. 11. 03. 2008, Google/DoubleClick, COMP/M.4731, Rn. 368: „This Decision refers exclusively to the appraisal of this operation with Community rules on competition, namely whether the merger is compatible with the objectives of the Merger Regulation in that it does not impede effective competition in the common market. As enshrined in Recital 36 of the Merger regulation, the Community respects the fundamental rights and observes the principles recognised in particular by the Charter of Fundamental Rights of the European Union. In any event, this Decision is without prejudice to the obligations imposed onto the parties by Community legislation in relation to the protection of individuals and the protection of privacy with regard to the processing of personal data […] and Member States implementing legislation, which apply to the processing of personal data activities performed by the parties to the merger and by the entity resulting from the merger operation. Irrespective of the approval of the merger, the new entity is
§ 5 Durchsetzung von Normen des Datenschutzrechts durch das Kartellrecht
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Die Kommission spricht damit eine Selbstverständlichkeit aus, nämlich den Umstand, dass die fusionierte Einheit zur Einhaltung der (datenschutz-)rechtlichen Vorgaben auch nach dem erfolgten Zusammenschluss verpflichtet ist. 2. Datenschutzrecht in der deutschen Zusammenschlusskontrolle Auch in der deutschen Fusionskontrolle bildet der SIEC-Test mit der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs und dem Regelbeispiel der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung das Untersagungskriterium.1255 Hier fehlt es damit ebenso an einem Anknüpfungspunkt für eine kartellbehördliche Untersagung, wenn durch den Zusammenschluss lediglich die Verletzung von Datenschutzrecht zu befürchten ist. Insbesondere für das Bundeskartellamt zeigt sich diese strikte Trennung letztlich auch daran, dass außerkartellrechtliche Belange allenfalls im Rahmen der Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 Abs. 1 S. 1 GWB eine Rolle spielen können.1256 Demnach kann der Bundeswirtschaftsminister einen vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss erlauben, „wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist“. Das schließt es aus, diese Belange bereits in dem Verfahren vor dem Bundeskartellamt zu berücksichtigen. Daher fragt sich, ob datenschutzrechtliche Belange möglicherweise eine Ministererlaubnis begründen könnten. Vorstellbar ist, dass dies vorgebracht wird, um zum Beispiel die Fusion zu einem „europäischen Champion“ zu erlauben, der verspricht, datenschutzrechtliche Vorgaben besser umzusetzen als die etablierte Konkurrenz. Die bisherige Entscheidungspraxis zur Ministererlaubnis ist sehr punktuell geblieben und die bisherigen Fälle reichlich unterschiedlich gelagert, sodass sich bisher keine Systematik der berücksichtigungsfähigen Gemeinwohlinteressen herausgebildet hat.1257 Es besteht jedoch wenig Anlass zu der Annahme, die Einhaltung (datenschutz-)rechtskonformer Zustände könnte unter den Tatbestand des § 42 obliged in its day to day business to respect the fundamental rights recognised by all relevant instruments to its users, namely but not limited to privacy and data protection.“ Vgl. außerdem Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 09. 2018, Apple/Shazam, M.8788, Rn. 226 mit Fn. 159. 1255 § 36 Abs. 1 S. 1 GWB. Vgl. § 37 GWB zum Zusammenschlussbegriff und § 35 GWB zum Anwendungsbereich der GWB-Fusionskontrolle. 1256 Mundt, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 39. 1257 Dem Bundeswirtschaftsminister steht ein weiter Beurteilungsspielraum zu, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 07. 2016, Ministererlaubnis Edeka/Tengelmann, Az. VI-Kart 3/16 (V), NZKart 2016, 380, 385. Vgl. mit einem Versuch der Systematisierung Greiffenberg, in: FS Immenga, 2004, S. 173, 180 – 195. Vgl. weiterhin Konrad, Das Gemeinwohl, die öffentliche Meinung und die fusionsrechtliche Ministererlaubnis, 2019, S. 56 – 61.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Abs. 1 S. 1 GWB fallen. Dieser verlangt ein „überragendes Interesse der Allgemeinheit“, wohingegen die Einhaltung datenschutzrechtlicher Zustände die individuellen Interessen des einzelnen Betroffenen schützen soll. Auch die bisherige Fallpraxis legt nahe, dass der Schutz von Individualinteressen nicht genügen kann.1258 Das gilt umso mehr, als das Datenschutzrecht ausreichende Instrumente und Befugnisse der zuständigen Datenschutzbehörden bereithält. Ein überragendes Interesse an der Einhaltung (datenschutz-)rechtskonformer Zustände daneben durch den Bundeswirtschaftsminister im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle ist daher nicht ersichtlich. 3. Berücksichtigung im Rahmen der Marktabgrenzung und der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung Dass das von einem Unternehmen praktizierte Datenschutzniveau bei der Marktabgrenzung sowie bei der Bestimmung der Marktstellung zu berücksichtigen sein kann, wurde bereits an anderer Stelle thematisiert.1259 4. Datenschutzrecht als limitierender Faktor bei der Ausübung von Marktmacht Die Europäische Kommission lehnt es, wie gezeigt, ab, bei der Bewertung von Fusionsvorhaben datenschutzrechtliche Bedenken zu berücksichtigen. Andererseits kann das Datenschutzrecht im Rahmen der materiellen Fusionskontrolle durchaus insoweit eine Rolle spielen, als das Datenschutzrecht die Daten verarbeitenden Unternehmen in ihrer Handlungsfreiheit einschränkt und dadurch Marktmacht als wesentlichen Anwendungsfall des SIEC-Tests begrenzt. Voraussetzung für eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs (im Sinne des SIEC-Tests) ist, dass die fusionierte Einheit eine tatsächliche Möglichkeit zur Einschränkung der Wettbewerbstätigkeit auf dem relevanten Markt hat. Eine derartige Möglichkeit soll aber dann nicht bestehen, wenn sich das möglicherweise wettbewerbsbeschränkende Verhalten nur rechtswidrig durchführen lässt.1260 Speziell für die Fusion datengetriebener Unternehmen ergibt sich demnach eine Einschränkung des erlaubten Verhaltens aus dem anwendbaren Datenschutzrecht. So formulierte die Kommission etwa in Microsoft/LinkedIn: As a preliminary remark, it should be noted that any such data combination could only be implemented by the merged entity to the extent it is allowed by applicable data protection rules. In this respect, the Commission notes that, today, Microsoft and LinkedIn are subject to relevant national data protection rules with respect to the collection, processing, storage 1258 Vgl. zur Entscheidungspraxis Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, § 42 Rn. 64 – 86. 1259 S. o. § 5.C.I.2.a)aa)(4) (S. 97 – 100) und § 5.C.I.2.b)bb)(2)(d) (S. 120 – 123). 1260 Kadar/Bogdan, J. Eur. Comp. L. & Prac. 8 (2017), 479, 485.
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and usage of personal data, which, subject to certain exceptions, limit their ability to process the dataset they maintain. Currently, the data protection rules of the EU Member State(s) where Microsoft and LinkedIn have their registered seat and/or where they have subsidiaries processing data apply. Since LinkedIn with regard to the EU is not processing personal data of its customers outside of Ireland where it has its registered seat, it is currently only subject to Irish data protection rules. Likewise, the Notifying Party submits that Microsoft is currently subject to Irish data protection rules. Moreover, the Commission notes that the newly adopted General Data Protection Regulation („GDPR“1261 ), which will establish one single set of rules for companies processing personal data in the EU and entered into force on 24 May 2016, will apply from 25 May 2018. The GDPR provides for a harmonized and high level of protection of personal data and fully regulates the processing of personal data in the EU, including inter alia the collection, use of, access to and portability of personal data as well as the possibilities to transmit or to transfer personal data. This may further limit Microsoft’s ability to have access and to process its users’ personal data in the future since the new rules will strengthen the existing rights and empowering individuals with more control over their personal data (i. e. easier access to personal data; right to data portability; etc.).1262
Nach Ansicht der Kommission wird damit die Betätigungsfreiheit von Microsoft und LinkedIn auch nach der Fusion durch das anwendbare Datenschutzrecht eingeschränkt. Durch die zum Entscheidungszeitpunkt bevorstehende Anwendbarkeit der DS-GVO mit der zusätzlichen Stärkung des Datenschutzes sei eine weitere Einschränkung der Betätigungsfreiheit zu erwarten. Unter anderem hierauf stützte die Kommission die Beurteilung, dass die Kombination der Datenbestände keine wettbewerblichen Bedenken hervorrufe.1263 Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten: Dass die Handlungsmöglichkeiten der fusionierten Einheit durch das Datenschutzrecht beschränkt werden, hängt vor allem von der tatsächlichen Durchsetzung des Datenschutzrechts ab, welche in jedem Einzelfall festzustellen ist. Bloße gesetzliche Regelungen, an die die Unternehmen sich nicht halten, und Rechte, die von den Betroffenen nicht in Anspruch genommen werden, vermögen keine Einschränkung der tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der Zusammenschlussbeteiligten zu bewirken. In jedem Fall bedarf es neben der Benennung der einschlägigen (Regulierungs-)Normen der Feststellung, dass diese auch durchgesetzt werden.1264 Dies fehlt in der Entscheidung. In dieser Hinsicht dürften auch die Feststellungen in Google/Sanofi/DMI JV nicht genügen. Die Kommission stellte hier (wohlgemerkt über zwei Jahre vor Anwendbarkeit der DS-GVO) fest, dass es den fusionierenden Parteien an der Mög1261
DS-GVO. Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 177 f. Ähnlich bereits Entsch. v. 11. 03. 2008, Google/DoubleClick, COMP/M.4731, Rn. 368, sowie nachfolgend Entsch. v. 06. 09. 2018, Apple/Shazam, M.8788, Rn. 221 – 238. Vgl. auch Graef/Clifford/Valcke, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 200, 215 – 217. 1263 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 176. 1264 Ähnlich Bueren, ZWeR 2019, 403, 413. 1262
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lichkeit mangele, den Wechsel zu anderen Anbietern aufgrund hoher Wechselkosten zu verhindern, denn das Recht auf Datenübertragbarkeit in Art. 20 DS-GVO verhindere einen derartigen lock in.1265 Dass derartige Erwartungen an Art. 20 DS-GVO wohl überzogen sind, wurde bereits an anderer Stelle gezeigt.1266 Ohne dass die von der Datenverarbeitung Betroffenen (zumindest eine kritische Zahl von ihnen) von ihrem Recht Gebrauch machen, ist dieses nicht geeignet, die Handlungsmöglichkeiten der fusionierenden Unternehmen tatsächlich zu beschränken. Auch der pauschale Verweis auf das zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits anwendbare Datenschutzrecht kann insoweit nicht genügen, fehlt es doch an Feststellungen, inwieweit die gesetzlichen Regelungen die Handlungsmöglichkeiten der fusionierten Einheit tatsächlich einschränkten. 5. Ergebnis Weder die europäische noch die deutsche Zusammenschlusskontrolle erlaubt die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Verstöße im Rahmen der materiellen Prüfung des SIEC-Tests. Das liegt an der klaren Trennung von (berücksichtigungsfähigen) kartellrechtlichen und (nicht berücksichtigungsfähigen) außerkartellrechtlichen Gesichtspunkten in der Systematik der FKVO und der Zusammenschlusskontrolle nach dem GWB. Wie bei der Anwendung des Missbrauchsverbots kann hier jedoch das Datenschutzrecht zumindest mittelbar Auswirkungen haben, als es relevant sein kann bei der Marktabgrenzung und der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung. Daneben kann das Datenschutzregime auch die Handlungsfreiheit der Zusammenschlussparteien begrenzen. Das kann dazu führen, dass eine Behinderung wirksamen Wettbewerbs durch den Zusammenschluss (etwa durch die Kombination von Datenbeständen) nicht zu befürchten ist. Dafür muss aber im Einzelfall nicht nur aufgezeigt werden, dass einschlägiges Datenschutzrecht eine wettbewerbsrelevante Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Parteien beinhaltet. Daneben muss auch festgestellt werden, dass die entsprechende Rechte beziehungsweise Befugnisse von den Betroffenen und den Datenschutzbehörden im Einzelfall tatsächlich ausgeübt werden, sodass die Beschränkung für die Parteien durch die Regelungen auch spürbar ist.
1265 Europäische Kommission, Entsch. v. 23. 02. 2016, Sanofi/Google/DMI JV, COMP/ M.7813, Rn. 67 – 69. 1266 S. o. § 5.C.I.2.b)bb)(2)(c) (S. 113 – 119).
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§ 6 Setzung strengerer Datenschutz-Standards Wenden wir uns ab von der Durchsetzung des Datenschutzrechts und der Frage zu, ob es Kartellbehörden und -gerichten gestattet ist, strengere – das heißt: über das Maß des geltenden Datenschutzrechts hinaus – Anforderungen an den Datenschutz der Unternehmen zu stellen.
A. Zusammenschlusskontrolle In diesem Abschnitt soll der Fokus zunächst auf der Zusammenschlusskontrolle liegen. Das hat zwei Gründe: Zum einen ist sie, anders als Verfahren nach Art. 101 f. AEUV, auf die Prognose und Beurteilung zukünftiger Auswirkungen von Unternehmensverhalten gerichtet. Anstatt ein konkretes Verhalten zu betrachten, das gegen Art. 101 f. AEUV verstößt, ist bei einem Zusammenschluss eine Reihe möglicher Schadenstheorien zu testen. Das mag dazu führen, dass – verglichen mit dem Missbrauchsverbot mit einem vergleichsweise starren Kanon verbotener Verhaltensweisen – neue derartige Theorien entwickelt werden, die beispielsweise mit dem Datenschutz begründet sind. Zum anderen enden etliche1267 Fusionskontrollverfahren mit der Freigabe der Zusammenschlüsse gegen Verpflichtungszusagen durch die beteiligten Unternehmen.1268 Das erlaubt es den Behörden, das zukünftige Verhalten der Unternehmen mitzugestalten, auch im Hinblick auf den Datenschutz. Daher soll im Folgenden untersucht werden, ob die Kartellbehörden fusionskontrollrechtliche Instrumente einsetzen können, um den beteiligten Unternehmen ein Verhalten vorzuschreiben, das über die Mindestanforderungen des Datenschutzrechts hinausgeht.
I. Besorgnisse um den Datenschutz im Zusammenhang mit Zusammenschlüssen Vorweg gilt es zu klären, was spezifische Besorgnisse im Hinblick auf den Datenschutz bei Zusammenschlüssen sind, was also eine mögliche Schadenstheorie begründen könnte. Anders als bei der Frage der Durchsetzung bestehenden Daten1267 Vgl. die Statistik unter http://ec.europa.eu/competition/mergers/statistics.pdf, unter III. First Phase Decisions und V. Second Phase Decisions. Demnach sind zwischen September 1990 und März 2021 von 7.170 in Phase I freigegeben Zusammenschlüssen 334 nach Verpflichtungszusagen freigegeben worden. Von 282 Verfahren, bei denen Phase II eingeleitet wurde, endeten gar 140 gegen mit einer Verpflichtungszusagen-Entscheidung. 1268 Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2, 8 Abs. 2 UAbs. 2 AEUV, § 40 Abs. 3 S. 1 GWB. Vgl. Whish/ Bailey, Competition Law, 9. Aufl. 2018, S. 929.
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schutzrechts im Wege der Zusammenschlusskontrolle ist hier kein bestimmtes Schutzniveau durch den Gesetzgeber vorgegeben, das als Rahmen der Kartellrechtsanwendung herhalten könnte. Daher muss im Einzelfall dargelegt werden, worin der mögliche Schaden durch den Zusammenschluss liegt. Speziell im Hinblick auf den Datenschutz lassen sich zwei Theorien vertreten. Beide gründen darauf, dass durch den Zusammenschluss eine Kombination der Datenbestände der zuvor unabhängigen Unternehmen bewirkt wird. Das könnte zum einen zu einer Verbesserung des Profiling durch die fusionierte Einheit führen. (Potenzielle) Kunden könnten dann (noch) zielgerichteter angesprochen werden.1269 Die zweite Besorgnis betrifft hingegen die Verschlechterung der Datensicherheit: Die Kombination der Datenbestände erleichtert den Diebstahl größerer Mengen an Daten und macht einen solchen damit wahrscheinlicher. Außerdem würde ein solcher Diebstahl eine größere Zahl von privaten Nutzern betreffen.1270 Diese Besorgnisse sind allein durch den Datenschutz motiviert. Eine wettbewerbliche Ratio liegt ihnen nicht zugrunde. Es gilt daher zu untersuchen, inwieweit derartige Erwägungen in der Zusammenschlusskontrolle Berücksichtigung finden können.
II. Zusammenschlusskontrolle allgemein 1. Direkte Berücksichtigung von Datenschutzbelangen Nach einer Ansicht in der Literatur haben die Europäische Kommission und die mitgliedstaatlichen Kartellbehörden bei der Zusammenschlusskontrolle auch Besorgnisse um eine Verschlechterung des Datenschutzes durch die Kombination von Datenbeständen als Resultat eines Zusammenschlusses zu berücksichtigen. Begründet wird dies mit der grundrechtlichen Verpflichtung zum Schutz personenbezogener Daten, namentlich aus dem Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz nach Art. 8 Abs. 1 GR-Charta.1271 Nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta sind die in der Charta verbürgten Grundrechte von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zu berücksichtigen; von den Mitgliedstaaten hingegen ausschließlich bei der Anwendung des Unionsrechts. Auch wenn Art. 8 Abs. 1 GR-Charta damit nicht auf die Zusammenschlusskontrolle durch das Bundeskartellamt anzuwenden ist, so ließe sich doch ein entsprechendes Argument bilden aus der Verpflichtung des Bundeskartellamts, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Grundrecht im Rahmen seiner 1269
Kimmel/Kestenbaum, Antitrust 29 (2014), 48, 50. Kimmel/Kestenbaum, Antitrust 29 (2014), 48, 50. 1271 Costa-Cabral/Lynskey, C.M.L.R. 54 (2017), 11, 38 – 49; Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 339 f., 343 – 345; Holzweber, NZKart 2016, 104, 107. 1270
§ 6 Setzung strengerer Datenschutz-Standards
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Rechtsanwendung zu berücksichtigen (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Abs. 3 GG). Das gleiche soll schließlich auch aus dem Kohärenzprinzip des Art. 7 AEUV in Verbindung mit Art. 16 AEUV folgen.1272 Demnach haben die Organe der Union die Verbürgung des Datenschutzes in Art. 16 AEUV bei ihrer Politik und bei den ergriffenen Maßnahmen (zu denen auch Maßnahmen in Fusionskontrollverfahren zählen) zu berücksichtigen. Solche Forderungen überzeugen nicht. Sie widersprechen der klaren gesetzlichen Anordnung der Berücksichtigungsfähigkeit bestimmter abschließend aufgezählter Belange bei der Zusammenschlusskontrolle gemäß Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 FKVO1273; Belange des Datenschutzes – allgemein: nicht-wettbewerbliche Belange – finden sich dort nicht.1274 Das liegt daran, dass durch einen Zusammenschluss eine Vielzahl von Interessen – der beteiligten Unternehmen selbst, von Investoren, Lieferanten, Abnehmern, Wettbewerbern, Arbeitnehmern, Verbrauchern und so weiter – berührt sein kann. Es ist daher zuvörderst Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche dieser Interessen bei der Kontrolle eines Zusammenschlusses erheblich sind. Art. 2 Abs. 1 UAbs. 2 FKVO zeigt eine klare Entscheidung zugunsten der Berücksichtigungsfähigkeit allein wettbewerblicher Erwägungen. Das zeigt sich letztlich auch daran, dass
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Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 339. Dieser lautet: „Bei dieser Prüfung berücksichtigt die Kommission: a) die Notwendigkeit, im Gemeinsamen Markt wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und zu entwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Struktur aller betroffenen Märkte und den tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb durch innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft ansässige Unternehmen; b) die Marktstellung sowie die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten Unternehmen, die Wahlmöglichkeiten der Lieferanten und Abnehmer, ihren Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, rechtliche oder tatsächliche Marktzutrittsschranken, die Entwicklung des Angebots und der Nachfrage bei den jeweiligen Erzeugnissen und Dienstleistungen, die Interessen der Zwischen- und Endverbraucher sowie die Entwicklung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts, sofern diese dem Verbraucher dient und den Wettbewerb nicht behindert.“ Eine entsprechende Aufzählung im GWB fehlt; in der deutschen Zusammenschlusskontrolle sind jedoch die gleichen Kriterien maßgeblich, was sich auch an der Übernahme des SIEC-Tests durch die 8. GWB-Novelle zeigt. 1274 Vgl. speziell zum Kriterium „Interessen der Zwischen- und Endverbraucher“ Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, Art. 2 FKVO, Rn. 333: „Den Interessen der Zwischen- und Endverbraucher, z. B. an günstigen Preisen, Kosten- und Preisstabilität, hoher Produktauswahl und -qualität und flächendeckender Versorgung, wird am Besten [sic!] durch die Aufrechterhaltung funktionsfähigen Wettbewerbs entsprochen. Führt die Fusionskontrolle zur Erhaltung wettbewerblicher Marktstrukturen, so kommen diese Wirkungen des Wettbewerbs den Verbrauchern zugute. Die Einführung außerwettbewerblicher Gesichtspunkte auf der Grundlage dieses Merkmals sollte daher ausgeschlossen sein.“ (Hervorhebung im Original). 1273
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Art. 21 Abs. 4 FKVO1275 unter engen Voraussetzungen den „Schutz anderer berechtigter Interessen“ durch die Mitgliedstaaten erlaubt. Die Existenz dieser Ausnahmeregelung bestätigt, dass diese „anderen berechtigten Interessen“ im Verfahren der Zusammenschlusskontrolle vor der Kommission irrelevant sind.1276 Der Datenschutz als solcher ist damit kein berücksichtigungsfähiger Belang im Rahmen der Prüfung nach den Maßstäben des SIEC-Tests. 2. Indirekte Berücksichtigung von Datenschutzbelangen Damit verbleibt die Frage, ob die Zusammenschlusskontrolle geeignet ist, zumindest mittelbar zu einem besseren Schutz personenbezogener Daten beizutragen. a) Datenschutz als Wettbewerbsparameter: Entscheidungspraxis Ein möglicher Ausgangspunkt kann die bereits an anderer Stelle getroffene Feststellung sein, dass der von einem Unternehmen praktizierte Datenschutz unter gewissen Umständen ein Wettbewerbsfaktor ist.1277 Das wird durch die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission in Zusammenschlusskontrollverfahren unterstrichen.1278 aa) TomTom/Tele Atlas Als erstes fand sich diese Erwägung in der Entscheidung TomTom/Tele Atlas von 20081279, auch wenn dieser Fall noch nicht den Schutz personenbezogener Daten betraf; hier ging es um Daten ohne Personenbezug. TomTom, Hersteller tragbarer Navigationsgeräte und Anbieter von Navigationssoftware, erwarb Tele Atlas, das einer der beiden Hauptanbieter von digitalem Kartenmaterial in Europa und Nordamerika war. Die Kommission gab den Zusammenschluss frei, da es zum einen den Parteien trotz der Möglichkeit zur Marktabschottung nach den Feststellungen der Kommission an Anreizen hierzu fehlte.1280 Als weitere mögliche nichtkoordinierte Wirkung des Zusammenschlusses wurde der möglicherweise verbesserte Zugang zu vertraulichen Unternehmensdaten be1275 Eine Parallelvorschrift bei der deutschen Zusammenschlusskontrolle fehlt. Hierzu noch einmal vertieft u. § 6.A.III.2. (S. 282). 1276 Zu Art. 21 Abs. 4 FKVO s. u. § 6.A.III.1. (S. 278 – 282). 1277 S. o. § 5.C.I.2.a)aa)(4) (S. 97 – 100). 1278 Zum US-Recht Tucker, The Proper Role of Privacy in Merger Review, CPI Antitrust Chronicle 2015, S. 4 – 7. 1279 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854. 1280 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854, Rn. 190 – 230.
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trachtet.1281 Konkurrenten von TomTom befürchteten, dass vertrauliche Daten, die sie bisher mit Tele Atlas geteilt hatten, zukünftig an ihren Wettbewerber weitergeleitet werden könnten. Durch diese Daten (über Preisverhandlungen, die Einbindung und Entwicklung zusätzlicher Funktionen sowie über technische Hilfestellungen1282) hätte TomTom den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt für tragbare Navigationsgeräte beeinflussen können.1283 Demgegenüber stellte die Kommission jedoch fest, dass die am Zusammenschluss Beteiligten hinreichende Anreize hätten, die Daten zu schützen und eine Offenlegung an TomTom zu vermeiden, da sie anderenfalls mit einem Abwandern dieser Kunden zum wichtigsten Konkurrenten von Tele Atlas, NAVTEQ, zu rechnen hätten.1284 Damit war der Schutz dieser vertraulichen Unternehmensdaten als Faktor im Wettbewerb im nachgelagerten Markt anerkannt:1285 The market investigation showed that in this case confidentiality concerns can be considered as similar to product degradation in that the perceived value of the map for PND1286 manufacturers would be lower if they feared that their confidential information could be revealed to TomTom. As a consequence, Tele Atlas’s map database could be perceived as relatively less valuable than NAVTEQ’s map database. Confidentiality concerns could thus lead Tele Atlas’s customers to consider switching to NAVTEQ.1287
Die Entscheidung betraf nur Unternehmensdaten. Mit ihr war jedoch ein erster Schritt getan, zeigt sie doch, dass der Schutz immaterieller Güter wie Daten für die Marktgegenseite einen ebenso wichtigen Stellenwert haben kann wie andere Qualitätsmerkmale und letztlich auch der Preis. bb) Facebook/WhatsApp Den nächsten Schritt vollzog die Kommission in der Entscheidung Facebook/ WhatsApp 20141288. Hier betrachtete sie, unter anderem, den Markt für Endkundenkommunikationsdienste, auf dem der Wettbewerb vor allem durch die Funk1281 Vgl. Europäische Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2008 C 265, 6, Rn. 78. 1282 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854, Rn. 258 – 271. 1283 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854, Rn. 253. 1284 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854, Rn. 272 – 276. 1285 Wasastjerna, ECJ 14 (2018), 417, 425. 1286 Portable Navigation Devices. 1287 Europäische Kommission, Entsch. v. 14. 05. 2008, TomTom/Tele Atlas, COMP/M.4854, Rn. 274. 1288 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217.
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tionalitäten sowie das zugrundeliegende Netzwerk (im Hinblick auf direkte Netzwerkeffekte) betrieben würde.1289 Letzteres folgt auch aus der Entscheidung Microsoft/Skype von 2011, wonach bei kostenlosen Angeboten andere Elemente eines Dienstes, insbesondere die Qualität, eine wichtige Rolle erhielten.1290 In Facebook/WhatsApp entschied die Kommission, dass im Hinblick auf die Funktionalität neben der Verlässlichkeit vor allem der Datenschutz und die Datensicherheit wichtig seien: The functionalities offered are at the heart of the consumer communications apps’ value proposition to customers and their improvement in order to gain the largest user base is a key innovation driver. In this regard, according to the market investigation, important areas of improvement include: (i) reliability of the communications service, which has a direct impact on the service’s reputation and its appeal to users; and (ii) privacy and security, the importance of which varies from user to user but which are becoming increasingly valued, as shown by the introduction of consumer communications apps specifically addressing privacy and security issues and by WhatsApp’s plan to introduce […].1291
Dementsprechend wurde sodann auch festgestellt, dass die Zusammenschlussbeteiligten auf dem Markt für Endkundenkommunikationsdienste jedenfalls keine engen Wettbewerber seien, weil WhatsApp, anders als Facebook, keine Daten für Werbezwecke sammelte.1292 Das von den beiden Unternehmen angewandte Maß an Datenschutz war demnach ausreichend differenziert. cc) Microsoft/LinkedIn Die Relevanz des Datenschutzes als Wettbewerbsparameter wurde schließlich auch in der Entscheidung Microsoft/LinkedIn 2016 bestätigt.1293 Die Kommission befasste sich unter anderem mit einer möglichen Marktabschottung zum Nachteil der mit LinkedIn auf dem Markt für professionelle soziale Netzwerke konkurrierenden Anbieter durch eine Hebelwirkung von Microsofts Marktstellung auf dem Markt für PC-Betriebssysteme (Windows) und dem Markt für Produktivitätssoftware
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Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 86 f. 1290 Europäische Kommission, Entsch. v. 07. 10. 2011, Microsoft/Skype, COMP/M.6281, Rn. 81. 1291 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 87. 1292 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 102. Weitere Unterschiede zwischen den beteiligten Unternehmen betrafen die unterschiedlichen Arten der Identifikation (Telefonnummer einerseits, Facebook ID andererseits), die Quellen der Kontakte (Telefonbuch einerseits, Facebook-Kontakte andererseits), die Nutzererfahrung und die Intensität der Nutzung. 1293 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124.
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(Microsoft Office).1294 Nach der Feststellung, dass sowohl die Möglichkeit als auch Anreize zur Abschottung bestünden, prüfte die Kommission die Auswirkungen auf den wirksamen Wettbewerb.1295 Da (wie auch bei privaten) bei professionellen sozialen Netzwerken starke direkte Netzwerkeffekte wirken, drohe ein Tipping des Marktes. Dieses werde auch nicht durch andere Charakteristika des Marktes verhindert: Zum einen betrieben die Nutzer dieser Netzwerke kein Multi-Homing, weil die Pflege eines Profils aufwändig sei. Zum anderen sei auch potenzieller Wettbewerb unwahrscheinlich, da ein Markteintritt mit hohem Aufwand verbunden sei.1296 Im Hinblick auf die endgültige Bewertung der Einschränkung des Wettbewerbs maß die Kommission der Wahlfreiheit der Nutzer insbesondere im Hinblick auf Anbieter mit verschieden „gutem“ Datenschutz maßgebliche Bedeutung bei: (348) As regards the ultimate impact on consumers and choice, the Commission notes the following. Should the market for PSN1297 services reach such „tipping point“, LinkedIn’s platform would remain the only PSN service provider in the EEA today and potentially in the coming years. The possible detrimental effect on consumers would be twofold. (349) First, this would entail a substantial reduction of consumer choice, as LinkedIn’s platform would remain the only PSN service provider available to users in the EEA, with no or limited prospects of entry by new PSN service providers. (350) Second, to the extent that these foreclosure effects would lead to the marginalisation of an existing competitor which offers a greater degree of privacy protection to users than LinkedIn (or make the entry of any such competitor more difficult), the Transaction would also restrict consumer choice in relation to this important parameter of competition when choosing a PSN. By way of example, the results of the Commission’s investigation revealed that, today, in Germany and Austria, Xing seems to offer a greater degree of privacy protection than LinkedIn. For instance, during the registration process, XING asks users to actively accept XING’s privacy policy and Terms & Conditions by ticking a box, whereas LinkedIn users accept LinkedIn’s privacy policy automatically when they press the button „join now“. Moreover, when XING introduces new services which have an implication on how it collects and/or uses its members’ data, it explicitly seeks active consent from the members. In addition, regardless of whether members give their consent in such specific cases or not, they will be able to continue to use XING as such without losing any of the functions to which they previously had access. In contrast, when LinkedIn makes changes to its collection, storing, processing or usage of personal data, LinkedIn only informs the
1294 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 278 – 352. 1295 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 338 – 350. 1296 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 339 – 347. 1297 Professional Social Network.
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members of those changes and considers that LinkedIn members agree with those changes, if they continue to use LinkedIn’s services after they have been notified of the changes.1298
Die Kommission macht es zum entscheidenden Kriterium, ob durch den Zusammenschluss die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher eingeschränkt werden. Bemerkenswert ist jedoch: Als anscheinend wichtigsten Gesichtspunkt für die Verbraucherentscheidung wird das von einer Plattform angebotene Datenschutzniveau gewertet, welches beim Konkurrenten XING, verglichen mit LinkedIn, besonders hoch gewesen sei. Das Datenschutzniveau als wesentlicher Wettbewerbsfaktor drohte dabei abgesenkt zu werden.1299 Die Entscheidung macht aber auch deutlich, dass die Kommission sich bemüht, im Einzelfall aufzuzeigen, inwieweit Wettbewerb auf der Grundlage des Datenschutzes stattfindet. Ein anderes Ergebnis kann daher möglich sein auf Märkten, auf denen andere Aspekte der Angebotsqualität eine deutlich wichtigere Rolle spielen bei der Verbraucherentscheidung.1300 Beispielsweise sind zwei Anbieter mit gleich „gutem“ oder „schlechtem“ Datenschutz aus Sicht der Nutzer nicht austauschbar, wenn die Größe der Plattformen sich stark unterscheidet und deshalb nur bei der einen starke direkte Netzwerkeffekte wirken.1301 b) Qualitätswettbewerb um Datenschutz Nach der Entscheidungspraxis der Kommission sowie der ganz überwiegend positiven Aufnahme dieser Praxis in der Literatur dürfte es damit als gesichert gelten, dass Datenschutz eine Dimension des Qualitätswettbewerbs ist, in manchen Branchen gar die entscheidende. Doch wie lassen sich drohende Verschlechterungen des Qualitätswettbewerbs feststellen? Es ist schließlich ungleich schwerer, Veränderungen in der Qualität zu bewerten statt Preiserhöhungen, bei denen auf quantitative Methoden zurückgegriffen werden kann.1302 Hier zeigt die soeben zitierte Stelle aus Microsoft/LinkedIn1303 eine bedeutende Grenze auf. Geschützt wird die Wahlfreiheit der Verbraucher. Der Qualitätswettbewerb, also der Wettbewerb darum, den Verbrauchern ein möglichst attraktives Angebot zu machen, soll geschützt werden. Hingegen ist es nicht möglich, die betroffenen Unternehmen zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten. Die Auf1298 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 348 – 350. 1299 Vgl. Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 167; Laitenberger, EU Competition Law in Innovation and Digital Markets (Rede vom 10. 10. 2017), S. 9 f. Kritisch Llanos, ECJ 15 (2019), 225, 250 f. 1300 Graef/Clifford/Valcke, Int’l. Data Privacy L. 8 (2018), 200, 214 f. Ähnlich wohl MariniBalestra/Tremolada, ECLR 38 (2017), 337, 341. 1301 Esayas, ECLR 40 (2019), 166, 172 f. 1302 Wasastjerna, ECJ 14 (2018), 417, 433 f. 1303 Namentlich Rn. 350.
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gabe der Zusammenschlusskontrolle kann also in diesem Bereich nur darin liegen, dass die Wahlmöglichkeiten auch nach dem Zusammenschluss erhalten bleiben. Es ist daher erforderlich, im Einzelfall darzulegen, dass durch den Zusammenschluss die Wahlmöglichkeiten der Nutzer – namentlich im Hinblick auf den Datenschutz – verengt werden. Wenn dieser Nachweis gelingt, so ist gleichsam nachgewiesen, dass die Wettbewerbsintensität durch das Ausscheiden dieses Faktors gesenkt wird. Dabei kommen vor allem zwei Möglichkeiten in Betracht, wie die Wahlmöglichkeiten bezüglich des Datenschutzes verringert werden können. aa) Verringerung der Wahlmöglichkeiten durch Marginalisierung eines Wettbewerbers Die erste Möglichkeit von verengten Wahlmöglichkeiten der Nutzer zeigt Microsoft/LinkedIn auf. Durch den Zusammenschluss drohte der Markt abgeschottet zu werden, wodurch die Konkurrenten von LinkedIn aus dem Markt gedrängt zu werden drohten (oder potenzielle Konkurrenten vom Markteintritt abgehalten werden konnten), die sich durch eine strengere Datenschutzerklärung gebunden hatten.1304 In Deutschland und Österreich war dies insbesondere XING.1305 Durch das Ausscheiden beziehungsweise den unterbliebenen Markteintritt drohten sich die Wahlmöglichkeiten der Nutzer allein auf LinkedIn zu verengen. Die Kommission betonte im Besonderen, dass es sich nicht nur um eine Verringerung der Wahlmöglichkeiten allgemein, sondern gerade im Hinblick auf den Datenschutz handelte.1306 Dementsprechend wurde der Zusammenschluss nur gegen Verpflichtungszusagen freigegeben, die zum einen sowohl die Integration von LinkedIn in Microsoft Office (insbesondere das E-Mail-Programm Outlook) und die Verweigerung des Zugangs zu APIs1307 verhindern (Integration Commitments). Zum anderen sollte eine Vorinstallation von LinkedIn auf Microsoft-Computern ausgeschlossen werden (Preinstallation Commitments).1308 Hierdurch sollte die Marktabschottung zum Nachteil anderer Anbieter professioneller sozialer Netzwerke verhindert werden.
1304
Zur Bedeutung eines solchen Mavericks für den Wettbewerb, EuGH, Urt. v. 06. 10. 2015, Post Danmark II, Rs. C-23/14, ECLI:EU:C:2015:651, Rn. 60; Mohr, ORDO 69 (2018), 259, 277. 1305 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 350. 1306 Die Herausstellung des Datenschutzes gegenüber allen anderen Kriterien des Qualitätswettbewerbs mag verwundern, Marini-Balestra/Tremolada, ECLR 38 (2017), 337, 341. 1307 Die Abkürzung API (Application Programming Interface) bezeichnet Programmierschnittstellen, dies es Entwicklern erlauben, Anwendungen für ein Softwaresystem zu entwickeln. 1308 Europäische Kommission, Entsch. v. 06. 12. 2016, Microsoft/LinkedIn, COMP/M.8124, Rn. 407 – 469 sowie Annex I zu der Entscheidung.
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bb) Verringerung der Wahlmöglichkeiten durch Zukauf eines Wettbewerbers mit „besserem“ Datenschutz Eine weitere Implikation der Bewertung des Datenschutzes als Mittel des Qualitätswettbewerbs liefert Facebook/WhatsApp, auch wenn die Kommission in der Entscheidung im Ergebnis nicht zu diesem Schluss gekommen ist. Die Kommission stellte zwar fest, dass der Datenschutz ein wesentlicher Treiber des Wettbewerbs auf dem Markt für Endkundenkommunikationsdienste sei.1309 Ebenso wurde das praktizierte Datenschutzniveau als einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Facebook (beziehungsweise dem Facebook Messenger) und WhatsApp erkannt: These differences relate to: (i) the identifiers used to access the services (phone numbers for WhatsApp, Facebook ID for Facebook Messenger); (ii) the source of the contacts (the user handset’s address book for WhatsApp, all Facebook users in Facebook Messenger); (iii) the user experience (which is richer in Facebook Messenger given the integration with the core aspects of Facebook social network); (iv) the privacy policy (contrary to WhatsApp, Facebook Messenger enables Facebook to collect data regarding its users that it uses for the purposes of its advertising activities); and (v) the intensity with which the apps are used […].1310
WhatsApp war vor dem Zusammenschluss bekannt dafür gewesen, die Daten der Nutzer besonders strikt zu schützen, vor allem verglichen mit dem Facebook Messenger.1311 Durch Kauf dieses Konkurrenten konnte Facebook einen wesentlichen Mitbewerber eliminieren, der gerade auch durch einen „besseren“ Datenschutz konkurriert hatte.1312 1309
S. o. § 6.A.II.2.a)bb) (S. 271 f.). Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 102 (Hervorhebung hinzugefügt). 1311 S. exemplarisch die dem Zusammenschluss vorausgegangene Beschwerde an die FTC von The Electronic Privacy Information Center/The Center for Digital Democracy, Complaint, Request for Investigation, Injunction, and Other Relief, in re: Whatsapp, Inc., 06. 03. 2014, abrufbar unter: https://epic.org/privacy/ftc/whatsapp/WhatsApp-Complaint.pdf: „WhatsApp built a user base based on its commitment not to collect user data for advertising revenue. Acting in reliance on WhatsApp representations, internet users provided detailed personal information to the company including private text to close friends. Facebook routinely makes use of user information for advertising purposes and has made clear that it intends to incorporate the data of WhatsApp users into the user profiling business model. The proposed acquisition will therefore violate WhatsApp users’ understanding of their exposure to online advertising and constitutes an unfair and deceptive trade practice, subject to investigation by the Federal Trade Commission.“ Hierzu auch Wasastjerna, Competition, Data and Privacy in the Digital Economy, 2020, S. 125 – 128. 1312 Vgl. auch das Beispiel bei Buiten, in: Mathis/Tor (Hrsg.), New Developments in Competition Law and Economics, 2019, S. 265, 287: „For instance, in markets with privacy sensitive consumers, a firm could take over a competitor to prevent the adoption of a technology ensuring a higher level of privacy. […] Nevertheless, these practices do not so much highlight privacy concerns as they do concerns of market power. Harm to privacy may be a result of the companies’ behaviour at the core of which is market power.“ 1310
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Nach dem Zusammenschluss verringerte sich damit der Wettbewerbsdruck auf die fusionierte Einheit spürbar. Die Kommission beurteilte dies anders und gab daher den Zusammenschluss ohne Auflagen frei. Wäre der Zusammenschluss nach der Entscheidung Microsoft/LinkedIn angemeldet worden, so wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen (oder hätte zumindest einer differenzierteren Begründung bedurft), denn dort hatte die Kommission die Bedeutung des Datenschutzes als wichtigstes Kriterium des Qualitätswettbewerbs unterstrichen. Die Beurteilung im Fall Facebook/WhatsApp beruhte auch darauf, dass eine Integration zwischen Facebook und WhatsApp nach den Angaben von Facebook wegen des technischen Aufwandes schwierig sei. Demnach konnte aus technischen Gründen aus den beiden Netzwerken nicht ein gemeinsames geschaffen werden mit entsprechend stärkeren Netzwerkeffekten. Die demnach einzig mögliche manuelle Verknüpfung müsste durch die Nutzer vorgenommen werden, von denen dies aber nicht zu erwarten sei wegen Bedenken um den Schutz ihrer persönlichen Daten, lautete das Argument von Facebook.1313 Tatsächlich war die Verknüpfung jedoch bereits ursprünglich möglich anhand einer für jedes Telefon einmaligen Identifikationsnummer, wenn auf demselben Telefon WhatsApp und Facebook installiert sind. Dadurch konnten WhatsApp- und Facebook-Konten sehr wohl von Anfang an verknüpft werden. Da auch Facebook diese Tatsache bekannt war und deshalb zumindest fahrlässig falsche Angaben in dem Zusammenschlusskontrollverfahren gemacht wurden, verhängte die Kommission ein Bußgeld.1314 Im Kern dieses formellen Verstoßes gegen die Vorschriften der FKVO lag damit auch der Vorwurf einer Verschlechterung des Datenschutzniveaus.1315
III. „Schutz anderer berechtigter Interessen“ Das Ergebnis im Hinblick auf die Berücksichtigungsfähigkeit von DatenschutzInteressen durch die Kommission und die Kartellbehörden lässt eine weitere Frage aufkommen: Haben andere Behörden, namentlich Datenschutzbehörden, die Möglichkeit, einen Zusammenschluss zu untersagen, wenn durch ihn im oben dargestellten Sinne eine Verschlechterung des Datenschutzes zu befürchten ist? 1313 Europäische Kommission, Entsch. v. 03. 10. 2014, Facebook/WhatsApp, COMP/ M.7217, Rn. 136 – 138. Es ist jedoch anzumerken, dass nach Rn. 140 der Entscheidung die Bewertung auch nicht anders ausgefallen wäre für den Fall, dass ein gewisses Maß an Integration doch möglich sei. Selbst in einem solchen Fall sollten nach Ansicht der Kommission demnach die bereits bestehenden Netzwerkeffekte nicht wesentlich verstärkt werden, weil sich die Netzwerke von WhatsApp und Facebook bereits deutlich überschnitten. 1314 Art. 14 Abs. 1 lit. a, lit. b FKVO. Vgl. Europäische Kommission, Entsch. v. 17. 05. 2017, Facebook/WhatsApp, COMP/M.8228. Ein Widerruf der Entscheidung gemäß Art. 8 Abs. 6 lit. a FKVO dürfte hingegen wohl nicht möglich gewesen sein, da die Vereinbarkeitserklärung nicht auf der unrichtigen Angabe beruhte, vgl. die vorherige Fn. 1315 Wasastjerna, ECJ 14 (2018), 417, 431.
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Die FKVO sieht in Art. 21 Abs. 4 für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit vor, „geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen [zu] treffen, welche in dieser Verordnung berücksichtigt werden, sofern diese Interessen mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind“. Dadurch sollen auch außerkartellrechtliche Interessen bei Zusammenschlüssen geschützt werden.1316 Hierbei handelt es sich um eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 21 Abs. 3 FKVO, wonach die Mitgliedstaaten ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung anwenden: Solange es sich um andere berechtigte Interessen handelt, bleibt ihnen die Anwendung ihres eigenen Rechts auf Zusammenschlüsse nicht verwehrt. Zu untersuchen ist zunächst, ob hierunter auch Befugnisse der Datenschutzbehörden fallen. 1. Art. 21 Abs. 4 FKVO a) Überblick Art. 21 Abs. 4 FKVO erlaubt es den Mitgliedstaaten, der FKVO unterfallende Zusammenschlüsse – für deren Prüfung also im Grundsatz ausschließlich die Kommission zuständig ist1317 – „zum Schutz anderer berechtigter Interessen“ zu untersagen, also solcher Interessen, die nicht bereits von der Kommission zu berücksichtigen sind.1318 Ebenfalls können die Mitgliedstaaten einen Zusammenschluss unter Bedingungen oder Auflagen freistellen. Andersherum können sie jedoch keinen von der Kommission untersagten Zusammenschluss genehmigen.1319 Als berechtigte Interessen im Sinne des Art. 21 Abs. 4 FKVO kommen zum einen die ausdrücklich dort in UAbs. 2 genannten in Betracht: die öffentliche Sicherheit, die Medienvielfalt und die Aufsichtsregeln. Ausweislich UAbs. 3 kann aber auch „jedes andere öffentliche Interesse“ ein berechtigtes sein. Im Gegensatz zu den drei benannten Interessen sind die „anderen öffentlichen Interessen“ jedoch der Kommission mitzuteilen, die sie zunächst auf die Vereinbarkeit mit den allgemeinen Grundsätzen und den sonstigen Bestimmungen des Unionsrechts prüft und anerkennen muss. Bei den drei benannten Interessen entfällt dieser Schritt. Sie werden als derart überragend wichtig angesehen, dass ihre Vereinbarkeit mit den allgemeinen Grundsätzen und den sonstigen Bestimmungen des Unionsrechts ohne weitere Prüfung unterstellt werden kann. 1316
Rn. 14. 1317
Käseberg, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 21 FKVO,
Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 FKVO. Vgl. Art. 2 Abs. 1 FKVO. 1319 Europäische Kommission, Erklärung für das Ratsprotokoll vom 19. Dezember 1989 = WuW 1990, 240, 242; Käseberg, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 21 FKVO, Rn. 17. 1318
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b) Datenschutz als weiteres unbenanntes Interesse Weitere – das heißt unbenannte – Interessen lehnte die Kommission hingegen bisher regelmäßigab.1320 Diese restriktive Anwendung beruhte allerdings nicht darauf, dass die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Interessen nicht als solche hätten anerkannt werden können, sondern vielmehr darauf, dass die vorgebrachten Interessen entweder gegen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit verstießen oder weil das vorgetragene Interesse im konkreten Fall nach Ansicht der Kommission überhaupt nicht gefährdet war.1321 Dabei handelt es sich um Fälle, die den in Art. 21 Abs. 4 UAbs. 2 FKVO benannten Interessen ähnlich sind, nämlich Zusammenschlüsse auf strategischen Sektoren.1322 In den ohnehin wenigen nach Art. 21 Abs. 4 FKVO entschiedenen Fällen1323 erkannte die Kommission lediglich im Fall Lyonnaise des Eaux/Northumbrian Water ein berechtigtes Interesse an.1324 Die französische Lyonnaise des Eaux S.A., die in der Wasserversorgung und in weiteren Zweigen der Daseinsvorsorge tätig war, beabsichtigte, die in der Wasserverteilung und Abwasserbeseitigung tätige Northumbrian Water Group plc zu erwerben.1325 Das Vereinigte Königreich stellte in diesem Verfahren einen Antrag auf Anerkennung eines anderen berechtigten Interesses im Sinne von (nunmehr) Art. 21 Abs. 4 FKVO. Dabei berief es sich auf den Water Industry Act, der einerseits die lebenswichtige Wasserversorgung sicherstellen und andererseits die Verbraucher schützen sollte. Daher war nach dem Water Industry Act bei Erreichung bestimmter Schwellenwerte eine Verweisung an die Monopolies and Mergers Commission (MMC)1326 erforderlich, die sicherzustellen hatte, dass eine ausreichende Zahl an Wettbewerbern auf dem Markt tätig ist, um die Aufgaben der Wasserversorgung ordnungsgemäß auszuüben und um geeignete Preisparameter bestimmen zu können. Die Kommission erkannte dieses Ziel an, solange die Um-
1320 Bengtsson/Carpi Badia/Kadar, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 5.293; Schild, in: Münchener Kommentar Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 21 FKVO, Rn. 64 – 74. 1321 Cook/Kerse, EC Merger Control, 5. Aufl. 2009, Rn. 9 – 042; Käseberg, in: Langen/ Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 21 FKVO, Rn. 25 f. 1322 Bengtsson/Carpi Badia/Kadar, in: Faull/Nikpay (Hrsg.), The EU Law of Competition, 3. Aufl. 2014, Rn. 5.293. 1323 Vgl. die Statistik unter http://ec.europa.eu/competition/mergers/statistics.pdf, unter VI. Other Decisions. Demnach sind zwischen 1990 und März 2021 lediglich acht Entscheidungen nach Art. 21 FKVO ergangen. 1324 Europäische Kommission, Entsch. v. 29. 03. 1995, Lyonnaise des Eaux/Northumbrian Water, IV/M.567, WuW/E EV 2309. 1325 Vgl. zum Sachverhalt die anschließende Freigabeentscheidung, Europäische Kommission, Entsch. v. 21. 12. 1995, Lyonnaise des Eaux/Northumbrian Water, IV/M.567. 1326 Die britische MMC wurde 1999 durch die Competition Commission ersetzt, die ihrerseits wiederum 2014 in die Competition and Markets Authority (CMA) aufgegangen ist.
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setzung nichtdiskriminierend erfolge und verhältnismäßig sei.1327 Anschließend erlaubte die MMC den Zusammenschluss unter Auflagen.1328 Bemerkenswert ist zum einen, dass die Kommission kein Problem darin sah, den Wettbewerb als berechtigtes Interesse anzuerkennen, obwohl Art. 21 Abs. 4 UAbs. 1 FKVO ausdrücklich bestimmt, dass durch die mitgliedstaatlichen Maßnahmen nur „andere“ berechtigte Interessen geschützt werden können als diejenigen, „welche in dieser Verordnung berücksichtigt werden“. Wettbewerbsschutz ist aber ausweislich Art. 2 Abs. 1 FKVO gerade oberstes Ziel der Zusammenschlusskontrolle. Dass die Kommission dies gleichwohl nicht problematisierte, mag an der überragend wichtigen Bedeutung der Wasserversorgung liegen,1329 ebenso wie an der Nähe zum benannten berechtigten Interesse der öffentlichen Sicherheit.1330 Als zweites ist bemerkenswert an der Entscheidung, dass die Kommission als ebenso wichtigen – und vor allem: legitimen – Schutzzweck des Water Industry Act den Verbraucherschutz erkannte.1331 Das könnte – trotz der bisher zurückhaltenden Praxis der Kommission – dafür sprechen, auch Datenschutzerwägungen als unbenannte Interessen im Sinne des Art. 21 Abs. 4 FKVO anzuerkennen. Dafür spricht auch die fundamentale Bedeutung des Datenschutzes in den Verträgen.1332 Das Verbraucher- und das Datenschutzrecht sind zwar nicht deckungsgleich, jedoch bestehen zwischen den beiden Rechtsgebieten merkliche Überschneidungen, und es ist feststellbar, dass sie sich in ihrem Anwendungsbereich zunehmend aufeinander zubewegen. So versteht Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I Nr. 56 der Verbandsklagen-RL1333 implizit datenschutzrechtliche Regelungen als verbraucherschutzrechtliche Regelungen.1334 In Deutschland sind in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11
1327 Europäische Kommission, Entsch. v. 29. 03. 1995, Lyonnaise des Eaux/Northumbrian Water, IV/M.567, WuW/E EV 2309. 1328 Vgl. Europäische Kommission, Entsch. v. 21. 12. 1995, Lyonnaise des Eaux/Northumbrian Water, IV/M.567, Rn. 8. 1329 Vgl. Cook/Kerse, EC Merger Control, 5. Aufl. 2009, Rn. 9 – 042. 1330 Vgl. auch den ähnlich gelagerten Fall Europäische Kommission, Entsch. v. 20. 12. 2006, E.ON/Endesa, COMP/M.4197, Rn. 61 f. (Sicherstellung der Energieversorgung). Hier legte die Kommission den Begriff der öffentlichen Sicherheit weit aus: „Thus, public security may be relied on only if there is a genuine and sufficiently serious threat to a fundamental interest of society.“ 1331 Käseberg, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 21 FKVO, Rn. 24. Vgl. zu den Verbraucherschutzvorschriften Chapter III des Water Industry Act, in dem unter anderem Regelungen zur Verbraucheraufklärung und Beschwerdeverfahren enthalten sind, abrufbar unter: https://www.legislation.gov.uk/ukpga/1991/56/contents. 1332 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 350. 1333 Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. 2020 L 409, 1. 1334 Uebele, GRUR 2019, 694, 702 f., noch mit Verweis auf den Vorschlag für eine Verbandsklagen-RL (COM[2018] 184 final). Hierzu auch Augenhofer, NJW 2021, 113, 115.
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UKlaG bestimmte Regelungen des Datenschutzrechts bereits als Verbraucherschutzgesetze definiert. c) Fehlende Kompetenz im Datenschutzrecht Allerdings fehlt es bislang an einer im Datenschutzrecht verankerten Kompetenz, um einen Zusammenschluss aus derartigen Gründen zu untersagen oder unter Bedingungen oder Auflagen freizustellen. Eine derartige Befugnis ist erforderlich, denn durch Art. 21 Abs. 4 FKVO allein wurden keine neuen Befugnisse begründet.1335 d) Möglichkeiten zur Schaffung einer Kompetenz Zu klären bleibt deshalb, ob es dem Unions- oder dem nationalen Gesetzgeber erlaubt ist, eine entsprechende Kompetenz im Datenschutzrecht zu schaffen. Vorbild könnte die medienrechtliche Fusionskontrolle nach § 26 RStV sein, die sich auf das benannte berechtigte Interesse der Medienvielfalt nach Art. 21 Abs. 4 UAbs. 2 FKVO stützt.1336 Art. 21 Abs. 4 FKVO stellt keine Anforderungen an die berechtigten Interessen, sodass hierunter grundsätzlich auch Belange des Datenschutzes zu fassen sein könnten. Insbesondere die Verankerung des Datenschutzes im Primärrecht stützt diese Auslegung.1337 Auch die unbenannten Interessen müssen jedoch „mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar“ sein. Das bedeutet, dass die Verfolgung der Interessen durch die Mitgliedstaaten weder eine willkürliche Diskriminierung darstellen noch den zwischenstaatlichen Handel beschränken darf und außerdem verhältnismäßig sein muss.1338 Daraus folgt die weitere Einschränkung, dass eine Untersagung eines Zusammenschlusses und die Auferlegung von Bedingungen und Auflagen nur dann möglich sind, wenn die Verschlechterung des Datenschutzniveaus unmittelbar auf dem Zusammenschluss beruht. Folgt sie hingegen nicht unmittelbar aus ihm, so sind unmittelbar datenschutzrechtliche Maßnahmen anstelle einer Untersagung mildere Mittel.1339 Eine unmittelbar aus dem Zusammenschluss folgende Verschlechterung des Datenschutzniveaus ist beispielsweise in verbesserten Möglichkeiten zum Profiling auf Grundlage des kombinierten Datenbestandes zu sehen. Eine bloß theo1335 Jungermann, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 78. EL 2013 (Werkstand 99. EL 2021), Art. 21 FKVO, Rn. 31. 1336 Vgl. Käseberg, in: Langen/Bunte (Hrsg.), Kartellrecht, 13. Aufl. 2018, Art. 21 FKVO, Rn. 21. 1337 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 350. 1338 Körber, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2020, Art. 21 FKVO, Rn. 37. 1339 Graef, EU Competition Law, Data Protection and Online Platforms, 2016, S. 351 f.
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
retische Ermöglichung datenschutzrechtswidriger Praktiken durch den Zusammenschluss würde hingegen nicht zur Untersagung genügen; hier ist allein ein Einschreiten der Datenschutzbehörden ex post möglich. Eine entsprechende Befugnis dürfte sich nur entweder in der DS-GVO schaffen lassen oder mittels eines durch diese delegierten Rechtsaktes; mitgliedstaatliches Recht außerhalb der Verordnung, das aber deren Anwendungsbereich berührt, ist ausgeschlossen. Das folgt aus dem sachlichen Anwendungsbereich gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO. 2. Deutsches Recht Im GWB fehlt eine Parallelregelung zu Art. 21 Abs. 4 FKVO. Das erklärt sich daraus, dass eine Zuständigkeitsverteilung wie in Art. 21 FKVO nicht erforderlich ist, der in Abs. 2 und Abs. 3 für Zusammenschlüsse mit unionsweiter Bedeutung die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission festlegt, wovon lediglich Abs. 4 eine Ausnahme statuiert.1340 Im Gegensatz dazu ist eine Rückübertragung hoheitlicher Gewalt auf die Mitgliedstaaten analog Art. 21 Abs. 4 FKVO im deutschen Recht überhaupt nicht nötig. Entsprechend der zuvor vorgeschlagenen Möglichkeit der Schaffung einer Kompetenz im Rahmen des Art. 21 Abs. 4 FKVO, könnte der Gesetzgeber ebenso in einem Fachgesetz einen Tatbestand für Zusammenschlüsse vorsehen, die zwar keine unionsweite Bedeutung haben, jedoch die Schwellenwerte des § 35 GWB überschreiten. Die Ministererlaubnis nach § 42 GWB eignet sich als Alternative dazu aus den bereits erörterten Gründen1341 hingegen nicht.
IV. Ergebnis Es wurden zwei mögliche aus Zusammenschlüssen stammende Gefahren für den Datenschutz identifiziert: Durch die Kombination von Datenbeständen lässt sich ein verbessertes Profiling betreiben, außerdem steigt die Gefahr eines Datendiebstahls. Derartige Verschlechterungen des Datenschutzniveaus finden jedoch wegen der streng wettbewerblichen Ausrichtung des SIEC-Tests in der Zusammenschlusskontrolle keine direkte Berücksichtigung. Indirekt werden sie jedoch zumindest insoweit relevant, als das durch die Unternehmen praktizierte Datenschutzniveau einen Wettbewerbsparameter darstellen kann. Wenn dies im Einzelfall nachgewiesen werden kann, so ist eine Verringerung der Wahlmöglichkeiten der Marktgegenseite im Hinblick auf diesen Parameter 1340
Wobei auch Art. 21 Abs. 3 UAbs. 2 FKVO als Ausnahme die Verweisung an die Mitgliedstaaten kennt. In einem solchen Fall handelt es sich aber um eine übertragene Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Kartellbehörden. 1341 S. o. § 5.C.III.2. (S. 263 f.).
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gleichbedeutend mit einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Zwei Fallgestaltungen, in denen dies geschehen könnte, wurden identifiziert. Zum einen könnte ein bekanntermaßen datenschutzfreundlicherer Wettbewerber durch den Zusammenschluss marginalisiert werden. Zum anderen sind Fälle denkbar, in denen die Konkurrenz durch diesen datenschutzfreundlicheren Wettbewerber durch dessen Zukauf ausgeschaltet wird. Weiterhin kann der Schutz personenbezogener Daten ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 21 Abs. 4 FKVO sein, zu dessen Schutz die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen können. Eine entsprechende Kompetenz zur Untersagung eines Zusammenschlusses fehlt den Datenschutzbehörden jedoch bisher.
B. Kartellverbot Ähnlich wie bei der Fusionskontrolle hat eine Förderung eines hohen Datenschutzniveaus mit den Mitteln des Kartellverbots bisher wissenschaftlich kaum Aufmerksamkeit erfahren. Mögliche Anwendungstopoi für das Kartellverbot bei der Setzung strengerer Datenschutz-Standards finden sich analog zu den Fällen beim Einsatz des Verbots für die Datenschutzrechtsdurchsetzung. Das bedeutet, dass es zum einen um Fälle geht, in denen mehrere Unternehmen absprechen, das angebotene Datenschutzniveau kollektiv zu senken. In diesen Fällen ist fraglich, ob es sich um wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV handelt. Zu dieser Fallgruppe gehören auch Konstellationen, in denen Unternehmen ihre Datenschutzbedingungen miteinander absprechen.1342 Wie gesehen, kann in diesen Fällen der Datenschutz nur dann in der Kartellrechtsanwendung Beachtung finden, wenn im konkreten Einzelfall das von den Unternehmen angewendete Datenschutzniveau einen Wettbewerbsparameter darstellt. Ist das der Fall, so sind Absprachen über das Datenschutzniveau eine Wettbewerbsbeschränkung, sodass ein Einschreiten der Kartellbehörden möglich ist. Der zweite Anwendungsfall sind Konstellationen, bei denen die Absprache der Unternehmen darauf abzielt, den Nutzern kollektiv ein höheres Datenschutzniveau anzubieten. Stellt in dem konkreten Fall der Datenschutz einen Wettbewerbsparameter dar, so sind im Grundsatz auch diese Absprachen, die auf die Verbesserung des Datenschutzniveaus zielen, vom Verbotstatbestand erfasst. In einem solchen Fall stellt sich jedoch die Frage, ob aus Gründen des Datenschutzes möglicherweise eine tatbestandsimmanente Ausnahme vom Anwendungsbereich à la Wouters vorzunehmen ist oder ob eine Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV in Betracht kommt. Die außerwettbewerblichen Belange können bei der Kartellrechtsanwendung nicht unberücksichtigt bleiben, wobei jedoch die normative Verankerung, wie gesehen, 1342
Dieses Beispiel stammt von Costa-Cabral/Lynskey, C.M.L.R. 54 (2017), 11, 31.
284
Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
unklar ist.1343 Das ergibt sich auf der Ebene des europäischen Kartellrechts auch aus dem Kohärenzprinzip des Art. 7 AEUV, das die Union zur Achtung der Kohärenz zwischen ihrer Politik und ihren Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen verpflichtet; in Art. 16 Abs. 1 AEUV wird das Grundrecht auf Datenschutz verbürgt, sodass dieses neben den anderen Grundrechten, Querschnittsklauseln und sonstigen verbindlichen Vorgaben des Primärrechts bei der Rechtsanwendung stets Beachtung finden muss. Diese Verpflichtung determiniert jedoch weder, an welcher Stelle des Kartellverbots – konkret also, ob im Verbots- oder im Freistellungstatbestand – sie zu beachten ist, noch in welchem Umfang. Vorgeschlagen wird einerseits eine Verankerung der außerwettbewerblichen Ziele im Verbotstatbestand als tatbestandsimmanente Ausnahme nach Wouters,1344 andererseits ein grundsätzlicher Vorrang des Freistellungstatbestands, sofern sich der außerwettbewerbliche Belang hierunter subsumieren lässt; ansonsten soll ebenfalls auf eine Ausnahme vom Verbotstatbestand zurückgegriffen werden.1345 Dass der Freistellungstatbestand nur beschränkt offen ist für derartige Lösungen, haben wir bereits gesehen.1346 Daher ist es de lege lata vielmehr geboten, außerwettbewerbliche Belange wie den Datenschutz a priori bereits vom Anwendungsbereich des Kartellverbots auszunehmen, wenn deren Gewicht das des Wettbewerbsschutzes im Einzelfall überwiegt. Nach dem Übergang zum System der Legalausnahme mit der KartellverfahrensVO bedeutet dies jedoch auch, dass diese Abwägung zunächst durch die betroffenen Unternehmen vorzunehmen ist und dann durch jede zuständige Kartellbehörde und jedes zuständige Gericht überprüft werden kann. Das bringt Rechtsunsicherheit mit sich, denn das Feld der potenziell zu berücksichtigenden Belange wie die Grundrechte und die Querschnittsziele ist weit. Deshalb ist es de lege ferenda sinnvoll, legislativ eine klare Unterscheidung zwischen wettbewerblichen und nichtwettbewerblichen Belangen vorzunehmen. Während erstere weiterhin nach dem Prinzip der Selbstveranlagung behandelt werden können, wäre es für die nichtwettbewerblichen Belange vorzugswürdig, wenn über diese durch eine zentrale Instanz entschieden würde. Monti schlägt dementsprechend die Erweiterung des Art. 101 AEUV um einen vierten Absatz vor, in dem der Kommission die Freistellung vom Kartellverbot für die Verfolgung außerwettbewerblicher Ziele gestattet wird.1347 Ein entsprechender Tatbestand wäre auch im deutschen Kartellrecht möglich mit einer Frei-
1343
Kokott/Dittert, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 15, 15 – 17. 1344 Roth, in: FS Mestmäcker, S. 411, 433 f. 1345 Kokott/Dittert, in: Monopolkommission (Hrsg.), Politischer Einfluss auf Wettbewerbsentscheidungen, 2015, S. 15, 17 f. 1346 S. o. § 5.C.II.4.b) (S. 256 f.). 1347 Monti, C.M.L.R. 39 (2002), 1057, 1096 – 1099.
§ 6 Setzung strengerer Datenschutz-Standards
285
stellungsbefugnis des Bundeskartellamts für Unternehmensabsprachen ohne die für Art. 101 AEUV erforderliche Zwischenstaatlichkeit.
C. Missbrauchsverbot Auch bei einseitigen Verhaltensweisen von Unternehmen ist es denkbar, diese zum Anknüpfungspunkt zu machen für die Stärkung des Datenschutzes. Anwendungsfälle sind zum Beispiel die Datensammlung eines Unternehmens, die zwar exzessiv, datenschutzrechtlich aber noch zulässig ist, sowie die Verschlechterung der Datenschutzbedingungen eines Unternehmens. Unter welchen Voraussetzungen ein datenschutzrechtswidriges Verhalten als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu werten ist, wurde bereits behandelt.1348 Die Anwendung des Missbrauchsverbots ist jedoch nicht von einem Verstoß gegen außerkartellrechtliches Recht im Sinne einer notwendigen Anwendungsvoraussetzung abhängig. Auf der Ebene des europäischen Kartellrechts ergibt sich dies auch aus der Normhierarchie, wonach das sekundärrechtliche Datenschutzrecht hierarchisch unter den primärrechtlichen Normen der Art. 101 f. AEUV steht. Die Konsequenz hieraus ist zweierlei: Zum einen bedeutet dies, dass ein datenschutzrechtswidriges Verhalten nicht auch zwangsläufig kartellrechtlich unzulässig ist.1349 Gleichzeitig folgt daraus aber auch, dass ein zwar datenschutzrechtlich zulässiges Verhalten unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem zumindest kartellrechtlich untersagt werden könnte.1350 Wie gesehen, ist der Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Belange die Interessenabwägung. Der Rechtsbruch als wesentlicher Abwägungsgesichtspunkt entfällt in der zweiten Konstellation jedoch.1351 Daher kommt den anderen Kriterien entscheidendes Gewicht zu, um über die Missbräuchlichkeit der Datenerhebung zu entscheiden. Entscheidend müssen daher die Interessen des datenverarbeitenden Unternehmens mit denen der privaten Nutzer abgewogen werden. Dafür muss bestimmt werden, in welchen Fällen die Datenerhebung ein Ausmaß annimmt, bei dem kein verhältnismäßiges Interesse des Unternehmens mehr besteht. Schwierig ist die Bestimmung, was ein „zu viel“ an erhobenen Daten im Sinne eines Ausbeutungsmissbrauchs ist, vor allem auf Plattformmärkten, auf denen die 1348
S. o. § 5.C.I.3. (S. 124 – 198). Ausführlich o. § 5.C.I.3. (S. 124 – 198). 1350 Buiten, in: Beyer et al. (Hrsg.), Privatrecht 2050 – Blick in die digitale Zukunft, 2020, S. 311, 323 (= Buiten, J. Antitrust Enforc. 2020 [Advance article], S. 9); Colangelo/Maggiolino, W. Comp. 42 (2019), 355, 372; Gebicka/Heinemann, W. Comp. 37 (2014), 149, 165. 1351 Costa-Cabral/Lynskey, The Internal and External Constraints of Data Protection on Competition Law in the EU (LSE Working Papers 25/2015), S. 18, 21; Thomas, NZKart 2017, 92, 98 (für das AGB-Recht). 1349
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Kap. 3: Datenschutz im Kartellrecht
Daten zwar in dem einen Verhältnis erhoben (Nutzerseite), aber in dem anderen genutzt werden (auf der Seite der Werbetreibenden für personalisierte Werbung). Denn dann ist nicht allein auf die Erforderlichkeit der Erhebung im Verhältnis zum Nutzer abzustellen, da dessen Nutzung durch die andere Marktseite quersubventioniert wird. Vielmehr ist auch die legitime Quersubventionierung über beide Plattformseiten hinweg zu berücksichtigen. Das bedingt es, dass drei Verhältnisse in die Interessenabwägung einzustellen sind: (1) Nutzer und Plattformbetreiber; (2) Nutzer und Werbetreibender; (3) Plattformbetreiber und Werbetreibender. Die Datenerhebung ist insoweit mittelbar auch im Interesse der Nutzer, die für den Dienst sonst ein Entgelt zahlen müssten oder für die er sonst weniger passend personalisiert angeboten werden könnte.1352 Es sind auch noch weitere berechtigte Interessen einzustellen, wie etwa die von Inhalteanbietern auf der Plattform. Da damit eine trennscharfe Unterscheidung darüber, was eine Ausbeutung der Nutzer darstellt und was nicht, schwierig wird, sollte sich in diesem Bereich möglicherweise die Akzentuierung der Missbrauchsaufsicht von der Kontrolle ausbeuterischen Verhaltens hin zu einer Überprüfung der wettbewerberbehindernden Wirkung der Praxis verschieben. Dann ist der entscheidende Gesichtspunkt die Frage, ob es Wettbewerbern gelingen kann, das Verhalten des Marktbeherrschers nachzuahmen, und ob das marktbeherrschende Unternehmen durch die Praxis seine Marktmacht auf angrenzende Märkte ausdehnen kann.
1352
Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 181.
Kapitel 4
Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit § 7 Überblick über die 10. GWB-Novelle Die 10. GWB-Novelle1 erhebt schon ihrem Titel nach unter anderem den Anspruch, ein „digitales Wettbewerbsrecht 4.0“ zu schaffen. Damit sollen zum einen die Empfehlungen der Kommission Wettbewerbsrecht 4.02 umgesetzt werden. Zum anderen dient die Novelle der Umsetzung der ECN-Plus-RL.3 In der Novelle wurde eine Vielzahl an Regelungskomplexen des GWB geändert. Neben einer Anpassung der Missbrauchsaufsicht an digitale Sachverhalte und der bereits genannten Umsetzung der Richtlinie ergaben sich unter anderem Änderungen bei der Fusionskontrolle, des Kartellschadensersatz-, des Kartellverfahrens- und des Kartellordnungswidrigkeitsrechts. Die folgenden Ausführungen sollen sich hingegen allein auf eine Darstellung und kritische Einordnung der Änderungen in der Missbrauchsaufsicht beschränken, insoweit sich Änderungen zu den in dieser Arbeit behandelten Problemfeldern ergeben.
1 Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz), BGBl. I 2021, 2. Vgl. auch Bundesregierung, RegE, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz), BT-Drs. 19/23492 (im Folgenden RegE 10. GWB-Novelle genannt), sowie Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, RefE, Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 (GWB-Digitalisierungsgesetz), abrufbar unter: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Down loads/G/gwb-digitalisierungsgesetz-referentenentwurf.pdf. 2 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bericht der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, September 2019. 3 Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, ABl. 2019 L 11, 3.
288
Kap. 4: Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
A. Präzisierung bei der Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung und Datenzugangsanspruch im Rahmen der Missbrauchsprüfung In § 18 Abs. 3b GWB wurde das Kriterium der sogenannten Intermediationsmacht eingeführt, welches bei der Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung angewandt werden soll: Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens, das als Vermittler auf mehrseitigen Märkten tätig ist, ist insbesondere auch die Bedeutung der von ihm erbrachten Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten zu berücksichtigen.
Außerdem ist das Kriterium des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten nicht mehr nur in § 18 Abs. 3a GWB für mehrseitige Märkte und Netzwerke anwendbar, sondern nach § 18 Abs. 3 Nr. 3 GWB für alle Wirtschaftsbereiche. Dadurch soll klargestellt werden, dass der Datenzugang für alle Wirtschaftsbereiche von Bedeutung sein kann, nicht nur auf Digitalmärkten.4 Beide Änderungen haben – wie auch die Einführung von § 18 Abs. 3a GWB in der 9. GWB-Novelle – keine konstitutive Wirkung bei der Bestimmung der Marktstellung eines Unternehmens, denn bereits nach dem alten Recht waren die Listen in § 18 Abs. 3 und Abs. 3a GWB nicht abschließend („insbesondere“), sodass auch weitere Kriterien wie eben die Intermediationsmacht und der Datenzugang Eingang in die Bewertung finden können. Andererseits schadet die Aufnahme jedoch auch nicht, kann vielmehr möglichen Fehlentwicklungen in der Rechtsanwendung vorbeugen, die diese Kriterien anderenfalls möglicherweise nicht berücksichtigt oder falsch gewichtet. Eine tatsächliche Neuerung ergibt sich mit der Neufassung des Tatbestands der Zugangsverweigerung zu Infrastruktureinrichtungen nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB. Dieser lautet nunmehr: Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen […] 4. sich weigert, ein anderes Unternehmen gegen angemessenes Entgelt mit einer solchen Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren, und die Belieferung oder die Gewährung des Zugangs objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein und die Verweigerung den wirksamen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten droht, es sei denn die Lieferverweigerung ist sachlich gerechtfertigt […]
Damit soll die essential facility-Doktrin auch für den Datenzugang geöffnet werden, was unter dem bisherigen Tatbestand, ebenso wie bei Anwendung des
4
RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 67.
§ 7 Überblick über die 10. GWB-Novelle
289
Art. 102 AEUV mit gewichtigen Argumenten bestritten wurde.5 Sofern sich der Datenzugang allerdings auf personenbezogene Daten bezieht, soll es nach der Gesetzesbegründung der Einwilligung der betroffenen Personen bedürfen, da mit dem Tatbestand kein zusätzlicher Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung neben Art. 6 DS-GVO geschaffen werden soll.6
B. „Klarstellung“ zum Kriterium des Zusammenhangs in § 19 Abs. 1 GWB Auch die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB erfuhr eine Änderung: Statt wie bisher die „missbräuchliche Ausnutzung“ einer marktbeherrschenden Stellung ist zukünftig der „Missbrauch“ verboten. Der Gesetzgeber sieht sich zu dieser „Klarstellung“7 aufgrund der Facebook-Entscheidung des OLG Düsseldorf und der oben dargestellten kontroversen Diskussion um dieses Tatbestandsmerkmal in Zusammenhang mit dem Facebook-Verfahren gezwungen. Das OLG Düsseldorf hatte die Generalklausel so interpretiert, dass beim Ausbeutungsmissbrauch eine strenge Kausalität zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem missbräuchlichen Verhalten zu fordern sei.8 Durch die Änderung soll „klargestellt“ werden, dass Ergebniskausalität (in der vorliegenden Arbeit „Zusammenhang“ genannt) genüge.9 Das erfordere das „Gesetzesziel des Schutzes vor Fremdbestimmung“.10 Mit der Änderung weicht die Formulierung des deutschen Missbrauchsverbots von der des Art. 102 AEUV ab, was dem Trend zunehmender Konvergenz11 entge-
5 S. o. Kap. 3 Fn. 361. Der EuGH erkennt bereits zumindest einen Anspruch auf Zugang zu Immaterialgüterrechten und Informationen aus Art. 102 AEUV an, EuGH, Urt. v. 06. 04. 1995, Magill, verb. Rs. C-241/91 P und C-242/91 P; Urt. v. 29. 04. 2004, IMS Health, Rs. C-418/01. 6 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 70. 7 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 68. 8 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 08. 2019, Facebook (Eilverfahren), Az. VI-Kart 1/19 (V), NZKart 2019, 495, 499. S. o. § 5.C.I.5.b) (S. 231 – 234). 9 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 68 – 70. 10 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 68 – 70. 11 RegE, Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 15/3640, S. 75 (Auslegung im Lichte der europäischen Regeln „methodische Selbstverständlichkeit“); BGH, Urt. v. 10. 12. 2008, Subunternehmervertrag II, Az. KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1752 (Rn. 17) (bezüglich des Kartellverbots); Ackermann, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 473, 488 (Rn. 36); Roth/Ackermann, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 73. EL 2011 (Werkstand 99. EL 2021), § 1 GWB, Rn. 42 (bezüglich des Kartellverbots).
290
Kap. 4: Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
genläuft.12 Auch die Formulierung „missbräuchliche Ausnutzung“ versteht der EuGH nämlich regelmäßig bereits nicht als strenges Kausalitätserfordernis.13 Gegen die Änderung spricht jedoch vor allem und entscheidend die Erkenntnis, dass das Missbrauchsverbot hierdurch aufhören würde, Monopolprobleme zu adressieren. Die Ratio des strengen Kausalitätserfordernisses beim Ausbeutungsmissbrauch wurde bereits an anderer Stelle herausgearbeitet.14 Durch die Abschaffung würde die Funktion des Missbrauchsverbots systemwidrig erweitert werden zum Durchsetzungsinstrument außerkartellrechtlichen Rechts.15
C. Missbrauchsaufsicht unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung: „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ und Verbot bestimmter Tipping-Strategien Durch die Novelle wurde der Anwendungsbereich der Missbrauchsaufsicht über Unternehmen, die (noch) nicht marktbeherrschend sind, erheblich ausgeweitet. Der Gesetzgeber erhofft sich so namentlich, unumkehrbare Tendenzen wie das Tipping verhindern zu können. Eine wesentliche Neuerung ist § 19a GWB.16 Demnach kann das Bundeskartellamt durch eine Verfügung die „überragende marktübergreifende Bedeutung eines Unternehmens für den Wettbewerb“ feststellen. Dabei muss das Unternehmen in erheblichem Umfang auf mehrseitigen oder Netzwerk-Märkten nach § 18 Abs. 3a GWB tätig sein. Die Verfügung setzt hingegen nicht das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung voraus.17 Die Norm geht vielmehr von einer starken Kon-
12
Ebenso Kredel/Kresken, NZKart 2020, 502, 504; Monopolkommission, Policy Brief, Ausgabe 4, Januar 2020, S. 4; Paal/Kumkar, NJW 2021 809, 815; Polley/Kaup, NZKart 2020, 113, 114. Ähnlich Körber, MMR 2020, 290, 291. 13 S. o. § 5.C.I.3.c)aa) (S. 161 – 164). 14 S. o. § 5.C.I.3.c)cc) (S. 167 – 170). 15 Ebenfalls kritisch Höppner/J. M. Weber, K&R 2020, 24, 49; Körber, NZKart 2019, 633, 634 f.; Körber, MMR 2020, 290, 291; Mäger, NZKart 2020, 101, 102; Monopolkommission, Policy Brief, Ausgabe 4, Januar 2020, S. 4 f.; Nagel/Horn, ZWeR 2021, 78, 84 f.; Paal/Kumkar, NJW 2021 809, 815; Polley/Kaup, NZKart 2020, 113, 114. Umfassend zur Einordnung Bueren, ZHR 185 (2021), 556. 16 Kritisch zu der Vorschrift Körber, NZKart 2019, 633, 634. Weniger kritisch Höppner, WuW 2020, 71, 76 – 79. 17 Freilich ist eines der – nicht abschließend aufgezählten – Kriterien zur Feststellung der überragenden marktübergreifenden Stellung nach § 19a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GWB die marktbeherrschende Stellung. Kritisch allgemein zu den Kriterien Höppner/J. M. Weber, K&R 2020, 24, 28 f.
§ 7 Überblick über die 10. GWB-Novelle
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zentrationstendenz derartiger Digitalmärkte18 aus, sodass die Eingriffsschwelle herabgesetzt werden soll.19 Daneben wird nach § 19a Abs. 2 S. 3 GWB, anders als bei § 19 GWB, die Beweislast für die sachliche Rechtfertigung des missbräuchlichen Verhaltens auf das betroffene Unternehmen übertragen.20 Auf dieser Einsicht beruhen auch die Befugnisse des Bundeskartellamts nach § 19a Abs. 2 GWB. Demnach kann es Unternehmen, deren überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb es festgestellt hat, bestimmte Verhaltensweisen untersagen. Anders als bei § 19 GWB fehlt eine Generalklausel; die verbotenen Verhaltensweisen werden enumerativ aufgezählt. Diese sind überwiegend davon geprägt, dass ein besonderes Missbrauchspotenzial von auf Plattformmärkten tätigen Unternehmen besteht, wobei sich die Tatbestände teilweise mit § 19 Abs. 1 und Abs. 2 GWB überschneiden. Diese bleiben parallel anwendbar, wenn das jeweilige Unternehmen auch marktbeherrschend ist. Im Hinblick auf die Verknüpfung von datenschutz- und kartellrechtlichen Erwägungen ist § 19a Abs. 2 Nr. 4 GWB relevant. Dieser erlaubt es dem Bundeskartellamt, dem Unternehmen, dessen überragende marktübergreifende Bedeutung einmal festgestellt wurde, zu untersagen, […] durch die Verarbeitung wettbewerbsrelevanter Daten, die das Unternehmen gesammelt hat, Marktzutrittsschranken zu errichten oder spürbar zu erhöhen, oder andere Unternehmen in sonstiger Weise zu behindern, oder Geschäftsbedingungen zu fordern, die eine solche Verarbeitung zulassen, insbesondere a) die Nutzung von Diensten davon abhängig zu machen, dass Nutzer der Verarbeitung von Daten aus anderen Diensten des Unternehmens oder eines Drittanbieters zustimmen, ohne den Nutzern eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen; b) von anderen Unternehmen erhaltene wettbewerbsrelevante Daten zu anderen als für die Erbringung der eigenen Dienste gegenüber diesen Unternehmen erforderlichen Zwecken zu verarbeiten, ohne diesen Unternehmen eine ausreichende Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Umstands, des Zwecks und der Art und Weise der Verarbeitung einzuräumen […]
Die Formulierung liest sich teilweise wie eine Fortschreibung der FacebookEntscheidungen des Bundeskartellamts und des BGH.21 Die Schutzrichtung der Norm ist aber vor allem der Schutz der Wettbewerber vor Behinderungen. Hierdurch soll die Gefahr der Übertragung der auf dem Datenzugriff beruhenden marktbeherrschenden Stellung auf angrenzende Märkte begrenzt werden. Dabei erkennt der Gesetzgeber – in ausdrücklicher Anknüpfung an die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts – gerade in der Verknüpfung von Daten aus verschiedenen 18
Der Anwendungsbereich von § 19a GWB ist dabei nicht auf Digitalmärkte beschränkt, sondern erfasst mehrseitige Märkte und Plattformen jedweder Art, Franck/Peitz, J. Eur. Comp. L. & Prac. 12 (2021), 513, 515 – 517. 19 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 71. 20 Kritisch Bischke/Brack, NZG 2020, 16, 16 f. 21 Esser/Höft, in: Bien et al. (Hrsg.), Die 10. GWB-Novelle, S. 67, 77 (Rn. 252).
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Kap. 4: Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
Quellen eine besondere Gefahr.22 Anders als die auf § 19 Abs. 1 GWB gestützte Entscheidung des Bundeskartellamts, die vor allem mit der wettbewerbswidrigen Ausbeutung der Nutzer – und erst in zweiter Linie mit der Behinderung von Wettbewerbern – begründet wurde, ist die Ratio des neuen Tatbestandes allein die Verhinderung behindernder Maßnahmen.23 Auch durch die Einführung des § 20 Abs. 3a GWB soll in besonderem Maße der auf digitalen Plattformmärkten bestehende Restwettbewerb geschützt werden. Dafür wird das an Unternehmen mit überlegener Marktmacht gerichtete Verbot der unbilligen Behinderung seiner Wettbewerber nach § 20 Abs. 3 GWB erweitert. § 20 Abs. 3a GWB lautet: Eine unbillige Behinderung im Sinne von Absatz 3 Satz 1 liegt auch vor, wenn ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf einem Markt im Sinne von § 18 Absatz 3a die eigenständige Erzielung von positiven Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird.
Anders als bei § 19a GWB bedarf es nicht einer Verfügung des Bundeskartellamts, damit dieses Verbot wirkt; es greift vielmehr ipso jure. Durch dieses soll die Gefahr des Tipping auf Digitalmärkten begrenzt werden.24 Dabei wird nicht jedes Mittel verboten, das Tipping fördert, sondern nur solche Mittel, die nicht dem Leistungswettbewerb entsprechen.25 Zwar ist ein behördlicher Eingriff bereits vor Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung auf zum Tipping neigenden Märkten grundsätzlich zu begrüßen.26 Anders als der Vorschlag von Schweitzer et al.27 lässt der Regierungsentwurf jedoch konkrete Regelbeispiele für die Anwendung vermissen.28 Der Verweis auf § 20 Abs. 3 GWB mit seinen Regelbeispielen des Untereinstandspreisverkaufs und der Preis-Kosten-Schere hilft auch nicht weiter, da diese Regelbeispiele vor allem auf nicht-digitalen beziehungsweise regulierten Märkten eine Rolle spielen, auf den digitalen Märkten, auf denen § 20 Abs. 3a GWB angewendet werden kann, hingegen nicht. Auch die Begrenzung auf „nicht-leistungswettbewerbliche Mittel“ in der
22
RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 74. Kritisch zu diesem Tatbestand Esser/Höft, in: Bien et al. (Hrsg.), Die 10. GWB-Novelle, S. 67, 77 – 79 (Rn. 251 – 257); Lettl, WRP 2021, 413, 421. 24 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 80. 25 RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 80. 26 Ebenso Schweitzer et al., Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 29. 08. 2018, S. 59 – 64. 27 Schweitzer et al., Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 29. 08. 2018, S. 63. Genannt werden beispielhaft die Verhinderung von Multi-Homing und von Plattformwechseln durch wechselwillige Nutzer. 28 Körber, NZKart 2019, 633, 634 (noch zum Referentenentwurf). 23
§ 8 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit
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Entwurfsbegründung29 hilft bei der Bestimmung der konkret verbotenen Verhaltensweisen kaum weiter, da dieser Begriff seinerseits höchst unbestimmt ist.30
§ 8 Wesentliche Ergebnisse der Arbeit Das Verhältnis von Datenschutz und Kartellrecht ist vielschichtig. Eine einheitliche Antwort zur Berücksichtigungsfähigkeit von Belangen des Datenschutzes und des Datenschutzrechts in allen Feldern des Kartellrechts kann nicht gegeben werden. Zu Beginn der Arbeit wurden die begrifflichen Grundlagen für die weitere Untersuchung gelegt (§ 2)31. Eine gesetzliche Definition dessen, was Datenschutz ist, gibt es nicht. Als Grundlegung für den weiteren Aufbau der Untersuchung wurde unterschieden zwischen dem Datenschutzrecht als Gesamtheit der positiven Normen, die den Schutz personenbezogener Daten betreffen, und dem Datenschutz als solchem als darüberstehendes Schutzziel, bei dem es um den Schutz privater Informationen geht, das aber nicht normativ determiniert ist. Beim Datenschutzrecht ist zu bemerken, dass ein Wandel des Verständnisses stattfindet vom ursprünglich vorrangigen Schutz vor staatlichen Eingriffen und Überwachungsmaßnahmen hin zu einem Schutz vor allem gegen Private. Im zweiten Kapitel wurde der Stellenwert des Datenschutzes herausgearbeitet. Daten sind in vielen Rechtsverhältnissen ein gewöhnliches, handelbares Wirtschaftsgut (§ 3)32. Im Verhältnis B2C stellen sie häufig das Entgelt für eine Leistung dar und werden eingesetzt zur Verbesserung und Personalisierung des Angebots des Datenverarbeiters sowie für personalisierte Werbung. Im Verhältnis B2B sind Daten vor allem deshalb wirtschaftlich relevant, weil sie wie jeder andere Gegenstand verkauft werden und dadurch auch dafür eingesetzt werden können, um personalisierte Werbeflächen zu einem höheren Preis zu verkaufen. Mit dem Aufkommen digitaler Geschäftsmodelle gewinnt der Datenschutz zunehmend an Bedeutung (§ 4)33. Einerseits sind ganze Industrien auf große Datenmengen angewiesen. Andererseits aber entstehen hierdurch zunehmend auch Konflikte, die es mit den Mitteln des Rechts aufzulösen gilt. Zunächst ist zu beachten, dass der Schutz personenbezogener Daten sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene als Grundrecht gewährleistet ist. Das erfordert ein insgesamt hohes Schutzniveau. Auch die individuellen Interessen der privaten Nutzer sind generell auf ein Mehr an Schutz ihrer Daten gerichtet. Dazu kommt, dass die Sammlung von Daten 29
RegE 10. GWB-Novelle, BT-Drs. 19/23492, S. 80. Louven, ZWeR 2019, 154, 178; Steinberg/Wirtz, WuW 2019, 606, 609. Vgl. zu einem ähnlichen Problem bei der Marktabgrenzung o. Kap. 3 Fn. 243. 31 S. 30 – 35. 32 S. 36 – 41. 33 S. 41 – 47. 30
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Kap. 4: Zur 10. GWB-Novelle; Ergebnisse der Arbeit
Preisdiskriminierung ermöglicht. Die von den Nutzern regelmäßig erteilten Einwilligungserklärungen in die Datenverarbeitungen bilden häufig keine ausreichende Grundlage für die Datenverarbeitung, da die Nutzer hierbei nicht informiert handeln können. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ist schließlich auch erheblich, dass durch Daten Marktzutrittsschranken geschaffen werden können. Wie diese Konflikte mit den Mitteln des Rechts – vor allem denen des Kartellrechts – aufgelöst werden können, wurde im dritten Kapitel behandelt. Bei der Durchsetzung des Datenschutzrechts (unter Ausklammerung des Kartellrechts) sind auch nach Inkrafttreten der DS-GVO teils noch Lücken oder Unsicherheiten bei den Befugnissen und Rechten festzustellen (§ 5.A.)34. Das gilt sowohl für die behördliche wie für die private Rechtsdurchsetzung. Bezüglich letzterer besteht eine Berechtigung von Wettbewerbern und von Datenschutzverbänden, gegen Rechtsverstöße vorzugehen, sofern es sich um Verstöße gegen Marktverhaltensregelungen handelt. Das Instrumentarium des Kartellrechts bietet effektive Mittel, um Marktstrukturen zu beeinflussen (nämlich stärkere Sanktionsmöglichkeiten, eine bessere Ausstattung und Aktivität der Behörden sowie – mittlerweile – eine rege private Durchsetzung, § 5.B.)35, sodass Forderung nach einer stärkeren Verzahnung von Datenschutzrecht und Kartellrecht einerseits nachvollziehbar sind. Andererseits ist fraglich, ob das Kartellrecht die Inkorporation von Erwägungen des Datenschutzrechts tatsächlich ermöglicht (§ 5.C.)36. In § 5.C.I.37 wurden mögliche Ansatzpunkte zur Berücksichtigung des Datenschutzrechts bei der Missbrauchsaufsicht untersucht. Diese dient dem Schutz sowohl des Wettbewerbs als Institution als auch der Marktgegenseite des marktbeherrschenden Unternehmens. Zum unmittelbaren Schutz der Verbraucher sind die Vorschriften hingegen nicht bestimmt; ein Schaden der Verbraucher ist keine Anwendungsvoraussetzung. Jedoch vermitteln Vorschriften der Missbrauchsaufsicht insoweit Verbraucherschutz, als diese die relevante Marktgegenseite bilden. Das hat zur Folge, dass die Missbrauchsaufsicht im Ausnahmefall auch eine Marktergebniskontrolle zur Aufgabe hat. Das gilt dann, wenn der Selbstkontrollmechanismus des Marktes – in Form funktionierenden Wettbewerbs – irreparabel gestört ist. In einem solchen Fall werden durch die Ergebniskontrolle Marktmachtprobleme adressiert. Digitale Plattformen stellen die Marktabgrenzung vor teils neue Herausforderungen. Diese Plattformen sind häufig Märkte ohne eine monetäre Gegenleistung. Für den Anwendungsbereich des Kartellrechts ist vom ökonomischen Marktbegriff auszugehen, der den Markt als Ort des gegenseitigen Leistungsaustauschs beschreibt. Das führt dazu, dass auf Aufmerksamkeitsplattformen in der Regel ein
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S. 49 – 65. S. 65 – 75. S. 75 – 266. S. 76 – 251.
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Markt anzunehmen ist. Matchingplattformen haben Marktqualität, wenn es Wettbewerb um die Anwesenheit der Verbraucher gibt. Bei Matchingplattformen genügt es regelmäßig, einen einzigen Markt abzugrenzen. Aufmerksamkeitsplattformen benötigen aufgrund der stark ausgeprägten indirekten Netzwerkeffekte und der damit verbundenen asymmetrischen Austauschbeziehungen hingegen die selbständige Abgrenzung der verschiedenen Marktseiten als jeweils eigenständige Märkte. Die quantitativen Methoden der Marktabgrenzung sind auf unentgeltlichen Märkten nicht praktikabel anwendbar. Das Bedarfsmarktkonzept, auf das deshalb zurückgegriffen werden muss, muss auch berücksichtigen, dass das von den Unternehmen praktizierte Datenschutzniveau in vielen Branchen einen wichtigen Wettbewerbsfaktor darstellt. Forderungen, auf die Marktabgrenzung zu verzichten, überzeugen auch in Anbetracht der dargestellten Probleme nicht. Denn wie die vorliegende Untersuchung gezeigt hat, ist die Kausalität der marktbeherrschenden Stellung für das missbräuchliche Verhalten Anwendungsvoraussetzung des Missbrauchsverbots, sodass erstere zwingend festzustellen ist. Nicht erst seit der 9. GWB-Novelle entsteht eine Anwendungspraxis zur Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung auf Digitalmärkten. Entscheidend für die Anwendungspraxis auf Plattformmärkten ist deren Tendenz zum Tipping: Antrieb der Kartellrechtsanwendung muss hier sein, dass ein einmal eingetretenes Tipping nur noch in Ausnahmefällen aufzuhalten oder gar umzukehren ist. Daher relativiert sich die Bedeutung des Marktanteils, zumal dessen Bestimmung auf nichtmonetären Märkten Schwierigkeiten bereitet. Andere Faktoren gewinnen demgegenüber an Bedeutung, namentlich direkte und indirekte Netzwerkeffekte, Standards, Parallelnutzung und lock in-Effekte sowie der Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten. Für letzteren ist ein faktisch gesicherter Zugang notwendig. Die Wirkung des Rechts auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DS-GVO ist allenfalls als ambivalent zu bezeichnen, sowohl im Hinblick auf seine daten- und verbraucherschutzrechtliche Zielsetzung als auch auf die wettbewerbliche. Die wettbewerbliche Wirksamkeit hängt vor allem von einer regen Inanspruchnahme des Rechts durch die Betroffenen ab, die aber aktuell nicht festzustellen ist. Dazu kommt der eingeschränkte Umfang der Daten, deren Übertragung verlangt werden kann. Die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Wertungen findet vorrangig in der Prüfung der Missbräuchlichkeit des Verhaltens statt. Der Konditionenmissbrauch ist eine eigenständige Kategorie missbräuchlicher Verhaltensweisen; er ist kein Preishöhenmissbrauch und hat vielmehr Elemente ausbeuterischen Verhaltens, verknüpft mit einer Wettbewerber behindernden Wirkung. Konditionen können nach zwei Maßstäben geprüft werden, nämlich einerseits nach dem Vergleichsmarktkonzept (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB; in Art. 102 AEUV nicht speziell normiert, aber ebenso anwendbar) und nach einer normativen Betrachtung andererseits (Art. 102 UAbs. 2 lit. a AEUV; § 19 Abs. 1 GWB).
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Der Begriff der Geschäftsbedingung ist weit. Eine kontrollfähige Geschäftsbedingung ist demnach alles, was in einem Vertrag oder Vertragsbestandteil geregelt ist oder innerhalb eines bestehenden Geschäftsverhältnisses faktisch praktiziert wird. Bei der Untersuchung des Vergleichsmarktkonzepts hat sich gezeigt, dass vor allem ein zeitlicher Vergleichsmarkt Vorteile in der Rechtsanwendung bieten könnte. Abzulehnen sind Ansichten, die im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts datenschutzrechtliche Wertungen berücksichtigen und dadurch das gesetzlich zulässige Maß gleichzeitig als das kartellrechtliche Untermaß verstehen wollen. Die normative Betrachtung verlangt im deutschen Kartellrecht eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung gesetzlicher Wertungen. Nach der Rechtsprechung des EuGH braucht es für einen Verstoß gegen Art. 102 UAbs. 2 lit. a AEUV eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. In jedem Fall ist ein (Datenschutz-)Rechtsbruch durch das marktbeherrschende Unternehmen der meist entscheidende Gesichtspunkt in der Abwägung. Nur unter besonderen Umständen liegt trotz eines Rechtsbruchs kein missbräuchliches Verhalten vor. Der Verstoß muss jedoch weiterhin einen Wettbewerbsbezug aufweisen. Sollte der EuGH in der Entscheidung Allianz Hungária eine Abkehr vom Erfordernis dieses Wettbewerbsbezugs beabsichtigt haben, so wäre dies abzulehnen. Zur Bestimmung des Wettbewerbsbezugs des Verhaltens sind dessen Marktwirkungen zu betrachten. Das bedeutet, dass der Wettbewerb durch das Verhalten des Unternehmens eingeschränkt sein muss. Diese Einschränkung ist jedoch weit zu verstehen und umfasst nicht nur Sachverhalte der Wettbewerberbehinderung, sondern ebenso Fälle, in denen gegenüber den Verbrauchern das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung verschlechtert wird. Zwischen der marktbeherrschenden Stellung und dem Missbrauch muss ein Zusammenhang bestehen. Die Entscheidungspraxis des EuGH und des BGH sind nicht einheitlich. Für die meisten Formen missbräuchlichen Verhaltens genügt ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Wettbewerbsbeeinträchtigung (Ergebniskausalität); nicht erforderlich ist die strenge Kausalität der Marktstellung für das Verhalten. Anders ist dies beim Ausbeutungsmissbrauch, der eine derartige strenge Kausalität erfordert. Der Nachweis der Kausalität kann entweder negativ erfolgen, indem andere Ursachen für das Verhalten, wie zum Beispiel Informationsasymmetrien, ausgeschlossen werden. Es ist aber auch möglich, den Beweis positiv zu führen, indem nachgewiesen wird, dass das Unternehmen den gesamten Markt beherrscht und damit keine Ausweichmöglichkeiten bestehen, oder indem dessen Marktführerschaft bewiesen wird. Die Entscheidung des Bundeskartellamts in Sachen Facebook genügt diesen Maßstäben nicht vollständig. Die dogmatische Herleitung der Berücksichtigungsfähigkeit datenschutzrechtlicher Wertungen in der Entscheidung ist nicht tragfähig. Der Wettbewerbsbezug des Verhaltens wird in der Entscheidung nicht erschöpfend gewürdigt. Die Prüfung erfolgt streng akzessorisch zu einer rein datenschutzrechtlichen Würdigung. Nach Ansicht des Bundeskartellamts soll ein bloßer Zusam-
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menhang zwischen der marktbeherrschenden Stellung und den negativen Auswirkungen genügen (Ergebniskausalität). Auch die hilfsweise vorgenommene Prüfung der Kausalität ist nicht ausreichend. Aber auch der Beschluss des OLG Düsseldorf im Eilverfahren gegen die Kartellamtsentscheidung überzeugt nicht. Das OLG stellt darin überzogene Anforderungen an den Nachweis einer Ausbeutung der Nutzer. Auch die Auslegung des Kausalitätserfordernisses fällt zu streng aus. Eine Behinderung von Wettbewerbern Facebooks ist entgegen der Ansicht des OLG sehr wohl festzustellen. Die Entscheidung des BGH im einstweiligen Rechtsschutz mutet beinahe salomonisch an, denn einerseits erhält sie den Beschluss des Bundeskartellamts aufrecht; und auch die einzelnen Begründungselemente entsprechen denen des Beschlusses des Bundeskartellamts. Dabei wird jedoch die Substanz dieser Argumente zu einem erheblichen Teil ausgetauscht. Der Rechtsbruch ist – auch wenn der BGH ihm ausdrücklich eine wesentliche Rolle zuspricht – im Ergebnis nicht allein ausschlaggebend. Wichtiger ist für ihn die Sicherstellung der Wahlfreiheit der privaten Nutzer, die es verlangt, dass den Nutzern eine Auswahl zwischen (mindestens zwei) Modellen mit verschieden starker Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten überlassen wird. Aus der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Missbrauchsverbots auf Datenschutzrechtsverstöße folgt die parallele Zuständigkeit der Datenschutz- und der Kartellbehörden auch in Bußgeldverfahren für das identische Verhalten eines datenverarbeitenden Unternehmens. Die DS-GVO und die Normen des deutschen Datenschutzrechts regeln die Zuständigkeit nicht dergestalt abschließend, dass auch eine bloß mittelbare Berücksichtigung des Datenschutzrechts durch andere Behörden nicht mehr möglich wäre. Dadurch wird eine harmonische Anwendung des Datenschutzrechts jedoch nicht gefährdet. Auch das Doppelbestrafungsverbot in der Auslegung durch den EuGH und den BGH (Teerfarben) ist nicht einschlägig, da Datenschutz- und Kartellbehörden ein identisches Verhalten unter unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen haben. Dem ist jedoch die Gefahr eines over-enforcement immanent. Daher sollte das Verfahren bei den sachnäheren Datenschutzbehörden konzentriert werden. Um das wettbewerbliche Unrecht erschöpfend erfassen zu können, sollte der Katalog des Art. 83 Abs. 2 S. 2 DS-GVO erweitert werden: Geldbußen werden je nach den Umständen des Einzelfalls zusätzlich zu oder anstelle von Maßnahmen nach Artikel 58 Absatz 2 Buchstaben a bis h und j verhängt. Bei der Entscheidung über die Verhängung einer Geldbuße und über deren Betrag wird in jedem Einzelfall Folgendes gebührend berücksichtigt: […] l) die gleichzeitige Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 102 AEUV und/oder innerstaatlicher Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von marktbeherrschenden Unternehmen.
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Beim Handeln der Datenschutzbehörden ist sicherzustellen, dass dieses im Benehmen mit den Kartellbehörden stattfindet. Die Datenschutzbehörden haben umfassende Befugnisse zur Verbraucheraufklärung. Wenn diese effektiv genutzt werden, so könnten dadurch die sich gegenseitig verstärkenden Effekte der Informationsasymmetrien und des Marktversagens eingeschränkt werden, um so zu einem besseren Funktionieren der Digitalmärkte beizutragen. Im Vergleich zum Missbrauchsverbot ist das Kartellverbot weniger erforscht im Hinblick auf Ansatzpunkte für eine Berücksichtigung des Datenschutzrechts (§ 5.C.II.)38. Zwei mögliche Anwendungstopoi wurden identifiziert: Zum einen könnte die auf Unternehmensabsprachen beruhende kollektive Unterschreitung (datenschutz-)rechtlicher Vorgaben unter das Kartellverbot fallen. Diskutabel ist weiterhin in Fällen, in denen Unternehmen gemeinschaftlich (datenschutzrechtskompatible) Standards für die Datenverarbeitung festlegen, ob dies eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Kartellverbots darstellt und ob diese dann zumindest freistellungsfähig ist. Anders als das Missbrauchsverbot in der Fallgruppe des Konditionenmissbrauchs bietet das Kartellverbot keine Ansatzpunkte für die Berücksichtigung außerkartellrechtlicher Vorschriften. Daher ist eine Anwendung nur möglich, wenn das von den Unternehmen praktizierte Datenschutzniveau ein Wettbewerbsparameter ist. Im Freistellungstatbestand Art. 101 Abs. 3 AEUV, § 2 GWB ist die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben nicht berücksichtigungsfähig. Die weitgehende Trennung von Kartellverbot und Datenschutzrecht entspricht auch der Entscheidung Asnef-Equifax des EuGH. Auch in der Zusammenschlusskontrolle ist die Relevanz des DatenschutzrechtsVerstoßes weitgehend unerforscht (§ 5.C.III.)39. Eine (zu erwartende) Datenschutzrechtsverletzung durch den Zusammenschluss ist im Rahmen des streng ökonomisch ausgerichteten SIEC-Tests irrelevant. Speziell in der deutschen Zusammenschlusskontrolle wird dies durch die Existenz der Ministererlaubnis bestätigt, derer es nicht bedürfte, wären die dort aufgeführten überragenden Interessen der Allgemeinheit bereits bei der Durchführung des SIEC-Tests zu beachten. Zumindest im Rahmen der Marktabgrenzung und der Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens kann der Datenschutz jedoch, wie gezeigt, sehr wohl eine Rolle spielen. Das Datenschutzrecht stellt außerdem einen limitierenden Faktor für die Ausübung der Marktmacht der Unternehmen dar, sodass es mittelbar durchaus eine Rolle spielt. Diese ist jedoch ambivalent und hängt vor allem von der tatsächlichen Durchsetzung des Datenschutzrechts ab.
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S. 251 – 261. S. 261 – 266.
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In § 640 wurden Ansätze zur Setzung strengerer Datenschutz-Standards untersucht. In der Zusammenschlusskontrolle kann eine Berücksichtigung nur stattfinden, wenn die Qualifikation des Datenschutzes als Wettbewerbsparameter feststeht. Wenn wirksamer Wettbewerb im Hinblick auf diesen Parameter unmittelbar durch den Zusammenschluss behindert wird, kommt eine Untersagung in Betracht. Denkbar sind zum einen Fälle der Marginalisierung eines Wettbewerbers mit einem hohen Datenschutzniveau durch den Zusammenschluss, zum anderen Fälle des Zukaufs dieses Wettbewerbers. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass Datenschutzbelange als berechtigtes Interesse Art. 21 Abs. 4 FKVO unterfallen. Bisher fehlt es dafür jedoch an einer entsprechenden Kompetenz der Datenschutzbehörden im Datenschutzrecht. Im Hinblick auf das Kartellverbot könnte es sinnvoll sein, für außerwettbewerbliche Belange vom System der Legalausnahme abzurücken und teilweise zum Freistellungsmonopol der Kommission und der Kartellbehörden zurückzukehren. Dazu könnte ein neuer Absatz in Art. 101 AEUV und in § 2 GWB eingeführt werden, der es ausschließlich der Kommission beziehungsweise dem Bundeskartellamt erlaubt, Absprachen zwischen Unternehmen wegen überwiegender außerwettbewerblicher Interessen freizustellen. Beim Missbrauchsverbot kann es nicht allein entscheidend sein, ob ein Unternehmen eine große Menge an Daten erhebt, da dies aufgrund der Qualität als Plattformmarkt mittelbar auch im Interesse der Nutzer sein kann. Belange des Datenschutzes sind im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Kriterien sind aber schwer zu finden, wenn es an der normativen Verortung durch die Vorgaben des Datenschutzrechts fehlt. Daher dürfte sich in diesem Bereich die Ratio der Anwendung des Missbrauchsverbots möglicherweise verschieben von der Verhinderung der Ausbeutung der Nutzer hin zu einer Behinderung der Wettbewerber des marktbeherrschenden Unternehmens.
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S. 267 – 286.
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Sachregister 10. GWB-Novelle
287 – 293
Abstellungsverfügung 66 f. AGB 132 – AGB-Recht 130, 153 f., 188 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 57 Als-ob-Wettbewerb 77 Angebotsumstellungsflexibilität 96 f. Anzapfverbot 165 f. Art.-29-Arbeitsgruppe 197 Ausbeutungsmissbrauch 126, 129, 158 f., 169 f., 230 f., 238 – 240 Auswirkungsprinzip 178 f., 228 B2B 40 f. B2C 37 – 40, 58 Bedarfsmarktkonzept 91 f., 209 Behinderungsmissbrauch 126, 158 f., 234 f., 238 – 240, 243, 291 f. behördlicher Informationsaustausch 70, 191 – 193, 249 f. Benehmen 249 – 251 Beschwerde 229 – 236 Besondere Kategorien personenbezogener Daten 217 f., 221 Besondere Verantwortung des marktbeherrschenden Unternehmens 78 Binnenmarkt 57 f., 60, 77 f., 143 f., 147 Chicago School 41 Cookies 131, 219 Daten – als Marktzutrittsschranke 46 f. – als Wettbewerbsfaktor 153 f. – als Wirtschaftsgut 36 – 41 – Arten 38 – 40 – Bereitstellung 114 f. – Handel 40 – Sicherheit 117
Datenschutz 30 – 35 – als Schutzziel 35 – als Wettbewerbsparameter 97 – 100, 254, 270 – 274 – normativ geprägtes Begriffsverständnis 31 – 34 – Qualitätswettbewerb 274 – 277 Datenschutzbestimmungen 131 f. Datenschutz-Grundverordnung 50 f. Datenschutz-Richtlinie 50 Datenschutzrecht – als limitierender Faktor bei der Ausübung von Marktmacht 264 – 266 – Ansprüche von Wettbewerbern 55 – 61 – Aufgreifschwellen 194 – Betroffenenrechte 53 – 55 – Bußgeldrecht 51 f., 64, 192 f., 248 f. – Durchsetzungsdefizite 53, 64 f. – Harmonisierung 58 f., 177, 196 f. – Interessenabwägung 220 f., 225 – kollektiver Rechtsschutz 61 – 64 – private enforcement 53 – 65, 195 f. – public enforcement 49 – 53, 64 f., 176 – 179, 227 – Sanktionsrecht 51 – 53, 59 – 61 – Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden 176, 250 – Unternehmensbegriff 51 f., 119 – Vorfeldmaßnahmen 248 Datenübertragbarkeit 106, 113 – 120, 212, 264 – 266 Digital Markets Act 71 f., 120 Digital Services Act 71 Doppelbestrafungsverbot 179 – 191 – Begriff der Strafe 181 – 184 – Engel-Kriterien 181 – 183 – Tatidentität 184 – 187 – Verhältnismäßigkeitsgebot 191 Doppelkausalität 171 f. Drittmarktbehinderung 166 f.
Sachregister Effet utile 184 Effizienzgewinne 256 f. Einheit der Rechtsordnung 145 f. Einstweilige Maßnahmen 67 Einwilligung 43 – 45, 64, 219, 225, 227, 230 f., 245 Entgelt 38, 93 Essential facility-Doktrin 106, 288 f. Facebook 28, 97, 100, 199 – 245 – Business Tools 202 – 204 – Off-Facebook-Daten 200 – 202, 240 – On-Facebook-Daten 200 – 202, 240 Freistellung 252 – 259, 284 f. Funktionentrennung 257 Fusionskontrolle siehe Zusammenschlusskontrolle Gatekeeper 71 f., 120 Gesamtbetrachtung des Leistungsbündels 140 f. Geschäftsbedingung 131 f., 217 Gesetzesvorbehalt 44 Google 40 – AdSense 40 – AdWords 40 Grundrechte 31 f., 42, 140, 188, 215, 221, 224, 268 – Bindung Privater 243 Informationsasymmetrien 196, 226
172 f., 193 –
Kartellrecht – Bußgeldrecht 70, 182 f. – Fairness als Maßstab 146 f. – Interessenabwägung 144 – 147, 223, 242 – 244, 285 f. – private enforcement 72 f., 195 f. – public enforcement 66 – 72 – Sekundärrecht als Maßstab 142 f. – Verfahrensdauer 102 – Vergleichsmarktkonzept 130, 133 – 139, 140, 205 – Verhältnis zum Verbraucherschutz 69 f. Kausalität siehe Zusammenhang Kohärenzprinzip 268 f.
Kollisionsrecht 178 f. Konditionenmissbrauch
331
125 – 130
Lauterkeitsrecht 55 – 61 – Marktverhaltensregelung 57 f. – Rechtsbruchtatbestand 56 – 61, 153 f. Leistungswettbewerb 85 f. Lerner-Index 103 f. Lock in-Effekte 106, 109 f., 112 – 120, 212 f., 239 Marktabgrenzung 83 – 104, 208 – 211, 237 f. Marktanteil 107 – 111 Marktbegriff 84 – 89, 126 f., 208 f., 237 Marktbeherrschende Stellung 104 – 123, 163, 174, 211 – 214, 237 f. Marktortprinzip 50, 178 f. Marktstrukturmissbrauch 161 Marktwirkung 155 – 159 Marktzutrittschranken 111 – 113 Mehrebenensystem 148 f. Mehrseitige Märkte siehe Plattformmärkte Ministererlaubnis 263 f., 282 Missbrauch durch Rechtsbruch 103, 125 – 128 Multi-Homing 108 f., 112, 212 Musterfeststellungsklage 63 f. Netzwerkeffekte 227 – direkte 83 f., 97, 111 f., 212, 226 – indirekte 83 f., 90 f., 97, 108 f., 111 f., 239 f. New Competition Tool 71 Normative Betrachtung 139 – 147 Nutzerpräferenzen 42 f. Öffnungsklauseln 59, 62 f., 143, 149 One stop shop-Prinzip 52 f., 228 Plattformen 37 f. – Aufmerksamkeitsplattformen 87 – 91, 92, 108 – Matchingplattformen 88 – 91 – Plattformmärkte 37 f., 82, 83 f., 93 f., 97, 105 f., 111 – 123, 158 Politikziele 28 Preisdiskriminierung 46
332
Sachregister
Preishöhenmissbrauch 126 – 128 Prioritätenmitteilung 129 Privacy 31, 33 f., 57 – by Design 44 – Enhancing Technology 99 – Fixing 252 – Paradox 45 f., 98, 138, 173 Privatsphäre siehe Privacy Querschnittsklauseln und -ziele
Unternehmen mit überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb 290 – 292 UKlaG 61 – 63 – Unterlassungsanspruch 61 – 63 UWG siehe Lauterkeitsrecht
255
Rationale Apathie 61, 63 Rechtsbeschwerde 236 – 245 Regulierungsrecht 119 Rule of reason 253 f. Schutz anderer berechtigter Interessen 269 f., 277 – 282 Sektoruntersuchungen 69 f., 117, 150 SIEC-Test 81, 262 f., 264 Signalwirkung hoher Preise 155 f. Single Sign On-Verfahren 112 f., 203 Sitzprinzip 178 Soziale Netzwerke 91, 97, 118, 208 f., 213, 273 f. SSNIP-Test 92 – 96 Strukturelle Maßnahmen 67 Synallagma 87 Targeted Advertising 86 f. Teerfarben-Kartell 185 – 187 Threema 100 Tipping 105 f., 292 Unternehmen mit überlegener Marktmacht 292 f.
Verbraucherschutz 69 f., 78 f., 115, 153 f., 157 f., 280 f. – Behörden 156 – Verbände 61 – 63, 173 – verbraucherschutzrechtliche Sektoruntersuchungen siehe Sektoruntersuchungen Verhältnismäßigkeit 141 – 144 Verpflichtungszusagen 68, 267 Vertrag von Lissabon 77 Volkszählungsurteil 31 f. Vorabentscheidungsverfahren 245, 259 – 261 Wechselhürden 110 Werbung 40 Wettbewerbsbezug 150 – 159, 214 f., 232 f., 239 – 241 Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten 120 – 123, 212 f., 227, 235, 288 Zusammenhang 80, 103, 137, 159 – 175, 214, 222 f., 226, 231 – 234, 241 f., 289 f. Zusammenschlusskontrolle 73 f. Zuständigkeit 147, 175 – 198, 215 – 217, 244 Zwischenstaatlichkeitsklausel 144, 148, 285