Kolumbien: Wahlen und Parteien im Gewaltkonflikt 9783964563309

Das Buch erörtert die Veränderungen im Wahl- und Parteien- regime sowie die Einführung von direktdemokratischen und semi

188 38 49MB

German Pages 558 [556] Year 2002

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Verzeichnis früherer und heutiger kolumbianischer Parteien
Verzeichnis spanischer Begriffe
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Schaubilder
I. Analyserahmen
II. Von der Kolonialzeit bis zur Krise des Regimes der Nationalen Front
III. Der desmonte der Nationalen Front und die Institutionalisierung reformierter Teilregime
IV. Wahlen, Wahl- und Parteiensystem sowie die Anwendung der direkt-demokratischen Partizipationsmechanismen nach den Reformen
V. Schlußbetrachtung
VI. Anhang
VII. Bibliographie
Recommend Papers

Kolumbien: Wahlen und Parteien im Gewaltkonflikt
 9783964563309

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Linda Helfrich-Bernal Kolumbien: Wahlen und Parteien im Gewaltkonflikt

Politik in der Gegenwart Band 5 Herausgegeben von Manfred Mols

Linda Helfrich-Bernal

Kolumbien: Wahlen und Parteien im Gewaltkonflikt

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main 2002

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich 12 -Sozialwissenschaften- der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Jahr 1999 als Dissertation mit dem Titel „Zur Partizipations- und Parteiensystemreform in Kolumbien. Formale und informelle Institutionen im politischen Transformationsprozeß" zur Erlangung des akademischen Grades eines Dr. phil. angenommen.

Gedruckt mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Eiiiheitsaufhahme Helfrich-Bernal, Linda: Kolumbien: Wahlen und Parteien im Gewaltkonflikt / Linda Helfrich-Bernal. - Frankfurt am Main : Vervuert, 2002 (Politik in der Gegenwart ; Bd. 5) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-89354-485-2 Depósito legal: SE-3694-2002

© Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 2002 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Stephan Schelenz Gedruckt auf säure- und chlorfrei gebleichtem, alterungsbeständigem Papier Printed in Spain Printed by: Publicaciones Digitales, S. A. www.publidisa.com - (+34) 95.458.34.25.

Für alle, die mir Spiegel waren, insbesondere fiir Carlos Mario, Mauricio Trapper und seine Familie sowie meine am 19. Mai 1997 in Bogotá von Todesschwadronen ermordeten Freunde Elsa Alvarado und Mario Calderón; für Yolanda Cerón und alle tumaqueños, die unter dem schmutzigen Krieg zu leiden haben.

Tumaco me espera „Vamos a ver que determina el Gobierno nacional si acepta el paro por bueno o lo interpreta por mal. Mandamos a preguntar que nos designe el Estado si Tumaco es puerto libre para estar abandonado porque ya estamos cansados de las mentiras y engaños y viendo todos los arios que está Tumaco en las ruinas en este primer asalto veamos que determina. Todos saben que Tumaco es un pueblo bien sufrido porque la plata que llega se la gastan los más vivos. Ya nos hemos decidido a reclamar los derechos defendiendo pecho a pecho la forma de mejorar por eso nos dirigimos al Gobierno nacional. Ahora vamos a tratar con el jefe del Estado que mire que no tenemos una fuente de trabajo. Porque nos ha abandonado de tan horrible manera nos quedamos en espera de lo que ahora queremos y nos diga de una vez si acepta el paro por bueno." Décima del Pacífico von Benildo Castillo, gedichtet während des paro cívico 1988 in Tumaco.

Inhaltsverzeichnis

7

Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis Verzeichnis früherer und heutiger kolumbianischer Parteien Verzeichnis spanischer Begriffe Verzeichnis der Tabellen Verzeichnis der Schaubilder

11 13 16 19 25 30

I. 1. 2. 3.

31 31 36

Analyserahmen Einführung und Problemskizze Aufbau Untersuchungszeitraum, Methode, methodologische Probleme und Datenbasis 4. Forschungsstand 5. Forschungsgegenstand: Wahl- und Parteienregime im Verhältnis zur Demokratie 5.1 Das Wahlregime 5.2 Das Parteienregime 5.2.1 Indikatoren konsolidierter Parteienregime II. 1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4. 5.

Von der Kolonialzeit zur Krise des Regimes der Nationalen Front Strukturmerkmale des traditionellen Parteiensystems Ursachen, Entstehung und Ausgestaltung der Nationalen Front Auswirkungen und Folgen der Nationalen Front Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die traditionellen Parteien und die Wahlen Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Zivilgesellschaft und dritte politische Parteien Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Oppositionstätigkeit Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die staatliche Bürokratie Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Beziehungen Exekutive-Legislative Ursachen der Staatskrise nach dem Ende der Nationalen Front Die Reaktion des Staates auf die neuen Herausforderungen

38 42 47 56 59 70

87 87 95 96 97 108 109 110 111 113 118

8

III. 1. 2. 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 3. 4. 5. 5.1 5.2

Inhaltsverzeichnis

Der desmonte der Nationalen Front und die Institutionalisierung reformierter Teilregime 121 Die Reformprozesse der Regierungen Betancur und Barco und die Verfassunggebung 121 Die Institutionalisierung des Wahlregimes 138 Reformen auf der Ebene der Exekutive 142 Die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten 142 Die Wahl der Gouverneure 143 Die Wahl der Bürgermeister 144 Die Verpflichtung auf das Wahlprogramm 144 Reformen auf der Ebene der Legislative 145 Die Wahl des Kongresses 145 Sonderbestimmungen für Kongreßabgeordnete 148 Die Wahl der departamento-Versammlungen, Stadt- bzw. Gemeinderäte sowie der Juntas Administradoras Locales 150 Die Institutionalisierung des Parteienregimes 151 Die Stellung der sogenannten ,Minderheiten' in der Verfassung 157 Die Institutionalisierung direktdemokratischer und semidirekter Partizipationsmechanismen 161 Die semidirekten Beteiligungsmechanismen 164 Die direktdemokratischen Beteiligungsmechanismen 165

IV.

Wahlen, Wahl- und Parteiensystem sowie die Anwendung der direktdemokratischen Partizipationsmechanismen nach den Reformen 1. Der Wahlkampf 1.1 Die Anzahl der Kandidaten 1.2 Wahlkampf im Medienzeitalter 2. Wahl- und Wahlkampffinanzierung 3. Wahlinfrastruktur und Kontrolle des Wahlprozesses 4. Wahlverhalten 5. Reformen auf der Ebene der Exekutive 5.1 Die Einführung eines zweiten Wahlgangs bei Präsidentschaftswahlen 5.2 Die Wahl des Vizepräsidenten 5.3 Die Bürgermeisterwahl in ausgewählten Städten und Gemeinden 5.3.1 Exkurs: Tumaco - Die vierzigjährige Ära der Familie Escruceria und die Bürgermeisterwahlen 6. Reformen auf der Ebene der Legislative 6.1 Wahlsystem und Kongreßwahlen: Versammlungsgrößen, Wahlkreiseinteilung und Schwellenwerte

171 172 172 175 182 195 207 221 221 230 233 246 284 284

Inhaltsverzeichnis

6.2 7. 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.6.1 7.6.2 7.7 7.7.1 7.7.2 7.7.3 7.7.4 7.7.5 7.8 8. 9. V. 1. 2. 3. 4.

VI.

VII.

9

Die Abschaffung der Funktion des Stellvertreters Die Transformation der Parteien und des Parteiensystems Die Anzahl der Parteien im System Faktionen, parteiinterne Organisation und Demokratisierung Geschlechtergerechtigkeit im Parteiensystem Klientelismus als Programm? Die dominante Rolle der traditionellen Parteien sowie deren Satelliten- und Abspaltungsparteien Das Scheitern alternativer Politikprojekte bzw. dritter Kräfte Die Polarisierung des Parteiensystems Das linke politische Spektrum: MOIR, Unión Partriótica, Partido Comunista de Colombia, (Ex)-Guerillaorganisationen Das rechte politische Spektrum: Die Repräsentanten des Militärs Die C/eavage-Struktur des Parteiensystems Die Organisationen der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften Die Organisationen der sogenannten ,religiösen Minderheiten' Mujeres 2000 Regionalparteien Anti-Klientelismus als Programm: die ,Anti-Parteien-Bewegung' Wählerfluktuation und Parteiwechsel Die Anwendung der direktdemokratischen und semidirekten Partizipationsmechanismen Ausblick

299 300 300 305 314

Schlußbetrachtung Das Wahlregime Das Parteienregime Funktionswandel der Parteien, direktdemokratische und semidirekte Partizipationsmechanismen Der Beitrag der Teilregime zur demokratischen Transformation des politischen Systems

425 426 434

323 336 343 345 353 356 356 384 388 391 392 397 407 418

446 450

Anhang Liste der Interviewpartner in alphabetischer Reihenfolge

461

Bibliographie

465

Vorwort

11

Vorwort Es ist wohl unmöglich, das Gefühl nach dem Abschluß einer langjährigen Forschungsarbeit zu beschreiben. Genauso schwierig ist es, all denjenigen, die zum Gelingen dieser Dissertation beigetragen haben, ausreichend zu danken. An erster Stelle steht hier natürlich Carlos Bernal, der genug Liebe aufbrachte, um diese Zeit mit mir gemeinsam zu gestalten und mir zur Seite zu stehen. Meine Eltern bestärkten mich in jeder Hinsicht auf meinem (Bildungs-)Weg. Maurico Trapper und seine Familie öffneten mir die Augen für ein Land, dessen Schicksal mir nun seit vielen Jahren am Herzen liegt. Kambiz Ghawami (World TJniversity Service), Gerd Köhler (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), Prof. Dr. Gerhard Grohs und Prof. Dr. Ernesto Garzón Valdés (beide ehemals Johannes Gutenberg-Universität, Mainz) gaben mir den notwendigen Vertrauensvorschuß, um mich für ein Stipendium zu bewerben. In der Hans-Böckler-Stiftung, die in Zeiten des Sozial- und Bildungsabbaus den größten Batzen der finanziellen Last getragen hat, fand ich bei Werner Fiedler ein offenes Ohr. Der DAAD unterstütze mich während meiner Gastdozentur am Instituto de Estudios Políticos y Relaciones Internacionales (IEPRI) an der Universidad Nacional in Bogotá. An diesem Institut wurde ich aufgrund des wirklich bewundernswerten Engagements seines damaligen Direktors, Gonzalo Sánchez, liebevoll aufgenommen und in ein Expertenteam von über 30 Forscherinnen und Forschern integriert. Davon möchte ich vor allem Jaime Zuluaga, Juan Jaramillo, Luis Alberto Restrepo, Socorro Ramírez, Francisco Leal Buitrago, Francisco Gutiérrez und Eduardo Pizarro Leongómez aufgrund ihrer persönlichen und/oder inhaltlichen Unterstützung hervorheben. An der Universidad de los Andes standen mir Ana María Corredor, Dora Rothlisberger, Elisabeth Unger, Andrés Dávila und Claudia Mojica zur Seite. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FESCOL) in Bogotá hat mir jederzeit ihre Pforten geöffnet. Ihr früherer Leiter, Michael Weichert und einer seiner Mitarbeiter, Miguel Eduardo Cárdenas, versäumten es nie, mich zu interessanten Foren und Diskussionsrunden einzuladen sowie mich mit der neusten ihnen zur Verfügung stehenden Literatur zu versorgen. Der ehemalige Chef der Wahlbehörde, Luis Camilo Osorio, bewies unendliche Geduld bei der ständig wiederkehrenden Nachfrage nach neuen Wahldaten und schuf die Voraussetzungen, damit ich die verschiedensten Wahlen beobachten konnte. Juan de Dios Mosquera brachte mir den Organisationsprozeß der afrokolumbianischen Bevölkerung nahe.

12

Vorwort

Die Erforschung fremdkultureller politischer Umwelten benötigt neben der von O'Donnell geforderten anthropologischen Empathie1 die Fähigkeit, das Außergewöhnliche an doxischem Wissen2 zu erkennen. Dazu trugen die Diskussionen in Doña Terres kleiner Kneipe bei, wo ich mit den Dorfbewohnern bei burique frito, Temperaturen um 35 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit über die Wahlen diskutierte. Roman und Oscar Mora, Francisco Tenorio, Laylys Quiñones, Carmen Cortés und Antonio Angulo führten mich dabei nicht nur in die lokale Eßkultur der Pazifikstadt, sondern auch in kulturelle und politische Gewohnheiten ihrer Bewohner ein. Alle anderen Freunde in Tumaco, Medellin und Bogotá halfen mit Engelsgeduld, Antworten auf Fragen zu finden, die so noch keine/r gestellt hatte. In Deutschland stehe ich vor allem bei Peter Birle in der Schuld, der bis heute meinen (politikwissenschaftlichen) Weg mit größter Hilfsbereitschaft begleitet hat. Aber auch Hans-Joachim Lauth, Christoph Wagner und Peter Thiery hatten immer eine offene Tür am Institut für Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, an der ich die vorliegende Studie als Dissertation eingereicht hatte. Sie wurde von Herrn Prof. Dr. Manfred Mols betreut und von Herrn Prof. Dr. Siegmar Schmidt zweitkorrigiert. Meine Freunde aus Kolumbien und Deutschland (vor allem Jutta Janzen, Dorothea Borngässer, Markus Peichl, Thomas Busch, Klaus Ell und Alfonso Leyva) standen mir inhaltlich und persönlich zur Seite und verschönerten meine Abendstunden nach einem langen Arbeitstag. Jutta Janzen, Luisa Navas, Daniela Heck, Dorothea Borngässer, Ulrike Klinger, Frank Herwig und Thomas Schröder halfen bei den abschließenden Korrekturen am Manuskript. Allen anderen, die mir Spiegel waren und hier nicht einzeln genannt werden, bin ich natürlich ebenfalls herzlichst verbunden. „Alle, die in fremden Kulturen arbeiten,...müssen über die Fähigkeit eines guten Anthropologen verfügen, zu sehen und zu fragen. Sie müssen sich bewußt sein, daß es nicht einfach um bloßes Wissen, sondern auch um Verstehen geht. Wir Menschen aus den .unterentwickelten' Ländern sind .Eingeborene', .Indígenas'. Wir sind daran gewöhnt, alle diese .Anthropologen' zu empfangen, die kommen und uns beobachten. Es existiert sogar eine gewisse kulturelle Akzeptanz, eine Beziehung aufzubauen, die dem Verhältnis .Anthropologe' - .Eingeborener' gleicht. Um so mehr wie dies der Fall ist, muß sich der .Anthropologe' bzw. die .Anthropologin' seiner/ihrer eigenen Situation bewußt sein. Denn eine gute .Anthropologin' muß lernen, sie zu entschlüsseln, um die wirkliche Realität zu verstehen. Guillermo O'Donnell, 1991 zitiert nach: Helfrich/Birle 1991: 157. Nach Bourdieu sind doxische Überzeugungen ein symbolisches System der Bewertung von sozialen Ordnungsbeziehungen, die die reale und gedachte Welt begründen und fraglos von ihrer Betrachterin angenommen werden. Vgl.: Bourdieu 1982: 734ff.; vgl. auch: Neckel 1995: 662f.

Abkürzungsverzeichnis

13

Abkürzungsverzeichnis APC ACABA ACAPA ACIA AISO ANC ANIF ANTE ANUC ARG ASOCASAN AUC BOL BRA CAPEL CEI CGSB CHI CIDCUN CIMARRON CINEP CN CNE CONDEPA CONPES CORPES CORPONARIÑO CPC CR CRIC CRIT CTC CUT CVC C90-NM DACN

Alianza Política Colectiva Asociación de Campesinos del Baudó Asociación de Campesinos del Patía Asociación Campesina Integral del Atrato Autoridades Indígenas del Suroccidente Asamblea Nacional Constituyente Asociación Nacional de Instituciones Financieras Asociación Antioqueña de Estudios Interdisiplinarios Asociación Nacional de Usuarios Campesinos Argentinien Asociación Campesina del San Juan Autodefensas Unidas de Colombia Bolivien Brasilien Centro de Asesoría y Promoción Electoral Centro de Estudios Internacionales Coordinadora Guerrillera Simón Bolívar Chile Centro para la Investigación de la Cultura Negra Movimiento Nacional por los Derechos Humanos de las Comunidades Negras de Colombia Centro de Investigación y Educación Popular Comunidades Negras Consejo Nacional Electoral Conciencia de Patria Consejo Nacional de Política Económica y Social Consejo Regional de Planeación Económica y Social Corporación Regional para el Desarrollo de Nariño Constitución Política de Colombia Costa Rica Consejo Regional Indígena del Cauca Consejo Regional Indígena del Tolima Confederación de Trabajadores de Colombia Central Unitaria de Trabajadores Corporación Autónoma para el Desarrollo del Valle del Cauca Cambio 90-Nueva Mayoría Dirección de Asuntos de Comunidades Negras

14

DANE DAS DIMAR DNC DNL DNP DRI Ecopetrol ECU ELN EPL ES ESS EZP EZPP EZWP FARC FESCOL FIDEC FINDETER FN GUA HON ICAN IDEA IEPRI IGAC IIDH ILSA INDIRENA INCORA Insg. IPC IVA IRELA JAC JAL

Abkürzungsverzeichnis

Departamento Administrativo Nacional de Estadísticas Departamento Administrativo de Seguridad Dirección Marítima y Portuaria Dirección Nacional Conservadora Dirección Nacional Liberal Departamento Nacional de Planeación Desarrollo Rural Integrado Empresa Colombiana de Petróleos Ekuador Ejército de Liberación Nacional Ejército Popular de Liberación El Salvador Empresas Solidarias de Salud Effektive Zahl der Parteien Effektive Zahl der Parlamentsparteien Effektive Zahl der Wahlparteien Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia Fundación Friedrich Ebert de Colombia Fundación para la Investigación y el Desarrollo de la Ciencia Política Financiera de Desarrollo Territorial Frente Nacional Guatemala Honduras Instituto Colombiano de Antropología Institute for Democratic and Electoral Assistance Instituto de Estudios Políticos y Relaciones Internacionales Instituto Geográfico Agustín Codazzi Instituto Interamericano de Derechos Humanos Instituto Latinoamericano de Servicios Legales Alternativos Instituto Nacional de Recursos Naturales Renovables y del Ambiente Instituto Colombiano de Reforma Agraria Insgesamt Instituto de Integración y Participación Comunitaria Impuesto al valor agregado Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas Junta de Acción Comunal Junta Administradora Local

15

Abkürzungsverzeichnis

K.A. KOL LCR L.H. MAS MEX MODIN N NIC NRO OAS OBAPO OCABA ODCA OIA ONE ONIC PAN PAR PCN PER PNR PRE PRN RH RNEC RSS S SENA SP u.a. UCS URU UTC YEN

Keine Angaben Kolumbien La Causa Radical Linda Helfrich Muerte a los Secuestradores Mexiko Movimiento por la Dignidad e Independencia Anzahl/Stichprobe Nikaragua Nichtregierungsorganisation Organisation Amerikanischer Staaten Organización de Barrios Populares Organización de Campesinos del Bajo Atrato Organización Demócrata Cristiana de América Organización Indígena de Antioquia Organización Nacional Electoral Organización Nacional Indígena de Colombia Panama Paraguay Proceso de Comunidades Negras Peru Plan Nacional de Rehabilitación Partido Rosoldista Ecuatoriano Partido da Reconstrucäo Nacional Repräsentantenhaus Registraduría Nacional del Estado Civil Red de Solidaridad Social Senat Servicio Nacional de Aprendizaje Spanien unter anderem Unión Cívica Solidaria Uruguay Unión de Trabajadores de Colombia Venezuela

Parteienverzeichnis

16

Verzeichnis früherer und heutiger kolumbianischer Parteien3 AD/M-19 AICO ANAPO ARENA ASI BDR CCN CDPR CI CRS C4 EC ETSC FD FE FICIP FSP FUP IR LIDER LPC MAD MAC MAPC MAL

Alianza Democrática M-19 (Movimiento) Autoridades Indígenas de Colombia Alianza Nacional Popular Movimiento Alianza de Reservas Nacionales y Acción Cívica (Movimiento) Alianza Social Indígena Bloque Democrático Regional (Movimiento) Concertación Cívica Nacional Comités Democráticos Populares y Revolucionarios (Movimiento) Conservatismo Independiente Corriente de Renovación Socialista Movimiento Compromiso Cívico Cristiano con la Comunidad - C4 (Movimiento) El Colectivo - Renovación Política en Movimiento (Movimiento) Educación, Trabajo y Cambio Social Frente Democrático (Movimiento) Independiente Frente de Esperanza, Fé Frente Independiente Cívico Popular Frente Social y Político Frente por la Unidad del Pueblo (Movimiento) de Integración Regional (Movimiento) Liberalismo Independiente de Restauración (Movimiento) Político Laicos por Colombia Movimiento Alternativa Democrática Movimiento Amplio Colombiano Movimiento Agropecuario Colombiano Movimiento Apertura Liberal

Die Abkürzungen orientieren sich an der in der RNEC gebräuchlichen Schreibweise. Dort wo die Logik der Abkürzung und des Namens nicht übereinstimmt, wird dies durch Klammern angezeigt. In einigen Fällen weiche ich von der üblichen Schreibweise ab, um Verwechslungen zu vermeiden. Beispielsweise werden sowohl der Partido Conservador Colombiano und der Partido Comunista Colombiano mit PCC abgekürzt. Diese Vorgehensweise verbietet das kolumbianische Parteiengesetz eigentlich.

Parteienverzeichnis

MAN MAR MB MC MCAU MCC MCD MCF MCMC MCPC MCI MCP MCSC MDC MEPL MFC MFP MH MIC MID MIL MLAD MNC MNCNPA MNDP MNP MNPTE MNRD MOE MOL MOIR MOS MP MPC MPCC MPM MPP MPAR MPMU MPNP

17

Movimiento de Acción Nacional Movimiento Actitud Renovadora Movimiento Bolivariano Movimiento Ciudadano Movimiento Cívico Amazonas Unido Movimiento Convergencia Ciudadana Movimiento Convergencia Democrática Movimiento Ciudadanos en Formación Movimiento Político Misión Colectiva Movimiento Convergencia Popular Cívica Movimiento Cívico Independiente Movimiento Colombia mi País Movimiento Cívico Seriedad por Colombia Movimiento Defensa Ciudadana Movimiento Esperanza, Paz y Libertad Movimiento Fuerza Colombia Movimiento Fuerza Progresista Movimiento Humbertista Movimiento Indígena Colombiano Movimiento Integración Democrática Movimiento Independiente Liberal Movimiento Líder Antorcha Democrática Movimiento Nacional Conservador Movimiento Nacional de las Comunidades Negras Palenque Alrocolombiano Movimiento Nacional Democrático Popular Movimiento Nacional Progresista Movimiento Nacional de Pensionados y Tercera Edad Movimiento Nacional por la Recreación y el Deporte Movimiento Orientación Ecológica Movimiento Oxígeno Liberal Movimiento Obrero - Independiente y Revolucionario Movimiento Opción Solidaridad Movimiento Popular (Colombiano) Movimiento Participación Ciudadana Movimiento Político Comunal y Comunitario Movimiento Político Mujeres 2.000 Movimiento Participación Popular Movimiento Político Actitud Renovadora Movimiento Político Manos Unidas Movimiento por un Nuevo País

18 MRC MRD MRL MSC MSN MSP MUC MUM MUPC MURCO MVA M-19 M98 NC NFD NL OCR PC PCC PCE PDC PLC PNC PPC PRT PSC PSR PST PVC RD SO UCR UD UDG UNIOS UNIR UNO UP URS VC

Parteienverzeichnis Movimiento Reintegración Conservadora Movimiento Renovación Democrática Movimiento Revolucionario Liberal Movimiento Sí Colombia Movimiento de Salvación Nacional Movimiento Séptima Papeleta Movimiento Unión Cristiana Movimiento Unitario Metapolítico Movimiento Unidos por Colombia Movimiento Unico de Renovación Conservadora Movimiento Vía Alterna Movimiento 19 de Abril Movimiento 98 (Movimiento) Nueva Colombia Nueva Fuerza Democrática Nuevo Liberalismo Organización Comunista Ruptura Partido Conservador Partido Comunista de Colombia Partido Cívico Ecológico Partido Demócrata Cristiano Partido Liberal Colombiano Partido Nacional Cristiano Partido Popular Colombiano Partido Revolucionario de los Trabajadores Partido Social Conservador Partido Socialista Revolucionario Partido Socialista de los Trabajadores Partido Verde Colombiano (Movimiento) Reconstrucción Democrática Somos Colombia Unión Comunista Revolucionaria Unidad Democrática Unión Democrática Galanista Unión Obrera y Socialista Unión Nacional Izquierdista Revolucionaria Unión Nacional de Oposición Unión Patriótica Unión Revolucionaria Socialista Vanguardia Moral y Social de Colombia , Vamos Colombia'

Verzeichnis spanischer Begriffe

19

Verzeichnis spanischer Begriffe4 acción afirmativa/positiva Aus dem Englischen: affirmative/positive action; Maßnahmen zur vorübergehenden einseitigen Bevorzugung zuvor diskriminierter Gruppen acción de cumplimiento Erfiillungsklage, die der Umsetzung von Gesetzen und administrativen Bestimmungen dienen soll acción popular Popularklage, bei der die Sachbefugnis jedermann, nicht nur dem Betroffenen zusteht; dient dem Schutz kollektiver Rechte, die in der Verfassung garantiert werden acción de tutela Rechtsklage zum Schutz der Grundrechte anticontinuistas Politiker, die der Regierung Samper (1994-1998) kritisch gegenüber standen Asamblea Nacional Constituyente, ANC Verfassunggebende Versammlung auxilios parlamentarios Bis zur Verfassungsreform 1991 existierende Parlamentszuschüsse, die eigentlich der Regionalentwicklung dienen sollten, aber von den Parlamentariern in der Regel zweckentfremdet verwendet wurden aval Bürgschaft betistas Anhänger des liberalen Kaziken Samuel Alberto Escruceria Bogotazo Volksaufstand in Bogotá nach der Ermordung des liberalen Führers Jorge Eliécer Gaitán 1948 cabildo Traditionelles politisches Entscheidungsgremium im Rahmen der Selbstverwaltungsstrukturen der indigenen Gemeinschaften cabildo abierto Öffentliche Bürgerversammlung

4

Mir ist bewußt, daß die spanischen Begriffe hier nur verkürzt erklärt werden können. Das Verzeichnis soll lediglich deutschsprachigen Lesern als Orientierungshilfe dienen. Ich erhebe keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit. Sinnzusammenhänge werden oft erst in den jeweiligen Kapiteln deutlich.

20

Verzeichnis spanischer Begriffe

Caja Agraria Bank. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben besteht in der Vergabe von Krediten an Kleinbauern campesino Bauer, meist Landarbeiter ohne Grundbesitz caudillo Politischer Führer chulavitas Angehörige der konservativen Polizei und Armee, die während der Violencia nach 1948 politische Gegner, vor allem der Liberalen Partei, verfolgten cifra repartidora Divisoren- oder Höchstzahlverfahren. Das bekannteste Verfahren ist die Methode d'Hondt cimarrón Entlaufener Sklave, der gegen den Sklavenhalter rebellierte circunscripción nacional Nationaler Wahlkreis circunscripción especial Spezieller Wahlkreis cívicos Parteilose Kandidaten aus der Zivilgesellschaft comisaría Verwaltungsbezirk comunidad Gemeinschaft Consejo de Estado Staatsrat Consejo Nacional Electoral Nationaler Wahlrat Constitución Política de Colombia, CPC Kolumbianische Verfassung Consulta popular Volksbefragung Contralor Revisor, eine Art Chef des Rechnungshofes Defensor del pueblo Ombudsmann departamento Verwaltungsgebiet, mit den deutschen Bundesländern vergleichbar, aber ohne die gleiche politische und finanzielle Autonomie

Verzeichnis spanischer Begriffe

21

departamento-Versammlung Regionalparlament designado Ernannter Stellvertreter des Präsidenten desmonte Schrittweiser Abbau des politischen Regimes der Nationalen Front disidencias Splittergruppen innerhalb einer Partei, die sich zeitweilig auch von ihr trennen können escrutinio Feststellung der definitiven Wahlergebnisse ethnoeducación Bildungskonzept, das die Berücksichtigung der ethnischen Herkunft bei der Lehre fordert Fiscalía General de la Nación Generalstaatsanwaltschaft Fiscal General Generalstaatsanwalt fuero militar Militärgerichtsbarkeit gaviristas Anhänger des ehemaligen Präsidenten César Gaviria (1990-1994) gringo Bezeichnung für Bürger der Vereinigten Staaten hacendero Besitzer eines Landgutes hacienda Landgut Impuesto al valor agregado (TVA) Mehrwertsteuer iniciativa popular legislativa Gesetzgebungsprojekt der Bevölkerung; eine Art Volksbegehren intendencia Verwaltungsbezirk jefes naturales Der Ausdruck "natürliche Führer" stammt von dem liberalen Reformer der 40er Jahre, Jorge Eliécer Gaitán, der damit die aus wenigen elitären Familien stammenden liberalen und konservativen Parteiführer bezeichnete, die ehemals Präsidenten waren oder es noch werden konnten Junta Administradora Local Lokales Verwaltungs- und Mitbestimmungsorgan

22

Verzeichnis spanischer Begriffe

lugarteniente Statthalter. Bezieht sich in der Regel auf Gefolgsleute eines auf der nationalen Ebene tätigen politischen Führers, dessen Anhänger auf der regionalen und lokalen Ebene seine Interessen in der staatlichen Bürokratie wahren microempresario electoral Bezeichnung für einen Politiker, der die Politik zum Beruf gemacht hat und dessen Hauptziel darin besteht, durch seine Wahl seinen Lebensunterhalt zu sichern Ministro de Gobierno Staatsminister, entspricht von seiner Funktion her in Kolumbien in etwa der des Innenministers in der Bundesrepublik Deutschland moción de censura Eine Art Mißtrauensantrag, Auskunftspflicht und Rechenschaftslegung der Minister gegenüber dem Kongreß movimiento cívico Sich meist für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse einsetzende (zeitweilig) organisierte Gruppen aus der Zivilgesellschaft Nationale Front Bezeichnung des politischen Regimes Kolumbiens zwischen 1958 und 1974 newtonistas Anhänger des parteilosen Bürgermeisters von Tumaco (1997-2000) Newton Valencia nilistas Anhänger des ehemaligen Bürgermeisters von Tumaco (1994-1997) Nilo del Castillo operación avispa Wahlstrategie innerhalb des Verhältniswahlsystems, bei der eine Partei auf mehreren Listen antritt paisas Bewohner des departamento Antioquia und angrenzender Gebiete pájaros Bezahlte Killer palenque Bezeichnete die Organisationen bzw. Siedlungen der entlaufenen Sklaven (cimarrones) papeleta Bis in die 80er Jahre gültiger Wahlschein, der meist von den Parteien selbst ausgehändigt wurde paros cívicos Streiks (meist heterogener) Gruppen aus der Zivilgesellschaft, in der Regel zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse

Verzeichnis spanischer Begriffe

23

Partido Conservador Colombiano Konservative Partei Partido Liberal Colombiano Liberale Partei Pérdida de investidura Amtsverlust, Entzug des passiven Wahlrechts von Kongreßabgeordneten durch den Staatsrat plebiscito Plebiszit proceso 8.000 Einer der größten Korruptionsskandale in der kolumbianischen Geschichte, in dessen Rahmen hunderte kolumbianischer Politiker von der Staatsanwaltschaft verhört oder verhaftet wurden. Der Name geht auf die zugrunde liegende Prozeßakte (expediente 8.000) zurück Procurador General Eine Art Generalstaatsanwalt referendo Referendum Registraduría Nacional del Estado Civil Nationale Wahlbehörde resguardos Territorien, die von der spanischen Krone der indigenen Bevölkerung zugewiesen wurden. Heute: Wohngebiete der indigenen Gemeinschaften mit selektiven Autonomierechten revocatoria del mandato Amtsenthebung von Bürgermeistern und Gouverneuren roseristas Anhänger des Gouverneurs von Nariño (1997-2000) Jésus Rosero Ruano samperistas Anhänger des ehemaligen Präsidenten Ernesto Samper (1994-1998) séptima papeleta Siebter Stimmzettel, inoffizieller Wahlschein, der zur Befragung der Bevölkerung im Hinblick auf die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung eingesetzt wurde sicario Bezahlter Killer suplente Stellvertreter (in den verschiedenen Parlamenten) tarjetón Stimmzettel

24

Verzeichnis spanischer Begriffe

técnicos Fachleute tenientes Statthalter. Bezieht sich in der Regel auf Anhänger eines Politikers, die für ihn bei Wahlen die notwendigen Stimmen .eintreiben' tumaqueños Bewohner der Pazifikstadt Tumaco umbral Schwelle, in der Wahlsoziologie meist als Prozenthürde für die Begrenzung des Einzugs kleiner Parteien ins Parlament gebraucht tercería Dritte parteipolitische Alternative neben den beiden traditionellen Parteien Tumacazo Aufstand der Bevölkerung der Pazifikstadt Tumaco 1988 mit dem Ziel der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse veedor Überwachungsorgan, Aufseher, Finanzprüfer vereda Weiler violencia Gewalt (La) Violencia Überwiegend parteipolitisch motivierte Gewaltepoche in der kolumbianischen Geschichte, die nach dem bogotazo 1948 begann und deren (offizielles) Ende durch die Machtübernahme des Generals Rojas Pinilla 1953 festgelegt wurde. In der Praxis dauerten die einem Bürgerkrieg gleichenden Auseinandersetzungen noch mehrere Jahre an voto en blanco Ermöglicht Wählern eine Stimmabgabe, die zwar den Wahlprozeß befürworten, aber keinen der zur Verfügung stehenden Kandidaten für unterstützenswert halten. Es handelt sich um eine gültige Stimme. Wird in der deutschsprachigen Literatur mit .leerer Stimmzettel' übersetzt voto preferencial Der Wähler kann die von einer Partei vorgegebene Liste durch seine Stimmabgabe in der Reihenfolge verändern voto programático Verpflichtung eines Bürgermeisters bzw. eines Gouverneurs auf sein bei der Wahl vorgelegtes Regierungsprogramm

Verzeichnis der Tabellen

25

Verzeichnis der Tabellen II. 1. 2. 3. 4. III. 1. 2. 3. 4. IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8.

Von der Kolonialzeit bis zur Krise des Regimes der Nationalen Front Gründung der liberalen und konservativen Parteien in Lateinamerika 88 Referendum zur Nationalen Front vom 1.12.1957 94 Koalitionsregierungen im Zwanzigsten Jahrhundert ( 1904-1974) 99 Wahlenthaltung in Prozent bei Präsidentschafts- und Kongreßwahlen 1942-1974 107 Der desmonte der Nationalen Front und die Institutionalisierung reformierter Teilregime Referendum zur Verfassunggebenden Versammlung vom 27.5.1990 131 Beteiligung und Enthaltung am Referendum vom 27.5.1990 131 Sitzverteilung und politische Zusammensetzung der Verfassunggebenden Versammlung (ANC) 1990 133 Verfassungsreformvorschläge in der ANC 134 Wahlen, Wahl- und Parteiensystem sowie die Anwendung der direktdemokratischen Partizipationsmechanismen nach den Reformen Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 29.5.1994 172 Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 31.5.1998 174 Erwähnung der Präsidentschaftskandidaten 1998 in den Massenmedien vor dem ersten Wahlgang in Prozent 176 Wegen illegaler Bereicherung beschuldigte und verurteilte Politiker 186 Berichte über Wahleinnahmen und -ausgaben an den Nationalen Wahlrat 195 Ungültige Stimmen bei den Wahlen des Jahres 1994: Bürgermeister, Stadt- bzw. Gemeinderäte, departamento-Versammlungen, Gouverneure, Kongreß und Präsident im Verhältnis zur Wahlbeteiligung 197 Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien 1997-2000 204 Wahlenthaltung bei Kongreß-, Präsidentschafts-, Gouverneurs-, Bürgermeister- und Stadt- bzw. Gemeinderatswahlen sowie den

26

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.

Verzeichnis der Tabellen

Wahlen zu den Versammlungen der departamentos auf der Grundlage des Wahlzensus 1986-1998 210 Einstellungen iberoamerikanischer und kolumbianischer Parlamentarier zu ihrer politischen Tätigkeit Ansehen der Politiker in Lateinamerika in Prozent (I) 214 Ansehen der Politiker in Lateinamerika in Prozent (II) 215 Vertrauen in Institutionen und Organisationen im lateinamerikanischen Vergleich in Prozent 1996 216 Die Kosten der Korruption 1993 217 Entwicklung des perzipierten Korruptionsausmaßes in ausge218 wählten lateinamerikanischen Ländern 1995-2001 Effektivität der Wahlstimme im iberoamerikanischen Vergleich 219 Stimmenanteile und prozentualer Anteil der gewählten Präsidenten 1974-1998 221 Stimmenanteil und prozentuale Verteilung im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 21.6.1998 222 Wahlbeteiligung und -enthaltung in Prozent bei Präsidentschaftswahlen 1958-1998 222 Anzahl und Parteienzugehörigkeit der Präsidentschaftskandidaten 1974-2002 226 Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 19.6.1994 227 Wahlergebnisse bei den Präsidentschaftswahlen 1994 und 1998 in ausgewählten departamentos 231 Gewählte Bürgermeister nach ihrer parteipolitischen Ausrichtung 1988-2000 234 Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in Tumaco 1994 249 Beteiligung der Familie Escruceria an den Wahlen zum Kongreß und zum Regionalparlament 1964-2002 256 In der Politik tätige Familienangehörige von kolumbianischen und iberoamerikanischen Parlamentariern in Prozent 258 Schichtzugehörigkeit kolumbianischer und iberoamerikanischer Parlamentarier in Prozent 258 Bürgermeisterwahl in Tumaco 1988 260 Bürgermeisterwahl in Tumaco 1990 261 Bürgermeisterwahl in Tumaco 1992 264 Bürgermeisterwahl in Tumaco 1994 268 Überweisungen {transferencias) der nationalen Regierung nach Tumaco 269 Bürgermeisterwahl in Tumaco 1997 274 Bürgermeisterwahl in Tumaco 2000 280

Verzeichnis der Tabellen

34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45.

46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54.

Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Tumaco 2001 Verhältnis aufgestellter Listen und erhaltener Mandate im Senat 1966 und 1974-1998 Verhältnis aufgestellter Listen und erhaltener Mandate im Repräsentantenhaus 1966 und 1974-1998 Durchschnittliche Wahlkreisgröße für die Wahlen zum kolumbianischen Kongreß 1974-1998 Disproportionalität nach dem Loosemore-Hanby-Index (LHI) in Prozent im Kongreß 1974-1998 Einzug in den Senat über die Wahlzahl und über Reststimmen 1974-1998 Einzug in das Repräsentantenhaus über die Wahlzahl und über Reststimmen 1974-1998 Tatsächliche (t) und hypothetische (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1991 Tatsächliche (t) und hypothetische (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1994 Tatsächliche (t) und hypothetische (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1998 Über- und Unterrepräsentation (malapportionment) im Repräsentantenhaus in ausgewählten departamentos in Prozent Mandate (M) der traditionellen Parteien (PLC und PC) und der nicht-traditionellen Parteien (NTP) im Kongreß (K) und in der ANC1974-1998 Anteil der nicht-traditionellen Stimmen bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1974-1998 Anteil der nicht-traditionellen Stimmen bei den Wahlen zum Senat 1974-1998 Wiederwahl und Erneuerung bei den Senatswahlen 1998 Wiederwahl und Erneuerung bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1998 Effektive Zahl der Wahlparteien (EZWP) im Senat und im Repräsentantenhaus (RH) 1974-1998 Effektive Zahl der Parlamentsparteien (EZPP) im Senat, im Repräsentantenhaus (RH) und in der ANC 1974-1998 Beurteilung der Kontinuität der Parteistrukturen durch Parlamentarier verschiedener Parteien in Prozent Auswahl des liberalen Präsidentschaftskandidaten (Consulta liberal) 1990 und 1994 Ausmaß der parteiinternen Demokratie in Prozent

27

281 285 285 288 289 290 291 292 293 294 295

296 297 297 299 299 303 303 307 309 311

28

55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67.

68. 69.

70.

71. 72. 73.

Verzeichnis der Tabellen

Gewählte Senatoren nach Geschlecht von der Nationalen Front bis 2002 Beteiligung von Frauen an der politischen Macht in Amerika und der Karibik in Prozent Parteizugehörigkeit der gewählten Senatorinnen (S) und weiblichen Abgeordneten im Repräsentantenhaus 1991 -1998 Gesetzesvorlagen im Senat und Repräsentantenhaus 1994 bis März 1998 Verteilung der Sitze der liberalen und konservativen Parteiströmungen im Senat 1991 -1998 Verteilung der Sitze der liberalen und konservativen Parteiströmungen im Repräsentantenhaus 1991-1998 Sitzverteilung der liberalen und konservativen Parteiströmungen im Kongreß 1986-1998 Stimmenanteile und Sitzverteilung der Alianza Democrática M-19 bei den Kongreßwahlen 1991, 1994 und 1998 Ideologische Selbsteinschätzung und Einschätzung ihrer Parteien durch kolumbianische und iberoamerikanische Parlamentarier Ideologische Einschätzung anderer politischer Parteien durch kolumbianische Parlamentarier Stimmenanteile und Sitzverteilung der Unión Patriótica/Partido Comunista bei den Kongreßwahlen 1990-1998 Bürgermeister der indianischen Gemeinschaften 1994 und 1997 Stimmen der Repräsentanten der Organisationen der indigenen Gemeinschaften im Senat und im Repräsentantenhaus (RH) 1991-1998 Kandidaten und erzielte Stimmen der Afrokolumbianer bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1994 Wahlbeteiligung der Kandidaten der afrokolumbianischen Gemeinschaften 1994 zum Repräsentantenhaus in verschiedenen Städten Stimmen des afrokolumbianischen Kandidaten für den Senat, Juan de Dios Mosquera, in den verschiedenen departamentos und in den jeweiligen Hauptstädten der departamentos 1994 Ergebnisse der Wahlen zum Repräsentantenhaus für den departamento Nariño in Tumaco 1994 Beteiligung afrokolumbianischer Kandidaten an den Kongreßwahlen 1998 im Vergleich zu ihrer Beteiligung 1994 Stimmenanteile und Sitzverteilung der christlichen Parteien bei den Kongreßwahlen 1991 -1998

315 319 321 322 323 324 335 340 343 344 347 358

362 371

372

375 377 382 386

Verzeichnis der Tabellen

74. 75. 76.

77.

78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. V. 1. 2. 3. 4.

Aufgestellte (A) und gewählte Listen (G) bei den Wahlen zum Stadtrat in Tumaco 1988 bis 1997 Durchschnittliche Wählerfluktuation nach dem Pedersen-Index in Lateinamerika, 1980-1997 Parteipolitische Zugehörigkeit befragter Wähler bei den Kommunalwahlen 1997 und den Kongreßwahlen 1998 in Bogotá in Prozent Überschreitung der Parteigrenze bei den Kommunalwahlen in Bogotá im Oktober 1997 und den Kongreßwahlen im März 1998 in Bogotá in Prozent Beziehung zwischen Parteien und Gesellschaft in Kolumbien und Iberoamerika in Prozent Stimmen für die ANAPO in Tumaco 1966 bis 1976 betistas und newtonistas im Stadtrat von Tumaco 1997 Ergebnisse der Gouverneurswahlen in Tumaco 1994 Ergebnisse der Gouverneurswahlen in Tumaco 1997 Begründung für ihre Wahl aus der Sicht der Parlamentarier in Prozent Abstimmungen über Mandatsentzüge verschiedener Bürgermeister (revocatoria del mandato) 1996 Consulta popular in Aguachica am 27.8.1995 Consultas populares in verschiedenen Städten

29

396 398

400

400 401 403 404 404 405 407 411 411 412

Schlußbetrachtung Beurteilung der Chancengleichheit politischer Parteien im lateinamerikanischen Vergleich 429 Befürworter von autoritären Systemen in Lateinamerika 1996-2001 in Prozent 453 Perzeption der Demokratie in Lateinamerika in Prozent 455 Einstellungen zur Demokratie in Tumaco 456

30

Verzeichnis der Schaubilder

Verzeichnis der Schaubilder I. 1.

Analyserahmen Inklusionsschwelle (I) und Exklusionsschwelle (E)

IV.

Wahlen, Wahl- und Parteiensystem sowie die Anwendung der direktdemokratischen Partizipationsmechanismen nach den Reformen Durchschnittliche Wahlenthaltung bei Bürgermeisterwahlen 1988-1997 nach Größe der Kommune Situation der Kommune Tumaco nach der öffentlichen Wahl der Bürgermeister Veränderung der Inklusionsschwelle für den Senat 1966 und 1974 bis 1998 Veränderung der Inklusionsschwelle für das Repräsentantenhaus 1966 und 1974 bis 1998 Veränderung der Exklusionsschwelle für den Senat 1966 und 1974 bis 1998 Veränderung der Exklusionsschwelle für das Repräsentantenhaus 1966 und 1974 bis 1998 Vom Nationalen Wahlrat nach den Kongreßwahlen anerkannte Parteien 1990-1998 Ideologische Selbsteinordnung befragter Spanier und Lateinamerikaner auf dem Rechts-Links-Schema Parteiidentifikation in Tumaco Kenntnis afrokolumbianischer Organisationen in Tumaco Änderung der Situation der Schwarzen durch die Verfassung von 1991 Parteiidentifikation in Lateinamerika und Spanien in Prozent Repräsentation durch Organisationen in Tumaco Wahlentscheidung für Parteien oder für Kandidaten in Tumaco Kenntnis der direktdemokratischen und semidirekter Partizipationsmechanismen in Tumaco

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

V. 1.

Schlußbetrachtung Auswirkungen der Verfassung auf das Leben der befragten tumaquenos

69

212 283 286 286 287 288 301 355 378 379 379 399 402 406 416

457

Kapitel I: Analyserahmen

I. 1.

31

Analyserahmen Einführung und Problemskizze

In der Literatur über Kolumbien wird oft ein Paradox aufgezeigt: Das Land sei das Beispiel eines Staates, der sich seit seiner Unabhängigkeit 1918 in (relativer) Stabilität, gleichzeitig aber in einer permanenten Krise befunden habe. Obwohl es bereits die Definition des Terminus Krise5 verbietet, spiegeln auch die Titel der in den letzten zehn Jahren geschriebenen Analysen kolumbianischer Realität diese Annahme wider.6 Die Stabilität wird dabei in der Regel von der Tatsache abgeleitet, daß in Kolumbien Regimewechsel selten waren, das Land als „älteste Demokratie Lateinamerikas" 7 bezeichnet und als Sonderfall auf dem Subkontinent behandelt wurde. Der Begriff Demokratie wurde dabei schlicht an der seit Mitte des 19. Jahrhunderts fast kontinuierlichen Existenz von Wahlen in einem Zweiparteiensystem festgemacht und recht beliebig gebraucht, oft in Abgrenzung zu den lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Die exklusive Verknüpfung des Demokratiebegriffs mit Wahlen kommt beispielsweise in der für Kolumbien oft verwendeten Bezeichnung electoral democracy8 zum Ausdruck, die eine sonst defizitäre Demokratie mit einem funktionierenden Wahlregime nahelegt. Die ersten Urnengänge fanden in Kolumbien 1830 statt.9 Bereits seit der Verfassung von 1853 hatte es in dem Andenstaat ein direktes und geheimes Männerwahlrecht gegeben. Die bis 1991 gültige Verfassung von 1886 beschränkte die Abstimmungen wieder auf die lokale und regionale Ebene. An diesen Wahlen nahm nur eine kleine Oberschicht teil, was dem damaligen Regime nun den Namen oligarchical democracy10 einbrachte. Die Kennzeichen der lateinamerikanischen oligarchischen Staaten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trafen auch auf Kolumbien zu: Die nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen entstehenden Na-

6

7

8 9 10

Der Begriff stammt aus dem Griechischen. ,Krisis' bedeutet: entscheidende Wende. Vgl.: Meyers Kleines Lexikon Politik 1986: 249. „Allgemeine Bezeichnung für das plötzliche Auftreten oder die Zuspitzung von Störfallen bzw. Gefahrensituationen, die mit den herkömmlichen, erprobten Techniken zur Problemlösung nicht bewältigt werden können." Holtmann et al. 1994: 315. Vgl. beispielsweise: Leal Buitrago 1987, 1992, 1996; Leal Buitrago/Zamosc 1990, Palacio 1990; Pizarro Leongömez 1996; Medina 1997 und 1997a. Seegers 1998: 70. Vgl. auch Sevilla/von Haldenwang/Pizarro Leongömez 1999: Rückseite. Vgl.: Collier/Levitsky 1997: 440; Ogliastri 1998: 4. Vgl.: Lopez 1998: 37. Vgl.: Hartlyn/Valenzuela 1994: 99; Kline 1974: 275; vgl. auch: Ogliastri (1989, 1989a) in Anlehnung an Wilde (1979).

32

Kapitel I: Analyserahmen

tionalstaaten waren regional und sozial fragmentiert. Sie wurden nur von wenigen Personen und deren Familien politisch und wirtschaftlich kontrolliert. Sie übernahmen liberale nordatlantische Ordnungs- und Entwicklungsleitbilder, die aber auf der Grundlage der oligarchischen Gesellschaftsstruktur fremd wirkten. Der Staat hatte keine Kontrolle über sein Territorium und kein Gewaltmonopol erworben. Er lebte in einer Symbiose aus exogener Assistenz und endogener Willfahrigkeit. Der Großteil der Bevölkerung wurde politisch, wirtschaftlich und sozial marginalisiert. Dies traf besonders auf die Unterund Mittelschichten, auf Frauen mehr als auf Männer zu.11 Erst in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts, als die oligarchischen Staaten in die Krise gerieten und mit dem Partizipationsdruck der bäuerlichen sowie neuen städtischen bürgerlichen bzw. proletarischen Schichten konfrontiert wurden, machten die Eliten erneute Zugeständnisse. Der liberale Reformer López Pumarejo führte 1936 das allgemeine Männerwahlrecht für den Präsidenten und die Mitglieder des Repräsentantenhauses12 ein. Es sollte aber noch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dauern, bis das allgemeine und direkte Wahlrecht für den Senat zur Anwendung kam.13 Durch die Verfassungsreform von 1957, die durch Volksentscheid angenommen worden war, kamen erst zu diesem (auch im lateinamerikanischen Vergleich) späten Zeitpunkt die Frauen in den Genuß des Partizipationsrechtes.14 Die demokratische Qualität der ritualisierten Wahlprozesse und Kriterien zur Beurteilung der demokratischen Performanz des Parteiensystems vernachlässigten die meisten Forscher bei der Beurteilung des politischen Systems. Wirft man einen Blick auf die kolumbianische Geschichte, so läßt sich leicht feststellen, daß die Liberale und die Konservative Partei seit dem 19. Jahrhundert das politische System fortlaufend dominierten und manipulierten. Während die traditionellen (in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründeten) Parteien in den meisten anderen lateinamerikanischen Ländern verschwunden sind oder sich zumindest ihre Bedeutung im Parteiensystem radikal verändert hat,15 spielen sie in Kolumbien bis heute eine zentrale Rolle. Die Agrarkultur und die Aufteilung der Gesellschaft in regionale Subkultu11 12 13 14

15

Vgl.: Mols 1987: 196; Graciarena 1984: 40ff. Acto Legislativo Nr. 1 de 1936. Acto Legislativo Nr. 1 de 1945. Das Frauenwahlrecht war bereits 1954 von der Verfassunggebenden Versammlung unter General Rojas Pinilla eingeführt worden. Nach seinem Sturz wurde es vorübergehend für nichtig erklärt. Vgl.: Jaramillo/Franco 1993: 464f. Im Nachbarland Venezuela beispielsweise verschwand das Comité de Organización Política Electoral Independiente (Copei) fast vollständig von der politischen Bühne, die Acción Democrática (AD) mußte enorme Stimmenverluste hinnehmen. Vgl.: Welsch/Werz 1999: 6 und 16.

Kapitel I: Analyserahmen

33

ren, die autoritäre Tradition der Großgrundbesitzer und die weitgehende Unterordnung der Bauern hatten die dem politischen Sektierertum verfallenen liberalen und konservativen Subkulturen lange Zeit als rechtmäßige Besitzer einer konstruierten nationalen (Ersatz-)Identität erscheinen lassen. Sie täuschte allerdings nur zeitweise über die unter der Oberfläche schwelende Fragmentierung von Gesellschaft und Staat sowie über Schwierigkeiten beim nation-building hinweg. Aufgrund der scheinbaren Identifikation der gesamten Bevölkerung mit einer der beiden Subkulturen traten die Parteien wie selbstverständlich als exklusive Vertreter der öffentlichen Macht und als alleinige Repräsentanten eines Staates auf, der zwar geographischen Bestand hatte, aber weder als zentrale Steuerungsinstanz fungierte noch die Weite des Landes penetrierte. Dazu fehlte es an „utopischen Energien",16 seine Entstehung begleitende, klar differenzierbare Basisideologien, die ihn um eine entsprechende Lebens- und Wirtschaftsform geprägt hätten. Dennoch gelang es den Eliten beider Parteien durch die Herstellung von linkages zwischen wirtschaftlicher und politischer Macht, dem Einsatz von Gewalt oder, wenn nötig, klientelistischen und kooptativen Zugeständnissen, das politische System von Anfang an zu dominieren. Sie gestalteten es überwiegend nach eigenem Gutdünken aus und stellten durch eine perfekte Mischung aus Integration und Repression die entscheidenden Weichen für ihren Machterhalt. Die Zweiparteienherrschaft wurde nur 1953 von der Militärdiktatur Rojas Pinillas unterbrochen, aber schon nach fünf Jahren durch einen Pakt in das zivile Regime der Nationalen Front (1958-1974) überführt. Die Militärdiktatur war von den Eliten geduldet, anfangs sogar gewünscht worden. Doch als ihnen die Macht aus den Händen zu gleiten schien, kam es schnell zu einem Abkommen zur Übernahme der Regierungsgeschicke durch die zivilen Eliten der Liberalen und Konservativen Partei und zur (zumindest formalen) Unterordnung des Militärs unter den zivilen Staat, auch wenn es sich für Fragen der sogenannten ,öffentlichen Ordnung' in einer autoritären Enklave einnistete. Nach dem langen Bürgerkrieg der Violencia näherte der Pakt die ehemals verfeindeten Parteien wieder einander an. Die auch parteipolitisch begründeten, gewalttätigen Auseinandersetzungen gingen zurück. Das Abkommen trug somit zur politischen Stabilisierung bei. Aber trotz einzelner Liberalisierungsmaßnahmen nach 1968 konnte eine neue Ära der Gewalt langfristig nicht verhindert werden. Der exkludierende Charakter des Regimes trat nun offen zutage.17 Das Regime der Nationalen Front war sicherlich nicht einfach in typologische

16 17

Habermas 1985: 142. Vgl.: Sánchez 1992: 114.

34

Kapitel I: Analyserahmen

Kategorien zu pressen.18 16 Jahre lang stellten beide Parteien wechselseitig den Präsidenten und teilten die bürokratischen Ämter unter sich auf. Es war ein hybrides Regime entstanden, das die Regierungen der Nationalen Front (nach außen) als Demokratie darstellten. Liberale und konservative Eliten, für die Violencia verantwortlich, exponierten sich als zivile ,Retter der Nation'. Obwohl Wahlen unter der Nationalen Front nicht ausgesetzt wurden und sich das Land dadurch von den lateinamerikanischen Diktaturen unterschied, konnte Kolumbien weder auf kompetitive Wahl- noch auf inklusive, wettbewerbsorientierte Partizipationsprozesse verweisen. Es erfüllte also nicht einmal die Mindestanforderungen an Polyarchien. Unter anderem deshalb wirkte sich die Nationale Front negativ auf die Partizipationsgewohnheiten von Parteien und Bevölkerung aus. Der Wahlakt war lediglich ein Ritual zur Bestimmung der innerparteilichen Machtstrukturen zwischen der Liberalen und Konservativen Partei. Die Wahlen verloren als Integrationsmechanismus für das gesamte politische System und als nationaler Identifikationsfaktor an Bedeutung. Die Höhe der Beteiligung und die Wahlausgänge führten nicht zu tatsächlichen Machtverschiebungen. Die Bürger entschieden auch nicht darüber, ob das Regime der Nationalen Front weiterhin Bestand haben sollte. Dritte Parteien blieben bis 1970 auf der regionalen und bis 1974 auf der nationalen Ebene von der Macht ausgeschlossen, was immer wieder als eine der Ursachen für die Entstehung eines Teils der Guerillaorganisationen und das Aufkeimen neuer politischer Gewaltphänomene angeführt wurde. Der Ruf nach Reformen und nach anderen politischen Repräsentanten wurde schließlich immer lauter: Die Gründe dafür lagen in der zunehmenden Bildung, der Urbanisierung und Industrialisierung sowie der sozialen Ausdifferenzierung der Bevölkerung. Aber auch die Tatsache, daß der akademische und technische Mittelstand im System der Nationalen Front entwicklungshemmende Faktoren ausmachte, stärkte solche Forderungen. Hinzu kam, trotz des ständigen Anwachsens des administrativen Apparates, die Schwäche des Staates, gerade auch wegen seiner zunehmenden Bürokratisierung und Aufblähung sowie das Erstarken neuer sozialer Akteure, die ihre Inklusion in ein reformiertes politisches System mit und ohne Waffengewalt einforderten.19 Das Regime der Nationalen Front ging 1974 seinem offiziellen Ende entgegen. Aber die damals etablierten politischen Gewohnheiten wurden auch in die Zeit des desmonte, dem angestrebten, schrittweisen Umbau der Nationalen Front zu einer repräsentativen Demokratie, übernommen. De facto bedeutete die zögerliche Liberalisierung die Verlängerung der unter der 18

19

Vgl. dazu das Kapitel Forschungsgegenstand: Wahl- und Parteienregime im Verhältnis zur Demokratie. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 21ff. und 35 sowie Haldenwang 1991/92: 10.

Kapitel I: Analyserahmen

35

Nationalen Front etablierten Strukturprinzipien und politischen Gewohnheiten über ihre offizielle Gültigkeit hinaus. Als Kolumbien in den 80er Jahren eine seiner tiefgreifendsten Krisen durchlief, der eine zunehmende Guerillatätigkeit, Streiks verschiedener Organisationen bzw. Personen aus der Zivilgesellschaft {paros cívicos) und die Machtausweitung der Drogenmafia vorausgegangen waren, schienen die Konfliktregulierungskapazitäten innerhalb des bestehenden, längst reformbedürftigen, Normengefuges ausgeschöpft. Die Regierungen Betancur, Barco und Gaviria reagierten auf die Krise nicht (wie von verschiedenen Guerilla- und organisierten Bürgergruppen gefordert) mit tiefgreifenden Transformationen in Staat und Wirtschaft, sondern mit einer Reihe von institutionellen Reformen, die schließlich in der neuen Verfassung von 1991 ihren Höhepunkt fanden. Sie bezogen sich unter anderem auf das Wahlrecht, das Wahlsystem und die Normen zur Gründung und politischen Beteiligung von Parteien sowie auf die Einführung von verfaßten Instrumenten direkter Demokratie. Die institutionellen Neuerungen waren mit der Hoffnung auf einen demokratischen Neuanfang verknüpft. Doch gleichzeitig bestanden die unter der Nationalen Front etablierten oder verfeinerten informellen Institutionen20 weiter und verschlechterten sich die (rechts-)staatlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Inkrafttreten der Verfassung in den 90er Jahren zusehends. Konnte Kolumbien

20

Der in der vorliegenden Studie verwandte Institutionenbegriff geht über Göhlers klassische Unterscheidung zwischen Institutionen im engeren und im weiteren Sinn hinaus. Vgl.: Göhler 1990: lOff. und 1994: 20ff. Institutionen lassen sich nach dem Verständnis der neueren Institutionenforschung nach Form, Geltungsbereich, Regelungsebenen, Konfigurationstypen und ihrem Permissionsgrad klassifizieren. Hier soll in bezug auf das erste Kriterium zwischen formalen, rechtlich konstruierten (wie Gesetze, Wahlverfahren, Verfassungen) und informellen, formungebundenen Institutionen unterschieden werden (meist ungeschriebene Normen und Konventionen, gesellschaftliche Verhaltenskodizes und -muster, Sitten, Gebräuche, die sich aufgrund von Traditionen, Ideologien und Wertvorstellungen verbreitet haben und regelmäßig wiederkehrendes Verhalten wie politische Gewohnheiten konformer oder krimineller Art, auch emotionale Bindungen und Strategien der Auf- bzw. Abwertung). Diese informellen Mechanismen, die Bestandteil der (politischen) Kultur eines Landes sind, lassen sich oft schwer verändern, können die Funktionstüchtigkeit von formalen Institutionen erst ermöglichen, sie ergänzen, kompensieren, aber auch unterhöhlen, ersetzen oder überlagern, wenn letztere zu schwach ausgeprägt sind. Vgl.: Thiery 1997: 12; Ostrom 1990: 52ff. Formale und informelle Institutionen liegen dann quer zueinander, teils konterkarieren sie sich, vor allem dann, wenn in Transformationsprozessen alte politische Traditionen auf ein neues bzw. ein teilreformiertes Regime stoßen. Vgl.: Dauderstädt 1988: 434ff.; Rohe 1995: 15.

36

Kapitel I: Analyserahmen

in diesem Kontext die Institutionalisierung eines demokratischen Wahl- und Parteienregimes gelingen?

2.

Aufbau

Ich untersuche in der vorliegenden Studie den kolumbianischen politischen Transformationsprozeß nach den Reformen der 80er und 90er Jahre ausschließlich in bezug auf Wahlsystem, -prozeß und -recht, das Parteiensystem und die Einführung der direktdemokratischen bzw. semidirekten Partizipationsmechanismen. Die Begriffe Transition und Transformation werden in der Literatur zum Teil synonym verwendet. Da Transformationen aber nicht zwangsläufig mit Demokratisierung bzw. der Konsolidierung der Demokratie enden, ist die identische Verwendung der Begriffe fragwürdig. In Sandschneiders Definition wird „...die Transformation eines Systems...nicht nur auf den Typ des definitiven, durch Strukturveränderungen charakterisierten Systemwechsels beschränkt, sondern als Kontinuum begriffen, das in seiner gesamten analytischen Breite von Systemwandel über Systemwechsel bis zu Systemzusammenbruch reicht",21 also als Überbegriff gebraucht. In seinem weiten Systembegriff, der auch hier zur Anwendung kommt, können sich Transformationsprozesse auf den revolutionären Wechsel oder den evolutionären Wandel von politischen Systemen und ihrer Teilregime in ihrer wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Dimension beziehen. Wenn hier in dieser Arbeit über Kolumbien von Transformation die Rede ist, handelt es sich um einen evolutionären Reformprozeß mit offenem Ausgang. Zur Strukturierung der Transformation der untersuchten Teilregime stelle ich in Kapitel I, das den Analyserahmen bildet, die theoretische Literatur zu Wahlen, Wahlrecht, Wahlsystemen und Parteiensystemen in einen transformations- und demokratietheoretischen Zusammenhang. An diesen Vorgaben orientiert sich auch die Evaluierung des Wahl- und Parteienregimes in Kapitel IV, jedoch ohne sklavisch die vorgegebene Gliederung einzuhalten. Diese wird erst im Schlußkapitel V wieder aufgenommen. Kapitel II behandelt die wesentlichen Strukturmerkmale des kolumbianischen Zweiparteiensystems. Diese Grundlegung ist wichtig, weil sie als historische Legate für die Ausgestaltung des politischen Systems insgesamt von Bedeutung waren. Außerdem schildere ich dort die Entstehung der Militärdiktatur, den paktierten Übergang zur Nationalen Front sowie deren Kennzeichen und Auswirkungen. Am Ende des Kapitels stehen die Ursachen der sich zuspitzenden Krise nach dem offiziellen Ende der Nationalen Front und die

21

Sandschneider 1995: 39.

Kapitel I: Analyserahmen

37

Antwort des Staates auf die Herausforderung durch Drogenmafia, Paramilitärs, Guerilla, neue Parteien und zivile Bürgerorganisationen. Kapitel III, das zusammen mit Kapitel VI den Kern der Forschungsarbeit bildet, erläutert den partizipationsrelevanten Reformprozeß seit dem Ende der Nationalen Front. Dies ist von Bedeutung, da die Verfassung des Jahres 1991 nicht den ersten Schritt in Richtung der Öffnung des politischen Systems darstellte. Vor allem die Regierungen Betancur und Barco hatten wichtige Vorleistungen erbracht. Die durch die Verfassung und ihre normative Umsetzung eingeführten Neuerungen (des Wahlrechts, der Wahlorganisation, des Wahlsystems, der Parteiengesetzgebung und der direktdemokratischen und semidirekten Beteiligungsmechanismen) werden ebenfalls in Kapitel III dargestellt. Dort beschreibe ich - soweit bekannt - auch die mit den Reformen verbundenen Intentionen der Verfassunggeber. Kritik und Evaluierung bleiben hier zunächst weitgehend außen vor. Im folgenden Kapitel IV analysiere ich die Veränderungen im Wahlprozeß, des Wahlrechts, der Wahlorganisation sowie des Wahl- und Parteiensystems nach 1991. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei Kandidaten und Parteien, die sich auf nationale Ämter (Präsidentschaft, Kongreß) beworben haben und gewählt wurden. In vergleichbaren Studien hat man Präsidentschaftswahlen oft vernachlässigt, da die theoretischen Analyseinstrumente überwiegend auf die Untersuchung der Wahl der Parlamente zugeschnitten sind. Ihnen soll in der vorliegenden Arbeit aber ebenfalls ein wichtiger Stellenwert zukommen. Kommunalwahlen werden berücksichtigt, wenn sie für die Analyse ergiebig sind. Dann bilden vor allem die Bürgermeisterwahlen das Zentrum des Interesses, die ich persönlich und über einen längeren Zeitraum in der Pazifikstadt Tumaco beobachten konnte. Im Hinblick auf die untersuchten Teilregime stelle ich mir die Frage, wie sich im Verlauf des Transformationsprozesses der Charakter der Wahlen verändert hat und ob von einer wirklichen Etablierung demokratischer Verhältnisse und demokratischer Verhaltensweisen der Wähler und Gewählten gesprochen werden kann. Die durch die Reformen hervorgerufenen Veränderungen im Parteiensystem werden anhand verschiedener in der Transformationsforschung vorgeschlagenen Analysekriterien strukturiert und analysiert, die ich - vor allem im Hinblick auf die Binnenstrukturen von Parteien - ergänze. Bei der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Parteien im System gehe ich neben der kollektiven Ebene immer wieder auf Einzelpersonen ein. Ich möchte die Leser dadurch nicht mit Details langweilen. Dies ist vielmehr deshalb für Kolumbien notwendig, da sonst der personalistische Charakter der parteipolitischen Organisation und die zunehmende Aneignung von Parteilabels im Namen individualisierter Wahl Strategien verkannt würde. Auch wenn sie nach den Reformen 1991 nur wenige Mandate im Kongreß erzielten und

38

Kapitel I: Analyserahmen

ihnen im Verhältnis zu den traditionellen Organisationen nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung im Parteiensystem zukam, erschien mir die Entstehung und Entwicklung der politischen Organisationen der indigenen, afrokolumbianischen und religiösen Gemeinschaften sowie der Frauenpartei Mujeres 2000 als Indikatoren für die Inklusions- und Wettbewerbsfähigkeit des Parteiensystems besonders wichtig. Die Arbeit runden die Fragen ab, ob die direktdemokratischen und semidirekten Partizipationsmechanismen Defizite der territorialen Repräsentation kompensieren und ob Kolumbien in bezug auf alle genannten partizipationsrelevanten Reformen in hybridem Terrain steckengeblieben ist bzw. ob die Reform der Teilregime einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung des Gesamtregimes leisten konnte. Dazu schließe ich in Kapitel V die Ergebnisse der Evaluierung zusammen und diskutiere sie im Hinblick auf die theoretischen Annahmen.

3.

Untersuchungszeitraum, Methode, methodologische Probleme und Datenbasis

Kolumbien bereiste ich erstmals 1989, um mit den wichtigsten damals aktiven sozialen und politischen Gruppierungen Interviews zu führen. Der empirische Hauptteil der Studie wurde während mehrerer Feldaufenthalte zwischen 1994 und 1999 erarbeitet, die insgesamt rund zwei Jahre dauerten. Die kolumbianische Wahlbehörde Registraduría Nacional del Estado Civil (RNEC) hatte mich 1994 und 1997 zur Beobachtung der Wahlprozesse in Bogotá, Medellin, Cali und Tumaco eingeladen. Zusätzlich analysierte ich im Vorfeld der Wahlen die Wahlkämpfe und die Medienberichterstattung in der Hauptstadt Bogotá und der Pazifikstadt Tumaco. Dabei wurde vor allem die Methode der (teilnehmenden) Beobachtung eingesetzt.22 Ein Teil der Information beruht auf rund 90 Experten- und Betroffeneninterviews, 23 die unter anderem durch die Einbindung als Gastdozentin am Instituto de Estudios Políticos y Relaciones Internacionales (IEPRI) der Universidad Nacional und an die dort arbeitenden Forschungsgruppen durchgeführt werden konnten. Michael Meuser und Ulrike Nagel betonen, daß als Experte für eine Forschungsarbeit ausgesucht werden kann,

22

23

Zu den methodologischen Schwierigkeiten bei Wahlbeobachtungsprozessen vgl.: Bürklin 1988: 43ff.; Elklit/Svensson 1997: 33ff.; Nevitte/Canton 1997: 47ff.; Carothers 1997: 17ff. Zu der mit Feldforschungssituationen verbundenen Problematik: Koepping 1973; Fischer 1985; Hauschild 1987; Lentz 1990; Dammann 1991; Hirschkind 1991 und Münzel 1993. Vgl. dazu das Verzeichnis der Interviewpartner im Anhang.

Kapitel I: Analyserahmen

39

„....wer in irgendeiner Weise Verantwortung trägt für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung oder wer über den privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse verfügt".24

Dabei kann oft keine klare Unterscheidung zwischen Experten und Betroffenen vorgenommen werden. Die Abgrenzung findet eher auf der Ebene der Auswertung statt. Das Forschungsinteresse lag bei den Sachaussagen und der Prozeßrekonstruktion. Aber alle Interviewpartner sind in der Regel auch Betroffene, die nicht nur sachlich-objektiv berichten, sondern Ereignisse auch bewerten. Ihre Aussagen sind deshalb als interpretative Konstruktionen aufzufassen. Sie können jeweils bis zum Beweis des Gegenteils als realitätsnahe Beschreibungen behandelt werden, solange es keine diesen widersprechende Aussagen oder Dokumente gibt.25 Die Analyse wird an einzelnen Stellen durch eine Fallstudie in der Stadt Tumaco an der kolumbianischen Pazifikküste, in der ich mehrere Monate lang gelebt habe, ergänzt und vertieft. Die rund 120.000 Einwohner zählende Stadt Tumaco wurde deshalb ausgewählt, weil dort zum einen seit mehreren Jahrzehnten der liberale Kazike Samuel Alberto Escruceria und seine Familie das politische Schicksal der überwiegend afrokolumbianischen Bevölkerung lenkten. Sie stellte ein Paradebeispiel klientelistischer Vermachtung und für die Funktionsweise des Parteien- und Wahlregimes dar. Im lokalen Kontext erscheinen informelle Strukturen der Lebenswelt am engsten mit den politischen Institutionen verbunden. An der Bürgermeisterwahl, aus der 1994 und 1997 zwei unabhängige, afrokolumbianische Kandidaten als Sieger hervorgingen, waren die Veränderungsprozesse nach den Reformen besonders gut nachzuvollziehen. Insgesamt haben Städte und Gemeinden als „...pragmatische und normative Ausgangspunkte von Neuordnung und Reorientierung eine vorrangige Bedeutung..." und „...lokalen Erhebungen kommt...ein hoher Indikationswert für die .politische Kultur' in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche zu."26 Neben der Beobachtung des Wahlkampfes und der Wahlen 1994 und 1997 wurden Experteninterviews und 631 teilstandardisierte Interviews (davon waren 81 Pretest-Interviews und 550 gingen in die Stichprobe ein) mit der Bevölkerung über Wahlverhalten, Parteien und politische Kultur durchgeführt. Bei zehn der mir interessant erscheinenden Befragten schloß ich im Anschluß an das Interview noch ein offenes Gespräch an. Für die Be24 25

26

Meuser/Nagel 1991:443. Vgl.: Honer 1994: 633f; Meuser/Nagel 1991: 442ff.; Schneider 1988: 228f. und Inhetveen 1999: 2f., 11 und 13. Neckel 1995: 661. Vgl. zur Methodik der Fallstudie: Dorada A. 1995: 109ff.

40

Kapitel I: Analyserahmen

fragung wurde eine Stichprobe nach demographischen Gesichtspunkten (Alter, Geschlecht) quotiert. Die Stichprobe wurde über die folgende Alterstabelle verteilt, die mir von mehreren Meinungsforschungsinstituten27 in Kolumbien empfohlen worden war: 20 bis 24 Jahre 25 bis 34 Jahre 35 bis 49 Jahre 50 Jahre und älter. Im Stadtkern Tumacos wurden 384 teilstandardisierte Interviews (70 Prozent), im ländlichen Bereich 166 (30 Prozent) geführt. Das entsprach der Stadt-Land-Verteilung Mitte der 90er Jahre. Rund die Hälfte der Befragten waren Frauen. Die Stichprobe konnte nicht geschichtet werden, da eine solche Erhebung für Tumaco nicht vorliegt, diese also erst zu erstellen gewesen wäre. Das hätte den Rahmen der Untersuchung gesprengt. Allerdings ist die Einkommensverteilung in Tumaco relativ homogen. Der Verdienst wurde im Fragebogen gesondert abgefragt. Ich stelle die Ergebnisse der Studie hier nicht in ihrer Gesamtheit dar. Sie fließen nur dort ein, wo dies für die Fragestellung notwendig erscheint. Dies ist vor allem in den Kapiteln zu den Bürgermeisterwahlen, zur Entwicklung der afrokolumbianischen Parteiorganisationen und zur Wählerfluktuation der Fall. Auf die Probleme von teilstandardisierten Interviews möchte ich im Detail nicht eingehen, da dazu eine Fülle von Literatur zur Verfügung steht.28 Im Unterschied zu vielen Meinungsforschern möchte ich allerdings hervorheben, daß subjektive Einflüsse aus Interviews nicht ausgeschlossen werden können. So weit möglich, können sie (und da stimme ich mit ethnologischen Forschungstechniken überein) für die Erkenntnis gewinnbringend genutzt werden.29 Die Interviews fanden in der Regel in der natürlichen Umgebung der Befragten statt, also in oder vor ihrer Wohnung, wenn es sich um Experten handelte, auch an ihrem Arbeitsplatz. Wichtig war, die betroffenen Personen nicht in ihren täglichen Aktivitäten zu stören, damit sie über genügend Zeit verfugten, um alle Fragen zu beantworten. Die Untersuchung der Wahlen, des Wahl- und Parteiensystems beschränkt sich im wesentlichen auf den Zeitraum von 1991 bis 1998. Lokal- bzw. Regionalwahlen, die nach 1998 stattfanden, gingen - soweit mir empirisches Material zur Verfügung stand - ebenfalls in die Studie ein. An einzelnen Stellen greift die Analyse bis in die Gegenwart und berücksichtigt die Wahl27

28 29

Interview mit Ana Fernanda Urea, Opinión Pública Ltda. und Carlos Lemoine, Centro de Información y Consultorio. Vgl. u.a.: Kleinhenz 1995: 73 ff. Vgl. dazu: Dammann 1991: 15ff.

Kapitel I: Analyserahmen

41

prozesse des Jahres 2002. Soweit notwendig und möglich, stelle ich einen historischen Vergleich bis 1974 an. In den entsprechenden Kapiteln berücksichtige ich den geschichtlichen Hintergrund, wenn dies für das Verständnis des Untersuchungsgegenstandes notwendig erscheint. Die Wahldaten wurden in Archiven zusammengetragen. Als wichtigste Primärquellen sah ich Wahlgesetze, Wahlstatistiken, Parteiengesetze, -Statute, und -programme sowie Parteitagsprotokolle ein und wertete sie aus. Das Archivmaterial und die Wahldaten stellte ich in der Wahlbehörde (Registraduría Nacional del Estado Civil, RNEC), dem Nationalen Wahlrat, ( C o n s e j o Nacional Electoral, CNE) und der etwa mit einem statistischen Bundesamt vergleichbaren staatlichen Behörde, DANE (Departamento Administrativo Nacional de Estadística), zusammen. Zwar bemüht sich die Wahlbehörde in den letzten Jahren, ihre Daten in aufbereiteter Form zur Verfügung zu stellen. Die Einsicht und der systematische, diachronische Vergleich bereiten aber Schwierigkeiten. Sie hängen zum einen mit forschungstechnischen Problemen, 3 0 zum anderen mit der wechselnden Effektivität der Behörde und mit

30

Die öffentliche Einsicht von Wahldaten ist in Kolumbien grundsätzlich möglich und die Verfassung gesteht ein Petitionsrecht zu (vgl.: Becerra Pinilla 1995). Doch nicht alle benötigten Daten stehen in aufbereiteter Form zu Verfugung. Sie müssen oft in mühevoller Kleinarbeit neu zusammengestellt und ausgezählt werden. Das in der für die Information der Bürger zuständigen Abteilung der Wahlbehörde (Oficina de Información al Público) arbeitende Personal ist zwar grundsätzlich hilfsbereit (vorübergehend erlebte ich allerdings auch Mitarbeiter, die nicht besonders auskunftswillig waren oder ihre Zeit mit Computerspielen verbrachten), doch in der Regel nur für Dienstleistungs-, aber nicht für inhaltliche Informationsaufgaben qualifiziert. Die Angestellten der Abteilung werden in vielen Fällen aufgrund von parteipolitischen Absprachen oder von einer eher pragmatisch ausgerichteten Umstrukturierung der Verwaltung in diese Funktion eingesetzt. Einen Teil der Wahldaten wollte mir die Wahlbehörde für teures Geld (das nach Einschätzung des ehemaligen Leiters der RNEC, Luis Camilo Osorio, nicht offiziell verbucht worden wäre) verkaufen, nachdem ich durch den Wechsel an der Spitze der Behörde meinen Ansprechpartner verloren hatte. Der Erwerb unveröffentlichter Daten, die oft zum diachronischen oder systematischen Vergleich nötig sind, und die (wenn überhaupt) nur auf Computerbasis vorliegen, ist in der Regel gar nicht möglich oder mit erheblichen Kosten verbunden. Um solche Daten zu erhalten sind freundschaftliche Beziehungen zum Chef der Informatikabteilung und meist sogar zum Leiter der Wahlbehörde nötig. Andererseits wurden mir Doppelexemplare älterer Wahlstatistiken, die mir sehr wertvoll erschienen, einfach geschenkt. Insgesamt spiegelt diese Vorgehensweise die Arbeitsauffassung in vielen Behörden und typische Verhaltensspielregeln im politischen Prozeß wider.

42

Kapitel I: Analyserahmen

generellen statistischen Problemen bei der Registrierung von Wahldaten zusammen.31 Außerdem wertete ich die relevanten in Kolumbien, Europa und den USA entstandenen Sekundärstudien zu Reformen, Wahlen und Parteien sowie dazu in den wichtigsten Tageszeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Artikel aus. Spanische Zitate und Interviewfragen habe ich - mit Ausnahme der den einzelnen Kapiteln vorgestellten (meist eher literarischen) Eingangszitate aufgrund der besseren Lesbarkeit ins Deutsche übersetzt. Die spanische Version der von mir in den Interviews gestellten Fragen und die referierten Erhebungsdaten anderer Forschungsinstitutionen werden - insofern sie vorliegen - aufgrund der methodologischen Nachvollziehbarkeit beibehalten. Die weibliche Form des Substantivs habe ich aufgrund der Länge des Textes nicht konsequent hinzugefugt. Ich gehe davon aus, daß die Leser/innen die einschlägigen Debatten nachvollzogen haben. Wenn in den Tabellen von Liberalen und Konservativen die Rede ist, dann sind mit dieser Bezeichnung die Parteifamilien, also gegebenenfalls neben den beiden traditionellen Parteien (Partido Liberal Colombiano, PLC und Partido Conservador, PC) auch noch andere liberale und konservative Gruppierungen gemeint. Ist dies nicht der Fall, verwende ich die Parteinamen.

4.

Forschungsstand

"Wissenschaftler unterhalten sich in Privatsprachen und praktizieren Rituale; dabei bedienen sie sich dieser heiligen Stammeskühe, der sogenannten Paradigmen, die fiir Außenstehende unverständlich sind. " Donald Campbell, zitiert nach Bauer 1993: i.

Politikwissenschaftliche Forschung verändert sich durch die Interessen derer, die sie betreiben, unterliegt aber auch der Dynamik von Realitätsveränderungen, wissenschaftsexternen Zwecksetzungen und Modeerscheinungen. 32 Paradigmen und Quasi-Paradigmen, die über Jahre die Debatten beherrschten, werden plötzlich sekundär und die Mehrheit der Forscher und Forscherinnen wendet sich neuen Themen zu. 33 Nach dem Zweiten Weltkrieg und in den 50er und 60er Jahre prägten Fragestellungen zu Entwicklung, Modernisie31

32 33

Wahldaten werden oft uneinheitlich erfaßt, Konzepte, Maßstäbe und Bezugsgrößen ändern sich. Zu generellen Problemen bei der Registrierung und Auswertung von Wahldaten in Lateinamerika vgl.: Nohlen 1993: lOff. und Schulz 1996: 81ff.; zu Kolumbien: Jaramillo/Franco 1993: 473ff. Vgl. dazu auch Schmidt 1995: 185. Dennoch verschwanden die zugrunde liegenden theoretischen Diskussionsstränge nicht vollständig, sie gerieten nur in den Hintergrund und wurden zum Teil später wieder aufgenommen. Vgl.: Merkel 1995: 30; vgl. auch: Kuhn 1962.

Kapitel I: Analyserahmen

43

rung und Dependenz (Zentrum-Peripherie-Beziehungen) die lateinamerikanische Diskussion.34 Aufgrund der historischen Realität der Länder standen außerdem Untersuchungen über das Militär und die Doktrin der Nationalen Sicherheit im Vordergrund. Später wurde die Frage nach dem (bürokratisch-) autoritären Staat,35 der Rolle der verschiedenen Akteure in autokratischen Systemen und die sozioökonomischen, klassenstrukturellen und politischkulturellen Funktionsvoraussetzungen von demokratischen Regimen zentral.36 Ende der 70er Jahre erschien u.a. die berühmte von Linz/Stepan37 herausgegebene Studie, die die Ursachen des Niedergangs demokratischer Regime unter die Lupe nahm (Breakdown-Forschung). In den 80er Jahren debattierten die Lateinamerika-Forscher schließlich vor allem über den Zusammenbruch autoritärer Systeme und deren durch ökonomische Performanzprobleme (Hyperinflation, Schuldenkrise) gezeichneten Wirtschaftsordnungen. Anschließend stand ihre Transformation in repräsentative Demokratien mit in der Regel marktorientierten Wirtschaftssystemen und die dafür notwendig erachteten (neoliberalen) Anpassungspolitiken bzw. deren negative Auswirkungen im Zentrum des Interesses. Die Forscher und Forscherinnen zogen für diese Untersuchungen funktionalistisch-systemtheoretische, strukturalistische und akteursbezogene Ansätze heran.38 Die regionale Konzentration der frühen auf Lateinamerika bezogenen Transformationsforschung auf die Untersuchung der Cono-Sur-Staaten führte die damit beschäftigten Transformationstheoretiker zunächst zu spezifischen Analyseschemata. Sie bezogen sich auf Staaten, denen eine Militärdiktatur vorausgegangen war. Ihr Ausgangspunkt war meist der Kollaps bzw. die Erschöpfung des autokratischen Regimes. Erst später wurden vor allem durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Osteuropas auch neue Aspekte in die Forschung eingebracht.39 Doch Länder, die nicht in die bis dahin entwickelten Raster paßten, wurden zunächst vernachlässigt. Schließlich mußte man sich auch fragen, ob denn tatsächlich der Abbruch einer Revolution wie in Nikaragua mit den gleichen Kriterien beurteilt werden konnte wie der Zusammenbruch eines Militärregimes.40 Wie sollten Länder wie Mexiko oder Kolumbien in die Raster eingeordnet werden? Deren politisches System zeichnete sich durch eine Mischung aus de34

35 36 37 38

39 40

Vgl. die wichtigen Beiträge zu den Diskussionen dieser Jahre von Raúl Prebisch, Gino Germani und José Medina Echevarría. Vgl.: O'Donnell 1973. Vgl.: Schmidt 1995: 187. Vgl.: Linz/Stepan 1978. Vgl.: Huntington 1991; Diamond 1996: 20f.; Maihold 1996: 64 und Merkel/ Sandschneider/Segert 1996: 9. Vgl. beispielsweise: Brunner 1990; von Beyme 1994. Vgl.: Herrera Zúniga 1996: 281ff.

44

Kapitel I: Analyserahmen

mokratischen und autokratischen Elementen aus und durch Merkmale, die in keine der beiden Kategorien so recht passen wollten. Darüber hinaus war keine eindeutige Transformationsrichtung zu erkennen. Lokal und im Zeitverlauf lagen sehr heterogene Ausformungen politischer Veränderungstendenzen vor. In den beiden Ländern war der politische Wettbewerb eingeschränkt und die Parteien nahmen Funktionen wahr, die nicht den ihnen in repräsentativ-demokratischen Systemen zugeschriebenen entsprachen. Dennoch fanden regelmäßig Wahlen statt, die oft sogar von schrittweisen Reformen begleitet wurden. Solche ,atypischen' Muster von Transformationen wie sie in Nikaragua, Mexiko, Kuba und Kolumbien anstanden, sich vollzogen bzw. in einem Zustand mit ungewissem Ausgang verfestigten und die Analyse der Reformen einzelner Teilregime fanden erst in den letzten Jahren das Interesse der Transformationswissenschaftler.41 Innerhalb dieses Forschungszweiges entstanden nun auch Sektorenstudien, die einzelne Institutionen bzw. Teilbereiche des politischen Systems und der Gesellschaft (Wahlen, Parteien und Parteiensysteme, zivilgesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, Frauen-, Menschenrechts- und ¡W/gena-Organisationen) auf ihren Beitrag zur Transformation politischer Regime und zur Konsolidierung der Demokratien hin untersuchten.42 Ein Teil der neueren Analysen beschäftigte sich mit den institutionellen Funktionsschwierigkeiten und Problemen demokratischer Regierbarkeit, die sowohl auf ,schwache' Institutionenbildung als auch auf das Verhalten der Akteure zurückzuführen waren.43 "Scholars turned their attention from the transition from bureaucratic authoritarianism to democratic consolidation, shifting their focus from structural variables to strictly political ones such as constitutional engineering, democratic leadership, elections, political parties, executive-legislative relations, the role of civil society, and the rule of law."44

Immer mehr Studien stellten den Institutionalisierungs- und Konsolidierungsgrad von Organisationen und Institutionen nach demokratischen Reformen in den Mittelpunkt. Diskussionen über Art und Ursachen demokratischer Konsolidierung und (je nach Ansatz) auch der Dekonsolidierung, etwa auf41

42

43

44

Vgl. zu den genannten Ländern: Torres/Coraggio 1987; Morris 1995; Fidler 1996; Cornelius 1996; Domiguez/McCann 1996; Mols 1996; Mols/Franke 1997; Walker 1997; Centeno/Font 1997; Domiguez/Lindenberg 1997; Serra Vázquez 1998. Vgl. zu dieser Tendenz und den damit verbundenen Forschungsproblemen: Carreras 1998: 47f. Vgl. dazu auch: Sartori 1994: 3ff.; Merkel/Sandschneider 1997; Lauth/Merkel 1997; Merkel/Lauth 1998 und Lauth 1997. Hoskin 1997:211.

Kapitel I: Analyserahmen

45

grund unterbrochener bzw. nur teilweise abgeschlossener Demokratisierungsprozesse oder aufgrund von Konflikten, die um die Erweiterung demokratischer Normen bzw. aus Regierbarkeitsproblemen heraus entstanden waren, beherrschten die Debatte an der Schnittstelle zum nächsten Jahrtausend. Die Forscher richteten nun ihr Augenmerk besonders auf die Ausgestaltung der neu entstandenen politischen Regime und die Bedingungen des nachhaltigen Erfolges demokratischer Transformationen. Sie kehrten in gewisser Weise zu früheren Fragestellungen der Vergleichenden Politikwissenschaft zurück.45 Kolumbien wurde dabei in der internationalen Literatur über die .dritte Welle der Demokratisierung' 46 mit wenigen Ausnahmen vernachlässigt. Die internationale Abwendung hing zum einen schlichtweg mit forschungspragmatischen Fragen zusammen, mit denen Forscher dort im Unterschied zu einigen anderen lateinamerikanischen Ländern konfrontiert werden. 47 Für die in den 80er Jahren überwiegend mit Schuldenkrise, Hyperinflation und daraufhin eingeführten neuen Wirtschaftsordnungen beschäftigten Lateinamerika-Forscher war das Land außerdem wegen seiner bis in die 90er Jahre makroökonomisch relativ stabilen Situation kein Paradebeispiel. Die Militärdiktatur war nur von kurzer Dauer und rief international nicht die gleichen dramatischen Reaktionen hervor wie die grausamen Regime in den Ländern des Cono-Sur. Nur wenige Autoren beschäftigten sich mit dem Übergang vom Militärregime zur Nationalen Front.48 Zudem ist dem Andenstaat in der internationalen Demokratieforschung eine äußerst kuriose Behandlung widerfah45

46 47

48

Vgl. dazu auch: Thibaut 1996: 22f. Vgl. zur Dekonsolidierung: Morlino 1991. Auf die umfassende theoretische Literatur zur Transformationsforschung soll hier nicht im einzelnen eingegangen werden. Die von Waldrauch (1996), Merkel (1994, 1995) und Maihold (1996) verfaßten Artikel ermöglichen einen guten Einblick in den Stand der Forschung Mitte der 90er Jahre. Vgl.: Huntington 1991. Trotz der Tatsache, daß ausländische Forscher in Kolumbien sehr herzlich aufgenommen werden, ist die zu Forschungszwecken zur Verfügung stehende Infrastruktur nicht mit der in den Cono-Sur-Staaten zu vergleichen. Forschen in Kolumbien heißt, ein weitreichendes Geflecht von Beziehungsstrukturen aufzubauen. Auch öffentlich zugängliche, staatliche und private Institutionen stehen in der Regel mit Informationen nur zur Verfügung, wenn eine direkte Verbindung zu leitenden Führungspersönlichkeiten (in der Regel dem Direktor selbst) besteht. Hinzu kommt, daß weite Teile des Landes aufgrund des Gewaltkonfliktes nur unter Vorbehalt zu bereisen sind. Dies wird auch in der Hauptstadtzentriertheit der Forschung deutlich. Fallstudien in ländlichen Regionen sind eine Seltenheit. Auch die städtische Kriminalität kann zur direkten Bedrohung für (ausländische) Wissenschaftler werden. Vgl. beispielsweise: Peeler 1992; Hartlyn 1984 und Dávila Ladrón de Guevara 1997.

46

Kapitel I: Analyserahmen

ren: Als die Lateinamerikaforscher sich vorwiegend ffir die Militärdiktaturen Südamerikas und die autokratischen Systeme Zentralamerikas interessierten, wurde Kolumbien zusammen mit Venezuela und Costa Rica mit dem Verweis auf sein demokratisches' Regime und sein stabiles Zweiparteiensystem als Ausnahmeerscheinung in Lateinamerika von der Analyse ausgeschlossen.49 Das Interesse der Forschung konzentrierte sich sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes auf Violencia-Studien. Viele Wissenschaftler schrieben politisch-normativen Reformen (auch aufgrund ihrer eigenen Involviertheit in politische Auseinandersetzungen und den Gewaltkonflikt) nur ein geringfügiges Veränderungspotential zu und hielten deshalb auch ihre Analyse für wenig spannend und gewinnbringend.50 Dennoch finden sich in einzelnen Studien immer wieder Hinweise darauf, daß das Land einen Transformationsprozeß durchlaufe.51 Die Analyse orientierte sich allerdings bis auf wenige Ausnahmen nur begrenzt an den theoretischen Erkenntnissen der Transformationsforschung.52 Die Reformen innerhalb des Regimes der Nationalen Front und den demokratischen Öffhungsprozeß vor dem Zusammentreten der Verfassunggebenden Versammlung untersuchten Santamaria Salamanca (1984) und Santamaria Salamanca/Silva Lujän (1986). Teilanalysen der Reformen der 90er Jahre nahmen Gary Hoskin (1991), Pilar Gaitän et al. (1995) und Pedro Santana Rodriguez (1995d) vor. Studien zum kolumbianischen Institutionalisierungsprozeß, dabei vor allem zur Verfassungsreform, stammen von Santana Rodriguez (1990), Cepeda (1992, 1993, 1993a, 1994), Dugas (1993, 1997) und von David Roll (2001). Mit diachronen Wahlanalysen haben sich in Kolumbien vor allem Losada (1976, 1979, 1980, 1984, 1988, 1994, 1998), Losada/ Delgado (1976), Losada/Murrillo (1973), Losada/Williams (1972) und Gilhodes (1986, 1978) beschäftigt. Aktuelle Analysen der Wahlen und des Wahlsystems legten Pizarro Leongomez (1994), Delgado (1994, 1994a, 1998, 1998a), Delgado/Cardenas (1998), Taylor (1996), Santana Rodriguez (1994a, 1998) Dävila de Guevara/Bejarano (1998) und Giraldo/Losada/Munoz (2001) vor. Die Lokalwahlen wurden vor allem von Gaitan/Moreno (1992), Gaitan 49 50

51

52

Vgl.: z.B. Nolte 1996: 288 und Bendel/Grotz 2001: 5 lf. Interview (vom 8.2. 1995) mit Gonzálo Sánchez, dem damaligen Leiter des Forschungsinstituts IEPRI an der Universidad Nacional. Er machte auch die persönliche Geschichte und die frühere Nähe zu sozialistischen bzw. kommunistischen Parteien oder zur Guerilla vieler Forscher des Instituts dafür verantwortlich. Vgl. beispielsweise: Castro 1987; Hartlyn 1989: 293; Murillo/Torres 1991: 31ff.; IEPRI 1993; Pizarro Leongómez 1993: 203ff.; Pizarro Leongómez 1996: 2 1 0 Í ; González González 1997: 34ff; Dávila Ladrón de Guevara/Corredor 1998: 78. In den 90er Jahren entstand nur die Doktorarbeit von Dávila Ladrón de Guevara 1997, die in Kolumbien allerdings bisher nicht publiziert wurde.

Kapitel I: Analyserahmen

47

(1988, 1988a, 1988b,1991), Oquela (1991), Santana (1988,1994), Dávila Ladrón de Guevara/Corredor (1998) und Corredor (1998) untersucht. Für den deutschsprachigen Raum greift Haldenwang (1994) in seiner Studie über Dezentralisierung in Argentinien und Kolumbien auch einen Teil der politischen Reformen unter der Regierung Betancur auf. Mit der politischen Dezentralisierung beschäftigte sich außerdem Webendörfer (1997). Die ehemaligen Mitarbeiter von Dieter Nohlen, Juan Jaramillo und Beatriz Franco (1993), analysierten das kolumbianische Wahlrecht und Wahlsystem. Allgemeine Untersuchungen zur Dezentralisierung in Lateinamerika von Detlef Nolte (1991a) und Dieter Nohlen (1991a) geben einige nützliche Hinweise auf die politische Dezentralisierung. Außerdem legten Kurtenbach (1991), Helfrich-Bernal (1994/1999a) und Seegers (1998) Evaluierungen der Wahlprozesse der 90er Jahre vor. Analysen von Parteien und Parteiensystem wurden von Pinzón de Lewin (1986, 1989) Hoskin (1978, 1979, 1983, 1989, 1990), Gilhodes (1995, 1996), Santana (1996), Pizarro Leongómez (1994, 1995, 1996, 1996a, 1997) und González/Cárdenas (1998) erarbeitet. Studien zur Partizipation fertigten Velez Bustillo (1980), Vegara (1992) und Velásquez (1986, 1992, 1993, 1996, 1996a) an. Bücher über direktdemokratische Partizipationsmechanismen beschränken sich bisher vorwiegend auf deren Darstellung. Dazu erarbeiteten Santana/Muñoz, (1995) ein eher praktisch angeleitetes Manual. Gaitán et al. (1995) und Morales Guerrero (1997) stellten in ihren Studien die normativen Gesichtspunkte in den Vordergrund. García Villegas gab 1997 auf der Grundlage von Daten der Wahlbehörde eine knappe Analyse zur ihrer Nutzung heraus. Zur Notwendigkeit von erneuten Reformen des Wahl- und Parteiensystems haben schließlich Londoño (1999), Roland/Zapata (2000), Bejarano/ Pizarro (2001) und Shugart/Moreno/Fajardo (2001) Studien vorgelegt.

5.

Forschungsgegenstand: Wahl- und Parteienregime im Verhältnis zur Demokratie

In der Encyclopedia of Democracy von 1995 weist Hartlyn (1995: 258) stellvertretend für viele andere Forscher darauf hin, daß Kolumbien systemtheoretisch schwer einzuordnen sei. Die Probleme der Typologisierung beziehen sich dabei auf die Nationale Front (1958-1974), auf die Phase des desmonte (1974-1991) und auf die Zeit nach dem Inkrafttreten der Verfassung von 1991. Die Versuche einer Klassifikation haben deshalb auch eine relativ breite Spannweite. Bruce Michael Bagley bezeichnete als einer der wenigen

48

Kapitel I: Analyserahmen

Autoren das Regime als inclusionary authoritarianP Doch sprach die fragmentierte Staatlichkeit und der exkludierende Charakter des Regimes auch gegen eine solche Typologisierung. Von verschiedenen Menschenrechtsgruppen wurde das Regime als staatsterroristisch gebrandmarkt.54 Robertson (1993: lOff.) bezeichnet Kolumbien als ,narcokleptocracy\ Peeler betont in seinem 1983 erschienen Buch über die Bedingungen liberaler Demokratie in Lateinamerika, daß Kolumbien kaum als liberal democracy zu beschreiben sei. Durch eine Vielzahl von Studien zieht sich allerdings die Grundannahme, daß sich Kolumbien durch ein funktionierendes und stabiles Wahl- und Parteienregime auszeichne und deshalb als Demokratie, wenn auch mit Adjektiven,55 gelten könne. Gleichzeitig weise das Land aber einen 53 54 55

Vgl.: Bagley 1984: 124. Vgl.: El terrorismo de Estado... 1992. Demokratien wiesen nach Transitionen, gemessen an idealtypischen Anforderungen, oft eine Reihe von Defiziten auf. Um sie dennoch typologisch erfassen zu können, wurden in den letzten Jahren existierende Demokratiekonzeptionen um neue Definitionsversuche - mit meist negativer Konnotation - erweitert. Dem Begriff Demokratie wurden durch streching eine Vielzahl von normativen, analytischen und empirischen Konzepten zugeordnet, die meist nicht mit dem früheren Gebrauch des Begriffes konsistent waren. Vgl.: Remmer 1985-86: 70 und 83. Collier/Levitzky (1997:430ff.) fanden bei ihrer Suche nach Demokratiekonzepten weltweit 550 Ansätze der sogenannten .Demokratie mit Adjektiven'. Doch nicht selten blieben die Begriffe, die die Spielformen der Demokratie der dritten Welle (Huntington 1991 und 1997) beschrieben, nur Worthülsen, denen bestimmte Eigenschaften und Charakteristika zugeschrieben wurden, die manchmal auch in den ,Demokratien ohne Adjektive' Funktionsprobleme des politischen Systems darstellten. Nicht allen Autoren ist es bisher gelungen, operationalisierbare Konzepte der .Demokratien mit Adjektiven' zu entwickeln. Es handelt sich bei diesen unterschiedlichen Ansätzen nicht ausschließlich um Subtypen von Demokratie, sondern auch um neue Bezeichnungen für hybride Regime. Der Übergang, die Schwelle zwischen Autokratie und Demokratie, wird nicht immer klar bestimmt. Die Begriffe reichten von unvollständiger Demokratie (incomplete democracy, vgl.: dazu: O'Donnell 1996: 34), weniger als demokratischen Regimen (less than democratic regimes, vgl.: Jonathan Fox 1994: 153), hybrider Demokratie (hybrid democracy, vgl.: Karl 1995: 80), Demokratie niedriger Intensität (low intensity democracy, vgl.: Torres-Rivas 1990: 17f.; Gills/Rocamora 1992 und Karl 1995: 72), über Anpassungsregime (democracias del ajuste, vgl.: Raimondo/Echegaray 1993) und fragile Demokratie (fragile democracy, vgl.: Casper 1995 und Hoskin 1997: 211) zu Pseudo-Demokratie (pseudodemocracy, vgl.: Diamond 1996: 23ff.). Andere Beträge stammen von Loveman 1994 (protected democracy), Zakaria 1997 und Karatnycky 1999 (illiberal democracy) und Neher 1994: 949ff., dessen Vorstellung von .asiatischer Demokratie' oft kritisiert wurde. Als einen der bekanntesten ausgearbeiteten Ansätze kann der Entwurf der delegativen Demokratie (delegative

Kapitel I: Analyserahmen

49

hohen Grad an Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und mangelnder Rechtsstaatlichkeit auf. Für die Charakterisierung dieser ,Demokratie' wurde zum einen das von Lijphart ausgearbeitete Konzept der Konkordanzdemokratie, aber auch andere Bezeichnungen verwendet. Lijphart selbst klassifizierte Kolumbien zunächst als consociational democracy (1968, 1977), zog das Land aber später aus seiner Typologie zurück, als ihm klar wurde, daß Kolumbien die Kriterien seines konkordanztheoretischen Konzeptes nicht erfüllte. Dennoch wurde sein Ansatz auch von Hartlyn (1988, auch: 1989: 292f.) und Dix (1980: 310) übernommen, blieb aber nicht unumstritten.56 Samuel Huntington (1991: 16ff.) bezeichnet Kolumbien bereits nach der Unabhängigkeit als demokratisch. Seiner Meinung nach erlag das Land der ersten autokratischen Gegenwelle (1922-1942), habe sich aber während der dritten Welle (1943-1962) wieder demokratisiert. Demzufolge bezeichnet der Autor die Nationale Front als Demokratie. Diese Zuschreibung wird auch von Merkel (1999a: 175 und 1997b), der der Systematik Huntingtons eine dritte Gegenwelle hinzufügt, übernommen. 57 Rustow (1967: 290f.) bezeichnet Kolumbien schlicht als Demokratie. Cardoso/Faletto (1979: 179) klassifizieren es in ihrer Studie über die Dependenztheorie in Lateinamerika als traditionell bipartisan elitist. Dahl (1971: 84, 248) typologisiert das Regime zusammen mit Malaysia, der Dominikanischen Republik und der Türkei als near polyarehy. In der durch Mols (1985: 162) von Dillon Soares übernommenen Klassifizierung lateinamerikanischer Systeme ist Kolumbien als Demokratie eingestuft, aber mit einem Fragezeichen versehen. Nolte (1996: 288) hält das kolumbianische politische Regime 1978 zusammen mit Venezuela für demokratisch. Für Arrubla (1985: 218) ist der Andenstaat eine politische Demokratie, auch wenn nicht alle Bestandteile von Demokratie vorhanden seien. Solaün (1980: 3) spricht von partially democratic. Bailey (1977: 260) ordnet Kolumbien als jprocedura/ democracy ein und als ein Beispiel von elitist pluralism (275). Leal Buitrago spricht in seinem 1984 erschienenen Buch über Staat und Politik in Kolumbien, von democracia restringida, ebenso Chemick (1989: 290). Der Franzose Daniel Pecaut beurteilt in seiner

56 57

democracy/democracia delegativd) gelten, wie ihn Guillermo O'Donnell vorgeschlagen hat (vgl.: O'Donnell 1994: 55fF.). Systematische Aufarbeitungen des Konzeptes der defekten/defizitären Demokratie stammen von Merkel 1997b: 20; Lauth 1997: 34ff.; Croissant/Eicher/Thiery 1999; Croissant/Thiery 2000; Thiery 2002; Croissant/Thiery/Merkel 2000, die im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes unter der Leitung von Hans-Jürgen Puhle und Wolfgang Merkel entstanden sind. Vgl. zur Kritik: Chernik 1989: 292ff, selbstkritisch auch Dix 1980: 317ff. Vgl. dazu auch: Kramer 2001: lOff.

50

Kapitel I: Analyserahmen

Studie über zwei Dekaden kolumbianischer Politik (1989: 21f.) das Land als restricted demoeracy. Alfredo Ramos Jímenez (1995: 67) ordnet Kolumbien aufgrund der Zweiparteienherrschaft als democracia de partidos ein. Pearce (1992: 202) hält Kolumbien für eine Demokratie, wenn man den Terminus auf eine Reihe von Institutionen beschränkt. Remmer (1985-86: 75) bezeichnet den Andenstaat 1980 als exclusionary demoeraey. Nach dem Demokratieindex von T.R. Gurr und K. Jaggers (1995) wird Kolumbien 1993 auf einer Skala von eins bis zehn mit neun als beinahe voll entfaltete Demokratie bewertet, da er die Verfassungslage, aber nicht die politische Wirklichkeit erfaßt. Nach den Werten von Freedom House über die Gewährleistung politischer Rechte und bürgerlicher Freiheiten wird das Land in den 80er Jahren mit Werten zwischen 2 und 3 als ,frei', in den 90er Jahren mit 3 und 4 nur als teilweise frei' eingestuft.58 Diamond (1999: 33) bezeichnet Kolumbien auf der Grundlage der von Freedom House erhobenen Daten 1987 als Demokratie, 1993 als electoral demoeraey. Suter (1999: 244 und 247) spricht ebenfalls von ,elektoralistischer' Demokratie mit einem gleichzeitig hohen Niveau an Menschenrechtsverletzungen. Fleischhacker/Krennerich/Thibaut (1996: 106) klassifizieren in ihrer Gesamteinschätzung der Entwicklung politischer Systeme in Afrika und Lateinamerika Kolumbien als Demokratie. Krumwiede (2000: 180ff.) stellt in einem neueren Vergleich mit zentralamerikanischen Ländern fest, daß sich Kolumbien durch eine „...besondere Beharrungskraft der Demokratie als politische Ordnungsform" 59 ausgezeichnet habe. Die kolumbianische Demokratie könne nicht wie die zentralamerikanischen Spielformen als ,demo-autoritäres' System beschrieben werden. „Es ist aber eine Demokratie sehr besonderer Art, die durch gravierende Mängel gekennzeichnet ist und den Eindruck erweckt, mit friedlichen Mitteln kaum reformierbar zu sein."60 Die Beurteilung des kolumbianischen politischen Systems ist also kontrovers, nicht immer theoretisch untermauert und schlüssig. Sie steht u.a. mit zentralen Annahmen eines Teilbereichs der Demokratie- und Transformationsforschung im Hinblick auf das streching des Demokratiebegriffs, die Phaseneinteilung von Transformationsprozessen und die Konzeptualisierung von Wahl- und Parteienregimen in Zusammenhang. In Transformationsprozessen beispielsweise sagt allein die Tatsache, daß eine neue (zivile) Elite die Macht übernommen hat, nichts über die Art und Weise der Regierungstätigkeit, die Behandlung von anderen politischen Akteuren und die Einhaltung 58

59 60

Die Skala verläuft von 1-7; l=volle Gewährleistung der Rechte; 7=Nichtgewährleistung, vgl.: Freedom House 1995. Krumwiede 2000: 182. Krumwiede 2000: 182.

Kapitel I: Analyserahmen

51

der Gewaltenteilung aus. Die Annahme einer neuen Verfassung kann zwar Demokratisierungspotential bergen. Sie garantiert aber nicht ipso facto allein durch ihre Einfuhrung die Etablierung demokratischer Strukturen und Verhaltensweisen. Nicht erst seit die Defizite neuer .Demokratien' in den 90er Jahren immer offensichtlicher wurden, stellten sich viele Autoren die Frage, ob eine Transition als beendet angesehen werden konnte, wenn der Staat die Grund- und Freiheitsrechte nicht oder nur teilweise garantierte und über kein Gewaltmonopol verfugte. Durfte die Schaffung von Rechtsstaatlichkeit (legal accountability) vollkommen unberücksichtigt bleiben, zugunsten eines überzogenen Legalismus, durchsetzt von Ausnahmeregeln für einen geringen Teil der Bevölkerung?61 War Demokratie tatsächlich mit gravierenden Menschenrechtsverletzungen und starker Einschränkung des politischen Wettbewerbs möglich? Durfte es autoritäre Enklaven der Militärs geben? Diese unbequemen Fragen brachte die Transformationsforschung in eine analytische Sackgasse, aus der verschiedene Forscher mit unterschiedlichen Konzepten nach Auswegen suchten. Zum einen führten sie den RegimebegrifF ein und zum anderen grenzten sie in Transformationsprozessen die Phasen der Transition und der Konsolidierung trotz möglicher Überschneidungen analytisch voneinander ab, und zum dritten arbeiteten sie mit einem prozeduralen Demokratiebegriff.62 Auch aus hier vertretener Sichtweise erwies sich die Einführung des Regimebegriffs als besonders nützlich. In der Definition von Scott Mainwaring ist ein Regime: "...a broader concept than government and refers to the rules (formal or not) that govem the interaction o f the major actors in the political system. The notion of regime involves institutionalization, i.e., the idea that such rules are widley understood and accepted, and that actors pattern their behavior accordingly." 63

Das Regime beinhaltet die Methoden der Selektion der Regierung (Wahlen, Staatsstreiche), formale (und informelle) Mechanismen der Repräsentation und Muster der Repression. Wer gewinnt und verliert, wird durch die Verteilung von Ressourcen und die Orientierung der Akteure im Regime bestimmt. Regime regulieren, institutionalisiert (laut Mainwaring) oder nicht, den Zu61

62 63

Zum Problem der Rechtsstaatlichkeit vgl.: Sejersted 1993: 132ff.; O'Donnell 1998a: 4 f f ; Weingast 1997: 261f.; Lauth 1997: 45. Vgl.: Linz/Stepan/Gunther 1995: 106f.; Merkel 1995: 36 und 1997b: 72. Mainwaring, Scott, ohne weitere Literaturangabe zitiert in: Plasser/Ulram/ Waldrauch 1997: 20; ähnlich auch: Schmitter/Karl 1993: 40, Remmer 1985-86 und Birle 1995: 49.

52

Kapitel I: Analyserahmen

gang zur politischen Macht und die Art und Weise, wie Machthaber mit den Bürgern umgehen. 64 Regime können außerdem laut Schmitter in Teilregime (partial regimes) disaggregiert werden und erlauben es, den Transformationsprozeß in ,kleinen Einheiten' zu evaluieren. Schmitter unterscheidet:65 a) Das Wahlregime (electoral regime), das die Wähler über Parteien mit der Legislative und der Exekutive verbindet. b) Das Repräsentationsregime (representational regime), das potentielle gesellschaftliche Gruppen und Interessenorganisationen mit Parteien und diese wiederum mit der Legislative zusammenschließt. c) Das Lobbyregime (pressure regime), das soziale Gruppen bzw. Verbände und die Legislative integriert. d) Das Konzertierungsregime (concertation regime), das Interessenorganisationen, die betroffene Bevölkerung und staatliche bzw. parastaatliche Organisationen zusammenfügt. e) Das Klientelismusregime (clientelist regime), das die lokale Ebene über Parteien mit den nationalen staatlichen Institutionen zu verknüpfen sucht. Die Nützlichkeit des Regimebegriffs für die Transformationsforschung liegt auch in der Abgrenzung zum Konzept des Staates. Der Staat ist „...eine sehr dauerhafte Herrschaftsstruktur, die in ihrem Kern die legitimen oder illegitimen Zwangsmittel einschließt, die notwendig sind, um eine Gesellschaft zu regieren und die dafür notwendigen Ressourcen (Steuern, Zustimmung, Unterstützung) aus dieser zu ziehen." 66

Reformen auf der Regimeebene schließen aus dieser Sicht autoritäre Enklaven auf der Staatsebene nicht aus. Das Regimekonzept in Verbindung mit einer Minimaldefinition von Demokratie macht es dadurch scheinbar möglich, theoretische Unklarheiten und Widersprüche in Transformationsprozessen zu reduzieren. Eine umfassende Demokratisierung auf der Ebene des politischen Regimes muß nicht mit einer vollständigen Demokratisierung auf der Ebene des Staates einhergehen. Bei Regimewechseln bleiben in der Regel die zentralen Institutionen des Staates erhalten und auch die staatlichen Eliten werden oft nicht vollständig ausgetauscht, aber die Methode zur Festlegung, wer

64

65

66

Vgl.: Collier 1979:402ff; Remmer 1985-86: 65; Fishman 1989/90: 428; Rüb 1994: 129; Vgl.: Schmitter 1992: 423ff. und Schmitter 1995a; Plasser/Ulram/Waldrauch 1997: 67f. Merkel 1997b: 49 in Anlehnung an Fishman 1989/90: 428.

Kapitel I: Analyserahmen

53

den Staat kontrolliert, wird radikal verändert. Die das Regime konstituierenden Normen und Prinzipien wechseln, die Strukturen des Staates bleiben aber möglicherweise bestehen. Ähnlich aufgebaute Staatsapparate können demokratischen und autoritären Regimen dienen. O' Donneil erklärt damit, warum nach Transitionen demokratische Regime und Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika vereinbar zu sein scheinen, und warum es trotz „perverser Institutionen", 67 von demokratischen Verhaltensweisen ausgenommenen Bereichen (autoritäre Enklaven, reserved domains) und der Demokratie feindlich gesinnten Akteuren (tutelary powers) neue Regime gegeben hat, die zunächst einmal als Demokratien angesehen wurden. 68 Unmut an diesem Konzept rief aber zunehmend das zugrunde liegende, eingeschränkte Demokratiekonzept hervor. Konnte man unter Bedingungen mangelnder Staatlich- und Rechtsstaatlichkeit wirklich von demokratischen Verhältnissen sprechen? Sollte sich in einem demokratischen Staat nicht zumindest die Definition dessen ändern, was als legitime und illegitime Anwendung staatlicher Zwangsmittel galt? Hier suchten viele Forscher nach neuen Auswegen. Es boten sich zwei Lösungswege an: (A) Die Beseitigung der genannten demokratischen Einschränkungen lag nicht in der Phase der Transition, sondern wurde auf einen unbestimmten späteren Zeitpunkt verlagert. Dann sollte sich das Regime verfestigen, effektiv funktionieren, also (wie bereits erwähnt) eine zweite Transition bzw. die Konsolidierung der Demokratie vonstatten gehen. 69 (B) Zweitens bot es sich an, ein erweitertes, anspruchsvolleres Demokratiekonzept zugrunde zu legen. Dann lief die Forschung allerdings Gefahr, ethnozentrischer Überhöhung zu erliegen,70 vermehrt nicht abgeschlossene Transitionsprozesse bzw. langfristig hybride Systemtypen konstatieren zu müssen sowie auf zum Teil unüberbrückbare Schwierigkeiten bei der Operationalisierung und empirischen Messung zu stoßen. Es mußte deshalb eine Definition gefunden werden, die nicht zu anspruchsvoll war, aber dennoch weiter als die Dahl'sche Konzeption reichte. Ein wichtiger Meilenstein in dieser Debatte war die Einbeziehung von Elementen der Rechtsstaatlichkeit in die Demokratiedefinition, wie sie von vielen Transformationsforschern heute vorgeschlagen wird.71 Für die hier formulierte (auf das Wahl- und Parteienregime bezogene) Fragestellung halte ich eine von Dahls Polyarchie-Konzept ausgehende Arbeitsdefinition von 67 68 69 70 71

Valenzuela 1992: 93. Vgl.: O'Donnell 1996: 34ff. und 1997: 161ff.; Taylor 1996: 36 und Valenzuela 1992: 92ff. Vgl.: Valenzuela 1992: 59ff. Vgl. dazu: Nohlen 1997: 118. Vgl. dazu stellvertretend den Sammelband von Becker/Lauth/Pickel: 2001.

54

Kapitel I: Analyserahmen

Demokratie, die um die Elemente der Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle ausgeweitet wird, für ausreichend, insofern sie tatsächlich ernstgenommen wird. Dahl argumentiert dabei, daß das Phänomen, das wir in der Regel mit liberaler Demokratie umschreiben, aus zwei theoretischen Dimensionen besteht: Das liberale Element, das auf das Recht auf Opposition, Disput oder Wettbewerb abhebt, und das der politischen Inklusion, das sich auf das Recht auf Partizipation in politischen Angelegenheiten und Wahlen bezieht. Hier wird die These vertreten, daß beide Elemente im kolumbianischen Fall aus unterschiedlichen Gründen immer wieder extrem verletzt wurden. Damit die Bürger von ihren Rechten Gebrauch machen könnten, sei - so Dahl - in demokratischen Regimen die Garantie bestimmter Freiheiten unabdingbar: a) Vereinigungsfreiheit b) Recht auf freie Meinungsäußerung c) Aktives Wahlrecht d) Passives Wahlrecht e) Recht politischer Eliten, um Wählerstimmen zu konkurrieren f) Informationsfreiheit (Pluralismus der Informationsquellen) g) Freie und faire Wahlen h) Abhängigkeit der Regierungsinstitutionen von Wahlen und anderen Präferenzäußerungen der Bürger. 72 Das Dahl'sehe Konzept wurde oft als minimalistisch kritisiert. Ich halte es allerdings für keineswegs so begrenzt, wenn berücksichtigt wird, daß den in einer Demokratie als notwendig erachteten politischen Freiheiten eine große Bedeutung zukommt. In Anlehnung an Dahl haben Mainwaring, Diamond, Linz, Lipset, Plasser, Ulram und Waldrauch Minimalanforderungen an demokratische Systeme entwickelt, die vor allem auf Konkurrenz, Partizipation und ein Bündel von Rechten abheben, die die oben genannten Kriterien berücksichtigen, sie allerdings um den Gedanken der Rechtsstaatlichkeit und der accountabiliy erweitern. Diese können in modifizierter Form in die folgende Arbeitsdefinition einfließen und der Analyse zu Grunde gelegt werden. 73 Regime gelten demnach als demokratisch, wenn sie folgende Kriterien erfüllen:

72

73

Vgl.: Dahl 1971: 2f.; vgl. auch: Birle 1995: 50; Rüb 1994: 112ff.; Merkel 1995: 33. Vgl.: Mainwaring 1992: 297; Diamond/Linz/Lipset 1995: 6f. und Plasser/Ulram/

Waldrauch 1997 24ff.

Kapitel I: Analyserahmen

a)

55

Der Zugang zu den zentralen Institutionen erfolgt über die Prinzipien der Konkurrenz und des Pluralismus in der politischen Gesellschaft und in der Zivilgesellschaft 74 (vertikale Verantwortlichkeit). b) In fairen, freien, geheimen und gleichen Wahlen mit umfassender Partizipation der erwachsenen Bürger und Bürgerinnen wird über den Zugang von konkurrierenden Parteien und Personen zu den Regierungsinstitutionen entschieden. c) Gesellschaftlicher Pluralismus wird nicht durch Repression eingeschränkt. Die politischen und zivilen Grund- und Freiheitsrechte werden gewährleistet und sind rechtsstaatlich abgesichert. Die institutionelle Autonomie des Subsystems Recht ist gegeben. d) Die Entscheidungsfindung der Regierungsinstitutionen erfolgt innerhalb eines Systems rechtsstaatlich abgesicherter Gewaltenteilung (horizontale Verantwortlichkeit). e) Es gibt keine parastaatlichen und nicht-staatlichen Kräfte, die den Staat in weiten Teilen des Landes ersetzten (effektive Regierungsgewalt). Nur in Ansätzen allerdings beschäftigte sich die Forschung mit der Operationalisierung der Teilregime. Dazu möchte nun die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten. Wahl- und Parteienregime, die den aufgezeigten demokratischen Anforderungen gerecht werden sollen, müssen konsequenterweise ebenfalls bestimmte Kriterien erfüllen. Dafür hat die Transformationsforschung einige Vorschläge erarbeitet. Außerdem steht aus der theoretischen Werkzeugkiste75 bewährtes Rüstzeug der Vergleichenden Politikwissenschaft zur Verfügung. Ich habe es für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung in den Kontext der Transformationsforschung gestellt. Als Literaturgrundlage dienten die bekannten Studien zu Wahlen und Wahlsystemen von Lijphart/ Grofman (1984), Lijphart (1990, 1994), Rae (1967), Taagepera/Shugart (1989), Nohlen (1978, 1984, 1990, 1992, 1993) Elklit/Stevensson (1997) und deren Nutzbarmachung für den länderspezifischen Reformprozeß. Auch die theoretischen Einleitungen zu den von Nohlen/Kasapovic (1996) und Krennerich (1996) vorgelegten Fallanalysen bilden eine gute Basis, da sie bereits im Hinblick auf die Analyse von Reformprozessen angelegt wurden. Neben einem der wichtigsten Klassiker der Parteienforschung, Giovanni Sartori (1976), beruhen die theoretischen Erläuterungen zu Parteien und Parteiensystem vor allem auf von Beyme (1982, 1992, 1996 und 1997). Im Hinblick auf die Analyse lateinamerikanischer Parteiensysteme wurden McDonald/Ruhl (1989), McDonald (1991), Nikken (1992), Perelli/Picado 74 75

Political and civil society. Zur Theorie als Werkzeugkiste vgl.: Foucault 1978: 216.

56

Kapitel I: Analyserahmen

S./Zovatto (1995), Mainwaring/Scully (1995), Ramos Jiménez (1995), IIDH/ CAPEL (1998) und Manz/Zuazo (1998) eingearbeitet.

5.1

Das Wahlregime

Grundsätzlich haben die Regierenden in einem Staat die Wahl, mehrere Wege einzuschlagen, um Macht zu verteilen. Sie können unter anderem: a) Anstellungsverhältnisse ausschreiben und Personen für ihre Dienste bezahlen, b) Personen in bestimmte Funktionen ernennen und c) Personen in öffentliche Ämter wählen lassen.76 Wahlen sind zunächst also schlicht als eine Technik der Bildung von Körperschaften bzw. zur Bestellung von Personen in einem Amt zu bezeichnen, die statt anderer Möglichkeiten (Erbfolge, Ernennung) angewandt wird, ohne damit schon demokratischen Gehalt zu haben, was ihnen nicht selten direkt oder indirekt unterstellt wird. Sie können grundsätzlich in kompetitive, semikompetitive und nicht-kompetitive Wahlen untergliedert werden, da sie sowohl in demokratischen als auch in autokratischen Systemen stattfinden.77 In Demokratien werden die wichtigsten Entscheidungsträger über Wahlen bestimmt, obwohl die Bedeutung der Fachleute (técnicos) (in Lateinamerika) nicht unterschätzt werden darf.78 Die in der Dahl'schen Demokratiedefinition enthaltenen Konzepte Partizipation und Wettbewerb manifestieren sich also ausschließlich in demokratischen Wahlprozessen. Normen legen dabei die Mittel zur Partizipation und zum Wettbewerb fest, bestimmen also, wer wählen darf, welche Ämter zur Wahl stehen und wie Individuen um diese Ämter konkurrieren können.79 Die Tatsache allein, daß nach Transitionen Wahlen abgehalten werden, ist noch kein Indiz für wirklich demokratische Verfahren. Es liegt deshalb in der Hand der Reformer dafür zu sorgen, daß der demokratische Charakter von Wahlen weitgehend gewährleistet wird. Da diese sich mit anderen Akteuren verständigen müssen, ist der Ausgang solcher Pakte oder Kompromisse aus demokratietheoretischer Perspektive nicht immer optimal. Doch Ziel von Transformationsprozessen, die mit einem demokratischen Regime enden sollen, ist in dem hier präsentierten Konzept ein Übergang von nicht- oder semi-kompetitiven Wahlen zu kompetitiven Wahlen.

76 77 78

79

Vgl.: Taylor 1996: 60. Vgl.: Nohlen 1978: 18 und 1990: 17ff.; Krennerich: 1996: 25. Vgl.: Centeno/Silva 1998: lOff. Perelli beschreibt das Problem der mangelnden Legitimation der Experten und dessen Auswirkungen auf das Parteiensystem. Vgl.: Perelli 1995: 176f. Vgl.: Taylor 1996: 3.

Kapitel I: Analyserahmen

57

Semi-kompetitive Wahlen lassen sich dadurch kennzeichnen, daß die Machtverhältnisse (die Regierungsausübung durch die herrschende Gruppe) nicht in Frage gestellt werden. Bestehende Verhältnisse sollen sich über die Urnengänge legitimieren, um den Anschein demokratischer Verhältnisse zu erwecken. Sie sollen die politische Lage nach innen entspannen und die Opposition teilweise integrieren. Nach außen haben sie die Funktion, die Reputation gegenüber der internationalen Öffentlichkeit zu erhöhen, um so zur Regimestabilität beizutragen.80 Hinzu kommt die durch Wahlen ermöglichte Umstrukturierung von Machtverhältnissen innerhalb einer zerstrittenen Führungsschicht (disunified elite), um Dispute zu beseitigen, wenn sie nicht über andere Mechanismen lösbar sind. Damit Wahlen eine im hier vorgeschlagenen Sinn demokratische Qualität aufweisen, müssen die folgenden Kriterien überwiegend erfüllt sein:81 a) Die Freiheit der Bewerbung Dahinter verbergen sich folgende Fragen: Haben alle gesellschaftlichen Gruppen die Möglichkeit, politische Parteien zu gründen und sich bei Wahlen um politische Mandate zu bewerben oder sind bestimmte Parteien verboten? Gilt dies auch für historisch diskriminierte Gruppen und Minderheiten? Verhindern die faktischen politischen Gegebenheiten, die staatlichen oder ökonomischen Rahmenbedingungen, die sozio-kulturellen (ethnischen, geschlechts- oder schichtspezifischen) Strukturen die Kandidatur von Parteien und Politikern? b) Die Existenz des Wettbewerbs Handelt es sich um echten Wettbewerb, bei dem der Staat annähernd gleiche normative Voraussetzungen (in der Verfassung oder durch Gesetze) für alle Organisationen schafft, die gewillt sind, an Wahlen teilzunehmen? Sind bestimmte Parteien verboten oder werden sie de facto an der Wahlteilnahme gehindert? Nehmen schließlich wiederholt mehrere Parteien/Kandidaten an 80 81

Vgl.: Nohlen 1990: 27. Von der Autorin ergänzt und modifiziert nach: Nohlen 1990: 17ff.; Krennerich 1996: 26f.; Özbudun 1987: 393f.; Harrop/Miller 1987: 6ff.; Elklit/Svensson 1997: 35ff. Vgl. bei den letztgenannten Autoren besonders die Checkliste zu freien und fairen Wahlen S. 37. Die Kriterien beziehen sich auf die Zeit vor den Wahlen, den Wahltag selbst und die nachfolgenden Wochen oder Monate, die der Festlegung des offiziellen Wahlergebnisses und der Publikation der Wahldaten dient. Im Einzelfall kann es notwendig sein, das Konzept der Kompetivität der Wahlen noch stärker aufzufächern. Hier wird aus Operationalisierbarkeitserwägungen jedoch darauf verzichtet.

Kapitel I: Analyserahmen

58

Wahlen teil (quantitative Beurteilung) und kann der Wähler bzw. die Wählerin Unterschiede zwischen verschiedenen politischen Programmen oder Positionen (qualitatives Kriterium) erkennen? c)

Die Chancengleichheit bei der Wahlbewerbung

Werden den Parteien/Kandidaten vor allem in Wahlkampfzeiten staatlicherseits annähernd gleiche rechtliche und materielle Grundlagen gewährt (reasonableness), um Wählern ihre Programme/Positionen zu vermitteln? Sind die Wahlkampagnen festgelegten rechtsstaatlichen Richtlinien unterworfen? Werden bestehende Normen (Verfassung, Wahlgesetze) auf alle gleich angewendet (regularity)? Haben Oppositionsparteien als Alternative zu im Staat stärker verankerten Regierungsparteien annähernd gleiche Chancen? Damit in Zusammenhang stehen die Geltung politischer Rechte wie Vereinigungs- und Versammlungs-, Meinungs-, Pressefreiheit, eine angemessene staatliche Parteienfinanzierung sowie der Zugang der Parteien und Kandidaten zu den Medien. d)

Die Wahlfreiheit

Sind die Wahlrechtsgrundsätze allgemeiner, gleicher, geheimer Wahlen umgesetzt? Werden sie durch entsprechende infrastrukturelle Maßnahmen (Wahlkabinen, Sicherheitsmaßnahmen, Wahlbeobachtung) geschützt und durchsetzbar? Gibt es staatlich gedruckte Stimmzettel? Werden ihr Aussehen, ihre Aufmachung und ihre Verteilungsart Gleichheitsgrundsätzen gerecht? Gibt es eine adäquate Form der Wählerregistrierung? Ist die Stimmabgabe frei von Einschüchterung durch politische Gegner und Gewaltakteure unterschiedlichster Provenienz? e)

Die korrekte Wahlorganisation, -Verwaltung und -Überwachung

Gibt es ein unabhängiges Organ, dem die Durchfuhrung der Wahlen obliegt oder ist diese beispielsweise bei der Exekutive angesiedelt? Wie nimmt die Wahlbehörde ihre Aufgaben der Wahlorganisation, -Verwaltung und -Überwachung war? Gibt es einen transparenten Wahlprozeß? Haben politische Kontrahenten, Wahlbeobachter und die Medien am Wahltag Zugang zu den Wahllokalen und die Möglichkeit der freien Berichterstattung? Sind die Sicherheitsbehörden gegenüber den Kontrahenten impartiell? Gibt es unparteiische Wählerinformation und -Schulungen, eine korrekte Stimmenauszählung, -Verrechnung und -dokumentation?

Kapitel I: Analyserahmen

f)

59

Der Bezug der Wahlentscheidung auf Wahlperioden

Wurde der Wahlkalender im Zuge der Demokratisierung neu und in einer für die Beteiligten befriedigenden Art und Weise festgelegt? Kann der Wähler seine Wahlentscheidung in periodischen Zeiträumen überprüfen?

g) Der Beitrag der Wahlen zur politischen Machtverschiebung Steht bei Wahlen die politische Macht zur Disposition? Ist das Wählervotum entscheidend dafür, wer die politische Macht ausübt? Erkennen politische Machthaber die Wahlen als legitimes Mittel zur Herrschaftsverteilung und die Wahlergebnisse an? h)

Das Vorhandensein einer Wahlmethode, die demokratischen Kriterien genügt

Wirkt das Wahlsystem integrierend oder ausschließend auf politische Gruppen, die sich an Wahlen beteiligen? Stellt es bei der Umsetzung der Stimmen in Mandate die Wahlentscheidung auf den Kopf? Stehen Zählwert und Erfolgswert der Wählerstimmen in einem demokratietheoretisch akzeptablen Verhältnis?82

5.2

Das Parteienregime

Zur positiven Beurteilung des kolumbianischen politischen Systems hatte lange Zeit auch die Tatsache beigetragen, daß die Parteien dort nicht wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern durch Militärregime verboten worden waren, sondern auf eine lange und kontinuierliche Tradition zurückblicken konnten. Das Parteiensystem wurde deshalb bis in die 90er Jahre in der Lateinamerikaforschung für seine Stabilität gelobt.83 Diese beruhte allerdings letztlich darauf, daß die Liberale und Konservative Partei seit Mitte des 19. Jahrhunderts das politische System dominierten und nach eigenem Gutdünken manipulierten. Die meist zivile Herrschaftsform verhinderte den Ausbruch mehrerer Gewaltwellen nicht. Das ab 1958 (bis offiziell 1974) unter dem Namen Nationale Front organisierte Regime konnte keineswegs auf wettbewerbsorientierte Partizipationsprozesse verweisen. Sowohl der paktierte Machtwechsel zwischen zwei Parteien als auch der verfassungsmäßig eingeschränkte Zugang dritter Parteien verstärkten den autokratischen Charakter des politischen Systems und hatten negative Auswirkungen auf die Inklu82

83

Vgl.: Nohlen 1990: 24; Krennerich 1996: 316; kritisch: Offe 1972: 5 ff.; Agnoli 1968: 7ff. Vgl.: Mainwaring/Scully 1995: 17.

60

Kapitel I: Analyserahmen

sions- und Repräsentationskapazität des Parteiensystems. Nach dem offiziellen Ende der Nationalen Front und im Zuge der Reformen der 80er und 90er Jahre mußte man sich fragen, unter welcher historischen Bürde das transformierte Wahl- und Parteienregime zu leiden hatte, ob und welche neuen Parteien entstanden waren und wie sich die bestehenden verändert hatten. Artikulierten die neuen Parteien mehr als die vor den Reformen vorhandenen gesellschaftliche Interessen und erfüllten somit die Funktion territorialer Repräsentation? Trugen sie ihren Teil zur Ausbildung einer demokratischen Staatsbürgerkultur und zur demokratischen Konsolidierung des Gesamtregimes bei? 84 Dabei galt es zum einen zu untersuchen, wovon die Herausbildung und Veränderung von Parteiensystemen beeinflußt wurde und zum anderen Indikatoren zusammenzustellen, anhand derer die Analyse strukturiert werden konnte und die es erlaubten, in Demokratien von konsolidierten Parteienregimen zu sprechen. Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Organisation von Parteien in liberalen Demokratien werden meist schon in der Verfassung und ausführlicher in Parteien- und Wahlgesetzen definiert, die im Zuge von Transformationsprozessen eingeführt oder modifiziert werden. 85 Im Rahmen dieser 84 85

Vgl. auch: Merkel 1997a: 12ff. Parteien sollen im folgenden als Organisationen beschrieben werden, die sich unter einem eigenen registrierten Namen an Wahlen beteiligen oder es zumindest anstreben. Zu einer solchen Minimaldefinition neigt auch Sartori (1976: 63): , A party is any political group identified by an official label that presents at elections, and is capable of placing through elections." Andere Autoren haben maximalistischere Definitionen formuliert. Petra Bendels Definition (1996: 35) zielt zusätzlich noch auf die programmatische Ausrichtung von Parteien ab: ,Als Parteien werden...diejenigen Organisationen verstanden, die - im Unterschied zu bloßen Wählervereinen - über eine Programmatik und eine gewisse, dauerhafte Organisationsstruktur verfügen und die - im Unterschied zu Interessengruppen - zumindest bestrebt sind, sich an Wahlen zu beteiligen und politische Ämter zu erlangen." Ich halte allerdings für den kolumbianischen Kontext eine Minimaldefinition für angebracht, da die Einbeziehung programmatischer, ideologischer oder repräsentativer Gesichtspunkte in die Definition im strengen Sinne die Mehrheit der Parteien aus der Definition ausschließen würde. Dies gilt im übrigen auch für andere lateinamerikanische und die US-amerikanischen Parteien. Dort wechseln Parteimitglieder nicht selten die Parteien, ohne ihr Programm oder ihre ideologischen Vorstellungen zu ändern. Ich werde deshalb im folgenden alle Organisationen, die ihre Registrierung bei der Wahlbehörde mit dem grundsätzlichen Ziel verfolgen, sich an Wahlen zu beteiligen, als Parteien bezeichnen, unabhängig von ihrem ideologischen oder binnenstrukturellen Charakter, auf den ich in Einzelfällen eingehe. Vgl. dazu auch Taylor 1996: 150f. Während Sartori (1976) auch qualitative Kriterien zur Definition von Parteiensystemen heranzieht, bevorzuge ich

Kapitel I: Analyserahmen

61

Anreizstrukturen treffen Politiker Entscheidungen über die Art und Weise, wie sie sich organisieren, ob sie sich beispielsweise in einer bestehenden Partei engagieren, eine neue gründen oder ob sie ihre Wahlteilnahme als unabhängige Kandidaten erwägen. Diese Entscheidungen wirken sich wiederum auf das Parteiensystem aus und verändern es im Verlauf der Zeit.86 In den Parteiengesetzen wird auch die Wiederzulassung bzw. Reformierung schon vor der Transformation vorhandener Parteien festgelegt. Die Finanzierung von Parteien und Wahlkampagnen sind ebenfalls wichtige Leitlinien bei der Herausbildung und später bei der Veränderung des Parteiensystems. Daneben werden vor allem a) historische Legate früherer Parteiensysteme, b) der Transformationskonflikt zwischen den Befürwortern des autoritären Systems und der demokratischen Opposition, c) die zugrunde liegende gesellschaftliche c/eavßge-Struktur und d) das Wahlsystem als formierende Fak87 toren genannt. Zu a) Historische Legate früherer Parteiensysteme Existierten in früheren demokratischen oder autoritären Regimes bereits Parteien, so bildet deren Organisationsweise in der Regel die Ausgangslage für die neuen Parteiensysteme. Diese Organisationen bestehen oft fort oder werden unter einem neuen Parteilabel abermals gegründet. Hatten sie autokratische Regime mitgetragen, besteht die Gefahr, daß die so organisierten Politiker ihre dort eingeübten Politikgewohnheiten in das neue System übernehmen. Früher demokratisch verankerte Parteien eignen sich dagegen besser für den Aufbau einer neuen demokratischen politischen Kultur. Zu b) Transformationskonflikt Konflikte, die während der Transition bestehen, werden nicht selten mit ins Parteiensystem übertragen. Parteienkoalitionen, Freundschaften und Feindschaften, die im Verlauf der Transformation entstehen, spielen meist auch später eine wichtige Rolle. Es ist beispielsweise möglich, daß sich früher verfeindete Parteien gegen den autoritären Gegner zusammenschließen und daß solche Koalitionen nach der Transition Bestand haben. Sie können aber auch an den neuen Gegebenheiten zerbrechen, weil in den entstandenen demokratischen Regimen der gemeinsame Gegner fehlt bzw. die den Parteien während

86 87

wie Nohlen oder Mainwaring (1999: 25f.) eine neutralere Definition. Laut Nohlen (1990: 48) ist unter einem „...Parteiensystem ... das strukturelle Gefuge der Gesamtheit der politischen Parteien im Staat zu verstehen." Vgl. dazu auch: Taylor 1996: 4ff. und 62. Vgl. auch zu den folgenden Abschnitten: von Beyme 1997: 25ff.; IIDH/CAPEL 1998: 5ff.

Kapitel I: Analyserahmen

62

der Transformation zugewiesene Aufgabe beendet ist. Die unterschiedlichen Interessen treten nun wieder verstärkt zu Tage. Zu c)

Cleavage-Struktur

Der Begriff cleavage wurde von Seymour Martin Lipset und Stein Rokkan in die Parteiensystemforschung eingebracht.88 In ihrem sozialstrukturellen, politikgeschichtlichen Ansatz versuchten die Autoren, die Entstehung, Struktur und Konstanz von Parteiensystemen in Europa von bestimmten gesellschaftlichen Konfliktlinien (cleavages) her zu verstehen. Die Konflikte in einer Gesellschaft bestimmten die Entwicklung der Parteien. Die Sozialstruktur und die institutionellen Regelungen entschieden über die Größe der Anhängerschaft. 89 Dauerhafte Koalitionen von politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften oder der Katholischen Kirche, die diese Konflikte ausgetragen hätten, bezeichnen die Autoren als cleavages. Sie führen in bestimmten historischen Situationen zu langfristigen stabilen Bindungen zwischen Wählern und Parteien. Lösen sie sich, spricht man von dealignment. Die Herausbildung neuer cleavages bezeichnen Lipset/Rokkan als realignment.90 In Transformationsprozessen kann man davon ausgehen, daß die jeweiligen, in einem Staat dominanten gesellschaftlichen Konfliktstrukturen sich auf die Bildung der neuen Parteiensysteme auswirken. Dabei handelt es sich selbstverständlich auch um andere Konflikte als diejenigen, die bei der Entstehung europäischer Parteiensysteme eine Rolle spielten.91 In 88 89

90

91

Vgl. zum folgenden: Lipset/Rokkan 1967. Die westeuropäischen Parteiensysteme weisen - so Lipset/Rokkan - eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Die politischen Systeme hätten einen ähnlichen Demokratisierungsprozeß durchlaufen, die Parteiensysteme dabei vier zentrale Etappen zu bewältigen: Die Frage der nationalen Einheit, die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat um die politische und kulturelle Vormacht, die unterschiedlichen Interessen von ländlichen Regionen und städtisch-industriellen Zonen sowie der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit. Die ursprüngliche These der Autoren, daß die Struktur der Parteiensysteme in Europa nach dem ersten Weltkrieg, seit der Parlamentarisierung der Systeme und der Demokratisierung des Wahlrechts, eingefroren worden sei, wird durch die reale Entwicklung der Parteiensysteme als nicht mehr haltbar angesehen. Vgl.: Lipset/Rokkan 1967: 3 f f ; Falter/Schuhmann/Winkler 1990: 7f.; Nohlen 1990: 53f. und Schulz 1997: 14. Bei der Entstehung eines Teils der lateinamerikanischen Parteiensysteme spielten die Konfliktlinien Landbesitzer/städtische Handelsbourgeoisie (Konservative Parteien), Staat/Kirche (Liberale Parteien), Bourgeoisie/Proletariat bzw. Nation/ Imperialismus (Sozialistische Parteien), Oligarchie/Massen (Populistische Parteien), Demokratie/Autoritarismus (Demokratische Parteien), Staat/Markt (Neoli-

Kapitel I: Analyserahmen

63

diesem Sinn wird das Konzept von Lipset/Rokkan hier nicht als Modernisierungsmodell begriffen, das am Fallbeispiel verifiziert oder falsifiziert werden soll, sondern als heuristisches Konzept zur Analyse von Parteiensystemen.92 Zu d) Wahlsystem Wahlsysteme93 gelten laut Sartori als geeignete Elemente des political engineering.94 Durch das Zusammenwirken verschiedener Wahlsystemelemente ergeben sich eine Reihe politischer Effekte. Die Wahlnormen schaffen eine Anreizstruktur, auf die machtsuchende Akteure mit entsprechenden politischen Strategien reagieren.95 Der Einfluß des Wahlsystems auf das Parteiensystem kann allerdings nicht als einzige und isolierte Variable untersucht werden.96 Bei den Auswirkungen von Wahl- auf Parteiensysteme handelt es sich nicht um einen unilinearen Prozeß. Beide Systeme stehen vielmehr nach Meinung von Dieter Nohlen in einer interdependenten Wechselbeziehung, nicht in einer Kausalbeziehung. Man kann keineswegs, wie es bei einigen Untersuchungen von Parteiensystemen üblich war,97 ihre Entstehung mechanistisch mit den Wirkungen von Wahlsystemen erklären.98 Grundsätzlich haben die Reformer in Transformationsprozessen die Wahl zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlsystemen. Mehrheitswahl intendiert - vereinfacht gesagt - leichte Mehrheitsbildungen und nimmt die Disproportion von Stimmen und Mandaten in Kauf. In Parteiensystemen mit dominierenden Parteien verfestigt die relative Mehrheitswahl in Einerwahlkreisen tendenziell die Quasi-Monopolstellung der stimmenstärksten Partei an der

92 93

94 95 96 97 98

berale und neokonservative Parteien) eine wesentliche Rolle. Bei der Neuformierung der Parteiensysteme in den Transformationsprozessen der 80er und 90er Jahre waren vor allem die beiden zu letzt genannten von großem Interesse. Vgl. Ramos Jiménez 1995: 180 und 207f.; vgl. auch Dix 1989: 23ff. Natürlich basierten nicht alle Parteigründungen auf gesellschaftlichen Konfliktlinien, alte wurden von neuen überlagert. Vgl.: Garretón 1997: 11. Vgl. zu den Interpretationsmöglichkeiten des Modells: Eith 2001: 323. Lijphart (1994: 7) definiert das Wahlsystem als „...set of essentially unchanged electoral rules under which one or more successive elections are conduced". Im engeren Sinn bestimmt die Institution des Wahlsystems wie Wähler ihre Kandidaten- oder Parteipräferenzen in Stimmen ausdrücken und wie diese schließlich in Mandate übertragen werden. Vgl. Nohlen 1990: 72, auch im Unterschied zu Rea 1967: 14. Vgl.: Sartori 1994. Vgl.: Taylor 1996: 5f. Vgl.: Nohlen 1992a: 525 sowie 1990: 46, 69ff. und 279. Vgl.: Duverger 1958 bzw. 1959: 219ff.; Hermens 1941. Vgl.: von Beyme 1992: 327.

64

Kapitel I: Analyserahmen

Machtausübung. Hier erlauben - unter bestimmten politischen Bedingungen eine Zunahme der Wechselwähler oder die Zersplitterung der Mehrheitspartei die Änderung der Machtverhältnisse. Regierungswechsel finden bei hoher Parteiidentifikation relativ selten statt. Dies hängt auch von den konkreten politischen und ökonomischen Gegebenheiten in den verschiedenen Ländern ab. Der Verhältniswahl wird zugesprochen, daß sie ein Kartell etablierter Parteien verhindere und den demokratischen Wechsel erleichtere. Sie zielt auf eine möglichst repräsentative Spiegelung der in der Bevölkerung bestehenden politischen und sozialen Kräfte und deren parlamentarische Vertretung entsprechend ihrem Anteil der Stimmen. Der Disproportionseffekt 99 soll bei Verhältniswahlsystemen so gering wie möglich sein. Zu bedenken ist dabei, daß es auch in Verhältniswahlsystemen manufactured majorities100 geben kann. Sie kommen jedoch weniger häufig vor als in Mehrheitswahlsystemen. In der Forschimg wird weiter zwischen reinen Verhältniswahlsystemen, die ziemlich exakten Proporz herstellen, und Verhältniswahlsystemen mit unvollkommenem Proporz unterschieden. Ein dritter Typ erreicht zwar eine ziemlich ausgeglichene Relation von Stimmen und Mandaten, beugt aber einer Fragmentierung des Parteiensystems durch Sperrklauseln vor.101 Aus funktionalistischer Sicht wurden Mehrheitswahlsystemen also grundsätzlich Tendenzen zur Parteienkonzentration und politischer Stabilität, Verhältniswahlsystemen zur Parteienzersplitterung und politischen Instabilität zugeschrieben. Doch die reale Entwicklung verschiedener politischer Systeme bestätigte, daß solche Annahmen nicht zu Gesetzmäßigkeiten ausgeweitet werden konnten. Die aufgrund theoretischer Annahmen und einzelner Erfahrungen aufgestellte Kausalkette: Verhältniswahl = Parteienzersplitterung = Polarisierung = Instabilität = Gefahrdung der Demokratie war zu kurzschlüssig.102 In Europa wurden nach dem Zweiten Weltkrieg viele Wahlsysteme reformiert, um den Disproportionseffekt zu verringern und um Parteienzersplitterung zu verhindern bzw. zu reduzieren. Im Laufe der Jahre stellte sich 99

100

101 102

Die Disproportionalität bezieht sich auf den Unterschied zwischen erhaltenen Stimmen und Mandaten. In reinen Verhältniswahlsystemen würde man annehmen, daß 50 Prozent der Stimmen auch 50 Prozent der Mandate entspricht. Vgl.: Riedwyl/Steiner 1995: 356ff. Man spricht von manufactured majorities im Unterschied zu earned majorities, wenn die Mehrheitsbildung in Parlamenten nicht in Folge der absoluten Stimmenmehrheit einer Partei, sondern aufgrund des Disproportionseffekts des Wahlsystems zustande kommt. Dabei entspricht die Mehrheit der Stimmen nicht der Mehrheit der Mandate. Vgl.: Rae 1967: 74ff. Vgl.: Nohlen 1992a: 525f. und 1990: 103/304f.; Nohlen/Kasapovic 1996: 21. Vgl.: Duverger 1959: 219ff.; Nohlen 1992a: 525 und 1990: 45f.

Kapitel I: Analyserahmen

65

heraus, daß ein relatives Mehrheitswahlrecht nicht notwendigerweise die Fragmentierung des Parteiensystems verhindert und auch Proporzsysteme zu überschaubaren Parteiensystemen mit zwei Lagern fuhren konnten.103 Entscheidend für die politischen Effekte von Wahlsystemen sind neben ihrer grundsätzlichen Ausrichtung eine Fülle von Einzelfestlegungen: • Die Wahlkreiseinteilung Bei der Einteilung von Wahlkreisen muß der Gesetzgeber den Urbanisierungs- und Bevölkerungsgrad der verschiedenen Regionen berücksichtigen, da die Größe der Wahlkreise (Anzahl der zu vergebenden Mandate) sich auf die Wahl auswirkt. Wichtig ist außerdem das Vorhandensein von Parteienhochburgen und die Existenz kleiner und großer Parteien im System. Malapportionment, die ungünstige Zuschneidung von Wahlkreisen, kann unter Umständen ähnlich große Auswirkungen auf die Ergebnisse haben wie die generelle Entscheidung für Verhältnis- oder Mehrheitswähl.104 Prinzipiell differenziert man zwischen Einer- und Mehrpersonenwahlkreisen. Letztere unterscheiden sich wiederum in kleine (2-5 Mandate), mittlere (6-9 Mandate) und große (10 und mehr Mandate) Wahlkreise. Die Größe wirkt sich auf das Stimmen-Mandate-Verhältnis aus. Wird die Entscheidungsregel des Proporz angewendet, so gilt: Je kleiner der Wahlkreis (je weniger Mandate pro Wahlkreis), desto geringer der Proporzeffekt des Wahlsystems und desto geringer die Wahrscheinlichkeit kleiner Parteien ins Parlament zu gelangen. Je größer der Wahlkreis desto proportionaler die Mandatsverteilung und desto besser die Erfolgschancen kleiner Parteien.105 Orientiert sich die Einteilung der Wahlkreise an der Verwaltungseinteilung (Bundesstaaten, departamentos), bilden die Ballungszentren große Wahlkreise. In den ländlichen Gebieten herrschen dagegen kleine (wenig bevölkerte) Wahlkreise vor. Dort schafft die Proporzregel keine verhältnismäßige Repräsentation und benachteiligt kleine Parteien. Die in Urbanen Gebieten dominierenden Parteien brauchen einen höheren Anteil von Stimmen als die starken Organisationen auf dem Lande für die gleiche Anzahl von Mandaten. 106

103 104

105 106

Vgl.: von Beyme 1992: 327. Zur Berechnung der Repräsentativität der Wahlkreise ist folgendermaßen vorzugehen: Man kalkuliert den Unterschied zwischen dem prozentualen Anteil der Bevölkerung (Bev) und dem prozentualen Anteil einer Kammer der Legislative (Leg) in einem Wahlkreis. Die Formel dafür lautet: R= %Leg - %Bev Ein positives Ergebnis zeigt Überrepräsentation, ein negatives Unterrepräsentation an. Null steht für eine adäquate Repräsentation. Vgl. Taylor 1996: 263. Vgl.: Nohlen/Kasapovic 1996: 23. Vgl.: Nohlen 1991: 65ff.

66

Kapitel I: Analyserahmen

• Die Kandidatur- und Stimmgebungsform Man kann hier zwischen Einzel- und Listenkandidaturen unterscheiden. Listen werden wiederum untergliedert in starre (unveränderliche), lose gebundene und freie Parteilisten. Letztere geben dem Wähler die Möglichkeit, Parteigrenzen zu überschreiten und eine eigene Liste zusammenzustellen.107 Stimmgebungs- und Kandidaturform stehen in einem engen Verhältnis. Man unterscheidet auch hier Einzel- und Listenstimmgebung. Bei starren Listen wählt der Wähler mit seiner Stimme eine Liste en bloc. Bei anderen Listenformen verfugt er oft über mehrere Stimmen. Durch die Stimmgebungsform ist auch festgelegt, ob Kummulieren (der Wähler gibt mehrere Stimmen für einen Kandidaten ab) und Panaschieren (er verteilt seine Stimmen auf Kandidaten verschiedener Listen) erlaubt sind. Die verschiedenen Stimmgebungs- und Kandidaturformen können unter Umständen zur Verbesserung der politischen Repräsentation eingesetzt werden. Eine wichtige Eigenschaft von starren Listen liegt darin, daß Parteien beispielsweise Fachleute oder Repräsentanten bisher benachteiligter gesellschaftlicher Gruppen (Frauen, ethnische ,Minderheiten') auf .sichere' Listenplätze setzen können. In der Praxis bedarf es dazu bestimmter gesellschaftlich/kultureller Voraussetzungen, die durch soziale Bewegungen erkämpft werden müssen, damit sich zuvor diskriminierte Sektoren der Bevölkerung auch innerhalb von Parteien durchsetzen können.108 • Die Stimmenverrechnung Die Stimmenverrechnung unterliegt den Entscheidungsregeln Majorz oder Proporz. Das Erfordernis der absoluten Mehrheit beim Majorz macht Stichwahlen notwendig, an denen die Bevölkerung oder das Parlament teilnehmen. In der Regel beschränken sie sich auf die beiden stärksten Kandidaten. Das begünstigt große Parteien. Kleine Organisationen erhalten jedoch insofern

107 108

Vgl.: Nohlen 1990: 72f. Vgl.: Nohlen 1990: 73ff.; Nohlen/Kasapovic 1996: 25. Die Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Beteiligung von Frauen in den politischen Institutionen sind allgemein umstritten. Neben den unterschiedlichen Listenformen, die den Wählern mehr Auswahlmöglichkeiten lassen, werden auch Mandatsreservierungen, Stimmengewichtung bzw. Quotierung und die Einrichtung von Doppel - oder Dreierwahlkreisen, in denen zumindest ein Mandat von Frauen besetzt sein muß, diskutiert. Die meisten dieser Maßnahmen haben aber auch Folgen für die Parteien insgesamt, denen oft Vorrang vor den Interessen der Frauen im Parlament eingeräumt wird. Die vom Wähler abhängige Modifikation freier Wahllisten bedarf ebenfalls einer veränderten Position der Frau in der Gesellschaft, wenn sie tatsächlich Auswirkungen haben soll. Vgl.: Nohlen 1991: 311 ff.

Kapitel I: Analyserahmen

67

politische Vorteile, da sie in Wahlbündnissen einen der beiden Kandidaten unterstützen und eine Gegenleistung dafür erwarten können. Wenn die zuständige Behörde Mandate nach der Proporzregel verteilt, ist dafür ein Verrechnungsverfahren nötig.109 Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Höchstzahl-110 und Wahlzahlverfahren. Das bekannteste Höchstzahlverfahren ist die Methode d'Hondt. Wahlzahlverfahren werden in der Regel angewandt, wenn ein sehr exakter Proporz angestrebt wird. Bei dieser Methode wird eine Wahlzahl gebildet. Wenn eine Partei eine Stimmenzahl erreicht, die der Wahlzahl entspricht, bekommt sie ein Mandat. Den Parteien werden so viele Mandate zugeteilt, wie die Wahlzahl in der ihr zugefallenen Stimmenzahl enthalten ist. Bei einfachen Wahlzahlverfahren - wie beispielsweise der in Kolumbien angewandten Methode Hare - wird die Wahlzahl dadurch gebildet, daß die Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen durch die Zahl der im Wahlkreis bzw. in den Wahlkreisen zu vergebenden Sitze dividiert wird. In der Regel sind die Mandate bei Wahlzahlverfahren nicht in einem Verfahrensgang aufzuteilen. Die Restmandate werden dann nach der Methode des größten/kleinsten Überrestes, des größten Durchschnitts oder durch Restteilungsverfahren zugesprochen. Wird der Divisor vergrößert, kann dadurch die Zahl der Restmandate gesteuert werden. Außerdem läßt sich generell sagen, daß die Methode des größten Überrestes und des größten Durchschnitts kleine Parteien begünstigt.111 Bei der Anwendung von Wahlzahlverfahren läßt sich der Proporzeffekt durch Zahl und Vergabeverfahren der notwendig auftretenden Restmandate steuern. Sie können beispielsweise auf nationaler Ebene addiert und zum Verhältnisausgleich verwandt werden. Solche regulierenden Maßnahmen werden je nach politischer Interessenlage eingesetzt.112 Reine Verhältniswahlsysteme mit der Stimmenverrechungsmethode Hare gekoppelt, versprechen (abhängig von der Wahlkreiseinteilung, Sperrklauseln und Größe der Versammlung) ein relativ ausgeglichenes Verhältnis von Stimmen und Mandaten. Disproportionalitäten können aber durch bestimmte Einflußvariablen entstehen, beispielsweise durch den Wahlantritt der Parteien auf mehreren Listen statt auf einer einzigen Parteiliste, was im Hinblick auf Kolumbien besonders wichtig ist. Die Abweichungen von einem perfekt pro-

109 110 111 112

Vgl. dazu auch McDonald 1971: 19ff. Auch Divisoren-Verfahren genannt. Vgl.: Nohlen 1990: 43/59/77ff. sowie Nohlen 1992a: 512ff. Vgl.: Nohlen 1991: 65ff.

68

Kapitel I: Analyserahmen

portionalen Wahlsystem können mit verschiedenen Indizes gemessen werden.113 Die Größe (Mandatsanzahl) der zu wählenden Institutionen • Die Größe einer zu wählenden Institution (Kongreß, Regional- und Lokalparlamente) kann sich auf die Wahlkreiseinteilung und auf die Chancen der Parteien auswirken, ein Mandat zu gewinnen. Je kleiner die Versammlungsgröße, desto größer der Disproportionseffekt.114 • «Natürliche' und ,künstliche' Schwellenwerte bzw. Sperrklauseln In jedem Wahlsystem gibt es natürliche' (natural threshold, umbral natural), zusätzlich können künstliche Barrieren (artijicial threshold, umbral artificial) eingebaut werden. Die Wahlzahl bzw. der Divisor fungieren - je nachdem, um welchen Stimmenverrechnungsmechanismus es sich handelt als natürliche Barrieren. Erreicht ein Kandidat ein bestimmtes Stimmenminimum bei einer Wahl nicht, erhält er kein Mandat. Diese natürliche Schwelle wird als Inklusionsschwelle (threshold of inclusion) bezeichnet.115 Wird eine bestimmte Stimmenzahl überschritten, erlangt ein Bewerber automatisch einen Sitz in einer Versammlung. Dieses obere Limit nennt man Exklusionsschwelle (threshold of exclusion).116

113

114 115

Dazu zählen der Loosemore-Hanby-Index (LHI) und der Least-Squares-Index (LSI). Benutzt man den LHI, wird der Unterschied zwischen gewonnenen Sitzen (S) und gewonnenen Stimmen (V) für jede Partei berechnet und durch zwei geteilt. Die entsprechende Formel lautet: LHI= I/2Z (si-Vi) Vgl.: Lijphart 1994: 57ff., Taagepera Shugart 1989: 105ff. und 259ff. sowie Riedwyl/Steiner 1995: 357ff. Vgl.: Taylor 1996: 134f. Die Formel zur Berechnung der Inklusionsschwelle (threshold of inclusion) lautet: 1 Texe

116

(Mp) Dabei steht M für die Wahlkreisgröße (also die Zahl der Mandate im Wahlkreis) und p für die Zahl der Parteien (bzw. Listen), die in einem Wahlkreis zur Verfügung stehen. Vgl.: Lijphart 1994: 26ff., Taagepera Shugart 1989: 274ff. Die Formel zur Berechnung der Exklusionsschwelle (threshold of exclusion) lautet: 1 (M + 1) Vgl.: Lijphart 1994: 26ff., Taagepera Shugart 1989: 274ff.

69

Kapitel I: Analyserahmen

Schaubild 1: Inklusionsschwelle (I) und Exklusionsschwelle (E) 100% Garantiertes Mandat

E% Mögliches Mandat

1% Kein Mandat

0 % Quelle: Taylor 1996: 50.

Neben diesen ,natürlichen' Hürden können politische Akteure in Wahlsysteme gewollte Hürden einbauen, die die Exklusionsschwelle erhöhen.117 Solche .künstlichen' Sperrklauseln, in Form von unterschiedlich hohen Prozenthürden, verhindern den Einzug kleiner Parteien ins Parlament. Wahlsysteme sollen idealtypischer Weise dazu beitragen, daß Parteiensysteme integrativ bleiben, aber dennoch die Fragmentierung nicht allzu stark anwächst. Transformations- und Parteienforscher halten relative und absolute Mehrheitswahlsysteme und Verhältniswahlsysteme ohne Sperrklauseln unter bestimmten Umständen für stabilitätsgefahrdend. Erstere seien nicht inklusionsfahig genug. Letztere forderten die Atomisierung des Parteiensystems. In parlamentarischen Systemen erschwerten sie die Regierungsbildung. Sie sehen in Verhältniswahlsystemen (gegebenenfalls mit Sperrklauseln versehen) die beste Variante, um zur Konsolidierung des Parteiensystems und der Demokratie insgesamt beizutragen.118 Jene könnten in turbulenten Reformprozessen für die notwendige Beruhigung sorgen. Zu früh festgelegte Sperrklauseln werden allerdings nicht immer dem gesellschaftlichen Wandlungsprozeß gerecht. Die Bildung neuer Parteien wird erschwert, da der Anreiz, unter einem eigenen Label an Wahlen teilzunehmen, sinkt, wenn die Hürden für 117 118

Vgl.: Taagepera Shugart 1989: 274ff. und Lijphart 1994: 25ff. Vgl.: Sartori 1976: 98; Nohlen 1995a: 25f. und Merkel 1997: 355ff.

70

Kapitel I: Analyserahmen

den Einzug ins Parlament zu hoch gesteckt werden. Sperrklauseln bedrohen kleinere Oppositionsparteien in ihrer Existenz. Das kann politisch gewollt sein. Unter Umständen beenden sie den demokratischen Öfinungs-, Diskussions- und Organisationsprozeß zu früh, der ja gerade nach dem Ende autokratischer Systeme besonders wichtig ist. Auch in der Bundesrepublik wurden Sperrklauseln nicht gleich nach der Transition zur Demokratie eingeführt. Aus Stabilitätsgründen muß man deshalb Sperrklauseln befürworten und unter dem Inklusionsaspekt zumindest in der Gründungsphase des Parteiensystems ablehnen. Im Einzelfall sollte deshalb abgewogen werden, ob die Dimension Partizipation/Integration oder die Dimension Stabilität/Effektivität Vorrang hat, wobei erstere langfristig für die Systemstabilität ebenfalls von Bedeutung ist.

5.2.1 Indikatoren konsolidierter Parteienregime Die nach Transitionen in vielen Staaten entstandenen neuen oder reformierten Parteiensysteme unterschieden sich vor allem hinsichtlich ihrer unterschiedlichen historical outcomes, der Anzahl der vorhandenen Parteien, ihrer Größe, ihrer ideologischen Entfernungsbeziehungen (Polarisierung), ihrer Interaktionsmuster, der Machtverteilung, der Wettbewerbsintensität, der strategischen Konstellation der Parteien zueinander, der Beziehungen zu anderen gesellschaftlichen Gruppen, ihrer konsensualen und konfliktiven Interaktionsmuster, des Institutionalisierungsgrades und ihrer Stellung und Bedeutung im politischen System.119 Transformationsforscher haben - orientiert an europäischen Parteien und Parteiensystemen - vorgeschlagen, Strukturmerkmale zu beschreiben, anhand derer die Veränderungen aufgezeigt und die Konsolidierung des Parteiensystems nach Transformationsprozessen g e messen' werden kann. Der folgenden Untersuchung sollen diese Kriterien in modifizierter und synthetisierter Form als Leitfaden der Analyse zugrundegelegt werden. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus normativer Einordnung und Deskription, die strukturierende, aber auch evaluierende Intentionen verfolgt. Die einzelnen Variablen stehen eng miteinander in Zusammenhang und werden nur analytisch getrennt. Dabei besteht laut Plasser/ Ulram und Waldrauch die Gefahr, daß transformierten Regimen vorschnell ein (westliches) Parteienmodell vorgeschrieben wird.120 Auch Bendel warnt davor, normative Anforderungen an die Funktionen von Parteien an europäischen Vorbildern bzw. an demokratietheoretischen Postulaten auszurichten,

119 120

Vgl.: Bendel 1996: 22 und Nohlen 1990: 43 und 48. Vgl.: Plasser/Ulram/Waldrauch 1997: 71.

Kapitel I: Analyserahmen

71

ohne den historisch/empirischen Kontext zu berücksichtigen.121 Außerdem verzichtet die Transformationsforschung weitgehend auf die Untersuchung einzelner Parteien im System und innerparteilicher Strukturen.122 Deshalb wurden die gemachten Vorschläge zum Teil kritisch hinterfragt und die Indikatoren zur Strukturierung des Parteiensystems (I) von denen der Binnenstrukturen der Parteien (II) unterschieden. I)

Indikatoren zur Strukturierung und Evaluierung von Parteiensystemen:

a) b) c) d) e)

Der Grad der Fragmentierung Der Grad an Extremismus und Polarisierung Die Bedeutung der c/eavage-Struktur Das Ausmaß der Wählerfluktuation (volatility) Die Möglichkeit zur Bildung regierungsfähiger Koalitionen und die Anerkennung legitimer Opposition und Kontrolle

Zu a) Der Grad der Fragmentierung des Parteiensystems Zwischenparteilicher Wettbewerb, ein wichtiges Strukturmerkmal demokratischer Parteiensysteme, wird in der Regel durch die Zahl der .relevanten' Parteien in einem System und den Grad der ideologischen Polarisierung gemessen. Generell ist es für Demokratien nicht wünschenswert, daß dieser Wettbewerb allzu stark eingeschränkt wird, damit Parteiensysteme nicht ihre Repräsentationskapazität im Hinblick auf die unterschiedlichen in Gesellschaften artikulierten Interessen verlieren. Er steht auch in engem Zusammenhang mit der Responsivität, also der Aufnahmefähigkeit und -bereitschaft der Repräsentanten gegenüber den Repräsentierten und ihren Beziehungen (linkages).123 Parteien- und Transformationsforscher stellten aber auch die allgemeine These auf, daß Mehrparteiensysteme anfälliger für Umstürze seien als Zwei- oder Einparteiensysteme. In Transformationsprozessen sei die Variante des moderaten Mehrparteiensystems konsolidierungsfordernd.124 Vor 121 122

123 124

Vgl.: Bendel 1996:371. Vgl.: von Beyme 1997: 34ff.; Merkel 1997: 336ff. und 1997a: 9ff.; anders: Mainwaring 1999. Vgl.: Schüttemeyer 1995: 549ff. Vgl.: Schulz 1997: 5; Merkel 1997: 355; vgl. auch: Linz/Stepan 1978. Die Typologie Sartoris (1976: 125 und 285) beinhaltet noch eine Reihe weiterer Kriterien zur Klassifizierung von Parteien. Er unterscheidet: Einparteiensysteme, hegemoniale Parteiensysteme, dominante Parteiensysteme, Zweiparteiensysteme bzw. Zweiparteienformat, gemäßigter Pluralismus, polarisierter Pluralismus und die extreme Atomisierung politischer Parteien. Sartori spricht von Zweiparteienformaten,

72

Kapitel I: Analyserahmen

allem stark fragmentierte Parteiensysteme führten zu entscheidungsschwachen und instabilen Regierungen. Sie gelten daher insgesamt als stabilitätsgefahrdend für das politische System. In bezug auf die Regierungsbildung beziehen sich diese Annahmen allerdings auf parlamentarische Systeme. Doch auch die Argumentationsweise von Präsidentialismuskritikern wie Juan Linz ist ähnlich. Sie fordern ein Parteiensystem, das die präsidentielle Regierungsform durchsetzbar macht. Mehr als höchstens ein Zweieinhalbparteiensystem diene diesem Ziel nicht. Nur in Semipräsidialsystemen sei ein Mehrparteiensystem wünschenswert.125 Vor allem Präsidialsysteme, in denen die Parlamente durch Verhältniswahl gewählt werden, sind nach Ansicht von Scott Mainwaring eine verhängnisvolle Kombination. Durch das winnertakes-all-Yrmzvp könne es zu starker ideologischer Polarisierung kommen. Wenn keine Partei eine legislative Mehrheit habe, sei eine Vielzahl von Parteien in Präsidentialsystemen nur schwer zusammenzuschließen. Wenn die Partei des Präsidenten nicht die Mehrheit im Parlament stelle, komme es zu einer totalen Blockade (immobilizing deadlock) zwischen Exekutive und Legislative. Werde das Regierungssystem außerdem noch mit einem BallotageSystem der absoluten Mehrheitswahl in zwei Wahlgängen für die Präsidentschaftswahlen kombiniert, könnte extremen Parteisplittergruppen durch Wahlabsprachen ein unverhältnismäßig großer Einfluß im zweiten Wahlgang erwachsen.126 Dieses Argument läßt sich allerdings ebensogut umdrehen: Gerade in Mehrheitswahlsystemen, in denen kleine Parteien kaum Chancen haben, das Präsidentenamt zu gewinnen, erwächst ihnen im zweiten Wahlgang wertvolles Bargaining-Potential, das sie in politische Forderungen an den künftigen Präsidenten umwandeln können, - eine Chance für die Integration der programmatischen Anliegen neuer Parteien. Eine politische Bedeutung von Stichwahlen kann also gerade auch in der Stärkung von Partizipations- und Repräsentationsprozessen liegen, in denen eine oder mehrere kleine Parteien ihre Vorteile nutzen. Die Gefahr besteht vielmehr darin, daß es sich nicht um programmatische Abkommen handelt und Politiker lediglich personalistische Ziele verfolgen, also nicht den Wählerwillen in die Regierung hineinvermitteln. Solche Konstellationen müssen deshalb von Fall zu

125 126

wenn eine dritte Partei die beiden größeren Organisationen nicht von der Alleinregierung abhält. Vgl.: Sartori 1976: 186. Klaus von Beyme hat angemerkt, daß der Typ des polarisierten Pluralismus nur schwer von dem des gemäßigten zu unterscheiden sei, und außerdem die Bildung von Untertypen des polarisierten Pluralismus vorgeschlagen. Vgl.: von Beyme 1982: 322ff. Eine andere Typologisierung schlagen beispielsweise La Palombara/Weiner 1966 vor. Vgl.: Martinez Ocamica 1996: 458; Diamond 1996: 81. Vgl.: Mainwaring 1990: 157ff. und 1992: 36ff. sowie Diamond 1996: 84; Thibaut 1996: 56ff.; Linz 1993: llOff., 1994: 37ff. und 1993: 138ff.

Kapitel I: Analyserahmen

73

Fall untersucht und vor dem Hintergrund der politischen Kultur eines Landes eingeschätzt werden.127 Auch Nolte hebt die Flexibilität, die Präsidialsysteme unter bestimmten Umständen im Hinblick auf den Umgang gerade mit schwach institutionalisierten Parteien entwickeln können, positiv hervor.128 Der Faktor der Stabilität und Regierbarkeit kann also nicht als einziges Kriterium der Evaluierung angelegt werden. Zwar fuhren stark fragmentierte Parteiensysteme zur Verwirrung der Wähler und können sich unter bestimmten Umständen auch in Präsidialsystemen auf die Effektivität des Gesetzgebungsprozesses auswirken, wenn keine Mehrheiten bei Abstimmungen zustande kommen. Letzteres gilt allerdings nur, wenn Entscheidungen tatsächlich entlang von Parteigrenzen getroffen werden. Scott Mainwaring vergißt bei seiner Argumentation, daß Präsidenten in Lateinamerika oft unabhängig von der Parteienzugehörigkeit die Unterstützung gewährt oder verweigert wird und daß im Sinne der checks and balances nicht jedes Regierungsprojekt widerstandslos den Kongreß durchlaufen muß. Vor allem wenn es sich vor der Transition um Einparteiensysteme, hegemoniale oder dominante Parteiensysteme gehandelt hat, oder viele extrainstitutionelle Akteure vorhanden waren, die ihr Handeln in institutionelle Bahnen lenken sollen, muß die neue 127

127 128

Thibaut warnt ebenfalls vor einer Überbewertung formal-institutioneller Arrangements. Außerdem setze die Einfuhrung parlamentarischer Systeme ein gefestigtes und überschaubares Parteiensystem und ein funktionierendes Wahlsystem voraus. Dies sei in vielen lateinamerikanischen Ländern nicht vorhanden bzw. erst im Aufbau. Vgl.: Thibaut 1997: 473f.; Sartori 1994: 112ff. Ich teile dabei die Ansicht von O'Donnell, der zwar auf der theoretischen Ebene die Argumentation der Kritiker im Hinblick auf die Effizienz- und Inklusionsdefizite des Präsidentalismus nachvollziehen kann, die idealtypische Argumentationsweise jedoch kritisiert und der simplen Einführung parlamentarischer Systeme in Lateinamerika aufgrund ihrer Traditionen, der politischen Kultur und des historisch/kulturellen Kontextes skeptisch gegenüber steht. Vgl.: O'Donnell 1996: 51. Die Versuche, lateinamerikanische Präsidentialdemokratien in parlamentarische Systeme zu wandeln, waren bisher ebenfalls mit großen Schwierigkeiten verbunden. Vorhandene Möglichkeiten werden oft nicht genutzt. Vgl.: Nohlen 1992: 90f. Die Reformen in Argentinien (1994) und Uruguay (1996) zum Semi-Präsidentialismus bzw. Parlamentarismus blieben weit hinter den Zielvorgaben zurück. Die Änderung von Regierungssystemen scheitert, wie das Beispiel Brasilien 1993 zeigte, oft an ihrer Ablehnung durch die Bevölkerung. Diese zieht es oft vor, ihre Führungsfiguren direkt zu wählen, als sich auf die zweifelhaften Kriterien von Parlamentariern zu verlassen, die in der Bevölkerung kaum Prestige genießen. Vgl.: Perelli/Zovatto 1995: XIX; Thibaut 1997: 469; vgl. auch: Nohlen/ Fernández 1997 und zu Brasilien: Sadek 1995: 365ÍT. Vgl.: O'Donnell 1996: 51. Vgl.: Nolte 2000: 24.

74

Kapitel I: Analyserahmen

Struktur möglichst integrierend wirken. Hinzu kommt, daß die gleiche Anzahl von Parteien in unterschiedlichen politischen Kontexten eine völlig andere demokratische Qualität des Parteiensystems indizieren kann.129 Bei der Messung des Fragmentierungsgrades von Parteiensystemen ist zu beachten, daß er nicht einfach auf die absolute Zahl der vorhandenen Parteien zurückgeführt werden kann, da ihnen in der Regel eine unterschiedliche Bedeutung im politischen System zukommt. Von Beyme130 spricht von den .relevanten' Parteien, wenn sie über mindestens zwei Prozent der Stimmen verfugen, eine ,gewisse Dauer' im System aufweisen, die aber nicht genauer bestimmt wird, und für die Regierungsbildung »Bedeutung' haben.131 Für Sartori132 sind relevante Parteien solche, die als Koalitionspartner in Frage kommen, also über Koalitionspotential verfügen bzw. „Erpressungspotential"133 aufweisen, was sich darin äußert, daß sie Entscheidungsprozesse in der jeweiligen parlamentarischen Vertretung blockieren bzw. die Bildung von Mehrheitsregierungen verhindern können. Die Auslegung dieser Kriterien ist im Einzelfall jedoch sehr schwierig und für Präsidialsysteme nur zum Teil relevant. Für eine präzisere Ermittlung des Fragmentierungsgrades von Parteiensystemen haben Forscher verschiedene Indizes entwickelt, die für länderübergreifende oder historische Vergleiche sinnvoll sind und auch von einigen Transformationsforschern übernommen wurden. Der in der Literatur am häufigsten verwendete ist die effektive Zahl der Parteien.134 Lijphart hält ihn für den .reinsten' Index.135 Daneben können als Meßinstrumente der 129 130 131 132 133 134

135

Vgl.: Kaut 2000: 61. Vgl.: von Beyme 1992: 327. Letzteres bezieht sich auf parlamentarische Systeme. Vgl.: Sartori 1976: 121ff. blackmailpotential, Sartori 1976: 123. Die Berechnung der effektiven Zahl der Parteien hat den Vorteil, durch die Potenzierung der Stimmen- bzw. Mandatsanteile das Stärkeverhältnis der Parteien einzubeziehen. Dies reduziert die Bedeutung einer Vielzahl von Mikroparteien im Ergebnis. Die Formel zur Berechnung der effektiven Zahl der Parteien lautet: N = 1/ (1-F) oder N = 1 / 1 P i 2 Man bildet die Summe der quadrierten Anteile aller Parteien an der Gesamtzahl der gültigen Stimmen und dividiert die Zahl 1 durch diese Summe. Dominiert eine Partei, nähert sich der Index der Zahl eins. Ein Zweiparteiensystem hat 1,5 bis 2,5 Parteien, ein moderat fragmentiertes Mehrparteiensystem 2,5 bis 5,1 Parteien und ein hoch fragmentiertes Parteiensystem mehr als 5,1 Parteien. Dabei kann man zusätzlich noch die Kandidatur-, Stimmen- und Mandatsebene unterscheiden, um Auswirkungen des Wahlsystems auf das Parteiensystem zu berücksichtigen Vgl.: Laakso/Taagepera 1979: 3ff.; Taagepera/Shugart 1993: 456ff.; Merkel 1997: 363; vgl. auch die Rechenbeispiele in: Bendel 1996: 42f. Vgl.: Lijphart 1994: 70.

Kapitel I: Analyserahmen

75

Fraktionalisierungsindex nach Rae,136 der Kesselman-Wildgen-Hyperfraktionalisierungsindex und der Parteienzahlindex nach Molinar berechnet werden.137 Doch die Verwendung dieser mathematischen Methoden erzeugt u.U. Scheinexaktheiten, die nicht der komplexen Differenzstruktur von Parteiensystemen entsprechen. Gleiche Werte in unterschiedlichen Parteiensystemen in verschiedenen politisch/kulturellen Kontexten etwa benötigen differenzierte Interpretation. Zu b) Der Grad an Extremismus und Polarisierung Stabile Demokratien sollten nach Ansicht einiger Transformationsforscher ein Minimum an Gewalt und Extremismus und keine Antisystemparteien aufweisen, die Polarisierung des Parteiensystems, also der Unterschied zwischen extrem rechten und linken Parteien, nicht allzu groß sein. Extremistische Parteien, die Gewaltpotentiale programmatisch tragen, werden in der Regel als demokratiegefahrdend eingestuft. Nach Linz/Stepan138 darf in einer konsolidierten Demokratie kein bedeutender Akteur Ressourcen einsetzen, um seine Ziele mit nicht-demokratischen Mitteln umzusetzen. Przeworski139 betont für konsolidierte demokratische Systeme, daß Demokratie the only game in town sein müsse. Das bezieht sich natürlich auch auf die Parteien. Die Autoren definieren allerdings nicht genau, wann ein Akteur als bedeutend angesehen werden kann und wann er über die Demokratiefähigkeit und das programmatische Gewaltpotential hinaus in welchem System als extrem gilt. Die genaue Spannweite zwischen den Extremen wird nicht angegeben. Hinzu kommt, daß dem Rechts-Links-Schema nach dem Zusammenbruch der

136

137

138 139

Der Fraktionalisierungsindex von Rae eignet sich zur Berechnung der Fragmentierung des Parteiensystems auf der Ebene der Stimmen und Mandate. Dadurch können auch Auswirkungen des Wahlsystems auf das Parteiensystem erkannt werden. Die Formel zur Berechnung des Fraktionalisierungsindex' nach Rae lautet: F=l-IPi2 Er ist folgendermaßen zu kalkulieren: Man bildet die Summe der quadrierten Stimmenanteile (in Prozent) aller Parteien und zieht sie dann von 1 ab. Auf dem Kontinuum von Rae bedeutet Null ein Einparteiensystem und 1 die hypothetische Situation, daß jeder Wähler seine eigene Partei wählt. Vgl.: Rae 1967: 47ff.; Merkel 1997: 363; vgl. auch die Rechenbeispiele in: Bendel 1996: 42f. Vgl. bei Lijphart (1994: 69f.) die Diskussion zu Vor- und Nachteilen der Indizes. Der Kesselman-Wildgen-Index berücksichtigt kleinere Parteien stärker, Molinars Index große Parteien. Vgl.: bei Molinar (1991: 1383ff.) die entsprechenden Formeln; vgl. auch: von Beyme 1992: 327f. und Merkel 1997: 355 sowie 363. Vgl.: Linz/Stepan 1996a: 15; vgl. auch: Linz 1990: 156. Vgl.: Przeworski 1991.

76

Kapitel I: Analyserahmen

sozialistischen Staaten neue Bedeutungsinhalte inhärent sind.140 Die Auflösung der Parteiloyalitäten bezieht sich nicht nur auf die Wähler. Auch Politiker und Parteien ändern, nach dem ,Ende der Ideologien', aufgrund konjunktureller Notwendigkeiten ihre ideologischen Vorzeichen leichter als in der Vergangenheit nach pragmatischen Gesichtspunkten. 141 Ein Teil der lateinamerikanischen Gesellschaften weist ein Extremismuspotential auf, das sich durch das Vorhandensein von Mafiastrukturen, Guerilla, Paramilitärs und Korruption in größerem Ausmaß manifestiert. Dort sollten auch Zusammenhänge zwischen Parteien und anderen in der Gesellschaft verankerten extremistischen Gruppierungen untersucht werden. 142 Problematisch bei der Beurteilung des Polarisierungsgrades erscheint mir, ähnlich wie bei der Beurteilung des Fragmentierungsgrades, der Konflikt zwischen der Inklusionsbzw. Repräsentationskapazität des Parteiensystems und der Polarisierung. Denn Reformen haben ja gerade die verbesserte Repräsentation der Bevölkerung, die Integration und dadurch die Entradikalisierung extremistischer Gruppierungen - in Friedensprozessen meist von Guerillaorganisationen zum Ziel.143 Die Reformer wollen durch ihren Einschluß verhindern, daß sie in extrainstitutionelle Kanäle ausweichen. Im oben beschriebenen Sinn angelegte Transformationsforschung vernachlässigt positive (u.U. sogar demokratisierende) Effekte, die durch die Forderungen extremistischer Parteien auf das Parteienregime bzw. auf das gesamte politische System zurückwirken können.

140

141 142 143

Vgl.: Rial 1995: 90f.; Ramos Jiménez weist daraufhin, daß sich in Lateinamerika die Bezeichnung ,rechts' in der Regel auf Parteien und Gruppen bezog, die einem gesellschaftlichen Wandel entgegenstanden. Er wurde deshalb auf die Repräsentanten der liberalen Bourgeoisie, oligarchische und populistische Parteien angewendet. Eine Alternative zu diesem Schema sei dennoch bisher nicht entwickelt worden. Problematisch für die Evaluierung stuft er allerdings die Vielzahl der Nuancen im Rechts-Links-Spektrum ein. Vgl.: Ramos Jiménez 1995: 128ff. Im Lateinamerika-Ploetz werden drei Parteitypen genannt: Statusparteien (Liberale und Konservative), Reformparteien (Populisten, Nationalrevolutionäre, Sozialrevolutionäre, Christdemokraten) und Revolutionsparteien (Castristen, Sozialisten und Kommunisten). Vgl.: Lateinamerika-Ploetz 1978: 202f. Bendel hält das RechtsLinks-Schema in ihrer Untersuchung zentralamerikanischer Parteiensysteme für adäquat. Vgl.: Bendel 1996: 49ff. Zweifel meldet sie allerdings in einem späteren Aufsatz an der Anwendbarkeit des Konzeptes auf junge Demokratien an. Vgl.: Bendel/Grotz 2001: 56. Vgl.: Bendel/Krennerich 1996: 328 und Alcántara Sáez 1996a: 41 Off. Vgl.: von Beyme 1997: 35. Vgl. zur Repräsentationskrise in Lateinamerika: Boudon 1998: 7ff.

Kapitel I: Analyserahmen

77

Zu c) Die Bedeutung der c/ea vagg-Struktur des Parteiensystems Von Beyme sieht eine klare c/eavage-Struktur als Voraussetzung eines konsolidierten Parteiensystems.144 Die gesellschaftlichen Konfliktlinien sollten sich in verschiedenen Parteien und ihren Programmen widerspiegeln. 145 Aussagen darüber, wie viele Parteien von welcher Relevanz in einem System wünschenswert sind, werden im Hinblick auf die cleavages nicht getroffen. Erwähnung findet allerdings, daß Parteiensysteme, die sich einseitig entlang ethnischer oder religiöser Trennlinien konsolidiert haben, u.U. eine Gefahr für die Demokratie darstellen können. 146 Eine übertriebene cleavage-Bezogenheit des Parteiensystems kann nach Reformen allerdings auch zu starker Fragmentierung führen, wenn sich zu viele Konflikte in je einer eigenen neuen Partei niederschlagen und es die größeren vorhandenen Organisationen nicht schaffen, die Interessen neuer Wählerschichten ins politische System hinein zu vermitteln. Dies spricht nicht selten auch für die mangelnde Reformbereitschaft etablierter Parteien. Zu d) Das Ausmaß der Wählerfluktuation (volatility) und von Parteiwechseln Volatility „...ist der Wechsel an Wählerstimmen in den Gesamtsummen innerhalb eines Parteiensystems als Ergebnis individuellen Wahlverhaltens." 147 Dabei wird nach dem Pedersen-Index die Summe der Netto-Wählergewinne und Netto-Verluste der (relevanten) Parteien in Prozentanteilen von Wahl zu Wahl gemessen. 148 Mit dieser Maßeinheit können der Umfang der Parteienstärke im Zeitverlauf und die damit verbundenen Wettbewerbsmuster beobachtet werden. In konsolidierten Demokratien ist nach den Annahmen der 144 145

146 147

148

Vgl.: von Beyme 1997: 37f. Vgl. dazu auch den Abschnitt über die Entstehung von Parteiensystemen und Ramos Jiménez 1995: 180 sowie 207f.; Dix 1989: 23ff. und Garretón 1997: 11. Vgl.: Merkel/Puhle 1999: 151ff. Vgl.: Nohlen 1990: 92. Das Konzept wurde von Mogens Pedersen (1983) in die Parteienforschung eingebracht. Vgl. auch allgemein: Daalder/Mair 1983; Crewe/ Denver 1985 und Mainwaring 1999: 257f. Das Ergebnis wird anschließend durch zwei geteilt. Die Formel zur Berechnung der Wählerfluktuation (volatility) lautet: V = p Vi Pi,t - Pi,t-1 Pi ist die Stimmenzahl in Prozent der Partei i bei Wahlen zur Zeit t. V bewegt sich zwischen 0 und 100. Vgl.: Pedersen 1983: 32f. Die Schwäche des Konzeptes liegt darin, daß Umfang der Veränderung des Wahlverhaltens in politischer Hinsicht, Konzentrations- und Zersplitterungstendenzen, Veränderung politischer Kräfteverhältnisse etc. nicht erkennbar sind. Es ist deshalb sinnvoll, den Ansatz als Ergänzung zu anderen Variablen zu untersuchen. Vgl.: Nohlen 1990: 92ff.

78

Kapitel I: Analyserahmen

Transformationsforschung von einer beruhigten, also niedrigen oder mittleren Wählerfluktuation auszugehen. 149 Volatilität kann dadurch hervorgerufen werden, daß Parteien nach kurzer Tätigkeit bereits wieder verschwinden, fusionieren oder in wechselnden Listen kooperieren. Fluktuation ist dann das Kunstprodukt instabiler Organisation und zeigt auch mangelnde Konsolidierung des Parteiensystems an. Loyalitäten von Parteianhängern gelten oft Führungspersönlichkeiten und nicht den Parteien als solchen. Wechseln diese die Organisationen, dann folgen ihnen in der Regel ihre Anhänger. Andererseits reicht niedrige Volatilität als ein Kriterium für konsolidierte Parteiensysteme nicht aus, wenn Koalitionsbildungen nach vordemokratischen Intrigenmustern verlaufen. 150 Fluktuationen im Wählerverhalten werden nicht selten durch sich nach Reformprozessen verändernde Parteienidentifikation 151 verursacht. Es ist deshalb in Transformationen nicht gleichgültig in welche 149 150 151

Vgl.: Mainwaring/Scully 1995: 6ff. Vgl.: Mols 1985: 140; vonBeyme 1997: 46. Das Konzept der Parteiidentifikation wurde in der Wahlforschung von der USamerikanischen Michigan School in den 50er und 60er Jahren entwickelt. Die Parteiidentifikation ist eine dauerhafte psychische Bindung von Wählern an Parteien. Man könnte sie als eine Art .psychologische Parteimitgliedschaft' bezeichnen, im Unterschied zu ausgewiesenen organisierten Mitgliederstrukturen. Die Partei liefert dem Wähler Hilfsmittel, um die sich verändernde politische Welt zu strukturieren. Da er in Bezugsgruppen eingebunden ist, entwickelt der Wähler ein konsistentes System politischer Einstellungen, das positiv auf seine Partei und eher negativ auf gegnerische gerichtet ist. In der Regel korreliert Parteiidentifikation positiv mit dem Wahlverhalten. Wechselwähler weisen eine schwache Parteiidentifikation auf und sind anfalliger für situationsspezifische Einflußfaktoren. Hohe Parteiidentifikation verleiht den Parteiensystemen in der Regel große Stabilität, erschwert aber andererseits die Chancen von Drittparteien, was wiederum demotivierend auf bestimmte Wählerschichten wirken kann. Auf die Makroebene des kollektiven Wahlverhaltens übertragen, untersuchte die Michigan School die Verteilung der Parteiidentifikation bei den Wählern. Sie repräsentiere eine dauerhafte Grundverteilung von Präferenzen in der Wählerschaft und die Stimmenanteile, die Parteien bei jeder Wahl normalerweise zu erwarten hätten. Daraus entstand das Konzept der Normalwahl. Wird beispielsweise bei Präsidentschaftswahlen derjenige Kandidat gewählt, dessen Partei die Mehrheit der Parteiidentikation in der Bevölkerung hat, spricht man von maintaining elections (erhaltende Wahl). Siegt der Kandidat der Minderheitspartei, ist von abweichender Wahl (deviating elections) die Rede. Gibt ein Großteil der Bevölkerung ihre Parteiidentifikation auf, spricht man von realigning elections (neu formierende Wahlen). Diese kennzeichnen vor allem Krisensituationen. Vgl.: Campbell/Gurin/Miller 1954; Campbell/Converse/Miller/Stokes 1960; Campell u.a. 1966; Converse 1969: 140ff; Gluchowski 1985: 677ff.; Gabriel 1994: 107ff.; Nolte 1994; Hofmeister 1994: 18.

Kapitel I: Analyserahmen

79

Richtung die Fluktuationen verlaufen. Sprechen sich die Wähler beispielsweise für Parteien aus, die die Reform des politischen Systems unterstützen oder selbst ein Indiz für die Transformationsfähigkeit des Systems darstellen, kann Wählerfluktuation ein Anzeichen für politische Öffnung und zunehmende demokratische Konkurrenz zwischen Parteien sein. Wählerverluste bei den reformresistenten Parteien vermögen diese Gruppierungen u.U. dazu anzuregen, über eigene Defizite zu reflektieren. Die damit verbundenen demokratisierenden Auswirkungen sollten zumindest bei den Wahlen unmittelbar nach den Reformen nicht dem Grundsatz generell gemäßigter Volatilität geopfert werden, die auch ein Anzeichen von Immobilismus, Stagnation, politischer Erstarrung und „Überinstitutionalisierung"152 sein kann. Zu e) Die Möglichkeit zur Bildung regierungsfähiger Koalitionen und die Anerkennung legitimer Opposition und Kontrolle Damit eine Regierung effektiv arbeiten kann, sollte das Parteiensystem Koalitionsbildungen aus realistischen Alternativen ermöglichen, die demokratischen Regeln folgen. Dies ist allerdings nur für parlamentarische Regierungssysteme im Hinblick auf die Regierungsbildung notwendig. In den meisten präsidentiellen Regierungssystemen sind Wahlallianzen (alianzas electorales) üblich, um notwendige Mehrheiten für einen Präsidentschaftskandidaten zu schaffen. Sie können darüber hinaus nach den Wahlen, je nach Parteiensystem, auch eine wichtige Funktion im Gesetzgebungsprozeß innehaben.153 Problematisch erweisen sich solche Übereinkünfte, wenn sie den Parteienwettbewerb und damit die Kontroll- und Oppositionsfunktion von Parteien gegenüber der Regierung aufheben und einzelnen Mitgliedern der Legislative lediglich den Zugang zur Macht und damit verbundenen Ressourcen sichern sollen. Tendenziell sollte es zur Herausbildung einer klaren Alternative zwischen Regierung und Opposition kommen, die oppositionellen Parteien eine glaubwürdige Herrschaftsaltemative bilden. Dabei wäre zu prüfen, ob die Oppositionsparteien einerseits ihre Funktionen wahrnehmen, andererseits sich als ,loyale Opposition' erweisen und konstruktiv am politischen Prozeß beteiligen. Die Regierungsparteien sollten die legitime und notwendige Funktion der Opposition im politischen Prozeß anerkennen.154

152 153

154

Schedler 1995, zitiert in: Nolte 2000: 16. Vgl. dazu auch Bendel 1996: 41; Ausnahmen bilden die Präsidialsysteme, die durch parlamentarische Elemente ergänzt wurden. Dazu zählt beispielsweise Bolivien. Vgl.: Krumwiede 1997: 90ff. Vgl.: Stepan 1993: 62ff.; Cifuentes 1983 30ff.; Mols 1985: 141; von Beyme 1997: 48ff. und Hofmeister 1996a: 468.

80

Kapitel I: Analyserahmen

Linz 155 und Lijphart 156 kritisieren, daß die schwache Stellung der Parlamente in Präsidialsystemen, die weder eine entscheidende Funktion bei der Gesetzesinitiative inne hätten noch als Kontrollorgan überzeugten, zu einer allmächtigen Exekutive führten. Der Präsidentialismus biete keine Anreize zur Bildung starker Parteien. Die Präsidenten entzögen sich aufgrund des Wiederwahlverbots oft ihrer Verantwortung. In Präsidentialsystemen fehlten Mechanismen, um Konflikte zwischen Regierung, parlamentarischer und außerparlamentarischer Opposition innerhalb der Institutionen zu regeln. Der Präsident repräsentiere die Nation und jede Opposition werde als Rebellion gegen den ,Willen der Nation' denunziert. Die tatsächliche politische Basis des Präsidenten sei aber aufgrund notwendiger Wahlabsprachen oft sehr gering und heterogen. Regierungskrisen führten quasi per definitionem zu Regimekrisen. 157 Wahrscheinlicher ist, daß nicht allein das institutionelle Arrangement solche Krisenerscheinungen hervorruft, sondern die jeweiligen Rahmenbedingungen zu sehr unterschiedlichen Konstellationen zwischen Exekutive und Legislative fuhren können. 158

155

156 157

158

Vgl.: Linz 1994; Linz/Valenzuela 1994; Linz/Waisman 1996; vgl. auch: Stepan/ Skach 1993. Vgl.: Lijphart 1994a. Vgl. Linz 1978 und 1994: 4ff.; Mainwaring 1990: 157ff.; Linz/Valenzuela 1994, vgl. auch Thibaut 1996: 58f., Schmidt 1995: 193, kritisch zu Linz/Valenzuela 1994: Thibaut/Skach 1994; Thibaut 1996. Von Beyme nennt außerdem noch einen weiteren Punkt, der hier allerdings nur kurz erwähnt werden soll, da seine Untersuchung den Rahmen der Arbeit sprengen würde: Die Trennung von territorialer und funktionaler Interessenrepräsentation. Transformationstheoretiker fragen dabei nach dem Stellenwert der Parteien innerhalb der Repräsentationspyramide des lateinamerikanischen Staates und der Rolle der Parteien als politische Vereinigungen in Konkurrenzsituationen mit anderen politisch relevanten Gruppen. Um die Zersplitterung des Parteiensystems zu verhindern und die Parteien nicht zu überlasten, ist nach von Beyme die Anerkennung der Arbeitsteilung zwischen Parteien und Verbänden von Bedeutung. Fehlt eine ausdifferenzierte Struktur von Interessengruppen oder verfestigen sich asymmetrische Interessenvermittlungsstrukturen, ist dies auch deshalb belastend für die Parteien, weil gesellschaftliche Konflikte nicht entschärft und Parteistrukturen überfordert werden. Dies birgt wiederum Dekonsolidierungspotential. Die territoriale Repräsentation sollte deshalb durch ein komplementäres Regime der funktionalen Interessenvermittlung, durch ein inklusives und effizientes Verbändesystem ergänzt werden. Aus demokratietheoretischer Perspektive sichert die verbandliche Selbstorganisation der Gesellschaft dem Staat gegenüber autonome Handlungsräume und entlastet ihn von Steuerungsleistungen. Sind die Verbände allerdings mit ähnlichen organisatorischen und legitimatorischen Problemen belastet wie Parteien, können sie diese Funktionen nur zum Teil übernehmen. Außer-

Kapitel I: Analyserahmen

II)

81

Indikatoren zur Strukturierung und Evaluierung der Binnenstrukturen von Parteien:

Transformationstheoretische Studien geben sich in der Regel mit der Analyse des Parteiensystems zufrieden. Eine Analyse der Binnenstruktur von Parteien wird meist nicht vorgeschlagen. Dies ist nicht zuletzt auf die Größe des sich daraus ergebenden Untersuchungsgegenstandes in komparativen Studien, die eine Vielzahl von Ländern umfassen, zurückzuführen. Dennoch können solche vergleichenden Analysen ohne die Einbeziehung der einzelnen Parteien, ihrer Binnenstruktur und der Beziehung zum Wähler sowie einer qualitativen Kontextanalyse zu Fehlschlüssen führen. 159 Ich schlage deshalb vor, soweit dies empirisch umsetzbar ist, auch die Parteien selbst und ihre Binnenstrukturen unter die analytische Lupe zu nehmen: 160 a) Die Qualität der Parteiorganisation b) Das programmatische Profil c) Die politische Inklusions- und Repräsentationskapazität d) Der Institutionalisierungsgrad Zu a) Die Qualität der Parteiorganisation Die Qualität der Parteiorganisation läßt sich u.a. an Variabein wie Kohäsionsgrad, Abstimmungs- bzw. Parteidisziplin, innerparteiliche Organisationsstrukturen und Demokratie, Organisationsniveau, die Art der Entscheidungsfindungsprozesse, das Vorhandensein ethischer Kontrollinstanzen, die Häufigkeit, mit der Politiker die Parteien wechseln, untersuchen. Die Kehrseite der hegemonialen oder prädominanten Stellung ein oder zweier Parteien in autoritären Regimen kann ein starker Faktionalismus sein, der auch nach der Transition überlebt. Parteien sollten in den reformierten Systemen aber einen möglichst niedrigen Faktionalisierungsgrad161 aufweisen. Zwar sprechen gelegentlich innerparteiliche Faktionen für ein mehr an demokratischem

159 160

161

dem engen übermächtige Verbände staatliche und gesellschaftliche Handlungsspielräume unter Umständen auch ein. Vgl.: von Beyme 1997: 44 und Maihold 1996: 81. Vgl. dazu auch: Bodemer/Carreras 1997: 203. Dies kann allerdings auch in einem Parteiensystem wie dem kolumbianischen, das aus rund 80 Wahlparteien besteht, nur als Orientierungs- und Strukturierungsrichtlinie gelten. Ich benutze hier und im folgenden den Terminus Faktionen und Faktionierung in Anlehnung an die angelsächsische Tradition für innerparteiliche Splittergruppen (factions). Ich grenze ihn dadurch vom Terminus Fragmentierung ab, der sich auf die Zersplitterung des Parteiensystems bezieht. Den Begriff der Atomisierung verwende ich als Synonym für Faktionierung.

Kapitel I: Analyserahmen

82

Pluralismus. Oft sind sie aber kein Beleg für die Demokratiefähigkeit von Parteien, sondern für individuelle und gruppenspezifische Machtansprüche. Intern atomisierte Parteien mit mangelnden Verbindungen zu den organisierten Interessen sind meist nicht repräsentativ und können Konflikte nicht durch demokratische Institutionen mediatisieren.162 Wo interner Wettbewerb als Surrogat für die mangelnde Konkurrenz zwischen Parteien, bzw. als Mechanismus für die Verteilung politischer Ressourcen und Ämter dient, wird das Wettbewerbsprinzip in die Parteien hinein verlagert, dessen demokratische Qualität aber unterlaufen. Der Faktionalismus kann auch eine Folge von sich überlagernden (sozialen, religiösen, ethnischen) Konfliktlinien sein, die keinen Ausdruck in einer eigenen Parteiorganisation finden und sich deshalb auf die Binnenstruktur größerer Parteien auswirken. Außerdem können ökonomische Strategiedifferenzen, personale Cliquen, Wahlgesetzrichtlinien und parlamentarische Verfassungsmäßigkeit versus außerparlamentarischer Populismus zu Ansatzpunkten der Faktionenbildung werden. Erhöhter Faktionalismus indiziert unter Umständen auch bereits den Beginn der Neuorganisation des Parteiensystems (realingment).163 In demokratischen Parteien verläuft die innerparteiliche Organisation prinzipiell von der Basis zur Parteispitze und nicht umgekehrt. Parteipolitische Entscheidungsprozesse sind transparent, für Wähler und Anhänger durchschaubar, parteiinterne Konflikte werden integrativ und nicht durch canibalismo político164 gelöst.165 Wichtig erscheinen auch Erneuerungsprozesse wie ein Generationswechsel an der Parteispitze. Durch parteiinterne Kontrollinstanzen wird die Tätigkeit von Parteifunktionären, Parlamentariern und Regierungsmitgliedern regelmäßig geprüft.166 Zu b) Das programmatische Profil Parteien sollten ihren Wählern differenzierte Programme vorlegen, die sie u.U. auch ideologisch verorten, damit ihre Anhänger zwischen verschiedenen Alternativen unterscheiden können.167 Haben Parteien ein schwaches 162 163

164 165

166 167

Vgl.: Huber Stephens 1990: 164. Vgl.: McDonald 1971: 12; Mols 1985: 140; von Beyme 1997: 45f.; Croissant 1997: 304. Politischer Kannibalismus, Cerdas 1995: 22. Auf die Elitenzentriertheit parteiinterner Entscheidungsprozesse in Lateinamerika hatten McDonald u.a. schon in den 70er Jahren hingewiesen. Vgl.: McDonald 1971: 8. Vgl. Ramos Jiménez 1995: 197ff und Warner 1997: 534ff. Merkel unterscheidet Klientel- und Programmparteien und nennt daneben noch charismatische Parteien. Diese Grobeinteilung ist ein wenig reduktionistisch. Sie

Kapitel I: Analyserahmen

83

programmatisches Profil, wird auch bei der Existenz mehrerer Parteien inhaltlicher Wettbewerb lediglich vorgetäuscht. In solchen Parteiensystemen reduziert sich die Entscheidung des Wählers meist auf die Auswahl zwischen verschiedenen Personen, die sich bestenfalls an ethischen Wertvorstellungen oder konjunkturellen Gegebenheiten orientieren, schlimmstenfalls als .politische Unternehmer' durch ein ausgeklügeltes Kosten-Nutzen-Kalkül individuellen Profit aus ihrem parteipolitischen Engagement ziehen.168 Parteien sind dann nur Fassaden einer gut funktionierenden Wahlmaschinerie, deren Labels nicht für einen bestimmten ideologisch-programmatischen Gehalt stehen, sondern beliebig austauschbar sind.169 Zu c) Die politische Inklusionskapazität Je nach ihrem Organisationsniveau170 haben Parteien variierende Ansprüche an die Wählerintegration und -repräsentation, die auch unterschiedliche Demokratievorstellungen widerspiegeln. Vor allem Honoratiorenparteien sind für ihren exkludierenden Charakter bekannt, während Massen- und catch-allParteien möglichst viele Anhänger einzubinden suchen. Demokratische Parteien sollten möglichst integrativ sein und auf der Grundlage ihrer Programme allen potentiellen Interessenten den Zugang zu ihrer Organisation ermöglichen. Sie sollten die Interessen ihrer Anhänger und Wähler aus gesellschaftlichen Diskussionsprozessen filtrieren, sie artikulieren, in Politikinhalte umsetzen und im politischen Prozeß durchsetzbar machen.171 Gehen die Kandidaten von Parteien dazu über, nur ihre eigenen Interessen zu vertreten, verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Wenn sie sich dazu noch bürokratisch verhärten, in ihren Reihen immer mehr Politiker dominieren, die öffentliche Ämter einnehmen, wird ihr zunehmender Kartellcharakter deutlich.172 Führen der Autismus der Parteien und die eingeschränkte soziale Durchlässigkeit zur Glaubwürdigkeitskrise und verhindern sie schließlich

168

169 170

171 172

basiert allerdings auf dem hauptsächlichen Integrations- und Mobilisierungsmodus. Vgl.: Merkel 1997: 370. Vgl.: Mair zitiert in Merkel 1997: 10; Cerdas 1995: 22; Taylor 1996: 53; KonradAdenauer-Stiftung 1996: 159. Vgl.: Cifuentes 1983: 30ff. Ramos Jiménez (1995: 147ff.) schlägt für Lateinamerika die folgende Unterscheidung von Parteien nach ihrem vorherrschenden Organisationsniveau vor: partidos de notables (Honoratiorenparteien), partidos de militantes (etwa: Kämpferparteien), partidos de masas (Massenparteien), partidos de electores (Wählerparteien), partidos de cuadros (Führerparteien). Vgl.: Mainwaring 1999: 12ff. und Kaut 2000: 61. Vgl. zu Kartellparteien: Katz/Mair 1995: 5ff.

84

Kapitel I: Analyserahmen

völlig die Wahrnehmung der Interessenvermittlung, -artikulation und -repräsentation, kann nicht mehr von erstzunehmenden Schnittstellen zwischen Staat und Gesellschaft im politischen Entscheidungsprozeß die Rede sein.173 Der Funktionsverlust fuhrt dann nicht selten zur Erneuerung korporativer Strukturen bzw. zur direkten Interessenartikulation nicht-parteipolitisch organisierter Gruppen gegenüber Regierungsinstanzen.174 Wachsende Distanz der Parteien zu den Bürgern, mangelnde Responsivität und geschwächte Kapazität zur Lösung gesellschaftlicher Probleme,175 die Glaubwürdigkeitskrise aufgrund der Bürokratisierung der Parteien und des Mißbrauchs der ihnen durch die Wähler zugeschriebenen Macht für private Zwecke, kann sich negativ auf die Gesamtbeziehungen zwischen Bürgern und Staat (und damit auf die Funktionsweise repräsentativer Demokratien) auswirken, was auch bei Messungen des Vertrauens in bzw. des Legitimitätslevels von Parteien immer wieder deutlich wird.176 Zu d) Der Institutionalisierungsgrad Mainwaring (1999, 1995) hat ein komplexes Schema entworfen, um den Institutionalisierungsgrad von Parteiensystemen zu messen. Die Institutionalisierung und Stabilität des gesamten Parteiensystems sagt aber nicht zwangsläufig etwas über die unterschiedliche gesellschaftliche Verankerung einzelner Parteien aus. Da nach Reformen eine Vielzahl von neuen und alten bzw. reformierten Organisationen im Wettbewerb stehen können, muß die Frage nach der Institutionalisierung auch im Hinblick auf jede Partei gestellt werden, denn gerade aufgrund unterschiedlicher Institutionalisierungsgrade können sich Friktionen ergeben. Die meisten nach Transformationen neu entstandenen Parteien weisen zwangsläufig zunächst niedrige Institutionalisierungsgrade auf. Parteien, die sich bereits vor Reformen institutionalisiert hatten, beweisen dagegen eine große Anpassungsfähigkeit, wenn sie Transformationsprozesse überdauern. Der Grad der Institutionalisierung einer Partei hängt u.a. von den Variablen der Verwurzelung in der Bevölkerung, Bestandsdauer, Mitgliederzahlen, Parteiidentifikation und dem Legitimitätslevel ab.

173

174 175 176

Juan Rial verbindet den Repräsentationsverlust lateinamerikanischer Parteien mit dem Bedeutungsverlust der Bauern- und Arbeiterschichten und der Zunahme des unspezifischeren Dienstleistungssektors. Vgl.: Rial 1998: 40. Vgl.: Nikken 1992: 12ff.; Grompone 1995: 13. Cerdas nennt dies den Verlust der sozialen Porosität. Vgl.: Cerdas 1995: 22. Vgl.: Schüttemeyer 1995: 549ff. und Hofmeister 1994: 18.

Kapitel I: Analyserahmen

85

„Nur wenn Bürger in den Parteien Organisationen sehen, die ihre Interessen vertreten und dadurch dauerhafte Loyalitäten entstehen, kann von einer wirklichen Institutionalisierung dieser Parteien gesprochen werden. Wenn sich die Aktivitäten der Parteien hingegen weitgehend nur auf das Gewinnen von Wahlen beschränken, ohne daß außerhalb der Wahlkampfperioden dauerhafte Bindungen zwischen Bürgern und Parteien bestehen, haben diese eher den Charakter politischer Bewegungen. Der Bewegungscharakter von Parteien wird vor allem da deutlich, wo nicht moderne Parteiorganisationen mit einer horizontalen Organisationsstruktur und festen programmatischen oder ideologischen Zielsetzungen, sondern politische Parteien zu Wahlen antreten, deren Aufbau vertikal auf einzelne Führerpersonen ausgerichtet ist."177 Zu berücksichtigen bleibt dabei allerdings, daß sich die lateinamerikanischen Parteien schon immer nicht unwesentlich von europäischen unterschieden. 178 Sie hatten in der Regel keine sehr ausgeprägten Organisations- und Mitgliederstrukturen (mit Ausnahme der populistischen Massenparteien und vielleicht einiger kommunistischer Parteien), so daß dies auch für die neu entstehenden nur bedingt zu erwarten war. Auch Parteien mit langjähriger Erfahrung hatten ihre Bindung zu den Wählern nicht nur über Interessenidentitäten aufgebaut. Sie bedienten sich ebenfalls vertikal und dyadisch vermittelter Klientelbeziehungen. 179

177

178 179

Schulz 1997: 8; vgl. auch: McDonald (1971: 13), der ebenfalls auf die Zentriertheit lateinamerikanischer Parteien auf Wahlen hinweist, und Rial 1995: 70ff. Vgl. zu wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen: Bendel/Werz 1997: 438ff. Vgl.: Hartlyn/Valenzuela 1994: 127f.; Mainwaring/Scully 1995: 6ff. und Rial 1995: 63ff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

87

„...en este Club la política no tiene ninguna importancia, porque mande quien mande, siempre tenemos la sartén por el mango...Aquí organizamos todos los movimientos políticos o los hacemos abortar...Elegimos presidentes o los tumbamos—Aprobamos las leyes o derogamos...Me gustaría que oyera lo que estás diciendo un amigo mío que vive convencido de que el pueblo manda y de que va a llegar al poder...- dijo Casiano, interrumpiendo al Marqués - Pués tu amigo debe ser un retardado mental o un gran pendejo - replicó el Marqués - porque se necesita mucho candor para pensar eso y mucho más para decirlo...Elpueblo es una manada de idiotas que votan por los candidatos que les indican los caciques y los gamonales y se matan unos a otros sin saber por qué, mientras nosotros bebemos whisky y comemos langosta ¿ves? Y a propósito: ¿Hay inconveniente en que nos tomemos otro trago? " Aus: Salom Becerra 1979: 1 lff.

II. 1.

Von der Kolonialzeit bis zur Krise des Regimes der Nationalen Front Strukturmerkmale des traditionellen Parteiensystems

Neben der argentinischen Unión Cívica Radical, dem Partido Colorado und dem Partido Blanco Radical aus Uruguay zählen die traditionellen kolumbianischen zu den ältesten, heute noch funktionierenden Parteien des lateinamerikanischen Kontinents.1 Der Partido Liberal Colombiano (PLC) und der Partido Conservador (PC) entstanden in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts als zentrale Akteure des politischen Systems. Ihre graduelle Bildung begann allerdings schon in der republikanischen Bürokratie.2 Zunächst übte die ehemalige koloniale Herrschaftsklasse über sie noch ihren Einfluß aus. Durch klientelistische Bande und die Eigentumsverhältnisse gelang es ihr, die jeweiligen Regierungen zu kontrollieren. Nachdem der einigende Faktor der spanischen Krone verschwunden war, bildeten sich die Parteien auch als Reaktion auf die Fragmentierung der Macht und das Legitimationsdefizit der republikanischen Regierungen. Die nachkoloniale Elite spaltete sich nicht aufgrund tiefgreifender ideologischer Differenzen, sondern in erster Linie entlang von Verwandtschafts- und Freundschaftsbanden in liberale und konservative Fraktionen. Die traditionellen "Parteien"3 wurden oft als Ansamm1 2

3

Vgl.: Mainwaring/Scully 1995a: 15. Vgl.: González ohne Jahr: 156; Tirado Mejía 1985: 108 und Buenahora FebresCordero 1995: 193. Die Konservative Partei läßt sich aber nicht eindeutig auf Simón Bolívar und die Liberale Partei auf Francisco de Paula Santander zurückfuhren (wie oft in der Literatur behauptet wird) so zum Beispiel bei Pearce 1992: 23; Hamann 1995: 19. Wenn hier von Parteien die Rede ist, muß darauf hingewiesen werden, daß diese Zuschreibung auf der Grundlage der zuvor eingeführten Minimaidefinition erfolgt. Als traditionelle Parteien werden fortan der PLC und der PC, alle anderen Par-

88

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

lung von Honoratioren beschrieben.4 Sie glichen losen Zusammenschlüssen von Großgrundbesitzern und Händlern. Die Konservativen setzten sich in Kolumbien im Unterschied zu anderen lateinamerikanischen Ländern aber nicht ausschließlich aus der Agrarelite zusammen. Die Liberalen bildeten nicht nur die bürgerliche Handelselite. Beide Parteien betätigten sich meist in verschiedenen Wirtschaftszweigen. Sie umfaßten alle Oberschichtgruppen.5 Tabelle 1: Gründung der liberalen und konservativen Parteien in Lateinamerika Land Argentinien Bolivien Brasilien Chile Kolumbien Costa Rica Kuba Ekuador El Salvador Honduras Nikaragua Panama Paraguay Uruguay

Konservative 1870 1883 1889 1823 1849 1907 1855 1949 1902 1854 1887 1836

Liberale 1870 1883 1889 1823 1848 1897 1903 1878 1890 1944 1903 1836

Quelle: Ramos Jiménez 1995: 238.

Die wenigen elitären konservativen und liberalen Familien, die die Parteispitzen bildeten, schlössen ihre Anhängerschaft von den Entscheidungen über die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes aus. Der Partido Liberal formierte sich institutionell 1848. Die Gründung des Partido Conservador Colombiano datiert 1849. Rojas Ezequiel entwarf das ,Programm' der Liberalen.6 Mariano Ospina Rodríguez veröffentlichte zusammen mit José Eusebio Caro die Grundlinien der Konservativen in der Zeitung La Civilización. Beide Schriftstücke hatten mehr den Charakter von Manifesten als von Program-

4 5 6

teien als nicht-traditionelle Parteien bezeichnet. Auch Parteien, die sich „Bewegungen" nennen, werden hier unter der Minimaidefinition subsummiert. Verfassung und Parteiengesetz geben ebenfalls keine grundsätzlichen Kriterien zur Unterscheidung von Parteien und Bewegungen vor. Vgl.: Dix 1987: 89; Pérez 1989: 13f. Vgl.: Krumwiede 1980:91. Vgl.: Estatutos del Partido Liberal Colombiano.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

89

men. Die Konservativen setzten sich darin eher für Zentralismus und Protektionismus, die Liberalen für Föderalismus, Freihandel und die Gewährung individueller Freiheitsrechte ein.7 Der Streitpunkt der Trennung von Kirche und Staat kristallisierte sich im Laufe der Zeit als wichtigste ideologische Unterscheidungslinie zwischen beiden Parteien heraus.8 Sie wurde von den Liberalen befürwortet, von den Konservativen strikt abgelehnt. Die Frage der Entschädigung der Katholischen Kirche nach der Enteignung ihres Grundbesitzes und deren Einfluß auf das Schulwesen führte wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. 9 Die sektiererischen Streitigkeiten der beiden schwach institutionalisierten Parteien waren keine echten ideologischen Kontroversen. Es ging vielmehr um den Kampf um die Vorherrschaft im Land, um territoriale Kontrolle in bestimmten Regionen, inklusive der davon betroffenen Wirtschaftssegmente und Regierungsinstitutionen. Es handelte sich auch um die Kontrolle über den Staatsapparat und die damit verbundenen Ressourcen. Die beiden Parteien bejahten zwar das republikanisch-präsidentielle Regierungssystem. Sie waren sich aber zutiefst uneinig über die Ausgestaltung des politischen Systems und seiner Spielregeln. Sie rieben sich auf im Kampf um die Verteilung von Macht- und Herrschaftspositionen. Es lassen sich zwei wesentliche Strukturmerkmale hervorheben, die das Parteiensystem nach seiner Gründung kennzeichneten: a) Die Etablierung einer Konfrontations-Kooperationslogik über den Mechanismus der Parteifaktionen b) Die Verankerung der Parteiidentitäten über Verwandtschaftsstrukturen, Wahlen und den Gewaltkonflikt. Zu a) Die Bildung verschiedener Faktionen innerhalb der Parteien gehörte schon zu dieser Zeit zum parteipolitischen Alltag. Sie entstanden nicht entlang schwacher ideologischer Grenzlinien, sondern aufgrund von Rivalitäten zwischen verschiedenen regionalen Parteiführern. Man konnte die Parteien als Föderationen dieser lokalen caudillos bezeichnen.10 Auch die sich im Laufe der Zeit herausbildenden nationalen Integrationsfiguren (sie wurden später jefes naturales11 genannt) waren Führer ihrer jeweiligen Anhänger-

8 9

10

"

Vgl.: El pensamiento del conservatismo colombiano 1986; Estatutos del Partido Conservador Colombiano und Buenahora Febres-Cordero 1995: 195. Vgl.: Hartlyn 1988: 19f.; Kline 1980: 60f. und Dix 1987: 94f. Vgl. auch zu den folgenden Abschnitten: Rrumwiede 1980 14ff.; Pearce 1992: 23; Tirado Mejía 1985: 123f. und Restrepo 1992: 276f. Vgl.: Gómez Aristizábal 1985: 222f. und Kmmwiede 1980: 18ff. Der Ausdruck "natürliche Führer" stammt von dem liberalen Reformer der 40er Jahre, Jorge Eliécer Gaitán, der damit die aus wenigen elitären Familien stammenden liberalen und konservativen Parteiführer bezeichnete, die ehemals Präsidenten waren oder es noch werden konnten. Vgl.: Palacios 1996: 15.

90

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

schaft. Zwar gelang es ihnen, die Parteibasis zeitweise zu integrieren, vor allem dann, wenn der Machterhalt ihrer Partei in Frage stand. Doch sobald die Bedrohung abgewendet schien, waren die jeweiligen Gruppeninteressen dominanter. 12 Die Faktionenbildung schwächte die Parteien und führte auf der nationalen Ebene zu vorübergehenden Spaltungen. Oft erlaubte nur dies der Konkurrenzpartei, bei Präsidentschaftswahlen an die Macht zu gelangen. Ein angewandter Trick war die Unterstützung einer weniger aussichtsreichen Faktion der gegnerischen Partei. Dadurch beschleunigten die Parteipolitiker deren Teilung und verhinderten den Wahlsieg ihres populäreren Flügels. Die Faktionenbildung hatte andererseits für die Durchsetzung von Parteiinteressen (wenn auch nicht für die demokratische Gestaltung des politischen Systems insgesamt) durchaus Vorteile. Die Liberale Partei band durch ihren Reformflügel beispielsweise Abtrünnige wieder an sich. Die Zersplitterung, das pragmatische Verhalten ihrer Führer und das breite, in den Organisationen vertretene Meinungsspektrum, erleichterten auch die Koalitionsbildung mit der jeweiligen Konkurrenzpartei. Ging es darum, an die Macht zu gelangen oder Bedrohung abzuwenden, schloß sich ein Flügel der Liberalen oder Konservativen mit der gegnerischen Organisation zu kurzzeitigen und instabilen ^¿/-/loc-Koalitionen zusammen. Bei den meisten Wahlen im 19. Jahrhundert unterstützten Sektoren einer Partei den Präsidentschaftskandidaten der anderen. Das Sektierertum des PLC und des PC wurde also im Laufe der kolumbianischen Geschichte regelmäßig durch den Zusammenschluß von Teilen der liberalen und konservativen Parteispitze unterbrochen. 13 Der pragmatische Einsatz von Konfrontation und Kooperation war einer der Gründe für das Überleben des Zweiparteiensystems. Die Konfrontationslogik kam zum Einsatz, um über die Mobilisierung der Parteianhängerschaft durch die lokalen caudillos die Regierung durch Gewalt zu erobern. Dies hielt gleichzeitig die affektive Parteiidentifikation aufrecht. Die Kooperationslogik der Parteieliten dominierte, wenn ihnen die gewalttätigen Auseinandersetzungen aus den Händen zu gleiten drohten und sie dadurch ihre Macht schwinden sahen. Zu b) Die Klientel, die soziale Basis der Parteien, war insgesamt Anfang des 19. Jahrhunderts noch relativ klein. Familien- und Nachbarschaftsbande um die jeweilige hacienda, Blut und Ehre sorgten für ein Zugehörigkeitsgefühl zu der einen oder der anderen Partei. Mehr als um ein soziales oder um ein 12

13

Vgl. auch zum folgenden Kapitel: Peeler 1992: 85ff; González ohne Jahr: 172 und Tirado Mejía 1985: 108ff. Vgl.: Tirado Mejía 1985: 105.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

91

ideologisches handelte es sich bei der Identifikation mit den Liberalen bzw. den Konservativen um ein Phänomen der natürlichen' Zuschreibung. In Kolumbien überlagerten das gesellschaftliche Konfliktpotential parteipolitischen Subkulturen. Sie dienten allen sozialen Klassen als nationale Identifikationspunkte in einem regional zersplitterten Land.14 Die Parteizugehörigkeit war über die Geburt in einer konservativen oder liberalen Familie vorbestimmt. Sie wurde u.a. über die hacienda- Wirtschaft auf dem Land zwischen Patron und campesino fortgeschrieben. Die lokalen und nationalen Bürgerkriege verankerten sie langfristig. 15 Die Kriege waren nicht das Resultat von Volksaufständen. Es handelte sich um regionale Kämpfe unterschiedlichen Ursprungs, die aber über die Parteieliten mediatisiert wurden. Sie stellten ihre Armeen aus Berufssoldaten, Zwangsrekrutierten und zunächst wenigen Freiwilligen zusammen. Die Parteiführer drängten die Bevölkerung anfangs in diese elitegeleiteten Auseinandersetzungen. Sie festigten so im Laufe der Zeit die parteipolitische Zugehörigkeit der daran direkt oder indirekt Beteiligten über ein System geerbter Haßgefühle. 16 Dessen innerparteiliche Solidaritäten waren regional und familiär auf der Basis einer Freund-Feind-Kultur strukturiert.17 „Liberaler oder Konservativer zu sein hieß, auf einem liberalen oder konservativen Landgut zu leben, Sohn eines Liberalen oder Konservativen zu sein, einen liberalen oder konservativen Patron zu haben, einer roten oder blauen Fahne untergeordnet zu werden und - vielleicht vor allem - den anderen zu hassen."18

Die Privatisierung bzw. die Personalisierung der parteipolitischen Beziehungen und die Vermischung der öffentlichen mit der privaten Sphäre waren eine schwere Last für den Aufbau ,moderner', .rationaler' politischer Institutionen und Organisationen im Sinne Max Webers.19 Die Integration eines Großteils 14 15

16

17 18 19

Vgl. auch: Dix 1980: 307ff. Neben zehn nationalen Bürgerkriegen gab es allein zwischen 1864 und 1884 54 regionale Auseinandersetzungen. 14 davon begannen die Konservativen gegen die Liberalen, zwei führten verschiedene Faktionen der Liberalen gegeneinander und 38 fingen Liberale gegen die Konservativen an. Vgl.: Tirado Mejía 1984: 328; Gómez Aristizábal 1985: 184ff.; Orozco Abad 1988: 5ff. und Buenahora FebresCordero 1995: 209. Der Begriff odios heredados stammt von dem Politiker Miguel Antonio Caro. Vgl.: Krumwiede 1980: 89ff. Vgl.: Orozco Abad 1988: 319 und Díaz Uribe 1986: 22. Gilhodes 1996: 55f. Vgl.: González ohne Jahr: 174.

92

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

der Bevölkerung in das Zweiparteiensystem auf der beschriebenen emotionalen Grundlage bedeutete schließlich nicht, daß die Parteien die ,objektiven' Interessen ihrer zunächst meist männlichen Anhänger vertraten. Wahlen, an denen ein Teil der männlichen Oberschicht teilnehmen durfte, waren schon im 19. Jahrhundert ein regulärer Teil des politischen Prozesses. In der Regel fanden sie auch während der Bürgerkriege statt. Die Urnengänge spielten neben den gewalttätigen Auseinandersetzungen eine wichtige Rolle bei der vertikalen Integration der Bevölkerung ins Zweiparteiensystem. Sie verankerten die Parteiidentifikation. Die Abstimmungen trugen neben den Bürgerkriegen zur Konstruktion eines (noch heute nicht durchweg vorhandenen) nationalen Zugehörigkeitsgefühls in einem regional zersplitterten Land bei. Dennoch dienten sie nicht zur Überwindung autoritärer Herrschaftsstrukturen. Es handelte sich um nicht-kompetitive Wahlen mit stark ritueller Funktion. Sie dienten auch dazu, die Regierung im Amt oder ihren bereits bestimmten Nachfolger im nachhinein zu legitimieren. Obwohl also die meisten Regierungen aus Wahlen hervorgingen, waren nicht demokratische Prinzipien, sondern der mit Gewalt ausgetragene Kampf um die Herrschaft eher die Regel als die Ausnahme. Hatte sich eine Partei die Macht erkämpft, benutzte sie den so eroberten Regierungsapparat, um die folgenden Wahlen zu kontrollieren. Darüber schloß sie die andere vom Zugang zum Staat aus. Es bedurfte dann oft der Gewalt, damit es wieder zum Machtwechsel kam. Die violencia wurde dadurch zum dominanten Faktor der Konfliktregulierung. Statt eines demokratischen Verständnisses von legitimer Konkurrenz und Wettbewerb, etablierte sich ein Freund-Feind-Denken. Das wurde auch über den formalen Mechanismus der Wahlen nicht abgemildert. In Wahlkampfzeiten und nach den Urnengängen verstärkte es sich sogar. Die unterlegene Partei focht in aller Regel die Wahlergebnisse an. Dies stimulierte dann wiederum Gewaltaktionen. Das parteipolitische Sektierertum wurde so durch eine Mischung aus die Parteiidentifikation stärkenden Bürgerkriegen und Wahlen zum artikulierenden Faktor und Katalysator von Solidaritäten und Brüchen in der damaligen Gesellschaft und zu einem zentralen Konfliktpunkt, der die eigentlichen Gesellschaftskonflikte zeitweise überlagerte.20 Dies geschah auch während des grausamen Bürgerkrieges der Violencia, die durch den Mord an dem liberalen Sozialreformer Jorge Eliecer Gaitän ausgelöst worden war. Der Parteienkampf verdeckte auch sozioökonomisch motivierten Protest und kostete zwischen 200.000 und 300.000 Menschen das Leben.21 Gewalttätige Auseinandersetzungen entstanden als Nachbarschaftskonflikte zwischen verschiedenen Großgrundbesitzern und den ihnen loyalen Bauern. Bezahlte Kil20 21

Vgl.: González ohne Jahr: 173 und Pearce 1992: 25. Vgl.: Kurtenbach 1991: lOlff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

93

ler, pájaros, wurden von hacenderos und Politikern gekauft. Sie schalteten unliebsame Konkurrenten aus. Vor dem Hintergrund parteipolitischer Streitigkeiten .lösten' sie auch damit nicht in Zusammenhang stehende Konflikte. Gleichzeitig litten Liberale und Kommunisten unter dem Terror der sogenannten chulavitas, Angehörigen der konservativen Polizei und der Armee. Hinzu kamen Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten liberalen bzw. kommunistischen Bauernguerillas und den Regierungstruppen. Obwohl die Mehrzahl der Konflikte auf dem Land ausgetragen wurde, kam es schließlich auch in den Städten zu Terrorakten und Angriffen auf bedeutende Persönlichkeiten. Im September 1952 zündete die Polizei zusammen mit konservativen Anhängern die Verlagsgebäude der liberalen Zeitungen El Tiempo und El Espectador an. Später setzten sie die Wohnungen der Parteiführer Carlos Lleras Restrepo und Alfonso López Pumarejo in Brand.22 Doch das nach der Kolonialzeit etablierte Regime erlitt durch die Violencia auch erhebliche Brüche. Seine wichtigsten Instrumente schienen aufgrund veränderter Rahmenbedingungen die Ausuferung der Gewalt nicht mehr eindämmen zu können: Klientelistische Wahlen, parteipolitisch motivierte Auseinandersetzungen um den Herrschaftsapparat und A¿-/loc-Koalitionen zur Überwindung von Herrschaftskrisen reichten zur Kontrolle der Bevölkerung nicht mehr aus. Um die Gewaltspirale zu beenden, tolerierten 1953 mit einer Ausnahme alle Faktionen beider Parteien23 die Machtübernahme des Heereschefs General Gustavo Rojas Pinilla. Er beendete zunächst die Präsidentschaftsperiode von Laureano Gómez. Anschließend wählte ihn eine Verfassunggebende Versammlung (Asamblea Nacional Constituyente), die die Funktionen des Senats übernommen hatte, für die Periode von 1954 bis 1958 zum Präsidenten. Die Militärdiktatur dauerte fünf Jahre. Doch bereits ab Mitte der 50er Jahre näherten sich die Liberalen dem laureanistischen Flügel der Konservativen auf der Suche nach Verbündeten an. So sollte die gemeinsame Machtübernahme ausgelotet werden.24 1957 kündigte Rojas an, er wolle weitere vier Jahre im Amt bleiben. Der General ließ sich von einer aus seinen Anhängern zusammengesetzten Verfassunggebenden Versammlung für eine neue Amtsperiode zum Präsidenten wählen. Aus Protest streikten daraufhin die Studenten am fünften Mai 1957 im ganzen Land. Zwei Tage später schlössen sich auch die 22

23

24

Vgl.: Sánchez 1992: 79, 84 und 90ff.; González González ohne Jahr: 176 sowie Tirado Mejía 1985: 178. Bei den Konservativen handelte es sich um ospinistas und alzatistas, eine Gruppe von jugendlichen Parteianhängern, die extrem rechts einzuordnen waren. Nur die Anhänger von Alvaro Gómez waren mit einer Machtübernahme des Militärs nicht einverstanden. Vgl.: Buenaventura 1983: 14; Arrubla 1985: 195 und Tirado Mejía 1985: 179ff.

94

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Unternehmer, die traditionellen Parteien und die Kirche zu einem Generalstreik zusammen. Der so auf Rojas ausgeübte Druck und die geheimen Verhandlungen der Führer der beiden traditionellen Parteien mit dem General erzwangen am 10. Mai 1957 seinen Rücktritt. Zuvor hatte er einer Militärjunta 25 die Amtsgeschäfte übergeben. Bis zur Unterzeichnung des Abkommens zur Nationalen Front gab es noch zahlreiche Treffen und Übereinkünfte zwischen den traditionellen Parteien. Unter Führung von Alberto Lleras Camargo suchten Teile der Liberalen und Konservativen Partei einen Übergang zu einem zivilen Regime. Schließlich war nach mehreren Treffen ein Pakt zwischen dem konservativen Laureano Gömez und dem liberalen Alberto Lleras Camargo im Juni 1957 in Sitges, Spanien, ausschlaggebend.26 Eine Verfassungsreform, die die Nationale Front ermöglichte, wurde am ersten Dezember 1957 durch ein Referendum a posteriori von der Bevölkerung legitimiert. Das Prozedere ähnelte dem Vorgehen früherer Regierungen, die ihre Herrschaft nachträglich durch Wahlen abgesichert hatten.27 Tabelle 2: Referendum zur Nationalen Front vom 1.12.1957 Stimmen Ja Nein ,Leere' Stimmzettel Insgesamt

Absolut 4.169.294 206.864 20.738 4.397.090

Prozent 94,82 4,71 0,47 100,00

Quelle: República de Colombia 1991: 161.

Per Gesetz28 wurde die Nationale Front 1959 juristisch untermauert. Die Junta wurde im August 1958 von der ersten Regierung der Nationalen Front abgelöst.29

25

26

27 28 29

Die Junta bildeten: Gabriel Paris, Rüben Piedrahita Arango, Deogracias Fonseca, Rafael Navas Pardo und Luis E. Ordoñez. Vgl. zu den einzelnen Treffen in Benidorm und Sitges: Dávila Ladrón de Guevara 1997: 94ff. Vgl.: República de Colombia 1991: 160. Acto Legislativo Nr. 1, 1959. Vgl.: Hartlyn 1984: 2451T.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

2.

95

Ursachen, Entstehung und Ausgestaltung der Nationalen Front

Die erste Präsidentschaft der Nationalen Front übernahm Alberto Lleras Camargo (1958-1960). Er galt als der wichtigste Architekt des neuen Regimes.30 Es baute auf zwei Prinzipien der Herrschaftsverteilung auf: Parität (paridad) und Alternierung (alternación). Der Partido Liberal und der Partido Conservador stellten von 1958 bis 1974 16 Jahre lang wechselseitig den Präsidenten. Sie bildeten gemeinsam die Regierung. Dabei blieben die bei den Wahlen jeweils erreichten Stimmen unberücksichtigt. Sie determinierten nur die Macht der individuellen Führer innerhalb der Parteifaktionen. 31 Die Liberale und Konservative Partei teilten sich die ministeriellen, legislativen und judikativen Funktionen des Staates untereinander auf. Im Kongreß und den anderen öffentlichen Körperschaften wurden die Sitze zu gleichen Teilen vergeben. Die Regierung Misael Pastrana (1970-1974) hob 1970 auf der lokalen und departamentalen Ebene die Parität in den legislativen Organen auf. Für Kongreßwahlen galt diese Regelung noch bis 1974, dem offiziellen Ende der Nationalen Front. Die Verfassungsreform von 1968 legte fest, daß alle öffentlichen Ämter, für die keine Verwaltungslaufbahn 32 vorgesehen war, von den beiden Parteien bis 1978 untereinander aufzuteilen seien. Die Nationale Front war die defensive Antwort der Eliten auf die Militärdiktatur. Nach der Zeit der Violencia wollten PLC und PC keine neue Welle der Gewalt herausfordern, aber dennoch nicht auf die Kontrolle des Herrschaftsapparates verzichten. Ihre gemeinsamen Machtinteressen überlagerten schließlich, wie bereits zu früheren Zeiten, die Differenzen der Parteien. Für den Zusammenschluß der verfeindeten Liberalen und Konservativen gab es noch eine Reihe weiterer Gründe: General Rojas Pinilla gelang es nur am Anfang seiner Amtszeit, die Gewalt zu reduzieren. Er hatte die während der Violencia entstandene liberale und kommunistische Guerilla sowie die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Gómez amnestiert. Doch schon bald flammten die Streitigkeiten wieder auf. Die Anführer liberaler und kommunistischer Guerillaeinheiten wurden ermordet. Die Zahl der Toten erreichte wieder ähnliche Ausmaße wie in den letzten Jahren der Regierung Gómez.33 30

31

32 33

Vgl.: zum folgenden Leal Buitrago 1995a: 22ff.; Tirado Mejía 1985: 180ff.; Meschkat/Rohde/Töpper 1983: 130ff. und Hartlyn 1993: 21. Vgl. zur Nationalen Front allgemein: Dix 1967; Berry/Hellmann/Solaun 1980 und Echeverri Uruburu 1987: 191ff. Vgl.: República de Colombia 1991: 163; Dix 1967: 134f.; Kline 1980: 172f. und Hartlyn 1984: 258ff.

Carrera administrativa. Vgl.: Oquist 1980: 7.

96

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Die kommunistischen Kämpfer ließen sich nicht wie der größte Teil der Liberalen ins politische System reintegrieren.34 Der General griff unter anderem deshalb zunehmend zu repressiven Maßnahmen und zur Zensur. Er hatte den Kongreß, die departamento-Versammlungen sowie die Stadt- und Gemeinderäte durch Versammlungen ersetzt, die von der Exekutive kontrolliert wurden. Mit der Verfassungsreform von 1954 verbot er die Kommunistische Partei. Anschließend ließ er die liberalen Zeitungen El Tiempo und El Espectador schließen.35 Wirtschaftspolitisch ging für die am Export von Kaffee interessierten Kapitalfraktionen Gefahr von Rojas aus, da er die Kaffeesteuer anheben wollte. Er begann eine zunehmend staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik. Auch die vermehrte Korruption in der staatlichen Bürokratie wurde während seiner Amtszeit beklagt. Die traditionellen Politiker wollten es aber vor allem nicht länger hinnehmen, daß Rojas Pinilla sie aus der staatlichen Bürokratie vertrieben hatte. Sie waren nicht mehr bereit, die Kontrolle über die Wirtschaftsentwicklung und den Staatshaushalt aus der Hand zu geben. Rojas Pinilla gründete 1954 den nach peronistischem Vorbild strukturierten Gewerkschaftsverband Confederación Nacional de Trabajadores, CNT. 1956 rief er seine eigene Partei ins Leben, den Movimiento de Acción Nacional, MAN. Er hatte damit Erfolg bei der einfachen Bevölkerung. Die Partei konnte den traditionellen Organisationen langfristig zur Konkurrenz erwachsen. Pinillas Anhänger, die sich dem Einfluß des Partido Liberal und des Partido Conservador entzogen hatten, sollten wieder an die beiden traditionellen Parteien gebunden werden.

3.

Auswirkungen und Folgen der Nationalen Front

Die Nationale Front schien den kolumbianischen Eliten zumindest zu Beginn als Garant von institutioneller Stabilität, Kontinuität und ziviler Ordnung. Die Transition zu einem tatsächlich repräsentativ-demokratischen System verschoben sie auf einen späteren Zeitpunkt. Die traditionellen Parteien hielten die Einschränkung demokratischer Rechte für gerechtfertigt, weil sie zur Stabilisierung einer tief gespaltenen Gesellschaft notwendig erschien.36 Die Nationale Front machte nach der Violencia auch einen disziplinierten Um34 35

36

Vgl.: Kurtenbach 1991: 102ff. Liberale und Konservative störte dabei mehr die Gewalt auf dem Land, die Schließung ihrer Zeitungen und das Mundtotmachen von Rojas-Kritikern. Die Repression gegen Linke wie etwa die blutige Niederschlagung der Studentenunruhen 1954 in Bogotá und das Verbot der Kommunistischen Partei begrüßte die Mehrheit der Anhänger der beiden Parteien sogar. Vgl.: Tirado Mejía 1985: 182f.; Buenahora Febres Cordero 1995: 205 und Hoskin 1980: 106. Vgl.: Hartlyn 1988: 2ff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

97

gang der beiden Parteien miteinander möglich. Am Ende der paktierten Übereinkunft 1974 wurden Morde so gut wie nicht mehr als Mittel der Auseinandersetzungen zwischen den traditionellen Parteien eingesetzt.37 Dies war nur durch weitreichende gegenseitige Garantien der beiden Parteieliten möglich.38 Gegenüber den Anhängern der Liberalen und Konservativen schwächte das Regime den früheren Sektarismus und die geerbten Haßgefühle ab und dadurch auch das Zugehörigkeitsgefuhl zu der einen oder der anderen Partei. Die ehemaligen Gegner saßen sich nicht nur in der Administration gegenüber. Sie mußten auch gemeinsam einen Präsidenten wählen.39 Die Nationale Front ermöglichte zugleich eine stabile ökonomische Entwicklung, gemessen an gängigen makroökonomischen Wachstumsindikatoren, nicht an Verteilungskriterien. 40 Da die Eliten ihre Interessen durch die beiden traditionellen Parteien gewahrt sahen, griffen sie nicht auf die Unterstützung des Militärs als vermeintliche Garanten ökonomischer Stabilität zurück. Kolumbien erlebte im Unterschied zu anderen lateinamerikanischen Ländern keine jahrzehntelange Militärdiktatur. Die Nationale Front wandelte auch das Verhältnis der Katholischen Kirche zu den Parteien. 1958 beendete die Kirchenhierarchie offiziell ihre ausschließliche Loyalität mit den Konservativen.41 Die Nationale Front wird andererseits von vielen Autoren für die tiefgreifende Legitimationskrise des politischen Systems und die Repräsentationskrise im traditionellen Parteiensystem verantwortlich gemacht.42 Der Bestand an negativen, die Demokratisierung behindernden, Strukturprinzipien der Nationalen Front wirkte über ihre offizielle Dauer hinaus. Die Folgewirkungen auf 1) traditionelle Parteien und Wahlen, 2) Zivilgesellschaft und dritte Parteien, 3) Opposition, 4) staatliche Bürokratie und 5) die Beziehungen Exekutive-Legislative stehen im Mittelpunkt der folgenden Analyse.

3.1

Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die traditionellen Parteien und die Wahlen

Die Einrichtung der Nationalen Front schränkte den politischen Wettbewerb vollständig ein. Der Pakt ersetzte die Konkurrenz zwischen den Parteien durch ihre gleichberechtigte Beteiligung an Regierung und Bürokratie. Die

37 38 39 40 41 42

Vgl.: Oquist 1980: 8f. Vgl.: Hartlyn 1988: 71f. Vgl.: Leal Buitrago 1984: 160f. Vgl.: Hartlyn 1988: 103ff. Vgl.: Restrepo 1992: 277. Vgl.: Chernick 1989: 296ff.; Hartlyn 1988: 199f.; Pecaut 1989: 14ff. und Botero Montoya 1986.

98

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Liberalen übertrumpften bei Wahlen die Konservativen um bis zu 10 Prozent. Die Ergebnisse hatten jedoch keine Relevanz für die Änderung der Machtverhältnisse. 43 Obwohl die beiden Parteien ihre eigenen Organisationsstrukturen beibehielten, kam die Funktionsweise des Systems während der Nationalen Front in der Praxis einem Einparteiensystem gleich.44 Dritte Parteien konnten bis 1974 nur auf Listen der traditionellen Parteien kandidieren. Sartori lehnt es deshalb ab, für diese Zeit überhaupt von einem Parteiensystem zu sprechen.45 Von kompetitiven Wahlen - einer Mindestanforderung an demokratische Systeme - konnte nicht die Rede sein. Der Elitenpakt griff strukturell auf das früher schon mit einzelnen Faktionen der gegnerischen Partei praktizierte Muster des Zusammenschlusses zur Herrschaftssicherung zurück. „Die Nationale Front kann man als den Höhepunkt einer langen Suche der politischen Vereinigung der herrschenden Gruppen durch zeitweise bipartidistische Koalitionen politischer Faktionen bezeichnen."46

43 44 45

46

Vgl.: Gilhodes 1996: 50ff. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1995: 207. Sartori wörtlich: "...Colombia, which has what can hardly be considered a party system at all." Sartori 1976: 185. Leal Buitrago 1989: 155.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

99

Tabelle 3: Koalitionsregierungen im Zwanzigsten Jahrhundert (19041974) Regierungen

Jahr

Rafael Reyes Ramón González Carlos E. Restrepo José Vicente Concha Marco Fidel Suárez Pedro Nel Ospina Miguel Abadía Mendez Enrique Olaya Herrera Alfonso López Pumarejo Eduardo Santos Alfonso López Pumarejo Alberto Lleras Camargo Mariano Ospina Pérez Laureano Gómez Gustavo Rojas Pinella Militäijunta Nationale Front

1904-09 1909-10 1910-14 1914-18 1918-22 1922-26 1926-30 1930-34

Liberale und Nur konserva- Nur liberale konservative tive Minister Minister Minister X X X X X *X

X

1934-38 1938-42 1942-45 1945-46

X X X

1946-50 1950-53 1953-57 1957-58 1958-74

X

X X

* Die Liberalen akzeptierten die Ministerien nicht ** 1930 gab es liberale und konservative Minister. *** Die Konservativen akzeptierten die Ministerien nicht. **** 1948 sowie zwischen 1949 und 1950 gab es eine kurze Zeit nur konservative Minister. ***** Konservative Minister zusammen mit Militärs. Quelle: Pérez Rivera 1989: 62. Die Unterschiede zur Originaltabelle beruhen auf Korrekturen der Autorin. Vgl. auch die Übersicht bei Kline 1980: 68f.

Pérez Rivera sah in der Nationalen Front die Fortsetzung einer Reihe von früher bereits praktizierten Wettbewerbsaufhebungen. Nur in drei von zwölf Wahlen zwischen 1904 und 1949, nämlich 1922, 1930 und 1946 hatte es Wettbewerb zwischen den traditionellen Parteien gegeben. Bei allen anderen Wahlen beteiligte sich entweder eine der Parteien nicht, oder eine Faktion

100

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

unterstützte den Kandidaten der gegnerischen Partei.47 Im Unterschied zu früheren Koalitionen handelte es sich bei der Nationalen Front allerdings um einen hegemonialen Zusammenschluß der Gesamtparteien. Er wirkte fast in alle Ebenen des Staates hinein. Außerdem wurde er in der Verfassung institutionell verankert. 48 Die Nationale Front förderte außerdem den internen Faktionierungsprozeß der traditionellen Parteien weiter. Auf der nationalen Ebene waren die Parteien von je her durch die Aufspaltung in Faktionen um Führungspersönlichkeiten gekennzeichnet. Diese jefes naturales, die sich auf das integrierende Sektierertum der Parteien stützten, verloren während der Violencia vorübergehend an Bedeutung. Zu Beginn der Nationalen Front brachen die Spaltungen und persönlichen Rivalitäten zwischen einzelnen Führungspersönlichkeiten aber wieder auf. Der Sohn des berüchtigten Präsidenten Laureano Gómez, Alvaro Gómez, übernahm in der Konservativen Partei die Führung eines Flügels. Misael Pastrana leitete den der früheren Ospinisten. Bei den Liberalen bildeten sich Gruppen um Carlos Lleras Restrepo und Alfonso López Michelsen. Eine weitere Trennungslinie verlief zwischen der nationalen und der lokalen Ebene. Die Spaltung war auf die mangelnde Kontrolle der Parteiführung über ihre Anhänger zurückzufuhren. Als Partei traten Liberale und Konservative auf der nationalen Ebene nur bei Wahlen auf. Die Führungsgremien der Organisationen, Dirección Nacional Liberal (DNL) und Dirección Nacional Conservadora (DNC), hatten kaum Einfluß auf die verschiedenen regionalen Führungspersönlichkeiten. Ihre Aufgabe bestand in erster Linie darin, die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten mit auszuwählen. 49 Während beispielsweise vor der Nationalen Front gemeinsame Parteilisten für die Wahlen aufgestellt worden waren, erhöhte sich von 1958 an die Zahl der auf verschiedenen Listen antretenden Kandidaten. Der Wettbewerb zwischen den Parteien verlagerte sich in die Parteien hinein. Da sich Liberale und Konservative den exklusiven Zugang zum Staatshaushalt gesichert hatten, war nun die entscheidende Frage nicht mehr der interparteiliche Wettbewerb. Es ging vorwiegend darum zu definieren, nach welchen Kriterien Posten und Ressourcen innerhalb der Parteien umverteilt werden sollten. Der Wettbewerb zwischen den Parteien wurde ersetzt durch den Wettstreit um Staatsfinanzen und Klientel.50 Die Tendenz zur Faktionierung der Parteien verstärkte auch das Verhältniswahlsystem und sein Stimmenverrechnungsmechanismus bei 47 48 49 50

Vgl.: Vgl.: Vgl.: Vgl.:

Zelinsky 1978: 26. Gilhodes 1995: 63ff. Sanin 1991:24. Archer/Shugart 1994: 23ff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

101

den Wahlen der legislativen Organe. Dafür hatten sich die Parteien nach der Militärdiktatur unter anderem deshalb wieder ausgesprochen, weil sie durch die Etablierung eines Mehrheitswahlrechtes die Dominierung der einen durch die andere Partei fürchteten. Unter Verhältniswahl konnte der Parteiendualismus leichter aufrecht erhalten werden.51 Die Parteien hatten außerdem keine Programme, die sich auf eine einheitliche Ideologie stützten. Die Bemühungen der Liberalen Partei beispielsweise um ein Parteiprogramm endeten zunächst in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Reformvorschläge von Carlos Lleras, Alfonso López, Virgilio Barco oder Luis Carlos Galán sollen dabei nicht unterschlagen werden. Die Gesamtpartei akzeptierte sie allerdings nie als gemeinsames Programm. Die Wahlslogans einzelner (Präsidentschafts-)Kandidaten ersetzten die kollektive Anstrengung.52 Parteistrukturen und innerparteiliche Organisation der Konservativen und der Liberalen Partei wurden durch die Nationale Front eher geschwächt als gestärkt. Die Parteigremien schufen keine Institutionen zur ethischen Kontrolle über die Parteipolitiker und über die Staatsangestellten aus der Partei.53 Das Prinzip der innerparteilichen Demokratie wurde nicht angewendet. Nur eine kleine Führungsspitze, die keine Rechenschaft über Einnahmen und Ausgaben abgab, konnte auf die Parteifinanzen zugreifen. PLC und PC organisierten ihre Anhänger nicht als zahlende Mitglieder. Die Organisationen schufen nur eine minimale infrastrukturelle Ausstattung. Sie beschränkten die ständigen Parteibüros auf die großen Städte. Wenn Urnengänge anstanden, wurden vorübergehend dezentrale Parteizentralen einzelner Kandidaten aufgebaut. Die Politiker schlössen sie anschließend wieder. Die interne Organisation der Parteien war nicht über ein Parteiengesetz geregelt, auch wenn es bereits seit der Nationalen Front Vorschläge dazu gab. Letztendlich sahen die Liberalen und Konservativen keine Notwendigkeit zur Reglementierung. Schließlich hatten sie keine Konkurrenz und im Gegenzug dazu umfassende politische Macht. Zur Systemreproduktion waren sie während des Paktes nicht auf eine Erhöhung ihrer Wählerzahlen angewiesen. Die Integration vieler Anhänger über interessengeleitete Klientelbeziehungen in die Parteien benötigte außerdem flexible informelle Spielregeln.54 Solche informellen Institutionen kennzeichneten die meisten lateinamerikanischen

51 52 53 54

Vgl.: Nohlen 1978: 347ff. und 1990: 291. Vgl.: Gilhodes 1996: 76. Vgl.: Santana 1992: 49. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1995: 215 und González ohne Jahr: 148 und 180.

102

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Länder.55 In Kolumbien etablierte sich vor allem der Klientelismus als wichtigstes Strukturmerkmal des politischen Systems.56 Dieser existiert in Beziehungsstrukturen, die als dyadisch, instrumenteil und informell (d.h. gesetzlich nicht sanktionierbar) bezeichnet werden.57 Während demokratische Strukturen idealtypischerweise von horizontalen Machtausgleichsmechanismen gekennzeichnet sind, handelt es sich bei klientelistischen Beziehungen um freiwillige, vertikale Machtbeziehungen.58 In seiner ursprünglichen Form gehört zu einer klientelistischen Beziehung der Patron und der Klient. Sie stehen in der Regel in einem asymmetrischen (insofern der Politiker beispielsweise auf Wähler angewiesen ist, manchmal auch in einem asymmetrisch, interdependenten) Abhängigkeitsverhältnis. Die Asymmetrie besteht darin, daß der Patron direkt oder indirekt über Ressourcen verfügt, an denen der Klient teilhaben möchte. Dies macht den Klienten aber nicht automatisch zum Opfer, wie es implizit oder explizit in einem Großteil der Klientelismusliteratur suggeriert wird. Die Klienten wissen meist genau, warum sie Beziehungen zum Patron (sprich: in unserer Analyse zu einem Politiker) eingehen und überlisten diesen wenn möglich. In der Regel handelt es sich um zielge-

55

56 57

58

Vgl. für die Analyse der informellen Institutionen des Klientelismus, Nepotismus, Korruption und Partikularismus: Lauth 1998 und Mols 1985: 126ff. Letzterer beschreibt diese Phänomene allerdings nicht als informelle Institutionen. Vgl.: Leal Buitrago 1989a, 1991, 1991a und Miranda Ontaneda 1977. Zu den Charakteristika von Patron-Klient-Beziehungen vgl.: Eisenstadt/Roninger 1984: 48f. Der in Soziologie und Ethnologie entwickelte Ansatz des Klientelismus wurde später von Politikwissenschaftlern übernommen und meist auf städtische Verhältnisse übertragen. Klientelismus beschreibt in der politikwissenschaftlichen Literatur diverse Phänomene. Er wurde seines Individualitätsmerkmals enthoben und auf sämtliche klientelismusverwandte Strukturen übertragen: Auf politische Organisationen, die staatliche Bürokratie, Parteien, Gewerkschaften, Interessenund Lobbygruppen, bilaterale Entwicklungshilfe, Wahlen etc. Vgl.: Weber Pazmiño 1991: 2ff. und 113f. Vgl.: Spittler 1977: 59. Er betont, daß die Freiwilligkeit ihre Grenzen findet, wenn klientelistische Beziehungen die Existenzgrundlage marginalisierter Bevölkerungsschichten bilden, wenn Gewalt oder psychischer Druck von Seiten des Patrons vorhanden ist. In solchen Fällen spricht Fox (1994a: 157f.) von autoritärem Klientelismus. Er versteht darunter eine politische Beziehung, in der der Tausch von politischen Rechten gegen materielle Vergünstigungen dauerhaft ist und durch die Androhung von Gewalt aufrecht erhalten wird. In semi-klientelistischen Strukturen kann dieses Verhalten nicht erzwungen werden. Erst wenn es zu pluralistischer Toleranz komme, werde die politische Autonomie von Akteuren respektiert. Vgl. dazu auch: Burkolter-Trachsel 1991: 6ff., Trevisoni 1996: 415ff.; Weber Pazmiño 1991: 71.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

103

richtete Allianzen, Zweckbündnisse zwischen (allerdings ungleichen) Partnern. 59 Ein wichtiges Merkmal klientelistischer Beziehungen ist die Identifikation von Person und Position. Aus seiner Position zieht der Patron seine Ressourcen, die er teilweise an die Klientel umverteilt. Die Kriterien für die Ressourcenverteilung setzt der Politiker nach eigenen Maßstäben fest, die in der Regel nicht demokratischen Normen folgen. „Aufgrund ihrer spezifischen Funktionsweise entziehen klientelistische Netzwerke den formalen Institutionen die Kapazität, selbst Legitimität zu generieren und schließen damit die im Weberschen Sinne vorgesehenen Rationalitätschancen formaler Organisationen, die gerade auf einer Trennung von Amt und Person beruht, permanent kurz. Anders ausgedrückt: sie nutzen und reproduzieren gleichzeitig die Schwäche des Staates." 60

Der kolumbianische Klientelismus ist deshalb auf eine Kurzformel gebracht für Francisco Leal Buitrago "...die private Aneignung staatlicher Gelder zu politischen Zwecken". 61 Während der traditionelle gamonalismo auf dem (finanziellen) Vermögen des Patrón und dem loyalen Verhalten zwischen Klient und Patrón beruhte, nährte sich der moderne Klientelimus überwiegend aus den Ressourcen staatlicher Einrichtungen.62 Leal Buitrago und Dávila Ladrón de Guevara sehen in ihm den Dreh- und Angelpunkt der politischen Beziehungen während und nach der Nationalen Front. „Der klientelistische Kazike ist mehr als ein Arbeitgeber ein Vermittler und wenn auch der Grad der Anhängerschaft und der persönlichen Loyalität fortbesteht, so werden sie dennoch der Gewährung von greifbaren Resultaten untergeordnet, die eine der zahlreichen nicht befriedigten materiellen Bedürfnisse lösen. Es handelt sich um eine Handelsbeziehung." 63

Die stark lokal und regional verankerten Kongreßpolitiker schufen dazu eine Struktur von Statthaltern (lugartenientes). Dies waren meist die staatlichen Angestellten in der Kommunal- und Regionalverwaltung der Städte und departamentos und den dezentralisierten Institutionen des Bundes. Städte und Gemeinden waren aufgrund ihrer schwachen finanziellen Ausstattung vor der Dezentralisierung auf nationale Unterstützung angewiesen. 64 Die lugar59 60 61 62 63 64

Vgl.: Weber Pazmiño 1991: 147; vgl. für Kolumbien: Gutiérrez Sanín 1998: 59ff. Hanke 1998: 2. Leal Buitrago/Dávila de Ladrón Guevara 1990: 47. Vgl.: Díaz Uribe 1986: 26f.; Leal Buitrago/Dávila de Ladrón Guevara 1990: 17f. Dávila Ladrón de Guevara 1996: 51. Vgl.: Dávila Ladrón de Guevara 1996: 54.

104

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

tenientes banden durch die Geldspritzen aus Bogotá die lokalen Wähler durch Versprechungen in ein Patronagesystem ein. Je mehr Wahlstimmen der Kazike auf sich vereinigen konnte, desto mehr Macht hatte er innerhalb der Parteistrukturen. Dadurch erhöhte er wiederum seinen Einfluß auf die Auswahl des Präsidentschaftskandidaten der jeweiligen Partei. Der Sieg seines Kandidaten garantierte ihm Posten in der departamentalen und lokalen Bürokratie und jene wiederum Zugang zu staatlichen Pfründen. Hinzu kam, daß Wahlbetrug durch die staatlich etablierten Rahmenbedingungen eher erleichtert als verhindert wurde. Wenn die traditionellen Parteien ihre Macht in Gefahr sahen, schreckten sie nicht davor zurück. Dies hatte das Beispiel der AN APO bei den Präsidentschaftswahlen 1970 gezeigt.65 Wahlbetrug konnte aufgrund der Kontrolle der traditionellen Parteien über alle staatlichen Instanzen von oben gesteuert werden. Er wurde dadurch erleichtert, daß die Parteien ihre Wahlscheine (papeletas) selbst anfertigten. Sie gaben sie ihren Wählern zum Teil bereits ausgefüllt mit an die Wahlurne. Um Mehrheiten für einen bestimmten Kandidaten zu erreichen, wurden auch Stimmenkauf und falsche Auszählungen eingesetzt. Die weitgehende Identität von staatlichen und Parteieliten erlaubte es, daß Manipulationen bei der Registrierung der Wähler und bei der Auszählung der Stimmen keinerlei Kontrollen unterlagen. Wahlen waren insgesamt gesehen ein karnevaleskes Volksfest. „Das offensichtlichste ist der Kauf und Verkauf von Stimmen in verschiedenen Regionen, besonders an der Atlantikküste. Die Methoden gehen von der individuellen Beratung, damit ein Wähler seine Stimme für einen bestimmten Kandidaten abgibt, dessen politischer Standort nicht von Bedeutung ist, bis hin zum Einsammeln von Personalausweisen durch Stellvertreter der politischen Kaziken, um die Wähler wie eine Herde zur Urne zu führen...In weniger urbanisierten Gegenden ist es verbreiteter, den Stimmenkauf mit Sachmitteln oder Dienstleistungen abzugelten...Es gibt Einladungen zum festlichen Essen für zahlreiche Gruppen, sobald sie für ihre Stimmabgabe ,orientiert' wurden. Der Transport zu den Wahlurnen wird gemeinschaftlich organisiert, um die Sicherheit zu erhöhen, daß die einzelnen ,richtig' abstimmen. Die lokalen Investitionen, die am Wahltag gemacht werden, sind dadurch beträchtlich."66

65

66

Bei der Wahl 1970 lag Rojas Pinilla deutlich vor seinem Gegenkandidaten Misael Pastrana. Doch die Stimmenauszählung und deren Radioübertragung wurde am Wahltag plötzlich abgebrochen und Präsident Lleras Restrepo rief den Ausnahmezustand aus. Als die Ergebnisse am nächsten Tag bekannt gegeben wurden, hatte Pastrana die Wahlen gewonnen. Vgl.: Pizarro Leongömez 1989: 3 lOff. und Noriega 1977: 6ff. Leal Buitrago 1990a: 36.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

105

Bei der Wahl handelte es sich also nicht um eine echte Auswahl unter parteipolitischen Alternativen. Sie waren klientelistisch vermittelte Abstimmungsprozesse mit akklamatorischem Charakter. Die Wähler verschafften dabei dem Politiker oder seinen lokalen Stellvertretern Zugang zu staatlichen Pfründen. Im Gegenzug erhielten sie entweder das Versprechen zu oder tatsächlich kleinere materielle oder immaterielle Entschädigungsleistungen. Gegenüber den Wählern waren der Kazike oder seine Statthalter Ansprechpartner für alle Hilfeleistungen des täglichen Lebens: vom Schulgeld über die medizinische Versorgung bis hin zum Arbeitsplatz. Dadurch wirkte der Klientelismus vor allem in marginalisierten Regionen des Landes als primitives, informelles, unzureichendes aber dennoch sehr wichtiges System der sozialen Sicherung, wo kein effektives staatliches soziales Versorgungsnetz vorhanden war.67 Eine wichtige Basis für die klientelistische Umverteilung staatlicher Pfründe im Austausch gegen Wahlstimmen stellten die sogenannten auxilios parlamentarios dar. Diese Parlamentszuschüsse hatte sich der Kongreß Ende der 60er Jahre bewilligt. Ihr offizieller Zweck war die Förderung der verschiedenen unzulänglich in die Nation integrierten Regionen. Sie stellten ein Prozent des Staatshaushalts dar. Ihren Umfang und die entsprechende Verteilung konnten die Abgeordneten frei und ohne staatliche Kontrollen bestimmen. Sie dienten deshalb meist partikularistischen Zielen, verschwanden in dunklen Kanälen oder wurden als eine Art Wahlkampfhilfe an getreue Anhänger vergeben. Öffentlichen Entwicklungsvorhaben standen im Hintergrund. 68 Insgesamt konnten die Parteien die traditionelle Integration der Bürger über das parteipolitische Sektierertum durch den Klientelismus nur zum Teil ersetzen. Darüber war nicht die gesamte Wählerschaft zur Wahl zu motivieren. Dies lag u.a. an der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel. Neben den historisch-afifektiv an sie gebundenen Wählern und den klientelistisch integrierten gelang es dem PLC und dem PC nur begrenzt, neue, junge Wählerschichten für sich zu mobilisieren. Ein wachsender Teil der Bevölkerung wurde nicht mehr durch Parteien ins politische System eingebunden. Hinzu kam die rückläufige Parteiidentifikation. In den 50er Jahren fühlte sich noch die Mehrheit der Bevölkerung einer der beiden Parteien zugehörig. 1958 .identifizierten' sich rund 80 Prozent der Kolumbianer mit einer der traditionellen Parteien. In 88 Prozent der Städte bzw. Dörfer hatte dabei immer die gleiche Partei die Mehrheit. Sie waren also rein liberale oder rein 67 68

Vgl.: Haldenwang 1991/92: 10 und González 1989: 35. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 27 und 37.

106

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

konservative Kommunen. 6 9 In den 70er Jahren schließlich war die Parteiidentifikation auf rund 70 Prozent zurückgegangen. Dazu trug die Urbanisierung, der Generationenwechsel und das rasche Bevölkerungswachstum bei. 70 Die Schwächung der sektiererischen Ideologie der traditionellen Parteien durch die Nationale Front und die Unterbindung parteipolitisch sozialisierender Gewaltkonflikte wirkte mangels anderer Alternativen entpolitisierend, zumindest was die institutionalisierte Partizipation der Bevölkerung betraf. 71 „Nach der Nationalen Front unterlag die Zivilgesellschaft einem Entpolitisierungsprozeß und der Glaube an die politischen Parteien ging verloren. Von einer Konzeption der Politik, in der die parteipolitische Loyalität Vorrang hatte, ging man zu einer anderen über, bei der die Anhängerschaft und Sympathie auf der Grundlage der Vergabe von Pfründen oder Verwaltungspöstchen vorherrschten. Es entstand eine falsche politische Kultur, die die Politik und die Wahl auf etwas reduzierte, das gegen materielle Vorteile (Stipendien, Arbeitsplätze, Dienstleitungen etc.) ausgetauscht werden konnte, während die programmatischen Ideale verschwanden." 72

69

70 71 72

Vgl.: Lara Bonilla et al. 1983: 20ff. Vgl. auch die ausführliche Studie von Patricia Pinzón de Lewin (1989) zu diesem Thema. Vgl.: Hartlyn 1988: 162f. Vgl.: Leal Buitrago 1984: 160ff. Registraduría Nacional del Estado Civil Bd. 1 1993: 13.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise..

107

Tabelle 4: Wahlenthaltung* in Prozent bei Präsidentschafts- und Kongreßwahlen 1942-1974 Art der Wahl Präsident Präsident Repräsentantenhaus Senat Präsident Repräsentantenhaus Senat Präsident Repräsentantenhaus Repräsentantenhaus Senat Präsident Repräsentantenhaus Repräsentantenhaus Senat Präsident Repräsentantenhaus Repräsentantenhaus Senat Präsident Repräsentantenhaus Senat Präsident

Jahr 1942 1946 1947 1947 **1949 ***1958 1958 1958 1960 1962 1962 1962 1964 1966 1966 1966 1968 1970 1970 1970 1974 1974 1974

Enthaltung 44,2 44,3 44,0 44,0 60,2 31,0 31,9 42,5 42,0 58,0 58,0 48,8 63,0 56,0 55,9 59,9 62,7 48,0 48,3 47,5 42,8 42,8 41,9

Auf der Grundlage des Wahlzensus. Wahl von Laureano Gömez, kein liberaler Kandidat. Einführung des Frauenwahlrechts. Quelle: RNEC, verschiedene Jahrgänge. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Entpolitisierung drückte sich von 1970 an in zunehmender Wahlenthaltung aus. Die Tabelle zeigt zwar, daß es auch bereits vor der Nationalen Front eine relativ hohe Enthaltung gab. Darauf haben verschiedene Autoren immer wieder hingewiesen. 7 3 Dennoch stieg die Enthaltung von 1958 bis 1970 tendenziell an. Die Jahre 1970 und 1974 bilden insofern eine Ausnahme, als daß die Teilnahme der Kandidaten der ANAPO die Beteiligung erhöhte. 1974 setzte der Staat zum einen das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre herab. 7 4 Zum anderen war der Urnengang eine Zäsur, da er das offizielle Ende der Natio73 74

Vgl.: Losada Rodrigo 1980: 88ff.; Pinzón de Lewin/Rothlisberger 1991: 134ff. Vgl.: Vargas Velásquez 1994a: 35ff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

108

nalen Front markierte. Mit Alvaro Gómez, dem Sohn des konservativen Laureano Gómez, trat ein besonders umstrittener Kandidat zur Wahl an.

3.2

Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Zivilgesellschaft und dritte politische Parteien

Das kolumbianische Parteiensystem konnte den während der Nationalen Front entstandenen sozialen Protest nicht kanalisieren oder integrieren. 75 Die traditionellen Parteien mißachteten die Forderungen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. 76 Den Landkonflikten zwischen Bauern und Großgrundbesitzern maßen sie zu wenig Bedeutung bei. Allenfalls versuchten sie wie die Regierung Lleras Restrepo (1966-1970) - das Partizipationsdrängen dieser Sektoren in institutionelle Kanäle zu lenken. Dies machte das Beispiel der 1967 gegründeten Bauernorganisation ANUC11 deutlich, die zeitweise von den Parteien kontrolliert wurde. 78 Das Partizipationsdrängen der Bevölkerung äußerte sich aber auch in Landbesetzungen und in von zivilgesellschaftlichen Organisationen geplanten und durchgeführten Streiks {paros cívicos)?9 Dritte Parteien durften - wie gesagt - während der Nationalen Front nur auf Listen der Liberalen und Konservativen kandidieren und waren von einer unabhängigen Wahlteilnahme ausgeschlossen. Es existierten aber keine echten parteipolitischen, programmatischen Alternativen. Durch die Teilnahme auf Listen der traditionellen Parteien konnte beispielsweise die 1961 von General Rojas Pinilla gegründete ANAPO zwar leichter Wähler für sich mobilisieren, denn diese mußten ihre liberale oder konservative Parteiidentität nicht aufgeben. 80 Es entstand aber keine neue Parteibindung. Die Wähler waren (als die Popularität der Führungspersönlichkeiten der ANAPO sank) wieder leicht in die traditionellen Parteien integrierbar. 81 Politische Diskussionen für oder gegen die traditionellen Parteien weiteten sich schnell zu einer Diskussion zwischen Systemgegnern und -befiirwortern aus. Oppositionelle Gruppen und Proteste der Zivilbevölkerung wurden - da 75 76

77 78 79 80 81

Vgl.: Santana Rodríguez 1990a: 52 und Rangel Suárez 1991: 19ff. Diese wurden vor allem während des Nationalstreiks der CTC und der UTC 1965 vorgetragen. Asociación Nacional de Usuarios Campesinos. Vgl.: Gonzalez ohne Jahr: 181. Vgl.: Hartlyn 1988: 121f. Vgl.: Dix 1987: 105f.; 1980a: 141ff.; Hartlyn 1988: 87f. und Lucio 1989: 92ff. Vgl.: Dix 1980: 155. Im Unterschied zu der hier geführten Argumentation, sieht der Autor darin einen Vorteil.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

109

sie innerhalb des politischen Systems keinen Platz fanden - in die Illegalität gedrängt. Alle großen Guerillaorganisationen, die in den 60er Jahren entstanden waren, rechtfertigten ihre militärischen und politischen Aktionen u.a. mit den eingeschränkten Partizipationsmöglichkeiten des Regimes der Nationalen Front. 82 Aus Protest gegenüber dem von ihr behaupteten Wahlbetrug an der ANAPO gründeten Teile ihrer ehemaligen Anhänger 1972 die Guerillaorganisation Movimiento M-19?3

3.3

Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Oppositionstätigkeit

Die Dominanz der traditionellen Parteien im Staatsapparat verhalf ihnen zu uneingeschränkter Macht. Die Gewaltenteilung zwischen Kongreß und Präsident (horizontale Verantwortlichkeit) war de facto aufgehoben. Während der Nationalen Front war die Oppositionstätigkeit auf Faktionen beider Parteien beschränkt, die sich wie der Movimiento Revolucionario Liberal unter Führung von Alfonso López bis 1967 von der Mutterpartei abgespalten hatten. Sie konnten aber wieder in den PLC bzw. PC integriert werden, weil die beiden traditionellen Parteien die staatlichen Institutionen und den Haushalt kontrollierten.84 Durch die Beteiligung der jeweils anderen Partei an der Regierung war der Regierungspartei nicht die alleinige Verantwortung für ihre Politik zuzuschreiben. Auch Präsident López Michelsen (1974-1978) gab (trotz seiner Kritik an der Nationalen Front) wichtige Ministerposten an die Anhänger des Konservativen Álvaro Gómez. Alle nachfolgenden Regierungen (mit Ausnahme der Regierung Barco, 1986-1990) ließen sogar nach den Reformen 1991 nicht von der Gewohnheit ab, mit der Verliererpartei über ihre Beteiligung am Kabinett zu verhandeln, auch wenn sich die Gründe dafür in den letzten Jahren verändert haben. 85 Dies verunmöglichte die 82

83 84

85

Vgl. für eine ausfuhrliche Analyse des Phänomens der Guerilla in Kolumbien: Pizarro Leongómez: 1991 und 1993: 206ff.; López de la Roche 1993: 123ff.; vgl. zur Rechtfertigung der FARC auch: FARC-EP/Coordinadora Guerrillera ,Simón Bolívar' 1989: 11 f. Vgl.: D A N E 1970: 207ff.; Villamizar 1995: 7ff. Vgl.: Der MRL wurde 1960 von López Michelson gegründet, um sich gegen bestimmte durch die Nationale Front etablierte Prinzipien zu wenden, u.a. dagegen, daß die traditionellen Parteien abwechselnd den Präsidenten stellten. Vgl.: Child 1989: 70f.; Pinzón de Lewin 1994a: 83. Präsident Turbay Ayala beteiligte die Liberalen mit 60 Prozent und die alvaristischen Konservativen mit 40 Prozent an der Regierung. Die Regierung Betancur beteiligte Liberale und Konservative zu gleichen Teilen, ohne auf die internen Splittergruppen der Parteien Rücksicht zu nehmen. Vgl.: Sanin 1991: 22. Gaviria,

110

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Geschlossenheit der Opposition. Jene Teile der Parteien, die von der bürokratischen Tätigkeit ausgeschlossen blieben, interessierte weit weniger die Kontrolle des Präsidenten und des Kabinetts als die Vorbereitung ihrer eigenen Rückkehr an die Regierung.86 Eine Ausnahme stellte allenfalls die Kommunistische Partei dar.87

3.4

Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die staatliche Bürokratie

Unter den Regierungen der Nationalen Front wurde der bürokratische Apparat vergrößert. Es entstand ein Gestrüpp von administrativen Beziehungen. Dies war neben der Ausweitung des staatlichen Bildungssektors und der Staatsbetriebe auch den Planungs- und zentralen Verwaltungsinstanzen zuzuschreiben. Letztere wurden vor allem im Zuge der Importsubstitutionspolitik benötigt.88 Die Parteien hatten allerdings auch ein Eigeninteresse an der Ausweitung des Staatssektors. So konnten sie das Personal beider Parteien integrieren und klientelistischen Wahlversprechen durch die Vergabe von Pöstchen in einem wachsenden Staatsapparat nachkommen: „Dieser hatte sich zu einem Interventionsstaat entwickelt, und von seinen Eingriffen hing immer mehr die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ab. Eine Einflußnahme auf die sozioökonomische Entwicklung Kolumbiens war damit in zunehmendem Maße an die unmittelbare Kontrolle über den Staatsapparat und das Budget gebunden...Damit erhielten auch die Parteien eine neue Funktion. Denn gleichzeitig stellte der Staat in wachsendem Umfang Arbeitsplätze und Pfründe bereit, die ihn immer mehr zum Gegenstand der Auseinandersetzungen der traditionellen Parteien machten." 89

1957 arbeiteten in Kolumbien 130.000 Staatsangestellte. Bis 1972 erhöhte sich die Zahl der öffentlichen Beschäftigten auf rund 500.000. Und: Je mehr die Bürokratie wuchs, desto mehr Ressourcen mußten mobilisiert werden, um

86

87 88

89

Samper, Pastrana und Uribe hielten bereits vor ihrer Wahl nach Bündnispartnern verschiedener Parteien Ausschau, die sie anschließend ins Kabinett aufnahmen. Vgl. allgemein zur Rolle der Opposition in Kolumbien: Pinzón de Lewin 1994a: 78ff. Vgl.: Gilhodes 1995: 65; Gilhodes 1996: 56; Pinzón de Lewin 1994a: 82ff. und Archer/Shugart 1997: 113f. Vgl.: Buenaventura 1975: 4ff. Bereits der erste Präsident der Nationalen Front, Alberto Lleras Camargo (19581962), baute die Planungsebene aus und gründete die zentrale Planungsbehörde, den Departamento Nacional de Planeación. Meschkat/Rohde/Töpper 1983: 125.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

111

die Bedürfhisse der Parteipolitiker zu befriedigen. Dabei wurden in erster Linie Staatsinstanzen ausgebaut, die vom nationalen Haushalt abhingen und damit der Kontrolle der Regierung und der Parlamentarier unterlagen. In den Regionen und Kommunen blieb die Präsenz des Staates auf die notwendigsten Institutionen beschränkt. 90 Hinzu kam, daß der Ausbau staatlicher Instanzen nicht notwendigerweise deren Effektivität erhöhte. Er näherte die Bevölkerung auch nicht weiter an den Staat an. Die zum Teil ineffiziente oder repressive Art und Weise, wie seine Repräsentanten (Angestellte, Militär, Polizei) den Bürgern begegneten, führte eher zur Abgrenzung der Bürger von staatlichem Handeln.91

3.5

Auswirkungen des Regimes der Nationalen Front auf die Beziehungen Exekutive - Legislative

Gesetze brauchten aufgrund der paktierten Absprachen beider Parteien bis 1968 in beiden Kammern des Kongresses eine Zweidrittelmehrheit. Dies hieß konkret, daß sowohl die Liberale als auch die Konservative Partei zustimmen mußten. Dadurch war der Gesetzgebungsprozeß oft blockiert.92 Die von Präsident Lleras Restrepo (1966-1970) angeregte Verfassungsreform 1968 hob diese Bestimmung auf. Sie reduzierte außerdem die Anzahl der Kongreßabgeordneten und stärkte die Exekutive. Die Reform betraf vor allem den ökonomischen, fiskalischen und administrativen Bereich.93 Diese Entwicklungen depolitisierten und entmachteten den Kongreß immer weiter. Sie entzogen ihm wichtige Funktionen. 94 Die Wirtschaftspolitik etwa wurde von der Exekutive unter Vermittlung von técnicos am Parlament vorbei direkt mit den Gremien bzw. einzelnen großen Unternehmern abgesprochen. Die Konzentration von mehr Macht im Präsidentenamt bestärkte den Kongreß wiederum in seiner Agonie.95 Es bildeten sich eigene Handlungskorridore für beide Institutionen heraus. Der Kongreß wurde bei Gesetzgebungsprozessen nur aktiv, wenn es sich um für die nationale Entwicklung des Landes eher be-

90 91 92 93

94 95

Vgl.: Leal Buitrago 1989a: 27f. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 40 und Bejarano 1994: 50ff. Vgl.: Hartlyn 1988: 91f. Die Verfassungsreform von 1968 kam den Interessen der Abgeordneten eigentlich nicht entgegen. Offenbar billigten sie sie nur, weil ihnen eine Erhöhung der Diäten in der gleichen Legislaturperiode in Aussicht gestellt worden war. Vgl.: González ohne Jahr: 153. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 27. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 29; Betancur 1993: 183f. und Cuervo Rojas.

112

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

langlose Projekte handelte. Sie betrafen die eigene regionale Klientel96 oder die Institution des Kongresses selbst. Sie waren vor allem für das persönliche Fortkommen der Abgeordneten wichtig. Fast alle für die nationale Entwicklung bedeutenden Gesetzesvorhaben und Reformprojekte wurden von der Exekutive initiiert. Die meisten setzte sie nur durch Dekrete im Rahmen der Ausnahmezustandsgesetzgebung durch. Die Parlamentarier gaben ihre Zustimmung in der Regel nur für eine entsprechende partikularistische Gegenleistung.97 Mit der Zeit entstand ein ausgeklügeltes System des Austauschs gegenseitiger Gefälligkeiten zwischen der Exekutive und Legislative. Kongreßmitglieder erhielten staatliche Gelder zur Finanzierung regionaler und lokaler Projekte, deren Verwendung kaum Kontrollen unterlag, was Korruption Tür und Tor öffnete. Sie wurden mit Ministerämtern belohnt oder in den diplomatischen Dienst aufgenommen. Im Gegenzug unterstützten sie wichtige Projekte der Exekutive.98 Diese Kultur des pactismo, die historische Wurzeln hatte, verstärkte sich während der Nationalen Front. Sie förderte delegative Verfahren im Gesetzgebungsprozeß, die auch nach 1974 noch Bestand hatten.99 Die Trägheit des Kongresses bei der Verabschiedung von Gesetzen verstärkte außerdem die informellen Gewohnheiten seiner Abgeordneten. Häufig waren sie bei Abstimmungen nicht anwesend, so daß kein Quorum zustande kam. Sie schickten ihre Stellvertreter zu den Sitzungen und unternahmen schwer zu rechtfertigende Auslandsreisen auf Staatskosten.100 Alfonso López Michelsen (1974-1978) oblag schließlich die Entscheidung, die Regeln für die Verlängerung oder den desmonte der Nationalen Front zu definieren. Der Sohn des Reformers López Pumarejo und Gründer des Movimiento Revolucionario Liberal (MRL) war ein Kritiker der Nationalen Front. 101 Doch rückblickend muß festgestellt werden, daß viele der genannten Strukturmerkmale und informellen Institutionen des Regimes auch über sein offizielles Ende hinaus erhalten blieben.

96

97 98 99 100

101

Beliebte parlamentarische Projekte sind bis heute die Beantragung von Geldern für die Feier städtischer Gedenktage oder zum Druck von Sonderbriefmarken. Vgl.: Leal Buitrago 1989a: 33. Vgl.: Ungar 1995a: 95, 1993b: 164ff. und 1998: 72f. Vgl.: Uribe 1997: 98. Vgl. die Liste der Kritik an den Kongreßabgeordneten in kolumbianischen Tageszeitungen 1987 und 1988 bei: Pearce 1992: 213. Vgl.: Botero Montoya 1990: lOff.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

4.

113

Ursachen der Staatskrise nach dem Ende der Nationalen Front

"Dice el Presidente Barco:, Voy a aconsejarle al presidente, en el próximo Consejo de Ministros, que le declare la guerra al narcotráfico'. Y el doctor Montoya, su memoria y conciencia, le corregía: ,El presidente es usted, doctor Barco, no hay otro'. ,Ah' - decía él pensativo -. .Entonces vamos a declárasela '. , Ya se la declaramos, presidente'. ,Ah...Entonces vamos a ganarla'. , Ya la perdimos, presidente' - le explicaba el otro -. ,Este país se jodio, se nos fue de las manos'. ,Ah...' Yeso era todo lo que decía... "Aus: Vallejo 1994: 70.

Die institutionelle Organisation des Staates hielt während der Nationalen Front nicht mit den sozialen, kulturellen und ökonomischen Modernisierungsprozessen Schritt: dem Anwachsen der Mittelschichten, der zunehmenden Urbanisierung und Säkularisierung, der Importsubstitutionspolitik, der Änderung der Geschlechterbeziehungen - um nur einige Beispiele zu nennen.102 Die oben genannten Schwächen des politischen Regimes, die durch die Nationale Front verstärkt worden waren, führten zu einem zunehmenden Legitimations- und Repräsentationsdefizit. Hinzu kam, daß die herrschaftsund entwicklungspolitischen Verteilungsanforderungen immer weniger harmonisiert werden konnten. Sie stellten zum Teil widersprüchliche Anforderungen an die Regierungen. Die Änderung der strukturellen Rahmenbedingungen (darunter vor allem die zunehmende Gewalt), aber auch das Erstarken neuer Akteure untergruben die bestehende politische Ordnung. Ich möchte im folgenden ausschließlich auf die politischen Ursachen dieses Prozesses eingehen. Zivilgesellschaftliche Organisationen drängten immer mehr auf Veränderung und Öffnung des politischen Systems bzw. auf die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. In den 70er Jahren erstarkten die städtische Protestbewegung, die Gewerkschaften und Studentenvereinigungen, später auch die Organisationen der Menschenrechtler, Frauen, indianischen und afrokolumbianischen Gemeinschaften. Auf der lokalen Ebene gründete die Bevölkerung, die ihre Interessen durch die traditionellen Parteien nicht repräsentiert sah, Bürgerbewegungen, sogenannte movimientos cívicos. Sie suchten sich dem parteipolitischen Einfluß zu entziehen. Mit Hilfe von Streiks (paros cívicos) setzten sie sich direkt für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen ein. Zwischen 1980 und 1985 fanden 157 solcher Streiks statt, zwischen 1986 und

102

Vgl.: González ohne Jahr: 141 und 145.

114

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

1990 146. Hunderte von Aktionen des zivilen Widerstandes wie Mobilisierungen und Besetzungen kennzeichneten die 80er Jahre.103 Die Zunahme der Guerillatätigkeit war durch den exkludierenden Charakter des Regimes der Nationalen Front begünstigt worden und sah sich dadurch legitimiert. Die Organisationen konnten den fragmentierten Staat zwar nie vollständig destabilisieren. Sie erhöhten aber beständig den Reformdruck und beraubten ihn materieller Ressourcen. Diese gingen für Modernisierungsmaßnahmen verloren. Einzelne Guerillaorganisationen mußten immer wieder Rückschläge hinnehmen.104 Die verschiedenen Gruppen konnten jedoch nach einer vorübergehenden Krise seit den späten 80er Jahren ihre Präsenz verstärken und deutlich machen, daß sie eine ernst zu nehmende Herausforderung darstellten. Vor allem in von der Hauptstadt entlegenen Küsten- und Urwaldregionen sowie in den Kolonisierungsgebieten übernahmen sie wichtige staatliche Funktionen. Die Guerilla baute eigene .Bildungseinrichtungen' auf. Sie setzte ein paralleles Normensystem in ihren Einflußbereichen durch und kontrollierte dort ,die öffentliche Ordnung'.105 Obwohl die tatsächliche Stärke einzelner Gruppen, ihr Organisations- und Koordinationsvermögen im Rahmen des Dachverbandes Coordinadora Guerrillera Simón Bolívar, der im September 1987 gegründet wurde, immer wieder angezweifelt wurde, besaß sie genügend Aktionsspielraum, um den Staat herauszufordern.106 Die Drogenbarone hatten ihre Aktivitäten in Kolumbien bereits in den 60er Jahren mit dem Verkauf von Marihuana begonnen. Nachdem dieser nicht mehr genug Profite abwarf, auch aufgrund der teilweisen Legalisierung des Anbaus in den USA, stellten sich die Händler auf die Verarbeitung und den Export von Kokain um. Die oft als Kartelle bezeichneten Organisationsstrukturen in Medellin und Cali wurden zu den zentralen Instanzen in diesem Geschäft. Sie kontrollierten einen Großteil des weltweiten Kokainhandels.107 Auch die Drogenhändler übernahmen (wie die Guerilla) teilweise Staatsfiinktionen. Sie betätigten sich etwa im .sozialen Wohnungsbau' und erfreuten sich deshalb relativer Beliebtheit bei Teilen der Bevölkerung. Die Herrschenden tolerierten - solange sie ihre eigenen Interessen nicht gefährdet 103

104

105 106 107

Vgl.: Restrepo 1987: 34ff., 1988b: 58ff, 1990: 382ff, 1994: 6ff.; Santana Rodriguez 1989: 173ff.; Pearce 1992: 268; Veläsquez 1997: 108; Münera Ruiz 1993: 60ff. und 1998: 412f. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicherlich die Niederlage der M-19 bei der Besetzung des Justizpalastes im November 1985. Vgl.: Reyes/Bejarano 1988: 8ff. Vgl.: Dugas 1997: 290. Vgl.: Craig 1983: 326ff.; Bagley 1990: 445ff.; Lopez 1998: 38f.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

115

sahen - die Aktivitäten der Kartelle. Teilweise unterstützte der Staat sie sogar. Außerdem hatte die Mafia bezahlte Schlüsselfiguren in der staatlichen Administration. Sie dienten als Informanten und Repräsentanten ihrer Interessen.108 Die Illegalität des Handels zog die Schaffung von Korruptionsstrukturen in Staat und Gesellschaft nach sich. Viele Politiker wollten oder konnten sich dieser informellen Institution nicht entziehen. Unliebsame Gegner jedweder politischer Couleur wurden von der Mafia (wenn möglich) beseitigt. Der Ende der 80er Jahre vom Medellin-Kartell eingeleitete allgemeine Terror richtete sich vor allem gegen die Befürworter einer Ausweisung der Drogenbosse in die USA und ihre dortige Inhaftierung. Die Repressionsmaßnahmen zielten gegen Mitglieder der Regierung, des Justizapparates, der Polizei und des Militärs. Sie betrafen aber auch die Guerilla und ihr (vermeintlich) nahestehende legale Organisationen. Opfer der Drogenbosse wurden alle kritischen Sektoren politischer Parteien, sozialer Bewegungen sowie der Massenmedien. Eines der ersten wichtigen Schlüsselereignisse im Kampf der Mafia gegen den Staat war die Ermordung des Justizministers Rodrigo Lara Bonilla am 30. April 1984 in Bogotá. Daraufhin belebte die Regierung das bereits 1979 mit den USA geschlossene Auslieferungsabkommen für Drogenhändler wieder.109 In den folgenden Jahren erschossen die Todesschützen der Drogenkartelle zahlreiche Richter und einen Magistrat des Obersten Gerichtshofes. Ihnen fiel Ende Januar 1988 auch der Procurador General de la Nación110 Carlos Mauro Hoyos zum Opfer.111 Eine Woche zuvor, am 18. Januar 1988, wurde der Sohn des konservativen Ex-Präsidenten Misael Pastrana, Andrés Pastrana, vom Medellin-Kartell seiner Freiheit beraubt. Einen Tag nach der Verhaftung des Drogenhändlers Jorge Luis Ochoa entführte es am 22. November 1987 Juan Gómez Martínez, den konservativen Kandidaten für das Bürgermeisteramt in Medellin.112 Am 4. Juli 1989 erschoß die Mafia den damaligen Gouverneur des departamento Antioquia, Antonio Roldán Betancur; anschließend den Polizeichef des departamento Valdemar Franklin Quintero - von den hunderten ermordeten Polizisten ganz zu schweigen. Unter der Regierung Barco wechselten sieben Justizminister im Amt. Am 25. August 1989 gaben die Mafiosi bekannt, sie würden für jeden ausgewiesenen Drogenhändler zehn Richter ermorden. Daraufhin traten Hunderte von Richtern zurück. Das Medellin-Kartell erweiterte in den ausgehenden 80er Jahren 108 109 110 111 112

Vgl.: Dugas 1997: 109ff. Vgl.: Pearce 1992: 261; Leal Buitrago 1995a: 435 und Mojica Martinez 1995: 61. Etwa: General Staatsanwalt. Vgl.: Craig 1987: 29f.; Pearce 1992: 204. Vgl.: Santos Calderön 1988: 277f. und 463.

116

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

den Terror und damit den Druck auf Staat und Gesellschaft. Bis Ende September 1989 hatte es 140 Bombenattentate auf Regierungsbüros, Banken, Unternehmen, Hotels und Schulen ausgeübt.113 Die Anhänger des Kartellchefs Pablo Escobar ermordeten den Herausgeber der Tageszeitung El Espectador, Guillermo Cano, und den Richter Carlos Ernesto Valencia, der einen Prozeß gegen die Verantwortlichen gefordert hatte. Die Mafia zerstörte auch das Büro der bekannten Gazette in Bogotá. Später sprengte sie den Hauptsitz der Regionalzeitung Vanguardia Liberal in Bucaramanga. Am 27. November 1989 explodierte eine Bombe in einem Flugzeug der Fluggesellschaft Avianca. Dabei kamen über 100 Personen ums Leben.114 Bei dem Anschlag am 6. Dezember 1989 auf die staatliche Sicherheitsbehörde DAS wurden 64 Menschen getötet und rund 700 zum Teil schwer verletzt. Noch im gleichen Monat entführte das Medellin-Kartell einen engen Berater des Präsidenten Virgilio Barco.115 Die Morde wurden oft nicht unmittelbar von den Kartellen selbst ausgeführt. Sie übertrugen sie bezahlten Killern (sicarios) und paramilitärischen Gruppen.116 Die Verbindungslinien zwischen ihnen und der Mafia wurden mit der Zeit immer undurchsichtiger. 200 führende Händler hatten bereits im Dezember 1981 die Organisation MAS, Muerte a los Secuestradores, gebildet. Sie verstand sich als ,Selbstverteidigungsgruppe' vorrangig gegen die Entführungen der Guerilla. Ein Großteil ihrer Opfer stammte aber schließlich aus der Zivilgesellschaft.117 Außerdem arbeiteten die Drogenhändler mit Teilen des Militärs zusammen. Dies trug zu immer mehr Verwirrung bei der Aufklärung politisch motivierter Morde bei.118 „Cartel support of the paramilitary groups served not only to protect their rural investments, but also to give drug traffickers an effective means of establishing a working relationship with key sectors of the pólice and the

113 114 115 116

117 118

Vgl.: Bagley 1990: 451; Leal Buitrago 1995a: 439f. Vgl.: Méndez 1990: 40f.; Pearce 1992: 256. Vgl.: Semana Nr. 401, 9.1.1990: 64. Dabei handelt es sich neben den von den Drogenhändlern bezahlten Organisationen um sogenannte ,Selbstverteidigungsgruppen' vor allem der Großgrundbesitzer, aber auch Einheiten, die sich der .sozialen Säuberung' in den Städten rühmten, in dem sie politische Gegner, Homosexuelle, Straßenkinder etc. ermordeten. Zwischen den Organisationen gibt es zahlreiche Querverbindungen. Vgl. m m Zusammenhang von paramilitärischen Gruppen, Guerilla und Drogenhändlern auch: Reyes Posada 1996: 292. Vgl.: O Maolâin 1985: 69. Vgl.: Salazar/Jaramillo 1992: 52f.; Correa 1994: 20ff.; Buenahora Febres-Cordero 1995: 28; Correa 1997: 25.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

117

military, thus blunting (if not altogether neutralizing) the threat of State repression." 119

Die .Dienstleistungen' der Drogenhändler machten sich wiederum auch Teile des Militärs und der politischen Klasse zunutze. So ließen sie unliebsame politische Gegner beseitigen. Schließlich verfolgten Militärs, Paramilitärs und Drogenhändler bei der Bekämpfung der Guerilla und linker Oppositionsparteien gemeinsame Interessen. Die Zusammenhänge konnten nur in Einzelfallen nachgewiesen werden. Auch wenn die Behörden in einigen Fällen die Killer zur Rechenschaft zogen, bestraften sie in der Regel die eigentlichen Rädelsführer nicht. Die meist den Drogenhändlern und/oder paramilitärischen und militärischen Gruppen zugeschriebenen Morde wuchsen in den 80er Jahren erheblich an. Zwischen 1984 und 1989 mußten hunderte von Führungspersönlichkeiten und Sympathisanten der verschiedensten Organisationen der Zivilgesellschaft ihr Leben lassen. Von der Repression besonders betroffen war die linke Oppositionspartei Unión Patriótica.120 Nach ihrer Gründung 1985 verlor sie Tausende ihrer Kandidaten und sonstigen Anhänger. Darunter befanden sich 89 amtierende Stadträte, zahlreiche Kandidaten und frühere Mitglieder der Kommunalparlamente, neun Bürgermeister, sechs Abgeordnete der departamento-^}Qrsammlungen, sechs Kongreßmitglieder, ihre Parteivorsitzenden und Präsidentschaftskandidaten Jaime Pardo Leal (im Oktober 1987) sowie Bernardo Jaramillo Ossa (im März 1990).121 Unter dem Terror des Medellin-Kartells und der Paramilitärs hatten aber auch kritische Sektoren anderer Parteien zu leiden. Das Kartell sprengte die Parteizentrale des Nuevo Liberalismo (einer Abspaltung des PLC) und der Konservativen Partei in Medellin. Im August 1989 wurde der Senator und Präsidentschaftskandidat des Nuevo Liberalismo, Luis Carlos Galán, ermordet. Er hatte sich öffentlich zur Ausweisung der Drogenbosse bekannt. Noch im gleichen Jahr erlag der Präsidentschaftskandidat der Alianza Democrática M-19, Carlos Pizarro, einem Attentat.

119 120 121

Dugas 1997: 253/54; vgl. auch Krauthausen/Sarmiento 1991: 96f. Vgl.: Velásquez 1997: 108; Gaitán/Moreno 1992: 129. Vgl.: Americas Watch 1989: 59ff.

118

5.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

Die Reaktion des Staates auf die neuen Herausforderungen

Der Staat reagierte auf die Zunahme der Entinstitutionalisierungsprozesse in den 70er und 80er Jahren mit einer Mischung aus Verhandlungsbereitschaft und Erhöhung der Repression.122 Die überdurchschnittlich hohen Ergebnisse der ANAPO beim Urnengang 1970 waren ein erstes Warnsignal an die Befürworter der Nationalen Front. Sie hatten bereits gezeigt, daß der Staat dem Partizipationsdrängen der Bevölkerung nachgeben sollte. Doch beim nationalen Streik von 1977, und später gegen zahlreiche lokale Streiks zivilgesellschaftlicher Gruppen (paros civicos) setzten die Regierungen repressive Maßnahmen ein. Allein der Verdacht - nicht etwa der tatsächliche Aufruf zum Streik - wurde 1977 von der Regierung Lopez Michelsen zum Delikt erklärt. Die Streiks waren ein Indikator für die Unzufriedenheit der Bevölkerung und die Zuspitzung der sozialen Krise. Doch die Regierungen verengten zunehmend die innersystemischen Handlungskorridore, anstatt sie auszuweiten.123 Nach dem offiziellen Ende der Nationalen Front wiesen sie den Militärs mehr Autonomie bei der ,Lösung' der Konflikte mit der Zivilbevölkerung zu. Gleichzeitig wurde die Reform des ökonomischen, sozialen und politischen Systems sowie des Justizwesens auf die lange Bank geschoben. Der Staat setzte den Militärs in ihrem repressiven Umgang nicht nur mit der Guerilla sondern auch mit der sich friedlich organisierenden Zivilbevölkerung keine Grenzen. Deshalb beklagten internationale Organisationen bereits unter der Regierung Lopez Michelsen und vor allem in den späten 70er und 80er Jahren immer wieder die Nicht-Einhaltung der Menschenrechte und die mangelnde Rechtsstaatlichkeit.124 Von den 192 Monaten der Nationalen Front war das Land 128 im Ausnahmezustand regiert worden. 125 Diese Maßnahme, die die Regierbarkeit aufrechterhalten sollte, wurde auch nach ihrem offiziellen Ende im Überfluß

122 123 124 125

Vgl.: Ramírez Tobón 1990: 192ff.; Webendörfer 1997: 56. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 29. Vgl.: Restrepo 1992: 278 und Buenahora Febres-Cordero 1995: 26f. Vgl.: Meschkat/Rohde/Töpper 1983: 136 und Gallón Giraldo 1979. Alberto Lleras Camargo regierte drei Jahre, drei Monate und 27 Tage, Guillermo León Valencia ein Jahr, zwei Monate und 24 Tage, Lleras Restrepo drei Jahre, zwei Monate und acht Tage und der letzte Präsident der Nationalen Front, Pastrana Barrero, drei Jahre, ein Monat und 14 Tage im Ausnahmezustand. In den 70er Jahren diente die Maßnahme des Ausnahmezustands u.a. dazu, den Streiks der Studenten und der Arbeiter repressiv zu begegnen. Vgl.: Fuertes Forero 1991: 150f.; Buenahora Febres-Cordero 1995: 25f.

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

119

eingesetzt.126 Unter Berufung auf die Notwendigkeit, die Guerillaaktivitäten zu bekämpfen, erließen die verschiedenen Regierungen im Rahmen der Ausnahmezustandsgesetzgebung Sicherheitsstatute. In der Praxis schränkten sie die Rechtsstaatlichkeit ein und richteten sich gegen die zivilgesellschaftlich organisierte Bürgerschaft. Präsident Turbay Ayala (1982-1986) regierte mit dem sogenannten Estatuto de Seguridad.121 Es legte den gesamten Prozeß der Verhaftung, des Verhörs und der Anklage von , Staatsfeinden' in die Hände der Militärgerichtsbarkeit.128 Die Regierung Barco Vargas erließ im Januar 1988 das ,Statut zur Verteidigung der Demokratie'.129 Das Dekret erweiterte ebenfalls die Kompetenzen der Sicherheitskräfte.130 Der Staat unterstützte und tolerierte gleichzeitig die Bildung paramilitärischer Gruppen. Schon Lleras Restrepo hatte 1968 das Gesetz Nr. 48 verabschiedet, das die Basis für die legale Gründung paramilitärischer Gruppen bildete. Die Militarisierung der Gesellschaft wurde durch die Notwendigkeit der Selbstverteidigung gerechtfertigt. Die Zunahme der Menschenrechtsverletzungen, gepaart mit einer weitgehenden Straflosigkeit, ließ sich in den 70er und 80er Jahren durchaus mit der Situation in einigen lateinamerikanischen Diktaturen vergleichen. Ein radikaler Antikommunismus, die militärische Lösung sozialer Konflikte, gestützt auf die Militärhilfe aus den USA und die Doktrin der Nationalen Sicherheit unter dem Einfluß des Ost-West-Konfliktes machten unbewaffnete Opposition gegen das Regime nahezu unmöglich.131 Der Staat handhabte die geforderte Friedens- und Sozialpolitik als militärisches Problem. Er bot kaum Lösungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der verarmten Bevölkerung und für die Gewaltfrage an. Der Konflikt mit der Guerilla, die darin ihre Legitimationsbasis sah, drohte ihm so Ende der 80er Jahre aus den Händen zu gleiten.132 Wichtig für die späteren Reformen war allerdings auch die Eskalation der Gewalt durch die Aktivitäten der Drogenmafia. Die Verfolgung der Drogenkartelle unter der Regierung Betancur und vor allem unter seinem Nachfolger Barco richtete sich vorwiegend gegen das Medellin-Kartell. Es war haupt126

127 128

129 130 131 132

Unter Lopez Michelsen galt der Ausnahmezustand fast drei Jahre, unter Turbay Ayala fast die gesamte Amtszeit, unter Belisario Betancur und Virgilio Barco jeweils über zwei Jahre. Vgl.: Fuertes Forero 1991: 150f. und Orozco Abad/Gomez Albarello 1997: 268ff. Sicherheitsstatut. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1995: 26 und 206; Leal Buitrago 1995a: 44f. und allgemein: Santamaria S./Silva Lujàn 1986. Estatuto para la Defensa de la Democracia. Vgl.: Haldenwang 1991/92:11. Vgl.: Haldenwang 1990: 43. Vgl.: Restrepo 1992: 288; Gaitän et al. 1995: 29.

120

Kapitel II: Von der Kolonialzeit bis zur Krise.

sächlich für den Terror verantwortlich und weit weniger als das Cali-Kartell direkt mit der politischen Elite des Landes verstrickt.133 Doch selbst bei der selektiven Bekämpfung der Mafia waren die verschiedenen Regierungen nicht besonders effektiv. Bis zum Tod von Rodríguez Gacha am 15. Dezember 1989 hatten sie keinen einzigen Top-Mafiosi ausweisen, verhaften oder (wie in Kolumbien später üblich) im Gefecht mit den Sicherheitskräften erschießen lassen können. Schließlich überstiegen die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit mehr als ein Drittel des Haushaltes. Gewalt in diesem Ausmaß schien auch für die Aufrechterhaltung der Privilegien der Elite nicht mehr funktional, denn der Bombenterror suchte sich seine Opfer nicht aus. Präsident Barco erklärte die Drogenhändler schließlich zum Staatsfeind. 134 Er kündigte Ende Januar 1988 Ausnahmezustandsmaßnahmen an, die die Regierung im Kampf gegen den Drogenhandel stärken sollten. Dabei sind vor allem sein Anti-Terror-Statut und die Bildung von neuen Gerichtshöfen, sowie die verbesserte personelle Ausstattung des Justizsektors mit 5.000 neuen Amtsträgern zu nennen. 135 Nach der Ermordung des liberalen Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán wurden rund 10.000 Personen verhaftet, die mit dem Medellin-Kartell in Verbindung gestanden haben sollen. Die Regierung beschlagnahmte 789 Gebäude und Farmen, 367 Flugzeuge, 72 Motorbote, 710 Fahrzeuge und mehr als 1.200 Waffen. Für Richter und Gerichte gab es spezielle Schutzmaßnahmen. Die Ausweisung der Drogenbosse, die zwischenzeitlich ausgesetzt worden war, wurde wiederbelebt.136 Der Konflikt zwischen Staat, lokalen Machthabern, Militärs, Paramilitärs, Guerilla und Drogenmafia spitze sich zu. Es entstand ein komplexes Geflecht von staatlichen, parastaatlichen und privaten Gewaltaktivitäten, das die Notwendigkeit von Reformen trat immer deutlicher zutage treten ließ.137

133 134

135 136 137

Vgl.: Orozco Abad 1990: 29ff. Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 48f. und Gaitán et al. 1995: 18f. und 23, vgl. auch: Orozco Abad 1989: 74ff. und zur Regierung Barco allgemein: Deas/Ossa 1994. Vgl.: Pearce 1992: 223ff. Vgl.: Bagley 1990: 450; Pearce 1992: 260. Vgl.: Restrepo 1992: 288; Gaitán et al. 1995: 29.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

III. 1.

121

Der desmonte der Nationalen Front und die Institutionalisierung reformierter Teilregime Die Reformprozesse der Regierungen Betancur und Barco und die Verfassunggebung

Die schrittweise, zögerliche Veränderung des Regimes der Nationalen Front wird in der Literatur mit desmonte, dem Abbau etablierter Institutionen, bezeichnet.1 Zögerliche politisch-institutionelle Umgestaltungsversuche begannen mit der Verfassungsreform von 1968. Sie sah von 1970 an erneuten Parteienwettbewerb für die Wahl der Regional- und Kommunalparlamente vor, der sich allerdings im wesentlichen auf die traditionellen Parteien beschränkte. Die erste Administration nach dem offiziellen Ende der Nationalen Front verlief im Hinblick auf Reformen insgesamt eher enttäuschend. Alfonso López Michelsen (1974-1978), der der Nationalen Front eigentlich kritisch gegenübergestanden hatte, kündigte erst nach dem Nationalstreik von 1977 Reformen an. Bei dieser Gelegenheit war die Unzufriedenheit der Bevölkerung besonders deutlich zum Ausdruck gekommen. Die von López Michelsen vorgesehen Reformen betrafen verschiedene Ministerien, die Einführung eines Staatsrates, die Herabsetzung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre und die Modernisierung des Justizwesens durch die Einführung eines Verfassungsgerichtshofes.2 Eine weitergehende Verfassungsreform sollte am reformunwilligen Kongreß vorbei durch die Bildung einer ,kleinen Verfassunggebenden Versammlung'3 vorangetrieben werden. Der Kongreß stimmte ihm zwar zu,4 doch die Verfassungsreform wurde vom Obersten Gerichtshof zu Fall gebracht. Die formale Begründung lautete: Die Legislative könne ihre Aufgabe als verfassunggebendes Organ nicht an eine, so wörtlich - ,seltsame' - in der Hierarchie unter dem Kongreß angesiedelte, Verfassunggebende Versammlung abgeben,5 sprich: der Kongreß sei allein dafür zuständig.6 Sein Nachfolger Julio César Turbay Ayala (1978-1982) galt als einer der bekanntesten Repräsentanten des klientelistischen Regimes und Befürworter der Nationalen Front.7 Von ihm wurden kaum Impulse für demokratische Reformen erwartet. Nichtsdestotrotz präsentierte er dem Kongreß 1979 einen limitierten Gesetzgebungsvorschlag. Darin forderte er die Reform des Justiz2 3 4 5 6 7

Vgl. zu dieser Zeitspanne: Santamaría Salamanca/Silva Luján 1986. Vgl.: Leal Buitrago 1995b: 414ff. Pequeña Constituyente. Vgl.: Acto Legislativo Nr. 2 vom 19.12.77. Vgl.: Murillo/Ungar 1993: 37; Gaitán et al. 1995: 20f. und Cepeda Ulloa 1977. Vgl.: Pécaut 1989: 290f.; Valencia Villa 1987: 167f. Vgl.: Angulo 1981: 4ff.

122

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

wesens, der Banken, der Planungsbehörden, der Legislative, des Wahlsystems und der Parteien. Interessant dabei war vor allem die Unterbindung der doppelten Amtsinhaberschaft. Sie erlaubte, daß Kongreßmitglieder gleichzeitig im Kabinett des Präsidenten tätig waren und machte die Minister zum verlängerten Arm des Präsidenten im Parlament. Außerdem sah der Vorschlag bereits die Möglichkeit eines Mandatsentzugs für Kongreßabgeordnete (revocatoria del mandato) vor, der auch zu Beginn des neuen Jahrtausends noch diskutiert wird und der nach der Verfassungsreform 1991 für Bürgermeister und Gouverneure eingeführt wurde.8 Den Reformen Turbay Ayalas wird insgesamt von Valencia Villa ihre demokratisierende Intensión abgesprochen. 1981 lehnte der Oberste Gerichtshof das Projekt des Präsidenten wiederum aus formalen Gründen ab. Die Richter waren laut der Verfassung von 1886 für die Überprüfung der Dekrete zuständig, die die Exekutive im Ausnahmezustand erlassen hatte. 9 Die Regierung Belisario Betancur Cuartas (1982-1986) stand unter erheblichem Druck der unterschiedlichen Guerillaorganisationen.10 Der Präsident setzte zunächst auf Dialog mit EPL, FARC und M-19 und nahm Friedensverhandlungen auf. Der auch als Ergebnis dieser Verhandlungen entstandene Demokratisierungsplan 11 des Präsidenten sah verschiedene Punkte zur Reduzierung des Gewaltkonfliktes und die Einbeziehung der Guerilla ins politische System vor. Die Amnestie von Guerillamitgliedern wurde an keinerlei Bedingungen geknüpft. Der Präsident entließ die gesamte Führung der Guerillaorganisation M-19 aus dem Gefängnis. Gleichzeitig ging allerdings der Krieg gegen die Basis des M-19 weiter. Trotz eines Waffenstillstandsabkommens bekämpften Militärs und Paramilitärs während der gesamten Friedensverhandlungen die Guerilla. Der M-19 brach deshalb Mitte 1985 die Gespräche ab. Die Konfrontation erfuhr schließlich ihren Höhepunkt, als der M-19 den Justizpalast besetzte. Bei der blutigen Niederschlagung dieser Aktion durch die Militärs im November 1985 wurde unter anderem ein Großteil der Mitglieder des Obersten Gerichtshofes getötet. Die Generäle zeigten bei dieser Entscheidung einmal mehr ihre Eigenständigkeit in Fragen der .öffentlichen Ordnung'. Einige Forscher gehen davon aus, daß sie den Präsi-

8 9

10

11

Vgl.: Valencia Villa 1987: 48f.; Eastman Robledo 1988: 1 Off. Vgl.: Leal Buitrago 1995: 39; Valencia Villa 1987: 97; Botero: 1980; Archer/ Shugart 1997: 11 Iff. Vgl. zu den Reformprozessen unter Betancur: Santamaría Salamanca 1984 und Santamaría Salamanca/Silva Luján 1986.

Plan de Desarrollo Democrático.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

123

denten klar übergangen hatten.12 Eine demokratische Öffnung wurde nach den Ereignissen um den Justizpalast wieder einmal als Gefahr eingestuft, da sie in den Augen vieler konservativer Kräfte als ,exzessiv' galt.13 Das Scheitern der Friedensbemühungen gefährdete deshalb den Reformprozeß insgesamt. Betancur hatte dem Kongreß eine Reihe von Maßnahmen zur Öffnung des politischen Systems vorgelegt. Seine Initiative stieß jedoch wie die seiner Vorgänger dort auf heftigen Widerstand. Der zentrale Faktor für den mäßigen Erfolg war, neben der Skepsis führender Unternehmer, ihrer Verbände und vielen Militärs, die kritische Haltung des größten Teils der beiden traditionellen Parteien im Kongreß gegenüber den Plänen Betancurs.14 Er konnte weder auf eine geschlossen hinter ihm stehende Regierungspartei bauen, noch unterstützten ihn die Liberalen, die ihm mit zum Präsidentenamt verholfen hatten, uneingeschränkt. Sie traten nicht überzeugt für die Reformen des Präsidenten ein. Hinzu kam, daß der Kongreß die Reformvorschläge so stark abänderte, daß ihr ursprünglicher Charakter verloren ging. Letztlich konnten sie nur durch massive Lobbyarbeit der Regierung das Parlament durchlaufen. Relevant im Hinblick auf die Erweiterung der Partizipation waren vor allem die folgenden Reformen: 15 a) Im Rahmen der politischen Dezentralisierung wurden von 1988 an die Bürgermeister direkt von der Bevölkerung für zwei Jahre gewählt.16 Sie durften in der unmittelbar auf ihre Amtszeit folgenden Wahlperiode nicht wiedergewählt werden. b) Ein weiteres Gesetz17 schuf die Möglichkeit lokaler Volksentscheide.18 Sie konnten aber erst ab September 1989 durchgeführt werden. c) Die Juntas Administradoras Locales19 wurden an der lokalen Verwaltung beteiligt. Diese Räte waren auf freiwilliger Basis von den Stadtbzw. Gemeinderäten einzurichten. Sie bestanden aus drei bis sieben

12

13 14 15

16

17

18 19

Vgl.: Leal Buitrago 1995a: 46; Leal Buitrago 1995b: 433 und zu den Ereignissen im Justizpalast: Jimeno 1989 und Behar 1988. Vgl.: González/Cárdenas 1998: 114. Vgl.: Bejarano 1990: 58ff.; Ramirez/Restrepo 1988: 4ff. und 206f. Vgl.: Oijuela 1992: 59ff.; vgl. zum folgenden: Chernick 1989: 309f.; Archer/Shugart 1997: 114f.; Ramirez/Restrepo 1988: 73; Castro 1987: 14ff. und von Haldenwang 1994: 187ff. Vgl.: Acto Legislativo Nr. 1, 1986 und Acto Legislativo Nr. 1, 1988. Viele der von der Regierung beschlossenen Maßnahmen wurden erst unter dem Nachfolger Betancurs gesetzlich geregelt. Vgl.: Acto Legislativo Nr. 42, September 1989.

Consultas Populares. Vgl.: Acto Legilativo Nr. 11, Januar 1986.

124

d)

e) f) g) h)

20

21 22

23

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front-

Mitgliedern. Mindestens ein Drittel mußte aus freien Wahlen hervorgehen. Ihre Arbeit bezog sich in der Regel auf einen Stadtteil. Die seit 1958 bestehenden Nachbarschaftsorganisationen (Juntas de Acción Comunal, JAC)20 wurden durch Gesetz an der Bereitstellung bestimmter Leistungen beteiligt. Die Führungsspitze lokaler öffentlicher Dienstleistungsunternehmen sollte zu einem Drittel von den Verbrauchern gestellt werden. 21 Im Rahmen der fiskalischen Dezentralisierung wurde ein Teil der Einnahmen der Nation den Kommunen überstellt (transferencias). Die Verwaltungslaufbahn wurde eingeführt. Die teilweise Modernisierung der Parteien wurde im Parteiengesetz von 198522 verankert. Ihr ging eine schwierige Debatte im Kongreß und ein politisches Abkommen zwischen der Liberalen, der Konservativen Partei und dem Nuevo Liberalismo voraus. Das Gesetz legalisierte neue politische Kräfte, auch wenn die Einschränkungen in der Verfassung dadurch nicht aufgehoben wurden. Es institutionalisierte die Mechanismen ihrer Anerkennung, der Wahlbeteiligung und der Wahlkampfkostenerstattung durch den Staat. Die Parteien mußten sich erstmals offiziell als solche registrieren lassen {personería jurídica), wollten sie an Wahlen teilnehmen. Dazu war es nun auch formal vorgesehen, ein .Programm' und die Organisationsstruktur bei der zuständigen Behörde, dem Wahlgerichtshof (Corte Electoral, CE), zu hinterlegen. Parteien, die anerkannt werden wollten, mußten mindestens 10.000 Anhänger 23 durch eine Unterschriftenaktion nachweisen. Eine ausschließlich staatliche Parteienfinanzierung war nicht vorgesehen. Sie sollten sich weiterhin überwiegend über private Geld- und Sachspenden finanzieren. Diese durften sowohl an die Gesamtpartei als auch an einzelne Faktionen und Kandidaten übergeben werden. Spender erhielten Steuererleichterungen. Der Wahlgerichtshof legte dabei vor jeder Wahl eine Spendenhöchstgrenze für Präsidentschaftsund Kongreßkandidaten fest. Die Organisationen waren dem WahlgeVgl.: Acto Legislativo Nr. 11, Januar 1986. Vgl. zur Entstehungsgeschichte und zu den gesetzlichen Grundlagen: Valencia 1989: 31 Off. Vgl.: von Haldenwang 1994: 188f. Vgl.: Gesetz Nr. 58 von 1985 (Ley No. 58 de 1985 por la cual se dicta el estatuto básico de los partidos políticos y se provee a la financiación parcial de las campañas electorales). Vgl. zu dessen Inhalt auch: Buenahora Febres-Cordero 1995: 215f.; Leal Buitrago 1995a: 46f.; Chernick 1989; Gilhodes 1995: 66 und Gaitán/Moreno 1991. Man kann hier nicht von Mitgliedern reden, da kolumbianische Parteien keine Mitgliederstrukturen im europäischen Sinne haben.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

125

richtshof rechenschaftspflichtig. Ursprung und Umfang der Sach- und Geldspenden sowie der Ausgaben mußten sie ihm gegenüber offenlegen und veröffentlichen. Namentlich und mit Steuernummer waren Personen zu verzeichnen, die 1985 mehr als 200.000 Pesos24 spendeten. Eine Geldstrafe, die alle vier Jahre an die Inflationsrate angepaßt werden mußte, war beim Verstoß gegen diese Spendenpraxis vorgesehen. Der Staat finanzierte die Parteien durch das neue Gesetz allerdings indirekt. Alle erhielten, nach ihrer politischen Stärke gestaffelt, kostenlosen, zeitlich begrenzten Zugang zu den staatlichen Massenmedien. Er unterstützte auch die Verteilung der Wahlpropaganda durch kostenlosen Versand im Zeitraum von 90 Tagen vor jeder Wahl. Er räumte allen Parteien zu gleichen Tarifen die Möglichkeit ein, die staatlichen Druckereien zu benutzen. Werbung, Marketing und Zugang zu den Massenmedien wurden erstmals reglementiert. Das Gesetz beschränkte sie ebenfalls auf die vor der Wahl liegenden 90 Tage. Es grenzte die Dauer des Wahlkampfes ein und legte Kriterien zu seiner Strukturierung fest. 25 i) Das Gesetz Nr. 96 von 1985 wandelte den Wahlgerichtshof in den Consejo Nacional Electoral um. Es stattete ihn mit mehr Rechten aus. Dies trug auch der Tatsache Rechnung, daß die Parteien nun rechtlich anerkannt waren und durch die vorgesehene Bürgermeisterwahl mehr Urnengänge anstanden. 26 Auch für die Nachfolgeregierung des Liberalen Virgilio Barco Vargas (1986-1990) war das wichtigste Anliegen die Entschärfung des Gewaltkonfliktes. Obwohl der Friedensprozeß zunächst ins Stocken geraten war, gelang es ihr, die Guerillaorganisation M-19 Anfang 1990 ins zivile politische Leben zu integrieren. Mit dem EPL verhandelte sie.27 1989 hob Barco über verschiedene Dekrete die legale Grundlage der Bewaffnung von Selbstverteidigungsgruppen auf und zeigte damit eine gewisse Bereitschaft, den Gewaltkonflikt auch von dieser Seite her einzudämmen. Der Präsident hob auch ein grundsätzliches Strukturprinzip der Nationalen Front auf, das seine Nachfolger allerdings wieder einführten: Er schloß die Konservativen erstmals von der Regierung aus. Er widersetzte sich damit der über die Nationale Front hinaus etablierten politischen Gewohnheit der Beteiligung der zweitstärksten politi24 25

26 27

Damals rund 200 Dollar. Vgl. zum Parteiengesetz: Cepeda Ulloa 1987a: 12ff.; Gilhodes 1996: 82 und Pizarro Leongómez 1997: 117f. Vgl.: Pizarro Leongómez 1997: 116 und Gaitán et al. 1995: 22ff. Vgl.: Haldenwang 1991/92:11.

126

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

sehen Partei am Kabinett.28 Von der Öffnung des politischen Spielraumes für eine .Opposition' erhoffte sich Barco unter anderem die Institutionalisierung des politischen Wettbewerbs und dadurch letztlich die Begrenzung der politischen Gewalt.29 Doch der Präsident bedachte dabei nicht, daß die Konservativen als Oppositionspartei nur wenig Glaubwürdigkeit besaßen. Einer zuvor mit den Liberalen verbündeten Organisation, die zudem noch enge Beziehungen zur Wirtschaftselite unterhielt, trauten viele diese Rolle nicht zu. Auch die konservativen Politiker selbst wollten eine solche Funktion nicht übernehmen. Dies schloß sie von der Möglichkeit der Ausbeutung staatlicher Ressourcen aus.30 In der Perzeption der politischen Linken und der Guerilla wurden beide traditionelle Parteien als Repräsentanten der Oligarchie wahrgenommen, die sich kaum voneinander unterschieden. ,Echte' Opposition gegen ,das System' war aus der Sicht der noch tätigen Guerillaorganisationen nur bewaffnet möglich. Die bereits integrierten Gruppen sahen nicht die Konservative Partei, sondern sich selbst als legitime Repräsentanten einer solchen Institution, auch wenn sie später, als sie Gelegenheit dazu hatten, nicht immer davon Gebrauch machten. Barco versuchte - allerdings ohne großen Erfolg - soziale und politische Nonkonformität in liberale Kanäle zu lenken. Dafür wollte er die Liberale Partei repolitisieren, soziale Inhalte in das Parteiprogramm aufnehmen und ihr dadurch ein stärker reformistisches Profil geben.31 Als wichtigste Reformanstöße der Regierung Barco im Hinblick auf die Erweiterung der Partizipationsmechanismen können I) die Umsetzung eines Teils der von seinem Amtsvorgänger durchgesetzten Partizipations- und Dezentralisierungsmechanismen in Gesetze gelten32 und II) die Vorbereitung der Verfassungsreform. Zu I) a) Der politische Freiraum des Bürgermeisters gegenüber der übergeordneten politisch-administrativen Ebene wurde begrenzt.33 b) Lokale Volksentscheide durften sich nicht auf alle politischen Themen beziehen. Sie sollten nur die Arbeit des Stadt- bzw. Gemeinderates be28 29 30 31 32

33

Vgl.: Gilhodes 1996: 56; Cepeda Ulloa 1987: 14ff. Vgl.: Leal Buitrago/Dävila Ladrön de Guevara 1990: Kapitel 1. Vgl.: Archer/Chernick 1989: 69ff.; Hoskin 1989a: 220f. Vgl.: Bejarano 1990: 90ff. Seine Kritiker bedauerten allerdings, daß dabei teilweise deren demokratischer Charakter reduziert wurde. Vgl.: Haldenwang 1990: 43. Vgl.: Acto legislativo Nr. 78, Dezember 1986; Acto legislativo Nr. 49, Dezember 1987 und decreto 1001, Mai 1988.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

c)

d)

e) f)

g)

h)

127

treffen. Von vornherein ausgeschlossen wurden wichtige Fragen des Staatshaushaltes, der öffentlichen Ordnung und der Verwaltungsstruktur. Die Entscheide waren auf zwei Termine im Jahr zu begrenzen. 34 Der Bürgermeister hatte das Recht, aus den Vorschlägen der Verbraucher die Mitglieder der Direktorien der lokalen öffentlichen Dienstleistungsbetriebe zu bestimmen.35 Im August 1989 wurde diese Norm vom Staatsrat36 für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. In die im Rahmen des Regierungsprogramms Plan Nacional de Rehabilitación (PNR) eingerichteten Planungsräte wurden auch lokale Interessenvertreter aufgenommen. Der jeweilige Repräsentant der Regierung im PNR vor Ort bestimmte allerdings, welche lokalen Organisationen Mitglieder entsenden konnten. 37 Das trug zur Klientelisierung des PNR bei und unterlief seinen wahren partizipativen Charakter. Barco ermöglichte die Beteiligung der Kommunen an den Basisgremien des ländlichen Entwicklungsplanes DRI.3S Es wurden bildungspolitische Gremien39 auf kommunaler und departamentaler Ebene geschaffen, an denen Lehrer, Schüler und Eltern beteiligt waren. Sie hatten allerdings nur beratende Funktion gegenüber den Bildungsinstanzen. Am Ende seiner Amtszeit schuf der Präsident noch die Grundlagen für die Mitbestimmung im Gesundheitswesen.40 Diese Reform wurde durch das Gesetz Nr. 10 vom Januar 1990 auf die departamentos und die Kommunen übertragen. Die Umsetzung fand größtenteils erst unter seinem Nachfolger César Gavina (1990-1994) statt.41 Die Einführung weiterer Maßnahmen der direkten Partizipation wie die revocatoria del mandato42 scheiterten am Kongreß.

Zu II) Zur möglichen Entschärfung der sich immer weiter zuspitzenden politischen Krise schlug die Regierung am 30. Januar 1988 demokratische Reformen über eine Verfassungsänderung vor. Barco versuchte zunächst eine Volksabstim34 35

36 37

Vgl.: Acto legislativo Nr. 42,1989. Vgl.: Decreto Nr. 3446, November 1986 und decreto 700, April 1987.

Consejo de Estado. Vgl.: Decreto Nr. 3270, Oktober 1986 und von Haldenwang, 1994: 190.

38

Desarrollo Rural Integrado. Vgl.: Decreto Nr. 107, Januar 1989.

39

Juntas Educativas. Vgl.: Acto legislativo Nr. 52, November 1989. Vgl.: Decreto Nr. 1416, Juli 1990. Vgl.: von Haldenwang, 1994: 190. Abwahl von Mandatsträgern, die ihr Regierungsprogramm nicht erfüllen.

40 41 42

128

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

mung herbeizuführen. Dadurch wollte er den Artikel 13 der Verfassung von 1886, der beim Referendum 1957 nach dem Ende der Militärdiktatur eingeführt worden war, abschaffen. Dieser besagte, daß eine Verfassungsreform nur über den Kongreß erlaubt war. Wichtige Politiker wie Luis Carlos Galán, aber auch die Unión Patriótica und die Guerillaorganisation FARC begrüßten diesen Vorschlag. Die Konservative Partei, viele Mitglieder des PLC (u.a. die politisch einflußreichen Ex-Präsidenten) sowie Teile der Medien sprachen sich gegen eine Verfassungsreform aus. Barco sah schließlich von diesem Vorhaben ab.43 Der zweite Reformversuch im Februar 1988 war politisch durch ein Abkommen zwischen den beiden traditionellen Parteien (Acuerdo de la Casa de Nariño) abgesichert. Dieser sah vor, daß Vorschläge zur Verfassungsreform ausgearbeitet und anschließend einem Referendum durch die Bevölkerung unterzogen werden sollten. Dagegen wehrten sich vor allem die nicht-traditionellen Parteien. Sie lehnten einen Elitenpakt zur Reform der Verfassung ab, da er sie ausschloß. Nach entsprechender Lobbyarbeit wurde die Vorbereitungskommission, die überwiegend aus Mitgliedern der traditionellen Parteien zusammengesetzt war, um ein Mitglied der UP und des Nuevo Liberalismo erweitert. Außerdem konnten ihr Projekte aus der Zivilgesellschaft zugeleitet werden. Es fanden fünf öffentliche Foren statt, in denen die Repräsentanten der Bevölkerung 523 Vorschläge formulierten.44 U.a. hatten sich auch verschiedene Frauenorganisationen Anfang der 90er Jahre für die Reform der Verfassung stark gemacht. 18 Gruppen beteiligten sich an den öffentlichen Anhörungen zu den Reformvorhaben des Ex-Präsidenten Virgilio Barco und schlugen Projekte vor. Die Gruppe Mujeres por la Constituyente informierte die Bevölkerung (und dabei vor allem Frauen) über den Sinn einer Verfassungsreform.45 Der Staatsrat beendete jedoch auch dieses Reformvorhaben am 4. April 1988, indem er es als mit der Konstitution von 1886 nicht vereinbar bezeichnete.46 Die dritte Initiative wollte Barco deshalb - wie es die Verfassung von 1886 vorschrieb - über den Kongreß leiten. Dieser Prozeß sollte zwei Jahre dauern. Beide Kammern mußten in zwei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden der Änderung zustimmen. Sein Ministro de Gobierno, César Gaviria, präsentierte am 27. Juli 1988 dem Kongreß einen Vorschlag mit 181 Artikeln. Dieser wurde vom Parlament modifiziert, im Kern seines demokratischen Charakters beraubt und auf 89 Artikel zurückgeschraubt. Parallel zu 43

44 45 46

Vgl.: Dugas 1997: 293f.; vgl. auch: Colombia. Presidente 1986-1990 (Barco Vargas, V.) 1990. Vgl.: Valencia Villa 1989: 83f. Vgl.: Kline 1996: 36f. Vgl.: Dugas 1997: 297.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

129

diesem Vorstoß wurden im Rahmen der Friedensverhandlungen mit dem M19 der sogenannte Pacto Politico para la Pazy la Democracia unterzeichnet. Dieses Abkommen sah, als Gegenleistung für die Demobilisierung, Entwaffnung und Integration der Guerillaorganisation, soziale, ökonomische und politische Reformen vor. Es überschnitt sich teilweise mit dem Vorschlag zur Verfassungsreform. Die Vertragspartner forderten darin beispielsweise, daß die Verfassungsänderung ein Referendum im Januar 1990 über Frieden und Demokratie vorsehen sollte. Darin stellten sie folgende Aspekte zur Abstimmung: a) Ein neues Wahlsystem für die Wahlen 1990, bei dem der M-19 Sonderrechte erhalten sollte. b) Die automatische Anerkennung des M-19 als Partei. c) Die Einführung der Wahlpflicht. d) Die Schaffung eines nationalen Wahlkreises bei der Senatswahl, um die Vertretung der ,Minderheiten' im Kongreß zu erleichtern. e) Die Aufnahme einer Liste von Grundrechten in die Verfassung. 47 Der Vorschlag eines Referendums wurde im Kongreß mit großer Skepsis aufgenommen. Auch die Sonderbedingungen für den M-19 bei den Wahlen 1990 lehnten die meisten Mitglieder der traditionellen Parteien argwöhnisch ab.48 Hinzu kam, daß viele Politiker der harten Haltung Barcos gegenüber dem Medellin-Kartell nicht zustimmten. Die erste Kommission des Repräsentantenhauses wollte eine Abstimmung über die Nicht-Ausweisung der Drogenhändler an die USA mit in das Referendum aufnehmen. Barco zog es vor, das Reformvorhaben insgesamt zurückzuziehen, um zu verhindern, daß die Ausweisung Teil der Abstimmung würde. Das Ende der Legislaturperiode tat ein weiteres. Wieder einmal scheiterte ein Reformvorhaben an der Korrumpierbarkeit, dem Traditionalismus und der Trägheit der traditionellen Parteien im Kongreß. 49 Am Ende der Amtszeit Barcos kam es dann durch die Initiative einer Gruppe von Studierenden doch zu Fortschritten auf dem Weg zu einer neuen Verfassung. Immer wieder hatten sich die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen für Reformen eingesetzt. Erstaunlich ist dabei, daß gerade die Studierenden eine Protagonistenrolle übernehmen konnten.50 Bereits am 8. 47 48 49 50

Vgl.: Barco 1990: 179ff. Vgl.: Semana Nr. 392, 7.11.1989: 32f. Vgl.: Bejarano 1990: 114f. und Semana Nr. 389, 19.12.1989: 32f. Die Studentengruppe war nach der Ermordung Luis Carlos Galans 1989 entstanden. Sie hatten einen Schweigemarsch organisiert, an dem 20.000 Studenten teilnahmen. Nach der Demonstration wurde der Frente Unido Estudiantil gegründet. Daraus entstand später die Gruppe, die die Verfassungsreform vorschlug. Dabei

130

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Februar 1990 hatten sich einige Studentenführer, die zwölf der wichtigsten Universitäten des Landes repräsentierten, mit Barco getroffen, um ihm eine Petition zur Reform der Verfassung vorzulegen. Sie war von 35.000 Personen unterzeichnet worden.51 Die Studentenfiihrer organisierten sich schließlich im Movimiento Séptima Papeleta.52 Sie schlugen bei den Parlaments- und Kommunalwahlen im März 1990 eine informelle Befragung der Bevölkerung zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung vor, die schließlich auch durchgeführt wurde. Eine .inoffizielle' Auszählung der Stimmen ergab, daß rund zwei Millionen Kolumbianer die Initiative befürwortet hatten. Danach gewann die Idee auch die Unterstützung der Tageszeitungen El Tiempo und El Espectador. Alle Präsidentschaftskandidaten, César Gavina (PLC), Rodrigo Lloreda (PSC), Alvaro Gómez (MSN) und Antonio Navarro (M-19) sprachen sich vor der Wahl im Mai 1990 ebenfalls für die Einberufung der ANC aus. Doch der Kongreß stellte sich wie schon zuvor gegen eine solche Maßnahme. 53 Am 3. Mai 1990 erließ Barco ein Dekret, das eine Volksabstimmung während der Präsidentschaftswahlen 1990 ermöglichen sollte. Da es sich um ein Dekret im Ausnahmezustand handelte, mußte der Oberste Gerichtshof zustimmen. Drei Tage vor den Wahlen bestätigte dieser die Verfassungsmäßigkeit der Initiative des Präsidenten. Diese Entscheidung war eine Ausnahme in der Rechtsprechung des Gerichtes. Die Volksbefragung zur Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung wurde schließlich mit den Wahlen am 27. Mai 1990 durchgeführt. 54 Dabei sprach sich eine Mehrheit von fast 90 Prozent der Wähler mit

51

52

53 54

geben vor allem politisch links stehende Gruppierungen zu bedenken, daß es sich um einen bestimmten Teil der sozialen Bewegungen handle. Die Studierenden stammten größtenteils aus den Eliteuniversitäten des Landes. Der Vorsitzende der Bewegung wurde unter Gavina zu einem der jüngsten Justizminister ernannt. Die Linke warf ihm vor, er habe sich nur den Weg in die Bürokratie bahnen wollen. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1991: 109f. und Semana Nr. 419, 15.5.1990: 37f. Darin wurde folgendes gefordert: Erstens sollten Plebiszit und Referendum als Mechanismus zur Reform der Verfassung eingeführt werden. Zweitens wollten die Antragsteller die Abschaffung der auxilios parlamentarios und drittens die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung, um die Verfassungsreform voranzutreiben. Vgl.: Dugas 1997. 306. Séptima papeleta bedeutet: siebter Stimmzettel. Es gab bereits sechs reguläre für die Märzwahlen. Dabei handelte es sich allerdings nicht um einen offiziellen Wahlschein. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1991: 128f. Vgl.: El Tiempo, 22.5.1990 und 9.4.1990; Semana Nr. 410, 13.3.1990: 15f. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1991: 128f. Die legale Basis war das Dekret Nr. 927 von 1990.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

131

über fünf Millionen Ja-Stimmen folgendermaßen für die Bildung einer Verfassunggebenden Versammlung aus: „Um die partizipative Demokratie zu stärken, stimme ich für die Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung, in der die sozialen, politischen und regionalen Kräfte der Nation demokratisch vertreten sind, um die kolumbianische Verfassung zu reformieren."55

Tabelle 1: Referendum zur Verfassunggebenden Versammlung vom 27.5.1990 Stimmen Ja Nein ,Leere' Stimmzettel Ungültige Stimmen Insgesamt Gültige Stimmen

Absolut 5.236.863 230.080 363.656 60.518 5.891.117 5.830.598

Prozent 88,9 3,9 6,2 1,0 100 99

Quelle: RNEC 1990: 16.

Obwohl die Wahlbeteiligung mit rund 42 Prozent bei der Abstimmung keineswegs höher war als bei früheren Präsidentschafts- oder Kongreßwahlen, hatte sie Symbolcharakter. Sie drückte die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung mit dem bestehenden Regime aus. Außerdem kam erstmals seit 34 Jahren eine wichtige Reform mit durch eine Initiative aus der Zivilgesellschaft zustande. Tabelle 2: Beteiligung und Enthaltung am Referendum vom 27.5.1990 Wähler Beteiligung Enthaltung Zensus

Stimmen 5.891.117 8.012.207 13.903.324

Prozent 42,4 57,6 100

Quelle: RNEC, 1990: 16.

Noch am Ende seiner Amtszeit berief Präsident Barco eine Kommission ein, die die Zusammensetzung und die Kompetenzen der Verfassunggebenden Versammlung (ANC) ausarbeiten sollte.56

55

56

Originaltext des Stimmzettels, vgl.: dazu auch: von Haldenwang, 1994: 191 und El Espectador, 1.2.1991. Vgl.: Gaitán et al. 1995 23ff.

132

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

Sein Nachfolger César Gaviria Trujillo (1990-1994) forderte bei seiner Wahl zum Präsidenten die Mehrheitsparteien im Kongreß dazu auf, über die Möglichkeiten und die Grenzen einer Verfassunggebenden Versammlung zu beraten. Am 2. August 1990 unterzeichneten die Liberale Partei, die Konservative Partei, der MSN und die AD/M-19 ein politisches Abkommen, worin unter anderem festgelegt wurde, daß die 70 Mitglieder der A NC in einem nationalen Wahlkreis gewählt werden sollten. Das garantierte eine verbesserte Repräsentation der .Minderheiten'. Andere politische Akteure wie die UP und die Studentenbewegung beschwerten sich jedoch, daß sie in den Verhandlungsprozeß nicht einbezogen worden waren. Außerdem beschränkte die Regierung die Agenda auf zehn Themenbereiche. Sie schloß bestimmte Institutionen von vornherein von der Reform aus. Beispielsweise konnte die ANC nicht über die Einführung eines Ein-Kammer-Parlaments oder den Übergang von einem präsidentiellen zu einem parlamentarischen Regierungssystem entscheiden. Gaviria wandelte den politischen Pakt schließlich in ein Dekret um.57 Der Oberste Gerichtshof erklärte die im Ausnahmezustand paktierte Übereinkunft für verfassungsgemäß. Er strich jedoch einige Passagen, die die Regierung ermächtigt hätten, das Reformvorhaben thematisch einzuengen.58 Dadurch gaben die Richter der ANC vollkommene Freiheit, alle Teilregime zu prüfen. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der schwierigen konjunkturellen Lage Kolumbiens und der mangelnden Legitimität des politischen Systems. Wenige reformistisch gesinnte Sektoren der Liberalen und Konservativen Partei, die ehemalige Guerillaorganisation M-19 und die Studentenbewegung begrüßten das Vorgehen der Richter. Die traditionellen Sektoren der beiden Parteien (u.a. die einflußreichen Ex-Präsidenten López Michelsen und Pastrana Borrero) standen dem Urteil kritisch gegenüber. Die Führung der Konservativen Partei (DNC) insistierte auch nach der Entscheidung auf der Ausgrenzung bestimmter Themenbereiche durch Selbstbeschränkung der ^7VC-Mitglieder.59 Die Wahlkampagne zur Verfassunggebenden Versammlung zog sich vom 10. Oktober bis zum 9. Dezember 1990 über zwei Monate hin. Zur Wahl stellten sich neben den traditionellen Parteien die AD/M-19, der MSN, ANAPO, UP, Nuevo Liberalismo, die ehemalige Guerillaorganisationen EPL und Quintin Lame, die Repräsentanten der Indianer, die Vereinigungen der

57 58

59

Vgl.: Decreto del Estado de Sitio Nr. 1926 vom 24.8.1990. Vgl.: Kurtenbach 1991b: 113f.; Buenahora Febres-Cordero 1991: 219ff. und Rettberg 1994: 3ff. Vgl.: El Tiempo, 11.10.1990.

133

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

Protestanten, Studentengruppen, Journalisten und kommunale Bewegungen.60 Am 9. Dezember 1990 wurden die 70 Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung aus 116 zur Verfügung stehenden Listen gewählt. Durch das Dekret 927 im Rahmen der Ausnahmezustandsgesetzgebung hatte bereits Barco die Voraussetzungen geschaffen, daß die staatliche Wahlbehörde die Auszählung der Stimmen übernehmen konnte. Tabelle 3: Sitzverteilung und politische Zusammensetzung der Verfassunggebenden Versammlung (ANC) 1990 Partei/Bewegung Liberale Partei Alianza Democrática AD/M-19 Movimiento de Salvación Nacional Partido Social Conservador Conservadores Independientes* Unión Cristiana Unión Patriótica Indianische Bewegungen Ejército Popular de Liberación** Partido Revolucionario de los Trabajadores*** Quintín Lame**** Insgesamt

Sitze Prozent 25 33,7 19 25,7 11 14,9 5 6,8 4 5,4 2 2,7 2 2,7 2 2,7 2 2,7 1 1,3 1 74

1,3 100,0

* Dahinter verbergen sich die Listen von Juan Gómez Martinez und Rodrigo Lloreda Caicedo. ** Jaime Fajardo Landaeta und Dario Mejia Agudelo. *** José Maria Ortiz, Diskussions- aber kein Stimmrecht. **** Antonio Pena Chepe, Diskussions- aber kein Stimmrecht. Quelle: Registraduria Nacional del Estado Civil (RNEC) 1990, berechnet und zusammengestellt durch die Autorin.

Die ANC hatte von Februar bis Anfang Juli 1991 in fünf Kommissionen und mehreren Unterkommissionen rund 131 Vorschläge und Projekte zu bearbeiten. Sie waren vom Präsidenten, der Vorbereitungskommission der ANC, den Mitgliedern der ANC, die verschiedenen Parteien und Bewegungen angehörten, der Kommission I des Repräsentantenhauses, dem Obersten Gerichtshof, dem Staatsrat und von früheren Guerillaorganisationen vorgelegt worden. Der Reformprozeß hatte (wie schon lange nicht mehr) eine dynamische Beteiligung politischer Organisationen, aber auch einen Diskussionsprozeß in der Zivilgesellschaft, ausgelöst.

60

Vgl.: García Duran 1992: 162.

134

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Tabelle 4: Verfassungsreform vorschlage in der ANC Organisation

Teilprojekt

Gesamtprojekt

PLC AD/M-19 MSN PSC UC UP Indigene Gemeinschaften EPL PRT Regierung Consejo de Estado Corte Suprema de Justicia Cámara de Representantes Verschiedene Insgesamt

8 2 3 1 1 1 2 1 -

1 1 -

1 -

23

Insgesamt

43 14 31 2 2 3 -

1 2 -

1 -

3 108

51 16 34 3 3 4 2 2 2 1 1 1 1 3 131

Quelle: Dugas 1993: 58.

Da in der Versammlung so unterschiedliche Kräfte wie die Alianza Democrätica und der MSN vertreten waren und diese Vielzahl von Projekten bearbeitet werden mußte, schlössen ihre Mitglieder ein Übergangsabkommen über die internen Abstimmungsmechanismen in der ANC ab. Die Mehrheit der Entscheidungen wurde durch Verhandlungen, Konsens und zeitlich begrenzte Koalitionsbildungen herbeigeführt. Von 449 Artikeln, die in der ersten Abstimmung die ANC durchliefen, wurden 192, also rund 43 Prozent, einstimmig angenommen; 176 mit 90 Prozent Zustimmung. 61 Die Art und Weise, wie die Delegierten Entscheidungen trafen, wurde zwar einerseits positiv hervorgehoben, da mit der AD/M-19 erstmals ein Bündnis aus ehemaligen Guerillaorganisationen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und nicht-traditionellen Parteien erheblichen Einfluß auf die Gestaltung der zukünftigen Institutionen hatte. Die Öffentlichkeit kritisierte das Vorgehen aber auch, wenn es sich um Zusammenschlüsse der traditionellen Parteien mit zuvor oppositionellen Gruppen wie der AD/M-19 oder den Delegierten der Minderheiten' handelte, bei denen diese kooptiert wurden. Ein Teil ihrer Anhänger hatte mehr Unabhängigkeit erwartet. Doch die Debatten in der ANC beherrschten weniger ideologisch dogmatische Vorstellungen als Pragmatismus. Die Kritiker der ANC bemängelten außerdem, daß die Repräsentanten der Arbeiter und Bauern, der städtischen Migranten, der in dem Guerilladachver61

Vgl.: Dugas 1997: 323f. und 360.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

135

band Coordinadora Simón Bolívar zusammengeschlossenen Organisationen und der paramilitärischen Gruppen nicht in der Verfassunggebenden Versammlung vertreten waren. Die ANC habe so dem größten nationalen Problem, der Beendung des Gewaltkonfliktes und der nationalen Aussöhnung kaum Rechnung getragen. Sie kritisierten außerdem die insgesamt untergeordnete Rolle der Zivilgesellschaft.62 Dennoch läßt sich positiv hervorheben, daß die ANC nicht mehr ausschließlich aus den Eliten der traditionellen Parteien zusammengesetzt war. Im Vergleich zu den etablierten Politikgewohnheiten wirkte sie relativ integrierend. Dennoch sollte nach dem Willen der Regierung Gaviria und eines Teils des Kongresses (soweit möglich) das etablierte Strukturprinzip der paktierten und limitierten Elitentransformation und der Kontrolle des Reformprozesses von oben durchgehalten werden. Die Regierung versuchte von Anfang an, sich an die Spitze des Reformprozesses zu setzen. Über ihre Minister und einen Beraterstab - sie hatte dafür eigens ein Büro gegründet63 - wollte sie ihn so weit wie möglich kontrollieren.64 Sie präsentierte Anfang 1991 ein eigenes Projekt zur Reform der Verfassung. Es hatte erheblichen Einfluß auf die tatsächlichen Reformen.65 Durch die der Regierung zur Verfügung stehende Infrastruktur war sie im Vorteil gegenüber anderen Gruppierungen. César Gaviria spielte außerdem eine wichtige Rolle als Vermittler und Konsensbeschaffer.66 Eine Reihe von Gruppierungen übte, auch ohne direkte Repräsentation in der Versammlung, großen (nicht immer wünschenswerten) Einfluß aus. Neben der Regierung versuchten die ausgeschlossenen Kongreßabgeordneten, die Guerilla, das Militär, die Medien, ein Teil der Bewegungen aus der Zivilgesellschaft, große Unternehmensgruppen und ihre Verbände aber vor allem auch die Drogenbarone ihre Interessen durchzusetzen. Zumindest waren sie daran interessiert, zu weitreichende Reformen zu verhindern. Diese Interessengruppen sorgten beispielsweise dafür, daß die Verfassunggeber Themen wie die Reform der Wirtschafts- und Eigentumsordnung und die Reform des 62

63

64 65 66

Allerdings hatte die Regierung Gaviria Arbeitsgruppen eingerichtet, in denen Akteure aus der Zivilgesellschaft vom 16. September bis zum 15. November 1990 Projekte zur Verfassungsreform einreichen konnten. Den Mitgliedern der ANC standen 100.569 Vorschläge zur Verfügung, die sie auf einer Datenbank einsehen konnten. Vgl.: Dugas 1997: 344. Consejería Presidencial para Asuntos Constitucionales. Vgl.: MurrilloAJngar, 1993: 51. Vgl.: Dugas 1997: 343. Vgl.: von Haldenwang, 1994: 191 und El Espectador, 1.2.1991. Vgl.: Murrillo/Ungar, 1993: 51.

136

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Militärs67 praktisch aus der Agenda ausklammerten. Die Drogenbosse setzten sich für den Stopp ihrer Ausweisung in die USA ein. Zur Einflußnahme nutzten die Repräsentanten dieser Sektoren verschiedene formale und informelle Mechanismen: Sie suchten sich Alliierte in der ANC und betrieben über Strohmänner massive Lobbyarbeit. Dazu dienten zum einen die für alle zugänglichen Hearings vor den ,4/VC-Delegierten und Veröffentlichungen in den Medien. Eine wichtige Rolle spielten zum anderen aber auch Druckmittel wie die Entführung von Journalisten, Todesdrohungen, Erpressungen und persönliche, geheime Treffen, die der Bestechung von einzelnen Delegierten dienten. Diese Beeinflussungsmöglichkeiten nutzten vor allem die Drogenba68

rone. Nach monatelanger Arbeit hatte die relativ pluralistisch zusammengesetzte ANC 380 Verfassungsartikel und 60 Übergangsartikel zu Papier gebracht. Obwohl es keine totale Einigkeit unter den vertretenen nicht-traditionellen Gruppen in der ANC gab, ist das entstandene Reformpaket doch der Prädominanz der neuen politischen Sektoren zu verdanken. Es konnte in dieser Form aufgrund der relativen Schwäche der traditionellen Parteien (und insbesondere eines Großteils der Kaziken) in der Verfassunggebenden Versammlung entstehen. Insgesamt war trotz deren Defizite (auf die noch einzugehen sein wird) eine Reform dieser Art einer spezifischen politischen Kon67

68

Zwar führte die ANC Kontrollmechanismen ein, doch beschäftigte sie sich nicht mit der umstrittenen Militärgerichtsbarkeit (fuero militar). Dies war möglicherweise auch auf eine Absprache zwischen der Alianza Democrätica und den Uniformierten zurückzuführen, die im Austausch dafür, daß ihre Rechte nicht angetastet wurden, auf eine Bekämpfung der Mitglieder der ehemaligen Guerillaorganisation M-19 weitgehend verzichteten. Interview mit Rodrigo Losada, 1.3. 1995. Vgl.: Gaitän et al. 1995: 26; von Haldenwang, 1994: 191 und El Espectador, 1.2.1991. Am 18. August 1991 beschlossen die Delegierten der ANC die Nichtausweisung der Drogenbosse an die USA. Einen Tag später stellte sich Pablo Escobar der Staatsanwaltschaft und wurde verhaftet. Nach ein paar Wochen wurden Videoaufzeichnungen bekannt, in denen der Anwalt Escobars verschiedenen Abgeordneten der ANC Geld für ihre Stimme gegen die Ausweisung anbot. Der Anwalt erklärte, daß er 36 Politiker bereits bestochen und die für die Ausweisung zuständige Kommission ,gekauft' habe. Später wurden die Aufzeichnungen als gefälscht bezeichnet. Vgl.: Castillo 1996: Kapitel 7 und Lopez 1998: 46 und Betancourt 2002. Im April 1999 wurden schließlich die Politiker Mario Ramirez, Alvaro Villarraga und Martha Montoya aufgrund möglicher Infiltration der Mafia in der ANC und dem anschließenden Übergangskongreß sowie illegaler Bereicherung aufgrund ihrer Kontakte zum Cali-Kartell verhaftet. Vgl.: El Tiempo, 4.4. 1999.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

137

junktur zu verdanken. 69 Dabei machten strukturelle Faktoren (schwacher Staat, ökonomische Verteilungskrise, Machtzuwachs der Guerilla und der Drogenkartelle, delegitimiertes Parteiensystem) den Reformprozeß insgesamt möglich. Die durch die Regierungen Betancur und Barco eingeführten Reformen im Partizipationsbereich und im Parteiensystem (die Legalisierung neuer Parteien wie der UP und der AD/M-19) und der vorübergehende Bedeutungszuwachs kleinerer zivilgesellschaftlicher Gruppen (Teile der Studentenbewegung) schufen ein Umfeld, das den Reformen dienlich war. 70 Nicht alle beteiligten Akteure beabsichtigten dabei, durch ihr Handeln politische Reformen hervorzurufen. Die Drogenkartelle beispielsweise waren keineswegs an einer demokratischen Neuorientierung des Regimes interessiert. Doch der durch sie ausgeübte Bombenterror in den Städten hatte negative Auswirkungen (auch auf die Oberschicht des Landes). Außerdem engagierte sich vor allem das Medellin-Kartell zunehmend politisch, schädigte das internationale Ansehen des Landes und drang zusammen mit dem Cali-Kartell immer weiter in den Staatsapparat ein. Die Regierbarkeit war zeitweise praktisch aufgehoben. Teile der neureichen Drogenbarone konkurrierten wirtschaftlich mit der traditionellen Elite. Die Reformen waren in diesem Sinn zum Teil eine „unintended consequence "71 der Handlungen der verschiedenen Akteure. „Democratic reform thus emerged in a round-about way: the Medellin Cartel provoked a period of extreme violence... This critical juncture underscored the preexisting crisis of political legitimacy, opening the possibility of significant democratic reform as key political elites sought to protect the long-term viability of the political system. In short, the structural effects of the political party system combined with the unique development of Colombian civil society to provide the necessary context for the emergence of democratic reform. Nontheless, the roles played by the party system and civil society were not the ones envisioned by the existing models of democratization. Indeed it was the failure of the political party system in combination with a relatively weak civil society that led to democratic reform. These seemingly negative structural conditions allowed for an unexpected outcome because they eventually produced a critical juncture favorable for democratization."72 Nach dem Ende der ANC lag es am Kongreß, die Verfassungsvorlage durch ihre Umsetzung in Gesetze fur den Bürger nutzbar zu machen. 69 70 71 72

Vgl.: Dugas 1997 5ff. Vgl.: Buenahora Febres-Cordero 1991: lOff. sowie Dugas 1997 3ff. und 198. Dugas 1997: 237. Dugas 1997: 198f.

138

2.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Die Institutionalisierung des Wahlregimes

Die Verfassung aus dem Jahre 1886 war bis zu ihrer Erneuerung die älteste sich in Kraft befindliche Lateinamerikas.73 Die neue galt vom 4. Juli 1991 an. Sie verankerte die Partizipation als wichtigstes demokratisches Prinzip.74 Den Bürgern wurde das Recht zugesprochen, sich an der Bildung, Ausübung und Kontrolle der politischen Macht zu beteiligen. Die Artikel 40 und 41 garantieren das aktive und passive Wahlrecht.75 Die Verfassung fordert die allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl des Präsidenten, des Kongresses, der Mitglieder der Versammlungen der departamentos, der Stadt- bzw. Gemeinderäte, der Juntas Administradoras Locales und gegebenenfalls der Mitglieder einer Verfassunggebenden Versammlung. Alle Kolumbianer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind wahlberechtigt. Ausgeschlossen davon blieben Angehörige der Armee, der Polizei und anderer Sicherheitskräfte - ein Überbleibsel aus der Verfassung von 1886. Auch Kolumbianer mit einer zweiten Staatsangehörigkeit genießen weiterhin das Wahlrecht. Vor dem Inkrafttreten der neuen Verfassung waren die im Ausland lebenden Kolumbianer von der Wahl des Senats ausgeschlossen. Ihnen wurde es zunächst ermöglicht, bei Präsidentschafts- und Senatswahlen abzustimmen. Bei den Kongreßwahlen im März 2002 wählten sie erstmals auch Vertreter zum Repräsentantenhaus. Der Kongreß kann außerdem das lokale Wahlrecht auf die in Kolumbien lebenden Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis (residencia) ausweiten.76 Die neue Verfassung führte keine Wahlpflicht ein. Alle Wähler müssen sich allerdings in Wählerverzeichnisse der staatlichen Wahlbehörde (Registraduría Nacional del Estado Civil) eintragen lassen. Propaganda durch Kandidaten oder Parteien, inklusive Musikveranstaltungen, wurde am Wahltag unterbunden. Dies sollte den Volksfestcharakter der Wahlen reduzieren. Man erhoffte sich die Verringerung der klientelistischen Beeinflussungsmöglichkeiten. Die Urnengänge konnten dadurch einen rationaleren Charakter erhalten. Wahlen zu verschiedenen (lokalen, regionalen und nationalen) Institutionen fanden früher am gleichen Tag statt. Sie wurden von 73

74

Die wichtigsten Verfassungsreformen fanden 1936, 1957 und 1968 statt. Vgl.: Acevedo 1995: 455. Das Prinzip der Partizipation wurde in den verschiedensten Verfassungsartikeln angesprochen. Vgl. zum Beispiel: Präambel, Título I, Art. 1 und 2, Título II Art. 40, 45, 57, 68, 78, 79, 86, 87, 88, Título IV Art. 103 und 107 der kolumbianischen

Verfassung von 1991, im folgenden CPC (Constitución Política de Colombia) ge75 76

nannt. Vgl.: Artikel 40, 41; vgl. auch: 103 und 258 CPC. Vgl.: Artikel 100 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

139

1991 an zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgehalten.77 Dadurch wollte die ANC Überlappungseffekte vermeiden und die verschiedenen Niveaus der Repräsentation voneinander trennen. Die Bedeutung und Unterschiedlichkeit der einzelnen Institutionen des politischen Systems trat stärker hervor. Die Netzwerke der Kongreßabgeordneten über die Regionen in die Kommunen sollten geschwächt werden. Die Verfassung schuf erstmals die Voraussetzungen für tatsächlich geheime Wahlen. Früher hatten die Wahlbürger von den Parteien gefertigte Wahlzettel (papeletas78) bekommen. Dadurch waren kleinere Parteien benachteiligt, die nicht überall über eine ausgebaute parteipolitische Organisationsstruktur und auf viele Repräsentanten auf der lokalen und regionalen Ebene zurückgreifen konnten. Außerdem förderte dieses Vorgehen den Wahlbetrug. Bereits das Gesetz Nr. 62 von 1988 übertrug der staatlichen Wahlbehörde, Registraduria Nacional del Estado Civil, RNEC, die Anfertigung der Stimmzettel für die Wahlen nach 1990.79 Die Verfassung bestätigte das Recht der Bürger auf geheime Wahlen, die Einführung von Wahlkabinen und staatlich gedruckten Stimmzetteln (tarjetones), die durch die Wahlbehörde verteilt werden. Auf dem Wahlschein müssen die Kandidaten heute klar identifizierbar sein und bei ihrer Auflistung Gleichbehandlung erfahren.80 Die Reihenfolge ihres Erscheinens wird durch Losverfahren festgelegt. Die Verfassung bestimmt außerdem, daß nur die Einwohner einer Kommune bei Lokalwahlen dort wählen dürfen.81 Dadurch wollten die Verfassunggeber die informelle Institution des Stimmentransports unterbinden. Wähler waren früher von Kandidaten der traditionellen Parteien in organisierten Bustouren aus ihrem Wohnort in eine andere Kommune transportiert worden, um sich dort in die Wählerverzeichnisse einzutragen und anschließend ihre Stimme für einen bestimmten Kandidaten abzugeben.82 77 78

79 80 81 82

Vgl.: Artikel 262 CPC. Auf den von den Parteien ausgestellten Stimmzetteln waren in der Regel eine Liste von Kandidaten für alle Ämter (Kongreß, Regionalparlament, Stadt- und Gemeinderäte) aufgeführt, die bei einer Wahl zur Disposition standen. Die Wahlzettel wurden durch Zeitungen oder von den Parteien selbst verteilt. Dabei muß man bedenken, daß in Kolumbien nur ein relativ kleiner Anteil der Bevölkerung Zeitungen käuflich erwirbt. Die Mehrheit der Wähler erhielt die Stimmzettel von den Parteien bereits im Umschlag, so daß sie gegebenenfalls nur noch in der Wahlurne zu deponieren waren. Interview mit Luis Camilo Osorio v o m 24.1.1995 Vgl. dazu auch: Taylor 1996: 122. Vgl.: Jaramillo/Franco 1993: 468. Vgl.: Artikel 258 CPC. Vgl.: Artikel 316 CPC. Interview mit Luis Camilo Osorio, 24.1.1995.

140

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Daß der Prozeß der Nationenbildung in Kolumbien nicht vollständig abgeschlossen werden konnte, kam auch darin zum Ausdruck, daß große Teile des kolumbianischen Territoriums wahlrechtlich erst durch die Verfassung von 1991 gleichgestellt wurden. Früher bildeten die departamentos Arauca (zusammen mit Guaviare, Guainia, Vichada und Vaupés), Putumayo und San Andrés Wahlkreise zum Repräsentantenhaus. Die Bewohner des heutigen departamentos Amazonas wählten zusammen mit Caquetá, die Einwohner von Casanare zusammen mit denen aus Boyacá.83 Die neuen Normen wandelten die sogenannten ehemaligen intendencias Arauca, Casanare, Putumayo und San Andrés, Providencia und Santa Catalina sowie die früheren comisarías Amazonas, Guaviare, Guainia, Vaupés und Vichada in departamentos.84 Bereits von 1991 an konnten dort Gouverneure gewählt werden. Ihnen wurden je zwei - bei entsprechend hoher Bevölkerungszahl auch mehr Sitze - im Repräsentantenhaus eingeräumt. Sie erhöhten ihre Repräsentation im Kongreß dadurch von sechs auf 18 Sitze.85 Die Hauptstadt Bogotá bildete früher zusammen mit dem departamento Cundinamarca einen Wahlkreis. Die Wahlkreise wurden getrennt und Bogotá zum distrito capital ernannt - ein Sonderstatus mit damit verbundenen außerordentlichen Rechten.86 Die Verfassimggeber reformierten auch die Wahlbehörden. Die Nationale Wahlorganisation (Organización Nacional Electoral, ONE) besteht aus dem Nationalen Wahlrat (Consejo Nacional Electoral, CA®87), der Wahlbehörde {Registraduría Nacional del Estado Civil, RNEC), dem Chef der Wahlbehörde {Registrador Nacional del Estado Civil**) und seinen Mitarbeitern

83 84 85 86

87

88

Vgl.: Taylor 1996: 179. Vgl.: dazu auch: De la Calle Lombana/Eastman Robeledo 1996: 53f. Vgl.: Artikel 309 CPC. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 43. Vgl.: Artikel 322 CPC; vgl. auch: De la Calle Lombana/Eastman Robeledo 1996: 52. Vom 7. Mai 1992 bis zum 31. Oktober 1994 bildeten den Nationalen Wahlrat die folgenden Mitglieder: Luis Bernardo Flórez, Silvestre Barrera, Eduardo Fuenmayor, Carlos Enrique Marín, Luciano Montoya, Adela Nicholls de Grimberg, José María Obando, Guillermo Aníbal Ortega, Alvaro Ruiz, José Arcenio Suárez und Lilian Suárez. Dieser wurde am 1. November 1994 von dem neu gewählten CNE abgelöst. Ihn bildeten: Manuel Urueta, Rodrigo Noguera, Beatriz Vargas de Rohenes, Carlos Ariel Sánchez, Oscar Jiménez, Alfonso Guzmán, Gonzalo Echeverry, Jaime Calderón und Fernando Mayorga. Vgl.: Registraduría Nacional del Estado Civil 1994. Der Chef der Wahlbehörde wird vom Nationalen Wahlrat für fünf Jahre gewählt. Er kann nicht wiedergewählt werden. Er ist der Leiter der Wahlen, aber auch für

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

141

(delegados), den lokalen Chefs der Wahlbehörden (registradores distritales y municipales) und deren Mitarbeitern (delegados). Ihre Aufgabe besteht darin, die Wahlen zu organisieren, zu leiten und zu überwachen. Sie bereitet die Wählerverzeichnisse auf.89 Der Nationale Wahlrat wird vom Staatsrat (Consejo de Estado) auf Vorschläge der anerkannten Parteien hin gewählt. Seine Zusammensetzung soll der Mandatsverteilung im Kongreß Rechnung tragen. Die Mitglieder können nicht wiedergewählt werden. Nach dem Willen der Verfassunggeber erhöhte der Staatsrat im Juli 1991 die Mitgliederzahl des Nationalen Wahlrates um vier auf mindestens sieben Personen. Der Consejo de Estado beabsichtigte, den nicht-traditionellen Parteien entsprechend ihrer politischen Stärke bei den Wahlen vom 9. Dezember 1990 den Zugang zu erleichtern.90 Entscheidungen im Nationalen Wahlrat werden durch ZweiDrittel-Mehrheit getroffen. Dadurch wollten die Verfassunggeber die Hegemonie einer Partei vermeiden und trugen den Spielregeln der Nationalen Front Rechnung.91 Die Funktionen des Nationalen Wahlrats sind äußerst umfangreich: Er ist für die Gewährleistung fairer Wahlen zuständig. Darüber hinaus kontrolliert er die Wahlorganisation bei ihren Aufgaben. Er berät die Regierung in Fragen der Wahlorganisation und -durchführung. Der CNE legt entsprechende Gesetzgebungsprojekte vor, kontrolliert den Verlauf der Wahlen, wählt den Chef der Wahlbehörde und entscheidet über die Richtigkeit der Stimmenauszählung und -feststellung (escrutinio). Außerdem ist er für die Einhaltung der Parteiengesetzgebung zuständig. Er kontrolliert die Normen für die Wahlwerbung und die Ausgestaltung von Meinungsumfragen in Wahlkampfzeiten. Er erkennt die Parteien als solche an und reglementiert ihre Beteiligung in den staatlichen Massenmedien. Der CNE überwacht die Einhaltung der Rechte der Opposition bzw. der politischen ,Minderheiten'. Er verteilt die staatliche Wahlkampffinanzierung und soll die Wahrnehmung des Rechtes auf politische Beteiligung aller Bürger garantieren. Der Consejo Nacional Electoral hilft außerdem bei der Organisation einer Art Vorwahlen {consultas internas92) der Parteien mit. 93

89 90

91

92

die Ausstellung von Personalausweisen und die Personenidentifizierung zuständig. Vgl. Artikel 266 CPC. Vgl.: Artikel 120 CPC. Zwei wurden der Mehrheitspartei und zwei den nachfolgenden Parteien zugesprochen. Vgl.: Übergangsartikel Nr. 32 CPC; vgl. auch: Übergangsartikel 31 CPC. Vgl.: Decreto Nr. 2241, 1986.

Vgl. zu den consultas internas für Präsidentschaftskandidaten: Resolución Nr. 153 del 18 de febrero de 1996 por la cual se establece el procedimiento de las consultas internas. Vgl. zu den consultas internas für Gouverneure und Bürgermeister: Resolución Nr. 154 del 18 de febrero de 1996.

142

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

2.2 2.2.1

Reformen auf der Ebene der Exekutive Die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten

Es gibt keine besonderen Voraussetzungen, um in Kolumbien für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Die Bewerber müssen lediglich mindestens 30 Jahre alt sein und die kolumbianische Staatsbürgerschaft besitzen.94 Hinzu kommt die Hinterlegung einer Kaution. Der Staat erstattet sie nur denjenigen zurück, die bei einer Wahl mehr als fünf Prozent der Stimmen erzielen. Während die Verfassung von 1886 vorsah, daß der Präsident nicht unmittelbar wiedergewählt werden konnte,95 verbietet die Verfassung von 1991 generell die Wiederwahl eines Präsidenten.96 Dadurch wollten die Verfassunggeber zu mehr Wettbewerb im politischen System anregen. Sie hofften, daß sich die Beteiligung der Bevölkerung erhöhen würde.97 Außerdem sollte Machtmißbrauch vorgebeugt und der anhaltende Einfluß der wichtigen politischen Familien des Landes sowie des sogenannten ,Clubs der Ex-Präsidenten' vermindert werden. Sie hatten sich im Laufe der Geschichte selbst mehrmals zur Wahl gestellt oder ihre Familienangehörigen unterstützt.98 Die Verfassung bestimmt, daß der Präsident und der Vizepräsident am selben Tag nach dem absoluten Mehrheitswahlrecht gewählt werden. Erzielt kein Kandidat die absolute Mehrheit, findet ein zweiter Wahlgang (BallotageSystem) statt.99 Zweite Wahlgänge gibt es in einer Reihe von lateinamerikanischen Staaten: in Brasilien, Chile, Ekuador, El Salvador, Guatemala, Peru und Bolivien.100 Die Verfassunggeber verbanden damit das Anliegen, die Legitimationsbasis des Wahlgewinners zu erhöhen und für stabile Regierungen zu sorgen. Durch den Artikel 202 der Verfassung wurde erstmals die Wahl eines Vizepräsidenten festgelegt.101 Das Amt des Vizepräsidenten hatte es in den 93

94 95 96 97 98 99 100

101

Vgl.: Artikel 156 und 265 CPC; für eine detaillierte Auflistung seiner Funktionen: Resolución Nr. 65 de 1996 por la cual se dicta el reglamiento de la corporación, 11.6.1996. vgl. auch: Dugas 1997: 101. Vgl.: Artikel 191 CPC. Vgl.: Artikel 126 Verfassung von 1886. Vgl.: Artikel 197 CPC. Vgl.: Gaitán, 1995: 48. Vgl. die Beispiele bei: Leal Buitrago 1995: 33. Vgl.: Artikel 190 CPC. In Bolivien wird der Präsident im zweiten Wahlgang durch das Parlament gewählt. Vgl.: Krumwiede 1997: 89. Vgl. auch die Artikel 203-205 und 260 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

143

Anfängen der kolumbianischen Republik seit der ersten Regierung von Simón Bolívar (1819-1823) gegeben. Später wurde zusätzlich die Figur des designado, eines Stellvertreter des Präsidenten, eingeführt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ersetzte man den Vizepräsidenten endgültig durch die Figur des designado. Er war alle zwei Jahre vom Kongreß zu wählen. Er mußte der gleichen Partei angehören wie der Präsident.102 Während man im 19. Jahrhundert ständig und für längere Perioden auf den Vizepräsidenten bzw. den designado aufgrund der anhaltenden politischen Instabilität zurückgreifen mußte, vertrat der designado den Präsidenten mit Beginn der Nationalen Front nur noch kurzzeitig wegen Abwesenheit oder Krankheit. Das Amt verlor zunächst an Bedeutung.103 Der Vizepräsident vertritt, laut Verfassung von 1991, den Präsidenten im Fall von temporärer oder permanenter Abwesenheit.104 Er kann sich in der seiner Amtszeit folgenden Periode weder unmittelbar wiederwählen lassen noch das Präsidentenamt anstreben.105 Er darf auch nicht mehr zum Staatschef gewählt werden, wenn er für mindestens drei Monate das Präsidentenamt übernehmen mußte.106 Diese Norm spiegelte das grundsätzliche Mißtrauen wider, das vielen Amtsträgern aufgrund historischer Erfahrungen entgegengebracht wird. Es sollte der Machtakkumulation und dem Aufbau einer eigenen Wählerbasis vorbeugen. Der Vizepräsident muß nicht der gleichen Partei angehören wie der Präsident. Im Falle eines zweiten Wahlgangs darf allerdings der Kandidat nicht ausgetauscht werden. Man konnte davon ausgehen, daß die Einführung der Wahl des Vizepräsidenten zu strategischen Allianzen zwischen den beteiligten Akteuren führen würde. Es wurde prognostiziert, daß auch kleinere Parteien dadurch Chancen erhielten, das Vizepräsidentenamt zu gewinnen.

2.2.2

Die Wahl der Gouverneure

Die Gouverneure der departamentos wurden vor der Einführung der neuen Verfassung vom Präsidenten ernannt.107 Von Oktober 1991 an wählte die Bevölkerung sie direkt für drei Jahre. Eine unmittelbare Wiederwahl ist ausgeschlossen. Die Maßnahme sollte die regionale Autonomie erhöhen und die Abhängigkeit von der nationalen Regierung reduzieren. In bezug auf die 102

103 104 105 106 107

Vgl.: Artikel 74 und 124 der Verfassung von 1886. In der Praxis wurde meist eine vom Präsidenten vorgeschlagene Person akzeptiert. Vgl.: Gómez Aristizabal 1985: 274ff. Vgl.: Artikel 202, 175 und 194 CPC. Vgl.: Artikel 204 CPC. Vgl.: Artikel 197 CPC. Vgl.: Artikel 120, Absatz 4, der Verfassung von 1886.

144

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

öffentliche Ordnung und die Wirtschaftsentwicklung repräsentieren die Gouverneure jedoch weiterhin die Zentralregierung. 108

2.2.3

Die Wahl der Bürgermeister

Die Wahl der Bürgermeister war bereits 1988 eingeführt worden. 109 Die Verfassung verlängerte ihre Amtszeit ab März 1992 von zweien auf drei Jahre. Ein Bürgermeister kann nicht unmittelbar im Anschluß an seine Regierungszeit wiedergewählt werden.110 Die Wahl der Bürgermeister anstelle ihrer Ernennung sollte die Unabhängigkeit des Stadt- bzw. Gemeindevorstehers von den politischen Kaziken erhöhen. Die Initiatoren der Reform wünschten sich, daß er statt der partikularistischen Bedürfnisse einer Bevölkerungsgruppe das Gemeinwohl im Auge habe.111

2.2.4

Die Verpflichtung auf das Wahlprogramm

Die Bürgermeister und Gouverneure wurden durch den sogenannten voto programático auf die Einhaltung ihres Programms verpflichtet. Wörtlich heißt es in der Verfassung: „Diejenigen, die Gouverneure und Bürgermeister wählen, verpflichten den Gewählten durch Mandat auf sein Programm, das er bei seiner Registrierung als Kandidat vorgelegt hatte." 112

Durch die Hinterlegung des Wahlprogramms sollten die Parteien und Kandidaten dazu angehalten werden, stringentere Wahlplattformen auszuarbeiten, die auch tatsächlich umgesetzt werden. Dadurch konnten die Wähler die Gewählten stärker in die Pflicht nehmen. Hielten letztere ihr Programm zu einem überwiegenden Teil nicht ein, hatten erstere das Recht, sie nach gesetzlich festgelegten Bedingungen (revocatoria del mandato) wieder aus ihrem Amt entfernen zu lassen.113

108 109 110 111

112 113

Vgl.: Artikel 260 und 303 CPC. Vgl. dazu: Santana Rodriguez 1989: 95ff. Vgl.: Artikel 314 CPC. Vgl. dazu einen der wichtigsten Architekten der Reform: Castro 1986: 41 f., auch: 1984: 4ff. Vgl.: Artikel 259 CPC. Vgl.: Artikel 259, 4 0 und 103 CPC und Gesetz Nr. 131.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

2.3

145

Reformen auf der Ebene der Legislative

Die Verfassunggeber hatten in bezug auf die Legislative im wesentlichen zwei Anliegen: Zum einen wollten sie die Macht- und Kontrollbefugnisse der Legislative im Vergleich zur Exekutive ausweiten, zum anderen aber den schlechten Ruf des Kongresses und die normativen Voraussetzungen für eine effektivere Arbeitsweise verbessern. Der Prestigeverlust des Kongresses war vor allem auf die ständige Abwesenheit eines Großteils seiner Mitglieder bei Abstimmungsprozessen, 114 durch (nur selten notwendige) Auslandsreisen und zusätzliche berufliche und private Tätigkeiten von Kongreßabgeordneten begründet. Außerdem wurden den Mitgliedern Nepotismus, Korruption, der Mißbrauch ihrer Befugnisse und ,Sich-Bedienen' aus dem Staatshaushalt vorgeworfen, um regionale und lokale klientelistische Netzwerke zu unterhalten. 115 Die Reformen bezogen sich deshalb auf die Wahl und Zusammensetzung des Kongresses, aber auch auf die Abschaffung formaler Regeln, die informelle Institutionen stützten.

2.3.1

Die Wahl des Kongresses

Die Zusammensetzung des Kongresses wird durch Verhältniswahl bestimmt.116 Senatoren und Repräsentanten bleiben zunächst vier Jahre im Amt, können aber unbegrenzt wiedergewählt werden. Die Wahlbewerbung für den Senat erfolgt auf starren Listen. Jeder Bürger hat eine Stimme. Der Senat wurde in der neuen Verfassung im Unterschied zu früher von 114 auf 100 Senatoren verkleinert. Die 100 Senatoren sind heute auf nationaler Ebene in einem einzigen nationalen Wahlkreis (circunscripción nacional) zu wählen.117 Zwei zusätzliche Mitglieder entsenden die indianischen Gemeinschaften in die erste Kammer (circunscripción especial). Von 1991 an bestand der Senat aus 102 Mitgliedern.118 Durch die Wahl der Senatoren in nur einem Wahlkreis wollten die Verfassunggeber die Repräsentation nationaler von den regionalen Interessen trennen. Sie erhofften sich die Etablierung nationaler Führungspersönlichkeiten. Der Unterschied zwischen beiden Kammern sollte

114

115 116 117

118

Durchschnittlich waren vor 1990 weniger als 75 Prozent der Abgeordneten bei Abstimmungen anwesend. Vgl.: Dugas 1997: 109. Vgl.: Dugas 1997: 109. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 40. Vgl.: Artikel 171, Absatz 1 CPC. Früher wurden zwei Senatoren pro departamento gewählt, plus ein zusätzlicher Senator auf 200.000 Einwohner oder ein Residuum von 100.000 Einwohnern, wenn einmal 200.000 Einwohner erreicht worden waren. Vgl.: República de Colombia 1991: 194. Vgl.: Artikel 171, Absatz 2 CPC.

146

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem versprachen sich die Mitglieder der ANC den vermehrten Einzug kleinerer Parteien in den Kongreß. Denn: Je größer der Wahlkreis, desto proportionaler die Mandatsverteilung und desto besser die Wahlchancen kleiner Parteien.119 Durch die Einführung eines einzigen Wahlkreises bei den Senatswahlen konnten sie sich im ganzen Land um Stimmen bemühen. Sie waren nicht mehr auf eine regionale Wählerklientel angewiesen. 120 Auch die Kandidatenaufstellung für das Repräsentantenhaus erfolgt auf starren Listen. Jedem Wähler kommt nur eine Stimme zu. Abgestimmt wird in regionalen und besonderen Wahlkreisen (circunscripciones territoriales y especiales). Die regionalen Wahlkreise bilden dabei die departamentos und die Hauptstadt Bogotá als distrito especial. Die Anzahl der Abgeordneten richtet sich nach der Bevölkerungszahl der Wahlkreise. Allerdings entsendet jedes departamento mindestens zwei Mitglieder.121 Bei der ersten Wahl nach Inkrafttreten der Verfassung gehörten dem Abgeordnetenhaus 161 statt zuvor 199 Mitglieder an. Dadurch wurde die durchschnittliche Wahlkreisgröße von rund acht Mandaten auf rund fünf Sitze verkleinert. Durch die Reduzierung der Wahlkreisgröße werden theoretisch die Chancen kleiner Parteien und Bewegungen verschlechtert. Denn: je kleiner der Wahlkreis, desto geringer der Proporzeffekt des Wahlsystems und desto reduzierter die Wahrscheinlichkeit kleiner Parteien ins Parlament zu gelangen. 122 Die Zahl der Stimmen, die für ein Mandat notwendig sind, steigt. Die Reformen im Repräsentantenhaus zielten im Unterschied zur Senatsreform auf die Stärkung der Wettbewerbsbedingungen für lokale und regionale Führungspersönlichkeiten. Außerdem kann nach der Verfassungsreform per Gesetz die Beteiligung von zusätzlich fünf Repräsentanten der ethnischen oder politischen .Minderheiten' oder der im Ausland lebenden Kolumbianer vorgesehen werden. Sie treten in besonde-

119 120

Vgl. zu den Auswirkungen der Wahlkreiseinteilung das Evaluierungskapitel. Auf die Funktionen des Senates wird hier nicht im einzelnen eingegangen. Wichtige neue Aufgaben sind die Wahl der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und

des Procurador General de la Nación. Vgl. zu weiteren Details: Artikel 173 CPC. 121

122

Laut Artikel 99 der Verfassung von 1886 wählten die Bürger in jedem departamento mindestens zwei Repräsentanten. Ein zusätzlicher Abgeordneter wurde auf 100.000 Einwohner oder für ein Residuum von mindestens 50.000 Einwohnern bestimmt. Nach der Verfassung von 1991 kam zu den beiden feststehenden Abgeordneten ein weiterer für alle 250.000 Einwohner hinzu bzw. für eine Residuum von mindestens 125.000, wenn einmal 250.000 Einwohner erreicht worden waren. Vgl. Artikel 176 CPC. República de Colombia 1991: 244; vgl. auch: Jaramillo/Franco 1993: 470. Vgl. zu den Auswirkungen der Wahlkreiseinteilung das Evaluierungskapitel.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

147

ren Wahlkreisen an. 123 Durch die besonderen Wahlkreise sollte den zuvor diskriminierten Gruppen mit Hilfe von acción afirmativa/positiva124 erleichterter Zugang zu den Institutionen verschafft werden. Sie konnten so früher bestehende Wettbewerbsnachteile ausgleichen. 125 Bei den Wahlen 1991 und 1994 kamen ein Teil der ehemaligen Guerillaorganisationen und die Afrokolumbianer in den Genuß dieses Rechtes. 1998 brachte der Verfassungsgerichtshof das Gesetz zu Fall, so daß die Afrokolumbianer vorübergehend nicht im Repräsentantenhaus vertreten waren. 126 Bei den Wahlen 2002 durften die Schwarzen wieder Kandidaten aufstellen, neben ihnen auch indígenas und im Ausland lebende Kolumbianer. Die Stimmenverrechnung erfolgt nach dem einfachen Wahlzahlverfahren nach der Methode Hare. Für die Zuteilung der Mandate ist eine Wahlzahl zu errechnen. Die Mitarbeiter der Wahlbehörde sprechen jeder Liste so viele Mandate zu, wie die Wahlzahl in der Zahl der auf eine Liste entfallenen Stimmen enthalten ist. Werden nicht alle Mandate vergeben, teilen sie den Rest nach der Methode des größten Überrestes auf. 127 Dafür berücksichtigte die Behörde zunächst nach dem Gesetz Nr. 96 von 1985 auch die nicht angekreuzten Stimmzettel. Von 1994 an zog sie allerdings nur noch die sogenannten votos blancos heran. 128 Nicht markierte Stimmzettel wurden als ungültige Stimmen gewertet und gingen nicht mehr 123 124

125

126

127 128

Vgl.: Artikel 176 CPC. Aus dem Englischen affirmative/positive action; Maßnahmen zur vorübergehenden einseitigen Bevorzugung traditionell diskriminierter Gruppen. Vgl.: Lustgarten 1980. Vgl. zu den Funktionen des Repräsentantenhauses Artikel 178. Wichtige neue Aufgaben sind u.a. die Amtsanklage des Präsidenten und die Wahl einer Art Ombudsmann (Defensor del Pueblo). Dieser ist Ansprechpartner der Bevölkerung in Menschenrechtsfragen. Vgl.: Estrada 1994. Vgl. dazu auch das Kapitel zur Evaluierung der Beteiligung der sogenannten ,ethnischen Minderheiten'. Vgl.: Jaramillo/Franco 1993: 472. Die Abgabe eines votos en blanco wurde für Wähler eingerichtet, die zwar den Wahlprozeß an sich befürworten, aber keinen der zur Verfügung stehenden Kandidaten für unterstützenswert halten. Normalerweise ist diese Einrichtung in Ländern üblich, in denen Wahlpflicht herrscht. Auf dem Stimmzettel ist für das voto en blanco ein besonderes Feld vorgesehen. In einer Wahlstudie der Universidad de los Andes sahen 1993 32 Prozent der Befragten in dem voto en blanco eine Proteststimme. 23 Prozent meinten, er sei gleichbedeutend damit, überhaupt nicht zu wählen, 20 Prozent glaubten, daß der voto en blanco bei der Berechnung des Wahlquotienten nicht mitgezählt wird. 20 Prozent sahen darin eine Form, ihre Wahlpflicht zu erfüllen, ohne daß sie einem bestimmtem Kandidaten den Vorzug geben. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 26.

148

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

in die Berechnung der Wahlzahl ein. Von den Wahlen 1997 an zählten die Mitarbeiter der RNEC außerdem noch die ungültigen (die falsch oder doppelt markierten) und die nicht-markierten Stimmen getrennt aus.129

2.3.2 Sonderbestimmungen für Kongreßabgeordnete Die Verfassung sah bestimmte Bedingungen vor, unter denen Kandidaten sich nicht in den Kongreß wählen lassen konnten (inhabilidades).130 Dadurch sollten Benachteiligungen neuer Kandidaten ausgeglichen, Korruption, Nepotismus und Klientelismus reduziert werden. Jeder, der ein ziviles, militärisches, politisches oder administratives Amt in den vor der Wahl liegenden zwölf Monaten inne hatte, muß auf eine Wahl in den Kongreß verzichten. Dies bedeutet für Kandidaten, die zu einer Wahl antreten wollen, daß sie von allen anderen Ämtern zurücktreten müssen. Bis zu sechs Monaten vor ihrer Wahl sind für Kandidaten zum Kongreß geschäftliche Beziehungen mit staatlichen Institutionen untersagt. Von der Teilnahme ist ebenfalls ausgeschlossen, wer in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu bezahlten oder gewählten Amtsträgern steht. Auch wenn dies dem Grundsatz der demokratischen Gleichheit widerspricht, hielten die Verfassunggeber diese Maßnahme als Mittel zur Bekämpfung des Nepotismus für unabdingbar. Nicht wählbar sind ferner Mitglieder der Legislative, denen das passive Wahlrecht entzogen worden war und solche, die eine Gefängnisstrafe verbüßten. Um die Konzentration auf ihre Abgeordnetentätigkeit zu erhöhen, verbietet die Verfassung den Kongreßmitgliedern außerdem, während ihrer Tätigkeit im Kongreß irgendeine andere staatliche oder private Anstellung anzunehmen.131 Außerdem schaffte die neue Verfassung die in der von 1886 vorgesehene doppelte Amtsinhaberschaft ab.132 Früher konnten Kongreßabgeordnete verschiedene Ämter inne haben, also beispielsweise gleichzeitig dem Kabinett und dem Parlament angehören. Es war auch üblich, parallel Ämter im Regionalparlament und im Stadtrat zu beanspruchen. Diese Tatsa129

130 131

132

Diese Neuregelung trug der Tatsache Rechnung, daß ein Teil der Wähler den Stimmzettel nicht ausgefüllt abgibt, weil ihn bei mehreren gleichzeitig stattfindenden Wahlen eine bestimmte Wahl nicht interessiert. Es handelt sich also nicht tatsächlich um einen falsch ausgefüllten Wahlschein, obwohl die Stimme als ungültig verrechnet wird. Vgl.: Artikel 179 CPC. Vgl.: Artikel 180 CPC, Absatz 1. Wenn ihnen beispielsweise eine Funktion in der Administration angeboten wird, müssen Kongreßmitglieder ihr Amt niederlegen. Während ihrer Tätigkeit im Parlament ist ihnen nur die Lehre an Universitäten erlaubt. Vgl. dazu: Artikel 180 CPC, Absatz 1. Vgl.: Artikel 179, Absatz 8 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

149

che reduzierte einerseits die Effektivität der Institutionen und erleichterte andererseits die Schaffung klientelistischer Netzwerke von der Nation über die Region zur Kommune. Die Möglichkeiten der Kongreßabgeordneten, die Planungsgesetze der Regionalparlamente und der Stadt- bzw. Gemeinderäte mit zu gestalten (sie hatten Rede- aber kein Stimmrecht, übten aber massive Lobbyarbeit aus), erhöhte die Kontrolle der Kongreßabgeordneten über die lokale Ebene zusätzlich. Diese Bestimmung wurde ebenfalls durch die neue Verfassung beseitigt. Für die Parlamentarier vorgesehene finanzielle Zuteilungen (auxilios parlamentarios) wurden abgeschafft. 133 Sie waren von vielen unsachgemäß eingesetzt oder zur persönlichen Bereicherung genutzt worden.134 Bis Anfang der 90er Jahre wurden bei Wahlen zur Legislative eine Hauptliste und eine Liste für die Stellvertreter (.suplentes) aufgestellt. Während vor den Reformen die Stellvertreter der Kongreßabgeordneten, der Regionalparlamente und der Stadt- bzw. Gemeinderäte wichtige politische Mittelsmänner waren, sieht die Verfassung von 1991 diese Funktion nicht mehr vor. Artikel 261 bestimmt, daß kein „...gewähltes Amt einen Stellvertreter haben wird". 135 Nur wenn ein Amtsinhaber nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu Ende zu fuhren, sollte der ihm bei der Wahl nachfolgende Listenzweite seine Funktion übernehmen können. Dies richtete sich vor allem gegen die früher übliche Praxis, daß Kongreßabgeordnete mehrere Ämter inne hatten. Dadurch wollten die Verfassunggeber die zusätzlichen Korruptionsmöglichkeiten der Stellvertreter und früher übliche Wahlabsprachen zwischen dem Abgeordneten und seinem Stellvertreter unterbinden. Diese waren darin begründet, daß die suplentes bei der Wahlkampffinanzierung helfen konnten und zusätzliche Wähler mobilisierten.136 Die Kontrollmechanismen gegenüber Kongreßabgeordneten wurden durch die Reform verstärkt. Der Staatsrat kann den Abgeordneten ihr passives Wahlrecht entziehen, 137 wenn sie: a) gegen den von der Verfassung festgelegten Ethikkodex für Amtsinhaber verstoßen;138 133 134 135 136

137

138

Vgl.: Artikel 136, Absatz 4. Vgl.: Hartlyn 1988: 173 und 176f. Artikel 261 CPC. Vgl.: Artikel 261 CPC.; vgl. auch: Gaitán et al. 1995: 47f.; Behar/Villa 1991: 23ff.; Interview mit Victor Jaramillo, 24.10. 1997. Pérdida de investidura. Ein solcher Mandatsentzug kann von jedem Bürger beantragt werden. Der Staatsrat muß auf eine Anfrage innerhalb von 20 Tagen reagieren. Vgl. Artikel 179 CPC. Vgl.: Artikel 179 und 180. Ein solcher Kodex wurde aber bis Anfang 2002 nicht gesetzlich verankert. Vgl. die Vorschläge dazu in: El Espectador 30.9.1998.

150

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

b)

in einer Legislaturperiode bei sechs Sitzungen nicht anwesend sind, in denen über Verfassungsreformprojekte oder wichtige Gesetze entschieden wird, bzw. ein Minister gegenüber dem Kongreß seiner Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nachkommt (moción de censura);n9 acht Tage nach Sitzungsbeginn ihr Amt nicht eingenommen haben; öffentlichen Geldern eine andere als die für sie vorgesehene Bestimmung zuweisen; erwiesenermaßen ihren Einfluß für Angelegenheiten nutzen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Amtstätigkeit stehen. 140

c) d) e)

Ein einmal abgesetztes Kongreßmitglied kann von diesem Zeitpunkt an nicht mehr in den Kongreß gewählt werden. 141

2.3.3

Die Wahl der departamento-Versammlungen, Stadtbzw. Gemeinderäte sowie der Juntas Administradoras Locales

In die departamento-Versammlungen werden alle drei Jahre mindestens elf und maximal 31 Abgeordnete gewählt.142 Die Stadt- bzw. Gemeinderäte setzen sich bei gleicher Amtsdauer - abhängig von der Bevölkerungszahl - aus mindestens sieben und höchstens 21 Mitgliedern zusammen. 143 Die Städte und Gemeinden können in kleinere Verwaltungseinheiten aufgeteilt werden (comunas, corregimientos). Diese haben die Möglichkeit, wiederum lokale Verwaltungs- und Mitbestimmungsgremien, sogenannte Juntas Administradoras Locales (JAL), zu bilden. Das hatte bereits die Verfassung von 1886 nach der Reform von 1968 erlaubt. Sie wurden aber erst unter der Regierung Betancur gesetzlich reglementiert.144 Nur bis zu einem Drittel ihrer Mitglieder mußte früher gewählt werden. Die Bildung von JAL ist nach der neuen Verfassung nur in Bogotá obligatorisch. Wenn die Stadt- bzw. Gemeinderäte sich für ihre Einrichtung aussprechen, werden sie von der Bevölkerung für die Dauer von drei Jahren gewählt. JAL können nicht nur auf kommunaler,

139 140 141 142

Eine Art Mißtrauensantrag, vgl.: Artikel 141 CPC. Vgl.: Artikel 183 CPC, vgl. auch: Artikel 184 CPC. Vgl.: Artikel 179 CPC. Vgl.: Artikel 299 CPC; zu den Aufgaben der Regionalparlamente vgl. Artikel 300

CPC. 143

144

Vgl.: Artikel 312 CPC; zu den Aufgaben der Stadt- und Gemeinderäte vgl. Artikel 313 CPC. Vgl.: Haldenwang 1994: 188f.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

151

sondern auch auf der Ebene der departamentos entstehen. Die Verfassunggeber weiteten, im Vergleich zu früher, ihre Funktionen aus. Sie überwachen die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und dürfen Investitionsvorschläge formulieren. In Bogotá haben sie Überwachungsfunktionen in bezug auf die Gewährleistung öffentlicher Dienstleistungen, der Bewahrung der öffentlichen Ordnung und im Umweltschutz.145 Sie haben eine eigene Verwaltungsstruktur. Sie sollen die lokalen Verwaltungen effizienter machen und die lokale Bürgerbeteiligung erhöhen.146

3.

Die Institutionalisierung des Parteienregimes

Eines der wichtigsten Anliegen der Verfassunggeber war die Abschaffung der Präambel und der Artikel 120 und 47 der Verfassung von 1886. Sie hatten die Zweiparteienherrschaft institutionell verankert.147 Auch die Übereinkunft, daß die Mehrheitspartei die bei einer Wahl zweitstärkste Gruppierung adäquat und gleichberechtigt an allen öffentlichen Ämtern beteiligen mußte, wurde aufgehoben. Bis zum Parteiengesetz von 1985 hatte es überhaupt keine Normen gegeben, die sich auf die Gründung, den rechtlichen Status und die Finanzierung von Parteien bezogen.148 Die neue Verfassung erkennt Parteien und Bewegungen als fundamentalen Bestandteil des Rechtsstaates und der Demokratie an. 145 146

147

148

Vgl.: Rodriguez P. 1992: 77. Vgl. zu den Funktionen der JAL: Artikel 318 CPC; Orejuela 1991: 186f.; 1992: 25ff.; 1993a: lOlff.; Santana Rodriguez 1994a: 191f.; Webendörfer 1997: 99 und Gaitän et al. 1995: 59. Die Verfassung von 1886 sah in ihrem Artikel 47 vor, daß politische Gruppierungen von Bürgern, die sich dauerhaft politisch betätigen wollten, verboten waren. Sie halfen sich mit dem juristischen Schachzug aus der Bredouille, daß das einzig permanente Element kolumbianischer Parteien ihre Parteiführung sei. Dabei handle es sich, da sie nur aus wenigen Mitgliedern bestehe, nicht um eine .Vereinigung von Bürgern'. So läßt sich erklären, daß es auch schon vor dem Parteiengesetz 1985 politische Gruppierungen gab, die an Wahlen teilnahmen. Vgl.: Sachica Aponte 1991: 293 und Jaramillo/Franco 1993: 468. Zwar gab es seit dem Beginn der Nationalen Front in Kolumbien zahlreiche Versuche zur Einführung solcher Normen (beispielsweise die verschiedenen Projekte des Liberalen Kongreßmitglieds Enrique Pardo Parra 1958, 1962, 1977, 1978 und 1982) und verschiedener Regierungen (1974, 1983 und 1984). Doch die Reglementierungsvorhaben scheiterten am Kongreß, da sie die Mehrheit der Mitglieder der Liberalen und Konservativen Partei als nachteilig empfand. Costa Rica (1954), Puerto Rico (1957) und Argentinien (1961) hatten bereits vor Kolumbien in ihren Parteigesetzen Normen zur Finanzierung eingeführt. Vgl.: Pizarro Leongomez 1997: 113 und 119.

152

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

An den Wahlen dürfen Parteien, politische Bewegungen mit anerkanntem Rechtsstatus und (unter bestimmten Bedingungen) bedeutende gesellschaftliche Gruppen teilnehmen. Sie gesteht den Bürgern das Recht zu, neue Parteien und Bewegungen zu gründen und zu organisieren. Jeder kann sich ihnen frei anschließen und gegebenenfalls wieder austreten.149 Die Verfassunggeber versprachen sich von der vereinfachten Zulassung neuer Parteien die Entkriminalisierung des sozialen Protestes. Meinungsverschiedenheiten sollten mit rechtsstaatlichen Mitteln, gewaltlos und innerhalb der Institutionen ausgetragen werden. Die Trennung von Parteien und Bewegungen in der kolumbianischen Verfassung ist unklar und hat keinerlei juristische Bedeutung. Die Vertreter des MSN, der AD/M-19 und der UP bestanden aber auf ihr. Sie wollten sich durch die unterschiedliche Namensgebung von den traditionellen Parteien abgrenzen und den Bewegungscharakter ihrer Parteien verdeutlichen.150 Die Anerkennung von Parteien basiert heute in Kolumbien auf verschiedenen Rechtsgrundlagen. Dazu zählen: a) Das Parteiengesetz Nr. 5 8 von 1985.151 b) Der Übergangsartikel 35 der Verfassung von 1991. Dadurch wird einer Gruppierung, die an der ANC teilgenommen hat, automatisch Parteienstatus zugesprochen.152 c) Das Dekret Nr. 13-84 von 1994 zur Wiedereingliederung von ehemaligen Guerillaorganisationen.153 e) Der Artikel 108 der Verfassung von 1991 und die Artikel 10 und 188 des Parteiengesetzes von 1994,154 die es zum einen bereits im Kongreß 149 150

151

152

153 154

Vgl.: Artikel 107 CPC und Art. 40, Abs. 3 CPC und Jaramillo/Franco 1993: 471. Auch die traditionellen Parteien hatten in bezug auf parteiinterne Faktionen bereits von politischen Bewegungen gesprochen. Vgl. auch: Guerrero Apraez 1993: 74ff. Auf der Grundlage des Gesetzes wurden folgende Parteien anerkannt: Partido Liberal Colombiano, Partido Conservador Colombiano, Movimiento Unitario Metapolítico, Unión Patriótica, Partido Comunista Colombiano, Alianza Nacional Popular, Movimiento Nacional Conservador, Movimiento Nacional Progresista, Partido Nacional Cristiano. Dazu gehören beispielsweise folgende Parteien: Alianza Democrática M-19, Movimiento Unión Cristiana, Movimiento de Salvación Nacional, Movimiento Fuerza Progresista, Movimiento Nueva Colombia, Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia. Dazu gehörte beispielsweise die Corriente de Renovación Socialista. Parteiengesetz Nr. 130/1994 (Ley 130 del 23 de marzo de 1994 por la cual se dicta el estatuto básico de los partidos y movimientos políticos, se dictan normas sobre su financiación y la de las campañas electorales y se dictan otras disposiciones).

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

153

vertretenen Politikern ermöglichen, sich als neue Partei registrieren 2x1 lassen. 155 Zum anderen dürfen Gruppierungen, die bei einer Wahl mindestens 50.000 Stimmen erhielten oder 50.000 Unterschriften vorlegen können, ihre Anerkennung als Partei verlangen. 156 Parteiunabhängige Kandidaten müssen für eine Kandidatur zum Kongreß die Summe von 150 Mindestlöhnen157 hinterlegen. Wenn der Kandidat eine (von Wahl zu Wahl variierende) Mindeststimmenzahl erreicht, erhält er sein Geld zurück.158 Den Parteien kann unter bestimmten Umständen ihre Anerkennung (personería jurídica) wieder entzogen werden. Sie müssen bei Wahlen zum Kongreß mindestens 50.000 Stimmen erzielen oder einen Repräsentanten in den Kongreß entsenden. Dabei werden die Stimmen verschiedener Listenkandidaten und die Teilnahme von Kandidaten der gleichen Partei für unterschiedliche Institutionen, die gleichzeitig gewählt werden, zusammen gewertet.159 Die staatliche Parteienfinanzierung wurde in der kolumbianischen Verfassung (im Gegensatz zu den meisten anderen lateinamerikanischen) angesprochen, wenn auch nicht im Detail geregelt. Sie bestimmt, daß der Staat zur

155

156

157

158 159

An der Ausarbeitung der Gesetzesvorlage wirkte auch die Konrad-Adenauer-Stiftung mit. Vgl.: Heieck 1996: 22. Dies gilt beispielsweise für folgende Parteien: Movimiento Conservatismo Independiente, Movimiento Alianza Social Indígena, Movimiento Político Laicos por Colombia, Movimiento Cívico Independiente, Movimiento de Integración Regional, Movimiento Unico de Renovación Conservadora, Movimiento Educación, Trabajo y Cambio Social, Movimiento Indígena Colombiano, Movimiento Convergencia Popular Cívica, Movimiento Político Actitud Renovadora, Movimiento Nacional de las Comunidades Negras Palenque Afrocolombiano, Movimiento Nueva Fuerza Democrática. Dies betrifft beispielsweise folgende Parteien: Movimiento Alianza de Reservas Nacionales y Acción Cívica, Movimiento Obrero Independiente y Revolucionario MOIR, Movimiento Defensa Ciudadana, Movimiento Ciudadano, Partido Popular Colombiano, Frente Independiente Cívico Popular, Movimiento Alternativa Democrática, Movimiento Cívico Seriedad por Colombia, Movimiento Convergencia Ciudadana, Movimiento Ciudadanos en Formación, Movimiento 19 de Abril, Vanguardia Moral y Social de Colombia , Vamos Colombia', Partido Cívico Ecológico, Movimiento Político Mujeres 2.000, Movimiento Nacional de Pensionados y Tercera Edad, Movimiento Concertación Cívica Nacional. Der Mindestlohn wird jedes Jahr an die Inflationsrate angepaßt. 1998 beispielsweise betrug er 220.000 Pesos, rund 150 US-Dollar. Gesetz Nr. 84 von 1993 Artikel 19. Vgl.: Gesetz Nr. 58 von 1985 und Artikel 108 CPC sowie El Espectador, 12.3. 1998.

154

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

Finanzierung der Parteien und der Wahlkampagnen aller legal registrierten Parteien und Bewegungen beiträgt.160 In der Praxis handelt es sich bei der direkten staatlichen Finanzierung allerdings mehr um eine Wahlkampf- als um eine Parteienfinanzierung. Die Verfassung hält die Parteien außerdem dazu an, öffentlich Rechenschaft über Ursprung, Höhe und Gebrauch der Finanzen abzulegen. Die Höhe der Parteienfinanzierung kann gesetzlich begrenzt werden.161 Das Parteiengesetz legt fest, daß sich Parteien sowohl privat, zum Beispiel durch Sach- und Geldspenden finanzieren dürfen, daß sie aber auch vom Staat unterstützt werden. Bei der staatlichen Finanzierung kann man direkte und indirekte unterscheiden:162 Die indirekte Finanzierung, dabei vor allem der kostenlose Zugang zu Sendezeiten in Radio und Fernsehen sowie der portofreie Versand von Wahlwerbung, wurde aus dem früheren Parteiengesetz mehr oder weniger übernommen. Allen Parteien und Bewegungen gestanden die Reformer außerdem das Recht zu, die staatlichen Massenmedien nicht nur zu Wahlkampfzeiten zu nutzen, sondern in zeitlich limitierten Programmen ihre Vorstellungen das ganze Jahr über in der Öffentlichkeit zu verbreiten.163 Dafür wurden ihnen feste Sendeplätze zugewiesen. Diese Maßnahmen sind im Hinblick auf die enge Verknüpfung von Kandidaten der traditionellen Parteien und den kolumbianischen Massenmedien von großer Bedeutung. Jene hatten früher dadurch noch größere Vorteile gegenüber kleinen Parteien.164 Die direkte staatliche Finanzierung ist in zwei Aspekte zu gliedern: Jede Partei erhält einen gleich großen Anteil an staatlicher Unterstützung. Der größere Anteil der Gelder wird nach der Anzahl der bei Wahlen erzielten Stimmen verteilt. Grundsätzlich wollte man durch die teilweise proportionale Finanzierung die kleinen Parteien stärken.165 Insgesamt trägt die Maßnahme aber dazu bei, daß die Parteien mit der höchsten Stimmenzahl auch die meisten Finanzmittel erhalten. Außerdem erstattet der Nationale Wahlrat den Parteien (teilweise) ihre Wahlkampfkosten. Sie werden aber nicht an die Parteizentralen geleitet. Treten bei Präsidentschaftswahlen beispielsweise mehrere Kandidaten der gleichen Partei an, so gründen sie für diese Wahlen eigene Stiftungen. An diese

160 161 162 163 164 165

Vgl.: Artikel 109 CPC. Vgl.: Artikel 109 CPC. Vgl.: De la Calle 1998: 106ff. Vgl.: Artikel 111 CPC. Vgl. zur Verknüpfung von Massenmedien und Politik: Pearce 1992: 182f. Vgl.: Pizarro Leongömez 1997: 142.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

155

erstattet der Staat dann die jeweiligen Gelder.166 Auch bei den Kongreßwahlen zahlt der Gesetzgeber nicht an die Zentrale der großen Parteien, sondern an jeden Kandidaten, der eine Liste anfuhrt. Die Erstattung der Wahlkampfkosten hängt von einer zu erzielenden Mindeststimmenzahl ab. Sie variiert entsprechend des einzunehmenden Amtes und der Art der zu besetzenden Funktion. Sie wird deshalb von Wahl zu Wahl neu angepaßt.167 Der Übergangsartikel 35 der Verfassung von 1991 sah die Bildung einer Kontrollinstanz (veeduría del tesoro) vor. Der Leiter der Behörde (veedor 168 ) zeichnete dafür verantwortlich, daß keine dafür nicht vorgesehenen öffentlichen Mittel für die Wahlkampffinanzierung abgezweigt würden. 169 Diese Rechtsfigur war allerdings auf drei Jahre begrenzt. Die Verfassunggeber gingen (naiverweise) davon aus, daß die Erneuerung der politischen Gewohnheiten sie danach überflüssig machen würde. Die Parteien sind verpflichtet, dem Nationalen Wahlrat jährlich ihre Einund Ausgaben vorzulegen. Sie müssen sie in einer großen überregionalen Zeitung veröffentlichen. Alle Kandidaten, die sich an Wahlen beteiligen, haben Wahlkampfspenden ab einer vom Nationalen Wahlrat festgesetzten Höchstgrenze namentlich zu registrieren. Der CNE legt außerdem die Höchstsummen, die in einem Wahlkampf ausgegeben werden dürfen, fest. Er bestimmt sie jeweils sechs Monate vor jeder Wahl neu. Für die Verwaltung der staatlichen Wahlkampffinanzen wurde der sogenannte Fondo Nacional de Financiación de Partidos y Campañas Electorales gegründet. Er untersteht der Aufsicht des Leiters der Wahlbehörde. In diesem Fonds werden die Gelder zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung gesammelt. Seine Höhe orientiert sich an den registrierten Wählern. Er durfte aber nach seiner Einrichtung 2.400 Millionen Pesos nicht unterschreiten.170 Die Verfassung verbietet es Inhabern öffentlicher Ämter, Wahlkampfunterstützung zu leisten. Bei Verstößen müssen sie mit entsprechenden Sanktionen bis hin zum Verlust ihres Amtes bzw. des passiven Wahlrechts rechnen. 171 Diese Norm zielt auf die Unterbindung der Startvorteile der Regierungspartei und die Verminderung der Korruption.

166

167 168 169 170 171

Andrés Pastrana gründete 1994 beispielsweise die Stiftung Corporación todos con Colombia, Vgl.: Pastrana ohne Jahr, 60. Vgl.: Gesetz Nr. 130 von 1994, Titel IV, Absatz 13. Aufseher, Finanzprüfer. Vgl.: Übergangsartikel 35 CPC. Vgl.: Pizarro Leongómez 1997: 123f. Vgl.: Artikel 110 CPC.

156

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front-

Die staatlichen Wahlbehörden sollen außerdem bei der Realisierung von parteiinternen Auswahlprozessen172 zur Aufstellung von Kandidaten und Führungsgremien auf nationaler, departamentaler und kommunaler Ebene behilflich sein, wenn die Parteien dies wünschen. Die Kosten für diese .Vorwahlen' {consultas populares) werden vom Staat übernommen.173 Die Parteien wurden angehalten, ihre Etats demokratisch zu verabschieden.174 Diese Maßnahme richtete sich vor allem gegen den exklusiven Zugriff der Parteispitze auf das Parteivermögen.175 Die Verankerung eines .Oppositionsstatuts'176 war bei der Ausarbeitung der Verfassung ein besonders wichtiges Anliegen. Das Recht auf Ausübung der Oppositionsfunktion wird erstmals in der kolumbianischen Geschichte verfassungsmäßig verankert. Parteien, die nicht an der Regierung beteiligt sind, heißt es in der Verfassung, können von ihrem Recht Gebrauch machen, diese zu kritisieren und politische Alternativen vorzuschlagen. Dazu muß ihnen Zugang zu den Veröffentlichungen staatlicher Instanzen erlaubt werden. Sie dürfen außerdem die staatlichen Massenmedien nutzen. Die Verfassung führt das Recht auf Gegendarstellung ein. Ein Oppositionsstatut wird den verschiedenen Parteien und Bewegungen auch auf der departamentalen bzw. lokalen Ebene zugesprochen.177 Die Oppositionsparteien sind berechtigt, den für die Durchführung der Wahlen verantwortlichen Gremien anzugehören. Sie dürfen beispielsweise an den Sitzungen des Nationalen Wahlrats teilnehmen. Politische ,Minderheiten' müssen in diesem Gremium entsprechend ihrer Mandatsstärke im Kongreß am Vorsitz beteiligt werden.178 Allerdings nennt die Verfassung keine Mechanismen, die die Präsenz von Parteien und Bewegungen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, in den staatlichen Kontrollorganismen wirklich garantieren könnte. Außer ihrer Beteiligung im Nationalen Wahlrat erwähnt sie keine anderen Organisationen, in denen oppositionelle Parteien und Bewegungen eine kritische überwachende Funktion innehaben sollten.179 Ethikräte180 haben die Aufgabe, die Parteien intern zu überwachen. Ihre Einrichtung ist für die Anerkennung als Partei nach der neuen Gesetzgebung 172 173

174 175 176 177 178 179 180

Consultas (internas) populares. Diese Bestimmung wurde bereits durch das Gesetz Nr. 3 von 1989 eingeführt und durch Artikel 10 des Parteiengesetzes Nr. 130 von 1994 bestätigt. Vgl.: Artikel 12, Absatz 3, Parteiengesetz Nr. 130, 1994. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 69. Estatuto de la oposición, vgl.: Artikel 112 CPC. Vgl.: Artikel 32 des Parteiengesetzes Nr. 130, 1994. Vgl.: Artikel 112 CPC. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 71. Consejos de Control Etico.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

157

Vorschrift. Sie müssen Politiker mit Funktionen in Partei, Administration und im Parlament daraufhin überprüfen, ob ihr Verhalten mit den Parteistatuten vereinbar ist. Handlungsbedarf des Ethikrates besteht in folgenden Fällen: a) Bei Verletzung der ethischen Normen der Partei oder Bewegung; b) bei Verstoß gegen die Interessen der Partei, der Gesellschaft bzw. des Staates und c) bei Veruntreuung von Geldern. Der Ethikrat kann den Verstoß mit einer öffentlichen Anschuldigung ahnden. Er darf den betroffenen Politiker aus der Partei ausschließen und erneute Kandidaturen im Namen der Partei verhindern. Die Parteien sind zusätzlich verpflichtet, einen Ethikkodex beim Nationalen Wahlrat zu hinterlegen.181 Da den Verfassunggebern an einer gewissen Autonomie der Parteien gelegen war, machten sie keine Vorschriften zu weiteren parteiinternen Fragen. Der Staat darf sich laut Verfassung nicht in die interne Organisation der Parteien und Bewegungen einmischen, also auch keine innerparteiliche Demokratie fordern. 182 Lediglich die Gewerkschaften,183 die Berufs-, 184 Sport-185 und Verbraucherverbände 186 hält die Verfassung dazu an.

4.

Die Stellung der sogenannten ,Minderheiten' in der Verfassung

Die sogenannten »Minderheiten' stellen in Kolumbien einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Sie wurden dennoch gesetzlich und gesellschaftlich lange Zeit diskriminiert. Sie hatten nur geringe Mitbestimmungsmöglichkeiten. Zumindest auf der normativen Ebene wollten die Verfassunggeber nach 1991 Voraussetzungen für mehr Gleichberechtigung schaffen und den Zugang der .Minderheiten' zur öffentlichen Sphäre erleichtern. Das Recht auf freie Meinungsäußerung,187 Gewissens-188 und Religionsfreiheit 189 bildet dabei neben dem Parteiengesetz die Grundlage, auf der sich 181

182 183 184 185 186 187 188

Vgl.: Artikel 41, 44 und 45 des Parteiengesetzes Nr. 130, 1994. Die meisten Parteien legen darüber hinaus in ihren Statuten die Funktionen des Ethikrates fest. Vgl. dazu beispielsweise: Estatutos del Movimiento Defensa Ciudadana, Artikel 37 und 38; Estatutos del Movimiento Socialdemócrata Colombiano, Artikel 16 und 17. Vgl.: Artikel 108 CPC. Vgl.: Artikel 39 CPC. Colegios Profesionales, Vgl.: Artikel 26 CPC. Vgl.: Artikel 52 CPC. Vgl.: Artikel 7 8 C P C , vgl. dazu Gaitán et al. 1995: 51ff. Vgl.: Artikel 20 CPC. Vgl.: Artikel 18 CPC.

158

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

religiöse Gruppierungen nach dem Willen der Verfassunggeber auch politisch organisieren können. Da nur wenige Frauen in den politischen Institutionen vertreten waren, nahmen die Verfassunggeber die Bestimmung auf, daß Frauen auf entscheidenden Ebenen der staatlichen Administration adäquat und gleichberechtigt vertreten sein sollten.190 Dazu wurde im Jahr 2000 ein Quotengesetz verabschiedet, dessen genaue Auslegung das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung C-371/00 definierte. 191 Das Parteiengesetz sieht allerdings keine Quotenregelung oder besondere Listenplätze für Frauen bei Wahlen vor, um ihnen den Zugang zur Legislative und Exekutive zu erleichtern. Die Verfassung betont ganz allgemein das Recht auf Gleichberechtigung und die Nichtdiskriminierung der Frau. Beiden Geschlechtern werden in Artikel 43 identische Rechte eingeräumt.192 Sie stellt auch die Gleichheit der Rechte und Pflichten in der partnerschaftlichen Gemeinschaft als Fundament der Familie heraus. 193 Außerdem fordert die Verfassung den besonderen Schutz der Frau am Arbeitsplatz. 194 Die neue Verfassung bekennt sich zu einer multiethnischen Gesellschaft. Sie garantiert ihren Bürgern die Respektierung der ethnischen, sprachlichen und kulturellen Identität und die Gleichheit aller Kulturen, die auf kolumbianischem Staatsgebiet leben.195 Dies hob die besondere Bedeutung hervor, die man den indianischen und afrokolumbianischen Gemeinschaften einräumte. 196 Artikel 330 schreibt die weitgehende Autonomie der comunidades indígenas fest. Ihre Territorien (resguardos) werden in Selbstverwaltung durch Räte und Versammlungen {cabildos) regiert. Diese wählt die indianische Bevölkerung. Indianische Autoritäten (gobernadores) können in ihren Territorien nach eigenen Normen Funktionen der Rechtsprechung wahrneh-

189 190

191 192

193 194 195 196

Vgl.: Artikel 19 CPC. Vgl.: Artikel 40 CPC, Absatz 7. Dieser Verfassungsartikel wurde erst durch das Gesetz Nr. 581 (oder Ley de quotas) im Jahr 2 0 0 0 reglementiert. Vgl.: Helfrich-Bernal 2002 und 2002a. Dazu heißt es wörtlich in der Verfassung: „La mujer y el hombre tienen iguales derechos y oportunidades. La mujer no podrá ser sometida a ninguna clase de discriminación... " Vgl.: Art. 43 CPC. Vgl.: Artikel 42 CPC. Vgl.: Art. 53 CPC. Vgl.: Artikel 7,10, 68 und 70 CPC. Dies wurde auch in den Sonderrechten deutlich, die den indianischen Gemeinschaften in bezug auf ihre Territorien zugesprochen wurden. Vgl. Artikel 286, 329, 63, 330 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

159

men.197 Die Gemeinschaften dürfen zwei Repräsentanten in den Senat entsenden.198 Für sie gelten nicht die üblichen Wahlrechtsbestimmungen. Die abgegebene Stimmenzahl ist lediglich für die Auswahl zweier Kandidaten aus verschiedenen von den Gemeinschaften aufgestellten Listen, nicht jedoch für den Einzug in den Senat entscheidend. Diesen garantiert der Staat im Rahmen dieser positive-action-Maßnahme. Die Rechte, die die Verfassung den Afrokolumbianern einräumt, sind stärker begrenzt als die der Indianer. Nach dem Willen der Verfassunggeber sollte die afrokolumbianische Bevölkerung die Möglichkeit erhalten, zwei Repräsentanten in die zweite Kammer zu entsenden. Die Voraussetzungen dafür wurden durch den Artikel 176 geschaffen, der verschiedene .Minderheiten' dazu befähigt.199 Im Übergangsartikel 55 (Artículo Transitorio 55) forderten die Verfassunggeber den Gesetzgeber auf, die Rechte der Schwarzen spätestens zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Verfassung normativ zu regeln. Eine Reihe von sozialpolitischen Ereignissen trug dazu bei, daß der Übergangsartikel 55 in der Verfassung überhaupt erst durchgesetzt werden konnte. Die sozialen Bewegungen der Schwarzen in Buenaventura und die Organisation Cimarrón hatten Vorschläge zur Gleichstellung der Afrokolumbianer in der Verfassung gemacht. Während die ANC in Bogotá tagte, fand im Mai 1991 das Forum "Los negros ante la Constitución" statt. Mehrere Organisationen aus dem departamento Chocó besetzten eine Woche lang das Bürgermeisteramt, den Stadtrat, die Kathedrale und die Geschäftsstelle des INCORA200 in Quibdó. Eine andere Delegation versammelte sich in der Botschaft von Haiti, um Druck auf die Verfassunggeber auszuüben. Nachdem die Mitglieder der ANC gewählt worden waren, gründeten verschiedene afrokolumbianische Organisationen eine Arbeitsgruppe. Dort wurde El telegrama negro201 erarbeitet, das die Delegierten der ANC mit Vorschlägen zur Integration der Forderungen der Afrokolumbianer in die Verfassung versorgte.202 Es sollte allerdings bis zum 14. Juli 1992 dauern, bis die Regierung eine Kommission einsetzte, die sich aus Regierungsmitgliedern,203 Repräsentanten 197

198 199 200

201 202 203

Vgl.: Artikel 246 CPC. Vgl. zu den Rechten im einzelnen auch: Sánchez/ Roldán/Sánchez 1993: 65ff. Vgl.: Artikel 171, Absatz 2 CPC. Vgl.: Artikel 176, Absatz 3 CPC; Sánchez/Roldán/Sánchez 1993: 184ff. Instituto Colombiano de Reforma Agraria (Kolumbianisches Institut zur Durchfuhrung der Agrarreform). Schwarzes Telegramm. Vgl.: Arocha 1992: 40f.; Wade 1993: 174ff.; Wade 1997: 412ff. Humberto de la Calle, Fabio Villegas, Héctor Riveros, Jaime Buenahora, Jorge Garcia, Jorge López, Oswaldo Giraldo.

160

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

staatlicher und gesellschaftlicher Institutionen,204 Vertretern der schwarzen Gemeinschaften,205 speziellen Beratern und Mitgliedern der traditionellen Parteien206 sowie einer Reihe von anderen den Prozeß begleitenden Personen und Organisationen zusammensetzte. Diese entwarf schließlich das sogenannte Gesetz Nr. 70.207 Außer der politischen Vertretung der Afrokolumbianer mit zwei garantierten Sitzen im Repräsentantenhaus, die bei den Wahlen 1998 vorübergehend durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wieder aufgehoben wurde, sah es die Vergabe von kollektiven Landtiteln vor. Im Gesetz wird die Verbesserung der Bildung und der erleichterte Zugang zu Krediten gefordert. Darin sind außerdem soziale und wirtschaftliche Entwicklungsmaßnahmen für die Regionen, die überwiegend von Schwarzen bewohnt werden, vorgesehen. Die Partizipation der organisierten Gruppen und der afrokolumbianischen Bevölkerung soll durch ihre Beteiligung am Nationalen Rat für Wirtschafts- und Sozialpolitik,208 an der Abteilung für Fragen der schwarzen Gemeinschaften209 des für Agrarfragen zuständigen Instituts INCORA,210 am Nationalen Planungsrat,211 an den regionalen Planungsinstitutionen und durch eine Kommission212 gesichert werden, deren Funktion darin besteht, die reale Entwicklung des Gesetzes zu beobachten und zu überwachen. Außerdem schuf die Regierung eine spezielle Abteilung für die Angelegenheiten der Schwarzen, die sie dem Innenministerium unter204 205

206

207

208 209 210 211 212

INDIRENA, INCORA, DNP, ICAN, IGAC. Für den departamento Chocó: Zulia Mena, Saturino Moreno, Rudecindo Castro; für den departamento Valle: Carlos Rosero, Joreg Isaac Aramburo, Trifilo Viveros; für den departamento Cauca: Elver Montaño, Manuel Carabalí, Arnulfo Cuero; für den departamento Nariño: Luz Maria Angulo, Hernán Cortez, Nelson Montaño. Jaime Arocha (Universidad Nacional), Piedad Córdoba (Abgeordnete departamento Antioquia), Otilia Dueñas (Bienestar Social del Distrito), Omar Torres (Stadtrat Buenaventura), Edgar Eulises Torres (Abgeordneter departamento Chocó), Silvio Garcés (INCORA), Guillermo Panchano (Senator), Jésus Rosero Ruano (Gouverneur departamento Nariño 1997-2000), Luis Jaime Perea (Abgeordneter departamento Valle), Gustavo de Roux (Gesundheitsminister). Ley 70 de agosto 27 de 1993. Vgl.: Red de Solidaridad Social/Plan Nacional de Rehabilitación 1995: 21. CONPES, Consejo Nacional de Política Económica y Social. División de Asuntos de Comunidades Negras. Instituto Colombiano de la Reforma Agraria. Consejo Nacional de Planeación. Comisión Consultativa de Alto Nivel, CCAN, gegründet durch das Dekret 1371, 30.6.1994. Sie setzt sich aus 27 Vertretern der Organisationen der Schwarzen und 12 staatlichen Funktionären zusammen.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

161

stellte. 213 Die Afrokolumbianer erhielten einen Sitz im Nationalen Umweltrat. 214 Durch die Nationale Bildungskommission 2 1 5 und ihre regionalen Unterabteilungen sollte ein Bildungskonzept (Ethnoeducación) ausgearbeitet werden, das den Bedürfnissen der afrokolumbianischen Bevölkerung näher kam. 2 1 6 Die Verfassung garantiert in Artikel 310 außerdem das Recht auf kulturelle Identität der schwarzen Raizal-Kultur im departamento der Karibikinseln San Andrés, Providencia und Santa Catalina.

5.

Die Institutionalisierung direktdemokratischer und semidirekter Partizipationsmechanismen

Eines der wichtigsten Anliegen der Verfassunggeber war die Erweiterung der Partizipationsrechte der Bevölkerung. Diese hatte die Verfassung von 1886 stark eingeschränkt. 2 1 7 Das angestrebte Demokratiemodell reichte deshalb über den Horizont der Repräsentativdemokratie hinaus und integrierte direktdemokratische Elemente. Für Verfechter dieser Perspektive „...bedarf es der Einrichtung direktdemokratischer Institutionen zur Erfüllung des im Begriff der Volkssouveränität als Legitimationsgrundlage angegebenen Demokratiepostulates." 218 Über das aktive und das passive Wahlrecht sowie die Gründung und Beteiligung an Parteien hinaus, bietet die Verfassung von 1991 ihren Bürgern deshalb eine Reihe von direktdemokratischen und semidirekten Beteiligungsmechanismen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, die als neue Instrumente im Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß eine aktive Bürgerkultur {ciudadanía) fordern und Ergänzungsleistungen zur Kompensation etwaiger Defizite bei der territorialen Repräsentation im Parteiensystem leisten sollten. 219 Die Verfassunggeber strebten damit den Wan-

213

214 215 216

217 218 219

Vgl.: Ley 70 de agosto 27 de 1993; Fundación de Vida: 1994: 4ff.; Red de Solidaridad Social/Plan Nacional de Rehabilitación 1995: lff.; Sánchez/Roldán/ Sánchez 1993: 177 und 203ff. sowie Wade 1997: 413f. Consejo Nacional Ambiental. Comisión Pedagógica Nacional. Vgl. zu den Problemen bei der Umsetzung dieser Vorhaben neben dem Evaluierungskapitel über die afrokolumbianischen Organisationen: Helfrich-Bernal 2001b und Agudelo 1997: 25. Vgl.: Fals Borda 1991: 53f. Gebhardt 1991: 19. Rial (1995: 69) und Welzel (1995: 143ff.) weisen darauf hin, daß eine Gefahr besteht, den Stellenwert dieser Partizipationsmöglichkeiten in repräsentativen Demokratien zu überschätzen.

162

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

del von einer „Zuschauerdemokratie"220 in eine democracia participativa an. Idealtypisch gesehen sollte als Folge der Schaffung neuer Partizipationskanäle ein erhöhter Legitimationsdruck zur Zurückdrängung ausschließend-autoritärer Politikmuster entstehen.221 In zusätzlichen Partizipationsmöglichkeiten lagen Chancen für eine reibungslosere Regulierung von politischen und sozialen Konflikten. Zumindest ermöglichten sie der Regierung die Delegation umstrittener Entscheidungen in einer über den Gewaltkonflikt stark polarisierten Gesellschaft an die Bevölkerung. Sie konnten zur Legitimierung von Regierungsvorhaben in einem Land dienen, in dem die Exekutive lange Zeit im Rahmen von Ausnahmeregelungen ihren Dekretspielraum ausgiebig genutzt und Entscheidungen ohne die Zustimmung des Parlamentes getroffen hatte. Auch schrieb man ihnen zu, als „Sicherheitsventile"222 für politischen Protest zu fungieren. Egal ob populistischer oder anderer Art, erfüllten sie dennoch aus der Sicht einiger Verfassunggeber in einem Land, dessen Kongreß sich als Reformblockierer erwiesen hatte, in dem die Interessenartikulation über Parteien lange Zeit eingeschränkt und das von Gewalt gezeichnet war, eine wichtige Funktion.223 Die damals eingeführten Beteiligungsformen (plebiscito, referendo, consulta popular, cabildo abierto, iniciativa popular legislativa und revocatoria del mandato) benötigen komplizierte Anwendungsverfahren, die im folgenden dargestellt werden. Die damit verbundenen Schwierigkeiten evaluiere ich erst weiter unten im Text. In der kolumbianischen Literatur werden die juristischen Instrumente, die vor allem zum Schutz der Grundrechte und zur Kontrolle der Verwaltung eingerichtet wurden, als semidirekte Partizipationsmechanismen bezeichnet. Es handelt sich um die acción de tutela, die acción de cumplimiento und die acción popular.224 Da den Verfassunggebern die Partizipationsrelevanz dieser Rechtsmittel bewußt war, wird diese Unter220 221 222 223

224

Wassermann 1986. Vgl.: Webendörfer 1997: 18; Nohlen 1991: 13 und Fox 1994: 106. Gebhardt 1991: 27. Interviews mit den ehemaligen Mitgliedern der Verfassunggebenden Versammlung Parmenio Cuellar (14.9.2001) und Antiono Navarro (4.9.2000) sowie wie mit dem ehemaligen Richter am Verfassungsgericht und heutigen Senator Carlos Gaviria (3.9.1997). Ich bevorzuge überwiegend die spanischen Termini, da eine Übersetzung zum Teil nicht möglich oder nicht differenziert genug ist und noch stärker als bei anderen Begriffen kulturelle Assoziationen hervorruft. In Deutschland stehen bestimmte termini technici in einem anderen Verwendungskontext als in Kolumbien. Die Bedeutung der Begriffe erschließt sich auch aus dem Zusammenhang. Vgl. zum folgenden: Vargas Veläsquez 1994a: 44ff.; Gaitan et al. 1995: 74; De Zubiria Samper 1994: 38ff.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

163

Scheidung hier beibehalten, auch wenn es sich nicht um Mitbestimmungsinstrumente im klassischen Sinn handelt.225 Die Verfassunggeber räumten zudem Beteiligungsmöglichkeiten in der Rechtsverwaltung ein.226 Sie schufen die Funktion des Schlichters, des Schiedsrichters, des Friedensrichters.229 Jede/r Kolumbianer/in kann einschreiten, wenn er/sie internationale Abkommen oder andere Rechtsnormen für verfassungswidrig hält.230 Außerdem haben die Bürger weitere Mitbestimmungsmöglichkeiten, die nicht wie die direktdemokratischen Instrumente mit einem Wahlakt verbunden sind. Da sie aber im folgenden keiner Analyse unterzogen werden, möchte ich auf sie hier nicht im Detail, sondern nur im Überblick eingehen. Die Verfassunggeber sprachen zwar die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung durch die Bürger an. Sie überließen es aber dem Gesetzgeber festzulegen, wie diese Überwachungsmechanismen im einzelnen aussehen sollten.231 Die Verfassung spricht den Staatsbürgern ein Petitionsrecht zu.232 Jeder kann bei Fehlverhalten Sanktionen gegenüber öffentlichen Angestellten einfordern.233 Sie gewährleistet eine breite Beteiligung an der Entwicklungsplanung. Dazu legt sie die Schaffung von integrativen nationalen, departamentalen und kommunalen Planungsräten234 fest. Im Nationalen Planungsrat sind Repräsentanten der departamentalen und kommunalen Verwaltungseinheiten aus dem ökonomischen, sozialen, ökologischen, komunitären235 und kulturellen Sektor vertreten. Sie haben allerdings lediglich beratende, keine entscheidende Funktion.236 Die Verfassunggeber verankerten auch die Möglichkeit, bei der Geschäftsführung und Kontrolle der städtischen Dienstleistungsbe-

225

226 227 228 229

230

231 232 233 234

235 236

An anderer Stelle habe ich ihre Bedeutung für den hybriden kolumbianischen Rechtsstaat untersucht. Vgl.: Helfrich-Bernal 2001c. Vgl.: Artikel 116 CPC. Conciliador. Arbitro. Vgl.: Artikel 116, Absatz 4 CPC. Vgl.: Artikel 247 CPC und Gesetz Nr. 497 von 1999 (ley 497 de 1999 por la cual se crean los juezes de paz y se reglamentan su organización y funcionamiento). Vgl.: Artikel 241, Absatz 10 und Artikel 242, Absatz 1 CPC. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 56. Vgl.: Artikel 270 CPC. Vgl.: Artikel 23 CPC. Vgl.: Artikel 92 CPC. Consejo de Planeación Nacional, Consejo de Planeación Departamental, Consejo de Planeación Municipal, vgl.: Gaitán et al. 1995: 57. Sector comunitario. Vgl.: Artikel 339 bis 342 CPC. Vgl. zur partizipativen Planung: Forero P. et al. 1997: 200f.

164

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

triebe,237 die vor allem für die Bereitstellung von Wasser und Strom zuständig sind, mitzuwirken.238 Die Dezentralisierung des Gesundheitswesens und die Beteiligung der Bevölkerung an seiner Ausgestaltung bestimmt Artikel 49, Absatz 3. Das schon unter Barco eingeführte Mitspracherecht der Bevölkerung im Bildungswesen wurde ebenfalls bestätigt.239

5.1 a)

Die semidirekten Beteiligungsmechanismen Die acción de tutela

Ein wichtiges Anliegen der Verfassungsväter war der Schutz der Grundrechte. Wenn fundamentale Verfassungsrechte durch Handlungen oder Unterlassungen des Staates verletzt werden, kann jeder Bürger sie mit Hilfe einer sogenannten acción de tutela einklagen. Sie muß innerhalb von maximal zehn Tagen entschieden werden.240 b)

Die acción de cumplimiento

Wenn ein Gesetz oder eine administrative Bestimmung nicht umgesetzt wird, kann jeder die Verantwortlichen durch acción de cumplimiento, einer Art Erfüllungsklage, zur Einhaltung zwingen.241 c)

Die acción popular

Den Mechanismus der acciones populares gab es bereits seit dem letzten Jahrhundert in Kolumbien. Er war der Bevölkerung aber kaum bekannt. Vor dem Inkrafttreten der neuen Verfassung wurden nur zwei Urteile gefallt. Heute haben acciones populares Verfassungsrang und dienen dem Schutz der kollektiven Rechte und Interessen, die im Zusammenhang mit den nationalen Kunstschätzen, dem Lebensraum, der Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit, der administrativen Moral, der Umwelt, dem freien Wirtschaftswettbewerb oder verwandten Anliegen stehen. Durch sie werden gemeinschaftliche Interessen eingeklagt, wenn einer Gruppe von Personen in den oben genannten Bereichen Schaden zugefügt wurde. Bei dieser Popularklage steht die Sachbefugnis jedermann, nicht nur dem Betroffenen selbst zu.242 237 238 239 240

241 242

Empresas de Servicios Públicos. Vgl.: Artikel 369 CPC. Vgl.: Artikel 68, Absatz 2 CPC. Vgl.: Artikel 86 CPC. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 55 und Helfrich-Bernal 2001c : 146ff. Vgl.: Artikel 87 CPC. Vgl.: Artikel 88 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

5.2 a)

165

Die direktdemokratischen Beteiligungsmechanismen Der cabildo abierto

Der cabildo abierto ist eine öffentliche Versammlung der Stadt- bzw. Gemeinderäte oder Juntas Administradoras Locales, an der die Bürger teilnehmen können, um Anliegen der Kommune zu evaluieren. Wenn mindestens 0,5 Prozent der Wahlbevölkerung ihr Anliegen vorträgt, wird es in einem cabildo abierto diskutiert. In jeder Sitzungsperiode müssen mindestens zwei cabildos abgehalten werden. An der Versammlung können sich grundsätzlich alle am Thema interessierten Bürger beteiligen. Außer dem Sprecher deijenigen, die die Einberufung eines cabildos gefordert haben, darf jeder in der Sitzung intervenieren. Er ist allerdings verpflichtet, drei Tage vor Beginn eine schriftliche Fassung seiner Rede vorzulegen. Der Präsident der entsprechenden Körperschaft muß eine Woche nach Beendigung der Versammlung die Bürger schriftlich über ihren Ausgang informieren. Die öffentlichen Angestellten der entsprechenden Städte können aufgefordert werden, zu den Belangen der Bürger Stellung zu nehmen. 243 b)

Der referendo

Durch ein referendo werden Bürger aufgefordert, nationalen Gesetzesprojekten oder bereits bestehenden Normen zuzustimmen (Gesetzesreferendum), sie abzulehnen sowie über Veränderungen der Verfassung (Verfassungsreferendum) zu entscheiden.244 Es gibt drei Formen dieser Volksabstimmungen: • das derogative Referendum, 245 • das aprobative Referendum 246 und • das konstitutionelle Referendum. 247 Beim derogativen Referendum werden ein Projekt, eine bestehende Norm oder Teile davon zur Abstimmung gestellt. Die Bevölkerung entscheidet darüber, ob sie sie zu Fall zu bringt oder nicht. Die Normen können durch einfache Mehrheit abgelehnt werden, wenn sich an dem Referendum Bürger beteiligen, die mindestens ein Viertel des Wahlzensus repräsentieren. Ausgenom243

244 245 246 247

Vgl.: Artikel 103 CPC, Artikel 81 und 89 Mitbestimmungsgesetz Nr. 134, 1994. Vgl.: Sánchez Torres 1996: 190f.; Gaitán et al., 1995: 79. Vgl. Artikel 170 CPC. Referendo derogatorio. Artikel 170 CPC. Referendo aprobatorio. Referendo constitucional. Vgl.: Artikel 374 und 378 CPC.

166

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

men von diesem Verfahren sind Gesetze über internationale Abkommen, den öffentliche Haushalt und Steuerfragen.248 Beim aprobativen Referendum handelt es sich um eine Norm, die noch nicht von einer öffentlichen Körperschaft verabschiedet wurde. Sie wird der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt, damit sie darüber entscheidet, ob sie ihr zustimmt, sie ganz oder in Teilbereichen ablehnt.249 Die Regierung, die Bürger250 oder der Kongreß können auch ein Verfassungsreformprojekt einem konstitutionellen Referendum unterziehen. Bei der Abstimmung müssen sich mehr als 50 Prozent der Beteiligten für die Reform aussprechen. Diese wiederum müssen mehr als ein Viertel des Wahlzensus repräsentieren.251 Grundsätzlich ist es vorgeschrieben, daß vom Kongreß verabschiedete Verfassungsänderungen einer Volksabstimmung zu unterziehen sind, wenn es sich um Grundrechte oder deren Garantien handelt, um Partizipationsmechanismen oder um den Kongreß selbst. Das Referendum darf nur innerhalb von sechs Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes von den Bürgern beantragt werden. Die Antragsteller müssen mindestens fünf Prozent des Wahlzensus repräsentieren. Die Verfassungsnorm kann durch einfache Mehrheit in einem Volksentscheid zu Fall gebracht werden, sofern ein Viertel der im Wahlzensus registrierten Bürger an der Abstimmung teilnimmt.252 Ein Referendum kann beim Nationalen Wahlrat beantragt werden. Der Antragsteller muß die Unterstützung von 0,5 Prozent der Bürger des entsprechenden Wahlzensus nachweisen. Parteien und Bewegungen, Gewerkschaften, Verbände, aber auch Einzelpersonen können ein Referendum einleiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine nationale, departamentale oder kommunale Gruppierung handelt. Die Antragsteller haben sechs Monate Zeit, um für die notwendige Unterstützung ihres Anliegens zu werben. c) Die iniciativa populär legislativa Die Gesetzgebungsinitiative lag in der alten Verfassung ausschließlich bei der Regierung, dem Kongreß, den Regionalparlamenten und den Stadt- bzw. Gemeinderäten. Nach dem neuen Mitbestimmungsgesetz können auch Individuen oder .bedeutende gesellschaftliche Gruppen' dem Kongreß Gesetzesvorlagen präsentieren, also initiativ werden. Bei dieser Art von ,Volksbegeh248 249

250 251 252

Vgl.: Artikel 170 CPC. In bezug die Beteiligung der Bevölkerung gelten die gleichen Bestimmungen wie bei derogativen Referenden. Vgl.: Artikel 307 CPC. Fünf Prozent oder mehr des Wahlzensus. Vgl.: Artikel 378 CPC. Vgl.: Artikel 377 CPC.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

167

ren' begleitet ein von ihnen gewählter Sprecher den Prozeß während des gesamten Verfahrens. Sollte ein Vorschlag bereits in erster Lesung abgelehnt werden, kann ihn der Sprecher der jeweiligen Initiative in der nächsten Legislaturperiode dennoch vor die zuständige Kammer bringen.253 Die dafür gesammelten Unterschriften behalten ihre Gültigkeit.254 Damit ein Bürger als Repräsentant für die Präsentation eines Gesetzgebungsvorschlages anerkannt wird, braucht er die Unterstützung von 0,5 Prozent der im Wahlzensus registrierten Bevölkerung. Auf nationaler Ebene entsprach dies 1985 rund 85.000 Unterschriften, in den 90er Jahren über 100.000. Damit eine Gesetzgebungsinitiative dem Kongreß vorgelegt werden kann, müssen sie in jedem Fall mindestens fünf Prozent der im Wahlzensus eingeschriebenen Bürger unterstützen. Wenn es sich um Projekte handelt, die von Stadt- bzw. Gemeinderäten oder Delegierten der departamento-Versammlungen eingebracht wurden, brauchen sie den Rückhalt von mindestens 30 Prozent der Mitglieder dieser Institutionen. Auf departamentaler und lokaler Ebene gibt es ähnliche Regelungen. In einer iniciativa popular kann die Bevölkerung eines departamento, einer Kommune oder eines indianischen resguardo über Belange, die für die Gemeinschaft von Interesse sind, abstimmen. Dafür müssen zehn Prozent der im Wahlzensus registrierten Bürger die Initiative befürworten.255 Für mehrere durch die Verfassung festgelegte Bereiche256 sowie für die internationalen Beziehungen, Amnestien und Begnadigungen, Steuerfragen und Fragen der öffentlichen Ordnung sind keine iniciativas populares legislativas möglich. Außerdem gibt es keine Vorschrift, die den Kongreß bzw. die anderen Körperschaften zwingt, die iniciativa popular bei ihren Entscheidungen zwingend zu berücksichtigen. Es kann also passieren, daß der Kongreß Gesetze verabschiedet, ohne auf die Vorschläge der Bürger einzugehen. d) Die revocatoria del mandato Die Verfassung von 1886 hatte gewählten Amtsinhabern eine relative Autonomie zugesprochen. Sie repräsentierten nicht ihre Wähler im Sinne eines imperativen Mandats, sondern die gesamte Nation.257 Einer der wichtigsten 253

254 255 256 257

Vgl. auch zum Folgenden: Artikel 40, Absatz fünf; Artikel 103; Artikel 154, Absatz eins; Artikel 155; Artikel 159 CPC; Artikel 2, 10, 27, 29, 30, 31, 39 Mitbestimmungsgesetz Nr. 134, 1994; Sánchez Torres 1996: 192f. und Morales Guerrero 1997: 82ff. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 75f. Vgl.: Artikel 106 CPC. Vgl. die Artikel 154, 300, 313, 315, 322 und 336 CPC. Vgl.: Artikel 179 und 105 der Verfassung von 1886.

168

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front..,

neuen Partizipationsmechanismen der Verfassung von 1991 ist die Abwahl von Bürgermeistern und Gouverneuren (revocatoria del mandato). Sie müssen von ihrem Amt zurücktreten, wenn sie das bei ihrer Wahl registrierte Wahlprogramm nicht ,in großen Teilen' umsetzen. 258 Eine Abwahl des Präsidenten und der Kongreßabgeordneten, die eine Minderheit der Mitglieder der ANC anstrebte, wurde schließlich nicht verabschiedet. 259 Eine Anzahl von Bürgern, die mindestens 40 Prozent der gültigen Stimmen repräsentieren, die der Mandatsträger bei seiner Wahl erhalten hatte, kann bei der Wahlbehörde den Prozeß zur Abwahl einleiten. Es dürfen sich nur Personen beteiligen, die bei den entsprechenden Gouverneurs- oder Bürgermeisterwahlen auch gewählt haben. Ein Kandidat muß abtreten, wenn mindestens 60 Prozent der an dem Verfahren beteiligten Bürger dem zustimmt. Jene dürfen wiederum nicht weniger als 60 Prozent der Stimmen vereinigen, die die Wahlbehörde am Wahltag registrierte. Das Gesetz sieht außerdem vor, daß Neuwahlen innerhalb der auf die Abwahl folgenden 30 Tage angekündigt werden müssen. In Krisenzeiten kann der Präsident die Neuwahl des Nachfolgers des Bürgermeisters oder Gouverneurs verzögern und einen Amtsnachfolger ernennen. 260 e)

Der plebiscito

Der Präsident kann einen plebiscito261 einberufen, in dem sich die Bevölkerung für oder gegen eine Sachfrage oder ein Gesetzgebungsprojekt ausspricht. Die Verfassung selbst läßt außer seiner Beschränkung auf den Präsidenten aber den Unterschied zum referendo und zur consulta popular offen. Gesetzlich wurde festgelegt, daß alle Minister der Abhaltung eines Plebiszits zustimmen müssen. Der Kongreß kann mit einfacher Mehrheit - innerhalb eines Monats nach seiner Unterrichtung durch den Präsidenten - die Volksabstimmung unterbinden. Die Mehrheit der im Wahlzensus registrierten Bevölkerung muß der Vorlage zustimmen bzw. sie ablehnen. 262

258 259

260 261 262

Vgl.: Artikel 40, Absatz 4 und Artikel 103 CPC. Artikel 133 bestimmt lediglich, daß Kongreßabgeordnete politisch gegenüber der Gesellschaft und den Wählern für die mit dem Mandat verbundenen Pflichten verantwortlich sind. Vgl. dazu auch: De la Calle Lombana/Eastman Robeledo 1996: 58f. Gaitän et al.1995: 78f.; Castro Victoria 1993 und Morales Guerrero 1997: 88ff. Vgl.: Artikel 40 und 103 CPC. Vgl.: Mitbestimmungsgesetz Nr. 134, 1994.

Kapitel III: Der desmonte der Nationalen Front...

169

f) Die consulta popular Die consulta popular war bereits vor der Verabschiedung der Verfassung von 1991 möglich, wenn die Bevölkerung zu bestimmten Themen Stellung nehmen sollte. In der neuen Verfassung wurde ihr der Charakter eines echten Entscheidungsinstrumentes zugesprochen, im Hinblick auf bestimmte Vorgaben der Exekutive auf nationaler, departamentaler und lokaler Ebene.263 Consultas populares können beispielsweise zur territorialen Neuordnung durchgeführt werden. Für die Zusammenlegung von Gemeinden zu städtischen Zonen, die Aufnahme einer Kommune in eine andere Provinz, die Neugründung einer Provinz und die Eingemeindung von Dörfern in den Distrito Especial von Bogotá beispielsweise sind sie verpflichtend.264 Die Entscheidung, die das Volk in einer consulta trifft, ist bindend.265 Consultas populares dürfen im Unterschied zu ihrer ursprünglichen Handhabung und zum referendo nur noch vom Präsidenten,266 den Gouverneuren und den Bürgermeistern267 eingeleitet werden. Das ist in bezug auf die lokale Ebene ein Rückschritt gegenüber der früheren Gesetzgebung. Diese hatte auch den Bürgern die Möglichkeit eingeräumt, eine Volksbefragung auf den Weg zu bringen.268 Auf regionaler und lokaler Ebene können die departamento-Versammlung, der Stadtrat oder die Junta Administradora Local die Einberufung einer Volksbefragung verhindern. Außerdem kann sie vom Präsidenten im Ausnahmezustand unterbunden werden.269 Um ihre Mitbestimmungsrechte tatsächlich ausüben zu können, muß die Bevölkerung sie zunächst einmal kennen und über ihre Anwendung informiert werden. Die Verfassunggeber nahmen deshalb ausdrücklich einen Paragraphen über die Verbreitung dieser Normen in die Verfassung auf. Der Staat verpflichtet sich darin, die Neuregelungen seinen Bürgern zugänglich zu machen.270 Private und staatliche Bildungsinstitutionen werden dazu angehalten, die 1991 geschaffene Institutionenordnung und dabei vor allem die hinter der Bürgerbeteiligung stehenden demokratischen Prinzipien und ideellen Werte im Unterricht zu behandeln. Der Nutzen des Partizipationsverhaltens soll insbesondere auch den Kindern nahegebracht werden.271 263 264 265 266 267 268 269 270 271

Vgl.: Artikel 40 und 103 CPC. Vgl.: Artikel 297, 319, 321 Absatz 4 und 326 CPC. Vgl.: Artikel 104 CPC. Vgl.: Artikel 104 CPC. Vgl.: Artikel 105 CPC. Vgl.: Acto Legislativo Nr. 1, 1986, Artikel 6 und Gesetz Nr. 42 von 1989. Vgl.: Gaitän et al. 1995: 78. Vgl.: Artikel 41 CPC, Gaitän et al., 1995: 57 und CONPES DNP 1995. Vgl.: Artikel 41 CPC.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

171

Bei den Kongreßwahlen 1970 wurden laut Angaben der kolumbianischen Wahlbehörde 28.512 Fäßchen zu je 120 ml wasserfester Tinte verbraucht. Die Wähler mußten ihren Zeigefinger in die rote Farbe tauchen, um eine doppelte Stimmabgabe zu verhindern. Aus: RNEC, Estadísticas Electorales 19 de Abril de 1970: 386. Alberto Aguilar, Schuhputzer aus Medellin in dem kolumbianischen Film , Democracia particular —prohibido el paso' von Carlos Bernal über sein Wahlverhalten: „ Gracias a dios, con mis tiernos 35 años, hasta hoy día no le he metido el dedo a ningún político. "

IV.

Wahlen, Wahl- und Parteiensystem sowie die Anwendung der direkt-demokratischen Partizipationsmechanismen nach den Reformen

Obwohl in Kolumbien mit Ausnahme der Zeit der Militärdiktatur regelmäßig Wahlen abgehalten wurden, erfüllten sie traditionell weder Dahls Prinzipien eines offenen politischen Wettbewerbs und einschließender Partizipation noch die im theoretischen Teil der Arbeit genannten Kriterien für kompetitive Wahlen. Sie waren vielmehr von zahlreichen Einschränkungen im Hinblick auf die zugelassenen Parteien und die politischen Freiheits- und Bürgerrechte der Wähler gekennzeichnet. Die Verfassunggeber wollten 1991 zumindest die normativen Voraussetzungen für demokratischere Wahlen schaffen. Durch die Reformen nahmen sie allerdings keine Modifikationen am Regierungssystem vor. Sie führten auch kein vollständig neues Wahlsystem ein. Kolumbien blieb ein Präsidialsystem mit den entsprechenden Konsequenzen für den Wahlprozeß. Das relative Mehrheitswahlrecht für die Exekutive und Verhältniswahlen ohne Sperrklausel für die Legislative wurden beibehalten. Dennoch brachten die beschriebenen Teilreformen der Wahlorganisation, des Wahlrechts, des Wahlsystems und der Parteiengesetzgebung wichtige Modifikationen mit sich, deren unterschiedliche - zum Teil widersprüchlichen - Auswirkungen im folgenden analysiert werden sollen. Nach den Reformen wurden bis März 2002 sechs Lokal- und Regionalwahlen, vier nationale Kongreß- und zwei Präsidentschaftswahlen abgehalten. Die neuen Normen kamen bei den Bürgermeisterwahlen 1988, den Gouverneurs* und Kongreßwahlen 1991 sowie bei den Präsidentschaftswahlen 1994 zum ersten Mal zur Anwendung. Zwar waren die Präsidentschafts- und Kongreßwahlen 1974 die ersten Wahlen, bei denen wieder Parteienwettbewerb zugelassen war. Aber die neuen Voraussetzungen zur Gründung von Parteien und die Mehrheit der neuen Wahlnormen galten erst nach 1991. Doch auch nach der Verfassungsreform wurden nicht alle Neuerungen sofort praktiziert. Ein Teil der Wahlrechtsnormen - wie beispielsweise die Einführung staatlich gedruckter Stimmzettel und Kabinen - waren bereits bei den Urnengängen des Jahres 1991 eingesetzt worden. Andere Änderungen des Wahlrechts und des Wahlsystems wurden 1994 zum ersten Mal umgesetzt: Die Wahl eines Vize-

172

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Präsidenten, die Einführung des zweiten Wahlgangs bei Präsidentschaftswahlen und der voto programático.

1. 1.1

Der Wahlkampf Die Anzahl der Kandidaten

Präsidentschaftswahlkämpfe haben in Kolumbien eine seltsame Eigenschaft: Sie beginnen kurz nach dem Ende einer Wahl erneut. Die Wahlverlierer, die eine relativ hohe Stimmenzahl erzielen, werden als Kandidaten für die kommenden Urnengänge gehandelt. Spätestens ein Jahr vor dem Beginn der Wahlen legen interessierte Mitglieder der Regierung und des Parlamentes ihre Ämter nieder, um sich darauf vorzubereiten. Man hat deshalb den Eindruck, das Land befinde sich in einem ständigen Wahlkampf. Eine wichtige Veränderung zu den Wahlen vor den Reformen lag in der Zunahme der Anzahl der Präsidentschaftskandidaten. Im Wahlkampf 1994 stellten sich 18 Kandidaten zur Disposition der Bevölkerung. Als bedeutendste Bewerber können hier genannt werden: Der Liberale Ernesto Samper, der konservative Journalist und Ex-Bürgermeister von Bogotá, Andrés Pastrana, Antonio Navarro Wolf, ehemals Präsident der Alianza Democrática M-19, der General im Ruhestand Miguel Maza Márquez, die Parteichefin des Movimiento Unitario Metapolítico, Regina Betancourt, der unabhängige Liberale Enrique Parejo und die Tochter des volksnahen liberalen Führers der 40er Jahre, Jorge Eliécer Gaitán, Gloria Gaitán, die trotz ihrer Niederlage bei der Vorwahl der Liberalen Partei (consulta liberal popular) angetreten war. Tabelle 1: Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 29.5.1994 Stimmenanteile der Kandidaten

Absolut

Prozent

Abgegebene Stimmen ,Leere' Stimmzettel Ungültige Stimmen Gültige Stimmen

5.821.331 65.616 29.999 5.726.216

100,0 1,1 0,5 98,4

Ernesto Samper Andrés Pastrana Antonio Navarro Regina Betancourt Miguel Maza Márquez Enrique Parejo Gloria Gaitán Andere Kandidaten

2.623.210 2.604.771 219.241 64.131 55.190 29.246 17.397 113.030

45,8 45,5 3,8 1,1 1,0 0,5 0,3 2,0

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

173

1998 stellten sich 13 Kandidaten dem Votum der Wählerinnen und Wähler. Der liberale Ex-Innenminister Horacio Serpa, der als Erbe der Regierung Samper galt, stand dem 1994 unterlegenen Andrés Pastrana gegenüber. Letzterer war wie schon damals von der Konservativen Partei als Kandidat nominiert worden. Dennoch repräsentierte er ein Mehrparteien-Wahlbündnis. Die ehemals konservative Politikerin Noemi Sanin kandidierte für eine für diese Wahl eigens gegründete tercería. Unter dem Namen Opción Vida, einer Ad-hocWahlkoalition, wollte sie als dritte Kraft die traditionellen Parteien herausfordern. Das Wahlbündnis präsentierte sich trotz der Herkunft vieler seiner Mitglieder aus der Liberalen und Konservativen Partei als unabhängig'. Gelb als Wahlkampffarbe sollte sich symbolisch gegenüber dem liberalen Rot und dem konservativen Blau absetzen. 1 Außerdem hatten Umfragen dem Ex-General Harald Bedoya ein gutes Wahlergebnis vorhergesagt.

1

Die Gruppierung bezeichnete sich als franja amarilla (wörtlich: gelber Streifen), neben blau und rot eine Farbe der kolumbianischen Flagge. Dies sollte ihre Bedeutung als dritte Kraft im Parteiensystem an der Seite des PLC und des PC verdeutlichen. Außerdem hat sich gelb in den letzten Jahren als Symbolfarbe der Bewegung fiir den Frieden und das Recht auf Leben etabliert. Die .Friedensbewegung' erhob den Vorwurf, Sanin und Mockus hätten sich die Symbolfarben unberechtigterweise angeeignet. Mit dem Begriff franja werden in Kolumbien die Nichtwähler bezeichnet. Das Wahlbündnis wollte also vor allem Personen ansprechen, die sich nicht mit den traditionellen Parteien identifizierten. Hinzu kamen Wähler, denen an einer auf Verständigung und nationaler Aussöhnung beruhenden Friedens- und Menschenrechtspolitik gelegen war.

174

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 2: Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 21.6.1998 Kandidat/Stimmenart

Absolut

Abgegebene Stimmen 10.873.896 ,Leere' Stimmzettel 122.431 Ungültige Stimmen 79.396 Nicht markierte Stimmzettel 43.446 Gültige Stimmen 10.628.623 Horacio Serpa Andrés Pastrana Noemí Sanín Harold Bedoya Beatriz Cuéllar Germán Rojas Jorge H. Betancur Jesús A. Lozano Jorge R. Pulecio Guillermo Alemán Efraín Díaz Guillermo Nannetti Francisco Córdoba

3.696.334 3.653.048 2.845.750 193.037 30.832 16.072 13.892 11.834 11.500 9.885 9.255 8.862 5.891

Prozent 1,15

100,00 34,78 34,37 26,77 1,82 0,29 0,15 0,13 0,11 0,11 0,09 0,09 0,08 0,08

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die große Anzahl der Teilnehmer bei Präsidentschaftswahlen ist zum einen auf die einfache Tatsache zurückzuführen, daß die neuen Normen keine besonderen rechtlichen Voraussetzungen vorsehen, um sich für dieses Amt zu bewerben. Wichtig im Hinblick auf die Einfuhrung eines zweiten Wahlgangs ist aber vor allem die Tatsache, daß diese Regelung die Kandidaten kleinerer Parteien anregt, sich an den Urnengängen zu beteiligen. Der Sinn der Wahlkampfteilnahme für diese Gruppierungen besteht u.a. darin, sich politisch zu etablieren. Sie werden über die Wahlkämpfe bekannt und sammeln Kapital für spätere Wahlen zum Kongreß. Durch ihr im ersten Wahlgang gewonnenes Verhandlungspotential erzielen sie unter Umständen im zweiten Wahlgang politische Vorteile für ihre Partei oder partikularistische Zugeständnisse für die Unterstützung eines der beiden aussichtsreichsten Kandidaten, die schließlich in einer Stichwahl aufeinandertreffen. Reale Wahlchancen hatte neben den beiden etablierten Parteien bei Präsidentschaftswahlen nach den Reformen bisher nur Noemi Sanin. Allerdings verdankte sie einen Teil ihrer Popularität auch der Tatsache, daß sie auf eine Vergangenheit in den traditionellen Parteien

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

175

zurückblicken konnte.2 Die Beteiligung weniger bekannter Kandidaten kann aber nicht grundsätzlich als Kriterium fiir echten Wettbewerb und Pluralismus gewertet werden. Manchmal handelt es sich lediglich um Akte persönlicher Eitelkeit einzelner Politiker bzw. um ,Unfälle' bei der Kandidatenregistrierung. Guillermo Nannetti beispielsweise hatte seine Partei vor der Wahl die Unterstützung entzogen. Da aber die Frist zum Rückzug der Kandidatur am 11. Mai 1998 abgelaufen war, konnte seine Organisation keinen neuen Kandidaten mehr aufstellen. So stand er zwar im Namen des Movimiento Nacional Progresista auf dem Wahlschein, trat aber ohne dessen Rückhalt an.3 Kritiker fordern deshalb immer wieder die Begrenzung der Zahl der Bewerber auf ,ernstzunehmende' Kandidaten. 4 Die Definition dieses Kriteriums ist jedoch äußerst fragwürdig. Grundsätzlich ließe sich die Reduzierung von Kandidaten nur über konzentrierende Maßnahmen bei der Zulassung von Parteien erreichen. Doch die Intensión der Reformen lag ja zunächst auf der Öffnung des politischen Systems und der Verbreiterung seiner Inklusionskapazität. Erst Ende der 90er Jahre wurde verstärkt wieder über normative Veränderungen nachgedacht, die konzentrierend auf das Parteiensystem wirken sollten.

1.2

Wahlkampf im Medienzeitalter

Eine wichtige Voraussetzung für kompetitive Wahlen ist ein freier Informationszugang und eine ausreichende Informationsverbreitung. Wahlkämpfe für das Präsidentenamt fanden auch nach den Reformen vor allem zwischen den aussichtsreichsten Kandidaten 5 statt. Sie waren bis 1998 regelmäßig auf die traditionellen Parteien oder auf Organisationen, die in enger Verbindung mit dem PLC und dem PC standen, konzentriert. Aufgrund ihrer Diskriminierung durch die Massenmedien ging Gloria Gaitán 1994 vorübergehend in den Hungerstreik. Vor allem das Fernsehen verhielt sich damals parteiisch. Mit dem Argument, daß das Publikum nur die Wahlteilnehmer sehen wolle, die laut Umfragen Chancen auf einen Sieg hätten, benachteiligten die Journalisten die Minderheitskandidaten. Antonio Navarro fand 1994 eine besonders originelle Form, um auf dieses Defizit hinzuweisen: Er schlich sich ohne Einladung in eine Fernsehdebatte zwischen den als potentielle Wahlsieger gehandelten Kandidaten Samper und Pastrana ein und tauchte (den Stil der früheren Guerillaorganisation M-19 nachahmend) plötzlich auf den heimischen Bildschirmen auf. Dies brachte ihm viel Sympathie bei seinen Anhängern und viel Kritik bei seinen Gegnern ein. Der den traditionellen Parteien nahestehende

2 3 4 5

Vgl.: El Tiempo, 22.6.1998. Akteneinsicht im Nationalen Wahlrat. Vgl.: Pizarra Leongómez 1998b: 3ff. 1994: Ernesto Samper und Andrés Pastrana; 1998: Horacio Serpa und Andrés Pastrana; 2002: Horacio Serpa und Alvaro Uribe.

176

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

kolumbianische Staijournalist Jamid Amad brach die Fernsehsendung sofort ab. Navarro warb mit einem Plakat von seinem Fernsehauftritt und dem Slogan Métete al debate! * für die aktive Einmischung der kleinen Parteien in den Wahlkampf. 1998 schenkten Radio, Fernsehen und Presse (wenn auch nicht vergleichbar mit den Anteilen, die die Medien den beiden ,Hauptkandidaten' Serpa und Pastrana zusprachen) auch den Anwärtern Noemi Sanin und Harald Bedoya Aufmerksamkeit. Beiden waren in Umfragen zunächst gute Chancen für die Wahlen eingeräumt worden.7 Erwähnung fanden sie vor allem in den Tageszeitungen El Espectador, El Colombiano, El País und Vanguardia Liberal} Die übrigen Präsidentschaftsbewerber wurden von den Medien kaum registriert. Die Umfragen der Meinungsforschungsinstitute und die oft darauf basierende geringe Präsenz in den Medien verdichten sich für weniger bekannte Kandidaten zu einer Verdrängungsspirale. Tabelle 3: Erwähnung der Präsidentschaftskandidaten 1998 in den Massenmedien vor dem ersten Wahlgang in Prozent Medium Pastrana Serpa Sanin Bedoya Andere Presse 34 28 20 13 6 Fernsehen 37 29 20 14 1 Radio 24 28 20 16 2 Quelle: Veeduría Ciudadana, zitiert in: Bonilla/García/Romero/Peñaranda 1998: 445ff.

Die Kandidaten aller Parteien nutzten 1994 und 1998 im Präsidentschafts- und Parlamentswahlkampf, neben den herkömmlichen Werbestrategien mit Plakaten und gezielten Rundreisen durch das Land, in erster Linie die Massenmedien. Das Zeitalter des Fernsehwahlkampfes hatte begonnen.9 Vor allem die Urbanen Wähler, aber auch diejenigen, die in weit abgelegenen Regionen des Landes leben, informieren sich heute in erster Linie durch das Fernsehen über die Präsidentschafts- und Kongreßkandidaten.10 Außerdem setzten sich alle Kandidaten bei Wahlveranstaltungen mit direktem Bürgerkontakt oder in Krisenregionen großen Gefahren aus. Die Massenmedien wurden auch deshalb zum wichtigsten Bindeglied zwischen Wähler und Gewähltem. Die Forscher der Universidad de los Andes kamen in ihrer Wahlstudie 1993 zu dem Schluß, daß die Wahlentscheidung in den 90er Jahren bereits mehr von den Massenmedien und Informationsmaterialien als von nahestehen6 7 8 9

10

Schalt' Dich in die Debatte ein! Vgl.: Cambio 16 vom 25.5.1998: 22ff. und Semana vom 1.6.1998: 46ff. Vgl.: Bonilla/Garcia/Romero/Penaranda 1998: 440f. Vgl. zu den damit verbundenen Implikationen für die politische Kultur auch: Martin-Barbero 1997: 24ff. Vgl. dazu auch Lopez 1998: 40.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

177

den Personen wie Familienangehörigen, Freunden, Lehrern, Vorgesetzten und politischen Führungspersönlichkeiten beeinflußt wurde.11 Insgesamt bildeten sich über 60 Prozent der Befragten ihre Meinung bei Wahlen über die Medien. Dabei stand das Fernsehen mit 63 Prozent an erster Stelle. Insbesondere die Nachrichtensender genießen in Kolumbien großes Vertrauen in der Bevölkerung. 12 Eine ausführliche und sachliche Informationsverbreitung unter den potentiellen Wählern war bei den Wahlen nach den Reformen eher bei den Präsidentschafts- als bei den Kongreßwahlen gewährleistet. Aber auch hier war ein Unterschied zwischen den einzelnen Kandidaten zu beobachten. Ein umfassendes und elaboriertes Wahlprogramm gaben vor allem die aussichtsreichsten Kandidat heraus. Es wurde in Auszügen in den Tageszeitungen und in wichtigen Zeitschriften sowie im Internet veröffentlicht.13 Die Tageszeitung El Tiempo publizierte bereits Wochen vor der Wahl Kandidateninformationen und von den Anwärtern auf das Präsidentschaftsamt verfaßte Artikel, in denen sie ihr Regierungsprogramm vorstellten. Wähler konnten es bei den jeweiligen Wahlkampfzentralen erhalten. Dabei ist folgendes interessant: Im Hinblick auf die Kandidaten der traditionellen Parteien waren oft größere Unterschiede zwischen den Präsidentschaftsanwärtern der gleichen Partei (gaviristas, samperistas) vorhanden als zwischen PLC und PC. Im Mittelpunkt der Diskussionen in den Massenmedien standen dennoch nicht die gesamten Regierungsprogramme, sondern allenfalls wichtige Einzelthemen. In der Bevölkerung gab es an der ausführlichen Lektüre von Programmen, an deren Umsetzung aufgrund historischer Erfahrungen gezweifelt werden konnte, auch nur begrenztes Interesse.14 Dennoch hing das Vertrauensverhältnis zwischen Kandidaten und Wählern entscheidend von der Einhaltung von Wahlversprechen ab. Bei der Studie der Universidad de los Andes gaben 81 Prozent der Befragten an, daß dies die wichtigste Qualität eines Kandidaten sei. Davon betonten 60 Prozent, daß sie dies sehr bei ihrer Wahlentscheidung beeinflußt habe.15 Zentrale Themen waren in jedem Wahlkampf die Wirtschafts- und 11 12

13

14

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1, 1993: 30ff. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1, 1993: 36ff.; vgl. auch: Martín-Barbero 1997: 21 und die Tabellen in der vorliegenden Arbeit zum Vertrauen in Institutionen und Organisationen. Vgl. beispielsweise: Cambio 16 vom 25.5.1998: 22ff. und vom 8.6.1998: 22ff.; vgl. auch: Sanin 1998: 193ff.; Pastrana 1998: 197ff. und Serpa Uribe 1998: 203ff. Germán Medina (MPC Publicidad), der den Wahlkampf des früheren Präsidenten César Gavinas leite, betonte auf einem Vortrag auf dem Seminar ,La financiación

de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4. 15

1999 in Bogotá, daß für die Kampagne Gavinas eine Million Programme gedruckt worden waren, sich aber nur rund 10.000 Abnehmer fanden. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 30f. Bei der Befragung bleibt offen, ob es sich bei den Wahlversprechen um kollektive oder um partikularistische handelt.

178

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Arbeitsmarktpolitik und die Haltung der Kandidaten zum Friedensprozeß.16 Daneben spielen die Fiskal- und die Drogenpolitik sowie die Beziehungen zu den USA eine gewisse Rolle.17 Allerdings waren die beiden letzten Punkte 1994 dominanter als 1998. Sie wurden oft polemisch und nicht sachlich diskutiert.18 Grundsätzlich versuchten die Kandidaten und deren Wahlkampfmanager in erster Linie, die Aufmerksamkeit ihrer Wähler durch neue Werbekampagnen19 und populistische Versprechen20 auf sich zu ziehen. Inhaltlicher und 16

17

18 19

Es drehte sich dabei hauptsächlich um die Bereitschaft des Kandidaten, mit der Guerilla zu verhandeln - also lim eine harte oder weiche Linie in der Friedenspolitik. Weniger stark diskutiert wurden in den Wahlkämpfen die Haltung zu den paramilitärischen Gruppen und zum Militär, auch wenn Pastrana sich 1998 für die Anerkennung der Todesschwadronen als politische Akteure aussprach. Die Frage der Menschenrechtsverletzungen und der Ursachen bzw. der Mitverantwortung des Staates fUr die politische Gewalt klammerten alle Kandidaten fast vollständig aus. Serpa galt 1998 zunächst als Garant des Friedens (Serpa - un camino hacia la paz; Serpa - ein Weg zum Frieden). Der Händedruck Pastranas mit führenden Repräsentanten der Guerillaorganisation FARC war aber schließlich ein wichtiger Pluspunkt auf dessen Weg zum Wahlsieg 1998, da er als Bereitschaft der FARC zu Friedensverhandlungen mit ihm gedeutet werden konnte. Im Präsidentschaftswahlkampf 2002 wurde der Umgang mit Paramilitärs und Guerilla schließlich zum zentralen Wahlkampfthema. Vgl.: Cambio 16, 23.3.1998: 24; Semana 23.3.1998: 34f; und El Tiempo, 20.4.1998 und 3.5.1998. Vgl.: Hoskin 1998: 376. 1994 waren sie eng an die Werbestrategie der Kampagne des No gegen Pinochet in Chile angelehnt. Vgl. dazu: El Tiempo, 8.5.1994 und Helfrich-Bernal 1995: 105ff. 1998 wurde in Kolumbien erstmals auch harte Antiwerbung gegen die Kandidaten betrieben. Es gibt in dem Andenstaat wie in anderen lateinamerikanischen Ländern eine gewisse Tradition, sich mit den ,Opfern' solcher Kampagnen zu identifizieren. Das wurde in Tumaco bei der Bürgermeisterwahl deutlich. Man befürwortete dort 1994 beispielsweise die Wahl des zuvor mehrmals unterlegenen Politikers Nilo del Castillo, der auch der Korruption beschuldigt worden war. Ein Teil der Bevölkerung verteidigte aber auch Präsident Samper und den Kandidaten der Liberalen Partei, Horacio Serpa, aufgrund dieser Identifikation mit der Opferrolle. Es war deshalb nicht ohne Risiko, wenn Andrés Pastrana Horacio Serpa 1998 in Werbespotts als hemmungslosen Privatisierer zeigte. Auch Noemi Sanin griff zu dieser Methode: In einem ihrer Clips wurden kurze Ausschnitte aus Wahlkampfreden Pastranas und Serpas gezeigt. Anschließend trat die Kandidatin mit der Frage vor die Kamera, ob die kolumbianische Bevölkerung diese Auseinandersetzung noch weitere vier Jahre anhören wolle. In einem anderen Clip erschien eine Uhr auf dem Fernsehbildschirm. Ein Sprecher ertönte mit den Worten: „Im Anschluß hören sie die programmatischen Vorstellungen der Liberalen und der Konservativen Partei". Nach einem Filmschnitt rückten die Uhrzeiger zehn Minuten weiter, ohne daß etwas zu hören war. Nun wiederholte der Sprecher: „Sie hörten die programmatischen Vorstellungen der beiden traditionellen Parteien". Informationen durch

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

179

programmatischer Überzeugungsarbeit, die eine Gesamtparteilinie hätte erkennen lassen, maßen sie wesentlich weniger Bedeutung bei. Der Parlamentswahlkampf war 1994 und 1998 stärker personen- als themenzentriert. Die entscheidende Frage für die Kongreßwahlen lautete 1994, welche der traditionellen Parteipolitiker wieder in den Kongreß einziehen würden und ob die kleineren Parteien den von ihnen bei der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung und der Parlamentswahl 1991 eroberten politischen Spielraum verteidigen bzw. erweitern konnten. 1998 drehte sich der Wahlkampf vor allem um folgende Frage: Würden die Kandidaten oder deren Stellvertreter, die in irgendeiner Form im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Korruptionsskandal des proceso 8.00021 standen, bzw. als Anhänger der Regierung Samper galten, in den Kongreß gewählt werden? Oder hatten die sogenannten anticontinuistas Chancen? Darunter faßte man alle Kongreßanwärter zusammen, die der Regierung kritisch gegenüber gestanden hatten, unabhängig von ihrer parteipolitischen Couleur. Für den Kongreß bemühten sich nur einzelne Kandidaten, darunter vor allem Anhänger kleinerer, neuer Parteien, detailliertere programmatische Vorstellungen unter das Wahlvolk zu bringen. Bei Bürgermeister- und Gouverneurswahlen führte die verpflichtende Registrierung des Wahlprogramms (voto programático) in einem Teil der Organisationen zu stimulierenden, parteiinternen Diskussionsprozessen. Die Kandidaten systematisierten darüber ihre Regierungsvorhaben und stellten sie der Bevölkerung in systematischerer Weise als früher vor.22 Die Massenmedien verstärkten bei den genannten Wahlen in erster Linie den populistischen Schlagabtausch. Durch die große Zahl der Wahlbewerber, die enge Verknüpfung zwischen den traditionellen Parteien, den privaten Fernsehund Radiosendern sowie den Tageszeitungen und den dort beschäftigten Journalisten, hatten vor allem neue Kandidaten einen schwierigeren Zugang zu den Massenmedien. 23 Außerdem spricht der Nationale Wahlrat (Consejo Nacional Wahlkampfbeobachtung in Bogotá, Vortrag von Germán Medina (MPC Publici20

21

22

23

dad) auf dem Seminar ,Lafinanciaciónde los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá und Seegers 1998: 84. Dazu zählte das Versprechen, neue Arbeitsplätze zu schaffen (1.000.000 Samper 1994; 1.000.000 Pastrana 1998; 600.000 Serpa 1998), hinzu kam die soziale Abfederung neoliberaler Anpassungspolitiken (Samper 1994 durch sein Sozialprogramm Red de Solidaridad Social), die Reduzierung der Mehrwertsteuer (Pastrana 1998) und der Wochenarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden (Serpa 1998). Vgl. das entsprechende Kapitel zum Skandal um die Wahlkampffinanzierung

Ernesto Sampers und zum proceso 8.000. Wahlbeobachtung in Bogotá, Tumaco und Medellin sowie Interviews mit verschiedenen Kandidaten zum Bürgermeisteramt und zum Stadtrat (u.a. mit Alonso Salazar, Emiro Cabezas, Antanas Mockus und Jorge Child) Vgl. zur Verknüpfung von Massenmedien und Politik: Pearce 1992.

180

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Electoral, CNE) den Kandidaten die Sendezeiten im Fernsehen entsprechend ihres Stimmenpotentials zu. Das verstärkt die bestehenden Machtverhältnisse in den Institutionen und benachteiligt Neulinge. Andererseits unterstützte ein Teil der Medien 1998 Initiativen aus der Zivilgesellschaft, die sich zum Ziel gesetzt hatten, .objektivere' Informationen über die Kandidaten zum Kongreß zu veröffentlichen. Universitäten, Nichtregierungsorganisationen, die staatliche Wahlbehörde (RNEC), die Generalstaatsanwaltschaft und einzelne staatliche Stellen trugen dazu bei. Die Behörden veröffentlichten Listen von Kandidaten, denen beispielsweise Unterschlagungs- und Korruptionsdelikte vorgeworfen wurden. Diese Publikationen dienten zwar der Information der Bürger. Einigen der genannten Personen wurden aber auch Vergehen unterstellt, die sie nicht begangen hatten. Daraufhin mußte die Staatsanwaltschaft Teile ihrer Beschuldigungen widerrufen. Diese Fehlinformationen schadeten dem Image einzelner Politiker und verwirrten die Wähler.24 Das Institut für Politikwissenschaft der Universidad de los Andes hatte unter Leitung von Elisabeth Ungar in Anlehnung an ein ähnliches Modell der Stiftung Poder Ciudadano in Argentinien und Alianza Cívica in Mexiko das Projekt Candidatos Visibles ins Leben gerufen.25 Den Mitarbeitern des Instituts ging es um objektivere und systematischere Wahlinformation. Dazu veröffentlichten sie eine Zeitschrift,26 die mittlerweile auch im Internet zugänglich ist27 und legten eine Datenbank mit Informationen über eine Vielzahl von Kandidaten an. Sie kann bei den Wahlen vergleichend herangezogen werden und erlaubt es in der Zukunft, Profile der Kongreßpolitiker zu erstellen, die bereit sind, mit der Universität zusammenzuarbeiten. Die Projektleiter forderten die Politiker vor den Kongreß- und Präsidentschaftswahlen auf, (auf freiwilliger Basis) umfangreiche Fragebögen auszufüllen. Sie bezogen sich vor allem auf die persönlichen Daten der Kandidaten, ihre politische Laufbahn, die legislative Tätigkeit im Kongreß, ihre Position zu verschiedenen Gesetzesprojekten und auf die Finanzierung ihrer Wahlkampagne. Verschiedene nationale und lokale Tageszeitungen veröffentlichten anschließend die Ergebnisse. Ein Teil der Medien publizierte die Daten ausschnittweise; andere (wie beispiels24 25

26 27

Vgl.: El Tiempo, 2.3.1998, El Espectador, 1.3.1998. Die Aktion wurde außerdem von folgenden Organisationen unterstützt: Fundación Social, Episcopado Colombiano, Casa Editorial El Tiempo, Consejo Nacional Gremial, Fundepúblico, Fundación Andi, Unión Colombiana de Empresas de Publicidad-Ucep, Asociación Bancada, Fundación Amor por Medellín, Corporación Causa Común-Voto Inteligente. Vgl.: Ruíz/Ungar 1998: 340. Es gab auch früher schon Bemühungen, Informationen über Kongreßkandidaten zu veröffentlichen, die allerdings nicht die gleiche aufklärende Intention hatten. Vgl. dazu: SamperP. 1982 und 1986. Congreso Visible. Obervatorio Legislativo. Vgl.: http://cv.uniandes.edu.co.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

181

weise El Tiempo) in einer Beilage, die zusätzliche Informationen über den Wahlprozeß und die Funktionsweise des Kongresses enthielt. Außerdem wurden sie auf den Webseiten der Tageszeitungen im Internet publiziert.28 Die breite Darstellung der Resultate sollte die Transparenz des Wahlprozesses erhöhen. Die Wahrheit der Angaben, die einzelne Kandidaten zu ihrer Person und Tätigkeit machten, konnten die Initiatoren der Kampagne natürlich nicht garantieren. Allerdings standen die Politiker durch die Herstellung von mehr Transparenz und Öffentlichkeit unter Zugzwang. 29 Die Forscher der Universität Los Andes setzten sich auch dem Vorwurf aus, durch die Analyse parteipolitisch beeinflussen zu wollen, der allerdings als unbegründet gelten kann. 3 Auch andere Organisationen bemühten sich um die Versachlichung der Information über die zur Verfugung stehenden Kandidaten. Stiftungen wie Viva La Ciudadanía31 und wiederum die Zeitung El Tiempo publizierten Listen, in denen sie »wählbare' und ,nicht wählbare' Kandidaten zum Kongreß unterschieden, meist auf der Grundlage ihrer Verwicklung in Korruptionsskandale. Solche Hilfestellungen dienten den Wählern sicherlich nicht als einzige Entscheidungsgrundlage. Doch viele der als wählbar gewerteten Kandidaten erzielten 1998 und 2002 gute Wahlergebnisse. Zur Versachlichung der Wahlen trug auch das Verbot von festlichen Aktivitäten am Wahltag bei. Die Wahlen verloren nach 1991 durch die neuen Normen ihren Volksfestcharakter - auch wenn traditionelle Politikgewohnheiten dadurch natürlich nicht vollständig zu unterbinden waren und ein wichtiger kultureller Stimulationseffekt verloren ging. Die Verteilung von Wahlpropaganda am Wahltag war ebenfalls untersagt, um einseitige Manipulation zu verhindern. Das Sicherheitspersonal sorgte in der Regel dafür, daß die Wähler sie nicht mit an die Urnen nahmen. Eine vollständige Unterbindung dieser früher üblichen Praxis war allerdings nicht möglich. 28

29

30

31

Diese Medien rezipiert allerdings nur ein geringer Teil der Bevölkerung. Die Verbreitung der Information in den stärker genutzten audiovisuellen Medien war nicht sehr bedeutend. Vgl. Ruiz/Ungar 1998: 352. 64 Studenten verschiedener Universitäten und Mitglieder der Stiftung Causa Común-Voto Inteligente überreichten den Kongreßmitgliedern die Fragebögen persönlich. Sie verfolgten auch ihre Kongreßtätigkeit über eine gewisse Zeit. Dies sollte den Druck auf die Politiker erhöhen, ihre Angaben wahrheitsgemäß zu machen. Außerdem gebrauchte die Universität das Petitionsrecht gegenüber verschiedenen staatlichen Instanzen. Dadurch wollten die Forscher herausfinden, welchen der Kandidaten kriminelle Vergehen vorgeworfen wurden. Diese Information konnte allerdings aufgrund der Kürze der Zeit vor den Wahlen 1998 nicht mehr veröffentlicht werden. Vgl.: Ungar/Ruiz 1998: 347f. und 350. Interview mit Elisabeth Ungar am 8.4.1998, die diesen Vorwurf ebenfalls strikt zurückwies. Vgl. die in der Tageszeitung El Tiempo vom 1.3.1998 geschaltete seitenlange Anzeige Hay por quien votarl - Es gibt wählbare Kandidaten!.

182

2.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Wahl- und Wahlkampffinanzierung

Die Abhaltung demokratischer Wahlen ist mit einem hohen finanziellen Aufwand für den Staat verbunden. Die hinzugekommenen Wahlen von Bürgermeistern und Gouverneuren, die Einführung des zweiten Wahlgangs bei Präsidentschaftswahlen, die Auseinanderlegung der Wahltermine, 32 die Möglichkeit für Auslandskolumbianer, an den Senatswahlen (und von März 2002 an auch an den Wahlen zum Repräsentantenhaus) teilzunehmen 33 sowie die Zunahme von Parteien bzw. Kandidaten verteuerten die Urnengänge erheblich.34 In Kolumbien kommen erschwerend die topographischen Gegebenheiten hinzu. Sie machten in einigen der 1.071 Kommunen 35 den Einsatz von Flugzeugen und Motorbooten notwendig. Da eine Kommune oft aus einer Urbanen Zone und mehreren kleineren Weilern (veredas, corregimientos, inspecciones de policía36) besteht, mußten 1998 9.400 Wahllokale aufgebaut und mit Wahlmaterialien versorgt werden. Trotz der zu erwartenden Wahlenthaltung läßt die Wahlbehörde Stimmzettel für alle potentiellen Wähler drucken. Für die Kongreßwahlen 1998 waren dies beispielsweise 49,5 Millionen Wahlscheine. Hinzu kamen Kosten für die Satellitentechnik zur Datenübermittlung, die sich für die Parlamentswahlen 1998 auf 1.500 Millionen Pesos beliefen.37 Die Mitarbeiter der Wahlbehörde besuchten die abgelegenen Kommunen nach Urnengängen, um die definitiven Wahlergebnisse zu ermitteln und festzustellen (iescrutinios).38 Außerdem verursachte eine erneute Reform der Wahlgesetzgebung noch zusätzliche Kosten: Durch das Gesetz zur Förderung der Wahlbeteiligung39 gab die RNEC 1997 20,7 Millionen Wahlzertifikate, die bestimmten Kriterien gegen Fälschungsmöglichkeiten entsprechen mußten und 60 Pesos pro Stück kosteten, in Auftrag. Sie bezahlte außerdem rund 4,2 Milliarden Pesos, um die Wähler in Fernsehen, Radio und Zeitungen zur Wahl zu motivieren und in dem komplizierten Wahlprozeß zu orientieren. Allein die Regional- und Kommunalwahlen 1997 kosteten den Staat insgesamt rund 65,

32

33

34 35 36 37 38

39

Ihre erneute Zusammenlegung wird u. a. aufgrund der finanziellen Belastung für den Staat immer wieder gefordert. Vgl. beispielsweise: Pizarro Leongómez 1997: 147. Bei den Wahlen nach der Verfassungsgebung konnten in rund 160 Konsulaten Kandidaten für den Senat und später für das Repräsentantenhaus gewählt werden. Vgl. dazu auch Pizarro Leongómez 1996: 226. Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 1998. 1998 gab es 2.359 corregimientos und 4.148 inspecciones de policía. Vgl.: El Espectador, Semana Económica, 8.3.1998. Vgl. zum Ermittlungs- und Feststellungsverfahren der Wahlergebnisse: FrancoCuervo 1995: lOff. Vgl.: Ley 403 del 27 de agosto de 1997 (Estímulos para los sufragantes) und Sentencia C-337/97, Corte Constitucional.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

183

die Kongreßwahl 1998 rund 72 Milliarden Pesos.40 Die Frage nach den Kosten, die Wahlen verursachen, stellen sich die Bürger in Demokratien nur selten. Wenn in Kolumbien über diese Frage diskutiert wurde, dann lag dies nicht nur an den zunehmend leeren Staatskassen, sondern stand auch im Zusammenhang mit der Diskussion um das tatsächliche Veränderungspotential und die Legitimität der Wahlen, auf die ich an späterer Stelle noch eingehen werde. Auch die Finanzierung der Wahlkämpfe wurde nach den Reformen 1991 immer teuerer. Wie bereits erläutert, unterstützt der Staat die Parteien und Kandidaten direkt und indirekt. Doch die Finanzierung durch den Staat ist keineswegs ausreichend. Die Zuteilung der Gelder an Kandidaten bzw. an die Anfuhrer der Parteilisten statt an Parteizentralen forderte die interne Faktionierung und die Gründung neuer Parteien. Dies stimulierte zwar den Wettbewerb, die Vorgehensweise trug aber auch zur Atomisierung des Parteiensystems bei. Bei den Wahlen 1994 und 1998 verfügte jeder Listenkandidat über eine eigene Wahlkampfzentrale. Dies sind meist eine oder mehrere Ad-hoc-Stiftnngen, die auch die Finanzen verwalten.41 Eine Kampagne für den Kongreß kostete 1994 zwischen 50.000 und 180.000 Mark. Aufgrund der gesetzlich vorgesehen Finanzierung erstattete der Staat 1994 für jede gewonnene Stimme 500 Pesos sowie 200 Pesos für Transportkosten, damals insgesamt rund 1,30 Mark. 42 1998 erhielt ein Senator 838 Pesos für jede Wahlstimme als Wahlkampfkostenerstattung. Dabei durfte er den vom Nationalen Wahlrat festgesetzten Höchstsatz von 265 Millionen Pesos für eine Kampagne nicht überschreiten.43 Doch selbst der bei der Kongreßwahl 1994 mit über 80.000 Stimmen erfolgreichste Kandidat, Fuad Char, erhielt nur rund 105.000 Mark staatliche Wahlkampfkostenerstattung. Mehr als die Hälfte der Kandidaten erreichte lediglich bis zu 20.000 Stimmen. Ihnen wurde bis zu höchstens 25.000 Mark rückerstattet. Deshalb bemühten sich fast alle Kandidaten um zusätzliche private Sponsoren. Diese finanzieren Kampagnen natürlich nicht uneigennützig. Sie verpflichten damit Politiker schon vor der Wahl auf eine bestimmte Politiklinie. Dabei unterstützen die Unternehmer verschiedene, meist liberale und konservative Kandidaten. Bei den letzten beiden Wahlkämpfen kamen die Gelder vereinzelt auch aussichtsreichen Anhängern neuer Parteien zugute. Die Finanziers streuen dadurch ihr Risiko nach pragmatischen Kriterien. Die größte kolumbianische Unternehmensgruppe Santodomingo finanzierte 1994 den Präsidentschaftskandidaten Samper mit bis zu drei Millionen USDollar. Der Unternehmensverbund von Ardila Lülle unterstützte ihn mit rund 2 Millionen. Seinem Gegenkandidaten Pastrana ließ das Konglomerat rund 2,5 Millionen US-Dollar zukommen. 1998 erhielt Horacio Serpa Gelder von 11 40 41 42 43

Vgl.: El Espectador, Semana Económica, 8.3.1998. Vgl. auch: González/Cárdenas 1998: 118. Vgl.: Ley 84 de 1993 und El Tiempo, 13.3.1994. Vgl.: El Espectador, Semana Económcia, 8.3.1998.

184

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

großen Unternehmen.44 Pastrana wurde von 22 Finnen finanziert.45 Die Interessen dieser Unternehmen beziehen sich zum einen auf die generelle Ausrichtung der Wirtschaftspolitik. Aber auch die Privatisierung staatlicher Unternehmen, die nach 1994 anstand, sollte möglichst in ihrem Sinne gestaltet werden. Wichtige Spender waren 1994 und 1998 die späteren Käufer des drahtlosen Telefonnetzes, kommerzieller Fernsehsender und privatisierter Banken.46 Dabei ist vor allem fragwürdig, ob mehr als die Hälfte der Finanzen eines Wahlkampfes aus der gleichen Finanzierungsquelle stammen darf. Besonders im Hinblick auf die oligopolartige Stellung dieser Wirtschaftsunternehmen und ihre Marktdominanz sind dabei größte Bedenken anzumelden. Obwohl der Nationale Wahlrat47 1994 eine Finanzgrenze von rund 3,5 Millionen Mark angesetzt hatte, überzogen die beiden Präsidentschaftsanwärter diese Summe erheblich. Nach offiziellen Angaben wurden 70 Prozent ihrer Kampagnen von Privatunternehmen und 30 Prozent von Einzelpersonen finanziert. 8 Wie sich später herausstellte, waren diese Angaben falsch. Ein erheblicher Teil der Gelder der Wahlkampagne Ernesto Sampers stammte aus illegalen Quellen des Cali-Kartells.49 Sein Gegenkandidat, Andrés Pastrana, übergab dem damaligen Präsidenten César Gavina Tonbandaufzeichnungen, die belegen sollten, daß Sampers Wahlkampf von der Mafia finanziert worden war. Man vermutete, daß Pastrana die Informationen von der US-amerikanischen Drug Enforcement Agency erhalten hatte. Dies diente einem Teil der öffentlichen Meinung und Präsident Samper selbst als Argument: Er und sein Innenminister Horacio Serpa versuchten, den Korruptionsskandal als Verschwörungsakt politischer Gegner und der USA gegen ihren aus deren Sicht zu

44

45

46 47 48

49

Sie gehörten den Unternehmensgruppen Sindicato Antioqueño, Ardila Lülle, Santodomingo, Sarmiento Angulo, Gilinsky, Haime und Espinoza an. Vgl.: Mateus 1998: 492. Sie gehörten den Unternehmensgruppen Sindicato Antioqueño, Bolívar, Colpatria, Espinosa, Conglomerado Ganadero, Grupo Sanford und Corona an. Vgl.: Mateus 1998: 492. Vgl.: Mateus 1998:491. Consejo Nacional Electoral (CNE'). Vgl. insgesamt: El Tiempo, 8.5.1994; Lazala-Silva 1994: 69; Helfrich-Bernal 1995: 105ff. und Gilhodes 1996: 78. Aber auch Pablo Escobar behauptete bereits vor den Wahlen 1994, daß Ernesto Samper als Chef der Wahlkampagne von Alfonso López Michelsen 1982 20 Millionen Pesos vom Medellin-Kartell erhalten hätte. Außerdem war Samper zusammen mit dem Drogenhändler Gilberto Rodríguez Mitglied der Führungsspitze der Banco de los Trabajadores. Vgl.: López 1998: 44ff. In Kolumbien wird bereits seit den 60er Jahren verschiedenen Politikern die Annahme von Geldern der Drogenmafia unterstellt. Dies weitete sich jedoch zuvor nie zum Skandal aus. Vgl. auch: González/Cárdenas 1998: 122 und 127.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

185

moderaten neoliberalen Wirtschaftskurs und ihre zu üppige Sozialpolitik zu verkaufen. Ab Februar 1995 wurde eine Reihe von Kongreßabgeordneten wegen des Vorwurfs der illegalen Bereicherung verhaftet. Der sogenannte Prozeß 8.000 involvierte mehr als 100 Kongreßabgeordnete mit den Drogenbossen.50 Die meisten davon gehören der Liberalen Partei an. Viele stammen aus dem departamento Valle. Betroffen waren unter anderen der ehemalige Präsident des Repräsentantenhauses, Alvaro Benedetti, und der frühere Senatspräsident, Jorge Elias Nader.

50

Neben den in der Tabelle zur illegalen Bereicherung genannten Personen beispielsweise: Armando Holguín Sarria, Maria Izquierdo de Rodríguez, Rosenberg Pabón, Carlos Abadía, Samuel Moreno, Carlos Espinosa Facciolince, Miguel Motta, Francisco José Jattin, Gustavo Rodríguez, Carlos Alonso Lucio, Rodolfo González, Tibero Villareal, Manuel Francisco Becerra, Gustavo Espinoza, Hugo Castro, Ana Pechtalt, Roberto Gerlein, Jaime Lara Aijona. Der Staatsanwaltschaft lagen außerdem eine Reihe von Firmen der Drogenmafia an Politiker ausgezahlte Schecks vor. Vgl.: López 1998: 47 und El Tiempo, 29.12.1998.

186

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 4: Wegen illegaler Bereicherung beschuldigte und verurteilte Politiker Ñame Fernando Botero Santiago Medina David Turbay Turbay Orlando Vásquez Eduardo Montoya Juan Manuel Turbay Saulo Arboleda Rodrigo Villamizar Jorge R. Elias Nader Alvaro Benedetti Mauricio Gúzman Alberto Santofimio Rodrigo Garavito José Félix Turbay Germán Romero Jaime Arizabaleta Calderón Mario Camacho Prada Ramiro Lucio Pedro Ignacio Malaver* Humberto Pava Camelo Emiro Arrázola Alfonso Valdivieso**

Funktion Ex-Verteidigungsminister Ex-Finanzchef Sampers Ex-Contralor Ex-Procurador Ex-Vizeprocurador Ex-Kommunikationsminister Ex-Minister Ex-Minister Ex-Senatspräsident Ex-Präsident des Repräsentantenhauses Ex-Bürgermeister, Cali Ex-Senator Ex-Senator Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Repräsentant Ex-Generalstaatsanwalt

Partei Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Liberal Konservativ Liberal Liberal

* **

Schwager von David Turbay. Erhielt fiir seine Wahlkampagne zum Senat 1991 von Efraín Hernández einen Scheck über 2.700.000 Pesos. Letzterer wurde später als Drogenhändler verhaftet. Valdivieso wurde allerdings aufgrund der unklaren Rechtslage weder verurteilt noch verhaftet. Quelle: El Tiempo, 24.9.1998.

Die Generalstaatsanwaltschaft 5 1 unter Leitung von Alfonso Valdivieso und Adolfo Salamanca warf drei Ministern der Regierung Samper, Außenminister Rodrigo Pardo García-Peña, Innenminister Horacio Serpa Uribe und K o m m u nikationsminister Juan Manuel Turbay vor, in die Beschaffung der Wahlkampfgelder verwickelt gewesen zu sein. Doch nur Juan Manuel Turbay wurde das Delikt der illegalen Bereicherung nachgewiesen. Die Staatsanwaltschaft verhaftete außerdem den ehemaligen Procurador General de la Nación, 5 2 Orlando Vásquez, und seinen Stellvertreter Eduardo Montoya sowie den da-

51 52

Fiscalía General de la Nación. Etwa: Generalstaatsanwalt. Seine Aufgaben: Überwachung der Einhaltung der Verfassung und Gesetze; Überprüfung der Einhaltung der Menschenrechte in Zusammenarbeit mit dem Defensor del Pueblo; Kontrolle der Staatsangestellten.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

187

maligen Leiter der Contrataría, einer Art Rechnungshof, David Turbay Turbay. Am 26. Juni 1995 wurde wegen falscher Zeugenaussage und illegaler Bereicherung der Finanzchef der Wahlkampagne, Santiago Medina, in Gewahrsam genommen. Ihm folgte am 15. August der ehemalige Verteidigungsminister und hauptverantwortliche Wahlkampfleiter Fernando Botero.53 Die durch die illegale Wahlkampffinanzierung entstandene Legitimationskrise belastete die Regierung erheblich. Die zahlreichen Aufforderungen an den Präsidenten, zurückzutreten und den Weg für den Vizepräsidenten freizumachen, fanden bei ihm kein Gehör. Samper beharrte während der gesamten Amtszeit auf seiner Unschuld. Er behauptete, die Drogengelder seien (wenn überhaupt) hinter seinem Rücken in seine Wahlkampagne infiltriert worden.54 Er habe sich persönlich nicht bereichert und sei für die Verwaltung der Finanzen nicht zuständig gewesen. Die für die Untersuchung des Präsidenten verantwortliche Comisión de Acusación de la Cámara de Representantes schloß am 13. Dezember 1995 ihre Nachforschungen ,aus Mangel an Beweisen' ab. Am 14. Februar 1996 klagte Staatsanwalt Valdivieso den Präsidenten vor allem aufgrund zusätzlicher Aussagen bei der Vernehmung von Fernando Botero im Januar 1996 erneut an. Es war eine veränderte Beweislage entstanden. Die folgenden Vorwürfe wurden erhoben: a) Eingang von Gelder kriminellen Ursprungs in die Wahlkampagne b) Falsche Rechnungsführung über die Wahlkampffinanzierung c) Überschreitung der vorgeschriebenen maximalen Wahlkampffinanzierung d) Unerlaubte Nutzung staatlicher Einrichtungen und Mittel im Wahlkampf e) Verschleierung dieser Vergehen Der Präsident reagierte auf die Angriffe am 24. Januar 1996 mit dem Vorschlag eines Referendums. Die Bevölkerung solle über sein Verbleiben im Amt entscheiden. Er verband damit die Hoffnung, daß ihn die Mehrheit der Kolumbianer aufgrund seiner Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht abwählen würde.55 Nach der erneuten Anklage durch die Staatsanwaltschaft zogen sich schließlich die drei konservativen Minister aus der Regierung Samper zurück. 53 54

55

Vgl. dazu und zum folgenden Abschnitt: IRELA 1996: 4ff. Die überdurchschnittlich hohen Wählerzuwachsraten im zweiten Wahlgang waren 1994 jedoch nur schwer zu erklären. In der traditionell liberalen Stadt Yopal beispielsweise stimmten im ersten Wahlgang 2.604 Personen für Samper und 1.679 für Pastrana, im zweiten 23.121 für den späteren liberalen Präsidenten und 5.929 für seinen Konkurrenten. Dies war eine Steigerung von 787 Prozent für Samper. Vgl.: El Tiempo, 26.6.1994. Vgl.: Semana vom 13.8.96: 23ff.

188

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Ein Teil der liberalen und konservativen Politiker legte ihre Posten in der Administration und im Auswärtigen Dienst nieder. Auch die spätere Präsidentschaftskandidatin Noemi Sanin beendete am 24. August 1995 vorzeitig ihre Tätigkeit als Botschafterin in Großbritannien. Innerhalb der Liberalen Partei bildeten sich schnell zwei Meinungsrichtungen heraus: das eine Lager hielt die Absetzung des Präsidenten für die einzige Lösung zur Reinwaschung der Partei. Sie wollten verhindern, daß Samper den Ruf des PLC schädigte. Die politische und institutionelle Stabilität sollte keiner übermäßigen Gefährdung ausgesetzt werden. Ein anderer Flügel war der Ansicht, daß der Erhalt der Einheit der Partei die bedingungslose Unterstützung Sampers fordere. Der Abschluß der Ermittlungen müsse abgewartet werden. Erst dann sei eine Entscheidung zu treffen. Die liberale Parteiführung unterstützte den Präsidenten vorsichtig. In einer Erklärung vom Januar 1996 betonten die Politiker, daß er nicht vorverurteilt werden könne. Sie verteidigten ihn aber auch nicht direkt. Die Parteiführung wurde nicht müde, auf die von der Verfassung vorgesehenen Regeln zur Lösung der Krise hinzuweisen. In dieser Aussage konnte man auch eine Aufforderung an den Vizepräsidenten und Botschafter in Spanien, Humberto de la Calle, lesen, die Präsidentschaft zu übernehmen. In bezug auf das vom Präsidenten vorgeschlagene Referendum wurden Zweifel über dessen Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität geäußert.56 Eine tiefe Konfliktlinie verlief zwischen den Anhängern der Regierung Samper und den Repräsentanten der früheren Regierung Cesar Gavina. Diese Spaltung zog sich zum einen entlang von bürokratischen, zum andern aber auch entlang von programmatischen Grenzlinien. Die gaviristas waren Anhänger eines strikt neoliberalen Wirtschaftsmodells. Die anderen vertraten ein neoliberales Modell mit sozialen Akzenten.57 Manche Samperisten gingen sogar so weit zu behaupten, daß die Krise von den Anhängern des früheren Präsidenten ins Leben gerufen worden sei, damit der Vertreter ihres Flügels, Vizepräsident Humberto de la Calle, die Regierung übernehmen könne. Gaviria selbst erklärte zusammen mit zwei Ex-Präsidenten, daß die Absetzung Sampers nicht mit der Beendung des Regierungsprogramms ,El Salto Social' ,Der soziale Sprung' verbunden sei. An der Spitze einer Gruppe aus liberalen und konservativen Ministern und Mitgliedern der ehemaligen Regierung Gaviria stand der Ex-Finanzminister 58 Rudolf Hommes. Dieser Sektor veröffentlichte am 22. Januar 1996 das Dokument .Agenda 1996'. Darin forderte er den Rücktritt von hohen Regierungsmitgliedern, die Umsetzung von Reformen und eine konsequent neoliberale Wirtschaftspolitik. Die eher technokratisch orientierte Gruppe warf der Regierung die Politisierung und Klien-

56 57

58

Vgl.: IRELA 1996: 6ff. Vgl.: El plan Samper... ohne Datum: 5ff.

Ministro de Hacienda.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

189

telisierung der Administration und ihren mangelnden Willen zur Modernisierung des politischen und wirtschaftlichen Systems vor.59 Die Konservativen vertraten ebenfalls keine einheitliche Position gegenüber Samper. Die Tatsache, daß ein Teil der Partei Regierungsämter und hohe bürokratische Posten innehatte, machte dies unmöglich. Die Gruppe, die Samper unterstützte, wurde mit dem Spitznamen Los Lentejos bezeichnet. Sie bestand aus rund 30 Kongreßabgeordneten. Die meisten verhielten sich nach den Anweisungen der Parteiführung (DNC). Die Kritiker Sampers waren vor allem Anhänger Andrés Pastranas. Er hielt die Wahlen, die er gegen Samper verloren hatte, für unrechtmäßig. Er forderte aber keine Neuwahlen, sondern befürwortete ebenfalls die Übernahme der Präsidentschaft durch den Vizepräsidenten. Am 24. Januar 1996 riet die Parteiführung schließlich den Konservativen Ministern ihre Ämter niederzulegen. Sie mahnten Samper im Februar 1996 zurückzutreten, bis die Untersuchung seines Falles im Kongreß abgeschlossen sei. Insgesamt gab es also vier Fraktionen im Parlament: Diejenigen, die Samper aufgrund seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht entbehren wollten und eine moderatere Gruppe, die den Präsidenten zeitweilig abzusetzen suchte. Ein kleiner radikaler Sektor legte es darauf an, den Präsidenten mit allen Mitteln zu entmachten. Die Politiker schließlich, die die Generalstaatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem proceso 8.000 beschuldigte, hielten bedingungslos zu Samper. Ein Teil der Abgeordneten beider Parteien schlug schließlich eine Art Schlußpunktgesetz, ley de punto final, vor, um die Krise zu beenden. Es sah eine Amnestie für die Abgeordneten des Prozesses 8.000 vor, wenn diese von ihrem Amt zurücktraten und ihre Schuld eingestanden. Der Generalstaatsanwalt stand einer solchen Lösung zunächst positiv gegenüber. Die Regierung zeigte ihre Bereitschaft, das Gesetz zu unterstützen. Schließlich wurde dieser Vorschlag aber wieder kontrovers diskutiert und verworfen. Einige Unternehmerverbände entwickelten sich zu den schärfsten Kritikern der Regierung Samper. Der Consejo Gremial Nacional forderte den zeitweisen Rücktritt des Präsidenten. Die Regierbarkeit des Landes sei nicht gewährleistet. Nachdem die USA es abgelehnt hatten, Kolumbien zu bescheinigen, daß das Land hinreichend bei der Bekämpfung des Drogenhandels kollaboriere (decertificación), wurde die Rücktrittsaufforderung an Samper im März 1996 wiederholt. Ein Teil des Wirtschaftssektors forderte einen Unternehmerstreik, um den Präsidenten zur Amtsniederlegung zu zwingen. Schließlich verzichteten sie aber darauf. Der Unternehmer Pedro Gómez Barrero schlug vor, daß man sich nicht so sehr auf den Präsidenten konzentrieren solle, sondern auf die Lösung der politischen Krise und die Bekämpfung der Korruption. Er sprach sich für eine Neuauflage der Nationalen Front in bewährter Parteitradition und 59

Vgl. dazu und zum folgenden: El Espectador, 12.8.96, 14.8.96 und 15.8.96 und Rodríguez Gómez 1997: 31ff.

190

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

für eine überparteiliche Kommission auf hohem politischen Niveau aus, um die Krise zu bewältigen. Der größte Teil des Gewerkschaftssektors, vor allem die Confederación de Trabajadores de Colombia, CTC, sagten Samper ihre Unterstützung zu. Auch die CUT, Central Unitaria de Trabajadores, lehnte einen Streik ab. Die Position der Gewerkschaften war vor allem durch die Zustimmung zum moderat neoliberalen Kurs Sampers geprägt.60 Aus Militärkreisen wurden im Nachhinein mehrere Putschideen bekannt, deren Ernsthaftigkeit allerdings nicht bewiesen werden konnte. Angeblich war die US-Botschaft darüber unterrichtet und ein vermeindlicher Putsch wurde auch als Grund für das Attentat mit tödlichem Ausgang auf Alvaro Gómez angeführt. 61 Die Kommission des Repräsentantenhauses, die mehrheitlich aus Freunden Sampers bestand, stellte schließlich trotz des gesellschaftlichen und außenpolitischen Drucks und aller gegen den Präsidenten sprechenden Indizien das Verfahren ,mangels Beweisen' am 12. Juni 1996 ein.62 Dieses Entgegenkommen' der Parlamentarier wußte Samper während seiner Amtszeit in vielerlei Hinsicht zu entschädigen. Er verhielt sich spendabel bei der Zuteilung der Ressourcen der Regionalfonds (fondos de cofinanciación6i), in der Sozialpolitik (durch die Red de Solidaridad Social) und bei der Verteilung staatlicher Verträge. Gegenüber den Unternehmern, die ihn gestützt hatten, zeigte er sich durch die Verzögerung einer Steuerreform erkenntlich. Protektionistische Maßnahmen sollten ihre Betriebe schützen. Er war großzügig bei der Vergabe von Staatskonzessionen. Bei der Zuteilung der Lizenzen für private Fernsehsender bevorzugte der Präsident seine Freunde. Kritikern dagegen (wie dem Nachrichtensender QAP) ließ er die Lizenz entziehen. Den Gewerkschaften kam Samper durch Lohnsteigerungen entgegen. Sie gingen beispielsweise bei der Telecom über die für den öffentlichen Dienst festgesetzten 13 Prozent hinaus. Er verschob Privatisierungen (Ferngespräche der Telecom) und die Umstrukturierung staatlicher Unternehmen (Ecopetrol). Der Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes, CUT, wurde zum Arbeitsminister ernannt. Der Caja Agraria teilte die Regierung 40 Milliarden Pesos zu, die die vorgesehenen 12 Milliarden weit überschritten. Gegenüber dem Militär machte Samper in seinen Reformvorschlägen ebenfalls Zugeständnisse. Es sollte die Möglichkeit zurückerhalten, über zivile Personen Recht zu sprechen.64 60 61 62

63

64

Vgl.: Delgado 1998: 49. Interview mit Gloria Bemal, 12.10.1996. Der Kommission wurde vorgeworfen, daß sie wichtige Beweise nicht berücksichtigt habe. Vgl.: Informe de la Comisión Ciudadana de Seguimiento 1996: 105ff. Statt der früher dafür herangezogenen auxilios parlamentarios wurden nach den Reformen die von Gavina eingeführten fondos de cofinanciación für klientelistische Zwecke eingesetzt. Vgl.: Pizarro Leongómez 1996: 221f. Vgl.: Semana, 13.8.96 und Sarmiento Anzola 1998: 52.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

191

Der Skandal um den proceso 8.000 macht die Schwierigkeit deutlich, in Präsidialsystemen institutionelle Lösungen für Krisen zu finden. Da nur eine Art Impeachmentverfahren, aber kein konstruktives Mißtrauensvotum vorgesehen ist, kann der Präsident vom Kongreß nicht abgewählt werden.65 Es ist aber auch durchaus denkbar, daß Samper Mittel und Wege gefunden hätte, um ein konstruktives Mißtrauensvotum durch das Parlament zu verhindern. Die im kolumbianischen Präsidialsystem möglichen Lösungen (wie Neuwahlen nach einem Impeachmentverfahren oder die Übernahme der Amtsgeschäfte durch den Vizepräsidenten) hätten durchaus zur Entschärfung der Krise beigetragen. Deshalb können nicht allein die Schwächen des Regierungssystems für die mangelnde institutionelle Konfliktlösungskapazität verantwortlich gemacht werden. Informelle Institutionen und die Empfänglichkeit der Abgeordneten fur die finanziellen Angebote der Regierung spielten eine wichtige Rolle. Außer der Staatsanwaltschaft untersuchte auch der Consejo National Electoral ab Februar 1996 die Wahlkampagnen von Samper und Pastrana. Beide hatten die staatlich zulässigen Höchstgrenzen von vier Milliarden Pesos überschritten. Die veröffentlichten Finanzberichte wiesen nicht die tatsächlichen Kosten aus. Der CNE vermutete, daß die Ausgaben aufgrund von falschen Angaben der Parteien geschönt worden waren. Doch schließlich führte auch die Überschreitung der gesetzlichen Höchstgrenzen für die legale Wahlkampffinanzierung durch beide Kandidaten nicht zur Sanktionierung durch den CNE. Der Staatsrat hob am 24. Juli 1997 die Verordnung wieder auf. Die Institution erwies sich so ebenfalls als politisch beeinflußbar. Die Politisierung des höchsten Wahlkontrollorgans durch seine Zusammensetzung (die überwiegend die traditionellen Parteien widerspiegelt66) spricht für die schwach verankerte horizontale Verantwortlichkeit (accountability) des kolumbianischen Institutionengefüges.67 Die Funktionen des CNE mußten deshalb in bezug auf den Korruptionsskandal um den Prozeß 8.000 von der Generalstaatsanwaltschaft übernommen werden.68 65 66

67

68

Vgl.: Santos Calderón 1997: 23ff. Zum Zeitpunkt des Korruptionsskandals um die Präsidentschaftswahl Ernesto Sampers waren dies: vier Liberale, drei Konservative, ein Mitglied des MSN und eines der AD/M-19. Am 25. Februar 1998 forderte Isaac Moreno de Caro in einem Brief an den Nationalen Wahlrat einen Sitz für einen Repräsentanten seiner Partei (Movimiento Defensa Ciudadana) im CNE. Dies wurde jedoch am 5. Mai 1998 abgelehnt. Der CNE wurde auch im Hinblick auf seine Entscheidungsmechanismen (Abstimmungen erfordern die Zustimmung der Zweidrittelmehrheit der Delegierten. Dies waren bei der damals anstehenden Entscheidung sechs Stimmen) und seine mangelnde finanzielle Ausstattung kritisiert. Vgl. Artikel 20 Código Electoral, Decreto 2241 von 1986 und Pizarro Leongómez 1997: 125. Dabei muß berücksichtigt werden, daß auch die Generalstaatsanwaltschaft als politisch beeinflußbar gilt. Das wurde zur Amtszeit Gustavo de Greiffs deutlich.

192

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Neben der Annahme illegaler Gelder für die Finanzierung der Wahlkämpfe widersetzte sich ein Teil der Kandidaten auch noch anderen Normen: Sie mißbrauchten ihre Position in der staatlichen Bürokratie, um die öffentlichen Haushalte anzuzapfen. Sie benutzten Büros, Telefonlinien und den staatlichen Autopark für den Wahlkampf. 69 Inhaber politischer Ämter dürfen in Kolumbien parteipolitisch nicht tätig werden oder ihnen nahestehende Kandidaten aus ihrer Funktion heraus unterstützen. Doch diese informelle Institution konnte auch durch die neuen Normen nicht unterbunden werden. Sie hatte sogar auf höchster Ebene Bestand: Noemi Sanin und andere Kritiker warfen 1998 der Regierung Samper vor, daß sie über die Verteilung staatlicher Finanzmittel (zum Beispiel im Rahmen der Red de Solidaridad Social) Wahlkampfhilfe leiste. Diese komme befreundeten Politikern zu, die sie bei der Urteilsfallung im Kongreß und während ihrer Amtszeit unterstützt hätten. Außerdem fordere Samper den liberalen Präsidentschaftskandidaten Horacio Serpa.70 Wenn solche Delikte nachgewiesen werden, können sie zur Amtsenthebung und zum Verlust des passiven Wahlrechts führen. Diese Norm wurde bis Ende des Jahrtausends aber nur im Hinblick auf die umstrittene Senatorin Regina Betancourt (Movimiento Unitario Metapolítico) angewandt. Sie hatte von den Abgeordneten ihrer Partei eine Quote für die Finanzierung ihres Wahlkampfes verlangt. Ihr wurde daraufhin das passive Wahlrecht entzogen. Die Richter verurteilten sie zu einem Hausarrest.71 Die Auseinandersetzungen um den Proceso 8.000 führten dazu, daß die .Kommission zur Reform der Parteien' 72 1995 vorschlug, daß der Wahlkampf

69 70 71

72

Aber auch dem späteren Leiter der Behörde, Alfonso Valdivieso, wurde vorgeworfen, daß er seine Nachforschungen nicht nur aufgrund seiner Funktion als Generalstaatsanwalt anstelle. Er wolle vielmehr die Präsidentschaftswahlen 1998 gewinnen. Die politische Ambitioniertheit von Personen, die Kontroll- oder Oppositionsfunktionen ausüben, wird ihnen oft zum Verhängnis. Auch Andrés Pastrana warf man in der Presse bei der Offenlegung der Finanzierung der liberalen Wahlkampagne durch die Mafia 1994 vor, daß es nicht um die Sache, sondern lediglich um parteipolitische Rivalitäten gehe. Vgl.: El Espectador, 15.8.96 und López 1998: 50. Vgl.: El Tiempo, 14.3.1994 und Alvarado 1994: lOf. Vgl.: El Tiempo, 22.2.1998. Vgl.: Pizarro Leongómez 1997: 122. Auch die Statute der Partei Colombia mi País und des Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia sehen beispielsweise vor, daß ihre Repräsentanten in den Institutionen Abgaben an die Partei leisten müssen. Dies verstößt gegen den Artikel 110 der Verfassung. Die Comisión para la Reforma de los Partidos wurde 1995 durch das Dekret 763 ins Leben gerufen. An ihr waren 15 wichtige Persönlichkeiten aus den Parteien und der Zivilgesellschaft beteiligt: Horacio Serpa (damals Innenminister), Juan Guillermo Angel und Piedad Córdoba (Senatoren, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der DNL), Jaime Arias und Omar Yepes (Senatoren, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der DNC), Carlos Arturo Angel (Unternehmervertreter), Orlando

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

193

ausschließlich vom Staat finanziert werden sollte. Die Evaluierung dieses Gremiums diente auch einem von der Regierung später in den Kongreß eingebrachten Reformvorhaben.73 Zusätzlich erarbeitete der Nationale Wahlrat sein eigenes Reformprojekt. Aber für keines der Projekte (die auch nur einen Teil der mit der Wahlkampffinanzierung und dem Parteiensystem verbundenen Probleme gelöst hätten) gab es unter der Regierung Samper (1994-1998) im Kongreß eine Mehrheit.74 Die Befürworter einer exklusiv staatlichen Wahlkampffinanzierung wollen über sie die Annahme illegaler Gelder mindern. Ihre Gegner argumentieren, daß öffentliche Mittel - gerade in Zeiten fiskalischer Defizite - keineswegs nichtstaatlichen, .privaten' Institutionen, sprich: den Parteien, zur Verfügung gestellt werden dürften, auch wenn sie in einer besonderen Beziehung zum Staat stünden. Staatliche Finanzierung unterbinde Korruption und private Unterstützungsleistungen nicht, wenn ihre Kontrolle nicht effektiv gehandhabt werde. Außerdem nähmen Parteien staatliche Gelder nur zusätzlich in Anspruch. Sie stimulierten sie dazu, immer mehr Bürgschaften (avales) für Kandidaten auszustellen, die sich in ihrem Namen an Wahlen beteiligten. Eine staatliche Wahlkampfkostenerstattung und Parteienfinanzierung beugt (wie etwa das Beispiel Italien zeigt) tatsächlich nicht notwendigerweise der Korruption vor. Wichtiger ist Kontrolle im Sinne einer Stärkung der horizontalen Verantwortlichkeit (accountability).75 Außerdem sollte die Finanzierung an die Parteizentralen und nicht an einzelne Politiker ausgezahlt werden, um die Kohäsion der Parteien zu stärken. Die Vielzahl der Parteien und Einzelpersonen, die Spenden erhalten, zu kontrollieren, ist für den Staat eine schier unlösbare Aufgabe.76 1998 bemühten sich der Staat, Gruppen aus der Zivilgesellschaft und ein Teil der Politiker aufgrund der gemachten Erfahrungen, die Wahlkampffinan-

73 74

75 76

Obregón (Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes CUT), Yaneth Suárez (Repräsentantin der AD/M-19), Alberto Casas (Journalist), Guillermo Páramo (Direktor der Universidad Nacional) sowie die Forscher Fernando Cepeda, Javier Sanin, Pedro Santana und Eduardo Pizarra. Zu den Aufgaben und Ergebnissen der Kommission vgl. im Detail: Pizarra Leongómez 1995: 72, Ministerio del Interior, Secretaría Técnica 1996: 3ff. und La Modernización de los partidos políticos 1996: 4ff. Vgl. dazu den Ausblick am Ende dieser Evaluierung. Vgl. zu den Reformprojekten: Pizarra Leongómez 1995: 83ff. und 1997: 110. Außerdem wurde vorgeschlagen, die Wahlkampfzeiten zu verkürzen und die privat finanzierte Fernsehwerbung durch staatliche Sendezeiten für die Präsidentschaftskandidaten zu ersetzen. Vgl.: Pizarro Leongómez 1997: 146. O'Donneil 1998 113f. Vgl. dazu auch Pizarro Leongómez 1996: 215. In diesem Sinne sprach sich auch die Senatorin Viviane Morales bei ihrem Vortrag auf dem Seminar, La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá aus.

194

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

zierung besser zu kontrollieren als 1994. Für die Präsidentschaftswahlen riefen die Organisationen Fundación Social, Fundepúblico und die Unternehmerverbände eigens eine zivilgesellschaftliche Überwachungsinstanz, die Veeduría Ciudadana, ins Leben.7 Der Staat gründete zur Beaufsichtigung der Urnengänge die Comisión para la Coordinación y Seguimiento de las Elecciones,78 Noemi Sanín beauftragte ein privates Unternehmen mit der Kontrolle der Wahlkampffinanzierung, um die Infiltration von Drogengeldern zu verhindern. Die Tageszeitung El Tiempo hatte vier Wirtschaftsspezialisten beauftragt, illegale Finanzierung der Wahlkampagnen anzuzeigen. Für Beschwerden der Bevölkerung hatte die Gazette ein Bürgertelefon und eine Seite im Internet eingerichtet.79 Diese Kontrollmechanismen, die geschwächte Position der Mafia (fast die gesamte Führungsspitze des Cali-Kartells wurde von Samper inhaftiert) und die Aufdeckung der Finanzierung der Wahlkampagnen 1994 durch die Drogenmafia trugen dazu bei, im Wahlkampf 1998 illegale Finanzierung in großem Stil zu verhindern. Der Nationale Wahlrat begrenzte wiederum die Wahlkampfausgaben, diesmal auf die maximale Summe von rund 8,6 Milliarden Pesos jeweils für den ersten und den zweiten Wahlgang. Die Auszahlung der Wahlkampfkostenerstattung war zunächst an diese Höchstgrenzen gebunden. Als aber deutlich wurde, daß die Kandidaten die Grenzen überschreiten würden, nahm der CNE in einer schwer nachzuvollziehenden Entscheidung die Bestimmung wieder zurück, was seine Vulnerabilität und die Grenzen seiner Kontrollfunktionen klar offenlegte. Die Wahlkampfkostenerstattung sollte nun unabhängig von den Wahlkampfausgaben erfolgen. Nach Beobachtungen der Massenmedien und der Veeduría Ciudadana gab Pastrana über sechs Millionen Pesos mehr als die festgelegte Höchstgrenze aus. Auch der Wahlkampf Horacio Serpas war weit teurer als erlaubt.8 Die Kandidaten registrierten keine Sachspenden. 81 Betrug war durch drei- und vierfache Buchführung möglich. Hinzu kam, daß von den 356 Personen, die die Wahlkampagne Serpas finanzierten, 47 aus Firmen kamen, die unter der Regierung Samper staatliche Aufträge erhalten hatten. Von den 440 Spendern der Wahlkampagne Pastranas standen 24 zuvor bei der Regierung im Dienst. 82 Nach seiner Wahl ernannte Pastrana den Sohn Ardila Lülles (einer der wichtigsten 77

78 79

Ein zivilgesellschaftlicher Kontrollmechanismus. Vgl.: Mateus 1998: 479f. und Delgado Gutiérrez 1998: 31 ff. Dort werden auch die anderen beteiligten Organisationen aufgeführt. Kommission zur Koordination und Überwachung der Wahlen. Vortrag von Alejandro Santos (Universität Georgetown) auf dem Seminar ,La

financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' 80 81 82

vom 14.-16.4.1999 in Bogotá. Vgl.: El Tiempo, 18.4.1998, 27.6.1998 und 3.8.1998 sowie López 1998 48f. Vgl.: Mateus 1998: 493. Vgl.: Mateus 1998: 488ff.

195

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Unternehmer des Landes und der Hauptfinanzier seines Wahlkampfes) zum Botschafter in Madrid. 83 Die Parteien müssen außerdem ihre Finanzen gegenüber dem Nationalen Wahlrat offenlegen. Sie kamen ihrer Rechenschaftspflicht aber auch nach wiederholter Aufforderung nur zum Teil nach. 1998 mahnte der CNE beispielsweise 23 Parteien an, daß sie dies nicht rechtzeitig getan hätten. Nach Einräumung einer 30-Tage-Frist kamen sieben der genannten Organisationen dieser Aufforderung immer noch nicht nach. Der Movimiento Nacional Progresista begründete die Verzögerung beispielsweise damit, daß die Buchhalterin krank geworden sei. Sieben Parteien wurden schließlich zu einer Geldstrafe verurteilt. 84 Auch Juan Manuel Ramírez dokumentiert in der nachfolgenden Tabelle, die er aus Berichten des Fondo Nacional de Financiación de Partidos y Campañas Electorales zusammengestellt hat, die mangelnde Umsetzung seiner Kontrollfiinktionen durch den CNE.*5 Tabelle 5: Berichte über Wahleinnahmen und -ausgaben an den Nationalen Wahlrat Art der Wahl Lokal- und Regionalwahl 1997 Wahlen zur Legislative 1998 Präsidentschaftswahlen 1998

Kandidaten insgesamt 33.370

Kandidaten mit ReKandidaten ohne chenschaftsbericht Rechenschaftsbericht 12.091 21.279

980

804

176

13

11

2

Quelle: Ramírez 2001: 221f.

3.

Wahlinfrastruktur und Kontrolle des Wahlprozesses

Die Einführung von Wahlkabinen ermöglicht heute Anonymität bei den Wahlen. Sie reduziert den unmittelbaren Einfluß der Parteien und ihrer Kandidaten auf die Wähler. Früher war es üblich, daß mehrere Personen meist in Begleitung eines Mitarbeiters des zu wählenden Politikers {patrullero) an einen Wahltisch gingen, um sich dort gegenseitig zu beraten. Der patrullero fand heraus, wo die Wähler registriert waren und sorgte in der Regel auch dafür, 83

84 85

Vortrag von Alejandro Santos (Universität Georgetown) auf dem Seminar ,La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá. Angaben in der von mir im Nationalen Wahlrat eingesehenen Resolución 1021 de 1998, CNE. Vgl.: Ramírez 220ff.

196

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

daß sie für den ,richtigen' Kandidaten stimmten. Eine solche direkte Einflußnahme wird zumindest in den Urbanen Zentren heute in der Regel von der Polizei oder dem Militär unterbunden. Allerdings sind Beratungsgespräche und Abstimmungen, die nicht direkt an der Wahlurne stattfinden, jederzeit möglich.86 Eine wichtige Reform ist auch die Einführung staatlich gedruckter Wahlscheine (tarjetones), die die Wähler heute in einheitlichen, offiziellen Wahlurnen deponieren. Sie garantiert neuen Parteien mehr Objektivität und den Wählern mehr Unabhängigkeit. Dadurch bestehen grundsätzlich für neue politische Akteure mehr Anreize, sich an Wahlen zu beteiligen.87 Auf dem Stimmzettel sind Name, Foto und Nummer des Listenführers einer Partei bzw. eines unabhängigen Kandidaten verzeichnet. Der Staat erleichterte dadurch Analphabeten den Umgang mit dem tarjetón, einer von vielen möglichen Maßnahmen, um dem - wie Juan Rial dies nennt - analfabetismo político"88 bzw. einer ciudadanía de baja intensidad entgegenzuwirken. Alfonso Peña, Repräsentant der ehemaligen indianischen Guerillaorganisation Quintin Lame in der Verfassunggebenden Versammlung, forderte 1991 im Namen der Alianza Social Indígena, einer der neuen politischen Organisationen der indigenen Gemeinschaften, einen besonders ausgezeichneten Platz der indigenen Kandidaten auf dem Stimmzettel.89 Dadurch sollte vor allem den indigenen Wählern, die den Umgang mit dem Stimmzettel nicht kannten, das Auffinden ihrer politischen Vertreter erleichtert werden. Der CNE sprach sich aber gegen eine solche positive-action-Ma&nahme aus. 90 Einige Schwierigkeiten bereiten vor allem die Stimmzettel für die Wahlen zur Legislative, insofern sie aufgrund der Vielzahl der heute antretenden Kandidaten übermäßig groß, unhandlich und unübersichtlich sind.91 Neben den durch Parteiwechsel verursachten Veränderungen tragen die Kandidaten oft zusätzliche Bezeichnungen. Die Wahlbehörde vermerkt diese ebenfalls auf dem Stimmzettel. Dadurch suchen sich die Mitglieder der gleichen Partei voneinander zu unterscheiden. 92 Nach der Befragung der Universidad de los Andes

86 87 88 89 90 91

92

Wahlbeobachtungen in Bogotá, Medellín und Tumaco 1994 und 1997. Vgl. González González ohne Jahr: 152. Politischer Analphabetismus, Rial 1995: 36. Vgl.: Carta de Alfonso Peña al CNE, 28.8.1991. Interview mit Luis Camilo Osorio, 24.1.1995. Dies ist vor allem auf Strukturprobleme des Parteiensystems zurückzuführen, auf die ich später eingehe. Die doppelte Namensgebung ist eine Gewohnheit, die aus der Zeit der Nationalen Front stammt. Damals mußten alle Kandidaten auf Listen der traditionellen Parteien antreten. Sie versuchten sich dadurch zu unterscheiden, daß sie zusätzliche Labels für ihre Faktionen innerhalb der traditionellen Parteien vergaben. Interview mit Fernán González 11.12.1994.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

197

fanden 56 Prozent den Stimmzettel verwirrend. 93 Auch die hohe Zahl ungültiger Stimmen deutete auf Schwierigkeiten mit dem Wahlschein hin, obwohl dabei zu berücksichtigen war, daß ihn ein Teil der Wähler in die Urne warf, ohne ihn zu markieren, so daß er von der Wahlbehörde als ungültige Stimme ausgezählt wurde. Tatsächlich deutete dieses Verhalten aber auf das mangelnde Interesse an einer ganz bestimmten Wahl hin. Dies galt besonders für die Wahlen zu den departamento-Versammlungen und zum Gemeinde- bzw. Stadtrat. 94 Tabelle 6: Ungültige Stimmen bei den Wahlen des Jahres 1994: Bürgermeister, Stadt- bzw. Gemeinderäte, departamento-VersammXvmgen, Gouverneure, Kongreß und Präsident im Verhältnis zur Wahlbeteiligung Institution

Wahlbeteiligung Ungültige % (absolute Stimmen insgesamt) Stimmen 369.430 4,6 Bürgermeister 7.979.170 Stadt- bzw. Gemeinderäte 7.126.737 1.010.211 14,2 departameHto-Versammlungen 7.072.627 1.238.002 17,5 7.874.817 664.211 8,4 Gouverneure 630.024 5,6 Kongreß 5.571.291 Präsident (erster Wahlgang) 5.821.331 29.999 0,5 7.427.742 Präsident (zweiter Wahlgang) 45.089 0,6 Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Bei Wahlen kann es durch die Schwierigkeiten mit dem Stimmzettel zu Verzögerungen im Ablauf kommen. 1997 beispielsweise gelang es einem (zwar insgesamt geringen, aber dennoch nicht zu vernachlässigenden) Teil der Wählerinnen und Wähler nicht, vor der Schließung der Wahllokale ihre Stimme abzugeben. Sie hängen mit der Entwicklung des Parteiensystems zusammen, auf die ich erst später näher eingehen möchte. Die Einführung unterschiedlicher Wahlscheine für die verschiedenen Institutionen ermöglichte Stimmensplitting (split-ticket-voting). Dies schwächte in der Konsequenz die traditio93 94

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 49f. Wenn in Kolumbien mehrere Institutionen gleichzeitig gewählt werden (beispielsweise Bürgermeister, Stadträte, Gouverneure und Mitglieder der Regionalparlamente), wirft ein Teil der Wähler den Stimmzettel aus mehreren Gründen ohne ihn zu markieren in die Urne: a) weil die Wähler keinem der Kandidaten nahestehen, die sich zur Wahl aufstellen lassen; b) weil sie glauben, daß ein nicht markierter Stimmzettel wie früher üblich als voto en blanco ausgezählt wird und mit in die Stimmenverrechnung eingeht; c) weil seit 1997 ein Teil der Bürger auch wählt, um ein mit bestimmten Vorteilen verbundenes Zertifikat über die Wahlteilnahme zu erhalten, den Stimmzettel aber nicht ausfüllt. Erst von den Lokalwahlen 1997 an wurden nicht markierte Wahlscheine gesondert ausgewiesen und galten als ungültige Stimmen.

198

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

nellen Parteien, die Repräsentationspyramide von der Nation über die departamentos zur Kommune. Die klientelistischen Netzwerke, die darauf aufbauten, daß die lokalen und regionalen Politiker in Abhängigkeit von den Kongreßkandidaten gewählt wurden, mußten readaptiert werden. Aber es erschwerte auch den Wahlakt für Bürgerinnen und Bürger, erforderte eine höhere politische Kompetenz. In klientelistischen Netzwerken reicht das Vertrauen in die Führungsfigur, die wiederum die Beziehungen zu den von ihr abhängigen Politikern pflegt. Die Wahl des Kaziken implizierte gleichzeitig auch die Zustimmung zu einer Reihe von subalternen Politikern. Durch die Reformen wurden Kenntnisse über die Vielzahl der antretenden Kandidaten und der Spielregeln des politischen Systems für die Wähler immer wichtiger. Zwar hat die RNEC vor allem unter der Leitung von Luis Camilo Osorio eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Erwachsene und Kinder dem Wahlprozeß anzunähern. Durch die Kampagne La democracia es joven95 beispielsweise sollten Kinder spielerisch den Wahlgang üben. In den Massenmedien und auf Plakaten trug die RNEC zur Erklärung der Wahlprozedur bei. Zwar stellte diese Aufklärung über technische Details des Wahlvorgangs nach den Reformen eine wichtige Maßnahme der politischen Bildung dar. Sie konnte aber in einem Umfeld, in dem der demokratische Charakter von Wahlen (im Kontext fragmentierter Staatlichkeit, hybrider Rechtsstaatlichkeit und eines sich umgestaltenden Parteiensystems) von einem Großteil der Bevölkerung bezweifelt wurde, nur begrenzt auf fruchtbaren Boden fallen.96 Die Registrierung der Wähler in den Wählerverzeichnissen wurde überwiegend korrekt durchgeführt. Dennoch konnte bei allen Wahlen nach den Reformen ein geringer Teil keine Stimme abgeben, weil ihr Name nicht verzeichnet war bzw. weil sie nicht herausfinden konnten, an welchem Ort sie wählen mußten. Genaue Zahlen darüber wurden nicht erhoben. Zum größten Teil waren die Behörden dafür verantwortlich, zum Teil die Bürger, die sich nicht hinreichend kundig gemacht hatten. Dazu gab es neben den herkömmlichen Informationsmöglichkeiten seit 1998 auch auf der Internetseite der Wahlbehörde und der Tageszeitung El Tiempo eingerichtete Suchmaschinen, die allerdings nicht fehlerfrei funktionierten und nur technisch versierten Wählern zugänglich waren. Es bleibt schließlich noch festzustellen, daß Wahlbetrug durch die Reformen erschwert wurde oder zumindest nicht mehr so einfach wie früher praktiziert werden konnte. Dennoch lagen der Procuraduría General de la Nación allein für 1994 und 1995 315 Anklagen gegen Bürgermeister wegen Wahlbetrugs und unerlaubter Einmischung in den Wahlkampf vor. Nach den Wahlen 1997 und 1998 gingen bei der Behörde rund 800 Beschwerden über Unregelmäßigkeiten im Wahlprozeß ein. In 290 Fällen wurde eine Untersuchung ein95 96

Die Demokratie ist jung. Vgl.: Interview mit Luis Camilo Osorio, 24.1.1995 und Murillo 1998: 67.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

199

geleitet, die in der Mehrheit der Fälle keine ernsthaften Sanktionen nach sich zog.97 Bei den Regional- und Lokalwahlen im Jahr 2000 hat die Wahlbehörde eine Hotline eingerichtet. Dort zeigten die Wähler bereits im Wahlkampf die unterschiedlichsten Delikte an: Die verbotene Beteiligung von öffentlichen Angestellten an den Wahlkampagnen, die Einstellung von Wahlhelfern in staatlichen Institutionen, familiäre Bande zwischen Mitgliedern der lokalen Wahlbehörden und den Kandidaten, die Registrierung Verstorbener in den Wählerverzeichnissen und die Aufnahme in soziale Investitionsfonds, ohne die Voraussetzungen dafür zu erfüllen.98 Im November 2000 fand deshalb eine große Protestkundgebung in Bogotá statt.99 Die gängigen Praktiken der Wahlmanipulation wurden in vielen Gemeinden lediglich den normativen Veränderungen angepaßt:100 a)

Stimmenkauf - und das sogenannte carrusel Wahlstimmen werden in Kolumbien von Kongreßabgeordneten meist im Paket, nicht einzeln ,gekauft'. Die Kongreßanwärter verteilen dabei Gelder unter den regionalen und lokalen Politikern und deren Statthaltern (tenientes) in den Stadtvierteln oder Dörfern. Jene behalten eine bestimmte Summe selbst ein. Der Rest wird direkt oder in Form von Naturalien und Versprechungen an Wähler weitergegeben, die oft ihrerseits gut in soziale Netzwerke eingebunden sind. Die Finanzierung der Wahlkampagne durch das Cali-Kartell 1994 hat diese Gepflogenheit wieder in größerem Stil vor allem an der Atlantik- und Pazifikküste und in den marginalisierten Stadtvierteln der großen Städte ermöglicht. Zwar haben die staatlich gedruckten Wahlzettel die Kontrolle der Politiker über die Wähler erschwert. Manch ein Wähler gibt vor, für einen Kandidaten zu stimmen, der ihn dafür bezahlt hat, tut dies aber nicht.101 Doch die Politiker haben auch eine neue Möglichkeit gefunden, um sicherzustellen, daß eine Stimme tatsächlich für sie deponiert wurde. Sie geben dem Wähler einen bereits markierten Wahlzettel an die Wahlurne mit. Dieser wurde der Wahlbehörde zuvor entwendet. Als Beleg für den Einwurf des Stimmzettels in die Urne muß der betroffene Bürger einen nicht ausgefüllten Wahlschein zurückbringen. Erst dann erhält er das versprochene Geld. Für die Umsetzung dieser Praktik muß zuvor ein Mitarbeiter der Wahlbehörde gewonnen werden. Diese Manipulationsmöglichkeiten werden in Gebieten, in denen Paramilitärs oder

97 98 99 100

101

Vgl.: El Espectador, 1.10.1998. Vgl.: El Espectador, 24.10.2000. Vgl.: Betancourt 2002: 120. Vgl. zu den folgenden drei Punkten, EI Tiempo, 8.3.1998; Mudilo 1998: 67f. und Interview mit Luis Camilo Osorio, 24.1.1995. Diese Praxis wurde mir in Tumaco immer wieder bestätigt.

200

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

die Guerillaorganisation FARC eigene Kandidaten favorisiert, auch von den Gewaltakteuren und deren Verbündeten genutzt. b) Die Fälschung von Personalausweisen Bei den Wahlen 1994 und 1998 wurden Personalausweise gefälscht. Die Verursacher dieses Vergehens wiesen dem gleichen Foto verschiedene Ausweisnummern und Namen zu. Die mit mehreren Dokumenten ausgestatteten Personen konnten an verschiedenen Urnen ihre Stimme abgeben. Sie wählten anstatt anderer Bürger, die sich nicht in die Wählerverzeichnisse eingetragen hatten.102 Ein solches Vorgehen bedarf ebenfalls der Unterstützung der lokalen Angestellten der RNEC. c) Die sogenannte operación tortuga In Gegenden, in denen ein bestimmter Kandidat wenig Einfluß hat, seinen Rivalen dagegen gute Wahlchancen eingeräumt werden, sorgt der aussichtslose Kandidat dafür, daß seine Anhänger an verschiedenen Wahltischen mehrmals Schlange stehen. So verzögert sich der Wahlprozeß. Wenn die Person in der Warteschlange an der Reihe wäre, stellt sie sich erneut an. Dadurch ermüden andere Wähler oder kommen nicht mehr zum Zuge, bevor die Wahllokale schließen. Die Bedeutung der Funktion der Wahlhelfer (jurados electorales) wird meist unterschätzt. Vor allem Wähler, die die Auswirkungen des Stimmenverrechnungsmechanismus und das Wahlprozedere nicht kennen, sind auf Hilfestellungen angewiesen. Ob ein Wahlhelfer beispielsweise darauf hinweist, daß nicht zwei Kandidaten auf einem Stimmzettel angekreuzt werden dürfen oder auf die Möglichkeit des voto en blanco aufmerksam macht, kann sich ganz entscheidend auf die Zahl der gültigen Stimmen auswirken und damit die Wahlzahl beeinflussen. Vor allem in ländlichen Regionen oder in den Konsulaten im Ausland haben die Wahlhelfer die Möglichkeit, Stimmzettel zu manipulieren oder desorientierten Wählern Kandidatenvorschläge zu machen. Ihnen wurden solche Vergehen auch immer wieder vorgeworfen, bei den Kongreßwahlen 2002 bestätigte der für die Untersuchung solcher Vergehen zuständige Procurador General de la Nación und die von ihm ins Leben gerufene Comisión Nacional de Asuntos Electorales103 entsprechende Vorkommnisse. In einer anonymen, eigens für die Wahlen eingerichteten, Hotline gingen eine Vielzahl von Beschwerden bei der Behörde ein. Nach Aussagen des 102

103

Vor den Reformen versuchte die Wahlbehörde Wahlbetrug dadurch zu unterbinden, daß die Wähler einen Finger in ein Faß mit nicht wasserlöslicher, roter Tinte eintauchen mußten. Nationale Kommission für Wahlangelegenheiten.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

201

Kongreßmitgliedes Rafael Ordüz erhielten die Wahlhelfer 70.000 Pesos, wenn sie bereit waren, Ergebnisse zugunsten von bestimmten Kandidaten zu manipulieren. Wahlzeugen (testigos electorales), die meist den verschiedenen Parteien angehören, beobachten heute den Wahlprozeß und erhöhen grundsätzlich seine Transparenz. Das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle ist grundsätzlich effektiv.104 Aber auch hier können Probleme auftreten. Bei der Wahlbeobachtung in Tumaco konnte ich feststellen, daß persönliche Beziehungen zu dem Wahlleiter den Austausch von Wahlzeugen ermöglichten. Eine entsprechende Kontrolle der Bevölkerung bei dieser unlauteren Vorgehensweise der Wahlbehörde gab es nicht. Dazu fehlte der kritische zivilgesellschaftliche Unterbau. Bei den Wahlen 1994 war die Wahlbehörde unter Leitung ihres damaligen Direktors Luis Camilo Osorio Izasa relativ erfolgreich bei der Aufdeckung von Wahlvergehen. 1994 beispielsweise annullierte sie in rund 500 Kommunen doppelt registrierte Personalausweise.105 Die RNEC zeigte auf der nationalen Ebene auch ein effizientes Vorgehen bei der Bekanntgabe von über 98 Prozent der Wahldaten bei Präsidentschafts- und Kongreßwahlen noch am Wahlabend. Es gelingt dem Leiter der Behörde allerdings in der Regel nicht, die Machenschaften, die Bestechlichkeit und die politischen Ambitionen lokaler Delegierter und deren Mitarbeiterstab umfassend zu kontrollieren sowie den Druck von Gewaltakteuren auf sie abzuwenden. Ein mögliches Mittel ist die Rotation der Funktionäre in die Behörden anderer Städte, die allerdings aus familiären Gründen für die Mitarbeiter nicht immer akzeptabel ist. Von 1991 an führte die RNEC auch eine Reihe von Mitarbeiterschulungen durch, die aber verständlicherweise nur einem geringen Teil der Angestellten zugute kamen. 106 Durch den Wechsel an der Spitze der Registraduria Nacional del Estado Civil und den Einsatz ihres damals neuen Chefs, Orlando Abello MartinezAparico, am 7. Dezember 1994, erfuhr die .Säuberung' der Wahlprozesse insgesamt einen Rückschlag. Die Tatsache, daß der Leiter der Wahlbehörde der Konservativen Partei und dadurch der .Opposition' angehörte, garantierte keineswegs die Funktionalität der RNEC.101 Dem Leiter der Behörde wurde vorgeworfen, daß er sich von dem von den traditionellen Parteien dominierten Nationalen Wahlrat manipulieren lasse. Unter seiner Führung litt die Behörde zunehmend unter Ineffizienz und mangelnder Kontrolle der Wahlprozesse. 104

105 106

107

Dies wurde auch von Luis Camilo Osorio, dem früheren Leiter der RNEC, in einem Interview am 24.1.1995 bestätigt. Vgl.: El Tiempo, 11.9.1994 und 13.10.1994. Vgl. Registraduria Nacional del Estado Civil 1994b: 13 Registraduria Nacional del Estado Civil 1994d: 177ff.; El Tiempo, 6.3.2002; Interview mit Luis Camilo Osorio, 24.1.1995 und mit Juan Pablo Quintana, 13.3.2002. Der Registrador gehörte bisher immer der größten Oppositionspartei an, obwohl dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist.

202

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Patronage spielte bei der Stellenvergabe wieder eine größere Rolle als zuvor.108 Die Staatsanwaltschaft lastete Abello die verschiedensten Korruptionsvergehen an. Die Vorwürfe wurden u.a. im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen zur Modernisierung der Behörde durch die deutsche Firma Siemens und später durch das Unternehmen Sagem laut.109 Abello unterband auch die Veröffentlichung der endgültigen Wahldaten der Regionalwahlen von 1994 für mehrere Jahre. Die dafür vorgesehenen Gelder flössen in andere Kanäle. Die Regionalwahlen, die unter seiner Leitung am 26. Oktober 1997 stattfanden, kritisierte die Presse stark. Es war zu Verzögerungen bei der Bekanntgabe der Wahldaten, bei der Feststellung der definitiven Wahlergebnisse (escrutinios) und vereinzelt zu Wahlbetrug gekommen. Abello mußte sein Verhalten anschließend vor dem Kongreß rechtfertigen. Dies führte zu seiner Absetzung Mitte des Jahres 1997. Die Führungsspitze der Konservativen Partei begründete ihre Bitte um seine Entlassung an den Nationalen Wahlrat folgendermaßen: „...in der Wahlbehörde sind keine Voraussetzungen vorhanden, die saubere Wahlen garantieren könnten, eine Tatsache, die die verschiedenen Kandidaten benachteiligt, wovon in nochmals stärkerem Maße die Oppostion betroffen ist."110

Die Kongreß- und Präsidentschaftswahlen, die 1998 unter der Leitung des konservativen Nachfolgers Abellos, Jaime Calderón Burgés, stattfanden, zeichneten sich wieder durch große Effektivität bei der Zusammenstellung der Wahlergebnisse und der besseren Kontrolle von Irregularitäten im nationalen Zustandsbereich der RNEC aus. Allerdings wurde auch Calderón am 12. November aus seinem Amt entlassen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn im Zusammenhang mit dem Prozeß 8.000.111 Am 16. Februar übernahm mit Clara 108 109 110 111

Interview mit Luz Angela González, 17.12.1998. Vgl.: El Tiempo, 26.12.1997. Zitiert in: El Tiempo, 6.12.1997. Jaime Calderón Burgés ist Anhänger des Präsidenten Pastrana und war als Generalsekretär der Konservativen Partei tätig. Außerdem arbeitete er vor seiner Tätigkeit als Leiter der Wahlbehörde als Magistrat des Nationalen Wahlrates. Die Generalstaatsanwaltschaft verhörte ihn am 12. November 1998, weil er 1991 von dem umstrittenen Journalisten und Verbündeten des Cali-Kartells Alberto Giraldo 15 Millionen Pesos erhalten hatte. Nach Aussagen Calderóns handelte es sich um einen .Kredit', um sein Unternehmen zu sanieren, den er später zurückgezahlt habe. Die Anhänger Calderóns warfen der Staatsanwaltschaft, deren Leiter dem serpistischen Flügel der Liberalen Partei angehörte, politische Interessennahme für den PLC vor. Ihm gehe es um die Rückeroberung der Wahlbehörde um jeden Preis. Calderón habe seine Situation bereits 1993 offengelegt. Damals habe die Staatsanwaltschaft nicht reagiert. Die Liberalen hätten nach der Wahl Pastranas zum Präsi-

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

203

María González zum ersten Mal in der Geschichte der RNEC eine Frau die Amtsführung. In einer Erklärung der Gewerkschaft Sintrareginal wird ihr, ähnlich wie Abello Martinez-Aparico, die Bürokratisierung und Politisierung der Behörde vorgeworfen. Unter anderem habe sie den Chef der Behörde im departamento Norte de Santander, Omar Corrales Gavina, und andere langjährige Funktionäre der Behörde entlassen, ohne daß dafür sachliche Gründe vorgelegen hätten.112 Die häufigen Wechsel an der Spitze der Wahlbehörde verdeutlichten die mangelnde Institutionalisierung der neuen Verfahren und Kontrollmechanismen und trugen nicht zu einer kontinuierlichen Amtsführung bei, die das Vertrauen in die Behörde und in durchweg korrekt ablaufende Wahlprozesse vor allem für neue und Minderheitsparteien erhöht hätten. Während die Wahlbehörde den korrekten Verlauf von Wahlprozessen kontrollieren kann, obliegt es dem Staat ausreichende Sicherheitsgarantien bei der Wahrnehmung des aktiven und passiven Wahlrechtes zu garantieren. Dies gelang nach den Reformen nur begrenzt. Die vor allem unter der Regierung Samper und ihrem Nachfolger Pastrana gestiegene Tätigkeit paramilitärischer Gruppen und der aktiven Guerillaorganisationen bestätigt, daß durch die Reformmaßnahmen der 90er Jahre die Befriedung des Landes und die Institutionalisierung der Konflikte nur begrenzt gelungen ist. 1985 war die Guerilla ,nur' in 173 Kommunen aktiv.113 1998 betätigten sich in rund 720 kolumbianischen Städten und Gemeinden die Guerillaorganisationen ELN und FARC. Ihre Truppenstärke wurde Mitte der 90er Jahre auf rund 10.000 Personen geschätzt,114 stieg aber bis zum Jahr 2002 auf rund 20.000 Kämpfer an. In 450 Kommunen gab es paramilitärische Gruppen, die sich 1997 als Autodefensas Unidas de Colombia auf nationaler Ebene zusammenschlössen. Sie forderten ihre Anerkennung als politische Akteure. Auf ihr Konto gehen die meisten in

112

113 114

denten ihr Interesse an dem Amt des Leiters der Wahlbehörde bekundet. Nun versuchten sie, mit allen Mitteln die Führung der RNEC zu übernehmen, ohne die fachlichen Qualitäten des Bewerbers zu berücksichtigen. Vgl.: El Espectador, 13.11.1998 und El Siglo, 11.12.1998. Als ich in der Wahlbehörde den Aushang der Gewerkschaft über die beschriebenen Ereignisse laß, wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß er (obwohl darauf das Gegenteil vermerkt war), nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sei. Der ehemalige Leiter der Wahlbehörde, Luis Camilo Osorio, der der Gewerkschaftsbewegung innerhalb der RNEC kritisch gegenübersteht, führte die Anschuldigungen der Gewerkschaft nur auf die Tatsache zurück, daß davon ihre Mitglieder betroffen gewesen seien und dadurch politische Netzwerke zerstört worden wären. Interview mit Luis Camilo Osorio, 4.5.1999. Positiv zu vermerken wäre allerdings, daß sich die neue Leiterin der Wahlbehörde im Unterschied zu Abello Martinez-Aparico im Hinblick auf den Zugang zu den Wahldaten als kooperativ erwies. Vgl.: Velásquez 1997: 108. Vgl.: González/Cárdenas 1998: 126.

204

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Kolumbien verübten Morde. In einigen Kommunen gelang ihnen oder der Guerilla de facto eine Art co-gobierno.ns Tabelle 7: Menschenrechtsverletzungen in Kolumbien 1997-2000 Jahr 1997 1998 1999 2000

Politische Morde

Verschwundene

Vertriebene

Folteropfer

Bedrohte

Entführte

1.522

183

257.000

222

1.592

1.986

K. A.

230

308.000

124

447

2.609

3.787

238

276.427

166

1.867

2.991

*4.844

664

317.375

420

* 1.357

3.706

vorläufige Daten; K. A.=keine Angaben. Quelle: Helftich-Bernal 2001c. 148.

Die Drogenhändler, die einen Sektor der paramilitärischen Gruppen mit ins Leben gerufen haben, finanzieren den Paramilitarismus bis heute. Ein Teil der Bürgermeister in den Einflußgebieten der Paramilitärs, Drogenhändler und Guerillaorganisationen wurden von diesen aufgestellt oder mußten Abkommen mit ihnen eingehen. Die Bürgermeister räumten den Gewaltakteuren nach ihrer Wahl Bewegungsfreiheit in der jeweiligen Kommune oder sogar Posten in der städtischen Bürokratie ein.116 Hinzu kommen die Zusammenarbeit von Teilen des Militärs und der Polizei mit paramilitärischen Gruppen und die gegen sie erhobenen Klagen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen.117 Die Zahl der Massaker nahm nach den Reformen erheblich zu.118 Trotz erhöhter staatlicher Sicherheitsmaßnahmen im Rahmen des sogenannten Plan Democracia war die Regierung bei den Wahlen der 90er Jahre also nicht Herr der Lage. Bei den Regional- und Kongreßwahlen 1997/98 waren jeweils rund 140.000 Personen der Regierung, des Verteidigungsministeriums, des Militärs, des staatlichen Sicherheitsdienstes DAS und der Polizei im Einsatz. Sie sollten die Durchführung der Urnengänge vor allem in den ländlichen Gebieten garantieren. Diese Strategie erlaubte es zwar, rund 88 Prozent der Wahlgebiete abzudecken. Sie konnte aber nicht das Umfeld und die Rahmenbedingungen, unter denen die Wahlen in vielen Regionen stattfanden, verbessern. 12 Prozent der Wahlgebiete mußte der Staat völlig seinem Schicksal überlassen.119 Auch die Besuche Präsident Sampers in zahlreichen 115

116 117 118

119

Vgl.: Velásquez 1997: 109; vgl. auch: Comisión de Estudios sobre la Violencia 1988: 33ff. und den Bericht des Ombudsmanns 1996 an den Kongreß, Defensoria del Pueblo Bd. 1, 1996: 63ff. und 421ff„ Correa 1997: 31ff. Vgl. dazu auch das Kapitel zu meiner Fallstudie in Tumaco. Vgl.: Defensoria del Pueblo Bd.l 1996: 492 ff. Blumenthal (1999) spricht von 1994 75, 1997 125 und bis September 1998 von 145 Massakern. Vgl.: El Tiempo, 27.6.1997.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

205

departamentos, um seinen Willen ,zur Verteidigung der Demokratie' zu bekunden, waren aufgrund der mangelnden Legitimation seines eigenen Wahlprozesses nur von wenig Glaubwürdigkeit gekennzeichnet. Der Präsident und die übrigen staatlichen Stellen bemühten sich darum, den Eindruck zu erwekken, die Regierung habe die Lage unter Kontrolle. Die Wahlen seien, mit Ausnahme der Kommunen, in denen keine Wahlen abgehalten wurden und einiger Zwischenfalle (wie die Entführung von Wahlbeobachtern), insgesamt,friedlicher' als erwartet verlaufen. Auch bei den Kongreßwahlen im März 2002, die nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen mit der Guerillaorganisation FARC in einem Klima zunehmender Gewalt stattfanden und von der Entführung der Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt überschattet waren,120 sprach die Regierung von »Normalität' in 90 Prozent der Gemeinden und von einem „Triumph der Demokratie über den Fanatismus und die Zensur des Terrorismus". 1 1 Um diese Normalität zu garantieren, mußte die Regierung u.a. 85.000 Soldaten bereitstellen, 354 Gesuchen nachkommen, Wahllokale von den ländlichen Regionen in die Urbanen Zentren zu verlegen. In 15 Gemeinden konnten keine Wahlen stattfinden, u.a. in den Weilern von San Vicente in der ehemaligen Entspannungszone und in Saravena (Arauca). Dort erzwangen die FARC mit Waffengewalt eine Blockade der Wahlen (paro armado).122 Angeblich waren von den Blockadeakten der Guerilla 112.446 Personen betroffen, die nicht wählen konnten. 123 Bei den meisten Wahlen sollten ausländische Wahlbeobachter dabei helfen, die Defizite bei der Wahrnehmung des Gewaltmonopols durch die kolumbianische Regierung zu kompensieren. Sie bestätigten 1994, 1998 und auch im Jahr 2002 die weitgehende Transparenz der nationalen Wahlprozesse, was meiner Einschätzung nach auf einer eingeschränkten Observation beruht, die nicht der hier vorgeschlagenen umfassenderen Vorgehensweise entspricht.124 Die Experten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und des Wahl-

120

121 122 123

124

Die FARC hatten außerdem fünf Kongreßmitglieder in ihrer Gewalt. Vgl.: El Espectador, 11.3.2002. El Espectador, 11.3.2002. Vgl.: El Tiempo, 7.3. und 11.3.2002. Vgl.: El Espectador, 11.3.2002. Die scheinbare Genauigkeit, die eine solche Zahlenangabe suggeriert und die gezielt von der Wahlbehörde verbreitet wird, unterschlägt das tatsächliche Ausmaß sowie den Einfluß anderer Gewaltakteure auf die Wahlen. 1994 wurde auch die kolumbianische Firma A udisis mit der Kontrolle des Wahlprozesses beauftragt. Sie bescheinigte seine völlige Transparenz und die korrekte Stimmenauszählung. Vgl.: Registraduria Nacional del Estado Civil 1994, Bd.l: 16ff.; Registraduria Nacional del Estado Civil 1994d: lOOff. Zu den Schwierigkeiten bei der Wahlbeobachtung durch nationale Organisationen vgl.: Nevitte/Canton 1997: 47ff.; zu den Problemen internationaler Kommissionen: Carothers 1997: 17ff.

206

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

forschungszentrums CAPELns beurteilten die Lokal- und Regionalwahlen 1997 und 2000 dagegen kritischer, wobei sich die Kritik nicht wie sonst meist üblich in erster Linie gegen den Staat richtete.126 Die 30 (245-Beauftragten, die Kolumbien 1997 besuchten, wollten durch ihre Mission .Solidarität mit der kolumbianischen Demokratie' zum friedlichen Verlauf der Wahlen beitragen. Im Unterschied zu herkömmlichen Wahlbeobachterteams, die vor allem den korrekten Verlauf der Abstimmungsprozesse und die Einhaltung der Teilnahmebedingungen für Oppositionsparteien kontrollieren, war die Aufgabe dieser Kommission neu: Sie sollte keineswegs den Wahlprozeß kritisch überprüfen, sondern ihn gegenüber der nationalen und internationalen Öffentlichkeit legitimieren, was der typischen Vorgehensweise der traditionellen Parteien in Kolumbien entsprach. Die O/iS-Experten waren aufgefordert dazu beizutragen, die Durchführung der Wahlen in einigen von Paramilitärs und den Guerillaorganisationen FARC und ELN kontrollierten Regionen durch ihre Präsenz zu erleichtern. Die illegalen Gruppierungen hatten mit dem Boykott der Wahlen gedroht. Doch die Strategie der Regierung, durch Herstellung internationaler Öffentlichkeit Defizite bei der Wahrnehmung ihrer eigenen Funktionen und des Gewaltmonopols zu kompensieren, ging nicht auf: Zwei Mitglieder der Kommission, der Chilene Raul Martinez und der Guatemalteke Manfredo Marroquin, wurden zusammen mit dem für Menschenrechte in der regionalen Regierung von Antioquia zuständigen Diego Ardila während ihrer Tätigkeit vom ELN entführt. Die Organisation verlangte für die Freilassung der Wahlbeobachter die Demilitarisierung eines Teils ihres Einflußgebietes. Die Regierung lehnte dies ab. Nach mehrtägigen geheimen Verhandlungen wurden die Gefangenen schließlich nach den Wahlen unter großem Presserummel wieder freigelassen. Die Zugeständnisse der Regierung an die Guerillaorganisation wurden nicht bekannt. Der Propagandagewinn und die Machtdemonstration des ELN waren allerdings eindeutig. 127 Die Evaluierung der Fortschritte, die sich durch die Einführung neuer Wahlinfrastruktur für die Demokratisierung des Wahlprozesses ergab, fällt also recht unterschiedlich aus. Zum einen verbesserten sich vor allem in den größeren Städten, im Unterschied zur Nationalen Front, die Voraussetzungen für tatsächlich geheime Wahlen. Doch wenn Mißbrauch und Manipulation sogar von staatlichen Institutionen im Kern des Wahlregimes ausgingen, der Staat quasi seine eigene Legitimations- und Kontrollinstanz durch Wahlvergehen und den Einfluß privater Gewaltakteure auf den Wahlprozeß in Mißkredit brachte, erfüllten die Reformen nur zum Teil ihren Sinn.

125

Centro de Asesoría y Promoción Electoral mit Sitz in San José, Costa Rica.

126

Interview mit Luz Angela González, 17.12.1998. Interview mit Eduardo Pizarro Leongómez, 20.10.1997 und mit Pedro Santana, 21.10.1997; vgl.: El Tiempo, 29.10.1997.

127

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

4.

207

Wahlverhalten

Die Einflußmöglichkeiten der Bevölkerung, der zivilgesellschaftlich organisierten Gruppen und der politischen Gesellschaft auf Institutionen und Entscheidungen der politischen Machthaber können über ihren direkten Zugang (passives Wahlrecht, Kanäle der Rekrutierung, Bürgerbeteiligungsverfahren), durch verfaßte, semidirekte und direktdemokratische Mechanismen (unmittelbare Entscheidungsbeteiligung für Bürger und gesellschaftliche Gruppen wie Volksabstimmungen, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide), Versuche informeller, nicht-verfaßter Einflußnahme (Streiks, Demonstration, Lobbying, Klientelismus, Korruption) und formale, verfaßte, indirekte Einflußnahme (aktives Wahlrecht) ausgeübt werden. 1 2 8 In Kolumbien erarbeitete die Universidad de los Andes 1993 im Auftrag der Wahlbehörde RNEC erstmals eine empirische Studie zur politischen Kultur, in der grundsätzlich drei Partizipationsräume unterschieden wurden: 1 2 9 a) den alltäglichen: Tätigkeit in Familie, Sportvereinen und religiösen Gemeinschaften; b) den sozialpolitischen (comunitario): Mitarbeit in Entwicklungs- und Sozialprogrammen sowie den Nachbarschaftsorganisationen JAC; c) den politischen: Partizipation in Parteien sowie die Teilnahme an Wahlen. 97 Prozent der Befragten gaben an, im ersten Bereich zu partizipieren, 66 Prozent im zweiten und lediglich 38 Prozent im dritten. Der mikrosoziale Beteiligungsbereich war also für die Mehrheit der Befragten zentral. Das traf noch einmal mehr für die NichtWähler zu. 130 Dennoch lag der Schwerpunkt der Studie auf dem dritten Partizipationsbereich und dabei auf dem Wahl verhalten. Denn nach der Verabschiedung der Verfassung von 1991 zeigte der Staat und dabei vor allem die Registraduria Nacional del Estado Civil unter ihrem Leiter Camilo Osorio ein verstärktes Interesse daran, die Gründe für die Wahlenthal-

128

129

130

Vgl.: Plasser/Ulram/Waldrauch 1997: 21ff„ auch Butler/Austin 1978 und 1994. Zur Partizipation in Lateinamerika vgl.: Seligson/Booth 1976: 96ff.; Chalmers et al. 1997. Ich unterscheide mich bei dieser Gliederung von der für die Partizipationsforschung zentralen Political Action Studie Baarnes/Kaase (1979). Die Autoren trennen zwischen konventioneller und unkonventioneller Partizipation. Diese Systematisierung ist mittlerweile aber überholt, da die von ihnen als konventionell eingestuften Partizipationsmechanismen wie Demonstrationen heute nicht mehr unbedingt als solche bezeichnet werden können und sie in unterschiedlichen Kulturen verschiedene Stellenwerte einnehmen. Vgl.: Kaase 1992: 340. Die entsprechenden Befragungen führte das Meinungsforschungsinstitut Instituto de Opinión Nacional im Juli und August 1993 durch. Sie wurden in diesem umfassenden Umfang später nicht mehr wiederholt. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 8.

208

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

tung zu analysieren.131 Die Forschungsarbeit legt in Übereinstimmung mit den Annahmen der internationalen Wahlforschung nahe, daß die Wahlteilnahme auch in Kolumbien die wichtigste Art der politischen Partizipation derjenigen ist, die sich überhaupt beteiligen. 66 Prozent davon taten dies durch Wahlen. Bei politischen Kampagnen wirkten 32 Prozent mit. Als aktive Mitarbeiter einer Partei identifizieren sich lediglich 17 Prozent der Befragten. 10 Prozent bezeichneten sich als líder comunitario.132 Als wichtigstes Ergebnis faßten die Forscher zusammen, daß ein Großteil der Bevölkerung in keinem der genannten Bereiche partizipierte. Der Wahlforscher Rodrigo Losada bezeichnete die Wahlenthaltung als eine der höchsten der Welt für Staaten, in denen keine Wahlpflicht herrscht. Im Unterschied zu der 1993 erstmals durchgeführten empirischen Erhebung versuchten frühere Studien, das Anwachsen der NichtWähler aufgrund historischer Erfahrungen zu interpretieren. 133 Gary Hoskin machte für die Wahlenthaltung in Kolumbien den Bedeutungsverlust der Wahlen und den damit einhergehenden Legitimationsverlust des Regimes unter der Nationalen Front verantwortlich.134 Hartlyn widerspricht seinen Annahmen mit dem Argument, daß kein großer Unterschied zwischen dem Wahlverhalten vor der Nationalen Front mit dem während dieser Zeit auszumachen sei.135 Für Krumwiede/Stockmann ist die Wahlenthaltung kein Indiz für eine Protesthaltung. Dafür habe sie sich nicht eindeutig genug im Zulauf zu den nicht-traditionellen Parteien ausgedrückt. Sie sehen darin eher eine apathische Haltung der Bevölkerung. 136 González/Cárdenas sprechen davon, daß Kolumbien mit Ausnahme von Haiti die höchsten Zahlen in Lateinamerika aufweise. 137 In der internationalen Studie des schwedischen Instituts für Demokratie und Wahlunterstützung, IDEA,m lag Kolumbien unter 163 Ländern mit der Nummer 157 am Ende der

131

132

133

134 135 136 137 138

Die Behörde entsandte zunächst eine erste Kommission in die bevölkerungsreichsten Städte des Landes. 1992 veranstaltete sie ein Expertenseminar, um zentrale Elemente zu definieren, die für die Untersuchung der Wahlenthaltung als wichtig erachtet wurden. Vgl. dazu auch Consejo Nacional Electoral 1994. Etwa: Politischer Führer ihrer Gemeinschaft, beispielsweise eines Stadtviertels. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 340f. Vgl. beispielsweise: Araoz 1970; Morcillo 1972: 58ff.; Rothlisberger/Oquist 1973: 268f.; ANIF 1980: 5ff.; Avila 1980; Martín L. 1981 und 1982 sowie die Übersicht bei Helfrich-Bernal 1994. Vgl.: Hoskin 1989a: 201ff. und Dix 1987: 42f. Vgl.: Hartlyn 1989: 315Í; siehe dazu auch: Kurtenbach 1991: 194f. Vgl.: Krumwiede/Stockmann 1992: 407. Vgl.: González/Cárdenas 1998: 115. Institute for Democratic and Electoral Assistance.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

209

Liste. Im lateinamerikanischen Vergleich schnitt nur Guatemala schlechter ab.139 Diese unterschiedlichen Einschätzungen der Bedeutung und Ursachen der Wahlenthaltung und die oft nicht im Zeitverlauf beobachtete Entwicklung deuten auf die Schwierigkeiten hin, die sich mit der Untersuchung des Phänomens der Nichtwähler auftun.140 Allein das zugrundeliegende von der Wahlbehörde zur Verfügung gestellte Datenmaterial war nicht lückenlos und für alle Wahlen zu erhalten. Außerdem erschwerten die von der Wahlbehörde vorgenommenen .Korrekturen' der potentiellen Wählerbasis die Berechnungen. Das nach den Reformen gestiegene Interesse an der Frage der Wahlenthaltung war vor allem darauf zurückzuführen, daß entgegen der Intentionen der Reformer, die Enthaltung bei den Kongreßwahlen 1991 und 1994 sowie bei den Präsidentschaftswahlen 1994 auf fast 70 Prozent anstieg. Insgesamt erreichte sie (regional und je nach Institution) sehr unterschiedliche Ausmaße. In Bogotá stieg sie beispielsweise für das Repräsentantenhaus 1994 auf rund 80 Prozent der Stimmen. In kleinen Städten und in den ländlichen Einzugsbereichen der Kommunen lag sie niedriger. Vor allem unmittelbar nach der Einführung der Lokalwahlen 1988 beteiligte sich die Bevölkerung verstärkt. Von 1992 an ging die Partizipation zurück. Während anfangs tendenziell die lokale und regionale Partizipation über der Beteiligung an den Kongreß- und Präsidentschafitswahlen lag, drehte sich dies 1998 um. Bis 1994 ging man davon aus, daß die Wahlenthaltung mit der Größe der Städte zunahm. In bezug auf die Präsidentschaftswahlen 1998 hat sich dies allerdings geändert.141 Berechnet man die Wahlenthaltung auf der Basis der über 18jährigen Bevölkerung, liegt sie noch höher.142

139

140

141 142

Dabei muß wie gesagt berücksichtigt werden, daß in einigen Ländern Wahlpflicht herrscht. Vgl. zu den Daten: IDEA 1997: 15 und 19. Vgl. für die damit verbundenen Probleme: Falter/Schuhmann 1994; Oeing 1997 und Starzacher 1992. Vgl.: Pinzón de Lewin 1998: 411. Vgl. dazu: Helfrich-Bernal 1995: 118f.; Lozada 1994: 11 und Querubín/Sánchez/ Kure 1998: 128.

210

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 8: Wahlenthaltung bei Kongreß-, Präsidentschafts-, Gouverneurs-, Bürgermeister- und Stadt- bzw. Gemeinderatswahlen sowie den Wahlen zu den Versammlungen der departamentos auf der Grundlage des Wahlzensus* 1986-1998 Institution Präsident (1. Wahlgang) Präsident (2. Wahlgang) Senat Repräsentantenhaus Gouverneur

1986 ** 54,4 —

56,6 56,4

1988 — — — —

1990 56,5 —

44,5 45,4





departamento-Versamm-

56,7

35,2

43,1

lungen Bürgermeister Stadt- bzw. Gemeinderäte

56,5

33,3 33,9

46,0 K.A.





1991

1992

60,0

1994 66,0 56,7 67,2 67,3 59,8 60,1

1997/98 48,5 41,9 54,4 54,4 58,5 58,8

56,3 56,2

55,0 55,6

53,2 52,2



...





63,5 64,2 68,6 —

— —

... —

...

K. A.=Keine Angaben * Der Wahlzensus setzt sich aus dem Wählelpotential von 1986, den danach neu registrierten Wählern und den Personen zusammen, die ihren Personalausweis nach 1986 erhalten haben. Vgl.: Artikel 76, Cödigo Electoral de 1988. ** Die Daten, die die Registraduria National del Estado Civil für die Wahlberechtigten der Präsidentenwahl 1986 angibt, sind widersprüchlich. In diesem Jahr bereinigte sie den Wahlzensus. Mit dem neuen Zensus käme man zu einer Enthaltung von nur 24 Prozent. In früheren Publikationen der RNEC und des DANE wurde keine Korrektur vorgenommen. Die Zahlen gliedern sich ohne Korrektur logischer in die historische Zunahme der Wahlenthaltung ein. In einer Übersicht der Behörde zur Wahlenthaltung aus dem Jahr 1999 wurde erklärt, daß für das Jahr 1986 kein Wahlzensus vorliege. Dieses Vorgehen deutet auf Unregelmäßigkeiten im Umgang damit hin. Die Enthaltung bei den Wahlen zu den departamento-Versammlungen, für Bürgermeister und Stadt- bzw. Gemeinderäte im Jahr 1988 ist auch auf eine Korrektur des Wahlzensus zurückzuführen. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

In der Studie der Universidad de los Andes wurde deutlich, daß in Kolumbien aus den unterschiedlichsten Gründen nicht gewählt wurde. Den radikalen' Wähler und den .radikalen' Nichtwähler gab es nur zu einem geringen Anteil. Bei der Befragung bezeichneten sich 36 Prozent als permanente Wähler, acht Prozent wählten fast immer, 28 Prozent wählten manchmal, und nur 19 Prozent waren absolute Nichtwähler.143 Bei letzteren handelte es sich um geringfügig mehr Frauen als Männer.144 Als Gründe für die Wahlenthaltung können grundsätzlich angegeben werden: a) Politische Gewalt Die politische Gewalt ist in den verschiedenen Kommunen Kolumbiens unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie wirkt sich deshalb in einigen sehr, in anderen 143 144

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 42. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 55f.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

211

allenfalls indirekt auf das Wahlverhalten aus. Die Tendenz ist in den letzten Jahren allerdings steigend.145 In Städten und Gemeinden, in denen die Guerilla, die paramilitärischen Gruppen, das Militär und die Drogenmafia aktiv sind, haben Wahlen in der Regel einen gewaltverstärkenden Effekt oder können überhaupt nicht stattfinden. Meist sind die Anhänger links orientierter Parteien besonders betroffen. Das Gewaltphänomen wirkt sich auch dadurch aus, daß für einen Teil der Wähler keine politischen Alternativen zur Verfügung stehen. In der von der Universidad de los Andes 1993 durchgeführten Befragung gaben allerdings nur zwei Prozent der Befragten an, sie hätten Angst, sich politisch zu beteiligen.146 Zu berücksichtigen bleibt dabei, daß darin die besonders von der Gewalt betroffenen Kommunen unterrepräsentiert sein dürften, da die Befragung in ausgewählten Städten durchgeführt wurde. b) Fehlen politischer Alternativen zu den traditionellen Parteien Der Anstieg der Wahlenthaltung bis 1994 kann auch darauf zurückgeführt werden, daß die traditionellen Parteien durch ihre zunehmende Delegitimierung infolge der Nationalen Front vorübergehend ein Partizipationsvakuum hinterließen, das von anderen Organisationen aus den unterschiedlichsten parteiinternen und externen Gründen (vor allem bei den Wahlen der Jahre 1991 bis 1994) nicht ausgefüllt werden konnte. c) Zunehmende Urbanisierung Die Tatsache, daß die Wahlenthaltung mit dem Grad der Urbanisierung zunimmt, wird auch als Indiz für abnehmenden Klientelismus in den Städten gewertet.147

145 146 147

Vgl.: El Tiempo, 24.1.2002. Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 20. Vgl.: Pinzón de Lewin 1998: 41 lf.

212

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Schaubild 1: Durchschnittliche Wahlenthaltung bei Bürgermeisterwahlen 1988-1997 nach Größe der Kommune 57,3

Original durch die Autorin.

In ihrer empirischen Studie kamen die Forscher der Universidad de los Andes 1993 zu dem Schluß, daß klientelistische Tendenzen im Wahlprozeß zurückgegangen seien. Die Mehrheit der Befragten sah in der Wahl eine Staatsbürgerpflicht. Nur vier Prozent bezeichneten die Wahlstimme als ein Tauschobjekt für eine konkrete Gegenleistung. Dies würde auf klientelistische Bezüge verweisen. Im Hinblick auf ihr persönliches Verhalten gaben 13 Prozent an, sie hätten eine konkrete Gegenleistung für ihre Stimme erhalten. 14 Prozent hatten Angst, daß mit der Stimmabgabe der Verlust ihres Arbeitsplatzes verbunden sein könnte.148 Bleibt zu berücksichtigen, daß Klientelismus ein regional sehr unterschiedlich ausgeprägtes Phänomen ist und oft bestimmte gesellschaftliche Gruppen betrifft. Dazu zählen beispielsweise staatliche Beschäftigte, die besonders auf den Erhalt ihrer Arbeitsplätze angewiesen sind. Es ist auch anzunehmen, daß über Klientelismus in Befragungen nicht offen geredet wird, daß also die Methode hier auf ihre Grenzen stößt. 148

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 24ff. und 29f.

213

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

d) Schwierigkeiten bei der Ausübung des Wahlrechts Manche potentiellen Wähler scheitern in Kolumbien an Schwierigkeiten mit der Wahlprozedur. Nach der Studie der Universidad de los Andes besaßen 2,5 Prozent keinen Personalausweis bzw. hatten ihn verloren. In den marginalisierten Regionen des Landes liegt der Anteil deijenigen, die nicht wählen, weil sie keine Papiere haben, höher. Daß davon vor allem indigene und schwarze Bevölkerungsgruppen betroffen sind, kam auch in meiner Fallstudie in Tumaco zum Ausdruck. Vier Prozent fanden sich laut der Befragung der Universidad de los Andes nicht in ihrem Wahllokal registriert, obwohl sie dies getan hatten. Zwei Prozent gaben Transportprobleme zum Wahllokal als Grund für ihre Wahlenthaltung an. Von den befragten Nichtwählern fanden 16 Prozent die Einschreibung in die Wählerverzeichnisse zu kompliziert. 12 Prozent hatten Schwierigkeiten bei der Handhabung des Wahlscheins.149 e) Ansehen und Vertrauen in Politiker und Parteien Laut der Untersuchung der Universität Salamanca über das Verhalten parlamentarischer Eliten in Iberoamerika sehen die meisten Befragten in ihrer politischen Tätigkeit ein persönliches und finanzielles Opfer. Tabelle 9: Einstellungen kolumbianischer und iberoamerikanischer Parlamentarier zu ihrer politischen Tätigkeit Skala

Kolumbien Iberoamerika

Ablehnung

2

3

Gleichgültigkeit

6

10

Zustimmung

29

23

Völlige Zustimmung

63

64

**63

**914

(En desacuerdo)* (Indiferente) (De acuerdó)

(Muy de acuerdo) N * **

In dieser Kategorie wurden sehr ablehnend (muy en desacuerdo) desacuerdo) zusammengefaßt. Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen.

und ablehnend (en

Antworten auf die Aussage: „Überdenken Sie einmal ihr eigenes Politikerdasein und geben Sie den Grad ihres Einverständnisses mit der folgenden Aussage an: Das Politikerdasein erfordert enorme persönliche und finanzielle Opfer." („Teniendo en cuenta su propia experiencia de dedicación a la política, indique su grado de acuerdo con la siguiente afirmación: La dedicación a la política exige un enorme sacrificio, tanto vital como económico.") Quelle: Equipo de investigación sobre élites iberoamericanos 1998: 80. 149

Vgl.: Universidad de los Andes, Anexo Estadístico 1993: Frage Nr. 24A.

214

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Vor allem die befragten Parlamentarier der beiden traditionellen Parteien wehrten sich in ihrer überwiegenden Mehrheit gegen die Aussage, daß die Politik der schnellen persönlichen Bereicherung diene.150 Die Perspektive der Wähler scheint sich dagegen enorm von der der Parlamentarier zu unterscheiden. Die Hauptgründe für die Wahlenthaltung liegen laut der Untersuchung der Universidad de los Andes darin, daß viele Politiker ihre Wahlversprechen nicht einhalten und in der zunehmenden Korruption.151 62 Prozent der Befragten schrieben den Politikern negative Eigenschaften zu. Sie schätzten sie als korrupt und unehrlich ein. Sie seien nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht.152 Diese Ergebnisse bestätigen sich auch in anderen Umfragen. Das Ansehen und die perzipierte Problemlösungskapazität von Politikern ist laut der Resultate der Befragungen des Latinobarómetro in Kolumbien im lateinamerikanischen Vergleich gering. Tabelle 10: Ansehen der Politiker in ausgewählten lateinamerikanischen Ländern in Prozent (I) vz z s

ARG BOL BRA CHI ECU KOL MEX PAR PER URU VEN 41 62 39 51 55 47 54 59 51 61 49 52 40 40 46 53 37 36 36 26 35 43 95 93 94 91 95 87 88 91 96 91 92

VZ=Völlige Zustimmung Z=Zustimmung S=Summe Haltung zu der Aussage: „Wenn die Politiker sich mehr um die Probleme der Leute kümmern würden, wäre die Politik eine ehrenhaftere Tätigkeit". (Aussage liegt nicht im spanischen Original vor.) Quelle: Latinobarometro 1996, zitiert in: Thibaut 1998: 18.

150 151

152

Vgl. Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 85. Ein in der Bevölkerung besonders kritisch beurteiltes Beispiel für Korruption ist die Abführung von 10 bis 15 Prozent des Vertragsvolumens an den staatlichen Auftraggeber bei der Vergabe von öffentlichen Investitionsvorhaben. Vgl.: Mojica Martínez 1995: 52; Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 44ff.; vgl. auch: Ballén 1994: 12. Vgl.: Universidadde los Andes, Bd. 1 1993: 14.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

215

Tabelle 11: Ansehen der Politiker in ausgewählten lateinamerikanischen Ländern in Prozent (II) Viele Einige Wenige Gar keine

ARG BOL BRA CHI ECU KOL MEX PAR PER URU VEN 1 4 2 2 4 2 4 3 26 2 3 14 5 7 3 10 4 8 5 5 8 6 54 64 38 58 56 61 57 36 53 58 56 24 21 34 32 52 38 35 36 37 31 28

Antworten auf die Frage: „Glauben Sie, daß die Politiker viele oder keine Lösungen für die Probleme des Landes anbieten?" (Frage liegt nicht im spanischen Original vor.) Quelle: Latinobarömetro 1996, zitiert nach Thibaut 1998: 20.

Die Parteien wurden von den Befragten der Universidad de los Andes insgesamt positiver beurteilt als die Politiker. Dennoch glaubten 20 Prozent, daß die Hauptfunktion der Parteien darin liege, Wahlstimmen zu sammeln und 14 Prozent, daß sie bürokratische Posten verteilten. Die Beurteilung der Ehrlichkeit der Parteien fiel überwiegend negativ aus. Auf einer Skala von eins bis fünf erreichten sie im Durchschnitt 2,1 Punkte. Fünf stellte die beste Beurteilung dar. Verschiedene Umfragedaten belegen immer wieder, daß das Vertrauen der Befragten in Parteien im Vergleich zu anderen Organisationen und Institutionen relativ gering ist. Eine vom Centro Nacional de Consultorio Ende Dezember 1989 durchgeführte Untersuchung bescheinigte den Parteien rund 16 Prozent Vertrauen.153 1994 und 1995 wurden den Parteien bei einer von Eduardo Pizarro zitierten Befragung 22 und 16 Prozent, dem Kongreß 31 und 24 Prozent bescheinigt, während etwa die Fernsehnachrichtensender 69 bzw. 71 und das Militär 54 und 61 erhielten.154

153 154

Vgl.: Semana 26.12. 1989: 399f„ La gran encuesta del 89. Pizarro Leongömez 1996: 208. Der Autor gibt leider keine Quelle für die Befragung an, so daß die Fragestellung nicht nachvollzogen werden kann.

216

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 12: Vertrauen in Institutionen und Organisationen im lateinamerikanischen Vergleich in Prozent 1996 Institution/ Organisation

ARG

BOL

BRA

KOL

CHI ECU

MEX

PER

URU

VEN

Kirche Armee Gewerkschaften Justiz Presse Groß-Unternehmen öffentliche Verwaltung Polizei

62 32 10 23 57 23

79 36 28 25 63 40

68 63 33 41 50 40

68 45 37 32 43 63

77 50 42 35 47 44

67 76 27 31 55 35

72 40 19 19 30 31

79 50 26 24 42 37

57 39 33 55 55 29

75 59 19 28 55 36

19

23

27

20

38

28

18

26

37

18

24

17

27

36

25 17

21 17

20 16

24 15 12

47

Kongreß Polltische Parteien

42 28

27 18

12

30

42

17

22 18

33 19

38 32

19 11

Unternehmerverbände Femsehen Regierung

22

33

28

54

41

30

26

33

28

24

51 20

65 21

35 24

51 18

58 50

56 35

36 17

53 48

50 35

48 16

Kumulierte Prozentangaben derer, die „viel" oder „etwas" Vertrauen in die entsprechende Institution hatten. (Frage liegt nicht vor.) Quelle: Latinobarömetro 1996, zitiert nach Thibaut 1998: 21.

Im lateinamerikanischen Vergleich, das läßt sich in der oben stehenden Tabelle leicht erkennen, schneiden kolumbianische und venezolanische Parteien am schlechtesten ab. 1996 lagen die Vertrauenswerte für den Kongreß bei 15, für die politischen Parteien bei 12 Prozent. Auch bei den vom Latinobarömetro für 2001 veröffentlichten Vergleichsdaten erhält das kolumbianische Parlament mit 14 Prozent Vertrauen nach Ekuador und Guatemala die niedrigsten Werte in Lateinamerika.155 Eine wichtige Ursache für das negative Bild vieler Bürger von Parteien, Politikern und Parlament ist die Korruption, die sich von der lokalen, über die regionale bis hin zur nationalen Verwaltungsebene durch die staatlichen Instanzen zieht.156 Fast alle Organisationen schreiben sich mittlerweile laut ihrer Statute Anti-Korruption auf die Fahnen. Die neuen Vorschriften haben allerdings in der Praxis bisher nur zu vereinzelten Sanktionen geführt. Dies war vor allem beim Korruptionsskandal um den Prozeß 8.000 der Fall. Doch die Bestrafung von Politikern hatte keine ausreichend abschreckende Wirkung. Die 155

156

Las respuestas „mucha" o „algo" a la pregunta: or favor, para cada uno de los grupos, instituciones o personas, cuanta confianza tiene Ud. en ellas?" Vgl.: Latinobarömetro 2001, www.latinobar0metro.ora. 2.2.2002. Vgl.: Ballén 1994: 6 7 í ; Wills Herrera 1993: 25ff.; vgl. auch die ausführliche Studie von Cepeda Ulloa (1994) und die darin zitierten Umfragen: 105 ff.

217

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Korruption in der Bürokratie und im Kongreß ging weiter. Dies bestätigte auch die unsachgemäße Vergabe von Verträgen im Parlament, die Journalisten im Jahr 2001 aufdeckten. Zunehmend geraten auch die Bürgermeister in die Schlagzeilen. 157 Dabei hat die Tatsache, daß Politiker heute in ihre Ämter gewählt und nicht ernannt werden, nur in einem Teil der Kommunen zu einer zunehmenden Ethik beigetragen. Tabelle 13: Die Kosten der Korruption 1993 Delikte gegen den öffentlichen Sektor Gerichtsverhandlungen und Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Entwendungen in staatlichen Einrichtungen Steuerhinterziehung Schmuggel Insgesamt

Kosten in Millionen Pesos 452

Prozent des Bruttoinlandsproduktes 1,1

146 685 188 1470

0,4 1,7 0,5 3,7

Quelle: Rubio, zitiert in Eastman Robledo 1996: 80.

157

Bereits 1988 wurden die Hälfte der gewählten Bürgermeister aufgrund von Fehlleistungen bei der Haushaltsverwaltung, Korruption und anderen Vergehen, die in Zusammenhang mit ihrem Mandat standen, angeklagt und jeder fünfte bestraft. 1990 wurden 748 angeklagt und 604 verurteilt. Außerdem ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen rund 400 Bürgermeister wegen Unterschlagung. 1993 bearbeitete die Behörde 15.104 Untersuchungen aufgrund von Vergehen in der öffentlichen Verwaltung, 3.562 betrafen Unterschlagungen. 1994 wurden aufgrund von Korruptionsdelikten 771 Bürgermeister sanktioniert. Vgl.: Eastman Robledo 1996: 76f. und Ballen 1994: 99.

218

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 14: Entwicklung des perzipierten Korruptionsausmaßes* in ausgewählten lateinamerikanischen Ländern 1995-2001 Land Chile Uruguay Costa Rica Peru Brasilien Kolumbien Mexiko Panama El Salvador Argentinien Guatemala Venezuela Honduras Nikaragua Ekuador Bolivien Paraguay

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 7,94 6,80 6,05 6,8 6,9 7,4 7,5 — — — 4, 14 4,3 4,4 5, 1 — — 6,45 5,6 5, 1 5,4 4,5 — — — 4,5 4,5 4,4 4, 1 2,70 2,96 3,56 4,0 4,1 3,9 4,0 3,44 2,73 2,23 2,2 2,9 3,2 3,8 3,18 3,30 2,66 3,3 3,4 3,3 3,7 — — — — — — 3,7 3,6 3,9 4, 1 3,6 5,24 3,41 2,81 3,0 3,0 3,5 3,5 — — — 2,9 3, 1 3,2 2,66 2,50 2, 77 2,3 2,6 2,7 2,8 — — — 2,7 1,7 1,8 — — — — 3,0 3,1 2,4 — — 3,19 2,3 2,4 2,6 2,3 — 3,40 2,05 2,8 2,5 2,7 2,0 1,5 2,0 -

*

Beruht auf Befragungen international tätiger Geschäftsleute, Journalisten und der Bevölkerung sowie auf Risikoanalysen. Die Bewertungsskala reicht von 0 (sehr korrupt) bis 10 (wenig korrupt). Quelle: Transparency International, http://www.gwdg.de/~uwvw/icr.htm.

f)

Mangelndes Interesse an Politik

44 Prozent der Befragten der Studie der Universidad de los Andes gaben an, daß sie kein Interesse hätten, sich politisch zu beteiligen. Die NichtWähler interessieren sich insgesamt weniger für Politik als die Wähler. In meiner Fallstudie wurde deutlich, daß nur 6,6 Prozent der Befragten angaben, politisch tätig zu sein. Allerdings hing dies auch mit der Politikdefinition zusammen.158 Sozialpolitisches Engagement bestätigten 17 Prozent der Befragten. 158

Antworten auf die Fragen: „Sind Sie politisch engagiert?"/„Sind Sie sozialpolitisch engagiert?" („Ud. desarrolla alguna actividad politica?"/„Ud. desarrolla alguna actividad comunitariaT'1) Die Fragen wurden bewußt offen gestellt und nicht in der herkömmlichen Weise operationalisiert. Bei der Nachfrage, um welche politische Betätigung es sich handele, und bei einer Zusatzfrage dazu, was die Befragten unter Politik verstünden, wurde deutlich, daß sie diese in fast allen Fällen im Zusammenhang mit den traditionellen Parteien und mit den Wahlen brachten. Es handelte sich also um ein sehr enges Politikverständnis, das mit der traditionellen Art und Weise Politik zu machen, in Verbindung stand. Während die Befragten der ,Politik' in diesem Sinne eher kritisch begegneten, war sozialpolitisches Engagement positiv besetzt.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

219

g) Mangelnde Effizienz und Veränderungspotential der Wahlen 61 Prozent der Befragten der Universidad de los Andes waren der Meinung, daß die Wahlen nicht zu politischen und ökonomischen Veränderungen führten. Der mangelnde Glaube, durch Wahlen eine Modifikation der eigenen Lebensverhältnisse hervorzurufen, ist - das zeigt auch unten stehende Tabelle - ebenfalls ein wichtiger Grund für die Wahlenthaltung.159 Tabelle 15: Effektivität der Wahlstimme im iberoamerikanischen Vergleich Land

Prozent

Paraguay Nikaragua Uruguay Spanien Argentinien Brasilien Panama Ekuador Peru Bolivien Venezuela Chile Mexiko Costa Rica

70 69 67 67 63 61 59 58 52 51 49 49 46 45

Kolumbien

43

El Salvador Guatemala Honduras

42 38 37

Prozent der Antwortenden, die eher mit der Aussage einverstanden waren: „Durch meine Wahl ändern sich die Dinge in der Zukunft" als mit der Aussage: „Unabhängig von meiner Wahl werden sich die Dinge in der Zukunft nicht verbessern." (Antwortvorgaben liegen nicht im spanischen Original vor.) Quelle: Latinobarómetro 1996, zitiert nach Lagos 1997: 131.

Um der Wahlenthaltung zu begegnen, hat der Staat bisher verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, aber nur teilweise umgesetzt. Sie betreffen aber in der Regel nicht die Strukturen des politischen und des Parteiensystems, so daß sie nur einen Teil der Ursachen der Wahlenthaltung beheben würden. Die Einführung der Wahlpflicht wird dabei immer wieder als eine mögliche Lösung gesehen. Bei der Studie der Universidad de los Andes sprachen sich 76 Prozent der

159

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 35.

220

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Befragten dagegen aus. Dabei handelte es sich überdurchschnittlich stark um junge Personen zwischen 18 und 35 Jahren.160 Bei der Regionalwahl 1997 und den Kongreß- und Präsidentschaftswahlen 1998 stiegen sowohl die Registrierung der Wähler in den Wählerverzeichnissen als auch die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Voqahren überraschenderweise wieder an.161 Einen wichtigen Impuls gab neben anderen Gründen dafür das Gesetz zur Stimulation der Wahlbeteiligung, das 1997 vom Kongreß verabschiedet wurde.162 Es sieht im einzelnen für Wähler folgende Vergünstigungen vor: • Bevorzugte Annahme in staatlichen Universitäten; 10 Prozent weniger Matrikulationsgebühren für Studenten öffentlicher Universitäten. • Reduzierung des obligatorischen Militärdienstes um ein bis zwei Monate je nach Soldatenstatus. • Bevorzugung bei staatlichen Stipendien und der Vergabe von Sozialwohnungen. • Kompensation des Wahltages durch einen halben bezahlten Arbeitstag. • Bevorzugung bei Bewerbungen für die Verwaltungslaufbahn. Positive Anreize für die Wahlbeteiligung zu schaffen, ist ein legitimes Anliegen des Staates. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß die Vergabe direkter, personengebundener Gegenleistungen für die Wahlstimme in Kolumbien durch die Kultur des Klientelismus eine lange Tradition hat. Das Gesetz stärkt diese Tendenz partikularistischer Entschädigung für den Wahlakt. Es schwächt dagegen Rationalitätserwägungen, die Anerkennung als Staatsbürgerrecht und als Essenz des demokratischen Prozesses. Neben dem Hinwirken auf eine Beseitigung der genannten Ursachen der Wahlenthaltung, könnte der Staat außerdem durch einfache Anreize die Wahlbeteiligung fördern. Dazu zählt beispielsweise die kostenlose Ausstellung von Personalausweisen (cédulas de ciudadanía) in marginalisierten Regionen. 163 Insgesamt

160 161

162

163

Vgl.: Universidad de los Andes, Bd. 1 1993: 27. Vgl.: Boudon 1998: 18, der das Gegenteil vorausgesagt hatte. Die Registrierung in den Wählerverzeichnissen stieg von 2.629.482 Personen im Jahr 1994 auf 5.309.658 Personen 1997 an. Vgl.: Pizarra Leongómez 1998: 97. Vgl.: Ley 403 del 27 de agosto de 1997 por la cual se establecen estímulos para los sufragantes und Sentencia C-337/1997 Corte Constitucional. Es war dagegen vorgesehen, daß kolumbianische Staatsbürger ihren Personalausweis für rund 20 Mark bis zum Jahr 2002 durch einen falschungssicheren neuen ersetzen mußten. Nach Einschätzung des früheren Leiters der Wahlbehörde, Luis Camilo Osorio, war diese Maßnahme überflüssig. Die tatsächlichen Produktionskosten des Personalausweises lägen beträchtlich niedriger und der Preis sei nicht zu rechtfertigen. Er ging davon aus, daß das darüber eingenommene Geld in die Ta-

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

221

hängt eine Erhöhung der Wahlbeteiligung allerdings nicht von simplen normativen Anreizen ab, sondern von der Verbesserung der Strukturbedingungen im Parteien- und Wahlregime und der Rahmenbedingungen auf der Ebene des Staates.

5. 5.1

Reformen auf der Ebene der Exekutive Die Einführung eines zweiten Wahlgangs bei Präsidentschaftswahlen

Die Wahl des Präsidenten durch relative Mehrheitswahl in einem Wahlgang hatte die traditionellen Parteien begünstigt. Bei den Urnengängen nach dem Ende des Regimes der Nationalen Front gewannen nur zwei der fünf Präsidenten, Lopez Michelsen und Barco Vargas, die Wahlen mit über 50 Prozent der Stimmen. Es war zu erwarten, daß die Legitimationsprobleme für den Amtsinhaber steigen würden, wenn sich zunehmend neue Parteien an Wahlen beteiligten, da die auf den Wahlsieger entfallenden Prozentanteile immer niedriger würden. 164 Diese Entwicklung trat tatsächlich nach den Reformen ein. Die Einführung eines zweiten Wahlgangs erhöhte also die Legitimationsbasis des Kandidaten. Tabelle 16: Stimmenanteile und prozentualer Anteil der gewählten Präsidenten 1974-1998 Jahr 1974 1978 1982 1986 1990 1994* 1998*

Kandidat Alfonso López Michelsen Julio César Turbay Ayala Belisario Betancur Cuartas Virgilio Barco Vargas César Gaviria Trujillo Ernesto Samper Pizano Andrés Pastrana Arango

Stimmen Prozent 2.929.719 56 2.503.681 49 3.189.278 47 4.214.510 58 2.891.808 48 2.623.210 45 34 3.653.048

Erste Wahlrunde. Fett markierte Präsidentschaftskandidaten erzielten mehr als 50 Prozent der Stimmen. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Es galt außerdem aufgrund des gestiegenen Wettbewerbs als wahrscheinlich, daß ein zweiter Wahlgang nach seiner Einführung auch durchgeführt werden mußte. Dies bestätigte sich 1994 und 1998. Nach dem winner-takes-all-Vnnzvp können sich die Mehrheitsverhältnisse im zweiten Wahlgang umdrehen. Dies war 1998 der Fall, als Horacio Serpa den ersten Wahlgang gewann, den zwei-

164

schen der leitenden Angestellten der Behörde floß. Interview mit Luis Camilo Osorio, 4.5.1999. Vgl. dazu auch Ariel Sánchez ohne Jahr: 43.

222

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

ten aber knapp verlor. Die unterlegene Liberale Partei zweifelte allerdings den Wahlsieg des heutigen Präsidenten Andrés Pastrana (1998-2002) nicht an. Das Verfahren des zweiten Wahlgangs wird also von allen Beteiligten als legitim anerkannt und respektiert. Tabelle 17: Stimmenanteil und prozentuale Verteilung im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 21.6.1998 Kandidat/Stimmenart Absolut Prozent 50,34 Andrés Pastrana Arango 6.114.752 Horacio Serpa Uribe 5.658.518 46,58 ,Leere' Stimmzettel 373.659 3,08 Gültige Stimmen 12.146.929 100,00 163.178 Ungültige Stimmen Abgegebene Stimmen 12.310.107 Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Eine weitere Hoffnung bestand darin, daß sich die Beteiligung bei den Wahlen 1994 und 1998 erhöhen würde. Dies traf auf den zweiten Wahlgang tatsächlich zu. Tabelle 18: Wahlbeteiligung und -enthaltung* in Prozent bei Präsidentschaftswahlen 1958-1998 Jahr/Wahlgang Wahlbeteiligung 1958 57,71 1962 48,75 1966 40,07 1970 52,53 1974 58,14 1978 40,34 1982 49,81 1986 45,64 1990 43,50 1994 (erster Wahlgang) 33,95 1994 (zweiter Wahlgang) 43,32 1998 (erster Wahlgang) 51,46 1998 (zweiter Wahlgang) 58,07

Wahlenthaltung 42,29 51,25 59,93 47,47 41,86 59,66 50,19 54,36 56,50 66,05 56,68 48,54 41,93

* Berechnet auf der Grundlage des Wahlpotentials (censo electoral). Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Im folgenden soll erläutert werden, welche der zweiten Wahlgängen zugeschriebenen Konsequenzen bei den Wahlen 1994 und 1998 feststellbar waren:

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

223

a) Polarisierung Der zweite Wahlgang zeichnete sich vor allem 1994, aber auch 1998 durch die knappe Überlegenheit des Siegers aus. Die Wahlbevölkerung war vor allem 1994 in zwei Lager gespalten. Eine starke Polarisierung der Gesellschaft wird von den Präsidentialismuskritikern als bedenklich angesehen. Diese Kritik ist zunächst einmal so pauschal nicht nachzuvollziehen. Sie berücksichtigt die Wettbewerbseffekte nicht, die durch die Einführung von zwei Wahlgängen entstehen. Zum einen ist die Polarisierung in Kolumbien recht künstlich. Sie fand zwischen den Kandidaten der traditionellen Parteien bzw. deren Satelliten- oder Abspaltungsparteien statt. 1994 und 1998 wiederholten sich ähnliche Bewerberkonstellationen.165 Die Polarisierung verlief dabei nur in geringem Maße entlang von Sachthemen oder ideologischen Differenzen. Im Wahlkampf 1994 war es beispielsweise zu einer Auseinandersetzung zwischen dem liberalen Ernesto Samper und dem konservativen Andrés Pastrana über die Beteiligung der Katholischen Kirche an der Politik gekommen. Dies ist in Kolumbien nach den Erfahrungen der Violencia und der Unterstützung der Konservativen Partei durch die Katholische Kirche ein heikles und polemisches Thema. Pastrana forderte die Katholiken auf, die ihnen nahestehende Partei, sprich: die Konservativen zu wählen. Seine Frau Nohra Puyana de Pastrana hatte Briefe an die katholischen Frauengemeinschaften geschickt und sie gebeten, für den Kandidaten zu stimmen, der christliche, katholische Werte verkörpere. Bischof Dario Castrillón Hoyos predigte von der Kanzel, die Katholiken sollten das Feld für die ,leeren' Stimmzettel (voto en blanco) ankreuzen. Dies war allerdings als Wahlaufruf für Pastrana zu interpretieren. Die protestantischen Bewegungen unterstützten im Gegenzug schließlich Ernesto Samper. Der Kandidat ging davon aus, daß die mehr als 130.000 Stimmen, die die verschiedenen christlichen Gruppen insgesamt bei den Kongreßwahlen 1994 erzielt hatten, seinen Wahlsieg bestimmen konnten.166 Die Auseinandersetzung wurde auch dadurch geschürt, daß der liberale Präsidentschaftskandidat angeblich einen evangelischen Bildungsminister einsetzen wollte. Die Bildungspolitik war traditionell mit der Katholischen Kirche verknüpft. Offiziell betonte die Confederación Evangélica de Colombia, daß die Wähler in ihrer Wahl vollkommen frei seien. Die Katholische Bischofskonferenz (Conferencia Episcopal Católica de Colombia) rief die Bürger zwar zur Wahl auf, aber nicht für einen bestimmten Präsidentschaftskandidaten. 167 Die Bevölkerung hatte geglaubt, daß die Auseinandersetzungen über die Rolle der Kirche in der Politik vergangenen Zeiten angehörten. Diese von Pastrana neu geschürte Debatte und sein Appell an religóse Identifikationsmotive auf der Basis der 165 166 167

Pastrana-Samper; Pastrana-Serpa. Tatsächlich siegte Samper mit der geringen Differenz von 156.555 Stimmen. Vgl.: Cardona Grisales 1994: 10f.; Arrazola 1994: 20f.; El Espectador, 1.5.1994; El Tiempo, 28.5.1994 und El Tiempo, 12.6.1994.

224

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

parteipolitischen Subkulturen knüpfte an längst überwunden geglaubte Rivalitäten zwischen den traditionellen Parteien an und unterhöhlte die sachliche Wahlkampfauseinandersetzung. 1998 schürte Pastrana die Polarisierung ebenfalls nicht entlang von Parteioder ideologischen Grenzlinien, sondern zwischen continuistas und anticontinuistas. Erstere waren Anhänger Horacio Serpas und damit - so der Präsidentschaftskandidat - der Vorgängerregierung Samper. Letztere suchten einen Wechsel an der Staatsspitze. Auch diese Polemik drängte Politikinhalte und sachliche Auseinandersetzung in den Hintergrund. b)

Die Bedeutung der regionalen Parteibosse und die Kohäsion der Parteien Es wurde deutlich, daß der zweite Wahlgang das Gewicht der lokalen und regionalen Parteibosse vor allem der Liberalen Partei erhöhte. Samper beispielsweise hatte im ersten Wahlgang 1994 einen .modernen' Wahlkampf geführt, um sich von den traditionellen Politikbaronen abzugrenzen. In der zweiten Wahlrunde mußte er die Kaziken nachdrücklich bitten, die Wahlmaschinerie stärker zu mobilisieren. Dies hatte zur Konsequenz, daß er ihnen anschließend verpflichtet war und durch die Zuteilung von finanziellen und administrativen Ressourcen entgegenkommen mußte. Der zweite Wahlgang hatte 1994 aber auch den Effekt, daß durch die Unterstützung eines Präsidentschaftskandidaten die entzweiten liberalen Parteibosse an der Atlantikküste und in den departamentos Antioquia, Santander, Huila und Tolima ihre internen Dispute zurückstellen mußten. Dies erhöhte vorübergehend die Kohäsion der Liberalen Partei.168 c) Wahlversprechen Da die Kandidaten nur in den zwei bis drei Wochen, die zwischen den Wahlgängen liegen, um Mehrheiten werben, versuchen sie sich in ihren Wahlversprechen gegenseitig zu übertrumpfen. Dies kann zwar einerseits die politische Innovationsfähigkeit anregen. Die Zusagen sind aber oft übertrieben und unrealistisch. Sie bringen den Politikern langfristig eher Mißtrauen in der Bevölkerung ein, wenn sie anschließend nicht eingehalten werden. Die mangelnde Responsivität der Politik hatte bereits in der Vergangenheit zu einem großen Vertrauensverlust in die Parteien gefuhrt. Samper versprach 1994 eine Million neue Arbeitsplätze. Am Ende seiner Amtszeit jedoch gab es eine Rekordarbeitslosigkeit. Der Vorschlag Pastranas, die Mehrwertsteuer zu senken und der Serpas, die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden zu reduzieren, wurden 1998 zum Stimmenfang im zweiten Wahlgang eingesetzt.169 168 169

Vgl.: Equipo de Coyuntura Política 1994: 7; Helfrich-Bernal 1995: 102ff. Vgl.: Pizarra Leongómez 1998b: 3ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

225

d) Die Wahlchancen der Konservativen Partei Der PLC stellte seit dem zweiten Weltkrieg die Mehrheit der Präsidenten. Der Konservativen Partei war vor den Reformen nur ein Wahlsieg gelungen, wenn die Liberalen mit mehreren Präsidentschaftskandidaten antraten. Dies geschah beispielsweise 1982 bei der Wahl Belisario Betancurs. Unter den Bedingungen von zwei Wahlgängen veränderten sich allerdings die Perspektiven. Zunächst erhöhte der zweite Wahlgang klar die Chancen des PC. Pastrana (der als konservativer Kandidat galt) war auch 1994 nur knapp unterlegen und stand einem Präsidenten gegenüber, in dessen Wahlkampf hohe Summen illegaler Gelder eingeflossen waren. 1998 gewann er die Wahlen. Wird die Liberale Partei dadurch gespalten, daß mehrere starke Kandidaten antreten, führt dies nicht mehr notwendigerweise wie früher zu einem Wahlsieg der Konservativen, da sich aufgrund des zweiten Wahlgangs auch zwei Kandidaten des PLC oder einer seiner Satellitenparteien170 durchsetzen können. Insgesamt schafft die Einführung des zweiten Wahlgangs also völlig neue, von ihrer tatsächlichen Parteienstärke unabhängige, Konstellationen zwischen den beiden größten Parteien bzw. Parteifamilien. e)

Politischer Wettbewerb, Wahlbündnisse und die Bedeutung kleiner Parteien sowie parteiloser Kandidaten Die unten stehende Tabelle verdeutlicht, daß u.a. die Einführung des zweiten Wahlgangs die Zahl der Präsidentschaftskandidaten erhöht hat. Tendenziell beteiligen sich mehr Kandidaten dritter Parteien als vor den Reformen an den Wahlen, auch wenn sie teilweise Satelliten- oder Abspaltungsparteien der traditionellen Parteien waren. Dies steigert den politischen Wettbewerb. Zu berücksichtigen bleibt, daß es sich für die Wahlbevölkerung bei vielen Kandidaten nicht notwendigerweise um ernstzunehmende Alternativen handelt.

170

Vgl. zur Begriffsklärung die Erläuterungen im Kapitel über die Transformation des Parteiensystems.

226

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 19: Anzahl und Parteienzugehörigkeit der Präsidentschaftskandidaten 1974-2002 Jahr 1974 1978 1982 1986 1990

Liberale Partei Konservative Partei A n d e r e 1 1 3 1 *2 1 1

1 1 1 1

7 3 3 **10

Insgesamt 5 9 5 5 12

1994 1998 2002 *

1 1 16 18 1 1 11 13 **# JQ 1 11 Die Liberalen traten mit Alfonso López Michelsen für den Partido Liberal und mit Luis Carlos Galán fiir den Nuevo Liberalismo an. ** Darunter Alvaro Gómez, der nicht als Kandidat des Partido Conservador antrat, sondern für den Movimiento de Salvación Nacional. *** Darunter Alvaro Uribe Vêlez, der nicht als Kandidat des Partido Liberal antrat, sondern fiir Primero Colombia. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Beteiligung dritter Parteien hatte vor den Reformen nur symbolischen Charakter. Sie traten in der Regel an, um den Alleinvertretungsanspruch der traditionellen Kandidaten in Frage zu stellen. Durch die Einführung des zweiten Wahlgangs erhöhte sich ihr tatsächliches politisches Gewicht. Für die traditionellen Parteien ist es immer wichtiger, bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen zu erzielen. Tun sie dies nicht, müssen sie im zweiten Wahlgang Zugeständnisse an dritte Parteien machen. Die beiden traditionellen Parteien sind seit 1994 von der Kooptation der Minderheitsparteien abhängig, um das Präsidentenamt zu übernehmen. Aus Regierbarkeitserwägungen könnte dies kritisch beurteilt werden. Der Machtzuwachs dritter Parteien und eine Verbesserung der Inklusionsfahigkeit des politischen Systems ist aber vor dem Hintergrund der kolumbianischen Kultur des Ausgrenzens nicht-traditioneller Parteien positiv zu bewerten. Theoretisch können Wahlbündnisse auch die geringe Repräsentativität der Regierungen in Präsidialsystemen erhöhen.171 Die etablierten politischen Gewohnheiten führen allerdings auch dazu, daß keine politisch/programmatischen, sondern bürokratisch/partikularistische Zugeständnisse gegenüber den kleinen Parteien und Kandidaten gemacht werden. In den Worten Miranda Hamburgers: „ D e r zweite W a h l g a n g verliert seinen Sinn durch die G e w o h n h e i t des personalistischen Anschlusses verschiedener K a n d i d a t e n an die potentiellen Präsidentschaftsanwärter, die das Erscheinungsbild des Präsidentschaftskandidaten verbessern sollen, aber nicht die Struktur seines R e g i e r u n g s p r o g r a m m s . D i e Pro-

171

Vgl.: N i n o 1995: 104.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

227

gramme sind nicht verhandelbar und die Unterstützung ist mehr auf den Wahlkampf begrenzt, als daß sie Ausdruck des Wunsches nach einer Koalitionsregierung wäre."172

Tabelle 20: Erzielte Stimmen und prozentualer Anteil der Kandidaten im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 19.6.1994 Kandidat/Stimmenart Absolut Ernesto Samper 3.733.336 Andrés Pastrana 3.576.781 ,Leere' Stimmzettel 72.536 Gültige Stimmen 7.382.653 Ungültige Stimmen 45.098 Abgegebene Stimmen 7.427.751

Prozent 50,57 48,45 0,98 100,00

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Der Partido Liberal mußte ab 1994 Wahlbündnisse eingehen. Ernesto Samper gründete für den zweiten Wahlgang die Alianza por Colombia. Sie bestand neben der Liberalen Partei und einigen Konservativen aus Mitgliedern der Alianza Democrática M-19, der ANAPO, dem Movimiento Indígena de Colombia, dem Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia, der Repräsentantin der Afrokolumbianer, Zulia Mena, einem Teil der protestantischen Parteien und Repräsentanten der Gewerkschaften im Parlament.173 Horacio Serpa warb 1998 einige konservative Politiker, die ehemalige Guerillaorganisation Corriente de Renovación Socialista, einen Teil der indianischen Gemeinschaften, u.a. Jésus Enrique Piñacué (ASI), die ihn bei seiner Wahl unterstützten. Andrés Pastrana war neben verschiedenen tatsächlichen und ehemaligen Liberalen wie beispielsweise Alfonso Valdivieso, Humberto de la Calle, Rafael Pardo, Fuad Char, Claudia Blum, Maria Isabel Rueda und Ingrid Betancourt auch auf die Mitglieder kleiner Parteien angewiesen.174 Das Beispiel Noemi Sanin spricht ebenfalls für den Bedeutungszuwachs .unabhängiger' Kandidaten, auch wenn sie ursprünglich aus der Konservativen Partei stammt. Sie schnitt mit fast 27 Prozent der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang unerwartet gut ab. Man ging davon aus, daß ein Fingerzeig der Kandidatin zugunsten Pastranas oder Serpas deren Wahlsieg bedeuten würde. Allerdings stellte sich auch heraus, daß das Wahlbündnis Sanins nicht geschlossen auftrat: An ihm beteiligten sich die liberalen Politiker Alfonso Valdivieso und Carlos Lleras de la Fuente. Hinzu kam der unabhängige Antanas Mockus.175 Valdivieso, der zunächst mit seiner im Oktober 1997 ge172 173 174 175

Miranda Hamburger 1998: 83. Vgl.: El Tiempo, 3.5.1994; El Espectador, 4.5.1994. Vgl. auch Hoskin 1998: 375. Vgl.: El Tiempo, 24.2.1998.

228

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

gründeten Partei Valdivieso Présidente 98176 ohne allzu großem Erfolg allein Wahlkampf betrieben hatte, zog sich vor dem Urnengang für die Präsidentschaftswahlen auch aus der Koalition mit Noemi Sanin zurück und schloß sich Pastrana an. Das verdeutlichte seine vorwiegend machtpolitischen Interessen. Der Ex-Liberale Lieras de la Fuente lief nach dem ersten Wahlgang ebenfalls zu Pastrana über.177 Die weniger bedeutenden Mitglieder des Wahlbündnisses verhandelten individuell mit Serpa und Pastrana. Ihnen ging es dabei vor allem um Posten in der staatlichen Bürokratie. Antanas Mockus und Gustavo Petro plädierten für einen ,leeren Stimmzettel' (voto en blanco). Ramön Jimeno kündigte an, sich im zweiten Wahlgang ganz der Wahl zu enthalten. Die Kandidatin selbst übte sich in Zurückhaltung. Damit wollte sie offiziell ihre Unabhängigkeit bewahren und ihren Wählern die Wahlentscheidung selbst überlassen. Doch verschiedene Gesten der Kandidatin wurden als Wahlhilfe für Pastrana interpretiert: Zum einen eine Beschwerde Sanins an den Procurador Jaime Bernal Cuéllar über die illegale Unterstützung Horacio Serpas durch den amtierenden Präsidenten Ernesto Samper. Zweitens die generelle Kritik der Politikerin an der Regierung. Drittens ihre Aufforderung, durch die Wahlen einen echten Wandel herbeizufuhren und viertens Sanins frühere konservative Parteibindung.178 Auch für die Präsidentschaftswahlen 2002 zeichnete sich schon im Vorfeld der Wahlen die Bildung von Wahlkoalitionen ab. Gleich nach den Kongreßwahlen im März entschlossen sich neben einem Teil der Liberalen Partei zahlreiche Konservative und einige der nicht-traditionellen Kandidaten, den ehemaligen Liberalen Alvaro Uribe Vêlez zu unterstützen.179 In einer Adaptation der Definition Sartoris für relevante Parteien in parlamentarischen Systemen könnte man im Hinblick auf die unterschiedliche Funktionsweise präsidentieller Regierungssysteme den Schluß ziehen, daß ein Teil der kleinen Parteien durch den zweiten Wahlgang zu relevanten Parteien erhoben wurde, auch wenn dies statistische Indikatoren wie die effektive Zahl der Parteien nicht nahelegen. 180 Sie erhöhten ihr ,Koalitions- und Erpressungspotential'. Gleichzeitig darf man aber nicht vergessen, daß ihr Machtzuwachs von kurzer Dauer sein kann. Handelt es sich bei den dritten Kräften um spontan zusammengesetzte Wahlbündnisse, kann ihr Verhandlungspotential, wie das Beispiel Sanin zeigt, durch individualistische Verhaltensweisen einzelner Mitglieder geschwächt werden. Als problematisch muß auch das Kooptationspotential des gewählten Präsidenten gewertet werden, das die Kritikfähigkeit 176

177 178 179 180

Die Partei wurde schließlich am 27. Januar 1998 in Movimiento 98 umbenannt. Für sie traten später bei den Kongreßwahlen eigene Kandidaten an. Vgl.: El Tiempo, 17.6.1998. Vgl.: Semana vom 1.6.1998: 39ff.; El Mundo, 19.6.1998. Vgl.: El Tiempo, 14.3.2002, El Espectador, 14.3.2002. Vgl. dazu das Evaluierungskapitel.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

229

nicht-traditioneller Parteien schwächen kann und oppositionelle Tendenzen im Kongreß durch die Einbindung in Wahlbündnisse zerstört. Oft handelt es sich außerdem bei diesen Übereinkünften nicht um politische Vereinbarungen, die ein Regierungsprogramm ergänzen, sondern um den schlichten Austausch von Gefälligkeiten mit klientelistischem Charakter. Der kolumbianische Politikwissenschaftler Eduardo Pizarro Leongömez leitet von den Verhandlungsprozessen um den zweiten Wahlgang überwiegend negative Folgen für das politische System ab. Die Präsidentschaftskandidaten müßten in kurzer Zeit mit dritten Parteien und Kandidaten wenig fundierte politische Abkommen schließen. Es komme dabei zu übereilten Zugeständnissen an kleine Splittergruppen - eine Sorge, die der Forscher mit den Präsidentialismuskritikem teilt und die im Einzelfall sicherlich begründet ist. Reformen müßten normalerweise vom Kongreß und der Zivilgesellschaft diskutiert und (wie Pizarro fordert) möglicherweise von der Bevölkerung durch ein Referendum abgesegnet werden. Sonst besteht vor allem im kolumbianischen Kontext die Gefahr, daß es bei einem begrenzten Elitenabkommen ohne parteipolitische und zivilgesellschaftliche Untermauerung bleibt. Finden solche Reformvorschläge zusätzlich noch keine Mehrheit im Parlament, löst dies Frustrationen bei allen Beteiligten aus.181 Hinzu kommt, daß Präsidenten eigentlich ihr Programm erfüllen sollten. Schließlich dient es den Wählern als Grundlage für ihre Wahlentscheidung. Kurzfristige Ad-hoc-Absprachen stören die Beziehung zwischen Wählern und Gewählten und wirken sich negativ auf die Responsivität der Parteien aus.182 f) Auswirkungen auf die Oppositionsfunktion nach den Wahlen Wahlbündnisse haben unter Umständen Konsequenzen für die Oppositionstätigkeit im Kongreß. Die kolumbianische Tradition des pactismo kann zur vollständigen Kooptation dritter Parteien durch die Wahlsieger führen. Dies war im Hinblick auf Sampers Älianza por Colombia 1994 zu beobachten. Einige Mitglieder der Alianza erhielten Kabinettsposten und wurden dadurch auf Regierungslinie gebracht, so zum Beispiel der Konservative Rodrigo Marin Bernal, der den Posten des Entwicklungsministers erhielt.183 Nach der Wahl funktionierte die Allianz im Kongreß größtenteils wie eine Koalition. Diese Wahlbündnisse gewährleisten in einem fragmentierten Parteiensystem Mehrheitsbildungen als Wahlkampfstrategie und anschließend zur Durchsetzung von Gesetzgebungsprojekten. Sie erhöhten dadurch die Regierbarkeit, machten allerdings im Hinblick auf die Auseinandersetzungen um den Korruptionsskandal desproceso 8.000 auch die Probleme deutlich, die solche Zusammen181

182 183

Die Reformvorschläge Ingrid Betancourts wurden beispielsweise tatsächlich vom Kongreß stark modifiziert und schließlich verworfen. Vgl.: Eduardo Pizarro Leongömez 1998a: 3A. Vgl.: Taylor 1996: 157.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

230

schlüsse im Hinblick auf die Kontrolle der Exekutive hatten. Parteiübergreifende Abstimmungsprozesse sind außerdem dann problematisch, wenn sie (wie beispielsweise beim sogenannten narcomico) dazu dienen, illegale Machenschaften des Präsidenten oder der Regierungskoalition zu decken.184 Auch im Hinblick auf die kolumbianische politische Kultur und den konkordanzdemokratischen Charakter des politischen Verhandlungsprozesses sind diese Zusammenschlüsse kritisch zu beurteilen. Die erlahmte Oppositionstätigkeit des Kongresses sollte durch die Reformen ja gerade angeregt werden. Wenn dritte Parteien nur an der Durchsetzung von persönlichen oder Gruppeninteressen und nicht an der Kontrolle der Regierung interessiert sind, dann haben die Verfassunggeber ihr Ziel, die horizontale Verantwortlichkeit zu stärken, nicht erreicht. Die hier geführte Diskussion macht allerdings auch deutlich, daß die Probleme, die mit dem zweiten Wahlgang verknüpft sind, nicht in erster Linie mit dem Regierungssystem in Zusammenhang stehen. Wenn Abweichungen zu den ursprünglich intendierten Zielen der Reform auftraten, dann weniger aufgrund des institutionellen Designs, sondern in erster Linie wegen der informellen Institutionalität.

5.2

Die Wahl des Vizepräsidenten

Nach den Bestimmungen der Verfassung von 1991 wurde bei den Präsidentschaftswahlen der Jahre 1994 und 1998 ein Vizepräsident an die Seite des Staatschefs gewählt. Die Kandidaten bilden ein Präsidentschaftsteam. Eine mögliche Konsequenz der Reform war der Zusammenschluß von Allianzen zwischen Politikern verschiedener Parteien. Bei der Kandidatenauswahl waren strategische und konjunkturelle Faktoren ausschlaggebend: Wählerpotential, Geschlecht, regionale Herkunft, Zugehörigkeit zu einer Partei, zu einem bestimmten Flügel einer Partei bzw. Parteiunabhängigkeit. 1994 stand bei der Entscheidung über den Teampartner vor allem sein Wählerpotential im Vordergrund. Da der Vizepräsident unter bestimmten, bereits erläuterten, Bedingungen nicht wiedergewählt werden kann, lehnten verschiedene Politiker eine Kandidatur ab. Der konservative Andrés Pastrana, der für ein Wahlbündnis aus mehreren Parteien antrat, hatte zunächst an den klugen Schachzug gedacht, mit Humberto de la Calle den gaviristischen Flügel

184

Mit narcomico wird ein Zusatz zu einem Gesetz bezeichnet, durch das illegale Bereicherung mit Drogengeldern nicht mehr unter Strafe gestellt werden sollte. Dadurch hätte der Kongreß ein wichtiges Mittel zur strafrechtlichen Verfolgung von Drogenhändlern und den sich durch Gelder der Mafia bereichernden Politikern außer Kraft gesetzt.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

231

der Liberalen Partei an sich zu binden. 185 Doch die konservative Parteikonvention sprach sich im November 1993 offiziell gegen einen liberalen Vizepräsidenten aus. Sie drohte Pastrana mit Sanktionen, wenn er sich dafür entscheiden sollte. 186 Deshalb warb er um die damals noch Konservative, ehemalige Außenministerin Noemi Sanin. Da diese Ambitionen auf das Präsidentenamt 1998 hatte, lehnte sie jedoch das Angebot ab. Schließlich entschied sich Pastrana für den konservativen Ex-Arbeitsminister Luis Fernando Ramírez. Dem liberalen Kandidaten Ernesto Samper gelang es schließlich, mit Humberto de la Calle denjenigen Kandidaten auszuwählen, der 1994 bei der Vorwahl (consulta popular) der Liberalen Partei für die Präsidentschaftswahlen den zweiten Platz hinter ihm belegte. Dies war auch insofern erstaunlich, da De la Calle sich 1991 in der Verfassunggebenden Versammlung vehement gegen die Einführung des Vizepräsidentenamtes gewehrt hatte. Die Hoffnung Ernesto Sampers, mit Humberto de la Calle Stimmen in dessen Heimatregion Caldas zu erzielen, erfüllte sich nicht. Obwohl bei der Vorwahl die Mehrheit der Stimmen für De la Calle in diesem departamento verzeichnet worden waren, gewannen dort bei der Präsidentschaftswahl die Konservativen. 187 Tabelle 21: Wahlergebnisse bei den Präsidentschaftswahlen 1994 und 1998 in ausgewählten departamentos departamento Antioquia (1) (2) Atlántico (1) (2) Caldas (1) (2)

1994 Samper/ Pastrana/ De la Calle Ramírez

94.610 116.200

1998 Serpa/ Pastrana/ Mejía Bell 291.884 459.805 487.279 890.266 223.895 132.265 337.558 211.774

121.466 163.945

(1 )=Erster Wahlgang (2)=Zweiter Wahlgang Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Entgegen der Annahme, daß neue Parteien als Kandidaten für das Vizepräsidentenamt eine wichtige Rolle spielen könnten, griffen der PLC und der PC 185

186 187

De la Calle war Ministro de Gobierno unter der Regierung Gaviria (1990-1994). Der Politiker war der wichtigste Verbindungsmann des Präsidenten zur ANC. Vgl.: El plan Samper...ohne Jahr: 36. Vgl.: El Tiempo, 29.11.1993; Arrazola 1994: 16. Vgl. dazu die folgende Tabelle. De la Calle wurde am 14.7.1946 im departamento Caldas geboren. Er hatte in der Universidad de Caldas Recht und Politik studiert, war später in der Region als Richter tätig und nahm zahlreiche Funktionen in der departamentalen Regierung wahr. Vgl.: El plan Samper...ohne Jahr: 36.

232

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem..,

auf Personen aus ihren eigenen Reihen zurück. Sie befürchteten, daß sich der Vizepräsident am Ende der Amtszeit bzw. vor den nächsten Neuwahlen zu stark vom Präsidenten entfernen und eine offene Opposition gegen ihn austragen könnte. In der Praxis zeigte sich später, daß die Parteizugehörigkeit allein keine Gewähr für die Unterstützung des Präsidenten bot. Die Auswahl von De la Calle erwies sich beispielsweise für Präsident Samper als Bumerang. Er trat aufgrund des Korruptionsskandals um den Prozeß 8.000 von seinem Amt zurück.188 Antonio Navarro {AD/M-19) hoffte 1994 durch die Zusammenarbeit mit dem Indianervertreter Jesús Enrique Piñacué, der die Bewegung ASI vertrat, die ethnischen ,Minderheiten' (und damit deren Wählerpotential) auf seine Seite zu ziehen.189 Da der Kandidat der ASI nicht als Repräsentant der Alianza erscheinen wollte, wurden die Wahlkämpfe weitgehend unabhängig geführt. Dies erschwerte eine gemeinsame Strategie. Innerhalb der ASI löste die Beteiligung Piñacués am Wahlbündnis Compromiso Colombia190 Diskussionen aus, da die regionalen Führer der Indianerorganisation bei dieser Entscheidung nicht konsultiert worden waren. Navarro und Piñacué hatten sich zu einer Zusammenarbeit erst kurz vor dem Ende der Registrierungsfristen entschlossen. Piñacué war außerdem nicht Navarros erste Wahl. Der frühere Chef der AD/M-19 wollte zunächst andere Kandidaten seiner eigenen Partei, einen Konservativen sowie einen Unabhängigen für sich gewinnen und entschloß sich erst relativ spät für den indianischen Kandidaten.191 1998 versuchten die Präsidentschaftskandidaten bei der Auswahl ihrer Vizepräsidenten Personen zu finden, die ihr eigenes Profil ergänzten. Der Liberale Horacio Serpa, der sich in dem traditionell konservativ wählenden departamento Antioquia wenig Wahlstimmen erhoffte, trat mit der ehemaligen spanischen Botschafterin und früheren Kommunikationsministerin Maria Emma Mejia an, die aus dieser Region stammt. Sie hatte in der Hauptstadt Medellin erfolgreich als Friedensbeauftragte in der Consejería de Paz gearbeitet. Andrés Pastrana gelang es bei diesen Wahlen, eine strategische Koalition mit einem Liberalen einzugehen. Dies zeigte gleichzeitig einen grundsätzlichen Wechsel in der Haltung der konservativen Parteiführung an. Der Kandi188

189 190

191

Das Vizepräsidentenamt verlor nach dem Wahlkampf an Bedeutung. De la Calle wurde zum Botschafter in Spanien ernannt. Präsident Samper mißbrauchte das Amt, als er sich zu einer Untersuchung seines Gesundheitszustandes ins Ausland begab, um den Amtsnachfolger Humberto de la Calles, Carlos Lemos Simmons, in den Genuß der mit dem Amt verbundenen Rechte (Pension etc.) kommen zu lassen. Vgl.: Compromiso Colombia 1993. Der Name war von Navarro bereits bei seiner Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen 1990 und zur Verfassunggebenden Versammlung benutzt worden. Vgl. dazu das Wahlprogramm: Aquí estamos. Compromiso Colombia 1994-1998. Vgl.: Laurant 1997: 71f. und Cambio 16, 21.3.1994: 16f.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

233

dat versuchte, seine geringen Wahlchancen an der traditionell liberal wählenden Atlantikküste mit der Popularität des erfolgreichen Ex-Gouverneurs des departamento Atlántico, Gustavo Bell, auszugleichen.192 Die unabhängige Kandidatin Noemi Sanin wollte durch die Entscheidung für den parteilosen Ex-Bürgermeister von Bogotá, Antanas Mockus, ihr Image als parteipolitisch ungebundene und ethisch korrekte Kandidatin verstärken. Während Noemi Sanin damit erfolgreich war, gingen die Strategien Serpas und Pastranas zumindest im Hinblick auf die regionale Verankerung ihrer Kandidaten nicht auf. Das zeigen die Wahlergebnisse in den jeweiligen Regionen. Im Gegenteil: Man ging davon aus, daß das gute Abschneiden Pastranas im traditionell konservativen Antioquia die Wahl letztlich entschieden hat. Zwar konnte er an der Atlantikküste stärkere Zuwächse als Serpa verzeichnen. Letzterer war ihm aber dennoch überlegen.193

5.3

Die Bürgermeisterwahl in ausgewählten Städten und Gemeinden

Nach den Reformen standen mehr Ämter zur Verfügung, die durch demokratische Wahlen zu besetzten waren. Vor 1988 wurden in fast 1.000 Städten und Gemeinden Bürgermeister und in 23 departamentos Gouverneure ernannt. 1998 stand eigentlich die Wahl von 1.008 Bürgermeistern und 32 Gouverneuren an.194 Vor allem dem Bürgermeisteramt kam durch die politische, fiskalische und administrative Dezentralisierung mehr Bedeutung zu, die Städte und Gemeinden sollten zu den zentralen Eckpunkten der Demokratisierung und Einheiten des politischen Wettbewerbs werden. So wurde es für machtsuchende Akteure in den letzten Jahren nicht nur möglich, sondern zunehmend interessant, sich für eine Kandidatur auf lokaler Ebene zu entscheiden. 192

193 194

Der Kandidat galt als einer der neuen, aufstrebenden und reformorientierten Politiker der Liberalen Partei. Er war allerdings bei seiner Wahl zum Gouverneur des departamento Atlántico 1991 für eine Koalition aus Alianza Democrática, Movimiento de Salvación Nacional und PLC angetreten. Bell hatte u.a. in Oxford Geschichte studiert und war als Gouverneur durch seine effiziente Amtsführung (1991-1994) bekannt geworden. Er war dort von den in der Hauptstadt Barranquilla tätigen Unternehmern, die die Modernisierung der Stadt und des departamento suchten, aufgestellt worden. Der Politiker bekämpfte erfolgreich die Korruption. Er war außerdem mit Gabriel García Márquez befreundet, der 1988 als Berater von Andrés Pastrana fungierte. Bell forderte, daß dem Amt des Vizepräsidenten zusätzliche Funktionen zugewiesen werden sollten. Vgl.: El Espectador, 19.10.1998 und Sáenz/Rodríguez 1998/1999: 159. Vgl.: Cambio 16 vom 1.6.1998: 28ff.; anders: Hoskin 1998: 390. Zu dieser Zeit gab es 1.071 Kommunen, doch in einigen hatten vorgezogene Wahlen stattgefunden, in anderen konnte aufgrund der Probleme mit Guerilla und Paramilitärs nicht gewählt werden.

234

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 22: Gewählte Bürgermeister nach ihrer parteipolitischen Ausricfr tung 1988-2000 Partei Liberale Konservative UP/PCC AD/M-19 Andere* Koalitionen Insgesamt

1988 1990 452 527 413 367 16 11 —

95 25 1.001

1992 1994 400 498 291 406 12 12 — 1 3 295 77 86 24 24 27 1.006 1.024 1.032

1997 438 270 5 2 209 55

2000 351 255 3 0 235 104 **948

*

Die Kategorie ,Andere' beinhaltet Bürgermeister von liberalen und konservativen Strömungen sowie Parteineugründungen. Zu den Parteiströmungen zählen der Nuevo Liberalismo, der Liberalismo Independiente de Restauración (LIDER), der Movimiento Apertura Liberal, der Movimiento Nacional Conservador (MNC), der Movimiento de Salvación Nacional (MSN), der Movimiento Fuerza Progresista (MFP), der Movimiento Conservatismo Independiente (CI) und der Nueva Fuerza Democrática. ** Die Gesamtzahl der zum gleichen Zeitpunkt gewählten Bürgermeister geht seit 1997 u.a. aufgrund von Blockaden der Wahlen durch die parastaatlichen Gewaltakteure zurück. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die bisher vorhandene begrenzte Anzahl von Studien über die politische Dezentralisierung im Hinblick auf die Bürgermeisterwahlen kamen zu den unterschiedlichsten Ergebnissen. Dugas/Ocampo/Ruiz195 unterscheiden in ihrer empirischen Studie, die sie zwischen 1988 und 1990 durchführten, Städte, in denen sich die Reformen positiv auswirkten,196 .neutrale Kommunen', das heißt solche, in denen die Auswirkungen der neuen Normativität vorerst nicht ernsthaft spürbar wurden,197 und jene, in denen die Reformen als gescheitert gelten konnten.198 Zum einen stellte die Wahl der Bürgermeister also eine Herausforderung für die traditionellen Parteien dar. Zum anderen konnten sie sich aber insgesamt behaupten und den neuen institutionellen Gegebenheiten in vielen Kommunen anpassen. Dies gilt besonders für die Liberale Partei.199 In anderen Städten und Gemeinden verteidigten die traditionellen Parteien mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln (und dies beinhaltete auch nichtverfassungskonforme) die Kontrolle über die lokale Verwaltung und den Zugang zum städtischen Haushalt.200 In seiner Fallstudie in Cartagena und Santander bestätigte Fabio Velásquez 1994 den Fortbestand der verschiedensten klientelistischen Verfahren zur Kontrolle und Integration der Bevölkerung 195 196 197 198

199 200

Vgl.: Dugas/Ocampo/Ruiz 1992: 91ff. Dazu zählten nach der Analyse der Autoren Bogotá, Cabrera und Chía. Dabei handelte es sich um Barranquilla, Girardot, Sabanalarga und Ubaté. Hier führen die Forscher Corozal, Sincelejo und San Martín de Loba an. Vgl.: Dugas/Ocampo/Ruiz 1992: 91 ff. Vgl.: Gaitán 1988: 95ff.; 1988a: 65ff.; 1988b: 68ff. und 1990: 27. Vgl.: Velásquez 1994: 122.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

235

in die Dynamik der etablierten politischen Kultur. Die lokalen politischen Machthaber, die überwiegend den traditionellen Parteien angehörten, standen anderen Arten der politischen Partizipation eher negativ gegenüber.201 Für die Stadt Medellin kommt Jorge Orlando Melo zu dem Schluß, daß durch die Bürgermeisterwahl zwar die Delegitimierung des Staates gebremst werden konnte, daß aber in bezug auf die verbesserte Partizipation der marginalisierten Schichten kaum Fortschritte zu verzeichnen waren. 202 Correa/Rinaudo belegten in ihrer nach der ersten Bürgermeisterwahl durchgeführten Studie in 228 Kommunen, in denen konservative Stadtvorsteher gewählt worden waren, daß sich klientelistische Wahlpraktiken auch in der Amtsführung der Bürgermeister spiegelten. Es gehe während ihrer Regierungszeit vor allem um kurzfristige Lösungen für die jeweilige Klientel. Sie beklagten die mangelnde Responsivität der Politik der Stadtvorsteher.203 Jaime Castro spricht aber auch vom .Auftauen des lokalen politischen Lebens' nach der öffentlichen Bürgermeisterwahl. Die Liberale und die Konservative Partei mußten Allianzen mit anderen Sektoren eingehen, die zuvor undenkbar erschienen. Auf der lokalen Ebene tauchten soziale und politische Bewegungen auf, die vor der Einführung der Wahl keinen Zugang zur formalen Politik hatten. Der Autor bestätigt, daß die Bürger heute besser über die Arbeit des Stadtvorstehers Bescheid wüßten.204 Eine Untersuchung der Weltbank in 16 Städten kam zu unterschiedlichen Ergebnissen, legte aber zahlreiche Probleme bei der Gemeindereform offen: Die Kommunen litten unter chronischer Ressourcenknappheit, niedrigem technischen, infrastrukturellen und personellen Standard, der Überschneidung von Kompetenzen auf den verschiedenen Verwaltungsebenen und bürokratischem Wirrwarr. Positive Tendenzen ließen sich dort verzeichnen, wo sich eine neue Generation technisch orientierter Bürgermeister aller Parteien bzw. parteiungebundener Personen an der Macht befanden. 205 In vielen Kommunen hätten die Reformen zu einer höheren Effizienz bei der Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen geführt. Kritisch läßt sich dabei anfügen, daß die Weltbank in ihrem in Kolumbien vertretenen Entwicklungsmodell die zivilgesellschaftliche Unterfütterung dieses Prozesses unberücksichtigt ließ, so daß in vielen Fällen ein effizientes Verwaltungskonzept langfristig nicht politisch abgesichert und untermauert werden konnte. Die in den Kommunen erzielten .Erfolge' stehen und fallen deshalb letztlich mit den an ihrer Spitze stehenden Führungspersönlichkeiten.

201 202 203 204 205

Vgl.: Veläsquez 1994: 121. Vgl.: Melo 1995a: 191fr. Vgl.: Correa/Rinaudo 1990: 26ff.; vgl. auch: Webendörfer 1997: 89. Vgl.: Castro 1996: 21 IT. Vgl. Banco Mundial 1995: 4ff.; Santana Rodriguez 1994a: 192ff.

236

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Die technische Effizienz des Bürgermeisters belegt beispielsweise eine Fallstudie in der Stadt Armenia. 206 Doch die Zurückdrängung klientelistischer Praktiken in Armenia führte nicht automatisch zu mehr Partizipation. Sie war dort Produkt der Autorität des damaligen Bürgermeisters, der die politische Entscheidungsmacht in seiner Person konzentrierte. Die Bevölkerung wurde in den Entscheidungsprozeß nicht einbezogen. Da der zivilgesellschaftliche Organisationsprozeß nicht sehr weit fortgeschritten war, konnte sie ihre Beteiligung auch nicht politisch ,erzwingen'. 207 Die Amtsführung Antonio Navarro Wolfs (1994-1997) in Pasto galt als vorbildlich im Hinblick auf technische Effizienz, die Bekämpfung der Korruption, die Sanierung des städtischen Haushaltes, die Beschaffung internationaler und nationaler Finanzmittel für die Kommune und die geplanten Entwicklungsvorhaben. Auch der Bürgerkontakt, den Navarro Wolf durch ein regelmäßiges Radioprogramm und die Einführung von Sprechzeiten herstellten konnte, war eher eine positive Ausnahme. Er wurde deshalb 1997 als bester Bürgermeister Kolumbiens ausgezeichnet. Der damals 38jährige enge Mitarbeiter Navarros, Jimmy Pedreros Närvaez, ein Wirtschaftsexperte und ehemaliger Guerillero der M-19, der der gleichen politischen Gruppe angehörte, wurde 1997 mit überwältigender Mehrheit zu seinem Amtsnachfolger gewählt. Er konnte die mit seinem Amtsantritt verbunden Erwartungen allerdings nicht erfüllen und setzte den von Navarro eingeleiteten administrativen und politischen Kurs nicht fort. 208 In Barranquilla gewann 1992, 1994 und 1997 eine Gruppe um den Priester Bernardo Hoyos die Bürgermeisterwahlen. Die Küstenstadt hatte eine lange ökonomische Krise durchlebt. Die Bevölkerung organisierte zahlreiche zivilgesellschaftliche Streiks für eine bessere Versorgung mit Dienstleistungen. Hoyos nahm die Forderungen dieser Bewegung auf. Er war bei seiner ersten Wahl noch für die Alianza Democrätica M-19 angetreten und hatte gegen eine Koalition von mächtigen Liberalen und Konservativen, der Allianz fiir die Zukunft von Barranquilla,209 gewonnen. In seiner Amtszeit hat der bekannte Priester, der in einem stark bevölkerten Viertel im Süden Barranquillas lebt, die Küstenstadt spürbar reformiert. Der als populistisch und vulgär geltende Hoyos hörte in regelmäßigen Sprechstunden die Belange seiner Wähler an. Er war vor allem in Armenvierteln wie Revolo, Barrio Abajo, La Chinita beliebt. Von dort stammte ein Großteil seiner Wähler. 1994 gewann der von ihm als Nachfolger aufgestellte Arzt Edgar George überlegen die Kommunalwahlen. Obwohl es zunächst so aussah, als ob dieser die Politik seines Vorgängers fortsetzen würde, brach er schließlich mit der Bewegung des Priesters. Nach 206 207 208 209

Vgl.: Velasquez et al. 1994: 276ff. Vgl.: Webendörfer 1997: 90f. Interview mit Jaime Rodriguez 26.10.1997 und mit Parmenio Cuellar 14.9.2001. Alianza para el Futuro de Barranquilla.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

237

einer Studie von Sáenz/Rodríguez haben beide Administrationen allerdings keine substantiellen Fortschritte bei der lokalen Demokratisierung gebracht. Die Autoren werfen Hoyos vielmehr einen charismatischen, autoritären Politikstil vor. Probleme ergaben sich in Barranquilla auch dadurch, daß der Stadtrat im wesentlichen aus traditionellen Politikern zusammengesetzt war - ein Phänomen, mit dem viele parteilose Bürgermeister oder Vertreter von Minderheitsparteien auch in anderen Städten zu kämpfen hatten, wenn es ihnen nicht gelang, den Stadtrat (über klientelistische Zugeständnisse) auf ihre Seite zu ziehen. Hoyos habe althergebrachte Politikgewohnheiten im Umgang mit dem Kommunalparlament gepflegt, um seine Projekte durchzusetzen. Dennoch wurde der Priester 1997 als einer der wenigen Bürgermeister wiedergewählt.210 Seinen Gegenkandidaten Humberto Caiaffa unterstützten die einflußreichen Politiker der Küstenregion wie Fuad Char, Eugenio Dias, Gustavo Bell, Efrain Cepeda, Jaime Vargas und Arturo Sarabia. Bei der Wahl 1997 ging Hoyos nun seinerseits Koalitionen mit dem liberalen Kaziken José Name Terán ein, den der Ex-Priester bei seiner ersten Wahl noch bekämpft hatte.211 Durch sein pragmatisches Verhalten und seine bürgernahe Politik hatte Hoyos sich eine Hausmacht aufgebaut, gleichzeitig wurden in seiner zweiten Amtszeit immer mehr Korruptionsvorwürfe laut.212 Bei den Bürgermeisterwahlen im Oktober 2000 unterstützte er vergeblich den ehemaligen Finanzsekretär der Stadt, Guillermo Hoenigsberg {Movimiento Ciudadano), im Wahlkampf. Durch die Verfassung von 1991 waren solche Hilfestellungen von Amtsträgern verboten worden. Doch diese in die politische Kultur eingeschriebene informelle Institution war durch Gesetze nicht zu unterbinden. Trotz der Wahlkampfhilfe unterlag Hoenigsberg Humberto Caiaffa. Als wohl wichtigstes Beispiel aus der Gruppe der parteilosen Bürgermeister gelang es 1994 dem unabhängigen Kandidaten Antanas Mockus, das Bürgermeisteramt der Hauptstadt Bogotá zu gewinnen.213 Er repräsentierte keine soziale Bewegung. Der Philosoph der Universidad Nacional verdankte allerdings die Möglichkeit, sich als Kandidat registrieren zu lassen, einer Gruppe von ihm zunächst begeisterter Anhänger, die unter dem Namen Ciudadanos en Formación214 die notwendigen 50.000 Stimmen für seine Kandidatur regi210

211

212 213 214

Vgl. für mehr Details zur Amtsführung des Priesters: Sáenz/Rodríguez 1998/1999: 159ff. Außerdem unterstützten den Priester noch Martin Leyes, Juan Slebi und Ricardo Rosales. Vgl.: Bolívar 1997: 6f.; Miranda Hamburger 1998: 78; Cromos Nr. 4.160, 20.10.1997: 46ff. und Semana Nr. 807,20.-27.10.1997: 49. Vgl.: El Tiempo, 31.10.2001. Vgl.: Boletín Nr. 9 vom 31.10.1994, Registraduría Nacional del Estado Civil. Etwa: Werdende Staatsbürger. Vgl. dazu auch Qué es un ciudadano en formación? ohne Jahr; Ramírez B. 1994 und 1994b.; Toledo ohne Jahr; Martínez 1995 und Correa R./Pinto 1995.

238

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

strierten. Mockus unterschied sich von traditionellen Kandidaten durch einen neuen Politikstil, durch extravagante und symbolträchtige Wahlkampf- und Amtshandlungen. Er hatte vor Studenten der Nationaluniversität die Hosen heruntergelassen und ihnen den nackten Hintern gezeigt, als diese ihm bei einer Ansprache keine Aufmerksamkeit schenkten. Sein nonkonformistisches Verhalten nahm ein Teil der Bevölkerung mit Begeisterung auf. Mockus verkörperte einen Bruch gegenüber dem bestehenden System. Damit rief er in allen Schichten Sympathie hervor, auch in der oberen Mittel- und Oberschicht der Hauptstadt.215 Im Gegensatz zu den traditionellen Kandidaten bezog er im Wahlkampf kein Wahlbüro. Er benutzte weder Plakate noch Werbespots. Der Kandidat erfand vielmehr kostengünstige, eher symbolische Methoden: Er zeigte seinem Gegner in Diskussionen die rosa Karte. Mockus schüttete seinem Gegenüber zur Veranschaulichung von Aggressionspotentialen ein Glas Wasser ins Gesicht. Er besuchte den Senat mit einem rosa Plastikschwert. Um die Beziehung zwischen Staat und Bürgern zu versinnbildlichen, spielte Mockus mit einer Art Kreisel mit der Aufschrift ,Alle geben - alle nehmen'.216 Eine Neuerung im Wahlkampf lag in den Diskussionsrunden, die in Universitäten und in den Medien stattfanden. Hier wurden neue Räume für die politisch/programmatische Debatte geschaffen. Mockus vertrat in öffentlichen Foren vor allem abstrakte Werte wie Bürgererziehung und Moralisierung. Er wollte eine neue Kultur für das Zusammenleben in der Hauptstadt schaffen, auf der Basis anderer Macht-, Kommunikations- und Partizipationsstrategien, wobei er sich selbst als Bestandteil des Erziehungsprozesses sah.217 Während sein wichtigster Wahlkampfgegner Enrique Peñalosa (PLC), der für einen clientelismo rosa2ls stand, vorgab, die Hauptprobleme der Stadt (Sicherheit, Verkehrschaos, Wohnungssituation) zu kennen und zu lösen, versprach Mockus, sie mit Hilfe der Bürger zu studieren. Dazu gehörten der Umweltschutz, die Rekuperation der durch Private der Gesellschaft entzogenen öffentlichen Grundstücke und Gemeindeflächen, die Verbesserung der Lebensqualität und der Urbanen Produktivität sowie die Rückgewinnung der institutionellen Legitimität.219 Er machte keine der üblichen Wahlversprechen, weder gegenüber den Wählern noch gegenüber seinen Wahlhelfern von Ciudadanos en Formación. Dies löste bei den Mitgliedern dieser Gruppe nach der gewonnenen Wahl erheblichen Unmut aus, da ihnen nicht die erhofften Posten in der

215

216 217

218 219

Vgl.: El Tiempo, 11.10.1994 und 13.10.1994 sowie El Espectador, 22.8.1994 und Gutiérrez Sanín 1995: 76. Vgl. dazu auch Peña Contreras ohne Jahr: 17ff. Einer seiner Slogans hieß: Eduquemos al alcalde! - Erziehen wir den Bürgermeister!". Etwa: verwässerter Klientelismus. Vgl.: Velasco 1997: 22. Vgl.: Mockus 1994.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

239

städtischen Verwaltung zuteil wurden.220 Sie distanzierten sich (auch wegen des Mockus immer wieder vorgeworfenen autoritären Führungsstils) sehr schnell vom Bürgermeister. Viele nahmen ihm auch übel, daß Mockus sein Mandat schließlich vor dem Ablauf seiner Amtsperiode niederlegte, um bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Positiv hervorgehoben wurden in seiner Amtszeit die Herausbildung einer neuen Bürgerkultur,221 die Kulturforderung,222 die Verschönerung der städtischen Parks, die Sanierung des Haushalts und die Tatsache, daß keine Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut geworden waren. Allerdings konnten in bezug auf zentrale Probleme der Hauptstadt (wie Transport, Strom-, Wasserver- und Müllentsorgung) allenfalls ansatzweise Reformen einleitet werden.223 Dies hängt unter anderem mit der kurzen Amtszeit der Bürgermeister zusammen, die zwar die Ablösung schlechter Administratoren, aber kaum Kontinuität bei der eingeleiteten Entwicklungspolitik ermöglicht. Erfahrungen in Puerto Boyacä, Barrancabermeja, Miraflores, San Juan del Guaviare, Aguachica, Turbo, Mesetas, Chigorodö, Segovia, Apartadö oder Arauquita belegen, daß dort, wo Gewalt an der Tagesordnung ist, Paramilitärs, die Guerilla oder die Drogenbosse das Sagen haben, die Wahl der Bürgermeister konfliktverstärkend wirkt. In diesen Kommunen ist es aufgrund des fehlenden staatlichen Gewaltmonopols und der Zusammenarbeit zwischen Teilen des staatlichen Militärs und paramilitärscher Gruppen sowie aufgrund der Aktivitäten der Guerilla kaum möglich, daß sich ein zivilgesellschaftlicher Unterbau etabliert. Die Rahmenbedingungen für politische und soziale Artikulation fehlen vollständig. Die Reformmaßnahmen werden dadurch größtenteils neutralisiert.224 Bereits 1988 konnten in 100 Kommunen aufgrund der Sicherheitslage keine Wahlen stattfinden. Von 1990 bis 1994 entschärfte sich zwar die Situation.225 Aber 60 Prozent der Städte und Gemeinden lagen in Gebieten, in denen sich Guerilla, Paramilitärs und das Militär Gefechte lieferten.226 Bereits vor den Regional- und Lokalwahlen 1994, zwischen Juni 1993 und Oktober 1994, 220

Interview mit Carlos Alvarez, 24.8.1996, Jorge Child, 28.11.1994 und Antanas Mockus, 25.8.1996. Vgl. auch die Kritik von Carlos Alvarez an Mockus in: Semana Nr. 801,7.-15.9.1997. 221 Vgl.: Alcaldía Mayor de Santafe de Bogotá ohne Jahr. 222 Vgl.: Alcaldía Mayor de Santafe de Bogotá 1995. 223 Interview mit Antanas Mockus, 25.8.1996; Tageszeitung (TAZ), 10.1.1995; Bogotá: un modelo financiero para el mundo 1997: 5. Vgl. zu den Entwicklungsvorhaben des Bürgermeisters: Alcaldía Mayor 1995: 3ff. 224 Vgl.: Molano 1988: 26ff. und 1989: 59ff.; Reyes/Bejarano 1988: 8ff.; Reyes 1990: 120ff.; Medina 1990: 30ff.; Pearce 1992: 232ff.; Webendörfer 1997: 92ff. 225 ¡990 fanden in einer, 1992 in zwei und 1994 in neun Gemeinden keine Kommunalwahlen statt. Vgl.: Gaitán/Moreno 1992: 85f.; Webendörfer 1997: 92. 226 Vgl.: Revéiz 1995: 53f.

240

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

wurden 23 Bürgermeister ermordet, 17 entführt und 24 bedroht.227 Von 11.000 1994 gewählten Stadträten wurden anschließend 226 ermordet. 228 Die angegebenen Zahlen können in Wirklichkeit höher sein, da Politiker aus Angst vor Repression nicht immer alle Drohungen weiterleiten. Die Regierung Samper schrieb die meisten dieser Gewaltaktionen der Guerilla zu. Dies führte dazu, daß sie einen Teil der Kommunen zu Gegenden in einer Art Ausnahmezustand (zonas de tratamiento especial) erklärte. Dort schränkte der Staat die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger bis zur Unkenntlichkeit ein. Unter anderem setzte das Militär die Bürgermeister ein.229 Da sich die nationale Regierung bis 1997 das ausschließliche Recht vorbehielt, Friedensgespräche mit der Guerilla zu führen, konnten Bürgermeister und Gouverneure die regionale und lokale Situation kaum ohne die Hilfe der nationalen Regierung entschärfen. 230 Allerdings lockerte die Regierung Samper aufgrund der sich zuspitzenden Situation um die Lokal- und Regionalwahlen die Bestimmungen. Sie autorisierte die Gouverneure zu lokalen Friedensgesprächen mit vorheriger Genehmigung der nationalen Regierung. 231 Die Regionalwahlen 1997 waren von Anfang an von einer drastischen Zunahme der Gewalt überschattet. 21 Bürgermeister wurden ermordet, zahlreiche entführt und mehr als 50 mit dem Tode bedroht.232 In 75 Kommunen hatten die Bewerber für das Bürgermeisteramt aufgrund von Todesdrohungen der Guerilla oder paramilitärischer Gruppen ihre Kandidatur aufgegeben. In 20 Städten und Gemeinden zogen die Politiker ihre Listen zu den örtlichen Parlamenten zurück. Insgesamt legten rund 10.000 Personen ihre Kandidatur nieder. Die meisten davon waren Stadt- bzw. Gemeinderäte, 285 Kandidaten für das Bürgermeisteramt und vier für den Gouverneursposten im departamento Putumayo. Vor allem in den departamentos Meta, Putumayo, Guaviare, Guainía, Arauca und Nariño verschob die RNEC die Abstimmungen. 233 In verschiedenen Kommunen wurden Bürgermeister mit einer unbedeutenden

227 228 229

230

231 232

233

Vgl.: Semana, 1.11.1994: 30ff. und Cambio 16, 31.12.1994: 18f. Vgl.: González/Cárdenas 1998: 126. Vgl.: FEDESARROLLO/IEPRI 1994: 36f. und El Tiempo, 25.10.1994, 23.10.1994 und 27.10 1994. Vgl.: Velásquez 1997: 109. Einige Gouverneure und Lokalpolitiker (beispielsweise Gustavo Alvarez Gardeazábal, Gouverneur des departamento Valle del Cauca) widersetzten sich dieser Norm und nahmen dennoch insgeheim Gespräche auf. Interview mit Miguel Eduardo Cárdenas, 1.11.1997. Vgl.: El Espectador, 18.10.1997. Vgl.: El Espectador, 12.10.1997 und El Tiempo, 2.3.1997. Vgl. die ausführliche Abschlußarbeit von Ana Maria Corredor (1998) zu diesem Thema. Vgl.: RNEC, Boletín de Orden Público 6.10.1997; Miranda Hamburger 1998: 78f.; Sánchez David 1998: 51ff. und Padilla 1997: 18.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

241

Zahl von Stimmen gewählt, da sich die Wähler nicht zur Wahlurne trauten.234 21 Büros der staatlichen Wahlbehörde wurden zerstört.235 Auch bei den nachfolgenden Kongreßwahlen 1998 mußten für rund eine Milliarde Pesos Materialien (Urnen, Wahlscheine etc.) neu beschafft werden, weil sie von der Guerilla vernichtet worden waren.236 Einige der Kandidaten der linken Parteien gingen vor oder nach der Wahl ins Exil. Die Repräsentativität des Wahlprozesses war bei den Wahlen 1997 vor allem in diesen Konfliktzonen nicht gewährleistet. In den Gebieten, die paramilitärische Gruppen dominierten, litten die Kandidaten der Unión Patriótica, der Kommunistischen Partei, der Alianza Democrática M-19, zum Teil auch fortschrittlichere Kandidaten der Liberalen Partei und anderer relativ neuer politischer und sozialer Organisationen, unter der Repression. Erschwerend kam hinzu, daß ein Teil dieser Gruppierungen 1997 zum ersten Mal die organisatorische Stärke aufwies, um sich an Wahlen zu beteiligen. Dort, wo die Guerilla tätig war, mußten dagegen vor allem Kandidaten traditioneller Parteien zurücktreten. Taten sie dies nicht, wurden sie zum objetivo militarerklärt. Aber es gab auch Kommunen, in denen alle Kandidaten (unabhängig davon, ob sie nun einer traditionellen oder einer nicht-traditionellen Partei angehörten) unter der Repression litten, beispielsweise dann, wenn sich die Einflußgebiete der Gruppen überschnitten. Außerdem ging es der FARC 1997 um mehr als nur Wahlboykott: Sie bestritten die Legitimität von Wahlen als demokratisches Verfahren unter den gegebenen sozialen und ökonomischen Bedingungen. Die Institution sollte in ihrem Kern getroffen werden. Die Guerilla sah ihr Vorgehen u.a. durch die Delegitimierung der Regierung und des Kongresses aufgrund des proceso 8.000 gerechtfertigt. Sie bestritt nach den Regional- und Kommunalwahlen 1997 die Rechtmäßigkeit eines Wahlprozesses, zu deren Boykott sie selbst beigetragen hatte. Die Beteiligung in ihren Einflußzonen sei zu niedrig gewesen, so daß man keineswegs von .demokratischen' Urnengängen sprechen könne. Bei den Lokal- und Regionalwahlen 2000 bezeichneten die Gewaltakteure ihre Strategie ironischerweise als Plan Democracia, wobei es der Guerilla darum ging, Kandidaten, die aus ihrer Sicht der Oligarchie zuzurechnen waren 234

235 236 237

In Valle del Guamuez (Putumayo) wurde der Bürgermeister des PLC mit sieben Stimmen gewählt. Germán Carlosama (Autoridades Indígenas de Colombia) kam in Mallama (Narifio) mit vier Stimmen ins Bürgermeisteramt. In verschiedenen Gemeinden im departamento Meta (Puerto Lleras, Mesetas, El Castillo und Uribe) erreichten die Bürgermeister der Unión Patriótica, des Movimiento Ciudadano und des PLC mit einer insignifikanten Stimmenzahl ihre Position. Vgl. zu den Daten: RNEC 1999. Vgl.: El Espectador, 12.10.1997. Vgl.: El Espectador, Semana Económica, 8.3.1998. Militärisches Zielobjekt.

242

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

und ,das System' repräsentierten, an der Wahlbeteiligung zu hindern. 238 Zwischen Januar und Oktober 2000 wurden 19 Bürgermeisterkandidaten ermordet und 15 entfuhrt. Die Gewaltakteure besetzten in diesem Zeitraum zeitweise 48 Gemeinden. Nach Daten des Kommunalverbandes (.Federación Colombiana de Municipios) wurden vor den Wahlen 500 Bürgermeister bedroht. 40 Prozent der Gemeinden galten als von den Gewaltakteuren kontrolliert, wobei die staatlichen Institutionen ihren Fokus eher auf die Guerilla richteten, als auf die Paramilitärs. 239 Aufgrund von Drohungen der Guerilla legten fünf Bürgermeister ihr Amt nieder, 25 regierten ihre Kommunen in Abwesenheit weiter. Bekannt wurde, daß mindestens 52 Kandidaten für Bürgermeister und Stadt- bzw. Gemeinderatswahlen bereits vor der Wahl aufgaben, die tatsächlichen Zahlen liegen vermutlich höher. Rodrigo Losada kalkulierte, daß 264 direkt von der politischen Gewalt betroffen waren, die 35 Prozent des staatlichen Territoriums repräsentierten und 15 Prozent der Wahlbevölkerung. Zwar kam es nur vereinzelt zu direkten Blockadehandlungen am Wahltag durch die FARC. In Vista Hermosa beschlagnahmten sie beispielsweise die Stimmzettel für die Wahl des Gouverneurs und der departamento-Versammlung. Der Leiter der Wahlbehörde verwies am Tag vor den Wahlen darauf, daß nur an 40 Orten, an denen Urnen aufgestellt worden seien, mit Schwierigkeiten zu rechnen sei. In der Wahlnacht ließ die Regierung wie nach den meisten Wahlen ihre Zufriedenheit darüber verlauten, daß das Land ,in Frieden gewählt habe'. 240 Doch die einseitige Konzentration auf den Wahltag, die von der kolumbianischen Wahlbehörde und der Regierung als Maßstab angewendet wird, verkennt völlig die Rahmenbedingungen, die demokratische Wahlen benötigen. Ein eindringliches Beispiel für eine von der Gewalt dominierte Region ist die Kleinstadt Apartado. Dort kam 1995 die Bürgermeisterin Gloria Cuartas Montoya an die Macht, die 1996 von der UNESCO als Bürgermeisterin für den Frieden ausgezeichnet wurde.241 In Apartado hatte sich die Lage derart zugespitzt, daß sich nicht nur Guerilla und Staat bzw. Paramilitärs gegenüberstanden, sondern auch die dort ansässigen Guerillaorganisationen EPL und FARC sowie die daraus hervorgegangenen politischen Organisationen Esperanza Paz y Libertad und Unión Patriótica (UP). Die ideologisch an Albanien orientierte EPL war unter anderem aufgrund des Zusammenbruchs des Realsozialismus orientierungslos geworden. Unter Führung ihres zweiten Vorsitzenden Bernardo Gutiérrez242 verhandelte die Organisation deshalb mit der Regierung 238 239 240 241 242

Vgl.: El Espectador, 28.10.2000. Vgl.: El Espectador, 25.4.2000, Cambio 16, 19.5.2000: 16f. Vgl.: Losada 2001: 30ff. Vgl.: Restrepo Botero 1997: 72. Gutiérrez war vor seiner Beteiligung an der Guerillaorganisation EPL Mitglied der 5. Front der FARC. Dort hatte er Geld veruntreut und war der Geheimdiensttätigkeit verdächtigt worden.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

243

Gavina die Rückkehr ins zivile Leben. Ein Teil der ehemaligen Kämpfer wurde vom Staat in den ländlichen Geheimdienst DAS-Rural aufgenommen, auch um dort Spitzeltätigkeiten anzuleiten. Andere erhielten von der Stiftung FUNPAZCOR, die aus den Reihen der von den Castaño-Brüdern geführten Paramilitärs finanziell unterstützt wurde, Landtitel, Geld und Vieh. Wieder andere schlössen sich direkt den Privatarmeen der Plantagenbesitzer an und vollzogen den offenen Wechsel zu den paramilitärischen Gruppen. Da die £PL-Mitglieder gut über die sozialen Strukturen in der Region informiert waren, begann ein Teil die ehemaligen Guerillakämpfer und -kämpferinnen, die in Gewerkschaften und in der Unión Patriótica sowie der Kommunistischen Partei aktiv waren, zu denunzieren, ein anderer, sie auf grausamste Weise zu ermorden. Die FARC rächten sich dafür an den früheren ZsPL-Kämpfem. In den folgenden blutigen Auseinandersetzungen um die Kontrolle über eine strategisch wichtige Region und die lokale legale und illegale Wirtschaftsstruktur standen sich FARC, UP einerseits und neubewaffnete ehemalige EPLGuerilleros, ihre Partei, die staatliche Armee und der Unternehmerverband Uniban in einem unerbittlichen Krieg gegenüber, der über die Jahre Hunderte von Menschenleben kostete.243 In dieser Situation bildeten 1994 die politischen und sozialen Akteure einen runden Tisch zur Auswahl der Kandidaten für die anstehende Wahl. Sie befürchteten, daß eine parteipolitisch gebundene oder eine den Guerillaorganisationen nahestehende Person ihre Amtszeit nicht überleben würde. Die Wahl fiel deshalb auf die Sozialarbeiterin Gloria Cuartas, die 1992 in die Region Urabá gekommen war und dort vor allem in kirchlichen Projekten gearbeitet hatte. Gloria Cuartas betrat politisch völliges Neuland. Die Gruppen einigten sich auf sie, da sie hofften, in einem kritischen Moment politische Konfrontationen zu umgehen. Man ging davon aus, daß sie sich nicht zwischen den Fronten der 14 ortsansässigen Parteien (vor allem aber zwischen Unión Patriótica und Esperanza, Paz y Libertad) aufreiben lassen würde. Die Akteure sahen in ihr eine Art Friedensbotschafterin, aber ohne tatsächliche Macht- und Entscheidungsbefugnis. Sie erhofften sich von einer .schwachen' Kandidatin die uneingeschränkte Weiterfuhrung ihrer Interessenpolitik.244 „Als meine Bürgermeisterkandidatur bekannt wurde, bekundete das ganze Land sein Wohlwollen darüber, daß die Entscheidungsträger an eine Frau gedacht hatten. Und auch ich war erfreut darüber. Ich wollte als Frau und Kolumbianerin dazu beitragen, daß unsere Politik eine andere Färbung erhält. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen, daß hinter meinem Rücken ein Schachspiel gespielt wurde. Ich war eine Figur, die die Parteipolitiker in einem Moment bewegten, in dem jeder andere Zug für sie unvorteilhaft gewesen

243 244

Vgl.: Zelik/Azzellini 1999: lOOf. und 217ff. Vgl. zu diesem und zu den folgenden Abschnitten: Erazo Heufelder 1999: 50ff.

244

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

wäre. So aber hatten sie die ideale politische Spielfigur in ihren Händen: eine Frau, folglich kein politisches Schwergewicht. Und sollte ich meine Amtsdauer nicht überleben, dann hätte es zumindest keinen aus den eigenen Reihen getroffen. Keine der Parteien hätte in den drei Jahren einen Glaubwürdigkeitsverlust davongetragen."245

Unter dem gemeinsamen Namen Unidad por la Paz (Einheit für den Frieden) wurde Gloria Cuartas am 30. Oktober 1994 mit 20 Prozent der Wahlstimmen .gewählt'. Die Bürger konnten sie als einzige Kandidatin nur symbolisch bestätigen oder auf ihre Stimmabgabe verzichten, kompetitive Wahlen waren unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht umsetzbar. Gloria Cuartas suchte einen Weg zum Frieden, der das Zusammenleben in der Familie, Erziehung, Kulturförderung und soziale Kommunikation ins Zentrum ihrer Arbeit stellte. Gewalt sollte nicht nur in der öffentlichen, sondern auch in der Privatsphäre bekämpft und deren Verknüpfungspunkte offen gelegt werden. Gloria Cuartas war daran gelegen, daß die Bürger ihrer Stadt die Meinungen und die Grundrechte ihrer Mitbewohner respektierten. Sie verlieh den Angehörigen der Opfer der Gewalt durch ihren Menschenrechtsdiskurs eine Stimme, dort wo massive Drohungen die betroffene Bevölkerung zum Schweigen verurteilt hatten. Dies gelang ihr vor allem durch die Einschaltung internationaler Organisationen, bei denen sie Solidarität für Apartadó einforderte. Während ihrer Amtszeit wurde auch die erste Comunidad de Paz in San José, die in traditionellem Einflußgebiet der Guerilla lag, und sich politisch neutral erklärte, gegründet. Ihre Politikkonzeption zeichnete sich nicht durch kurzfristigen Aktionismus aus, sondern sollte über die drei Jahre ihrer Amtszeit hinausreichen. Sie wollte sich in einem Kriegsgebiet nicht allein um den Aufbau von städtischer Infrastruktur kümmern, sondern die Reorganisation der Sozialstrukturen mitgestalten. Dazu förderte sie unter anderem ein Projekt zur Begegnung durch Bildung. Ziel des Programms war die Vermittlung von Wertvorstellungen und der Aufbau von gleichberechtigten Kommunikationsprinzipien. Aber ihr auf Kooperation und auf der Einhaltung der Menschenrechte aufbauendes Konzept enttäuschte die politischen Parteien, die ihre Amtsübernahme unterstützt hatten. Sie distanzierten sich schon nach kurzer Zeit von ihr. Sie hatten lediglich eine Statthalterin eigener Interessen in der Verwaltung gesucht, durch die sie ihre Projekte verwirklichen und staatliche Ressourcen abziehen konnten. Im zweiten Amtsjahr der Bürgermeisterin kam es erneut zu Massakern an der Zivilbevölkerung. Die Verantwortung dafür schrieb ein Teil der Bevölkerung Gloria Cuartas zu. Deren vermeidliche Schwäche, die sie auch auf ihr Geschlecht zurückführten, beflügele das autoritäre Auftreten privater Gewaltakteure. Wenn sie staatliche Hilfeleistungen in einem traditionellen Einflußgebiet der Guerilla anordnete, beschuldigten lokale und nationale politische Ak245

Gloria Cuartas, zitiert nach: Erazo Heufelder 1999: 93.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

245

teure sie der Kuppelei mit der Guerilla. Schließlich hielten 1996 nach den Auseinandersetzungen zwischen FARC und EPL die Todesschwadronen (Autodefensas Campesinas de Córdoba y Urabá, ACCU) offen in Apartado Einzug. Sektoren der Bevölkerung begrüßten dies, da die ACCU vorgab, gegen die früheren Unruhestifter vorzugehen. In den drei Jahren der Amtszeit von Gloria Cuartas wurden insgesamt rund 1.200 Personen ermordet. Hinzu kamen 17 Mitarbeiter aus dem Bürgermeisteramt. Die Bürgermeisterin und ihre Mitarbeiter hatten Videoaufhahmen mit Zeugenaussagen über die Morde erstellt. Doch statt sie an die zuständigen Behörden weiterzuleiten, wurden sie nach Ablauf ihrer Amtszeit im Zuge der Übernahme der städtischen Administration durch die Statthalter des Paramilitarismus vernichtet. Die regionalen und nationalen staatlichen Behörden verweigerten die Zusammenarbeit. „Wenn in Deiner Stadt Krieg ist, verlierst Du als Bürgermeisterin die Kontrolle über das, was in den Straßen passiert. Wenn ein schmutziger Krieg wütet, schweigen die Gesetze, und die staatlichen Institutionen, mit denen das Rathaus zusammenarbeiten müßte, ziehen sich zurück."246

Entscheidungen wurden ab Mitte 1996 nicht mehr aus dem Bürgermeisteramt gefallt, sondern vom Gouverneur des departamento, von den Militärs, den Convivir**1 und den Paramilitärs über ihren Kopf hinweg getroffen. Die Parteipolitiker sagten, sie leiste zwar gute Verwaltungsarbeit, habe aber von Politik keine Ahnung. Sie habe es innerhalb weniger Monate geschafft, alle politischen Gruppen aufgrund ihrer Prinzipientreue gegen sich aufzubringen. Ihre politische Isolation sei selbstverschuldet. Sie besitze weder Diplomatie noch taktisches Talent. Tatsache war, daß die neue Bürgermeisterin weder an die sonst übliche Vergabe von Posten an die Parteien und von staatlichen Aufträgen an die lokalen Unternehmer noch an die Kooperation mit einer der Kriegsparteien dachte. Sie traf ihre Entscheidungen zur .Entwicklung' der Kommune überwiegend nach inhaltlichen Kriterien. Gloria Cuartas paßte deshalb nicht in die personenzentrierte, klientelistische und von Gewalt gezeichnete Politiklandschaft, fühlte sich weder dem Parteienproporz noch den verschiedenen Kriegsparteien verpflichtet. Sie scheiterte sowohl an den verkrusteten Politikstrukturen, die im Rahmen eines schmutzigen Krieges nicht überwunden werden konnten, als auch an der Eigendynamik eines gewaltsamen Konfliktes, der keine Neutralität erlaubte. Was am Ende ihrer Amtszeit blieb, waren die kleinen Erfolge, die vereinzelten zivilen Räume des Sprechens und Verhandeins, die vertrauensbildenden Maßnahmen, die punktuellen Kompromisse und der

246

247

Gloria Cuartas, zitiert nach: Erazo Heufelder 1999: 85.

Cooperativas Comunitarias de Vigilancia Rural, staatlicherseits legalisierte , Selbstverteidigungsgruppen '.

246

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Konsens in Detailfragen, die Gloria Cuartas später als Multiplikatorin auch an andere Gemeinden Kolumbiens weitergab.248

5.3.1 Exkurs: Tumaco - Die vierzigjährige Ära der Familie Escruceria und die Bürgermeisterwahlen Die Stadt Tumaco, in der ich meine Fallstudie zu den Bürgermeisterwahlen durchgeführt habe, liegt im departamento Nariño im Südwesten Kolumbiens in der Nähe zur ekuadorianischen Grenze. Der Pazifikort wurde 1513 am Rande des tropischen Regenwaldes, der damals bis ans Meer reichte, gegründet und erhielt 1794 den Gemeindestatus.249 Bis 1938 lebten rund 70 Prozent der Bevölkerung der Kommune in der ländlichen Region. Mitte der 90er Jahre kehrte sich das Verhältnis von Stadt- und Landbevölkerung um. Da nicht genügend Siedlungsraum vorhanden war, mußten in den 60er Jahren die drei Inseln (La Viciosa, Tumaco und El Morro), die den Stadtkern bilden, durch die Aufschüttung künstlicher Brücken untereinander und mit dem Festland verbunden werden. Einen Teil der Innenstadt rangen die Bewohner Tumacos, die tumaqueños, durch Trockenlegung dem Ozean ab. Aus Gründen der Bodenknappheit und aufgrund der geographischen und klimatischen Verhältnisse erbauten die Einheimischen viele Häuser über dem Meer und verbanden sie durch hölzerne, später auch betonierte Brücken untereinander. Die Hafenstadt zählte im Jahr 2000 rund 120.000 Einwohner überwiegend afrikanischer Herkunft.250 Ihre Vorfahren kamen als befreite oder geflüchtete Sklaven (cimarrones) in den Küstenort und die die Kommune Tumaco bildenden 292 Weiler (veredas) entlang der Flüsse Mira, Chagüi, Mataje, Patia, Mejicano, Nulpe, Pugande, Rosario, San Juan und Tablones, die zum Teil nur über den Wasserweg zu erreichen sind.251 Bis zur Dezentralisierung gegen Ende der 80er Jahre schenkten die nationale und die departamentale Regierung Tumaco kaum Aufmerksamkeit. Da keine gut ausgebaute Verbindungsstraße nach Bogotá und nach Pasto, der Hauptstadt des departamento Nariño, existierte, war Tumaco traditionell über den Meerweg stärker mit Europa, den USA und mit der Hafenstadt Esmeraldas in Ekuador verbunden. Eine Fahrt in das Verwaltungszentrum Pasto dauerte noch in den 90er Jahren bis zu 24 Stunden, obwohl nur 293 Kilometer zwischen den beiden Städten liegen. Mit dem Flugzeug mußte man lange Zeit von Tumaco über Bogotá nach Pasto reisen, später gab es eine Möglichkeit, über Cali nach Pasto zu fliegen. Durch 248 249 250

251

Vgl.: Restrepo Botero 1997: 72. Vgl.: DANE 1994: 33. Die Angaben zur Bevölkerungszahl schwanken je nach Quelle erheblich. Die Prognosen belaufen sich laut DANE für das Jahr 2005 auf fast 142.000 Personen. Vgl.: DANE 1994: 33 und Zamara Benavides 1994: 43. Vgl.: Zamara Benavides 1994: 18ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

247

regelmäßige Flugverbindungen und eine engere kulturelle Nähe bestand mehr Kontakt mit der Hauptstadt des departamento Valle del Cauca, Cali. Die überwiegend indigen geprägte Kultur der Andenregion unterschied sich von der der Küstengegend. Die Beziehung zwischen costeños (Küstenbewohner) und serranos (so nennen die tumaqueños die Bewohner der Andenregion im departamento Nariño252) war geprägt von Vorurteilen, Ablehnung, von Rassismus und einer zum Teil arroganten Verwaltungsdominanz aus Pasto und Bogotá. Dies wurde noch dadurch verstärkt, daß vor der Dezentralisierung Bürgermeister und Gouverneure durch Ernennung in ihr Amt kamen. Da die meisten in der Pazifikstadt tätigen Stadtvorsteher aus der Andenregion stammten, kannten sie die Realität der Kommune und ihrer Bewohner gar nicht oder nur sehr oberflächlich. Sie interessierten sich mehr für die staatlichen Pfründe als für die Belange der tumaqueños. Damit verschärfte sich ein Zentrum-Peripherie-Konflikt, der sich auch im politischen Verhalten widerspiegelte. Der Stadt mangelte es an urbaner Infrastruktur, seinen größtenteils in Armut lebenden Bewohnern an Bildungschancen und Arbeitsplätzen.253 In Tumaco existierte schon seit Jahrzehnten eine Mischung aus Enklaven- und Subsistenzwirtschaft. Verschiedene (zum Teil durch die Entwicklung auf dem Weltmarkt oder durch die vollständige Erschöpfung der Ressourcen verursachte) Krisen führten deshalb zu hohen konjunkturellen Wirtschaftsschwankungen. Die Mehrheit der durch die Extraktionswirtschaft eingenommenen Gewinne flössen ins Ausland bzw. einer kleinen Unternehmerelite zu. Die Entwicklung der Region profitierte langfristig kaum davon.254 Dennoch schwärmen die interviewten tumaqueños auch heute noch von dieser Zeit, da sie damals im Vergleich zu den 90er Jahren in relativer Prosperität lebten. Die Arbeit in den konjunkturell boomenden Wirtschaftszweigen gefährdete aber auch die Subsistenzproduktion. Ein Teil der tumaqueños - vor allem in den ländlichen Regionen der Kommune - lebte auch Ende der 90er Jahre überwiegend von der Landwirtschaft (Kokosnüsse, Kakao, Kochbananen und Maniok). Die Frauen ernährten ihre Familien durch das Aufsammeln von Muscheln und anderen kleinen Meerestieren. Viele Männer der Pazifikstadt arbeiteten in der Fischerei. Die Einkünfte aus dem mit kleinen Holzbooten mit Außenbord252

253

254

Unter dem Begriff serranos werden in der Vorstellungswelt der befragten tumaquenos neben den Bewohnern der Andenregion auch alle Fremden, Weißen zusammengefaßt, also auch Zuwanderer aus Cali oder Medellin. Zur ökonomischen Situation der Bevölkerung Tumacos vgl. im Detail: Mora Insuasty/Vallejo Ocana 1994. Die Konsequenzen der Stillegung der Eisenbahnverbindung zwischen Pasto und Tumaco 1959 und die Schließung des Unternehmens Chapas y Maderas de Narino Mitte der 70er Jahre waren zwei markante Startpunkte für diese Krisen. Letztere wurde durch das Meerbeben von 1979 noch verstärkt.

248

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

motor in Gruppen betriebenen Fischfang dienten früher vorwiegend der Subsistenz und dem Kleinhandel. Später übernahmen reiche Unternehmerfamilien Teile des Fischfangs und banden die davon abhängigen Familien in ein geschicktes kommerzielles Netzwerk ein, das auf der individuellen Arbeit der Fischer aufbaute, den Profit aber in Händen weniger beließ.255 Hinzu kam eine nicht sehr umfangreiche verarbeitende Industrie zur Herstellung von Konserven und die Produktion von Fischlarven und -mehl. 256 Im Laufe der Geschichte investierten Unternehmer aus dem Andenhochland und ausländische Einwanderer in die (direkte und indirekte) Ausschöpfung lokal vorhandener Ressourcen (Kautschuk, Tagua, Tannin, Holz, Palmöl, Kokosnuß, Bananen). Diese Produkte exportierten sie vor allem nach Übersee. In den ortsansässigen Betrieben fanden die tumaquenos allerdings oft nur saisonal begrenzte Arbeitsplätze und wenn der jeweilige konjunkturelle Boom nachließ, setzte eine lokale Wirtschaftskrise ein, die viele in die absolute Armut trieb. Vieh- und Krabbenzucht257 wurden Ende der 80er Jahre unter anderem durch den Aufkauf von Ländereien durch die Drogenmafia als Geschäft entdeckt. Nachdem der Ausbau der Verbindungsstraße zwischen Pasto und Tumaco weitgehend abgeschlossen war, belebte dies von 1994 an den Tourismus. Aber auch von außen aufgebaute Entwicklungsmaßnahmen (CVC25t-Holanda, Plan Internacional Padrinos), Banken (Caja Agraria, Banco Populär), die Hafenverwaltung, Versicherungen, Handwerk, lokaler (meist von paisas259 dominier255 256

257

258 259

Diese Strategie wendet vor allem die Firma El Delfin Blanco der auch politisch einflußreichen Familie Buitrago an. Interview mit Guillermo Angulo, 10.11.1994. Zu nennen wären hier die Betriebe Idelpacífico, Sociedad Proteimar, das Unternehmen von Jorge Enrique Sánchez, El Delfín Blanco und Maragricola. Vgl.: Zarama Benavides 1994: 36. In den 90er Jahren gab es in Tumaco rund 20 Krabbenzuchtuntemehmen (camaroneras), die zum Teil erhebliche Umweltprobleme verursachten. Sie zerstörten die Mangrovenwälder an der Küste. Durch die Krabbenzucht wurden nur rund 40 permanente Arbeitsplätze geschaffen. Vgl.: Zarama Benavides 1994: 52f. Corporación Autónoma para el Desarrollo del Valle del Cauca, regionale, staatliche Entwicklungsinstitution. Als paisas bezeichnet man die (oft auf ihre europäische Herkunft stolzen) Bewohner des departamento Antioquia und einiger angrenzender Gebiete. Sie gelten als besonders ,kolonisierungstüchtig', migrationsfreudig und geschäftig. Viele tumaquenos sehen sie aufgrund ihres Erfolges und ihrer Hautfarbe mit einer Mischung aus Bewunderung und Abwendung. Eine der von mir in meiner Untersuchung gestellten Fragen bezog sich auf den Rassismus. Er wurde von den Befragten vor allem in Einzelhandelsgeschäften ausgemacht, deren Besitzer überwiegend aus dieser Bevölkerungsgruppe stammten. Auch ich und andere .Weiße' wurden in Tumaco oft als paisas bezeichnet. Es spielte in der Pazifikstadt im Unterschied zu Bogotá keine Rolle, daß ich Deutsche war. Die zentrale gesellschaftliche Konfliktlinie bewegte sich auf der Ebene Schwarze/Weiße und den damit gemachten histo-

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

249

ter) Handel, andere kleinere Dienstleistungsunternehmen (Transport, Hotels), nationale bzw. departamentale Institutionen (PNR260, /PC261, RSS262, Corponarino) und vor allem die städtische Verwaltung schufen eine heiß umworbene Zahl von Arbeitsplätzen, in einer ansonsten .strukturschwachen', marginalisierten Region. Tabelle 23: Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor in Tumaco 1994 Dienstleistungssektor Arbeitsplätze Prozent Handel 1.162 34 Öffentlicher Sektor 1.939 58 Privater Sektor 257 8 Insgesamt 100 3.358 Quelle: Zarama Benavides 1994: 44f.

61 Prozent der Beschäftigten erhielten in den 90er Jahren Einkommen, die zwei Mindestlöhne nicht überstiegen.263 Die schwarzen Bewohner der Pazifikstadt kamen aufgrund ihrer mangelnden Bildung, Qualifikation und/oder ihrer Hautfarbe nur selten in den Genuß qualifizierter Arbeitsplätze. Dabei hat sich der soziale Druck in den letzten Jahren erhöht. Einerseits durch die zunehmende Abwanderung der Landbevölkerung in den Stadtkern aufgrund von im Vergleich zur Situation in den ländlichen Regionen verbesserter Bildungschancen, medizinischer Versorgung etc. Andererseits fiel ein soziales Ventil weg: Die Abwanderung in größere Städte, dabei vor allem nach Cali, reduzierte sich durch die Verhaftung der Drogenbosse in den 90er Jahren. Die Mafiosi hatten ihr illegales Geld u.a. durch Bauvorhaben gewaschen. Viele junge Männer fanden dort zwischenzeitlich eine Beschäftigung überwiegend in der Bauindustrie, aber auch im Drogenhandel selbst, Frauen als Hausangestellte.264

260 261 262 263 264

rischen Erfahrungen. Unterschiede zwischen ,den Weißen' konnten deshalb in den Hintergrund treten. Plan Nacional de Rehabilitación. Instituto de Integración y Participación Comunitaria. Red de Solidaridad Social. Ein Mindestlohn betrug zu dieser Zeit ca. 200 Mark. Über die sozialen Probleme, die diese Jugendlichen (sie werden in Tumaco aletosos genannt) nach ihrer Rückkehr in Tumaco verursachten, erfuhr ich zahlreiche Geschichten. Während die Stadt noch bis in die 80er Jahre dafür bekannt war, daß dort kaum Verbrechen registriert wurden und das weitreichende Familiennetz der sozialen Abfederung diente, sahen sich die Behörden in den 90er Jahren mit ansteigenden Kriminalitätsraten konfrontiert. Meine Freunde hatten mich vor den aletosos gewarnt, was ich allerdings zunächst nicht Ernst nahm, da ich bereits mehrere Monate problemlos in Tumaco gelebt hatte. Diese jungen Männer waren in Cali oft mit dem Drogengeschäft und damit zusammenhängenden ,Auftragsarbei-

250

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

In Tumaco zeugte die städtische Infrastruktur von jahrelanger Vernachlässigung durch lokale, regionale und nationale Politiker. Die Volkszählung des Jahres 1985 und der lokale Entwicklungsplan 265 beschrieben die Situation der Stadt Anfang der 90er Jahre folgendermaßen: 92 Prozent der Urbanen Bevölkerung und 98,5 Prozent der Landbewohner lebten ohne Abwasserversorgung. Die in den 80er Jahren ausgebauten Wasserleitungen erreichten nur 63 Prozent der Haushalte des Stadtkerns, in den ländlichen Regionen waren es lediglich 1,5 Prozent. 77 Prozent der Landbewohner hatten keinen Zugang zur Stromversorgung. 87 Prozent der Stadtviertel waren medizinisch unterversorgt. Das öffentliche Verkehrssystem war nur mäßig ausgebaut und viele Bewohner konnten sich Busse oder Taxis nicht leisten. Den Müll entsorgte die Stadtverwaltung nur in wenigen Vierteln (und verwendete ihn anschließend in unverantwortlicher Weise zum Straßenbau). Meist deponierten die Bewohner ihn aber in der unmittelbaren Umgebung ihrer Häuser im Meer. 40 Prozent der tumaquenos mußten auf Straßenbeleuchtung verzichten. Bürgersteige standen ihnen nur in wenigen Straßen zur Verfügung. Bei der Mehrzahl der Hausbesitzer handelte es sich nicht um Grundbesitzer. Viele der hölzernen Pfahlbauten errichteten die oft aus den ländlichen Regionen der Kommune stammenden Migranten in Risikogebieten am und über dem Meer. Für sie stellten Stürme und Meerbeben 266 eine unmittelbare Gefahr dar. 267 Die medizinische Infrastruktur ließ vor allem auf dem Land zu wünschen übrig. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer lag 1985 bei 42, die der Frauen bei 44 Jahren. 268

263

266

267 268

ten' in Verbindung gekommen. Sie hatten sich deshalb daran gewöhnt, .schnelles Geld' durch gewalttätigen Raub zu beschaffen. Schließlich wurden auch mein Mann und ich Opfer ihrer Gewalttaten, als uns eine Bande überfiel, die sich im Anschluß an ihre Rückkehr nach Tumaco auf Raubüberfalle spezialisiert hatte. Mein Mann wurde dabei durch einen Messerstich gefahrlich verletzt. Vgl. dazu auch Restrepo 1998. Eine der Dezentralisierungsmaßnahmen bestand darin, daß die Kommunen lokale Entwicklungspläne (Planes de desarrollo) vorlegen mußten. Der erste wurde von der Administration Ernesto Kaiser (1990-92) in Auftrag gegeben, ein ausführlicher Entwicklungsplan aber erst von dem ihm nachfolgenden Bürgermeister Teódulo Quiñones (1992-1994) erarbeitet. Vgl.: Zarama Benavides 1994: 2. In Tumaco gab es 1902 und 1979 Meerbeben, die verheerende Schäden anrichteten. Dennoch weigerten sich viele Bewohner ihre Wohnungen am Meer aufzugeben, da sie ihnen eine höhere Lebensqualität boten. Außerdem schenkten sie den Versprechungen der Politiker wenig Glauben. Sie vermuteten, daß die freigemachten Böden für teures Geld an die internationale Tourismusindustrie verkauft würden („Sie werden sie an die Japaner verscheuern...", Interview mit Thomas Eliécer Cortés, 22.11.1994). Vgl.: Mora Insuasty/Vallejo Ocafta 1994: 19 und Zarama Benavides 1994: 5ff. Vgl.: Zarama Benavides 1994: 44.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

251

Der Druck auf die lokalen, regionalen und nationalen Politiker, die Lebenssituation der Bevölkerung zu verbessern, spitzte sich Ende der 80er Jahre zu. Die Forderungen entluden sich in zum Teil gewalttätigen Streiks zivilgesellschaftlicher Akteure. Sie fanden ihren Höhepunkt am 16. September 1988 im sogenannten Tumacazo.269 In der Kleinstadt war mehrere Monate die über Generatoren betriebene Stromversorgung zeitweise und im August 1988 schließlich ganz ausgefallen. Die lokale Ökonomie (vor allem der Fischfang) war dadurch schwer angeschlagen. „Das war kein normaler Streik der Zivilbevölkerung, die Händler schlössen ihre Geschäfte nicht, es wurden anfangs nur ein paar Reifen verbrannt, die Schulen schlössen, aber das nahm niemand ernst... Es wurde kaum etwas geplündert, sie verbrannten einfach alles: Fernseher, das Geld in der Bank und vor allem all die Institutionen, die den Staat repräsentierten." 270

Die Bewohner zerstörten aus Protest private und vor allem staatliche Einrichtungen, unter anderem das Bürgermeisteramt. Das einzige zur Verfügung stehende Druckmittel schien die Drohung zu sein, daß die Streikenden die Verladung von Erdöl vor der Küste Tumacos verhindern würden. Außerdem verkündeten sie, die Pazifikstadt für unabhängig zu erklären und an Ekuador anzuschließen.271 Die Regierung in Bogotá schlug den Protest unter Einsatz des Militärs und von Panzern nieder. Die Bilanz: ein Toter und 57 zum Teil schwer Verletzte. Bei der Organisation des Streiks und der Ausarbeitung eines Forderungskatalogs arbeiteten politische und Kulturbewegung Hand in Hand. Durch verschiedene kulturelle Festivals hatte sich eine Gruppe von Personen zusammengeschlossen, die die eigenen (afrikanischen) Wurzeln in der Musiktradition wieder stärken wollte. „Die currulao-Festivals272 machten deutlich, daß die 269

270 271

272

Als Tumacazo wurde der Streik in Anlehnung an den Aufstand in Bogotá (Bogotazo) nach der Ermordung Jorge Eliécer Gaitáns 1948 bezeichnet. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Tumaco stand in der Kolonialzeit in engerem Kontakt mit Ekuador als mit Kolumbien. Zwischen 1781 und 1782 hatte Vicente de la Cruz, ein geflohener Sklave, der später verhaftet wurde, die Unabhängigkeit Tumacos erklärt. Auf diese Ereignisse beriefen sich die Streikführer. In Tumaco wurden in den 80er Jahren mehrere currulao-Festivals gefeiert. Der currulao ist ein traditioneller Tanz und eine Musikrichtung aus der Region des Südpazifiks. Die Musik wird vor allem mit verschiedenen Trommeln [bombo, conuno] und einer Art Xylophon [marimba] gespielt. Erstaunlicherweise konnten die Festivals von 1992 an, als der erste afrokolumbianische Bürgermeister gewählt wurde, nicht mehr durchgeführt werden. Interview mit Laylys Quiñones, 23.20.1997. Erst 1998 fand wieder ein kleines, lediglich mit lokalen Musik- und Tanzgruppen ausgetragenes, Festival statt.

252

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

tumaquenos ihre eigene Kultur hatten, daß die Schwarzen auch etwas wert wa>»273

ren. Die im Tumacazo etablierte Mischung zwischen politischer Organisation und die Berufung auf die eigene kulturelle Tradition konnten sich verschiedene unabhängige Bürgermeisterkandidaten später zunutze machen. „Wir gebtauchten beispielsweise während des Streiks unheimlich oft radio bemba,274 man spricht eine Idee aus und innerhalb von zwei Minuten kennt sie die gesamte Bevölkerung. Als wir beispielsweise den Vorschlag äußerten, in Tumaco die kolumbianische Flagge überall anzubringen, geschah dies am nächsten Tag tatsächlich."275

Die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Akteure durch den Tumacazo forderte die Entstehung einer Bewegung, die sich für die Absetzung des traditionellen liberalen Kaziken der Stadt einsetzte. Die sozioökonomische Situation Tumacos, die Marginalisierung der Bevölkerung und die Vernachlässigung durch die nationale und die regionale Regierung bildete dabei den Nährboden, auf dem die Familie des liberalen Kaziken Samuel Alberto Escruceria Delgado ihre politische Bewegung, die betistas, aufgebaut hatte. Der Klan bestimmte von den 60er bis in die 90er Jahre das politische Schicksal der Stadt. Die traditionell mit Handel beschäftigten Escrucerias, Kinder weißer Einwanderer, machten die Politik zu ihrem Beruf. Die Ausrichtung des Lebens eines Großteils der Bevölkerung auf die Lösung der Grundbedürfnisse brachte den Kaziken in die Position des Ansprechpartners für alltägliche Belange. 276 Umgekehrt wurden vor allem die Familienmitglieder, aber auch andere Anhänger durch kleinere und größere Gesten nach der Amtsübernahme entlohnt. Gehörte der gerade amtierende Bürgermeister der Gruppe der betistas an, was in aller Regel der Fall war, vergab er beispielsweise für den Bau einer Schule die Aufträge für das notwendige Material an die Eisenwarenhandlung der Familie Escruceria. Den lokalen Finanzhaushalt behandelte der Kazike wie seine persönliche Geldbörse. Die wichtigsten Mitglieder der Familie waren der Vater 273 274 275 276

Interview mit Francisco Tenorio, 20.11.1994. Mund-zu-Mund-Propaganda. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Die unmittelbare Ausrichtung auf die Grundbedürfnisse wird auch in der Ausdrucksweise der Bevölkerung deutlich, die oft in symbolischem Zusammenhang mit der Bedürfnisbefriedigung steht: Me voy a comer a ese tipo bedeutet in Tumaco, daß man von einem Politiker vor der Wahl zwar Geld annimmt, ihn an-

schließend aber nicht wählt. Cuando estä en el poder todos comen del mismo plato, heißt, daß diejenigen, die an die Macht kommen, sich über politische Unterschiede hinweg, aus dem Staatshaushalt bedienen. El alcalde come solo will ausdrücken, daß der Bürgermeister Gelder unterschlägt, die er nicht mit denjenigen teilt, die ihm zur Wahl verholfen haben.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

253

Samuel Alberto Escruceria Delgado (genannt: ,der alte Betto') und sein Sohn, Samuel Alberto Escruceria Manzi, den die Bewohner ,Bettico' nennen. Escruceria Delgado baute zunächst die Beziehungen der Familie mit anderen Politikern aus dem departamento Narino aus. Doch bereits sein Onkel hatte den damals in der Region tätigen Politikern Konkurrenz gemacht.277 Anfang der 60er Jahre startete ,der alte Betto' schließlich seine ,eigene' politische Karriere. Er war vor allem in den ländlichen Regionen der Kommune Tumaco bekannt dafür, daß er „...den Schwarzen die Entwicklung brachte...".278 Der ,alte Betto' gilt als Gründer verschiedener ländlicher Weiler (veredas), mitsamt der dazugehörigen Infrastruktur. Er ist auch heute noch vor allem bei einem Großteil der Landbevölkerung aufgrund seiner ,Großzügigkeit' sehr angesehen. Die personalisierte Politiktradition, die die Pflichten staatlicher Repräsentanten gegenüber den Bürgern als persönlichen Verdienst von Einzelpersonen erscheinen läßt („Der alte Betto hat unser Viertel trockengelegt und den Zink für mein Dach bezahlt"279), trug zu Loyalitätsbanden bei, die bei Wahlen regelmäßig gestärkt wurden. 80 Da nur wenige staatliche Einrichtungen in Tumaco vorhanden waren und staatliche Funktionen in der Figur des Kaziken personalisiert wurden, konnten die Bürger nur über ihn persönliche oder kollektive Vorteile erzielen. Außerdem kannte der ,alte Betto' jeden beim Namen, sprach mit den einfachen campesinos und Fischern, erfüllte kleine und große Wünsche, stattete regelmäßig Besuche ab, setzte Lehrer und lokale Verwaltungsangestellte nach eigenem Gutdünken ein und ab. Er bezeichnete T u m a c o als su gran

277

278 279

280

281

finca

u n d als sein tablero de ajedrez,

auf d e m nur er

Vor den Escrucerias dominierten die Region vor allem Politiker aus der (aufgrund ihrer Minenvorkommen bedeutenden) Nachbarstadt Barbacoas. Dazu gehörten die Familien Llórente, Ortíz, Cuero Miranda, Rosero, Ruano (Familie des ehemaligen Gouverneurs von Nariño José Rosero Ruano, 1997-2000) und Pérez (Vater des mehrfach zum Senator gewählten Luis Eladio Pérez). Einfluß hatte aber auch der Konservative Hernando Mosquera aus Salahonda. Vgl.: Hofimann 1998: 12. Interview mit Ernesto Kaiser, 3.11.1994. Interview mit Belhermina Rivas, 10.11.1994. Sie bezieht sich auf das Stadtviertel Panamá. Diese Gewohnheiten behielten auch die liberalen Politiker bei, die in den 90er Jahren in Tumaco an Bedeutung gewannen. Der ehemalige Bürgermeister Nilo del Castillo (1994-1997) beispielsweise rühmte sich in seinem Wahlkampf im Radio, daß er (sprich: die Administration) 4.000 Mark für das in Tumaco zu bauende Altenheim aufbringen wolle. In einer Radiowerbung hieß es: „Ojalá Nilo se pone la mano al dril, para sacar adelante este puebloF' Die oberflächliche Bedeutung der Werbung liegt in dem Wunsch, daß der Bürgermeister Stadtentwicklung fordert. Die Figur des ,sich-die-Hand-in-die-eigene-Tasche-Steckens' verdeutlicht aber auf der symbolischen Ebene die starke Personalisierung der Politik. Die Vergabe staatlicher Gelder wird so auf die persönliche Leistung von Einzelpersonen reduziert. Sein großes Landgut.

254

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

die Figuren verschob.283 Gleichzeitig vertrat er die Meinung, daß man ,die Schwarzen dumm halten' müsse, damit der Einfluß der Familie langfristig nicht verloren gehe.284 Lange Zeit stand den Escrucerias keinerlei Opposition gegenüber. In den 80er Jahren jedoch organisierten sich verschiedene Gruppen der Zivilgesellschaft. Ideologisch links orientierte politische Parteien (wie der MOIR285 und die Unión Patriótica) betraten die politische Bühne und prangerten das Fehlverhalten des Kaziken erstmals an.286 Später kam die zunehmende Konkurrenz aus der Liberalen Partei selbst hinzu, die durch die öffentliche Wahl der Bürgermeister stimuliert wurde. So entstand eine kritische Gegenbewegung, die allerdings zunächst nicht wie in vielen anderen Regionen in gewalttätigen Auseinandersetzungen endete.287 „Glücklicherweise war dieser Herr Escruceria kein gewalttätiger Typ, wohl auch, weil er wußte, daß wir Kommunisten eine Minderheit waren. Er war korrupt, aber nicht aggressiv, vielleicht könnte man ihn in dieser Hinsicht sogar als demokratisch bezeichnen." 288

Erst seit 1994 nahm die Präsenz der verschiedenen bewaffneten Gruppen in der Region zu, dabei zunächst vor allem von den Guerillaorganisationen ELN und FARC. Dieser Prozeß stand allerdings anfangs nicht im Zusammenhang mit der lokalen Entwicklung im Urbanen Zentrum Tumacos, sondern mit der Verschiebung des Einflußbereichs der Guerilla im departamento Nariño. Die Guerilla baute ihren Einfluß zunächst in der Nachbarstadt Barbacoas aus, dann entlang der strategisch wichtigen Verbindungsstraße zwischen Pasto und Tumaco.289 Barbacoas war aufgrund seiner Bodenschätze und aufgrund der dort etablierten Drogenproduktion von besonderer Bedeutung, Tumaco selbst als Hafenstadt für den Waffen- und Drogenschmuggel für alle Gewaltakteure ein wichtiger Referenzpunkt. Die Ausweitung des Einflusses der Guerilla und die Drogenbekämpfungsstrategie der Regierung im Rahmen des Plan Colombia zog Ende der 90er Jahre auch das Vorrücken des Paramilitarismus

282 283

284 285 286 287

288 289

Sein Schachbrett. Vgl. dazu auch die in der ländlichen Region Tumacos durchgeführte Studie von Odile Hoffmann 1998: 9. Interview mit Francisco Andrade, 19.10.1994. Movimiento Obrero - Independiente y Revolucionario. Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994. Eine Ausnahme bildete die Ermordung Rafael Valencias, Anhänger des MOIR. Ob der Mord politisch motiviert war, was seine Anhänger behaupten, wurde nicht abschließend geklärt. Interview mit Francisco Tenorio, 20.11.1994. Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994. Vgl.: El Tiempo, 24.6.1995.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

255

nach sich. Auf die dadurch hervorgerufenen Veränderungen soll an späterer Stelle eingegangen werden. Abgesehen vom Klientelismus waren der Zentrum-Peripherie-Konflikt (also die Vernachlässigung der Stadt und der gesamten Küstenregion durch die nationale Regierung und den Gouverneur in Pasto) sowie die Antipathien zwischen den Bewohnern des Andenhochlandes und der Pazifikküste ein Katalysator für den langjährigen Machterhalt der Familie Escruceria. Die Formel todos somos tumaquefios™ über ethnische und soziale Unterschiede hinweg, wirkte identitätsstiftend, wenn es um die Abgrenzung nach außen ging. Samuel Alberto forderte mehr Geld und Investitionen und drohte an, die an der Küste liegenden Kommunen als unabhängige Region zu organisieren, zumal die nationale Regierung - wie bereits erwähnt - vor der Dezentralisierung kaum Interesse an ihnen gezeigt hatte.291 Erst später übernahmen auch verschiedene Politiker und die zivilgesellschaftliche Bewegung während der Streiks der 80er Jahre diesen Diskurs und machten sich ihn politisch zunutze. Samuel Alberto Escruceria Delgado wurde zwischen 1966 und 1978 fünfmal ins Repräsentantenhaus gewählt. Vor der Abschaffung dieser Funktion trat er als Stellvertreter (suplente) seines Sohnes im Kongreß auf. Als er schließlich in den USA wegen Drogenhandels292 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und im Gefängnis starb, .erbte' sein Sohn dessen Wählerklientel, sprich: die tumaquefios, die zuvor den Vater gewählt hatten, entschieden sich nun als Teil eines klientelistischen Netzwerkes in der Regel für den Sohn.293 ,Bettico' konnte zwar auf der persönlichen Ebene das ,Prestige' seines Vaters nicht aufrechterhalten, wurde aber dennoch 1982 und 1986 in das Repräsentantenhaus und 1990 als Stellvertreter in den Senat gewählt. 1991 gewann er erneut einen Sitz in der ersten Kammer und diente somit als ,gutes Beispiel' für die Erneuerung des Senates, nachdem die Verfassunggebende Versammlung den 1990 gewählten Senatoren ihr Mandat entzogen hatte, um die politische Erneuerung zu fordern. Außerdem vertraten die Frau des ,alten Betto', Maruja Manzi de Escruceria, und dessen Brüder (Gustavo Escruceria Delgado und Hernän Raul Escruceria Delgado) sowie ,Betticos' Frau, Maria Lorza de Escruceria und dessen Schwestern (Eleonora Escruceria de Salinas, Ruby P. Escruceria Manzi und Maria E. Escruceria Manzi) die Pazifikküste zwischen

290 291 292

293

Wir alle (ob schwarz oder weiß) sind Bewohner Tumacos. Vgl.: Gobernador y gabinete 1979: 6ff. Der Handel soll unter anderem dadurch möglich gewesen sein, daß seine Frau, die mehrere Jahre als Konsulin in Florida (USA) tätig war, ihr Diplomatengepäck ungeöffnet transportieren konnte. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Samuel Alberto Escruceria Delgado wurde nach seinem Tod nach Kolumbien überführt und in einem spektakulären Begräbnis in Tumaco beigesetzt. „Die ganze Stadt war auf den Beinen, um unserem Betto die letzte Ehre zu erweisen." Interview mit Belhermina Rivas, 10.11.1994.

256

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

1974 und 1990 in der departamento-Versammlung von Narino. Bis 1990 gewannen die Escrucerias im Durchschnitt 96 Prozent ihrer Stimmen für diese Wahlen in Tumaco. Tabelle 24: Beteiligung der Familie Escruceria an den Wahlen zum Kongreß und zum Regionalparlament 1964-2002 Jahr

Institution

1964

Repräsentantenhaus departamentoVersammlung departamentoVersammlung Repräsentantenhaus

1964 1966 1966

1968

Repräsentantenhaus

1970

Repräsentantenhaus

1974

Repräsentantenhaus

1974

departamentoVersammlung

1976

departamentoVersammlung

1976

departamentoVersammlung

1978

Repräsentantenhaus

1978

departamentoVersammlung

1980

departamentoVersammlung

1982

Repräsentantenhaus departamentoVersammlung

1982

Kandidat Luis D. Escruceria Humberto Manzi Escruceria* Humberto Manzi Escruceria Samuel Alberto Escruceria Delgado Samuel Alberto Escruceria Delgado Samuel Alberto Escruceria Delgado Samuel Alberto Escruceria Delgado Jaime A. Escruceria Grijalba Hernán Raúl Escruceria Delgado Jaime A. Escruceria Grijalba Samuel Alberto Escruceria Delgado Hernán Raúl Escruceria Delgado Hernán Raúl Escruceria Delgado Samuel Alberto Escruceria Manzi Hernán Raúl Escruceria Delgado

Partei

Stimmen insg.

Stimmen Tumaco

%

Liberal

4.120

1.021

25

Liberal

3.606

3.588

99,5

Liberal

7.608

5.405

71

Liberal

6.532

4.455

68

Liberal

4.086

3.982

98

Liberal (Pastranista)

11.792

6.866

58

Liberal

38.058

8.897

23

Liberal

5.507

5.506

100

Liberal

4.928

4.901

100

Liberal

3.642

3.298

91

Liberal

23.312

8.142

35

Liberal

6.539

6.237

100

Liberal

5.532

5.063

92

Liberal

27.378

8.420

31

Liberal

9.014

8.227

91

257

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

1984

departamentoVersammlung

1986

Repräsentantenhaus

1988

departamentoVersammlung

1990

departamentoVersammlung

1990

Senat

1990

Repräsentantenhaus Senat

1991 1991

Repräsentantenhaus

1994

Repräsentantenhaus

1998

Senat

1998

Repräsentantenhaus

2002

Senat

2002

Repräsentantenhaus

Hernán Raúl Escruceria Delgado Samuel Alberto Escruceria Manzi* Hernán Raúl Escruceria Delgado María L. Escruceria de Salinas** Samuel Alberto Escruceria Manzi (Stellvertreter) María Lorza de Escruceria*** Samuel Alberto Escruceria Manzi Jaime F. Escruceria Gutiérrez María Eleonora Manzi de Escruceria Gustavo Escruceria Delgado Sonia Elba Escruceria de Cadavidad Sonia Elba Escruceria de Cadavidad Ximena Escruceria E.

Liberal

8.551

6.179

72

Liberal (Movimiento Arellanista) Liberal

21.065

8.004

38

18.917

13.654

72

Liberal

11.247

9.496

84

Liberal

21.664

10.509

49

****40.107

7.672

19

Liberal

21.996

7.239

33

Liberal

12.138

3.406

28

Movimiento Unitario Metapolítico Movimiento Unitario Metapolítico Liberal

13.920

4.039

29

21.265

8.212

39

*****31.636

K.A.

K.A.

j 4go

K.A.

K.A.

Movimiento Cambio Radical

K.A.=Keine Angaben. * Samuel Alberto Escruceria Delgado, Stellvertreter. ** Zu den gleichen Wahlen trat noch Sonia Elba Escruceria de Cadavid an, die allerdings ihre Kandidatur zurückzog. *** Stellvertreterin: Ruby P. Escruceria Manzi. **** Im departamento Nariño erzielte er 36.403 Stimmen. Von 1991 an wurde der Senat in einem nationalen Wahlkreis gewählt. ***** Vorläufige Daten. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

258

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Das Beispiel der Escrucerias zeigt die Bedeutsamkeit der Familienstruktur für den Erfolg politischer Karrierenetzwerke, die lange Zeit fast ausschließlich über Verwandtschaftsbande aufgebaut wurden. Die Herrschaft von Politikerfamilien ist im 20. Jahrhundert ein zentrales Element des fortdauernden Erfolges der traditionellen Parteien und dabei vor allem des PLC. Dieses Phänomen ist auch im iberoamerikanischen Vergleich in Kolumbien besonders auffällig. Tabelle 25: In der Politik tätige Familienangehörige von kolumbianischen und iberoamerikanischen Parlamentariern in Prozent Kategorie Ja Nein N

Kolumbien 63 37

Iberoamerika 50

50 *63 *925 * Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: „War eines Ihrer Familienmitglieder bereits politisch tätig?" („Algún familiar suyo se ha dedicado a la política?") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998.

Politische Pfründe und Wählerklientel wurden von Generation zu Generation weitergegeben, politische und administrative Posten auf die Familienangehörigen verteilt. Im lateinamerikanischen Vergleich gehörten die Politikerfamilien dabei außerdem überdurchschnittlich oft der Ober- bzw. der oberen Mittelschicht an.294 Tabelle 26: Schichtzugehörigkeit kolumbianischer und iberoamerikanischer Parlamentarier in Prozent Schicht Oberschicht Obere Mittelschicht

Kolumbien 15 46

Iberoamerika 5

Untere Mittelschicht Unterschicht N

31 8 *61

45 15 *921

35

*

Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: „Welcher sozialen Klasse würden Sie sagen gehört Ihre Familie an?" (,/t qué clase social diría usted que pertenece su familia de origen?") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 14.

Die Mitglieder der eigenen Familie gelten in der Regel als Vertrauenspersonen, die gegenüber anderen, mit Mißtrauen bedachten gesellschaftlichen Gruppen, in Schutz genommen werden. Die Familie unterstützt ihre Angehöri-

294

Vgl.: E q u i p o de investigación sobre élites parlamentarías 1998: 14.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

259

gen oft auch dann noch, wenn sie straffällig geworden sind.295 Als Gegenleistung kann der Familienklan finanzielle und politische Unterstützung erwarten. Die Gefahr der Spaltung politischer Bewegungen war in Familiennetzwerken, die eine relative Selbständigkeit innerhalb der traditionellen Parteien genossen, gering. Sie fungierten als eine Art Ideologieersatz. So konnten sich die Escrucerias lange Zeit gegen die Spaltungstendenzen behaupten, die in der lokalen Organisationsstruktur der Liberalen Partei in Tumaco durch die entideologisierende Wirkung der Nationalen Front und später durch die Reform der Bürgermeisterwahl gefördert wurden. Erst nach dem Tod des alten Kaziken, der die Familie zusammengehalten hatte, traten auch bei den Escrucerias familiäre Konflikte offener zutage, was ihre politische Position schwächte.296 Die institutionellen Rahmenbedingungen hatten außerdem die Doppelbesetzung von politischen Posten ermöglicht, so daß die familiäre Macht bis zu den Reformen gleichzeitig auf lokaler und auf nationaler Ebene gesichert werden konnte. Die Mitglieder des Escruceriaklans konnten sowohl im Kongreß bzw. im Regionalparlament als auch im Stadtrat als Repräsentanten auftreten. Der Einfluß auf der nationalen und regionalen Ebene gewährleistete es auch, den Ernennungsprozeß der Bürgermeister in Tumaco und in anderen Teilen der Küstenregion politisch zu steuern. Innerhalb der Liberalen Partei hatten sich während der Nationalen Front verschiedene Sektoren um regionale Führungspersönlichkeiten herausgebildet. Die öffentliche Wahl der Bürgermeister erhöhte den Wettbewerb unter ihnen. Zunächst waren die Auseinandersetzungen bei den Lokalwahlen in erster Linie von dem Konflikt betistas/antibetistas geprägt, denn es galt, einen gemeinsamen Feind' zu besiegen und keine Gruppe hatte allein das Potential gegen den Familienklan erfolgreich aufzutreten. Bei der ersten Wahl gewann 1988 mit Erik Seidel schließlich der Kandidat der betistas. Dies verdeutlichte, daß die institutionellen Reformen nicht unmittelbar zu Veränderungen im lokalen politischen System führten, sondern daß die etablierte politische Kultur stärkeren Einfluß hatte, als formalisierte institutionelle Anreize.

295

296

Ein gutes Beispiel sind die Familien der Drogenhändler, der Killerbanden, der Paramilitärs und der im Rahmen des Proceso 8.000 verurteilten Politiker. Vgl.: El Tiempo, 18.1.1998. Siehe dazu weiter unten im Text.

260

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 27: Bürgermeisterwahl in Tumaco 1988 Kandidat Seidel Santos, Erik Kaiser Mendoza, Ernesto Quiñones Solis, Evelio Biojó G., Angel de Jesús José Rivera Posada ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Insgesamt

Stimmen Prozent Partei PLC (betista) 14.751 55,60 PLC und andere Parteien in Koalition 11.720 44,17 PC 25 0,09 Acción Cívica 19 0,07 Koalition 2 0,00 13 0,04 26.530 100,00 27 26.557

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1988. Berechnung und Zusammenstellung durch die Autorin. Differenzen zu 100 Prozent durch Rundung.

Die politischen Erfahrungen, die verschiedene Personen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft bei den zivilen Streiks der 80er Jahre gemacht hatten, dienten schließlich auch bei der Umgestaltung des lokalen Politikgeschehens um die Bürgermeister- und Gemeinderatswahlen als Katalysator. Die Ereignisse verdeutlichten den Zusammenhang zwischen institutionalisierter und informeller Partizipation. Sie weckten den Glauben an das Veränderungspotential bestimmter Protestformen der sich engagierenden Organisationen. Unterschiedlichste lokale Sektoren hatten sich damals zusammengeschlossen: Politisch links orientierte Parteien und Einzelpersonen, Teile der Liberalen, Händler und Unternehmer. Das Comité Cívico S.O.S. Tumaco entstand, das auch nach dem Streik noch Oppositions- und Kontrollfiinktionen übernahm. U.a. auf Drängen des Bürgerkomitees hin wurde Tumaco in der Amtszeit des Bürgermeisters Nilo del Castillo (1994-1997) beispielsweise an die nationale Stromversorgung angeschlossen. 297 Auch wenn bei Zivilstreiks nicht alle Forderungen umgesetzt werden konnten, hatte sich die Effektivität dieser Partizipationsform im Unterschied zu den formal institutionalisierten Wahlen immer wieder bestätigt. Doch um einen politischen Wandel vor Ort zu erreichen, war der Einsatz aller Partizipationsformen und die Zusammenarbeit der verschiedensten politischen Sektoren nötig. Die zivilen und politischen Führer, die den Streik 1988 angeführt hatten, kooperierten 1990 mit Sektoren der Liberalen Partei, vor allem mit dem Politiker Jesús Rosero Ruano. 298 Dieser hatte die Bewegung der Strei297 298

Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994. Jesús Rosero Ruano stammt aus Barbacoas an der kolumbianischen Pazifikküste. Der Arzt wurde, bevor er sich gegen ihn wandte, von Samuel Alberto Escruceria unterstützt. Rosero Ruano war Leiter der Abteilung zur Bekämpfung der Malaria der departamentalen Regierung in Pasto. 1982, 1984 und 1986 wurde er in die departamento-Versammlung von Nariño gewählt. Später war er stellvertretender Senator und 1990 liberaler Abgeordneter im Repräsentantenhaus; 1991 wurde er für die Alianza Democrática M-19 ins Repräsentantenhaus gewählt. Außerdem arbei-

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

261

kenden unterstützt. Er war Führer einer Gruppe von Stadträten, die unter der der Bewegung der betistas angehörenden Regierung Erik Seidels (1988-1990) als Opposition auftraten. 1990 vereinten sich Rosero Ruano, AD/M-19, UP, MOIR, die zivilgesellschaftlichen Bewegungen und der liberale Politiker Nilo del Castillo,299 um die Wahl des erklärten Gegners der Familie Escrucería, Ernesto Kaiser,300 zum Bürgermeister zu unterstützen.301 Die Gruppe der antibetistas beabsichtigte, die betistas auf der lokalen Ebene endgültig zu entmachten. Rivalin Kaisers in diesem Wahlkampf war die Frau des ,alten Betto', die Mutter von Samuel Alberto Escrucería Manzi und Schwiegermutter seiner Frau María Lorza de Escrucería, die 1990 bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus für den departamento Nariño antrat. Sie war gleichzeitig mit sechs der 15 damals tätigen Gemeinderatsmitglieder direkt verwandt.302 Tabelle 28: Bürgermeisterwahl in Tumaco 1990 Kandidat Kaiser Mendoza, Ernesto Manzi de Escruceria, Maria E. Vidal Caballero, Nelson ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Insgesamt

Partei Stimmen Prozent 15.472 PLC 58,99 PLC 10.623 40,50 PLC 112 0,42 20 0,07 26.227 100,00 52 26.279

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1990. Berechnung und Zusammenstellung durch die Autorin. Differenzen zu 100 Prozent durch Rundung.

299

300

301

302

tete der Arzt in der departamentalen Gesundheitsverwaltung und als ernannter Gouverneur des departamento Narino. Nach der Einfuhrung der Gouverneurswahlen 1991 wurde Rosero Ruano für die Amtsperiode 1997-2000 ins gleiche Amt gewählt. In Tumaco fungierte er als ernannter Bürgermeister und vertrat die Liberale Partei 1988 und 1990 im Stadtrat. Nilo del Castillo war 1988 und 1990 Stadtrat, 1980, 1984,1986 und 1990 Abgeordneter der departamento-Versammlung für die Liberale Partei in Narino. In der Amtsperiode 1994-1997 hatte er das Bürgermeisteramt in Tumaco inne. Ernesto Kaiser ist deutscher Abstammung und in Tumaco als Unternehmer im Dienstleistungssektor tätig. Er war 1974 ernannter Bürgermeister, 1976 Abgeordneter der departamento-Versammiung von Narino und 1978 Stadtrat. Die Alianza Democrätica M-19 unterstützte den Bürgermeister, obwohl ihre Politikvorstellungen nur zum Teil übereinstimmten. Dies hatte sich bereits während des Tumacazo gezeigt. Außerdem hielten die Anhänger der AD/M-19 den Deutschstämmigen für rassistisch. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Vgl.: El Tiempo, 1.3.1992.

262

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Der Sieg Ernesto Kaisers verdeutlichte den ersten Bruch mit den traditionellen Wahlgewohnheiten und erhöhte 1990 den politischen Wettbewerb in Tumaco, allerdings zwischen Angehörigen der gleichen Partei. Doch nicht die parteipolitische Zugehörigkeit, sondern die Anhängerschaft oder der Kampf gegen den Familienklan der Escrucerias bestimmte die Wahl. Die Rahmenbedingungen, die der neue Bürgermeister bei seinem Amtsantritt vorfand, ließen allerdings wenig Hoffnung im Hinblick auf seinen politischen und ökonomischen Handlungsspielraum aufkommen. Er konnte beispielsweise bei seinem Amtsantritt auf keinerlei Infrastruktur zurückgreifen. „Er kam an die Macht und fand nicht einmal einen Stuhl in seinem Amtszimmer vor, um mit der Arbeit anzufangen. Die Administration des früheren Bürgermeisters, Erik Seidel, Anhänger der Gruppe der betistas, hinterließ ihm nur zu bezahlende Rechnungen, bevor Seidel aus Tumaco flüchtete, weil gegen ihn ein Haftbefehl wegen Unterschlagung erhoben worden war. Die vier in den folgenden fünf Monaten ernannten Bürgermeister, setzten keinerlei Bauvorhaben um, stellten aber dennoch ungedeckte Schecks in einem Wert von 60 Millionen Pesos aus. Kaiser kündigte Nachforschungen an, aber er kam dabei nicht recht voran, da die notwendigen Dokumente im Gebäude des Stadtrates aufbewahrt und bei dem Brand am 25. Mai 1991 vernichtet worden waren."303

Acht Tage vor dem Amtsantritt Kaisers hatte dieser Brand alle offiziellen Papiere und die Grundlage für eine etwaige .Aufarbeitung' der Vergangenheit zerstört.304 Der Gegner Escrucerias, der auch schon vor der öffentlichen Wahl der Bürgermeister in dieses Amt ernannt worden war und das politische Geschäft kannte, beschränkte sich deshalb zunächst auf institutionelle Reorganisationsprozesse im Verwaltungsbereich. Außerdem mußte Kaiser eine durch die Dezentralisierung vorgegebene Professionalisierung der Bürokratie einleiten, ohne allerdings auf eine adäquate personelle und finanzielle Ausstattung zurückgreifen zu können. Die meisten Städte und Gemeinden in Kolumbien finanzieren sich überwiegend von Mehrwertsteuereinnahmen und werden deshalb auch municipios IVA305 genannt. Auch Tumaco erhielt in den 90er Jahren mehr als 80 Prozent seiner Einnahmen aus dem Mehrwertsteueraufkommen. Die Eintreibung der Steuern auf Grundbesitz und Industrie schritt nur mäßig voran. Die in Tumaco ansässigen Firmen zahlten in der Regel kaum oder keine Steuern. Einigen ist dies gesetzlich erlaubt, weil sie durch Konzes-

303 304

305

El Tiempo, 1.3.1992. In Tumaco hat es regelmäßig Brände aus unterschiedlichen Ursachen (bei einem Teil wird Brandstiftung vermutet) gegeben. Es existieren deshalb aus den 80er Jahren keinerlei Dokumente, an denen das Fehlverhalten der Bürgermeister und damit auch das der Familie Escruceria hätte nachvollzogen werden können. IVA=Impuesto al valor agregado, Mehrwertsteuer.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

263

sionen oder ihre Exporttätigkeit davon befreit sind. 306 Andere hatten ihre Verbindungen zur Familie Escrucerfa ausgenutzt, um diese durch finanzielles oder politisches Entgegenkommen davon zu überzeugen, auf die Steuereinnahmen zu verzichten. Kaiser erarbeitete zunächst einmal die Normen und Verfahren zur Eintreibung der Steuern, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden waren. Außerdem gründete er die Abteilungen für Gesundheit und Landwirtschaft im Bürgermeisteramt und schuf die Strukturen für die finanzielle Organisation der Administration, für die Investitionen der Stadt sowie die Bezahlung der Verwaltungsangestellten. 307 Es war vor allem sein Privatsekretär, Nicolás Sánchez, der die wichtigsten administrativen Weichenstellungen vornahm. Die Leiter der verschiedenen Abteilungen im Bürgermeisteramt hatten in seiner Amtszeit eine gewisse Autonomie bei der Ausarbeitung von Projekten, doch die finanzielle Situation der Gemeinde begrenzte ihre Vorhaben. 308 Von 1990 an wuchs der Wettbewerb zwischen den drei wichtigsten liberalen politischen Gruppen in Tumaco: • Die betistas taten alles für ihr politisches Überleben, obwohl sie immer mehr an Prestige verloren. • Die Anhänger von Jesús Rosero Ruano waren zunächst als Gegner der betistas aufgetreten. Nachdem sie ihre Machtposition gefestigt hatten, unterstützten oder bekämpften sie die betistas, je nach pragmatischen Notwendigkeiten. • Die Anhänger von Nilo del Castillo etablierten sich immer mehr als dritte liberale Kraft in Tumaco. Bei den Bürgermeisterwahlen 1992 unterstützte die aus dem Tumacazo hervorgegangene zivile Bewegung, die nicht-traditionellen Parteien und die Gruppe der Liberalen um Rosero Ruano den parteilosen Kandidaten Teódulo Quiñones. Nach einem harten Wahlkampf und einem knappen Wahlausgang

306

307

308

Eines der größten Unternehmen der Kommune Palmas de Tumaco beispielsweise müßte eigentlich rund 33 Millionen Pesos Steuern im Jahr bezahlen. Tatsächlich entrichtete es aber Mitte der 90er Jahre nur 3,5 Millionen. Die Krabbenzuchtunternehmer erhielten ihre großen Gelände 20 Jahre lang von der Dirección Marítima y Portuaria, DIMAR, auf Konzessionsbasis. Da diese Ländereien nicht der Kommune, sondern der Nation gehören, konnten die Bürgermeister keine Steuern verlangen. Firmen, die exportieren, wie die meisten Krabbenzuchtunternehmen, in der Ölproduktion tätige Unternehmer und ein Teil der Fisch verarbeitenden Industrie wurden durch Vergünstigungen im Rahmen des Exportgesetzes (ley 14 de 1983) von Steuerzahlungen befreit. Vgl.: El Tiempo, 1.3.1992 und Interview mit Carlos Ortiz, 25.5.1995. Interview mit Ernesto Kaiser, 3.11.1994; vgl. auch: Pacífico Siglo XXI de El Espectador, 29.5.1992. Interview mit Carlos Ortiz, 25.5.1995.

264

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

wurde er zum ersten parteilosen und afrokolumbianischen Bürgermeister Tumacos gewählt. Tabelle 29: Bürgermeisterwahl in Tumaco 1992 Kandidat Escruceria de Salinas, Maria Leonora Alzate Zuluaga, Jaime Quiñones Overman, Teódulo Del Castillo, Nilo Escruceria C., Diego Grueso Arroyo, Manuel Roberto Manzi Hurtado, Germán Vicente ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Insgesamt

Stimmen Prozent Partei PLC 78 0,33 PC 209 0,89 7.151 30,58 Andere Parteien Andere Parteien 7.097 30,35 Andere Parteien 5.887 25,13 1.723 7,36 Andere Parteien Andere Parteien 252 1,07 985 4,21 23.382 100,00 533 23.915

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1992. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin. Differenzen zu 100 Prozent durch Rundung.

Seine ethnische Zugehörigkeit wurde als Wahlkampfargument zur Mobilisierung eines Teils der Wählerschaft eingesetzt. Obwohl Tumaco vor allem von Afrokolumbianern bewohnt wird, waren die Bürgermeister zuvor mit einer kurzzeitigen Ausnahme Weiße.309 Dafür gab es verschiedene Gründe: • Vor der öffentlichen Wahl der Bürgermeister entsandten die Gouverneure viele Politiker aus Pasto nach Tumaco, die nicht der afrokolumbianischen Kultur angehörten. Bei der Besetzung öffentlicher Stellen diskriminierten die überwiegend • weißen Staatsangestellten ethnische ,Minderheiten'. Die ökonomische und politische Elite Tumacos war traditionell ,weiß'. • Alle Anfuhrer der drei liberalen Faktionen, Samuel Alberto Escruceria, Jésus Rosero Ruano und Nilo del Castillo, stammten zwar aus Tumaco oder wohnten seit geraumer Zeit in der Küstenstadt, waren aber keine Afrokolumbianer. Der neue Bürgermeister Teódulo Quiñones schaffte es mit einem Team aus ausgebildeten (zum Teil nicht aus Tumaco stammenden) Experten, eine Reihe von Infrastrukturprojekten mit Hilfe von Kofinanzierungsmaßnahmen durch lokale und nationale Gelder (im Rahmen der sogenannten Fondos de Cofinanciación) in Angriff zu nehmen. Einen Teil davon schloß er während seiner Amtszeit erfolgreich ab: die Planung der Wasserversorgung, die Erweiterung eines Teils der Kanalisation, die Renovierung des Fußballstadions 309

Als der erste gewählte Bürgermeister Erik Seidel zurücktrat, wurde er in seinem Amt vorübergehend von Germán Cortés, einem ehemaligen Schuldirektor, ersetzt.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

265

Domingo Tumaco González, den Bau der Aussichtsplattform Francisco Pizarro auf der Brücke der Teilinsel El Morro und der Mehrzweckhalle im Stadtviertel Panamá, die Pflasterung eines Teils der Hauptstraßen, die Verschönerung der Parks und die Verbesserung der Straßenbeleuchtung. Im ersten Jahr seiner Amtszeit berücksichtigte Quiñones die Meinung und Forderungen derjenigen, die ihn bei seiner Wahl unterstützt hatten und bezog sein technisch-administratives Team aktiv in die Planungsprozesse ein. Im zweiten Jahr traf er viele Entscheidungen eigenständig und sandte anschließend die Resultate an die zuständigen Ressortleiter. Er regierte vorwiegend mit seinem Planungschef Armando Rosero und seinem engsten Mitarbeiter Pedro Cruz (Secretario General). Rosero arbeitete im ersten Halbjahr des zweiten Amtsjahres die Projekte aus, um dann durch einen Wechsel in die Secretaría de Hacienda310 die Gelder auch selbst anzuweisen. Pedro Cruz wechselte in die Planungsabteilung. Dadurch wurde die Planung und Finanzierung der Projekte in wenigen Händen zentralisiert. Die Kontrolle des lokalen Haushalts verblieb bei drei Personen. Es wird sogar vermutet, daß Armando Rosero Projekte ohne die Zustimmung des Bürgermeisters einleitete und Gelder einbehielt, von denen der Bürgermeister nichts wußte. Rosero trat sechs Monate vor dem Ende der Administration Quiñones zurück. Korruption - bereits durch Samuel Alberto Escruceria Manzi und seinen Vater als informelle Institution etabliert - wurde in den 90er Jahren vor allem durch die stetige Zunahme der Transferleistungen der Nation an die Stadt lohnend. In Kolumbien hatte sich in vielen Gemeinden der sogenannte CVYm etabliert. Dies bedeutete, daß Politiker, die ein Projekt bei einer Firma für die Stadt in Auftrag gaben, rund 10 Prozent des finanziellen Vertragsvolumens einbehielten. Der CVY hatte zur Folge, daß die meisten Gelder in den letzten Jahren in Bauvorhaben investiert wurden. Dadurch konnten die Politiker, einfacher als bei Ausgaben für den sozialen Sektor, ,ihren Anteil' abkassieren.312 Die Stadtverwaltung trug so einem Entwicklungsmodell Rechnung, das weder nachhaltig noch notwendigerweise adäquat für Tumaco war. Sie investierte nicht vorrangig in die für die Bevölkerung wichtigen Bereiche Arbeit, Bildung und Gesundheit. Von der Vernachlässigung der Bevölkerung und den für sie uneinsichtigen Prioriäten der Stadtverwaltung zeugen in Tumaco mehrere Wandsprüche. Im Stadtviertel Fatima beispielsweise hinterließen die Sprüher folgende Nachricht an den Staat: „Die Dummheit kann man nicht zupflastern, man muß ausbilden!"313 Teódulo Quiñones gründete die Abteilung für die Organización y Participación Comunitaria de la Población314 und ein Komitee zur Entwick310

311 312 313 314

Für die Finanzverwaltung der Kommune zuständig.

Como voyyo. Etwa: Wo bleibe ich.

Interview mit Carlos Ortiz, 25.5.1995 und Manuel Grueso, 3.11.1994. In Tumaco werden für den Straßenbau Pflastersteine verwendet. Organisation und sozialpolitische Partizipation der Bevölkerung.

266

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

lung der Verfassung sowie des Übergangsartikels Nr. 55 der Verfassung von 1991.315 Er modernisierte die Verwaltung mit einer Gruppe von gut ausgebildeten Technokraten. Hinzu kamen externe Experten. Neben der Planungsabteilung richtete er noch ein Büro für die Ausarbeitung von Projekten ein. So entstand ein ausfuhrlicher Entwicklungsplan. Allerdings scheiterten die meisten Vorhaben an ihrer Durchführung. Das verärgerte seine Mitarbeiter. Beispielsweise hatten sie monatelang an einem Projekt gearbeitet, als es aber an dessen Umsetzung gehen sollte, beauftragte der Bürgermeister teuer bezahlte externe Berater aus anderen kolumbianischen Städten. Diejenigen Vorhaben, die ihm keine persönlichen Vorteile brachten, zirkulierten oft mehrere Wochen in der Verwaltung, ohne zu einem Abschluß zu gelangen. Mit den Argumenten, es stünde nicht genügend Geld zur Verfügung oder die Zeit reiche nicht aus, um das Projekt zu vollenden, begründete der Bürgermeister solche Entscheidungen. In Wirklichkeit ging es um die Steuerung staatlicher Gelder in Sektoren, die die Abschöpfung des CVY erlaubten. Die Amtszeit des afrokolumbianischen Bürgermeisters wurde in Tumaco unterschiedlich bewertet. Die Infrastrukturmaßnahmen nahm die Bevölkerung positiv auf, zumal frühere Bürgermeister und vor allem die Familie Escruceria im Urbanen Stadtkern Tumacos nur sehr wenig investiert hatten. D o c h der

politische Stil und die Amtsführung Teódulo Quiñones ließ nach Meinung der befragten Experten zu wünschen übrig. Beispielsweise arbeitete das erwähnte Komitee zur Entwicklung der Verfassung nicht wie erwartet. Die Maßnahmen zur Bürgerbeteiligung wurden von Quiñones nicht konsequent umgesetzt.316 Die politischen Gruppierungen und ein Teil der Bevölkerung waren aufgrund ihrer hohen Erwartungen von der Amtszeit des schwarzen Bürgermeisters enttäuscht. Die einen hatten von einem Afrokolumbianer weniger Korruption, mehr Transparenz und Effektivität in der Verwaltung erhofft als von seinen Vorgängern. Die anderen bezog er nicht - wie vereinbart - in seine Amtsgeschäfte ein, frustrierte ihre Reformanliegen. Zwar äußerte die städtische Angestellte Carmen Cortés auch Verständnis für sein Verhalten: „Er mußte seine Chance nutzen, einmaligen Zugang zum lokalen Haushalt zu haben!".317 Kritik wurde aber vor allem daran geübt, daß Teódulo Quiñones nur wenige an seiner Bereicherung und dem damit verknüpften sozialen Aufstieg teilhaben ließ. Gerade einem Schwarzen nahmen seine Anhänger ein solches Verhalten besonders übel. Der afrokolumbianische Kandidat Emiro Cabezas, der sich 1994 an den Bürgermeisterwahlen beteiligte, war nicht erfolgreich. Das lag unter anderem 315

316 317

Der Übergangsartikel Nr. 55 erkennt die sozialen und ökonomischen Rechte der Afrokolumbianer an. Vgl.: Artículo Transitorio 55, Constitución Política de 1991 und El Espectador, Pacífico Siglo XXI, 31.7.1992: 3D. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Interview mit Carmen Cortés, 8.11.1994.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

267

an der Enttäuschung der Wähler über Quiñones. Das ethnische Argument konnte dadurch im Wahlkampf nicht eingesetzt werden. Teódulo Quiñones half anfangs Emiro Cabezas. Als dieser aber zugeben mußte, daß er keine Wahlkampffinanzierung erhalten hatte, begann der damals noch im Amt befindliche Bürgermeister den liberalen Kandidaten Rosero Ruano zu favorisieren.318 Rosero hatte Quiñones bei dessen Wahl zum Bürgermeister 1992 unter die Arme gegriffen. Für die afrokolumbianischen Kandidaten und in bezug auf den Einsatz klientelistischer Praktiken war die Wahl 1994 ein Rückschritt. Dies verdeutlichte, daß der lokale Transformationsprozeß nicht in eine einzige Richtung verlief. Außerdem kandidierte Jesús Rosero Ruano, der 1994 ohne Erfolg auf einem zweiten Listenplatz bei der Senatswahl angetreten war, schließlich selbst für das Bürgermeisteramt. Er hatte zuvor Cabezas unterstützt, entzog ihm aber dann - wie viele andere Anhänger des Afrokolumbianers - seine Gunst. „Emiro hatte anfangs viele Freunde, aber als ihn das Geld, das er vor allem aus Cali erwartet hatte, von einigen Unternehmern' - wie er sagte - nicht erreichte, wendeten sie sich Rosero zu. Sie hatten ihren Wählern bereits Versprechungen gemacht."319

Obwohl der afrokolumbianische Kandidat nur wenige Stimmen erzielte, verhinderte er wohl den Wahlsieg von Rosero Ruano. Aus diesem Grund erhielt Cabezas angeblich Todesdrohungen.320 Die Stimmen vermeintlich schwacher Kandidaten sind also oft bedeutsamer, als die reinen Zahlen vermuten lassen.

318

319

320

Laut Gesetzgebung dürfen Bürgermeister im Amt Kandidaten, die sich zu Wahlen aufstellen lassen, keine finanzielle oder sonstige Hilfestellung geben. In Tumaco konnte diese informelle Institution (wie in vielen anderen Gemeinden) nicht unterbunden werden. Interview mit Jorge Cuevas, 31.10.1994. Wenn hier von .Unternehmern aus Cali' die Rede ist, sind Drogenhändler oder deren Mittelsmänner gemeint. Interview mit Emiro Cabezas, 30.10.1994.

268

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 30: Bürgermeisterwahl in Tumaco 1994 Kandidat Del Castillo Torres, Nilo Rosero Ruano, Jesús Escruceria de C., Sonia Cabezas Casanova, Emiro ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Insgesamt

Partei Stimmen Prozent PLC 9.730 34,13 33,28 PLC 9.487 24,52 LIDER 6.990 PLC 1.703 5,97 595 2,08 100,00 28.505 1434 29.939

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1994. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin. Differenzen zu 100 Prozent durch Rundung.

Der Wahlkampf von Emiro Cabezas verdeutlichte die Unsicherheit beim Aufbau einer neuen politischen Bewegung, die sehr heterogen war und sich nicht auf längerfristig verankerte Organisationsstrukturen stützen konnte. Sie wurde von der ,realpolitischen' Situation überrollt und lief dadurch Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit einzubüßen. „Zunächst war Emiro eine Alternative für all diejenigen, die nicht die bekannten Liberalen wählen wollten. Wir versuchten, mit Emiro eine demokratische Bewegung aufzubauen, in der alle Entscheidungen in der Gruppe getroffen werden sollten. Aber später sprach er sich mit verschiedenen Unternehmern ab. Wir dagegen wollten eine Konzertation zwischen Unternehmern, der Bevölkerung und der lokalen Verwaltung, um eine ausgeglichene Entwicklung der Stadt zu garantieren. Nur so glaubten wir zu vermeiden, daß uns hier das gleiche wie in Urabá passiert: ein wilder Kapitalismus. Als Emiro aus Cali zurückkam, hatte er hinter unserem Rücken den ehemaligen Bürgermeister Ernesto Kaiser zum Wahlkampfchef ernannt. Dadurch entzogen die demokratisch gesinnten Personen ihm die Unterstützung. Wir wollten eine alternative Bewegung, dachten an Themen wie Ökologie, die Organisation der Schwarzen eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Außerdem suchte Emiro den Kontakt zu verschiedenen Kongreßmitgliedern, um zu sehen, was sich wo herausschlagen ließe. Uns war aber keineswegs daran gelegen, die gleiche Tragödie zu wiederholen, die wir bereits mit Teódulo Quiñones durchgemacht hatten. Wir waren damals hintergangen und erniedrigt worden. Deshalb unterstützten wir schließlich den Liberalen Rosero Ruano. Er erschien uns von drei schlechten Kandidaten am akzeptabelsten. Als wir uns entschieden, Emiro unser Vertrauen zu entziehen, war es zu spät, um einen neuen eigenen Kandidaten aufzustellen. Wir wollten aber unseren Anhängern nicht sagen, daß sie nicht wählen sollten. Alle erwarteten schließlich, daß irgendjemand die Situation in Tumaco verbessern werde. Wir konnten deshalb nicht sagen, daß wir keine Alternative zu bieten hätten. Die Stadträte dachten bei ihren Absprachen auch an die langfristigen Aussichten der Bürgermeister. Betto Escruceria bot dem Kandidaten der Alianza Democrática M-19 fünf bis sechs Mal mehr Geld an als Rosero Ruano.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

269

Er versprach, ihn im Hubschrauber in die abgelegenen Gebiete der Region zu fliegen, alle Wahlpropaganda zu bezahlen, aber wir wollten dennoch Rosero eine letzte Chance geben."321

Emiro Cabezas (PLC), Jesús Rosero Ruano (PLC), Sonia Escrucería {LIDER) und Nilo del Castillo (PLC) kandidierten alle im Namen der Liberalen Partei bzw. einer ihrer Satellitenparteien. Der Wettbewerb zwischen den Liberalen in Tumaco war 1994 auf seinem Höhepunkt angekommen, doch gleichzeitig waren die Parteilabels nur eine institutionelle Requisite. Die öffentliche Wahl der Bürgermeister und die Dezentralisierung erhöhten den innerparteilichen Wettbewerb, da nun insgesamt mehr Ämter zu verteilen waren. Aber auch der Stadtrat und die damit verbundenen finanziellen und machtpolitischen Ressourcen waren für immer mehr Bürger reizvoll. Ein Gemeinderat erhielt Mitte der 90er Jahre rund 1.000.000 Pesos322 Aufwandsentschädigung im Monat. In kleinen Kommunen mit wenigen Arbeitsmöglichkeiten war dies ein ansprechendes Gehalt; dazu kamen Spesen, Reisemöglichkeiten und Zugang zum städtischen Haushalt.323 Tabelle 31: Überweisungen (transferencias) der nationalen Regierung nach Tumaco Jahr

Pesos

1994 1995 1996 1997*

4.639.540.000 4.847.690.544 5.534.170.000 4.400.436.000

Bis August 1997 Quelle: Circular 003 de 1997, Personería Municipal de San Andrés de Tumaco.

Im Wahlkampf für die Bürgermeisterwahlen spielten parteipolitische Argumente kaum eine Rolle. Rosero Ruano galt als Kandidat der .Reichen'. Nilo del Castillo warb vor allem bei den armen Sektoren der Bevölkerung mit dem Slogan Nilo el nuestro,324 Er stellte sich als Opfer dar, in dem er betonte, daß man ihn bereits 1992 um den Wahlgewinn gebracht habe und es ihm somit nun ,zustehe', die Wahlen zu gewinnen. Er appellierte damit an die stark verankerte klientelistische Gepflogenheit der Wettbewerbs- und wahlunabhängigen Rotation des Zugangs zur Macht, die während der Nationalen Front etabliert worden war. Der Wahlkampf zeichnete sich 1994 vor allem dadurch aus, daß einem Teil der Kandidaten überdurchschnittlich viel Geld zur Verfügung 321 322 323 324

Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Rund 500 US-Dollar. Interview mit Roman Mora, 23.10.1997. Unser Nilo.

270

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

stand. Dies benachteiligte den afrokolumbianischen Kandidaten und bei den Stadtratswahlen die kleinen Parteien wie die Alianza Democrática M-19 oder die Unión Patriótica: „Wir [die Unión Patriótica, L.H.] konnten mit diesen Politikern nicht mithalten, denen mehrere Millionen Pesos zur Verfügung standen, angeblich vom CaliKartell, Unternehmern aus der gleichen Stadt und aus Tumaco selbst." 325

Samuel Alberto Escruceria selbst beklagte sich, die Politik sei .schrecklich teuer' geworden. Die Anhänger der kleinen Parteien, wie der Alianza Democrática M-19, konnten sich über solche Politikgewohnheiten nur schwer vollständig hinwegsetzen. Sie hatten mit einer übermächtigen Konkurrenz zu kämpfen, machten aber einen moralischen Unterschied aus, zwischen den klientelistischen Gewohnheiten des Kaziken und den aus ihrer Sicht .notwendigen' Unterstützungsleistungen für die eigenen Anhänger. „In den verschiedenen Vierteln schenkten wir eine Kiste Schnaps oder ein Essen an die Leute, die uns geholfen hatten, Stimmen einzutreiben. Im Stadtviertel Iberia beispielsweise, gaben wir 100.000 Pesos aus und erhielten rund 60 Stimmen, aber das ist kein Stimmenkauf im üblichen Sinn. Wir taten nicht das gleiche, was in den ländlichen Regionen, zum Beispiel in der Nähe der Grenze zu Ekuador passierte, wo eine Wahlstimme 10.000 Pesos kostete. Dennoch können wir unsere Helfer hier nicht total umsonst arbeiten lassen."326

Im Unterschied zu seinem Vorgänger etablierte Nilo del Castillo wieder stärker politische als fachlich/qualifikationsbezogene Kriterien für die Besetzung seines Kabinetts. In seinem politischen Umfeld fanden sich keine gut ausgebildeten técnicos. Nilo del Castillo hatte in seinem Wahlprogramm betont: „Meine Administration wird klar und transparent sein..., die Kabinettsmitglieder, die Chefs der dezentralisierten Institute und die Abteilungsleiter werden mit ausreichenden Befugnissen ausgestattet sein, damit sie schnell und effektiv arbeiten können." 327

Dennoch berücksichtigte er die Meinung seiner Kabinettsmitglieder zu Beginn seiner Amtszeit ganz und gar nicht. Die von ihnen ausgearbeiteten Projekte erhielt der Privatsekretär des Bürgermeisters, Santiago Ortiz, ohne daß er die 325 326

327

Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994. Interview mit Oscar Mora, 3.11.1994. Dies verdeutlicht ein Verständnis von Parteipolitik, bei dem die Anhänger keineswegs die Pflicht haben, ihre Bewegung zu unterstützen. Programa de Gobierno alcaldía municipal de Tumaco, periodo 1995-1997, candidato Nilo del Castillo 1994: 4.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

271

Verwaltung darüber informierte. Dieser entschied dann allein mit dem Bürgermeister, welche Projekte umgesetzt und welche nicht durchgeführt werden sollten. Als sein Privatsekretär starb, war die städtische Administration einen Monat lang blockiert, da kein Ressortleiter den Stand der Projektarbeit kannte. Später übernahm sein persönlicher Berater Harold Vallejo die Funktion des Privatsekretärs. Außerdem unterstützten Nilo del Castillo am Anfang seiner Amtszeit nur acht von 17 Stadtratsmitgliedern, so daß die Amtsgeschäfte die ersten drei Monate vom Stadtrat blockiert wurden.328 Das Stadtparlament hatte den contralor und den personero municipal329 und deren Mitarbeiter ernannt, insgesamt rund 110 Personen angestellt und damit die Bürokratie übermäßig aufgebläht. Die Mehrheit der nicht-qualifizierten Mitarbeiter, die in Tumaco escobas330 genannt werden, erhielt ihren Job als Entschädigung für ihre Wahlkampfmitarbeit. Der Stadtrat gab in dieser Zeit rund 120 Millionen Pesos aus, davon rund 80 Millionen für Personal- und Verwaltungskosten. Seine Mitglieder erarbeiteten Projekte, die keinerlei Zusammenhang mit dem Regierungsprogramm des Bürgermeisters hatten. Sie schränkten die Bewilligungskapazität Nilo del Castillos ein. Sie autorisierten ihn, lediglich Verträge bis zu 5 Millionen Pesos abzuschließen. Der Stadtrat selbst genehmigte sich dagegen Projekte im Umfang von bis zu 40 Millionen Pesos. Der Bürgermeister nutzte schließlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (nach der die Verwaltungskosten der Kommunen nicht aus dem Mehrwertsteueraufkommen bezahlt werden durften) als Rechtfertigung für die Entlassung von 139 Mitarbeitern.331 So hatte er seine Wahlkampfzusagen gehalten und konnte sich gleichzeitig völlig legal der überflüssigen Angestellten wieder entledigen. In der Öffentlichkeit klagte der Bürgermeister, daß die in seinem Programm vorgesehenen Projekte aufgrund der vorgeschriebenen Entlassungen nicht umsetzbar seien. 328

329 330

331

Später wechselten drei Stadtratsmitglieder auf die Seite Nilo del Castillos. Einer davon war der Bruder des Besitzers der lokalen Wochenzeitung La Ola, Jésus Enrique Perlaza Chávez. Die Zeitung hatte dem Bürgermeister zuvor eher kritisch gegenübergestanden. Nach dem Wechsel war die städtische Verwaltung ihr bester Werbekunde. Doch als die Administration ihre Anzeigen wieder aus dem Blatt nahm, mußte La Ola schließen. Victor Jaramillo, seit 1997 Mitglied der departamento-Versammung von Narifto und Anhänger Samuel Alberto Escrucerias, ließ sich ebenfalls umstimmen. Bei dem dritten handelte es sich um den Anthropologen Ricardo Epifan Garcia, Privatsekretär des späteren Bürgermeisters Newton Valencia (1997-2000). Parteipolitische Kriterien spielten in diesem .Meinungsbildungsprozeß' keine Rolle. Lokale Kontrollinstanzen. Wörtlich: Besen. Es handelte sich dabei vor allem um Frauen aus den Armenvierteln, die die Stadtverwaltung als Straßenfegerinnen oder als Putzfrauen anstellte, obwohl es dafür keinen derartig großen Bedarf gab. Interview mit Carlos Ortiz, 25.5.1995.

272

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Insgesamt ist die Amtszeit von Nilo del Castillo dennoch nicht nur negativ zu beurteilen. In einigen Sektoren brachte die Stadtverwaltung Straßenbeleuchtung an. Bürgersteige wurden gebaut, Ampeln und Verkehrsschilder aufgestellt, Straßen gepflastert und die Stromversorgung verbessert. Außerdem profitierte der Bürgermeister von Projekten, die die nationale Regierung finanziert hatte. Sie wurden während seiner Amtszeit eingeweiht. Dazu zählte die Fertigstellung des Ausbaus der Verbindungsstraße zwischen Pasto und Tumaco, die Einweihung eines Krankenhauses des Instituto Colombiano del Seguro Social,332 der Anschluß der Stadt an das nationale Stromnetz und einige Maßnahmen, die im Rahmen des Sozialprogramms der Regierung Samper {Red de Solidaridad Social) durchgeführt wurden, wie beispielsweise der Ausbau von (nicht immer ökologisch angepaßten) Sporteinrichtungen in den entlegenen Weilern der Kommune. Auch das umstrittene Großprojekt der Umsiedlung der Bewohner eines Teils des Küstenbereiches, das die Europäische Union überwiegend finanzierte, machte während seiner Amtszeit Fortschritte. 1997 trat Samuel Alberto Escruceria überraschenderweise selbst zu den Bürgermeisterwahlen an. Vor den Reformen war es weniger wahrscheinlich, daß ein Politiker, der sich bereits auf nationaler Ebene engagiert hatte, sich für ein Bürgermeisteramt interessierte, das von Kongreßmitgliedern manipuliert wurde.333 1992 hatte der Staatsrat (Consejo de Estado) Samuel Alberto Escruceria sein passives Wahlrecht334 entzogen, da er 1978 in Tumaco staatliche Gelder unterschlagen hatte und 1988 zu 23 Monaten Haft verurteilt worden war. Escruceria unterlief seine Verhaftung vorübergehend durch die Flucht nach Brasilien. Sein freiwilliger, vorzeitiger Rückzug aus dem Senat am 17. Juni 1992 konnte den Mandatsentzug, der auch künftige Kandidaturen ausschloß, nicht verhindern.335 Doch obwohl er seiner Amtsbefugnisse enthoben worden war, kandidierte Escruceria nun in Tumaco. Er war der Ansicht, daß er sich sehr wohl wählen lassen könne, und daß man nach seiner Wahl sehen werde, wer die Amtsgeschäfte offiziell leite - darauf kam es schließlich nicht an, so lange er im Hintergrund die Fäden zog.336 Er stellte sich und seine Familie als Opfer der gringos und der korrupten Regierung Samper dar. Vor allem die Landbewohner, die auch schon seinen Vater als Opfer der USA gesehen hatten, identifizierten sich mit dieser Position.337

332 333

334 335 336

337

Staatliches Sozialversicherungssystem. Eine Ausnahme bildeten dabei die Bürgermeisterämter großer Städte wie beispielsweise Bogotá. Vgl.: Artikel 183 und 184, Constitución Política de Colombia 1991. Vgl.: República de Colombia 1992: 33ff. Interview mit Victor Jaramillo, Kandidat der betistas für die departamento-Veisammlung, 22.10.1997. Interview mit Manuel Grueso, 3.11.1994.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

273

Versuche von Familienangehörigen Samuel Alberto Escruceria Manzis, in Tumaco Bürgermeister zu werden, waren in den letzten Jahren gescheitert, auch wenn sie klientelistische Methoden im Wahlkampf einsetzten. 1994, als seine Schwester Sonia Elba Escruceria als Kandidatin antrat, bereiste Escruceria mit einem Hubschrauber die verschiedenen Weiler der Kommune. Er verteilte Fernsehgeräte, Lebensmittel und Geld unter den potentiellen Wählern seiner Schwester. Er ließ ein Orchester im zentralen Park der Stadt aufspielen und verteilte Lose unter den Bürgern, damit sie an verschiedenen Lotterieziehungen teilnehmen konnten. Als er sich selbst 1997 aufstellte, organisierte er 210 Komitees, die die Wähler durch Versprechen und Geschenke zu überzeugen suchten. In der Wahlkampfzentrale bot er Weiterbildungskurse für seine Helfer an. Er offerierte den verschiedenen Gruppen, die ihn unterstützten, öffentliche Gelder aus dem städtischen Haushalt für ihre Projekte und Posten in der Stadtverwaltung. Im Vergleich zu früheren Wahlen war er nicht mehr in der Lage, die Kandidatur seiner Familienangehörigen für alle wichtigen lokalen und regionalen politischen Ämter durchzusetzen. Dennoch hatte er bei der Rede zur Eröffnung seiner Wahlkampagne mit pathetischer Stimme ein offenes Zeugnis von Nepotismus abgelegt: „...mein Onkel in den Senat, meine Schwester in das Repräsentantenhaus, mein Cousin ins Regionalparlament und ich ins Bürgermeisteramt" und: „Wir werden an der Macht bleiben, bis mein Sohn Bürgermeister wird". Durch die in den verschiedenen Bürgermeisterwahlen akkumulierte Macht anderer Sektoren der Liberalen Partei wurde er dennoch zu Verhandlungen mit ihnen gezwungen. „Heutzutage regiert die Familie Escruceria nicht mehr allein, wir sind nun ein Team, ein neues Land - eine neue Struktur, auch wir müssen uns modernisieren." 338 Die ersten Risse und politischen Meinungsverschiedenheiten waren in der Familie Escruceria aufgetaucht. Doch wie viele andere liberale und konservative Kaziken wußten auch sie sich den neuen institutionellen und informellen Gegebenheiten anzupassen, um nicht von der politischen Bühne zu verschwinden. Escruceria Manzi unterstützte Jesús Rosero Ruano bei seiner Kandidatur zum Gouverneur von Nariño und erhielt dafür dessen Hilfe bei der Bürgermeisterwahl. Für die departamento^ &rsammlung vereinbarte er ein Abkommen mit dem Stadtratsmitglied Victor Jaramillo (1994-1997). Um die Wähler zu verwirren, unterstützte er die Kandidatur des Schwarzen César Díaz. Letzterer erschien auf dem Stimmzettel für die Bürgermeisterwahlen mit einer Brille, die er normalerweise nicht trug, und in einer Haltung, die der des parteilosen Kandidaten Newton Valencia zum Verwechseln ähnlich war.339 338 339

Interview mit Luis Hermes Ruiz, 22.10.1997. Diaz gab sich bei seinen Besuchen in zahlreichen Weilern der Gemeinde als Newton Valencia aus und kündigte an, daß der parteilose Bürgermeisterkandidat seine Kandidatur zurückziehe. Interview mit Oscar Mora, 24.10.1997 und Newton

274

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 32: Börgermeisterwahl in Tumaco 1997 Kandidat Valencia, Newton Escruceria, Samuel A. Cantín, Hernando Rivera Posada, José Díaz, César ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Nicht markierte Stimmzettel* Insgesamt

Partei Stimmen Prozent Andere Parteien 18.196 54,46 Mov. Unitario Metapolítico 39,17 13.086 1.604 ANAPO 4,80 PLC 194 0,58 Mov. Unitario Metapolítico 37 0,11 0,86 290 33.407 100,00 728 998 35.133

*

Die nicht markierten Stimmzettel wurden 1997 zum ersten Mal gesondert ausgezählt. Für die ,leeren' Stimmzettel (votos en blanco) dagegen ist ein eigenes Stimmfeld vorgesehen. Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1997. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin. Differenzen zu 100 Prozent durch Rundung.

Newton Valencia war Wirtschaftsfachmann und stand der politischen Bewegung Minga nahe. Sie wurde in der Amtsperiode 1992-1994 durch zwei Mitglieder und 1994-1997 durch eines im Stadtrat vertreten. Valencia arbeitete fünf Jahre vor allem in ländlichen Teilen der Kommune im Rahmen eines Entwicklungsabkommens, das zum Teil von den Niederlanden finanziert wurde (CVC-Holanda).340 Er war auch Verwaltungschef einer Gesundheitskooperative, der Empresa de Salud Subsidiada - Alcatraz, die wie viele andere im Rahmen der Privatisierung des kolumbianischen Gesundheitswesens auch unter Anleitung der Weltbank überall im Land entstanden. Valencia hatte zusammen mit seinen Anhängern bürgernahe sozialpolitische Arbeit geleistet, bevor er sich zur Wahl stellte. Der Sohn einer armen Bauernfamilie war im Weiler Bajo Zapotal geboren und kannte die Anliegen der Armen aus eigener Erfahrung. Das verschaffte ihm große Glaubwürdigkeit, auf die er als parteiloser Kandidat auch angewiesen war. Im Unterschied zu den seit 1988 gewählten liberalen Bürgermeistern, kandidierte er nicht nach einer Amtsperiode im Stadtrat, die die meisten dazu nutzten, politische Netzwerke aufzubauen, die

340

Valencia, 22.10.1997. Díaz unterlag bei den Wahlen mit 37 Stimmen. Escruceria hatte ihn als strategisches Mittel eingesetzt, um die Wähler zu verwirren. Die Arbeit fand vor allem im Rahmen der Kooperative Comercializadora de Cacao y Coco, Coagropacíflco, statt, die 1990 gegründet worden war. Sie führte Entwicklungsprojekte in der ländlichen Region Tumacos entlang der Flüsse durch. Dadurch hatte sich Newton Valencia bei der Landbevölkerung einen Namen gemacht. In diesem Umfeld entstand die politische Bewegung Minga. Nach ihrer ersten Wahlperiode im Stadtrat waren ihre Wähler allerdings enttäuscht. Interview mit Fernando Pinzón, CVC Holanda, 26.10.1994 und Newton Valencia, 22.10.1997.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

275

dazu dienten, illegale Machenschaften wechselseitig zu decken.341 Er hatte keine Funktionen inne, von denen aus er eine traditionelle politische Bewegung hätte aufbauen können. Als parteiloser Kandidat mußte er fiir die Registrierung seiner Kandidatur 12.000 Stimmen sammeln und übertraf diese Zahl sogar. Dies garantierte ihm von Anfang an eine gewisse Unterstützung für seine Wahl. Als .ziviles' Symbol setzte er die grün-weiße Fahne der Stadt im Wahlkampf ein. Newton Valencia wußte seinen engen Kontakt zur Zivilgesellschaft 1997 zu nutzen: Der spätere Bürgermeister organisierte Demonstrationen seiner Anhänger durch die gleichen Straßen, auf denen die Protestmärsche in den 80er Jahren stattgefunden hatten.342 In Anlehnung an die orale afrokolumbianische Kulturtradition wurden Lieder und Gedichte (décimas) geschrieben, um seine Kandidatur symbolisch einzubinden und an schwarze Identitätskonstruktionen zu appellieren, ohne dies direkt zum Wahlkampfthema zu machen. Außerdem schloß sich Newton der damals amtierende Bürgermeister Nilo del Castillo (1994-1997) an, denn der vom Stadtvorsteher zunächst unterstützte Kandidat, Hernando Cantín, schien keine Aussichten auf Erfolg zu haben.343 Obwohl ihn die Staatsanwaltschaft (Procuraduría) der Unterschlagung beschuldigte344 und er den städtischen Haushalt übermäßig strapazierte,345 verzichtete Newton nicht auf die Hilfe des Bürgermeisters. Auch die parteipolitisch Unabhängigen stellten also ethisch-moralische Überlegungen zugunsten ihrer machtpolitischen Ambitionen zurück. Der zweite afrokolumbianische Bürgermeister erfüllte also ebenfalls keineswegs die in ihn gesetzten Erwartungen. Am Ende seiner Amtszeit sah er sich ähnlichen Korruptionsvorwürfen ausgesetzt wie sein afrokolumbianischer Vorgänger Teódulo Quiñones.346 Die soziale und wirtschaftliche Situation in 341

342 343

344 345

346

Interview mit Newton Valencia, 22.10.1997; vgl. auch: Newton, Alcalde para todos!, ohne Jahr. Interview mit Newton Valencia, 22.10.1997. Nilo del Castillo hatte ein politisches Abkommen mit dem ehemaligen Bürgermeister von Cali, Mauricio Guzmán, getroffen, um den Wahlkampf von Hernando Cantín mitzufinanzieren. Guzmán war im Rahmen des Prozeß 8.000 der illegalen Bereicherung beschuldigt worden und hatte 1994 auch die Kampagne Nilo de Castillos unterstützt. Vgl.: Circular 003 de 1997, Diego Luis Arteaga, Personero Municipal. Er ernannte beispielsweise fast 600 neue Lehrer, die die Kommune zwar brauchte, aber nicht bezahlen konnte. Newton Valencia hatte nach seinem Amtsantritt zunächst einmal mit den leeren Kassen zu kämpfen. Interview mit Román Mora, 20.6.1999. Selbst die Mitglieder der Bewegung der Comunidades Negras beschuldigten Newton zahlreicher Vergehen. Er soll Verträge über fünf Millionen Pesos an Familienmitglieder des Gouverneurs des departamento Narifio, Parmenio Cuéllar (20002003), vergeben haben. Darunter befand sich ein Auftrag für den Ausbau der elektrischen und verkehrstechnischen Infrastruktur in einigen Weilern der Kommune,

276

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

der Gemeinde hatte sich während seiner Amtszeit zugespitzt. Die zivilen Proteste (paros cívicos), bei denen sich indígenas und Afrokolumbianer für die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse einsetzten, fanden vor allem in den ländlichen Regionen, in denen die Guerilla seit 1994 ihren Einfluß ausbauen konnte, statt. Durch Blockaden der Verbindungsstraße zwischen Tumaco und Pasto forderte die Bevölkerung ihre durch die Verfassung und durch das Gesetz Nr. 70 zugesicherten Rechte auf kollektive Landtitel, Bildung, Gesundheit und soziale Entwicklung ein. Doch die von der nationalen und regionalen Regierung nach solchen .Streiks' zugesagten staatlichen Leistungen kamen in Tumaco in der Regel nicht oder nur stockend an. Die Abwesenheit des Zentralstaates wußte vor allem die Guerillaorganisation ELN für sich zu nutzen. Sie bemühte sich darum, die afrokolumbianische Bevölkerung bei den Streiks zu unterstützen und in ihren verfassungsmäßig verbrieften Rechten zu schulen und dadurch gleichzeitig die eigenen „Allianzkreise"347 auszubauen. Die Strategie der FARC dagegen unterschied sich erheblich vom ELN. Der Guerilla war an ihrer territorialen Ausbreitung, auch durch Vertreibung des ELN, gelegen sowie an der Kontrolle über die Drogenanbaugebiete und die Korridore zum Meer fiir den WafFenschmuggel. Die politische Arbeit mit der Bevölkerung verschob diese Organisation auf die Zeit nach der .Machtübernahme'. Die FARC bedrohten in der gesamten Küstenregion Bürgermeister und verwiesen mehrere Staatsanwälte und einen Richter aus der Kommune Barbacoas, von wo aus die Guerilla einen Teil ihrer Aktivitäten koordinierte.348 Der Prozeß der Selbstorganisation und der Einforderung kollektiver Landrechte durch die Bürger kam in der Region Tumaco trotz des afrokolumbianischen Bürgermeisters unter den gegebenen Voraussetzungen nur schleppend voran. Gründe dafür waren zum einen der negative Einfluß, den ortsansässige Unternehmer ausübten, weil sie ihren Bodenbesitz in Gefahr sahen, zum ande-

347 348

der jedoch nie ausgeführt wurde, an ein Unternehmen, das der Ehefrau des Gouverneurs gehört. Zudem warfen sie ihm vor, die Verwaltung und damit auch den Zugriff auf die 500 bis 700 Millionen Pesos Einnahmen der von Valencia mit aufgebauten EPS Alcatraz in die Hände des Bruders und einer Tochter des Gouverneurs Parmenio Cuellar gelegt zu haben. Die Kooperative wurde von der für ihre Kontrolle zuständigen Behörde (Superintendencia de Salud) schließlich aufgelöst. Der Bürgermeister soll außerdem über Strohmänner Anteile an der Kooperative Cordeagropaz erworben haben. Dabei handelt es sich um 1.000 Hektar Palmölplantagen, die vom Staat im Rahmen der Drogensubstitutionspolitik subventioniert worden waren. Für einen Erdölunfall vor der Küste Tumacos erschienen nach dem Ende der Amtszeit Valencias in der Gemeindebuchhaltung horrende Summen an Katastrophenhilfe, die zum überwiegenden Teil nicht von der Stadtverwaltung, sondern von der Nation getragen worden waren. Interview mit Eva Grueso, 21.9.2001. Zu diesem Begriff: Zinecker 2001: 142. Vgl.: El Tiempo, 24.5.2001.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

277

ren Drohungen der aus unterschiedlichen Gründen nun auch zunehmend präsenten Paramilitärs gegenüber den zuständigen Angestellten des INCORA. Die Verstrickung zwischen den lokalen Repräsentanten des Staates und den Paramilitärs betraf nicht nur Teile des staatlichen Militärs und der Polizei, sondern auch der lokalen Regierung. Bürgermeister Valencia etwa wurde nachgesagt, eine Gruppe von lokalen Auftragskillern (los Van Van) zu unterstützen, um sich gegen andere Paramilitärs zu schützen. Letztere hatten ihn aufgefordert, eine .Steuer' für ihre Dienste an sie zu zahlen. Die Van Van sollten auch im Namen verschiedener Geschäftsleute Tumaco von Gewaltkriminellen und Drogensüchtigen (den zuvor bereits erwähnten aletosos) ,säubern'. Die Van Van waren aber auch für mehrere Auftragsmorde an ortsansässigen Unternehmern und Händlern verantwortlich. Diese wiederum organisierten mit Hilfe eines höheren Militärangehörigen der in Tumaco stationierten Marinetruppen eine Gruppe von Paramilitärs aus dem departamento Cauca, die unter der Führung der Autodefensas Unidas de Colombia, AUC standen. Die A Í/C-Mitglieder hatten u.a. den Auftrag, den Anführer der Van Van, alias La Mosca, zu töten und die anderen aus der Stadt zu vertreiben, welchen sie auch ausführten. Gleichzeitig zogen sich seit Ende der 90er Jahre, vor allem aber im Verlauf des Jahres 2001 mehr als 500 Paramilitärs in der Pazifikregion des departamento Nariño zusammen. Sie kamen infolge der Besprühungsaktionen im Rahmen des Plan Colombia,349 und auf Drängen der Unternehmer (dabei vor allem der Palmölproduzenten) aber auch der Drogenhändler in die Region. Im Rahmen einer Gegenoffensive der AUC gegen die Guerilla erreichten allein rund 200 Tumaco. 350 Sie richteten im Dezember 2000 eine Militärbasis an der Mündung des Flusses Mira ein. Sie zwangen ihnen nicht wohlgesinnte Bürgermeister - wie beispielsweise den Amtsinhaber der Gemeinde Olaya Herrera - zum Rücktritt. 51 Am 24. März 2001 verübten 250 Paramiliätärs in Llórente, einem Weiler der Gemeinde Tumaco, einen Überfall, um einen Teil der Bewohner, dem sie enge Kontakte zur Guerilla unter349

350

351

Nach einem Bericht der Sozialpastoral der Diözese Sibundoy und Mocoa wurden 1.752 Hektar Kulturland, 3.972 Hektar Wiesen und Wälder sowie 800 Hektar Kokapflanzungen mit Pflanzenvernichtungsmitteln besprüht und dadurch die Flora und Fauna sowie die dort lebenden Menschen und deren Nahrungsmittelversorgung erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Vgl.: Rütsche 2001: 5. Hinzu kam die Erhöhung der Präsenz der regulären Truppen durch die Operation Tsunami, die mit 4.000 Soldaten beziffert wurde, angeblich um den Drogenhandel und die paramilitärische Präsenz in der Region zu bekämpfen. Natürlich richtete sich die Aktion der Militärs auch gegen die Guerilla in der Gegend um Barbacoas. Vgl.: El Tiempo, 24.5.2001. Der Gouverneur des departamento Nariño, Parmenio Cuéllar, akzeptierte den Rücktritt des Bürgermeisters nicht, so daß dieser von der ifepartawento-Hauptstadt Pasto die Amtsgeschäfte weiterführte. Diese Amtshandlung hielt die Paramilitärs zunächst zurück, weitere Bürgermeister zur Amtsniederlegung zu zwingen.

278

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

stellten, zu töten und die restlichen einzuschüchtern. Sie hatten bereits 30 Personen zur Exekution gefesselt, als die Guerillaorganisation FARC die Aktion der Paramilitärs unterbrach und sich mehrere Stunden lang Gefechte mit den Todesschwadronen lieferte.352 In Tumaco selbst fiel die Werbung der AUC für eine Gruppe von Auftragsmördern auf fruchtbaren Boden. Für viele jugendliche Arbeitslose waren 700.000 Pesos ein fürstliches Monatsgehalt. Außerdem investierten sie in ein Informantinnennetzwerk, vorwiegend aus gut in die sozialen Strukturen der Stadtviertel integrierten Frauen, die über finanzielle und emotionale Anreize eine enge Beziehung zu Angehörigen der Paramilitärs eingingen.353 Der Wahlkampf und die Bürgermeisterwahl im Oktober 2000 und die Nachwahlen am 5. August 2001 hatten in diesem Umfeld gewaltverstärkenden Charakter, auch wenn die regionale Wahlbehörde den .friedlichen' Ablauf am Wahltag selbst hervorhob354 und sich Gruppen aus der Zivilgesellschaft um das Gegenteil bemühten. Vom 3. bis 9. September 2000 feierte die Sozialpastoral in Tumaco eine Friedenswoche (Semana por la Paz) zur Verteidigung des Lebens und gegen die Gewalt. Während der Aktionen erschienen zahlreiche Graffitis in der Stadt, die offiziell die Präsenz der A UC ankündigten. Das Radioprogramm La Caja de Pandora, das in Radio Mira ausgestrahlt worden war, mußte Anfang September 2000 eingestellt werden. Als wichtiges Kommunikationsorgan der Bauern in vom Stadtkern abgelegenen Regionen setzten sich die Macher des Programms auch kritisch mit der sozialen Situation in der Stadt auseinander. Der dafür mitverantwortliche Priester Guillermo Correa, dem ebenfalls politische Ambitionen auf das Bürgermeisteramt in Tumaco nachgesagt werden und der als potentieller Konkurrent Escrucerias gelten kann, wurde bedroht.355 Die Sozialpastoral hatte außerdem zahlreiche öffentliche Stellungnahmen unter Vorsitz des Bischofs der Diözese zu den Ereignissen über den Radiosender und über Internet sowie andere Medien an die nationale und internationale Öffentlichkeit abgegeben.356 Die Verantwortlichen klagten u.a. die Ermordung von Carlos Ortiz und Sigifredo Revelo Sánchez sowie das Attentat auf Bernardo Cuero Bravo im September und November 2000 im Stadtkern von Tumaco an. Durch das Anzeigen der Menschenrechtsverletzungen schufen sich die Kirchen- und Sozialarbeiter potentielle Gegner, 352 353

354 355 356

Vgl.: http://www.amnestyusa.org/urgent/newslett.html. Die Frauen erhalten von den mit ihnen befreundeten Paramilitärs regelmäßige Geldzahlungen, die Möglichkeit, mobile Telefone und Autos mit zu benutzen etc. Interview mit Yolanda Cerón, 28.8.2001. Vgl.: Diario del Sur, 6.8.2001. Ministerio de Relaciones Exteriores 2001. Vgl. beispielsweise: Constancia histórica y censura moral sobre los hechos de violencia en Tumaco-Nariño, suroccidente de Colombia, dirigida a la comunidad nacional e internacional, San Andrés de Tumaco, November 2000.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

279

da die Zusammenarbeit und Duldung der Aktivitäten der Paramilitärs durch einen Teil der staatlichen Sicherheitskräfte in Tumaco ein offenes Geheimnis war. Als Folge ihrer nationalen und internationalen Menschenrechtskampagnen wurden die Mitarbeiter der Pastoral Social, die 1993 gegründet worden war, um die Organisationsprozesse der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften zu begleiten,357 fotografiert, ausspioniert und bedroht. Am Ende einer Kette von Drohungen wurde die Sozialarbeiterin Yolanda Cerón Hernández schließlich am 19. September 2001 ermordet. Beschwerden bei der nationalen Regierung führten zwar zu Wechseln in den Führungsriegen der Polizei und des in Tumaco stationierten Militärs, änderten aber nichts an der allgemeinen Bedrohungssituation für alle, die Menschenrechtsverletzungen anzeigten. Samuel Alberto Escruceria, der bei den Wahlen am 29. Oktober 2000 trotz des Entzugs seines passiven Wahlrechtes in Tumaco als Bürgermeisterkandidat antrat und die Abstimmungen gewann, nutzte die vorhandene und von seiner Familie z.T. mit geförderte paramilitärische Infrastruktur, um den ExBürgermeister, seine Familie und seine Mitarbeiter der Korruption zu beschuldigen und zu bedrohen. Sie wurden aufgefordert, 30 Millionen Pesos, die sie angeblich während ihrer Amtszeit unterschlagen hatten, zurückzuzahlen oder ihres Lebens nicht mehr sicher zu sein. Daraufhin mußten die meisten Mitarbeiter, der Ex-Bürgermeister und seine Familie die Stadt verlassen.

357

Die Mitarbeiter der Sozialpastoral hatten vor allem die Schwarzenorganisation ACAPA (Asociación de Campesinos del Patío) während des Prozesses zur Einreichung des Landtitulierungsgesuches unterstützt. Im Mai 2000 wurde der Landtitel von 95.000 Hektar vom Staat übergeben. Vgl.: Rütsche 2001: 7.

280

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 33: Bürgermeisterwahl in Tumaco 2000 Kandidat Escruceria, Samuel Alberto Cruz Aguilar, Pedro Leon Del Castillo Torres, Nilo Solis Peralta, Darge Sigfredo Mesa Angulo, Jairo ,Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Nicht markierte Stimmzettel Insgesamt

Stimmen Prozent 13.618 8.126 8.089 495 7.153 478 37.959 570 907 39.436

35,88 21,41 21,31 1,30 18,84 1,26 100,00

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduria Nacional del Estado Civil Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

2001.

Die Förderung und Zusammenarbeit der Familie Escruceria mit paramilitärischen Gruppen hatte bereits eine lange Tradition durch die Tätigkeit der Familie im Drogengeschäft. Doch nun erfüllten die Paramilitärs gleich mehrere Anliegen: Sie sollten die Guerilla zurückdrängen, unliebsame ökonomische Gegner ausschalten und die Voraussetzungen für ein florierendes Drogengeschäft schaffen. Auch die politischen Gegner Escrucerias, die gegen seine illegale Wahlkandidatur vorgingen, wurden auf diese Art und Weise bedrängt. „Der Rechtsanwalt, der Escruceria aufgrund unrechtmäßiger Wahlbeteiligung bei den Bürgermeisterwahlen verklagte, erhielt kurz nach Eingang der Klage mehrmals Besuch in seinem Büro in Pasto. Einige Paramilitärs forderten ihn dabei auf, die Klage gegen Escruceria zurückzuziehen. Am Ende räumten sie ihm ein Ultimatum von ein paar Stunden ein, so daß er ihren Forderungen Folge leistete."358 Die zuständigen Richter wurden bedroht und die Klage wurde zunächst für Escruceria positiv entschieden, angeblich, da die Prozeßregularien nicht eingehalten worden waren. Escruceria übernahm deshalb sein Amt erneut für fünf Tage. Doch die Anzeige gegen den Bürgermeister wurde von der zuständigen Rechtsbehörde {Procuraduría) trotz des Rückzugs durch den Anwalt aufrechterhalten, da sie aufgrund der herrschenden Gesetzeslage nicht ausgesetzt werden konnte. 359 Escruceria wurde schließlich wieder seines Amtes enthoben und 358 359

Interview mit Parmenio Cuéllar, 14.9.2001. Hinter der Klage soll der Gouverneur des departamento Nariño stehen, der zusammen mit seinem Schwager Enrique Gómez Hurtado (Movimiento de Salvación Nacional) bereits für den Entzug des passiven Wahlrechts und den Ausschluß aus der Liberalen Partei verantwortlich gemacht worden war. Auslöser des Mandatsent-

281

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

die Wahlbehörde schrieb Neuwahlen aus. Diese Nachwahlen gewann am 5. August 2001 ein Cousin Samuel Alberto Escrucerias, Jaime Fernando Escrucería Gutiérrez, der 1991 bis 1994 als Abgeordneter im Repräsentantenhaus tätig war. Nachdem Rosero Ruano bereits bei den Wahlen 1997 Escrucería unterstützt hatte, schlössen sich bei diesem Urnengang nun alle wichtigen liberalen Sektoren, die zuvor gegeneinander angetreten waren, mit Escrucería gegen den einzigen Gegenkandidaten Hernando Cantin Jarvis zusammen. Auch für die Kongreßwahlen 2002 wurden im Gegenzug für die Unterstützimg bei der Bürgermeisterwahl Bündnisse eingegangen: Nilo del Castillo begleitete Sonia Escrucería als Li stenzweiter für die Wahlen zum Repräsentantenhaus, Rosero Ruano die Frau Samuel Alberto Escrucerias, María Lorza de Escrucería, auf ihrer Liste für den Senat.360 Tabelle 34: Wiederholung der Bürgermeisterwahl in Tumaco 2001 Kandidat Escruceria Gutiérrez, Jaime Fernando Cantin Jarvis, Hernando Antonio .Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen Nicht markierte Stimmzettel Insgesamt

Stimmen Prozent 17.110 11.802 381 29.293 397 172 29.862

58,41 40,29 1,30 100,00

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 2001. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Doch auch innerhalb der Kazikenfamilie schien es mittlerweile unter der Oberfläche zu brodeln. In Tumaco ging das Gerücht um, daß die Schwester Escrucerias, Maria Eleonora Manzi de Escrucería, die Beweise für die Absetzung ihres Bruders weitergegeben haben soll. Während des Wahlkampfes vor den Nachwahlen zerstritt sich Samuel Alberto mit seinem Cousin, der kurz vor dem Urnengang Tumaco verließ, nach Cali zurückkehrte und betonte, daß er sich von Samuel Alberto bei seiner Amtsübernahme nicht manipulieren lassen werde. Die niedrigere Wahlbeteiligung im Vergleich zu früheren Wahlen und der Stimmenzuwachs Jaime Fernando Escrucerias weisen darauf hin, daß die in Tumaco zwischenzeitlich erreichten .Demokratisierungsfortschritte' durch den Einzug der Gewalt in die Kommune endgültig auf der Strecke geblieben wa-

360

zugsverfahrens soll ein Streit zwischen Cuellar und Escruceria gewesen sein, bei dem der Politiker aus Tumaco das damalige Kongreßmitglied Cuellar in der Öffentlichkeit mit der Faust zu Boden gestreckt hatte. Interview mit Eva Grueso, 21.9.2001. Vgl.: Dario del Sur, 7.8.2001 und Interview mit Eva Grueso, 21.9.2001.

282

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

ren. Im Jahr 2002 gingen in der Pazifikstadt Einschüchterung, das Abhören von Telefongesprächen, Drohungen, Attentate und Morde gegen die verschiedensten Mitglieder zivilgesellschaftlicher Gruppen, gegen Kommunisten, Angehörige der UP, gegen Mitglieder des Organisationsprozesses der Schwarzen, organisierte Lehrer und Gewerkschaftler, Sozialarbeiter und Kirchenmitglieder weiter. Die Ausübung einer kritischen Oppositionsfunktion war in diesem Kontext kaum noch möglich. Gewalt und die Kultur der politischen Pakte (pactos de poder361), die auf der nationalen Ebene mit Ausnahme der Regierung Barco auch nach dem Ende der Nationalen Front nicht überwunden werden konnte, führten bei den Anhängern der UP in Tumaco zur Resignation: "Die Alternative für uns hier ist das friedliche Zusammenleben aller politischen Sektoren, der Liberalen, der Konservativen, der UP und der Alianza Democrätica M-19. Die eigentliche Opposition für uns ist der Neoliberalismus, gegen den wir Widerstand leisten. Die andere Opposition haben sie mit Waffengewalt ausgelöscht."362

Zusammenfassend lassen sich also die unterschiedlichsten, auch widersprüchlichen, Tendenzen des Reformprozesses nach der Einführung der Wahl der Bürgermeister seit 1988 festhalten. 1992 war der Wahlkampf neben dem bereits erwähnten ,Antibetismus' zum ersten Mal durch Argumente der ethnischen Zugehörigkeit bereichert worden, durch die vor allem unabhängige Wähler angesprochen werden sollten. Durch die massive Finanzierung des Wahlkampfes 1994 durch Unternehmer und Drogenbosse in Cali spielten bei diesen Wahlen vor allem klientelistische Politikgewohnheiten eine große Rolle. 1997 schließlich waren durch die Rückkehr des traditionellen Kaziken Samuel Alberto Escruceria in die lokale Arena und dem gleichzeitigen Antritt eines afrokolumbianischen Kandidaten beide Elemente vertreten. Allerdings appellierte der schwarze Kandidat mehr an eine allgemeine Staatsbürgerkultur und die über den Tumacazo verankerten Elemente zivilgesellschaftlicher Protestkultur als an die ethnische Zugehörigkeit. Die afrokolumbianischen Bürgermeister enttäuschten ihre Wähler. Obwohl bereits unter der Familie Escruceria Korruption Teil des Regierungsstils war, haben die gewählten Bürgermeister die informelle Institution, den Staat als Pfründe zu begreifen, keineswegs abgeschafft, auch wenn sie mehr als der Kazike an der Entwicklung der Gemeinde interessiert waren. In absoluten Zahlen hat sich die Korruption sogar erhöht, weil der Kommune durch die finanzielle Dezentralisierung mehr Mittel zugewiesen wurden. So ermöglichte die Wahl der Bürgermeister zwar neuen Sektoren den Zugang zur Macht, aber die mangelnde Responsivität ihrer Politik, die schwache Kontrolle durch die Zivilbevölkerung und die zu361 362

Herrschaftspakte. Vgl.: Veläsquez 1997: 109. Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

283

nehmende Repression erleichterten die Rückkehr des liberalen Kaziken und dessen Zusammenarbeit mit anderen liberalen Sektoren, die ursprünglich als Konkurrenten aufgetreten waren. Die Bürgermeisterwahl ist dennoch insgesamt eine der Reformen, die am positivsten von der Bevölkerung aufgenommen wurde. Bei einer Untersuchung in zahlreichen Kommunen betonten bereits 1990 85 Prozent der Befragten, daß ein gewählter Bürgermeister legitimer sei als ein ernannter. 84 Prozent gaben an, daß ihre politische Beteiligung nach der Einführung der Wahlen gestiegen sei. 72 Prozent sagten, daß sie ihren Einfluß stärker einschätzen würden und 65 Prozent, daß ihre Beschwerden größere Berücksichtigung fänden als vor der Reform.363 Auch in den Augen der von mir 1996 befragten Bürger und Bürgerinnen hat sich die Situation in Tumaco nach der Einführung der Wahl der Bürgermeister bis zur zweiten Hälfte der 90er Jahre insgesamt zunächst verbessert. Schaubild 2: Situation der Kommune Tumaco nach der öffentlichen Wahl der Bürgermeister

Gleich

Schlechter 6%

Antworten auf die Frage: „Was würden Sie sagen: Hat die öffentliche Wahl der Bürgermeister die Situation der Kommune verbessert, verschlechtert oder ist sie gleich geblieben im Vergleich zu der Zeit, als die Bürgermeister noch ernannt wurden?" („En su opinion la elección popular de alcaldes ha favorecido al municipio, lo ha perjudicado o está igual que cuando no se elegían popularmente los alcaldes? ")

363

Es wurden 1.600 Personen in 104 Kommunen befragt. Vgl.: Lopez 1991: 51f.; Webendörfer 1997: 87. Vgl. auch die Befragungen, die Fabio Veläsquez (1996: 124ff.) in Cali durchführte.

284

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Außerdem wurde in Tumaco deutlich, daß Klientelismus und rationalistischere Tendenzen im Wahlverhalten nebeneinander bestehen können. 3 6 4 Diese Gleichzeitigkeit von ,alter' und ,neuer' Politik, die Überlagerung formaler und informeller Institutionen kennzeichnen auch in anderen Gemeinden die Situation nach den Reformen. 365 Webendörfer faßt in seiner Studie die Chancen der lokalen Demokratisierung treffend zusammen: „In den Fällen, in denen die lokalen Mandatsträger an einer solchen Transformation kein Interesse zeigen und die zivilgesellschaftlichen Akteure aufgrund ihrer Unstrukturiertheit nicht in der Lage sind, diese zu erzwingen, kommt es zu einer .Entleerung' des Demokratisierungspotentials der Gemeindereform. In solchen Fällen, wo es dem Bürgermeister gelingt, sich über die klientelistischen Vermachtungsstrukturen auf lokaler Ebene zu erheben, die zivilgesellschaftlichen Gruppen aber nicht dazu in der Lage sind, den dadurch geschaffenen Spielraum für eine größere Intervention zu nutzen, erfolgt eine technokratische Formulierung und Implementierung von Politikprogrammen, die den öffentlichen Charakter staatlicher Dienste erhöht. Diese höhere Effektivität und Effizienz hängt aber letztlich von der politischen Orientierung des Bürgermeisters ab und läßt Zweifel an ihrer Dauerhaftigkeit aufkommen. Schließlich zeigt sich...die begrenzte Fähigkeit der Gemeindereform zur Zivilisierung der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Im Kontext bestimmter sozioökonomischer Strukturen und den damit verbundenen Interessengegensätzen wird die Direktwahl der Bürgermeister zu einer zusätzlichen Arena politischer Gewaltanwendung..." 366

6. 6.1

Reformen auf der Ebene der Legislative Wahlsystem und Kongreß wählen: Versammlungsgrößen, Wahlkreiseinteilung und Schwellenwerte

Der Kongreß wurde nach 1991 wie vor den Reformen durch Verhältniswahl auf starren Listen gewählt. Die RNEC verrechnete die Stimmen nach der Methode Hare. Auch die etablierte Vorgehensweise, daß die Mandate im Kongreß nach Listen und nicht nach Parteien vergeben werden, blieb unverändert. 367 Allerdings gab es eine Reihe von Teilreformen, deren Konsequenzen im folgenden aufgezeigt werden sollen. Die Reduzierung der Anzahl der Mandate im kolumbianischen Kongreß von 311 auf 265 müßte eigentlich dazu führen, daß es schwieriger wird, ein 364 365

366 367

Velásquez 1997: 98; vgl. auch: Rodríguez/Velasquez 1994. Vgl. zu den Vorwürfen gegen verschiedene Bürgermeister beispielsweise: El Espectador vom 30.9.1995. Webendörfer 1997: 97. Vgl. dazu auch Shugart 1992a: 23ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

285

Mandat zu erzielen, da weniger Ämter zur Verfugung stehen. Hinzu kommt, daß die Zahl der Bewerber nach den Reformen drastisch anstieg. Vergleicht man die Zahl der Listen im Senat und im Repräsentantenhaus, so läßt sich allerdings ein Unterschied feststellen. Im Senat ging die Zahl der Listen 1991 zunächst zurück, stieg dann ab 1994 wieder an. Kurz nach den Reformen traten noch eine Reihe von Bewerbern der gleichen Partei auf einer gemeinsamen Liste an, beispielsweise die Kandidaten der Alianza Democrätica M-19 und der Nueva Fuerza Democrätica. Später kandidierten die gleichen Kandidaten auf unterschiedlichen Listen. Seit Mitte der 90er Jahre ringen also insgesamt mehr Bewerber um weniger Mandate. Tabelle 35: Verhältnis aufgestellter Listen und erhaltener Mandate im Senat 1966 und 1974-1998 Jahr Listen Mandate Listen/pro Mandat 1966 145 106 1,4 1974 176 112 1,6 1978 210 112 1,9 1982 114 223 2,0 1986 202 114 1,8 1990 213 114 1,9 1991 102 143 1,4 1994 251 102 2,5 314 102 1998 3,1 Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Tabelle 36: Verhältnis aufgestellter Listen und erhaltener Mandate im Repräsentantenhaus 1966 und 1974-1998 Jahr Listen Mandate Listen/pro Mandat 1966 210 190 1,1 1974 256 199 1,3 1978 308 199 1,5 1982 334 199 1,7 1986 330 199 1,7 1990 351 1,8 199 1991 486 161 3,0 1994 628 •163 3,9 1998 692 4,3 161 * Beinhaltet zwei Abgeordnete der Afrokolumbianer. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

286

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

In jedem Wahlsystem gibt es, wie bereits erklärt, .natürliche' Barrieren, die den Einzug der Bewerber ins Parlament begrenzen. Zusätzlich können künstliche eingebaut werden. Eine .natürliche' Schwelle in Verhältniswahlsystemen, denen als Verrechnungsmethode ein Wahlzahlverfahren (in Kolumbien ist dies die Methode Hare) zugrunde liegt, ist die Wahlzahl. Das Stimmenminimum,

Prozent

Schaubild 3: Veränderung der Inklusionsschwelle für den Senat 1966 und 1974 bis 1998

1966

1974

1978

1982

1986

1990

1991

1994

1998

Jahr

das ein Kandidat auf sich vereinigen muß, um ein Mandat zu erzielen, wird als Inklusionsschwelle (threshold of inclusion, Tinc) bezeichnet. Schaubild 4: Veränderung der Inklusionsschwelle für das Repräsentantenhaus 1966 und 1974 bis 1998 Prozent 0,0030 0,0025 0,0020 0,0015 0,0010 0,0005 0,0000 1966

1974

1978

1982

1986 Jahr

1990

1991

1994

1998

287

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Wird eine bestimmte Stimmenzahl überschritten, erhält ein Bewerber automatisch einen Sitz. Dieses obere Limit nennt man Exklusionsschwelle (threshold of exclusion, Texc). Die Inklusionsschwelle ist nach den Reformen im Senat zunächst gestiegen und dann zurückgegangen. Im Repräsentantenhaus stieg sie 1991 zunächst an, wurde dann aber ebenfalls kleiner. Vor allem von 1991 auf 1994 ist - wie in den Schaubildern zwei und drei verdeutlicht - ein starker Wandel zu beobachten. Die Exklusionsschwelle Texc hängt im Unterschied zu Ti„c nicht von der wachsenden Bewerberzahl und der Wahlkreisgröße, sondern nur von der Wahlkreisgröße ab. Texc stieg im Senat und im Repräsentantenhaus. Der Senat wurde in einem einzigen Wahlkreis gewählt, im Repräsentantenhaus hat die durchschnittliche Wahlkreisgröße tendenziell abgenommen. Es ist sowohl in der ersten Kammer als auch in der zweiten nach den Reformen schwieriger geworden, ein Mandat zu erzielen.368 Schaubild 5: Veränderung der Exklusionsschwelle für den Senat 1966 und 1974 bis 1998 Prozent

1966

1974

1978

1982

1986

1990

1991

1994

1998

Jahr

Theoretisch kann man davon ausgehen, daß die Bildung eines einzigen Wahlkreises im Senat und die Abnahme der Barrieren die Wahlchancen kleiner Parteien erhöhen würde.369 Aber die Zunahme des Texc im Senat belegt, daß dies nicht der Fall ist. Die Reformen vergrößerten auch im Repräsentantenhaus den threshold of exclusion, so daß große Parteien Vorteile hatten. Denn: Sie haben mehr Chancen, die nötigen Stimmen zu erzielen, um Texc zu überschreiten. Ein Problem des Wahlsystems und des derzeitigen Verrechnungsverfahrens besteht außerdem darin, daß aufgrund der natürlichen Barrieren eine Viel368 369

Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt Taylor 1996: 118ff. Vgl.: Lijphart 1994: 12.

288

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

zahl der abgegebenen Stimmen .verlorengehen', sich also nicht in Mandaten ausdrücken.

Prozent

Schaubild 6: Veränderung der Exklusionsschwelle für das Repräsentantenhaus 1966 und 1974 bis 1998

Jahr

Tabelle 37: Durchschnittliche Wahlkreisgröße (Zahl der Mandate in einem Wahlkreis) für die Wahlen zum kolumbianischen Kongreß 19741998 Jahr Senat Repräsentantenhaus 1974 5,09 7,65 1978 5,09 7,65 1982 4,96 7,65 1986 4,96 7,65 1990 4,96 7,65 * 1991 4,88 * 1994 **4,79 * 1998 4,88 * Nicht anwendbar, da nationaler Wahlkreis. ** Beinhaltet den besonderen Wahlkreis der Afrokolumbianer. Quelle: KNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Um aber die tatsächlichen Veränderungen im kolumbianischen Wahlsystem zu erklären, sind zunächst noch folgende Erläuterungen nötig: Die durch die Verfassung von 1991 geschaffenen departamentos erhielten vollen Wahlstatus. Sie bildeten bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus eigenständige Wahlkreise. Aus der oben stehenden Tabelle geht hervor, daß durch diese Reform die durchschnittliche Wahlkreisgröße im Repräsentantenhaus gesunken ist. Bei den Wahlen zum Senat traten 1991 alle Kandidaten in einem nationalen Wahlkreis an.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

289

Ein völlig proportionales Wahlsystem würde ein ausgeglichenes StimmenMandate-Verhältnis vorweisen. Das Stimmenverrechnungssystem nach Hare unterstützt diese Tendenz. Die Wahlkreisgröße kann allerdings den Disproportionseffekt des Wahlsystems erhöhen.370 Wenn in einem Wahlsystem Disproportionalität vorliegt, dann gibt es .Gewinner', nämlich solche, die mehr Sitze erhalten als sie Stimmen erzielt hatten, und ,Verlierer', die weniger Sitze erhalten, als ihnen nach ihrer Stimmenzahl eigentlich zustehen würden. Wird nun die durchschnittliche Wahlkreisgröße im Repräsentantenhaus durch die Reformen kleiner und steht für den Senat ein größerer Wahlkreis zur Verfügung, dann sollte die Disproportionalität im Repräsentantenhaus zunehmen und im Senat abnehmen. Tabelle 38: Disproportionalität nach dem Loosemore-Hanby-lnAex (LHI) in Prozent im Kongreß 1974-1998 Jahr Repräsentantenhaus Senat 1974 2,17 4,2 1978 2,84 4,2 1982 2,32 2,95 1986 6,31 3,72 1990 3,41 5,34 1991 7,71 *6,13 1994 13,14 •8,72 1998 13,47 13,43 * Angaben ohne Berücksichtigung der Sitze der indianischen Gemeinschaften. Quelle: Taylor 1996: 162 und 172 sowie RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Berechnet man den Effekt, nimmt - entgegen der theoretischen Annahmen die Disproportionalität bemessen nach LHI sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat zu. Man kann also feststellen, daß die Disproportionalität im Vergleich zum Zeitraum von 1974 bis 1990 nach den Reformen gestiegen ist. Gab es einen Grund dafür, daß die zu erwartenden theoretischen Ergebnisse nicht eingetreten sind? Die Disproportionalitäten scheinen im kolumbianischen Fall darauf zurückzuführen zu sein, daß in Verhältniswahlsystemen, in denen die Hare-Methode angewendet wird, normalerweise jede Partei nur eine Liste aufstellen kann. In Kolumbien dagegen können Parteien zahlreiche starre Listen pro Wahlkreis präsentieren. Das nutzten die Organisationen nach den Reformen in exzessiver Weise. Wie proportional wäre das Wahlsystem, wenn jede Partei nur eine starre Liste aufstellen könnte? Die Liberale Partei würde bei einer einzigen starren Parteiliste weniger Mandate erzielen. Kleinere Parteien, die bei vergangenen Wahlen kein Mandat 370

Vgl.: Lijphart 1984: 155 und Taagapera/Shugart 1989: Kapitel 10 und 11.

290

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

erzielt haben, hätten bessere Wahlchancen. Die Aufsplittung auf verschiedene Listen .verbilligt' dagegen das Mandat. Die Wahlzahl lag 1991 für den Senat bei 52.419, 1994 bei 51.703 und 1998 bei 86.022.371 Die durchschnittliche Stimmenzahl für ein Mandat betrug 1991 41.399 Stimmen, 1994 34.616 Stimmen372 und 1998 54.110 Stimmen.373 Es war dabei für große Parteien, die sich in viele Listen aufspalten konnten, leichter, ein Mandat über die zu verteilenden Reststimmen zu erzielen. Wenn es dagegen nur eine Liste pro Partei gäbe, dann würden auch mehr Stimmen über die Wahlzahl und weniger über Reststimmen verteilt. Die folgenden Tabellen zeigen, daß nach den Reformen von 1991 im Senat und im Repräsentantenhaus immer mehr Mandate über Reststimmen und nicht über die Wahlzahl zugeteilt wurden. Tabelle 39: Einzug in den Senat über die Wahlzahl und über Reststimmen 1974-1998 Jahr Wahlzahl Reststimmen Insgesamt 1974 48 64 112 1978 31 81 112 1982 36 78 114 1986 23 91 114 1990 30 84 114 1991 42 •102 60 1994 14 88 *102 1998 8 94 *102 * Beinhaltet die Mandate der indigenen Gemeinschaften. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

371 372 373

Berechnet nach RNEC 1991 und 1994b und mündliche Auskunft bei der RNEC. Die beiden Durchschnittswerte stammen von Taylor 1996: 164f. Diesen Wert habe ich nach Daten berechnet, die mir von der RNEC zur Verfugung gestellt wurden.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

291

Tabelle 40: Einzug in das Repräsentantenhaus über die Wahlzahl und über Reststimmen 1974-1998 Jahr Wahlzahl Reststimmen Insgesamt 1974 109 90 199 1978 82 117 199 1982 67 132 199 1986 55 144 199 52 1990 147 199 1991 15 146 161 1994 4 159 *163 1998 4 157 161 * Beinhaltet zwei Abgeordnete der Afrokolumbianer. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Reststimmenmandate begünstigen vor allem die Liberale Partei. Mit ihrer Wahlstrategie (der bereits von Ex-Präsident López Michelsen befürworteten operación avispa) erzielte sie 1991 41 von 56 Mandaten über Reststimmen und 1994 50 von 56. Die Liberalen können so die Vorteile des Wahlsystems, die eigentlich auf kleine Parteien abzielen (nämlich über Reststimmenmandate noch einen Sitz zu erzielen) nutzen. Gleichzeitig ist es für sie als große Partei aber auch einfacher, auf höhere Reststimmenanteile als kleine Parteien zu kommen. So kann der PLC doppelten Nutzen aus dem Wahlsystem ziehen. Durch die Einführung einer einzigen starren Wahlliste könnten - wie die unten stehenden Tabellen zeigen - die negativen Effekte für neue Parteien verringert werden. Auch wenn der Unterschied sich nur auf einige Mandate beläuft, sind diese bei der Bewilligung bzw. Ablehnung von Gesetzes- und Verfassungsreformprojekten u.U. von entscheidender Bedeutung.

292

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 41 : Tatsächliche (t) und hypothetische* (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1991 Partei PLC

1991 (t) 56

1991 ( h ) 48

Differenz -8

9 9 8 5

10 9 9 5

+1 0 +1 0

uc

1 1

2 2

+1 +1

MNC MFP

1 1

1 1

0 0

LPC MNP CI LIDER

1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 1 1

0 0 0 0

PC AD/M-19 NFD MSN UP

MRC MUM MAIC PNC MUPC MAIC UNIR MPNP UDG

1 1 1 1

0 0 0

1 1 1 1 1

0 0 0 0 0

+1 +1 +1 +1

0 1 Insgesamt 100 100 * Bei Wahlantritt mit einer einzigen starren Liste. Quelle: Taylor 1996: 164, RNEC, Zusammenstellung durch die Autorin. Unterschiede aufgrund von Korrekturen durch L.H.

293

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 42: Tatsächliche (t) und hypothetische* (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1994 Partei PLC PC AD/M-19 NFD

1994 (t) 1 9 9 4 ( h ) 56 51 20 0 4

19 3

Differenz -5 -1 +3 -1

MSN

2

3 2

PC+MFP C4 UC PCC

2 1 1 1

2 1 1 1

0 0 0 0

LPC MNP

1 1 1

1

0 0

CI LIDER

1 1 1 1 1

1 1 1

0

0 0

1 1 1 1

0 0

1 1 1 1

0 0 0

MCI

1 1 1 1

BDR+MOIR ASI PNC MCD

1 0 0 0

1 1 1 1

0 +1 +1 +1

ANAPO MUM MNC NC ETCS MURCO+NFD MAR

MRD

0 0

0

1 +1 0 Insgesamt 100 100 * Bei Wahlantritt mit einer einzigen starren Liste. Durch + verbundene Parteien traten als Koalitionen an. Quelle: Taylor 1996: 164, RNEC, Zusammenstellung durch die Autorin. Unterschiede aufgrund von Korrekturen durch L.H.

294

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 43: Tatsächliche (t) und hypothetische* (h) Sitzverteilung bei den Senatswahlen 1998 Partei 1998 (t) 1998(h) Differenz PLC 48 45 -3 PC 15 12 -3 MNC 7 5 -2 MNP 2 1 -1 MDC 2 2 0 1 1 MSN 0 1 1 CI 0 1 LPC 1 0 C4 1 1 0 ETSC 1 1 0 FE 1 1 0 1 1 MC 0 MP 1 1 0 1 1 M98 0 MCP 1 1 0 ANAPO 1 2 +1 ASI 1 2 +1 MCPC 1 2 +1 MB 1 2 +1 +1 NFD I 2 VC 1 2 +1 MOL 1 2 +1 MRD 1 2 +1 MFC 1 2 +1 Koalitionen 7 Insgesamt 100 100 Bei Wahlantritt mit einer einzigen starren Liste. Quelle der zugrunde liegenden Wahldaten: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Zuschneidung der Wahlkreise im Senat und zum Teil auch im Repräsentantenhaus hatte in Kolumbien außerdem bereits traditionell zur Überrepräsentation der ländlichen Bevölkerung geführt (malapportionment). Nach den früheren Normen erhielt jedes departamento automatisch zwei Sitze. Dies war vor allem aufgrund der kolumbianischen politischen Kultur problematisch. Einerseits waren die ländlichen Gebiete für die Verwurzelung der traditionellen Parteien und den Klientelismus bekannt. Ein bias zugunsten dieser Regionen räumte also tendenziell den traditionellen Parteien Vorteile ein. Nach den Reformen verstärkten die für das Repräsentantenhaus hinzugekommenen neuen Wahlkreise diese Tendenz und führten zu zunehmend disproportionalen Ergebnissen. Kleine departamentos mit weniger als 200.000

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

295

Einwohnern erhalten nach den neuen Normen die für sie vorgesehenen zwei Sitze, große bekommen den ihnen zustehenden proportionalen Anteil aber nicht.374 Dies führt dazu, wie die unten stehende Tabelle zeigt, daß die weniger bevölkerten departamentos (Arauca, Guania, Guaviare, Vaupés, Vichada, Caquetá, Amanzonas, Putumayo und San Andrés) über- und die stärker bevölkerten (Bogotá, Cundinamara, Antioquia, Atlántico und Valle del Cauca) unterrepräsentiert sind. Befürworter dieses Phänomens argumentieren, daß eine gewisse Überrepräsentation der bevölkerungsarmen, entlegeneren departamentos, der nationalen Integration dienlich sei.375 Tabelle 44: Über- und Unterrepräsentation (malapportionment) im Repräsentantenhaus in ausgewählten departamentos in Prozent* departamento Antioquia A, G, G, V, V** Atlántico Caquetá/Amazonas Cundinamarca/Bogotá Putumayo San Andrés Valle del Cauca

1974 0,44 0,11 -0,01 0,27 -1,76 0,67 0,41 -1,03

1982 -1,13 -0,01 -0,28 0,37 -6,20 0,65 0,38 1,28

1990 1991 1994 1,14 -1,65 -1,84 -0,18 5,45 5,40 -1,70 -1,32 -1,11 0,10 1,58 1,57 -5,15 4,40 -4,45 0,50 0,74 0,74 0,31 1,04 1,05 1,23 2,27 -2,49

*

Hier wurde statt Bevölkerungszahlen das Wahlpotential benutzt, da man sonst auf Schätzungen zurückgreifen müßte. Negative Zahlen zeigen Unterrepräsentation, positive Zahlen Oberrepräsentation an. ** Arauca, Guania, Guaviare, Vaupés und Vichada. Diese Wahlkreise wurden zusammengezogen, um die diachronische Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Quelle: Modifiziert nach Taylor 1996: 264.

Wenn die Zuschneidung der Wahlkreise kleinere, weniger bevölkerte departamentos bevorteilt, dann braucht man zum Wahlsieg in kleineren Wahlkreisen weniger Stimmen als in bevölkerungsreichen. 1994 lag die durchschnittliche Stimmenzahl für ein Mandat in Bogotá bei 13.610 Stimmen. In den neuen, nach den Reformen hinzugekommenen, kleinen Wahlkreisen betrug sie 4.586. Dort gewannen die traditionellen Parteien 1991 zwölf von 18 und 1994 14 von

374 375

Vgl auch.: Taylor 1996: 11 lff. Diese Meinung vertrat beispielsweise das Mitglied des Repräsentantenhauses, Luis Fernando Velasco, auf dem internationalen Seminar ,La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá und der Abgeordnete Antonio Navarro Wolff bei der öffentlichen Anhörung zu den unter der Regierung Pastrana geplanten Reformen des Parteien- und Wahlsystems am 7. April 1999.

296

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

18 Sitzen im Repräsentantenhaus. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, daß durch malapportionment die traditionellen Parteien Vorteile erzielten. 376 Die Einfuhrung des nationalen Wahlkreises im Senat sollte u.a. der früheren Überrepräsentation ruraler Wahlkreise entgegenwirken. Die Verfassunggeber erhofften sich eine proportionalere Verteilung der Mandate und die Begünstigung kleiner Parteien (sprich: in Kolumbien die nicht-traditionellen Organisationen). Die Entregionalisierung der Senatswahlen durch Wahl der Senatoren in einem nationalen Wahlkreis, statt wie früher üblich in den departamentos, begünstigte tatsächlich die nicht-traditionellen Parteien. 377 Rein auf der formalen Ebene betrachtet, haben sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus (wo dies die Theorie nicht nahelegt) die nicht-traditionellen Stimmen zugenommen. Die Tendenz ist im hohen Haus deutlicher als in der zweiten Kammer. Die Wahlkreiszuschneidung ist also nur zum Teil für die Wahlergebnisse verantwortlich. Tabelle 45: Mandate (M) der traditionellen Parteien {PLC und PC) und der nicht-traditionellen Parteien (NTP) im Kongreß (K) und in der ANC 1974-1998 Jahr

Anerkannte Parla- M von PLC M von mentsparteien NTP und PC 1974 4 282 29 1978 4 6 305 1982 4 4 309 1986 12 279 34 1990 9 285 28 1990* 10 29 41 1991 25 177 86 1994 36 204 61 1998 48 175 88 ANC

M insgesamt 311 311 313 313 313 70 263 265 263

Prozent der NTP 9,3 1,9 1,3 10,9 8,9 58,6 32,7 23,0 33,5

Quelle: Taylor 1996: 201 und RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

376

377

Vgl.: Taylor 1996: 180. Man könnte einwenden, daß auch beispielsweise die UP in diesen Gebieten ihre Einflußzonen hatte. Durch die Ausrottungskampagne gegen die Partei konnte sie aber in den neuen departamentos ihre Kandidaten für den Kongreß nicht durchsetzen. Vgl. auch: Zafra 1997: 79, der betont, daß neue Politiker wie Jairo Clopatovsky bei Beibehaltung der früheren Wahlkreiseinteilung nach departamentos wohl nicht gewählt worden wären.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

297

Tabelle 46: Anteil der nicht-traditionellen Stimmen bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1974-1998 Jahr Auf Kandidaten entfallene Stimmen nichtProzent Stimmen insgesamt traditioneller Parteien 1974 12,22 5.088.888 621.717 4.171.075 223.349 5,35 1978 1982 5.573.469 183.247 3,29 6.884.994 899.101 13,06 1986 1990 7.602.393 719.510 9,46 4.789.744 1991 1.572.287 32,83 1994 5.097.456 1.376.819 27,01 1998 5.046.170 1.561.979 30,95 Quelle: Taylor 1996: 200 und RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Tabelle 47: Anteil der nicht-traditionellen Stimmen bei den Wahlen zum Senat 1974-1998 Jahr Auf Kandidaten entfallene Stimmen nichtProzent traditioneller Parteien Stimmen insgesamt 623.122 1974 5.094.552 12,23 1978 4.159.846 211.883 5,09 1982 5.567.198 164.881 2,96 1986 6.842.844 557.706 8,15 1990 7.626.903 772.687 10,13 4.861.660 1.864.512 38,35 1991 1994 28,47 5.071.826 1.443.998 1998 5.411.046 1.986.999 36,72 Quelle: Taylor 1996: 200 und RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Schaut man hinter die reinen Zahlen, werden folgende Probleme deutlich: Die Wahl in einem nationalen Wahlkreis hielt vor allem die traditionellen Senatskandidaten nicht davon ab, Wähler in ihrer angestammten Region zu suchen. Botero Jaramillo hat berechnet, daß die Kandidaten der traditionellen Parteien zum Senat 1991, 1994 und 1998 rund 70 Prozent ihrer Stimmen in einem einzigen departamento erzielten.378 In meiner Fallstudie in Tumaco wurde deutlich, daß ein Teil der traditionellen Senatoren die Möglichkeit der Wahl in einem nationalen Wahlkreis nutzte, um in dieser marginalisierten Region Stimmen zu kaufen. Da es sich bei vielen Kandidaten um Parteiwechsler handelt und ein erheblicher Teil der nicht-traditionellen Parteien Satelliten- oder 378

Beispielsweise erzielte Fabio Valencia Cossio mehr als 70 Prozent im departamento Antioquia, Carlos Moreno de Caro gewann rund 86 Prozent in Bogotá, Juan López Cabrales rund 94 Prozent in Córdoba. Vgl.: Botero Jaramillo 1998: 307ff. und Ungar/Ruiz 1998: 207 und 209.

298

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Abspaltungsparteien des PLC und des PC sind, hält sich die tatsächliche Erneuerung des Senats in Grenzen.379 Letztlich hat sich das politische Personal und dessen Politikgewohnheiten nur begrenzt geändert.380 Hinzu kommt, daß ein Großteil der ,neuen' Kandidaten aus Politikerfamilien stammt, also unabhängig vom Parteilabel ein politisches Erbe verwaltet.381 379 380

381

Vgl. dazu die ausführliche Magisterarbeit von Wills Otero 1998. Auch die Zählweise und Zuordnung der kolumbianischen Parteien wird durch Parteiwechsel erschwert. Sie führen zu folgenden methodologischen Problemen: a) Neben der Analyse der Parteien muß das Verhalten einzelner Politiker berücksichtigt werden, b) Die Gründung einer neuen Partei kann wähl strategische, finanzielle und imagebedingte Gründe haben. Die Kandidaten können nach einer gewissen Zeit wieder in ihre frühere Partei zurückkehren oder wiederum eine neue Partei gründen. Es stellt sich schlicht die Frage, ob beispielsweise ein Liberaler, der eine neue Partei gegründet hat, dessen Familie aber traditionell im Partido Liberal aktiv war, der zuvor selbst für die Liberalen antrat, seine politischen Freunde im PLC hat, die liberale Parteikonvention besucht und sein Abstimmungsverhalten im Kongreß an seinen früheren Parteifreunden orientiert, wirklich als Neuerscheinung im Parteiensystem gewertet werden kann. In Kolumbien tendieren Forscher und Journalisten dazu, solche Personen weiterhin als Liberale zu werten. Taylor dagegen befürwortet eine separate Zählweise. Vgl.: Taylor 1996: 147. Ich habe mich aus methodologischen Gründen ebenfalls für eine separate Zählweise entschieden, da dies für quantitative Berechnungen notwendig ist. Ein Teil der Parteien besteht ausdrücklich auf ihrer politischen Eigenständigkeit. Der Movimiento Cívico Independiente betont beispielsweise: „Unsere politische Bewegung ist vollkommen unabhängig von den traditionellen Parteien, auch wenn sich in ihr enttäuschte Liberale oder Konservative engagieren." Vgl.: Offener Brief von Jario Clopatofsky, vom 26.2.1998. Ich berücksichtige aber in bezug auf die traditionellen Parteien ihre Zuordnung zu verschiedenen liberalen und konservativen Strömungen. Mißachtet man die historischen Verbindungslinien zwischen Parteien vollständig, wird man dem spezifischen Charakter des neuen kolumbianischen Parteiensystems nicht gerecht. Man ginge dann von einer Erneuerung der politischen Landschaft und der politischen Gewohnheiten aus, die es so nicht gegeben hat. Andererseits kann ein ehemaliger Kandidat des PC oder des PLC nach seinem Wechsel zu einer anderen Partei nicht jahrelang als Anhänger der traditionellen Parteien gewertet werden. Hier können nur einige Beispiele bekannter Politikerinnen und Politiker genannt werden: Alvaro Araújo ist Sohn des gleichnamigen Ex-Senators. Camilo Sánchez ist Sohn des ehemaligen Bürgermeisters von Bogotá, Julio Cesas Sánchez. Samuel Moreno Rojas ist Sohn von María Eugenia Rojas. María Cleofe Martínez ist Tochter des Ex-Contralors Aníbal Martínez. Ingrid Betancourt ist Tochter der Senatorin Yolanda Pulecio. Juan José Chaux Mosquera ist Sohn des ehemaligen Designado (früher statt Vizepräsident) Víctor Mosquera Chaux. Alvaro García Romero ist Bruder des Senators Juan José García. Arturo Yepes ist Bruder des Senators Omar Yepes. José Renán Trujillo ist verwandt mit dem Ex-Minister Carlos Holmes Trujillo. Juan Manuel López Cabrales ist Cousin des ehemaligen Senators Edmundo López. Consuelo de Mustafá ist Witwe des ehemaligen Senators Feisal

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

299

Obwohl darunter die Kontinuität parlamentarischer Arbeit leiden kann, war in Kolumbien die Erneuerung des Kongresses nach den Reformen der 80er und 90er Jahre ein wichtiges Anliegen. Die etablierten Abgeordneten hatten die Umsetzung der Verfassungsnormen in Gesetze verzögert und zum schlechten Ansehen der Institution und ihrer mangelnden Effizienz beigetragen. Tabelle 48: Wiederwahl und Erneuerung bei den Senatswahlen 1998* Insgesamt Wiedergewählte Senatoren 100

Zuvor Neue Senatoren Repräsentantenhaus 53 18 29

Ohne die beiden indianischen Senatoren. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Tabelle 49: Wiederwahl und Erneuerung bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1998 Insgesamt Wiedergewählte Repräsentanten Neue Repräsentanten 161 76 85 Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung der Autorin.

Die nationale Wahl der Senatoren führte außerdem dazu, daß 1994 nicht mehr - wie früher üblich - in allen departamentos Kandidaten zur Wahl standen. Über 40 Prozent der Senatoren, die sich aufstellen ließen, kamen aus Bogotá. Aus den elf wenig bevölkerten bzw. marginalisierten departamentos382 stammten keine Kandidaten. Auch wenn die Wahl in einem nationalen Wahlkreis die oben beschriebenen Vorteile hat, beschwerten sich dennoch die davon betroffenen departamentos, daß ihre Anliegen nun im Hohen Haus vernachlässigt würden.

6.2

Die Abschaffung der Funktion des Stellvertreters

Die Praxis der Wahl eines Stellvertreters {suplente) bei Kongreßwahlen wurde nach 1991 abgeschafft. Diese ,Entbürokratisierungs- und Entklientelisierungsmaßnahme' wurde allerdings von den Parlamentariern weitgehend unterlaufen. Sie schufen einen informellen Mechanismus, der früher eingespieltes politisches Verhalten fortsetzen sollte: Heute erfüllen die auf einer Kongreßliste nachfolgenden Politiker mehr oder weniger die gleichen Funktionen wie

382

Mustafá. Antonio Guerra ist Cousin von Julio César Guerra Tulena und Germán Vargas Neffe des ehemaligen Präsidenten Carlos Lleras Restrepo. Vgl.: Semana, 29.3.1994 und Ungar/Ruiz 1998: 200. Siehe auch die Tabelle zur Familientradition der Escrucerias im Kapitel über die Bürgermeisterwahlen in Tumaco. Vaupés, Vichada, Putumayo, Guainía, Guaviare, Chocó, San Andrés, Amazonas, Arauca, Caquetá und Casanare.

300

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

die früheren suplentes. Dabei muß berücksichtigt werden, daß aufgrund der erhaltenen Wahlstimmen meist nur der Listenerste ins Parlament einzieht. Für ihre Unterstützung bei der Wahl erhalten die Listenzweiten zeitweilig Zugang zum Amt des Wahlsiegers und damit zum Staatshaushalt. Die Bürger dagegen kennen bei der Wahl oft nur den Listenersten und geben ihre Stimme im Vertrauen darauf ab, daß er seine Amtszeit beenden wird. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Intentionen der Verfassunggeber durch informelle Politikgewohnheiten ihren ursprünglichen Sinn verlieren.

7. 7.1

Die Transformation der Parteien und des Parteiensystems Die Anzahl der Parteien im System

Die Repräsentationskrise des kolumbianischen Parteiensystems wurde immer wieder offengelegt.383 Bereits seit dem offiziellen Ende der Nationalen Front 1974 gab es neben den traditionellen eine Reihe von kleineren Parteien. Dazu gehörten beispielsweise der weltanschaulich/metaphysisch orientierte Movimiento Unitario Metapolítico und die Christdemokratische Partei (Partido Demócrata Cristiano). Wichtig für die Erweiterung des ideologischen Spektrums des Parteiensystems nach links waren vor allem der PCC, der MOIR und der PST. Die verschiedensten Gruppierungen traten bei Wahlen auch in Wahlbündnissen (UNO,™ FUP,385 UNIOS, 6 und FD 387 ) an, allerdings mit mäßigem Erfolg gegenüber den traditionellen Parteien. Andere Organisationen entstanden in den 80er und 90er Jahren als Folge verschiedener Friedensprozesse (UP, AD/M-19, MEPL, CRS). Doch erst die in der Verfassung und in der Parteien- und Wahlgesetzgebung verankerten Normen schufen eine Anreizstruktur zur Gründung neuer Parteien. Sie führten nach der Verfassunggebenden Versammlung zu einer enormen Zunahme der verschiedensten Organisationen sowie unabhängiger Kandidaten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Vor den Wahlen 1998 waren bei der Wahlbehörde 71 Parteien, nach den Urnengängen 1998 noch 48 Parteien registriert.388 Im Januar 2002 erfüllten nach Angaben des CNE 76 Parteien die formalen Voraussetzun383 384 385

386

387

388

Vgl. als einen der neusten Artikel zum Thema: Murillo C. 1998: 51 f. Bündnis aus PCC, MOIR, MAC, PDC. Bündnis aus MOIR, MACCDPR, MNDP, UCR, einer Fraktion des MIL und einem Sektor der ANAPO. Bündnis aus PST, URS, OCR und der Liga Comunista Revolucionaria. Vgl. zu den verschiedenen Gruppierungen: Gallón Giraldo 1989. Bündnis aus UNO, FIRMES und anderen linken Bewegungen und unabhängigen Gruppen. Vgl. zu der Bewegung FIRMES: Duarte G. 1980: 5ff. Den anderen Parteien wurde aufgrund ihres schlechten Abschneidens bei den Kongreßwahlen der Status als Partei entzogen.

301

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

gen, um an den Kongreßwahlen des gleichen Jahres teilzunehmen. Da bei Wahlen neben den Parteien auch bedeutende Gruppen von Bürgern' antreten können, denen der Nationale Wahlrat noch keinen Parteienstatus zugesprochen hat, konkurrierten vorübergehend bis zu 90 Parteien und sogenannte .Bewegungen'. Diese Tatsache wurde auch dadurch unterstützt, daß das Verhältniswahlsystem kleinen Parteien zugute kommt. Künstliche Sperrklauseln sind nicht vorgesehen. U.a. dadurch stieg nicht nur die Anzahl der Wahlparteien, sondern auch die der Parlamentsparteien an. Die durch die neuen Normen geschaffene Anreizstruktur bot einem machtsuchenden Akteur unter Umständen mehr Vorteile, wenn er statt einer bestehenden Partei beizutreten, eine neue gründete: Er hatte dadurch Anspruch auf eigene Wahlkampfkostenerstattung, auf Sendezeiten in den Massenmedien und mußte sich nicht auf parteiinterne Diskussionsprozesse einlassen. Schaubild 7: Vom Nationalen Wahlrat nach den Kongreßwahlen anerkannte Parteien 1990-1998

1990

1991

1994

1998

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die kolumbianische Parteienlandschaft ist auch für insider heute nur noch schwer zu durchschauen. Man kann grob mehrere Sektoren unterscheiden: a) Viele neue Parteien wurden von ehemaligen Kandidaten des Partido Liberal und des Partido Conservador gegründet. Sie repräsentieren frühere innerparteiliche Sektoren. Diese neuen Organisationen lassen sich untergliedern in: • Satellitenparteien, die zwar einen eigenständigen legalen Status aufweisen, aber eine enge Verbindung zur Mutterpartei halten. • Abspaltungsparteien, die keinerlei Anschluß mehr an die Mutterparteien suchen und vollkommen unabhängig agieren.389 b) Die traditionelle kolumbianische .Linke' und ihre Neuformierung seit Ende der 90er Jahre.

389

Vgl.: Taylor 1996: 214.

302

c)

d) e)

f) g) h) i) j)

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

Wiedereingegliederte Guerillaorganisationen, die ihren Parteienstatus im Laufe von Friedensverhandlungen mit verschiedenen Regierungen erzielten. Bei ihrer ersten Wahlteilnahme sprach man ihnen meist im Rahmen von posiiive-aci/ow-Maßnahmen Mandate unabhängig von ihrer tatsächlichen Stimmenanzahl zu. Gruppierungen, die im Zusammenhang mit dem Verfassunggebungsprozeß entstanden waren und/oder an der ANC teilgenommen hatten. Letzteren wurde im Anschluß automatisch Parteienstatus gewährt. Aus den verschiedensten Regionalbewegungen hervorgegangene Parteien, die aufgrund des cleavages Zentrum-Peripherie und/oder auf der Basis der Organisationsstruktur von sozialen Bewegungen (movimientos cívicos) entstanden waren. Pluripartidistische Parteien, die sich aus Wahlallianzen zwischen Konservativen, Liberalen und unabhängigen Kandidaten oder regionalen Bewegungen zusammensetzen. Mikro- oder ,Taxi'-Parteien, die sich um eine Führungspersönlichkeit bilden. Organisationen, die gremiale Gruppierungen - wie beispielweise einen Teil des Gewerkschaftssektors - vertreten. Die politischen Repräsentanten religiöser Gemeinschaften. Die politischen Bewegungen der indígenas und Afrokolumbianer.

Ein wichtiges Anliegen der Reformer war die Öffnung des Zweiparteiensystems hin zu einem Mehrparteiensystem. Tatsächlich gibt es heute in Kolumbien eine Vielzahl von Parteien, aber welche Relevanz kommt ihnen im Parteiensystem zu? Aus Sicht der Konsolidierungsforscher sollen Parteiensysteme integrativ, aber nicht hochgradig fragmentiert sein. Als ein Kriterium um den Konsolidierungs- oder Dekonsolidierungsgrad des Parteiensystems zu beurteilen, reicht es nicht aus festzustellen, daß sich die Anzahl der offiziell vom nationalen Wahlrat anerkannten Parteien von 1990 bis zum Jahr 2002 erhöht hat. Die absoluten Zahlen sind nur bedingt aussagekräftig. Alfredo Ramos Jiménez, der die Kriterien Sartoris für relevante Parteien zugrundelegt, kommt für Kolumbien 1990 auf zehn relevante Parteien.390 Würde man von Beymes Maßstab anlegen, der alle Parteien, die über zwei Prozent der Stimmen verfügen, für relevant hält, wären dies (berechnet auf der Grundlage der im Senat vertretenen Parteien) 1994 drei39' und 1998 sechs Parteien. 92 Im

390 391

392

Vgl.: Ramos Jiménez 1995: 377. Der Partido Liberal, der Partido Conservador und der Movimiento de Salvación Nacional (eine Abspaltung der Konservativen Partei). Der Partido Liberal, der Partido Conservador, der Movimiento Nacional Conservador, der Movimiento Nacional Progresista, der Movimiento de Reconciliación

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

303

Zusammenhang mit dem zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen hatte ich festgestellt, daß kleine Parteien, je nach Wahlkonstellation, ihr Verhandlungspotential und damit ihre Relevanz erhöhen können. Die Parteienforschung und auch von Beyme selbst bedienen sich heute aber verschiedener Indizes (wie beispielsweise der effektiven Zahl der Parteien, EPZ), um den Fragmentierungsgrad eines Parteiensystems systematischer zu bemessen. Tabelle 50: Effektive Zahl der Wahlparteien (EZWP) im Senat und im Repräsentantenhaus (RH) 1974-1998 Jahr EZWP-Senat EZWP-RH 1974 2,4 2,4 1978 2,2 2,2 1982 2,1 2,1 1986 2,6 2,7 2,2 1990 2,3 1991 3,4 3,3 1994 3,2 3,2 1998 2,6 2,7 Quelle: Taylor 1996: 198 und RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Tabelle 51: Effektive Zahl der Parlamentsparteien (EZPP) im Senat, im Repräsentantenhaus (RH) und in der ANC1974-1998 Jahr EZPP-Senat EZPP-RH ANC 1974 2,2 2,3 1978 2,0 2,1 1982 2.0 2,0 1986 2,5 2,5 1990 2,2 2,2 4,7 1991 3,0 3,1 1994 2,9 2,8 1998 2,3 2,1 Quelle: Taylor 1996: 198 und RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Berechnet man die Zahl der effektiven Wahlparteien, so läßt sich erkennen, daß sich die kolumbianische Parteienlandschaft von 1974 bis 1990 durch ein stabiles Zweiparteienformat auszeichnete. Es wurde nur 1974 vor allem durch die Aktivitäten der ANAPO und nach 1986 durch den Einfluß des Nuevo Liberalismo, eine Abspaltung, die sich später wieder der Liberalen Partei an-

Democrática und der Movimiento Defensa Ciudadana. Nur bei der letztgenannten Bewegung handelt es sich nicht um eine Abspaltung der traditionellen Parteien.

304

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

schloß, leicht modifiziert.393 Erst mit der ANC öffnete sich das kolumbianische Parteiensystem für neue Parteien und unabhängige, (noch) nicht als Parteien registrierte Listenkandidaten. Die Daten der oben stehenden Tabelle veranschaulichen aber auch die Einmaligkeit und Ausnahmeerscheinung der Verfassunggebenden Versammlung in ihrem Multiparteiencharakter. Auch wenn zwischenzeitlich eine drei vor dem Komma stand, zeigte der Index keine Veränderung von einem Zwei- zu einem Mehrparteiensystem mit dauerhaft relevanten neuen Parteien an. Die neuen Normen führten nicht zu einer starken dritten Kraft im Parlament. Vielmehr gab es bis 1998 eine dominante Partei (der Partido Liberal), eine große zweite Partei (der Partido Conservador) und eine Vielzahl von anderen Parteien unterschiedlicher Größe. Den Index verändert in Kolumbien die Summe der kleinen Parteien, deren Relevanz im Parteiensystem zwar vorübergehend zugenommen hatte, aber die Vorherrschaft vor allem des Partido Liberal nicht brechen konnte. Der Partido Conservador - dies indizierten die Kongreßwahlen 2002 - scheint dagegen zunehmend an Relevanz zu verlieren. Im Hinblick auf die geschilderten Annahmen der Transformationsforschung zur Konsolidierung von Parteiensystemen indiziert die effektive Zahl der Parteien nur einen moderaten Fragmentierungsgrad, der keine Gefahr für die Konsolidierung des Parteiensystems darstellt.3 4 Er zeigte bis 1998 aber auch die Dominanz der traditionellen Parteien an - ein Phänomen, dem durch die Reformen gerade entgegengewirkt werden sollte. Der tatsächliche Einfluß jeder einzelnen der neuen Parteien kann sich zudem von Wahl zu Wahl verschieben. Solche Veränderungen kann der Index nicht anzeigen. Kolumbianische Forscher und die Massenmedien, die nicht mit diesem etablierten empirischen Index arbeiteten, weisen allerdings immer wieder auf die Gefahren der Fragmentierung des Parteiensystems hin.395 Oft wird bei solchen Studien allerdings lediglich die absolute Zahl der Parteien berücksichtigt oder die Fragmentierung des Parteiensystems und die interne Atomisierung bzw. Faktionalisierung gleichgesetzt.

393

394

395

Bei der Berechnung des Fragmentierungsindex für den Senat nach Rae läßt sich eine Erhöhung feststellen. Er lag 1994 bei 0,64 und 1998 bei 0,72. Manuel Alcántara klassifiziert lateinamerikanische Parteiensysteme in drei Kategorien: Zweiparteiensysteme mit einer EZP unter 2,4, limitiert pluralistische Systeme mit einer EZP zwischen 2,5 und 4 sowie extremer Pluralismus mit einer EZP über 4. Vgl.: Alcántara Sáez 1996: 13. Merkel spricht von einem Zweiparteiensystem bei einer EPZ zwischen 1,5 und 2,5, von einem moderat fragmentierten Parteiensystem bei einer effektiven Parteienzahl von 2,5 bis 5,1 und von stark fragmentierten Parteiensystemen bei einer EZP über 5,1. Vgl.: Merkel 1997: 363. Zum Vergleich: In Brasilien, dessen Parteiensystem als stark fragmentiert gilt, lag die effektive Zahl der Parteien 1990 für das Repräsentantenhaus bei 8,65 und für den Senat bei 5,54; 1994 betrug sie 8,13 und 6,08. Vgl.: Mainwaring: 1997: 17. Vgl.: Pizarro Leongómez 1996: 207ff.; 1997a: 90ff.; 1998b: 3ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

7.2

305

Faktionen, parteiinterne Organisation und Demokratisierung

Der Kohäsionsgrad kolumbianischer Parteien war von jeher gering. Er war zeitweise durch die Violencia größer geworden, da die parteipolitisch mediatisierte Gewalt den Zusammenhalt in Abgrenzung zum anderen Parteilabel förderte. Doch die Nationale Front verbündete die traditionellen Parteien wieder miteinander, erhöhte aber gleichzeitig den parteiinternen Personalismus. Heute mehr denn je handelt es sich bei den meisten Parteien um einen lockeren Zusammenschluß von Personen und Gruppen, die überwiegend partikulare Interessen vertreten. Der Abspaltungsprozeß von einzelnen Faktionen, vor allem in der Konservativen Partei, hat historische Ursachen, die bereits erläutert wurden. Obwohl die Faktionierungstendenzen zu Zwecken der Parteineugründung in der Liberalen Partei zunächst moderater waren als in der Konservativen, stand sie dem PC, was die interne Atomisierung betraf, in keinster Weise nach. „Die extreme Dezentralisierung des Liberalismus auf der regionalen Ebene hat dazu beigetragen, daß die nationale Parteiführung nur selten - und dies sogar in den Zeiten eines Carlos Lleras als sie stark war - Spielregeln und Kandidaturen durchsetzen konnte...Der Liberalismus hat die Sklaven befreit, den klerikalen Fanatismus bekämpft, eine Agrarreform in Angriff genommen, war die Partei der Verfolgten und all dies ist in der kollektiven Erinnerung von Bedeutung...Aber gleichzeitig erscheint der Liberalismus mehr als Partei - und ihr kam es zu die Initiative zur Modernisierung zu ergreifen - als heterogene Koalition verschiedener disperser lokaler Interessen, die sich nur zusammenschlössen, um von einem rentablen Namen zu profitieren."396

Es sind nicht die Delegierten der Parteikonvente, die die Reihenfolge einer gemeinsamen Liste für die unterschiedlichen Wahlen zur Legislative bestimmen. In vielen neuen Organisationen - wie beispielsweise Mujeres 2000 oder den Parteien der Afrokolumbianer - ist der Mechanismus der Kandidatenauswahl nicht formal festgelegt. Zwar wird darüber diskutiert, ob beispielsweise eine langjährige Basisarbeit eine Voraussetzung für eine Kandidatur sein sollte. In der Praxis zeigte sich aber, daß Mujeres 2000 auch Frauen nominierte, die eine solche Arbeit nicht aufwiesen, worin einige der Mitglieder dieser Organisation nicht nur einen Nachteil, sondern auch eine Chance sahen, neue Politikformen auszuprobieren. Andererseits unterhielten die Kandidatinnen keine enge Bindung an ihre Partei. Als Mujeres 2000 der Parteienstatus erst kurz vor Ablauf der Frist zur Teilnahmeregistrierung an den Lokal- und Regionalwahlen 1997 zugestanden wurde, verließen viele Frauen schlagartig die Organisation und beteiligten sich im Namen einer anderen Partei an den

396

Gilhodes 1996: 64f.

306

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Wahlen.397 In der Alianza Social Indigena (ASI) suchen auf der lokalen Ebene die Bewohner der resguardos nach Zustimmung des cabildos ihre Repräsentanten aus. Auf der regionalen Ebene geschieht dies durch die Regionalversammlung der ASI, die von indianischen Vertretern, aber auch von Mitgliedern der sozialen Bewegungen gebildet wird. Nur Politiker, die sich für den Kongreß oder das Präsidenten- bzw. Vizepräsidentenamt bewerben, bestimmt der nationale Parteikonvent.398 In der Kommunistischen Partei gab es das Prinzip des demokratischen Zentralismus bei der Kandidatenauswahl.399 Nach der Gründung der UP drängten deren Anhänger auf basisdemokratische Auswahlmechanismen für die Kandidatenaufstellung.400 Die meisten Parteien legen keine strikten Kriterien für eine Wahlteilnahme unter ihrem Parteilabel fest. Sie vergeben in der Regel großzügig Bürgschaften (avales). Im Artikel 19 der Parteistatute des Movimiento 19 de Abril heißt es beispielsweise zu den Funktionen der Parteiführung: „Bürgschaften auszustellen an Kräfte oder Bewegungen, die sie anfordern."401 Dazu sind bei vielen Organisationen keine besonderen Voraussetzungen oder Parteiloyalitäten notwendig.402 Ein Teil der Organisationen bot die Bürgschaften in der Presse an. Vielfach wurde sogar aufgedeckt, daß die Parteien ihre avales verkaufen. Sie werden deshalb oft als reine Wahlunternehmen (microempresas electorales) beschrieben, die aus den Urnengängen in jeder Hinsicht ein Geschäft machen wollen und deren Parteiinfrastruktur nur der Wahlvorbereitung dient. Eine permanente Parteiarbeit findet in diesen Organisationen nicht statt. Die regionalen Wahlkampfzentralen werden, vor allem beim PLC und bei einigen kleineren Parteien, zwischen den Wahlen wieder aufgelöst.

397 398 399 400 401 402

Interview mit Gladis Machado, 21.3.2001. Vgl.: Consejo Regional Indigena del Cauca-CRIC 1998: 2f. Vgl.: Gilhodes 1996: 72. Interview mit Bemardo Jaramillo, 1.2.1991. Estatutos del Movimiento 19 de Abril. Einige der neueren Organisationen - wie beispielsweise Via Alterna - betonten allerdings bei den Regional- und Lokalwahlen im Jahr 2000, sie würden die Personen, die eine Bürgschaft anfordern, daraufhin überprüfen, ob sie der Korruption beschuldigt worden seien. Interview mit Gustavo Petro am 11.8.2000.

307

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 52: Beurteilung der Kontinuität der Parteistrukturen durch Parlamentarier verschiedener Parteien in Prozent Aussagen

PL

PC

Die Parteistrukturen bestehen immer (La estructura del partido es continua) Die Partei funktioniert als solche nur zu Wahlkampfzeiten (Funciona sólo en campaña electoral) N

37

60

Andere Parteien 67

63

40

33

*41 *15

*6

*

Es handelt sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: "Welcher der beiden Optionen, die ich Ihnen nun vorlegen werde, würden Sie die Partei oder politische Gruppierung, der Sie angehören, aus Ihrer Sicht zuordnen?" ("En su opinión, en cuál de las dos opciones que le indico a continuación sitúa usted al partido o agrupación política al que pertenece?") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 95.

Da die Organisationen keine Mitgliederstrukturen haben und auch die nationale Parteiführung kaum Einfluß ausübt, ernennen sich die Kandidaten in der Regel selbst. Danach suchen sie die Unterstützung regionaler und nationaler Parteichefs. Jeder Kandidat sammelt seine eigenen Wahlhelfer, organisiert und finanziert seinen Wahlkampf. 403 Folglich repräsentiert er nach der Wahl auch nur seine eigenen Interessen. Er hat nur selektive Verpflichtungen gegenüber seinen Wahlhelfern und Wählern, nicht aber gegenüber der Gesamtpartei oder gar einem gemeinsamen Programm. Die Parlamentarier unterliegen auch keinerlei finanziellen Verpflichtungen in bezug auf ihre Organisation, obwohl dies zum Teil in den Parteistatuten gefordert wird. Tatsächlich verbietet der Art. 110 der Verfassung von 1991 aber ein solches Vorgehen. 404 Die Liberale und Konservative Partei funktionieren als verhältnismäßig geschlossene Organisationen allenfalls noch bei Präsidentschaftswahlen. Aber die Unterstützung gegnerischer Präsidentschaftskandidaten bei den Wahlen 1994,1998 und 2002 zeigte, daß der Kohäsionsgrad auch dann recht gering ist. Nach den Reformen sollten bei den traditionellen Parteien die Kandidaten für wichtige Ämter in der Exekutive (Präsident, Gouverneur, Bürgermeister) durch Vorwahlen (consultas populares) ausgewählt werden. So bestand die Gefahr, daß die Parteikonvente auch diese zentrale Aufgabe verlieren würden. 405 Allerdings hat die Konservative Partei von 1990 an den Mechanismus der Vorwahlen für Regional- und Lokalwahlen, jedoch nicht für Präsident403 404

405

Vgl. auch: Gilhodes 1996: 78. Finanzielle Quoten werden beispielsweise in den Statuten der im Januar 1998 gegründeten Organisation Colombia mi pais gefordert. Ihr Vorsitzender ist das ehemalige Mitglied der Liberalen Partei Julio César Guerra Tulena. Sie finden sich ebenfalls in den Statuten der indianischen Organisation AICO. Vgl: Taylor 1996: 189.

308

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

schaftskandidaten angewandt. Meist werden dazu mehrere Vorschläge des Parteikonvents bzw. der DNC diskutiert. Der konservative Kandidat Andrés Pastrana mußte 1994 lediglich zu Beginn seiner Kandidatur mit Widerständen des alvaristischen Flügels der Konservativen kämpfen. Später unterstützten sie ihn mehr oder weniger uneingeschränkt.406 Zur Meinungsbildung über den Präsidentschaftskandidaten hielten die Konservativen 1998 33 regionale Parteitage ab.407 Pastrana hatte auch in diesem Jahr parteiinterne Widerstände zu überwinden. Sein Gegenkandidat, Juan Camilo Restrepo, wurde von dem mächtigen Regionalchef Fabio Valencia Cossio unterstützt. Nach der Wahl standen die Konservativen allerdings relativ geschlossen hinter ihm, um in den Genuß von Kabinetts- bzw. Botschafterposten sowie von Verwaltungsämtern zu gelangen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2002 gaben die Konservativen sogar ihren eigenen Kandidaten zugunsten des ehemaligen Liberalen Alvaro Uribe auf. Dennoch scheint auch der PC den Nominierungsprozeß nicht unter Kontrolle zu haben. Francisco Tovar versuchte bei der Präsidentschaftswahl 2002 als Repräsentant der Konservativen zu kandidieren, hatte allerdings nach eigenen Angaben .technische Probleme' bei seiner Registrierung. Deshalb entschied er sich schließlich für eine Bürgschaft von Defensa Ciudadana, bezeichnete sich aber als der,wirkliche' konservative Präsidentschaftsanwärter nach dem Rücktritt von Juan Camilo Restrepo.408 Die Liberale Partei führte von 1990 an Vorwahlen (consultas populares) auf der lokalen, regionalen und nationalen Ebene durch. Sie waren von dem Reformer Luis Carlos Galán als Demokratisierungsmaßnahme angeregt worden. In der Praxis sollten die Vorwahlen aber auch den zunehmenden Intraelitenkonflikt zwischen den alten Kaziken und den neuen Sektoren innerhalb des PLC schlichten helfen.409 Zur Auswahl des Präsidentschaftskandidaten traten 1990 sechs und 1994 sieben Kandidaten an. Im Vorfeld gab es eine innerparteiliche Auseinandersetzung darüber, wer wählen dürfe. Ein Sektor des PLC wollte die Teilnahme auf Anhänger der Liberalen beschränken. Dies sollte verhindern, daß die Wähler anderer Parteien die Ergebnisse beeinflußten. Die Organisationen haben jedoch keine Mitgliederstrukturen. Die Versuche zur Registrierung ihrer Anhänger sind bisher nur schleppend vorangekommen. Deshalb dürfen in Kolumbien alle Wähler an den consultas teilnehmen.410

406 407 408 409 410

Vgl.: Vgl.: Vgl.: Vgl.: Vgl.:

Uribe Toro 1994a: 30. Hoskin 1998: 371. El Tiempo, 13.4.2002. González/Cárdenas 1998: 116. Helfrich-Bernal 1995: 104ff.

309

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 53: Auswahl des liberalen Präsidentschaftskandidaten (consulta liberal) 1990 und 1994 1994 Kandidat Stimmen Prozent Kandidat E. Samper 1.245.283 48,2 C. Gaviria H. Calle 335.155 13,0 H. Duran C. Lleras 202.925 7,9 E. Samper D. Turbay 172.096 6,7 A. Santofimio 129.983 5,0 W. Jaramillo C. Lemos R. Gonzales 72.573 2,8 J. Castro G. Gaitän 65.456 2,5 Leer 160.751 6,2 Leer Ungültig 198.472 7,7 Ungültig Insgesamt 2.582.694 100,0 Insgesamt

1990 Stimmen Prozent 2.796.623 51,5 1.204.779 22,2 1.028.593 19,0 232.092 4,3 86.683 1,6 46.897 0,9 14.563 16.109 5.426.339

0,3 0,3 100,0

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Beteiligung der Bürger an der Vorwahl der Liberalen Partei ging jedoch (wie oben stehende Tabelle verdeutlicht) 1994 im Vergleich zu 1990 erheblich zurück. Die Zahl der votos en blanco stieg an. Als 1994 Ernesto Samper mit rund 48 Prozent der Stimmen die consulta populär gewann, erzielte er weniger als die Hälfte der Stimmen, die der frühere Präsident Gaviria 1990 erreicht hatte. Dies verdeutlichte das abnehmende Interesse der Liberalen Wähler an diesem parteiinternen Demokratisierungsprozeß'. Die Auswahl des liberalen Präsidentschaftskandidaten durch Vorwahlen hat Vor- und Nachteile: a) Der Kandidat wird nicht mehr von der traditionellen politischen Parteielite bestimmt. Reformistischen Teilfraktionen werden dadurch bessere Chancen eingeräumt. b) Die Liberale Partei sah ihren Wahlsieg in der Vergangenheit meist nur dann gefährdet, wenn sie sich nicht auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten einigen konnte. Durch die Vorwahl erleichtert sie den parteiinternen Entscheidungsprozeß und garantiert dadurch den Erfolg der Gesamtpartei. c) Sie schwört die restlichen Kandidaten nach der Entscheidung auf die Unterstützung des offiziellen Präsidentschaftskandidaten ein und verliert nicht wie in früheren Zeiten wichtiges parteipolitisches Potential. d) Die Vorwahl ist bereits Wahlpropaganda. Sie verbreitet für die Liberale Partei die bedeutendsten Namen für die Präsidentschaftswahl zu einem sehr frühen Zeitpunkt und erhöht somit deren Bekanntheitsgrad. e) Gegner der Liberalen Partei bezeichnen die Vorwahl dagegen als ein rein technisches Legitimationselement, das statt einem Kandidaten mehreren die Möglichkeit einräumt, sich zur Wahl aufstellen zu lassen

310

f)

g)

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

und bekannt zu werden. Dadurch würden parteiinterne Konkurrenzkämpfe auf die Wähler verlagert. Andere lehnen die staatliche Finanzierung des parteiinternen Selektionsprozesses ab, der durch die Medien manipuliert sei und dem Staat Kosten aufbürde, die die Parteien als ,private Organisationen' zu übernehmen hätten. Sie zögen schließlich den Nutzen aus den Vorwahlen, die den Staat beispielsweise 1994 rund 250 Millionen Pesos, etwa 450.000 Mark, kosteten.411 Solche Positionen bezweifeln die Legitimität der traditionellen Parteien überhaupt. Die Gegner der Vorwahlen argumentierten außerdem, daß sie die Wahlenthaltung erhöhe und liberale Wähler demotiviere. Ein Teil der Wahlbevölkerung glaube, die Wahl entscheide sich bereits bei der consulta popular. Andere seien nicht bereit, zweimal für den gleichen Kandidaten abzustimmen.

1994 noch führten die Liberale und die Konservative Partei für zehn Bürgermeisterämter und drei Gouverneursposten consultas durch.412 Doch beispielsweise an der Vorwahl des PLC für das Bürgermeisteramt in Bogotá nahmen 1994 nur zwei Prozent der Wahlbevölkerung teil. 1998 weigerte sich der liberale Präsidentschaftskandidat Horacio Serpa zunächst, sich einer Vorwahl zu stellen. Als er schließlich zustimmte, untersagte der Verfassungsgerichtshof die Abhaltung der Vorwahl am Tag der Parlamentswahlen. So wurde Serpa vom Parteikonvent zum Kandidaten gewählt. Es zeigte sich, daß der PLC das institutionelle Potential dieses Mechanismus, der es erlaubt, den Einfluß der traditionellen Parteibosse zu schwächen, nicht mehr nutzen wollte.413 Hinzu kam, daß die ehemaligen Liberalen Alfonso Valdivieso 1998 und Alvaro Uribe 2002 außerhalb des PLC zur Präsidentschaftswahl antraten. Kandidatenaustritte und die starke Stellung Horacio Serpas innerhalb des .offiziellen' Flügels der Liberalen Partei verhinderten 1998 und 2002 eine Vorwahl. Antanas Mockus und Noemi Sanin vom Wahlbündnis Opción Vida entschieden sich 1998 letztlich für eine Umfrage, um festzulegen, wer von beiden als Präsidentschaftskandidat/in antreten würde. Vor den Wahlen 2002 gab es keinen entsprechenden Auswahlprozeß. Noemi Sanin war die einzige Kandidatin ihrer Partei. In den kleinen Organisationen stand in der Regel nur ein Postulant zur Verfügung.414 Im Hinblick auf die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Parteianhänger fällt die Bilanz also durchaus unterschiedlich aus. In der Verfassunggebenden Versammlung gab es intensive Diskussionen darüber, ob sich der Staat in die in411 412 413 414

Vgl.: Vgl.: Vgl.: Vgl.:

El Tiempo, 13. 3.1994. El Nuevo Siglo, 21.8.1994; El Espectador, 22.8.1994; El Tiempo, 22.8.1994. Hoskin 1998: 370. Hoskin 1998: 371.

311

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

nerparteilichen Angelegenheiten der Parteien einmischen dürfe. Vor allem die neuen Gruppierungen erwarteten davon eher negative Einflüsse, so daß Organisationen wie die Alianza Democrática M-19 sich in der A NC dagegen sträubten und die Nichteinmischung schließlich auch durchsetzten.415 In der Praxis bewirkte dies aber, daß der Staat kaum Anreize zur innerparteilichen Demokratisierung schuf. Bei einer Befragung der Universidad Salamanca schätzten 1995 nur die wenigsten Politiker die parteiinterne Demokratie hoch ein. Tabelle 54: Ausmaß der parteiinternen Demokratie in Prozent Kategorie PLC PC Hoch (alto*) 15 27 Mittel (medio) 57 40 Niedrig (bajo**) 28 33 40 15

Andere Parteien 14 43 43 7

* ** ***

Die Kategorien „sehr hoch (muy alto)" und „hoch (alto)" wurden zusammengefaßt. Die Kategorien „sehr niedrig (muy bajo)" und „niedrig (bajo)" wurden zusammengefaßt. Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: „Die Parteibasis beschwert sich oft über die fehlende Beteiligung an der parteiinternen Entscheidungsfindung. Wie beurteilen Sie den Grad der parteiinternen Demokratie in Ihrer Partei?" (,¿as bases de los partidos se quejan frecuentemente de la falta de participación en la toma de decisiones del mismo. Como evaluaría usted el grado de democracia interna en su propio partido?") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 93.

Doch gleichzeitig ist auch die Kontrolle der Führungseliten und -instanzen über die Partei gering. Die neue Verfassung verbot die Wiederwahl des Präsidenten. Zuvor hatte der Club der Ex-Präsidenten, dessen Stärke auf der Wiederwahlmöglichkeit beruhte, eine starke Funktion bei der internen Organisation der Parteien. Bei schwierigen Entscheidungen oder in Umbruchssituationen wurden die Ex-Präsidenten angehalten, einen Ausweg aufzuzeigen.416 Doch nach den Reformen verlor diese informelle Institution an Bedeutung. Auch die Kontrolle der Parteizentrale über die Anhänger ist vor allem in den traditionellen Parteien gering. Bei Kongreßwahlen erlauben die regionalen Parteibosse in den departamentos in der Regel keine Einmischung der nationalen Parteiführung in ihre Angelegenheiten.417 Dies wirkt zwar einer Oligarchisierung der Parteien ,von oben' entgegen und hat zu einer Art (nicht-intendierten) parteiinternen Demokratisierung beigetragen. Aber es sollte ebenfalls 415

416 417

Vgl. Vortrag von Gustavo Zafra, Universidad Javeriana, auf dem Seminar ,La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá. Vgl.: Pizarra Leongómez 1996: 222f. Vgl.: Gilhodes 1996: 64.

312

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

bedacht werden, daß es sich bei vielen dieser Lokalpolitiker um traditionelle Politikbarone handelt. Die DNL und DNC sind allenfalls Referenzpunkte für die zahlreichen Regionalchefs. Sie übernehmen keine wichtigen Funktionen in der täglichen Parteiarbeit. Auch der Präsident verhandelt in der Regel nicht mit der offiziellen Parteiführung. Bei Anliegen, die die Partei betreffen, trifft er mit wichtigen Persönlichkeiten zusammen, die der DNC bzw. der DNL nicht notwendigerweise angehören und von Wahlperiode zu Wahlperiode wechseln können. Ein interessantes Experiment in Richtung einer gemeinsamen Entscheidungsfindung war der kollektive Parteivorstand der AD/M-19, den 1993 Evereth Bustamante, Orlando Fals Borda, Carlos Franco, Pedro Bonnet und Camilo González bildeten. Die internen Strukturen kennzeichnen auch nach den Wahlen weder eine strikte Parteidisziplin noch Fraktionszwang.418 Die Parlamentarier gehören keiner parlamentarischen Gruppe an. Es gibt lediglich Parlamentarierversammlungen (Juntas Parlamentarías), an denen sie teilnehmen sollten. Im Parlament und in den Stadt- und Gemeinderäten sitzen die Kandidaten nicht nach Parteizugehörigkeit, sondern in der Reihenfolge der von ihnen bei Wahlen erzielten Stimmen.419 Interessante Beispiele für die Loslösung der Kandidaten von ihrer Parteiorganisation nach ihrer Wahl sind die Indianerorganisationen Autoridades Indígenas de Colombia (AICO) und Alianza Social Indígena (ASI). Während die Parteien in ihren Vertretern im Kongreß Sprecher ihrer Gemeinschaften sehen,420 halten sich die gewählten Politiker in der Regel nicht an die getroffenen Absprachen. 1994 beschwerten sich die Gründungsmitglieder von AICO gegenüber dem Nationalen Wahlrat, daß ihre Vertreter im Kongreß, Floro Alberto Tunubalá und José Narisco Jamioy, nicht die Interessen ihrer Gemeinschaften vertreten würden.421 Einer der Sprecher der ASI, Alfonso Vásquez, betonte, daß der Senator Jesús Piñacué seinen Erfolg der ASI zu verdanken habe, er sich ihr gegenüber aber nicht verpflichtet fühle, das Programm der Partei und die Weisungen der traditionellen Repräsentationsorgane der indígenas einzuhalten.422 Ohne Zustimmung ihrer Organi418 419

420

421 422

Vgl.: González/Cárdenas 1998: 114. Beobachtungen im Stadtrat von Bogotá und Tumaco sowie im Kongreß. Interview mit Jorge Child, 28.11.1994. Dazu heißt es in Artikel 44 der Parteistatuten der AICO wörtlich: „Diejenigen, die für die Bewegung AICO in die Parlamente, als Gouverneure und Bürgermeister etc. gewählt werden, sind keine politischen Führer, sondern Sprecher ihrer Gemeinschaften." („Quienes resultan elegidos por parte del Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia (AICO) a corporaciones públicas, gobernaciones, alcaldías, etc. no tendrán la calidad de jefes políticos, sino de voceros de sus comunidades "). Vgl.: Carta de los cabildos indígenas del sur de Nariño al CNE, 5.2.1994. Interview am 9.4.1999. Im Protokoll des dritten Parteikonventes der ASI vom Juli 1998 heißt es wörtlich: „Keiner der Gewählten hat die Übereinkünfte und Verträge,

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

313

sation unterstützten die Parlamentarier Rojas Birry und Jesús Piñacué 1998 den Präsidentschaftskandidaten Horacio Serpa. Während die ASI sich für die von der Regierung Pastrana (1998-2002) und anderen Sektoren vorgeschlagenen politischen Reformen aussprach, vertraten ihre Repräsentanten im Kongreß eine andere Meinung. 423 Neben der parteiinternen Demokratisierung versprach sich der Gesetzgeber vor allem durch die Einführung von Ethikräten 424 und dem Kontrollorgan des veedors mehr accountability. Im Ethikkodex vieler Parteien werden Einschränkungen im Hinblick auf die Annahme von Spenden und Regeln fur die Parteienfinanzierung festgelegt. Beispielsweise verbieten viele Organisationen Schenkungen von Ausländern. Der Skandal um den Prozeß 8.000 hat allerdings gezeigt, daß in bezug auf die Parteien- und WahlkampfFmanzierung eher Rückschritte zu verzeichnen waren. 425 Die Mehrheit der bei den Parteien durch Spenden und staatliche Finanzierung eingegangenen Gelder wurde hauptsächlich für den Wahlkampf und in der Parteiverwaltung ausgegeben. Für ihre Weiterbildung verwandten die Parteipolitiker 1998 nur rund ein Prozent. 426 Der Sprecher der Indianerorganisation ASI, Alfonso Vásquez, betonte, daß der Ethikrat seiner Organisation zwar Forschungen über Fehlverhalten anstelle, letztlich aber keine wirklichen Sanktionsmöglichkeiten habe. 427 Auf die mangelnde Effizienz bei der Ausarbeitung des Ethikkodes der Liberalen Partei, an dem sie selbst mitarbeitete, wies Ingrid Betancourt hin: „The so-called Commission for Liberal Renewal, a showcase for candidate Samper, consists of ten members selected among the most brilliant, the youngest, or members of the legislature who scored highest in the recent elections. At the first meeting, it's clear to me that these people, delighted and flattered to be there, clearly have no intention of doing any serious work. As is

423 424

425

426

427

die mit der ASI unterzeichnet worden sind, erfüllt". Protocolo de la Tercera Convención Nacional Ordinaria, 16.-18.7.1998. Vgl.: ASI, Pronunciamiento público, 21.7.1998. Über die Stiftung Simón Bolívar unterstützte die Konrad-Adenauer-Stiftung beispielsweise den Aufbau einer Ethikkommission in der Konservativen Partei. Vgl.: Heieck 1996: 22. Dennoch hat es in den letzten Jahren bei allen Parteien Ausschlüsse gegeben. Betroffen davon war beispielsweise Alfonso Sierra, dem der Movimiento Nacional Progresista am 13.3.1992 aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten und persönlicher Bereicherung die .Mitgliedschaft' entzog. Akteneinsicht im Nationalen Wahlrat durch die Autorin. Angaben der Senatorin Viviane Morales auf dem Seminar ,La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá. Interview mit Alfonso Vásquez, 9.4.1999.

314

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

often the case in Colombian politics, the purpose is to announce a program, not to execute it."428

Auch Horacio Serpa gibt vor, für einen liberalen Erneuerungsprozeß zu stehen, dessen Kern sich in der Praxis auf ein auf sein Profil abgestimmtes .sozialdemokratisches' Programm beschränkt, das er am 10. März 2002 von seinen liberalen Anhängern in einer consulta interna populär absegnen ließ. Bei dieser Gelegenheit stimmten die Liberalen auch über einen neuen Disziplinarkodex ab, den der Parteikonvent im September 2000 beschlossen hatte. Inwiefern es sich hier vorwiegend um Wahlpropaganda für einen Präsidentschaftskandidaten handelt, kann erst die Zukunft zeigen. Offensichtlich ist, daß parteiinterne Reformvorhaben, die von einem Sektor des PLC vorangetrieben werden, der selbst im Verdacht steht, Klientelismus und Korruption zu fordern, keine echten Demokratisierungsimpulse ausgehen können und bei der Bevölkerung nur auf wenig Glaubwürdigkeit stoßen.

7.3

Geschlechtergerechtigkeit im Parteiensystem

Frauen erfuhren in Kolumbien wie in anderen Ländern einen historischen Diskriminierungsprozeß, der lange Zeit neben kulturellen auch ihre sozialen und politischen Rechte beschnitt. Erst 1933 wurde ihnen der Zugang zur höheren Bildung gewährt. Von 1936 an durften sie öffentliche Ämter besetzen. 1945 gestand ihnen der Staat die Bürgerrechte zu, aber erst 1954 unter der Diktatur Rojas Pinillas das Wahlrecht. Sie übten es 1957 erstmals aus. 429 Während der Nationalen Front wurde 1958 Esmeralda Arboleda, die das Gesetz zum Frauenwahlrecht angeregt hatte, als erste weibliche Parlamentarierin in den Senat gewählt.430 Doch während der Nationalen Front gab es zunächst kaum Fortschritte bei der adäquaten Repräsentation der Frauen in Parteien und staatlichen Institutionen.431

428 429

430

431

Betancourt 2002: 93. In vielen lateinamerikanischen Ländern wurde das Frauenwahlrecht früher eingeführt. Vgl.: Helfrich-Bernal 2002a: 9. In der Bevölkerung war das politische Engagement der Senatorin eine Ausnahme, da Frauen aus höheren Schichten das Wahlrecht ablehnten. Ihre Initiative wurde vielmehr von Frauen der Unterschicht unterstützt. Esmeralda Arboleda stammte aus dem departamento Cauca und hatte dort als erste Frau die Universität abgeschlossen. Später wurde sie Kommunikationsministerin und arbeitete in mehreren Botschaften u.a. in Österreich, Jugoslawien und bei den Vereinten Nationen. Vgl.: Cromos, 15.12.1997: 168; Acevedo 1995: 456ff. und El Tiempo, 31.12.1997. Vgl.: Luna/Villarreal 1997: 103.

315

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 55: Gewählte Senatoren nach Geschlecht von der Nationalen Front bis 2002 Jahr Senatorinnen Senatoren Insgesamt 1958 1 79 80 — 1962 98 98 2 104 1966 106 1970 1 117 118 1974 1 111 112 1 111 112 1978 1982 111 114 3 1 114 1986 113 114 1990 1 113 1991 8 94 102 1994 *7 95 102 14 102 1998 88 92 102 2002 10

Prozentanteil Frauen 1,3 0 1,9 0,9 0,9 0,9 2,6 0,9 0,9 7,8 6,9 13,7 9,8

*

Maria Izquierdo mußte ihr Amt nach ihrer Wahl aufgrund ihrer Verwicklung in den Prozeß 8.000 niederlegen. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Aufgrund des ausschließenden Charakters dieses Regimes engagierten sich Frauen in Kolumbien bis in die 90er Jahre verstärkt als Akteure im zivilgesellschaftlichen und sozialpolitischen Bereich. „Die Frauen erobern ihre Sichtbarkeit als strategischer sozialer Akteur wieder, durch die Entstehung von autonomen Frauengruppen, sozialen Organisationen und/oder sozialpolitischen Zusammenschlüssen, an denen sich zunehmend Frauen beteiligen und in denen Reflexionsprozesse über ihre Identität wachsen. Diese Aktivitäten nehmen vor allem in städtischen und ländlichen Sektoren aus der Mittel- und Unterschicht zu, als Nebenprodukt der staatlichen und nichtstaatlichen Initiativen im Rahmen der Fiauendekade der Vereinten Natio-

Doch mit der Reform der Verfassung stieg auch wieder das Interesse an formaler und an Parteipolitik. Verschiedene Frauenorganisationen machten sich Anfang der 90er Jahre für neue Verfassung stark. 18 Gruppen beteiligten sich an den öffentlichen Anhörungen zu den Reformvorhaben des Ex-Präsidenten Virgilio Barco und schlugen Projekte vor. Die Gruppe Mujeres por la Constituyente informierte die Bevölkerung (und dabei vor allem Frauen) über den Sinn der Verfassungsreform. Sie mobilisierte Wählerinnen für eine Stimmabgabe zur Einberufung der Verfassunggebenden Versammlung. Nur in acht der insgesamt 119 aufgestellten Parteilisten standen allerdings Politike432

Villarreal 1995: 325. Vgl. zu dieser Entwicklung auch: Thomas 1996: 271ff.

316

(Capitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

rinnen an der Spitze. Davon wurden nur vier tatsächlich in die ANC gewählt.433 Die reine Frauenliste von Rosa Turizo, einer Staatsanwältin aus Medellin, und die von Helena Páez434 angeführte Liste hatten schließlich keine Chance.435 Frauen, die sich schließlich bei Wahlen aufstellen ließen, waren grob in zwei Sektoren zu unterscheiden: a) Solche, die sich in ihrem Politikstil nicht wesentlich von ihren männlichen Kollegen unterschieden. Wichtiger als das Geschlecht war ihre Zugehörigkeit zu einer Politikerfamilie,436 die Vertretung von ftauenspezifischen Anliegen437 im Parlament dagegen sekundär. b) Reformorientierte Frauen, die eine Minderheit in den Institutionen darstellten. Dabei gab es wiederum zwei Untergruppen. Ein kleiner Teil bezeichnete sich als Repräsentantinnen von Anliegen, die Frauen betrafen, und sah darin eine wichtige Aufgabe der Parlamentsarbeit. Eine andere Gruppe setzte sich zwar gelegentlich fiir Gesetze zu Frauenangelegenheiten ein, zählte dies aber nicht zu ihren Hauptfiinktionen. Bei meinen Interviews mit kolumbianischen Parlamentarierinnen bezeichnete sich nur Piedad Córdoba als Feministin. Bei der Durchsicht von Wahlprogrammen der Kandidatinnen zum Kongreß in den 90er Jahren wurde nur bei wenigen Interesse an Frauenfragen deutlich. Sie standen in der Regel in Zusammenhang mit der Familie. Interessante Ausnahmen waren etwa Ligia Galvis für die Partei Nueva Colombia, die mit ihrem Slogan Lista la mujer438 für das Repräsentantenhaus in Bogotá kandidierte, Zulia Mena (Movimiento 433

434

435 436

437

438

Dabei handelte es sich um María Mercedes Carranza und Helena Herrán (beide von dem PLC), Maria Teresa de Garcés (AD/M-19) und Aída Abello von der UP. Ehemalige Arbeitsministerin und Beraterin des von César Gavina eingerichteten Rates für Jugend, Familie und Frauen. Vgl.: Kline 1996: 36f. In Politikerfamilien ist es üblich, daß Familienmitglieder Kandidaten .vertreten', die aus den verschiedensten Gründen bei einer Wahl nicht antreten können. Bei den Kongreßwahlen 1994 ,erbte' beispielsweise Consuelo Durán de Mustafá aus dem departamento Santander die Stimmen ihres ermordeten Mannes Feisal Mustafá. Bei den Kongreßwahlen 1998 kandidierten Zulema Jattin (Tochter des Ex-Senators Francisco José Jattin), Victoria Vargas (Tochter des Senators Jaime Vargas), Nydia Haddad de Turbay (Eheftau von José Félix Turbay) und Clara Pinillos (Schwester von Antonio José Pinillos, der in Bogotá seinen Sitz verloren hatte). Piedad Zuccard (Ehefrau des Gouverneurs des departamento Bolívar, der in den Prozeß 8.000 verwickelt war) gewann ein Mandat im Senat. Vgl. auch: Buenahora FebresCordero 1998: 5 und Zambrano 1998a: 264. Darunter werden beispielsweise folgende Fragestellungen subsumiert: Quotengesetze, rechtliche Gleichstellung von Frauen, Gewalt gegen Frauen, Arbeitsschutzmaßnahmen, Erziehungsgeld, etc. Der Name ist doppeldeutig. Er kann als ,die Frau ist bereit' oder als ,Liste der Frauen' gelesen werden.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

317

Mujeres 2000), Piedad Córdoba (Partido Liberal Colombiano, 1998 gewählt für Huella Ciudadana) und Claudia Rodríguez de Castellanos (Partido Nacional Cristiano, ab 1998: Partido Liberal Colombiano), die sich in ihrem Programm für die Rechte der Frauen einsetzte und mehrere damit in Zusammenhang stehende Gesetzesvorlagen in den Kongreß eingebrachte.439 Piedad Córdoba hat mit den Anstoß für die Regierungspolitik des Präsidenten Ernesto Samper zur Gleichstellung der Frau gegeben.4 0 Die Parlamentarierin schlug auch vor, daß Parteilisten und die Führungsgremien der Parteien mindestens 30 Prozent Frauen enthalten sollten.441 Außerdem setzte sie ein Gesetzgebungsprojekt zur Eindämmung der Gewalt in der Familie durch. Trotz der erhöhten Repräsentation von Frauen im Kongreß nach den Reformen von 1991 nimmt Kolumbien im lateinamerikanischen Vergleich zu Beginn des neuen Jahrtausends nur ein gutes Mittelmaß ein. Insgesamt erhöhte sich nach den Reformen die Anzahl der in den verschiedenen Institutionen vertretenen Frauen. Vor allem im Kongreß wirkte sich die schwache Parteidisziplin und die mangelnde Kontrolle der Parteien über die Aufstellung von Kandidaten indirekt positiv auf die Beteiligung von Frauen aus, auch wenn keine Quoten oder bevorzugte Listenplätze für weibliche Anhänger der Parteien vorgesehen waren. Sie können heute ihre eigene Liste aufstellen und müssen nicht wie früher mit hinteren Plätzen vorliebnehmen bzw. als Stellvertreterinnen antreten.442 Dennoch wurden viele Parlamentarierinnen (wie beispielsweise Piedad Córdoba von William Jaramillo) zunächst von männlichen Kollegen protegiert. Nur ein kleiner Teil der Parteien - wie etwa die ANAPO 439

440

441 442

Dazu zählen beispielsweise das Gesetz Nr. 17 von 1993, das pornographische und Gewalt verherrlichende Veröffentlichungen verbietet, das Gesetz Nr. 82 von 1993, das Frauen, die als Familienvorstand gelten, besondere Rechte gewährt und das Gesetz Nr. 47 von 1993, das die Schulen dazu verpflichtet, daß die Schüler Teile ihrer Hausaufgaben dort verrichten. Vgl.: Rodríguez de Castellanos ohne Jahr. Im August 1994 präsentierte die Regierung das Programm Política de particapación y equidad para la mujer (Politik der Partizipation und Gleichstellung der Frauen) und im November 1995 wurde die Dirección General para la Equidad y Participación de la Mujer (Generaldirektion für die Gleichstellung und Partizipation der Frau) gegründet. Vgl.: Thomas 1996: 272 und Córdoba 1998: ohne Seiten. Zur Frauenpolitik Ernesto Sampers vgl. auch: Libro blanco de la mujer colombiana ohne Jahr: 4ff. Vgl.: Pizarro Leongómez 1996a: 43. Im Vergleich zu früher lassen sich heute immer mehr Frauen zur Wahl aufstellen. Frauen präsentierten 1994 22 Listen für den Senat, während 229 von Männern angeführt wurden. 1994 kamen von den 22 Listen für den Senat, die von Frauen aufgestellt worden waren, schließlich sieben tatsächlich in die hohe Kammer. Für das Repräsentantenhaus kandidierten 1994 49 Listen, an deren Spitze eine Frau stand. Davon wurden 19 tatsächlich gewählt. Das entspricht rund zwölf Prozent der Abgeordneten. Vgl.: Registraduría Nacional del Estado Civil 1994b, Bd. 1: 82.

318

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

geht in den Statuten explizit auf die Integration der Frauen ein. Dort heißt es beispielsweise: „In allen Führungsgremien der ANAPO ist auf jeder Ebene die höchst mögliche Anzahl von Frauen vertreten."443 Ein Quotengesetz konnte u.a. deshalb nicht durchgesetzt werden, weil die kolumbianische Verfassung die Einmischung in parteiinterne Angelegenheiten verbietet.444 In anderen lateinamerikanischen Ländern wurden dagegen in den 90er Jahren in einigen Parteien Quoten zwischen 20 und 40 Prozent durchgesetzt. Dies traf auf Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Ekuador, Panama, Peru, Venezuela, Nikaragua, Chile, El Salvador, Paraguay und die Dominikanische Republik zu.445 Der Ley Malharro de Torres sieht in Argentinien beispielsweise vor, daß Wahllisten zu mindestens 30 Prozent aus weiblichen Kandidaten bestehen müssen. Das gleiche gilt für die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen. Kuba kommt aufgrund seiner politischen Sonderrolle eine Ausnahmeposition zu.

443 444

445

Artikel 10, Estatutos de la ANAPO. Allerdings wurde im Jahr 2000 ein auf die Ebene der staatlichen Führungspositionen bezogenes Gesetz verabschiedet, das eine 30prozentige Beteiligung von Frauen vorschreibt (Ley No. 581 del 2000 o ley de quotas). Die quantitativen und qualitativen Auswirkungen dieser neuen Norm müssen sich in den nächsten Jahren zeigen. Vgl.: Helfrich-Bernal 2002a. Vgl.: Helfrich-Bernal 2002a.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

319

Tabelle 56: Beteiligung von Frauen an der politischen Macht in Amerika und der Karibik in Prozent Minister- Abgeordnete SenatorBürgerDurchinnen meisterinnen schnitt innen 27 21 32 12 Kanada 23 USA **32 14 13 21 20 13 11 K.A. 19 Barbados 33 12 24 Jamaika 13 23 18 18 19 K.A. 9 Costa Rica 15 ***7 Kuba 10 28 K.A. 15 Honduras 26 9 K.A. 10 15 Panama 25 10 K.A. 10 15 14 El Salvador 25 10 K.A. 8 11 11 32 14 Trinidad und Tobago 0 Kolumbien 19 12 13 6 13 4 Mexiko 16 16 16 13 Chile 25 11 4 6 12 Venezuela 21 10 K.A. 4 12 Argentinien 8 27 3 7 11 Peru 7 20 K.A. 2 10 Dominikanische Republik 8 16 7 6 9 Nikaragua 8 10 K.A. 10 9 Ekuador 7 15 K.A. 3 8 8 Paraguay 3 18 3 8 Bolivien 12 4 0 6 6 K.A. 1 Guatemala 8 9 6 12 Uruguay 0 10 0 6 Brasilien 0 6 7 6 5 Land

K.A.= Keine Angaben. * Die Zahlen beziehen sich auf Frauen in Machtpositionen im Jahr 2000 mit Ausnahme der Bürgermeisterinnen in der Dominikanischen Republik. Dort war nur Datenmaterial für 1998 erhältlich. ** Die Zahl bezieht sich auf den Frauenanteil im Kabinett des früheren Präsidenten Bill Clinton, der im Januar 2001 sein Amt niederlegte. Im Kabinett seines Nachfolgers George W. Bush arbeiten 24 Prozent Frauen. *** Die Zahl bezieht sich auf die Gouverneure der Provinzen. Quelle: WLCA 2001.

320

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Der Partido Colorado in Paraguay hat die Vorgabe, mindestens 20 Prozent Frauen in seine leitenden Gremien zu entsenden. 6 In Mexiko und Guatemala wurde eine Frau mehrmals zur Kongreßpräsidentin gewählt - auch heute noch eine Seltenheit in (lateinamerikanischen) Parlamenten.447 In bezug auf das Verhalten der kolumbianischen Parteien hinsichtlich des cleavage Mann/Frau könnte man außerdem folgendes annehmen: a) Es läge nahe, daß die Zunahme der Beteiligung von Frauen im Kongreß in den 90er Jahren auf die Zulassung neuer Parteien zurückzuführen sei. b) Man könnte vermuten, daß die traditionellen Parteien nicht dazu in der Lage waren, diesen cleavage zu kanalisieren. Daraus ließe sich die Annahme ableiten, daß nicht-traditionelle Parteien, beispielsweise die AD/M-19 oder die UP, sich stärker um gender-Fragen kümmerten bzw. bereit waren, mehr Frauen in ihre Reihen aufzunehmen. Politikerinnen unterscheiden sich aber in Kolumbien in ihrer parteipolitischen Orientierung nicht wesentlich von den männlichen Kongreßmitgliedern. Kurz nach den Reformen 1991 trat ein kleiner Teil der Frauen für nicht-traditionelle Parteien an. 1994 kamen alle Senatorinnen wieder aus den traditionellen Parteien, wenn man berücksichtigt, daß es sich bei Claudia Blum von der Nueva Fuerza Democrätica im Grunde um eine Abspaltung des Partido Conservador handelt. Die Annahme, daß mehr Frauen von nicht-traditionellen Parteien aufgestellt und gewählt würden, bestätigte sich weder 1994 noch 1998. Die Mehrheit gehörte der Liberalen Partei an. Erstaunlicherweise rechneten sich allerdings vier der 1994 und 1998 gewählten weiblichen Kongreßabgeordneten ethnischen und religiösen ,Minderheiten' zu.448

446 447 448

Vgl.: Pizarro Leongomez 1996a: 42. Vgl.: Inter-Parliamentary Union 1995; Zambrano 1998a: 270; Chaney 1983: 5f. Es handelt sich dabei um Piedad Cordoba, Zulia Mena, Yaneth Suärez und Viviane Morales.

321

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle §7: Parteizugehörigkeit der gewählten Senatorinnen (S) und weiblichen Abgeordneten im Repräsentantenhaus (R) 1991-1998 Partei

1991 S

Partido Liberal Colombiano Partido Conservador Colombiano Nueva Fuerza Democrática* Movimiento Nacional Conservador Movimiento Conservatismo Independiente Movimiento Oxígeno Liberal Alianza Democrática M-19 Movimiento Unitario Metapolítico Unión Cristiana Partido Nacional Cristiano Movimiento Independiente Frente Esperanza Fé Voluntad Popular Negritudes Movimiento 98 Movimiento Cívico Independiente Movimiento Alternativa Democrático Koalitionen Andere Insgesamt

1994 R

S

1998 R

2 1 2

7 2 -

4 2 1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1 1

1

-

-

-

S 9 3 1 1

1 1

7 -

R 11 2 -

2

-

-

1

2

-

-

-

-

-

-

1

-

-

1

-

-

-

-

-

-

-

1

1

-

-

-

-

-

-

1 1

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

1 1

-

-

-

-

2

-

-

*•* j

1

-

7

19

8

11

-

-

-

-

**1

-

14

-

-

19

Die Senatorinnen der Nueva Fuerza Democrätica wurden 1994 von der RNEC als ,otros partidos' verzeichnet, da sie damals noch keine eigenständige Partei gegründet hatten. Ich führe sie aber dennoch unter ihrem Namen auf. ** Dahinter verbirgt sich Claudia Blum, die 1994 für die Nueva Fuerza Democrätica antrat. Der Movimiento 98 ist eine liberale Bewegung. *** Dahinter verbirgt sich Viviane Morales, die 1991 für den Movimiento Unión Cristiana als Senatorin angetreten und gewählt worden war. 1998 kandidierte sie für den Movimiento Independiente Frente de Esperanza, Fé. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Auf der nationalen Ebene hat die zunehmende Präsenz der Frauen im Kongreß insgesamt die Anzahl der mit Frauenfragen verbundenen Gesetzesprojekte erhöht. Während sich zwischen 1974 und 1977 nur 3,3 Prozent der in das Repräsentantenhaus eingebrachten Vorlagen damit beschäftigten, waren es zwischen 1994 und März 1998 rund sieben Prozent. Im Senat sah das Panorama allerdings erheblich schlechter aus.

322

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 58: Gesetzesvorlagen im Senat und Repräsentantenhaus 1994 bis März 1998 Art der Vorlagen und Gesetze

Gesetzesvorlagen insgesamt Vorlagen von Frauen Vorlagen zu gender-Fragen Verabschiedete Gesetze, die von Frauen vorgelegt worden waren Verabschiedete Gesetze zu genderFragen Archivierte Gesetze, die von Frauen vorgelegt worden waren

Anzahl der Anzahl der Vorlagen und Vorlagen und Gesetze im RepräsenGesetze im Senat tantenhaus 1.001 1.103 *31 **223 4

8

1

1

11

81

* ** ***

Das entspricht 3,09 Prozent der Vorlagen insgesamt. Das entspricht 20,21 Prozent der Vorlagen insgesamt. Das entspricht 0,59 Prozent der Vorlagen insgesamt und 19,35 Prozent der Vorlagen der Frauen. **** Das entspricht 1,45 Prozent der Vorlagen insgesamt und 7,17 Prozent der Vorlagen der Frauen. Quelle: Zambrano 1998: 267, Korrekturen durch die Autorin.

Wichtige Gesetze, die direkt oder indirekt Frauenfragen betrafen, gingen zum Teil auf die Unterzeichnung internationaler Abkommen zurück.449 Dabei wirkten internationale Politik und lokale Lobbyarbeit der Frauenorganisationen zusammen. Ein Teil der vorgelegten Gesetzesinitiativen scheiterte auf dem Weg durch die Instanzen. Dazu gehörten Vorlagen zu Abtreibung, Vergewaltigung und sexueller Belästigung. Die Trägheit des Kongresses bei der Verabschiedung von Gesetzen konnte auch von den Frauen nicht durchbrochen werden. Insgesamt kann man feststellen, daß sich nach den Reformen die Präsenz der Frauen in der Politik erhöht hat und wichtige Schritte auf dem Weg zu 449

Beispielsweise Gesetz Nr. 294 von 1996 (Violencia contra la mujer y violencia intrafamiliar), Gesetz Nr. 360 1997 (Contra la violencia sexual) beide vorgelegt von dem Senator Juan Martin Caicedo; Gesetz Nr. 387 von 1997 (Desplazamiento forzoso por la violencia) vorgelegt von dem Abgeordneten Fernando Hernández; Gesetz Nr. 160 von 1994 (Sistema nacional de reforma agraria y desarrollo rural campesino) vorgelegt vom Agrarminister Alfonso López Caballero; Gesetz Nr. 248 von 1995 (Lucha por la eliminación de todas las formas de violencia contra la mujer) vorgelegt von dem Außenminister Rodrigo Pardo; Gesetz Nr. 311 von 1996 (Convenio Interamericano para prevenir, sancionar y erradicar la violencia contra la mujer) vorgelegt von dem Senator Luis Guillermo Giraldo; Gesetz Nr. 288 von 1996 (Indemnización de peijuicios por violaciones de derechos humanos) vorgelegt von dem Justizminister Rodrigo Pardo. Vgl.: Zambrano 1998a: 269.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

323

mehr Geschlechtergerechtigkeit zurückgelegt wurden. Die Frage der Nichtdiskriminierung von Frauen muß heute in den Regierungsprogrammen und in den Entwicklungsplänen der Städte und Regionen zumindest angesprochen werden.450 Dennoch läßt aufgrund der gegebenen Rahmenbedingungen ihre Präsenz in den Parteien und die Durchsetzungsfähigkeit von gender-Belangen im Kongreß weiterhin zu wünschen übrig.

7.4

Klientelismus als Programm? Die dominante Rolle der traditionellen Parteien sowie deren Satelliten- und Abspaltungsparteien

Die Stärke des Partido Liberal und des Partido Conservador im Parteiensystem der 90er Jahre ist vor allem auf ihre früher zentrale Rolle im Staat und bei der Institutionalisierung der Nationalen Front zurückzufuhren. Die traditionellen Parteien hatten vor den Reformen zusammen mehr als 90 Prozent der Mandate im Kongreß gewonnen.451 Tendenziell nahm ihre Präsenz im Kongreß seit 1990 ab, wobei beide Gruppierungen allerdings eine unterschiedliche Entwicklung nahmen. Tabelle 59: Verteilung der Sitze der liberalen und konservativen Parteiströmungen im Senat 1991-1998 Partei

1990

1991

1994

1998

Liberale* 66 (66) 57 (56) 58 (56) 50 (48) Konservative** 39 (38) 25 (9) 31 (20) 25 (15) Andere*** 9(10) 20 (37) 13 (26) 27 (39) Insgesamt 114 102 102 102 *

Beinhaltet liberale Parteiströmungen (die Zahlen in Klammem beziehen sich nur auf den Partido Liberal Colombiano). ** Beinhaltet alle konservativen Parteiströmungen (die Zahlen in Klammern beziehen sich nur auf den Partido Conservador). *** Beinhaltet Koalitionen, hinter denen sich einzelne Liberale und Konservative verbergen können. Beispielsweise trat Fabio Valencia Cossio 1994 und 1998 in Koalitionen an. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

450 451

Vgl.: Zambrano 1998a: 255. Vgl. auch: Archer 1995: 193f.

324

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 60: Verteilung der Sitze der liberalen und konservativen ParteiStrömungen im Repräsentantenhaus 1991-1998 Partei

1990

1991

Liberale* Konservative** Andere*** Insgesamt

119(119) 65 (62) 15(18) 199

89 (87) 48 (25) 24 (49) 161

1994

1998

90 (88) 86 (84) 53 (40) 41 (28) 20 (35) 34 (49) 161 163

*

Beinhaltet liberale Parteiströmungen (die Zahlen in Klammem beziehen sich nur auf den Partido Liberal Colombiano). ** Beinhaltet alle konservative Parteiströmungen (die Zahlen in Klammern beziehen sich nur auf den Partido Conservador). *** Beinhaltet Koalitionen, hinter denen sich einzelne Liberale und Konservative verbergen können. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Der Partido Liberal Colombiano (PLC) war nach dem Zweiten Weltkrieg die eindeutig dominante Partei. Er verstand sich traditionell als .Sprecher der Armen und der Arbeiterschichten'.452 Im Repräsentantenhaus verlor die Partei ihre Mehrheit nur von 1951 bis 1955 an den PC. Auch nach der Zeit der Aufteilung der Macht zwischen der Liberalen und der Konservativen Partei während der Nationalen Front nahm der Partido Liberal wieder eine vorherrschende Stellung ein. Mit Beginn der ersten Wahlen, bei denen ab 1974 wieder andere Parteien zugelassen waren, stellte die Organisation mit Ausnahme der Amtszeit von Belisario Betancur und dem 1998 neu gewählten Kandidaten Andrés Pastrana alle Präsidenten (maintaining elections). Die Liberalen waren seither (mit Ausnahmen von 1986 durch die Abspaltung des Nuevo Liberalismo) auch die dominierende Partei im Kongreß.453 Ihre traditionelle Verankerung in bestimmten Regionen des Landes, die Urbanisierung, ihr großes bürokratisches Gewicht, der Einsatz ihrer Parteimaschinerie, ihr dauerhaftes Verbleiben im Staatsapparat, die Delegitimierung der Konservativen während der Zeit der Violencia und deren sich in Parteineugründungen äußernder Atomisierungsprozeß hatten die catch-all-Partei,454 die ihre Anhänger über sich überlagernde gesellschaftliche Konfliktlinien hinweg integriert, immer wieder als Mehrheitspartei bestätigt.455 Auch nach den Reformen der 90er Jahren war der Partido Liberal die dominante Partei im System. Doch spätestens seit den Wahlen zur Verfas452 453

454

455

Vgl.: González/Cárdenas 1998: 113. Vgl.: Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas 1996: 59 und Botero Montoya 1983: 9ff. Der PLC erfüllt allerdings nicht alle von Kirchheimer zusammengestellten Kriterien für catch-all-Parieien. Vgl.: Kirchheimer 1966: 177ff. und Wolinetz 1991: 114ff. Vgl.: Garcia Duarte 1991: 43f.; Helfrich-Bernal 1995: 104ff. und allgemein: Dix 1989.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

325

sunggebenden Versammlung wurde deutlich, daß seine breite Basis erodieren konnte. Der PLC gewann zwar die Wahl zur ANC. Aber sein Abschneiden war eher enttäuschend. Trotz der Tatsache, daß für die Partei immer mehr Kandidaten antraten, ging die Zahl der von ihr gewonnenen Mandate auch im neu gewählten Kongreß 1991 zurück. Doch auf diesem Niveau pendelte die Partei ihre Vertretung im Kongreß anschließend zunächst ein. Eine Reihe von liberalen ,Regionalfursten' wie Gustavo Dajer Chadid, Felix Salcedo Baldión und Humberto Peláez Gutiérrez schafften 1994 den Einzug in den Kongreß nicht mehr. 456 1998 gewann Bernardo Guerra Serna kein Mandat, der mehrere Jahrzehnte Mitglied des Kongresses gewesen war.457 Nach dem Korruptionsskandal um den Prozeß 8.000 wurden 1998 die ,Symbolistanten des Elefanten' 458 wie beispielsweise der Rechtsanwalt Sampers, Luis Guillermo Nieto Roa,459 und sein ,Richter' im Kongreß, Heyne Mogollón, nicht in das Parlament gewählt.460 Viele liberale Politiker mußten ihre politische Laufbahn unterbrechen oder unfreiwillig beenden. Aufgrund verschiedener Korruptionsskandale entzog der Staatsrat zwischen 1991 und 1999 12 liberalen Kongreßmitgliedern ihr passives Wahlrecht (investidura).461 Ein berühmtes Beispiel ist Samuel Alberto Escruceria, der mit seinem Familienklan über Jahrzehnte die Geschicke der von mir untersuchten Küstenstadt Tumaco dominierte. Seit 1994 konnte Escruceria nicht mehr für den Kongreß kandidieren. Der PLC schloß ihn nach der Entscheidung des Staatsrates aus der Partei aus. Er versuchte allerdings (wie viele andere liberale Kaziken) die Sanktionen zu umgehen. Bei den Wahlen, bei denen er selbst nicht antreten konnte, schickte er Familienmitglieder ins Rennen. Sie blieben aber nach der Verurteilung Escrucerias aufgrund eines Unterschlagungsdeliktes sowohl 1994 als auch 1998 und 2002 ohne

456 457 458

459

460 461

Vgl.: Helfrich-Bernal 1995: 104, zu den Daten RNEC 1994. Vgl.: El Tiempo, 9.3.1998. Der Elefant ist in Kolumbien durch den Prozeß 8.000 zum Symbol der Korruption geworden. Der Erzbischof von Bogotá, Monseñor Rubiano, hatte Ernesto Samper vorgeworfen, daß es keine Erklärung dafür gebe, daß ein Elefant in den Präsidentenpalast eingezogen sei, ohne daß es der Präsident gemerkt habe. Daraufhin entstand in der Zivilgesellschaft eine Bewegung, die die Absetzung Sampers forderte. Sie gebrauchten bei ihren Demonstrationen als Symbolfigur einen Stoffelefanten. Vgl. dazu auch Restrepo 1997. Der Rechtsanwalt Luis Guillermo Nieto Roa war Gouverneur des departamento Boyacá und wurde 1991 in die Verfassunggebende Versammlung gewählt. Dort hatte er sich für wichtige Reformen, wie den Entzug des passiven Wahlrechts der Kongreßmitglieder {pérdida de investidura) und für die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht der Minister gegenüber dem Kongreß (moción de censura), das Verbot der Parlamentszuschüsse (auxilios parlamentarios) und für die Neuwahl des Kongresses nach dem Abschluß der ANC eingesetzt. Vgl.: Nieto Roa ohne Jahr: 3. Vgl. zu den Daten RNEC 1999; vgl. auch: Morales A. 1998: 2. Interview mit José María Sarmiento, 20.4.1999.

326

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Erfolg im Kongreß. Andere ehemalige Kaziken, die nach der Verfassungsreform kein Parlamentsmandat mehr erzielen konnten, feierten 1998 ihr Comeback: Julio César Guerra Tuleña (departamento Sucre) gründete den Movimiento Colombia mi país {MCP) und wurde mit 40.661 Stimmen in den Senat gewählt. Der MCP fühlt sich weiterhin mit der Liberalen Partei verbunden. In seinen ideologischen Leitlinien heißt es: „...der MCP betont, daß er sich an den sozialen Prinzipien des PLC zu eigen macht."462 In den Statuten wird bestätigt, daß sich die neue Partei in der Tradition des ehemaligen liberalen Präsidenten López Pumarejo und des sozialen Reformers Jorge Eliécer Gaitán sieht.463 Viele traditionelle Politiker, die nicht strafrechtlich verurteilt worden waren, gelang es so zur Jahrtausendwende ihren Einfluß im Kongreß mit Hilfe neuer Parteilabels oder Stellvertreterfiguren wieder zu festigen. Auch wenn sich vom Partido Liberal zunächst nicht so viele Parteien abspalteten wie vom PC, konnten Atomisierungstendenzen nicht vollständig unterbunden werden. Splittergruppen innerhalb der Partei (sogenannte disidencias), zeitweilige Abspaltungen und regionale Gruppierungen hatte es im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer wieder gegeben. Eine der Hauptspaltungslinien verlief in den 90er Jahren zwischen den traditionellen Parteimitgliedern (sector oficialista) und den Erneuerern (sector renovador) sowie zwischen dem sozialdemokratischen' und dem ,neoliberalen' Flügel. Diskrepanzen innerhalb der Parteielite wurden auch im Zusammenhang mit dem Prozeß 8.000 deutlich. Außerdem rief der liberale Ex-Präsident López Michelsen bei den Präsidentschaftswahlen 1998 im ersten Wahlgang zur Wahl der unabhängigen Kandidatin Noemi Sanin auf, was ebenfalls Differenzen in der Parteiführung verdeutlichte. Das Phänomen kam aber auch in Parteiabspaltungen zum Ausdruck: Am 5. Juli 1991 gründete beispielsweise Jaime Rodrigo Vargas in Barranquilla den Liberalismo Independiente de Restauración, LIDER, der sich in seinen Statuten als „nationalen Vorschlag einer liberalen Partei mit einem bedeutenden Regionalgefuhl"464 beschreibt und auch schon zuvor bei Wahlen angetreten war. Nach dem Tod Luis Carlos Galáns 1991 schlössen sich wichtige Vertreter des Nuevo Liberalismo465 (Augusto Galán, Iván Marulanda, José 462 463 464 465

Vgl.: Lincamientos ideológicos del Movimiento Colombia mi País. Vgl.: Estatutos del Movimiento Colombia mi País. Estatutos del Liberalismo Independiente de Restauración. Die Mitglieder des Nuevo Liberalismo verließen 1979 vorübergehend die Liberale Partei. Ihr Hauptziel war es, die Ernennung Luis Carlos Galáns zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten des PLC zu erreichen. Als dies nicht gelang, schlössen sie sich der Partei wieder an. Galán war unter der Nationalen Front Minister im Kabinett Pastrana und mehrmals Kongreßmitglied, also eigentlich „ein Kind des Systems". Dennoch galt er als Erneuerer innerhalb seiner Partei. 1982 trat er in Konkurrenz zum offiziellen Flügel der Liberalen Partei als Präsidentschaftskandidat des Nuevo Liberalismo an. Durch die Spaltung des PLC gewann sein Gegenkandidat, der Konservative Belisario Betancur, die Wahlen. Galán wurde schließlich 1990 als

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

327

Araujo und Parmenio Cuellar) im Anschluß an ihre Beteiligung in der^A^C am 13. August 1991 zum Movimiento Nueva Colombia (NC) zusammen. Er verstand sich als Bewegung zur Stärkung und Reformierung der Liberalen Partei, obwohl er juristisch eigenständig war.466 Der NC zerbrach allerdings an den Streitigkeiten seiner fuhrenden Mitglieder, vor allem zwischen Parmenio Cuellar und Ivan Marulanda. In einem Brief Parmenio Cuellars vom 9.10.1996 an den Magistrat des Nationalen Wahlrates, Fernando Mayorga Garcia, heißt es beispielsweise: „...ich habe an verschiedenen privaten und öffentlichen Versammlungen der Bewegung teilgenommen, ohne daß auf demokratische Weise, die Wahl des Nationalen Koordinierungskomitees vor der Nationalversammlung vom 18. August 1996 stattgefunden hätte, auf der - laut der im Nationalen Wahlrat am 23. August registrierten Akte - diese Wahl angeblich vorgenommen worden war. Viel mehr noch, die Nationalversammlung vom 18. August 1996 war die erste des Movimiento Nueva Colombia. Die vorhergehenden waren nationale Versammlungen, die niemals weder die Repräsentation noch die Qualität noch den Namen hatten, die die Statute fordern. Es waren .nationale Treffen' von Freunden, so nannten wir sie immer." 467

In einem späteren Brief schreibt er weiter: „...jede Zusammenkunft von Freunden, unabhängig davon wie klein oder unbedeutend sie war, machte Herr Ivan Marulanda zu einer außerordentlichen Parteiversammlung und registrierte nach Gutdünken die entsprechenden Akten beim Nationalen Wahlrat."468 Parmenio Cuellar versuchte Ivan Marulanda geraume Zeit die Führung innerhalb der Partei streitig zu machen. Er betonte beispielsweise, daß Marulanda nie als Parteiführer gewählt worden war, da er als Botschafter einige Zeit im Ausland verbracht habe. Eine von Marulanda vorgetäuschte Briefwahl habe so nie stattgefunden.469 Die Spaltungstendenzen verstärkten sich von 1997 an. In diesem Jahr gründete Parmenio Cuellar eine neue Organisation, den

466

467

468 449

offizieller Präsidentschaftskandidat der Liberalen Partei nominiert. Während der Wahlkampagne erschossen ihn Todesschützen des Medellin-Kartells. Die Umstände seiner Ermordung konnten allerdings bis heute nicht vollständig aufgeklärt und die eigentlichen Rädelsführer nicht verhaftet werden. Vielmehr gab es staatlicherseits ein Interesse, die Aufklärung des Mordes zu verschleiern. Interview mit Gloria Bernal, 12.10. 1996. Vgl. dazu auch De Roux 1982: 41ff. Vgl.: Estatutos del Movimiento Nueva Colombia, Absatz IV. In den ideologischen Leitlinien der Partei heißt es dazu: „Nueva Colombia ist eine liberale Bewegung um die Liberale Partei zu stärken sowie der Verbreitung und Vertiefung der liberalen Doktrin in Kolumbien zu dienen." Brief vom 9.10. 1996 von Parmenio Cuellar an Fernando Mayorga Garcia, Magistrat im Nationalen Wahlrat. Brief vom 29.4. 1997 von Parmenio Cuellar an den Nationalen Wahlrat. Vgl.: Brief von Parmenio Cuellar an den Nationalen Wahlrat vom 22.7.1997.

328

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Movimiento Participación Ciudadana, MPC. Bei den Gouverneurswahlen im Jahr 2000 trat er für eine Koalition an. In einem Interview antwortete er ausweichend im Hinblick auf eine Begründung für seine häufigen Parteiwechsel und deutete an, daß er die parteipolitische Verankerung für zweitrangig halte.470 Bei der Kongreßwahl 1998 trat Ingrid Betancourt für den am 8. Dezember 1997 gegründeten Movimiento Oxigeno Liberal an, der vorgibt, sich von Klientelismus und Korruption in der Liberalen Partei abzugrenzen. Die Politikerin wollte das Vertrauen der liberalen Wähler in die Institutionen zurückgewinnen. In den Parteistatuten heißt es dazu: „Der Movimiento Oxígeno Liberal wird mit dem Ziel gegründet, die politischen Gewohnheiten in der kolumbianischen Gesellschaft zu verändern im Rahmen der Verteidigung der liberalen Ideen und dem ideologischen Erbe von Luis Carlos Galán."471 Ingrid Betancourt erzielte mit diesem Vorhaben die höchste Stimmenzahl im Senat. Im Parlament führte sie hitzige Debatten gegen die Machenschaften verschiedener Politiker - u.a. gegen den Kauf von veralteten Waffen aus Israel und gegen die Finanzierung von Wahlkämpfen durch die Drogenmafia - und schuf sich so eine Reihe von Feinden. Ihr Anliegen, Reformen im Parteien- und Wahlregime zu forcieren und dabei auch den Kongreß aufzulösen, das eine gewisse Zeit auch von Präsident Pastrana unterstützt wurde, fand verständlicher Weise bei den traditionellen Politikern nicht viel Zuspruch. Da sie sich von der kolumbianischen Presse nicht genügend wahrgenommen fühlte - und wohl auch als Wahlkampfstrategie für ihre Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2002 - veröffentlichte sie im Frühjahr 2001 eine Reihe von Artikeln und die Autobiographie La rage au coeur in Frankreich, wo das Buch die Bestsellerlisten anführte und später ins Spanische und Englische übersetzt wurde. Die Publikation, die sich mit Drogenhandel und Korruption in ihrem Heimatland auseinandersetzt, brachte ihr nicht nur eine Menge Kritik, sondern auch eine Klage des ehemaligen Präsidenten Ernesto Samper ein, den sie darin zahlreicher Korruptionsdelikte und des Mordes an einer Zeugin beschuldigte.472 Die von der Politikerin für ihr Engagement im Kongreß gegründete Partei Oxígeno Liberal benannte sie am 2. Februar 2000 in Oxígeno Verde und schließlich in Partido Verde Colombiano (PVC) um. Zusammen mit dem ehemaligen M-19Mitglied Eduardo Chávez suchte sie Anschluß an die US-amerikanische und die europäischen Umweltparteien. Die kolumbianische Ökologiebewegung warf ihnen allerdings ,grünen Opportunismus' vor. Wie so oft bei Parteibildungen war die Organisation nicht aus der Mitte der sozialen Bewegung entstanden. Quasi im Nachhinein versuchte der PVC Personen aus der Ökologie-

470 471 472

Interview am 14.9.2001. Estatutos del Movimiento Oxígeno Liberal. Vgl: Betancourt 2002: 133 und 136ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

329

bewegung einzubinden.473 Im Verlauf des Präsidentschaftswahlkampfes 2002 wurde Ingrid Betancourt bei einer Reise in die Entspannungszone von der Guerillaorganisation FARC nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen entführt. Der ehemalige liberale Verteidigungsminister Rafael Pardo gründete am 17. Dezember 1997 den Movimiento 98. In Cúcuta entstand am 31. Mai 1997 die Partei Apertura Liberal. Dahinter steht José Renán Trujillo, Sohn des bekannten verstorbenen liberalen Politikers Carlos Holmes Trujillo, der unter mysteriösen Umständen verschwunden war und Bruder des gleichnamigen ehemaligen Innenministers der Regierung Samper, der später als Botschafter bei der OAS und in Österreich arbeitete. Die Zahl der reformwilligen (zum Teil ehemaligen) Liberalen nahm in den letzten Jahren insgesamt zu. Vor den Kongreß wählen 1998 rief der reformorientierte Flügel der Liberalen Partei (.Rebelión Liberai), der nicht am Parteikonvent des PLC teilgenommen hatte, sondern einen eigenen kleinen Parteitag abhielt, dazu auf, gegen Klientelismus, Korruption, Unterschlagung und das schlechte Ansehen der Institutionen abzustimmen. Die Delegierten forderten einer von ihnen veröffentlichten Liste von Senatoren und Abgeordneten das Vertrauen zu schenken.474 Aber die vermeintliche Reformorientierung war fiir die Wähler nicht notwendigerweise glaubwürdig und ebenso keine Garantie für den Wahlerfolg. Von den 18 vorgeschlagenen Senatoren wurden tatsächlich nur vier gewählt. Auch Parmenio Cuéllar (36.469 Stimmen), Enrique Parejo (36.421 Stimmen) und Iván Marulanda (8.707 Stimmen) mußten 1998 auf ein Mandat verzichten.475 Die Tatsache allein, Kritik gegenüber dem Präsidenten Samper geübt zu haben, verhalf noch nicht zum Wahlsieg. Dies belegte bei der Kongreßwahl die Niederlage des Ex-Vizegeneralstaatsanwaltes, Adolfo Salamanca, einem der Protagonisten bei der Aufklärung der illegalen Wahlkampffinanzierung Ernesto Sampers durch den Drogenhandel. Auch der Leiter der Behörde, Alfonso Valdivieso, erreichte sein Ziel, das kolumbianische Präsidentenamt zu übernehmen, nicht. Dagegen war Politikern und Politikerinnen, die aufgrund von Korruptionsvorwürfen in der Presse kritisiert worden waren, wie beispielsweise Martha Catalina Daniels und Juan Fernando Cristo, bei den Senatswahlen Erfolg beschert. Der Elitenpakt der Nationalen Front verhalf dem Partido Conservador zu einer gleichberechtigten Stellung mit dem PLC im Parteiensystem. Sie ent473

474 475

Dies wurde auf einer Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien am 9. August 2000 deutlich, als sich Mitglieder der Ökologiebewegung über das Vorgehen der Partei beschwerten. Ingrid Betancourt wies den Vorwurf des politischen Opportunismus allerdings in einem Interview am 25.3.2001 zurück. Vgl. die Anzeige von Rebelión Liberal in Semana vom 2.3.1998: 63. Daten: RNEC 1999.

330

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

sprach nicht der tatsächlichen politischen Stärke der Konservativen. Die Partei stellte nur unter Belisario Betancur (1982-1986) den Präsidenten (deviating election), da die Liberalen mit zwei Kandidaten zur Wahl antraten. Andrés Pastrana, eigentlich Konservativer, und von der Partei als Präsidentschaftskandidat nominiert, mußte 1998 ein Wahlbündnis gründen, um die Wahlen gewinnen zu können. Auch im Wahlkampf 2002 wurden die Schwierigkeiten der Partei deutlich, sowohl bei der Ernennung ihres Kandidaten Juan Camilo Restrepo als auch bei dessen Rückzug und der Entscheidung der Partei, den ehemaligen Liberalen Alvaro Uribe aufgrund des schlechten Abschneidens des PC bei den Kongreßwahlen zu unterstützen. Die Konservative Partei hatte bereits Anfang der 90er Jahre ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht, als ihr Präsidentschaftskandidat Rodrigo Lloreda nur auf 12,3 Prozent der Stimmen kam. Solch schlechte Ergebnisse wollte sie nicht wiederholen. Auch in der Verfassunggebenden Versammlung war sie nur mit fünf Sitzen vertreten.476 Der Partido Conservador mußte nach den Reformen des Jahres 1991 einen Rückgang der Zahl seiner Mandate im Kongreß hinnehmen. Dieser war nur 1994 kurzzeitig unterbrochen worden. Er setzte sich 1998 und 2002 tendenziell fort. Traditionelle Kaziken der Partei wie beispielsweise Guillermo Angulo wurden nicht wiedergewählt oder traten für eine andere Partei an.477 Der Krise der in den 90er Jahren noch rund 200.000 Anhänger478 starken Partei versuchte ihr damaliger Vorsitzender, Ex-Präsident Misael Pastrana, Ende der 80er Jahre bereits durch interne Reformen entgegenzuwirken. Er wollte sie stärker an christdemokratisches Gedankengut anbinden und das Interesse an sozialen Themen in den Vordergrund stellen. Der Reformversuch drückte sich unter anderem von 1987 bis 1992 in einem Wechsel des Parteinamens {Partido Social Conservador) aus. Er konnte jedoch bereits Mitte 1992 als gescheitert gelten.479 476

477 478

479

Vgl.: Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas 1996: 59; Alondo P. 1979. lOff. Der Kandidat erzielte nur 21.612 Stimmen. Vgl.: RNEC 1999. Da es keine formale Parteimitgliedschaft gibt sind solche Zahlen (wie hier von der Konrad-Adenauer-Stiftung genannt) natürlich nur Schätzungen. Vgl.: Heieck 1996: 30. An diesen Bemühungen war auch die Stiftung Simón Bolívar und die KonradAdenauer-Stifitung beteiligt. Die Stiftung, die in den 80er Jahren die kleine Christdemokratische Partei Kolumbiens unterstützt hatte, entschloß sich später den PC, der seit Mitte der 90er Jahre Beobachterstatuts in der amerikanischen, christdemokratischen Dachorganisation ODCA (Organización Demócrata Cristiana de América) hat, zu modernisieren. Nach eigenen Angaben ist es der Stiftung gelungen, die Parteiarbeit auf lokaler und regionaler Ebene zu beleben, u.a. Kommissionen für Jugend, Frauen und Arbeiter einzurichten, die Satzung der Partei zu reformieren und die Führungsgremien zu veijüngen. Im Parteivorstand des PC waren regelmäßig Personen aus dem Umfeld ihrer Partnerorganisation, der Stiftung Simón

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

331

Die Probleme des PC hingen unter anderem mit den internen Organisationsstrukturen und der zunehmenden Zersplitterung der Partei zusammen. Personelle Rivalitäten hatten zur Gründung zahlreicher Satelliten- und Abspaltungsparteien geführt. Die Faktionierungstendenzen waren einmal Ausdruck des alten Konflikts zwischen Laureanisten und Ospinisten/Pastranisten. Teilweise gingen sie aber auch auf regionale Differenzen und Unzufriedenheiten mit dem zentralistischen Führungsstil Pastranas zurück. Regionale Führungspersönlichkeiten wie Fabio Valencia Cossio, Rodrigo Lloreda und Juan Gómez Martínez gründeten deshalb ihre eigenen Parteien. Die neuen Organisationen haben heute alle eine eigene Identität und sind juristisch eigenständig. Einige spalteten sich nicht vollständig vom PC ab. Als Satellitenparteien stehen sie in engem Kontakt mit der Mutterpartei und besuchen in der Regel den konservativen Parteikonvent. Auch wichtige Politikentscheidungen werden zusammen getroffen. 480 Manchmal gingen Reforminitiativen von diesen neuen Parteien aus. Fabio Valencia Cossio beispielsweise gründete ein Comité de Acción Política zur Reformierung der Konservativen. Der PC akzeptierte die Doppelrolle der Satellitenparteien, da sie ihm bei Präsidentschaftswahlen Vorteile verschaffte. Sie sicherten zwar einerseits ihr Überleben,481 waren aber andererseits auch für das schlechte Abschneiden der Mutterpartei mit verantwortlich. Das Mandatspotential der Konservativen zusammengenommen wies allerdings bis 1998 immernoch eine relative Stärke auf. Letztlich stand der PC den Spaltungsprozessen aber auch ohnmächtig gegenüber.482 Eine der wichtigsten Gruppierungen aus der konservativen Parteifamilie ist der Movimiento de Salvación Nacional (MSN). Der MSN wurde 1990 von Alvaro Gómez Hurtado gegründet.483 Er ist der Sohn des fiir die Gewaltepoche der Violencia verantwortlich gemachten ehemaligen Präsidenten Laureano Gómez und war Herausgeber der Tageszeitung El Siglo. Damals noch Anhän-

480

481

482 483

Bolivar, vertreten. Stephan Heieck betonte, daß die Stiftung auch die Voraussetzungen geschaffen habe, damit der Parteikonvent 1994 mit Andrés Pastrana einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten aufstellen konnte. Vgl.: Heieck 1996: 30 und Interview mit Stephan Heieck, 25.11.1994. Beispielsweise machten sich der PC, die unabhängigen Konservativen, der MSN, die NFD und der MNC zusammen gegen die Steuerreform der Regierung Gavina stark. Vgl.: Pinzón de Lewin 1994a: 102. Auch der damalige Direktor des Rechnungshofes (Contralor General de la Nación), Carlos Ossa Escobar, betonte bei seinem Vortrag auf dem Seminar ,La financiación de los partidos y campañas electorales: América Latina y Europa' vom 14.-16.4.1999 in Bogotá, daß die zeitweisen und tatsächlichen Abspaltungen von den traditionellen Parteien, das Überleben dieser Parteifamilien gesichert hätten. Vgl.: Gilhodes 1996: 67. Interview mit dem Autor, 12.1.1995. Vgl.: Ramos Jiménez 1995: 322.

332

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

ger der Konservativen Partei, war Alvaro Gómez im Mai 1988 von der Guerrillagruppe M-19 entführt worden, um die Friedensgespräche mit der Regierung voranzubringen.484 Der Parteigründung waren Gespräche zwischen Alvaro Gómez und dem liberalen Ex-Präsidenten Carlos Lleras Restrepo vorausgegangen. Sie wollten den MS/V als pluripartidistische Bewegung für die Beteiligung an der ANC gründen. Für die Abspaltung von der Konservativen Partei werden in erster Linie die persönlichen Ambitionen von Alvaro Gómez und Misael Pastrana verantwortlich gemacht. Ihre personalistischen Führungsambitionen war nicht mehr unter einem Parteidach zu vereinbaren. Gómez selbst waren bei den Wahlen von 1974 und 1986 mit nur mäßigem Erfolg als Präsidentschaftskandidat der Konservativen Partei angetreten. Später denunzierte er den Klientelismus, die mangelnde Moral und den Autoritätsverfall in der Konservativen Partei. So wollte er sich von deren negativem Image absetzen. Der MS/V sprach sich gegen die Ausweisung der Drogenbosse und für die internationale Legalisierung des Kokainhandels aus, um die Macht der Kartelle zu unterlaufen. In seine Bewegung integrierte Alvaro Gómez nicht nur ehemalige Konservative, sondern auch Liberale und parteipolitisch nicht gebundene Personen.485 Bei den Wahlen zur ANC beispielsweise waren drei der bekanntesten Delegierten des MSN ehemalige Liberale: Carlos Lleras de la Fuente,486 Juan Carlos Esguerra und Alberto Zalamea Costa. Damals hatte die Partei den dritten Platz in derA/VCund damit ein unerwartet hohes Ergebnis erzielt. 1991 gewann der MS/V 16 Mandate im Kongreß. Er mußte jedoch schon 1994 wieder erhebliche Verluste hinnehmen: Die Bewegung repräsentierten nur noch ein Abgeordneter und zwei Senatoren. Nachdem ihr Parteiführer Alvaro Gómez Hurtado am zweiten November 1995 auf Befehl eines ultrarechten Sektors des Militärs erschossen wurde, gewann sie 1998 nur noch zwei Sitze. Der MSN wird heute vom Bruder des Parteigründers, Enrique Gómez Hurtado, geleitet.487 Die Bewegung Nueva Fuerza Democrática (NFD) war von Andrés Pastrana aufgrund des schlechten Abschneidens der Konservativen Partei in der Verfassunggebenden Versammlung gegründet worden. Unter seiner Führung sollte ihm die Organisation zu einer politischen Basis im Kongreß und zur Präsidentschaft verhelfen. Pastrana wollte mit unabhängigen Konservativen, aber auch mit Liberalen und anderen parteipolitisch ungebundenen Politikern eine neue überparteiliche Bewegung schaffen. Sie trat 1991 und 1994 484 485 486 487

Vgl.: Coggins/Lewis 1992: 97. Vgl.: El Tiempo, 17.11.1990; 9.11.1990; 8.12.1990. Sohn des liberalen Ex-Präsidenten Carlos Lleras Restrepo (1966-1970). Vgl.: Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas 1996: 60; zu den Wahldaten: RNEC 1994 und 1998; Interview mit Gloria Bernal, Staatsanwältin, die zusammen mit ihrem Ehemann mit der Aufklärung des Mordes an Alvaro Gómez beauftragt war, am 12.10. 1996. Beide mußten vorübergehend das Land verlassen.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

333

noch nicht als juristisch eigenständige Organisation auf, sondern beteiligte sich an den Wahlen durch die Hinterlegung einer Kaution. Bei den Umengängen des Jahres 1991 stellte die NFD acht Senatsmitglieder. Damals war Andrés Pastrana mit einer einzigen Parteiliste angetreten, die 436.562 Stimmen erzielte und den acht nachfolgenden Kandidaten ein Mandat verschaffte. Jedoch schon bei den Wahlen 1994 konnten nur noch fünf Abgeordnete ins Repräsentantenhaus einziehen. Damals traten alle Abgeordneten auf getrennten Listen an. Da sie jedoch eine regionale Verankerung aufwiesen, schadete ihnen diese Aufspaltung nicht so sehr wie anderen Parteien.488 Ihre rechtliche Anerkennung als politische Bewegung erhielt die NFD im August 1996. Dennoch konnte sie 1998 ihre früheren Erfolge nicht wiederholen: sie erzielte nur noch drei Sitze im Kongreß. Für die Präsidentschaftswahlen 1998 gründete Pastrana ein neues Wahlbündnis, trat also nicht mehr im Namen der Nueva Fuerza Democrática an. Der Movimiento Fuerza Progresista (MFP) wurde 1991 von Fabio Valencia Cossio489 im departamento Antioquia gegründet. Die Partei geht zurück auf die Faktion des konservativen caudillos Emilio Valderrama Agudelo. Die Gruppierung stellte auf lokaler Ebene unter dem Namen Conservatismo Progresista ihre Kandidaten zur Wahl auf, die allerdings offiziell für die Konservative Partei registriert waren. Nach dem Tod Valderramas 1987 übernahm Valencia Cossio die Führung dieser zunächst internen Parteibewegung. Zusammen mit der Liste von Juan Manuel Gómez gewann er schließlich zwei Sitze im Kongreß. Dies berechtigte die Faktion zum Erwerb eines eigenständigen Parteilabels.490 Der so entstandene Movimiento Fuerza Progresista {MFP) hielt auch danach eine enge Beziehung zum PC. Valencia Cossio war lange Mitglied der konservativen Parteiführung. 1998 spielte er eine wichtige Rolle bei der Auswahl des Präsidentschaftskandidaten des PC. Er unterstütze auf dem Parteitag den Gegenkandidaten Pastranas, Juan Camilo Restrepo, der bei der Abstimmung nur knapp mit rund 40 zu 60 Prozent der Stimmen der Delegierten unterlegen war. Dadurch verschaffte er sich Bargaining-Potential gegenüber Pastrana, denn bei der folgenden Präsident-

488

489

490

Efraín Cepeda repräsentierte die Atlantikküste, Claudia Blum das departamento Valle del Cauca, Eduardo Pizano Bogotá und Cundinamarca, Gustavo Galvis Santander (in Koalition mit MURCO) und Jorge Hernández das departamento Antioquia. Vgl.: Taylor 1996: 172. Valencia Cossio wurde in den für ihre Armut und Gewaltverbrechen berühmt berüchtigten nordöstlichen Wohnvierteln in Medellin geboren. Er gilt deshalb als Politiker, der sich hochgearbeitet hat. Seine politischen Aktivitäten in der Konservativen Partei begann er 1970 als Wahlhelfer des Präsidenten Misael Pastrana. Später war er Abgeordneter des Regionalparlaments von Antioquia und Mitglied des Repräsentantenhauses. Vgl.: El Tiempo, 5.1.1999. Vgl.: Taylor 1996: 273.

334

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

schaftswahl standen im departamento Antioquia entscheidende Stimmen auf dem Spiel.491 Bei seiner Wahl zum Senator 1994 trat Valencia Cossio im Namen einer Koalition zwischen PC und MFP an. Die Partei konnte damals vier Repräsentanten und zwei Senatoren in den Kongreß entsenden. Valencia Cossio ist durch seinen Reformdiskurs und für seine Kritik am Traditionalismus und Klientelismus der Konservativen Partei bekannt. Das geht auch aus seinem Wahlprogramm hervor.492 Gleichzeitig wird ihm vorgeworfen, daß er seinen Erfolg mit Hilfe der konservativen Parteimaschinerie aufgebaut hat. Die Bewegung gründet ihre guten Ergebnisse andererseits auf den Appell an regionale Werte - wie die eigenständige Identität der paisas — der Bewohner des departamento Antioquia. Nach seinem sehr guten Abschneiden im Senat wurde Valencia Cossio am 20. Juli 1998 zum Senatspräsidenten gewählt. Damit hatte erstmals in der kolumbianischen Geschichte diese wichtige Funktion (formal) kein Mitglied der traditionellen Parteien inne.493 Der Movimiento Nacional Progresista (MNP) hat den gleichen Ursprung wie der Movimiento Fuerza Progresista. Er ging ebenfalls aus der Faktion der Konservativen Partei um Emilio Valderrama Agudelo hervor.494 Die Partei wurde am 30. Juli 1987 von Guillermo Rodríguez Daza, Plinio López und William Rodríguez Hurtado in Bogotá gegründet. Die Mitglieder verstehen sich als eine rechts von der Mitte angesiedelte pluripartidistische Abspaltungspartei, die ihre Bande mit dem PC abgebrochen hat. Sie ist vor allem im departamento Cundinamarca und in Bogotá aktiv. In ihrem beim Nationalen Wahlrat registrierten Programm sind für eine konservative Partei erstaunliche Aussagen zu lesen: „Wir verachten und bekämpfen das kapitalistische System, das die Bedürfhisse des Volkes ignoriert."495 Der Movimiento Nacional Conservador (MNC) entstand aus einer Faktion des Ospina-Flügels des PC 1985 in Tenza (departamento Boyacá). Seine Repräsentanten waren zunächst vor allem dort und in Cundinamarca aktiv.496 Die Begründung für die Trennung von der Konservativen Partei, die Bertha Hernández de Ospina und Gustavo Rodríguez bei der Gründungsversammlung des MNC zu Protokoll geben, deutet auf persönliche Differenzen innerhalb der Parteiführung hin. Die ideologischen Unterschiede erscheinen belanglos: "Die Gründe, die zu fundamentalen Differenzen zwischen dem MNC und dem PC führten, liegen zum einen in Führungsschwächen, die die Konser491 492 493 494 495 496

Vgl.: El Tiempo, 20. 2. 1998. Vgl.: Valencia Cossio ohne Jahr: 4. Vgl.: El Tiempo, 27.12.1998. Vgl.: Taylor 1996: 273. Lincamientos ideológicos del Movimiento Nacional Progresista. Vgl.: Taylor 1996: 274.

335

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

vativen zu nicht verdienten Wahlniederlagen führten, wie die vom 9. März und vom 25. Mai 1986, aber auch im caudillistischen Führungsstil innerhalb der Partei und in der Tatsache, dem Jahrhunderte alten Namen der Konservativen Partei das Beiwort .sozial' hinzugefügt zu haben."497

Für den PC bereits 1986 im Kongreß, traten die Kandidaten der Partei erst in den 90er Jahren unter dem neuen Namen an. Gustavo Rodríguez Vargas gewann 1990 in Cundinamarca einen Senatssitz, vor allem aufgrund seines Erfolges in Bogotá. 1994 wurde er zusammen mit einem weiteren Repräsentanten im departamento Cundinamarca wiedergewählt. Im gleichen Jahr konnte die Partei ihren Einfluß auch im departamento Nariño ausbauen, als Juvenal de los Rios, ein langjähriges Mitglied der Konservativen Partei in dieser Region, ein Senatsmandat gewann. Auch er konnte seinen Erfolg 1998 wiederholen. Tabelle 61: Sitzverteilung der liberalen und konservativen Parteiströmungen im Kongreß 1986-1998 Organisationen Liberale Strömungen

PLC NL LIDER NC MAL MOL M98 MCP

Jahr 1986 1990 1991 1994 1998 156 185 143 144 132 ... ... ... ... 13 ... — — 2 1 — — 1 3 1 — — ... ... 1 ... ... ... ... 2 — — — — 1 — — — — 1

Insgesamt

169

185

146

148

138

Konservative Strömungen PC MSN MNC CI MFP MURCO NFD PDC Insgesamt

123

100





34 16 7 1 2

60 3 7 2 *6

43 2 11 3 4

...

4













...

...





123

104



8 5 73

**2



4

3





84

66

*

Beinhaltet Fabio Valencia Cossio und Juan Camilo Restrepo, die in einer Koalition mit dem Partido Conservador antraten. ** Beinhaltet Gustavo Galvis, der in Koalition mit der NFD antrat. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin. 497

Protokoll der Gründungsversammlung des MNC, 18.9.1986.

336

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

7.5

Das Scheitern alternativer Politikprojekte bzw. dritter Kräfte

Die durch die Reformen geschaffenen neuen Rahmenbedingungen sollten es nach vielen gescheiterten Versuchen498 ermöglichen, daß sich eine dritte politische Kraft im Parteiensystem herausbildet. Die größten Erwartungen, dies zu erreichen, waren zunächst in die Alianza Democrática M-19 (AD/M-19) gesetzt worden. Sie war aus der ehemaligen Guerillaorganisation M-19?" dem Frente Democrático (Wahlbündnis aus UNO,500 FIRMES und anderen linken Bewegungen sowie unabhängigen Gruppen), dem Frente Popular, Überläufern der Unión Patriótica, von Teilen der Sozialdemokratischen und Christdemokratischen Partei, politisch/sozialen Bewegungen wie Colombia Unida, Socialismo Democrático und Inconformes entstanden. Der AD/M-19 schlössen sich auch die Partei Esperanza, Paz y Libertad an, die von der demobilisierten Guerillagruppe Ejército Popular de Liberación (EPL) gegründet worden war, sowie die Ex-Guerillaorganisation Partido Revolucionario de Trabajadores.501 Trotz (oder vielleicht auch wegen) der Erschießung ihres bekannten Präsidentschaftskandidaten Carlos Pizarro erzielte sein Nachfolger Antonio Navarro bei den Präsidentschaftswahlen 1990 mit 13 Prozent der Stimmen einen Achtungserfolg. Bei den Urnengängen zur Verfassunggebenden Versammlung 1991 hatte die AD/M-19 rund 27 Prozent der Stimmen und 19 Sitze auf sich vereinigt. Antonio Navarro wurde Anfang der 90er Jahre in Umfragen als ein 498

499

500

501

Dazu zählen die von Gaitán gegründete UNIR, die verschiedenen Versuche von Antonio Garcia, Gerado Molina, Diego Montaña Cuéllar und Luis Carlos Pérez eine dritte Partei zu gründen, die harte Linie des MRL, der Post-Gaitanismus von Luis Emiro Valencia und Gloria Gaitán, der Frente Unido von Camilo Torres, Nueva Prensa von Alberto Zalamea, Teile der ANAPO, die Bewegung FIRMES, der Socialismo Democrático und verschiedene Regionalbewegungen. Vgl.: FUNDEPOP 1999: 2. Die Mitglieder der Guerillaorganisation bildeten der Kern der Alianza. Sie war aufgrund des von ihr angezeigten Wahlbetruges gegen den Präsidentschaftskandidaten Rojas Pinilla am 19. April 1970 entstanden. Sie wurde durch ihre spektakulären städtischen Guerillaaktionen bekannt. Einer ihrer ersten .Erfolge' war der Raub des Schwertes des Befreiers Simón Bolívar aus einem Museum in Bogotá. Dann folgte die Besetzung der dominikanischen Botschaft während einer Cocktailparty. Der Anfang des Endes der Guerilla begann 1985 mit der Okkupation des Justizpalastes in der Hauptstadt. Die Militärs bombardierten den Palast. Dabei kamen zahlreiche Guerillamitglieder und Geiseln, darunter mehrere hohe Richter, ums Leben. Vgl.: Pizarro Leongómez 1992: 182ff. LWO=Bündnis aus PCC, MOIR, MAC und PDC (1972). Der PDC zog sich kurz danach aus dem Wahlbündnis zurück, MOIR und MAC 1975. Trotzdem gebrauchten der PCC, einige mit ihm verbündete Organisationen, eine Teilfraktion der ANAPO und des MIL, weiterhin die Bezeichnung. Vgl.: Jaramillo/Franco 1993: 479 und Losada 1990a: lOff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

337

ernstzunehmender Gegner für die traditionellen Parteien gehandelt.502 Noch 1991 entsandte die Bewegung 13 Abgeordnete ins Repräsentantenhaus und stellte neun Senatoren. Doch seit der Wahl im März 1994 vertrat sie nur noch ein Repräsentant. Den Wahlstrategien der Liberalen Partei folgend, hatte die Alianza 24 Listen für das Abgeordnetenhaus und 12 für den Senat präsentiert und war dabei (u.a. am Wahlsystem) gescheitert. Bei den Wahlen 1991 hatten die Kandidaten noch alle eine landesweite Liste aufgestellt. Doch 1994 wollte keiner einen schlechten, hinteren Listenplatz einnehmen und so seine Nichtwahl riskieren. Alle hofften, daß ihr Wählerpotential ausreichend sei, um als Listenführer in den Kongreß einzuziehen. Aber die Wählerbasis der Alianza Democrática war stark zurückgegangen.503 1998 schließlich verlor die Bewegung ihre gesamte Repräsentation im Kongreß. Die ehemaligen Mitglieder der Alianza hatten entweder neue Parteien gegründet, sich anderen angeschlossen oder sie kandidierten als unabhängige Kandidaten. Antonio Navarro beispielsweise war bei seiner Wahl 1994 zum Bürgermeister von Pasto nicht mehr im Namen der Alianza Democrática angetreten. Ihren Vorsitz hatte er bereits 1993 niedergelegt. 1998 kandidierte er bei den Präsidentschaftswahlen nicht mehr selbst, sondern unterstützte die Kandidatin der tercería, Noemi Sanin. Navarro und sein Listennachfolger Gustavo Petro504 gewannen bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1998 für Bogotá jeweils ein Mandat. Im Anschluß daran ließen sie ihren Movimiento Vía Alterna offiziell als Partei registrieren.505 Sie bauten aber keine Mitgliederstrukturen, Parteibüros oder ähnliches auf, um die Partei gesellschaftlich stärker zu verankern. Sie sahen in Via Alterna zunächst eine Übergangsoption, die in ein geplantes größeres Projekt, einen Zusammenschluß nicht-traditioneller Kandidaten, münden sollte. Eduardo Chávez, der 502

503 504

505

In der traditionellen Jahresumfrage der Zeitschrift Semana antworteten Ende 1991 auf die Frage: „Welchen Kandidaten würden Sie wählen, wenn die Präsidentschaftswahlen heute wären?" 28,1 Prozent: Navarro Wolf (28,1% Ernesto Samper; 36.2 % Andrés Pastrana; 6,4 % weiß nicht; 1,2% keine Angabe). Bei der Frage, wer bis zum Jahr 2.000 kolumbianischer Präsident werden könne lag Navarro ebenfalls an dritter Stelle hinter Pastrana und Samper. Vgl.: Semana 7.1.1992: 41ff. Vgl.: Helfrich-Bemal 1995: 105ff. Petro ist Wirtschaftsexperte und gehörte seit 1978 der Guerillaorganisation M-19 an. Er zeichnete sich als Mitglied der Friedenskommission des Repräsentantenhauses aus und nahm an den Verhandlungen zur Reintegration der CRS teil. Er wurde dadurch bekannt, daß er immer wieder auf Korruptionsdelikte hingewiesen hatte. Beispielsweise beschuldigte er Alejandro Gaviria Trujillo und José Francisco Jattin. Er klagte gegen den früheren Präsidenten César Gaviria als dieser, ohne die Genehmigung des Senats einzuholen, die Anwesenheit US-amerikanischer Truppen auf kolumbianischen Staatsgebiet ermöglichte. Vgl.: Hoja de vida. Gustavo Petro Urrego ohne Jahr. Vgl.: http://www.viaalterna.com.co/viaalterna.htm.

338

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

wie eine Reihe anderer Mitglieder der AD/M-19 vorübergehend im diplomatischen Dienst tätig war, schloß sich der erfolgreichen Ex-Liberalen Ingrid Betancourt an. Sie hatte bei den Senatswahlen 1998 gegen den sector oficialista ihrer Partei - insbesondere gegen den Parteichef Horacio Serpa rebelliert. Chávez und Betancourt setzten sich im Wahlkampf 1998 für ein Referendum zur Reform der Wahl- und Parteiengesetzgebung ein, das Präsident Pastrana als Gegenleistung für die Unterstützung durch die Politikerin bei seiner Wahl zum Präsidenten durchführen wollte. Es scheiterte allerdings letztlich u. a. daran, daß durch die Volksabstimmung auch den Kongreßmitgliedern ihr Mandat entzogen worden wäre - eine Forderung die Ingrid Betancourt gestellt hatte.506 Yaneth Suárez, die 1994 den einzigen Sitz für die AD/M-19 im Repräsentantenhaus inne hatte, erhielt 1998 ihre Bürgschaft von der Alianza Democrática. Sie galt aber als Anhängerin der Bewegung des Sportkommentators aus Barranquilla, Edgar Perea (Partido Liberal Colombiano).507 Laura Pizarro, die ehemalige Frau des ermordeten Anführers der Guerillaorganisation M-19, Carlos Pizarro, erhielt nur 10.864 Stimmen, als sie im Namen des Movimiento Ciudadano antrat, der Partei des Senators und bekannten Ex-Bürgermeisters von Barranquilla, Bernardo Hoyos. Carlos Franco Echeverría (13.708 Stimmen), mehrere Jahre Präsident der AD/M-19, kandidierte für eine Mehrparteienkoalition im Senat. Er erzielte aber wie sein Parteifreund Fabio Villa kein Mandat. Germán Rojas Niño, früherer Kommandant der Frente Sur der Guerillaorganisation M-19, einer der Verhandlungsführer im Friedensprozeß bei deren Demobilisierung und 1998 Präsidentschaftskandidat für den von ihm im Juli 1997 neu gegründeten Movimiento 19 de Abril M-19, kam bei der Senatswahl nur auf 5.459 Stimmen. Sie reichten für ein Mandat nicht aus. Im Repräsentantenhaus war seine Partei mit 10.722 Stimmen ebenfalls erfolglos, obwohl sie in den departamentos Bogotá, Antioquia, Atlántico, Cauca, Cundinamarca und Nariño Kandidaten ins Rennen geschickt hatte. Bei der Präsidentschaftswahl 1998, bei der er trotz niedrigster Erfolgschancen antrat, machten die auf ihn entfallenen 16.939 Stimmen nur 0,16 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen aus.508 Rojas sah sich und seine Partei als eigentliche Nachfolgeorganisation der Guerillaorganisation M19 an. Bei ihrer Evaluierung des mangelnden Wahlerfolges kam die Partei auf der außerordentlichen Parteikonferenz vom 13. Dezember 1998 zu dem Schluß, daß die Wähler wohl durch die gleichzeitige Anwesenheit der AD/M19 auf dem Stimmzettel verwirrt worden wären.509 Rojas griff auf das Rechts-

506 507 508 509

Vgl.: Rodríguez 2000a: 28. Vgl.: El Tiempo, 9.3.1998. Vgl.: RNEC 1999. Vgl.: Protocolo de la Conferencia Nacional Extraordinaria del M-19 de Abril, 13.12.1998.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

339

mittel der acción de tutela zurück, damit seine Partei das Kürzel M-19 auf dem Stimmzettel tragen durfte. Die Richter lehnten die Klage aber ab.510 Carlos Alonso Lucio, der allerdings auch nicht mehr für die Alianza kandidierte, war das einzige im Senat erfolgreiche ehemalige Mitglied der AD/M-l 9. Er erzielte 70.581 Stimmen.511 Doch dies war ein sehr zweifelhafter Erfolg: Von 1995 an hatte sich Lucio, der zunächst die Korruption der traditionellen Parteien angeprangert hatte, selbst in Korruptionsskandale und Widersprüche verstrickt, u.a. bei der Verteilung von Verträgen an seine Mitarbeiter im Stadtrat von Bogotá und im Zusammenhang mit der Durchfuhrung eines Referendums zur Auslieferung der Drogenbosse an die USA. Nach seiner Trennung von der AD/M-l9 gründete er am 21. März 1996 aufgrund seines Kongreßmandates die Partei Ganas.su Auf einer Parteiversammlung beschlossen die Anhänger am 19.4.1997 Ganas in Movimiento Socialdemócrata Colombiano umzubenennen, weil man sozialdemokratisches Gedankengut teile.513 In einer erneuten Versammlung am 11. November 1997 entschied sich die Partei aber schließlich für den Namen Movimiento Simón Bolívar.514 Der Nationale Wahlrat erkannte den Namen nicht an,515 so daß die Bewegung schließlich als Movimiento Bolivariano bezeichnet wurde, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen .geheimen' politischen Organisation der FARC. Carlos Alonso Lucio machte schließlich im Jahr 2000 erneut negative Schlagzeilen. Er war aufgrund eines Haftbefehls gegen ihn wegen Betrugs516 und falscher Zeugenaussage Ende der 90er Jahre nach Kuba geflüchtet. Am 15. Januar 2000 kehrte Lucio über die grüne Grenze nach Kolumbien zurück und suchte in dem von der Guerillaorganisation ELN dominierten Territorium im Süden des departamento Bolívar Zuflucht. Nach einem gescheiterten Vermittlungsversuch zwischen ELN und dem Chef der kolumbianischen Paramilitärs (Autodefensas Unidas de Colombia, AUC), Carlos Castaño, lieferte letzterer ihn am 18. Juli 2000 an die Staatsanwaltschaft aus. Castaño beschuldigte Lucio, ein geheimes Treffen zwischen seiner Organisation und der Guerillaor510

511 512 513

514

515 516

Vgl.: Oficio Nr. 98-2521 de Carlos Ariel Sánchez (CA®). Nach Meinung von Gustavo Petro (Interview am 11.8.2000) wird Rojas künftig von Alleingängen absehen. Zu den Zahlen: RNEC 1999. Vgl.: Protocolo de la reunión del movimiento Ganas en Bogotá, 20.3.1996. Vgl.: Protocolo de la reunión de la dirección nacional del movimiento Ganas, 19.4.1997. Vgl.: Protocolo de la reunión de la dirección nacional del movimiento Ganas, 11.11.1997. Vgl.: Resolución 0006 de 1998, CNE. Ein Freund hatte für die Wahlkampagne Lucios 1994 mit seinen Grundbesitz gehaftet, um die Kreditaufnahme zu erleichtern. Lucio weigerte sich nach der Wahl, die Leihgabe an den Eigentümer zurückzugeben. Interview mit Luis Eduardo Célis, 8.9.2000.

340

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

ganisation ELN in Europa verhindert zu haben. Auf Anweisung des Obersten Gerichtshofes wurde Lucio im Gefängnis La Picota in Untersuchungshaft festgehalten.517 Ramiro Lucio und Rosemberg Pabön brachte die Presse auch in Zusammenhang mit dem Drogenkorruptionsskandal der Regierung Samper und dem Prozeß 8.000. Angeblich kandidierte Rosemberg für die Wahlen zum Bürgermeisteramt in Cali im Oktober 2000 mit Unterstützung des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt, Mauricio Güzman. Dieser war wegen seiner Kontakte zum Cali-Kartell beschuldigt und verurteilt worden.518 Rosemberg wurde andererseits auch für seine Erfolge als Bürgermeister von Jumbo (1997-2000) ausgezeichnet. Eine Reihe von Kandidaten der Alianza Democrätica M-19 und des Movimiento 19 de Abril M 19 traten wie beispielsweise Jorge Navarro Wolf 1998 in Repräsentantenhaus in Koalitionen an, entweder mit der Liberalen Partei oder mit auf dem ideologischen Spektrum eher links anzusiedelnden Parteien (CRS, UP, MOIR) und mit der ASI, einer der Parteien der indigenen Gemeinschaften. Ihr Wahlpotential reichte in vielen Regionen nicht mehr aus, um alleine in das Parlament einziehen zu können. Tabelle 62: Stimmenanteile und Sitzverteilung der Alianza Democrätica M-19 bei den Kongreßwahlen 1991,1994 und 1998 Institution Jahr Stimmen Sitze Repräsentantenhaus 1991 483.382 13 Senat 1991 454.467 9 Repräsentantenhaus 1994 Senat 1994 Repräsentantenhaus Senat

1998 1998

153.185 140.819 14.598 13.166

1 —

... —

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Obwohl die AD/M-19 sicherlich eine wichtige Rolle in der ANC gespielt hatte und auch eine gewisse Kontrollfunktion im politischen System zu übernehmen

517 518

Vgl.: Rodríguez 2000: 24ff.; Actualidad Colombiana Nr. 293, 16.8.2000: 8. Vgl.: El Espectador, 2.8.2000: 4A. In einem Interview (11.8.2000) mit Gustavo Petro wies der Politiker die Anschuldigungen gegen Lucio und Rosemberg mit lapidaren Argumenten zurück. Lucio sei eigentlich nie ein ,echtes' Mitglied der A/-79 gewesen und Rosemberg kandidiere doch gar nicht bei den Lokalwahlen in Cali. Beide Aussagen konnten als sachlich nicht richtig bezeichnet werden.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

341

bereit war,519 überwog bald die gegenüber der Partei vorgetragene Kritik. Das Scheitern der Alianza Democrática ist vor allem auf folgende Ursachen zurückzuführen: 520 a) Ihr fehlte ein echtes alternatives Politikprojekt. Die Alianza zeichnete sich durch programmatische Profillosigkeit, Pragmatismus und Konformismus gegenüber den Führungseliten aus. Die Zusammenarbeit mit und Unterstützung von Politikern und Faktionen der traditionellen Parteien, die eigentlich dazu dienen sollte, die Partei nicht als Organisation ehemaliger Guerilleros abzustempeln, sondern sie politisch integrativer zu gestalten, wurde ihr zum Verhängnis. Sie schloß Abkommen zur Unterstützung der Wahl liberaler oder konservativer Politiker im Austausch gegen andere Gefälligkeiten und arbeitete mit dem MSN in der Verfassunggebenden Versammlung zusammen. Sie beteiligte sich an der Regierung des ehemaligen Präsidenten Gaviria521 und trug dessen Reformen größtenteils mit. Das hat die Glaubwürdigkeit der AD/M-19 als dritte Kraft und Opposition erheblich geschwächt. Die Alianza glaubte selbst nicht daran, daß sie finanziell und machtpolitisch überleben würde, wenn sie nicht in die bürokratischen Strukturen des Staates eingebunden sei. Ihre Arbeit dort war von Kompromissen und zum Teil von Uneffektivität geprägt. Das hinterließ bei vielen Wählern den Eindruck von Regierungsunfähigkeit. b)

c)

Ihrem Vorsitzenden, Antonio Navarro Wolf, wurden Machtallüren bei gleichzeitiger Führungsschwäche und mangelnder Glaubwürdigkeit vorgeworfen. Er behauptete sich zwar als politischer Einzelkämpfer, aber nicht als Parteiführer. Einige seiner Kollegen, wie beispielsweise Gustavo Petro (der allerdings bei den Wahlen 1998 mit ihm auf einer gemeinsamen Liste antrat) oder Carlos Alonso Lucio, haben seinen Autoritarismus zunächst öffentlich kritisiert. Der Partei mangelte es an konkreten Ergebnissen ihrer parlamentarischen Arbeit. Dies konnte von dem individuellen Engagement einzelner Personen (wie etwa von Eduardo Chávez) nicht aufgehoben werden.

519

Beispielsweise zeigte César Augusto Rios am 11.10.1991 in einem Brief an den damaligen Leiter der Wahlbehörde, Luis Camilo Osorio, Wahlbetrug im departa-

520

Vgl.: Alvarez/Llano A. 1994: 66ff.; Equipo de Coyuntura Política 1994: 5; Pinzón de Lewin 1994a: 104ff.; Helfrich-Bernal 1995: 105f.; Boudon 1998: 16ff.; Protocolo de la Conferencia Nacional Extraordinaria del M-19 de Abril, 13.12.1997, Interview mit Antonio Angulo, 13.11.1994, mit Antonio Navarro, 4.9.2000 und Andrés Restrepo, 17.8.2000. Antonio Navarro übernahm von August bis November 1990 das Amt des Gesundheitsministers im Kabinett Gaviria. Er trat zurück, um sich an den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung zu beteiligen. Camilo González Pozo (ebenfalls AD/M-19) wurde sein Nachfolger. Vgl.: Coggins/Lewis 1992: 94.

521

mento Casanare an.

342

d)

e)

f)

g) h)

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Die AD/M-19 vernachlässigte die lokale Arbeit an der Basis. Gleichzeitig verhinderte die Führungsspitze den internen Aufstieg von Mitgliedern der Alianza aus Angst vor Konkurrenz. Die Organisation galt als intern zersplittert und organisationsunfahig. Sie war seit jeher über persönliche Gefühlsbeziehungen zusammengehalten worden, doch die Freundschaftsbeziehungen zerfielen. Die AD/M-19 zeichnete sich durch mangelnde innerparteiliche Demokratie in den Entscheidungsstrukturen aus. Die Führung der Partei blieb auch nach ihrer Öffnung immer in Händen ehemaliger Guerilleros wie Carlos Pizarro, Antonio Navarro, Rosemberg Pabón, Germán Rojas und Otty Patiño. Sie galt aufgrund der früher von ihr verursachten Gewalt für einen Teil der Wählerschaft als nicht wählbar. Obwohl sich die AD/M-19 als Sammelbewegung verstand, gelang es ihr nicht, in ausreichendem Maße soziale Gruppierungen wie die der Frauen, indígenas oder Afrokolumbianer zu integrieren.

War die politische Erfahrung, die die Mitglieder des Bündnisses sammeln konnten, also nutzlos? Dies sicherlich nicht. Ende 1998 schlössen sich reformorientierte Sektoren zu einer - wie sie es nennen - ,antiklientelistischen Front' zusammen. 522 Diese Alianza Política Colectiva, APC, hat seither einen wichtigen Diskussionsprozeß initiiert, der von den ehemaligen Führungsmitgliedern der AD/M-19 positiv eingeschätzt wird: „Dieser neuen Bewegung, dieser alternativen Option, die nun entsteht, wird sich sicher die Mehrheit der früheren M-19 anschließen, denn sie werden schnell die Botschaft verstehen. Bei der Registrierung Otty Patiños für das Bürgermeisteramt von Buga bei der Lokalwahlen 2000 waren alle führenden Mitglieder der früheren M-19 mit Ausnahme von Rosemberg Pabón anwesend. Dieser erneute Organisationsversuch wird eine reifere Erfahrung sein, ein umfassenderes politisches Projekt mit einer neuen Art von Parteimitglied, das den Anschluß an die Gesellschaft nicht verliert."523

Vor den Präsidentschaftswahlen 2002 schloß sich APC dem,linken' Präsidentschaftskandidaten Luis Eduardo Grazón (FSP) an. Zu befürchten bleibt (und es deutet sich auch schon an), daß dieses neue Bündnis - trotz gegenteiliger Behauptungen - einen Teil der Fehler der AD/M-19 wiederholen wird. Dazu zählen eine zu starke Konzentration auf den Wahlprozeß sowie individualistische, organisationsinterne Streitigkeiten und Profilierungsneurosen der Führungsmitglieder. Auch ein grundlegender Wandel der staatlichen Rahmenbe522 523

Vgl.: Vgl.: APC, Materiales de Trabajo und APC Noticias Nr. 2, Nov. 1999. Gustavo Petro, 11.8.2000.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

343

dingungen und die Beseitigung autoritärer Enklaven ist kurzfristig nicht zu erwarten. In diesem Kontext bleibt das politische Engagement nicht-traditioneller Politiksektoren immer noch eine Mutprobe.

7.6

Die Polarisierung des Parteiensystems

Die Einordnung der kolumbianischen Parteien auf einem Rechts-LinksSchema war schon immer problematisch.524 Zwar können auf der linken Seite des politischen Spektrums relativ unbedenklich Parteien wie der PCC, MOIR, die CRS und die UP angesiedelt werden. Die ideologische Rechte läßt sich allerdings sehr viel schwieriger bestimmen. Ein Sektor des Militärs, der sich in den 90er Jahren an Wahlen beteiligte, ist ohne große Probleme am rechten Ende des ideologischen Kontinuums anzusiedeln. In der Literatur wird auch der Movimiento de Salvación Nacional der Brüder Enrique und (vor seiner Ermordung) Alvaro Gómez - vor allem aufgrund der Tatsache, daß sie Söhne des extremistischen Ex-Präsidenten Laureano Gómez sind - ideologisch rechts verortet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich beim MSN um eine Sammelbewegung handelt. Innerhalb der traditionellen Parteien müßte man jeden Politiker auf seine ideologischen Positionen hin befragen. Sie sind nicht eindeutig zuzuordnen, werden aber mehrheitlich als Mitte/Rechts beschrieben. Eine im November 1995 durchgeführte Studie der Universität Salamanca zur Selbsteinschätzung der befragten Parlamentarier siedelte sie auf einer Skala zwischen eins und zehn bei 5.4, also leicht rechts von der Mitte an. Interessant ist dabei vor allem, daß die befragten Politiker der Konservativen Partei sich selbst wesentlich stärker der politischen Mitte zuordnen als sie ihre eigene Partei einschätzen. Tabelle 63: Ideologische Selbsteinschätzung und Einschätzung ihrer Parteien durch kolumbianische und iberoamerikanische Parlamentarier Selbsteinschätzung Parteieneinschätzung

Kolumbien 5,4 PLC PC 5,5

Iberoamerika 5,0

7,3

N-Kolumbien: 62 N-Iberoamerika: 899. Antworten auf die Frage: „Wenn Sie sich einmal eine ideologische Skala, auf der 1 den linken Rand und 10 den rechten Rand einnimmt, vorstellen, wo würden Sie sich selbst einordnen bzw. wo würden sie Ihre Partei einordnen?" („Utilizando una escala ideológica donde 1 sea izquierda y 10 derecha, dónde se situaría usted? / dónde ubicaría su propio partido político? ") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998:42.

524

T r o t z d e m wird diese Vorgehensweise sowohl von europäischen als auch von kolumbianischen Forschern gewählt. Vgl. dazu z.B.: Equipo d e investigación sobre élites parlamentarías 1998: 4 2 f f . u n d Sarmiento 2001: 62.

344

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Politiker, die dem PLC und dem PC nicht angehören, schätzen die beiden Parteien weiter rechts ein als dies ihre Anhänger tun. Vor allem die Konservative Partei wird von anderen mit 8,4 als sehr weit rechts verortet. Die kleinen Parteien (in der folgenden Tabelle unter der Kategorie .andere' zusammengefaßt) werden mit 4,7 leicht links von der Mitte eingestuft. Tabelle 64: Ideologische Einschätzung anderer politischer Parteien durch kolumbianische Parlamentarier PLC PC

Andere Parteien

6,4 8,4 4,7 *21 *46 •55 Es handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: „Wenn Sie sich einmal eine ideologische Skala, auf der 1 den linken Rand und 10 den rechten Rand einnimmt, vorstellen und ihre eigene Partei unberücksichtigt lassen, wo würden Sie die übrigen politischen Parteien einordnen?" („ Utilizando una escala ideológica donde 1 sea izquierda y 10 derecha, y excluyendo a su propio partido, dónde situaría usted a los otros partidos políticos? ") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 45. N *

Von Beyme schlägt vor, bei der ideologischen Einordnung der Parteien auch ihre Beziehungen zur Mafia, zu Todesschwadronen, Militärapparat und Guerilla zu berücksichtigen. Einem Teil der Linksparteien werden Beziehungen zur Guerilla und einer Vielzahl von Politikern der traditionellen Parteien Verbindungen zu Drogenmafia, Todesschwadronen und zu den Militärs unterstellt. Dies konnte in Einzelfallen auch nachgewiesen werden - beispielsweise durch den Prozeß 8.000, die Ermittlungen um die Ermordung der Präsidentschaftskandidaten Luis Carlos Galán und Carlos Pizarro und über das Massaker an der Zivilbevölkerung in Segovia 1988.525 In den meisten Konfliktregionen und Einflußbereichen der Guerilla und/oder der paramilitärischen Gruppen ist es außerdem üblich, daß sie vor allem bei den Wahlen Personen aufstellen, die ihnen nahestehen. Diese können den verschiedensten Parteien angehören. Ein bekanntes aktuelles Beispiel dafür ist etwa Max Alberto Morales, der bei den Kongreßwahlen 2002 im departamento Boyacá für das Repräsentantenhaus kandidierte. Morales hatte vor einigen Jahren der Regierung als Kontaktperson zu den Paramilitärs gedient und gilt, obwohl er dies selbst bestreitet, als einer ihrer politischen Repräsentanten. Auch Carlos Higuera Escalante, der für den Movimiento Convergencia Popular Cívica bei den Senatswahlen 2002 antrat, wird verdächtigt, Kontakte zu den Paramilitärs zu unterhalten. Er war einer der wichtigsten Repräsentanten der Zivilbevölkerung, die sich in dem sogenannten Movimiento no al despeje gegen die Einrichtung einer Entspannungszone im Rahmen der Friedensgespräche zwischen Regierung und der 525

Vgl. El Espectador, 23.12.1998; El Tiempo, 24.12.1998.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

345

Guerillaorganisation ELN eingesetzt hatten. Er unterstützt den liberalen Präsidentschaftskandidaten Alvaro Uribe Vélez, dessen positive Haltung zu den Paramilitärs einschlägig bekannt ist.526 Die traditionellen Parteien geben auch vor, daß Kandidaten der Guerilla oder der Paramilitärs in die Organisationen eingeschleust würden, ohne daß die Parteiführung es verhindern könne - ein Beleg für die mangelnde Kohäsion der traditionellen Parteien und die unzureichende Kontrolle durch den Ethikrat und die zentralen Parteiorgane.527 Vor allem wenn die Registrierung von Kandidaten - wie in Kolumbien in den letzten Jahren oft üblich - oft erst kurz vor Ablauf der Fristen bei der zuständigen Behörde eingehen, sind effektive Kontrollen unmöglich. Die traditionellen Parteien haben die staatlichen Sicherheitsdienste dabei aufgefordert, ihnen bei der Aufdeckung dieser .unliebsamen' Nestbeschmutzer zu helfen. In vielen Fällen sind solche Forderungen allerdings nur politische Propaganda: Bei sicherheitspolitischen Untersuchungen können durch simple Behauptungen und die gezielte Streuung von Gerüchten ebenfalls unliebsame politische Gegner ausgeschaltet werden.

7.6.1 Das linke politische Spektrum: MOIR, Unión Patriótica, Partido Comunista de Colombia, (Ex)-Guerillaorganisationen Der MOIR (Movimiento Obrero Independiente y Revolucionario) ist im Unterschied und in totaler Abgrenzung zur Kommunistischen Partei 1970 als eine Gewalt verneinende, antiimperialistische und maoistische Arbeiter- und Studentenpartei entstanden und nach dem sozialistischen Prinzip des demokratischen Zentralismus organisiert.528 Er nahm 1972 in dem linken Wahlbündnis der Frente Popular erstmals an Wahlen teil. Die Partei lehnte nicht nur die Guerilla, sondern auch den Reformprozeß um die A NC in der durchgeführten Form ab. Obwohl der MOIR selbst (zum Teil im Rahmen von Koalitionen) immer wieder an Wahlen teilnahm, war er auf der nationalen Ebene auch aufgrund seiner inkohärenten ideologischen Vorstellungen und internen Zersplitterung in mindestens drei Strömungen nur mäßig erfolgreich.529 Nach den Reformen gewann lediglich Jorge Santos (24.065 Stimmen) 1994 in Koalition mit dem Bloque Democrático Regional einen Sitz im Repräsentantenhaus. 1998 wurde er bei der Senatswahl nicht wiedergewählt. Der Partido Comunista de Colombia (PCC) war schon in den 30er Jahren gegründet worden. In den 40er Jahren mußte die Partei in den Untergrund ge526

527 528 529

Vgl.: El Tiempo, 24.1.2002. Der Familie Uribes werden auch Kontakte zum Drogenhandel nachgesagt. Interview mit Ingrid Betancourt, 25.3.2001. Für eine aktuelle Stellungnahme der Parteien dazu vgl.: El Tiempo, 24.1.2002. Vgl.: Estatutos del MOIR. Vgl.: Medina 1989: 151 und Interview mit Alvaro Angarita, 10.4.1999.

346

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

hen. General Rojas Pinilla verbot sie von 1954 bis 1957. Sie durfte sich aber auch während der Nationalen Front nicht auf eigenen Listen an Wahlen beteiligen. 1934 und zwischen 1945 und 1951 sowie zwischen 1974 und 1991 stellte sie zu fünf Präsidentschafts- und zehn Kongreßwahlen Kandidaten mit mäßigem Erfolg auf. 1942 und 1946 unterstützte die Organisation die Präsidentschaftskandidaten des Partido Liberal, in den 60er Jahren die Kandidaten des Movimiento Revolucionario Liberal. Zwischen 1970 und 1986 nahm der PCC an verschiedenen linken Wahlbündnissen teil.530 Seine enge Beziehung zur Guerillabewegung FARC hat ihm geschadet. Darin lag eine der Ursachen für die Ermordung kommunistischer Kandidaten und für das Mißtrauen vieler Wähler. Unter der Regierung Belisario Betancur gründete der PCC im Rahmen der Friedensverhandlungen mit der Guerillabewegung FARC die Unión Patriótica (UP). Die Kommunisten wollten die UP zu einer Sammelbewegung der Linken und dritten Kraft neben den traditionellen Parteien aufbauen.531 Die Partei war nach ihrer Gründung 1985 vor allem auf kommunaler Ebene, bei Bürgermeister- und Stadtratswahlen, erfolgreich. Bei den Wahlen 1986 ging sie eine Reihe von Koalitionen mit regionalen Bewegungen ein, entsandte fünf Senatoren532 und neun Repräsentanten533 in den Kongreß sowie 14 Abgeordnete534 in die Regionalparlamente. Außerdem gewann sie 350 Mandate in Stadt- und Gemeinderäten.535 Ihr im Oktober 1987 ermordeter Präsidentschaftskandidat Jaime Pardo Leal hatte bei den Wahlen 1986 fast 330.000 Stimmen erzielt und damit viermal mehr als frühere Kandidaten der Kommunistischen Partei. Sein Nachfolger Bernardo Jaramillo viel im März 1990 ebenfalls einem Attentat zu Opfer.536 Auch die UP wurde beschuldigt, lediglich der politische Arm der Guerillabewegung FARC zu sein. Doch obwohl sie aus der illegalen Gruppierung hervorgegangen war, betonte die Partei immer wieder ihre Unabhängigkeit.537 Dennoch sahen die Todesschwadronen darin die Rechtfertigung für die Ermordung von Führungspersönlichkeiten und Anhängern der UP. In Tumaco,

530

531

532 533 534 535 536 537

Vgl.: Jaramillo/Franco 1993: 478f.; Medina 1989: 149ff.; Coggins/Lewis 1992: 93; vgl. auch: Aguirrázabal 1976: 7ff. sowie Buenaventura 1977 und 1979. Der UP schlössen sich neben zahlreichen sozialen Bewegungen der Movimiento de Autodefensa Obrera (ADO) an. Vgl. auch zu ihren Beziehungen zum PCC: Anzola 1989: 160ff.; Plataforma de la Unión Patriótica und Documentos del VII Pleno Nacional 1988: 23ff. sowie Buenaventura 1985 und 1987. Davon zwei Stellvertreter. Davon drei Stellvertreter. Davon vier Stellvertreter. Vgl.: Anzola 1989: 162ff. Vgl.: Buenaventura 1987: 94ff. und Americas Watch 1989: 59ff. Vgl. dazu die Erklärungen der Dirección Nacional vom 20. Februar 1989 in: Anzola 1989: 163.

347

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

dem Ort meiner Fallstudie, konnten sich ihre Anhänger nicht offen mit der Partei identifizieren: „Hier in Tumaco gibt es eine Menge Anhänger der Kommunistischen Partei und der Unión Patriótica, aber durch diese Einschüchterungskampagne, die der Staat gemacht hat, halten sich die meisten bedeckt."538 Aufgrund einer seit ihrer Gründung anhaltenden Gewaltwelle war ihre Präsenz im Kongreß 1991 bereits auf vier Politiker geschrumpft. 1994 gelang es schließlich nur noch Manuel Cepeda, in den Senat einzuziehen. Mit 51.032 Stimmen hatte er für die Partei den 15. Platz im Senat und damit einen Achtungserfolg erzielt. Doch ein paar Monate später wurde er ebenfalls von Todesschwadronen erschossen. Damit teilte er das Schicksal von rund 3.000 Aktivisten der UP. Tabelle 65: Stimmenanteile und Sitzverteilung der Unión Patriótica/ Partido Comunista bei den Kongreßwahlen 1990-1998 Institution Jahr Stimmen 26.682 Repräsentantenhaus 1990 35.274 Senat 1990 Repräsentantenhaus 1991 Senat 1991

94.393 69.339

Repräsentantenhaus 1994 Senat 1994

39.891 51.032

Repräsentantenhaus 1998 *24.668 Senat 1998 **23.613

Sitze 1 —

3 1 —

1 — —

* W u n d PCC ** Nur PCC Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

1998 war die Kommunistische Partei wieder unter ihrem eigenen Namen mit Edgar Ortiz (23.613 Stimmen) angetreten, der allerdings nicht in den Senat gewählt wurde. Der PCC erzielte insgesamt nur 23.613 Stimmen und verlor damit alle Mandate im Kongreß und seine Anerkennung als politische Partei. Im Namen der UP kandidierte Wilson Borja für das Repräsentantenhaus in Bogotá. Auch er schaffte mit 10.487 Stimmen den Einzug in die zweite Kammer nicht. Als eine ihrer Wahlstrategien, um nicht ganz von der politischen

538

Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994.

348

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Bühne zu verschwinden, ging die UP immer mehr dazu über, in Koalitionen 539

anzutreten. Hauptursache für das Scheitern beider Organisationen war die gegen sie gerichtete Ausrottungskampagne. Hinzu kam die Veränderung der internationalen Konjunktur für kommunistische und sozialistische Parteien. Außerdem muß die regionale Begrenzung des Wahlpotentials der Parteien auf die Kolonisierungsgebiete des Landes berücksichtigt werden. Ihre Hochburgen lagen in den Regionen Urabá, Magdalena Medio, Teilen der departamentos Arauca, Meta und Caquetá. Akzeptable Wahlergebnisse erzielte die UP auch in den departamentos Hulia, Tolima und Cundinamarca. In den großen Städten war ihr aber verhältnismäßig wenig Erfolg beschert.540 Die Integration linker politischer Kräfte ins politische System und die Wiedereingliederung von Guerillaorganisationen sollte vor allem dazu beitragen, Konflikte innerhalb der Institutionen auszutragen. Ein weiteres Ziel war die Reduzierung des Gewaltpotentials. Diese Politik war allerdings nur bis zu einem gewissen Grad erfolgreich. Zwar konnten EPL, PTR und Quintin Lame zur Beteiligung an Wahlen bewegt werden. Die politisch aktiven Mitglieder dieser Gruppen spielen aber heute kaum mehr eine Rolle bei der Definition politischer und ökonomischer Entscheidungen in Regierung und Kongreß. Während der Friedensgespräche der Regierung mit der Corriente de Renovación Socialista (CRS54) wurden rund 100 ihrer Mitglieder und am 22. September 1993 die für diesen Prozeß anerkannten Sprecher Enrique Buendia 539

540 541

Interview mit Flavio Bedoya, 13.10.1994 und mit Bernardo Jaramillo, 1.2.1991. Im departamento Arauca, eine der früheren Erfolgsregionen der UP, trat Octavio Sarmiento in Koalition mit dem PLC an, ebenso Germán Medina im departamento Caquetá und Germán Jaramillo im departamento Valle. Diese Kandidaten schafften aber dennoch den Einzug in den Kongreß nicht. Die UP unterstützte außerdem Kandidaten der Liberalen Partei oder schickte ihre Kandidaten selbst mit einer Bürgschaft (aval) des PLC ins Rennen um die Mandate. Man darf deshalb nicht nur die Parteizugehörigkeit analysieren. Ein Beispiel dafür ist Sonia Vásquez, die bei den Kongreßwahlen 1998 eine Koalition mehrerer linker Parteien repräsentierte, deren 13.311 Stimmen aber dennoch nicht für ein Mandat ausreichten. Außerdem unterstützte die Kommunistische Partei Carlos Pineda, der ohne Erfolg für den Partido Liberal angetreten war. Andere Kandidaten, die dem linken Spektrum zuzuordnen sind, wie Aurelio Suarez (Riseralda 11.034 Stimmen, in Koalition mit der AD/M-19 und dem MOIR) waren ebenfalls nicht erfolgreich. Gewählt wurden lediglich zwei der als der Kommunistischen Partei nahestehend geltenden Politiker: Jorge Gómez (Liberaler aus dem departamento Santander) mit 45.331 Stimmen und Octavio Sarmiento mit 8.386 Stimmen, der für das departamento Arauca im Rahmen einer Koalition in den Kongreß einzog. Vgl.: El Tiempo, 10.3.1998. Vgl.: Gilhodes 1996: 82. Die CRS ist eine Abspaltung des ELN, die 1994 nach Verhandlungen mit der Regierung Gavina legalisiert wurde.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

349

und Ricardo González offenbar vom Militär aus nächster Nähe erschossen. Der CRS sprach die Regierung 1994 im Rahmen der Friedensverhandlungen zwei Sitze im Repräsentantenhaus 542 und einen im Senat543 zu.544 Die Gruppierung mußte aber bei den Wahlen ihre Parteilisten in den departamentos Córdoba, Sucre, Caquetá und Antioquia zurückziehen.545 1998 erhielt León Valencia bei den Kongreßwahlen 13.254 Stimmen, die allerdings für ein Mandat nicht ausreichten. Nach der Wahl mußte er wegen Todesdrohungen ins holländische Exil gehen. 546 Die Kandidaten des Partido Revolucionario de los Trabajadores, die bei den Lokalwahlen 1997 im departamento Sucre antreten wollten, wurden ermordet. Im departamento Bolívar übten Todesschwadrone Attentate auf sie aus. Nur die Kandidaten von Esperanza Paz y Libertad konnten in den Städten Apartado, Carepa, Turbo in der Region Urabá die Wahlen gewinnen. 547 Allerdings waren dies sehr zweifelhafte Erfolge, die mit hohen Kosten für die Zivilbevölkerung verbunden waren. Die ehemaligen Kämpfer des EPL hatten sich zum Teil paramilitärischen Gruppen angeschlossen und lieferten sich einen erbitterten Kampf mit der Guerillaorganisation FARC, der Unión Patriótica, der Kommunistischen Partei und ihr nahestehenden Gewerkschaftsmitgliedern, der Hunderte von Menschenleben forderte.548 Es zeigte sich, daß die ehemaligen Guerillaorganisationen, ohne daß der Staat ihnen Sonderkonditionen für die Wahl einräumte, und ohne daß autoritäre Enklaven auf der Staats- und Gesellschaftsebene beseitigt worden wären, kein ausreichendes Wählerpotential aufbauen konnten. Dies stellt nicht gerade einen Anreiz für die derzeit noch aktiven Guerillagruppen ELN und FARC dar, sich ins legale politische Leben zu integrieren. Die Linke hat insgesamt das Problem, daß sie sich aufgrund unterschiedlicher ideologischer Tendenzen in zu viele Parteien aufgespalten hat. Sie kämpften oft in den gleichen Regionen um die wenigen ihr positiv gestimmten Wähler.549 Nach den Wahlen 1998 gab es eine Reihe von Bemühungen, neue Bewegungen zu gründen, bestehende Gruppen zu Bündnissen zusammenzuschließen und dadurch die sich in Abgrenzung zur .bewaffneten Linken' als

542 543 544 545

546 547 548

549

Fernando Herández und Adolfo Bula. Gabriel Boija. Vgl.: Gaitán et al.1995: 122. Vgl.: El Tiempo, 12.10.1993; Hamann 1995: 141 und Interview mit León Valencia, 16.7.1998. Interview mit León Valencia am 16.7.1998. Vgl.: Pizarro Leongómez 1998: 98. Interview mit Miguel Eduardo Cárdenas, 1.11.1997. Vgl. für mehr Details die Erläuterungen zur Situation in Apartado im Kapitel über die Bürgermeisterwahlen. Herrera Zgaib 1998: 2ff.

350

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

.demokratische Linke' 550 bezeichnenden Splittergruppen unterschiedlichster Provenienz zu bündeln. Ansätze dazu entstanden in der Gewerkschaftsbewegung im Rahmen des Dachverbandes CUT,551 außerdem um Jesús Carlos Bula in der Stiftung FUNDEPOP, innerhalb des Partido Socialdemócrata Colombiano, des PCC und der CRS. Eine wichtige Initiative stellte das Treffen552 linker politischer Parteien, NROs und Gewerkschaften vom 14. bis zum 16. Mai 1999 in Yumbo unter der Schirmherrschaft des damaligen Bürgermeisters (1997-2000) und ehemaligen Af-79-Mitgliedes Rosemberg Pabón dar.553 Ende der 90er Jahre gab es weitere Bemühungen zur Reorganisation der kolumbianischen ,Linken'. Wichtig sind dabei vor allem die Gründung des Partido Socialista Democrático unter Führung von Angelino Garzón und Orlando Fais Borda.554 Bedeutend ist auch die auf einem Kongreß der CUT 1999 ins Leben gerufene Frente Social y Político (FSP). Die sich als Sammelbewegung linker Gruppierungen verstehende Organisation555 versucht nach dem Vorbild der Frente Uruguayo, die 28 soziale und politische Gruppierungen vereint, eine demokratische Alternative zur .bewaffneten Linken' zu bilden. Der Großteil der Frente sucht sich von den beiden Guerillabewegungen abzugrenzen. Der FSP leidet allerdings - wie die meisten politischen Zusammenschlüsse in Kolumbien - unter interner Zerstrittenheit. Gründe dafür sind die heterogene Zusammensetzung, eine unzureichende Kooperationskultur sowie mangelndes Vertrauen der Bündnispartner untereinander aufgrund negativer historischer Erfahrungen. 556 Die Guerillaorganisation FARC gründete 550 551 552 553 554

555

556

Izquierda democrática. Central Unitaria de Trabajadores. Encuentro Ciudadano por la Democracia. Vgl.: Encuentro Ciudadano por la Democracia 1999 ohne Jahr: 4f. Die Partei geriet allerdings in ernsthafte Glaubwürdigkeitsprobleme als ihr führender Kopf, Angelino Garzón, den Posten des Arbeitsministers unter der Regierung Pastrana annahm (Interview mit Luis Eduardo Garzón, 1.8.2000; vgl. auch Sarmiento 2000: 14). Daran beteiligt sind die Unión Patriótica, die Kommunistische Partei, die Corriente de Renovación Socialista, die wichtigsten in der Gewerkschaftszentrale CUT vereinigten Gewerkschaften, die Red de Iniciativas Ciudadanas contra la Guerra y por la Paz, die Comisión de Conciliación Nacional, die Unidad Democrática, Presentes por el Socialismo, der Partido Socialista Democrático, einige regionale und kommunale soziale Bewegungen sowie Persönlichkeiten aus dem Universitäts- und Unternehmersektor, Führungspersönlichkeiten aus dem Friedensprozeß und ehemalige Militärangehörige (Actualidad Colombiana Nr. 286, 26.4-10.5.2000: 1). Vgl. ausführlicher zur FSP'. FSP, Documento para el Debate Nr. 1, Mai 1999, Manifiesto FSP und Revista de El Espectador Nr. 2, 30.7.2000: 8ff. Diskussionen innerhalb des FSP löste beispielsweise eine gewagte Aussage Luis Eduardo Garzóns in einem Interview mit der Zeitschrift des El Espectador aus. Laut Garzón geht die Bevölkerung nicht davon aus, daß ihre Probleme durch einen strategischen, sozialistischen Diskurs gelöst werden. In den verschiedenen Regio-

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

351

außerdem den Movimiento Bolivariano por la Nueva Colombia. Dabei handelte es sich um eine .geheime' politische Organisation, die aufgrund der Erfahrungen mit der Unión Partriótica zunächst nicht legalisiert werden sollte.557 Die heute noch aktiven Guerillaorganisationen vertraten traditionell unterschiedliche Positionen zur Partizipation im politischen System. Der ELN stand Wahlen grundsätzlich negativ gegenüber. Er begründete seine Haltung mit der mangelnden Fairneß der traditionellen Parteien und der .Oligarchie' gegenüber .linken' politische Parteien. Nur 1991, als es um die Wahlteilnahme der ihm nahestehenden Basisgruppe A Luchar in der Verfassunggebenden Versammlung ging, wurde diese Haltung zeitweise angezweifelt.558 Auch die Corriente de Renovación Socialista, CRS, die später unabhängig vom ELN Friedensverhandlungen führte, beteiligte sich nach der Niederlegung ihrer Waffen an Wahlen. Dieser Flügel der Guerillaorganisation vertrat, auch als er noch Teil des ELN war, zum Teil andere Positionen zur politischen Partizipation.559 Die Guerillaorganisation FARC hatte in der Vergangenheit ,alle Formen des politischen und militärischen Kampfes' verteidigt. Dazu gehörten auch Wahlen. Zu Wahlzeiten legte sie sogar zeitweise die Waffen nieder, um ihren .demokratischen' Willen zu beweisen. So ermöglichte die Guerilla der

557

558

559

nen des Landes erwarteten die Bürger vielmehr konkrete, technische Lösungen ihrer Probleme. Andere Sektoren des Bündnisses beharren dagegen auf der sozialistischen Systemalternative. (Revista de El Espectador Nr. 2, 30.7.2000: 11). Wieder ein anderer Teil des FSP, vor allem die CRS, möchte die Beziehung zu dem von Horacio Serpa und Maria Emma Mejia geführten Teil der Liberalen Partei stärken. Sie hätten den Chef des Gewerkschaftsdachverbandes CUT, Luis Eduardo Garzón, gerne als künftigen Vizepräsidentschaftskandidaten von Horacio Serpa bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002 gesehen, doch dieser entschloß sich zu einer unabhängigen Kandidatur. Ein Teil der MOIR, der sich ihr ursprünglich angeschlossen hatte, verließ den FSP bereits wieder (Interview mit Orlando Fais Borda (PSD) und dem Präsidenten der CUT Luis Eduardo Garzón, 1.8.2000; vgl. auch Sarmiento 2000: 14). Interview mit einem Repräsentanten der Guerillaorganisation FARC, der nicht genannt werden wollte, im Instituto de Estudios Políticos y Relaciones Internacionales der Nationaluniversität in Bogotá am 3.5.1999. Vgl. ausführlicher zu der Organisation: Helfrich-Bernal 2001a: 85f. A Luchar war am 28. Mai 1984 gegründet worden. Die Gruppe lehnte Friedenspläne und Wahlen als Formen des politischen Kampfes ab. A Luchar wollte vielmehr die direkte Mobilisierung der Bevölkerung bei Demonstrationen, Streiks und. Landbesetzungen. Die Organisation umschrieb diese Art der Partizipation mit dem Schlagwort .Volksmacht' (poderpopular), die es vor allem in den Regionen aufzubauen galt. In Anbetracht der Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung überdachte die Gruppe allerdings ihre Position. Interview mit Luisa Navas, 3.11.1994. Vgl. zu den Zielen der Bewegung auch: Comité Ejecutivo Nacional A Luchar 1989: 181ÍT. Interview mit León Valencia, 16.7.1998.

352

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Kommunistischen Partei (bzw. später der Unión Patriótica), an den Urnengängen teilzunehmen. Ihre Entscheidung, die Wahlen 1997 generell, also auch dort, wo ihnen nahestehende Parteien und soziale Bewegungen möglicherweise Wahlchancen gehabt hätten, zu boykottieren, entsprach einem zumindest vorübergehenden qualitativen Wandel in dieser Position.560 Er zeugte aber auch von der Distanz zwischen FARC und der Kommunistischen Partei, die sich zunehmend herauskristallisierte. Der Boykott von Wahlen diente auch dazu, Stärke zu demonstrieren und die Ausgangsbasis fiir Friedensverhandlungen zu verbessern. Das Verhalten der FARC ist außerdem auf die schlechten Erfahrungen der UP bei ihrer Integration ins politische System und auf die allgemeine Radikalisierung der Guerillaorganisation in den letzten Jahren zurückzufuhren.561 Die Organisation verknüpfte mit dem Wahlboykott die Forderung nach einer Demilitarisierung verschiedener Kommunen innerhalb ihrer Einflußzonen im Süden des Landes. Diese gestand ihr der Staat allerdings erst später im Rahmen der Friedensverhandlungen nach dem Amtsantritt der Regierung Pastrana bis zu ihrem Abbruch im Frühjahr 2002 zu. Bei den Wahlen im Jahr 2000 vertrat sie dagegen eine völlig andere Strategie. In einem von der Wochenzeitschrift Semana nach den Wahlen veröffentlichten Kommuniqué betonte die Organisation: „Wir werden uns dafür einsetzen, daß die Kandidaten des Volkes in demokratischen Versammlungen aufgestellt werden, daß sie ihre Programme gemeinsam mit der Bevölkerung erarbeiten und sich dazu verpflichten, regelmäßig über ihre administrativen Tätigkeiten Rechenschaft abzugeben. Unsere Hilfe erhalten, wenn dies nötig erscheint, lediglich Kandidaten der sozialen Bewegungen. Der Krieg gegen die Kandidaten des Paramilitarismus geht weiter, ebenso die Blockade der Kandidaten und Kampagnen der traditionellen Parteien in unserem Einflußgebiet."562

Auch bei einem Treffen zwischen fuhrenden Mitgliedern der FARC, 19 Bürgermeistern und dem Präsidenten des Gemeindeverbandes (Federación Colombiana de Municipios) im Mai 2000 betonte die Guerilla, daß es in ihrem Einflußgebiet keine Kandidaten der traditionellen Parteien geben werde, sondern lediglich solche, die von den ,Volksmassen' bestimmt würden. Die neue Haltung der FARC war im Zusammenhang mit den Friedensverhandlungen zu sehen. Für die Organisation ging es jetzt nicht mehr nur darum, einen aus ihrer Sicht illegitimen Prozeß zu blockieren, sondern ihren Einfluß in den Gemeinden im Hinblick auf eine künftige Beteiligung an der Macht zu testen und möglichst viele ihr nahestehende Politiker dort zu verankern. 560 561 562

Interview mit Miguel Eduardo Cárdenas, 1.11.1997; vgl. auch: Rangel 1997: 55. Vgl.: El Espectador, 18.10.1997. Semana, 7.8.2000: 34.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

353

Der .EXN konnte bei den Wahlen 2000 aufgrund seiner geschwächten Situation die traditionelle Boykotthaltung nur begrenzt durchsetzen. Er kündigte an, alle in ihrem Einzugsgebiet aufgestellten Kandidaten für die Bürgermeisterwahl zu entführen, machte sein Vorhaben schließlich aber nicht wahr. Er entführte .lediglich' einige Tage den Secretario de Gobierno und den Präsidenten des Stadtrates in Cali, verbunden mit der Forderung, daß sie über ihr bisheriges Regierungsprogramm Rechenschaft ablegen sollten.563 Damit übernimmt die Guerilla Kontrollfunktionen, die in demokratischen Regimen anderen Akteuren vorbehalten sind. Sie etabliert eigene Maßstäbe zur Evaluierung von gewählten Funktionsträgern. Auch diese Aufgabe müßten staatliche Stellen und die Bürgerschaft selbst übernehmen.

7.6.2 Das rechte politische Spektrum: Die Repräsentanten des Militärs Die Streitkräfte sahen traditionell in Kolumbien einen Großteil ihrer Interessen durch den militärischen Apparat selbst vertreten. Er verhielt sich zwar im Unterschied zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern überwiegend loyal gegenüber den gewählten Regierungen. Der Preis dafür lag aber in einer relativen Autonomie in Fragen der sogenannten öffentlichen Ordnung'. Nach außen stellte sich die Institution als .apolitisch' dar, da die offizielle Teilnahme von Militärangehörigen und Sicherheitskräften an der Politik durch zahlreiche Maßnahmen, wie beispielsweise das bis heute bestehende aktive und passive Wahlverbot, unterbunden wurde. Die Militärs waren nicht dazu legitimiert und hielten es auch nach ihrem Rückzug aus dem aktiven Dienst zunächst nicht für notwendig, eine Partei zu gründen/ 64 Erst nach den Reformen von 1991 — und in Anbetracht zunehmender Diskrepanzen zwischen einem Teil der politischen Elite und dem Militärapparat - versuchten ehemalige Militärangehörige, ihre eigene politische Repräsentation aufzubauen. Schon an den Präsidentschaftswahlen 1994 hatte der frühere Chef der Sicherheitsbehörde DAS,565 Miguel Maza Márquez, ohne großen Erfolg teilgenommen. 1998 kandidierte er mit seiner am 13. November 1997 gegründeten Bewegung Concertación Cívica Nacional erfolglos für den Kongreß. Das wohl wichtigste Projekt der Militärs war 1998 die Beteiligung an den Präsidentschaftswahlen des zwangsweise durch die Regierung Samper in den Ruhestand versetzten Generals Harald Bedoya. Man hatte vermutet, und die Umfragen bestätigten dies auch, daß seine Bewegung Fuerza Colombia dabei einen gewissen Erfolg haben würde, da in Kolumbien angesichts regionaler bürger-

563 564

565

Vgl.: El País (Cali), 15.8.2000. Vgl. dazu auch Pinzón de Lewin 1994: 7ff.

Departamento Administrativo de Seguridad.

354

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

kriegsähnlicher Zustände immer wieder eine mano dura566 verlangt wird. Laut ihrer Statute fordert die Partei die „...Wiederherstellung und den Erhalt der moralischen und rechtlichen Autorität in Kolumbien." 567 Bedoya, der sich geweigert hatte, dem Wahlbündnis der Präsidentschaftskandidatin Noemi Sanin beizutreten, mußte allerdings mit rund 1,8 Prozent der Stimmen eine für ihn enttäuschende Niederlage verschmerzen. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2002 standen die Chancen des Kandidaten schlecht. Ricardo Emilio Cifuentes und Fernando Vargas, die bei den Senatswahlen für den Movimiento Fuerza Colombia antraten, erzielten kein Kongreßmandat. 568 Der Erfolg der Ex-Militärs war also sowohl bei den Kongreß- als auch bei den Präsidentschaftswahlen mehr als mäßig. Nur der ehemalige Unteroffizier Luis Elmer Arenas Parra der Bewegung Vanguardia Moral y Social de Colombia, Vamos Colombia, der Partei der Reservisten der Militärs, erzielte mit 40.298 Stimmen einen Sitz für den departamento Cundinamarca im Parlament. 569 Auch die Ermordung von Alvaro Gömez (MSN) verdeutlichte, daß auf der rechten Seite des politischen Spektrums nur wenig Spielraum vorhanden ist. Bisher waren kolumbianischen Wähler stark an der politischen Mitte orientiert. Extremistische Positionen hatten nur wenig Chancen bei Wahlen. Doch mit dem zunehmenden politischen Gewicht und der immer deutlicheren Einflußnahme der Paramilitärs auf die Wahlen könnte sich dies in Zukunft verändern. Bei einer Befragung, die das Unternehmen Invamer Gallup am 2. Oktober 2000 durchführte, ordneten sich 12 Prozent der Befragten eher links, 31 Prozent eher rechts und 37 Prozent in der politischen Mitte ein.570

566 567

568 569

570

Etwa: starke Führung. Vgl.: Estatutos del Movimiento Vanguardia Moral y Social de Colombia, Vamos Colombia.

Der Movimiento Fuerza Colombia erzielte im Repräsentantenhaus 1998 46.370 Stimmen, im Senat 44.587. Vgl.: El Tiempo, 9.3.1998. Vamos Colombia kam 1998 im Repräsentantenhaus insgesamt auf 33.598 Stimmen, im Senat auf 65.824. Die hohe Zahl deijenigen, die mit „keine Antwort" auf die Frage reagierten (20%) deutet allerdings auf die Schwierigkeiten mit der Fragestellung hin. Sympathien mit der Guerilla hatten 21 Prozent der Befragten mit linker politischer Tendenz, 27 Prozent der Rechten gaben Sympathien für die Paramilitärs an. Vgl.: Semana Nr. 961.

355

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Schaubild 8: Ideologische Selbsteinordnung befragter Spanier und Lateinamerikaner auf dem Rechts-Links-Schema Spanien Venezuela Uruguay Peru Mexiko Ecuador Costa Rica Bolivien Kolumbien 0

2

4

6

8

10

Skala 1-10; dabei l=links; 10=rechts. Quelle: Centro Nacional de Consultoria (Kolumbien), Tercer Barómetro Iberoamericano, September 1993, zitiert nach Cotler 1995: 120. Die gestellte Frage wird von den Autoren nicht aufgeführt.

Carlos Castaño, der sich bei den Lokal- und Regionalwahlen 1997 noch an der Blockade beteiligt hatte, kündigte für die Wahlen 2000 keinen Boykott an. Er wolle keine eigenen Kandidaten aufstellen, werde auch linke Kandidaten tolerieren, mit Ausnahme derer, denen Korruptionsvorwürfe nachzuweisen seien. Dies wurde in erster Linie als Taktik Castaños interpretiert, sich als politisch ernstzunehmende Alternative zu etablieren. Andererseits wurden Stellungnahmen eines Repräsentanten der AUC im departamento Valle bekannt, in denen alle Kandidaten, die die zwischen Regierung und FARC eingerichtete Entspannungszone besucht hatten, zum .militärischen Ziel' erklärt wurden. Tatsächlich behielten die AUC vor allem ihre Taktik, ihnen nahestehende Kandidaten in ihrem Einflußgebiet durchzusetzen, bei.571 Der liberale Präsidentschaftskandidat Horacio Serpa hatte im Februar 2002 auf den großen Einfluß der Paramilitärs im Norden Kolumbiens aufmerksam gemacht, der sich auch auf die Wahlen auswirken werde. Nach den Wahlen zum Kongreß im März 2002 verlautete der Sprecher der Autodefensas Unidas de Colombia (AUC), Salvatore Mancuso, daß die Gruppierung erfolgreicher als erwartet' gewesen sei. 35 Prozent der gewählten Politiker seien Anhänger der Ideen der

571

Die Zeitschrift Cambio 16 spricht in ihrer Ausgabe vom 18.12.2000 von 14 Kommunen, in denen die AUC die Bürgermeister stellten. Tatsächlich dürfte diese Zahl aber wesentlich höher liegen.

356

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

AUC. Nach so kurzer Zeit der politischen Aktivität der Paramilitärs habe man dieses Ergebnis nicht erwartet. Er sprach ebenfalls von einem „Triumph der Demokratie".572 Die Einflußnahme der Gewaltakteure auf den politischen Prozeß verdeutlicht, daß die Konfrontationslinie im Parteiensystem durch die Verschärfung des Konfliktes längst nicht mehr nur zwischen traditionellen und nicht-traditionellen Parteien verläuft. Die Haltung der Politiker zu Guerilla, Paramilitärs und Drogenmafia wird, wenn es nicht zu einer friedlichen Beilegung des Gewaltkonfliktes kommt, immer größeren Einfluß auf die Entwicklung und Dynamik des Parteiensystems nehmen. Einerseits kann die mangelnde Integration des legalisierten linken und rechten politischen Sektors ins politische System (trotz verbesserter rechtlicher Voraussetzungen) auch heute noch als eine (keineswegs als einzige) Ursache der politischen Gewalt angesehen werden, denn die mangelnde Rechtsstaatlichkeit und die Entinstitutionalisierungstendenzen verweisen politische Akteure auf extrainstitutionelle Handlungskorridore. Andererseits kann sich der kolumbianische Staat nur als Rechtsstaat beweisen, wenn er für die Integration dieser Gruppen Spielregeln aufstellt, die einem solchen gerecht werden. Dies gilt für die Guerilla, aber vor allem für den Umgang mit den paramilitärischen Gruppen, deren Menschenrechtsverletzungen in einem Friedensprozeß nicht ungeahndet bleiben dürfen.

7.7

Die C/eavage-Struktur des Parteiensystems

Nach den Reformen zeichnete sich die Herausbildung von Wahlparteien entlang gesellschaftlicher cleavages (Afrokolumbianer bzw. iWzgewas/Mestizen; Katholiken/Protestanten; Mann/Frau; Zentrum/Peripherie; Klientelismus/Antiklientelimus) ab. Ein Teil dieser Parteien wurde staatlicherseits durch positiveac/i'on-Maßnahmen gefordert. Im den folgenden Kapiteln möchte ich vor allem die Schwierigkeiten bei der Etablierung dieser Gruppierungen als Parlamentsparteien aufarbeiten.

7.7.1 Die Organisationen der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften Der Interessenvertretung der sogenannten ethnischen .Minderheiten' im Kongreß hatten die Verfassunggeber von 1991 besondere Bedeutung beigemessen. Wie einem Teil der ehemaligen Guerillabewegung räumte der Staat den indigenen Gemeinschaften 573 bei den Wahlen 1991, 1994 und 1998, den 572 573

El Tiempo, 12.3.2002. Ich verwende hier die Begriffe indigene und indianische Gemeinschaften synonym. Mir ist die Diskussion über die Unzulänglichkeit der Begriffe bekannt. Ich würde die Namen der einzelnen Ethnien bevorzugen. Da es sich in Kolumbien aber um eine Vielzahl von sehr kleinen Gruppierungen handelt, ist dies unmöglich.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

357

Afrokolumbianern 1994 und 2002, Sonderkonditionen nach Artikel 176 der Verfassung von 1991 ein. Die Bildung besonderer Wahlkreise (circunscripción especial) für die Schwarzen im Repräsentantenhaus und die Vertreter der indigenen Bevölkerung im Senat hatte vor allem folgende Konsequenzen: a)

Die Gründung neuer Parteien, zum Teil aus den sozialen Organisationen der betroffenen Gesellschaftssegmente heraus. Anstrengungen der traditionellen Parteien, eigene Kandidaten in den Genuß der Sonderkonditionen kommen zu lassen und einen Teil dieser Parteien zu kooptieren.

b)

Die indigene Bevölkerung war in Kolumbien trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche von rund 600.000 Personen574 bzw. zwei Prozent der Bevölkerung bereits seit den 70er Jahren verhältnismäßig gut organisiert. Auch wenn die Organisationen der Gemeinschaften sich eher selbstkritisch beurteilen, stellte die zivilgesellschaftliche Organisationsform eine wichtige Basis für das parteipolitische Engagement dar.575 Ihr Protest äußerte sich in Landbesetzungen, Straßenblockaden, kilometerlangen Märschen und der regelmäßigen Okkupation verschiedener staatlicher Einrichtungen. Der Staat reagierte darauf mit einer Mischung aus Verhandlungsbereitschaft und Repression. Bereits seit Mitte der 80er Jahre wurden 400 Indianerfiihrer ermordet. 576 Die Umsetzung der mit dem Staat geschlossenen Abkommen erfüllte die Erwartungen der indigenen Verhandlungsführer nur selten. Bereits 1971 entstand der Dachverband CRIC, Consejo Regional Indígena del Cauca, um die Landrechte und die kulturellen Traditionen der indianischen Bevölkerung im departamento Cauca zu verteidigen. Zwischen 1971 und 1986 gründeten die indianischen Gemeinschaften 16 weitere regionale Organisationen. 1982 schloß sich ein Teil der Bewegungen in der nationalen Indianervereinigung ONIC (Organización Nacional Indígena de Colombia) zusammen. Ende der 80er Jahre riefen ehemalige Mitglieder des CRIC die regionale Organisation AISO517 ins Leben, aus der später die politische Partei Autoridades Indígenas de Colombia (AICO) hervorging. Trotz ihrer Zusammenarbeit mit reformistisch orientierten Sekto-

574

575

576

577

Die Zahlen schwanken zwischen 300.000 und einer Million. Vgl.: Vasco Uribe 1996: 239. Vgl.: Cortés L. 1992: 109ff. und CRIC 1989: 295ff. Zur Organisation der indigenen Gemeinschaften und dem bewaffneten Widerstand der ehemaligen Guerillaorganisation Quintin Lame vgl.: Vasco Uribe 1996: 248. Vgl.: Comisión de Estudios sobre la Violencia 1988: 106ff.; CRIC 1989: 294.

Autoridades Indígenas del Suroccidente, wurde von den Indianern der Ethnie der Pastos (departamento Nariño) und der Guambíanos (departamento Cauca) gegründet.

358

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

ren der Zivilgesellschaft wahrten die indianischen Gemeinschaften immer eine gewisse Distanz zur kolumbianischen Linken.578 Die Organisation der indigenen Gemeinschaften im Hinblick auf Wahlen begann mit der Einfuhrung der Bürgermeisterwahlen 1988. Bereits damals beteiligten sie sich an den Lokalwahlen als Kandidaten der beiden traditionellen Parteien.579 Nach den Reformen gründeten sie drei eigene politische Gruppierungen: Die Alianza Social Indigena (ASI), der Movimiento Indigena Colombiano (MIC) und die bereits erwähnte AICO. Tabelle 66: Bürgermeister der indianischen Gemeinschaften 1994 und 1997 Politische Organisation 1994 1997 Variation AICO 0 5 +5 ASI 8 6 -2 1 +1 MIC 0 Insgesamt 12 +4 8 Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

ASI und MIC waren früher an die ONIC angegliedert, spalteten sich jedoch später von dieser ab. Die ONIC selbst gab ihre Wahlteilnahme nach den Senatswahlen 1991 auf, um die sozialpolitische und die parteipolitische Organisation ihrer Mitglieder besser zu trennen.580 Die ASI wurde von CRIC, CRIT,5il OIA582 und vor allem von früheren Mitgliedern der ehemaligen Guerillagruppe Quintin Lame583 ins Leben gerufen.584 Von der ONIC verlassen, gründete der

578 579 580

581

582

583

584

Vgl.: Perfil Político de la Alianza Social Indígena, Bogotá 1995. Vgl.: Laurent 1997: 63. In der ONIC hatte es aufgrund ihrer Beteiligung an politischen Institutionen zu viele interne Auseinandersetzungen gegeben. Vgl.: Consejo Regional Indígena del Cauca, CRIC 1998: 1. Consejo Regional Indígena del Tolima, (regionale Organisation der indigenen Gemeinschaften im departamento Tolima). Organización Indígena de Antioquia, (regionale Organisation der indigenen Gemeinschaften im departamento Antioquia). Quintin Lame verstand sich als bewaffneter Arm der Indianerbewegung im departamento Cauca. Die Guerillabewegung war vor allem aufgrund der Ermordung zahlreicher Indianerführer gegründet worden. Die ASI entstand im Juni 1991 im Süden des departamento Tolima in der Gemeinde Chaparral. Die Ethnie der Yaguara hatte sich dort zusammen mit verschiedenen Führern anderer indigener Gemeinschaften, von Bauernbewegungen und mit den Organisatoren einer zivilgesellschaftlichen Gruppierung getroffen, die nach dem Erdbeben in Popayán entstanden war. Regional sind die Anhänger der ASI vor allem in den departamentos Cauca, Tolima, Antioquia, Santander und Chocó aktiv.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

359

zwischen 1991 und 1994 im Senat vertretene ehemalige Vizepräsident der Organisation, Gabriel Muyuy, seine eigene Bewegung M/C. 585 In der Verfassunggebenden Versammlung hatten die indianischen Abgeordneten für ihre Gemeinschaften staatliche Zugeständnisse erzielt. Sie mußten den lateinamerikanischen Vergleich nicht scheuen. Damals vertraten Lorenzo Muelas (AICO) und Rojas Birry (ONIC) die Interessen der Indianer.586 1 991 wurden Antonio Quirá587 (ASI) und Gabriel Muyuy (ONIC) im Rahmen der ihnen zustehenden Sonderkonditionen in den Senat gewählt. AICO gelang es außerdem noch, daß Floro Alberto Tunubalá unter normalen Bedingungen ein Mandat im Kongreß erzielte. Allerdings wurde seine Amtszeit von den Gründungsmitgliedern der AICO später eher kritisch beurteilt. Die indigenen Autoritäten der Ethnie der Pastos und die Führung der Ethnie der Guambíanos beklagten die Nichteinhaltung von Übereinkünften und die für sie unbefriedigende Amtsführung des Senators.588 In den Statuten der Partei heißt es ausdrücklich: „Diejenigen, die für den Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia (AICO) in öffentliche Institutionen gewählt werden, sind keine politischen Führer, sondern Sprecher ihrer Gemeinschaften." 589 Tunubalá schaffte zwar 1994 seine Wiederwahl in den Kongreß nicht, wurde aber schließlich bei den Wahlen 2000 als erster Repräsentant indigener Gemeinschaften für den Bloque Social Alternativo zum Gouverneur des departamento Cauca gewählt. Dort fuhrt er zusammen mit den Gouverneuren anderer Bundesstaaten eine gemeinsame Front gegen den militärisch/repressiven Teil des Plan Colombia und schlägt einen alternativen Entwicklungsplan für das südliche Kolumbien vor.590 1994 hatten die Vertreter der indianischen Bevölkerung fünf Listen für den Senat591 und sechs für das Repräsentantenhaus aufgestellt. Im Rahmen der

585 586 587

588 589 590

591

Vgl.: Perfil político de la Alianza Social Indígena ASI 1995: lf. und Interview mit Alfonso Vásquez, 9.4.1999. Für mehr Details zu ihrer Entstehungsgeschichte vgl.: Laurent 1997: 67f. Vgl. dazu auch Gaitán et al. 1995: 29ff. Antonio Quirá hatte sich als Präsident der ONIC von 1987 bis 1990 einen Namen gemacht. Er repräsentierte die ehemaligen Guerillaorganisation Quintin Lame in der Verfassunggebenden Versammlung. Quirá war im departamento Cauca politischer Führer der Ethnie der Puracé. Vgl.: Carta de los cabildos indígenas del sur de Nariño al CNE, 5.2.1994. Vgl.: Estatutos des Movimiento de Autoridades Indígenas, Art. 44. Vgl.: El Tiempo, 31.10.2000 und Vortrag von Parmenio Cuéllar auf dem Seminar: Plan Colombia, 12.-14.9.2001 in der Universidad Nacional de Colombia. Lorenzo Muelas Hurtado und Floro Alberto Tunubalá Paja (Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia, AICO), Jesús Enrique Piflacué und Franzieso Rojas Birry (Alianza Social Indígena, ASI) sowie Gabriel Muyuy Jacanamejoy (Movimiento Indígena Colombiano, MIC). Dabei traten nur Lorenzo Muelas und

360

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

circunscripción especial erzielte Lorenzo Muelas Hurtado (AICO) 28.366 Stimmen und Gabriel Muyuy Jacanamejoy (MIC) 14.245. Innerhalb des Movimiento de Autoridades Indígenas de Colombia hatte es im Vorfeld der Wahlen wiederum Auseinandersetzungen darüber gegeben, wer der Kandidat der Partei werden sollte: „Als wir Herrn Floro Alberto Tunubalá zum Senator und Herrn José Narisco Jamioy ins Repräsentantenhaus gewählt haben, autorisierten wir sie nie als legale Repräsentanten der Bewegung, sondern als Sprecher der indigenen Gemeinschaften, die ihnen ihre Stimme gegeben hatten, damit sie im Kongreß, gegenüber der Regierung und der kolumbianischen Bevölkerung unsere Anliegen verbreiten konnten...In dem so nicht richtig bezeichneten .Kongreß' der Bewegung, der von dem bereits erwähnten Senator und Repräsentanten und ihrer Gruppe von Beratern während des 13.,14.,15. und 16. Januar dieses Jahres [1994 L.H.] in Sibundoy (Putumayo) organisiert wurde, waren weder das cabildo der Guambíanos noch 16 der 18 cabildos der Ethnie der Pastos aus Narifto anwesend, da wir mit der Organisation dieses Ereignisses nicht einverstanden waren, weil uns klar war, daß es sich um eine Scheinversammlung handelte, die den persönlichen Interessen des Senators Floro Tunabalá und seinen .Beratern' dienen, und unter allen Umständen die Senatskandidatur unseres Führers Lorenzo Muelas verhindern sollte."592

Auf dem außerordentlichen Parteikonvent der ASI im Mai 1997 hatte sich ein Teil der Delegierten für die Unterstützung Rojas Birrys, ein anderer für Jesús Piñacué ausgesprochen. Unklarheit herrschte auch darüber, wer im Sonderwahlkreis (circuncripción especial) und wer innerhalb des nationalen Wahlkreises antreten sollte.593 Von den sieben Senatslisten waren 1998 für die ASI Jesús Piñacué und Rojas Birry (unter Sonderbedingungen) erfolgreich. Von 13 für das Repräsentantenhaus aufgestellten Listen erzielten zwei Mandate im Repräsentantenhaus. Aber bereits auf dem dritten Nationalkonvent der Partei vom 16.-18. Juli 1998 verdeutlichte die Basis ihren Unmut über die sie vertretenden Politiker. Dort wurde nicht nur die Entscheidung Jésus Piñacués, bei den Präsidentschaftswahlen Horacio Serpa zu unterstützen, kritisiert, sondern auch beschlossen, daß die bisher als unbefriedigend beurteilte Arbeit der Parlamentarier im Abstand von sechs Monaten regelmäßig evaluiert werden sollte. Außerdem stellten die Delegierten fest: „Keiner der Gewählten hat die Übereinkünfte und Verträge, die er mit der ASI unterschrieben hat, erfüllt." 594

592 593 594

Gabriel Muyuy zu den für die indianischen Gemeinschaften definierten Sonderkonditionen an. Brief der cabildos indígenas del sur de Nariño an den CNE, 5.2.1994. Vgl.: Protocolo de la Convención Nacional Extraordinaria, 30.-31.5.1997. Protocolo de la Tercera Convención Nacional, 16.-18.7.1998.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

361

Für die AICO gewann im Rahmen der circunscripción especial electoral Martín Efiraín Tenganá, der seit 1997 auch ihr offizieller legaler Repräsentant war, ein Mandat im Senat. Nach der Wahl Martín Efraín Tenganás stellte sich heraus, daß er keine 30 Jahre alt war und dadurch die formalen Voraussetzungen für die Wahl eigentlich nicht erfüllte. Der zweite in seiner Liste war ein Weißer, so daß der dritte ihm nachfolgende Kandidat schließlich seinen Sitz im Kongreß wahrnahm. Dies veranlaßte Gabriel Muyuy (MIC), den Nationalen Wahlrat dazu aufzufordern, ihm das Mandat zu übertragen, da er bei der Wahl die dritthöchste Stimmenzahl erreicht hatte.595 Insgesamt hat sich bisher gezeigt, daß die indianischen Gemeinschaften ihre Vertretung im Kongreß nicht zuletzt durch die ihnen zugestandenen Sonderkonditionen behaupten konnten. Indianische Repräsentanten, die bei Kongreßwahlen nicht im Namen ihrer Gemeinschaften antraten - wie beispielsweise 1994 Remedios Fajardo,596 Bonifacio Chincunque und Andrés Agreda für den Partido Liberal sowie 1998 Benjamin Jacamamijo für die NFD, waren bei den Wahlen nicht besonders erfolgreich. Ohne positive-action-Mañnahmzn waren die indigenen Gemeinschaften in der Regel auf Wahlkoalitionen angewiesen, um zusätzliche Wählerschichten anzusprechen. Dies führte zu Auseinandersetzungen zwischen Parteibasis und -fiihrung. Streitigkeiten waren aber auch unter den verschiedenen politischen Organisationen der indígenas keine Seltenheit. Der Sprecher der ASI betonte etwa, daß die anderen Gruppen keinen zivilgesellschaftlichen Organisationssprozeß durchlaufen hätten. Sie seien lediglich die persönlichen Produkte' ihrer Gründer Gabriel Muyuy und Lorenzo Muelas.

595

596

Nachdem der Nationale Wahlrat dem nicht zustimmte und der Politiker kein Mandat erzielte, bemühte er sich, den MIC in eine Nichtregierungsorganisation umzuwandeln, um Zugang zu nationaler und internationaler Finanzierung zu erhalten und das politische Überleben der Organisation zu sichern. Interview mit Alfonso Vázquez, 9.4.1999. Remedios Fajardo gehört der Ethnie der Wayuú in der Region der Guajira an. Sie kandidierte 1998 für den Movimiento Ciudadano.

362

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 67: Stimmen der Repräsentanten der Organisationen der indigenen Gemeinschaften im Senat und im Repräsentantenhaus (RH) 19911998 Kandidaten Gabriel Muyuy

Marcelino Sosa (MIC) Gabriel Bomba Piamba (MIC) Simón Valencia López (MIC) Juvencio Fidel Gallardo Corpus (Quintín Lame) Franscisco Rojas Birry (ASI)

1991 RH Senat M 30.020 (ONIC) -

-

-

-

-

1998 Senat

-

-

-

-

-

-

-

539











20.453



-

-

7.873 (Qintín Lame)

M 26.493



M 29.236

9.571



Leonardo Caicedo Portura (ASI)



-

-

-

-

Jhony Aparicio Ramírez (ASI)

-

-

-

-

-

Hernando Sánchez Bonilla (ASI) Félix Gómez González (ASI) Lorenzo Muelas (AICO) Floro Alberto Tunubalá (AICO) Martín Efraín Tenganá (AICO) José Narisco Jamioy (AICO) José Fernando Cuaspud Cuaical (AICO) Luis Herrado Ramos Campo (AICO) Antonio José Bailarín (AICO) Cristóbal Cuastumal (AICO) Julio Roberto Galvis Bulla (AICO) Remedios Fajardo

-

-

-

-

-



-

-

M 30.312 —





M 28.366 12.413

291 3.207 780 —



M 66.287 (ASI)

16.173 (ASI)

-

RH

17.381 (MIC)



Jesús Enrique Piñacué

Anatolio Quirá (ASI)

1994 RH Senat M 14.245 (MIC)

12.633

-

M 1.420 M 1.683 570

-



-

-









705 467

-



M 18.224





-







M 5.458 3.478











2.167







-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-





-





19.908 (PLC) 8.585

-

7.222 (PLC) 5.779



2.643 (MC)

5.735 4.682 9.960 -

Bonifacio Chicunque 7.306 — (PLC) Fett markierte Stimmen wurden im Rahmen der Sonderbedingungen für die indianischen Gemeinschaften erzielt. M=Erhielt Mandat. Nicht gekennzeichnete Personen konnten keinen Sitz erzielen. Quelle: RNEC, Zusammenstellung durch die Autorin.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

363

Die Organisation der indianischen Wähler leidet insgesamt an den schlechten den Gemeinschaften zur Verfügung stehenden Infrastrukturbedingungen, ihrer Marginalisierung, Analphabetismus und der Tatsache, daß nicht alle Indianer über einen Personalausweis verfügen. Konflikte zwischen traditionellen und herkömmlichen Partizipationsformen sind durch die Doppelstruktur ihrer politischen Organisationsformen vorprogrammiert. In einem Brief an den CNE begründet Lorenzo Muelas beispielsweise die Verzögerung der gesetzlich geforderten Hinterlegung der Parteistatute im Nationalen Wahlrat folgendermaßen: „Wir orientieren uns an der Tradition, die über die Sprache weitergegeben wird, und unsere Organisation basiert auf den traditionellen Autoritäten, die Teil unserer Gemeinschaft sind. Deshalb ist es für uns schwierig, uns nach Statuten und Schriftstücken zu richten, oder neue Führungsgremien zu akzeptieren, die nur für die staatliche Bürokratie notwendig sind...Dennoch haben wir versucht, unsere Art des Denkens und des politischen Handelns an die der kolumbianischen Nation anzupassen, obwohl uns die Verfassung von 1991 die Respektierung unserer Sitten und Gebräuche garantiert...In bezug auf die von Euch geforderte .programmatische Erklärung' und das Emblem unserer Bewegung glauben wir, über die notwendigen Elemente zu verfügen, die Eure Anforderungen erfüllen..." 597

Hinzu kam, daß die indigenen Politiker einen Teil ihres Einflusses bei den städtischen Mittelschichten und Intellektuellen verloren. Anfang der 90er Jahre sahen diese noch einen Sinn darin (u. a. aus Mangel an Organisationen, von denen sie sich selbst repräsentiert fühlten), sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einzusetzen. Doch zum einen entstanden immer mehr neue Parteien. Zum anderen verlagerten einige der indianischen Politiker ihre Aktivitäten darauf, in den Institutionen die bürokratischen Vorteile, die diese ihnen boten, zu nutzen und sich klientelistische Praktiken anzueignen. Ihr Abstimmungsverhalten bei wichtigen Gesetzesprojekten im Kongreß erweckte keines597

Vgl.: Carta de Lorenzo Muelas al CNE, 4.4.1994. Hervorhebungen durch die Autorin. Sie verdeutlichen die Diskrepanzen zwischen der dominanten und der indigenen Kultur und die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten im Hinblick auf die Differenzrechte. Die indígenas gehen davon aus, daß sie sich an geltende Gesetze halten, ihnen aber auch Sonderrechte zustehen. In der Antwort des CNE wird die andere Auslegung durch den Staat offensichtlich: „...auch wenn es richtig ist, daß innerhalb der partizipativen Demokratie, die die politische Verfassung vorsieht, den indigenen Gemeinschaften die Respektierung ihrer Sitten und Gebräuche garantiert wird, so nimmt sie das nicht von der Einhaltung der Gesetze aus, die für alle gelten, die in Kolumbien geboren sind, inklusive der Urbevölkerung." Resolución 220 del 13.7.1994 del CNE, Hervorhebungen durch die Autorin. Der Nationale Wahlrat verurteilte die Partei zu einer Strafe von einer Million Pesos, damals ca. 1.500 Mark.

364

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

falls den Eindruck, daß sie eine Oppositionsfiinktionen wahrnahmen. Es schien mehr von politischem Verhandlungspragmatismus zur Durchsetzung partikularistischer, allenfalls gruppenspezifischer, Ziele als von Kontrollethos geprägt zu sein. Ihr Einsatz beschränkte sich oft auf das Aushandeln selektiver Privilegien für sie selbst oder für einzelne Regionen, in denen die Mitglieder ihrer Gemeinschaften lebten. Sie verloren dabei nationale Anliegen aus den Augen. Die meisten Organisationen befinden sich heute in einem Teufelskreis: Einerseits werden sie unglaubwürdig, wenn sie sich für Kandidaten öffnen, die keine ethnischen Interessen vertreten. Andererseits führt die Abwesenheit eines umfassenden Politikprojektes, das alle Gesellschaftsschichten anspricht, zu chronischem Wählermangel. Dabei gab es Versuche, dieses Dilemma zu durchbrechen: Sowohl MIC als auch ASI betonen in ihren Statuten, nicht nur Interessenvertreter der indianischen Gemeinschaften zu sein. Der mestizische Sprecher der ASI, Alfonso Vasquez, erklärte mir im Interview, daß die ASI Ausdruck des kolumbianischen Multikulturalismus und offen für alle Kolumbianer sei.598 Dennoch ging der Wahlantritt von Kandidaten wie Rafael Orduz oder Carlos Ossa Escobar auf Kosten der .ethnischen Identität' der ASI.599 Andererseits war sie mit dieser Strategie die erfolgreichste der genannten Organisationen. 600 Besonders hervorzuheben ist dabei der ehemalige Vorsitzende des CRIC, Jesús Enrique Piñacué, der bereits 1994 für die ASI als Vizepräsidentschaftskandidat von Antonio Navarro Wolf (AD/M-19) bei den Wahlen angetreten war. 1998 erzielte er mit 66.287 Stimmen ein Mandat im Senat. Rund 50 Prozent seiner Wähler stammten aus Bogotá und dem departamento Valle del Cauca, Regionen, die nicht mehrheitlich von den indianischen Gemeinschaften bewohnt werden.601 Auch ihm gelang allerdings das politische Spagat zwischen den Anliegen seiner Organisationen, seinen persönlichen Ambitionen und den Interessen der städtischen Mittelschichten nur begrenzt.602 598 599

600 601 602

Interview mit Alfonso Vásquez , 9.4.1999. Auch der Sprecher der ASI ist Mestize. Das Problem, daß die Führungspersönlichkeiten der indigenen Bewegung keine indígenas sind, zieht sich durch die Geschichte der ONIC und anderer lateinamerikanischer Indianerorganisationen. Vgl.: Perfil Político y Programa de la ASI: 16ff. Vgl.: Ungar/Ruíz 1998: 207. Piñacué koalierte bei den Kongreßwahlen 1998 mit der Partei Franja Amarilla des Gouverneurs des departamento Valle, Gustavo Alvarez Gardeazábal. Während sich die indianische Bewegung bei den Präsidentschaftswahlen dafür ausgesprochen hatte, im ersten Wahlgang Noemi Sanin und im zweiten keinen der zur Verfügung stehenden Kandidaten zu unterstützen, sondern ihre Anhänger aufforderte, das Feld für den voto en blanco anzukreuzen, votierten die Anhänger der Franja Amarilla für Horacio Serpa. Der Entschluß Piftacués, sich schließlich gegen den Willen seiner Organisation für den liberalen Präsidentschaftskandidaten einzusetzen, wurde stark kritisiert. Dies zumal er eine Woche zuvor gegenüber den traditionellen indigenen Repräsentanten des departamento Cauca noch die Meinung vertreten hatte,

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

365

Die Afrokolumbianer sind trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke politisch wesentlich schlechter organisiert als die indigenen Gemeinschaften.603 Traditionell wählte die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung, die sich an Wahlen beteiligte, die Liberale Partei bzw. deren regional verankerte Kaziken. Ihr Einsatz für die Abschaffung der Sklaverei, ihre Dominanz in staatlichen Institutionen und der Klientelismus ließen den PLC zur führenden politischen Kraft an den überwiegend von Schwarzen und Mulatten bewohnten Pazifik- und Atlantikküsten werden. Die Konservative Partei konnte sich dort, im Unterschied zu vielen anderen Regionen Kolumbiens, nicht als starke Gegenpartei im Rahmen eines auch über Gewaltkonflikte mediatisierten Zweiparteiensystems etablieren. Die Violencia der 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, die klare liberale und konservative Identitäten in anderen Regionen Kolumbiens erzwungen hatte, erreichte die meisten Kommunen der Pazifikküste nicht.604 In der Mehrzahl der Gemeinden der Pazifikküste waren die Liberalen deshalb keinerlei Opposition ausgesetzt. Die Schwarzen waren zunächst vor allem ,aus Dankbarkeit' für die Sklavenbefteiung Anhänger der Liberalen. Später band die Partei ihre Gefolgschaft über klientelistische Praktiken an sich. Sie setzten den Klientelismus als primitives und unzureichendes soziales Umverteilungssystem ein. Für die Durchsetzung explizit ethnischer Rechte kämpften nur vereinzelt Liberale nach der Abschaffung der Sklaverei. Sie unterstützen vielmehr die Strategie des blanqueamiento, 05 die die Mehrheit der Bevölkerung

603

604 605

daß die beste Wahl der voto en blanco sei. Indianische Politiker stehen bei solchen Entscheidungen nicht selten zwischen dem Willen ihrer Gemeinschaften und strategischen Überlegungen, die ihr politisches Fortkommen sichern sollen. Sie unterliegen einerseits traditionellen, kulturell geprägten Politikgewohnheiten. Dazu zählte beispielsweise die Entsendung von sieben indianischen Persönlichkeiten, die die Politik Piñacués im Senat kontrollieren sollten. Andererseits müssen sie den Anforderungen an einen Politiker in einem von Mestizen dominierten Kongreß gerecht werden, in dem bestimmte politische Kodizes und Gewohnheiten einzuhalten sind. Die traditionellen indianischen Vertreter (gobernadores) des departamento Cauca forderten Piñacué schließlich auf, sich ihrer Rechtssprechung zu stellen. In einem klugen Schachzug versammelte er aber nicht nur die gobernadores, die der ASI nahestanden, sondern alle gobernadores der Region in Paniquitá. Während eigentlich eine Bestrafung durch Schläge vorgesehen war, entschied sich diese Versammlung, ihn zu einer rituellen Waschung zu verurteilen, da er sich nicht an die politische Vorgaben der ASI gehalten hatte. Vgl.: Entrevista con Jesús Piñacué 1999: 22 und De Vengoechea, 1998: 21, Alianza Social Indígena 1998: 1 sowie Interview mit Alfonso Vásquez, 9.4.1999. Vgl.: Fundación de Vida ohne Jahr: 2ff.; El negro en la historia de Colombia 1983: 6ff.; Friedemann/Arocha 1982: 16ff; Instituto Colombiano de Cultura/Instituto Colombiano de Antropología 1986: 13ff. und Ulloa 1993: 17ff. Vgl.: Oquist 1980: 4. Ais blanqueamiento (Weißwerden) wird der Versuch vieler Afrokolumbianer bezeichnet, die eigene afrikanische Herkunft zu verleugnen. Durch ethnische Vermi-

366

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

zur politischen invisibilidad?06 bzw. im departamento Chocö und an der Atlantikküste zur selektiven Integration in die klientelistischen Netzwerke des Partido Liberal Colombiano drängte. Von 1930 an und bis in die 60er Jahre tat sich eine begrenzte Anzahl von Persönlichkeiten im kulturellen 607 und im politischen Bereich608 dadurch hervor, daß sie begannen, sich für die Belange der Schwarzen einzusetzen. Von den traditionellen Parteien eher unabhängige bzw. explizit gegen sie gerichtete politische und soziale Bewegungen entstanden erst in den 70er Jahren. Damals wurden Basis-, Bauern- und Studentenorganisationen gegründet. Diese litten unter regionaler Zersplitterung und unterstanden keiner gemeinsamen, nationalen politischen Führung. 609 Es entstanden einige Arbeitsgruppen afrokolumbianischer Intellektueller und Studenten, die sich, stimuliert von den internationalen Diskussionen über Rassendiskriminierung, mit der Lektüre von Aimé Césaire und Frantz Fanon beschäftigten. Außerdem galt ihnen die Organisation der Schwarzen in den USA und die ^lack-Power-Bewegung' als Vorbild. Dabei war die Beteiligung der Afrokolumbianer an den politischen Institutionen nur einer unter vielen Vorschlägen, die zum Empowerment der Schwarzen beitragen sollten. Juan Zapata Olivella, Bruder des berühmten schwarzen Intellektuellen Manuel Zapata Olivella, kandidierte in den 70er Jahren mehrmals für den Stadtrat in Cartagena. 1975 ließ er sich für die Bewegung Negritudesy Mestizaje als Präsidentschaftskandidat aufstellen. Er erzielte aber nie eine mandatsrelevante Stimmenzahl. 610 Zu diesen Gruppen, die die Ideologie der

606

607

608

609

610

schung sowie durch die Übernahme von sozialen und kulturellen Ritualen und Gebräuchen der Mestizenkultur erhoffte sich diese Bevölkerungsgruppe, von den Mitgliedern der dominanten Kultur akzeptiert zu werden und an deren sozialer, politischer und ökonomischer Entwicklung zu partizipieren. Diese Selbstverleugnung führte auch zu einer Art Endorassimus. Vgl.: Wade 1997: 348ff.; Mosquera 1999: 38ff. Die kolumbianischen Anthropologen und Anthropologinnen sprechen von der invisibilidad (Unsichtbarkeit) der Schwarzen in Kolumbien, weil sie von Gesellschaft und Staat sowie von der Forschung kaum als ernstzunehmende soziale Subjekte wahrgenommen wurden. Erst mit der Diskussion um die neue Verfassung begann ein Wandlungsprozeß, durch den die Afrokolumbianer stärker ins Blickfeld rückten. Vgl.: Friedemann 1984: 508ff.; Wade 1997a: 90. Der wohl bekannteste dieser Personen war der Intellektuelle Manuel Zapata Olivella. Hier sind als wichtige Vertreter Diego Luis Córdoba (Quibdó, Chocó), Sofonías Yacup (Guapi, Cauca), Alejandro Peña, Natanael Diaz, Arquímedes Viveros (Puerto Tejada, Cauca) und Nestor Urbano (Buenaventura, Valle del Cauca) zu nennen. Vgl.: Agudelo 1998: 11. Vgl.: Wade 1997: 379ff.; Mosquera ohne Jahr: 107ff.; Mosquera 1995: 2f. und Movimiento Negro... 1996: 245ff. Vgl.: Gutiérrez Azopardo 1980: 88 und Wade 1997: 388.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

367

negritud11 auf ihre Fahnen geschrieben hatten, gehörte das von Amir Smith Córdoba gegründete CIDCUN.612 Das Forschungsinstitut gab die Zeitschrift Negritud heraus, die allerdings nur bis zur dritten Auflage finanziert werden konnte. Außerdem entstand die Zeitung Presencia Negra, die einige Jahre im Umlauf war. Darin hieß es in der Ausgabe Nr. 22 von 1980 zur Aufgabe der Organisation: „Die zentrale Aufgabe von CIDCUN ist es, die wirkliche Beteiligung der Schwarzen beim Aufbau einer nationalen Identität zu erforschen und diese Debatte auch über Publikationen öffentlich bekannt zu machen."613 Die zweite Gruppe war der 1976 in Pereira ins Leben gerufene studentische Arbeitskreis Círculo de Estudios de la Problemática de las Comunidades Afrocolombianas, Soweto. Aus ihm ging später die heute bekannteste Schwarzenbewegung Cimarrón-Movimiento Nacional por los Derechos Humanos de las Comunidades Negras en Colombia614 hervor. Sie wurde 1982 in Buenaventura gegründet. Die Organisation gehört der Red Continental de Organizaciones Afroamericanas an. Sie hat lokale Schwerpunktgruppen in vielen von Schwarzen und Mulatten bewohnten Kommunen, unter anderem in Buenaventura, Quibdó, Guapi und Santa Marta. Cimarrón setzt sich auf nationaler Ebene neben dem Hauptziel der politischen Organisation der Schwarzen auch für die Nichtdiskriminierung der Afrokolumbianer, für eine aktive Friedenspolitik, für bildungspolitische und Existenzgründerprojekte ein. 1997 erhielt die Bewegung den französischen Menschenrechtspreis. Ende der 90er Jahre versuchte Cimarrón vor allem durch Multiplikatorenschulungen bei Lehrern, das Bewußtsein für die afrokolumbianische Realität zu schärfen und das in der Verfassung von 1991 aufgezeigte und von den jeweiligen Regierungen in einer bestimmten Weise interpretierte Konzept der Ethnoeducación in ihrem Sinne zu beeinflussen.615 Bei Wahlen hat sich Cimarrón selbst oder zusammen mit Parteien wie der Alianza Democrática M-19 und der UP mit bisher allerdings mäßigem Erfolg aufstellen lassen.616 Im departamento Chocó war es vor allem die Organisation Asociación Campesina Integral del Atrato, ACIA, die von Mitte der 80er Jahre an als eine 611

612 613

614 615

616

Aus dem Französischen: négritude. Die philosophische und politische Ideologie der négritude war aus der Rückbesinnung der Afrikaner und Afroamerikaner auf afrikanische Kulturtraditionen entstanden. Mit ihr wurde die Forderung nach kultureller und politischer Eigenständigkeit vor allem der französischsprachigen Länder Afrikas in einer Zeit stagnierender Entkolonialisierung verbunden. Vgl.: Meyers Großes Taschenlexikon Bd. 15 1983: 192. Centro para la Investigación de la Cultura Negra. Presencia Negra 1982, Nr. 22, zitiert in Wade 1997: 389. Vgl. zu CIDCUN auch Smith-Córdoba 1980. Cimarrón bedeutet entlaufener Sklave, der gegen den Sklavenhalter rebellierte. Vgl.: Utopías Nr. 52, März 1998: 5ff. und Interview mit Juan de Dios Mosquera, 3.4.1995. Vgl. dazu weiter unten.

368

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

soziale Organisation entstand, die sich für die Ansprüche der afrokolumbianischen Bevölkerung auf die Zuteilung von Grundbesitz in der Region einsetzte. 1990 wurde die Asociación Campesina del San Juan, ASOCASAN, gegründet. Dort reklamierten indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften gemeinsam ihr Recht auf die Legalisierung der von ihnen traditionell bewohnten und bebauten Bodenparzellen.617 Die Katholische Kirche unterstützte beide Organisationen. Inspiriert von der Theologie der Befreiung, schuf sie seit den 70er Jahren Basisgemeinden in der Region.618 1984 begann in der Hauptstadt des departamento Chocó, Quibdó, mit Hilfe der Katholischen Kirche ein urbaner Organisationsprozeß durch die Gründung der OBAPO, Organización de Barrios Populares. Ziel der OBAPO war die Verbesserung der Lebenssituation und die Selbstorganisation der Schwarzen in den Armenvierteln der Hauptstadt. Sie war an der Planung von Streiks zivilgesellschaftlicher Gruppen (paros cívicos) beteiligt.619 Auf dem Land entstanden die OCABA, Organización de Campesinos del Bajo Atrato, und die ACABA, Asociación de Campesinos del Baudó. Auch dort kämpften schwarze und indigene Gemeinschaften gemeinsam für ihr Recht auf Landtitel.620 In Tumaco, am Ort meiner Fallstudie, wurde zunächst keine eigene Organisation zur Verteidigung der Rechte der campesinos gegründet, obwohl es durch verschiedene Kooperativen, wie beispielsweise Coagropacifico, ein gewisses Organisationspotential dafür gab. Aber durch die Dynamik des Tumacazo621 waren Einzelpersonen, soziale, kulturelle und politische Gruppen aktiv geworden, die sich später unter anderem für die Rechte der Schwarzen im Rahmen der neuen Verfassung und die territorialen Landrechte bei der Umsetzung des Gesetzes Nr. 70 einsetzten. In Medellin,622 San Andrés623 und

617 618

619 620 621 622

623

Vgl.: Wade 1997:411. Einer der Begründer der Befreiungstheologie in Kolumbien, Gerardo Valencia Cano, begann bereits in den 60er Jahren mit seiner Arbeit in der Pazifikregion. 1980 wurde in Buenaventura die erste Begegnung der Pastoral Negra del Pacifico abgehalten, in Cartagena im gleichen Jahr das erste lateinamerikanische Treffen über afroamerikanische Religiosität. 1983 fand in Esmeraldas (Ekuador) die zweite Versammlung der Pastoral Afroamericana statt. Vgl.: Agudelo 1998: 18. Vgl.: Wade 1997: 410. Atrato, Baudó und San Juan sind wichtige Flüsse im departamento Chocó. Siehe dazu die Ausführungen im Kapitel über die Bürgermeisterwahlen in Tumaco. Asociación de Chocoanos Residentes en Antioquia, gegründet 1962, Corporación Negritudes, gegründet 1983, Comité de Acción Chocoano en Medellin und Afroantioquia, Sammelbewegung, die 30 Organisationen des departamento Antioquia zusammenschließt. Vgl.: Wade 1997: 382ff. In Afro-San Andrés organisierten sich die auf der Karibikinsel San Andrés und Providencia ansässigen afrokolumbianisehen Bewegungen.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

369

Bogotá624 haben sich die schwarzen Migranten zu Organisationen mit allerdings vorwiegend sozialer und kultureller Ausrichtung zusammengeschlossen.625 Einige der Gruppen aus Quibdó, Buenaventura, Tumaco, Guapi, Puerto Tejada, Cartagena, Barranquilla und einer Reihe kleinerer Kommunen an der Pazifik- und Atlantikküste nutzten den Impuls der Verfassunggebenden Versammlung, um sich für die Rechte der schwarzen Bevölkerung einzusetzen. In Buenaventura gab es im Vorfeld der Verfassungsgebung einige Nichtregierungsorganisationen, die den Diskussionsprozeß über Differenzrechte in Gang brachten. In den anderen Kommunen waren es vor allem soziale, kulturelle Gruppen aus der Zivilgesellschaft sowie Frauen- und Umweltorganisationen, die das humane Potential stellten, das notwendig war, um später in Buenaventura die Coordinadora de Comunidades Negras (von 1993 an Proceso de Comunidades Negras, PCN, genannt) zu gründen. 626 Die Mitarbeiter der Dirección de Asuntos de Comunidades Negras, DA CN,621 zählten 1994 rund 350 Gruppen, von denen allerdings nur wenige direkt politisch aktiv waren. Ein Teil davon existierte nur auf dem Papier, andere wurden nur gegründet, um von den möglichen Vorteilen des Institutionalisierungsprozesses zu profitieren. Den bis 1991 entstandenen Gruppierungen gelang es allerdings nicht, für die ANC einen gemeinsamen Repräsentanten aufzustellen. Eine Reihe schwarzer Politiker und Politikerinnen aus den traditionellen Parteien versuchten dagegen die Gunst der Stunde zu nutzten und kandidierten für die Verfassunggebende Versammlung. Dazu gehörte beispielsweise die liberale Rechtsanwältin Otilia Dueñas, die für diesen Anlaß den Movimiento por un Nuevo País para las Comunidades Negras y Marginadas gegründet hatte. Justiniano Quiñones, Arzt aus der Region des Südpazifik, und der liberale Kazike Jorge

624 625 626

627

Der Comité Afrocolombiano Nacional ist die Dachorganisation der afrokolumbianischen Gemeinschaften in Bogotá. Vgl. Agudelo 1998: 22. Zur Bewegung der Comunidades Negras in Buenaventura vgl.: Movimiento Negro... 1996: 245ff. Die »Abteilung für Angelegenheiten der Schwarzen Gemeinschaften' wurde unter dem Dach des Innenministeriums gegründet, um den Prozeß der Umsetzung des Gesetzes Nr. 70 zu begleiten. Sie erzielte allerdings nur eine limitierte Glaubwürdigkeit. Viele afrokolumbianische Organisationen erkannten sie nicht als Vermittlungsinstanz zwischen den Gemeinschaften und dem Staat an. Einige hielten sie für ein simples bürokratisches Konstrukt und Zugeständnis an die beiden afrokolumbianischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, die die dort vorhandenen Arbeitsplätze mit ihren Anhängern besetzten. Als ihr die Regierung Pastrana aber zunehmend die Mittel entzog, wuchs das Interesse an der Institution wieder. Interview mit Juan de Dios Mosquera, 2.1.1999 und Agudelo 1998: 23.

370

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tadeo Lozano traten als Liberales del Litoral Pacífico para Colombia628 an. Den afrokolumbianischen Basisbewegungen standen diese Kandidaten allerdings nicht sonderlich nahe. Auf der Grundlage ethnischer Organisationsprozesse kandidierten Carlos Rosero (Coordinadora de Comunidades Negras, später Proceso de Comunidades Negras) und Juan de Dios Mosquera (Cimarrón). Mosquera entschloß sich bei dieser Wahl zur Zusammenarbeit mit einer Reihe von auf dem linken politischen Spektrum angesiedelten politischen Gruppierungen. Die Organisationen der Afrokolumbianer im departamento Chocó und eine Reihe von Einzelpersonen beschlossen, keinen dieser Kandidaten, sondern den Repräsentanten der indigenen Gemeinschaften, Francisco Rojas Birry, zu unterstützen. Eine Gruppe von afrokolumbianischen Repräsentanten stand in ständigem Kontakt mit den indigenen Vertretern in der ANC.629 Die Abgeordneten der indianischen Gemeinschaften vertraten schließlich 1991 die Anliegen der Schwarzen in der ANC mit. Mercedes Moya, Mitglied der Bewegung Cimarrón im departamento Chocó, übte außerdem eine harte Lobbyarbeit unter den anderen Mitgliedern der Verfassunggebenden Versammlung für die Rechte der Schwarzen aus.630 Nach der ANC versuchten sich die afrokolumbianischen Kandidaten (im Rahmen der ihnen eingeräumten Sonderkonditionen) bei den Wahlen 1994 zum Repräsentantenhaus zu etablieren. Sie traten mit 12 Listen unterschiedlichster Herkunft an. Davon repräsentierte nur ein Teil tatsächlich afrokolumbianische Basisbewegungen mit ethnischen Forderungen. Die anderen waren entweder politisch unerfahren oder zuvor in den traditionellen Parteien verankert. Letztere wollten lediglich die Sonderkonditionen, die die Verfassung den .Minderheiten' einräumte, für ihre Zwecke nutzen, da der Stimmenanteil innerhalb der circuncripción especial erheblich unter demjenigen lag, den eine Liste unter herkömmlichen Bedingungen erzielen mußte. Die afrokolumbianische Bewegung Cimarrón unterstütze 1994 den wenig erfolgreichen Kandidaten Ventura Díaz Ceballos, ehemals Mitglied der Guerillaorganisation M-19. Arturo Grueso Bonilla aus der Pazifikstadt Guapi (departamento Cauca) hatte dort den Organisationsprozeß der Schwarzen vorangetrieben. Als Nummer zwei auf seiner Liste ließ sich der bekannte schwarze Anthropologe Alexander Cifiientes registrieren. Grueso und der für den Senat antretende Luis Guillermo Ramos Domínguez (ebenfalls Comunidades Negras) unterzeichneten eine politische Übereinkunft zur gegenseitigen Unterstützung. Viele der anderen Kandidaten konnten auf eine begonnene politische Karriere in den traditionellen Parteien zurückschauen. Dazu zählte beispielsweise Edgar Roberto Carabali. Er war ehemals Liberaler und war 1988 mit großer Mehrheit (74,33 Prozent) zum Bürgermeister von Buenaventura gewählt worden. Später verhaftete ihn 628 629 630

Liberale der Pazifikregion für Kolumbien. Vgl.: Vasco Uribe 1996: 262f. Vgl.: Wade 1997: 412.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

371

die Staatsanwaltschaft wegen eines Korruptionsdeliktes. 631 Rudesindo Castro Hinestroza lebte in Alto Baudó im departamento Chocó. Dort unterhielt er mit ausländischer Unterstützung eine Kooperative zur Reisproduktion. Ihn schloß die Bewegung Cimarrón aufgrund eines Unterschlagungsdeliktes aus ihren Reihen aus. Er arbeitete anschließend mit der Liberalen Partei im Chocó und mit der bekannten ehemaligen Senatorin Piedad Córdoba zusammen. Orlando Emiro Palacios war eigentlich Anhänger der Konservativen Partei, was wiederum die Instrumentalisierung der Wahlen durch die traditionellen Parteien verdeutlichte. 632 Tabelle 68: Kandidaten und erzielte Stimmen der Afrokolumbianer bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus 1994 Kandidaten

Stimmen Prozent der gültigen Stimmen 9.191 0,17 Cebedeo Carabalí Garcia Edgar Roberto Carabalí M. 13.488 0,25 Rudesindo Castro Hinestroza 8.116 0,15 Ventura Díaz Ceballos 6.323 0,12 8.304 0,15 Arturo Grueso Bonilla Victor Manuel Leguizamón 4.398 0,08 Jesús María Lucumí Paz 5.737 0,11 0,74 Zulia María Mena García 39.109 0,12 Orlando Emiro Palacios Perea 6.250 Justiniano Quiñones Angulo 11.112 0,20 Jair Valencia Mina 5.244 0,09 Agustín Hernán Valencia Mosquera 13.935 0,26 Afrokolumbianer insgesamt 131.207 2,48 5.292.424 Gültige Stimmen insgesamt Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die 1994 im Repräsentantenhaus schließlich erfolgreiche schwarze Abgeordnete Zulia Mena stammt aus der Hauptstadt des marginalisierten und überwiegend von Schwarzen bewohnten departamento Choco Quibdö. Sie arbeitete dort vor ihrer Wahl zur Abgeordneten mit kirchlichen und indianischen Organisationen (vor allem mit OBAPO und ACIA) zusammen. 633 Zulia Mena er631

632 633

Vgl.: Registraduría Nacional del Estado Civil 1988: 40. Er wurde unter anderem beschuldigt, daß er auf dem Höhepunkt der Wahlkampagne die Sendezeit der lokalen Radiostation aufgekauft habe. Interview mit Alexander Cifuentes, 20.1.1995 und Juan de Dios Mosquera, 11.9. 1997. Der Ehemann Zulia Menas unterstützte sie in Quibdó durch die afrokolumbianischen Organisationen Actuar, Minga und Casa Nacional Afrocolombiana.

372

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

reichte mit 39.109 Stimmen einen Achtungserfolg für die Afrokolumbianer. Davon hatten allerdings nur 1.914 ihren Ursprung im Chocó und 2.216 im departamento Valle. In den größten überwiegend von Afrokolumbianem bewohnten Städten Barranquilla und Tumaco kam sie nur auf 988 bzw. auf 49 Stimmen. Dort werden regional verankerte Kandidaten (meist unabhängig von ihrer Hautfarbe) gewählt und Politiker, die in deren klientelistische Netzwerke integriert sind. In Bogotá erreichte Zulia Mena 12.964 Stimmen und im departamento Antioquia mit der Hauptstadt Medellin 8.019. Als Frau und Schwarze gab Zulia Mena vor, die doppelt diskriminierten Bevölkerungsteile zu repräsentieren.634 Sie war deshalb auch für einen Teil der mestizischen Mittelschicht wählbar, die ihre Interessen nicht in anderen Organisationen repräsentiert sah.635 Tabelle 69: Wahlbeteiligung der Kandidaten der afrokolumbianischen Gemeinschaften 1994 zum Repräsentantenhaus in verschiedenen Städten Stadt

Barranquilla Bogotá Buenaventura Cali Medellin Quibdó Pasto Tumaco Restliche Kommunen Insgesamt

Stimmen für Kandidaten der Schwarzen 2.659 28.937 9.328 6.813 5.929 2.030 729 1.765 73.017

Prozent der in der Prozent der Stadt insgesamt für für das RH abgegebenen Schwarze Stimmen abgegebenen Stimmen 2,03 1,35 4,56 22,05 27,44 7,11 2,92 5,19 3,47 4,52 1,55 11,16 1,40 0,55 8,74 1,35 38,96 55,65

131.207

100,00

100,00

Prozent der gültigen Stimmen insgesamt 0,05 0,54 0,18 0,13 0,11 0,04 0,01 0,03 1,38 100,00

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

634

635

Vgl. dazu ihr Wahlprogramm: Del corazón del Pacífico Zulia Mena derecho a la Cámera, ohne Jahr. Aus meinen Interviews ging hervor, daß sie von zahlreichen Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen gewählt worden war. Zulia Mena unterstütze 1994 die Liste Otraparte, die verschiedene NROs aus Medellin bei den Stadtratswahlen aufgestellt hatten. Viele Mitglieder der NROs hatten sich zuvor bei der Wahl zum Repräsentantenhaus für Zulia Mena entschieden. Interview mit Javier Márquez, 5.3.1995 und mit Alonso Salazar 7.3.1995; vgl. auch: Gómez J. 1994: 6A. Agudelo erwähnt, daß Zulia Mena in Bogotá laut Daten der RNEC nicht in Stadtvierteln gewählt wurde, in denen viele Schwarze wohnen. Agudelo 1998: 26.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

373

Als weiterer Abgeordneter für die Afrokolumbianer kam der Rechtsanwalt und Universitätsdozent Agustín Valencia ins Repräsentantenhaus. Durch die Ereignisse um den Übergangsartikel Nr. 55 hatte er 1991 in Cali den Movimiento Nacional de las Comunidades Negras - Palenque Afrocolombiano gegründet. Ihm gehörten ehemalige Mitglieder der traditionellen Parteien, linker, sozialer und kultureller Bewegungen an. Er ließ seine Organisation im Januar 1994 als politische Partei registrieren.636 Valencia stammt ursprünglich aus der Konservativen Partei und kann als traditioneller Politiker gelten, der die Sonderbestimmungen für die Schwarzen ausgenutzt hat. Insgesamt vereinten alle afrokolumbianischen Kandidaten für das Repräsentantenhaus, trotz eines viel höheren Wählerpotentials, zusammen nur 131.207 Stimmen auf sich.637 Im Senat präsentierte sich 1994 (ohne Sonderkonditionen) Juan de Dios Mosquera (Comunidades Negras-Afro 1) von der Bewegung Cimarrón. Er wurde auf dem II. Encuentro Nacional de Organizaciones Afrocolombianas am 12. Februar 1994 (also erst rund einen Monat vor der Senatswahl) als Kandidat nominiert. Der Bewegung standen für den gesamten Wahlkampf nur drei Millionen Pesos638 zur Verfügung. Dadurch mußte der Kandidat fast ganz auf Rundreisen durch das Land verzichten. Sie wären aber aufgrund der regional sehr zergliederten Organisationsstruktur von Cimarrón und des in den verschiedensten (oft schwer erreichbaren) Regionen lebenden Wählerpotentials sowie des mangelnden Zugangs des Kandidaten zu Radio und Fernsehen notwendig gewesen. Außerdem hatte der Politiker lediglich Erfahrung im Aufbau einer sozialen Bewegung. Diese Arbeit unterschied sich aber von der Dynamik der Kongreßwahlen: Sie stellte andere Anforderungen an die Mobilisierung der

636 637

638

Vgl.: Estatutos del Movimiento Nacional de las Comunidades Negras. Genaue Angaben über das afrokolumbianische Wahlpotential sind noch viel schwieriger zu erhalten als über die schwarze Bevölkerung allgemein. Bei den kolumbianischen Volkszählungen wurden ethnische Kriterien zum ersten Mal 1993/94 berücksichtigt. Allerdings verstand ein Großteil der schwarzen Bevölkerung die Frage nach ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie nicht. Andere wollten sich nicht als ,schwarz' identifizieren. Nur 2,73 Prozent der Bevölkerung gab an, einer Ethnie anzugehören. Vgl.: El Tiempo, 1.7.1994 und Pizarro Leongömez 1994: 90. Die Statistiker des DANE zählten 1993 die Gemeinden mit überwiegend afrokolumbianischer Bevölkerung. Sie kamen auf 4.846.327 Personen. Dabei wurden die Migranten in den Großstädten nicht mitgerechnet. Vgl.: DANE 1993: 34. Vasco Uribe (1996: 239) spricht davon, daß ein Drittel der kolumbianischen Bevölkerung von ihrer Abstammung her afrokolumbianischen Ursprungs sei. Im überwiegend von Afrokolumbianern bewohnten departamento Chocö machte der Wahlzensus 1994 124.631 Personen aus. Vgl.: Registraduria Nacional del Estado Civil 1994b, Bd. 1: 100. Das entsprach 1994 rund 3.000 US-Dollar.

374

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Anhänger als die Organisation von regionalen Basisgruppen für die Bewegung Cimarrón.639 Insgesamt erzielte Mosquera 5.445 Stimmen, was für einen Sitz im Senat nicht ausreichte. Die meisten davon gewann er im departamento Riseralda, in dem er aufwuchs, außerdem in den departamentos Chocó, Valle del Cauca, Antioquia und in der Hauptstadt Bogotá. Er hatte dort Erfolge, wo er oder seine Familie persönlich bekannt waren oder Cimarrón zivilgesellschaftliche Organisationsprozesse unterstützte. Die afrokolumbianische Verankerung seiner Stimmen in den Hauptwohngebieten der Schwarzen und Mulatten ist bei ihm dennoch deutlicher als bei Zulia Mena.

639

Vgl. dazu auch Escobar/Pedroza 1996.

375

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 70: Stimmen des afrokolumbianischen Kandidaten für den Senat, Juan de Dios Mosquera, in den verschiedenen departamentos und in den jeweiligen Hauptstädten der departamentos 1994 departamento Amazonas Antioquia Arauca Atlántico Bolívar Boyacá Caldas Caquetá Casanare Cauca César Córdoba Cundinamarca Chocó Guainía Guaviare Huila La Guajira Magdalena Meta Nariño Norte de Santander Putumayo Quindio Risaralda Santander San Andrés Sucre Tolima Valle del Cauca Vaupés Vichada Santafé de Bogotá Insgesamt

Stimmen Davon in der Hauptstadt Prozent 6 505 15 411 159 45 99 22 7 ***2oi 39 67 94 ****643 3 40 53 11 96 40

6 205 7 *278 **105 4 49 12 2 15 7 17 -

163 3 13 17 4 42 22 22 20 2 19 573 34

100 41 47 68 66 9 50 55 29 8 18 25 -

25 100 33 32 36 44 55 6 65 8 66 56 36

31 24 29 1.024 95 20 30 7 23 40 48 19 54 608 330 1 1 100 4 67 6 614 2.002 37 5.445 * Die vorwiegend von Afrokolumbianem bewohnte Stadt Barranquilla. ** Die von Afrokolumbianem bewohnte Stadt Cartagena. *** Hier vor allem in den afrokolumbianisch bevölkerten Dörfern López de Micay, Patia (El Bordo) und Puerto Tejada. Der Wahlerfolg in Patia ist nach Einschätzung von Cimarrón darauf zurückzufiihren, daß die Gruppierung dort ein Projekt der ethnokulturellen Bildungsarbeit und eine Frauenorganisation unterstützt. **** Davon 315 in Tadó. Dort unterstützt Cimarrón eine Frauengruppe und eine Bauemorganisation (Asociación Campesina del Alto San Juan). Außerdem stammt die Familie von Juan de Dios Mosquera aus Tadó. ***** Davon 174 in der vorwiegend von Afrokolumbianem bewohnten Stadt Tumaco. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

376

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Wie schwierig es für die Kandidaten der afrokolumbianischen Gemeinschaften war, sich selbst in den Städten eine politische Basis zu schaffen, die vorwiegend von Afrokolumbianern bewohnt werden, wurde auch in meiner Fallstudie in Tumaco deutlich. Juan de Dios Mosquera erzielte in Tumaco bei den Senatswahlen nur den 13. Platz. Die Sieger waren zwei Senatoren aus dem departamento Valle del Cauca: José Renán Trujillo, der seine Wahlstimmen zum größten Teil von seinem Vater, Carlos Holmes Trujillo, nach dessen Tod aus seinem klientelistischen Netzwerk ,geerbt' hatte640 und Mauricio Guzmán, ehemaliger Bürgermeister von Cali (1994-1997), der sein Amt wegen Beschuldigungen im Zusammenhang mit dem Proceso 8.000 niederlegen mußte.641 Auf der Liste von Oswaldo Martínez, dem Abgeordneten zum Repräsentantenhaus mit der höchsten Stimmenzahl in Tumaco, kandidierte auf dem zweiten Platz der tumaqueño Pedro Fermín.642 Maria E. Manzi de Escruceria, die auf die zweithöchste Stimmenzahl kam, stammt ebenfalls aus Tumaco. Alvaro Castañeda - Dritter - wurde von Mauricio Guzmán aus Cali unterstützt.

640

641

642

Auf der Liste von José Renán Trujillo kandidierte auf dem zweiten Platz bei der Senatswahl der Liberale Jesús Rosero Ruano aus Tumaco. Trujillo hatte auch Teile von dessen Wahlkampf bei der Bürgermeisterwahl in Tumaco 1994 finanziert. Sein Bruder war Innenminister der Regierung Samper. Interview mit Roman Mora, 23.10.1997. Mauricio Guzmán finanzierte weitgehend die Wahlkampagne von Nilo del Castillo bei den Bürgermeisterwahlen in Tumaco 1994. Pedro Fermín war Chef des .Komitees zur Entwicklung der Verfassung' (Comité para el Desarrollo de la Constitución) während der Amtsperiode von Teódulo Quiñones (1992-1994). Quiñones unterstützte Oswaldo Martínez und wollte 1998 auf dessen Liste bei den Wahlen zum Senat kandidieren. Vgl. dazu auch La Ola. El Semanario del Pacifico Sur, Nr. 146, 20.3.1997: 3.

377

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 71: Ergebnisse der Wahlen zum Repräsentantenhaus für den departamento Nariño in Tumaco 1994 Kandidat Martínez, Oswaldo Cerón, José Alvarez, Javier Castañeda, Alvaro Manzi de Escrucería, Maria Eleonora Figueroa, Luis Carabalí, Tulia Guerrero, Alvonso PARTIDO LIBERAL, INSGESAMT Enriquez, Carlos Salazar, Franco Benavides, Alberto Caicedo, Luis Guerra, José Luis PARTIDO CONSERVADOR, INSGESAMT García, Guillermo Pedreros, Yimmy Blanco, Jorge Ipiales, Francisco ANDERE INSGESAMT Valencia, Jair Valencia, Agustín Carabalí, Cebedeo Quiñones, Justiniano Lucumí, Jesús Carabalí, Roberto Castro, Rudesindo Palacios, Orlando Mena, Zulia Leguizamón, Victor Díaz, Ventura Grueso, Arturo COMUNIDADES NEGRAS, INSGESAMT ,Leere' Stimmzettel Ungültige Stimmen Insgesamt

Partei PLC PLC PLC PLC PLC PLC PLC PLC

Stimmen Tumaco 4.293 554 529 2.946 3.406 457 850 40 13.075 PC 844 PC 728 PC 88 PC 132 PC 140 1.932 NC 468 ADM-19 1.029 C4 84 MUM 64 1.645 CN 23 CN 750 CN 96 CN 466 CN 24 CN 169 CN 67 CN 27 CN 49 CN 47 CN 143 CN 43 1.904 463 1.155 20.174

Quelle: RNEC 1994 und Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil, 1994. Zusammenstellung durch die Autorin.

Dies macht ebenfalls deutlich, daß bei der Wahl die Einbindung in klientelistische Netzwerke, finanzielle Ressourcen, langjährige politische Erfahrung,

378

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Regionalität und Absprachen mit Politikern aus Tumaco eine wichtigere Rolle spielten als die Zugehörigkeit zur eigenen Ethnie bzw. zur Bewegung der Comunidades Negras. Der cleavage Schwarze/Weiße hatte sich zwar bei der Herausbildung neuer Wahlparteien ausgewirkt, blieb allerdings auf der Ebene der Parlamentsparteien, trotz offensichtlicher Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung, von untergeordneter Bedeutung. Die Kandidaten, die im Rahmen der Sonderbedingungen für die Bewegung der Schwarzen (circunscripción especial) zur Wahl ins Repräsentantenhaus angetreten waren, erzielten in Tumaco ebenfalls nur moderate Zustimmung. Die geringe Verankerung der Comunidades Negras (CN) auf der parteipolitischen Ebene ergab sich ebenfalls aus den Befragungsdaten in Tumaco. Dort identifizierten sich 1996 von den Befragten 56,3 Prozent mit keiner Partei, 31,4 Prozent mit dem Partido Liberal, 8,4 Prozent mit den Konservativen, 2,6 Prozent mit der Alianza Democrática M-19 und 0,4 Prozent mit der Unión Partiótica. Mit den Organisationen der Comunidades Negras identifizierten sich nur 0,6 Prozent. Schaubild 9: Parteiidentifikation in Tumaco Prozent 60

56,3

¿m

50 40

31,4

30 20

10

0,6

0,4

0.4

0 Keine

PI.C

A D/M-19

CN

UP

Andere

Antworten auf die Frage: „Identifizieren Sie sich mit einer politischen Partei oder Bewegung?" („Ud. se identifica con algún partido o movimiento político?")

Auch die sozialpolitischen Organisationen der Schwarzen waren nur begrenzt bekannt. Auf die Frage: „Kennen Sie die Bewegung der comunidades negras?" antworteten 19,1 Prozent mit ,ja". Bei denjenigen, die angaben die Organisationen zu kennen, stand mit 43 Prozent Cimarrón an der Spitze, gefolgt von

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

379

Palenque Afrocolombiano (19 Prozent) und der Organisation Minga (11 Prozent) sowie verschiedenen kleineren, meist kulturellen Gruppierungen. 643 Schaubild 10: Kenntnis afrokolumbianischer Organisationen in Tumaco

Minga Palenque Andere Cimarrón 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Prozent

Schaubild 11: Änderung der Situation der Schwarzen durch die Verfassung von 1991 6%

Antworten auf die Frage: „Geht es den Schwarzen nach der Einführung der neuen Verfassung besser, schlechter oder genauso wie zuvor?"(„A partir de la Constitución de 1991 la gente negra salió más favorecida, menos favorecida o igual que antes?")

643

Alle drei Gruppierungen sind in Tumaco tätig. Bei den beiden ersten handelt es sich um nationale Organisationen. Minga dagegen ist nur in Tumaco ansässig. Die Bewegung Cimarrón engagierte sich Mitte der 90er Jahre vor allem bei der Organisation der Fischer in einem Stadtteilprojekt. Palenque Afrocolombiano ist Teil der regionalen Ausprägung der innerhalb des Proceso de Comunidades Negras geschaffenen nationalen Organisationsstruktur. Interview mit Edgar Castillo, 16.11.1994.

380

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Nicht alle Befragten hatten den Eindruck, daß die neue kolumbianische Verfassung von 1991 den Schwarzen Vorteile brachte. Die Meinung, daß sie den Afrokolumbianern zugute kam, vertraten in Tumaco 39,9 Prozent der Befragten. 54,4 Prozent glaubten, daß sie keine Auswirkungen hatte und 6 Prozent, daß die Schwarzen sogar schlechter dastünden als zuvor. Auch das Gesetz Nr. 70, das die neuen Rechte der Afrokolumbianer 1993 festschrieb und u.a. kollektive Landrechte, die sozioökonomische Entwicklung der Küstenregionen sowie die Entsendung von zwei Repräsentanten in das Parlament einräumte, kannten nur 8 Prozent der Befragten. 644 1996 erlitt die politische Organisation der Afrokolumbianer außerdem einen schweren Rückschlag: Der Verfassungsgerichtshof entzog den Schwarzen die Sonderkonditionen für den Wahlantritt. Er erklärte den darauf bezogenen Teil des Gesetzes Nr. 70 von 1993 für verfassungswidrig. 645 Das Gericht begründete seine Entscheidung mit formalen Fehlern bei seiner Entstehung und damit, daß es sich nicht um eine ley estatuaria,646 handle, eine Rechtsnorm, die notwendig war, um den Übergangsartikel Nr. 55 der Verfassung von 1991 zu reglementieren. Die Abgeordnete Zulia Mena und die Senatorin Piedad Córdoba legten dem Kongreß einen neuen Gesetzesentwurf vor, der den .Minderheiten' fünf Sitze im Repräsentantenhaus reservieren und die Zahl der Abgeordneten in der Kammer von 165 auf 170 erhöhen sollte. Zwei der Sitze waren für die Afrokolumbianer vorgesehen. Der Kongreß lehnte den Gesetzentwurf 1997 zunächst ab. 647 Bei den Kongreßwahlen 1998 konnten deshalb keine Abgeordneten der Schwarzen zu Sonderkonditionen antreten. Zulia Mena kandidierte nicht mehr für eine afrokolumbianische Bewegung, sondern für den Movimiento Político Mujeres 2000. Weder sie (19.791 Stimmen) noch Agustín Valencia (13.797 Stimmen) wurden unter normalen Bedingungen wiedergewählt. Ihr Wahlpo644

645 646

647

Vgl. zum Gesetz Nr. 70: Red de Solidaridad Social/Plan Nacional de Rehabilitación: 1995: 2ff.; Fundación de Vida 1994: 4ff.; Vásquez L. 1994: 3ff. und Boija 1996: 138ff. Vgl.: Sentencia C-484/96. Die wichtigsten Bestimmungen der Verfassung müssen in sogenannten leyes estatuarias reglementiert werden. Sie haben Priorität gegenüber anderen Gesetzen. Sie durchlaufen in beiden Häusern des Kongresses bis zu ihrer Genehmigung ein schwieriges Verfahren. Leyes estatuarias müssen für die folgenden Bereiche verabschiedet werden: a) Grundrechte und Pflichten des Bürgers; Maßnahmen, die zu ihrem Schutz eingesetzt werden sowie deren Finanzierung. b) Justizverwaltungsangelegenheiten. c) Parteien- und Wahlgesetze sowie das Oppositionsstatut. d) Institutionen und Mechanismen der Bürgerbeteiligung. e) Ausnahmezustandsregelungen. Vgl.: El Tiempo, 17.12.1997.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

381

tential ging im Vergleich zu 1994 zurück. Nach Aussagen des Vorsitzenden der afrokolumbianischen Bewegung Cimarrón hatte die Repräsentation lediglich zweier Sektoren der Afrokolumbianer im Repräsentantenhaus zur internen Spaltung der soziopolitischen Bewegung der Comunidades Negras beigetragen. Die Regierung Pastrana (1998-2004) maß einer spezifischen Politik für die afrokolumbianischen Gemeinschaften nur wenig Bedeutung bei. Sie entzog dem für die Angelegenheiten der Afrokolumbianer zuständigen DACN fast vollständig die Finanzen. Dies begründete sie neben ihrer neoliberalen Sparpolitik auch mit den mangelnden Politikergebnissen, die die schwarzen Repräsentanten nach einer Legislaturperiode im Kongreß vorzuweisen hatten.648 Neben Zulia Mena und Agustín Valencia kandidierten 1998 noch Amir Smith Córdoba (Movimiento Líder Antorcha Democrática). Er war früher Kandidat der Liberalen Partei und bereits bei den Senatswahlen 1994 angetreten. Er erzielte aber weder damals noch 1998 ein Mandat. Jair Valencia Mina, der ursprünglich den Movimiento Social Afrocolombiano gegründet hatte, und seine Aktivitäten auf Cali und den Norden des departamento Cauca beschränkte, ließ sich 1998 erfolglos im Namen des Movimiento Convergencia Popular Cívica für den Senat aufstellen.649 Der Politiker war schon 1994 im Rahmen der circunscripción especial der Afrokolumbianer angetreten, aber nicht gewählt worden. Der durch den Übergangsartikel 55 und das Gesetz Nr. 70 inspirierte PCN, regional und administrativ in verschiedenen Gruppen, sogenannten palenques,650 organisiert, arbeitete vorwiegend in den ländlichen Gegenden der Pazifikregion. Seine führenden Mitglieder, wie beispielsweise Carlos Rosero, versuchten sich aber auch als politische Alternative auf der nationalen Ebene zu etablieren. Sein Antritt bei den Senatswahlen 1998 auf der Liste von Alberto Lozano blieb dennoch erfolglos. Die Stimmenverluste der Afrokolumbianer verdeutlichten, daß sie noch mehr als die indianischen Gemeinschaften auf affirmative-action-Ms&nahmzn des Staates angewiesen waren, wenn sie in den Kongreß einziehen wollten.

648

649 650

Interview mit Juan de Dios Mosquera, 11.9.1997; vgl. auch: CONPES, DNP 1997: 3ff.; Arocha 1998: 72ff. Jair Valencia Mina erreichte 13.395 Stimmen. Vgl.: RNEC 1999. Palenque wurden in der Kolonialzeit die Organisationen bzw. die Siedlungen der entlaufenen und befreiten Sklaven (cimarrones) genannt.

382

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 72: Beteiligung afrokolumbianischer Kandidaten an den Kongreßwahlen 1998 im Vergleich zu ihrer Beteiligung 1994 Kandidaten Zulia Mena

Agustín Valencia

Partei 1994 Comunidades Negras (circunscripción especial) Comunidades Negras (circunscripción especial)

Amir Smith Córdoba

Partido Liberal

Jair Valencia Mina

Comunidades Negras (circunscripción especial)

Pedro Ramón Mogollón

Mauricio Eduardo Campo

Yilmar Tafur Ramírez

Jesús María Lucumí Paz

Partei 1998

Stimmen Stimmen Differenz 1994 1998

Movimiento Político Mujeres 2000

39.109 *(RH)

19.791 (S)

-19.318

Movimiento Nacional de las Comunidades Negras-Palenque Afrocolombiano Movimiento 19 de Abril/ Movimiento Líder Antorcha Democrática Movimiento Convergencia Popular Cívica

13.935 *(RH)

13.797 (S)

-138

2.174 (S)

1.515 (S)

-659

5.244 (RH)

3.395 (S)

-1849

Movimiento Nacional de las Comunidades Negras-Palenque Afrocolombiano Movimiento Nacional de las Comunidades Negras-Palenque Afrocolombiano Movimiento Nacional de las Comunidades Negras-Palenque Afrocolombiano Partido Popular Colombiano

Comunidades 5.737 Negras (RH) (circunscripción especial) RH=Repräsentantenhaus S=Senat * gewählt Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

743 (RH, Bogotá)

687 (RH, Sucre)

5.972 (RH, Valle del Cauca)

1.325 (S)

-4412

Aus den traditionellen Parteien setzte sich neben Otilia Dueñas nach den Reformen vor allem die liberale Senatorin Piedad Córdoba mit ihrer Bewegung Huella Ciudadana651 für die Rechte der Schwarzen ein.652 Córdoba gilt als in 651

Etwa: Fährte des Bürgers.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

383

den klientelistischen Strukturen der Liberalen Partei sozialisiert und gehörte lange Zeit als eine von wenigen Frauen der Führungsspitze des Parteivorstandes an. Dennoch war sie im PLC für ihre fortschrittliche Friedenspolitik bekannt und machte sich für die Anliegen von Frauen und Afrokolumbianern stark. Einem Teil der zivilgesellschaftlichen Organisationen galt sie deshalb als wichtigere Ansprechpartnerin für die Durchsetzung ihrer Anliegen im Kongreß als etwa Zulia Mena. Córdoba wurde aufgrund ihrer politischen Positionen von paramilitärischen Gruppen entführt und mußte anschließend bis September 2001 ins kanadische Exil flüchten.653 Im Hinblick auf die schwarze Bevölkerung kümmerte sie sich zunächst um deren Belange in ihrer Heimatstadt Medellin. Sie war auch an der Ausarbeitung und dem Neuentwurf des Gesetzes Nr. 70 beteiligt. Dennoch hatte sie vor dem Inkrafttreten der Verfassung von 1991 keine explizit ethnischen Forderungen in ihrem Programm. Die Bewegung Cimarrón wirft ihr deshalb Opportunismus und die Unterstützung von Kandidaten wie der schwarzen Sängerin Leonor González Mina vor, die 1998 in das Repräsentantenhaus gewählt wurde, aber angeblich dort die Anliegen der Schwarzen nicht vorantrieb. Die Kritik von Cimarrón liegt aber auch darin begründet, daß bei den Wahlen 1998 eine programmatische Übereinkunft mit Piedad Córdoba scheiterte, bei der sie sich im Gegenzug für ihre Unterstützung durch die Bewegung verpflichten sollte, einen Teil des politischen Programms von Cimarrón mitzutragen. Doch die Senatorin war sich 1998 ihrer Wiederwahl auch ohne die Wahlhilfe von Cimarrón sicher und deshalb nicht zu Zugeständnissen bereit. Für die Kongreßwahlen 2002 konnten die Schwarzen schließlich wieder Repräsentanten entsenden. 654 Doch die früheren Abgeordneten Zulia Mena und Augustin Valencia zählten auch bei dieser Wahl nicht zu den Gewinnern. 655 652

653

654

655

Juan de Dios Mosquera (Cimarrón) wirft der Senatorin allerdings vor, sich den von den afrokolumbianischen Organisationen vorangetriebenen politischen und sozialen Prozeß aneignen zu wollen. Interview mit Juan de Dios Mosquera, 2.1.1999. Die Regionen, in denen die schwarze Bevölkerung lebt, hatten traditionell nicht im Zentrum des Gewaltkonfliktes gestanden. Doch seit den Lokalwahlen 1997 hatte die Bewegung der Afrokolumbianer das Problem, daß im Chocó und im Süden des departamento Bolívar durch das Vorrücken der Guerilla und der Paramilitärs die Wahlteilnahme ihrer Kandidaten praktisch blockiert war. Vgl.: El Tiempo, 24.10. 1998. Die Forderung von CIMARRON allerdings, diese Sitze nur anerkannten Organisationen der Schwarzen zugänglich zu machen, wurde von der Liberalen Partei abgelehnt. Sie will die Beteiligung offen halten, denn dadurch können auch die Kandidaten der traditionellen Parteien die Sonderbedingungen in Anspruch nehmen. Vgl.: Texto definitivo del proyecto de acto legislativo Nr. 88 de 1998 und Interview mit Juan de Dios Mosquera, 2.2.1999 Vgl. zu den vorläufigen Wahlresultaten die Veröffentlichungen der RNEC, www.registraduria.gov.co/elecciones2002.

384

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Die Konflikte innerhalb der ,Schwarzenbewegung', ihre Haltung zu den traditionellen Parteien, ihre mangelnde basispolitische Verankerung, Rassismus und Endorassismus sowie die zunehmende Gewalt auch gegen afrokolumbianische Kandidaten behinderten bisher einen effizienten parteipolitischen Organisationsprozeß. Der Erfolg von Parteien, die sich auf ethnische cleavages berufen, hängt nicht zuletzt mit der Konstruktion afrokolumbianischer Identität zusammen. Doch: „Die Autoidentifíkation der schwarzen Bevölkerung als ethnischer Akteur hat noch nicht das Niveau erreicht, das die Führer ihrer Organisationen sich erhoffen."656 Ihre Tendenz zur pragmatischen Kooperation mit traditionellen Politiksektoren im Rahmen klientelistischer Netzwerke und die ambivalente Haltung eines Teils der Kandidaten zu Fragen der Beziehung zwischen .Schwarzen' und ,Weißen' wurde 1994 auch in einer Wahlpropaganda von Jesús Maria Lucumi deutlich: „An der Seite eines Schwarzen lebt immer ein Weißer. Wenn sie einen Schwarzen wählen, wird immer auch ein Weißer Vorteile haben."657

7.7.2 Die Organisationen der sogenannten religiösen ,Minderheiten' Als konstante Minderheit im Kongreß konnten sich die neuen religiösen (meist protestantischen) Parteien behaupten. Sie sind auf dem gesamten lateinamerikanischen Kontinent und in der Karibik - vor allem in Peru, Guatemala und Haiti - auf dem Vormarsch.658 Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen war in Kolumbien 105 Jahre lang die Katholische Kirche die einzige Institution, der Sonderrechte beispielsweise im Bildungssektor und bei Eheschließungen eingeräumt worden waren. Doch obwohl erst die Verfassung von 1991 die Religionsfreiheit gewährte, organisierten sich die evangelischen Kirchen bereits sehr früh unter schwierigsten Rahmenbedingungen. 1861 war bereits die erste presbyterianische Gemeinde in Bogotá gegründet worden. Die verschiedenen protestantischen Kirchen hatten in den 70er Jahren noch rund 300.000 Anhänger. Doch Ende der 90er Jahre waren es etwa fünf Millionen. 1998 existierten fast 5.000 evangelische Kongregationen. Sie haben mittlerweile mehrere Dachverbände gegründet.659 Die daraus später entstandenen weltanschau-

656 657 658 659

Agudelo 1998:31. Vgl.: Lucumi Paz ohne Jahr. Vgl.: Dixon 1995: 480ff. und Garrard-Burnett/Stoll 1993. Dazu gehört beispielsweise die Federación de Iglesias Cristianas, FIC, der 35 Kirchen angehören. Der Consejo Evangélico de Colombia, CEDECOL, umfaßt 110 christliche Gruppen. In der Regel gibt es keine Großkirchen wie in Brasilien, sondern eine Vielzahl von kleinen Organisationen.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

385

liehen Parteien repräsentierten protestantische Organisationen variierender Größe und Ausrichtung. 660 Die Katholische Kirche glaubte zunächst (vor allem aufgrund ihrer Nähe zur Konservativen Partei), keine eigene politische Interessenvertretung zu benötigen. Anfang der 90er Jahre gründete dann ein Sektor der Katholischen Kirche den Movimiento Laicos por Colombia (LPC),661 Der LPC sprach sich für katholische Werte im Sinne Johannes Paul II. - also gegen Abtreibung, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Scheidung - aus. Allerdings war die Partei auch für andere (nicht katholische) Sektoren offen. Beispielsweise traten viele ehemalige Liberale der Bewegung bei. Die evangelischen Gläubigen standen dagegen aus historischen Gründen der Liberalen Partei näher. Die Konservativen hatten beispielsweise in Boyacá während der Gewaltepoche der Violencia die Protestanten verfolgt.662 Pionier unter den politischen Organisationen war zu Beginn der 90er Jahre der Partido Nacional Cristiano, dessen Mitglieder sich am 15. September 1990 erstmals unter dem neuen Namen versammelten. Er gab sein politisches Debüt bei den Präsidentschaftswahlen 1990, als Claudia Rodríguez für ihn als Kandidatin antrat. Die Organisation nutzte den Werbeeffekt der Wahlen und bildete zusammen mit Viviane Morales und Fernando Mendoza ein Wahlbündnis evangelischer Gruppen, das bei den Abstimmungen zur Verfassunggebenden Versammlung Ende 1990 zwei Mandate erzielte. Morales und Mendoza gründeten im Anschluß an die A NC am 4. April 1991 den Movimiento Unión Cristiana, für den sie in das Repräsentantenhaus und in den Senat einzogen. Der Partido Nacional Cristiano hatte sich Anfangs für die Einheit der christlichen Bewegungen auch bei ihrer parteipolitischen Organisation eingesetzt. Dies war jedoch nicht durchzusetzen. Der Stimmenanteil der christlichen Parteien bei Kongreßwahlen wuchs dennoch zwischen 1991 und 1994 von 3,1 auf 3,8 Prozent der Gesamtstimmen. Der Priester und ehemalige Liberale Jaime Ortiz Hurtado von der Bewegung Unión Cristiana (MUC), Jimmy Chamorro Cruz (Compromiso Cívico Cristiano con la Comunidad, C-4) und Carlos Eduardo Corssi {Movimiento Laicos por Colombia, LPC) erzielten bei den Wahlen 1994 jeweils mehr als 50.000 Stimmen, was nur wenigen Politikern herkömmlicher Parteien gelungen war. Die christlichen Gruppen haben ihre regionale Stärke in Antioquia, Santander, Valle und Cundinamarca, in der Hauptstadt Bogotá, aber auch in einigen marginalen Regionen des Landes.

660

661 662

Die Kongregation Asambleas de Dios zählt rund 600 Kirchen in Kolumbien. Andere Organisationen vereinigen so wenig Gläubige, daß sie nur in Stadtteilen existieren. Man nennt sie deshalb Garagenkirchen. Vgl.: El Tiempo, 20.10.1994 und Semana, 16.3.-23.3.1998. Vgl.: Semana, 16.3.1998. Vgl.: Velasco 1996: 86.

386

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Tabelle 73: Stimmenanteile und Sitzverteilung der christlichen Parteien bei den Kongreßwahlen 1991-1998

PNC MUC LPC

Sitze Jahr Stimmen Sitze Stimmen Repräsentantenhaus Senat 1 22.808 0 1991 27.269 1 1 1991 72.367 75.977 — — 1 1991 49.758

PNC MUC LPC C4

1994 1994 1994 1994

21.235 58.857 51.177 52.748

0 1 1 1

26.881 40.324 60.968 60.834

1 0 0 0

PNC MUC LPC C4 FE

1998 1998 1998 1998 1998

12.998 53.753 38.412 44.859 41.608

0 0 1 1 1

40.311 40.687 57.177 20.930 34.829

1 0

Partei

~

0 1

Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

1998 steigerten sie gegenüber 1994 ihren Anteil an den Gesamtstimmen auf fast fünf Prozent. Carlos Eduardo Corssi (LPC) wurde mit 38.412 Stimmen wiedergewählt. Ins Repräsentantenhaus zogen für Bogotá Nelly Moreno (Movimiento Frente de Esperanza, FE) und César Castellanos ( P N C ) ein. Jaime Ortiz (Movimiento Unión Cristiana), Viviane Morales (FE) und Jimmy Chamorro Cruz (C4) kandidierten für den Senat. Der Movimiento Unión Cristiana blieb 1998 ohne Beteiligung im Kongreß. Nur die beiden letzteren gewannen ein Mandat, allerdings mit weniger Stimmen als 1994. Jimmy Chamorro wurde mit seiner am 6. Januar 1992 gegründeten Partei überwiegend in den departamentos Antioquia, Valle, Riseralda, Santander, Tolima und Bogotá gewählt, Viviane Morales vor allem wegen der Stärke ihrer Kirche, der Iglesia de Dios en Colombia, in Bogotá. Außerdem honorierten ihre Anhänger ihre Arbeit im Kongreß. 663 Claudia Rodríguez trat 1998 bei den Senatswahlen 663

Vivane Morales arbeitete unter der Regierung Barco zunächst im Entwicklungsministerium. In der Verfassunggebenden Versammlung war sie als Beraterin von Jaime Ortiz tätig. Sie brachte das Gesetz Nr. 133 von 1996 durch die Instanzen. Es stellte die Religionsfreiheit auf eine gesetzliche Basis. Kolumbien erhielt dadurch eine der fortschrittlichsten Gesetzgebungen ganz Lateinamerikas auf diesem Gebiet. Die evangelischen Kirchen wurden als religiöse Institutionen offiziell anerkannt. Früher registrierten ihre Führer sie als eine Art Stiftung. Damals konnten sie keine Gewinne erwirtschaften. Bis Januar 1998 hatten sich 549 Kirchen in der eigens dafür gegründeten Oficina de Registro Püblico de Entidades Religiosas im Innenministerium registrieren lassen. Außerdem können die Organisationen auf dieser

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

387

für die Liberale Partei an. Ihre 32.990 Stimmen reichten aber für einen Sitz nicht aus. Der Erfolg dieser Gruppen wird auch daran deutlich, daß Jimmy Chamorro (C4) nach den Wahlen 1998 zum zweiten Vizepräsidenten des Senates gewählt wurde. Insgesamt ist die Arbeit der protestantischen Kirchen in Kolumbien (vor allem im Hinblick auf die Zerstörung kultureller Traditionen, psychologischer Beeinflussungsstrategien und der Eintreibung von Spenden bei den Mitgliedern) nicht nur positiv zu beurteilen.664 Aber das politische Vorgehen aller Kirchen ist sehr geschickt: Ihr Geheimnis liegt im strategischen Gebrauch vorpolitischer Gruppenbeziehungen. Diese können sie im Wahlkampf nutzen. Die Tätigkeiten in der Altenhilfe, der Sozial- und Bildungsarbeit, beispielsweise bei der Rehabilitierung von Alkoholikern und Drogenabhängigen, der Betreuung von AIDS-Patienten und Flüchtlingen bringt ihnen Anerkennung in der Bevölkerung. Darüber schaffen sie soziale Netzwerke (redes comunitarias), die den Kandidaten der verschiedenen Kirchen bei Wahlen als Ausgangsbasis dienen. In den Gründungsdokumenten des Movimiento Laicos por Colombia heißt es beispielsweise: „Die Struktur der aus der Zivilgesellschaft hervorgegangenen politischen Kraft ist eine Art Netz, in dem die Untergruppen ein eigenständiges Leben führen, um sich in ihre konkrete Lebenswelt zu vertiefen, bei gleichzeitigem permanenten Kontakt mit den anderen Gruppen, innerhalb der organischen Struktur, in der sie sich gerade befinden."665

Ihre Botschaft verbreiten die Gemeinschaften außerdem nicht nur von der Kanzel ihrer oft übervollen Kirchen. Sie haben mittlerweile auch eigene Radio- und Fernsehsender. Im Unterschied zu den traditionellen Parteien gelingt es den christlichen Bewegungen dadurch, neben den persönlichen Beziehungen zu den Kandidaten ein Wertgefüge aufzubauen, das das zivile und politische Leben sinnvoll miteinander verbindet. Außerdem zeigen sie relative Effektivität bei der Durchsetzung von Gesetzesvorlagen im Kongreß. Sie beto-

664 665

Gesetzesgrundlage Verträge mit der Regierung schließen. Ein Abkommen, das am 2. Dezember 1997 zwischen der Regierung Samper und zwölf Kongregationen unterzeichnet wurde, gewährt ihnen gleiche Bedingungen wie der Katholischen Kirche bei Eheschließungen, in der staatlichen Bildung, bei der Gefangenenbetreuung und bei der Seelsorge in Hospitälern und Militärkasernen. Die Katholische Kirche sah in dem Abkommen eine Revanche der Regierung Samper für ihre kritische Haltung (vor allem der ihres Oberhirten, Bischof Pedro Rubiano) im Prozeß 8.000. Mit Sicherheit aber stellt es ein Teil der Absprachen dar, die der Regierungschef mit den Protestanten für ihre Unterstützung bei seiner Wahl eingegangen war. Vgl. dazu auch Velasco 1996: 86 und Semana, 16.3.1998. Vgl. dazu für Südamerika allgemein: Rohr 1990: 56ff. Documento de Constitución del Movimiento Laicos por Colombia.

388

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

nen ihre ethische Korrektheit und kritisieren die Korruption in den politischen Institutionen.666 Auf ihre positiven Charaktereigenschaften verwies beispielsweise Viviane Morales in einem Interview mit der Zeitschrift Cromos 1996: „Das Positive der Beteiligung eines Christen an der Politik ist seine Prinzipientreue. Bei der Wahl bin ich kalkulierbar, da ich mich an Grundsätzen orientiere, die ich nicht aus taktischen oder konjunkturellen Gründen aufgebe."667

C4 verpflichtet sich außerdem im Ethikkodex der Partei ausdrücklich zur Einhaltung des Wahlprogramms.668 Parteiinterne Konflikte und die Bestimmung ihres Verhältnisses zu den traditionellen Parteien kennzeichneten dennoch in den 90er Jahren auch die Organisationen der religiösen .Minderheiten'. Claudia Rodriguez und Viviane Morales stammten aus den traditionellen Parteien. Erstere kehrte nach einer konjunkturellen Pause wieder in ihre Ursprungspartei zurück. Morales kandidierte aufgrund der politischen Konjunktur für die religiösen Gemeinschaften, koordinierte aber ihre Aktivitäten im Kongreß mit Mitgliedern der Liberalen Partei und gehörte zeitweise dem liberalen Parteivorstand an. Andere Politiker - wie Jaime Ortiz und Carlos Corsi dagegen - distanzierten sich stärker von den traditionellen Parteien. Aber auch Morales hatte trotz ihrer Bindung an die Liberale Partei unter unterschiedlichen Parteilabels kandidiert, die sie aufgrund von Politikdifferenzen mit ihren Parteikollegen mehrmals wechselte. Sie hatte diese für die Manipulation der Anhänger aufgrund ihres Glaubens kritisiert.669

7.7.3 Mujeres 2000 Der cleavage Mann/Frau schlug sich in Kolumbien nach den Reformen nur begrenzt in den Programmen der etablierten Parteien nieder. Obwohl es seit den 70er Jahren eine relativ aktive ,autonome' Frauenbewegung gibt, der wiederum seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts eine traditionelle Suffragettenbewegung vorausgegangen war, war es den organisierten Sektoren der Zivilgesellschaft kaum gelungen, ihre emanzipatorischen Anliegen ins Zweiparteiensystem einzubringen. Die traditionellen Parteien - und damit die lange Zeit wichtigsten Organisationen der Vermittlung zwischen Staat und Gesellschaft - spielten bei der Wahrnehmung emanzipatorischer Geschlechterinteressen eine völlig untergeordnete, überwiegend sogar kontraproduktive Rolle. 666 667 668

669

Vgl. dazu auch De Bucana 1995: 5ff. und Cardona Grisales 1994: lOf. Morales zitiert nach: Velasco 1996: 86. Dort heißt es wörtlich: „C4, die Mitglieder unserer Wahlkampagne im allgemeinen und unsere Funktionäre in öffentlichen Ämtern verpflichten sich zu einer absoluten Einhaltung ihrer während des Wahlprozesses vorgetragenen Programme." Cödigo de Etica del Compromiso Civico Cristiano con la Comunidad, C-4. Vgl.: Velasco 1996: 85f.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

389

Auf die .autonome Frauenbewegung' und die reduzierten parteipolitischen Ambitionen der aus diesem Sektor stammenden Frauen bin ich im Kapitel zur Geschlechtergerechtigkeit im Parteiensystem bereits eingegangen. Der Gründung des Movimiento Mujeres 2000 1997 ging deshalb auch ein Empowerment-Prozeß voraus. Die Nichtregierungsorganisation SOCOLPE {Sociedad Colombiana de Pedagogía) hatte mit Hilfe spanischer Entwicklungshilfegelder in den vier departamentos Boyacá, Cundinamarca, Riseralda und Tolima sowie in der Hauptstadt einen Bildungsprozeß eingeleitet, bei dem 240 Frauen an einer Schulung für weibliche Führungspersönlichkeiten teilnahmen. Zu den Kursen waren mestizische und indigene Frauen unterer sozialer Schichten zugelassen. Einige wiesen als alleinerziehende Mütter und Haushaltsvorstände oder als Mitglieder von Bauernorganisationen, Gewerkschaften, Nachbarschaftsorganisationen (madres comunitarias) bereits soziale Organisationserfahrungen auf. Nach der zweijährigen Ausbildung, die rund 200 Frauen bis Ende 1996 abschlössen, wollten die Frauen die durch den Kurs erworbenen Kenntnisse und kollektiven Erfahrungen in einen Parteigründungsprozeß einfließen lassen. Der Movimiento Mujeres 2000 gibt in seiner politischen Plattform drei zentrale Leitlinien vor, nach denen das Parteiprogramm strukturiert ist: Transformation, Frieden und Gleichheit. Inhalt des ersten Punktes ist die Konstruktion einer ethischen Staatsbürgerschaft, die auf klientelistische incentives verzichtet und die politische Kultur des Landes verändern hilft. Weitere Ziele sind die Motivation von Männern, aber vor allem von Frauen zur aktiven Ausgestaltung und bewußten Nutzung ihres aktiven und passiven Wahlrechts. Transformation beinhaltet auch die Ausarbeitung ,eigener, angepaßter' Entwicklungsmodelle durch die Beteiligung am Entwurf lokaler und regionaler Gleichstellungs- und Entwicklungspläne sowie die Nutzung der Mitbestimmungsmöglichkeiten im Rahmen der Gremien zur territorialen Neuordnung. Durch Fortbildungsprogramme soll Frauen ein Empowerment-Prozeß zuteil werden, ähnlich dem, den die Parteigründerinnen erfahren hatten. Gleichzeitig geht es Mujeres 2000 aber auch um die Verbesserung der konkreten Lebenssituation von Frauen. Die Partei will zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen, die sich für die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen stark machen. Hilfe sollen auch diejenigen Institutionen von der Partei erhalten, die Kinder und Familie in ihren Rechten schützen. Sie schlägt vor, geschlechtsspezifische Stereotypen im Bildungssektor zu bekämpfen und die in der Verfassung garantierten Frauenrechte bekannter zu machen sowie zu stärken. Frieden schaffen heißt in den Augen der Organisation, eine Pädagogik der Toleranz, des Dialoges und der Verhandlungen zu entwerfen, die die multiethnische und multikulturelle Diversität anerkennt und sich gegen die Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung ausspricht. Diese Ziele sollen mit Hilfe einer basisnahen Parteistruktur und vertikalen Entscheidungsfindungsprozessen umge-

390

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

setzt werden.670 Die Bewegung zeichnet sich außerdem dadurch aus, daß sie in den Zeiten zwischen den einzelnen Wahlkämpfen ihre Bildungsarbeit mit Frauen fortsetzt. Sie greift bei der Finanzierung ihrer Wahlkämpfe mit Ausnahme von geringen NRO-Mitteln vorwiegend auf die Eigenleistung ihrer Anhängerinnen zurück. So will sie Beeinflussungen (etwa durch die Industrie oder die Drogenmafia) ausschließen. Im Mittelpunkt der Arbeit der Partei steht der Aufbau einer lokalen Basis und dezentraler Parteistrukturen.671 Doch die wahlpolitischen Erfolge von Mujeres 2000 waren bisher bescheiden.672 Bei den Wahlen 1997, zu denen die Organisation Kandidatinnen für die Bürgermeister-, aber auch für die Stadt- bzw. Gemeinderatswahlen aufstellte, erzielte sie nur ein Mandat im Gemeinderat von Belén, Boyacá. Das lag zum einen an der mangelnden finanziellen Ausstattung, zum anderen am späten Zeitpunkt der Wahlregistrierung. Die nationale Wahlbehörde erkannte die Partei am 6. August 1997 um 14 Uhr nachmittags an. Bis 18 Uhr mußten sich die an den Wahlen teilnehmenden Kandidatinnen bei der RNEC registrieren, so daß es Mujeres 2000 nicht gelang, die 137 Kandidatinnen, die daran Interesse gezeigt hatten, für die Wahl anzumelden. Das Parteiengesetz zwang die Frauen aber, bei der nächsten anstehenden Kongreßwahl teilzunehmen, wollten sie nicht ihr Label wieder verlieren. Deshalb waren die ersten Wahlen, bei denen die neue Partei mit anderen konkurrierte, nicht wie geplant lokale, sondern nationale Wahlen. Dafür hatte Mujeres 2000 keine eigene Kandidatin vorgesehen. Die Frauen entschlossen sich deshalb, die Afrokolumbianerin Zulia Mena aufzustellen, die sich ursprünglich durch ihre Basisarbeit mit afrokolumbianischen Gemeinden im departamento Chocó einen Namen gemacht hatte.673 Durch die unbefriedigenden Resultate ihrer parlamentarischen Arbeit und ihre vermeintliche Verstrickung in den Prozeß 8.000674 war die schwarze Politikerin zum Zeitpunkt der Wahl bereits wieder in Verruf geraten. Positiv läßt sich aus den Erfahrungen von Mujeres 2000 vor allem festhalten, daß das Sprechen über mehr Geschlechtergerechtigkeit durch die Organisation auch andere Kandidatinnen (wie etwa Ligia Galvis) dazu anregte, feministische Positionen in ihre Wahlplattformen aufzunehmen. Dies erhöhte die Legitimität dieses Diskurses und beflügelte die Transformation von einer in kleinen feministischen Zirkeln etablierten ,quasi privaten' zu einer öffentlichen Rede. Doch die innerparteiliche Konsolidierung der Organisation, ihre genauere Positionsbestimmung in diesem Geschlechterdiskurs (inklusive sei670

671 672 673 674

Vgl.: Plataforma política del Movimiento Político Mujeres 2000. Un proyecto por la transformación, la paz y la equidad. Interview mit der Parteivorsitzenden Gladis Machado, 21.3.2001. Vgl. dazu die Studie von Wills 1999. Vgl. dazu das Kapitel über die afrokolumbianischen Gemeinschaften. Zulia Mena hatte gegen eine Sanktionierung Sampers gestimmt und war dafür entsprechend belohnt worden.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

391

ner Konkretisierung in Kolumbien) sowie die grundsätzliche Etablierung als glaubwürdige Interessenvertretung für Frauenbelange steckt noch in den Kinderschuhen.

7.7.4

Regionalparteien

Entlang der Konfliktlinie Zentrum/Peripherie bildeten sich nach den Reformen neue Parteien, von denen mir vor allem diejenigen interessant erscheinen, die sich auf der Basis lokaler oder regionaler movimientos cívicos entwickelten und denen es (zumindest zeitweise) gelang, auch auf die nationale Ebene auszustrahlen: dazu zählte beispielsweise der Movimiento Actitud Renovadora (MAR).615 Er war aus dem Movimiento Cívico por Pensilvania y por Caldas in

der Kommune Pensilvania im departamento Caldas entstanden. Die Kleinstadt sollte nach dem Willen der Partei in bezug auf ihre Verwaltung und Entwicklung als internationales Modell gelten. Der MAR stellte, nachdem er die langjährige Hegemonie der Konservativen Partei gebrochen hatte, von 1988 an alle Bürgermeister. So konnte eine kontinuierliche Politik gewährleistet werden, die durch ein Bürgerkomitee regelmäßige Unterstützung fand. Der erste Stadtvorsteher hatte eine Befragung über die nötigsten Bedürfhisse der Bevölkerung durchgeführt, auf der aufbauend er den lokalen Entwicklungsplan in Auftrag gab. Ein Teil der Infrastrukturmaßnahmen wurde in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung durchgeführt. Bei diesem als sistema de convites bezeichneten Vorgehen stellten die Bürger ihre Arbeitskraft und die Administration den größten Teil der Ressourcen zur Verfügung. Den Erfolg der Dezentralisierung bestätigte 1995 auch die Weltbank in ihrer Untersuchung über 16 Gemeinden. Während die Stadt sich auf einer Liste der stark entwicklungsbedürftigen Kommunen des staatlichen Planungsministeriums 1988 noch auf Platz 533 befand, war sie bis 1997 auf Platz 260 aufgestiegen.676 Der sichtbare Kopf der Organisation, der Rechtsanwalt und Wirtschaftsexperte Luis Alfonso Hoyos, stammte ursprünglich aus der Konservativen Partei. Er war einer der Gründer des movimiento cívico und von 1987-1991 Stadtrat in 675

676

Andere bekannte Regionalbewegungen sind: Los Inconformes de Nariño (Pasto); Fuerza Popular José María Obando (Ipiales, Nariño); Movimiento Amplio Democrático del Tolima (Ibagué); Movimiento Popular y Democrático del Huila (Neiva); Frente Amplio del Magdalena Medio (Barrancabermeja); Movimiento Cívico Popular Causa Común (Valledupar und departamento César y Guajira); Movimiento Cívico Popular ,José Antonio Galán' (Bogotá und departamento Cundinamarca); Movimiento Firmes de Fusagasugá; Movimiento Independiente ,Manos Limpias' de Tunja Boyacá; Comité Pro-Movimiento Regional del Llano; Alternativa Democrática del Magdalena (Santa Marta); Movimiento Popular Democrático de Sucre; Movimiento Cívico del Norte de Boyacá; Acción Peñolita de El Peñol (Antioquia); Causa Caribe de Barranquilla. Vgl.: Chaparro 1989: 208. Vgl.: El Tiempo, 29.1.1998.

392

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Pensilvania. 1990 schaffte er den Einzug ins Repräsentantenhaus. Als der jüngste Senator Kolumbiens - Hoyos wurde 1964 geboren - konnte er durch den Sieg bei der Senatswahl 1994 seine Partei zunächst überregional verankern. Er hatte dazu seine regionale Klientel und die aus Pensilvania stammenden Wähler, die in den Großstädten des Landes lebten, motiviert, für den MAR zu stimmen. Dieser setzt sich laut Programm vor allem für die weitere Dezentralisierung des Landes, die Stadtentwicklung, die Einhaltung der Menschenrechte und die internationale Einbindung Kolumbiens ein. Im Senat machte sich Hoyos als Präsident der Menschenrechtskommission einen Namen. Obwohl seine Organisation bei verschiedenen Wahlen erfolgreich war, wurde der dynamische Senator 1998 nicht wiedergewählt. Hoyos beklagte die Zerstörung eines Teils seiner Wahlstimmen durch die Guerillaorganisation FARC. Sie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Angriffe gegen die Gemeinde lanciert. Schlagzeilen machte ein Anschlag auf den zur Kommune gehörenden Weiler Arboleda. 677 Das verdeutlichte zum einen die mangelnde Toleranz der Guerilla gegenüber sozialen und politischen Organisationen, die zwar durch Wahlen an die Macht gekommen waren, aber nicht ihren ideologischen Vorstellungen entsprachen. Zum anderen belegt das Beispiel des MAR die Fragilität lokal engagierter Parteien auf der nationalen Ebene. Der cleavage Zentrum/Peripherie, der in Kolumbien aufgrund des nicht abgeschlossenen Nationenbildungsprozesses eine bedeutende Rolle spielt, führte nicht automatisch zur Festigung von Regionalparteien, die dann auch auf der nationalen Ebene Erfolge aufwiesen. 678

7.7.5 Anti-Klientelismus als Programm: die Anti-Parteienbewegung Die Diskreditierung etablierter Parteien und die zunehmende Politikmüdigkeit im gesamten lateinamerikanischen Kontinent führten in den letzten Jahren zur Herausbildung eines eigenständigen gesellschaftlichen cleavage, der sich allerdings nicht notwendigerweise in der Gründung einer einzigen Partei oder einem bestimmten länderübergreifenden Parteityp niederschlug. Es kam zur Gründung von Anti-Establishment-Parteien, Protestparteien, populistischen Parteien, Anti-Politik- bzw. Anti-System-Parteien oder zur Kandidatur von .unabhängigen' Kandidaten aus der Zivilbevölkerung. 679 Beispiele für Füh677

678

679

Vgl.: Semana Nr. 953, 2.8.2000: 36ff. und Vortrag von Oscar Iván Zuluaga (MAR), Foro Movimientos Regionales, 2.8.2000 FESCOL. Vgl.: Actitud Renovadora ohne Jahr: lff. zum Zentnim-Peripherie-Konflikt, zu den Problemen der Nationenbildung und der Diskussion um die territoriale Neugliederung des Landes: Atehortúa Ríos et al. 1993: 5ff.; ANTE 1990: 5ff.; Fals Borda 1993: 91ff. Vgl.: Mayorga 1995: 4ff. und 1997: 126ff.

393

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

rungspersönlichkeiten der neuen Parteitypen sind die Bolivianer Carlos Palenque und Max Fernández, Fernando Color de Melo aus Brasilien, der Ekuadorianer Abdalá Asaad Bucarám,683 Alberto Fujimori684 (Peru), Andrés Velásquez685 in Venezuela, der Argentinier Aldo Rico686 und Antanas Mockus (Movimiento Ciudadanos en Formación), Noemi Sanín (Opción Vida - Sí Colombia), Bernardo Hoyos (Movimiento Ciudadano), Isaac Moreno de Caro (Movimiento Defensa Ciudadana) in Kolumbien. Nicht alle traten bei nationalen Wahlen an. Bei den Bürgermeisterwahlen 1994 siegten in Kolumbien neben Antanas Mockus mehrere als .unabhängig' bezeichnete Kandidaten: Guillermo Paniza in Cartagena, Luis Alfonso León in Montería, Pauselino Camargo in Cúcuta, Gustavo Suárez in Sogamoso, Nicolás Gómez in La Dorada und Edgar George in Barranquilla. Viele dieser Politiker präsentierten sich als outsider, die sich zwar u.U. der Parteien oder der Allianzen von Parteien bedienten, letztlich aber aufgrund persönlicher Qualitäten regierten.687 Sie gebrauchten die bestehenden Organisationen (wo dies die Gesetzgebung verlangte) unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausrichtung, als ,Leihparteien', um den formalen Anforderungen für die Teilnahme an Wahlen gerecht zu werden. In den Ländern und Regionen, in denen Kandidaten Parteien für ihren politischen Aufstieg nutzten, bauten sie ihre Bindung zu den Wählern vorwiegend über die Massenmedien688 und über ihre Führungsqualitäten, weniger über die Suche nach langfristiger Parteiidentifikation und über traditionelle Parteistrukturen auf. Die kolumbianische Variante der ,Anti-Parteienbewegung' fand in unterschiedlichen Phänomenen ihren Ausdruck: a) Liberale und Konservative, die sich als unabhängige Kandidaten präsentierten. Sie nutzen dies als Anpassungsstrategie an die neuen politischen Gegebenheiten nach den Reformen, um Krisenmomente zu überwinden. Ein Teil davon kehrte in den Schoß der Parteien zurück, als er sich von der Übernahme der traditionellen Label wieder mehr /QA

680 681 682 683 684 685 686

687

688

Xftl

AQO

Conciencia de Patria, CONDEPA. Unión Cívica Solidaria, UCS. Partido da Reconstrucäo Nacional, PRN. Partido Rosoldista Ecuatoriano, PRE. Cambio 90-Nueva Mayoría, C90-NM. La Causa Radical, LCR. Movimiento por la Dignidad e Independencia, MODIN. Vgl. zu den lateinamerikanischen Parteien: Manual de los Partidos Políticos de América Latina 1997 und Maihold 1996: 84. Vgl. zu diesen Phänomenen insgesamt: Cerdas 1993: 77; Perelli/Zavotto 1995: XVIII; Perelli 1995: 194; Cotler 1995: 121; Landi 1995: 21 lff.; Murillo/Ruiz 1995: 284ff. und 291ff.; Schedler 1995 und 1996: 292ff.; Mayorga 1997: 137ff. und Chung/Womack 1996, zitiert bei Croissant 1997: 293ff.; Grompone/Mejia 1995: 67f. und Rattinger 1993: 24ff. Vgl. dazu: die Erörterungen zur Videodemokratie von Sartori 1994: 148ff.

394

b)

c)

d)

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Vorteile versprach (Chamäleon-Effekt). Dieses Phänomen war bei den Kommunalwahlen 1992 besonders stark. Zusammenschlüsse zwischen Bewegungen aus der Zivilgesellschaft und Fraktionen der traditionellen Parteien, die als unabhängige Kandidaten antraten, zum Teil um traditionelle Kaziken aus ihren Positionen zu verbannen. Die wirklichen Repräsentanten neuer Bewegungen aus der Zivilgesellschaft (candidatos cívicos), die sich noch nicht als politische Partei registriert hatten. Sozial nicht verankerte Einzelpersonen, die wechselweise als unabhängige Kandidaten oder im Rahmen von Parteien antraten und sogenannte microempresas electorales aufbauten. Ihre Parteizugehörigkeit war sekundär. Sie konnte flexibel gehandhabt werden. Parteien dienten diesen Politikern als Umschlagplatz zur Ausbeutung staatlicher Ressourcen, einigen für illegale Geschäfte. Die Erfolgskriterien professioneller Politik bestanden für sie weniger in der Durchsetzung von Inhalten als in der persönlichen Bereicherung. 689 Für diese am Profit orientierten Neulinge sind die Parteien allenfalls noch gesellschaftliche Aufstiegskanäle. Sie nutzen die Parteien- und Politikmüdigkeit der Bevölkerung, um in pragmatischer Manier ideologisch ungebundene Positionen einnehmen zu können. 690 Hinzu kommen Personen aus dem künstlerischen und sportlichen Bereich und aus den Medien, die als Quereinsteiger vor allem in den letzten Jahren politische Erfolge zu verzeichnen hatten. 691

Aufgrund des Phänomens des Parteiwechsels, das in vielen Kommunen verbreitet war, fällt es schwer, den Blick für die Gruppe der tatsächlich unabhängigen Kandidaten und der wirklichen Repräsentanten der Zivilgesellschaft, der echten cívicos, zu schärfen. Die Übergänge sind fließend und oft schwer erkennbar. Auch regionale und zivilgesellschaftliche Bewegungen sind nur schwer auseinanderzuhalten. 692 Die movimientos cívicos waren seit den 80er Jahren als klassenübergreifende Bewegungen von Bauern, Arbeitern, Klein-

689

690 691

692

Vgl.: Nedelmann 1995: 35; Rial 1995: 65; zu ähnlichen Tendenzen in Italien vgl.: Pizzorno 1993: 301 ff. Vgl.: Franzé 1994: 105f. Bei den Wahlen 1998 sprachen die Journalisten in diesem Zusammenhang von der farandulización der Politik. Dem Filmemacher Sergio Cabrera, dem Sportkommentator Edgar Perea, der Sängerin Leonor González, dem Fernsehmoderator Alfonso Lizararzo und der Schauspielerin Nely Moreno gelang der Einzug in den Kongreß. Nur Sergio Cabrera hatte bereits zuvor politische Erfahrung in der Guerillabewegung M-19 gesammelt. Vgl.: El Tiempo, 9.3.1998; Morales A. 1998: 2 und Perelli 1995: 188. Vgl.: Santana Rodríguez 1996b: 24ff.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

395

Unternehmern, Sektoren der Kirche, der Studenten und der Frauen entstanden. Sie bildeten sich aufgrund der Unzufriedenheit mit der lokalen staatlichen Verwaltung. Ein wichtiger Grund lag in der unzureichenden Versorgung mit Dienstleistungen (Wasser, Strom, Verkehr, Bildung). Andere traten gegen die Verletzung der Menschenrechte an, gegen Klientelismus und Korruption - und damit in der Regel gegen die Politik der traditionellen Parteien. Sie setzten sich in vielen Kommunen gegen die etablierten Kaziken ein, wie beispielsweise im departamento Tolima, um den liberalen Politiker Alberto Santofimio zu entmachten oder am Ort meiner Fallstudie, in der Pazifikstadt Tumaco, gegen Samuel Alberto Escruceria.693 Sie gebrauchten als häufiges Protestelement paros cívicos.69* Sie hinterließen (dies zeigte auch meine Fallstudie in Tumaco) in einem Teil der Kommunen Kommunikationsnetzwerke, die anschließend zur Organisation ihrer Anhänger in Wahl- und Parteigründungsprozessen genutzt werden konnten. Sie regten andere Politiker dazu an, ihren Politikstil zu übernehmen. Ihnen wird oft eine enge Verbindung zu ideologisch links anzusiedelnden Parteien und/oder zur Guerilla nachgesagt. 695 Dies ist aber kein zwingendes Kennzeichen. Der positive Beitrag dieser Organisationen zur Gemeindereform ist nicht zu übersehen.696 Dennoch wurde in meiner Fallstudie in Tumaco deutlich, daß das Phänomen der unabhängigen bzw. zivilgesellschaftlichen Kandidaten, wie oben erläutert, komplexer ist, als es erscheint. Bei den Bürgermeister- und Stadtratswahlen kandidierten 1992 mit Teódulo Quiñones und 1997 mit Newton Valencia ,echte' unabhängige Kandidaten für das Bürgermeisteramt. Die liberalen Bürgermeisterkandidaten reagierten auf die Herausforderung der cívicos dadurch, daß sie sich ebenfalls als Parteilose registrierten. 1994 kehrten sie wieder in den Schoß des PLC zurück. Ähnlich verhielten sich die liberalen Stadträte: Von neun Kandidaten, die 1992 unter der Bezeichnung .andere Parteien' gewählt wurden, waren noch 1990 sieben Liberale. 1994 kandidierten sie wieder für den PLC.

693 694

695 696

Vgl. auch: Chaparro 1989: 219. Vgl.: Arcila 1989: 288f. Zwischen 1958 und 1970 gab es in Kolumbien 16 solcher Streiks, zwischen 1971 und 1980 138 und zwischen 1982 und 1989 382. Vgl. Restrepo 1990: 382. In den 90er Jahren gingen die Streiks etwas zurück. Vgl.: Leal Buitrago 1991: 17f. Vgl.: González/Cárdenas 1998: 114. Vgl. dazu Dugas 1997: 242.

396

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 74: Aufgestellte (A) und gewählte Listen (G) bei den Wahlen zum Stadtrat in Tumaco 1988 bis 1997 Partei

PLC PC Movimiento Conservatismo Independiente AD/M-19 Movimiento Unión Cristiana Movimiento Nueva Colombia UP/Partido Comunista Movimiento Unitario Metapolítico ANAPO Movimiento Nacional Progresista Movimiento Convergencia Popular Cívica Movimiento Político Actitud Renovadora MOIR Comunidades Negras Educación, Trabajo y Cambio Social Andere Parteien Koalitionen Insgesamt

Jahr 1990 1992 1994 1997 1988 A G A G A G A A G G 24 14 31 13 19 3 • 5 9 **15 30 10 7 1 6 1 4 2 10 1 9 1 4 0 — — 3









2

0



1



2

1 1 1

1 0 0 0

9

34 15 40 15 59 15



1

-

1



2

0 0 0



1 33





1



1

-

2 0 1

-

0

0 -

22 4 1 17





3

1 —

1

2



78

— 1 0 17 90 17

Beinhaltet ein Mitglied des Liberalismo Independiente de Restauración (LIDER). ** Beinhaltet sechs Mitglieder des LIDER. Quelle: RNEC und Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Offenbar waren die Kandidaturen als Parteilose nur ein Übergangsmodus. So überdauerte die Liberale Partei die Phase der Reformen der 90er Jahre und paßte sich den neuen Gegebenheiten an. In Tumaco handelte es sich um einen Fassadenwechsel, nicht um eine echte Veränderung in der Zusammensetzung der lokalen politischen Elite. Dies galt auch für eine Reihe weiterer Gemeinden, für die Wahlen zu den Regionalparlamenten und zum Senat. Wie ungenau der Terminus unabhängige Kandidaten' insgesamt war, verdeutlicht auch das Beispiel Barranquilla. Der Priester Bernardo Hoyos beispielsweise wurde 1997 in Barranquilla zum zweiten Mal zum Bürgermeister gewählt. Er wurde in den Medien als Unabhängiger' bezeichnet, trat aber zunächst für die Alianza Democrática M-19 an, dann für den von ihm gegründeten Movimiento Ciudadano (MC). 1997 war er für seine Wahl aber auf die

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

397

Unterstützung der gleichen Sektoren der Liberalen Partei angewiesen, gegen die er bei seiner ersten Wahl 1992 angetreten war. „In diesem Sinne fordert der Fall Barranquilla dazu auf, die Vorstellung von den zivilgesellschaftlichen Kandidaten als etwas pures, unverfälschtes und gegenüber den traditionellen Parteien als den Korrupten zu revidieren. In Wirklichkeit zeigen diese Wahlen [die Regional- und Lokalwahlen 1997, L.H.], daß die traditionellen Parteien sich immer mehr an die unabhängigen Kandidaten annähern, Koalitionen mit ihnen eingehen und eine gewisse Pluralität tolerieren - eine gewisse Auseinandersetzung im Innern ihrer Parteien."697

Eine umfassende Untersuchung zu den unterschiedlichen Ausprägungen der Anti-Parteienbewegung liegt bisher nicht vor. Doch zumindest läßt sich eines feststellen: Auch ein Teil der neuen Parteien und .unabhängigen' Kandidaten sorgt bereits wieder durch mangelndes Verantwortungsbewußtsein und fehlende Responsivität gegenüber den Wählern für einen Glaubwürdigkeitsverlust in der Bevölkerung. 98

7.8

Wählerfluktuation und Parteiwechsel

Bei der Berechnung der durchschnittlichen Wählerfluktuation nach dem Pedersen-Index ergaben sich bis in die 90er Jahre für Kolumbien niedrige Werte, die denen in konsolidierten Demokratien ähneln.699 Liefert dies als ein zentraler Indikator aber gleichzeitig einen Hinweis auf die demokratische Konsolidierung des Parteiensystems?

697 698 699

Actualidad Colombiana, 28.10.-12.11.1997: 3. Vgl.: Hoskin 1997: 215 und Uribe 1997: 94. Vgl. für Kolumbien die folgende Tabelle. Für Europa lag der Pedersen-Index für den Zeitraum von 1885 bis 1985 bei 8,6. Vgl.: Nohlen 2000: 14.

398

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 75: Durchschnittliche Wählerfluktuation nach dem PedersenIndex in Lateinamerika, 1980-1997 Land

Parlamentswahlen Präsidentschaftswahlen Durchschnitt

Honduras Kolumbien Costa Rica Uruguay Chile Mexiko Domin. Republik Argentinien Venezuela Bolivien Paraguay Ekuador Panama Brasilien Peru Nikaragua Quelle: Roberts/Wibbels 1999: 577.

7,9 10,2 12,3 11,9 10,0 14,8 17,5 13,2 20,9 27,6 23,4 29,6 58,2 27,7 53,8 47,7

6,2 9,5 9,6 12,4 20,5 21,3 19,4 24,1 23,9 27,3 35,8 40,8 20,7 60,0 40,8 51,3

7,1 9,9 11,0 12,2 15,3 18,1 18,5 18,7 22,4 27,5 29,6 35,2 39,5 43,9 47,3 49,5

Auch Scott Mainwaring hat für die Wahlen zum Repräsentantenhaus zwischen 1970 und 1994 mit 13,2 eine im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern geringe Durchschnittsvolatilität berechnet.700 Nach meinen eigenen Berechnungen lag die volatility bei den Präsidentschaftswahlen 1994/98 bei einem Index von 27,4, im Senat bei 12,8 und im Repräsentantenhaus bei 10,1. Die Zahlen deuten also lediglich an, daß die Wählerfluktuation im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen zugenommen hat. Allerdings verdecken die quantitativen Ergebnisse die Hintergründe sowohl niedriger als auch steigender Indizes. Die berechneten Durchschnittswerte tragen auch der Veränderung durch die Reformen wenig Rechnung. Die volatility ist zum Teil Ausdruck der Abnahme der Identifikation mit den traditionellen Parteien. Durch den Vertrauensschwund in der Bevölkerung fehlt es dem PLC und PC zunehmend an verläßlichen Wählern. Die Wählerfluktuation ist aber auch in Parteiwechseln traditioneller Politiker begründet, das Produkt instabiler Parteienorganisation und spiegelt damit die Auflösung alter und die Schaffung neuer Gruppierungen (dealignment-realignment-Prozesse) im Parteiensystem wider. Gleichzeitig bedeuten die Parteiwechsel nicht notwendigerweise den Austausch der Parteipolitiker. Die politische Elite hat sich nur wenig verändert. Dies wird bei Präsidentschaftswahlen deutlich, wenn immer wieder die gleichen Politiker unter neuen Labels antreten. Da die nied700

Vgl.: Mainwaring 1998: 536.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

399

rige Volatilität in Kolumbien lange Zeit die wettbewerbsbeschränkende Dominanz der traditionellen Parteien anzeigte, kann ihr kaum demokratisierender Charakter zugesprochen werden.701 Für ein besseres Verständnis dieser Argumente werde ich zusätzlich einige Sekundärstudien als auch meine Fallstudie in Tumaco heranziehen. Eine Befragung in Lateinamerika und Spanien, die 1993 vom Centro Nacional de Consultorio in Kolumbien durchgeführt wurde, kam bereits zu folgenden Ergebnissen: Nur 36 Prozent der Befragten gaben an, sich überhaupt mit einer Partei zu identifizieren.702 Schaubild 12: Parteiidentifikation in Lateinamerika und Spanien in Prozent

Quelle: Centro Nacional de Consultaría (Kolumbien), Tercer Barómetro Iberoamericano, September 1993, zitiert nach Cotler 1995: 120.

Vor allem in den großen Städten hat laut einer 1997/98 durchgeführten Untersuchung der Universidad Javeriana die Zahl derjenigen, die sich als Unabhängige bezeichnen zugenommen.

701 702

Vgl. dazu auch Diamond 1999: 97. Die gestellte Frage wurde leider nicht genannt. Die Antworten hängen jedoch sehr stark von der Frageformulierung ab.

400

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 76: Parteipolitische Zugehörigkeit befragter Wähler bei den Kommunalwahlen 1997 und den Kongreßwahlen 1998 in Bogotá in Prozent Zugehörigkeit Oktober 1997 März 1998 34 Liberal 30 Konservativ 10 11 4 Andere Parteien 5 Unabhängig bzw. parteilos 52 54 0 0 Ohne Angabe Insgesamt 100 100 N *480 *540 *

Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: „Lassen Sie uns von Parteien und politischen Bewegungen sprechen, sind Sie liberal, konservativ oder was sonst?" (pablando de partidos y movimientos políticos, se considera Usted liberal, condervador o qué?") Quelle: Rodrigo Lozada 1998: 7.

In seiner Untersuchung stellte Rodrigo Losada auch fest, daß sich die Tendenz, parteipolitische Grenzen zu überschreiten, bei den Lokalwahlen stärker manifestierte als bei den Parlamentswahlen. Außerdem scheinen demnach Konservative stärker zur Überschreitung der parteipolitischen Grenzen zu tendieren als Liberale.703 Tabelle 77: Überschreitung der Parteigrenze bei den Kommunalwahlen704 in Bogotá im Oktober 1997 und den Kongreßwahlen im März 1998 in Bogotá in Prozent Parteiidentifikation

Liberale Konservative

Kommunalwahl Oktober Kongreßwahl März 1998 1997 Prozent Absolut Prozent Absolut 24 33 38 18 8 87 15 73

Quelle: Losada 1998: 6.

703

704

Vgl. unten stehende Tabelle und Losada 1998: 1 und 7. Losadas Zahlen können generell nur als ein Hinweis auf Veränderungen gewertet werden, da es sich um eine sehr kleine Stichprobe handelt. Hinzu kommt, daß bei der Fragestellung nicht klar wird, wo sich die befragten Personen, die sich mit den konservativen oder liberalen Abspaltungsparteien identifizieren, eingeordnet haben. Bürgermeister- und Stadtratswahlen, Wahlen zu den JAL.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

401

Tabelle 78: Beziehung zwischen Parteien und Gesellschaft in Kolumbien und Iberoamerika in Prozent Antwortvorgabe Kolumbien Iberoamerika 5 15 Die Mehrheit der Bürger identifiziert sich mit den Parteien. Diese unterhalten eine enge Beziehung mit der Gesellschaft. (La mayoría de los ciudadanos se identifica con los partidos. Estos mantienen fuertes vínculos con la sociedad.) 69 60 Die Bürger, die sich mit Parteien identifizieren, werden immer weniger. Gesellschaft und Parteien entfernen sich zunehmend voneinander, obwohl sie für die Mehrheit der Bürger immer noch wichtige Referenzpunkte sind. (Cada vez son menos los ciudadanos que se identifican con los partidos. Existe un progresivo alejamiento entre sociedad y partidos, aunque éstos siguen siendo importantes puntos de referencia para la mayoría de los ciudadanos.) Nur noch wenige identifizieren sich wirklich mit den 26 25 Parteien. Die Entfernung zwischen Gesellschaft und Parteien ist erheblich. (Poca gente se identifica ya verdaderamente con los partidos. El distanciamiento entre sociedad y partidos es considerable.) N *62 *790 *

Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Zustimmung zu folgender Aussage: „Lassen Sie uns jetzt über die Beziehung zwischen politischen Parteien und der Gesellschaft sprechen. Sagen Sie mir bitte, welcher der folgenden Aussage Sie eher zustimmen." (pablemos ahora de la relación entre los partidos políticos y ¡a sociedad. Dígame, por favor, con cuál de las siguientes afirmaciones está usted más de acuerdo.") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 98.

Vielen Parlamentariern scheinen - wie die oben stehende Tabelle verdeutlicht - die Probleme der Wähler mit der Parteiidentifikation durchaus bewußt zu sein. In der Studie der Universidad Salamanca stimmte die Mehrheit der befragten Politiker der Aussage zu, daß die Parteien zwar noch wichtige Referenzpunkte sind, die Identifikation mit ihnen aber abnimmt. In meiner Fallstudie in Tumaco konnte ich feststellen, daß sich nur 44 Prozent der Befragten mit einer Partei identifizierten. Die Parteizugehörigkeit bedeutete außerdem nicht gleichzeitig, daß sich die Bürger auch von Parteien repräsentiert fühlten. 76,5 Prozent antworteten auf die Frage nach der Repräsentation durch Organisationen mit „von keiner". Von denen, die sich repräsentiert fühlten, gaben 6,7 Prozent eine Repräsentation durch Nachbarschaftsorganisationen (Juntas de Acción Comunal), 4,5 Prozent durch die Kirche, 3,7

402

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Prozent durch verschiedene Frauenorganisationen, 2 Prozent durch Berufsverbände, 1,4 Prozent durch sozialpolitische Bewegungen (asociaciones comunitarias) und nur 0,6 Prozent durch Parteien an. Schaubild 13: Repräsentation durch Organisationen in Tumaco Keine Nachbarschaftsorg. Andere Kirche Frauenorg. Verbände Soziale Bewegungen Parteien 0

10

20

30

40 SO Prozent

60

70

80

90

Antworten auf die Frage: „Fühlen Sie sich durch eine soziale, nachbarschaftliche oder politische Organisation, durch eine Institution oder durch eine politische Parteirepräsentiert?Falls ja, durch welche?" („Ud. se siente representado por alguna organización social, comunitaria o política, por alguna institución o por algún partido político? En caso de que sí, por cuál?")

Bei der Bürgermeisterwahl in Tumaco 1997 erzielte der für die Liberale Partei kandidierende José Rivera Posada 195 Stimmen, während der frühere, starke Kandidat der Liberalen, Samuel Alberto Escruceria, für den Movimiento Unitario Metapolítico705 antrat. Auch die Mehrheit seiner Anhänger kandidierten für den Movimiento Unitario Metapolítico. Samuel Alberto Escruceria, der aus der Liberalen Partei ausgeschlossen worden war, hatte für sich und seine Anhänger den Movimiento Unitario Metapolítico sozusagen als Leihpartei genutzt. Sein Gegenkandidat, Hernando Cantin und die ihm nahestehenden Politiker, traten für die ANAPO an. Keine der beiden Parteien hatte zuvor in Tumaco jemals wahlpolitische Erfolge zu verzeichnen. Selbst Rojas Pinilla, der Präsidentschaftskandidat der ANAPO, erzielte 1970 bei den umstrittenen Präsidentschaftswahlen gegen Misael Pastrana in Tumaco nur 2.855 Stimmen. Der offizielle Wahlsieger Pastrana bekam die Zustimmung von 11.529 Wählern.706 705 706

Die Gründerin des Movimiento Unitario Metapolítico ist Regina 11 (Betancourt), die die Bewegung ähnlich einer religiösen Sekte leitet. Vgl. zu den Wahldaten: Registraduría Nacional del Estado Civil 1970.

403

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 79: Stimmen für die ANAPO in Tumaco 1966 bis 1976 Jahr

Institution

Kandidat

1966 departamentoMaria E. Rojas Versammlung de Moreno Gustavo Rojas 1968 departamentoVersammlung Pinilla 1970 Senat Alberto Bravo 1970 Repräsentantenhaus Carlos Cabeza Mehrere Kandi1970 departamentoVersammlung daten 1970 Präsident Gustavo Rojas Pinilla 1972 departamentoMaría E. Rojas Versammlung de Moreno 1974 Präsident Maria E. Rojas de Moreno 1974 Senat Luis Guillermo Velásquez 1974 Repräsentantenhaus Guillermo Puyana Mutis 1974 departamentoMehrere KandiVersammlung daten 1976 departamentoGuillermo Versammlung Puyana Mutis

Stimmen Stimmen Prozent departamento Tumaco 10.133 254 3 6.780

333

5

26.859 26.533 29.341

1.305 1.196 1.346

5 5 5

35.128

2.855

8

14.713

1.055

7

10.349

806

6

10.818

652

6

9.087

621

7

9.379

613

7

4.058

6

0

Quelle: RNEC 1966, 1968, 1970, 1972, 1974 und 1976. Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

Die Identifikation der für sie antretenden Kandidaten mit ihrer Partei ist also nicht besonders hoch. Es ist für viele eher zweitrangig, für welche Partei sie kandidieren. Wichtiger dagegen ist in Tumaco die Mitarbeit in einer der großen politischen Gruppen: bei den betistas, den roseristas, den nilistas oder den newtonistas,710

707 708 709 710

Anhänger Samuel Alberto Escrucerias. Anhänger Jesús Rosero Ruanos. Anhänger Nilo del Castillos. Anhänger Newton Valencias. Von den Stadtratsmitgliedern, die sich 1997 zur Wahl aufstellen ließen, gehörten 30 den betistas und 40 den newtonistas an. Von den newtonistas wiederum waren 18 Liberale, 16 hatten sich im Namen des Movimiento Convergenica Popular Cívica registrieren lassen, fünf für den Partido Consejador, zwei für den Movimiento Nacional de las Comunidades Negras und einer für den Movimiento Político Actitud Renovadora. Unter den gewählten newtonistas waren wiederum mehrere Parteien vertreten: sieben Liberale, zwei des Movimiento

404

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 80: betistas und newtonistas im Stadtrat von Tumaco 1997 Orientierung Aufgestellte Listen Gewählte Listen 30 6 betistas newtonistas 42 11 Unentschiedene * 18 Insgesamt 90 17 *

Kandidaten, die sich vor der Wahl nicht auf einen Bürgermeisterkandidaten festgelegt hatten.

Das Stadtparlament blockierte zu Beginn seiner Amtsperiode 1994-1997 trotz liberaler Mehrheit - die Vorhaben des liberalen Bürgermeisters Nilo del Castillo. Die meisten Mitglieder waren roseristas und es dauerte mehrere Monate, bis der Bürgermeister die entsprechenden Abkommen mit den Stadträten ausgehandelt hatte, damit sie seine Projekte genehmigten. Daß die Zahl der Wechselwähler in Tumaco von einer Wahl zur anderen erheblich schwankt, läßt sich neben den Lokalwahlen auch aus der Gouverneurswahl ableiten. Es ist immerhin bemerkenswert, daß der konservative Eduardo Albornoz trotz seiner Parteizugehörigkeit im liberalen Tumaco mit 1994 mit 9.361 Stimmen und im Jahr 2000 mit 14.435 Stimmen siegte. Bei den Regionalwahlen waren die mit Lokalpolitikern getroffenen Abkommen und/oder die Tatsache, selbst aus der Küstenregion zu stammen, wichtiger als die Kandidatur für eine bestimmte Partei. Albornoz wurde beispielsweise durch die Lokalpolitiker in Tumaco aufgrund von deren Absprachen mit liberalen Politikern aus dem departamento Nariño unterstützt, die sich mit Ausnahme von Parmenio Cuéllar entschlossen hatten, einem konservativen Kandidaten zuzuarbeiten.711 Tabelle 81: Ergebnisse der Gouverneurswahlen in Tumaco 1994 Kandidat Partei Stimmen Prozent 21 Maya Aguirre, Carlos Alejandro Partido Liberal 3.703 Albornoz Jurado, Eduardo Partido Conservador 9.361 52 ,Leere' Stimmzettel 4.937 27 100 Gültige Stimmen 18.001 Ungültige Stimmen 6.211 Insgesamt 24.212 Quelle: Registraduria Nacional del Estado Civil 1994. Berechnung und Zusammenstellung durch die Autorin.

711

Convergencia Popular Cívica, ein Konservativer und ein Stadtratsmitglied des Movimiento Político Actitud Renovadora. Vgl. auch: El Tiempo, 27.10.1994

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

405

Seit sich das Parteiensystem für neue Organisationen geöffnet hatte, kam es außerdem aus strategischen Gründen oder aufgrund von Parteiausschlüssen zu Parteiwechseln. Der in Tumaco ansässige Liberale Rosero Ruano war 1991 Kandidat der Alianza Democrätica M-19 für das Repräsentantenhaus im departamento Narino. Zuvor hatte er für den Partido Liberal Colombiano kandidiert, für den er auch 1994 und 1997 wieder antrat. Der tumaqueno Pedro Enrique Ferrin, der zuvor als Liberaler kandidierte, ließ sich 1998 bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus im Namen der Movimiento 19 de Abril registrieren. Carlos Maya, der liberale Kandidat für die Gouverneurswahlen 1994 im gleichen departamento, stellte sich 1997 im Namen des Movimiento Politico Actitud Renovadora zur Wahl. Tabelle 82: Ergebnisse der Gouverneurswahlen in Tumaco 1997 Kandidat Maya Aguirre, Carlos Alejandro

Partei Movimiento Político Actitud Renovadora Caicedo Benavides, Luis Alberto Partido Conservador Bravo Realpe, Oscar Fernando Partido Conservador Rosero Ruano, Jesús Partido Liberal , Leere' Stimmzettel Gültige Stimmen Ungültige Stimmen und nicht ausgefüllte Wahlscheine Insgesamt

Stimmen 2.740

Prozent 9

396 940 25.112 1349 30.537 4659

1 3 82 5 100

35.196

Quelle: Delegación Departamental de la Registraduría Nacional del Estado Civil 1997. Berechnung und Zusammenstellung durch die Autorin.

Von den in meiner Fallstudie in Tumaco befragten Wählern stimmten nur 18,5 Prozent immer für die gleiche Partei, unabhängig vom Kandidaten. Für ihre Partei, wenn ihnen der Kandidat gefällt, entschieden sich 20 Prozent, für einen Kandidaten, der ihnen zusagt, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, 61,5 Prozent.712

712

Auf die anschließende Nachfrage „Sagen Sie mir doch jetzt noch einmal allgemein, ob Sie eher für Kandidaten oder für Parteien abstimmen?" („En general Ud. diría que ha votado la mayoría de las veces por partidos o por candidatos?") antworteten 67, 8 Prozent der befragten Wähler mit „Für Kandidaten" und 32,2 Prozent mit „Für Parteien".

406

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Schaubild 14: Wahlentscheidung für Parteien oder für Kandidaten in Tumaco

Kandidaten, unabhängig von der Partei Für Partei, wenn der Kandidat gefällt Immer für die Partei 0

10

20

30

40

50

60

70

Antworten auf die Aussage: „Denken Sie einmal an die Wahlen, an denen Sie teilgenommen haben. Bitte sagen Sie mir, wie sie in der Mehrheit der Fälle, an die Sie sich erinnern, gewählt haben: A) Immer für die gleiche Partei, unabhängig vom dem von ihr aufgestellten Kandidaten. B) Für Ihre Partei, wenn Ihnen der aufgestellte Kandidat gefällt. C) Für den Kandidaten, der Ihnen gefällt, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit." („Por favor, piense en todas las elecciones en las cuales Ud. ha votado. Digame si ha votado la mayoria de las veces: A) Siempre por el mismo partido, no importando el candidato. B) Por su partido, si le gusta el candidato que propone. C) Por el candidato que le gusta, independientemente del partido.")

In der vergleichenden Studie der Universität Salamanca aus dem Jahr 1995 gaben die befragten Parlamentarier an, daß sie wohl vorwiegend wegen ihrer persönlichen Eigenschaften und nicht so sehr aufgrund ihrer Identifikation mit einem Parteiprogramm gewählt worden seien.

407

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 83: Begründung für ihre Wahl aus der Sicht der Parlamentarier in Prozent Antwortvorgabe Weil ich das Parteiprogramm umsetze und unter stütze (Por asumir y compartir el programa del partido) Aus persönlicher Sympathie (Por simpatía personal) Weil den Wähler keine andere politische Gruppierung überzeugte (Porque ninguna de las otras opciones políticas convencía al elector) Aufgrund des moderen und dynamischen Stils der durchgeführten Wahlkampagne (Por el estilo moderno y dinámico de la campaña llevada a cabo) Aufgrund der Familientradition des Wählers, die ihn an seine Partei bindet (Por la tradición familiar del votante, que le liga a su partido) Aufgrund von Ubertragungseffekten durch die Verbindung zum Führer seiner Partei (Por el arrastre del líder de su partido) Andere N

Iberoamerika Kolumbien 15 40

33

16

9

4

18

12

2

5

10

14

13 *60

9 *934

Bei den Zahlen handelt es sich um absolute Zahlen. Antworten auf die Frage: ,Aus welchem der nachfolgenden Gründe glauben Sie, zum Abgeordneten gewählt worden zu sein?" („Por cuál de estas razones cree usted que ha sido elegido diputado?") Quelle: Equipo de investigación sobre élites parlamentarias 1998: 58.

8.

Die Anwendung der direktdemokratischen und semidirekten Partizipationsmechanismen

Während Wahlen das zentrale Legitimationselement repräsentativer Demokratien sind, können Verfahren direkter Demokratie vor allem dann zur Integration der Bevölkerung in das politische System beitragen, wenn Parteien zur Interessenartikulation nur begrenzt funktionieren.713 Aufgrund dieser Einschätzung entschlossen sich die Verfassunggeber 1991 in Kolumbien direktdemokratische und semidirekte Partizipationsmechanismen in der Verfassung zu verankern. Idealtypisch gesehen ist die Folge der Schaffung neuer Partizipationskanäle ein erhöhter Legitimationsdruck, der zur Zurückdrängung ausschließend-autoritärer Politikmuster fuhrt. Durch die Inklusion von politischen und sozialen Akteuren als aktiven Bürgern kann es zu einer reibungsloseren 713

Vgl.: Rial 1995: 69; Welzel 1995: 143ff.

408

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Paiteiensystem...

Regulierung von politischen und sozialen Konflikten kommen. 714 Zumindest die Reformer erhofften sich von den neuen Möglichkeiten ,mehr' Demokratie. Doch bisher kamen die im Artikel 103 der Verfassung und im Gesetz Nr. 134 von 1994 vorgesehenen Partizipationsmechanismen - mit Ausnahme der acción de tutela - nur in wenigen Fällen zum Einsatz. 715 Die acción de tutela ist dabei auch einer der bekanntesten semidirekten Mitbestimmungsmechanismen. In den ersten zwei Jahren ihrer Einführung gab es bereits 28.000 solcher Klagen. Daran waren rund 3.800 Richter beteiligt. Die Zahl dieser Grundrechtsverfahren stieg bis 1998 auf 38.248 an. Zwischen 1992 und 1996 hatte allein der Verfassungsgerichtshof 2.089 acciones de tutela überprüft, davon 851 gewährt und 1.238 abgelehnt.716 Der Erfolg der tutela liegt im Vergleich zu anderen Rechtsbestimmungen in ihrer Schnelligkeit. Da durch sie die Justiz jedoch stark belastet wird, gab es verstärkt Diskussionen darüber, zumindest den Obersten Gerichtshof von der Entscheidungsfindung auszuschließen. Der Gebrauch der tutela hat wesentlich zur Veränderung der Beziehung zwischen der Administration und den Bürgern beigetragen. Diese verfügen nun über ein effizientes Mittel, um beispielsweise Pensionszahlungen und Sozialversicherungsbeiträge einzuklagen. Aber sie wurde auch zum Schutz der Rechte von Kindern,717 Schülern,718 älterer Mitbürger, 719 der indianischen Gemeinschaften, AIDS-Kranken und von Arbeitern eingesetzt. Nach einer Befragung des Centro de Investigaciones Jurídicas der Universidad de los Andes fanden 90 Prozent der befragten Kläger und Richter die Einführung der acción de tutela positiv.723 Die Stiftung País Libre konnte 1992 über eine Million Unterschriften sammeln, um dem Kongreß durch eine iniciativa popular ein Gesetz gegen Entführungen abzuringen. Diese Aktion wurde von der Tageszeitung El Tiempo mit unterstützt. Das Parlament stimmte ihm mit einigen Veränderungen am 19. Januar 1993 zu.724 Das Verfassungsgericht erklärte die Norm aller-

14 15 16

17 18 19 20 21 22

23 24

Vgl.: Fox 1994: 106.; Nohlen 1991: 13; Webendorfer 1997: 18. Vgl.: CONPES, DNP 1995: 3ff. Vgl.: Uprimny 1997: 104; El Tiempo, 1.7.1996; vgl. auch: Cáceres Corral ohne Jahr: 30ff. Vgl.: Sentencias T-128/1994 und T-205/1994. Vgl.: Sentencias T-420/1992, TI 14/1995 und T015/1994. Vgl.: Sentencia T-036/1995. Vgl.: Sentencia ST-380/1993. Vgl.: Sentencia ST 082/1994. Vgl.: Sentencias ST^83/1993, ST-230/1994, ST-079/1995, ST-143/1995, ST326/1994, SU 342/1995, SU 510/1995. Vgl.: CLTUS 1995: 115f. und 132. Gesetz Nr. 40. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 75.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

409

dings in seiner Entscheidung C-542 von 1993 für verfassungswidrig. 725 Dem Gesetzgebungsprojekt zur Reform der staatlichen Ausbildungsstätte SENA war dagegen Erfolg beschieden. 726 Eine andere iniciativa popular, die die Städte Cartagena, Barranquilla und Santa Marta mit Sonderrechten versehen wollte, scheiterte. Ebenso ein Vorhaben, das der Abgeordnete Carlos Alonso Lucio am 2. Juli 1996 registrieren ließ, um die Ausweisung der Drogenhändler zu unterbinden. Beide fanden nicht die Unterstützung der Bevölkerung und die dafür notwendigen Unterschriften. Die von den Verfassunggebern angesetzte Schwelle von 0,5 Prozent des Wahlzensus hat sich für viele Vorhaben als zu hoch erwiesen. Dies entsprach 1985 rund 80.000 Stimmen, 1998 rund 105.000. Zum Vergleich: Zur Anerkennung als politische Partei müssen ihre Anhänger 50.000 Unterschriften vorlegen. 727 Hinzu kommt, daß die Ausarbeitung solcher Projekte für die Mehrheit der Bevölkerung sehr kompliziert und teuer ist. Sie können deshalb nur von Organisationen und Führungspersönlichkeiten mit entsprechender technischer und juristischer Unterstützung vorangetrieben werden. Sowohl Antanas Mockus (Bürgermeister in Bogotá, 1994-1997) als auch sein Nachfolger Enrique Peñalosa provozierten Bewegungen, unter anderem aus dem Gewerkschaftssektor, die ihre Absetzung (revocatoria del mandato) forderten. Gegen beide Bürgermeister scheiterte dieses Vorhaben. Ihnen wurde unter anderem ein rücksichtsloser Umgang mit den Straßenhändlern aus dem informellen Sektor vorgeworfen, da sie sich auf deren Kosten für die Rückgewinnung öffentlicher Straßen, Plätze und Bürgersteige einsetzten. Peñalosa beschuldigten die Organisatoren des Frente ciudadano por la revocatoria del mandato del alcalde Enrique Peñalosa,728 daß über 20.000 Schüler keinen Platz in einer staatlichen Schule erhalten hätten, daß riesige Summen für den Kauf von Aufklebern für die Einschränkung des Autoverkehrs in Bogotá ausgegeben und daß 1998 mehrere Millionen Pesos für den in der Stadt aufgestellten Weihnachtsschmuck verschleudert worden seien. Die Organisatoren mußten für einen Mandatsentzug die Unterstützung von 40 Prozent der Wähler, die sich an den Bürgermeisterwahlen vom 27. Oktober 1997 beteiligt hatten, gewinnen. Das entsprach 527.466 Unterschriften. Bis April 1999 wurden der zuständigen Wahlbehörde mehr als 200.000 vorgelegt. Um neue Anhänger zu gewinnen, führte die Bewegung Bürgerversammlungen in verschiedenen Stadtvierteln durch, verteilte Flugblätter und Aufkleber in Bogotá und versuchte, die Medien für das Anliegen zu gewinnen. 729 Bis zum Ende der Mandatszeit Peñalosas blieben die Bemühungen jedoch erfolglos. 725 726 727 728 729

Vgl.: García Villegas 1997: 55. Vgl.: Londoño 1997: 20. Berechnung nach Informationen der RNEC; vgl. auch: Gaitán et al. 1995: 75f. Bürgerfront für den Mandatsentzug des Bürgermeisters Enrique Peñalosa. Vgl.: Muñoz 1999: 23.

410

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

Nicht alle Anliegen der Betreiber der Amtsenthebungsverfahren waren im Verhältnis zur Gesamtleistung der Bürgermeister und im Vergleich mit anderen Amtsinhabern zu rechtfertigen, so daß durchaus auch die Gefahr bei der Anwendung dieser Mitbestimmungsmechanismen deutlich wurde. Nicht zuletzt deshalb hatte der Gesetzgeber ihre strikte Handhabung vorgesehen. Sie sollte unter anderem dazu dienen, dem Instrument Glaubwürdigkeit zu verschaffen und leichtfertigen Umgang zu verhindern. Es sollte dafür gesorgt werden, daß politische Gegner des gewählten Kandidaten ihre Macht nicht mißbrauchten, um unliebsame Konkurrenten .abwählen' zu lassen. Ein Teil des Kongresses, der eher die traditionellen Sektoren der Politik repräsentierte, hatte allerdings auch aufgrund seines restriktiven Politikverständnisses Interesse daran, daß von dieser Maßnahme nicht allzu oft Gebrauch gemacht wurde. Aus Sicht dieser Politiker war weder mehr Partizipation noch mehr Kontrolle der Politik durch die Bürger wünschenswert. Die Magistrate des Verfassungsgerichtshofs erhoben bei der Überprüfung des Gesetzes den Vorwurf, daß es ohne Notwendigkeit die Regel der einfachen Mehrheit unterlaufe.730 Bis zu Beginn des Jahres 2001 wurde der Kontrollmechanismus des Mandatsentzugs elf Mal angestrebt. Grundsätzlich war es bis Herbst 2002 in keinem Fall gelungen, einen Bürgermeister oder einen Gouverneur seines Amtes entheben zu lassen, auch wenn immer wieder die unterschiedlichsten Korruptionsvorwürfe laut geworden waren.731 Die Einschränkung des Abstimmungsprozesses auf diejenigen, die sich an den Wahlen beteiligt hatten, verhinderte, daß andere unzufriedene Bürger ihrem Unmut Luft verschaffen konnten. Bereitschaft, ihre Unterschrift zu leisten, zeigten viele Bürger nur deshalb, weil dafür etablierte klientelistische Methoden eingesetzt wurden. Bei ihrer Überprüfung durch die jeweils zuständige Wahlbehörde, wurden sie jedoch aus dem Verfahren ausgeschlossen, weil sie die im Gesetz festgelegten Anforderungen nicht erfüllten.

730

731

Vgl.: Salvamiento parcial de voto. Referencia: Sentencia C-180/1994. Firmado por los magistrados Eduardo Cifuentes Mufioz, Carlos Gavina Díaz y Alejandro Martínez Caballero. Vgl.: García Villegas 1997: 55 und Maldonado C. 2001: 31ff.

411

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

Tabelle 84: Abstimmungen über Mandatsentzüge verschiedener Bürgermeister (revocatoria del mandato) 1996 Stadt Iza (Boyacá) Puerto Colombia (Atlántico) Mahates (Bolívar) Tubara (Atlántico) Pedraza (Magdalena)

WahlStimmen bei Erforderl. Abstimmung Enthalzensus BürgermeisterMindest1996 tung wahl 1994 stimmenzahl in % 1.775 769 461 235 70 16.966

9.523

5.731

2.341

76

11.134

7.072

4.243

1.823

75

4.499

3.240

2.045

954

69

7.971

6.059

3.635

1.628

76

Quelle: RNEC, Zusammenstellung durch die Autorin.

Am 26. August 1995 wurde in Aguachica die erste consulta populär nach Inkrafttreten der neuen Verfassung durchgeführt. Die Frage, die zur Abstimmung stand, lautete: „Lehnen Sie die Gewalt ab und sind Sie einverstanden, Aguachica in eine Kommune zu verwandeln, die als Friedensmodell gelten kann?"732 Tabelle 85: Consulta populär in Aguachica am 27.8.1995 Stimmenzahl Stimmenart 10.450 Ja Nein 42 Leere Stimmzettel 17 51 Ungültige Stimmen Stimmen insgesamt 10.570 Quelle: RNEC, Zusammenstellung durch die Autorin.

Der Wahlzensus erfaßte 1995 33.075 Personen. Die Beteiligung an der Abstimmung lag bei 31 Prozent. Dies reichte nicht aus, um die Befragung zugunsten der Antragsteller zu entscheiden. Zwei weitere consultas populäres in Santa Marta am 29. Oktober 1995 und in Duitama blieben ebenfalls erfolg-

732

,Jtechaza Ud. la violencia y está de acuerdo en convertir a Aguachica en un municipio modelo de paz?"

412

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

los.733 Für einen positiven Ausgang wären in Santa Marta fast 50.000 Stimmen (ein Drittel des Wahlzensus) nötig gewesen.

Tabelle 86: Consultas populares in verschiedenen Städten departamento César Magdalena Magdalena Atlántico

Cauca

Boyacá Boyacá Quindio Sucre Atlántico

Abgegebene Beteiligung Stimmen in Prozent 32 10.460 26.342 18 18 25.930 598 82

Stadt

Datum

Aguachica Santa Marta Santa Marta Soledad (Stadtteil: El Esfuerzo) Puerto Tejada (Weiler: Zanjón Rico und Carias México) Duitama Duitama Córdoba El Roble Galapa

27.8.1995 29.10.1995 29.10.1995 27.8.1996

Wahlzensus 33.075 147.169 147.169 728

20.10.1996

265

107

40

15.12.1996 15.12.1996 2.3.1997 7.9.1997 26.7.1998

47.417 47.417 K.A. K.A. K.A.

6.339 5.014 1.300 1.300 6.217

13 11 — —

-

K.A. Quelle: RNEC, Zusammenstellung und Berechnung durch die Autorin.

733

Dort lauteten die Fragen: 1. „Wünschen Sie, daß Santa Marta zum nationalen Friedensmodell wird?" („Desea Ud. que el Distrito de Santa Marta se convierta en modelo nacional de paz?") 2. „Wünschen Sie, daß die Sierra Nevada de Santa Marta als Weltkulturerbe erhalten, gleichzeitig die Autonomie der traditionellen indigenen Gemeinschaften, die Bewahrung der Biodiversität, der Schutz der Wasserquellen garantiert, und die Besprühung mit für seine Ökosysteme gefährlichen Herbiziden verboten werden?" („Desea Ud. que se preserve la Sierra Nevada de Santa Marta como patrimonio común de la humanidad, garantizando la autonomia de sus comunidades indígenas tradicionales, la conservación de la biodiversidad, la protección de sus cuencas hidrográficas y prohibiendo así las fumigaciones con herbicidas peligrosos para sus ecosistemas?") 3. „Halten Sie es für richtig oder nicht, daß die Schule Francisco de Paula Santander auf dem Grundstück, das die Kommune Duitama erworben hat, im Sektor San Lorenzo de Abajo gegenüber dem Landclub der Stadt gebaut wird?" („Considera Ud. Si o No, que el colegio Francisco de Paula Santander deba construirse en el lote adquirido por el municipio de Duitama, en el sector de San Lorenzo de Abajo, frente al club campestre de la ciudad?"). Quelle: RNEC; vgl. auch: García Villegas 1997: 56f.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

413

Erfolgreich waren die Abstimmung im Stadtteil El Esfuerzo, bei der es um seine Angliederung an die Kommune Malambo oder Soledad ging und die consulta in Puerto Tejada, wo über die Zugehörigkeit von Zanjón Rico und Cañas México zu dieser Stadt entschieden wurde. Positiv endeten ebenfalls die consultas in Córdoba, in El Roble und Galapa. 734 Über Plebiszite und Referenden zur Frage der Ausweisung der Drogenhändler, zu Fragen der Friedenspolitik, der Korruption und zur erneuten Verfassungsreform wurde bisher nur diskutiert. Eine Initiative für ein konstitutionelles Referendum scheiterte an der notwendigen Stimmenzahl, die das Betreiberkomitee benötigte, um den referendo zur Abstimmung zu stellen. Ein derogatives Referendum („...um das Gesetzgebungsprojekt Nr. 1 vom 1997 zu Fall zu bringen, durch das die Auslieferung von Kolumbianern wiederbelebt wurde, die im Artikel 35 der kolumbianischen Verfassung verboten worden war" 735 ), blieb ebenfalls erfolglos, verdeutlichte aber auch die Ambivalenz solcher Allliegen. Präsident Pastrana hat in seiner Amtszeit mehrere Vorschläge für ein Referendum vorgelegt, das umfassende Reformen zur Modifikation des politischen Regimes vorsah, auf deren Inhalt ich im Kapitel , Ausblick' ausführlicher eingehen werde. Als Antwort auf das Regierungsvorhaben präsentierte die Liberale Partei einen Gegenvorschlag, der letztlich zur Modifi734

735

Vgl. die obenstehende Tabelle. Die Frage bei der Abstimmung im Stadtviertel El Esfuerzo lautete: „Möchten Sie zur Kommune Malambo oder Soledad gehören?" („Desean pertenecer al municipio de Malambo o Soledad?"). In Puerto Tejada legten die Behörden folgende Frage vor: „Möchten die Bürger, die in Zanjón Rico und Cañas México leben, daß die departamento-Versammlung des Cauca entscheidet, daß die Grenzlinie zwischen den Kommunen Puerto Tejada und Miranda diejenige ist, die im folgenden aufgezeigt wird, um dadurch klarzustellen, daß sie sich in der Kommune Puerto Tejada befinden?" („Quieren los ciudadanos residentes en las localidades de Zanjón Rico y Cañas México, que la Asamblea Departamental del Cauca determine, que la línea limítrofe entre los municipios de Puerto Tejada y Miranda sea la que se señala a continuación, para que se precise que se encuentran en el territorio del municipio de Puerto Tejada?") In Córdoba stand die nachstehende Frage zur Abstimmung: „Möchten Sie, daß die Kommune Córdoba sich aus dem Gesundheitsunternehmen des (departamento, L.H.) Quindio S.A.E.S.P oder Esaquin S.A. zurückzieht?" („Quiere Ud. que el municipio de Córdoba se retire de la empresa sanitaria del Quindio S.A.E.S.P. o Esaquin S.A. (E.S.P.)?") In der Kommune El Roble lag folgende Frage vor: „Sind Sie mit der Gründung der Kommune El Roble einverstanden und erlauben Sie sie?" („Está Ud. de acuerdo y aprueba la creación del municipio del Roble?") In Galapa fragten die Behörden: „Möchten Sie, daß die Kommune Galapa Teil der Stadt Barranquilla wird?" („Quiere Ud. que el municipio de Galapa haga parte del área metropolitana de Barranquilla?") Quelle: Persönliche Informationen der RNEC. „...para derogar el Acto Legislativo No. 1 de 1997, mediante el cual se reestableció la extradición de nacionales colombianos, que modificó el artículo 35 de la Constitución Política de Colombia." Zitiert nach persönlichen Informationen der RNEC.

414

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

zierung des Projektes des Präsidenten führte. Weitere Initiativen der Kongreßmitglieder Jimmy Chamorro, Javier Cáceres, Claudia Blum, Ingrid Betancourt und Antonio Navarro kursierten im Kongreß. Der Präsident präsentierte den ursprünglichen Text in seiner letzten abgespeckten Version am 31. März 2000 nur noch als Referendum gegen die Korruption, nachdem größere Delikte von Kongreßabgeordneten bekannt geworden waren. Die politischen Reformen wurden auf die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen 2002 verschoben.736 Vor dem Hintergrund der ökonomischen Krise, des stockenden Friedensprozesses, der Kritik am Plan Colombia wurde Pastrana vorgeworfen, er wolle mit dem Referendum lediglich von den Problemen der mangelnden Regierbarkeit des Landes ablenken. Der Präsident suche durch die Abstimmung Kongreßneuwahlen, um durch veränderte Mehrheitsverhältnisse im Parlament seine Position zu stärken. Indirekt sollten die Bürger durch das Referendum zur Neuordnung der politischen Kräfteverhältnisse und des Machtgleichgewichtes zwischen Exekutive und Legislative beitragen. Ein weiterer Vorwurf ging in eine andere Richtung: Pastrana sei daran gelegen, seine Beziehung zu korrupten Mitgliedern seiner Wahlkoalition {Alianzapor el Cambio) und Korruptionsdelikte in der Regierung durch das Referendum zu verschleiern. Tatsächlich wurden wenige Monate später zahlreiche Korruptionsfälle veröffentlicht, die das Gesundheitsministerium, den Generalsekretär des Präsidentenbüros, den ehemaligen Entwicklungsminister und den Direktor von Ecosalud involvierten. Bekannt wurde auch, daß der Innenminister und der Direktor der Dirección Nacional de Planeación von den Vergehen des Parlaments gewußt (aber dennoch nichts dagegen unternommen) hatten. Das Referendumsvorhaben wurde deshalb nicht als effektives Mittel zur Bekämpfung der Korruption und demokratischen Beteiligung der Bürger bzw. zur Stärkung der direkten Demokratie interpretiert, sondern als Maßnahme zur Imagepflege, mit der der Präsident der Bevölkerung den Eindruck vermitteln wolle, seine Regierung habe mit den Korruptionsvorfällen nichts zu tun. 737 Als weitere indirekte Folgen des gescheiterten Referendums sind allerdings auch einige positive Aspekte zu vermerken. Es trug zu einer breit angelegten Diskussion über die Korruption im Land bei. Der Kongreß sah sich gezwungen, Rechenschaft über seine Machenschaften abzulegen, neue Spielregeln mit mehr Transparenz aufzustellen und seine Beziehungen zur Bürokratie und zum Justizapparat zu überdenken. 738 Bedenklicher als das Scheitern von Vorhaben des Präsidenten sind allerdings frustrierte Initiativen aus der Zivilgesellschaft. Insgesamt erscheint die 736

737 738

Der Kongreß hatte am 7. Juni 1999 ein Paket zur Reform von Wahl- und Parteiensystem sowie der Legislative, zu dem sich Pastrana in seinem Regierungsprogramm verpflichtet hatte, abgelehnt. Vgl.: Giraldo 2001: 200f. und 21 lf. Vgl.: Giraldo 2001: 205.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

415

Anzahl der erforderlichen Unterschriften, um ein derogatives oder ein aprobatives Referendum beim zuständigen Wahlbeauftragten zu beantragen, für viele Organisationen eine ernstzunehmende Hürde darzustellen, um von dieser Partizipationsmöglichkeit Gebrauch zu machen. 739 Der demokratische Charakter des Referendums wird außerdem dadurch eingeschränkt, daß es der Präsident während der verschiedenen Ausnahmezustände aussetzen kann. Der Kongreß kann ein Gesetz innerhalb der ersten zwei Jahre seiner Gültigkeit rückgängig machen, wenn es über ein Referendum zustande gekommen war. Diese Norm nimmt der Partizipationsfunktion der Bevölkerung einen Teil ihrer Durchsetzungsfähigkeit und widerspricht dem Prinzip, daß Verfassungsbestimmungen Vorrang vor Gesetzen haben sollen. Die Durchfuhrung eines Referendums ist schließlich mit hohen Kosten verbunden. 740 Cabildos abiertos werden von den Stadt- bzw. Gemeinderäten durchgeführt. Zwar weisen sie eine gewisse Regelmäßigkeit auf, aber keine allzu großen praktischen Effekte. Die Politiker fallen ihre Entscheidungen in der Regel ohne die Beteiligung der Bürger. 741 Außerdem gab es Bürgerversammlungen bereits vor ihrer Institutionalisierung. Der starre Charakter, der den cabildos durch die gesetzlichen Vorgaben auferlegt wurde, zum Beispiel die Tatsache, daß eine mündliche Intervention drei Tage vor der Versammlung schriftlich vorgelegt werden muß, hat den Partizipationswillen der Bürger eher geschwächt als gestärkt. 742 Eine erste Evaluierung der in der Verfassung verankerten semidirekten und direktdemokratischen Mitbestimmungsmechanismen zeigte, daß weder die manipulative Art, mit denen einige der Anwender die Mitbestimmungsmechanismen für ihre Zwecke zu mißbrauchen suchten noch die übertriebenen Hürden, die der Gesetzgeber aufbaute, um ihre Inanspruchnahme zu erschwerten, die Demokratisierung förderten. Zum Teil müssen die Partizipationsmechanismen durch die legislativen Institutionen abgesegnet werden. Das untergräbt ihren direktdemokratischen Charakter. Des weiteren hat der Staat bisher wenig zu ihrer Verbreitung beigetragen. Dies zeigte eine Untersuchung in Barranquilla 743 und meine Fallstudie in Tumaco. Die direkten und semidirekten Beteiligungsmechanismen waren nicht wirklich bekannt. Die acción de tutela bildete in der Pazifikstadt eine gewisse Ausnahme. Die meisten Befrag739 740 741

742

Vgl.: Gaitán et al. 1995: 79. Vgl.: Gaitán et al. 1995: 76f. Vgl.: Londoño 1997: 20. Ähnlich auch Agusto Hernández, Universidad Externado de Colombia, auf dem

Seminar ,Lafinanciaciónde los partidos y campañas electorales: América Latina y 743

Europa'\om 14.-16.4.1999 in Bogotá. Vgl.: Sáenz/Rodríguez 1998/1999: 162.

416

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

ten kannten sie aus dem Fernsehen, von Freunden oder Familienangehörigen. Doch das folgende Schaubild veranschaulicht, daß kaum jemand mit den Mitbestimmungsmechanismen der iniciativa legislativa, der revocatoria del mandato, des cabildo abierto und der acción popular etwas anzufangen wußte.744 Nur 5 Prozent der befragten tumaqueños hatten die neuen Mitbestimmungsmöglichkeiten benutzt. Es handelte sich dabei um acciones de tutelas und die Teilnahme an einem cabildo abierto. Schaubild 15: Kenntnis der direktdemokratischen und semidirekten Partizipationsmechanismen in Tumaco

Prozent

Iniciativa legislativa Acción popular Cabildo abierto Revocatoria del mandato Tutela

Bei der ersten Befragung der Bürgermeister nach der Gemeindereform hielten zwar 94 Prozent der Stadtvorsteher die Befragung der Bevölkerung zur Ausgestaltung der Lokalpolitik für richtig. Aber nur 1 Prozent sah die Unterstützung der Partizipation der Bürger als vorrangige Aufgabe ihrer Politik an.745 Hinzu kommt, daß für die meisten Partizipationsmechanismen Wahlverfahren notwendig sind. Da die Wahlenthaltung insgesamt hoch ist, ist auch eine gewisse Lethargie bei diesen neuen Abstimmungsverfahren zu erwarten. Da sich an 744

Antworten auf die Aussage: „Ich werde Ihnen jetzt ein paar neue Mitbestimmungsrechte nennen, die die Bürger haben. Sagen Sie mir bitte, was sie im einzelnen bedeuten." („Le voy a leer unos nuevos derechos de participación que tienen los ciudadanos. Dígame, por favor, lo que significan.") Die tutela kannten 27,9 Pro-

zent, die revocatoria del mandato 12,4 Prozent, den cabildo abierto 7,1 Prozent, die acción popular 6,2 Prozent und die iniciativa legislativa 2,6 Prozent der Befragten. 745

Vgl.: Gaitán 1991: 36f. und Webendörfer 1997: 84.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

417

einigen Partizipationsmechanismen nur der Teil der Bevölkerung beteiligen darf, der im Wahlzensus registriert ist, haben Personen, die sich zwar nicht für die Wahlen, aber dennoch für die neuen Beteiligungsmechanismen interessieren, keine Möglichkeit der Teilnahme an der Abstimmung.746 Wird die Politik infolge der durch die traditionellen Parteien etablierten Politikgewohnheiten von einem Großteil der Bevölkerung als etwas Schmutziges und Korruptes angesehen, vermuten die Bürger hinter der Einladung zur Beteiligung ,eine Falle'. Sie befürchten, als „nützliche Idioten"747 für Politiker zu dienen, für Prozesse, die nur den Interessen ihrer Initiatoren entsprechen. Vor allem in kleinen ländlichen Kommunen überlagert die oligarchische Kontrolle durch eine kleine politische Elite die neuen zivilgesellschaftlichen Partizipationsmechanismen. 48 Hinzu kommt, daß die Vielzahl der Mitbestimmungsformen aufgrund der mangelnden politischen Bildung bei der Bevölkerung auch Verwirrung stiftet. Die neuen Normen sind juristische Mechanismen, die ,von oben' bereitgestellt wurden und nicht immer adäquat für alle Belange der Bürger sind.749 „Wieder einmal überschätzt die kolumbianische Rechtsordnung ihre eigenen Fähigkeiten zur sozialen Transformation.. .In bezug auf die politische Partizipation ist das wichtigste dynamisierende Element die Bürgerkultur und ihr gegenüber kann die Produktion juristischer Normen wenig ausrichten, wenn es gleichzeitig keine sozialen Mobilisierungsprozesse gibt."750

Restrepo sieht die Partizipationsmechanismen nur als Ausschmückungen eines weiterhin korrupten politischen Systems.751 Auch wenn ich seine Bilanz für zu pauschal halte, muß dennoch bedacht werden, daß Partizipationsmechanismen, werden sie institutionalisiert, an Substanz verlieren.752 Die kolumbianische Bevölkerung ist durch jahrzehntelange Praxis an informellere und in ihrer politischen Kultur stärker verankerte Partizipationsformen gewöhnt. Ad hoc für bestimmte Probleme entstandene Partizipationskanäle wie beispielsweise die paros cívicos und das informelle Gespräch mit dem Bürgermeister oder einem nahestehenden Politiker an der Straßenecke führen oft schneller zu Ergebnissen.753 Den staatlichen Stellen ermöglicht dies allerdings, und darin liegt ein Problem, einen selektiven Umgang mit Bürgerprotesten, denen es in der Regel

746 747 748 749 750 751 752 753

Vgl. dazu auch García Villegas 1997: 57ff. und Londoño 1997: 20f. Velásquez 1997: 105. Vgl.: Velásquez 1997: 104. Vgl.: Webendörfer 1997: 105f. García Villegas 1997: 61. Vgl.: Restrepo 1997b: 30ff. Vgl.: Velásquez 1997: 112. Vgl.: Velásquez 1997: 103f.

418

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

an einem dauerhaften, organisierten zivilgesellschaftlichen Unterbau fehlt.754 Das Beispiel Aguachica verdeutlichte zudem, daß das geringe Prestige der Institutionen und die in vielen Kommunen präsenten Gewaltakteure die Beteiligung erschwerten. Der schwelende Gewaltkonflikt wird auch künftig die Anwendungsmöglichkeiten der evaluierten Verfahren einschränken. Doch als Ergänzung zu den klassischen Beteiligungsformen wären sie gerade im Hinblick auf die Defizite im Repräsentationsregime von besonderer Wichtigkeit.

9.

Ausblick

Nach der Verfassungsreform war das political engineering nicht abgeschlossen. Dies verdeutlichte noch einmal, daß die Defizite auf der Regimeebene durch die eingeleiteten institutionellen Neuerungen keineswegs behoben worden waren. Präsident Ernesto Samper brachte am 20. Juli, am 14. August 1996 und am 22. April 1997 im Kongreß Vorschläge ein, die auf der Grundlage des bereits von der Kommission zur Reform der politischen Parteien ausgearbeiteten Projektes wesentliche Bestimmungen der Verfassung revidieren und 1998 in Kraft treten sollten.755 In bezug auf die Partizipations- und Parteiennormen sahen die Vorschläge Sampers folgende Änderungen vor: a) Die Einführung der Wahlpflicht für zunächst 12 Jahre nach der Durchsetzung der Reform. b) Die Einschränkung der acción de tutela und den Ausschluß des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes bei der sie betreffenden Rechtsprechung. c) Die ausschließliche Finanzierung der Wahlkampagnen für Präsidentschaftskandidaten durch den Staat. d) Die Abschaffung des Amtes des Vizepräsidenten und die Wiedereinführung der Figur des designado. e) Die Abschaffung des zweiten Wahlgangs bei Präsidentschaftswahlen. f) Die Einführung eines zweiten Wahlgangs bei den Bürgermeisterwahlen in Bogotá. g) Die erneute Zusammenlegung der lokalen, regionalen und nationalen Wahlen für alle Institutionen und die Vereinheitlichung der Amtsperioden. h) Das Verbot für den Procurador, den Contralor und den Fiscal General, sich unmittelbar nach ihrer Amtszeit zum Präsidenten wählen zu lassen.

754 755

Vgl.: Webendôrfer 1997: 91. „Proyecto de acto legislativo por el cual se reforma la Constitución Política". Vgl.: El Espectador, 14.8.1996, 25.9.1996; 8.12.1996; El Tiempo, 14.8.1996; 14.9.1996 und 3.12.1996; El Universal, 8.10.1997 und González/Cárdenas 1998: 133.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

i) j) k) 1)

419

Die Amtszeit der Magistrate des Nationalen Wahlrates sollten auf acht Jahre erhöht, die der damals im Amt befindlichen Mitglieder des CNE um vier Jahre verlängert werden, Die Wiedereinführung der regionalen Wahlkreise bei den Senatswahlen. Dabei sollte für jedes departamento, dessen Bevölkerung mindestens 420.000 Einwohner umfaßt, ein Senator gewählt werden, Die Stärkung der Rechte der Opposition durch die Besetzung wichtiger Kontrollfunktionen (wie der Procuraduría General de la Nación und der Contraloria General de la Nación) mit Oppositionspolitikern. Die Zulassung einer einzigen Wahlliste pro Partei.

Ein Teil der Vorschläge Sampers stellte ein wichtiges Korrektiv an Normen, die noch aus der Zeit vor der Verfassungsreform von 1991 stammten bzw. sich nicht als effektiv erwiesen hatten, dar. Bei den anderen Vorschlägen bestand die Gefahr, wichtige demokratisierende Maßnahmen eher wieder zurückzuschrauben. Die Reform war durch das Entgegenkommen gegenüber denjenigen Gruppen gekennzeichnet, die Samper in seiner Amtszeit unterstützt hatten. Umgekehrt mißbrauchte der Präsident seine Machtposition, um sich an persönlichen Gegnern (wie beispielsweise dem Generalstaatsanwalt) zu rächen. Die Abschaffung des zweiten Wahlgangs, des Amtes des Vizepräsidenten und die Zusammenlegung der Wahlen würden wohl eher einen Rückschritt (vor allem im Hinblick auf die neu etablierten Parteien) bedeuten. Die Reduzierung auf eine Wahlliste pro Organisation könnte sich als wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem strukturierteren Parteiensystem erweisen, wenn sie von anderen Reformen begleitet würde. Parallel dazu müßte beispielsweise auch die Zulassung von Parteien erschwert werden, da sonst die Gefahr bestünde, daß Kandidaten, die auf hinteren Listenplätzen angesiedelt würden, neue Parteien bildeten. Außerdem wäre es aus meiner Sicht eine wichtige Aufgabe der Reformer, dafür Sorge zu tragen, daß das System zureichend integrativ bleibt und nicht wieder den restriktiven Charakter früherer Jahre annimmt. Die Vereinheitlichung der Wahltermine hätte zwar den Vorteil einheitlicher Amtsperioden. Dadurch könnten aber klientelistische Tendenzen gestärkt werden. Aufgrund der Verknüpfung zu vieler, teilweise widersprüchlicher Anliegen in einem Gesetzgebungsprojekt, der Modifikation der Vorlage durch den Kongreß, dem mangelnden Willen des Parlamentes sowie der permanenten Regierbarkeitskrise der Regierung Samper scheiterte das Vorhaben letztlich. Die Regierung Pastrana bemühte sich ebenfalls direkt nach ihrer Amtsübernahme 1998 um eine Reform der Verfassung. In seinem Wahlbündnis mit der reformorientierten Senatorin Ingrid Betancourt hatte der spätere Präsident seine grundsätzliche Zustimmung dazu gegeben. Dem Projekt lagen drei Zielsetzungen zugrunde: Erhöhung der Gleichheit, der Transparenz und des Kon-

420

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

zentrationsgrades des Parteiensystems.756 Ob alle diese Ziele durch die geplanten Reformen auch hätten erreicht werden können, war eher fragwürdig, zumal den Maßnahmen durchaus widersprüchliche Effekte nachgesagt werden. Die Vorschläge lauteten im einzelnen: 57 a) Mandatsentzug für die Abgeordneten des 1998 gewählten Kongresses durch ein Referendum. b) Einführung der Wahlpflicht. c) Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. d) Einheitliche Parteilisten (für den Senat), die die Parteien verpflichten, in parteiinternen Wahlen (consultas internas) ihre Kandidaten auszuwählen. Gleichzeitig sollen diese von den Parteien vorgelegten Listen bei Wahlen von den Bürgern in ihrer Reihenfolge neu bestimmt werden können (voto preferencial). e) Die Erhöhung der Zahl der Senatoren und Abgeordneten um jeweils fünf Personen. Die neuen Sitze sind im Repräsentantenhaus für politische und soziale ,Minderheiten' bzw. Gruppen und Parteien vorgesehen, die bei Kongreßwahlen mehr als 1,5 Prozent der gültigen Stimmen bzw. Stimmen in mehr als der Hälfte der departamentos erzielen. Im Senat bekommen fünf .Minderheitenlisten' mit der höchsten erzielten Stimmenzahl jeweils ein Mandat. f) Die Begrenzung der Wiederwahl der Kongreßabgeordneten auf zwei Legislaturperioden. g) Kongreßmitglieder, die ihr Wahlrecht verloren haben, zurückgetreten sind oder Gefängnisstrafen verbüßen, können mit Ausnahme deijenigen, denen lediglich eine bestimmte Art von Delikten (delitos políticos o culposos) vorgehalten wurde, nicht von Angehörigen, Freunden oder Parteifreunden in ihrem Amt ersetzt werden. h) Es soll zwei Typen von Parteien geben: Regionalparteien und nationale Parteien. Eine Regionalpartei wird als solche anerkannt, wenn sie bei einer Wahl mindestens neun Prozent der Stimmen in dem entsprechenden departamento erzielt hat. Um sich als Partei auf der nationalen Ebene registrieren zu lassen, muß die entsprechende Organisation mindestens drei Prozent der gültigen Wahlstimmen bei zurückliegenden Wahl gewonnen haben. Die Einführung einer künstlichen Sperrklausel (umbral) war ebenfalls geplant. Nur die Parteilisten, auf die mindestens

156

757

Antonio Navarro bei seinem Vortrag während der öffentlichen Anhörung zur politischen Reform am 9. 4.1999 in Bogotá. Vgl. zum folgenden: El Espectador, 30.9.1998; 5.10.1998; 8.10.1998; 21.10.1998; El Tempo, 20.4.2000; Ungar 1998: 78ff. und Decreto Nr. 244 de 1999 por el cual se ordena la publicación del Proyecto de Acto Legislativo „Sobre la reforma de la política colombiana e instrumentos de paz".

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem..,

i) j) k)

1) m)

n)

421

drei Prozent der gültigen Stimmen entfielen, sollten auch ein Mandat im Kongreß erhalten.758 Als Stimmenverrechnungsmechanismus ist ein Divisorenverfahren (cifra repartidora) vorgesehen, Eine ausschließlich staatliche Wahlkampffinanzierung bei Präsidentschaftswahlen. Die private Wahlkampffinanzierung für die übrigen Wahlen darf sich auf höchstens 30 Prozent der erlaubten Höchstsumme belaufen. Keine einzelne Person und kein Unternehmen soll mehr als höchstens fünf Prozent der gesamten Finanzierung zur Verfugung stellen.759 Kongreßabgeordnete, die bei mehr als sechs Plenar- oder Ausschußsitzungen während einer Legislaturperiode nicht anwesend sind, verlieren nach dem Willen der Reformer ihr passives Wahlrecht (investidura). Auslandsreisen werden nur für spezifische Missionen erlaubt. Den Anträgen müssen drei Viertel der Mitglieder der entsprechenden Kammer zustimmen. Contralor, Procurador und Registrador dürfen nicht mehr der Regierungspartei angehören.

Das Projekt der Regierung wurde - wie bereits erwähnt - bei zahlreichen Diskussionen im Kongreß verändert.760 Die neuen Versionen sahen zusätzlich die Abschaffung der departamento-V ers&mmlungen vor. Sie sollten durch Consejos Departamentales ersetzt werden, ihre Mitglieder keine Aufwandsentschädigungen mehr erhalten. Die Zahl der Stadträte sollte reduziert, ihre Honorare eingestellt werden. Die Reformer wollten die Figur des Verlustes des passiven Wahlrechtes {pérdida de investidura) auf Bürgermeister und Gouverneure anwenden, strikter handhaben und vor allem auf neue Wahl- und Korruptionsdelikte ausweiten. Zusätzlich zu den bestehenden Kontrollorganen forderte die Regierung nun ein , Superethikgericht' (Tribunal de Etica Pública), zusammengesetzt aus den Präsidenten der hohen Gerichte. Sie erhielten das Recht, mit abgekürzten Verfahren Maßnahmen zur Kontrolle der Korruption einzuleiten. Die Wahlpflicht sollte nach diesem Vorschlag als einmalige Angelegenheit auf die ersten Wahlen nach der Zustimmung zu dem Reformkonzept reduziert, die Kongreßbürokratie durch eine von den Parlamentariern unabhängige Institution geleitet werden. Mitglieder der Liberalen Partei legten eine Reihe von Gegenvorschlägen vor und forderten: 758 759 760

Der Kongreß beschränkte diese Bestimmung auf den Senat. Vgl. zur Parteien- und Wahlkampffinanzierung auch: Valencia Cossio 1999. Vgl. zum folgenden: República de Colombia, Ministerio del Interior 1999; Texto definitivo del proyecto de acto legislativo Nr. 88 de 1998; vgl. auch: Londoño 1999 und Giraldo 2001: 210f.

422

a) b) c) d) e) f) g)

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

die departamento-Versammlungen, die Größe der Gemeinderäte und ihre Entlohnung beizubehalten; die departamentalen und kommunalen Kontrollbehörden abzuschaffen; den Entzug des passiven Wahlrechts {pérdida de investidura) auf den Präsidenten und die Minister auszuweiten; die Einrichtung des Tribunal de Etica Pública nicht vorzusehen; die Wahlpflicht nicht einzuführen; die Verwaltung des Kongresses nicht in die Hände einer unabhängigen Institution zu legen, sondern eine ihm nahestehende Organisation unter der Leitung des Generalsekretärs des Kongresses damit zu beauftragen; dem Kongreß seine administrative und finanzielle Autonomie zu belassen.

In bezug auf die Neuwahl des Kongresses bestand keine Einigkeit innerhalb der Liberalen Partei. Ein Teil der Partei war dagegen, ein anderer schlug Neuwahlen sowohl für den Präsidenten als auch für den Kongreß vor. Um einen Kompromiß zu erzielen, entließ Pastrana seinen Innenminister und ersetzte ihn durch den gaviristischen Liberalen Humberto de la Calle. Die Vermittlung des neuen Innenministers trug vor allem dazu bei, den kritischen Punkt der Neuwahlen des Kongresses aus dem Projekt zu streichen. Insgesamt handelte es sich bei den oben erläuterten nicht nur um seriöse Vorschläge zur Reform des politischen Systems. Der Entzug des passiven Wahlrechts des Präsidenten und der Gegenvorschlag, nicht nur den Kongreß, sondern auch den Präsidenten mit Neuwahlen zu konfrontieren, waren mehr als konjunkturabhängige, taktische Manöver und Machtspiele einzuschätzen, als daß sie eine tatsächliche Veränderung eingeleitet hätten. Der Charakter der Reformprojekte war insofern zwiespältig. Es bestand die Gefahr, daß sie den traditionellen Parteien nicht etwa einen Teil ihrer Privilegien entziehen würden, sondern sie in Einzelfallen sogar bevorteilen konnten. Am 10. Juni 1999 scheiterte das Reformprojekt schließlich im Kongreß, auch am Widerstand seiner früheren Befürworter, weil weder die traditionellen noch die nicht-traditionellen Sektoren die vorgelegte Form akzeptieren wollten und die Konsequenzen abschätzen konnten. Einige Kongreßabgeordnete gaben zu bedenken, daß im Rahmen der Friedensverhandlungen der Regierung mit der Guerillaorganisation FARC ebenfalls über Reformen und eine Verfassunggebende Versammlung verhandelt werde und man diesem Prozeß durch ein solches Projekt nicht vorgreifen könne.761 Andere nicht-traditionelle Parlamentarier hielten an ihren eigenen Versionen der politischen Reform fest. Sie wollten sie nicht an

761

Die Vorschläge der Guerilla wurden in den Reformprojekten nicht berücksichtigt. Vgl.: Angarita 1999: 1 und El Espectador, 1.10.1998; 5.10.1998; 18.11.1998.

Kapitel IV: Wahlen, Wahl- und Parteiensystem...

423

einen positiven Ausgang der Friedensverhandlungen gebunden sehen.762 Zweifelsohne kann und sollte ein Teil der Reformen, die einen Demokratisierungsprozeß stärken würden, auch ohne Friedensprozeß durchgeführt werden. Sie könnten diesen gegebenenfalls sogar erleichtern, da sich von Seiten der Regierung ihr Reformwille als positive Vorleistung aufzeigen ließe. Insgesamt wäre allerdings ein stärkerer Einbezug von Experten und eine genauere Analyse der tatsächlichen Konsequenzen neuer Elemente des political engineering sowie eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit wünschenswert. Zwar fanden im April 1999 eine Reihe öffentlicher Anhörungen statt, in denen die Zivilgesellschaft ihre Meinung zu den Vorschlägen einbringen konnte. Aber die Bevölkerung nutzte diese Möglichkeit nur begrenzt.763 Es entstand der Eindruck, daß die meisten Akteure nur bedingt kompromiß- und lernbereit waren. Mehr als ein gemeinsames Interesse an einer Demokratisierung des politischen Systems standen auch bei dieser Debatte partikularistische und Machtinteressen im Vordergrund.

762

763

Dazu gehören beispielsweise Antonio Navarro, Viviane Morales und Ingrid Betancourt. Die in einer von mir besuchten Anhörung zu den Reformen befragten Personen zweifelten daran, daß ihre Vorschläge vom Parlament tatsächlich Berücksichtigung finden würden.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

425

„Tal vez estemos pervertidos por un sistema que nos incita a vivir como ricos mientras el cuarenta por ciento de la población malvive en la miseria, y nos ha fomentado una noción instantánea y resbaladiza de la felicidad: queremos siempre un poco más de lo que ya tenemos, más y más de lo que parecía imposible, mucho más de lo que cabe dentro de la ley, y lo conseguimos como sea: aun contra la ley. Conscientes de que ningún gobierno será capaz de complacer esta ansiedad, hemos terminado por ser incrédulos abstencionistas e ingobernables, y de un individualismo solitario por el que cada uno de nosotros piensa que sólo depende de sí mismo." Gabriel García Márquez 1995:13.

V.

Schlußbetrachtung

Kolumbien befindet sich seit 1958, als das Militärregime über einen Pakt in das zivile Regime der Nationalen Front überführt wurde, in einem Transformationsprozeß, der bisher nicht abgeschlossen werden konnte. Zu den hier behandelten politischen kamen wirtschaftliche Reformen und Friedensverhandlungen hinzu. Das Land mußte deshalb sowohl den Herausforderungen gewachsen sein, die von den Ländern des Cono Sur zu bewältigen waren, als auch Hindernisse der Art überwinden, wie sie einer Demokratisierung in den zentralamerikanischen Staaten entgegengestanden hatten. Die Reformen der späten 80er und 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden durch eine einmalige historische Situation ermöglicht. Dem ansonsten in diesen Jahren schwach organisierten, friedlichen Teil der Zivilgesellschaft (v.a. Studenten- aber auch Menschenrechts- und Frauenorganisationen, demilitarisierte Ex-Guerillagruppen) gelang es, dem Reformprozeß Impulse zu verleihen. Das Vorgehen der Guerilla und der Drogenmafia förderte den Transformationsprozeß indirekt, so daß die ausufernde Gewalt Ende der 80er Jahre und die Demokratisierungsmaßnahmen nicht im Widerspruch, sondern in unmittelbarem Zusammenhang standen: Sie waren die Antwort der involvierten Akteure auf die andauernde Systemkrise. Die Beteiligten hatten dabei durchaus unterschiedliche Interessen: Die reformorientierten, staatlichen Eliten wollten die Überlebensfähigkeit des Regimes durch seine institutionelle Anpassung an die veränderte gesellschaftliche Entwicklung sichern und eine neue Basis für die Modernisierung von Staat und Wirtschaft schaffen, ohne eine tiefergehende Demokratisierung einzuleiten, deren Untermauerung nur durch die Modifikation der staatlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen möglich gewesen wäre. Ihnen war daran gelegen, das Regime bzw. die staatlichen Institutionen nach innen und vor allem gegenüber der internationalen Öffentlichkeit zu relegitimieren und in einer zunehmend zerstrittenen politischen Führungselite (disunified elite) ihren Einfluß zu stärken. Sie wollten das durch Guerilla und Drogenmafia exponentiell gestiegene Gewaltpotential auf ein gewohntes und systemstabilisierendes Maß reduzieren und den gesellschaftlichen Partizipationsforderungen einen elitenkontrollierten Reformpro-

426

Kapitel V: Schlußbetrachtung

zeß gegenüberstellen. Dieser gewann mit der Zeit jedoch eine gewisse Eigendynamik. Teilen der Zivilgesellschaft, den zur Integration ins politische System bereiten Guerillaorganisationen, den meisten nicht-traditionellen Parteien und einzelnen Politikern des Partido Liberal und des Partido Conservador ging es ebenfalls um die Zurückdrängung der anomische Züge annehmenden Gewalt. Sie suchten die erstmalige oder verbesserte Integration neuer Akteure ins politische System, die Nutzung vorhandener demokratischer Spielräume und die Ausweitung des politischen Wettbewerbs durch Konkurrenz und Pluralismus in der politischen und in der Zivilgesellschaft (vertikale Verantwortlichkeit). Sie forderten mehr staatliche Garantien für die Opposition und eine verstärkte Kontrolle der Regierungsinstitutionen (horizontale Verantwortlichkeit). In der hier vorliegenden Studie wurde allerdings nicht der gesamte politische und wirtschaftliche Transformationsprozeß evaluiert. In Anlehnung an Schmitters Untergliederung der Demokratie in Teilregime habe ich lediglich das Wahl- und das Parteienregime auf demokratische Defizite hin untersucht. Belegt werden sollte die zentrale These, daß neben der offensichtlich fragmentierten Staatlichkeit, der hybriden Rechtsstaatlichkeit, den fehlenden substantiellen Voraussetzungen für ein democratic deepening und den vorhandenen autoritären Enklaven im kolumbianischen politischen System, auf die hier nur am Rande eingegangen werden konnte, in den untersuchten Teilregimen, die normalerweise als ,Beweis' für die Existenz kolumbianischer Demokratie angeführt werden, ebenfalls gravierende Defekte bestanden. Sie sind u.a. auf die engen Wechselwirkungen zwischen den Teilregimen und mit den staatlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen. In der geführten Argumentation ist ein grundsätzlicher linkage zwischen einerseits Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und mangelnder Rechtsstaatlichkeit sowie andererseits demokratischen Wahlen und einem konsolidierten Parteiensystem nicht zulässig. Dennoch konnten bei einzelnen Wahlen, in manchen Regionen und im Hinblick auf Aspekte des zu transformierenden Parteienregimes auch demokratische Fortschritte erzielt werden. Gerade diese widersprüchliche Entwicklung läßt den kolumbianischen zu einem spannenden Transformationsfall werden.

1.

Das Wahlregime

Im Hinblick auf das Wahlregime können im Zusammenhang mit der ersten im Theoriekapitel gestellten Frage nach dem veränderten Charakter der Wahlen und der Etablierung demokratischer Verhältnisse und Verhaltensweisen folgende Schlußfolgerungen gezogen werden:

Kapitel V: Schlußbetrachtung

427

In Kolumbien wurden die Wahlen nur während der Militärdiktatur ausgesetzt. Es handelte sich also in der vor dem Regime Rojas Pinillas etablierten Weise (und mit all ihren Defiziten) im Grunde um eine hochgradig institutionalisierte Institution, die bereits im 19. Jahrhundert erhebliche Teile der männlichen Volksmassen einbezog, aber gleichzeitig im Verlauf der kolumbianischen Geschichte auf unterschiedliche soziale Segmente (Frauen, Analphabeten, Kommunisten, indígenas) ausgrenzend wirkte. Durch den hohen Institutionalisierungsgrad von Wahlen wurde dennoch allenthalben von einem stabilen Wahlregime gesprochen, das implizit mit einem demokratischen gleichgesetzt wurde. Allerdings erfüllten Wahlen traditionell weder die Polyarchie-Kriterien Dahls noch handelte es sich um kompetitive Wahlen, die den im Theoriekapitel beschriebenen Indikatoren umfassend gerecht wurden. Während des Regimes der Nationalen Front wurden allenfalls semi-kompetitive Wahlen mit rituellem Charakter abgehalten. Zu dieser Zeit funktionierten die beiden traditionellen Parteien gegenüber Dritten wie eine Einheitspartei. Zwar waren dem Regime als demokratisch' präsentierte informelle Institutionen inhärent, beispielsweise in der Form, daß die Kandidaten anderer Parteien auf den Listen der beiden Traditionellen kandidieren durften. Das hinter dieser Maßnahme stehende Ziel war aber keineswegs die Stimulierung des parteipolitischen Wettbewerbs oder die Inklusion neuer gesellschaftlicher Segmente, sondern die Kooptation und Kontrolle Abtrünniger. Wahlen dienten während der Nationalen Front in erster Linie dem Interessenausgleich der regimetragenden Kräfte und der Reorganisation der beiden traditionellen Parteien ,nach innen'. Nach den Reformen wurden die Anforderungen an kompetitive Wahlen auf der gesetzlichen Ebene erhöht. Dies belebte auch die politische Debatte. Die Wahlbeteiligung stieg nach einer vorübergehend starken Abnahme (zwischen 1990 und 1994) 1997/98 wieder an. Aber die über Jahrzehnte eingespielten negativen politischen Gewohnheiten, die sich informell institutionalisiert hatten und die formalen Institutionen überlagerten, waren auch nach den Reformen nicht verschwunden, zum Teil verstärkten sie sich sogar. Dies zeigte den Wandel alter Institutionen (klientelistische Wahlen, Zweiparteiensystem) an und die nicht funktionierende Übernahme neuer (kompetitive Wahlen, Mehrparteiensystem). Andere - durch die Reformen erst geschaffene oder durch die verschlechterten Rahmenbedingungen hervorgerufene - demokratische Defizite sowie alte (aus der Zeit der Nationalen Fort übernommene) Defekte, deren Gewichtung sich von Wahl zu Wahl und räumlich segmentiert veränderte, überlagerten sich und ließen die Wahlen zeitweise und ortsgebunden im Sinne des vorgeschlagenen Konzeptes ,eher demokratisch', an anderer Stelle und zu einem anderen Zeitpunkt ,eher undemokratisch' erscheinen. In einigen Kommunen konnten schließlich in den Jahren

428

Kapitel V: Schlußbetrachtung

1997 und 2000 überhaupt keine Wahlen stattfinden. Dies widersprach zum einen dem Gleichheitsgrundsatz, zum anderen entstanden weder Handlungsnoch Verfahrensverläßlichkeit für alle politischen Akteure, die den demokratischen Prozeß kalkulierbar gemacht hätten. Rufen wir uns noch einmal die Variablen für kompetitive Wahlen in Erinnerung: a) Freiheit der Wahlbewerbung Heute haben alle (legalen) gesellschaftlichen Gruppen formal die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen. Viele machen davon ausgiebig Gebrauch. Allerdings verhindern die faktischen Gegebenheiten, vor allem die politische Gewalt (in einigen Regionen stärker als in anderen) den Wahlantritt vor allem links orientierter nicht-traditioneller Parteien und Kandidaten sowie von Mitgliedern ehemaliger Guerillaorganisationen und Personen, die mit einem der verschiedenen Gewaltakteure in irgendeine Art Bezug gesetzt werden. In Kommunen, in denen die Guerilla aktiv war, wurden auch Kandidaten des PLC und des PC bedroht. Manchmal nahm die Gewalt derart anomische Züge an, daß nicht mehr festzustellen war, ob die Guerilla, die Paramilitärs, das staatliche Militär oder gewöhnliche Kriminelle hinter einer Drohung, einer Entführung oder einem Attentat standen. Die Morde an der Unión Patriótica und zahlreichen Präsidentschaftskandidaten sowie die Entführungswelle zu Beginn des neuen Jahrtausends verliehen der potentiellen Bedrohung eine grausame reale Komponente und verdeutlichten jedem Wettbewerber die Gefahr, der er sich bei einer Teilnahme am politischen Prozeß aussetzte. Insgesamt entstand dadurch ein Klima, das die Wahlbeteiligung unter bestimmten Umständen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einem bestimmten Raum zum unkalkulierbaren Risiko werden ließ. Bei einer solchen Verletzung der Menschen- und Bürgerrechte und derart unvorhersehbaren und ungleichen Bedingungen bei der Kalkulation des ,Partizipationsrisikos' kann nicht von der Freiheit der Wahlbewerbung gesprochen werden. b) Existenz des Wahlwettbewerbs Der Wahlwettbewerb hat auf der quantitativen Ebene enorm zugenommen. Es bewerben sich eine Vielzahl von Kandidaten der Anfang 2002 76 registrierten Parteien. Allerdings ist der programmatische Unterschied zwischen ihnen für die Wähler oft nur schwer erkennbar. Viele Parteien stellen potentiellen Kandidaten lediglich ihr Label und ihre Wahlmaschinerie zur Verfügung. Wechseln sie die Partei, ändern sie keineswegs ihre programmatischen Vorschläge, so daß in den meisten Organisationen eine Vielzahl unterschiedlicher (oft

Kapitel V: Schlußbetrachtung

429

ideologisch widersprüchlicher) Ideen eine gemeinsame Anstrengung ersetzen. Die qualitative Evaluierung fällt also negativer aus. Fairer Wettbewerb beinhaltet annähernd gleiche Ausgangsvoraussetzungen, die zum einen durch die Dominanz der Eliten der traditionellen Parteien in Staat und Wirtschaft und den damit verbundenen Vorteilen gegenüber neuen Parteien nicht gegeben sind. Zum anderen schafft das unterschiedliche Bedrohungsszenario keine identischen Voraussetzungen für den Wahlwettbewerb. c)

Chancengleichheit bei der Wahlbewerbung

Die neuen Wahlrechtsbestimmungen haben die Chancengleichheit für nichttraditionelle Parteien grundsätzlich verbessert. Dennoch läßt allein die negative Beurteilung dieses Aspektes durch die Bevölkerung, auf vorhandene Defizite schließen. Auch wenn bei der Befragung des Latinobarömetro die Parteizugehörigkeit nicht berücksichtigt wurde und Liberale oder Konservative, die im Unterschied zu Anhängern kleinerer Parteien ihre Chancen als gut beurteilen dürften, die Einschätzung verzerren, befand sich Kolumbien unter den Ländern, in denen nur bis zu 40 Prozent der Befragten Chancengleichheit ausmachten. Tabelle 1: Beurteilung der Chancengleichheit politischer Parteien im lateinamerikanischen Vergleich Land URU PAR CR ECU BOL PAN NIC CHI 54 44 42 73 60 59 55 42 Prozent ARG KOL BRA HON PER ES GUA MEX Land 32 42 39 38 30 29 21 13 Prozent Antworten auf die Frage: „Glauben Sie, daß die politische Organisation, die Sie unterstützen, die gleichen Chancen wie andere Gruppierungen hat, an die Macht zu kommen, oder daß sie nicht die gleichen Chancen hat?" Prozent der Befolgten, die antworten: „Die gleichen Chancen wie andere." (Frage liegt nicht im spanischen Original vor.) Quelle: Latinobarömetro 1996, zitiert nach Lagos 1997: 131.

Bei der Evaluierung wurde deutlich, daß die neuen Normen weder von allen Wahlbewerbern noch von allem Mitgliedern der Wahlbehörden umfassend respektiert werden. Die Geltung politischer Rechte (Vereinigungs-, Versammlungs-, Meinungs-, und Pressefreiheit) wird vom Staat de facto nicht geschützt. Die Reformen eröffneten neue Chancen zur Nutzung der Massenmedien für nicht-traditionelle Parteien. Der tatsächliche Einfluß des PLC und des PC gewährte ihnen durch ihre enge Verbindung zu den Informationsunternehmen dennoch eine bessere Ausgangsposition. Der Zugang zu extralegaler Wahlkampffinanzierung und ihre Beziehung zu den großen Unternehmen des Landes brachte einzelnen Kandidaten Vorteile. Die effektive Kon-

430

Kapitel V: Schlußbetrachtung

trolle staatlicher und privater Wahlkampf- und Parteienfinanzierung konnte bei den Präsidentschaftswahlen 1994 gar nicht, 1998 nur zum Teil durchgesetzt werden, bei den übrigen Wahlen verzichtete der Nationale Wahlrat sogar auf die gegenüber dieser Behörde verpflichtende Rechnungslegung. Die Separierung der Wahltermine hat sicherlich Überlappungsefifekte verschiedener Wahlen gemildert und klientelistische Praktiken erschwert. Klientelismus, Personalismus und Nepotismus bestanden aber dennoch regional und zeitlich segmentiert weiter. Sie veränderten ihre Präsenz je nach den zur Verfugung stehenden Ressourcen (im Staatshaushalt oder von privaten legalen und .illegalen' Spendern), durch lokale und regionale Kräftekonstellationen, durch Lernprozesse und eine sich vor allem in den Urbanen Räumen wandelnde politische Kultur in der Wählerschaft. In dieser Hinsicht können auch die Dezentralisierungsmaßnahmen nicht einheitlich beurteilt werden, denn sie führten zu völlig heterogenen Entwicklungen in den Kommunen. Hinzu kam ein verstärkter clientelismo armado in den Einflußbereichen der Gewaltakteure, der die Chancengleichheit bei der Wahlbewerbung in den betroffenen Regionen aufgrund des vorhandenen Bedrohungspotentials aushöhlte. d)

Wahlfreiheit

Der Wahlrechtsgrundsatz geheimer Wahlen wurden durch die Einführung von staatlich gedruckten Stimmzetteln und Wahlkabinen formal weitgehend abgesichert, doch die Wahlbehörde legte auch Wahlbetrug immer wieder offen. Es gibt eine adäquate Form der Wählerregistrierung, auch wenn vereinzelt immer noch Klagen zu vernehmen sind. Differierende Voraussetzungen für eine Wahlteilnahme unterschiedlicher sozialer Schichten und gesellschaftlicher Gruppen sowie regionale Besonderheiten stehen dennoch dem Wahlrechtsgrundsatz der Gleichheit entgegen. Zu den substantiellen Defiziten in der Wahrnehmung der citizenship kommt die direkte Einschüchterung oder Beeinflussung von Wählern durch paramilitärische Gruppen und die Guerilla in deren Einflußgebieten. e)

Korrekte Stimmenauszählung, -Verrechnung und -dokumentation

Die Stimmenauszählung wurde nach den Reformen der Registraduria Nacional del Estado Civil unterstellt. Sie ist also - und das läßt sich positiv vermerken - nicht bei der Exekutive angesiedelt. Daß der erste und der dritte Leiter der RNEC nach den Reformen 1991 sich weitgehend durch Effizienz, der zweite durch Korruption und Wahlbetrug hervortat, zeigt, daß seine Zugehörigkeit zur Oppositionspartei allein kein Kriterium zur Beurteilung der Funktionalität der Behörde ist. Die Institutionalisierung des Amtes der Wahl-

Kapitel V: Schlußbetrachtung

431

zeugen, die Hilfe von computergestützten Datenverarbeitungssystemen und die Schulung von Mitarbeitern der RNEC haben zu einer vergleichsweise korrekten Stimmenverrechnung und -dokumentation geführt. Allerdings gab es immer wieder Klagen über die Vorgehensweise der Behörden bei der Stimmenauszählung, die unterschiedlichsten Formen des Wahlbetrugs sowie Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Wahldaten, die sehr stark von der jeweiligen lokalen (durch die häufigen Wechsel an der Spitze der RNEC zeitweise auch von der nationalen) Leitung der Behörde abhingen. Die meisten Beschwerden im Untersuchungszeitraum gingen dabei bei den Präsidentschaftswahlen, aus der die Regierung Samper hervorging, ein. Aber auch die Lokalwahlen 1997 und 2000 sowie die Kongreßwahlen 2002 wurden kritisiert. Gegen die RNEC waren zeitweise Korruptionsvorwürfe (im Zusammenhang mit den Modernisierungsmaßnahmen der Behörde) laut geworden. Dies erweckte den Eindruck von Regierbarkeits-, Kontroll- und Führungsdefiziten im institutionellen Kern des Wahlregimes. Die Institutionalisierung eines Nationalen Wahlrates (Consejo Nacional Electoral) ist grundsätzlich positiv zu beurteilen. Beschwerden häufen sich aber im Hinblick auf die Effektivität seiner Aufgabenwahrnehmung, die politische Zusammensetzung, die Art und Weise der Besetzung der administrativen Funktionen in der Wahlbehörde und die mangelnde Wahrnehmung der Kontrollfunktionen gegenüber den Parteien. Die nicht-traditionellen Organisationen kritisierten die weitgehende Manipulation der Behörde durch die im Nationalen Wahlrat vertretenen Delegierten von PLC und PC. f)

Das Vorhandensein eines Wahlsystems, das demokratischen Kriterien genügt Die Beibehaltung des Verhältniswahlsystems ohne Sperrklausel sorgte nach den Reformen dafür, daß das Parteiensystem auf die neuen politischen Kräfte integrierend wirkte und daß sich eine Vielzahl neuer Organisationen und Personen an Wahlen beteiligten. Die Sonderbedingungen für ehemalige Guerillamitglieder, Afrokolumbianer und indianische Gemeinschaften in speziellen Wahlkreisen haben diskriminierten und ausgegrenzten Gruppen den Zugang zu den politischen Institutionen erleichtert. Sie verdeutlichten aber auch, daß diese Gruppen ohne affirmative action bei gegebenen Rahmenbedingungen nur geringe Wahlchancen hätten. Die Bestimmungen für die Afrokolumbianer wurden schließlich aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtes wieder rückgängig gemacht, so daß der Impuls der ersten Wahlen für die Folgenden verloren ging, auch wenn sie sich bei den Kongreßwahlen 2002 wieder beteiligen konnten. Die Sonderbedingungen für Ex-Guerilleros waren nur von begrenzter Dauer und kamen nicht allen Grup-

432

Kapitel V: Schlußbetrachtung

pen gleichberechtigt zu. Bei den indígenas führten die positive-action-Maßnahmen einerseits zum Aufbau parteipolitischer Organisationsstrukturen, andererseits zu Spaltungen innerhalb der zivilgesellschaftlichen Organisationsstrukturen sowie Konflikten zwischen der Basis und ihren Repräsentanten im Hinblick auf die Mandatsvertretung gegenüber ihren Gemeinschaften. Traditionell indigene Politikformen und ihre auf die Ausrichtung sozialer Kämpfe angelegte Organisationsstruktur innerhalb der ONIC sowie deren regionalen Dependenzen standen teilweise im Konflikt mit den neuen parteipolitischen Repräsentationsmechanismen. Das Verhältniswahlsystem ohne Sperrklausel unterstützte andererseits die Aufblähung des Parteiensystems, ohne daß bisher eine starke dritte Partei die alten Eliten ernsthaft herausgefordert hätte. Die meisten ,neuen' Parteien waren Abspaltungs- oder Satellitenparteien der traditionellen. Die Vielzahl der entstandenen Organisationen spiegelte sich deshalb nur begrenzt in einer veränderten Politik wider. Die interne Atomisierung der Parteien verhinderte außerdem eine adäquate Interessenaggregation und die Durchsetzung kollektiver parteipolitischer Ziele. Die Wahlteilnahme einer derartigen Vielzahl von Parteien und Kandidaten verwirrte die Wähler. Zählwert und Erfolgswert der Wählerstimmen stehen nach den Reformen im Vergleich zu früher weniger in einem demokratietheoretisch akzeptablen Verhältnis. Die Disproportionalität hat zugenommen. Das Verhältnis zwischen erhaltenen Stimmen und Mandaten klafft heute weiter auseinander als in den 80er Jahren. Es sind außerdem einige weitere Verzerrungen zu beachten: Die Zulassung einer unbegrenzten Zahl von Parteilisten wirkt begünstigend auf große Parteien, vor allem auf den Partido Liberal Colombiano. Kleinere Organisationen wie die AD/M-19, die Listensplitting betrieben, scheiterten dagegen am Wahlsystem. Durch malapportionment kam es zur Überrepräsentation der ländlichen Wahlkreise im Repräsentantenhaus, was wiederum vor allem der Liberalen Partei Vorteile einräumte. Die Vorschläge der Regierungen Samper und Pastrana sowie zahlreicher Kongreßabgeordneter und zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Einführung einer einzigen Wahlliste pro Partei wären deshalb, wenn sie von anderen Reformen begleitet würden, als positiv zu bewerten, konnten aber im Parlament bis ins Jahr 2002 nicht durchgesetzt werden. Insgesamt beinhalten die Projekte zur Veränderung des Wahlsystems, insbesondere die Einführung eines neuen Stimmenverrechnungsmechanismus, aber auch die Gefahr, daß die dadurch hervorgerufenen Effekte der Zentralisation zunächst wieder vor allem der Liberalen Partei zugute kommen.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

433

g) Der Bezug der Wahlentscheidung auf Wahlperioden Der Wähler kann seine Wahlentscheidung in ausreichend großen Zeitabständen überprüfen. Das Land zeichnete sich im Gegenteil eher durch eine ,Überlastung' der Bürger durch ständige Wahlprozesse und fortlaufende Wahlkämpfe aus. Sie wirkten nicht selten polarisierend und in einigen Regionen gewaltverstärkend, ohne daß es zu spürbar positiven Veränderungen für die Bevölkerung - etwa durch Gespräche mit den Gewaltakteuren oder eine effektive Mandatswahrnehmung zur Durchführung von notwendigen Entwicklungsvorhaben - kam. Die Begrenzung der Amtszeit der Bürgermeister auf zunächst zwei, dann auf drei Jahre sorgte zwar - und darin lag die Intention der Reformer - für raschen Wechsel korrupter und ineffizienter Amtsinhaber, ohne dabei auf die Sanktionskapazität der Wahlbevölkerung angewiesen zu sein. Sie zeugte aber auch von einer tiefen demokratischen Skepsis' der Verfassunggeber gegenüber der Zivilgesellschaft und den über den Dezentralisierungsprozeß eingeleiteten Reformmaßnahmen. Außerdem trug die Norm dem über die traditionellen Parteien etablierten Mechanismus des rotativen Zugangs zu den Staatspfründen Rechnung. Im Hinblick auf die Anliegen einer effektiven, regionalen Entwicklungspolitik sowie für die Herausbildung einer funktionalen, lokalen Politik- und Verwaltungselite ist die Amtszeit zu kurz bemessen. Neben diesem nur schwer lösbaren Dilemma, besteht außerdem das Problem, daß die herrschende Gesetzgebung die vorzeitige Mandatsniederlegung bei einer erneuten Kandidatur für eine andere staatliche Funktion, die durch Wahlen legitimiert werden muß, vorsieht. Dadurch entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, daß den Kandidaten mehr an ihrer politischen Karriere, als an einer responsiven Politik und an einem ,Dienst am Bürger' gelegen ist. h) Der Beitrag der Wahlen zur politischen Machtverschiebung Im Gegensatz zum Rotations- und Ernennungsprinzip der Nationalen Front ist das Wählervotum heute entscheidend dafür, wer an die politische Macht gelangt. Doch dies gilt nicht uneingeschränkt für Regionen, in denen die Gewaltakteure entscheidende Mitspracherechte ausüben, (transnationale) Konzerne erhebliche Interessen vertreten oder der Landbesitz in wenigen Händen konzentriert und durch paramilitärische Truppen geschützt ist. Die gewählten Herrschaftsträger erkennen die Wahlen und die Änderung einiger Wahlnormen (zweiter Wahlgang, Wahl eines Vizepräsidenten) grundsätzlich als legitim an. Sie werden allerdings von außerhalb demokratischer Spielregeln stehenden Gruppierungen (Teilen der Guerilla, Paramilitärs und der Mafia) zeitweise und ortsgebunden in Frage gestellt, wobei sich vor allem die Position der FARC zum Wahlprozeß in den letzten Jahren veränderte. Auf die

434

Kapitel V: Schlußbetrachtung

jeweiligen Pressionen der Gewaltakteure mußten sich sowohl Wähler als auch diejenigen, die sich zur Wahl stellten, immer wieder neu einrichten. Da die traditionellen Parteien, ihre Satelliten- und Abspaltungsparteien und damit die gleiche .politische Klasse' weiterhin das Parteiensystem dominieren, haben die Reformen in bezug auf das Kräfteverhältnis der traditionellen zu den nicht-traditionellen Parteien zwar Verschiebungen, aber keine eindeutige Kehrtwendung eingeleitet. Elitenaustausch fand oft nur im Rahmen von Familien- und Freundschaftsstrukturen statt, ohne daß klientelistische Netzwerke dadurch aufgelöst worden wären. Die Schwierigkeiten bei der Etablierung einer starken dritten Partei waren auf die staatlichen und rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen, die mangelnden incentives in Wahl- und Parteiengesetzgebung, aber auch auf die diversen Interessenlagen einer Vielzahl von Akteuren zurückzuführen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen außerhalb der traditionellen Parteien engagierten. Bleibt abzuwarten, ob die Neustrukturierungsversuche um die Wahlkämpfe des Jahres 2002 einen wichtigen Schritt in diese Richtung darstellen, da sich zumindest ein Teil der Unabhängigen' und am linken Rand des politischen Spektrums anzusiedelnden Parteien mit Luis Eduardo Garzón auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten geeinigt hat. Zu .echten' Machtverschiebungen kam es vor allem, wenn traditionelle Kaziken von der politischen Bühne verdrängt werden konnten. Doch in vielen Kommunen traten die traditionellen Politikbarone nach einigen Wahlperioden selbst oder mit Hilfe von Stellvertretern wieder zur Wahl an. Sie taten dies zum Teil unter neuen Parteilabels oder mit Hilfe von Stellvertreterfiguren. Auch bei den Wahlen, bei denen lediglich eine neue Generation von Politikern aus den traditionellen Parteien, die ihre Politikgewohnheiten nicht grundsätzlich hinterfragte, die alten Parteieliten ablösten, war der Beitrag der Wahlen zur Neuordnung der politischen Machtverhältnisse kritisch zu beurteilen.

2.

Das Parteienregime

Die Reformen hatten darauf hoffen lassen, daß eine dritte Partei die Vorherrschaft der traditionellen Parteien brechen, neue Organisationen ihren Einfluß im politischen System ausweiten und sich aus dem Zwei- ein Mehrparteiensystem entwickeln würde. Als wichtige Kriterien bei der Herausbildung von Parteiensystemen in Transformationsprozessen wurden a) historische Legate

Kapitel V: Schlußbetrachtung

435

des früheren Parteiensystems, der b) Transformationskonflikt, das c) Wahlsystem und d) die c/eava^e-Struktur1 genannt. Zu a) Die traditionellen Parteien spielten im etablierten kolumbianischen Parteiensystem und beim Übergang vom Militär- zum zivilen Regime der Nationalen Front als zentrale Akteure eine entscheidende Rolle. Sie waren die wichtigsten Träger politischer Verhaltensregeln und klientelistischer Politikgewohnheiten. Es war aufgrund ihrer historischen Bedeutung, ihrer Oligopolstellung und ihrer Funktion bei der Aushandlung des Transformationspaktes des Frente Nacional offensichtlich, daß sie auch in der Phase des desmonte und nach den Reformen der 80er Jahre sowie bei der Verfassungsgebung wichtige Akteure sein würden, sei es als Förderer oder als Bremser (wie ihr überwiegender Anteil) des Transformationsprozesses. Die Bedeutung, die die AD/M-19 und der MSN während der ANC erreicht hatten, ließ sie nach 1991 zunächst einmal eine zentrale - allerdings auf eine Wahlperiode begrenzte Rolle im Parteiensystem einnehmen. Der Versuch der AD/M-19, sich als dritte politische Kraft im Land zu etablieren, kann als gescheitert gelten, obwohl ein Teil der in diesem Bündnis tätigen Politiker heute in neuen Organisationen politisch aktiv ist, auf eine Art verbesserte Neuauflage der Alianza hofft und sich weiterhin für politische Reformen und den Frieden im Land einsetzt. Die durch die neuen Normen im Rahmen der verschiedenen Friedensprozesse geschaffenen Sonderbedingungen für Afrokolumbianer, indianische Gemeinschaften und ehemalige Guerillaorganisationen öffneten diesen den Zugang zum Parteiensystem. Allerdings konnten die Repräsentanten der indigenen und afrokolumbianischen Gemeinschaften ihre Position in erster Linie aufgrund der staatlich geforderten positive-action-Ma&nahmcrx behaupten. Die ehemaligen Guerillagruppen spielten zu Beginn des Jahrtausends im Kongreß praktisch keine Rolle mehr. Zu b) Das Mehrheitswahlsystem bei Präsidentschaftswahlen verhärtete in Kolumbien grundsätzlich die Tendenz zum Zweiparteiensystem, so lange .starke' Kandidaten der Konservativen oder Liberalen nicht unter einem neuen Label zu Wahlen antraten. Allerdings bewirkte die Einführung eines zweiten Wahlgangs (Ballotage-System) einen Machtzuwachs der verschiedenen neuen kleinen Organisationen und .unabhängigen' Kandidaten. Die traditionellen Parteien können ohne Wahlbündnisse mit nicht-traditionellen Organisationen keine Wahlen mehr gewinnen. Dies wirkt sich grundsätzlich auf die Integration neuer politischer Akteure positiv aus. Wo diese damit 1

Auf die Konfliktlinienstruktur des neuen Parteiensystems gehe ich ausführlicher weiter unten im Text im Zusammenhang mit der Evaluierung des Parteiensystems ein.

436

Kapitel V: Schlußbetrachtung

echte politische Zugeständnisse erzielen konnten (wie beispielsweise ein Teil der protestantischen Parteien), ist dies positiv einzuschätzen. Wenn Wahlbündnisse lediglich zu finanziellem Entgegenkommen partikularistischer Art (wie etwa bei einem Teil der afrokolumbianischen Gruppierungen) führten bzw. Ämter in der Administration als politische Quoten (pay-offs) oder um einen politischen blas im Verwaltungsapparat zu schaffen, vergeben werden, kommt die Überlagerung durch traditionelle Politikgewohnheiten (informelle Institutionen) zum Tragen. Diese schließen rationale Interaktionsmuster zwischen neuen und alten politischen Akteuren permanent kurz. Daß kleineren Organisationen ein zwar zeitlich begrenzter, aber überdurchschnittlich großer Einfluß erwächst, der möglicherweise über ihrem tatsächlichen politischen und Wahlpotential liegt (ein Bedenken der Präsidentialismusforscher), halte ich im Hinblick auf die kolumbianische Exklusionskultur für sekundär. In der zunehmenden Bedeutung von Wahlbündnissen bei Präsidentschaftswahlen werden andererseits die delegativen Tendenzen des kolumbianischen Präsidentialismus deutlich. Das Verhältniswahlsystem bei Kongreßwahlen schuf zwar durch seinen die Proportionalität fördernden Charakter prinzipiell bessere Voraussetzungen für neue, kleine Parteien. Es erweiterte die Integrationsfahigkeit des Parteiensystems. Die Inklusionsschwelle viel nach den Reformen tendenziell sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus. Die Exklusionsschwelle stieg dagegen an. Bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus schuf die Einteilung der Wahlkreise (malapportionment) und die Zulassung mehrerer (statt wie normalerweise üblich) einer einzigen Parteiliste (wie bereits erwähnt) Vorteile für die Liberale Partei. Sie kann dadurch die Spielräume des Wahlsystems im Hinblick auf kleine und große Parteien ausschöpfen und doppelten Nutzen daraus ziehen. Das Nichtvorhandensein von künstlichen Sperrklauseln unterstützte die zunehmende Atomisierung des Parteiensystems. Die Kombination des Präsidialsystems mit einem durch Verhältniswahl gewählten Parlament (inklusive all der dem kolumbianischen Wahlrecht inhärenten Besonderheiten) hat zwar partikularistische Verhandlungsprozesse zwischen Regierung und Kongreß erhöht sowie den Gesetzgebungsprozeß kompliziert. Sie hat aber bisher nicht (wie von den Präsidentialismuskritikern angenommen) zu einer totalen Blockade zwischen Exekutive und Legislative geführt. Der Output des Parlamentes an (wichtigen, die nationale Entwicklung vorantreibenden) Gesetzen war von jeher gering, obwohl die Regierungspartei seit 1974 fast immer die Mehrheit im Parlament stellte. Auch früher mußte die jeweilige Regierung mit den einzelnen Faktionen und Politikern der traditionellen Parteien verhandeln, da Entscheidungen im Parlament (und dies ist in den meisten Präsidialsystemen der Fall) nicht notwendigerweise entlang von Parteilinien getroffen werden. Obwohl die Regierung Samper theoretisch eine

Kapitel V: Schlußbetrachtung

437

liberale parlamentarische Mehrheit hinter sich hatte, konnte sie Regierbarkeitsprobleme nicht völlig unterbinden. Dies lag allerdings nicht so sehr am institutionellen Design als an den Folgen des Prozesses 8.000. Die Unterstützung für ihr Verbleiben im Amt und den ,Freispruch' durch den Kongreß mußte sie trotz liberaler Mehrheit und konservativen Überläufern dennoch ,erkaufen'. Die Probleme in der Beziehung Exekutive-Legislative liegen also weniger im Regierungssystem begründet als in der politischen Konjunktur, der konkreten Ausgestaltung und Struktur des Parteiensystems und der Überlagerung der Verhandlungsprozesse durch informelle Institutionen. Ihre Performanz läßt sich durch Zentralisierungs- und Bildungsprozesse verbessern und erfordert keineswegs eine Parlamentarisierung des Regierungssystems. Aufgrund des schlechten Rufes des Parlamentes könnte auch nicht davon ausgegangen werden, daß eine solche Reform in der Bevölkerung mehrheitliche Zustimmung finden würde. Im Hinblick auf die von den Transformationsforschern genannten Kriterien zur Evaluierung der Konsolidierung des Parteiensystems kann folgendes festgestellt werden: a) Grad der Fragmentierung des Parteiensystems: Das Parteiensystem hat nach der Nationalen Front einen Wandlungsprozeß durchlaufen, der durch die Reformen der 90er Jahre einen besonderen Impuls erhielt. Das Zweiparteienformat veränderte sich seit der Regierung Barco (1986-1990) immer deutlicher zugunsten eines durch die Dominanz der Liberalen Partei gekennzeichneten Systems. Der überdurchschnittliche Erfolg der Liberalen bei Präsidentschafts- und Kongreßwahlen, der ihnen zu einer Zweidrittelmehrheit im Kongreß verhalf, belegte diesen Trend seit Ende der 80er Jahre. Auf die Dominanz der Liberalen reagieren die Konservativen mit drei Strategien. Sie versuchten, a) einen Teil des PLC an sich zu binden und sich b) bei Präsidentschaftswahlen als Multiparteienbewegung unter wechselnden Parteilabels zu engagieren sowie c) die Zusammenarbeit mit ihren Satellitenparteien nicht aufzugeben. Mit diesen Adaptionsmechanismen waren sie bei den Präsidentschaftswahlen 1998 erfolgreich und brachen vorübergehend die Vorherrschaft des PLC. Insgesamt ist die Krise der Konservativen Partei aber längst offensichtlich und verdichtete sich bei den Kongreß- und Präsidentschaftswahlen 2002. Die absolute Zahl der Parteien stieg nach den Reformen erheblich an. Die effektive Zahl der Parteien erhöhte sich nach 1991 ebenfalls, ging dann aber wieder zurück. Sie nahm nach Einschätzung der in der Konsolidierungsforschung etablierten Kriterien keine demokratietheoretisch bedenklichen Aus-

438

Kapitel V: Schlußbetrachtung

maße an. Doch der Rückgang, vor allem bei den Parlamentsparteien, dokumentierte auch die Immobilität im politischen System und die Dominanz der etablierten politischen Parteien, die ja durch die Reformmaßnahmen gerade überwunden werden sollten. Eine niedrige EZP war im Hinblick auf die beabsichtigte Integration neuer Akteure ins politische System eher bedenklich. Reformmaßnahmen (etwa die Einführung einer Sperrklausel) wie sie die Pläne der Regierung Pastrana vorsahen, sind zwar grundsätzlich zur Zentralisierung des Parteiensystems und zur Verbesserung parteiinterner Diskussionsund Organisationsprozesse heute von Nutzen. Sie sollten allerdings nicht die durch die zunehmende Gewalt ja bereits gefährdete Integrationsfähigkeit des Parteiensystems (vor allem an seinem linken und rechten Rand) weiter reduzieren. Die Zulassung neuer Parteien war (vielleicht nicht in diesem Ausmaß) grundsätzlich zunächst einmal notwendig, um die Inklusions- und Wettbewerbsfähigkeit des politischen Systems zu erhöhen und seine verkrusteten Strukturen aufzuweichen. b)

Der Grad an Extremismus und Polarisierung:

Das Parteiensystem ist schwach polarisiert. Obwohl dies von Transformationstheoretikern als positiv eingeschätzt wird, ist in bezug auf Kolumbien zu bedenken, daß es dadurch - wie bereits erwähnt - an Integrationsfahigkeit einbüßt. Es verweist am linken und am rechten Rand des Parteiensystems angesiedelte politische Akteure auf extrainstitutionelle Handlungskorridore. Nur ein Teil der Guerilla konnte ins politische System integriert werden. Langfristige Wahlerfolge waren den betroffenen Gruppen nicht beschieden, in einem Teil der Fälle aufgrund der fehlenden staatlichen Garantien, die eine Ausrottungsstrategie gegen sie ermöglichten, an der auch Politiker und staatliche Militärs beteiligt waren. Für den Niedergang der Alianza Democrätica können neben den schwierigen Rahmenbedingungen innerparteiliche Gründe angeführt werden. In bezug auf die ehemalige Guerillaorganisation EPL wurde deutlich, daß ihre Wahlerfolge u.a. auf einer Zusammenarbeit mit den Gewaltakteuren begründet waren. Extremistische Gefahren für die Demokratie gingen neben den Paramilitärs und der Guerilla von der Drogenmafia aus, die seit Jahren durch massive Wahlkampffinanzierung die Wahlergebnisse und die Drogenpolitik der Regierung zu beeinflussen sucht. Innerhalb der FARC, des ELN und der paramilitärischen Gruppen gab es zahlenmäßige und regionale Umstrukturierungen sowie eine zunehmende territoriale Ausbreitung vor allem der truppenstärkeren FARC. Insgesamt konnten sie in den 90er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihren Einfluß ausbauen, woran auch die Friedensverhandlungen unter der Regierung Pastrana und das zeitweilige Zugeständnis einer Entspannungszone nichts änderten. Im Ge-

Kapitel V: Schlußbetrachtung

439

genteil - viele Beobachter sahen in diesem Prozeß sogar eine Chance zur Stärkung und Reorganisation dieses Gewaltakteurs. In Wahrheit verfolge die Organisation lediglich territoriale Machtinteressen und die Aufrechterhaltung eines Lebens- und Finanzierungsstils. Die Guerilla bekundete immer wieder ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Verhandlungen, die allerdings nur zäh vorankamen, mehrmals unterbrochen, durch permanente Verletzungen des humanitären Völkerrechts gefährdet und schließlich abgebrochen wurden. Sie legte offen dar, daß sie die Waffen nicht wie ihre Vorgängerorganisationen für ein paar Kongreßmandate und staatliche Reintegrationshilfen niederlegen werde. Sie forderte eine effektive und garantierte Machtbeteiligung und tiefgreifende Reformen auf allen Ebenen des Staates, des politischen und des Wirtschaftssystems. Gleichzeitig verlor sie vor allem aufgrund zunehmender Menschenrechtsverletzungen, aber auch nach ihrer Kategorisierung als Terrororganisation durch die US-amerikanische und (in Folge) durch die kolumbianische Regierung aufgrund der Anschläge am 11. September in New York an Glaubwürdigkeit und Legitimität, um solche Forderungen zu stellen. Insgesamt nahm der gestiegene Einfluß der Gewaltakteure auf die institutionalisierte Politik im Untersuchungszeitraum bedenkliche Ausmaße an. Er manifestierte sich durch die Bedrohung, Einschüchterung und Entführung von Kandidaten, durch den sogenannten clientelismo armado bzw. das Aufstellen eigener Kandidaten bei Wahlen, die im Namen verschiedenster Parteien antreten. c) Die Bedeutung der cleavage-Struktur des Parteiensystems: Es wird im heutigen Parteiensystem deutlich, daß sich ein Teil der neuen Wahlparteien entlang gesellschaftlicher Konfliktlinien (der cleavages Zentrum/Peripherie, Schwarze bzw. Indios/Weiße, Arbeit/Kapital, Katholiken/ Protestanten, Mann/Frau, Klientelismus/Antiklientelismus) herausgebildet haben. Dies gilt aber nicht gleichermaßen im Hinblick auf die Parlamentsparteien. Der Konflikt zwischen Arbeit und Kapital beispielsweise ist zwar gesellschaftlich nicht aufgelöst. Durch die Repression und die veränderten internationalen Rahmenbedingungen verschwanden aber die ihn repräsentierenden kommunistischen und sozialistischen Parteien nahezu vollständig aus dem Parteiensystem. Eine zentrale gesellschaftliche Rolle spielt auch der cleavage Frieden/Krieg. Im Rahmen der verschiedenen Verhandlungsprozesse zwischen Regierung und Guerilla (AD/M-19, UP, EPL, CRS) entstanden auch eine Reihe von politischen Gruppierungen, die sich an Wahlen beteiligten. Sie verloren bis zum Jahr 2002 ihre Bedeutung im Parteiensystem. Lediglich einzelne Führungspersönlichkeiten, die unter wechselnden Parteilabels bei Wahlen antraten und zu Beginn des neuen Jahrtausends als

440

Kapitel V: Schlußbetrachtung

Frente Social y Político und als A PC erneut versuchen, sich zu reorganisieren, konnten sich behaupten. Die Repräsentanten der indianischen Gemeinschaften (ASI, AICO, MIC) und der Afrokolumbianer (Comunidades NegrasAfro 1, Movimiento Nacional de las Comunidades Negras Palenque Afrocolombiano) knüpften an die Konfliktlinie indigene bzw. schwarze Gemeinschaften/Weiße an. Aber auch ihr Überleben hing mit Ausnahme einzelner erfolgreicher Persönlichkeiten von positive-action-Maßnahmen ab. Die christlichen Parteien (MUC, C-4, LPC, FE) stützten ihre politische Strategie auf den Konflikt zwischen den traditionellen Sektoren der Katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen.2 Den cleavage Mann/Frau repräsentierte als eigenständige Partei nur die Gruppierung Mujeres 2000. Sie konnte kaum Mandate erzielen. Ihre Ausstrahlung auf andere Parteien und auf die Motivation von Frauen zur Beteiligung am politischen Prozeß verlieh ihrem Engagement dennoch Sinn. Die verschiedenen Regionalparteien, oft aus lokalen movimientos cívicos entstanden (wie beispielsweise der MAR), bildeten sich entlang der Konfliktlinie Zentrum/Peripherie. Die Dezentralisierungsmaßnahmen intendierten die Reduzierung auf dieser Auseinandersetzung beruhender Konflikte, was jedoch nur begrenzt gelang. Der Machtzuwachs lokaler Akteure verlieh dem kommunalen politischen Prozeß eine neue Eigendynamik, der die Städte und Gemeinden zur politischen Reproduktionsbasis vieler Parteien machte. Insgesamt wird die Transformation des Parteiensystems entlang verschiedener gesellschaftlicher Konfliktlinien vor allem auf der Ebene der Wahlparteien deutlich. Die letztlich in den Parlamenten und Regierungsinstitutionen repräsentierten Interessen spiegelten diesen Prozeß nicht in ausreichendem Maße wider. Viele der neuen Organisationen verschwanden nach einer Wahlperiode - wie in den meisten osteuropäischen Ländern3 - wieder von der politischen Bühne. Ohne einen zivilgesellschaftlichen Unterbau mit entsprechendem diskursivem und personellem Input ins Parteiensystem und ohne staatliche Rahmenbedingungen, die den gesellschaftlichen Organisationsprozeß stimulieren, anstatt ihn zu torpedieren, hängen diese Gruppierungen überwiegend vom Profil einzelner Führungsfiguren ab. Diese caudillos sichern (wie die Kaziken der traditionellen Parteien) ihr politisches Überleben durch den flexiblen Gebrauch von Parteilabels. Gesellschaftliche Konflikte wurden so überwiegend ,von oben' von der Regierung und soweit dies der Gewaltkonflikt zuließ ,von unten', in zivilgesellschaftlichen Organisationen, diskutiert und zum Teil gelöst. Die Parteien (und damit die wichtigsten Ver2

3

Auch die Katholiken unter den Neugründungen (LPC) wollten sich von der traditionellen Kirchenhierarchie absetzen. Vgl. auch: Von Beyme 1997: 37ff.; Linz 1992: 184ff.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

441

mittlungsinstanzen zwischen Staat und Gesellschaft in repräsentativen Demokratien) nahmen in dieser Hinsicht ihre Funktionen nur eingeschränkt war. Die dadurch bedingte mangelnde institutionelle Aufarbeitung sozialer, politischer, ökonomischer, kultureller und geschlechtsspezifischer Konflikte war einer Reduzierung des gesellschaftlichen Aggressionspotentials nicht dienlich. d)

Das Ausmaß der Wählerfluktuation (volatility) und von Parteiwechseln: Kolumbien wird bis in die 90er Jahre für seine geringe mit konsolidierten Demokratien vergleichbare Wählerfluktuation gelobt. Geringe Fluktuation ist aber auch ein Anzeichen für die Stagnation des Parteiensystem über die Reformen hinaus. Die bei einzelnen Wahlen zu verzeichnenden zunehmenden Fluktuationen sind andererseits das Produkt instabiler Parteienorganisation und spiegeln damit die Auflösung alter und die Schaffung neuer Gruppierungen (dealignment-realignment-Prozesse) im Parteiensystem wider, ohne daß dadurch notwendigerweise die ,politische Klasse' ausgetauscht worden wäre. Es handelt sich vielfach lediglich um Fassadenwechsel. e)

Die Möglichkeit zur Bildung regierungsfähiger Koalitionen und die Anerkennung legitimer Opposition und Kontrolle:

Die Frage der Koalitionen zur Regierungsbildung stellt sich in präsidentiellen Regierungssystemen nicht wie in parlamentarischen. Allerdings hat sich in bezug auf die Wahlbündnisse vor Präsidentschaftswahlen gezeigt, daß die traditionellen Parteien ohne die Unterstützung der nicht-traditionellen 1994 und 1998 keine Wahlen gewinnen konnten. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2002 bemühten sich die laut Umfrageergebnisse führenden Kandidaten um Wahlbündnisse. Diese Variable müßte man also im Hinblick auf Präsidialsysteme modifizieren. Die Verfassung von 1991 hat die Legitimität und Notwendigkeit einer Opposition bestätigt. In der Praxis wird sie jedoch nur von einzelnen Politikern in bezug auf selektive Themen (Prozeß 8.000) ausgeübt. Dabei ist nie eindeutig klar, ob die Politiker die ihnen vom politischen System zugeschriebene Kontrollfunktion wahrnehmen, oder eine persönliche Karriereplanung über die Aufdeckung von Korruptionsskandalen betreiben. Manchmal werden Antikorruptionskampagnen sogar als Teil des politischen Spiels zur Denunziation des Gegners und nicht aus ethischen Erwägungen heraus organisiert. Kritik an der Regierung wird auch aufgrund der überwiegend konkordanzpolitisch ausgerichteten traditionellen Parteien nicht als unabdingbare Funktion der Opposition angesehen. Traditionelle Politiker diffamierten kritische Kol-

442

Kapitel V: Schluß be trachtung

leginnen - wie beispielsweise Ingrid Betancourt - so lange, bis Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen laut wurden.4 Es gibt (dies gilt übrigens auch für andere Präsidialsysteme) keine starke, geschlossene Oppositionspartei, die einer Regierungspartei gegenüberstehen würde, um Kontrollfunktion auszuüben. Die zunehmende Integration neuer politischer Kräfte läßt dabei positive Impulse erwarten, denn sowohl die Konservative als auch die Liberale Partei haben diese Funktion in der Vergangenheit nur sporadisch und unter pragmatischen Gesichtspunkten erfüllt. Sie besitzen aufgrund ihrer quasi permanenten Regierungsbeteiligung nur geringe Glaubwürdigkeit in einer Oppositionsrolle. Hinzu kommt, daß auf der einen Seite Bemühungen der Verfassunggeber standen, eine Opposition quasi normativ über Gesetze zu institutionalisieren, was nicht gelingen konnte. Auf der anderen Seite unterbindet der Staat bzw. gesellschaftliche Gruppen ,echte' zivilgesellschaftliche und parteipolitische Opposition, wo sie existierende Machtverhältnisse zu gefährden scheint, durch Gewalt. Ein Teil der Repräsentanten der in den 80er und 90er Jahren neu entstandenen Parteien führte zwar einen kritischen Diskurs. In der Praxis gaben aber einige ihre politische Position auf, wenn ihnen die in der Regierungsverantwortung stehenden traditionellen Parteien kooptative Angebote machten. Dadurch haben die neuen Gruppierungen an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die anderen dafür vorgesehenen, durch die Verfassung von 1991 zum Teil neu eingeführten Institutionen (Consejo Nacional Electoral, Procurador, Contralor, Fiscalía General de la Nación), haben (vielleicht mit Ausnahme der Generalstaatsanwaltschaft, aber auch in bezug auf ihre Tätigkeit gibt es immer wieder den Vorwurf politischer Beeinflußbarkeit) ihre Kontrollfunktion nur begrenzt wahrgenommen. Dies wurde vor allem durch den Prozeß 8.000 deutlich. Die Binnenstruktur der Parteien konnte in dieser Studie nur in Ansätzen untersucht werden. Dazu läßt sich folgendes feststellen:

4

Hier geht es nicht um die Beweisbarkeit der Behauptungen der Politikerin oder um die Glaubwürdigkeit und Kohärenz ihrer Politik. Als problematisch schätze ich vielmehr die Tatsache ein, daß es sich ,nicht schickt', öffentlich Kritik an .gestandenen' Politikern und wichtigen Amtsträgern zu üben. Ein solches Verhalten führt nicht selten in die politische Isolation, weil es kulturelle Kodizes verletzt. Dies erschwert die Wahrnehmung der Kontrollmechanismen (wie beispielsweise der moción de censura, des Entzug des passiven Wahlrechtes oder die effektive Arbeit von Untersuchungsausschüssen) und damit die Ausübung der Oppositionsfunktion.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

a)

443

Die Qualität der Parteiorganisation:

Der Atomisierungsgrad der traditionellen Parteien ist enorm hoch. Dies ist unter anderem die Kehrseite der prädominanten Stellung und des mangelnden zwischenparteilichen Wettbewerbs der traditionellen Parteien während und nach der Nationalen Front. Sie förderte deren interne Aufsplitterung. Der Faktionalismus war die Basis der Reorganisation des Parteiensystems. Dies kam in den Abspaltungs- und Satellitenparteien der Konservativen Partei zum Ausdruck. Es war weniger die Fragmentierung des Parteiensystems als die interne Faktionierung der Parteien, die die Verhandlungsprozesse in den legislativen Organen erschwerte. Unter der Regierung Samper wurde durch den Prozeß 8.000 deutlich, daß die ihm nahestehende politische Klasse im Kongreß ihn letztlich zwar entlastete, er aber dennoch nicht auf die Disziplin seiner Partei hoffen konnte, sondern die einzelnen Abgeordneten durch individuelle Zugeständnisse .kaufen' mußte. Zumindest flössen Gelder vorwiegend in die Kommunen, in denen die mit der Untersuchung des Präsidenten befaßten Parlamentarier ihre Wählerklientel hatten. Parteipolitische Entscheidungsstrukturen und -prozesse sind wenig transparent und laufen oft entlang von Freundschafts- und Interessenkonstellationen. Einerseits werden wichtige Weichenstellungen von Führungspersönlichkeiten, nicht notwendigerweise aus den nationalen Direktorien der Parteien, getroffen. Andererseits verselbständigen sich die regionalen Parteibosse in Wahlkampfzeiten und lassen sich nicht in ihre Amtsgeschäfte schauen. Neu eingerichtete Mitbestimmungsmechanismen für die Parteibasis - wie consultas populäres zur Auswahl der Präsidentschaftskandidaten - wurden Anfang der 90er Jahre zunächst von den Parteieliten der Liberalen Partei auch aufgrund der Vorteile, die sie darin ausmachten, toleriert. Später verloren Parteianhänger und Politiker aber das Interesse an ihnen, was wiederum das Beharrungsvermögen der traditionellen Machteliten innerhalb des PLC verdeutlichte und stärkte. Die Mehrheit der anderen Parteien wählen ihre Kandidaten innerhalb der Parteigremien aus bzw. bestehen nur aus einzelnen Führungspersönlichkeiten. Alle Parteien müssen heute ethische Kontrollinstanzen einrichten. Die Ethikräte der Liberalen Partei und einiger kleinerer Organisationen schlössen aufgrund verschiedener Korruptionsvergehen nach den Reformen einige Mitglieder aus der Partei aus, um ihr Image zu verbessern. In der Praxis haben diese Gremien aber keinen ausreichenden Einfluß, um eine .Säuberung' der Parteien konsequent voranzutreiben.

444

Kapitel V: Schlußbetrachtung

b) Das programmatische Profil: Die historische Analyse der beiden traditionellen Parteien zeigte, daß sie sich seit ihrer Gründung programmatisch nur wenig unterscheiden. Bis heute kommt es vor, daß zwischen Faktionen der gleichen Partei größere programmatische Unterschiede bestehen als zwischen PLC und PC. Die Reformen haben nur begrenzt dazu beigetragen, das programmatisch/ideologische Profil der traditionellen Parteien zu schärfen. Einige der neuen Parteien und die reformorientierten Kandidaten von PLC und PC stellten im Wahlkampf ihre politischen Vorstellungen systematischer als früher dar. Ein Teil der Massenmedien und der Universitäten hat sich bemüht, diese den Wählern zugänglich zu machen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um einheitliche Parteiprogramme. Lediglich die Präsidentschaftskandidaten bemühen sich um eine ausfuhrliche schriftliche Dokumentation ihrer Regierungsprogramme, die dann - wie beispielsweise im Falle Horacio Serpas - Rückwirkungen auf die programmatische Ausrichtung der Partei haben können. Die Einfuhrung der Registrierung der Parteiprogramme (voto programático) verbesserte auf der lokalen und regionalen Ebene die Transparenz der Beteiligungsprozesse, allerdings galt diese Norm nur für die Exekutive. c)

Die politische Inklusionskapazität:

Die Parteien sind in der Regel hochgradig inklusiv und fordern die Partizipation aller an ihnen interessierten Bürger. Diese Integration bezieht sich allerdings fast ausschließlich auf ihre Beteiligung an Wahlen. Sie vergeben freizügig Bürgschaften (avales) für den Wahlantritt, meist an alle Politiker, die sich ihnen anschließen wollen. Sie üben kaum Kontrolle über den Parteinamen aus. Sie prüfen Aspiranten nicht im Hinblick auf ethische oder programmatische Richtlinien. Eine Ausnahme von dieser Praxis bilden nur wenige der neuen Parteien. Diese Vorgehensweise stellt allerdings ihre Glaubwürdigkeit als kohärente politische Organisation in Frage. Zweifel kommen auch an Parteien auf, die Politiker aufnehmen, die in jeder Wahlperiode die Organisation wechseln. Den meisten von ihnen geht es dabei in erster Linie um Zugang zur Bürokratie und um die Übernahme von Ämtern, die Zugriff auf staatliche Pfründe erlauben. Inwieweit sich die Bürger allerdings tatsächlich von Parteien repräsentiert fühlen und die Parteien die Interessen breiter Wählerschichten artikulieren und vertreten, bleibt (dies veranschaulichen u. a. die Umfrageergebnisse zum Ansehen von Politikern und Parteien) auch nach den Reformen mehr als fragwürdig. Die Fallstudie in Tumaco belegt, daß die Mehrheit der Befragten sich von keiner Partei repräsentiert fühlte. Hatten die Parteien bisher die Interessen begrenzter Eliten ,in den Staat hinein' vermittelt, so stan-

Kapitel V: Schlußbetrachtung

445

den sie nach den Reformen vor der Schwierigkeit, breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zur Ausübung ihrer Bürgerrechte gewährleisten zu sollen.5 Doch letztlich blieb Teilen der Gesellschaft auch als Folge ihrer bildungspolitischen, kulturellen und sozioökonomischen Marginalisierung entweder nur die klientelistische Einbindung in traditionelle Netzwerke oder gar keine Repräsentation. Die klientelistischen Politikgewohnheiten trugen zwar dazu bei, Wahlen als Ritual zu institutionalisieren und für eine gewisse Umverteilung der zu vergebenden staatlichen Ressourcen zu sorgen. Die Kriterien dafür lagen aber in den Händen einzelner Politiker und entsprachen keinesfalls sozialen und/oder (entwicklungs-)politischen Zielvorgaben. d)

Der Institutionalisierungsgrad:

Die traditionellen Parteien wiesen einen im Vergleich zu den neuen Organisationen hohen Institutionalisierungsgrad auf. Allerdings handelte es sich bei PLC und PC nicht um Mitglieder-, sondern um Wahlparteien, die regelmäßig ihre Honoratioren relegitimierten.6 Da aber Mitgliederschwund nicht nur in fragilen, sondern auch in konsolidierten Demokratien beklagt wird,7 können Massenmitgliedschaften wohl auch in Kolumbien nicht mehr erwartet werden. Obwohl sie bisher keine offiziellen Mitgliederlisten haben und Versuche zu deren Registrierung immer wieder scheiterten, war ein großer Teil der Kolumbianer jahrzehntelang über affektive Parteiidentifikation an die traditionellen Parteien gebunden. Diese ging allerdings in den letzten Jahren zurück, bedingt durch den Generationenwechsel, die Modernisierung und Urbanisierung sowie den Ansehensverlust von PLC und PC. Davon profitierten parteilose Kandidaten und die nicht-traditionellen Parteien. Letztere haben erst eine sehr kurze Bestandsdauer im Parteiensystem, sind nur schwach gesellschaftlich verwurzelt und weisen aufgrund struktureller Defizite einen niedrigen Institutionalisierungsgrad auf. Ein Teil der heutigen Parteien findet sich vor allem bei Wahlen auf einer improvisierten ad-hoc-Basis zusammen. Sonst herrscht eher abwartender Pragmatismus vor.8 Der Bewegungscharakter kolumbianischer Parteien wird schon in der Namensgebung der meisten Neugründungen deutlich.9 Die Tatsache, daß parteilose Kandidaten an Wah-

5 6 7

8 9

Vgl. auch: Maihold 1996: 78 und Torres-Rivas 1990: 5 lf. Vgl.: Gilhodes 1996: 70. Zu den zurückgehenden Mitgliederzahlen und den organisatorischen Veränderungen in europäischen Parteien vgl. beispielsweise: Tan 1997: 363ff.; vgl. auch: Mair/Katz 1996. Vgl. auch: Von Beyme 1997: 51f.; Grompone 1995: 31. Vgl. dazu das Parteienverzeichnis am Anfang der Studie.

446

Kapitel V: Schlußbetrachtung

len teilnehmen konnten, sorgte dafür, daß Parteien insgesamt ihre Monopolstellung im Wahlprozeß verloren. In bezug auf die Konsolidierung des Parteiensystems ist insgesamt festzustellen, daß es sich in einem Umstrukturierungsprozeß befindet und im Hinblick auf die Mehrzahl der genannten Variablen nicht als konsolidiert gelten kann. Doch auch in den Fällen, in denen die von der Transformationsforschung vorgeschlagenen Referenzpunkte erfüllt wurden, deuteten sie nicht notwendigerweise auf eine Demokratisierung des Parteiensystems hin. Sollten sich auch in anderen Fallstudien ähnliche Probleme ergeben, bietet sich eine Modifikation der theoretischen Vorgaben an, wie sie hier zum Teil bereits vorgeschlagen wurde.

3.

Funktionswandel der Parteien, direktdemokratische und semidirekte Partizipationsmechanismen

Die kolumbianischen Parteien erfüllen die ihnen in demokratischen Systemen zugeschriebenen Funktionen (Aufstellen parlamentarischer Abgeordneter und des Regierungspersonals, Mobilisierung der Wähler, Aggregation gesellschaftlicher Interessen, Aufstellen von Programmen und Entwerfen politischer Optionen) mit Ausnahme der ersten Variable nur eingeschränkt. Die Bürger haben wenig Vertrauen in die meisten ihrer Repräsentanten. Der Erfolg der .Erneuerer' jedweder parteipolitischer Couleur oder parteiunabhängiger Kandidaten verdeutlichte die wachsende Zweitrangigkeit der parteipolitischen Orientierung. Bei Wahlen stehen immer mehr Personen und weniger Parteien im Mittelpunkt. Die Wähler entscheiden sich für einen Kandidaten einer bestimmten Partei nicht wegen, sondern unabhängig von oder trotz seiner Parteizugehörigkeit. Wo die Wähler im Rahmen klientelistischer Vermittlung immer noch direkte Gegenleistungen für ihre Wahlstimme erhalten, spielt die Parteizugehörigkeit ohnehin eine untergeordnete Rolle. Die traditionellen Parteien reagierten auf den Vertrauens- und Identifikationsschwund in der Bevölkerung mit einer Anpassungs- und Reorganisationsstrategie. Sie drückte sich beispielsweise durch den zeitweiligen Antritt als parteilose Kandidaten und durch Parteiwechsel aus. Sie führte aber nur begrenzt zu einer parteiinternen Erneuerungsstrategie. Ein Teil der neuen Politiker, dabei vor allem die Repräsentanten der movimientos civicos und die parteilosen Kandidaten, erprobte mit mehr oder weniger großem Erfolg einen neuen Politikstil, der langfristig einen wichtigen Beitrag zur Etablierung einer veränderten politischen Kultur leisten kann. Andere .unabhängige' Kandidaten haben aber auch die überkommenen Gewohnheiten eines Teils der traditionellen Parteien angenommen. Die Interventionstiefe der neuen

Kapitel V: Schlußbetrachtung

447

parteilosen Akteure reicht nicht immer bis auf die nationale Ebene. Ihre Vielgestaltigkeit erlaubt oft keine politische Interessennahme mit verallgemeinerungsfahigen Positionen.10 Hinzu kommt, daß die Parteien mit den fortschreitenden ökonomischen und sozialen Modernisierungsprozessen in den letzten Jahren nur schwer Schritt halten konnten. Sie zeigten sich den neuen Anforderungen nicht gewachsen. Die Funktionsveränderung war eingebunden in eine allgemeine Redefinition der Rolle des Staates in Lateinamerika, neoliberale Wirtschaftspolitik, moderne und postmoderne Entwicklungen in der Zivilgesellschaft, den fortschreitenden Ersatz politischer Maschinerien durch técnicos zur Definition notwendiger Politikentscheidungen.11 In den Worten Juan Rials: „...die politischen Parteien haben es nicht geschafft, sich den zunehmend fragmentierten Gesellschaften anzupassen, die sich ändernde Klassenstrukturen, politischen Analphabetismus und Bürgerwiderstand, moderne Sektoren, konzentriert auf Individualismus und materialistische Werte sowie postmoderne Gruppen, denen es um Lebensqualität geht, hervorbrachten."12

Als Auswirkungen dieser Wandlungsprozesse und der Funktionsdefizite der Parteien suchten auch kolumbianische Regierungen in den letzten Jahren jenseits dieser Organisationen den direkten Kontakt mit gesellschaftlichen Akteuren. Nach den Reformen gewannen die Kirche, der nationale Friedensrat, der Justizapparat (darin vor allem die Fiscalía), die Unternehmerverbände und Teile des Militärs zunehmend an Bedeutung. Dadurch wiederholte sich die traditionelle korporatistische Unterwanderung der Politik. Die Tatsache, daß wichtige Entscheidungen nicht in den Parteien und Parlamenten getroffen werden und diese nicht die zentralen Orte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung bilden, münden in neue Formen des extra-institutionellen Verhandlungsstaates. 13 Dies wurde in Kolumbien durch die Einrichtung von Konzertierungsgruppen, Foren für Frieden und Arbeit, den bekannten Frühstücksrunden im Präsidentenpalast und von Planungs- und Entwicklungsräten deutlich. Die zunehmende Bedeutung dieser Art der politischen Entscheidungsfindung zeichnet sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts in vielen Ländern der Welt ab. Wenn aber einerseits die repräsentative Demokratie durch die Reformen gestärkt und die Wählerbeteiligung stimuliert werden sollte, andererseits wichtige Entscheidungen nicht mehr auf Partei- und Parlamentsebene getroffen und die Pluralität von Interessen auf informelle Ka10 11 12 13

Vgl.: Maihold 1996: 67ff. und Hoskin 1997: 214. Vgl.: Hoskin 1997: 217. Rial 1995: 40. Vgl.: Bendel/Krennerich 1996: 328 und Von Haldenwang 1995: 681ff.

448

Kapitel V: Schlußbetrachtung

näle verlagert wurden, mußten sich die Bürger in Kolumbien (nach den Reformen) bei der Wahl der legislativen Organe fragen, wozu sie zur Urne gingen. Hinzu kommt das zeitliche und regionale Auseinanderdriften der verschiedenen Partizipationsräume. Es besteht in manchen Regionen eine dynamische, in anderen durch die jeweiligen lokalen politischen Gegebenheiten stark zur Anpassung gezwungene politische Auseinandersetzung. Vor allem die großen Urbanisierungsgebiete, die weniger von der politischen Gewalt betroffen sind, zeichnen sich durch die Entstehung neuer Politikformen aus. In anderen Regionen läßt sich eher von einer durch viele Bürger mit Distanz verfolgten politischen Auseinandersetzung sprechen. Die Verknüpfung partizipativer Modelle auf lokalem, regionalem und nationalem Niveau scheint in immer geringerem Maße von politischen Parteien leistbar zu sein.14 Günther Maihold sieht die Suche nach neuen Akteuren im politischen System in einem zunehmenden gesellschaftlichen Pluralismus begründet. Er erkennt darin eine Chance für andere politisch/soziale Organisationsformen: „Die neue Pluralität von einzelnen, nur schwierig verallgemeinerungsfahigen Interessen findet in den bislang vorherrschenden Instituten verfaßter Partizipation (Parteien) kaum mehr Platz, so daß eine Entlastung der politischen Repräsentationsbeziehungen nur durch die Bereitstellung neuer Kanäle und Strukturen der Beteiligung möglich wird." 15

Solche Kanäle stehen aber in Kolumbien aufgrund der staatlichen Rahmenbedingungen und des Gewaltkonfliktes de facto nicht überall zur Verfügung. Ein Großteil der Bevölkerung trifft deshalb trotz Reformen und formaler Beteiligungsmöglichkeiten immer noch auf ein Partizipations- und Repräsentationsvakuum. Diese Tatsache kann in demokratischen Systemen nicht als bedeutungslos abgetan werden, denn dadurch bleiben all jene Teile der Bürgerschaft marginalisiert, denen es aus den verschiedensten Gründen nicht möglich ist, ihre Interessen wirksam über Institutionen auszudrücken. Wenn manchmal von der Ersetzung der politischen Parteien durch die Expansion der aktiven nicht nur an Wahlen und Parteien geknüpften Staatsbürgerschaft ausgegangen wird,16 dann zeigt in Kolumbien die Praxis, daß diese aufgrund historischer Legate und der Gewaltsituation eine Überforderung der meisten Bürger und Bürgerinnen darstellt.

14 15 16

Vgl.: Maihold 1996: 66, 81 und 83; Tcach 1993 und Arft 1998: 44ff. Maihold 1996: 73. Vgl.: Maihold 1996: 67 und 76; Wettford 1993: 134 und Alarcön Olguin 1996: 25.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

449

Die Einrichtung von direktdemokratischen Partizipationsmechanismen, also die Stärkung direkter Demokratie und darüber einer aktiven citizenship war den Verfassunggebern dennoch ein wichtiges Anliegen. In bezug auf die Frage nach der tatsächlichen Anwendung der direkten- und semidirekten Partizipationsmechanismen, die in Artikel 103 der Verfassung und im Gesetz Nr. 134 von 1994 vorgesehen sind, ist die Bilanz mit Ausnahme der acciön de tutela allerdings eher negativ. Über Plebiszite und Referenden wurde nur diskutiert, Mandatsentzugsverfahren scheiterten, nur wenige iniciativas populäres hatten Erfolg. Die Stadträte hielten cabildos abiertos ab. Sie blieben aber oft für das Regierungshandeln irrelevant, hatten nur eine legitimierende Funktion für bereits getroffene Entscheidungen. Dennoch war die Dynamik direkter Demokratie auf der lokalen Ebene ausgeprägter als auf der nationalen. Dies belegt auch die regere Nutzung der lokalen consulta populär. Fanden solche Volksbefragungen allerdings wie in Aguachica in einem Klima der Gewalt statt, hatten sie kaum Chancen auf Erfolg. Die Mitbestimmungsmechanismen waren (wiederum mit Ausnahme der acciön de tutela) zum einen zu wenig in der Bevölkerung bekannt. Sie unterlagen zum anderen ähnlichen Problemen wie die Wahlen, wenn für ihre Inanspruchnahme Abstimmungsprozesse erforderlich waren. Die mangelnde tatsächliche Relevanz der direktdemokratischen und semidirekten Partizipationsmechanismen lag auch an den hohen technischen Anforderungen, die ihre Nutzung erschwerten. Zum Teil müssen sie durch politische Institutionen abgesegnet werden. Dies unterbindet ihren direktdemokratischen Charakter. Die Untermauerung der neuen Gesetze durch Verwaltungsvorschriften, die sie anwendbar machen, ließ oft jahrelang, wie etwa im Falle der acciones populäres von 1991 bis 1999 auf sich warten. Zudem hat der Staat bisher zu wenig zur Verbreitung der Beteiligungsmöglichkeiten beigetragen, wie auch die Fallstudie in Tumaco zeigte. Da das politische System durch die Reformen insgesamt keinen echten Legitimationsschub erhielt, haben die Bürger wenig Vertrauen, daß sich durch ihre Partizipation tatsächlich gesellschaftliche Veränderungen erzielen lassen. Hinzu kommt, daß u.a. aufgrund der anhaltenden Gewaltwelle der zivilgesellschaftliche Unterbau in vielen Kommunen zu schwach ist. Das Zusammenspiel zwischen direktdemokratischen und repräsentativen Partizipationsmechanismen funktioniert nicht zufriedenstellend. „...Die Repräsentations- und Legitimationskrise scheint nicht gelöst zu sein, und es konnte kein alternatives Modell von Demokratie oder von sozialer Organisation entworfen werden. Die Möglichkeit zur Neuorganisation eines adäquaten institutionellen Designs sollte das Verhältnis von repräsentativen und direktdemokratischen Partizipationsmechanismen problematisieren. Konkret heißt das, daß man nicht an letztere denken kann, ohne die Transformation des

450

Kapitel V: Schlußbetrachtung

Parteiensystems und die Form wie die Machtbeziehungen zwischen Bürgern und Repräsentanten aufgebaut sind zu berücksichtigen."17

Andererseits geht von diesen Mechanismen direkter Demokratie aber auch eine Gefahr aus, wenn sie, wie in Kolumbien zum Teil geschehen, von ihren Anwendern manipuliert und mißbraucht werden.

4.

Der Beitrag der Teilregime zur demokratischen Transformation des politischen Systems

Der kolumbianische Transformationsprozeß war nach dem Ende der Nationalen Front durch seine Ungleichzeitigkeit gekennzeichnet. Es war nicht zu einem einheitlichen Verlauf im Hinblick auf das gesamte System gekommen. Die Eigenart des Demokratisierungsprozesses führte zu einem Nebeneinander von integrativen und ausgrenzenden Politikmustern,18 die zeitweise und ortsgebunden auf mehr Demokratie, aber auch auf zunehmende Autokratie und Anarchie verwiesen. Durch die heterogene Ausprägung und Durchsetzungsfähigkeit der Reformen auf subnationaler Ebene kam es zu Demokratisierungsprozessen mit unterschiedlichen regionalen Intensitäten und Geschwindigkeiten. Bereits erzielte Fortschritte wurden wieder rückgängig gemacht. Legislative Vorgaben blieben reine Worthülsen ohne praktische Relevanz. Welchen Beitrag konnte die Transformation des Wahl- und Parteienregimes in diesem Kontext zur Transformation des kolumbianischen politischen Systems insgesamt leisten? Rufen wir uns noch einmal die Variablen von Plasser/Ulram/Waldrauch für die Kennzeichnung demokratischer Regime in Erinnerung. Danach zeichnen sich Demokratien dadurch aus, daß in kompetitiven, regulären, fairen, freien, geheimen und gleichen Wahlen mit umfassender Partizipation der erwachsenen Bürger und Bürgerinnen über den Zugang von konkurrierenden Parteien und Personen zu den Regierungsinstitutionen entschieden wird. Demokratische Wahlen liegen nach der hier geführten Argumentation dann vor, wenn sie in der aufgezeigten Weise als kompetitiv gelten. Wahlen wurden nach den Reformen in einigen wenigen Bereichen den hier aufgestellten Kriterien für Kompetivität mehr als unter der Nationalen Front gerecht, in den meisten wiesen sie allerdings erhebliche Defizite auf. Auch die Beteiligung an den zentralen staatlichen Institutionen erfolgte aufgrund der mangelnden staatlichen und rechtsstaatlichen Voraussetzungen nur begrenzt über das Prinzip der Konkurrenz und durch Pluralis17 18

Londono 1997: 20f. Vgl. Webendörfer 1997: 17 und Linz/Stepan/Gunther 1995: 106f.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

451

mus in der politischen und in der Zivilgesellschaft (vertikale Verantwortlichkeit). Der Wettbewerb aller legalen politischen Akteure und die Alternation der Macht zwischen früheren Gegnern sind zwar sogar im Sinne von Huntingtons doppeltem parteipolitischen Wechsel der Regierung vom offiziellen Ende der Nationalen Front 1974 bis zu Beginn des neuen Jahrtausends gegeben. Doch das schlichte Alternieren von Liberaler und Konservativer Partei kann in Kolumbien nicht als ausreichendes Kriterium der Demokratisierung angesehen werden. Eine umfassende, staatlicherseits für alle Akteure garantierte, Chancengleichheit bei Wahlen ist ebenfalls bisher nicht erzielt worden. Gewalt, kulturell und historisch verankerte sowie normative Vorteile für die traditionellen Parteien verhinderten dies. Der gesellschaftliche Pluralismus wird um die Jahrtausendwende (und dies gilt besonders für das politisch linke Spektrum des Parteiensystems, für einzelne Regionen und Zeiträume) durch Gewaltakteure eingeschränkt, denen die staatlichen Kontrollorgane bisher keine Grenzen aufzeigen wollen bzw. können. Hier trifft sowohl das eine als auch das andere zu. Ein Teil der staatlichen und gesellschaftlichen Akteure überschreitet den auf der Regimeebene eingeräumten demokratischen Handlungsspielraum. Drogenmafia, Paramilitärs und Guerilla stellen das staatliche Gewaltmonopol in immer mehr Regionen in Frage, wobei der Staat durch die Zusammenarbeit mit einem Teil der Gewaltakteure diesen Prozeß fördert und seine eigene Autorität untergräbt. Systemgegner, die andere als demokratische Wege zur Macht suchen, sind in immer größerer Zahl vorhanden. Es gibt nach den Reformen Bereiche und Regionen des Landes, die nicht der Entscheidungsgewalt der nationalen Regierung unterliegen. Durch die mangelnde Kontrolle über das gesamte staatliche Territorium überläßt der Staat (unter anderem bei Wahlprozessen) große Regionen des Landes ihrem eigenen Schicksal. Die „...Verlagerung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen in politisch-institutionelle Verhandlungs- und Entscheidungsarenen sowie...die Verfestigung und Vertiefung der mit diesen Arenen verbundenen integrativen Politikmuster..."19 ist auch heute noch eine Aufgabe der reformorientierten Akteure. „Ersteres betrifft die Zurückdrängung ausgrenzender Politikmuster in Form von politischer Gewalt, die die Konstituierung zivilgesellschaftlicher politischer Akteure..."20 oft vollständig verhindert; hinzu kommt noch die mangelnde institutionelle Autonomie des Subsystems Recht. Die politischen und zivilen Grund- und Freiheitsrechte, die erst die Inanspruchnahme neuer Organisations- und Partizipationsformen ermöglichen, sind zwar formal, aber nicht de facto rechtsstaatlich abgesichert. Die Rechtsstaatlichkeit ist insgesamt defizitär. Nicht-demokratische, infor19 20

Webendörfer 1997: 17. Webendörfer 1997: 17.

452

Kapitel V: Schlußbetrachtung

melle Institutionen überlagern die formaldemokratischen. Ein Teil der für die horizontale Verantwortlichkeit notwendigen Institutionen (Nationaler Wahlrat, Parlament, Procurador, Contralor) haben sich auch aufgrund der Bestechlichkeit von Einzelpersonen oder des Einflusses der traditionellen Parteien nicht als effektive Kontrollinstanzen erwiesen. Zudem zeigte die zentrale demokratische Instanz, das Parlament, in der dafür wichtigen Phase nach dem Abschluß der Verfassungsgebung nur wenig Interesse an einer Stärkung demokratischer Mechanismen. Dies traf sowohl auf die schnelle legislative Untermauerung der Verfassungsnormen zu. Es galt aber auch für die mangelnde Wahrnehmung der Kontroll- und Oppositionsfunktion sowie für die Übernahme von Politikgewohnheiten aus dem Regime der Nationalen Front bzw. die Adaptation der neuen Normen an traditionelle Praktiken. Auch die Entscheidungsfindung der Regierungsinstitutionen erfolgte deshalb nicht vollständig innerhalb eines Systems rechtsstaatlich abgesicherter Gewaltenteilung (horizontale Verantwortlichkeit). Die Bedeutung informeller Institutionalisierungsmuster führte dazu, daß eigentlich demokratische Institutionen nach einer anderen als der ihnen auf der normativen Ebene zugeschriebenen Logik funktionierten.21 Ebenso schöpften die Akteure den von der Verfassung vorgegebenen demokratischen Handlungsspielraum nicht aus. Sie blockierten vielmehr die Umsetzung eines Teils der demokratisierenden Normen. Die Demokratie, ihre Institutionen bzw. Organisationen werden in Kolumbien dennoch durch die Eliten und die Zivilgesellschaft prinzipiell und in Krisenzeiten generell als Staatsform befürwortet. Trotz der immer wieder beschworenen Putschgefahr unter der Regierung Samper, der angeblichen Unregierbarkeit des Landes und der Zuspitzung des Gewaltkonfliktes wurde die Möglichkeit einer militärischen Machtübernahme in Kolumbien bis zum Jahrtausendwechsel als gering eingeschätzt.22 Auch belegen Umfragedaten keine signifikant größere Zustimmung zu einem autoritären System wie in vielen lateinamerikanischen Ländern.

21 22

Vgl.: O'Donnell 1996: 35. Vgl. beispielsweise: Kline 1996: 29; Heieck 1996: 42. „Es waren, sind und werden immer mehr Bedingungen erfüllt sein, die die Unregierbarkeit nach sich ziehen, und die, wenn sie in anderen Ländern vorliegen würden, längst zu einem Staatsstreich geführt hätten." González/Cárdenas 1998: 123.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

453

Tabelle 2: Befürworter von autoritären Systemen in Lateinamerika 19962001 Land Argentinien Bolivien Brasilien Chile Costa Rica Ekuador El Salvador Guatemala Honduras Kolumbien Mexiko Nikaragua Panama Paraguay Peru Uruguay Venezuela

1996 15 17 24 19 7 18 12 21 14 20 23 14 10 26 13 9 19

1997 15 16 19 16 9 23 13 26 17 13 31 19 10 42 16 7 17

1998 16 22 18 16 21 19 10 29 9 17 28 9 8 36 12 9 25

2000 16 13 24 19 6 12 10 21 15 23 34 6 18 39 13 9 24

2001 21 17 18 19 8 23 10 21 8 16 35 22 23 43 12 10 20

*

Antworten auf die Frage: „Mit welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie eher überein? A) Die Demokratie ist jeder anderen Regierungsform vorzuziehen. B) Unter bestimmten Bedingungen ist eine autoritäre Regierung einer demokratischen vorzuziehen. C) Für unsereinen macht es keinen Unterschied zwischen einem demokratischen und einem autoritären Regime". („COM cuál de las siguientes frases está Ud. más de acuerdo? A) La democracia es preferible a cualquier otra forma de gobierno. B) En algunas circunstancias, un gobierno autoritario puede ser preferible a uno democrático. C) A la gente como uno, nos da lo mismo, un régimen democrático que uno autoritario.") Hier Prozentanteil der Antwortangaben, die sich auf B) bezogen. Quelle: Latinobarómetro 1996-2001, Daten entnommen aus: The Economist, 26.7.2001 und Nolte 2001: 196.

Bleibt zu befürchten, daß die politischen Eliten künftig den repressiven Charakter des Regimes nach innen verstärken werden, ohne daß sie dabei direkt auf eine Machtübernahme des ohnehin einflußreichen Militärs angewiesen sind. Bisher haben sie bereits gezeigt (etwa bei der WahlkampfFinanzierung durch die Drogenmafia oder bei der Unterstützung paramilitärischer Truppen), daß sie demokratische Spielregeln nicht als einzige Möglichkeit zur Reproduktion des Systems ansehen. Auf der Ebene der Regierten bestätigt die Perzeption der democracia a la colombiana die mangelnde Akzeptanz der konkreten Funktionsweise des kolumbianischen politischen Systems. Auch wenn Umfragedaten dazu nur als ein Indikator angesehen werden können, so wird in der folgenden Tabelle doch eins deutlich: Die befragte kolumbiani-

454

Kapitel V: Schlußbetrachtung

sehe Bevölkerung ist mit der Ausgestaltung ihres politischen Systems unzufrieden. Bei den Zahlen für 1996 dürften in bezug auf die »Zufriedenheit mit der Demokratie' vor allem die Auswirkungen des Prozesses 8.000 eine Rolle gespielt haben.23 Das politische System besitzt insgesamt auch nach den Reformen nur wenig owi^wZ-abhängige, kurzfristige spezifische Legitimität. Bedenklicher allerdings erscheint, daß auch die owf/JwMinabhängige, langfristige diffuse Legitimität zurückgeht, so daß zu befürchten bleibt, daß die geringe grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie den Mangel an demokratischem Output in Zukunft nur noch begrenzt kompensieren kann.

23

Ob die großen Unterschiede zwischen 1996, 1997 und 2001 auf Stichprobenprobleme zurückzufuhren sind, kann nicht geklärt werden, da es keine Möglichkeit zur Einsicht in die Originaldaten gibt. Auch bei einer anderen Umfrage der Forscher des Latinobarömetro antworteten auf die Frage: „Glaube Sie, daß die Demokratie in Ihrem Land voll verwirklicht ist, oder glauben Sie, daß für die volle Verwirklichung der Demokratie noch einiges getan werden muß?" nur 7 Prozent mit „voll verwirklicht". Zum Vergleich: Uruguay 34 und Ekuador 20. Vgl.: Latinobarömetro 1996, zitiert nach: Lagos 1997: 133.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

455

Tabelle 3: Perzeption der Demokratie in Lateinamerika in Prozent Land Unterstützung Zufriedenheit mit der der Demokratie* Funktionsweise der Demokratie** 2001 1996 1997 1998 2000 2001 1996 1997 Costa Rica 80 83 69 83 71 51 68 51 84 Uruguay 80 86 80 79 52 64 55 Argentinien 34 71 75 73 71 58 42 20 Panama 75 71 71 62 34 28 21 39 Bolivien 64 62 54 66 55 25 34 16 Ekuador 52 41 54 34 57 40 31 15 Peru 63 60 63 64 62 28 21 16 62 64 Venezuela 60 61 57 30 35 41 72 64 Nikaragua 59 68 43 23 50 24 Kolumbien 60 69 55 50 46 16 40 10 El Salvador 56 66 79 63 25 26 21 48 Honduras 42 63 57 64 57 20 50 35 Paraguay 59 44 51 48 35 22 16 10 Guatemala 51 48 54 45 33 16 40 16 Brasilien 50 50 48 39 30 20 23 21 Chile 54 53 57 45 61 27 37 23 52 11 Mexiko 53 51 45 46 45 26 *

Antworten auf die Frage: „Mit welchen der folgenden Aussagen stimmen Sie eher überein? A) Die Demokratie ist jeder anderen Regierungsform vorzuziehen. B) Unter bestimmten Bedingungen ist eine autoritäre Regierung einer demokratischen vorzuziehen. C) Für unsereinen macht es keinen Unterschied zwischen einem demokratischen und einem autoritären Regime". („Con cuál de las siguientes frases está Ud. más de acuerdo? A) La democracia es preferible a cualquier otra forma de gobierno. B) En algunas circunstancias, un gobierno autoritario puede ser preferible a uno democrático. C) A la gente como uno, nos da lo mismo, un régimen democrático que uno autoritario.") Hier Prozentanteil der Antwortangaben, die sich auf A) bezogen. ** Antworten auf die Frage: „Was würden Sie sagen, sind Sie im allgemeinen sehr zufrieden, zufrieden, unzufrieden oder sehr unzufrieden mit der Art und Weise wie die Demokratie in (Land) funktioniert?" (,ßn general, Ud. diría que está muy satisfecho, más bien satisfecho, no muy satisfecho o nada satisfecho con el funcionamiento de la democracia en (país)?" Hier Prozentanteil der Antwortvorgaben „sehr zufrieden" und „zufrieden". Quelle: Latinobarómetro, Chile (www.latinobarometro.org): Daten von 1998 und 2000 entnommen aus: The Economist, 26.7.2001 und Nolte 2001: 196.

Ähnliche Schlüsse lassen sich auch aus meiner Fallstudie in Tumaco ziehen. Auch dort war die Mehrheit der Befragten mit der Funktionsweise der Demokratie unzufrieden. 24 24

Auf einer Skala von 1 bis 5 konnte die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit der Funktionsweise der Demokratie angegeben werden. Dabei bedeutete 1: „sehr un-

456

Kapitel V: Schlußbetrachtung

Tabelle 4: Einstellungen zur Demokratie in Tumaco Antwortvorgaben Die Demokratie ist die beste Regierungsform, unabhängig von der sozialen und ökonomischen Situation der Menschen. (La democracia es la mejor forma de gobernar, independientemente de la situación económica y social de la gente). Die Demokratie ist nur eine gute Regierungsform, wenn es dem Volk auch sozial und wirtschaftlich gut geht. (La democracia sólo es una buena forma de gobernar, en tanto social y económicamente le vaya bien al pueblo). Was Kolumbien braucht ist eine Diktatur. (Lo que necessita Colombia es una dictadura). Ob Kolumbien eine Demokratie oder eine Diktatur ist, macht für Personen wie mich keinen Unterschied. (Si Colombia es una democracia o una dictadura no hace ninguna diferencia para gente como uno).

Prozent 59,7

28,2

6,8 5,4

Erstaunlich ist die Tatsache, daß der Demokratie (wie oben stehende Tabelle zeigt) in der sozial marginalisierten Küstenregion, ein hoher Eigenwert unabhängig von ihrer sozialen und wirtschaftlichen Komponente - zugeschrieben wird, besonders, wenn man bedenkt, daß sich institutionelle Reformen nur begrenzt in einer Verbesserung der Lebensverhältnisse niederschlagen.

zufrieden" und 5: „sehr zufrieden". „Sehr unzufrieden" und „unzufrieden" waren 53,6 Prozent der Befragten, „zufrieden" und „sehr zufrieden" 22,1 Prozent der Befragten.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

457

Schaubild 1: Auswirkungen der Verfassung auf das Leben der befragten tumaquenos

Negative 5%

Keine 65%

Antworten auf die Frage: „War die Verfassung von 1991 positiv, gleichgültig oder negativ für Ihr Leben?" (yyLa Constitución de 1991 ha sido positiva, indiferente o negativa para su vida?")

Auch nach der Verabschiedung, Implementierung und (teilweisen) legislativen Umsetzung der neuen Verfassung besteht in Kolumbien weiterhin auf mehreren Ebenen Reformbedarf. Dies belegen auch die anhaltenden Diskussionsprozesse im zivilgesellschaftlichen Raum, in einem Teil der Parteien sowie die Reformvorschläge der Regierungen Samper (1994-1998), Pastrana (1998-2002) und Uribe (2002-2006), auch wenn sie unterschiedlichste Intentionen verfolgten. Die permanente Veränderung politischer Regeln, Verhaltensweisen und institutioneller Normen (institutionell engineering) zum Zweck des Krisenmanagements kann ebenfalls als Indiz für die nicht abgeschlossene Transformation gelten. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die formalen, aber auch auf die informellen Institutionen. Institutionalisierte Verhaltensmuster werden normalerweise durch routineartigen Vollzug (enacting) reproduziert, ohne daß deren Sinn und Notwendigkeit weiter hinterfragt würde.25 Routinen sind Garanten subjektiver Wirklichkeit. Werden sie

25

Das darüber entstehende Set von Prinzipien und Regeln, das das politische Denken und Handeln, einschließlich des Sprachhandelns reguliert und programmiert, bildet die jeweilige politische Kultur eines Landes heraus. Damit die Programmierungsfunktion wahrgenommen wird, müssen die Regeln und Prinzipien verinnerlicht werden. Bei solchen Verinnerlichungsprozessen spricht nach sozialpsycholo-

458

Kapitel V: Schlußbetiachtung

wiederholt, nehmen sie in der Erwartungsstruktur von Akteuren den Charakter kontingenzgeschützter Normalität an. 26 Abweichungen von diesen Normen werden dadurch sanktioniert, daß die Akteure bereit sind, den Reproduktionsmechanismus von enacting auf acting (strategisches Handeln) umzustellen. Je stärker eine Institution durch den Reproduktionsmechanismus der Habitualisierung gestützt wird, desto institutionalisierter ist sie. Es entsteht eine politische „Routinegewißheit".27 Muß sie dagegen immer wieder durch strategisches Handeln (acting) bestätigt werden, ist ihr Institutionalisierungsgrad gering. Hoch institutionalisierte Institutionen vollziehen Handlungen also routineartig. Den Institutionen wird dann ein Eigenwert zugeschrieben, der zur Entlastung und Entpersönlichung führt. 28 Im Hinblick auf die formalen Institutionen halte ich deshalb ein Plädoyer für eine nicht allzu lange Verzögerung von Institutionalisierungsprozessen in Transformationen für angebracht. Aber auch das Überleben alter informeller Institutionen und die Fragilität neuer gefährdet Reformprozesse: „Je länger die Phase ihrer schwachen Institutionalisierung andauert, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sich institutionelle Überbleibsel aus der Vergangenheit strukturprägend durchsetzen und die ohnehin fragilen Demokratien weiter gefährden."29

In Kolumbien wurden zwar gesetzliche Vorkehrungen getroffen, die dazu beitragen sollten, alte politische Gewohnheiten zu bekämpfen. Doch neue informelle Institutionen etablierten sich nur sehr langsam. Der schwache Institutionalisierungsgrad führte dazu, daß die neuen Institutionen immer wieder durch strategisches Handeln (acting) reformorientierter Akteure gestützt werden mußten. Doch erst eine weitgehende Umstellung von acting auf enacting garantiert die Akzeptanz und Umsetzung der neuen Verhaltensmuster und Regeln sowie deren Stabilität. So blieb nicht nur die Transformation des Wahl- und Parteienregimes auf halbem Weg stecken und verhinderte die Ausbildung einer inklusiven, wettbewerbsoffenen Demokratie. Auch in bezug auf die informellen Institutionen und die anderen Teilregime ist es dem Land bislang nicht gelungen, hybrides Terrain in einer eindeutigen Bewegung

26 27 28 29

gischen Erkenntnissen das individuelle (politische) Gewissen die Sprache der herrschenden (politischen) Kultur. Vgl.: Rohe 1994: 6f. Vgl.: Berger/Luckmann 1980: 157. Berger/Luckmann 1980: 61. Vgl.: Nedelmann 1995: 35f. Nedelmann 1995: 32.

Kapitel V: Schlußbetrachtung

459

in Richtung Demokratie zu verlassen. Ein erfolgreicher Abschluß des Transformationsprozesses hängt vor allem von folgenden Kriterien ab:30 a) Der weiteren gesetzlichen Umsetzung der Normen der Verfassung von 1991 und der erneuten, selektiven Reformierung der genannten Teilregime, die einen Mittelweg zwischen der Inklusion verschiedenster sozialer Kräfte und gleichzeitig gobernabilidad erlauben. b) Der Überwindung der Gewaltsituation im Rahmen eines Friedensprozesses mit den Guerillaorganisationen und ihrer Integration ins politische System. c) Der Bestrafung der durch paramilitärische Gruppen verursachten Gewaltverbrechen und ihre Entwaffnung. d) Die Wiederherstellung der .öffentlichen Ordnung' im Hinblick auf die Unterbindung der Aktivitäten aller Gewaltakteure sowie der Abschluß des Staatsbildungsprozesses u.a. durch die Eroberung eines allerdings rechtsstaatlich kontrollierten Gewaltmonopols durch den Staat. e) Der Erneuerung und Reform des Justizapparates und der Überwindung hybrider Rechtsstaatlichkeit.31 f) Sozialen und wirtschaftlichen Reformen oder zumindest der Armutsbekämpfung im Sinne einer sozialen Abfederung der negativen Auswirkungen des neoliberalen Wirtschaftsmodells und echte Integration der marginalen Bevölkerung ins politische System; dies möglichst fernab von klientelistischen Bezügen, im Sinne eines Übergangs von clientelism zu citizenship, inklusive der Schaffung der staatlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Bürgerrechten, die über den Wahlprozeß hinausgehen. h) Der Einhaltung der politischen Menschenrechte und der Neudefinition der zivil-militärischen Beziehungen, ohne allzu große Spannungen zwischen den Militärs, der Regierung und der Zivilgesellschaft zu verursachen. Zu Beginn des Jahrtausends und mit dem Amtsantritt der Regierung Uribe Vélez im August 2002 scheint der Abschluß dieses Prozesses keineswegs in unmittelbarer Reichweite. Vielmehr verhärteten sich im Sinne der vorgelegten Arbeitsdefinition die demokratischen Defizite im kolumbianischen politischen System.

30

31

Vgl. zur folgenden Aufzählung auch: Nemagä 1995; Fuertes Forero 1991; May 1996; O'Donnell 1996: 35ff. und 45 sowie 1996a: 161ff.; Hanke 1998: 1; Pizarro Leongömez 1996: 21 lf. und Atehortüa/Velez 1994: 15ff. Vgl.: Helfrich-Bernal 2001c.

Anhang

VI.

461

Anhang

Liste der Interviewpartner in alphabetischer Reihenfolge Alvarez, Carlos (Bewegung Ciudadanos en Formación, Berater des ehemaligen Bürgermeisters von Bogotá, Antanas Mockus) Andrade, Francisco (Journalist, Zeitung La Ola) Angarita, Alvaro (Journalist, Zeitung Voz, Partido Comunista Colombiano) Angulo, Antonio (Alianza Democrática M-19) Angulo, Guillermo (Comercializadora El Delfin Blanco, Tumaco) Arbolera, Marta (Movimiento Cívico Cultural, Tumaco) Arcos, Hernando (Geschichtswissenschaftler, Tumaco) Bedoya, Flavio (Journalist, Zeitung Voz) Bernal, Gloria (Staatsanwältin, Fiscalía Nacional de la Nación) Cabezas, Emiro (unabhängiger Bürgermeisterkandidat, Tumaco) Castillo, Edgar (Secretario de Educación und Movimiento Cimarrón, Tumaco) Castro, José Fernando {Defensor del Pueblo) Cárdenas, Miguel Eduardo (Friedrich-Ebert-Stiftung, FESCOL, Bogotá) Célis, Luis Eduardo (Fundación Arcolris) Cerón, Yolanda (Pastoral Social, Tumaco) Child, Jorge (Kolumnist, ehemaliges Mitglied des Stadtrates in Bogotá für die Bewegung Ciudadanos en Formación) Cifuentes, Alexander, (Aftokolumbianischer Anthropologe) Cortés, Carmen {Instituto Colombiano de Bienestar Familiar) Cortés, Thomas Eliécer (Direktor, Corponariño) Cuevas, Jorge (Direktor, Asociación de Municipios de la Costa de Nariño) Cuéllar, Parmenio (Gouverneur des departamento Nariño) De la Cruz, Jocinto {teniente des Stadtviertels Morrito, Tumaco) Delgado, Oscar (unabhängiger Forscher) Escrucería, Diego (Kandidat für das Repräsentantenhaus im departamento Nariño für den Partido Liberal Colombiano) Fals Borda, Orlando (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional, Partido Socialista Democrático) Figueroa, Miguel (Journalist, El Espectador) García, Manuel (Priester, Quibdó Chocó) García, Rodrigo (Rechtsanwalt, Kandidat zum Stadtrat in Tumaco) Garzón, Luis Eduardo (Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes CUT; Präsidentschaftskandidat 2002)

462

Kapitel VI: Anhang

Gaviria, Carlos (ehemaliger Richter des Corte Constitucional, seit 2002 Senator) Gilhodes, Pierre (Forscher, Universidad de los Andes) González, Fernán E. (Forscher, CINEP) González, Luz Angela (Registraduría Nacional del Estado Civil) Grueso, Manuel (Bürgermeisterkandidat, Tumaco) Grueso, Eva, {Movimiento de Comunidades Negras) Gutiérrez, Francisco (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional) Heieck, Stephan (Ehemaliger Leiter der Konrad-Adenauer-Stifitung, Bogotá) Hermes Ruiz, Luis (Kandidat zum Repräsentantenhaus im departamento Valle del Cauca für den Partido Liberal Colombiano) Jaramillo, Bernardo (bei einem Attentat ermordeter Ex-Präsidentschaftskandidat und Ex-Präsident der Unión Patriótica) Jaramillo, Juan (Politikwissenschaftler und Jurist, Corte Constitucional) Jaramillo, Victor (Mitglied der Asamblea Departamental de Nariño für den Movimiento Unitario Metapolítico) Kaiser, Ernesto (Ex-Bürgermeister, Tumaco) Klein, Harald (Friedrich-Naumann-Stiftung, Bogotá) Leal, Claudia (Forscherin, Biopacifico) Leal Buitrago, Francisco (Ehemaliger Vizedirektor Universidad Nacional, Institut für Politikwissenschaft, Universidad de los Andes) Lemoine, Carlos (Leiter des Meinungsforschungsinstituts Centro de Información y Consultorio) Londoño, Juan Fernando (Forscher, Berater des Innenministeriums) Losada, Rodrigo (Chef des Instituts für Politikwissenschaft, Universidad Javeriana) Machado, Gladis (Vorsitzende Mujeres 2000, Red Colombiana de Organizaciones de Mujeres Rurales) Manzi, Germán Vicente (unabhängiger Bürgermeisterkandidat, Ex-Liberaler, Tumaco) Márquez, Javier (Anthropologe, Umweltschutzorganisation Penca de Säbila) Mendoza, Hipólito (Registraduría Nacional del Estado Civil) Mora, Oscar (Berater des Bürgermeisters von Tumaco, Newton Valencia) Mora, Roman (Repräsentant der Regierung im IPC und der Red de Solidaridad Social, Tumaco) Mockus, Antanas (Bürgermeister von Bogotá, Vizepräsidentschaftskandidat 1998) Mojica, Claudia del Pilar (Forscherin, Universidad de los Andes) Montaña, Julio César (Movimiento Cívico Cultural, Tumaco)

Anhang

463

Mosquera, Juan de Dios (Vorsitzender, Movimiento Cirmarrón) Moreno, Samuel (Senator, ANAPO) Muñoz, Patricia (Forscherin, Institut für Politikwissenschaft, Universidad Javeriana) Navarro, Antonio (Ehemaliges Führungsmitglied der M-19, Parteichef der AD/M-19, jetzt Via Alterna) Navas, Luisa (Journalistin, ehemals A Luchar) Ochoa, Jairo Arturo (Priester, Journalist, Radio Mira) Orozco, Iván (Jurist und Politikwissenschaftler, Procurador auxiliar, Procuraduría) Ortiz, Carlos (Privatsekretär des Bürgermeisters von Guapi, departamento Cauca) Ortiz, Jorge (Unión Patriótica) Osorio, Luis Camilo (Ehemaliger Registrador Nacional del Estado Civil) Petro, Gustavo (Ehemals M-19, später AD/M-19, jetzt Vía Alterna) Pinzón, Fernando (CVC Holanda, Cali) Pizarro, Eduardo (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional, Bruder des ermordeten Anführers der ehemaligen Guerillaorganisation M-19) Posada, José Rivera (Kandidat zur Asamblea Departamental de Nariño, Partido Liberal Colombiano) Quiñones, Laylys (Lehrerin, Fundación Escuela Folklórica del Pacífico Sur Tumac, Tumaco) Ramírez, Socorro (Ehemalige Präsidentschaftskandidatin und Forscherin, IEPRI, Universidad Nacional) Restrepo, Andrés (ehemals Oficina Nacional de Reinserción, Universitätsprofessor) Restrepo, Luis Alberto (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional) Rivas, Belhermina (85jährige Hauptdarstellerin des in Tumaco gedrehten Dokumentarfilms Africa Tierra Madre) Rodríguez, Jaime (Alianza Democrática M-19, Anwärter für das Bürgermeisteramt in Pasto 1997 und Berater des ehemaligen Bürgermeisters Antonio Navarro Wolff) Rothlisberger, Dora (Leiterin des Instituts für Politikwissenschaft und der Studie über Wahlenthaltung der Universidad de los Andes) Ruiz, Luis Hermes (Politiker aus dem departamento Valle del Cauca) Salazar, Alonso (Schriftsteller und Kommunikationswissenschaftler, unabhängiger Kandidat zum Stadtrat in Medellin) Sánchez, Gonzalo (Ehemaliger Direktor, IEPRI, Universidad Nacional) Sánchez, Rüben (Forscher, Universidad de los Andes) Sansón, Leonardo (Leiter der Handelskammer, Tumaco)

464

Kapitel VI: Anhang

Santana, Pedro (Forscher, Corporación Viva la Ciudadanía-, Chef der Revista Foro por Colombia) Sarmiento, José María (Consejo Nacional Electoral) Sorel, Silva (Stadtratsmitglied, Partido Conservador, Tumaco) Tenorio, Francisco (Choreograph, Leiter der Casa de Cultura in Tumaco) Tickner, Arlene (Forscherin, Universidad de los Andes) Tokatlian, Juan Gabriel (Forscher am Centro de Estudios Internacionales, Universidad de los Andes, heute am IEPRI, Universidad Nacional) Ungar, Elisabeth (Institut für Politikwissenschaft, Universidad de los Andes, Leiterin der Kampagne Candidato visible) Urea, Ana Fernanda (Leiterin des Meinungsforschungsinstituts Opinión Pública Ltda.) Uricochea, Fernando (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional) Valencia, León (Corriente de Renovación Socialista) Valencia, Newton (Bürgermeister Tumaco) Vásquez, Alfonso {Alianza Social Indígena) Veira Torres, Pedro (Partido Comunista de Colombia) Weichert, Michael (Ehemaliger Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bogotá) Zuluaga, Jaime (Forscher, IEPRI, Universidad Nacional) Zuñiga Ramos, Julian (Rechtsanwalt, Stadtratskandidat in Tumaco)

465

Bibliographie

VII.

Bibliographie1

Acevedo, Darío, La Colombia contemporánea, 1930-1990, in: Las mujeres en la historia de Colombia, Bd. 2, Mujeres y sociedad, Consejería Presidencial para la Política Social, Presidencia de la República de Colombia, Bogotá 1995: 454-479. Adams, Richard N., The Structure of Participation: A Commentary, in: Booth, John A./Mitchell A. Seligson, The Political Culture of Authoritarianism in Mexico: A Reevaluation, 1979: 9-17. Agnoli, Johannes., Die Transformation der Demokratie, in: Johannes Agnoli/Peter Brückner, Die Transformation der Demokratie, Frankfurt a. M. 1968: 7-23. Agudelo, Carlos Efrén, Política y organización de poblaciones negras en Colombia, Cali 1998. (mimeo) Aguirrazábal, Isabel, La izquierda y la participación electoral en Colombia, in: Controversia Nr. 43, Bogotá Mai 1976: 6-34. Aja Espil, Jorge Antonio, Proyecciones institucionales del Frente Nacional en Colombia, in: Revista de la Academia Colombiana de Jurisprudencia Nr. 208/209, Bogotá 1975: 253-265. Alarcón Olguín, Víctor, América Latina: ¿ciudadanos contra partidos?, in: Etcétera Nr. 169 1994: 25-27. Albert, Hans, Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1980 (4. Auflage). Alcaldía Mayor, Formar ciudad. Proyecto de plan de desarrollo económico social de obras públicas para Santa Fe de Bogotá, D.C. 1995-1998. Presentado al Concejo de Bogotá, Bogotá April 1995. Alcaldía Mayor de Santafe de Bogotá. Instituto Distrital de Cultura y Turismo. Programa de Cultura Ciudadana, Juegos Ciudadanos, ohne Ort 1995. Alcaldía Mayor de Santafe de Bogotá. Instituto Distrital de Cultura y Turismo. Programa de Cultura Ciudadana, Propuesta General (Propuesta para la discusión-circulación restringida), ohne Ort ohne Jahr. Alcántara Sáez, Manuel, Gobemabilidad, crisis y cambio, Madrid 1994. Alcántara Sáez, Manuel, Elecciones, electores y partidos en América Latina en la década de 1990, in: América Latina Hoy, Madrid April 1996: 9-10. Alcántara Sáez, Manuel, Die parlamentarische Elite in Lateinamerika und das Kontinuum von links bis rechts, in: Wilhelm Hofmeister/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996: 409-436. (zitiert als 1996a) Alcántara Sáez, Manuel, El sentido del sistema político democrático en los países de América Latina. ¿Democracias inciertas o democracias consolidadas?, in: Régine

Im folgenden führe ich Monographien und Zeitschriftenaufsätze nicht getrennt auf, da dies das Auffinden der Autoren eher erschwert als erleichtert. Mehrere Veröffentlichungen des gleichen Forschers erscheinen in alphabetischer Reihenfolge. Ihr Name wird aufgrund der im Text verwendeten Kurzzitierweise wiederholt.

466

Bibliographie

Steichen (Hrsg.), Democracia y democratización en Centroamérica, San José 1994: 123-146. (zitiertals 1994a) Alcántara, Manuel/Crespo, Ismael/Martínez, Antonia (Hrsg.), Partidos y Elecciones en América Latina, Guía Bibliográfica, Madrid 1992. Alexander, Robert J. (Hrsg.), Political Parties of the Americas. Cañada, Latín America and the West Indies, Bd. 1 Westport/London 1982. Almond, Gabriel A./J. S. Coleman (Hrsg.), The Politics of the Developing Areas, Princeton 1960. Almond, Gabriel A./G. Bingham Powell, Comparative Politics. A Developmental Approach, Boston 1966. Almond, Gabriel A./Sidney Verba, The Civic Culture, Princeton 1963. Alondo P., Martín, Historia del conservatismo, Bogotá 1979. Alvarado, Elsa, Por un puñado de votos, in: Ciendias vistos por CINEP Nr. 25, Bd. 6, Bogotá Jan.-Márz 1994: 10-11. Alvarez, Adolfo/Hernando Llano A., La Alianza Democrática M-19: ¿una tercera fuerza frustrada?, in: Revista Foro Nr. 24, Bogotá 1994: 63-75. Alvarez, Ivonne, Participación comunitaria en la gestión pública, Tesis de grado Universidad de los Andes, Bogotá 1993. Alvarez, Sonia E. et al., Mujeres y participación política: avances y desafíos en América Latina, Bogotá 1994. Alvarez de O., María Eugenia et al., ¿Democracia sin participación? Tendencias y características en Colombia, Bogotá 1981. Alvis Pinzón, William, La tutela en Colombia: hacia la vigencia de los derechos fundamentales, in: Revista Foro Nr. 19, Bogotá Dez.-April 1993: 23-43. Américas Watch, Estado de guerra. Violencia política y contrainsugencia en Colombia, Bogotá 1994. Américas Watch, Informe sobre derechos humanos en Colombia, Bogotá 1989. América negra, A la zaga de la América oculta, in: Expedición Humana Nr. 1, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1991. Ampudia P., Alberto G., Sistema político del post Frente Nacional, Tesis de grado, Facultad de Estudios Interdisciplinarios, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1985. Andrade, Inés Elvira, La modernización del Congreso: ¿un proyecto realizable? Monografía presentada como requisito para optar por el título de politóloga, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá Márz 1995. Angarita, Alvaro, Audiencia pública sobre la Reforma Política, Ponencia del comunicador social y redactor político del periódico VOZ, Alvaro Angarita, Cámera de Representantes y Cámera de Comerico, Bogotá 7.4.1999. Angel Vallejo, Jorge, De la anarquía partidista al nuevo orden nacional, 1930-1982. Agonía de los partidos tradicionales, Medellín 1985. Angelí, Alan, Party Systems in Latin America, in: Claudio Veliz (Hrsg.), Latín America and the Caribbean. A Handbook, London 1968.

Bibliographie

467

Angelí, Alan/Maria D' Alva Kinzo/Diego Urbaneja, Electioneering in Latin America, in: Roderic Ai Camp (Hrsg.), Democracy in Latin America. Patterns and Cycles, Wilmington (Delaware) 1996: 183-205. Angulo, Alejandro et al., La pendiente antidemocrática. Dos años de la administración Turbay, in: Controversia Nr. 90, Bogotá 1981: 3-17. Ante la fragmentación del poder en las elecciones, mejor cola de ratón que cabeza de león, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 25, Bd. 6, Bogotá 1994: 4-7. Anuario de tutela 95. Cuadros analíticos hechos con base en datos de todas las providencias sobre tutela proferidas por la Corte Constitucional durante 1994, Bogotá 1995. Aponte, Alejandro, La Constitución de 1991: la administración de justicia, in: Análisis Político Nr. 13, Bogotá Mai-Aug. 1991: 60-63. Aramburo, José Luis/Adolfo Salamanca, El cuadro de la justicia, Bogotá 1980. Arancibia Córdova, Juan, El adelgazamiento de la política y la crisis de los partidos, in: Rolando Araya Monge/Günther Maihold (Hrsg.), Los partidos políticos y la sociedad civil: de la crisis a un nuevo tipo de relación, San José 1992: 25-32. Araoz, Santiago, La abstención electoral y la participación política, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1970. Araoz, Santiago, Historia del Frente Nacional y otros ensayos, Bogotá 1977. Araya Monge, Rolando/Gttnther Maihold (Hrsg.), Los partidos políticos y la sociedad civil: de la crisis a un nuevo tipo de relación, San José 1992. Arbós, Xavier/Salvador Giner, La gobernabilidad. Ciudadanía y democracia en la encrucijada mundial, Madrid 1993. Archer, Ronald P., La democracia y la descentralización política, in: Allies et al., Elección popular de alcaldes. Colombia y la experiencia internacional, Bogotá 1988: 93-103. Archer, Ronald P., Party Strength and Weakness in Colombia's Besieged Democracy, in: Scott Mainwaring/Timothy R. Scully (Hrsg.), Building Democratic Institutions. Party Systems in Latin America, Stanford (California) 1995: 190-213. Archer, Ronald P., The Transition from Traditional to Broker Clientelism in Colombia. Political Stability and Social Unrest, Kellog Institute, Working Papers Nr. 140, Notre Dame, Juli 1990. Archer, Ronald P./Marc W. Chernick, El Presidente frente a las instituciones nacionales, in: Patricia Vásquez de Urrutia (Hrsg.), La democracia en blanco y negro: Colombia en los años ochenta, Bogotá 1989: 31-79. Archer, Ronald P./Matthew Soberg Shugart, The Unrealized Potential of Presidential Dominance in Colombia, in: Scott Mainwaring/Metthew Soberg Shugart (Hrsg.), Presidentialism and Democracy in Latin America, Cambridge 1997: 110-159. Archila Neira, Mauricio, Historiografía sobre los movimientos sociales en Colombia, Siglo XX, in: B. Tovar Z. (Hrsg.), La historia al final de milenio, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1994: 251-352.

468

Bibliographie

Archila Neira, Mauricio, Tendencias recientes de los movimientos sociales, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 251-301. Arcila, Ramón Emilio, Reflexiones sobre el conjunto de los movimientos cívicos, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 288-293. Area, Leandro, La decisión de votar y sus modelos explicativos, in: Propaganda política, partidos y sistema electoral, Publicaciones del Consejo Supremo Electoral, Caracas 1987. Arfi, Badredine, Democratization and Communal Politics, in: Democratization Nr. 1, Bd. 5, Frühjahr 1998: 42-63. Argáez, Felipa, Estructura dinámica del partido comunista colombiano, Bogotá 1981. Ariel Sánchez, Carlos, Sistema electoral en Colombia, Centro de Pensamiento Político Milenio, documentos para el debate, Bogotá ohne Jahr. Arizala, José, Unión Patriótica, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 aftos de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 159-165. Arocha, Jaime, Los negros y la nueva Constitución colombiana de 1991, in: América Negra Nr. 3, 1992: 39-54. Arocha, Jaime, Inclusión of Afro-Colombians. Unreachable National Goal?, in: Latin American Perspectives Nr. 3, Bd. 25, 3. Mai 1998: 70-89. Arrázola, María del Rosario, La región pone el dedo en la urna, in: Cambio 16, 13.6.1994: 20-21. Arrieta, Carlos Gustavo, Modernización de la justicia en Colombia, in: Justicia y desarrollo en América Latina, BID, Bogotá 1993: 2-15. Arrubla, Mario, Síntesis de historia política contemporánea, in: Arrubla, Mario et al., Colombia Hoy, Bogotá 1985 (9. Auflage, 1. Auflage 1978): 186-220. Arrubla, Mario et al., Colombia Hoy, Bogotá 1985 (9. Auflage, 1. Auflage 1978). ANTE, Lincamientos teóricos sobre la articulación sectorial entre la nación y los departamentos, Corpes de Occidente, Bogotá 1990. ANIF, La abstención, Bogotá 1980. Atehortúa, Adolfo/Humberto Vélez, Estado y Fuerzas Armadas en Colombia, Bogotá 1994. Atehortúa Ríos,Carlos Alberto et al., Las nuevas políticas territoriales, Bogotá 1993. Avila, Abel, Abstencionismo y anticarisma en Colombia, Bogotá 1980. Avila, Calixto, Paragraphen zum Vorzeigen. Verfassung und legale Gegenreform, in: IIa Nr. 169, Bonn 1993: 18-20. Ayala Diago, César Augusto, Resistencia y oposición al establecimiento del Frente Nacional, Los orígenes de la Alianza Nacional Popular, ANAPO, Colombia 19531964, Universidad Nacional de Colombia, Facultad de Ciencias Humanas, Departamento de Historia, Bogotá 1996.

Bibliographie

469

Bagley, Bruce Michael, Colombia: National Front and Economic Development, in: Robert Wesson (Hrsg.), Politics, Policies and Economic Development in Latin America, Stanford 1984: 124-160. Bagley, Bruce Michael, Narcotráfico: Colombia asediada, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 445^74. Bagley, Bruce Michael/Matthew Edel, Popular Mobilization Programs of the National Front: Cooptation and Radicalization, in: Albert R. Berry/Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 257-284. Bailey, John J., Bureaucratic Politics and Social Security Policy in Colombia, in: Interamerican Economic Affairs Nr. 4, Bd. 29, Washington D.C. 1976: 3-20. Bailey, John J., Pluralist and Corporatist Dimensions of Interest Representation in Colombia, in: Authoritarianism and Corporatism in Latin America, Pittsburgh 1977: 259-302. Bailen, Rafael, Constituyente y Constitución del 91, Bogotá 1991. Bailen, Rafael, Corrupción política, Bogotá 1994. Baloyra, Enrique A. (Hrsg.), Comparing New Democracies. Transition and Consolidation in Mediterranean Europe and the Southern Zone, Boulder 1987. Baloyra, Enrique A., Lecciones para demócratas en transición, Buenos Aires 1987. (zitiert als 1987a) Banco Mundial, Colombia. Estudio sobre la capacidad de los gobiernos locales: más allá de la asistencia técnica, Informe Nr. I4085-C0, Washington 1995. Barbosa Cardona, Octavio, Desequilibrios regionales y descentralización en Colombia, Universidad Autónoma de Colombia, Bogotá 1995. Barco, Virgilio, Así estamos cumpliendo, Autonomía Municipal, Presidencia de la República, Bd. 3, Bogotá 1987. Barco, Virgilio, La reconciliación nacional: resultados y alcances de la política de paz, Presidencia de la República, Bogotá 1990. Barnes, Samuel/Max Kaase (Hrsg.), Political Action: Mass Participation in Five Western Democracies, Beverly Hills, SAGE, 1979. Bartra, Armando et al., Desigualdad y democracia, Consejo Consultivo del Programa Nacional de Solidaridad, Instituto de Estudios para la Transición Democrática, México 1992. Barrera Restrepo, Efrén, Los círculos del poder en Colombia, ESAP, Bogotá 1991. Barreto Soler, Manuel/Alejandro Valencia Villa, La tutela o la lucha por los derechos, in: Revista Foro Nr. 17, Bogotá April-Aug. 1992: 24-31. Bauer, Ernst Ulrich, Die Ethnographie im Auftrag der Ethnographierten. Ein Programm, Mainz 1993. Becerra Pinilla, Jorge, El derecho de petición en Colombia, Bogotá 1995. Beck, Paul Allan/M. Kent Jennings, Pathways to Participation, in: American Political Science Review Nr. 76, 1982: 94-108. Beck, Ulrich, Die feindlose Demokratie, Stuttgart 1995.

470

Bibliographie

Becker, Michael/Hans-Joachim Lauth/Gert Pickel (Hrsg.), Rechtsstaat und Demokratie. Theoretische und empirische Studien zum Recht in der Demokratie, Wiesbaden 2001. Behar, Olga, Noches de humo, Bogotá 1988. Behar, Olga/Ricardo Villa Salcedo, Penumbra en el capitolio, Bogotá 1991. Bejarano A., Jesús Antonio, Estrategias contra la corrupción, in: FESCOL (Hrsg.), Descentralización y corrupción, Bogotá 1996: 83-98. Bejarano, Ana María, Democracia y sociedad civil: una introducción teórica, in: Análisis Político fit. 15, Bogotá Jan.-April 1992: 68-85. Bejarano, Ana María, Estrategias de paz y apertura democrática: un balance de las administraciones Betancur y Barco, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 57-124. Bejarano, Ana María, Recuperar el Estado para fortalecer la democracia, in: Análisis Político Nr. 22, Bogotá Mai-Aug. 1994: 47-79. Bejarano, Ana María/Eduardo Pizarro, Reforma política después de 1991: ¿qué queda por reformar?, Documento preparado para la conferencia Democracy, Human Rights, and Peace in Colombia, Kellogg Institute, Notre Dame University, Notre Dame, Indiana, March 26-27, 2001. (mimeo) Belin, Laura, An Array of Mini-Parties Wage Futile Parliamentary Campains, in: Transition Nr. 4, Bd. 2, 1996: 15-18. Bell, L., Gustavo/Adolfo Meisel, Política, partidos políticos y desarrollo socioeconómico de la Costa Atlántica: una visión histórica, in: Documentos de trabajo de CERES Nr. 5, Universidad del Norte, Barranquilla 1989. Bendel, Petra, Parteiensysteme in Zentralamerika. Typologien und Erklärungsfaktoren, Opladen 1996. Bendel, Petra, Partidos políticos y democratización en América Central; un intento de romper una lanza a favor de los partidos a pesar de los pesares, in: Anuario de Estudios Centroamericanos Nr. 20, 1994: 27-39. Bendel, Petra/Florian Grotz, Parteiensysteme in jungen Demokratien in der Dritten Welt, in: Joachim Betz/Stefan Brüne (Hrsg.), Jahrbuch Dritte Welt 2001, München 2000: 47-65. Bendel, Petra/Nikolaus Werz, Politische Parteien. Lateinamerika, in: Dieter Nohlen et al. (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 4, Die östlichen und südlichen Länder, München: 437-444. Bendel, Petra/Michael Krennerich, Zentralamerika: Die schwierige Institutionalisierung der Demokratie, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 315-340. Benedetti Jimeno, Armando, La televisión del futuro. La nueva ley de televisión, ley 182 de 1995, Bogotá ohne Jahr. Berger, Peter/Thomas Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1980.

Bibliographie

471

Bermúdez, Alberto, Del Bogotazo al Frente Nacional. Historia de la década en que cambió Colombia: el 9 de abril de 1948, el 13 de junio de 1953, el 10 de mayo de 1957, el Frente Nacional 1958, Bogotá 1995. Bermúdez, Gonzalo, El poder militar en Colombia. De la Colonia al Frente Nacional, Bogotá 1992. Bernal, Jorge A. (Hrsg.), Integración y equidad: democracia, desarrollo y política social. Corporación SOS Colombia - Viva la Ciudadanía, Bogotá 1994. Berry, Albert R./Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980. Betancourt, Ingrid, Until Death do us Part. My Struggle to Reclaim Colombia, New York 2002. Betancur, Mauricio, Movimientos sociales y Estado, in: Miguel Eduardo Cárdenas, (Hrsg.), Modernidad y sociedad política en Colombia, Bogotá 1993: 163-199. Bettermann, Albert, Kolumbien im Jahre 1992, in: KAS-Auslandsinformationen, Bonn April 1993: 8-20. Betz, Joachim, Verfassungsgebung und Verfassungswirklichkeit in der Dritten Welt, in: Nord-Süd-Aktuell Nr. 1, Bd. 10, 1996: 60-65. Beyme, Klaus von, Parteien im Prozeß der demokratischen Konsolidierung, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997: 23-56. Beyme, Klaus von, Parteien in westlichen Demokratien, München 1982. Beyme, Klaus von, Parteiensystem, in: Manfred G. Schmidt, Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 326-332. Beyme, Klaus von, Party Leadership and the Change in Party Systems: Toward a Postmodern Party State?, in: Government and Opposition Nr. 2, Bd. 31, 1996: 135-159. Beyme, Klaus von, Systemwechsel in Osteuropa, Frankfurt a. M. 1994. Beyme, Klaus von/Dieter Noblen, Systemwechsel, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze, Lexikon der Politik, Bd. 1, Politische Theorien, München 1995: 636649. Binder, Leonard et al., Crisis and Sequences in Political Development. Studies in Political Development Bd. 7, Princeton 1971. Birle, Peter, Argentinien: Unternehmer, Staat und Demokratie, Frankfurt a. M. 1995. Birle, Peter/Christoph Wagner, Vergleichende Politikwissenschaft: Analyse und Vergleich politischer Systeme, in: Manfred Mols/Hans-Joachim Lauth/Christoph Wagner (Hrsg.), Politikwissenschaft: Eine Einführung, Paderborn u.a. 1996 (2. erweiterte Auflage): 102-135. Bischof, Reinhard, Struktur und Entwicklung des politischen Klientelismus in Italien, Bielefeld 1983. Bis well Cotes, Jorge Lee, Capitolio adentro. Una lección realista de cómo funciona nuestro Congreso, Cartagena 1989. Blair, Elsa, Las Fuerzas Armadas. Una mirada civil, Bogotá 1993.

472

Bibliographie

Blum de Barberi, Claudia, Corrupción: ¿hasta cuándo?, Memorias del Foro sobre corrupción y ética de los servidores públicos, Bogotá 29 de septiembre de 1994, Comisión Primera del Senado, Bogotá 1995. Blumenthal, Hans R., Kolumbien: eine Nation trotz ihrer selbst, FESCOL, Bogotá Januar 1999. (mimeo) Bodemer, Klaus/Sandra Carreras, Die politischen Parteien im demokratischen Transitions- und Konsolidierungsprozeß in Südamerika: Argentinien, Chile und Uruguay im Vergleich, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997: 172-213. Boggio, María Rosa/Fernando Romero/Juan Ansición, El pueblo es así y también asá. Lógicas culturales en el voto popular, Instituto Democracia y Socialismo, Lima 1991. Bogotá: un modelo financiero para el mundo, in: Suburbia Nr. 12, 13.-26.6.1997: 5. Boletín Electoral Latinoamericano IX, Jan.-Juni 1993, IIDH, CAPEL, San José 1993. Bolívar, Ingrid Johanna, Ni muy caciques, ni tan cívicos, in: Ciendías Nr. 39, Okt.Dez. 1997: 6-7. Bonamusa Miralies, Margarita, Movimientos sociales: organizaciones y estructura de oportunidad política, in: Análisis Político Nr. 23, Sept.-Dez. 1994: 54-66. Bonamusa Miralies, Margarita, ¿Para qué se fortalece la sociedad civil?, in: Documentos Ocasionales Nr. 41, Centro de Estudios Internacionales de la Universidad de los Andes, Bogotá Jan.-März 1996: 13-24. Bonilla, Jorge Iván/María Eugenia García/Edwardo Romero/Leandro Peñaranda, Medios de comunicación y elecciones: las agendas informativas en la campaña presidencial, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 433473. Bonilla Castro, Elssy, Fuera del cerco: mujeres, estructura y cambio social en Colombia, Bogotá 1992. Booth, John A./Mitchell A. Seligson, The Political Culture of Authoritarianism in Mexico: A Reevaluation, in: Latin American Research Review Nr. 19, Jan. 1984: 106-24. Booth, John A./Mitchell A. Seligson (Hrsg.), Political Participation in Latin America. Bd. 1 Citizen and State, New York 1978. Borja, Jordi, Estado, descentralización y democracia, Bogotá 1989. Borja, Jordi, Participación ciudadana: desafío legal, in: Revista Foro Nr. 23, Bogotá April-Aug. 1994: 28-41. Borja, Miguel, Estado, sociedad y ordenamiento territorial en Colombia, Bogotá 1996. Borrero, Armando, Militares, política y sociedad, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.) Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 175-192. Bos, Ellen, Die Rolle von Eliten und kollektiven Akteuren in Transitionsprozessen, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1996 (2. Auflage): 81-11.

Bibliographie

473

Botero Jaramillo, Felipe, El Senado que nunca fue: la circunscripción nacional después de tres elecciones, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 285-335. Botero Jiménez, Nodier, Crisis del bipartidismo y mitos del sistema en Colombia, Bogotá 1985. Botero Montoya, Mauricio, La caída del Partido Liberal 1982, Bogotá 1983. Botero Montoya, Mauricio, La herencia del Frente Nacional, 1948-1986, Bogotá 1986. Botero Montoya, Mauricio, El MRL -Movimiento Revolucionario Liberal-, Publicación de la Universidad Central, Bogotá 1990. Boudon, Lawrence, Los partidos y la crisis de representación en América Latina: los casos de Colombia, México y Venezuela, in: Contribuciones Nr. 1, Jahr XV, Jan.März 1998: 7-28. Bourdieu, Pierre, Die feinen Unterschiede, Frankfurt a. M. 1982. Brady, Henry E./Sidney Verba/Kay L. Schlozman, Beyond SES: A Resource Model of Political Participation, in: American Political Science Review Nr. 89, 1995: 271294. Braun, Markus/Stefan Mai, Vertragen sich Demokratie und sozioökonomische Entwicklung?, Ebenhausen 1995. Brie, Michael, Rußland: Das Entstehen einer delegierten Demokratie, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 143-177. Briones, Guillermo, La estructura social y la participación política. Un estudio de sociología electoral en Santiago de Chile, in: Revista Interamericana de Ciencias Sociales Nr. 3, Bd. 2, Washington D.C. 1963: 376-404. Brodsky, David M./Edward Thompson, Ethos, Public Choice, and Referendum Voting, in: Social Science Quaterly Nr. 74: 286-299. Brunner, Georg, Politischer Systemwandel und Verfassungsreform in Osteuropa, Bergisch Gladbach 1990. Brunner, Georg, Vergleichende Regierungslehre. Ein Studienbuch, Paderborn 1979. Bucana, Juana B. de, La iglesia evangélica en Colombia: una historia, Bogotá 1995. Budge, Ian/Hans Keman, Parties and Democracy, Oxford u. a., 1990. Buenahora Febres-Cordero, Jaime, La composición del nuevo Congreso. ¿Cuál renovación?, Bogotá 1998. (mimeo) Buenahora Febres-Cordero, Jaime, La democracia en Colombia. Un proyecto en construcción, Bogotá 1995. Buenahora Febres-Cordero, Jaime, El proceso constituyente. De la propuesta estudiantil a la quiebra del bipartidismo, Bogotá 1991. Buenaventura, Nicolás, Clases y partidos en Colombia, Bogotá 1984. Buenaventura, Nicolás, Por la democracia y el socialismo. Estudio del programa del Partido Comunista Colombiano, Bogotá 1977. Buenaventura, Nicolás, La oposición al Frente Nacional, in: Estudios Marxistas Nr. 13, Bogotá 1975.

474

Bibliographie

Buenaventura, Nicolás, El programa de los comunistas. Texto de estudio del programa del partido comunista de Colombia, Sudamerica, Bogotá 1979. Buenaventura, Nicolás, Tregua y Unión Patrótica, Bogotá 1985. Buenaventura, Nicolás, Unión Patriótica y poder popular, Bogotá 1987. Bfirklin, Wilhelm, Wählerverhalten und Wertewandel, Opladen 1988. Burkolter-Trachsel, Verena, Zur Theorie sozialer Macht, Bern 1991. Burton, Michael G./Richard Gunther/John Higley, Elites and Democratic Consolidation in Latin America and Southern Europe, in: John Higley/Richard Gunther (Hrsg.), Elites and Democratic Consolidation in Latin America and Southern Europe, Cambridge u.a. 1992: 323-348. Burton, Michael G./Richard Gunther/John Higley, Introduction: Elite-Transformations and Democratic Regimes, in: John Higley/Richard Gunther (Hrsg.), Elites and Democratic Consolidation in Latin America and Southern Europe, Cambridge u.a. 1992: 1-37. Bustamante, Darío, El caso de Santa Fe de Bogotá y las elecciones del 8 de marzo de ¡998, Bogotá 1998. (mimeo) Butler, David/Austin Ranney (Hrsg.), Referendums: A Comparative Study of Practice and Theory, Washington 1978. Butler, David/Austin Ranney (Hrsg.), Referendums Around the World, Washington 1994. Caballero R., César A., Democracia participativa como respuesta del sistema a la desinstitucionalización política en Colombia, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1990. Cabrera A. et al., Los movimientos cívicos, CINEP, Bogotá 1986. Cáceres Corral, Pablo, La tutela: procesos, resultados, consecuencias y limitaciones, in: Fundación Konrad Adenauer (Hrsg.), Dos años de la nueva Constitución en Colombia, Bogotá ohne Jahr: 30-41. Cadena Copete, Pedro, La impotencia de los caudillos, Bogotá 1986. Cadena Copete, Pedro, El país nacional. Frente a la "solución" de partido, Bogotá 1982. Calderón, Fernando, Gobernabilidad y consolidación democrática: Sugerencias para la discusión, in: Revista de la CEPAL Nr. 7, Santiago de Chile 1995: 45-53. Calderón, Fernando, Subjetividad y modernización en las sociedades con temporáneas: del clientelismo burocrático a la cultura democrática en América Latina, in: Reforma y democracia: Revista del CLAD Nr. 3, Caracas 1995: 47-66. Calderón, Fernando/Mario Dos Santos, Hacia un nuevo orden estatal en América Latina. Veinte tesis sociopolíticas y un corolario, Santiago de Chile 1991. Cali, Charles T., From „Partisan Cleansing" to Power-sharing? Lessons for Security from Colombia's National Front, Center for International Security and Arms Control, Stanford (California) 1995. Camacho Guizado, Alvaro, Narcotráfico, coyuntura y crisis: sugerencias para un debate, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá September 1996: 129-151.

Bibliographie

475

Camargo, Santiago, Doce hipótesis sobre la participación popular en Colombia, in: La política social en los 90, Universidad Nacional de Colombia, Indepaz, Bogotá 1994: 167-173. Camargo, Pedro Pablo, La acción de tutela (texto y comentarios), pactos, protocolos, convenciones internacionales sobre derechos humanos, civiles, políticos, económicos, sociales y culturales, Bogotá 1992. Camargo, Pedro Pablo, El Estado laico en Colombia. Fin del Concordato con la Santa Sede, Bogotá 1995. Cambell, Angus/Philip E. Converse/Warren E. Miller/Donald E. Stokes, The American Voter, New York 1960. Cambell, Angus/Gerald Gurin/Warren E. Miller, The Voter Decides, Evanstone 1954. Cambell, Angus, u.a., Elections and the Political Order, New York 1966. Cammack, Paul, Democratization and Citizenship in Latín America, in: Geraint Parry/Michael Moran (Hrsg.), Democracy and Democratization, New York, 1994: 174-195. Camp, Roderic Ai (Hrsg.), Democracy in Latin America. Patterns and Cycles, Wilmington (Delaware) 1996. La ,Campaña del No' vista por sus creadores, Realizado con base en el seminario La .Campaña del No', Análisis y perspectivas, Santiago el 24 y 25 de noviembre de 1988 por el CIS, Santiago de Chile 1989. Cancino, César (Hrsg.), Gobiernos y partidos en América Latina: un estudio comparativo, (unter Mitarbeit von María Amparo Casar und Rachel Meneguello), México 1997. Cancino, César, Las relaciones gobierno-partido en América Latina, Lincamientos teóricos para el análisis comparado, in: Ders. (Hrsg.), Gobiernos y partidos en América Latina: un estudio comparativo, (unter Mitarbeit von María Amparo Casar und Rachel Meneguello), México 1997: 17-44. (zitiertals 1997a) Canclini, Néstor García, Culturas híbridas. Estrategias para entrar y salir de la modernidad, México 1990. Cárdenas, John Jairo, Participación y democracia. Algo más que elegir y ser elegido, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá Feb. 1987: 44-48. Cárdenas, Martha (Hrsg.), Colombia piensa la democracia, Departamento de Ciencia Política, Ediciones Uniandes, CEREC, Bogotá 1989. Cárdenas, Miguel Eduardo (Hrsg.), Modernidad y sociedad política en Colombia, Bogotá 1993. Cárdenas, Miguel Eduardo/Oscar Delgado, Reconstrucción de la esfera pública y voto cívico-independiente en Colombia, in: Nueva Sociedad, Nr. 141, Caracas, Jan.-Feb. 1996: 54-67. Cárdenas Santa-María, Jorge Hernán et al., Gobernabilidad y reforma del Estado, Asociación Colombiana para la Modernización del Estado, Medellín 1994. Cardona, Diego (Hrsg.), Crisis y transición democrática en los países andinos, Bogotá 1991. Cardona Grisales, Guillermo S. J., Religión y proselitismo político, ¿una mezcla inconveniente?, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 26, Bd. 6, Bogotá 1994: 10-11.

476

Bibliographie

Cardoso, Femando/Faletto Enzo, Dependency and Development in Latin America, Berkeley 1979. Carothers, Thomas, The Observers Observed, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 8, Juli 1997: 17-31. Carreras, Sandra, 15 Jahre im Labyrinth: Wegmarken und Aponen der Debatte über die Demokratie in Lateinamerika, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1998, Frankfurt a. M. 1998: 35-53. Cartier, William J., Civic Movements and Politics in Colombia, in: Canadian Journal of Latin American and Caribbean Studies Nr. 24, Bd. 12, Montreal 1987: 103-120. Casper, Gretchen, Fragile Democracies, London 1995. Casper, Gretchen/Michelle M. Taylor, Negotiating Democracy: Transitions from Authoritarian Rule, Pittsburgh 1996. Castillo, Fabio, Los nuevos jinetes de la cocaína, Bogotá 1996. Castro, Jaime, La democracia local, ideas para un nuevo régimen departamental y municipal, Bogotá 1984. Castro, Jaime, Elección popular de alcaldes, Bogotá 1996. Castro, Jaime, Reforma politica. Transformación económica y social, Serie Reforma Política Nr. 4, FESCOL, Bogotá 1987. Castro Caycedo, Germán, Colombia amarga, Bogotá 1976. Castro P., Rubby/Rosalba Zambrano L., Aproximaciones a la filosofìa política de los partidos tradicionales en Colombia, monografia de grado, Departamento de Filosofia, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1979. Castro Victoria, Freddy, La revocatoria del mandato: alcances, aplicabilidad y perspectivas, Uniandes, Bogotá 1993. Cavarozzi, Marcelo, Más allá de las transiciones a la democracia en América Latina, in: Revista de Estudios Políticos Nr. 74, Madrid Okt.-Dez. 1991: 85-111. Cavarozzi, Marcelo, Transformaciones de la política en la América Latina contemporánea, in: Análisis Político Nr. 19, Bogotá Mai.-Aug. 1993: 25-38. Centeno, Miguel Angel/Patricio Silva, The Politics of Expertise in Latin America: Introduction, in: Dies. (Hrsg.), The Politics of Expertise in Latin America, Houndmills u.a. 1998: 1-12. Centero, Miguel Angel/Mauricio A. Font (Hrsg.), Toward a New Cuba?: Legacies of a Revolution, Boulder/London 1997. Centro de Estudios e Investigación Sociales, Identidad democrática y poderes populares, Bogotá 1993. Centro de Estudios Internacionales. Foro Interamericano Democracia 2000: los grandes desafíos en América Latina, Fundación Simón Bolívar, Bogotá 1991. Cepeda, Manuel José, ¿Cómo son las elecciones en Colombia? Guía del votante, FESCOL, CEREC, CIDER, Bogotá 1986. Cepeda, Manuel José, La Constitución de 1991 ante nuestra realidad. Respuesta a algunas críticas, Cátedras de Grado, ESAP, Bogotá 1992. Cepeda, Manuel José, La Constitución que no fue y el significado de los silencios constitucionales, Bogotá 1994.

Bibliographie

477

Cepeda, Manuel José, La Constituyente por dentro: mitos y realidades, Bogotá 1993. Cepeda, Manuel José, Introducción a la Constitución de 1991. Hacia un nuevo constitucionalismo, Bogotá 1993. (zitiert als 1993a) Cepeda, Manuel José, La polémica sobre la acción de tutela, in: Revista Foro Nr. 17, Bogotá April-Aug. 1992: 24-31. (zitiert ais 1992a) Cepeda Ulloa, Fernando, El Congreso colombiano ante la crisis, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 75-97. Cepeda Ulloa, Fernando, La corrupción administrativa en Colombia. Diagnóstico y recomendaciones para combatirla, Bogotá 1994. Cepeda Ulloa, Fernando, Debate sobre la Constituyente, Universidad de los Andes, Bogotá 1977. Cepeda Ulloa, Fernando, El esquema gobierno-oposición, Ministerio de Gobierno, Bogotá 1987. Cepeda Ulloa, Fernando, El régimen de los partidos en el derecho político colombiano, Ministerio de Gobierno, Bogotá 1987. (zitiert als 1987a) Cepeda Ulloa, Fernando, Los topes, el jucio, la dignidad y el debate de la Cámara sobre la continuidad del Presidente, in: Estrategia Económica y Financiera Nr. 237, Bogotá 1995. Cepeda Ulloa, Fernando/Claudia de Lecaros, Comportamiento del voto urbano en Colombia, Universidad de los Andes, Bogotá 1977. Cerda Cruz, Rodolfo/Juan Rial/Daniel Zovatto, Elecciones y democracia en América Latina 1988-1991: Una tarea inconclusa, IIDH, CAPEL, San José 1992. Cerdas, Rodolfo, Los partidos políticos en Centroamérica y Panamá, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 17-28. Chalmers, Douglas A. et al., (Hrsg.), The New Politics of Inequality in Latin America: Rethinking Participation and Representation, Oxford 1997. Chanan, Gabriel, Salir de la sombra. La acción comunitaria local y la Comunidad Europea, Dublin 1992. Chaney, Elsa M., Supermadre: la mujer dentro de la política en América Latina, México 1983. Charria Angulo, Alfonso, ¿Plebiscito, referendum o dictadura? La Constitución de Barco, Bogotá 1988. Charry S., Héctor, El liberalismo entre la realidad y la utopía, Bogotá 1977. Chernick, Mark W., Reforma política, apertura democrática y desmonte del Frente Nacional, in: Vásquez de Urrutia, Patricia (Hrsg.), La democracia en blanco y negro. Colombia en los ochenta, Bogotá 1989: 285-320. Chernick, Mark W./Michael Jiménez, Popular Liberalism and Radical Democracy: The Development of the Colombian Left 1974-1990, Mimeo presentado en la Research Conference Violence and Democracy in Colombia and Perú, Columbia University, Nueva York 1990. Child, Jorge, El MRL, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. Cincuenta años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 68-90.

478

Bibliographie

Cifuentes, Roberto, Zur Typologie politischer Parteien in Lateinamerika. Die Fälle Chile und Argentinien, Heidelberg 1983. Cifuentes Noyes, Ariel (Hrsg.), Diez años de descentralización. Resultados y perspectivas, FESCOL, Bogotá 1994. CIJUS, Incidencia social de la tutela, Ministerio de Justicia, Bogotá 1995. CINEP (Hrsg.), Colombia: análisis al futuro, Bogotá 1992. CINEP, Elecciones 1978: Legislación, abanico político, resultados en febrero, Controversia Nr. 64-65, Bogotá Mai-Juni 1978. CINEP, La izquierda colombiana y las elecciones de 1978, Controversia Nr. 57-58, Bogotá Sept.-Okt. 1977. CINEP, Colombia piensa la democracia, Bogotá 1989. Coggins, John/ D. S. Lewis (Hrsg.), Political Parties of the Americas and the Caribbean. A Reference Guide, London 1992. Collier, David, The New Authoritarianism in Latín America, Princeton 1979. Collier, David/Levitsky, Steven, Democracy with Adjectives: Conceptual Innovation in Comparative Research, in: World Politics, April 1997: 430-451. Colmenares, Germán, Partidos Políticos y clases sociales en Colombia, Bogotá 1984. Colmenares, Julio Silva, Economía y democracia, in: Vargas Velásquez, Alejo et al., Democracia formal y real. Programa Educación para el Desarrollo, Instituto para el Desarrollo de la Democracia Luis Carlos Galán, Bogotá 1994: 221-274. Colombia. Presidente 1986-1990 (Barco Vargas, V.), Del plebiscito a la Asamblea Constitucional, Bogotá 1990. Comisión de Estudios sobre la Violencia, Colombia: violencia y democracia. Informe presentado al Ministerio de Gobierno, Universidad Nacional, Colciencias, Bogotá 1988. Comisión Nacional de Historia del Partido Comunista de Colombia, Sobre la historia del Partido Comunista Colombiano, in: Estudios Marxistas Nr. 10, Bogotá 1975. Comité Ejecutivo Nacional A Luchar, Organización ,A Luchar', in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 181-186.

Comité de Solidaridad con los Presos Políticos, El libro negro de la represión. Frente Nacional 1958-1974, Bogotá 1974. Comunidades Negras, Territorio y desarrollo, propuestas y discusión, in: Edición Especial Revista Esteros, Marzo de 1996. Condessa, Jaime et al., Proyecto de institucionalización de los partidos políticos en Colombia, Documentos Ocasionales del CINEP Nr. 8, Bogotá 1983. Consejería para la Modernización del Estado, La estrategia anticorrupción: presente y futuro. Ideas para la agenda de gobierno, Ministerio de Gobierno, Bogotá 1994. Consejo Nacional Electoral, Encuestas de opinión de carácter electoral: primer foro (agosto de 1993), memorias Colombia, Bogotá 1994.

Bibliographie

479

Consejo Regional Indígena del Cauca - CRIC, Elementos para asumir un debate inteligente, Popayán 1998. (mimeo) La Constitución contra la violencia. Memorias del Encuentro de Constituyentes, 27.2.1995, Bogotá 1995. Controloría General de la República, La modernización del Estado, Bogotá 1993. Converse, Philip E., On Time and Partisan Stability, in: CPS 2, 1969: 139-171. Conway, M. Margaret, The Study of Political Participation: Past, Present, and Future, in: W. Crotty (Hrsg.), Political Science: Looking to the Future, Evanston, Northwestern University Press, Bd. 3, 1991: 31-50. Coordinación Alemana por los Derechos Humanos en Colombia (Hrsg.), Los derechos humanos en Colombia. Análisis de la problemática y del trabajo internacional de derechos humanos, Memorias del Taller Europeo, Bendorf 11 .14. Sept. 1997. Coppedge, Michael, The Dynamic Diversity of Latín American Party Systems, in: Party Politics Nr. 4, Bd. 4, 1998: 547-568. Coppedge, Michael, The Evolution of Latin American Party Systems, in: Scott Mainwaring/Arturo Valenzuela (Hrsg.), Politics, Society, and Democracy. Latin America, Boulder 1998: 171-206. (zitiertals 1998a) Coraggio, Luis J., Poder local, poder popular, in: Cuadernos del CLAEH Nr. 45-46, Montevideo 1988: 101-120. Cordell Robinson, J., El movimiento gaitanista en Colombia, Bogotá 1976. Cornelius, Wayne A., Mexican Politics in Transition: The Breakdown of a OneParty-Dominant-Regime, San Diego 1996. Corporación S.O.S. - Viva la Ciudadanía, Constitución 1991, Caja de Herramientas, Bogotá 1992. Corporación S.O.S. - Viva la Ciudadanía, Soberanía popular y democracia, Bogotá 1992. Correa, María E./Ulises Rinaudo, La gestión municipal a la luz de la descentralización. Aspectos políticos, Bogotá 1990. Correa, Néstor Raúl, Descentralización y orden público, in: Ariel Cifuentes Noyes (Hrsg.), Diez años de descentralización, FESCOL, Bogotá 1994: 9-61. Correa, Néstor Raúl, Nexos descentralización - orden público, in: FESCOL (Hrsg.), Descentralización y orden público, Bogotá 1997: 19-35. Correa R., Roberto A./Alvaro Pinto, Gérmenes políticos de Ciudadanos en Formación, Bogotá 1995. (mimeo) Corredor, Ana María, La guerra y la reproducción del régimen político. El conflicto por el poder local y regional, entre guerrilla y paramilitarismo durante las elecciones del 26 de octubre de 1997, Tesis de grado para optar el título de politóloga, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1998. Corsetti, G./Motta N./Tassara C., Cambios tecnológicos, organización social y actividades productivas en la Costa Pacífica colombiana, Editorial ECOE-CISP, Bogotá 1990.

480

Bibliographie

Cortés L., Pedro, Los movimientos sociales indígenas, in: Revista Foro Nr. 18, Bogotá Sept.-Nov. 1992: 108-116. Cortina, Adela, Hacer reforma: la ética del la sociedad civil, Grupo Anaya, Madrid 1995. Cotler, Julio, Crisis política, „Outsiders" y democraduras: el „fujimorismo", in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 117-141. Coup, Fran^oise, La reforma municipal en Medellín, in: Revista Foro Nr. 4, Bogotá Nov. 1987: 67-74. Covián Pérez, Miguel, Voluntad electoral y opinión pública, in: Línea Nr. 20. México 1976: 55-62. Craig, Ann L.AVayne A. Cornelius, Political Culture in Mexico: Continuities and Revisionist Interpretations, in: Gabriel A. Almond /Sidney Verba, The Civic Culture Revisited, Newburg Park u.a. 1989 (1. Auflage Boston 1980): 325-393. Craig, Richard B., Domestic Implications of Illicit Colombian Drug Production and Trafficking, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs Nr. 2, Bd. 29, 1987: 1-34. Crewe I./Denver D. (Hrsg.), Electoral Change in Western Democracies, New York 1985. CRIC, Equipo de capacitación del, El movimiento indígena, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 294-306. Croissant, Aurel, Genese, Funktion und Gestalt von Parteiensystemen in jungen asiatischen Demokratien, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997, 293-336. Croissant, Aurel/Peter Thiery, Defekte Demokratie. Konzept, Typen, Messung, in: Hans-Joachim Lauth/Hans-Joachim Pickel/Gert Welzel (Hrsg.), Demokratiemessung. Konzepte und Befunde im internationalen Vergleich, Wiesbaden 2000: 89111.

Croissant, Aurel/Claudia Eicher/Peter Thiery, Defekte Demokratien: Konzepte, theoretischer Zugriff und methodisches Design für den interregionalen Vergleich, Forschungspapier, Heidelberg 24.4.1999. Croissant, Aurel/Peter Thiery/Wolfgang Merkel, Defekte Demokratien - Konzept und empirische Befunde, Papier präsentiert auf dem 21. Wissenschaftlichen Kongreß der DVPW „Politik in einer entgrenzten Welt", Halle (Saale), 1.-5. 10. 2000. Cruz Benedetti, Annedore, Linksparteien zwischen Unterentwicklung und Armut. Kolumbiens Linke und ihr Verhältnis zu Basisbewegungen. Frankfurt a. M./Bern/ New York 1985. Cuello Duarte, Francisco, Alcaldes: líderes y gerentes del nuevo municipio, Bogotá 1994. Cuervo Rojas, Gonzalo, El Congreso responsable de los males de Colombia, Bogotá 1988.

Bibliographie

481

Cusnick, Uwe, Übergangsprobleme von autoritären Regimen zu demokratischen Systemen am Beispiel Spanien, Frankfurt a. M. u.a. 1997. Cunill, Nuria, Participación ciudadana. Dilemas y perspectivas para la democratización de los Estados latinomericanos, Caracas, Centro Latinoamericano de Administración para el Desarrollo, 1991. Czada, Roland/Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Verhandlungsdemokratie, Interessenvermittlung, Regierbarkeit, Opladen 1993. Daalder, Hans/Peter Mair (Hrsg.), Western European Party Systems. Continuity & Change, Berverly Hills u.a. 1983. Dahl, Robert A., Democracy and its Critics, New Haven/London 1989. Dahl, Robert A., Poliarchy: Participation and Opposition, New Haven 1971. Dahl, Robert A., Thinking about Democratic Constitutions: Conclusions from Democratic Experience, in: I. Shapiro/ R. Hardin (Hrsg.), Political Order (Nomos 38), New York 1996: 175-206. Dalton, Russel J./Martin P. Wattenberg, The not so Simple Act of Voting, in: A. Finifter (Hrsg.), Political Science, Washington, American Political Science Association, 1993: 193-218. Dammann, Rüdiger, Die dialogische Praxis der Feldforschung: Der ethnographische Blick als Paradigma der Erkenntnisgewinnung, Frankfurt a. M./New York 1991. DANE, Buscando las causas del 19 de abril de 1970, in: DANE, Colombia política, Bogotá: 207-398. Dávila Ladrón de Guevara, Andrés, Clientelismo y elección popular de alcaldes: dilemas y "sinsalidas" en la conformación de un nuevo sistema político, in: FESCOL/Centro de Pensamiento Político Milenio (Hrsg.), Descentralización y corrupción, Bogotá 1996: 49-68. Dávila Ladrón de Guevara, Andrés, Democrazia pactada: El Frente Nacional y el Proceso Constituyente de 1991 en Colombia, Mexiko-Stadt 1997. Dávila Ladrón de Guevara, Andrés, Proceso electoral y democracia en Colombia: las elecciones de marzo y mayo de 1990, in: Revista Mexicana de Sociología Nr. 4, México 1990: 99-125. Dávila Ladrón de Guevara, Andrés/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998. Dávila Ladrón de Guevara, Andrés/Ana María Corredor, Las elecciones del 26 de octubre: ¿Como se reprodujo el poder local y regional?, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 77-116. De la Calle Lombana, Humberto, Financiación de los partidos políticos y campañas electorales en Colombia, in: Pilar del Castillo/Daniel Zavatto G., La financiación de la política en Iberoamérica, IIDH-CAPEL, San José 1998, 101-145. De la Calle Lombana, Humberto, Proyecto de reforma electoral, in: Revista Javeriana Nr. 596, Bd. 62, Bogotá Juli 1993: 105-108.

482

Bibliographie

De la Calle Lombana, Humberto/Jorge Mario Eastman Robledo, En defensa de la descentralización y de la autonomía territorial, Estudios Constitucionales, Bogotá 1996. De Roux, Francisco, S.J., Candidatos, programas y compromisos, Controversia Nr. 103, Bogotá 1982. De Vengoechea, Alejandra, Entre dos aguas, in: Cambio 16, 20.7.1998: 21-23. De Zubiría Samper, Andrés, Constitución y descentralización territorial, Bogotá 1994. Dealy, Glen, The Tradition of Monistic Democracy in Latin America, in: Howard J. Wiarda (Hrsg.), Politics and Social Change in Latin America: The Distinct Tradition, Amherst, Massachusetts 1974. Deas, Malcom/Ossa Carlos (Hrsg.), El Gobierno Barco: política, economía y desarrollo social en Colombia, 1986-1990, Bogotá 1994. Delgado, Alvaro/Matha C. García/Esmeralda Prada, Gavina frente al sector popular: del dicho al hecho..., in: Ciendías visto por el CINEP Nr. 6, Bd. 6, Bogotá Mai.-Juli 1994: 20-25. Delgado, Oscar, La campaña presidencial. Independencia grita, in: Economía Colombiana y Coyuntura Política Nr. 270, März 1998: 4 6 ^ 9 . Delgado, Oscar, Colombia elige: mitaca 84 - perspectivas 86, Programa de Estudios Políticos, FEI, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1986. Delgado, Oscar, Comportamiento electoral en 1994: Importancia de la franja, in: Colombia elige presidente, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 5-17. Delgado, Oscar, Dominación, modernización y democracia en Colombia, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 207-283. Delgado, Oscar, Intención de voto en la campaña presidencial, Bogotá 1998. (mimeo) (zitiert als 1998a) Delgado, Oscar, Voto heterodoxo, franjas, despolitización, Bogotá 1994. (mimeo) (zitiert als 1994a) Delgado, Oscar/Miguel Eduardo Cárdenas, Las elecciones presidenciales de 1998, Bogotá 1998. (mimeo) Delgado, Oscar et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993). (zitiert als 1996a) Delgado Gutiérrez, Adriana, Participación ciudadana y control político. La experiencia de la veeduría a la elección presidencial en Colombia, in: Revista Javeriana Nr. 646, Juli 1998: 25-34. Delia Porta, Donatella/Yves Meny, Democracy and Corruption in Europe, London 1997. Deth, Jan W. van, Formen konventioneller politischer Partizipation. Ein neues Leben alter Dinosaurier?, in: Oscar W. Gabriel (Hrsg.), Politische Orientierung und Verhaltensweisen im vereinigten Deutschland, Opladen 1997: 291-319. Diamond, Larry, Democracy in Latin America: Degrees, Illusions, and Directions for Consolidation, in: Tom Farer (Hrsg.), Beyond Sovereignty. Collectively Defending Democracy in the Americas, Baltimore/London 1996: 52-104.

Bibliographie

483

Diamond, Larry, Developing Democracy toward Consolidation, Baltimore/London 1999. Diamond, Larry, Is the Third Wave over?, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 7, Juli 1996: 20-37. Diamond, Larry (Hrsg.), Political Culture and Democracy in Developing Countries, Boulder 1993. Diamond, Larry, Toward Democratic Consolidation, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 5, Juli 1994: 4-17. Diamond, Larry/Juan J. Linz, Introduction: Politics, Society and Democracy in Latin America, in: Larry Diamond/Juan J. Linz/Seymour Martin Lipset (Hrsg.), Democracy in Developing Countries, Boulder/London 1989: 1-58. Diamond, Larry/Juan J. Linz/Seymour Martin Lipset (Hrsg.), Democracy in Developing Countries, 4 Bde., Boulder/London 1989. Diamond, Larry/Juan J. Linz/Seymour Martin Lipset (Hrsg.), Politics in Developing Countries: Comparing Experiences with Democracy, Boulder/London 1990. Diamandouros, P. Nikoforos/Hans-Jiirgen Puhie/Richard Gunther, Conclusion, in: Richard Gunther/P. Nikoforos Diamandouros/Hans-Jürgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/ London 1995: 403-420. Díaz-Callejas, Apolinar, La abdicación final del partido liberal colombiano, in: Nueva Sociedad Nr. 58, Caracas, Jan.-Feb. 1982: 126-136. Días-Callejas, Apolinar, El Estado de sitio ante la Constituyente colombiana, in: Nueva Sociedad Nr. 112, Caracas März-April 1991: 66-72. Díaz-Callejas, Apolinar, Foro: Crisis institucional y doctrina de la seguridad nacional en Colombia, in: Ko'eyú latinoamericano Nr. 12, Caracas 1980: 21-27. Díaz Uribe, Eduardo, El clientelismo en Colombia. Un estudio exploratorio, Bogotá 1986. Diccionario electoral, IIDH, CAPEL, San José 1988. Dillon Soares, Claudio Ary, El futuro de la democracia en América Latina, in: Estudios Internacionales Nr. 66, Jahr XVII April-Juni 1984: 202-231. Dillon Soares, Claudio Ary/Nelson do Valle Silva, Urbanization, race, and class in Brazilian politics, in: Latin America Research Review Nr., 2. Bd. 22, Albuquerque (N.M.) 1987: 155-176. Dirección Liberal Nacional, Hacia un liberalismo social, Bogotá 1979. Dix, Robert Heller, Cleavage Structures and Party Systems in Latin America, in: Comparative Politics Nr. 1, Bd. 22, 1989: 23-37. Dix, Robert Heller, Colombia: The Political Dimensions of Change, New Haven 1967. Dix, Robert Heller, Consociational Democracy. The Case of Colombia, in: Comparative Politics Nr. 3, Bd. 12, 1980: 303-321. Dix, Robert Heller, Democratization and the Institutionalization of Latin American Political Parties, in: Comparative Political Studies, Bd. 24, Jan. 1992: 488-511.

484

Bibliographie

Dix, Robert Heller, Incumbency and Electoral Turnover in Latin America, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs Nr. 4, Bd. 26, Beverly Hills/London/ New Delhi 1984: 435-448. Dix, Robert Heller, Political Opposition under the National Front, in: Albert R. Berry/Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 131-179. (zitiert als 1980a) Dix, Robert Heller, The Politics of Colombia, New York, Westport (Conn.), London 1987. Dix, Robert Heller, Populism: Authoritarian and Democratic, in: Latin American Research Review Nr. 2, Bd. 20, 1985: 29-52. Dixon, David E., The New Protestantism in Latin America. Remembering what we Already Know, Testing what we have Learned, in: Comparative Politics Nr. 4, Bd. 27, Juli 1995: 479-492. Domíguez, Jorge Ignacio/Marc Lindenberg (Hrsg.), Democratic Transitions in Central America, Gainesville, Florida 1997. Domínguez, Jorge Ignacio/James A. McCann, Democratizing Mexico: Public Opinion and Electoral Choices, Baltimore/London 1996. Dooner, Patricio/Gonzalo Fernández, El concepto de democracia. Algunas precisiones in: Estudios Sociales Nr. 24, trimestre 2,1980: 21-43. Dorada A., María Christina, Die Fallstudie als komparative Methode. Entscheidungsfindung in der lokalen Verwaltung von Pereira (Kolumbien), in: Comparativ Nr. 2, Jg. 5, 1995: 109-127. Dos años de la nueva Constitución en Colombia, Fundación Friedrich Naumann, ohne Ort, ohne Jahr. Dos Santos, Mario R., (Hrsg.), ¿Qué queda de la representación política?, CLACSO, Caracas 1992. Downs, Anthony, An Economic Theory of Democracy, New York 1957. Drake, Paul/Eduardo Silva (Hrsg.), Elections and Democratisation in Latin America, 1980-1985, San Diego 1986. Duarte G., Ricardo, Firmes: alternativa democrática de oposición, Alcaraván, Bogotá 1980. Dugas, John C., Explaining Democratic Reform in Colombia: The Origins of the 1991 Constitution, Indiana University 1997. Dugas, John C., El desarrollo de la Asamblea Nacional Constituyente, in: Ders. (Hrsg.), La Constitución de 1991: ¿un pacto político viable?, Bogotá 1993: 45-76. Dugas, John C./Angélica Ocampo/Luis Javier Orejuela/Germán Ruiz (Hrsg.), Los caminos de la descentralización. Diversidad y retos de la transformación municipal, Bogotá 1992. Dugas, John C./Angélica Ocampo/Germán Ruiz, La reforma descentralizada en diez municipios. Un estudio empírico y una explicación teórica, in: John C. Dugas et al. (Hrsg.), Los caminos de la descentralización. Diversidad y retos de la transformación municipal, Bogotá 1992: 85-148.

Bibliographie

485

Duque Gómez, Diana, Colombia 1982-1990. Una guerra irregular entre dos ideologías. Un enfoque liberal, Bogotá 1991. Duque, María C., Mitaca 84 ¿Por qué los eligieron?, FEI, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1985. Durán Barba, Jaime/Carlos Alberto Montaner/Eduardo Ulibarri, El rol de los medios de comunicación en el proceso de transición y consolidación democrática en América Latina, Quito 1993. Duverger, Maurice, Les parties politiques, París 1958. (Deutsch: Die politischen Parteien, Tübingen 1959; Spanisch: Los partidos políticos, México 1981) Eastman Robledo, Jorge Mario, Descentralización y corrupción: el problema de la gobernabilidad, in: FESCOL/Centro de Pensamiento Político Milenio (Hrsg.), Descentralización y corrupción, Bogotá 1996: 69-82. Eastman Robledo, Jorge Mario, Hacia una democracia de plena participación. Ministerio de Gobierno, Memoria 1980-1982, Colección Legislación, doctrina y jurisprudencia, Bd. 10, Bogotá 1982. Eastman Robledo, Jorge Mario, La reforma constitutional de 1979, Bogotá 1988. Eastman Robledo, Jorge Mario, Relatoría del seminario sobre descentralización y corrupción, in: FESCOL/Centro de Pensamiento Político Milenio (Hrsg.), Decentralización y corrupción, Bogotá 1996: 99-109. Eastman Robledo, Jorge Mario, Seis reformas estructurales al régimen político. Resultados electorales de 1930 a 1982, Ministerio de Gobierno, Bogotá 1982. (zitiert ais 1982a) Easton, David, A Systems Analysis of Politicai Life, Chicago/London 1965. Echandía, Darío, El gobernante, el parlamentario, Banco de la República, Bogotá 1981. Echeverri Uruburu, Alvaro, Elites y proceso político en Colombia, 1950-1978. Una democracia pricipesca y endogàmica. Régimen político colombiano en los últimos treinta años, Bogotá 1987. Echeverri, Alvaro/Humberto Oviedo, Colombia: de la Doctrina de la Seguridad Nacional a la apertura democrática, Conferencia dictada en el Congreso de la Asociación de Juristas Demócratas, Atenas 1984. Echeverri de Restrepo, Carmenza, La Constitución de 1991 ante la crisis de legitimidad institucional, Universidad Libre de Cali, Cali 1995. Echeverry Uruburu, Alvaro, Elites y proceso político en Colombia, 1950-1978: Una democracia principesca y endogàmica. Régimen político en los últimos 30 años, Fundación Universidad Autónoma de Colombia (FUAC), Bogotá 1986. Echeverry Uruburu, Alvaro/Eduardo Pizarro Leóngómez, La democracia restringida en Colombia, in: Estudios Marxistas Nr. 21, Bogotá 1981: 34-55. Eith, Ulrich, Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme: Möglichkeiten und Grenzen des überregionalen Vergleichs, in: Ulrich Eith/Gerd Mielke (Hrsg.), Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme. Länder und Regionalstudien, Wiesbaden 2001: 322-335. Eisenstadt, Shmuel N./René Lemarchand (Hrsg.), Politicai Clientelism, Patronage and Development, Beverly Hills 1981.

486

Bibliographie

Eisenstadt, Shmuel N./Luis Roniger, Patrons, Clients and Friends: Interpersonal Relations and the Structure of Trust in Society, Cambridge/London/New York, 1984. Eljach, Sonia, Las Juntas Administradoras Locales: ¿en qué va este proceso?, in: Revista Foro Nr. 9, Bogotá 1989: 94-104. Elklit, Jorgen/Palle Svensson, What makes Elections Free and Fair?, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 8, Juli 1997: 3 2 ^ 6 . Elster, Jon, The Necessity and Impossibility of Simultaneos Economic and Political Reform, in: Douglas Greenberg et al. (Hrsg.), Constitutionalism and Democracy, New York 1993: 267-311. Elster, Jon, Die Schaffung von Verfassungen: Analyse der allgemeinen Grundlagen, in: Ulrich K. Preuß (Hrsg.), Zum Begriff der Verfassung, Frankfurt a. M., 1994: 37-57. Encuentro Ciudadano por la Democracia, in: Agenda Ciudadana. Documentos de trabajo, Separata Caja de Herramientas, Viva la Ciudadanía, Bogotá ohne Jahr: 45. Entrevista con Jesús Piñacué, No hubo castigo, ni cometí ningún delito, in: Visión Chamánica Nr. 1, Feb. 1999: 22-24. Equipo de coyuntura política, Elecciones presidenciales 94: entre imagen, opinión y maquinarias, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 26, Bd. 6, Bogotá 1994: 7-9. Equipo de investigación sobre élites parlamentarias, Elites parlamentarias iberoamericanas, Universidad de Salamanca, Agencia Española de Cooperación Internacional, Centro de Investigaciones Sociológicas, Madrid 1998. Erazo-Heufelder, Jeanette, Gloria Cuartas. Bürgermeisterin für den Frieden. Portrait der kolumbianischen Menschenrechtskämpferin, Göttingen 1999. Escalante, Luz Marina, Vivir la democracia, Bogotá 1994. Escobar, Arturo/Sonia Alvarez (Hrsg.), The Making of Social Movements in Latin America, Boulder 1992. Escobar, Arturo/Alvaro Pedrosa (Hrsg.), Pacífico ¿desarrollo o diversidad? Estado, capital y movimientos sociales en el Pacifico colombiano, Bogotá 1996. Escobar, Cristina, Clientelism and Social Protest: Peasant Politics in Northern Colombia, in: Luis Roniger (Hrsg.), Democracy, Clientelism and Civil Society, Boulder, London 1994: 65-85. Escobar Herrán, Guillermo León, Alcaldes, concejales y ciudadanos. Manual para el municipio colombiano, Bogotá 1988. Escobar R./Motta N., Veinte años de planeamiento y acción en el litoral del Pacífico colombiano. Un proceso regional e internacional de aprendizaje y desarrollo, in: Series memorias de eventos científicos colombianos, Simposio: diferencias regionales, respuestas institucionales y descentralización, ICFES, Villa de Leyva 1989. Eslava Díaz, María Margarita, Apuntes sobre el voto obligatorio, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1987. Espina, Edgar, Los frentes populares en Colombia, in: Ideología y Sociedad Nr. 13, Bogotá 1975: 67-86.

Bibliographie

487

Espinel Vallejo, Manuel, Representación política y cultura ciudadana. El caso de la Alcaldía Mayor de Santa Fe de Bogotá, in: FESCOL (Hrsg.), La nueva representación política en Colombia, Bogotá 1997: 33-62. Espitia, Gonzalo, El alcalde para un nuevo municipio, Bogotá 1988. Esquive! Tirana, Ricardo (Hrsg.), Costa Pacifica y comunidades negras, catálogo bibliográfico colectivo, Instituto Colombiano de Antropología, Colcultura, Bogotá 1993. Estado moderno, La corrupción ¿Basta con estatutos y códigos?, Asociación Colombiana para la Modernización del Estado Nr. 4, Bd. 1, Bogotá 1993. Estrada, Alexei Julio, El Ombudsman en Colombia y en México. Una perspectiva comparada, México 1994. Estructuras políticas de Colombia. Centro de Investigación y Acción Social CIAS, in: Colección Monografías y documentos Nr. 3, Bogotá 1973 Ethier, Diane (Hrsg.), Democratic Transition and Consolidation in Southern Europe, Latin America and Southeast Asia, Basingstoke/London 1990. Faletto, Enzo, Cultura política y conciencia democrática, in: Revista de la CEPAL Nr. 35, Aug. 1988: 77-82. Faletto, Enzo, Especificidad del Estado en América Latina, CEPAL, Santiago de Chile 1988. Fals Borda, Orlando, La accidentada marcha hacia la democracia participativa en Colombia, in: Análisis Político Nr. 14, Bogotá Sept.-Dez. 1991: 46-58. Fals Borda, Orlando, Democracia participativa y Constituyente, in: Revista Foro Nr. 13, Bogotá Okt. 1990. Fals Borda, Orlando, El nuevo despertar de los movimientos sociales, in: Revista Foro Nr. 1, Bogotá Sept. 1986: 76-83. Fals Borda, Orlando, El reordenamiento territorial: itinerario de una idea, in: Análisis Político Nr. 20, Bogotá Sept.-Dez. 1993: 90-98. Falter, Jürgen W./Siegfried Schuhmann, Der NichtWähler - das unbekannte Wesen, in: Hans-Dieter Klingemann/Max Kaase (Hrsg.), Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1990, Opladen 1994: 161-213. Falter, Jürgen W./Siegfried Schuhmann/JSrgen Winkler, Erklärungsmodelle von Wählerverhalten, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 37-38, 14.9.1990: 3-13. Farer, Tom (Hrsg.), Beyond Sovereignty. Collectively Defending Democracy in the Americas, Baltimore/London 1996. FEDESARROLLO/IEPRI, Situación colombiana, Informe de coyuntura económica, política y social Nr. 8, Publicación trimestral de FEDESARROLLO y del IEPRI, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá April 1994. Fenner, Christian, Politische Kultur, in: Manfred G. Schmidt, Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 359-366. FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá 1996. FESCOL, Programa de formación política, Bogotá 1994. Fidler, Stephen, Mexico: What Kind of Transition?, in: International Affairs Nr. 4, Bd. 72, Okt. 1996: 713-725.

488

Bibliographie

Finkel, Steve/Edward N. Muller/Mitchel A. Seligson, Economic Crisis, Incumbent Performance, and Regime Support: West Germany and Costa Rica, in: British Journal of Political Science Nr. 19, Cambridge Juli 1989: 329-51. Fischer, Hans (Hrsg.), Feldforschungen: Berichte zur Einführung in Probleme und Methoden, Berlin 1985. Fishman, Robert M., Rethinking State and Regime: Southern Europe's Transition to Democracy, in: World Politics Nr. 3, Bd. 42, Okt. 1989-Juli 1990: 422-440. Flacks, Richard, „The party is over", ¿Qué hacer ante la crisis de los partidos políticos?, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 59-73. Flecha, Víctor-Jacinto, Historia de una ausencia. Notas acerca de la participación electoral en el Paraguay, in: Revista Paraguaya de Sociología Nr. 80, Asunción 1991: 63-87. Fleischhacker, Helga/Michael Krennerich/Bernhard Thibaut, Demokratie und Wahlen in Afrika und Lateinamerika: Bilanz der neunziger Jahre, in: Joachim Betz/Stefan Brüne (Hrsg.), Jahrbuch Dritte Welt 1997, München 1996: 93-107. Flisfìsch, Angel, The Challenges Faced by Latin America: Democracy, Structural Adjustment, and Social Cohesion, in: Joseph S. Tulchin/Augusto Varas, From Dictatorship to Democracy, Rebuilding Political Consensus in Chile, Boulder 1991: 9-20. Flores d'Arcáis, Paolo, La democracia tomada en serio, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept.-Nov. 1991: 79-89. Fluharty, Vernon Lee, La danza de los millones. Régimen military revolución social en Colombia (1930-1956), Bogotá 1981. (Original: Dance of the Millions. Military Rule an Social Revolution in Colombia 1930-1956, Pittsburg 1957). Forero P. et al, Descentralización y participación ciudadana, Bogotá 1997. Forero R., Diana, El movimiento revolucionario liberal y la Alianza Nacional Popular. La oposición discrepante durante el frente nacional, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1988. Foucault, Michel, Dispositive der Macht, Berlin 1978. Foweraker, Joe, Review Artide: Institutional Design, Party Systems and Governability - Differentiating the Presidential Regimes of Latin America, in: British Journal of Political Science Nr. 28: 651-676. Fox, Jonathan, Latin America's Emerging Local Politics, in: Journal of Democracy Nr. 2, Bd. 5, April 1994: 105-116. Fox, Jonathan, The Difficult Transition From Clientelism To Citizenship. Lessons from Mexico, in: World Politics Nr. 2, Bd. 46, Jan. 1994: 151-184. (zitiert als 1994a) Franco, Andrés, La ausencia de una agenda internacional, in: Revista Javeriana Nr. 646, Juli 1998: 59-65. Franco-Cuervo, A. Beatriz, Ermittlungsverfahren der Wahlergebnisse in Lateinamerika, Inauguraldissertation Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg 1995. Freedom House, Freedom in the World. The Annual Survey of Political Rights & Civil Liberties 1994-1995, New York 1995.

Bibliographie

489

Friedemann, Nina de, Estudios de negros en la antropología colombiana, in: Jaime Arocha/Nina de Friedemann (Hrsg.), Un siglo de investigación social: antropología en Colombia, Bogotá 1984: 507-553. Friedemann, Nina/Jaime Arocha, Génesis, transformación y presencia de los negros en Colombia, Bogotá 1982. Fuertes Forero, Marianela, La democracia limitante y simulada. Bajo ¡a hegemonía de mercado, Bogotá 1991. Fundación Friedrich Ebert (Hrsg.), Transición política y consolidación democrática en el Cono Sur latinoamericano, Madrid 1991. Fundación Social, Constitución Política de Colombia, comentada y concordada, Bogotá 1993. Fundación de Vida, Lo que no nos han contado...500 años de historia negra en Colombia, Bogotá ohne Jahr. Fundación de Vida, Lo que no nos han dicho sobre la Ley de las Comunidades Negras, Bogotá 1994. FUNDEPOP, Izquierda democrática, Bogotá 1999. (mimeo) Funke, Hans Heinrich, Kolumbien zu Beginn der neunziger Jahre, in: KAS-Auslandsinformationen, Juni 1990: 26-32. Funke, Hans Heinrich, Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung in Kolumbien, in: KAS-Auslandsinformationen, Feb. 1991: 21-36. Funke, Hans Heinrich, 1990 als Wahljahr in Kolumbien, in: KAS-Auslandsinformationen, Juni 1991: 27-40. Gabriel, Oscar W., Die Bürger, die Parteien und die Demokratie in Westeuropa, in: Gerd Hepp/Siegfried Schiele/Uwe Uffelmann (Hrsg.), Die schwierigen Bürger, Schwalbach 1994: 105-128. Gabriel, Oscar W., Politische Kultur aus der Sicht der empirischen Sozialforschung, in: Oskar Niedermayer/Klaus von Beyme (Hrsg.), Politische Kultur in Ost- und Westdeutschland, Berlin 1994: 22-42. Gaitán, Pilar, Algunas consideraciones acerca del debate sobre la democracia, in: Análisis Político Nr. 20, Bogotá Sept.-Dez. 1993: 47-57. Gaitán, Pilar, Análisis de la primera encuesta nacional a alcaldes y presidentes de consejos, in: Dies, et al., Comunidad, alcaldes y recursos fiscales, Bogotá 1991: 13-41. Gaitán, Pilar, La elección popular de alcaldes: un desafío para la democracia, in: Análisis Político Nr. 3, Bogotá Jan.-April 1988: 94-102. Gaitán, Pilar, Los equívocos de la descentalización, in: Pilar Gaitán/Carlos Moreno, Poder local: realidad y utopia de la descentralización en Colombia, Bogotá 1992: 19-50. Gaitán, Pilar, Gobernabilidad y decentralización política en Colombia: Elementos para una reflexión, Conference Paper Nr. 47 presented at the Research Conference, „Violence and Democracy in Colombia and Peru", held at Colombia University, 30 November to 1 December 1990. (mimeo) Gaitán, Pilar, Partidos políticos y actores sociales frente a la crisis del orden democrático. El caso colombiano, Bogotá 1992. (zitiert als 1992a)

490

Bibliographie

Gaitán, Pilar, Los partidos políticos y la elección popular de alcaldes, in: Allies, Paul et al., Elección popular de alcaldes: Colombia y la experiencia internacional, FIDEC, FESCOL, PROCOMUN, Bogotá 1988: 63-83. (zitiert ais 1988a) Gaitán, Pilar, Primera elección popular de alcaldes: expectativas y frustraciones, in: Análisis Político Nr. 4, Bogotá Mai-Aug. 1988: 63-83. (zitiert ais 1988b) Gaitán, Pilar/Carlos Moreno, Poder local: realidad y utopía de la descentralización en Colombia, Bogotá 1992. Gaitán Pilar/Clemente Forero, El pulso de la descentralización, in: Estado Moderno Nr. 1, Bd. 1, Sept. 1990: 60-68. Gaitán, Pilar et al., Comunidad, alcaldes y recursos fiscales, Bogotá 1991. Gaitán, Pilar et al., Los desafíos de la construcción democrática en Colombia. ¿Hacia una democracia representativa?, Instituto de Estudios Políticos y Relaciones Internacionales, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1995. Galindo Vacha, Juan Carlos, Estatuto de participación ciudadana (Ley 134 de 1994): Concordancias, notas y suplemento de consulta, Colombo, Bogotá 1994. Gallón Giraldo, Gustavo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989. Gallón Giraldo, Gustavo, Quince años de estado de sitio en Colombia. 1958-1978, Bogotá 1979. Garay, Jorge Luis, Descentralización, bonanza petrolera y estabilización. La economía colombiana en los arios 90, FESCOL, CEREC, Bogotá 1994. Garcés Lloreda, María Teresa, Las instituciones y la paz. La existencia de una democracia restringida, Controversia Nr. 153-154, Bogotá Okt. 1989. García, Irma, La izquierda: hora de definiciones, in: Colombia Hoy informa Nr. 70, Bogotá Juni 1989. García Duarte, Ricardo, Constituyente y recomposición política, in: Revista Foro Nr. 14, Bogotá April 1991. García Duarte, Ricardo, La crisis política o la desarticulación interna de la política, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 53-58. García Duarte, Ricardo, Elecciones parlamentarias en 1994: el mercado político y la lógica de la clientela, in: Revista Foro Nr. 23, Bogotá April 1994. García Duarte, Ricardo, El mercado político y la lógica de clientela, in: Revista Foro Nr. 23, Bogotá April-Aug. 1994: 17-25. García Duarte, Ricardo, El nuevo escenario político. Participación, representación y régimen de partidos, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept. 1991: 35-44. García Duarte, Ricardo/Hernán Suárez, Las elecciones de Congreso: entre el viejo y el nuevo país, in: Revista Foro Nr. 16, Bogotá Dez. 1991-Marz 1992: 3-7. García Duarte, Mauricio, Procesos de paz: de La Uribe a Tlaxcala, Bogotá 1992. García Márquez, Gabriel, Por un país al alcance de los niños, in: Misión Ciencia, Educación y Desarrollo (Hrsg.), Colombia: al filo de la oportunidad, Bd. 1, Colección Documentos de la Misión, Consejería Presidencial para el Desarrollo Institucional, Colciencias, Bogotá 1995: 15-37.

Bibliographie

491

García Villegas, Mauricio, Los límites de la democracia participativa, in: FESCOL, Sociedad civil, control social y democracia participativa, Bogotá 1997: 39-64. Garrard-Burnett, Virginia/David Stoll (Hrsg.), Rethinking Protestantism in Latin America, Philadelphia 1993. Garretón, Manuel Antonio, Political Parties and Redemocratisation in Latin America, Juni 1997. (mimeo) Garretón, Manuel Antonio, Reconstruir la política, transición y consolidación democrática en Chile, Santiago de Chile 1987. Garretón, Manuel Antonio, Representatividad y partidos políticos. Los problemas actuales, in: Thomas Manz/Moira Zuazo (Hrsg.), Partidos políticos y representación en América Latina, Venezuela 1998. Garzón M., Ramón, La crisis espiritual de los partidos políticos, Cali 1986. Garzón Valdés, Ernesto, Eine kritische Analyse der Funktionen des Rechtes in Lateinamerika, in: Ibero-Amerikanisches Archiv Nr. 3-4, 23. Jg. 1997: 321-361. Garzón Valdés, Ernesto, Die Stabilität politischer Systeme. Analyse des Begriffs mit Fallbeispielen aus Lateinamerika, Freiburg/München 1988. Gaviria, César, Alcaldes populares. Balance del primer año de gestión, in: B. Betancur/C. Gaviria/J. Castro, Un año después. Primera elección popular de alcaldes, Bogotá 1989: 25-38. Gebhardt, Jürgen, Direkt-demokratische Institutionen und repräsentative Demokratie im Verfassungsstaat, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B23/91, 31.5.1991: 16-30. Geise, Klaus, Funktion parteipolitischer Patronage auf der kommunalen Ebene der Bundesrepublik Deutschland, Bielefeld 1985. Gerlein Echevarría, Roberto, La estructura del poder en Colombia, Bogotá 1978. Giddens, Anthony, Die Konstitution der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1992. Gilhodes, Pierre, Les élections colombiennes de 1986. Contexte, résultats, perspectives, in: Problèmes d'Amérique Latine Nr. 84, Paris 1987: 29-44. Gilhodes, Pierre, Los partidos políticos, 1990-1995, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 64-92. Gilhodes, Pierre, Sistema de partidos y partidos políticos en Colombia, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 49-89. Gillespie, Charles G., Models of Démocratie Transition in South America: Negotiated Reform versus Démocratie Rupture, in: Diane Ethier (Hrsg.), Démocratie Transition and Consolidation in Southern Europe, Latin America and Southeast Asia, Basingstoke/London 1990: 45-72. Gills, Barry/Joel Rocamora, Low Intensity Democracy, in: Third World Quaterly Nr. 3, Bd. 13,1992: 33-55. Giraldo Angel, Jaime, La reforma constitucional de la justicia, in: John C. Dugas (Hrsg.), La Constitución de 1991: ¿un pacto político viable?, Bogotá 1993: 97133.

492

Bibliographie

Giraldo, Fernando/Rodrigo Losada/Patricia Muñoz (Hrsg.), Colombia: elecciones 2000, Bogotá 2001. Giraldo, Fernando, Referendo, corrupción y elecciones, in: Fernando Giraldo/ Rodrigo Losada/Patricia Muñoz (Hrsg.), Colombia: elecciones 2000, Bogotá 2001: 200-215. Giraldo García, Fernando, El discurso político de la izquierda. La paz y la violencia. Años 80, Medellín 1991. Giraldo, Jaime et al., Reforma de la justicia en Colombia, Bogotá 1987. Glotz, Peter/Rainer-Olaf Schultze, Reform, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 1, Politische Theorien, München 1995: 519-526. Gluchowski, Peter, Parteiidentifikation, in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Pipers Wörterbuch zur Politik, Bd. 1, Politikwissenschaft. Theorien - Methoden - Begriffe, München 1985: 677-680. Gobernador y gabinete, in: Tumaco, 2. Jahrgang, Juni-Juli Tumaco 1979: 6-8. Göhler, Gerhard, Einleitung, in: Gerhard Göhler/Kurt Lenk/Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg.), Die Rationalität politischer Institutionen. Interdisziplinäre Perspektiven, Baden-Baden 1990: 9-14. Göhler, Gerhard, Politische Institutionen und ihr Kontext. Begriffliche und konzeptionelle Überlegungen zu einer Theorie politischer Institutionen, in: Ders. (Hrsg.): Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer Institutionentheorie, Baden-Baden 1994: 19-46. Göhler, Gerhard, Der Zusammenhang von Institution, Macht und Repräsentation, in: Gerhard Göhler et al. (Hrsg.), Institution - Macht - Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken, Baden-Baden 1997: 11-62. Gold-Biss, Michael, Colombia: Understanding Recent Democratic Transformations in a Violent Polity, in: Latin American Research Review Nr. 1, Bd. 28, 1993: 215234. Gómez, Juan Gabriel, Justicia y contrareforma en Colombia: fueros y desafueros, in: Análisis Político Nr. 25, Bogotá Mai-Aug. 1995: 71-79. Gómez Aristazábal, Horacio, Diccionario de la historia de Colombia, Bogotá 1985 (2. korrigierte Auflage). Gómez Buendía, Hernando, ¿Cuál es el futuro del liberalismo?, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept. 1991:13-20. Gómez Buendía, Hernando, La corrupción en Colombia: una perspectiva política y gerencial, in: Estado Moderno Nr. 4, Bd. 1, Bogotá Okt. 1993: 12-35. Gómez Buendía, Hernando (Hrsg.), El liberalismo al banquillo, Instituto de Estudios Liberales, Bogotá 1989. Gómez Gómez, Elsa, La elección presidencial de 1982 en Bogotá: dinámica de la opinión electoral, ANIF, Bogotá 1982. Gómez J., Carlos Mario, La lista No. 335 de Otraparte. Una opción ciudadana, in: El Colombiano, 27.9.1994: 6A. Gómez Lobo, Alirio, Régimen de partidos políticos y alternativas al sistema electoral, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 139-185.

Bibliographie

493

González, Esperanza/Fernando Duque, La elección de juntas administradoras locales en Cali, in: Revista Foro Nr. 12, Bogotá Juni 1990: 77-88. González Casanova, Pablo/Marcos Roitman Rosenmann (Hrsg.), La democracia en América Latina, México 1995. González González, Fernán E., Consolidación del Estado nacional, Controversia Nr. 59-60, Bogotá 1977. González González, Fernán E., Droht uns ein teilweiser Zusammenbruch des Staates? Entwicklungsschwächen des Staates und Gewalt in Kolumbien, in: Staat, Gewalt und Klientelismus: Das Beispiel Kolumbien, Militärpolitik-Dokumentation Heft 76/77, Frankfurt a. M. 1990: 7-12. González González, Fernán E., Entre la Guerra y la Paz. Puntos de vista sobre la crisis colombiana de los años 80, Controversia Nr. 141, Bogotá 1987. González González, Fernán E., Iglesia católica y partidos políticos en Colombia, in: Universidadde Medellín Nr. 21, Medellín 1976: 87-159. González González, Fernán E., Soberanía popular y crisis del bipartidismo entre la política tradicional y la política moderna, in: Soberanía popular y democracia, Ediciones Foro por Colombia, Corporación S.O.S. Colombia, Viva la ciudadanía, ohne Ort, ohne Jahr: 140-191. González González, Fernán E., Tradición y modernidad en la política colombiana, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos. FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 1-47. González González, Fernán E./Miguel Eduardo Cárdenas, Partidos y crisis del sistema político en Colombia, in: Thomas Manz/Moira Zuazo (Hrsg.), Partidos políticos y representación en América Latina, Venezuela 1998: 111-138. González, Libardo, El Estado y los partidos políticos en Colombia, Bogotá 1975. González P., Camilo, Las estrategias del "Gobierno Nacional", in: Nueva Crítica Nr. 4, Bogotá 1984: 7-25. González P., Camilo, Movimientos sociales y políticos en los años 80, En búsqueda de una alternativa, documentos del CINEP, Bogotá 1987. González Posso, Darío, Colombia: el sueño de la democracia, Bogotá 1991. González Posso, Darío/Carlos Calderón Llantén, Colombia: el sueño de la democracia, Bogotá 1991. Graciarena, Jorge, Estado latinoamericano en perspectiva. Figuras crisis y prospectiva, in: Pensamiento Iberoamericano Nr. 5, Jan.-Juni, Madrid 1984: 3973. Guéhenro, Jean-Marie, El fin de la democracia. La crisis política y las nuevas reglas del juego, Barcelona 1995. Guerrero Apraez, Víctor, Ley estatuaria de partidos y movimientos políticos: ¿democracia de partidos o de movimientos?, in: Revista Foro Nr. 21, Bogotá Sept. 1993: 72-81. Guillen Martínez, Fernando, El poder político en Colombia, Punta de Lanza, 1979. Guillen Martínez, Fernando, La regeneración, primer frente nacional, Bogotá 1986.

494

Bibliographie

Gunther, Richard/P. Nikiforos Diamandouros/Hans-Jürgen Puhle, O'Donnell's Illusions: A Rejoinder, in: Journal of Democracy Nr. 4, Bd. 7, Okt. 1996: 151159. Gunther, Richard/P. Nikoforos Diamandouros/Hans-Jürgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/London 1995. Gunther, Richard/ Hans-Jürgen Puhle/P. Nikoforos Diamandouros, Introduction, in: Richard Gunther/P. Nikoforos Diamandouros/Hans-Jürgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/London 1995: 1-32. (zitiert als 1995b). Gutiérrez Azopardo, Ildefonso, La historia del negro en Colombia, Bogotá 1980. Gutiérrez Sanín, Francisco, La ciudad representada. Política y conflicto en Bogotá, Bogotá 1998. Gutiérrez Sanín, Francisco, Dilemas y paradojas de la transición participativa, in: Análisis Político Nr. 29, Bogotá Sept.-Dez. 1996: 35-52. Gutiérrez Sanín, Francisco, Fuerzas no bipartidistas y desarrollo de las instancias participativas, in: La oposición política en Colombia, Bogotá März 1996: 73-90. (zitiert als 1996a) Gutiérrez Sanín, Francisco, Rescate por un elefante: Congreso, sistema y reforma política, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 215-253. Gutiérrez Sanín, Francisco, Tendencias de cambio en el sistema de partidos: el caso de Bogotá, in: Análisis Político Nr. 24, Bogotá Jan.-April 1995: 73-82. Habermas, Jürgen, Die Krise des Wohlfahrtsstaates und die Erschöpfimg utopischer Energien, in: Ders., Die neue Unübersichtlichkeit, Frankfurt a. M. 1985: 141-163. Hálaby Córdoba, Julio C./Jaime Echavarría Córdoba, Sociología política de comicios y clientelismo, Universidad Tecnológica del Chocó, ohne Ort, 1988. Haldenwang, Christian von, Dezentralisierung und Anpassung in Lateinamerika. Argentinien und Kolumbien, Hamburg/Münster 1994. Haldenwang, Christian von, Erfolge und Mißerfolge dezentralisierender Anpassungsstrategien in Lateinamerika: Argentinien und Kolumbien, in: Politische Vierteljahresschrift Nr. 36, Jg., H.4, Opladen Dez. 1995: 681-705. Haldenwang, Christian von, Hacia un concepto politológico de la descentralización del Estado en América Latina, in: Cárdenas, Miguel Eduardo et. al., Decentralización y Estado moderno, FESCOL, Bogotá 1993: 227-258. Haldenwang, Christian von, Kolumbien in guter Verfassung, in: Blätter des iz3w, Nr. 178, Freiburg Dez. 1991-Jan. 1992: 10-13. Haldenwang, Christian von, Wahlen in Kolumbien: Zwischen Hoffnung und Resignation, in: ILA -Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika- Nr. 137, Bonn, Aug. 1990: 23-28. Haldenwang, Christian von, Wer hat das Sagen in Kolumbien? Gewalt- und Machtverhältnisse in einem abhängig-kapitalistischen Staat, in: ILA - Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika- Nr. 134, Bonn April 1990: 41-44. (zitiert als 1990a)

Bibliographie

495

Hanke, Stefanie, Klientelismus in Afrika: eine soziale Beziehung als Form politischer Partizipation, Zusammenfassung eines Vortrages auf der Sitzung des DVPW Arbeitskreises „Interkultureller Demokratievergleich", Mainz 24.-25.4.1998. (mimeo) Harnisch, R. (Hrsg.), Demokratieexport in die Länder des Südens?, Hamburg 1996. Harrop, Martin/William L. Miller, Elections and Voters. A Comparative Introduction, New York 1987. Hartlyn, Jonathan, Colombia, in: Seymour Martin Lipset (Hrsg.), The Encyclopedia of Democracy, Bd. 1, 1995: 258-262. Hartlyn, Jonathan, Democracia en la actual América del Sur. Convergencias y diversidades, in: Pilar Gaitán/Ricardo Peñaranda/Eduardo Pizarro Leongómez (Hrsg.), Democracia y Reestructuración Económica en América Latina, Bogotá 1996: 25-66. Hartlyn, Jonathan, Military Governments and the Transition to Civilian Rule: The Colombian Experience of 1957-1958, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs Nr. 2, Bd. 26, 1984: 245-281. Hartlyn, Jonathan, The Politics of Coalition Rule in Colombia, Cambridge/New York/ New Rochelle u.a. 1988 (in Spanisch La política del régimen de coalición, la experiencia del Frente Nacional en Colombia, Bogotá 1993). Hartlyn, Jonathan, The Politics of Violence and Accommodation, in: Larry Diamond/Juan Linz/Seymour Martin Lipset (Hrsg.), Democracy in Developing Countries, Bd. 4, Latin America, Boulder/London 1989: 291-334. Hartlyn, Jonathan/Arturo Valenzuela, Democracy in Latin America since 1930, in: The Cambridge History of Latin America, Bd. 6, Teil 2, Cambridge 1994: 99-162. Hasrkess, Shirley/Patricia Pinzón de Lewis, Women, the Vote, and the Party in the Politics of the Colombian National Front, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs Nr. 4, Bd. 17, 1975: 439-464. Hauschild, Thomas, Feldforschung, in: Bernhard Streck (Hrsg.), Wörterbuch der Ethnologie, Köln 1987: 179-201. Heieck, Stephan, Beeinflussung von Rahmenbedingungen in Kolumbien, KonradAdenauer-Stiftung, Sankt Augustin 1996. Heieck, Stephan, Kolumbiens Rückkehr zum Zweiparteiensystem, in: KAS Auslandsinformationen, Bonn 1994: 63-91. Heintz, Annette, Costa Rica: Interne Aspekte der Entwicklung einer Demokratie in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1998. Heinz, Wolfgang S., Guerrillas, Friedensprozeß und politische Gewalt in Kolumbien, 1980-1988, mit ausgewählten Dokumenten zum gescheiterten Friedensdialog, Institut für Iberoamerika-Kunde, Hamburg 1989. Heinz, Wolfgang S., La regeneración, primer frente nacional, Bogotá 1986. Held, David, Democracy and the Global Order, Stanford 1995. Helfrich, Linda, Bibliografía temática: Abstención y participación electoral en Colombia y América Latina, in: Análisis Político Nr. 23, Bogotá Sep.-Dez. 1994: 98-104.

496

Bibliographie

Helfrich, Linda/Peter Birle, Stimmen aus der „Peripherie". Gespräche mit lateinamerikanischen Sozialwissenschaftlern, in: Lateinamerika. Analysen - Daten DokumentationNr. 17/18, 1991: 149-159. Helfrich-Bernal, Linda, Citizenship und Frauenorganisationen in Kolumbien, in: Marianne Braig/Sonia Wölte (Hrsg.), Demokratisierung des Staates, Bürgerrechte und Frauenbewegung. Dokumentation des internationalen Workshops am 12./13. 7.2001, Cornelia Goethe-Centrum, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfiirt a.M. 2002. Helfrich-Bernal, Linda, Elecciones: entre gamonalismo y civismo. El caso de Tumaco en la Costa Pacífica, in: Territorios Nr. 4, Bogotá Jan.-Juni 2000: 39-51. Helfrich-Bernal, Linda, Frauen in politischen Institutionen in Kolumbien, Mainz 1999. (mimeo) Helfrich-Bernal, Linda, Frauen und soziale (Un-)Gerechtigkeit in Lateinamerika, erscheint in: Petra Bendel/Michael Krennerich (Hrsg.), Soziale Ungerechtigkeit in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 2002. (zitiert als 2002a) Helfrich-Bernal, Linda, Durch kleine Schritte entstehen die Wege - kolumbianische Frauen im Kampf um ihr Wahlrecht, in: Martin Traine (Hrsg.), Estudios sobre la democracia en América Latina, Universidad de Colonia, Centro de Estudios sobre España, Portugal y América Latina, Köln 2001: 175-195. Helfrich-Bernal, Linda, Das kolumbianische Parteiensystem. Die Transformation nach den Reformen der 90er Jahre, in: Oliver Diehl/Linda Helfrich-Bernal (Hrsg.), Kolumbien im Fokus. Einblicke in Politik, Kultur, Umwelt, Frankfurt a. M. 2001: 61-95. (zitiert als 2001a) Helfrich-Bernal, Linda, Multikulturelle Gesellschaft in Kolumbien: Die Anerkennungsfrage ethnischer Minderheiten, in: Hartmut Behr/Siegmar Schmidt (Hrsg.), Multikulturelle Demokratien im Vergleich. Institutionen als Regulativ kultureller Vielfalt?, Wiesbaden 2001: 309-327. (zitiert als 2001b) Helfrich-Bernal, Linda, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Kolumbien?, in: Michael Becker/Hans-Joachim Lauth/Gert Pickel (Hrsg.), Rechtsstaat und Demokratie. Theoretische und empirische Studien zum Recht in der Demokratie, Wiesbaden 2001: 137-162. (zitiert als 2001c) Helfrich-Bernal, Linda, Wahlen und Parteien in Kolumbien: eine Fallstudie in der Gemeinde Tumaco, in: Rafael Sevilla/Christian von Haldenwang/Eduardo Pizarro Leongómez (Hrsg.), Kolumbien. Land der Einsamkeit?, Bad Honnef 1999: 109136. (zitiert als 1999a) Helfrich-Bernal, Linda, Zwischen Skeptizismus und Klientelismus: Tradition und Wandel bei den Wahlen in Kolumbien, in: Lateinamerika. Analysen - Daten Dokumentation Nr. 28, 1995: 101-121. Herman, Donald L. (Hrsg.), Democracy in Latin America, Colombia and Venezuela, New York/Westport (Conn.)/London 1988. Hermens, Ferdinand A., Democracy and Anarchy? A Study of Proportional Representation, Notre Dame 1941. Hernández Becerra, Augusto, Las elecciones en Colombia, Cuadernos de CAPEL Nr. 14, San José 1986.

Bibliographie

497

Hernández Becerra, Augusto, Elecciones, representación y participación en Colombia, in: Varios autores, Sistemas electorales y representación política en latinoamérica, Bd. 2, Fundación Friedrich Ebert, Madrid 1989. Hernández Benavides, Manuel, Una agenda con futuro. Testimonios del cuatrienio Gaviria, Bogotá 1994. Hernández, Luis, Adiós a las urnas. ¿Adiós a los partidos?, Bogotá 1981. Hernández Prada, Ricardo, La agonía de la justicia, in: Síntesis '95. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1995: 95-103. Hernández Rodríguez, Oscar E., Grado de lealtad y transferencia de votos del electorado costarricense: las probabilidades de transición, in: Ciencias Económicas Nr. 2, Bd. 3, San José 1983: 79-90. Herrán, María Teresa, El fiscal: la dualidad de la imagen, Bogotá 1994. Herrán, María Teresa, ¿La sociedad de la mentira?, Bogotá 1986/87. Herrera S., Roberto, Las ideas conservadoras en Colombia, Universidad La Gran Colombia, Bogotá 1983 (2. Auflage). Herrera S., Roberto, Antología del pensamiento conservador en Colombia. Introducción, selección y bibliografía Roberto H. Soto, Bd. 1 und 2, Instituto Colombiano de Cultura, Bogotá 1982. Herrera Zgaib, Miguel Angel, Votos en blanco, la verdadera tercería, Universidad de los Andes, Departamento de Ciencia Política, Bogotá 1998. (mimeo) Herrera Zúniga, René, Der Wandel des politischen Systems in Nicaragua, in: Wilhelm Hofmeister/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996: 279-300. Higley John/ Richard Gunther (Hrsg.), Elites and Democratic Consolidation in Latin America and Southern Europe, Cambridge u.a. 1992. Hildebrandt, Mathias, Politische Kultur und Zivilreligion, Würzburg 1996. Hill, Dilys M., Teoría democrática y régimen local, Madrid 1980. Hime, Hugo, Votando imágenes. Las nuevas formas de la comunicación política, Buenos Aires 1988. Hinestrosa, Fernando, La administración de la justicia en Colombia, Bogotá 1987. Hirschkind, Lynn, Redefining the ,Field' in Fieldwork, in: Ethnology Nr. 3, Bd. 30, 1991:237-249. Hoffmann, Odile, „La política" vs. „lo político"? La estructura del campo político contemporáneo en el Pacífico sur colombiano, Cali 1998. (mimeo) Hofmeister, Wilhelm, Bolivien: Die Reform der Revolution, in: Wilhelm Hofmeister/ Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996:81-139. Hofmeister, Wilhelm, Dezentralisierung in Lateinamerika, in: Aus Politik und Zeitgeschichtet. 28, 1992: 3-13. Hofmeister, Wilhelm, Die Entwicklung der Demokratie in Lateinamerika, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 4-5, 1994: 11-18. Hofmeister, Wilhelm, Politischer Systemwandel in Lateinamerika: Zusammenfassende Beobachtungen und Schlußfolgerungen für die internationale Zusammen-

498

Bibliographie

arbeit, in: Wilhelm Hofmeister/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996: 463-479. (zitiert als 1996a) Hofmeister, Wilhelm/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996. Holtmann, Everhard et al. (Hrsg.), Politik-Lexikon, München/Wien 1994 (2. überarbeitete und erweiterte Auflage). Honer, Anne, Das explorative Interview. Zur Rekonstruktion der Relevanzen von Expertinnen und anderen Leuten, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie Nr. 20, 1994: 623-640. Honorio González, Jaime, Democracia: bendita seas así nos mates, in: Cromos, Bogotá 14. März 1994: 20-22. Hoskin, Gary, The Attempted Restoration of el País Político, in: Albert R. Berry /Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 105-130. Hoskin, Gary, Belief Systems of Colombian Political Party Activists, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs Nr. 4, Bd. 21, 1979: 3 4 ^ 2 . Hoskin, Gary, Colombia Under Stress. A Presidency Lamed by Instability, in: Caribbean Review Nr. 15, Bd.l, 1986: 6-9. Hoskin, Gary, Colombian Political Parties and Electoral Behavior during the PostNational Front Period, in: Donald L. Herman (Hrsg.), Democracy in Latin America, Colombia and Venezuela, New York/Westport (Conn.)/London 1988: 32-45. Hoskin, Gary, The Colombian Political Party System: The 1982 Reaffirmation and Reorientation, XI. International Congress of the Latin America Studies Association, México D. F. 1983. Hoskin, Gary, Colombia's Traditional Parties: To what Extent are they Responsible for the Contemporary Political Crisis?, Mimeo presented at the Conference on Political Crisis in Colombia: Violence, Mobilization and the Restauration of Legitimacy, 1982-1989, Institute of the Americas Building, San Diego 1989. Hoskin, Gary, La democracia colombiana: reforma política, elecciones y violencia, in: Diego Cardona (Hrsg.), Crisis y tradición democrática en los países andinos, Bogotá 1991: 25-36. Hoskin, Gary, Democratization in Latin America, in: Latin American Research Review Nr. 3, Bd. 32, 1997: 209-223. Hoskin, Gary, Elecciones presidenciales, 1998, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 361-399. Hoskin, Gary, Los partidos tradicionales: ¿hasta dónde son responsables de la crisis política?, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 145-174. Hoskin, Gary, Los partidos políticos colombianos y la crisis coyuntural, in: Patricia Vásquez de Urrutia (Hrsg.), La democracia en blanco y negro: Colombia en los años ochenta, Bogotá 1989: 199-226. (zitiert als 1989a)

Bibliographie

499

Hoskin, Gary et al., Estudio del comportamiento legislativo en Colombia, Departamento de Ciencia Política, Universidad de Los Andes, Cámara de Comercio de Bogotá, Bogotá 1975. Huber Stephens, Evelyne, Democracy in Latín America. Recent Developments in Comparative Historical Perspective, in: Latin American Research Review Nr. 2, Bd. 25,1990: 157-176. Huntington, Samuel P., After Twenty Years: The Future of the Third Wave, in: Journal of Democracy Nr. 4, Bd. 8, Okt. 1997: 3-12. Huntington, Samuel P., The Third Wave - Democratization in the Late 2(fh Century, Norman (Okl.)/London 1991. Hurtado, Augusto, Juntas Administradoras Locales, Santa Fe de Bogotá, Tesis de grado, Universidad Nacional, Bogotá 1994. IDEA (Hrsg.), Voter Turnout from 1945 to 1997: a Global Report on Political Participation, Varberg (Schweden) 1997. IEPRI, Colombia: Fragilidades y promesas de la doble transición, in: Nueva Sociedad Nr. 128, San José, 11.12.1993: 27-45. IIDH/CAPEL (Hrsg.), Financiación de partidos y políticos y campañas electorales en Iberoamérica, San José de Costa Rica, 1998. Inglehart, Ronald, The Renaissance of Political Culture, in: American Political Science Review Nr. 82, Nov. 1988: 1203-1230. Inhetveen, Katharina, Methodische Aspekte einer soziologischen Arbeit zum Thema: „Institutionelle Innovation in politischen Parteien. Quotenregelungen als Mittel zur Institutionalisierung geschlechtsbezogener Gleichstellung in Deutschland und Norwegen", Mainz 1999. (mimeo) Instituto Colombiano de Cultura/Instituto Colombiano de Antropología, Seminario sobre la participación del negro en la formación de las sociedades latinoamericanas, Bogotá 1986. Instituto Geográfico Agustín Codazzi, Atlas básico de Colombia, Bogotá 1989 (6. Auflage). Inter-Parliamentary Union, Women in Parliaments 1945-1995. A World Statistical Survey, Reports and Documents Nr. 23, Genf 1995. IRELA, Colombia: El desafio de la gobernabilidad, Dossier Nr. 56, Madrid, März 1996. Izard, Miguel, Tierra firme, Historia de Venezuela y Colombia, Madrid 1987. Izquierdo, María/Juan P. Martínez, ANAPO: oposición o revolución, Bogotá 1972. Jaggers, Keith/Ted Robert Gurr, Transitions to Democracy: Tracking the Third Wave with Polity. Ill Indicators of Democracy and Autocracy, University of Maryland 1995. (mimeo) Jaramillo, Ana Maria, Panorama reciente de la participación política en Medellín (1960-1995), in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá Juni 1996: 47-57. Jaramillo, Juan Fernando, Cinco elecciones sin partidos, in: Síntesis '95. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1995: 75-94.

500

Bibliographie

Jaramillo, Juan Fernando, Elecciones presidenciales: Colombia, in: Boletín Electoral Latinoamericano XI, IIDH, CAPEL, San José, Jan.-Juni 1994: 119-135. Jaramillo, Juan Fernando, El régimen electoral colombiano y sus posibles reformas, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 21-32. (zitiert als 1995a) Jaramillo, Juan/Beatriz Franco, Kolumbien, in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Handbuch der Wahldaten Lateinamerikas und der Karibik. Politische Organisation und Repräsentation in Amerika, Bd. 1, Opladen 1993: 457-510. Jaramillo, Juan/Marta León-Roesch/Dieter Nohlen, Poder electoral y consolidación democrática: estudios sobre la organización electoral en América Latina, IIDH, CAPEL, San José de Costa Rica 1989. Jaramillo O., Hernán, Momentos estelares de la política colombiana, Bogotá 1989. Jaramillo, Samuel, La reforma al sistema electoral, in: Revista Foro Nr. 7, Bogotá Okt. 1988. Jelsma, Martin/Theo Ronken (Hrsg.), Democracias bajo fuego: drogas y poder en América Latina, Montevideo 1998. Jepperson, Ronald L., Institutions, Institutional Effects, and Institutionalism, in: Walter W. Powell/Paul J. DiMaggio (Hrsg.), The New Institutionalism in Organizational Analysis, Chicago 1991: 143-163. Jiménez Gómez, Carlos, La Constituyente y la reforma de la justicia, in: Revista Foro Nr. 13, Bogotá Okt. 1990: 15-22. Jiménez, Carlos, Una tercera vía para la Colombia de hoy, in: Revista Foro Nr. 9, Bogotá Mai 1989. Jimeno, Ramón, Noche de lobos, Bogotá 1989. Jimeno, Ramón/Steven Volk, Colombia: Whose Country is this, Anyway?, in: NACLA. Report on the Americas Nr. 3, Vol 17, New York 1983: 2-35. Jones, Mark, Presidential Election Laws and Multipartism in Latin America, in: Political Research Quaterly, Nr. 1, Bd. 47: 41-57. Kaase, Max, Partizipation, in: Everhard Holtmann et al. (Hrsg.), Politik-Lexikon, München/Wien 1994 (2. überarbeitete und erweiterte Auflage): 442-445. Kaase, Max, Political Culture and Political Consolidation, in: Hendrikus J. Blommenstein/Bernad Steunenberg (Hrsg.), Government and Markets. Establishing a Democratic Constitutional Order and Market Economy in Former Socialist Countries, Dordrecht/Boston/London 1994: 61-78. (zitiert als 1994a) Kaase, Max, Politische Beteiligung, in: Manfred G. Schmidt, Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 339-346. Kalaycioglu, E./Turan, I., Measuring Political Participation: A Cross-Cultural Application, in: Comparative Political Studies Nr. 14, 1981: 123-135. Kalmanovitz, Salomón, Economía y nación. Una breve historia de Colombia, Bogotá 1985. Kalmanovitz, Salomón, La encruciajada de la sinrazón y otros ensayos, Bogotá 1989. Karatnycky, Adrian, The Decline of Illiberal Democracy, in: Journal of Democracy Nr. 1, Bd. 10, 1999: 112-123.

Bibliographie

501

Karl, Terry Lynn, Dilemmas of Democratization in Latin America, in: Comparative Politics Bd. 23, Okt. 1990: 1-21. Karl, Terry Lynn, Dilemmas of Democratization in Latin America, in: Roderic Ai Camp (Hrsg.), Democracy in Latin America. Patterns and Cycles, Wilmington (Delaware) 1996: 21 -46. Karl, Terry Lynn, The Hybrid Regimes of Central America, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 6, 1995: 72-86. Karl, Terry Lynn/Philippe Schmitter, Modes of Transitions and Types of Democracy in Latin America, Southern and Eastern Europe, in: International Social Science Journal Nr. 128, 1991:269-284. Kasapovic, Mirjana/Dieter Nohlen, Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 213-259. Katz, Richard S./Peter Mair, Changing Models of Party Organization and Party Democracy: The Emergence of the Cartel Party, in: Party Politics Nr. 1, Bd. 1, 1995: 5-28. Katz, Richard S./Peter Mair, How Parties Organize: Change and Adaption in Party Organisations in Western Democracies, London 1994. Kaut, Anne, Probleme demokratischer Konsolidierung in Brasilien, Magisterarbeit, Fachbereich Sozialwissenschaften Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz 2000. Keane, John, Democracia y sociedad civil, Madrid 1992. Kelley, Stanley, Interpreting Elections, Princeton 1983. Kern, Lucían, Aggregation und Institutionen in der Demokratie, in: Gerhard Göhler/ Kurt Lenk/Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg.), Die Rationalität politischer Institutionen. Interdisziplinäre Perspektiven, Baden-Baden 1990: 235-266. Kirchheimer, Otto, The Transformation of the Western European Party Systems, in: J. La Palombara/S. M. Weiner (Hrsg.), Political Parties and Political Development, Princeton 1966: 177-200. Kitschelt, Herbert, Formation of Party Cleavages in Post-Communist Democracies: Theoretical Propositions, in: Party Politics Nr. 4, Bd. 1, 1995: 447-472. Kiwit, Daniel/Stefan Voigt, Überlegungen zum institutionellen Wandel unter Berücksichtigung des Verhältnisses interner und externer Institutionen, in: ORDO, Jahrbuch fiir die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Nr. 46, 1995: 117-147. Kline, Harvey F., Colombia: Building Democracy in the Midst of Violence and Drugs, in: Jorge Ignacio Domínguez/Abraham F. Lowenthal (Hrsg.), Constructing Democratic Governance. Latin America and the Caribbean in the 1990s, Baltimore/London 1996: 2 0 ^ 1 . Kline, Harvey F., Colombia: Portrait of Unity and Diversity, Boulder 1983. Kline, Harvey F., Colombia: The Struggle between Traditional „Stability" and New Visions, in: Howard J. Wiarda/Harvey F. Kline, Latin American Politics and Development, Boulder/San Francisco/Oxford, 1990 (3. Auflage): 231-257.

502

Bibliographie

Kline, Harvey F., Interest Groups in the Colombian Congress. Group Behavior in a Centralized, Patrimonial Political System, in: Journal of Inter-American Studies and World Affairs Nr. 3, Bd. 16, 1974: 274-300. Kline, Harvey F., The National Front: Historical Perspective and Overview, in: Albert R. Berry/Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 59-83. Klingemann, Hans-Dieter, Formen, Bestimmungsgründe und Konsequenzen politischer Beteiligung. Ein Forschungsbericht, Berlin 1985. Klingemann, Hans-Dieter/Richard I. Hofferbert/ Ian Budge et al., Parties, Policies, and Democracy, Boulder u. a. 1994. Klitgaard, Robert, Political Corruption and Democracy. Strategies for Reform, in: Larry Diamond/Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 230-244. Knabe, Ricarda, Drogen, Guerrilla und Gewalt: gewaltsame Konflikte in Kolonisationszonen Kolumbiens und der Friedensversuch des Präsidenten Belisario Betancur (1982-86), Münster/Hamburg 1994. Koepping, Klaus-Peter, Das Wagnis des Feldforschers - zwischen Ethnozentrismus und Entfremdung, in: K. Tauchmann (Hrsg.), Festschrift zum 65. Geburtstag von Helmut Petri, Köln/Wien, 1973: 258-270. Kollmorgen, Raj, Schöne Aussichten? Eine Kritik integrativer Transformationstheorien, in: Raj Kollmorgen/Rolf Reißig/Johannes Weiß (Hrsg.), Sozialer Wandel und Akteure in Ostdeutschland. Empirische Befunde und theoretische Ansätze, Opladen 1996: 281-331. Kollmorgen, Raj/Rolf Reißig/Johannes Weiß (Hrsg.), Sozialer Wandel und Akteure in Ostdeutschland. Empirische Befunde und theoretische Ansätze, Opladen 1996. Konrad-Adenauer-Stiftung, Themenkonferenz der Demokratie in Lateinamerika: Rolle und Bedeutung der politischen Parteien, Säo Paulo/Brasilien vom 11.-14. 4. 1996, Sankt Augustin 1996. Kramer, Myriam, Kolumbiens Demokratie - zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Schriftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für das Lehramt Sek II/I, Münster 2001. Krauthausen, Ciro/Luis Fernando Sarmiento, Cocaína & Co: un mercado ilegal por dentro, Bogotá 1991. Krennerich, Michael, Wahlen und Antiregimekriege in Zentralamerika, Opladen 1996. Krennerich, Michael/M. Lauga, Reißbrett versus Politik: Anmerkung zur internationalen Debatte um Wahlsysteme und Wahlsystemreformen, in: R. Harnisch (Hrsg.), Demokratieexport in die Länder des Südens?, Hamburg 1996: 515-539. Krumwiede, Heinrich-W., Demokratie, Friedensprozesse und politische Gewalt. Der Fall Kolumbien aus einer zentralamerikanischen Vergleichsperspektive, in: Thomas Fischer/Michael Krennerich (Hrsg.): Politische Gewalt in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 2000: 179-195.

Bibliographie

503

Krumwiede, Heinrich-W., Die Parlamente in den Präsidialdemokratien Lateinamerikas. Ihre verfassungsrechtlichen Kompetenzen, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1997, Frankfurt a. M. 1997: 86-107. Krumwiede, Heinrich-W., Politik und Katholische Kirche im gesellschaftlichen Modernisierungsprozeß. Tradition und Entwicklung in Kolumbien, Hamburg 1980. Krumwiede, Heinrich-W./Reinhard Stockmann, Kolumbien, in: Dieter Nohlen/ Franz Nuscheier (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Bd. 2, Südamerika, Bonn 1992 (3. Auflage): 380-416. Kuhn, Thomas S., The Structure of Scientific Revolutions, Chicago 1962. Kurtenbach, Sabine, Allgemeine Informationen zu Kolumbien, in: Staat, Gewalt und Klientelimus: Das Beispiel Kolumbien, Militärpolitik-Dokumentation Heft 76/77, Frankfurt a. M. 1990: 91-99. Kurtenbach, Sabine, Kolumbien, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1997, Frankfurt a. M. 1997: 190-197. Kurtenbach, Sabine, Kolumbiens stabile Instabilität. Demokratische Kontinuität, Klientelismus und politische Gewalt, in: Nolte, Detlef (Hrsg.), Lateinamerika im Umbruch? Wirtschaftliche und politische Wandlungsprozesse an der Wende von den 80er zu den 90er Jahren, Hamburg 1991: 189-208. Kurtenbach, Sabine, Staatliche Organisation und Krieg in Lateinamerika. Ein historisch-struktureller Vergleich der Entwicklung in Kolumbien und Chile, Münster/Hamburg 1991.(zitiert als 1991a) Kurtenbach, Sabine, Die Wahlen und die neue Verfassung in Kolumbien, in: Lateinamerika. Analysen - Daten - Dokumentation Nr. 8, 17/18, 1991: 109-117. (zitiert als 1991b) La Palombara, J./M. Weiner, Political Parties and Political Development, Princeton 1966. Laakso, Markku/Rein Taagepera, „Effective" Number of Parties. A Measure with Application to West Europe, in: Comparative Political Studies Nr. 1, Bd. 12, 1979: 3-27. Landazábal Reyes, Fernando, El desafio Colombia, sus problemas y soluciones, Bogotá 1988. Landi, Oscar, Outsiders, nuevos caudillos y media politics, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 205-217. Lara Bonilla, Rodrigo et al., Los partidos políticos colombianos: presente y futuro, Fundación Simón Bolivar, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1983. Laserna, Roberto, Crisis, democracia y conflicto social, Centro de Estudios de la Realidad Social, Cochabamba 1985. Lateinamerika-Ploetz, Die ibero-amerikanische Welt. Geschichte, Probleme, Perspektiven, Freiburg/Würzburg 1978. Latorre, Mario, Elecciones y partidos políticos en Colombia, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1974. Latorre, Mario, El Frente Nacional: una restauración conservadora, in; El Espertador, Bogotá 7. Mai 1978: 11 A.

504

Bibliographie

Latorre, Mario, Política y elecciones, Departamento de Ciencias Políticas, Universidad de los Andes, Bogotá 1980. Latorre, Mario/Gabriel Murillo C., Consideraciones sobre la participación política y electoral, la percepción política y el liderazgo de la juventud colombiana, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1982. Lauermann, Manfred, Transformation ohne Transformationstheorie, in: Raj Kollmorgen/Rolf Reißig/Johannes Weiß (Hrsg.), Sozialer Wandel und Akteure in Ost-deutschland. Empirische Befunde und theoretische Ansätze, Opladen 1996: 263-280. Laurent, Virginie, Población indígena y participación política en Colombia. Las elecciones de 1994, in: Análisis Político Nr. 31, Bogotá Mai-Aug. 1997: 63-81. Lauth, Hans-Joachim, Drei Dimensionen der Demokratie und das Konzept einer defekten Demokratie, in: Gerd Pickel, Susanne Pickel, Jörg Jacobs (Hrsg.), Demokratie - Entwicklungsformen und Erscheinungsbilder im interkulturellen Vergleich, Frankfurt a. d. Oder 1997: 33-54. Lauth, Hans-Joachim (Hrsg.), Zivilgesellschaft im Transformationsprozeß: Länderstudien zu Mittelost- und Südeuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika, Nahost, Mainz 1997. Lauth, Hans-Joachim/Wolfgang Merkel, Zivilgesellschaft und Transformation. Ein Diskussionsbeitrag in revisionistischer Absicht, in: Neue Soziale Bewegungen Nr. 1, 1996, Bd. 10: 12-34. Lazala-Silva V., Raúl, El clima de las elecciones presidenciales, in: Colombia elige presidente, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 65-74. Lazala-Silva V., Raúl, El clima electoral, in: Colombia elige, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 3-10. Lazarsfeld, Paul Felix/Bernard R. Berelson/Hazel Gaudet, The People's Choice. How the Voter makes up his Mind in a Presidential Campaign, New York 1944. Leal Buitrago, Francisco, Alcances y dilemas de la crisis política, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá 1996: 21-45. Leal Buitrago, Francisco, Análisis histórico del desarrollo político nacional. 19301970, Bogotá 1973. Leal Buitrago, Francisco (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995. Leal Buitrago, Francisco, La crisis política en Colombia: alternativas y frustraciones, in: Análisis Político Nr. 1, Bogotá Mai-Aug. 1987: 76-88. Leal Buitrago, Francisco, Estabilidad marcroeconómica e institucional y violencia crónica, in: Ders. (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 21-61. (zitiert als 1995a) Leal Buitrago, Francisco, El Estado colombiano: ¿Crisis de modernización o modernización incompleta?, in: Jorge Orlando Meló (Hrsg.), Colombia hoy: perspectivas hacia el siglo XXI, decimoquinta edición, Bogotá 1995: 397-446. (zitiert ais 1995b) Leal Buitrago, Francisco, Estado y política en Colombia, Bogotá 1984.

Bibliographie

505

Leal Buitrago, Francisco, Estructura y coyuntura de la crisis política, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 27-56. Leal Buitrago, Francisco, Los movimientos políticos y sociales: un producto de la relación entre Estado y sociedad civil, in: Análisis Político Nr. 13, Bogotá MaiAug. 1991: 7-21. Leal Buitrago, Francisco, El oficio de la guerra. La seguridad nacional en Colombia, Bogotá 1994. Leal Buitrago, Francisco, Das politische System des Klientelismus, in: Staat, Gewalt und Klientelimus: Das Beispiel Kolumbien, Militärpolitik-Dokumentation Heft 76/77, Frankfurt a. M. 1990: 2146. (zitiert als 1990a) Leal Buitrago, Francisco, Presentación, in: Ders. (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 2-19. (zitiert als 1995c) Leal Buitrago, Francisco, Raíces económicas de la formación de un sistema de partidos políticos en una sociedad agraria: el caso de Colombia, in: Estudios Rurales Latinoamericanos Nr. 1, Vol 3, Bogotá 1980: 85-110. Leal Buitrago, Francisco, El sistema político del clientelismo, in: Análisis Político Nr. 8, Bogotá Sept.-Dez. 1989: 8-32. (zitiert als 1989a) Leal Buitrago, Francisco/Andrés Dávila Ladrón de Guevara (Hrsg.), Clientelismo: El sistema político y su expresión regional, Institutos de Estudios Políticos y Relaciones Internacional, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1990. Leal Buitrago, Francisco/Dora Rothlisberger, Ausentismo parlamentario en Colombia 1930-1968, in: Razón y fábula Nr. 18, Bogotá 1970: 65-90. Leal Buitrago, Francisco/Juan Gabriel Tokatlián (Hrsg.), Orden mundial y seguridad. Nuevos desafíos para Colombia y América Latina, Bogotá 1984. Leal Buitrago, Francisco/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990. Leal Buitrago, Francisco et al., Sistema electoral y régimen de partidos en Colombia. Panel 1. Partidos políticos en Colombia, Universidad Externado de Colombia, Corporación Foro Regional, FESCOL, Bogotá 1982. Leca, Jean, ¿Es gobernable la democracia?, Caracas 1993. Lechner, Norbert, Cultura política y democratización, CLACSO, FLACSO, ICI, Santiago 1987. Lechner, Norbert, El debate sobre Estado y mercado, in: Revista Foro Nr. 18, Bogotá Sept. 1992: 65-75. Lechner, Norbert (Hrsg.), Estado y política en America Latina, Mexico 1981. Lechner, Norbert, Los patios interiores de la democracia. Subjetividad y política, Santiago de Chile 1988. Lechner, Norbert, De la revolución a la democracia. El debate intelectual en América del Sur, in: Opciones (Santiago), Nr. 6, 1985: 57-72. Lee Fluharty, Vernon, La danza de los millones, Bogotá 1981.

506

Bibliographie

Lehner, Franz, Regierbarkeit, in: Manfred G. Schmidt, Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 387-393. Lemoine Amaya, Carlos, Las fuerzas de la opinión, Bogotá 1993. Lemoine, Carlos, ¿Cómo conseguir el voto de los colombianos?, Bogotá 1986. Lentz, Carola, Feldforschung als Interaktionsprozeß. Erfahrungen in indianischen Dörfern in Ecuador, in: Soziologus Nr. 2, Bd. 39, 1990: 123-151. León, Magdalena (Hrsg.), Mujeres y participación política. Avances y desafios en América Latina, Bogotá 1994. León de Leal, Magdalena, La mujer en el desarrollo de Colombia, Bogotá 1977. León Maya, Adolfo, Aproximaciones a los procesos políticos de la Colombia de hoy, in: Revista de Sociología Nr. 18, Medellín 1987: 59-64. Lepsius, M. Rainer, Institutionenanalyse und Institutionenpolitik, in: Brigitta Nedelmann (Hrsg.), Politische Institutionenen im Wandel, Opladen 392-404. La ley de los partidos, Fundación Konrad Adenauer, Bogotá ohne Jahr. Leyva, Pablo (Hrsg.), Colombia Pacífico, Bd. 1 und 2, Bogotá 1993. Libro blanco de la mujer colombiana, Presidencia de la República, Bogotá ohne Jahr. Lichbach, Mark Irving, Die strukturelle Umwandlung von politischen Systemen, in: Politische Vierteljahresschrift Nr. 4, Bd. 19, Dez. 1978: 461-496. Liebert, Ulrike, Modelle demokratischer Konsolidierung, Opladen 1995. Liévano Aguirre, Indalecio, Los grandes conflictos sociales y económicos de nuestra historia, Bd. 1 und 2, Bogotá 1989. Lijphart, Arend, Constitutional Choices for New Democracies, in: Larry Diamond/Marc F. Plattner (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 146-158. Lijphart, Arend, Democracies: Patterns of Majoritarian and Consensus Government in Twenty-One Countries, New Haven 1984. Lijphart, Arend, Democracy in Plural Societies. A Comparative Exploration, New Haven 1977. Lijphart, Arend, Electoral Systems and Party Systems: A Study of Twenty-Seven Democracies, 1945-1990, New York 1994. Lijphart, Arend, The Political Consequences of Electoral Laws, 1945-1985, in: American Political Science Review Nr. 84, 1990: 481-496. Lijphart, Arend, Presidentialism and Majoritarian Democracy: Theoretical Observations, in: Juan J. Linz/Arturo Valenzuela (Hrsg.), The Failure of Presidential Democracy, Bd. 1, Baltimore/London 1994: 91-105. (zitiert als 1994a) Lijphart, Arend, Typologies of Democratic Systems, in: Comparative Political Studies 1, April 1968: 34-56. Lijphart, Arend/Bernard Grofman (Hrsg.), Choosing and Electoral System: Issues and Alternatives, New York 1984. Lijphart, Arend/Carlos H. Waisman (Hrsg.), Institutional Design in New Democracies. Eastern Europe and Latin America, Boulder/Oxford 1996. Lindenberg, Klaus, Politische Parteien in Lateinamerika, in: Wolf Grabendorff (Hrsg.), Lateinamerika. Kontinent in der Krise, Hamburg 1973: 131-178.

Bibliographie

507

Linz, Juan J., The Breakdown of Democratic Regimes. Crisis, Breakdown, & Reequilibration, in: Juan J. Linz/Alfred Stepan (Hrsg.), The Breakdown of Democratic Regimes, Bd. 4, Baltimore/London 1978. Linz, Juan J., The Perils of Presidentialism, in: Larry Diamond/Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 108-126. Linz, Juan J., Presidential or Parliamentary Democracy: Does it Make a Difference?, in: Juan J. Linz/Arturo Valenzuela (Hrsg.), The Failure of Presidential Democracy, Bd. 1, Baltimore/London 1994: 3-87. Linz, Juan J., The Virtues of Parliamentarism, in: Larry Diamond/Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 138-145. (zitiert als 1993b) Linz, Juan J./Alfred Stepan (Hrsg.), The Breakdown of Democratic Regimes, Baltimore/London 1978. Linz, Juan J./Alfred Stepan, Problems of Democratic Transition and Consolidation. Southern Europe, South America, and Post-Communist Europe, Baltimore/London 1996. Linz, Juan J./Alfred Stepan, Toward Consolidated Democracies, in: Journal of Democracy Nr. 2, Bd. 7, April 1996: 14-33. (zitiert als 1996a) Linz, Juan J./Arturo Valenzuela (Hrsg.), The Failure of Presidential Democracy, Bd. 1, Baltimore/London 1994. Linz, Juan J./Alfred Stepan/Richard Gunther, Democratic Transition and Consolidation in Southern Europe, with Reflexions on Latin America and Eastern Europe, in: Richard Gunther/P. Nikoforos Diamandouros/Hans-Jiirgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/London 1995: 43-67. Lipset, Seymour Martin, The Centrality of Political Culture, in: Larry Diamond/ Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/ London 1993: 134-137. Lipset, Seymour Martin, The Social Requisites of Democracy Revisited, in: American Sociological Review Nr. 59, 1994: 1-22. Lipset, Seymour Martin, Some Social Requisites of Democracy: Economic Development and Political Legitimacy, in: American Political Science Review Nr. 53, März 1959: 69-105. Lipset, Seymour Martin, Soziologie der Demokratie, Neuwied 1962. Lipset, Seymour Martin/Stein Rokkan, Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignments. An Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Party Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives, New York 1967: 1-64. Lleras, Alberto, De la dictadura al Frente Nacional, ¡955/1958, Bogotá 1990. Lleras de la Fuente, Carlos et al., Interpretación y génesis de la Constitución de Colombia, Bogotá 1992. Loewenstein, Karl, Über das Verhältnis von politischen Ideologien und politischen Institutionen, in: Ders., Beiträge zur Staatssoziologie, Tübingen 1961: 245-270. Lo que nos han dicho sobre: 500 años de historia negra en Colombia. La historia del negro en Latinoamérica 1, Bogotá 1992.

508

Bibliographie

Londoño, Juan Fernando, Aproximación a la democracia participativa, in: FESCOL (Hrsg.), Sociedad civil, control social y democracia participativa, Bogotá 1997: 13-26. Londoño, Juan Fernando, Congreso, partidos y reforma política, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 45-52. Londoño, Juan Fernando, Los partidos tradicionales y las elecciones locales. Siete conclusiones, Bogotá 1997. (mimeo) Londoño, Juan Fernando, Sistema de partidos y régimen electoral. La gobernabilidad contra la democracia en la propuesta de reforma política, Bogotá 1999. (mimeo) Internetveróffentlichung: Instituto Internacional de Gobernabilidad, http:www.iigov.org/iigov/pnud/bibliote/papers/temal/paper0009.htm. López, Andrés, Análisis de la encuesta „elección popular de alcaldes" elaborada por el Centro Nacional de Consultoría, in: Gaitán, Pilar et.al.: Comunidad, alcaldes y recursos fiscales, Bogotá 1991: 44-86. López, Andrés, Narcotráfico y elecciones: delincuencia y corrupción en la reciente vida política colombiana, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 35-50. López Caballero, Juan Manuel, Colombia: entre la imagen y la realidad, Bogotá 1995. López Gómez, Edmundo, La verdadera Constituyente. Análsis político y jurídico, Bogotá 1990. López, Mario, Intinerario de la oposición, colección „Pensadores políticos colombianos", Cámara de Representantes, Bogotá 1989. López M., Alfonso, Parábola del retorno, Bogotá 1988. López de la Roche, Fabio, Crisis y renovación de la izquierda radical, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept. 1991: 53-64. López de la Roche, Fabio, Tradiciones de cultura política en el siglo XX, in: Miguel Eduardo Cárdenas (Hrsg.), Modernidad y sociedad política en Colombia, Bogotá 1993: 96-160. Losada, Rodrigo, Abstención electoral en marzo de 1994, in: Colombia elige, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 11-16. Losada, Rodrigo, Clientelismo y elecciones, FEI, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1984. Losada, Rodrigo, Cruzando fronteras partidistas, Bogotá 1998. (mimeo) Losada, Rodrigo, Elecciones de 1988 en Cali: algunos factores explicativos, in: Participación electoral en el Valle 1988, Antecedentes y perspectivas, Pontificia Universidad Javeriana, Programas de Estudios Políticos, Cali 1988: 133-149. Losada, Rodrigo (Hrsg.), Las elecciones de 1978 en Colombia, FEDESARROLLO, FESCOL, Bogotá 1979. Losada, Rodrigo, Las elecciones de mitaca en 1976: participación electoral y perspectiva histórica, FEDESARROLLO 1976.

Bibliographie

509

Losada, Rodrigo, Electoral Participation, in: Albert R. Berry/Ronald G. Hellman/ Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Compromise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 87-103. Losada, Rodrigo, Incidencia de factores sociales personales en las opiniones políticas del congresista colombiano, Universidad de los Andes, Departamento de Ciencia Política, Bogotá 1972. Losada, Rodrigo, ¿La oportunidad de la izquierda? Es la pregunta luego del 11 de marzo, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 9, Bd. 3, Bogotá Jan.-Marz 1990. Losada, Rodrigo, La semilla de Pizarro. La AD/M-19: potencial factor de poder, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 10, Bd. 3, Bogotá April-Juni 1990: 10-33. (zitiert ais 1990a) Losada, Rodrigo, Violencia y elecciones en Colombia: año 2000, in: Fernando Giraldo/ Rodrigo Losada/Patricia Muñoz (Hrsg.), Colombia: elecciones 2000, Bogotá 2001: 27-50. Losada, Rodrigo/Gladys Delgado, Las elecciones de mitaca en 1976. Participación electoral y perspectivas históricas, FEDESARROLLO, Bogotá 1976. Losada, Rodrigo/Gabriel Murillo, Análisis de la elecciones presidenciales de 1972 en Bogotá, Universidad de los Andes, Bogotá 1973. Losada, Rodrigo/Humberto Uribe, Evolución reciente hacia las circunscripciones uninominales en Colombia, Fundación Simón Bolívar, Bogotá 1982. Losada, Rodrigo/Miles W. Williams, Análisis de la votación presidencial en Bogotá, 1970, in: DAÑE, Colombia política, Bogotá 1972: 1-55. Losada, Rodrigo/Eduardo Vélez, Identificación y participación política en Colombia, FEDESARROLLO, Bogotá 1982. Losada, Rodrigo et al., Partidos, alineación y participación política. Cinco regiones colombianas, FEDESARROLLO, Bogotá 1980. Losada, Rodrigo et al., Sistema electoral y regímenes de partidos en Colombia, panel 3: análisis del proceso electoral, Universidad Externado de Colombia, Corporación Foro Regional, FESCOL, Bogotá 1982. Loveman, Brian, Protected Democracies and Military Guardianship: Political Transitions in Latín America, 1978-1993, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs, Sommer 1994: 105-113. Lozoya, Jorge Alberto, Los partidos politicos de América Latina en el actual escenario internacional, in: Rosario Green (Hrsg.), Democracia y recuperación económica en América Latina, México 1990: 501-504. Lucio, Ramiro, ANAPO y ANAPO socialista, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 91-97. Luna, Lola/Norma Villarreal, Historia, género, movimientos políticos de mujeres y participación política en Colombia 1931-1991, seminario Interdisciplinario Mujeres y Sociedad, Universidad de Barcelona, Comisión Interministerial de Ciencia y Tecnología, Barcelona 1994. Luna, Lola/Norma Villarreal, Historia, género y política. Movimientos de mujeres y participación política en Colombia 1930-1991, Barcelona 1997.

510

Bibliographie

Lustgarten, Laurence, The Legal Control of Racial Discrimination, London 1980. Luthardt, Wolfgang, Direkte Demokratie, Baden-Baden 1994. McDonald, Ronald H., Party Systems and Elections in Latin America, Chicago 1971. McDonald, Ronald H./J. Mark Ruhl, Party Politics and Elections in Latin America, Boulder 1989. Machado, Federico, Izquierda y elecciones. Liberalismo y democracia en Colombia, in: Revista Foro Nr. 10, Bogotá Sept. 1989. Maihold, Günther, Demokratie und Partizipation in Lateinamerika, in: Lateinamerika. Analysen - Daten - Dokumentation Nr. 13, Hamburg 1990, 17: 6-18. Maihold, Günther, „Erblinden" die Institutionen und versagen die Akteure? Regierbarkeit und Zukunftsfahigkeit der Demokratie in Lateinamerika, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1996, Frankfurt a. M. 1996: 6291. Maihold, Günther, Korruption in Entwicklungsländern. Der Fall Lateinamerika, in: Vorgänge Nr. 6, Jg. 27, 1988: 65-76. Mainwaring, Scott, Party Systems in the Third Wave, in: Journal of Democracy Nr.3, Bd. 9, Juli 1998: 67-81 Mainwaring, Scott, Presidentialism in Brazil: The Impact of Strong Constitutional Powers, Weak Partisan Powers, and Robust Federalism, Latin American Program, Woodrow Wilson International Center for Scholars, Working Papers 225, Notre Dame 1997. Mainwaring, Scott, Presidentialism in Latin America, in: Latin Amerian Research Review Nr. 1, Bd. 26, 1990: 157-179. Mainwaring, Scott, Rethinking Party Systems in the Third Wave of Democratization: The Case of Brazil, Stanford 1999. Mainwaring, Scott, Transitions to Democracy and Democratic Consolidation: Theoretical and Comparative Issues, in: Scott Mainwaring/Guillermo O'Donnell/ Samuel Valenzuela (Hrsg.), Issues in Democratic Consolidation: the New South American Democracies in Compartive Perspective, Notre Dame 1992: 36-55. Mainwaring, Scott/Guillermo O'Donnell/Samuel Valenzuela (Hrsg.), Issues in Democratic Consolidation: the New South American Democracies in Comparative Perspective, Notre Dame 1992. (zitiert als 1992a) Mainwaring, Scott/Timothy R. Scully (Hrsg.), Building Democratic Institutions. Party Systems in Latin America, Stanford (California) 1995. Mainwaring, Scott/Timothy R. Scully, Introduction: Party Systems in Latin America, in: Scott Mainwaring/Timothy R. Scully (Hrsg.), Building Democratic Institutions. Party Systems in Latin America, Stanford (California) 1995: 3-17. (zitiert als 1995a) Mainwaring, Scott/Metthew Soberg Shugart (Hrsg.), Presidentialism and Democracy in Latin America, Cambridge 1997. Mair, Peter, Party System Change: Approaches and Interpretations, Oxford 1997. Maldonado C., Alberto, Avances y resultados de la descentralización política en Colombia, Documentos para el desarrollo territorial Nr. 52, Bogotá 2001.

Bibliographie

511

Manrique Reyes, Alfredo, El municipio después de la Constitución de 1991, Bogotá 1995. Manual de historia de Colombia. Historia social, económica y cultural, Bd. 1, 2 und 3, Bogotá 1984 (3. Auflage). Manual de los partidos políticos de América Latina, Parlamento Latinoamericano, Instituto de Relaciones Europeo-Latinoamericanas (IRELA), Madrid 1997. Manz, Thomas/Moira Zuazo (Hrsg.), Partidos políticos y representación en América Latina, Venezuela 1998. March, James G./Johan P. Olsen, Rediscovering Institutions. The Organizational Basis ofPolitics, New York 1989. Mariño de B., Sofía, Binomio gobierno-oposición: 100 primeros días del gobierno de Virgilio Barco, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1987. Martín-Barbero, Jesús, El miedo a los medios. Política, comunicación y nuevos modos de representación, in: FESCOL (Hrsg.), La nueva representación política en Colombia, Bogotá 1997: 13-32. Martín L., José F., Campo y ciudad. Participación y abstención electoral en Colombia. Fundación Friedrich Naumann, CIDSE, Bogotá 1981. Martín L., José F., Ciudad y campo. Análisis de la abstención electoral en Colombia, CIDSE, Cali 1982. Martínez, Isabel et al., ¿Hacia dónde va el Salto Social?, Bogotá 1994. Martínez, María Eugenia, Elementos para el debate en Ciudadanos en Formación, ohne Ort 1995. Martínez Neira, Néstor Humberto, Justica para la gente: una visión alternativa. Desarrollo gubernamental del Plan Sectorial de Justicia para el período 19941998, Bogotá 1995. Martínez Ocamica, Gutenberg, Politische Regime in Lateinamerika - ein Semipräsidialsystem als Lösung?, in: Wilhelm Holmeister/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996: 437-462. Martz, John D., Democratization and National Development in Colombia, in: Latin American Research Review Nr. 3, Bd. 27, 1992: 216-226. Martz, John D. (Hrsg.), United States Policy in Latin America: A Decade of Crisis and Challenge, Lincoln (Nebraska) 1995. Mateus, Rafael, Una oportunidad para la participación ciudadana, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 475498. Mattiace, Shannan/Roderic Ai Camp, Democracy and Development: An Overview, in: Roderic Ai Camp (Hrsg.), Democracy in Latin America, Wilmington (Delaware) 1996: 3-19. May, Ernesto (Hrsg.), La pobreza en Colombia, Un estudio del Banco Mundial, Colombia 1996. Mayer, Heinz, Kolumbien: Der schmutzige Krieg. Zwischen Kaffeebaronen und Drogenmafia - ein Land im Ausnahmezustand, Reinbek bei Hamburg 1990.

512

Bibliographie

Mayntz, Renate/Fritz W. Scharpf, Der Ansatz des akteurszentrierten Institutionalismus, in: Dies. (Hrsg.), Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, Frankfurt a. M. 1995: 39-72. Mayorga, Rene Antonio, Antipolítica y neopopulismo, La Paz 1995. Mayorga, Rene Antonio, La democracia representativa en América Latina. Entre las demandas de participación y las tendencias antipolíticas, in: Agustín Martínez (Coord.), Cultura política, partidos y transformaciones en América Latina, Caracas 1997: 125-144. Mayorga García, Fernando, Ley 130 de 1994, Registraduría Nacional del Estado Civil, Bogotá 1996. Medellín Torres, Pedro, Departamentos, descentralización y gestión del desarrollo territorial: A propósito de la inconveniencia de la elección popular de gobernadores, in: Miguel Eduardo Cárdenas et al., Descentralización y Estado moderno, Bogotá 1991: 143-180. Medellín Torres, Pedro (Hrsg.), La reforma del Estado en América Latina, Bogotá 1989. Medina, Carlos, Autodefensa, paramilitares y narcotráfico en Colombia. Origen, desarrollo y consolidación. El caso de „Puerto Boyacá", Bogotá 1990. Medina, Medófílo, Condiciones históricas de la participación política en Colombia, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá junio de 1996: 15-31. Medina, Medófílo, La crisis de la izquierda en Colombia, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept. 1991:45-52. Medina, Medófílo, La crisis política 1994-1996, in: Número 12, Bogotá Dez. 1996Feb. 1997: 38-43. Medina, Medófílo, Dos décadas de crisis política en Colombia, 1977-1997, in: Luz Gabriela Arango (Hrsg.), La crisis socio-política colombiana: un análisis no coyuntural de la coyuntura, Bogotá 1997: 27-62. (zitiert als 1997a) Medina, Medófílo, Historia del Partido Comunista en Colombia, Bogotá 1980. Medina, Medófílo, Los paros cívicos en Colombia (1957-77), in: Estudios marxistas Nr. 14, 1977: 3-24. Medina, Medófílo, El Partido Comunista Colombiano: experiencias y perspectivas, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 145-158. Medina, Medófílo, La protesta urbana en Colombia, Bogotá 1985. Medina, Medófílo, Terceros partidos en Colombia, in: Estudios Marxistas Nr. 18, Bogotá 1979. Mejía Quintana, Oscar/Arlene B. Tickner/Ramón Villamizar/Catalina Ortiz, La democratización de la democracia. Deficiencias y estrategias de democratización de los Congresos en los países de la región Andina, Documentos Ocasionales Nr. 42, Bogotá April-Juni 1996. Meló, Jorge Orlando (Hrsg.), Colombia hoy: perspectivas hacía el siglo XXI, decimoquinta edición, Bogotá 1995.

Bibliographie

513

Melo, Jorge Orlando, Orígenes de los partidos políticos en Colombia, Biblioteca Básica Colombiana, Bogotá 1981. Melo, Jorge Orlando, Participación política y ciudadanía, in: Ana Lucía Sánchez G., Procesos urbanos contemporáneos, Bogotá 1995: 184-200. (zitiert als 1995a) Melo, Jorge Orlando, La república conservadora (1880-1930), in: Mario Arrubla et al., Colombia hoy, Bogotá 1985 (9. Auflage), 1978 (1. Auflage): 52-101. Memorias del encuentro de Constituyentes, La Constitución contra la violencia, Plural, Corporación Centro de Estudios Constitucionales, Bogotá 1995. Méndez, Juan E., The „Drug War" in Colombia: The Neglected Tragedy ofPolitical Violence, New York 1990. Mendoza Morales, Alberto, La Colombia posible, Bogotá 1980. Merkel, Wolfgang, Die Bedeutung von Parteien und Parteiensystemen für die Konsolidierung der Demokratie: ein interregionaler Vergleich, in: Wolfgang Merkel, Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997: 336-371. Merkel, Wolfgang, Defekte Demokratien, in: Wolfgang Merkel/Andreas Busch (Hrsg.), Demokratie in Ost und West, Frankfurt a. M. 1999: 361-382. Merkel, Wolfgang, Einleitung, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997: 921. (zitiert als 1997a) Merkel, Wolfgang, Institutionalisierung und Konsolidierung der Demokratien in Ostmitteleuropa, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 73-112. Merkel, Wolfgang, Die Konsolidierung postautoritärer Demokratien: Modell und Realität, in: Klaus Armingeon (Hrsg.), Der Nationalstaat am Ende des 20. Jahrhunderts. Die Schweiz im Prozeß der Globalisierung, Bern 1996: 13-31. (zitiert als 1996a) Merkel, Wolfgang, Struktur oder Akteur, System oder Handlung: Gibt es einen Königsweg in der sozial wissenschaftlichen Transformationsforschung, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994: 303-331. Merkel, Wolfgang, Systemtransformation, Kurseinheit I, Fernuniversität Hagen 1997. (zitiert als 1997b) Merkel, Wolfgang, Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung, Augsburg 1999. (zitiert als 1999a) Merkel, Wolfgang (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994. (zitiert als 1994a) Merkel, Wolfgang, Theorien der Transformation: Die demokratische Konsolidierung postautoritärer Gesellschaften, in: Klaus von Beyme/Claus Offe (Hrsg.), Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft: Politische Theorien in der Ära der Transformation, Opladen 26/1995: 30-58. Merkel, Wolfgang, Transformationsstrategien: Probleme, Erfahrungen, Grenzen, in: Internationale Politik Nr. 6, Bd. 50, 1995: 3-8. (zitiert als 1995a)

514

Bibliographie

Merkel, Wolfgang/Aurel Croissant, Formale Institutionen und informale Regeln in defekten Demokratien, Heidelberg 1999. (mimeo) Merkel, Wolfgang/Hans-Joachim Lauth, Systemwechsel und Zivilgesellschaft: Welche Zivilgesellschaft braucht die Demokratie?, Mainz 1998. (mimeo) Merkel, Wolfgang/Hans-Jürgen Puhle, Von der Diktatur zur Demokratie, Opladen 1999. Merkel, Wolfgang/Eberhard Sandschneider (Hrsg.), Systemwechsel 3. Parteien im Transformationsprozeß, Opladen 1997. Merkel, Wolfgang/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert, Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 9-36. Merkel, Wolfgang/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert, Die Institutionalisierung der Demokratie, in: Dies. (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 9-36. (zitiert als 1996a) Merkel, Wolfgang/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996. (zitiert als 1996b) Meschkat, Klaus/Petra Rohde/Barbara Töpper, Kolumbien. Geschichte und Gegenwart eines Landes im Ausnahmezustand, Berlin 1983. Meuser, Michael/Ulrike Nagel, Expertinneninterviews - vielfach erprobt, wenig bedacht, in: Detlef Garz/Klaus Kraimer (Hrsg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen, Opladen 1991: 441-471. Meyer, Lorenzo/Luis Reyna Jos (Hrsg.), Los sistemas políticos en América Latina, Bogotá 1989. Meyers kleines Lexikon Politik, Mannheim u. a. 1986. Milbrath L. W./M.L. Goel, Political Participation: How and Why do People get Involved in Politics, Chicago 1977. Ministerio de Relaciones Exteriores, Boletín Informativo Derechos Humanos, Okt.Dez. 2001. Miranda Hamburger, Francisco, El proceso electoral colombiano 1997-98: Elecciones, bipartidismo y alternativas, in: Revista Javeriana Nr. 646, Juli 1998: 75-84. Miranda Ontaneda, Néstor, Clientelismo y dominio de clase. El modo de obrar político en Colombia, CINEP, Bogotá 1977. Misión Bogotá Siglo XXI, El futuro de la capital. Descentralización y participación ciudadana. Informe preliminar, Bogotá 1992. Misión de Finanzas Intergubernamentales, Finanzas intergubernamentales de Colombia, Departamento Nacional de Planeación, Bogotá 1981. Mockus, Antanas, Plan de gobierno para la alcaldía de Santa Fé de Bogotá, D.C. 1995-1997, Bogotá 1994. La modernización de los partidos políticos, Fundación Konrad Adenauer, Fundación Simón Bolívar, Consejo Nacional Electoral, Bogotá 1996. Modernización económica vs. modernización social: balance crítico del gobierno de César Gaviria en Colombia, Bogotá 1994. Mojica Martínez, Claudia del Pilar, La corrupción en el sistema político colombiano, in: Contribuciones Nr. 4, Jahr XII, Okt.-Dez. 1995: 49-68.

Bibliographie

515

Molano, Alfredo, Los años del tropel, Bogotá 1985. Molano, Alfredo, Colonos, Estado, violencia, in: Revista Foro Nr 9, Bogotá Mai 1989: 58-68. Molano, Alfredo, Violencia y colonización, in: Revista Foro Nr. 6, Bogotá Juni 1988: 25-37. Molina, Gerardo, Breviarios de ideas políticas, Bogotá 1981. Molina, Gerardo, La formación del Estado en Colombia, Bogotá 1994. Molina, Gerardo, Las ideas socialistas en Colombia, Bogotá 1987. Molina, Gerardo, Proceso y destino de la libertad, Bogotá 1990. Molina Arrubla, Carlos Mario, Delitos contra la administración pública, Medellín 1995. Molina García, Oscar Alberto, Estado y sociedad: hacia un consenso básico nacional, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá Juni 1996: 59-68. Molinar, Juan, Counting the Number of Parties: An Alternative Index, in: American Political Science Review Nr. 85, 1991: 1383-1391. Mols, Manfred, Begriff und Wirklichkeit des Staates in Lateinamerika, in: Manfred Hättich (Hrsg.), Zum Staatsverständnis der Gegenwart, München 1987: 185-220. Mols, Manfred, Die Demokratie in Lateinamerika, Stuttgart u.a., 1985. Mols, Manfred, Parteien und Entwicklung in der Dritten Welt. Theoretisch-methodologische Überlegungen; illustriert am Beispiel des mexikanischen Partido Revolucionario Institucional, in: Wolfgang Jäger (Hrsg.), Partei und System. Eine kritische Einführung in die Parteienforschung, Stuttgart 1968: 210-255. Mols, Manfred, Politische Transformation in Mexiko, in: Wilhelm Hofmeister/Josef Thesing (Hrsg.), Der Wandel politischer Systeme in Lateinamerika, Frankfurt a. M. 1996: 229-277. Mols, Manfred, Posibilidades europeas de contribuir a la consolidación de la redemocratización latinoamericana, in: Estudios Sociales Nr. 48, 2. Trimester 1986: 121-133. Mols, Manfred/Uwe Franke, Krise und Transformationsversuche in Mexiko, in: Jahrbuch Dritte Welt, München 1997: 235-255. Mols, Manfred/Ulrike Wolf, Lateinamerika - was gefährdet die Demokratie?, in: Außenpolitik Nr. 2, 1987: 194-208. Molt, Peter, Die politischen Reformen des Jahres 1991 in Kolumbien, in: KASAuslandsinformationen, Bonn April 1992: 1-24. Moncayo C., Victor Manuel, La nueva administración de justicia, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 135-157. Monroy Reyes, Carlos, La revolución del orden: un estudio político, Bogotá 1992. Moore, Barrington, Soziale Ursprünge von Diktatur und Demokratie, Frankfurt a. M. 1968. Mora Insuasty, Eval Roman/Amanda del Socorro Vallejo Ocaña, Algunos efectos de la presencia del capitalismo en la Costa Pacífica nariñense, caso Tumaco,

516

Bibliographie

1985-1991, Universidad de Narifto, Facultad de Ciencias Económicas y Administrativas, San Juan de Pasto 1994. Morales, Adolfo, ANAPO y la política del compromiso, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1971. Morales, Alberto, Colombia: elecciones y crisis política, in: Nueva Sociedad Nr. 34, San José 1978: 56-72. Morales A., Omaira, A propósito de la tercería. Por una migaja del ponqué, in: Economía Colombiana y Coyuntura Política Nr. 270, März 1998: 2. Morales Guerrero, Alfredo, Participación comunitaria y ciudadana. Análisis y comentarios, Bogotá 1997. Moreno, Ruth M., Violencia política y descentralización política. El caso Puerto Boyacá, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1992. Morcillo, Pedro Pablo et al., Estudio sobre abstención electoral en las elecciones de marzo de 1968 en Cali, in: DANE, Colombia política, Bogotá 1972: 57-80. Moreli Rico, Sandra, La autonomía territorial en Colombia. Balance y perspectivas cuatro años después de su proclamación, Bogotá 1996. Moreli Rico, Sandra, El centralismo en la nueva Constitución Política colombiana, Bogotá 1990. Moreno, Carlos et al., Laberintos de la descentralización, Bogotá 1994. Moreno Salazar, Valentín, Negritudes, Cali 1995. Morlino, Leonardo, Democratic Establishments: A Dimensional Analysis, in: Enrique A. Baloyra (Hrsg.), Comparing New Democracies. Transition and Consolidation in Mediterranean Europe and the Southern Cone, Boulder/London, 1978: 53-78. Morlino, Leonardo, Political Parties and Democratic Consolidation in Southern Europe, in: Richard Gunther/P. Nikiforos Diamandouros, Hans-Jürgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/London 1995: 315-388. Morse, Richard M., The Heritage of Latin America, in: Howard J. Wiarda (Hrsg.), Corporatism an National Development in Latin America, Boulder 1981. Morris, Stephen D., Political Reformism in Mexico: An Overview of Contemporary Mexican Politics, Boulder 1995. Mosquera, Juan de Dios, La ethnoeducación afrocolombiana. Guía para docentes, líderes y comunidades educativas, Bogotá 1999. Mosquera, Juan de Dios, Luchas y organización de la comunidad negra colombiana, Bogotá 1995. (mimeo) Mosquera Berrio, José E., La campaña política, un mar de ilusiones, in: Pacífico Siglo XXI, El Espectador, 29.10.1994: 12-14. Mosquera Rentería, José Eulicer, El movimiento sociopolítico afrocolombiano. Caracterización y fundamentos, Quibdó, Mai 1996. Moßmann, Peter, Campesinos und Ausbeutungsstrukturen im internationalen Konfliktfeld. Das kolumbianische Beispiel, Saarbrücken 1979.

Bibliographie

517

Motta, Cristina (Hrsg.), Etica y conflicto. Lecturas para una transcisión democrática, Bogotá 1995. Motta González, Nancy, Enfoque de género en el litorial Pacífico colombiano. Nueva estrategia para el desarrollo, Universidad del Valle, Cali 1995. Motta González, Nancy, Historia y tradición de la cultura negra en el litorial del Pacífico, in: Historia del Gran Cauca. Historia regional del suroccidente colombiano, Universidad del Valle, fascículo Nr. 13, Cali 1994. Mouffe, Chantal, La democracia radical: ¿moderna o posmoderna?, in: Revista Foro Nr. 24, Bogotá Sept. 1994: 13-23. El movimiento popular en Colombia, Serie de documentación política, Bd. 3, Nr. 3, Bogotá 1985. Münzel, Mark, Gibt es eine postmoderne Feldforschung? Skizze einiger möglicher Fragen zum ethnologischen Umgang mit dem Altmodischen, in: Wolfdietrich Schmied-Kowarzik/Justin Stagl (Hrsg.), Grundfragen der Ethnologie. Beiträge zur gegenwärtigen Theoriediskussion, Berlin 1993 (2. Auflage): 395-406. Las mujeres en la historia de Colombia, Bd. 1: Mujeres, historia y política. Bd. 2: Mujeres y sociedad, Consejería Presidencial para la Política Social, Presidencia de la República, Bogotá 1995. Muller, Edward N./Mitchel A. Seligson/Thomas O. Jukam, Diffuse Political Support and Antisystem Political Behavior: A Comparative Analysis, in: American Journal of Political Science 26, Mai 1982: 240-64. Munck, Gerardo, Democratic Transitions in Comparative Perspective, in: Comparative Politics Nr. 26, Bd. 3, 1994: 355-375. Munck, Ronaldo, After the Transition: Democratic Disenchantment in Latin America, in: Revista Europea de Estudios Latinoamericanos y el Caribe Nr. 55, 1993: 7-19. Muñera Ruíz, Leopoldo, De los movimientos sociales al movimiento popular, in: Historia Crítica Nr. 7, Bogotá Jan.-Juni 1993: 55-80. Muñera Ruíz, Leopoldo, Rupturas y continuidades. Poder y movimiento popular en Colombia 1968-1998, Bogotá 1998. Muños-Serrano, Pedro, Kolumbien: 15 Jahre Nationale Front, Bonn/Bad Godesberg 1972. Muñoz, José Arley, Cuenta de cobro a Peñalosa, in: Caja de Herramientas Nr. 61, April 1999: 23. Muñoz Delgado, Marco A., Factores explicativos de la predisposición juvenil a participar y a actuar agresivamente en política, Pontificia Universidad Javeriana, Tesis de grado, Bogotá 1988. Muñoz Losada, María T., La participación política sin participación social - Ley estatuaria de participación ciudadana, in: Revista Foro Nr. 21, 1993: 44-56. Muñoz Q., Hugo Alfonso/Constantino Urcuyo, Desarrollo legislativo y reforma política en Amércia Latina, IIDH, CAPEL, San José 1997. Murillo C., Gabriel, Anotaciones sobre la crisis de la representación política en Colombia, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 51-74.

518

Bibliographie

Murillo C., Gabriel, Hacia la democracia participativa en Colombia. Retos y posibilidades, in: Pensamiento Iberoamericano Nr. 14, Madrid Juli-Dez. 1988. Murillo C., Gabriel, Las transformaciones recientes del sistema de partidos en Colombia, una real encrucijada, Documentos de Trabajo en CLACSO-CEDES, Buenos Aires 1988. Murillo C., Gabriel, Presentación, in: Gabriel Murillo C. (Hrsg.), Hacia la consolidación democrática andina: transición o desestabilización, Bogotá 1993: 7-14. Murillo C., Gabriel/Juliana Mejía, Hacia una definición operacional de la sociedad civil, in: Documentos Ocasionales Nr. 41, Centro de Estudios Internacionales de la Universidad de los Andes, Bogotá Jan.-März 1996: 3-13. Murillo C., Gabriel/Israel Rivera O., Actividades y estructuras de poder en los partidos políticos colombianos, Departamento de Ciencias Políticas, Universidad de los Andes, Bogotá 1973. Murillo C., Gabriel/Rubén David Sánchez, Procesos y factores determinantes de la recurrencia de la crisis gubernativa en Colombia, in: Gabriel Murillo Castaño (Hrsg.), Hacia la consolidación democrática andina, Bogotá 1993: 85-150. Murillo C., Gabriel/Juan Carlos Ruiz V., Gobernabilidad en América Latina: la „desatanización" de los partidos políticos, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./ Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 283-294. Murillo C., Gabriel/Elisabeth Ungar, Hacia la construcción de una agenda de gobernabilidad: La reforma política y la superación de los obstáculos al fortalecimiento democrático, in: Elisabeth Ungar (Hrsg.), Gobernabilidad en Colombia: retos y desafios, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1993: 27-79. Neckel, Sighard, Die Ostdeutsche Doxa der Demokratie. Eine lokale Fallstudie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Nr. 4, Jg.47, 1995: 658680. Neckel, Sighard, Politische Ethnizität. Das Beispiel der Vereinigten Staaten, in: Birgitta Nedelmann (Hrsg.), Politische Institutionen im Wandel, Opladen 1995: 217-236. Nedelmann, Birgitta, Gegensätze und Dynamik politischer Institutionen, in: Dies. (Hrsg.), Politische Institutionen im Wandel, Opladen 1995: 15-40. El negro en la historia de Colombia. Fuentes escritas y orales. Primer simposio sobre biografía del negro en Colombia, Bogotá 1983. Neher, Clark D., Asien Style Democracy, in: Asían Survey Nr. 34, Bd. 11, 1994: 949961. Nemagá, Gabriel Ricardo, Crisis judicial: Enfoques diferentes y elementos constantes, in: Pensamiento Jurídico Nr. 4, Facultad de Derecho, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1995: 23-34. Neumann, Franz, Demokratietheorien - Modelle zur Herrschaft des Volkes, in: Ders. (Hrsg.): Handbuch politische Theorien und Ideologien, Bd. 1, Opladen 1995: 170.

Bibliographie

519

Nevitte, Neil/Santiago A. Cantón, The Role of Demomestic Observers, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 8, Juli 1997: 47-61. Niedermayer, Oskar, Zur systematischen Analyse der Entwicklung von Parteiensystemen, in: Oscar W. Gabriel/Jürgen W. Falter (Hrsg.), Wahlen und politische Einstellungen in westlichen Demokratien, Frankfurt a. M. 1996: 19-49. Nieto, L., Eduardo/Jaime Nieto L., Terceras fuerzas políticas en Colombia, in: Revista Foro Nr. 9, Bogotá Mai 1989. Nieto Roa, Luis Guillermo, La reforma política de Samper. Diagnóstico acertado, propuesta equivocada, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 13-20. Nikken, Pedro, La crisis de la democracia de partidos y la presentación de los valores democráticos en América Latina, in: Ders. (Hrsg.), América Latina. La democracia de partidos en crisis, San José 1992: 9-18. Niño, Carlos Santiago, Die Debatte über die Verfassungsreform in Lateinamerika, in: Manfred Mols/Josef Thesing (Hrsg.), Der Staat in Lateinamerika, Mainz 1995: 97-113. Niño Guarin, Juan Enrique, Elecciones regionales y locales. ¿Sobrevive el bipartidismo?, in: Revista Javeriana Nr. 646, Juli 1998: 17-24. Noblen, Dieter, Democracia y neocritica. Un ejercicio de evaluación del desarrollo democrático reciente en América Latina. En defensa de la transición, Frankfurt a. M./Madrid 1995. Noblen, Dieter, Democracia, transición y gobernabilidad en América Latina, Mexiko 1996. Noblen, Dieter, Demokratie, in: Dieter Nohlen/Peter Waldmann/Klaus Ziemer (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 4, Die östlichen und südlichen Länder, München 1997: 118-127. Noblen, Dieter, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Lateinamerika, in: Wolfgang Merkel/Andreas Busch (Hrsg.), Demokratie in Ost und West. Für Klaus von Beyme, Frankfurt a. M. 1999: 249-271. Nohlen, Dieter, Descentralización política y consolidación democrática. Europa América del Sur, Caracas/Madrid 1991. Nohlen, Dieter, Descentralización política. Perspectivas comparadas, in: Ders. (Hrsg.), Descentralización política y consolidación democrática. Europa América del Sur, Caracas/Madrid, 1991: 357-369. (zitiert als 1991a) Nohlen, Dieter, Einleitung, in: Ders. (Hrsg.), Wahlen und Wahlpolitik in Lateinamerika, Heidelberg 1984: 7-10. Nohlen, Dieter (Hrsg.), Elecciones y sistemas de partidos en América Latina, IIDH, CAPEL, San José 1993. Nohlen, Dieter, Institutional Reform in Latin America from the Perspective of Political Engineering, Arbeitspapiere Lateinamerika-Forschung Nr. 15, Institut für Politische Wissenschaft, Heidelberg 1994. Nohlen, Dieter, Mehr Demokratie in der Dritten Welt? Über Demokratisierung und Konsolidierung der Demokratie in vergleichender Perspektive, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/88, 17.6.1988: 3-18.

520

Bibliographie

Noblen, Dieter, Präsidentialismus versus Parlamentarismus in Lateinamerika. Einige Bemerkungen zur gegenwärtigen Debatte aus vergleichender Sicht, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1992, Frankfurt a. M. 1992: 8699. Noblen, Dieter, Presentación, in: Ders. (Hrsg.), Descentralización política y consolidación democrática. Europa - América del Sur, Caracas/Madrid, 1991: 11-14. (zitiert als 1991b) Noblen, Dieter, Vergleichende Regierungslehre/Vergleichende Politische Systemlehre, in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1993: 751756. (zitiert als 1993a) Nohlen, Dieter, Wahlrecht und Parteiensystem: über die politischen Auswirkungen von Parteiensystemen, Opladen 1990. Nohlen, Dieter, Wahlsysteme, in: Manfred G. Schmidt (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 510-526. (zitiert als 1992a) Nohlen, Dieter, Wahlsysteme der Welt. Daten und Analysen. Ein Handbuch, unter Mitarbeit von Rainer-Olaf Schultze, München/Zürich 1978. Nohlen, Dieter, Wahlsysteme und Wahlreform: Eine Einführung, Heidelberg 1995. (Manuskript) (zitiert als 1995a) Nohlen, Dieter/M. Fernández (Hrsg.), El presidencialismo renovado. Instituciones y cambio político, Caracas 1997. Nohlen, Dieter/Mirjana, Kasapovic, Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa. Genese und Auswirkungen politischer Institutionen, Opladen 1996. Nohlen, Dieter/Bernhard Thibaut, Trotz allem: Demokratie - Zur politischen Entwicklung Lateinamerikas in den neunziger Jahren, in: Detlef Junker u.a. (Hrsg.), Lateinamerika am Ende des 20. Jahrhunderts, München 1994: 235-261. Nolte, Detlef, „¿Una democracia sitiada"? Chancen und Gefahren für die Demokratie in Lateinamerica, in: Lateinamerika, Analysen - Daten - Dokumentation Nr. 13, Hamburg 1990: 19-32. Nolte, Detlef, Dunkle Wolken über den lateinamerikanischen Demokratien, in: Brennpunkt Lateinamerika Nr. 18, Hamburg 28.9.2001. Nolte, Detlef (Hrsg.), Lateinamerika im Umbruch? Wirtschaftliche und politische Wandlungsprozesse an der Wende von den 80er zu den 90er Jahren, Münster/ Hamburg 1991. Nolte, Detlef, Lateinamerikas Parteien zwischen Volatilität und Beharrung, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 2000, Frankfurt a. M. 2000: 9-29. Nolte, Detlef, Procesos de descentralización en América Latina: un enfoque comparativo, in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Descentralización política y consolidación democrática. Europa - América del Sur, Caracas/Madrid 1991: 73-85. (zitiert ais 1991a) Nolte, Detlef, Südamerika: Reinstitutionalisierung und Konsolidierung der Demokratie, in: Wolfgang Merkel/Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 287-314.

Bibliographie

521

Nolte, Detlef, Der verunsicherte Jaguar. Lateinamerika zwischen wirtschaftlichem Optimismus und politischer Skepsis, in: Klaus Bodemer et al. (Hrsg.), Lateinamerika Jahrbuch 1997, Frankfort a. M. 1997: 37-57. (zitiert als 1991a) Noriega, Carlos Arturo, Lo que pasó aquella noche. 19 de abril de 1970, Bogotá 1977. North, Douglass, Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge 1990. (Deutsch: Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, Tübingen 1992) North, Douglass, Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1988. Nwokedi, Emeka, Politics of Democratization, Hamburg/Münster 1995. Obregón Sabogal, Orlando, Acción gubernamental y participación social, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá junio de 1996: 13-25. Obregón Sabogal, Orlando, Estado y autonomía de la sociedad civil, Bogotá 1996. Ocampo, José Antonio, Reforma del Estado y desarrollo económico y social en Colombia, in: Análisis Político Nr. 17, Bogotá Sept.-Dez. 1992: 5-40. Ocampo, José F., Colombia siglo XX: estudio histórico y antología política, Bogotá 1980. Ocampo de Herrán, María Cristina, Las mujeres dirigentes, in: Elena Páez Tavera et al. (Hrsg.), Protagonismo de la mujer, Prodemocracia, Fundación Friedrich Naumann, Bogotá 1989: 34-54. Ocampo L., Javier, El caudillismo colombiano, FEDELCO, Bogotá 1974. Ocampo L., Javier, ¿Qué es el conservatismo colombiano?, Bogotá 1990. Ocampo L., Javier, ¿Qué es el liberalismo colombiano?, Bogotá 1990. Ochoa, Doris/Dario I. Restrepo, El estado del arte de la descentralización política y de la oferta pública en participación ciudadana y comunitaria, in: Ariel Cifuentes Noyes (Hrsg.), Diez años de descentralización. Resultados y perspectivas, FESCOL, Bogotá 1994: 9-61. O'Donnell, Guillermo, Delegative Democracy, in: Journal of Democracy Nr. 1, Bd. 5, 1994: 55-69. (Spanisches Original 1992) O'Donnell, Guillermo, Horizontal Accountability in New Democracies, in: Journal of Democracy Nr. 3, Bd. 9, 1998: 112-126. O'Donnell, Guillermo, Illusions about Consolidation, in: Journal of Democracy Nr. 2, Bd. 7, 1996: 34-51. O'Donnell, Guillermo, Illusions and Conceptual Flaws, in: Journal of Democracy Nr. 4, Bd. 7, 1996: 160-169. (zitiert als 1996a) O'Donnell, Guillermo, Modernization and Bureaucratic-Authoritarianism: Studies in South American Politics, Berkeley 1973. (Auf Spanisch: El Estado burocrático autoritario (1966-1973). Triunfos, derrotas y crisis, Buenos Aires 1982.) O'Donnell, Guillermo, Polyarchies and the (Un)Rule of Law in Latin America, Notre Dame 1998. (mimeo) (zitiert als 1998a)

522

Bibliographie

O'Donnell, Guillermo, On the State, Democratization and Some Conceptual Problems: A Latin American View with Glances at Some Postcommunist Countries, in: World Development Nr. 8, Bd. 21,1993: 1355-1369. O'Donnell, Guillermo, Transitions, Continuities, and Paradoxes, in: Scott Mainwaring/Guillermo O'Donnell/J. Samuel Valenzuela (Hrsg.), Issues in Democratic Consolidation:The New South American Democracies in Comparative Perspective, Notre Dame, 1992. O'Donnell, Guillermo/Philippe C. Schmitter, Defining some Concepts (and Exposing some Assumptions), in: Guillermo O'Donnell/Philippe Schmitter, Transitions from Authoritarian Rule. Tentative Conclusions about Uncertain Democracies, Baltimore/London 1986: 6-14. O'Donnell, Guillermo/Philippe C. Schmitter, Transitions from Authoritarian Rule. Tentative Conclusions about Uncertain Democracies, Baltimore/London 1986. (zitiert als 1986a) O'Donnell, Guillermo/Philippe C. Schmitter/Lawrence Whitehead (Hrsg.), Transitions from Authoritarian Rule, 5 Bände, Baltimore 1986. (Spanisch: Transiciones desde un gobierno autoritario, 4 Vols., Buenos Aires 1989) Oeing, Dag, Wahlenthaltung in Spanien: die NichtWählerschaft im Strukturwandel? Profil und Motive der spanischen NichtWähler, Marburg 1997. Özbudun, Ergun, Institutionalizing Competitive Elections in Developing Societies, in: Myron Weiner/Ergun Özbudun (Hrsg.), Competitive Elections in Developing Countries, Durham 1987: 393^22. Offe, Claus, Strukturprobleme des kapitalistischen Staates, Frankurt 1972. Offe, Claus, Der Tunnel am Ende des Lichts. Erkundungen der politischen Transformation im Neuen Osten, Frankfurt a. M./New York 1994. Ogliastri, Enrique, Estructura de poder y clases sociales: la democracia oligárquica en Colombia, Monografías 14, Facultad de Administración, Universidad de los Andes, Bogotá 1989. Ogliastri, Enrique, Grupos dirigentes de regiones colombianas. Una comparación entre liberales y conservadores, Universidad de los Andes, Bogotá 1979. Ogliastri, Enrique, Liberales conservadores versus conservadores liberales. Faccionalismos trenzados en la estructura de poder político en Colombia, Monografías 12, Facultad de Administración, Universidad de los Andes, Bogotá 1989. (zitiert als 1989a) Ogliastri, Enrique, Organizational Leadership in Colombia, Universidad de los Andes, Bogotá 1998. (mimeo) Olano, María, Democracia y eficiencia: retos para la gestión municipal. El caso de Mesitas del Colegio, in: Revista Foro Nr. 13, Bogotá Okt. 1990: 70-80. O'Maoláin, Ciarán (Hrsg.), Latin American Political Movements, London 1985. Oquist, Paul H., Violence, Conflict, and Politics in Colombia, New York 1980. Orejuela Díaz et al., Las vueltas del Presidente, Universidad Libre, Seccional Cali, Cali 1994.

Bibliographie

523

Orjuela E., Luis Javier, Aspectos políticos del nuevo ordenamiento territorial, in: John C. Dugas (Hrsg.), La Constitución de 1991: ¿un pacto político viable?, Bogotá 1993: 134-161. Orjuela E., Luis Javier, Descentralización en Colombia: entre la eficacia del Estado y la legitimación del régimen, in: Dieter Nohlen (Hrsg.), Descentralización política y consolidación democrática. Europa - América del Sur, Caracas/Madrid 1991: 167-189. Orjuela E., Luis Javier, La descentralización en Colombia: Paradigmas para la eficiencia y la legitimidad del Estado, in: John C. Dugas et al. (Hrsg.), Los caminos de la descentralización. Diversidad y retos de la transformación municipal, Bogotá 1992: 25-84. Orjuela E., Luis Javier, Descentralización y gobernabilidad en Colombia, in: Elisabeth Ungar (Hrsg.), Gobernabilidad en Colombia. Retos y desafíos, Bogotá 1993: 101-127. (zitiert ais 1993a) Orozco Abad, Iván, Los diálogos con el narcotráfico: historia de la transformación fallida de un delincuente común en un delicuente político, in: Análisis Político Nr. 11, Bogotá Sept.-Dez. 1990: 28-59. Orozco Abad, Iván, Die Gestaltung des Ausnahmezustands in Kolumbien im 19. Jahrhundert, Saarbrücken 1988. Orozco Abad, Iván, La guerra del Presidente, in: Análisis Político Nr. 8, Sept.-Dez. 1989: 73-78. Orozco Abad, Iván/Juan Gabriel Gómez Albarello, Los peligros del nuevo constitucionalismo en materia criminal, Bogotá 1997. Ortiz Vidales, Carlos Miguel, Estado y subversión en Colombia, Bogotá 1985. Ospina N., Edison, Sindicalismo y partidos políticos después de la violencia, Monografía de Tesis, Departamento de Economía, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1982. Ospina S., Jorge, Hacia un nuevo conservatismo, Bogotá 1989. Osterling, Jorge P., Democracy in Colombia. Clientelist Politics and Guerrilla Warfare, New Brunswick/Oxford 1989. Ostrom, Elinor, Governing the Commons: The Evolution of Institutions for Collective Action, Cambridge 1990. Otálora, Sergio, Gaitanismo: movimiento social y no disidencia partidista, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo, izquierda y alternativas populares en Colombia, CINEP, CEREC, Bogotá 1989: 27-46. Ovalle G., Estella, La oposición institucional en Colombia. De los gobiernos hegemónicos a los gobiernos de participación: Enfasis en la administración Betancur 1982-1986, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1988. Oviedo, Alvaro, Colombia: democracia restringida o apertura democrática, Bogotá 1983. Padilla, Nelson Freddy, Elecciones bajo fuego, in: Cambio 16 Nr. 227, 20.-27. 10.1997: 18-20.

524

Bibliographie

Palacio, Germán (Hrsg.), La Irrupción del paraestado. Ensayos sobre la crisis colombiana, ILSA, CEREC, Bogotá 1990. Palacio Rudas, Alfonso, El Congreso en la Constitución de 1991. Del Edificio Fénix al Centro de Convenciones. Los desarrollos legislativos, Bogotá 1994. Palacio Rudas, Alfonso, La reforma del Congreso en la Constitución de 1991, in: Política Colombiana Nr. 4, Bd. III, 1993: 5-8. Palacios, Marco, Entre la legitimidad y la violencia. Colombia 1875-1994, Bogotá 1995. Palacios, Marco, La gobernabilidad en Colombia, aspectos históricos, in: Análisis Político Nr. 29, Bogotá Sept.-Dez. 1996: 3-19. Parra, Néstor H., Liberalismo, neoliberalismo, socialismo, Instituto de Estudios Liberales, Bogotá 1983. Parry, Geraint, Types of Democracy, in: Seymour Martin Lipset (Hrsg.), The Encyclopedia of Democracy, Bd. 1, 1995: 1277-1284. Parsons, Talcot, Evolutionäre Universalien der Gesellschaft, in: Wolfgang Zapf (Hrsg.), Theorien des sozialen Wandels, Köln/Berlin 1969: 55-74. Parsons, Talcot, Das Problem des Strukturwandels: Eine theoretische Skizze, in: Wolfgang Zapf (Hrsg.), Theorien des sozialen Wandels, Köln/Berlin 1969: 35-54. (zitiert als 1969a) Parsons, Talcot, The Social System, New York 1951. Parra, Alberto, Evangelizar a Colombia desde su nueva realidad, Bogotá 1994. Pass, Claudia, Politische Systeme in Lateinamerika. Zur Entwicklungsrelevanz politischer Parteien am Beispiel Chile und Peru, Linz 1997. Pastrana, Andrés, Llegó el momento de Colombia! Programa de Gobierno. 19941998, Bogotá 1994. Pastrana, Andrés, Programa de Gobierno, in: Revista Javeriana Nr. 643, April 1998: 197-202. Pastrana B., Misael, El Partido Social Conservador, Bogotá 1988. Patentan, Carole, Participation and Democratic Theory, Cambridge 1970. Pearce, Jenny, Kolumbien im Innern des Labyrinths, Stuttgart 1992. Pécaut, Daniel, Colombia: violencia y democracia, in: Análisis Político Nr. 13, Bogotá Mai-Aug. 1991: 35-49. Pécaut, Daniel, Crónica de dos décadas de política colombiana, 1968-1988, México/Madrid/Bogotá 1989. Pécaut, Daniel, Orden y violencia: Colombia 1930-1954, Bd. I und II, Bogotá 1987. Pedersen, Mogens N., Changing Patterns of Electoral Volatility in European Party Systems, 1948-1977: Explorations in Explanation, i n : Hans Daalder/Peter Mair (Hrsg.), Western European Party Systems: Continuity & Change, Beverly Hills u.a.1983: 29-66. Peeler, John A., Colombian Parties and Political Development. A Reassessment, in: Journal of Inter-American Studies Nr. 2. Vol 18, 1976: 203-224. Peeler, John A., The Conditions for Liberal Democracy in Latin America, XI International Congress of the Latin American Studies Association, Mexico 1983.

Bibliographie

525

Peeler, John A., Constitution Building and Democracy in Brazil and Colombia, American Political Science Association Annual Meeting, New York, 1994. Peeler, John A., Elite Settlement and Democratic Consolidation: Colombia, Costa Rica, and Venezuela, in: John Higley/Richard Gunther (Hrsg.), Elites and Democratic Consolidation in Latin America and Southern Europe, Cambridge u.a. 1992: 81-112. Peña Contreras, Sonia Lucía, Rito, símbolo y poder en las candidaturas a la alcaldía de Santafé de Bogotá. Una aproximación etnográfica, Bogotá ohne Jahr, (mimeo) Peña Contreras, Sonia Lucía, El ritual a la política en el contexto de la campaña electoral 1990-1994. (Ritos de contaminación), Tesis de Grado, Bogotá 1993. Peñaranda, Roberto, Descentralización y participación en las localidades del Distrito Capital, Bogotá 1993. Peñaranda Supelano, Ricardo, Los movimientos sociales: ¿Continua la crisis o se inicia una nueva etapa?, in: Luis Alberto Restrepo (Hrsg.), Síntesis '95. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1995: 39-45. Perelli, Carina, La personalización de la política. Nuevos caudillos, „Outsiders", política mediática y política informal, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 163-204. Perelli, Carina/Daniel Zavotto, Introducción: partidos, liderazgos y consolidación democrática en América Latina, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: XV-XXI. Perelli, Carina/Sonia Picado S. /Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995. Pérez, Hésper Eduardo, Proceso del bipartidismo colombiano y Frente Nacional, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1989. Perez, Blanca C./Miguel A., Sánchez (Hrsg.), Descentralización y municipio. Primer seminario hispanocolombiano sobre descentralización, Bogotá 1994. Pérez G., Jesús, Gobierno y oposición. Elementos para una reforma del Estado, Programa de Estudios Políticos FEI, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1987. Pérez Orduña, Rafael Elias, Las nuevas instituciones y mecanismos de participación en la Constitución de 1991, Universidad Externado de Colombia, Bogotá 1994. Pérez Rivera, Hésper Eduardo, Proceso del bipartidismo colombiano y Frente Nacional, Bogotá 1989. Petras, James, Los nuevos movimientos sociales: perspectivas de transformación democrática, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá Feb. 1987: 49-53. Phillips, Anne, Engendering Democracy, Cambridge 1991.

526

Bibliographie

Pinzón de Lewin, Patricia, Una aproximación al voto urbano: el voto en las ciudades colombianas, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 40M32. Pinzón de Lewin, Patricia, El Ejército y las elecciones. Ensayo histórico, Bogotá 1994. Pinzón de Lewin, Patricia, Las elecciones de marzo para Congreso de la República, Bogotá 1998. (mimeo) (zitiertals 1998a) Pinzón de Lewin, Patricia (Hrsg.), La oposición en Colombia. Algunas bases para su discusión, CEI, Universidad de los Andes, FESCOL, Bogotá 1986. Pinzón de Lewin, Patricia, La oposición política en Colombia, in: Alejo Vargas V. et al., Democracia formal y real. Programa Educación para el Desarrollo, Instituto para el Desarrollo de la democracia Luis Carlos Galán, Bogotá 1994: 71-110. (zitiertals 1994a) Pinzón de Lewin, Patricia (Hrsg.), Los partidos políticos colombianos. Estatutos, reglamentos, programas, FESCOL, Bogotá 1987. Pinzón de Lewin, Patricia, Los partidos políticos una interpretación, Departamento de Ciencias Políticas, Universidad de los Andes, Bogotá ohne Jahr. (mimeo) Pinzón de Lewin, Patricia, Pueblos, regiones y partidos. La regionalización electoral. Atlas electoral colombiano, CEREC, CIDER, Bogotá 1989. Pinzón de Lewin, Patricia/Dora Rothlisberger, La participación electoral en 1990: ¿Un nuevo tipo de votante?, in: Rubén Sánchez (Hrsg.), Los nuevos retos electorales, Universidad de los Andes, CEREC, Bogotá 1991: 133-166. Pissoat, Olivier/Odile Hoffmann, Aproximación a la diferenciación espacial en el Pacifico. Un ensayo metodológico, Documentos de trabajo Nr. 42, Proyecto CIDSE-IRD, Cali 1999. Pita, Roger, Las Juntas Administradoras Locales como mecanismos de participación y descentralización político-administrativa. El caso de las JAL de Chapinero, Tesis de grado, Universidad de los Andes, Bogotá 1995. Pizarro Leongómez, Eduardo, Colombia: ¿hacia una salida democrática a la crisis nacional?, in: Miguel Eduardo Cárdenas (Hrsg.), Modernidad y sociedad política en Colombia, Bogotá 1993: 204-234. Pizarro Leongómez, Eduardo, La Comisión para la Reforma de los Partidos, in: Análisis Político Nr. 26, Bogotá Sept.-Dez. 1995: 72-86. Pizarro Leongómez, Eduardo, La crisis de los partidos y los partidos en la crisis, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 205-234. Pizarro Leongómez, Eduardo, Democracia restringida y desinstitucionalización política, in: Pedro Medellín Torres (Hrsg.), La reforma del Estado en América Latina, Bogotá 1989: 303-342. Pizarro Leongómez, Eduardo, Elecciones, partidos y nuevo marco institucional: ¿en qué estamos?, in: Análisis Político Nr. 22, Bogotá Mai-Aug. 1994: 81-98. Pizarro Leongómez, Eduardo, Las FARC 1949-1966. De la autodefensa a la combinación de todas las formas de lucha, Bogotá 1991.

Bibliographie

527

Pizarro Leongómez, Eduardo, El financiamiento de las campañas electorales en Colombia, in: Delia M. Ferreira Rubio (Hrsg.), Financiamiento de partidos políticos, Buenos Aires 1997: 109-151. Pizarro Leongómez, Eduardo, Fundamentos y propuestas para una reforma política en Colombia, in: FESCOL, La oposición política en Colombia, Bogotá 1996: 1346. (zitiert als 1996a) Pizarro Leongómez, Eduardo, ¿Hacia un sistema multipartidista? Las terceras fuerzas en Colombia hoy, in: Análisis Político Nr. 31, Bogotá Mai-Aug. 1997: 82104. (zitiert als 1997a) Pizarro Leongómez, Eduardo, Un nuevo pacto nacional más allá del bipartidismo, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá Feb. 1987: 24-32. Pizarro Leongómez, Eduardo, La profesionalización militar en Colombia, in: Análisis Político Nr. 1, Bogotá (Mai-Aug. 1987: 20-39), Nr. 2 (Sep.-Dez. 1987: 729), Nr. 3 (Jan.-April 1988: 6-30). Pizarro Leongómez, Eduardo, Partidos, movimientos políticos y elecciones en 1997, in: Síntesis '98. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1998: 91-99. Pizarro Leongómez, Eduardo, El proyecto reformista de Belisario Betancur. Notas sobre la coyuntura política nacional, in: Revista Universidad de Antioquia, Nr. 204, Bd. 53, Medellín 1986: 4-34. Pizarro Leongómez, Eduardo, La reforma militar en un contexto de democratización política, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 159-208. (zitiert als 1995a) Pizarro Leongómez, Eduardo, La reforma política: un referendo por consenso, in: El Espectador 12.9.1998: 3A. (zitiert als 1998a) Pizarro Leongómez, Eduardo, Revolutionary Guerrilla Groups in Colombia, in: Charles Bergquist/Ricardo Peñaranda/Gonzalo Sánchez (Hrsg.), Violence in Colombia. The Contemporary Crisis in Historical Perspective, Wilmington (Delaware) 1992: 169-193. Pizarro Leongómez, Eduardo, Significado y perspectivas de las elecciones parlamentarias y presidenciales, Bogotá 1998. (mimeo) (zitiert als 1998b) Pizarro Leongómez, Eduardo, 100 años de la Constitución 1886-1986. Reforma política o catástrofe, in: Revista Foro Nr. 1, Bogotá Sept. 1986: 55-62. (zitiert als 1986a) Pizarro Leongómez, Eduardo/Alvaro Echeverri Uruburu, La democracia restringida en Colombia, in: Estudios Marxistas Nr. 21, Bogotá Mai-Aug. 1981: 329. Pizarro Leongómez, Eduardo/Juán Gabriel Tokatlián/Jaime Zuluaga Nieto, Coyuntura: elecciones, orden público e intervención norteamericana, in: http://colombia-thema.org/avr98/coyuntura.htm, 1998: 1-10. Pizzorno, Alessandro, Le radici della política in Italia, Bologna, 1993.

528

Bibliographie

Plasser, Fritz/Peter A. Ulram/Harald Waldrauch, Politischer Kulturwandel in OstMitteleuropa. Theorie und Empirie demokratischer Konsolidierung, Opladen 1997. Plaza J., Orlando, Campesinado, analfabetismo y el problema del voto en el Perú, in: Nueva Sociedad Nr. 41, San José 1979: 71-82. Popitz, Heinrich, Phänomene der Macht, Tübingen 1992. Portantiero, Juan Carlos, Algunos problemas para la construcción de un orden político democrático, in: Francisco Rojas Aravena (Hrsg.), América Latina: desarrollo y perspectivas democráticas, San José (Costa Rica), 1982: 85-96. Portaniero, Juan Carlos, La múltiple transformación del Estado latinoamericano, in: Nueva Sociedad Nr. 104, Caracas Nov.-Dez. 1989: 32-45. Poulantzas, Nicos, Estado, poder y socialismo, Madrid 1979. Powell, G. B. Jr., Contemporary Democracies: Participation, Stability and Violence, Cambridge (Mass.) 1982. Powers, James Carl, The Dynamics of Colombian Two-Party Democracy: An Historical Analysis. Mikrofilmxerokopie Pullman Washington, Washington State University Department of Political Science, Phil. Diss., Washington 1979. Presidencia de la República, El fortalecimiento de la democracia: el esquema gobierno-partidos de oposición, la democracia participativa y la paz. Informe del Presidente de la República Virgilio Barco al Congreso Nacional, Secretaria de Información y Prensa de la Presidencia de la República, Bogotá 1990. Presidencia de la República, Reflexiones para una Nueva Constitución, Bogotá Dez. 1990. Pridham, Geoffrey, Democratic Transitions in Theory and Practice: Southern European Lessons for Eastern Europe, in: Geoffrey Pridham/Tatu Vanhanen (Hrsg.), Democratization in Eastern Europe, London/New York 1994: 15-37. Pridhan, Geoffrey/Paul Lewis (Hrsg.), Stabilising Fragile Democracies, London 1995. Przeworski, Adam, Democracy and the Market. Political and Economic Reforms in Eastern Europe and Latin America, Cambridge 1991. Pzeworski, Adam, The Games of Transition, in: Scott Mainwaring/Guillermo O'Donnell/Samuel J. Valenzuela (Hrsg.), Issues in Democratic Consolidation: The South American Democracies in Comparative Perspective, Notre Dame, 1992: 105-152. Przeworski, Adam, Some Problems in the Study of Transition to Democracy, in: Guillermo O'Donnell/Philippe C. Schmitter/Laurence Whitehead (Hrsg.), Transitions from Authoritarian Rule. Prospects for Democracy, Bd. 3, Baltimore/London 1986: 47-63. Przeworski, Adam, Sustainable Democracy, Cambridge 1995. Przeworski, Adam/Michael Alvarez/José Antonio Cheibub, What Makes Democracies Endure?, in: Journal of Democracy Nr. 1, Bd. 7, Jan. 1996: 39-55. Puhle, Hans-Jürgen, Transitions, Demokratisierung und Transformationsprozesse in Südeuropa, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994: 173-194.

Bibliographie

529

Putnam, Robert D., Making Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy, Princeton (N.J.) 1993. Querubín, Cristina/María Fernanda Sánchez/Ileana Kure, Dinámica de las elecciones populares de alcaldes, 1988-1997, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 117-140. Rae, Douglas W., The Political Consequences of Electoral Laws, New Haven/London 1967. Rae, Douglas W., A Note on the Fractionalization of some European Party Systems, in: Comparative Political Studies 1, 1968: 413-418. Ramírez, Juan Manuel, La financiación de las campañas en las elecciones del año 2000, in: Femando Giraldo/Rodrigo Losada/Patricia Muñoz (Hrsg.), Colombia: elecciones 2000, Bogotá 2001: 218-227. Ramírez, Socorro, Mujeres, democracia y Participación, in: Gaceta Nr. 10, Bogotá 1991: 3-17. Ramírez, Socorro/Luis Alberto Restrepo, Actores en conflicto por la paz: el proceso de paz durante el gobierno de Belisario Betancur (1982-1986), Bogotá 1988. Ramírez A., Jorge, Liberalismo: Ideología y clientelismo 1957-1986, Bogotá 1986. Ramírez B., Luis Fernando, Reflexiones sobre el proyecto político Ciudadanos en Formación, Bogotá 1994. Ramírez Cardona, Alejandro, El estado de justicia: más allá del estado de derecho, Bogotá 1996. Ramírez Suárez, Jesús, La Constitución colombiana de 1991, Universidad de Colombia, Bogotá 1994. Ramírez Tobón, William, Estado, violencia y democracia en Colombia, in: Camacho, Nora (Hrsg), Colombia: democracia y sociedad, Bogotá 1988: 353-374. Ramírez Tobón, William, Estado, violencia y democracia. Ensayos, Bogotá 1990. Ramírez Tobón, William, Las fértiles cenizas de la izquierda, in: Análisis Político Nr. 10, Bogotá Mai-Aug. 1990: 3 7 ^ 5 . Ramos Jiménez, Alfredo, Partidos, familias políticas y sistemas de partidos en América Latina, in: Carlos Delgado Chapellín/Vicente Manuel Magallanes (Hrsg.), Reformas electorales y partidos políticos, Caracas 1986: 271-307. Ramos Jiménez, Alfredo, Los partidos políticos en las democracias latinoamericanas, Mérida 1995. Ramsey, Russell, Guerrilleros y soldados, Bogotá 1981. Rangel Suárez, Alfredo, Colombia: una democracia sin partidos, in: Revista Foro Nr. 10, Bogotá Sept. 1989: 71-78. Rangel Suárez, Alfredo, El poder local: objetivo actual de la guerrilla, in: FESCOL (Hrsg.), Descentralización y orden público, Bogotá 1997: 53-65. Rangel Suárez, Alfredo, Partidos, sistema electoral y electores, in: Revista Foro Nr. 14, Bogotá April 1991: 17-26. Rattinger, Hans, Abkehr von den Parteien? Dimensionen der Politikverdrossenheit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 11, 1993: 24-35.

530

Bibliographie

Red de Solidaridad Social/Plan Nacional de Rehabilitación: Ley 70 de 1993, Bogotá 1995. Reddaway, Peter, Instability and Fragmentation, in: Journal of Democracy Nr. 2, Bd. 5,1994: 13-19. Reina, Mauricio, La mano invisible. Narcotráfico, economía y crisis, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 153-179. Reiter, Howard L., The Rise of the ,New Agenda' and the Decline of Partisanship, in: Western European Politics Nr. 16, 1993: 89-104. Reisinger, Wiliam H., The Renaissance of a Rubric: Political Culture as Concept and Theory, in: International Journal of Public Opinion Research Nr. 4, 1995: 7-17. Reißig, Rolf, Perspektivenwechsel in der Transformationsforschung: Inhaltliche Umorientierungen, räumliche Erweiterung, theoretische Innovation, in: Raj Kollmorgen/Rolf Reißig/Johannes Weiß (Hrsg.), Sozialer Wandel und Akteure in Ostdeutschland. Empirische Befunde und theoretische Ansätze, Opladen 1996: 245262. Remitier, Karen L., Democratization in Latin America, in: Robert O. Slater/Barry M. Schutz/Steven R. Dorr (Hrsg.), Global Transformation and the Third World, Boulder/London 1993:91-111. Remmer, Karen L., Exclusionary Democracy, in: Studies in Comparative International Development Nr. 4, Bd. 20, Winter 1985-86: 64-85. Restrepo, Eduardo, „Aletosos" en Tumaco: modernidad y conflicto en poblaciones negras del Pacífico sur colombiano, in: Seminario internacional Identidades y movilidades en el Pacífico colombiano, Univalle CIDSE/OSTROM, Cali 911.12.1998. Restrepo, Javier Darío, Medios de comunicación en la crisis política, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 235-261. Restrepo, Luis Alberto, Asamblea Nacional Constituyente en Colombia: ¿concluirá por fin el Frente Nacional?, in: Análisis Político Nr. 12, Bogotá Jan.-April 1991: 52-60. Restrepo, Luis Alberto, The Crisis of the Current Political Regime and its Possible Outcomes, in: Charles Bergquist/Ricardo Peñaranda, Gonzalo Sánchez (Hrsg.), Violence in Colombia. The Contemporary Crisis in Historical Perspective, Wilmington (Delaware), 1992: 273-292. Restrepo, Luis Alberto, Un elefante en palacio: la crisis del ejecutivo nacional, in: Luis Alberto Restrepo (Hrsg.) Síntesis' 97. Anuario social, político y económico de Colombia, IEPRI, Fundación Social, Bogotá 1997: 67-82. Restrepo, Luis Alberto, El ejecutivo en la crisis: dimensiones, antecedentes y perspectivas, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 47-73. Restrepo, Luis Alberto, Elección popular de alcaldes. Desnacionalización antidemocrática del Estado central y reapropiación democrática del Estado local, in:

Bibliographie

531

Allies et al., Elección popular de alcaldes. Colombia y la experiencia internacional, Bogotá 1988: 105-113. Restrepo, Luis Alberto, La guerra como sustitución de la política, in: Análisis Político Nr. 3, Bogotá Jan.-April 1988: 80-93. (zitiert als 1988a) Restrepo, Luis Alberto, Movimientos cívicos en la década de los ochenta, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 3 8 M 0 9 . Restrepo, Luis Alberto, Los movimientos sociales, la democracia y el socialismo, in: Análisis Político Nr. 5, Bogotá Sept.-Dez. 1988: 56-67. (zitiert als 1988b) Restrepo, Luis Alberto, La participación ciudadana: ¿participación tutelada o participación abierta?, in: FESCOL (Hrsg.), Sociedad civil, control social y democracia participativa, Bogotá 1997: 27-38. (zitiert als 1997b) Restrepo, Luis Alberto, El potencial democrático de los movimientos sociales y de la sociedad civil en Colombia, Escuela de Liderazgo Democrático, Bogotá 1994. Restrepo, Luis Alberto, El protagonismo político de los movimientos sociales, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá Feb. 1987: 33-43. Restrepo, Luis Alberto, Del revolcón al salto: balance y perspectivas, in: Síntesis '95. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1995: 23-36. Restrepo A., Ignacio, Sistema electoral y partidos políticos, in: Revista de la Cámara de Comercio de Bogotá Nr. 28, Bogotá 1977. Restrepo A., Ignacio, Reflexiones sobre la abstención electoral en Colombia, in: Universitas Nr. 43,1972: 333-354. Restrepo Botero, Antonio, Urabá: formas de representación política, in: FESCOL (Hrsg.), La nueva representación política en Colombia, Bogotá 1997: 63-76. Restrepo Botero, Darío Indalecio, Descentralización, democracia y Estado autoritario, in: Cuadernos de Economía Nr. 11, Bd. 8, Bogotá 1987: 111-141. Restrepo Botero, Darío Indalecio, Descentralización y neoliberalismo, Bogotá 1992. Restrepo Londoño, Diego, Estado, movimientos sociales y organizaciones civiles, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá Juni 1996: 2 7 ^ 2 . Restrepo Londoño, Diego/Luis Alberto Restrepo, El protagonismo político de los movimientos sociales, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá 1987: 34-47. Restrepo Piedrahíta, Carlos, Consideraciones sobre la reforma del Congreso, Universidad Externado de Colombia, Bogotá 1992. Rettberg, Angelika, Itinerario, composición política y carácter excepcional de la Asamblea Nacional Constituyente, Documento de Trabajo, Instituto de Estudios Políticos, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá Jan. 1994. Rettberg, Angelika, Las reformas del Congreso en la Constitución de 1991, Documento de Trabajo, IEPRI, Bogotá 1994. Revéiz, Edgar, Democratizar para sobrevivir, Bogotá 1989. Revéiz, Edgar, La gobernabilidad económica y política antes y después de la apertura y de la promulgación de la Constitución del 91. Documentos de trabajo Nr. 2, Jahr 1, Bogotá Juli 1995.

532

Bibliographie

Revista Foro, Del Constituyente primario al pacto bipartidista, Nr. 5, Bogotá März 1988. Revista Foro, Los costos de una democracia en Colombia, Nr. 12, Bogotá Juni 1990. Reyes Posada, Alejandro, Las mafias, la crisis política y las perspectivas de la guerra civil, in: Saúl Franco (Hrsg.) Colombia Contemporánea, IEPRI, Bogotá 1996: 285297. Reyes Posada, Alejandro, La violencia y la expansión territorial del narcotráfico, in: Juan Tokatlián/Bruce, Bagley (Hrsg.), Economía y política del narcotráfico, Bogotá 1990: 118-139. Reyes Posada, Alejandro/Ana M., Bejarano, Conflictos agrarios y luchas armadas en la Colombia contemporánea. Una visión geográfica, in: Análisis Político Nr. 5, Bogotá Sept.-Dez. 1988: 6-27. Reyes, Francisco, Democracia de cristal, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 8, Bogotá Dez. 1989: 2-7. Reyes, Francisco, El día de los elegidos, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 9, Bogotá Jan.-März 1990: 2-10. Reyes Torres, Francisco (Hrsg.), Democracia y conflicto en la escuela, Bogotá ohne Jahr. Rezazadeh, Resa/Joseph Mac Kenzie, Political Parties in Columbia. Continuity in Political Style, Publ. for University of Wisconsin-Platteville by University Microfilms International 1978. Rial, Juan (Hrsg.), Partidos políticos, democracia y autoritarismo, Zwei Bände, Montevideo 1984. Rial, Juan, Los partidos políticos en América del Sur en la primera mitad de los años noventa, in: Carina Perelli/Sonia Picado S./Daniel Zovatto (Hrsg.), Partidos y clase política en América Latina en los 90, San José 1995: 29-99. Rial, Juan, La representación política en cuestión, in: Contribuciones Nr. 1, Jahr XV, Jan.-März 1998: 29-51. Ribón Q., María C., Proceso de formación de la Unión Patriótica, Tesis de grado, Departamento de Ciencias Políticas, Universidad de los Andes, Bogotá 1987. Ricardo, Víctor G., Paz, democracia, solidaridad y autonomía regional, Bogotá 1986. Richter, Rudolf/Eirik Furubotn, Neue Institutionenökonomik, Tübingen 1996. Rico, Edgar, Comportamiento electoral de los grupos políticos no tradicionales en la elección popular de alcaldes en el Valle del Cauca 1988 y 1990, Tesis de grado, Universidad de los Andes, Bogotá 1990. Riedwyl, Hans/Jürg Steiner, What is Proportionality Anyhow?, in: Comparative Political Studies Bd. 27, 1995: 357-369. Rinesi, Eduardo, Ciudades teatros y balcones. Un ensayo sobre la representación política, Buenos Aires 1994. Rivas Moreno, Gerardo/Jorge Villegas Arango, La paz es un poema. Colombia: violencia 1958-1984, Fundación para la investigación y la Cultura, Bogotá 1984. Roa Suárez, Hernando, A propósito del Estado y la gobernabilidad contemporáneos. Una aproximación, Medellín 1994.

Bibliographie

533

Roberts, Kenneth M./Erik Wibbels, Party Systems and Electoral Volatility in Latin America: a Test of Economic, Instituional and Structural Explanations, in: American Political Science Review Nr. 3, Bd. 93: 575-590. Robertson, John Michael, Nationalism, Revolution and Narcotics Trafficking in Latin America (Colombia, Peru, Cuba), Ph.D., University of Virginia 1993. Rodríguez, Abel, El nuevo Congreso, in: Revista Foro Nr. 16, Bogotá Dez. 1991März 1992: 73-81. Rodríguez, Alfredo/Fabio Velásquez (Hrsg.), Municipio y servicios públicos. Gobiernos locales en ciudades intermedias de América Latina, Colección Estudios Urbanos, Santiago de Chile 1994. Rodríguez, Omar Roberto, La aventura de Lucio, in: La Revista de El Espectador Nr. 4, 13.8.2000: 24-28. Rodríguez, Omar Roberto, La Sombra, in: La Revista de El Espectador Nr. 2, 30.7.2000: 26-28. (zitiert als 2000a) Rodríguez Gómez, Juan Pablo, Colombia: apertura del espacio político. ¿Camino hacia el multipartidismo?, Tesis de grado para optar por el título de politólogo, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1992. Rodríguez Gómez, Juan Pablo, Empresarios y crisis política en Colombia, in: Síntesis '97. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo Bogotá 1997: 25-33. Rodríguez P., Clara Rocío, Bogotá: Un gobierno democrático?, in: Revista Foro Nr. 17, April 1992: 68-80. Rodríguez P., Clara Rocío, Gestión social y finanzas municipales, Bogotá 1996. Rodríguez R., Edmundo, Partidos políticos y autonomía universitaria, FEI, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1979. Rodríguez Raga, Juan Carlos, Participación, sistema de partidos y sistema electoral. Posibilidades de la ingenería institucional, in: Análisis político Nr. 33, Bogotá Jan.-April 1998: 94-108. Rodríguez Rodríguez, Jahir/Orlando Sierra Hernández/Oscar Arango Gavina/ Miguel Angel Rojas Arias, Democracia, política y paz. Elecciones en el eje cafetero, Manizales 1998. Rodríguez S., J. A., Raices de la violencia, Bogotá 1994. Rohe, Karl, Politische Kultur: Zum Verständnis eines theoretischen Konzeptes, in: Oskar Niedermayer/Klaus von Beyme (Hrsg.), Politische Kultur in Ost- und Westdeutschland, Berlin 1994: 1-21. Rohr, Elisabeth, Der Traum vom Fliegen. Sektenmission in Südamerika, in: Glaube, Magie, Religion, Frankfurt a. M. 1990: 55-87. Rojas H., Fernando, Colombia 1977: la crisis del régimen, in: Controversia Nr. 54, Bogotá 1977: 1-104. Rojas H., Fernando, El Estado en los ochenta: ¿un regimen policivo?, in: Controversia Nr. 82/83, CINEP, Bogotá 1978. Rojas H., Fernando, La lucha contra la corrupción en el Estado descentralizado, in: FESCOL (Hrsg.), Descentralización y corrupción, Bogotá 1996: 13-48.

534

Bibliographie

Rojas H., Fernando, Retos de desarrollo institucional para la implantación del control ciudadano y control comunitario de gestión y de resultados, in: Ariel Cifuentes Noyes (Hrsg.), Diez años de descentralización. Resultados y perspectivas, FESCOL, Bogotá 1994: 9-61. Rojas, José F., A un año de la instalación de las Juntas de Administración Local. Un cumpleaños poco feliz, in: Cien Díaz Nr. 22, Bd. 6, Bogotá April-Juni 1993: 1213. Rojas, José M./Luis C., Castillo, Poder local y recomposición campesina, Cali 1991. Rojas Ruiz, Humberto/Alvaro Camacho Guizado, El Frente Nacional: ideología y realidad, Punta de Lanza Nr. 5, Bogotá 1973. Roland, Gérard/Juan Gonzalo Zapata, Colombia's Electoral and Party System: Proposais for Reforms, April 2000. (mimeo) Roll, David, Un siglo de ambigüedad. Para entender cien años de crisis y reformas políticas en Colombia, Bogotá 2001. Romero, Marco A., Avatares del régimen municipal, in: Revista Foro Nr. 25, Bogotá Dez. 1994: 54-63. Romero Silva, Marco Alberto, Oposición, pluralismo y representación política en Colombia, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá Juli-Dez. 1995: 33-44. Romero Vergara, Mario Diego, Poblamiento y sociedad en el Pacífico colombiano, siglo XIX al XVIII, Editorial Faculdad de Humanidades, Universidad del Valle, Cali 1995. Ross, Marc Howard, La cultura del conflicto: las diferencias interculturales en la práctica de la violencia, Barcelona 1995. Rothlisberger, Dora/Oquist, Paul, Algunos aspectos de la abstención electoral, in: Boletín Mensual de Estadística, DANE, Nr. 268-269, Bogotá Nov.-Dez. 1973: 268-269. Rubin, Jeffrey W., Decentering the Regime: Culture and Regional Politics in Mexico, in: Latin American Research Review Nr. 3, Bd. 31, 1996: 85-126. Rüb, Friedbert W., Zur Funktion und Bedeutung politischer Institutionen in Systemwechselprozessen. Eine vergleichende Betrachtung, in: Wolfgang Merkel/ Eberhard Sandschneider/Dieter Segert (Hrsg.), Systemwechsel 2. Die Institutionalisierung der Demokratie, Opladen 1996: 37-72. Riib, Friedbert W., Die Herausbildung politischer Institutionen in Demokratisierungsprozessen, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994: 111-137. Rueschemeyer, Dietrich/Evelyn Huber Stephens/John Stephens, Capitalist Development & Democracy, Chicago 1992. Rfigemer, Werner, Die Pfeiler der Korruption, in: Frankfurter Rundschau, Dokumentation, 24.8.1996: 14. Rütsche, Bruno, Die Pazifikküste im Würgegriff der Interessen, Sondernummer des Kolumbien-Monatsberichts Nr. 6/7, ohne Ort Juni/Juli 2001. Ruhl, J. Mark, Party System in Crisis? An Analysis of Colombia' s 1978 Elections, in: Inter-American Economic Affairs Nr. 3, Bd. 32, Washington 1978: 29-45.

Bibliographie

535

Ruiz, Gemán/Elisabeth Ungar, Información para desarrollar responsabilidad política: el papel de candidatos visibles, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 337-358. Ruiz, Hernando, Precandidatos presidenciales y otros temas políticos, in: Carta Financiera Nr. 59, Bogotá 1981. Rundbrief der DVPW ad hoc Gruppe Interkultureller Demokratievergleich, Nov. 1997. Rustow, Dankwart A., Transitions to Democracy: Towards a Dynamic Model, in: Comparative Politics Nr. 3, Bd. 2, April 1970: 343-351. Rustow, Dankwart A., A World of Nations: Problems of Political Modernization, Washington 1967. Sáchica Aponte, Luis Carlos, Constitucionalimo colombiano, Bogotá 1991. Sáchica Aponte, Luis Carlos, Nuevo constitucionalismo colombiano, Bogotá 1994. Sáenz, Orlando/Clara Rocío Rodríguez, Gobemabilidad y gestión local en Barranquilla, in: Territorios Nr. 1, Bogotá Aug. 1998-Jan. 1999: 153-166. Sáenz Rovner, Eduardo (Hrsg.), Modernizazión económica versus modernización social: balance critico del gobierno de César Gaviria en Colombia, Bogotá 1994. Salazar, Alonso J./Ana María Jaramillo, Medellin: las subculturas del narcotráfico, Bogotá 1992. Salom Bercerra, Alvaro, Al pueblo nunca le toca, Bogotá 1979. Samper P., Daniel, ¿Por quién votar?, Bogotá 1982. Samper P., Daniel, ¿Por quién votar? 1986. Una guía evaluativa de cada congresista, elaborada por periodistas e investigadores, para que usted sepa por quién vota, Bogotá 1986. Sánchez A., Ricardo, Colombia: el bloqueo de las izquierdas como tercer alternativa, in: Revista Foro Nr. 9, Mai-Aug. Bogotá 1989: 8-19. Sánchez A., Ricardo, Izquierda y democracia en Colombia, in: Revista Foro Nr. 10, Bogotá Sept.-Dez. 1989: 63-71. Sánchez David, Rubén, Candidatos y programas, in: Revista Foro Nr. 23, April-Aug. Bogotá 1994: 52-60. Sánchez David, Rubén, El comportamiento electoral de los Bogotanos en las elecciones de 1978, Departamento de Ciencias Políticas, Universidad de los Andes, Bogotá 1991. Sánchez David, Rubén, Democracia y política en Colombia, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 91-137. Sánchez David, Rubén, El influjo de la violencia en las elecciones, in: Revista Javeriana Nr. 646, Juli 1998: 51-58. Sánchez David, Rubén (Hrsg.), Los nuevos retos electorales - Colombia 1990: Antesala del cambio, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, CEREC, Bogotá 1991. (zitiert ais 1991a) Sánchez David, Rubén/Gabriel, Murillo, Procesos y factores determinantes de la recurrencia de la crisis gubernativa en Colombia, in: Gabriel Murillo Castaño

536

Bibliographie

(Hrsg.), Hacia la consolidación democrática andina. Transición o desestabilización, Bogotá 1993: 85-150. Sánchez, Enrique/ Roque Roldán/ María Fernanda Sánchez, Derechos e identidad. Los pueblos indígenas y negros en la Constitución Política de Colombia de 1991, Bogotá 1993. Sánchez, Gonzalo, Ensayos de historia social y política del siglo XX, Bogotá 1984. Sánchez, Gonzalo, Guerra y política en la sociedad colombiana, in: Análisis Político Nr. 11, Bogotá Sept.-Dez. 1990: 7-27. Sánchez, Gonzalo, Guerra y política en la sociedad colombiana, Bogotá 1991. Sánchez, Gonzalo, The Violence: An Interpretative Synthesis, in: Charles Bergquist, Ricardo Peñaranda, Gonzalo Sánchez (Hrsg.), Violence in Colombia. The Contemporary Crisis in Historical Perspective, Wilmington (Delaware), 1992: 75-124. Sánchez, Gonzalo, La violencia y sus efectos en el sistema político colombiano, in: Cuadernos colombianos Nr. 9, Medellín 1976: 1-44. Sánchez, Ricardo, Constitución sin negros, in: La Prensa, Bogotá 29. Mai 1991: 7. Sánchez, Ricardo, La crisis del bipartidismo y la Constituyente, Bogotá 1977. Sánchez, Ricardo, La organización del Estado en la Constitución, in: Revista Foro Nr. 16, Bogotá Dez. 1991-März 1992: 9-14. Sánchez G., Ana Lucía (Hrsg.), Procesos urbanos contemporáneos, Colombia 1995. Sánchez Torres, Carlos Ariel, Mecanismos de protección de los derechos fundamentales, Bogotá 1995. Sánchez Torres, Carlos Ariel, Participación ciudadana en Colombia (Ley 134 de 1994), Medellín 1994. Sánchez Torres, Carlos Ariel, Participación ciudadana, participación democrática y censo electoral en Colombia, in: Oscar Delgado et al., Modernidad, democracia y partidos políticos, FIDEC, FESCOL, Bogotá 1996 (1. Auflage 1993): 187-206. Sanclemente Molina, Fernando, Ideas conservadoras: ¿una solución para Colombia?, Bogotá 1985. Sandoval, Fabio, El liberalismo en el filo de la navaja, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 7, Bogotá Sept. 1989. Sandoval, Fabio, ¿La oportunidad de la izquierda?, in: Cien dias vistos por CINEP Nr. 9, Bogotá Jan.-März 1990. Sandoval, Fabio, Situación política, pronóstico reservado, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 8, Bogotá Dez. 1989. Sandschneider, Eberhard, Stabilität und Transformation politischer Systeme. Stand und Perspektiven der politikwissenschaftlichen Transformationsforschung, Opladen 1995. Sandschneider, Eberhard, ,Zivilgesellschaft' - Eine Bestandsaufnahme, in: Neue Gesellschaft. Frankfurter Hefte Bd. 42, 1995: 744-749. (zitiert als 1995a) Sanin, Javier, El futuro del conservatismo, in: Revista Foro Nr. 15, Bogotá Sept. 1991: 21-25. Sanín, Javier et al., Sistema electoral y régimen de partidos en Colombia. Panel 2: Sistema electoral, Universidad Externado de Colombia, Corporación Foro Regional, FESCOL, Bogotá 1982.

Bibliographie

537

Sanín, Noemi, Esquema de la plataforma programática, in: Revista Javeriana Nr. 643, April 1998: 193-196. Santamaría Salamanca, Ricardo, Colombia en los ochentas; entre la represión y el reformismo. El caso de la reforma política Betancur, Tesis de grado, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1984. Santamaría Salamanca, Ricardo/Gabriel Silva Luján (Hrsg.), Proceso político en Colombia. Del Frente Nacional a la apertura democrática, CEREC, Bogotá 1986. Santana Rodríguez, Pedro, Constituyente y democracia, in: Revista Foro Nr. 13, Bogotá Okt. 1990: 2-4. Santana Rodríguez, Pedro, La coyuntura política: una lectura de mediano plazo, in: Revista Foro Nr. 3, Bogotá Juli 1987: 17-28. Santana Rodríguez, Pedro, La crisis de la política, de los partidos y del país, in: Revista Foro Nr. 29, Bogotá Mai-Juli 1996: 39^8. Santana Rodríguez, Pedro, Crisis institucional y legitimidad política en Colombia, in: Revista Foro Nr. 11, Bogotá Jan.-Mai 1990: 46-54. (zitiert als 1990a) Santana Rodríguez, Pedro, Crisis municipal, movimientos sociales y reforma política en Colombia, in: Revista Foro Nr. 1, Bogotá Sept. 1986: 4-15. Santana Rodríguez, Pedro, La crisis política, in: Revista Foro Nr. 29, Bogotá MaiJuli 1996: 2-6. (zitiert als 1996a) Santana Rodríguez, Pedro, Crisis y reforma judicial, in: Revista Foro Nr. 26, Bogotá Mai-Juni 1995: 2-3. Santana Rodríguez, Pedro, Las elecciones locales en 1994: la tercería cívica en las alcaldías, in: Revista Foro Nr. 25, Bogotá Dez. 1994: 105-116. Santana Rodríguez, Pedro, Estado, gobierno y oposición, in: Revista Foro Nr. 25, Bogotá Dez. 1994-April 1995: 2-5. (zitiert ais 1995a) Santana Rodríguez, Pedro, Gobiernos locales, descentralización y democracia en Colombia, in: Charles A. Reilly (Hrsg.) Nuevas políticas urbanas, Las ONG y los gobiernos municipales en la democratización latinoamericana, Virginia 1994: 191-209. (zitiert ais 1994a) Santana Rodríguez, Pedro, Las incertidumbres de la democracia, Bogotá 1995. (zitiert als 1995b) Santana Rodríguez, Pedro, Legitimidad política y descentralización, in: Revista Foro Nr. 29, Bogotá Mai-Juli 1996: 23-33. (zitiert als 1996b) Santana Rodríguez, Pedro, Ley de partidos y movimientos políticos. Los partidos políticos y la democracia en Colombia, in: Revista Foro Nr. 17, Bogotá April-Aug. 1992: 44-55. Santana Rodríguez, Pedro, Local Governments, Decentralization, and Democracy in Colombia, in: Charles A. Reilly (Hrsg.), New Path to Democratic Development in Latín America. The Rise of NGO-Municipal Collaboration, Boulder/London 1995: 165-177. (zitiert ais 1995c) Santana Rodríguez, Pedro, Modernidad, modernización y gobernabilidad en la Colombia de hoy, in: Revista Foro Nr. 14, Bogotá April-Aug. 1991: 5-16. Santana Rodríguez, Pedro, Modernidad y democracia, in: Miguel E. Cárdenas, Modernidad y sociedad política en Colombia, Bogotá 1993: 237-316.

538

Bibliographie

Santana Rodríguez, Pedro, Los movimientos cívicos: el nuevo fenómeno electoral, in: Revista Foro Nr. 6, Bogotá Juni 1988: 47-62. Santana Rodríguez, Pedro, Los movimientos sociales en Colombia, Bogotá 1989. Santana Rodríguez, Pedro, Las ONG, los movimientos sociales y las organizaciones civiles, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá Juni 1996: 43-58. (zitiert ais 1996c) Santana Rodríguez, Pedro, ¿Por qué un nuevo pacto social?, in: Revista Foro Nr. 7, Bogotá Okt.-Jan. 1988: 17-24. (zitiert ais 1988a) Santana Rodríguez, Pedro, Reforma municipal, democracia y participación ciudadana, in: Estado moderno Nr. 1, Bd. 1, Sept. 1990: 14-18. (zitiert ais 1990b) Santana Rodríguez, Pedro, La reforma política, in: Revista Foro Nr. 27, Bogotá JuliDez. 1995: 2-6. (zitiert ais 1995d) Santana Rodríguez, Pedro, La territorialidad de la democracia, in: Revista Foro Nr. 21, Bogotá Sept. 1993: 57-71. (zitiert ais 1993a) Santana Rodríguez, Pedro/Constantino Casasbuenas M., Gobierno de partido o nuevo pacto frentenacionalista, in: Revista Foro Nr. 2, Bogotá Feb. 1987: 15-23. Santana Rodríguez, Pedro/María Teresa Muñoz L., Los derechos y el ejercicio de la ciudadanía. Manual para la participación, in: Revista Foro Nr. 26, Bogotá MaiJuni 1995: 73-96. Santos Calderón, Enrique, Fuego cruzado, Bogotá 1988. Santos Calderón, Enrique, Las guerras por la paz, Bogotá 1985. Santos Calderón, Enrique, Un presidente en contraescape, Bogotá 1997. Sarmiento Anzola, Libardo, La contienda electoral de los partidos tradicionales. En puja por el botín, in: Economía Colombiana y Coyuntura Política Nr. 270, Marz 1998: 50-52. Sarmiento Anzola, Libardo, Gobernabilidad, gestión pública y social. Bases para un gobierno socialista en Colombia, FESCOL, Bogotá 2000. (mimeo) Sarmiento Anzola, Libardo, Gobernabilidad, gestión pública y social. Bases para un gobierno ecosocialista en Colombia, in: La otra política, aproximaciones y referencias, FESCOL, Bogotá 2001: 15-61. Sarmiento Anzola, Libardo, Reformas y desarrollo social en los noventa, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 303-331. Sartori, Giovanni, Comparative Constitutional Engineering, Houndmills 1994. (Spanisch: Ingenería constitucional comparada. Una investigación de estructuras, incentivos y resultados, Fondo de Cultura Económica, México 1994.) Sartori, Giovanni, Hay que terminar con las ideas sobre la democracia que primaron en 1968, in: Diego Archad/Manuel Flores (Hrsg.), Gobernabilidad: Un reportaje de America Latina, México D.F. 1997: 310-323. Sartori, Giovanni, Parties and Party Systems. A Framework for Analysis, Cambridge 1976. (Spanisch: Partidos y sistemas de partidos: Marco para un análisis, Madrid 1987.)

Bibliographie

539

Sartori, Giovanni, Neither Presidentialism nor Parliamentarism, in: Juan J. Linz/ Arturo Valenzuela (Hrsg.), The Failure of Presidential Democracy, Baltimore 1994: 106-118. (zitiert als 1994a) Sartori, Giovanni, Teoría de la democracia, Madrid 1987. Sayán, Diego García (Hrsg.), Poder judicial y democracia, Lima 1991. Schedler, Andreas, Anti-political-Establishment Parties, in: Party Politics Nr. 3, Bd. 2, 1996: 291-312. Schedler, Andreas, La oposición anti-politica, in: Etcétera Nr. 127, 1995: 23-32. Schedler, Andreas, Under- and Overinstitutionalization: Some Ideal Typical Propositions Concerning New and Old Party Systems, University of Notre Dame, Kellogg Institute Working Paper Nr. 213. Schmalz-Bruns, Wolfgang, Reflexive Demokratie, Baden-Baden 1995. Schmidt, Carsten, Politisches und soziales Engagement von deutschen und kolumbianischen Studenten im Blickwinkel eines differenzierten Erwartungs-X-WertModells, Diplomarbeit, Psychologisches Institut der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz, 1997. Schmidt, Manfred G., Demokratietheorien, Opladen 1995. Schmidt, Manfred G., Der Januskopf der Transformationsperiode. Kontinuität und Wandel der Demokratietheorien, in: Klaus von Beyme/Claus Offe (Hrsg.), Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft: Politische Theorien in der Ära der Transformation, Opladen 26/1995: 182-210. Schmidt, Steffen W., "La Violencia" revisited: The Clientelist Bases of Political Violence in Colombia, in: Journal of Latin American Studies, Bd. 6. Teil 1, London 1974: 97-111. Schmitter, Philipp C., Von der Autokratie zur Demokratie. Zwölf Überlegungen zur politischen Transformation, in: Internationale Politiker. 6, Bd. 50, 1995: 47-52. Schmitter, Philipp C., The Consolidation of Democracy and Representation of Social Groups, in: American Behavioral Scientist Nr.4/5, Bd. 35, 1992: 422-449. Schmitter, Philipp C., Critical Reflections on the „Functions" of Political Parties and their Performance in Neo-Democracies, in: Wolfgang Merkel/Andreas Busch (Hrsg.), Demokratie in Ost und West. Festschrift für Klaus von Beyme, Frankfurt a. M. 1999: 475-495. Schmitter, Philipp C., Dangers and Dilemmas of Democracy, in: Journal of Democracy Nr. 2, Bd. 5, 1994: 57-74. Schmitter, Philipp C., Interest Systems and the Consolidation of Democracies, in: Garry Marks/Larry Diamond (Hrsg.), Reexamining Democracy: Essays in Honor of Seymour Martin Lipset, Newbury Park u. a.1992: 156-181. (zitiert als 1992a) Schmitter, Philipp C., Organized Interests and Democratic Consolidation in Southern Europe, in: Richard Gunther/P. Nikiforos Diamandouros, Hans-Jürgen Puhle (Hrsg.), The Politics of Democratic Consolidation. Southern Europe in Comparative Perspective, Baltimore/London 1995: 284-314. (zitiert als 1995a) Schmitter, Philipp C./Terry Lynn Karl, The Conceptual Travels of Transitologists an Consolidologists: How Far to the East Should they Attempt to Go?, in: Slavic Reviewer. 63, Spring 1994: 173-185.

540

Bibliographie

Schmitter, Philipp C./Terry Lynn Karl, What democracy is... and is not, in: Larry Diamond/Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 39-52. Schneider, Ben Ross, Democratic Consolidations: Some Broad Comparisons and Sweeping Arguments, in: Latin American Research Review Nr. 30, 1995: 215-234. Schneider, Gerald, Hermeneutische Strukturanalyse von qualitativen Interviews, in: KZfSS Nr. 40, 1988: 223-244. Schubert, Gunter/Reiner, Tetzlaff/Werner, Vennewald, Das Konzept der strategischen und konfliktfähigen Gruppen (SKOG) - eine Methode des gesellschaftlichen Wandels und der politischen Demokratsierung in Entwicklungs- und Schwellenländern, in: Dies. (Hrsg.), Demokratisierung und politischer Wandel: Theorie und Anwendung des Konzeptes der strategischen und konfliktfähigen Gruppen, Münster/Hamburg 1994: 57-116. Schüttemeyer, Suzanne S., Repräsentation, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze, Lexikon der Politik, Bd. 1, Politische Theorien, München 1995: 544-551. Schultze, Rainer-Olaf, Partei, in: Dieter Nohlen, Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1993: 449-453. Schultze, Rainer-Olaf, Partizipation, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaf Schultze, Lexikon der Politik, Bd. 1, Politische Theorien, München 1995: 396-406. Schultze, Rainer-Olaf, Wählerverhalten, in: Manfred G. Schmidt, Lexikon der Politik, Bd. 3, Die westlichen Länder, München 1992: 505-510. Schulz, Wolfram, Parteiensystem und Wahlverhalten in Venezuela, Wiesbaden 1997. Schumpeter, Joseph A., Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1976. Schwanitz, Simone, Die Auswirkungen formaler und informeller Institutionen in der Sowjetunion auf die Partizipation russischer Frauen in der post-sozialistischen Ära, Berlin 1998. (mimeo) Sedaño G., Jorge A., Exigir o cartilla de promesas del gobierno para uso de la oposición, Bogotá 1986. Seegers, Hubert, Politische Weichenstellung in Kolumbien für die kommenden Jahre, in: KAS-Auslandsinformationen Nr. 8, 1998: 69-97. Segovia Mora, Guillermo (Hrsg.), Bogotá hoy: democracia, convivencia y poblaciones vulnerables, Bogotá 1994. Segovia Mora, Guillermo, ¿Cambios retóricos o reales?, in: Cuadernos del tercer mundo Nr. 84, 10. Jahrgang, México 1987: 40-43. Segura de Camacho, Nora (Hrsg.), Colombia, democracia y sociedad, Bogotá 1988. Segura, Renata, Aquí no pasa nada, in: Ciendías vistos por CINEP Nr. 35, Bd. 8, Bogotá Okt.-Dez. 1996: 6-7. Segura de Camacho, Nora (Hrsg.) Colombia: democaracia y sociedad, Bogotá 1988. Sejersted, Francis, Democracy and the Rule of Law: Some Historical Experiences of Contradictions in the Striving for Good Government, in: Jon Elster/Rune Slagstad (Hrsg.), Constitutionalism and Democracy, Cambridge 1993: 131-152. Seligson, Mitchell A., On the Measurement of Diffuse Support: Some Evidence from Mexiko, in: Social Indicators Research Nr. 12, Jan. 1983: 1-24.

Bibliographie

541

Seligson, Mitchel A., Political Culture and Democratization in Latin America, in: Roderic Ai Camp (Hrsg.), Democracy in Latin America. Patterns and Cycles, Wilmington (Delaware) 1996: 67-89. Seligson, Mitchel A./John A. Booth, Political Participation in Latin America: An Agenda for Research, in: Latin American Research Review Nr. 3, Bd. 11, 1976: 95-119. Seminario Galán y la Constitución de 1991, Bogotá 1995. Seminario Nacional, Estado, desarrollo y ONG, Red Colombiana para la Promoción Popular para el Desarrollo, Colombia 1995. Sepúlveda N., Satunirno, Las elites colombianas en crisis: de partidos políticos policlasistas a partidos monoclasistas, Bogotá 1970. Serpa Uribe, Horacio, Por la convivenica, in: Revista Javeriana Nr. 643, April 1998: 203-219. Serra Vázquez, Luís H., Eine eigentümliche Demokratisierung: Nicaragua in den 80er Jahren, in: Klaus-Dieter Tagermann (Hrsg.), Demokratisierung in Mittelamerika. Demokratische Konsolidierung unter Ausschluß der Bevölkerung, Münster 1998: 176-212. Sevilla, Rafael/Christian von Haldenwang/Eduardo Pizarro Leongómez (Hrsg.), Kolumbien. Land der Einsamkeit?, Bad Honnef 1999. Sharpless, Richard E., Colombia, in: Robert J. Alexander (Hrsg.), Political Parties of the Americas, Canada, Latin America and the West Indies, Bd. 1, AnguillaGrenada, Westport/London 1982: 286-311. Sharpless, Richard E., Colombia, in: Charles D. Ameringer (Hrsg.), Political Parties of the Americas, 1980s to 1990s, Canada, Latin America and the West Indies, Westport/London 1992: 187-205. Shin Chull, Doh, On the Third Wave of Democratization: A Synthesis and Evaluation of Recent Theory and Research, in: World Politics Nr. 47, October 1994: 135-170. Shugart, Matthew Soberg, Guerrillas and Elections. An Institutionalist Perspective on the Cost of Conflict and Competition, in: International Studies Quarterly Nr. 36, 1992: 121-151. Shugart, Matthew Soberg, Leaders, Rank and File, and Constituents: Electoral Reform in Colombia and Venezuela, in: Electoral Studies Nr. 1, Bd. 11, 1992: 2145. (zitiert als 1992a) Shugart, Matthew Soberg/Erika Moreno/Luis E. Fajardo, Deepening Democracy by Renovating Political Practices: The Struggle for Electoral Reform in Colombia. Paper prepared for the conference Democracy, Human Rights, and Peace in Colombia, Kellogg Institute, Notre Dame University, Notre Dame (Indiana), March 26-27, 2001. (mimeo) Silva, Renán (Hrsg.), Territorios, regiones, sociedades, Bogotá 1994. Silva-Colmenares, Julio, Descentralización y modernización del Estado. La búsqueda de democracia y la eficiencia con gerencia pública competitiva, Bogotá 1993. Sistemas electorales y representación política en Latinoamérica, Fundación Friedrich Ebert, Instituto de Cooperación Iberoamericana, Madrid 1986.

542

Bibliographie

Sloan, John W., Regionalism, Political Parties and Public Policy in Colombia, in: Inter-American Economic Affairs Nr. 3, Bd. 33, 1979: 25-46. Smith, William C./Carlos H. Acuña/Eduardo Gomerra (Hrsg.), Latin American Political Economy in the Age of Neoliberalism Reform, Miami 1994. Smith-Córdoba, Amir, Cultura negra y avasallamiento cultural, Bogotá 1980. Snajder, Mario, Transition in South America: Models of Limited Democracy, in: Democratization Nr. 3, Bd. 3, 1996: 360-370. Solaún, Mauricio, Colombian Politics: Historical Characteristics and Problems, in: Albert R. Berry/Ronald G. Hellman/Mauricio Solaún (Hrsg.), The Politics of Com-promise. Coalition Government in Colombia, New Brunswick (New Jersey) 1980: 32-45. Sorensen, Georg, Democracy and Democratization, Boulder 1993. Spittler, Gerd, Staat und Klientelstruktur in Entwicklungsländern. Zum Problem der politischen Organisation von Bauern, in: Archives Europeennes de Sociologie Nr. 1, 1977: 57-83. Starzacher, Karl et al. (Hrsg.), Protestwähler und Wahlverweigerer. Krise der Demokratie?, Kempten 1992. Stepan, Alfred, On the Task of a Democratic Opposition, in: Larry Diamond/Marc F. Plattener (Hrsg.), The Global Resurgence of Democracy, Baltimore/London 1993: 61-69. Stepan, Alfred/Cindy Skach, Constitutional Frameworks and Democratic Consolidation: Parliamentarism versus Presidentialism, in: World Politics Nr. 1, Bd. 46, 1993: 1-22. Strasser, Carlos, Para una teoría de la democracia posible, Buenos Aires 1991. Suárez Orejuela, Rafael Ernesto, Organización y funcionamiento de los sindicatos en Colombia, Bogotá 1994. Supelano, Alberto (Hrsg.), Desarrollo regional, Bogotá 1991. Suter, Christian, Gute und schlechte Regimes. Staat und Politik Lateinamerikas zwischen globaler Ökonomie und nationaler Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1999. Sydow, Hubert, Persönlichkeit und soziale Gruppen im Transformationsprozeß, in: Raj Kollmorgen/Rolf Reißig/Johannes Weiß (Hrsg.), Sozialer Wandel und Akteure in Ostdeutschland. Empirische Befunde und theoretische Ansätze, Opladen 1996: 333-364. Taagepera, Rein/Matthew Soberg Shugart, Predicting the Number of Parties: A Quantitative Model of Duverger's Mechanical Effect, in: American Political Science Review Nr. 87, 1993: 455-464. Taagepera, Rein/Matthew Soberg Shugart, Seats and Votes: The Effects and Determinants of Electoral Systems, New Haven 1989. Tangermann, Klaus Dieter, Mittelamerikas ungefestigte Demokratien, in: Ders. (Hrsg.), Demokratisierung in Mittelamerika. Demokratische Konsolidierung unter Ausschluß der Bevölkerung, Münster 1998: 11-43. Tan, Alexander C., Party Change and Party Membership Decline. An Exploratory Analysis, in: Party Politics Nr. 3, Bd. 3, 1997: 363-377.

Bibliographie

543

Taylor, Steven Lynn, Rules, Incentives, and Political Parties: Electoral Reform in Post-1991 Colombia, Ph.D., University of Texas, Austin 1996. Tcach, César, En torno al ,catch all party' latinoamericano, in: Manuel Antonio Garretón (Hrsg.), Los partidos y la transformación política de América Latina, FLACSO, Santiago de Chile 1993: 5-12. Telia, T. S. di, Historia de los partidos políticos en América Latina, México 1993. Tenzer, Nicolás, La sociedad despolitizada: ensayo sobre los fundamentos de la política, Barcelona 1992. El Terrorismo de Estado en Colombia, Brüssel 1992. Thibaut, Bernhard, Präsidentialismus und Demokratie in Lateinamerika. Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay im historischen Vergleich, Opladen 1996. Thibaut, Bernhard, Präsidentialismus, Parlamentarismus und das Problem der Konsolidierung der Demokratie in Lateinamerika, in: Ibero-Amerikanisches Archiv 1/2, Bd. 18, 1992: 107-149. Thibaut, Bernhard, Regierungssysteme, in: Dieter Nohlen/Peter Waldmann/Klaus Ziemer (Hrsg.), Lexikon der Politik, Bd. 4, Die östlichen und südlichen Länder, München 1997: 466-475. Thibaut, Bernhard/Cindy Skach, Parlamentarische oder präsidentielle Demokratie?, Heidelberg 1994. Thiery, Peter, Staat, institutioneller Wandel und Entwicklung in Chile, Dissertation, Institut für Politikwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität, Mainz 1997. Thiery, Peter, Demokratie und defekte Demokratien. Zur notwendigen Revision des Demokratiekonzeptes in der Transformationsforschung, in: Petra Bendel/Aurel Croissant/Friedbert W. Rüb (Hrsg.), Zwischen Demokratie und Diktatur, Opladen 2002: 71-91. Thomas, Florence, Mujer siglo XX: hacía la construcción de un nuevo paradigma de feminidad, in: Saúl Franco (Hrsg.), Colombia contemporánea, Bogotá 1996: 267283. Thurber, James A., La democracia dividida. Cooperación y conflicto entre el Presidente y el Congreso, Washington 1991. Tickner, Arlene B./Mejía Quintana, Oscar (Hrsg.), Congreso y democracia en los países de la región andina (deficiencias y estrategias), Bogotá 1997. Tirado Mejía, Alvaro, Colombia: siglo y medio de bipartidismo, in: Mario Anubla et al., Colombia hoy, Bogotá 1985 (9. Auflage), 1978 (1. Auflage): 102-185. Tirado Mejía, Alvaro, El Estado y la política en el siglo XIX, in: Manual de historia de Colombia, Bd. 2, Bogotá 1984 (3. Auflage): 325-384. Tirado Mejía, Alvaro, López Pumarejo. La revolución en marcha, in: Nueva historia de Colombia, Bd. 1, Bogotá 1989: 305-348. Tirado Mejía, Alvaro, Nueva Historia de Colombia, Bd. 2, Historia política 19461986, Bogotá 1989. (zitiert ais 1989a) Tirado Mejía, Alvaro, La república liberal 1930-1946, in: Teoría y práctica en América Latina Nr. 10, Bogotá 1977: 40-56. Tirado Mejía, Alvaro et al., El partido liberal y las relaciones internacionales, in: Estudios Liberales Nr. 5, Bogotá 1983.

544

Bibliographie

Toledo, Marta Elena, Ciudadana en formación, Bogotá ohne Jahr, (mimeo) Tomassini, Luciano, Estado, gobernabilidad y desarrollo, Washington 1993. Torres, Rosa María/José Luis Coraggio, Transición y crisis en Nicaragua, San José 1987. Torres Giraldo, Ignacio, Síntesis de la historia política de Colombia, Bogotá 1972. Torres-Rivas, Edelberto, La democaracia en la fragua, ¡n: Documentos de Trabajo Nr. 7, FLACSO, San José 1991. Torres-Rivas, Edelberto, La democracia posible, San José 1987. Torres Velasco, Javier, Los partidos políticos en Colombia, ANIF, Bogotá 1979. Toscani, Ignazio, Klientelverhältnis und Gesellschaft in Italien, in: Justin Stagl (Hrsg.), Aspekte der Kultursoziologie: Aufsätze zur Soziologie, Philosophie, Anthropologie und Geschichte der Kultur. Zum 60. Geburtstag von Mohammed Rassem, Berlin 1982: 285-299. Touraine, Alaine, The Voice and the Eye, Cambridge 1981. Touraine, Alaine, Situación de la democracia en América Latina, in: Régine Streichen (Hrsg.), Democracia y democratización en Centroamérica, San José 1993: 67-81. Töpper, Barbara, Kapitalakkumulation und politische Herrschaft in Kolumbien. Die Rolle des Staates bei der industriellen Entwicklung des Landes, Baden-Baden 1985. Trevisoni, Tommaso, Klientelismus und Klientelismuskritik, in: Schweizerische Zeitschrift für Soziologie Nr. 2, Bd. 22, 1996: 415^31. Truke O., Victoria, Incidencia de los partidos políticos en la elección popular de alcaldes, Tesis de gado, Facultad de Estudios Interdisciplinarios, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1987. Tulchin, Joseph S. (Hrsg.), The Consolidation of Democracy in Latin America, Boulder/London 1995. Turner, Bryan, Outline of a Theory of Citizenship, in: Sociology Nr. 3, Bd. 24, 1990: 189-217. UNDP, Human Development Report, New York/Oxford 1995. Ungar, Elisabeth, El Congreso a merced de múltiples presiones, ¿a pesar de sí mismo?, in: Síntesis '98. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1998: 71-81. Ungar, Elisabeth, El Congreso de la República en 1994: ¿de la transición a la consolidación?, in: Síntesis '95. Anuario social, político y económico de Colombia, Tercer Mundo, IEPRI, Fundación Social, dirigido por Luis Alberto Restrepo, Bogotá 1995: 85-94. Ungar, Elisabeth, El Congreso en la nueva realidad: ¿modernización o retroceso?, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), En busca de la estabilidad perdida. Actores políticos y sociales en los años noventa, Bogotá 1995: 94-134. (zitiert als 1995a) Ungar, Elisabeth, El Congreso postconstituyente: ¿viejas prácticas con nuevo ropaje?, in: Política Colombiana Nr. 4, Bd. 3, Bogotá 1993: 9-25.

Bibliographie

545

Ungar, Elisabeth (Hrsg.), Gobernabilidad en Colombia. Retos y desafíos, Bogotá 1993. (zitiert als 1993a) Ungar, Elisabeth, La reforma al Congreso: ¿realidad o utopía?, in: John C. Dugas (Hrsg.), La Constitución de 1991: ¿un pacto político viable?, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1993: 162-190. (zitiert als 1993b) Ungar, Elisabeth/Angela Gómez, Aspectos de la campaña presidencial de 1974: estratégias y resultados, ANIF, Bogotá 1977. Ungar, Elisabeth/Germán Ruiz, ¿Hacia la recuperación del Congreso?, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 191-214. Unidad de Desarrollo Territorial, Alcaldes y descentralización, Reporte sobre una encuesta, in: Planeación y desarrollo Nr. 2, 1995: 55-88. Unidad de Desarrollo Territorial, Destinación de la participación municipal 1994, in: Planeación y desarrollo Nr. 2, 1995: 13-53. Universidad de los Andes, Estudio sobre participación política y abstención electoral. Informe final, Bd. 1, 2 und Anexo Estadístico, dirigido por Gabriel Murillo C. y Dora Rothlisberger, Registraduría Nacional del Estado Civil, Bogotá Dez. 1993. Universidad Externado de Colombia, Corrupción administrativa y delincuencia judicial: aspectos doctrinarios, jurispudencias y análisis periodístico, Bogotá 1994. Universidad Nacional de Colombia, Constitución política y reorganización del Estado, Bogotá 1994. Uprimny, Rodrigo, Administración de justicia, sistema político y democracia: algunas reflexiones sobre el caso colombiano, in: FESCOL/IEPRI (Hrsg.), Justicia y sistema político. Debate político, Bogotá 1997: 67-119. Uprimny, Rodrigo, Jueces, narcos y políticos: la judicialización de la crisis política, in: Francisco Leal Buitrago (Hrsg.), Tras las huellas de la crisis política, Bogotá Sept. 1996: 99-127. Uprimny, Rodrigo, Narcotráfico, régimen político, violencia y derechos humanos en Colombia, in: Ricardo Vargas (Hrsg.) Droga, poder y región, CINEP, Bogotá 1994: 19-33. Uprimny, Rodrigo/Alfredo Vargas, La palabra y la sangre: violencia, legalidad y guerra sucia en Colombia, in: Germán Palacio (Hrsg.) La irrupción del paraestado. Ensayos sobre la crisis colombiana, ILSA, CEREC, Bogotá 1990: 105166. Uribe, María Teresa, Las representaciones colectivas sobre la sociedad civil, in: FESCOL (Hrsg.), Sociedad civil, control social y democracia participativa, Bogotá 1997: 89-105. Uribe Celis, Carlos, A sus espaldas'. 1995 un año en Colombia, Bogotá 1996. Uribe R., Alvaro, La quiebra de los partidos,... y un apéndice sobre la alternativa que significó el MRL, Bogotá 1990.

546

Bibliographie

Uribe Toro, Humberto, La distribución partidista del voto, in: Colombia elige, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 17-23. Uribe Toro, Humberto, Las elecciones del 26 de febrero de 1978, in: Controversia Nr. 64-65, Bogotá 1978: 93-169. Uribe Toro, Humberto, Primera y segunda vueltas: participación y orientación regional del voto, in: Colombia elige Presidente, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1994: 19^18. (zitiert ais 1994a) Uricoechea, Fernando, Estado y burocracia en Colombia, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1986. Valencia, Luis Emiro, El movimiento comunal y la participación popular, in: Gustavo Gallón Giraldo (Hrsg.), Entre movimientos y caudillos. 50 años de bipartidismo y alternativas populares en Colombia, Bogotá 1989: 307-327. Valencia Cossio, Fabio, Que nadie compre la democracia, Palabras del Presidente del Congreso de la República, senador Fabio Valencia Cossio, en el Seminario Internacional sobre la Financiación de los Partidos y Campañas Electorales: América y Europa, Bogotá 16.4.1999. (mimeo) Valencia Villa, Hernando, Cartas de Batalla: Una critica del constitucionalismo colombiano, Bogotá 1987. Valencia Villa, Hernando, De las guerras constitucionales en Colombia, capitulo LXVIII: un informe sobre la reforma Barco, in: Análisis Político Nr. 6, Bogotá Jan.-April 1989: 80-97. Valenzuela, Arturo, Latin America: Presidentialism in Crisis, in: Journal of Democracy Nr. 4, Bd. 4, Okt. 1993: 3-16. Valenzuela, J. Samuel, Democratic Consolidation in Post-Transitional Settings: Notions, Process, and Facilitating Factors, in: Scott Mainwaring/Guillermo O'Donnell/J. Samuel Valenzuela (Hrsg.), Issues of Democratic Consolidation: The New South American Democracies in Comparative Perspective, Notre Dame 1992: 57-103. Valenzuela, J. Samuel, Democratization via reforma: La expansión del sufragio en Chile, Buenos Aires 1985. Vallejo, Fernando, La Virgen de los sicarios, Bogotá 1994. Vanhanen, Tatú, The Emergence of Democracy. A Comparative Study of 119 States, 1850-1979, Helsinki 1984. Vanhanen, Tatu, Global Trends of Democratization in the 1990s: A Statistical Analysis (IPSA Aug. 21-25, 1994 Berlin), Berlin 1994. Vanhanen, Tatu, The Process of Democratization. A comparative Study of 147 States 1980-88, New York u. a. 1990. Vargas, Mauricio/Jorge Lesmes/Edgar Téllez, El presidente que se iba a caer. Diario secreto de tres periodistas sobre el 8.000, Bogotá 1996. Vargas, Ricardo (Hrsg.), Drogas, poder y región en Colombia, Bogotá 1995. Vargas Velásquez, Alejo, Las elecciones del Congreso: un balance y unas perspectivas, Bogotá 1998. (mimeo) Vargas Velásquez, Alejo, Participación social, planeación y desarrollo regional, Bogotá 1994.

Bibliographie

547

Vargas Velásquez, Alejo, Participación social y democracia: el papel de la personería, Bogotá 1996. Vargas Velásquez, Alejo, Participación y Democracia en Colombia, in: Ders. et al., Democracia formal y real. Programa Educación para el Desarrollo, Instituto para el Desarrollo de la Democracia Luis Carlos Galán, Bogotá 1994: 11-70. (zitiert ais 1994a) Vargas Velásquez, Alejo et al., Constitución, gobernabilidad y poder, Universidad Nacional de Colombia, Facultad de Derecho, Ciencias Políticas y Sociales, Universidad Industrial de Santander, Bogotá 1996. Vargas Velásquez, Alejo et al., Democracia formal y real. Programa Educación para el Desarrollo, Instituto para el Desarrollo de la democracia Luis Carlos Galán, Bogotá 1994. Vargas Villa, José María, Los cesares de la decadencia, Bogotá 1995. Varias autoras, Triángulo de poder, Tercer Mundo Editores, Bogotá 1996. Varios autores, Apertura democrática, in: Revista Javeriana Nr. 102, Bogotá 1984. Varios autores, Colombia en las urnas. ¿Qué paso en 1986?, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1987. Varios autores, Juventud y política en Colombia, FESCOL , Insituto SER, Bogotá 1984. Varios autores, Una Constituyente para la Colombia del futuro, FESCOL, Universidad de los Andes, Bogotá 1990. Vasco Uribe, Luis Guillermo, La lucha por las siete llaves: minorías étnicas en Colombia, in: Saúl Franco (Hrsg.), Colombia contemporánea, IEPRI, Bogotá 1996: 237-266. Vásquez de Urrutia, Patricia (Hrsg.), La democracia en blanco y negro: Colombia en los años ochenta, Bogotá 1989. Vásquez Carrizosa, Alfredo, Historia critica del Frente Nacional, Ediciones Foro Nacional por Colombia, Bogotá 1992. Vásquez L., Miguel A. (Hrsg.), Las caras lindas de mi gente negra: legislación histórica para las comunidades negras de Colombia, Bogotá 1994. Vásquez Velásquez, Orlando, Asamblea Constituyente y Congreso, in: Revista Foro Nr. 14, Bogotá April-Aug. 1991: 36-43. Vega, Juan E., Betancur y la crisis nacional, Bogotá 1986. Vega, Juan E. (Hrsg.), Teoría y política en América Latina, México 1983. Vegara, Roberto, Descentralización y participación, Maestría en Administración Pública -ESAP- tesis de grado, Bogotá 1992. Velasco, Carlos, El nuevo mapa electoral, in: Cambio 16 Nr. 227, 20.-27.10.1997: 22-29. Velasco, Nancy, Viviane Morales. El encanto de hacer política, in: Cromos, 15.4.1996: 85-88. Velásquez C., Fabio E., Ciudad y participación, Cali 1996. Velásquez C., Fabio E., Crisis municipal y participación ciudadana en Colombia, in: Revista Foro, Nr. 1, Bogotá Sept. 1986: 16-25.

548

Bibliographie

Velásquez C., Fabio E., Una década de descentralización en Colombia: balance preliminar, in: Ministerio del Interior/Viva la Ciudadanía, Balance del proceso de descentralización, Bogotá 1997: 73-116. Velásquez C., Fabio E., La democracia participativa: algo más que una ley, in: Revista Foro Nr. 19, Bogotá Dez.-April 1993: 77-84. Velásquez C., Fabio E., Una democracia participativa para Colombia, in: Revista Foro, Nr. 16, Bogotá Dez. 1991-Márz 1992: 60-72. Velásquez C., Fabio E., Gestión local de servicios públicos en Colombia: agua potable, alcantarillado y basura. Los casos de Armenia y Santander de Quilichao, in: Alfredo Rodríguez/Fabio Velásquez (Hrsg.), Municipio y servicios públicos. Gobiernos locales en ciudades intermedias de América Latina, Colección Estudios Urbanos, Edición Sur, Chile 1994: 271-299. Velásquez C., Fabio E., Los horizontes de la descentralización en Colombia, in: Revista Foro Nr. 29, Bogotá Mai-Juli 1996: 34-46. (zitiert ais 1996a) Velásquez C., Fabio E., Una mirada desde Cali, in: FESCOL (Hrsg.), Nuevas formas de participación política. Debate político, Bogotá Juni 1996: 33-46. (zitiert ais 1996b) Velásquez C., Fabio E., Proyecto de ley sobre participación ciudadana: participación ciudadana y modernización del Estado, in: Revista Foro Nr. 17, Bogotá April-Aug. 1992: 56-67. (zitiert ais 1992a) Vélez Bustillo, Eduardo, Political Participation in an Unstable Democracy: A Study of Two Regions of Colombia, Ph.D., University of Illinois, Illinois (Champaign) 1980. Verba, Sidney et al., Citizen Activity: Who Participates? What do They Say?, in: American Political Science Review, Bd. 87, 1993: 303-318. Vieira, Gilberto et al., Política y revolución en Colombia: Táctica de los comunistas, Bogotá 1977. Villa Rodríguez, Fabio, Descentralización: Balance y perspectivas, in: Ministerio del Interior/Viva la Ciudadanía, Balance del proceso de descentralización, Bogotá 1997: 141-155. Villalba B., Carlos, Los liberales en el poder: del apogeo revolucionario a la decadencia clientelista, Bogotá 1982. Villamizar, Darío, Aquel 19 ser. Una historia del M-19, de sus hombres y sus gestas. Un relato de guerra, la negociación y la paz, Bogotá 1995. Villamizar Herrera, Darío (Hrsg.), Jaime Bateman: Profeta de la paz, Bogotá 1995. Villamizar Jaramillo, Rogelio, Cómo nos gobiernan en Colombia, Cali 1993. Villaveces, Jorge, Vida y pasión de la Alianza Nacional Popular, Bogotá 1974. Villar Borda, Luis, Etica, derecho y democracia, Bogotá 1994. Villar Gaviria, Alvaro, Psicología y clases sociales en Colombia, Bogotá 1985. Villarraga Sarmiento, Alvaro, Pluralización política y oposición, in: La oposición política en Colombia, FESCOL , Bogotá Márz 1996: 47-72. Villarreal, Norma, Movimientos de mujeres y participación política en Colombia 1930-1991, Universidad de Barcelona, Barcelona 1994.

Bibliographie

549

Villarreal, Norma, Mujeres y espacios políticos. Participación política y análisis electoral, in: Consejería Presidencial para la Política Social. Presidencia de la República de Colombia, Mujeres y sociedad, Grupo Editorial Norma, Bd. 2, Bogotá 1995: 319-347. Villegas Valero, Antonio José/Eladio Rojas Vizcaya. Colombia: ¿paz o guerra civil? La apertura democrática y el cese al fuego, un camino hacia la paz o hacia la guerra civil (1982-1986), Colección de autores nacionales, Bd. 88, Bogotá 1993. Vitali, Rocco, Politique locale et clientelisme. Analyse dur cas tessinois, in: Schweizerische Zeitschrift für Politische Wissenschaftler. 3, Bd. 2, 1996: 47-68. Vivas Reyna, Jorge, Descentralización administrativa, política fiscal y de la planificación regional. Una visión general, Federación Nacional de Cafeteros de Colombia, Bogotá 1987. Wade, Peter, Gente negra, nación mestiza. Dinámicas de la identidades raciales en Colombia, Bogotá 1997. Wade, Peter, El movimiento negro en Colombia, in: América Negra Nr. 5, Pontificia Universidad Javeriana, Bogotá 1993: 173-192. Wade, Peter, Die Schwarzen, die Schwarzenbewegungen und der kolumbianische Staat, in: Werner Altmann et al. (Hrsg.), Kolumbien. Politik, Wirtschaft, Kultur heute, Frankfurt a. M. 1997: 89-107. (zitiert als 1997a) Wassermann, Rudolf, Die Zuschauerdemokratie, Düsseldorf 1986. Wagner, Christoph, Politik in Uruguay 1984-1990. Probleme der demokratischen Konsolidierung, Münster 1991. Walby, Sylvia, Is Citizenship Gendered?, in: Sociology Nr. 2, Bd. 28, 1994: 379-395. Waldmann, Peter, Staatliche und parastaatliche Gewalt in Lateinamerika, in: Detlef Junker/Dieter Nohlen/Hartmut Sangmeister (Hrsg.), Lateinamerika am Ende des 20. Jahrhunderts, München 1994: 44-56. Waldrauch, Harald, Was heißt demokratische Konsolidierung? Über einige theoretische Konsequenzen der osteuropäischen Regimewechsel, Reihe Politische Wissenschaft Nr. 36, Wien Juli 1996. Walker, Thomas W. (Hrsg.), Nicaragua without Illusions: Regime Transition and Structural Adjustment in the 1990s, Wilmington (Del.) 1997. Ware, Alan, Political Parties and Party Systems, Oxford 1996. Warner, Carloyn M., Political Parties and the Opportunity Costs of Patronage, in: Party Politics Nr. 4, Bd. 4, 1997: 533-548. Waylen, Georgina, Women and Democratization: Conceptualizing Gender Relations in Transition Politics, in: World Politics Nr. 46, 1994: 327-354. Webendörfer, Matthias, Politische Dezentralisierung und Demokratisierung in Kolumbien, Hamburg 1997. Weber Pazmino, Gioia, Klientelismus. Annäherung an das Konzept, Univ. Diss., Zürich 1991. WefTort, Francisco, ¿Cuál democracia?, San José 1993. Weffort, Francisco, Los dilemas del la legitimidad política, in: Revista Foro Nr. 10, Bogotá Sept. 1989.

550

Bibliographie

Weffort, Francisco, What is a „new democracy"?, in: International Social Science Journal, Bd. 45, Mai 1993: 245-256. (zitiert als 1993a) Wehr, Ingrid, Lipset und Rokkan „a la latina": Einige Überlegungen anhand des chilenischen Parteiensystems, in: Ulrich Eith/Gerd Mielke (Hrsg.), Gesellschaftliche Konflikte und Parteiensysteme. Länder- und Regionalstudien, Opladen 2000: 203-220. Weingast, Barry R., The Political Foundations of Democracy and the Rule of Law, in: American Political Science Review Nr. 2, Bd. 91, Juni 1997: 245-263. Weiss, Anita, Tendencias de la participación electoral en Colombia 1935-1966, Universidad Nacional de Colombia, Bogotá 1968. Welch, Stephen, The Concept of Political Culture, New York 1993. Welsch, Friedrich/Nikolaus Werz, Der Wahlsieg und der Regierungsbeginn von Hugo Chávez Frías in Venezuela, Rostocker Informationen zu Politik und Verwaltung, Heft 12, 1999. Welzel, Christian, Politikverdrossenheit oder Wandel des Partizipationsverhaltens. Zum Nutzen direkt-demokratischer Beteiligungsformen, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Bd. 26, 1995: 141-149. Welzel, Christian, Systemwechsel in der globalen Systemkonkurrenz: Ein evolutionstheoretischer Erklärungsversuch, in: Wolfgang Merkel (Hrsg.), Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994: 47-80. Wessel-Schulze, W., Populismus in Kolumbien: Die Alianza Nacional Popular ANAPO - in: Verfassung und Recht in Übersee, Hamburg 1974: 275-288. Westle, Bettina, Politische Legitimität - Theorien, Konzepte, empirische Befunde, Baden-Baden 1989. Westle, Bettina, Legitimation, in: Everhard Holtmann et al. (Hrsg.), Politik-Lexikon, München/Wien 1994 (2. überarbeitete und erweiterte Auflage): 326-330. Wiarda, Howard, Corporatism and National Development in Latin America, Boulder 1981. Wiesner Durán, Eduardo, Colombia: descentralización y federalismo fiscal. Informe final de la misión para la descentralización, Bogotá 1992. Wilde, Alexander, Conversaciones de caballeros. La quiebra de la democracia en Colombia, Bogotá 1982. Wilde, Alexander, Conversations among Gentlemen: Oligarchic Democracy in Colombia, in: Juan Linz, Alfred Stepan (Hrsg.), The Breakdown of Democratic Regimes, 3. Teil: Latin America, Baltimore 1978: 28-81. Williams, Miles W., Urbanization and the Crisis of Colombia's Traditional Parties, in: SECOLAS Annals, Marietta (Ga.), Bd. 7, 1976: 79-90. Wills Herrera, Eduardo, Alcance, modalidades y control de la corrupción en Colombia, in: Estado Moderno: La corrupción. ¿Basta con estatutos y códigos?, Revista de la Asociación Colombiana para la Modernización del Estado Nr. 4, Bd. 1, Bogotá Okt. 1993: 24-45. Wills Obregón, María Emma, El caso de Mujeres 2000: fragilidades y fortalezas de un movimiento político de mujeres en la Colombia post-constituyente, Bogotá 1999. (mimeo)

Bibliographie

551

Wills Otero, Laura, Elecciones parlamentarías 1991-1998. Análisis del papel de los partidos políticos como agentes determinantes en el alcance de la renovación del Congreso de la República, Tesis para optar al título de politóloga, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1998. WLCA, Women and Power in the Americas: A Report Card, Washington 2001. Wolinetz, Steven B., Party System Change: The Catch-All Thesis Revisited, in: West European Politics Nr. 14, 1991: 113-128. Zabaleta Arias, Gerardo, Partidos políticos y constituciones en Colombia, Barranquilla 1994. Zafra, Gustavo, La reforma política y el sistema de partidos en Colombia, in: Pedro Santana Rodríguez (Hrsg.), Crisis política, impunidad y pobreza en Colombia, Bogotá 1997: 77-82. Zakaria, Fareed, The Rise of Illiberal Democracy, in: Foreign Affairs, Nov.-Dez. 1997: 22-43. Zambrano, Laura, Candidatos al Congreso 1998: ¿Qué tanta visión de género?, Tesis de grado para obtener el título de politóloga, Departamento de Ciencia Política, Universidad de los Andes, Bogotá 1998. Zambrano, Laura, Participación y representación feminina en el Congreso, in: Andrés Dávila Ladrón de Guevara/Ana María Bejarano (Hrsg.), Elecciones y democracia en Colombia, 1997-1998, Bogotá 1998: 255-281. (zitiert als 1998a) Zamosc, León, El campesinado y las perspectivas para la democracia rural, in: Francisco Leal Buitrago/León Zamosc (Hrsg.), Al filo del caos. Crisis política en la Colombia de los años 80, Bogotá 1990: 311-379. Zamosc, León, Transformaciones agrarias y luchas campesinas en Colombia: un balance retrospectivo (1950-1990), in: Análisis Político Nr. 15, Bogotá Jan.-April 1992: 35-66. Zapata, Francisco, Ideología y política en América Latina, México 1991. Zarama Benavides, Stella, Sintesís y ajuste del plan de desarrollo del municipio de Tumaco, Bogotá 1994. Zelik, Raul/Dario N. Azzellini, Kolumbien - Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung, Köln 1999. Zelinsky, Ulrich, Parteien und politische Entwicklung in Kolumbien unter der Nationalen Front, Meisenheim am Glan 1978. Zelinsky, Ulrich, Strategien institutioneller Gewalt zur Herrschaftssicherung in Kolumbien, 1970-1973, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas, Köln 1978: 259-293. Zimmerman, Joseph J., Democracia participativa - El resurgimiento del populismo, México 1992. Zinecker, Heidrun, Violente Entwicklungspfade und unvollendete Transition in Kolumbien und El Salvador, in: Martin Traine (Hrsg.), Estudios sobre la democracia en América Latina, Köln 2001: 116-174. Zinn, Dorothy Louise, The Politics of Patronage: The Ideology of Reccomandazione and the Southern Question in Italy, Ph.D., University of Texas, Austin 1994. Zintl, Reinhard, Comportamiento político y elección racional, Barcelona 1995.

552

Bibliographie

Zuleta, Estanislao, Democracia y participación en Colombia, in: Revista Foro Nr. 6, Bogotá Juni-Sept. 1988: 103-107. Zuluaga, Francisco/Mario Diego Romero, Comunidades negras del Pacífico: territorialidad y economía, in: Revista Universidad del Valle Nr. 5, Cali 1993: 1827. Zeitschriften und Zeitungen: Actualidad Colombiana Cambio 16 Cromos The Economist El Espectador La Ola. El Semanario del Pacífico Sur El País (Madrid) El Tiempo El Universal Utopías Revista de El Espectador Semana Tageszeitung, TAZ (Berlin) Tumaco Visión Chamánica

Dokumente und Parteiprogramme: Actitud Renovadora, Luces y rumbos frente a los problemas de Colombia, ohne Jahr. Alianza Social Indígena, Pronunciamiento público del Comité Ejecutivo Nacional en la Convención Nacional, Bogotá (21.7.) 1998. Boletín Informativo Nr. 10, Senado, Cámera, Consulta, Organización Electoral, Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones del 13 de marzo 1994, Bogotá 1994. Compromiso Colombia, 100 compromisos de gobierno. Navarro presidente, Bogotá 1993. CONPES, DNP, Promoción de la participación de la sociedad civil: del derecho a participar a la participación efectiva, Documento CONPES Nr. 2779 del 10 de mayo de 1995, Consejería Presidencial para el Desarrollo Institucional, Red de Solidaridad Social, Consejería Presidencial para la Política Social, DNP-UJS, Bogotá 1995. CONPES, DNP, Programa de apoyo para el desarrollo y reconocimiento étnico de las Comunidades Negras. Documento CONPES Nr. 2909, Mininterior (Consejería

Bibliographie

553

para la política social), Comisión Consultativa de Alto Nivel DNP, UPRU, Bogotá 26. Feb. 1997. Consejo Nacional Electoral, Ley 130 del 23 de marzo de 1994, Organización Electoral, Bogotá 1994. Consejo Nacional Electoral, Memorias y doctrinas del Consejo Nacional Electoral 1996, Publicaciones Consejo Nacional Electoral Bd. 4, Bogotá 1997. Constitución política de Colombia, Bogotá 1991. Córdoba, Piedad, Nuestro compromiso con Colombia, Bogotá 1998. DAÑE, Boletín de estadística 1992, Bogotá 1992. DAÑE, Colombia: política estadística 1935-1970, Bogotá 1972. DAÑE, Estadísticas municipales de Colombia 1991, Bogotá 1994. DAÑE, Estadísticas Sociales, Bogotá 1993. Del corazón del Pacífico Zulia Mena derecho a la Càmera, ohne Jahr. Departamento Nacional de Planeación, Documento de orientaciones generales en el área de participación ciudadana, DNP, Programa de Desarrollo Institucional de los Municipios y Procomún, Bogotá 1992. Defensoría del Pueblo, Tercer Informe Anual del Defensor del Pueblo al Congreso de Colombia 1996, Bd. 1 und 2, Serie de Documentos 10, Bogotá 1996. Hoja de vida. Gustavo Petro Urrego, ohne Jahr. Informe de la Comisión Ciudadana de Seguimiento, Poder, justica e indignidad. El judo al Presidente de la República Ernesto Samper Pizano, Bogotá 1996. Jairo Clopatofsky le habla claro al país, ohne Ort, ohne Jahr. Ley 130 del 23 de marzo de 1994, Por la cual se dicta el Estatuto Básico de los partidos y movimientos políticos, se dictan normas sobre su financiación y la de las campañas electorales y se dictan otras disposiciones, Bogotá 1994. Ley 403 del 27 de agosto de 1997, Estímulos para los sufragantes, Bogotá 1997. Libro blanco de la mujer colombiana. Ernesto Samper. Es el tiempo de la mujer, ohne Jahr. Lucumí Paz, Jesús María, Movimiento Negros por Colombia, ohne Ort, ohne Jahr. Ministerio del Interior, Secretaría Técnica, Comisión para el Estudio de la Reforma de los Partidos Políticos: memoria de trabajo, Bogotá 1996. Moreno de Caro, Carlos, Nos mamamos de los mismos con las mismas, ohne Ort, ohne Jahr. Newton, Alcalde para todos!, Wahlprogramm, ohne Ort, ohne Jahr. Nieto Roa, Luis Guillermo, Solo quien enfrenta los riesgos para defender sus convicciones es un hombre de valor, ohne Ort, ohne Jahr. Organización Electoral, Normas electorales. Disposiciones constitutionales y legales que lo adicionan y reforman, Registraduría Nacional del Estado Civil, Bogotá 1994. Partido Comunista de Colombia, Estatutos, Bogotá 1979. Partido Comunista de Colombia, Programa, Bogotá 1981. Partido Comunista de Colombia, ¿Qué es y por qué lucha el Partido Comunista de Colombia?, Bogotá 1981.

554

Bibliographie

Partido Comunista de Colombia, Marxista-Leninista, Documentos, Bd. 1-4, Medellín 1975. Pastrana, Andrés, Testimonio de una trayectoria, ohne Jahr. El plan Samper: ¡Toda Colombia trabajando! Bases del programa económico social y ambiental, del precandidato liberal Ernesto Samper Pizano, ohne Jahr. Presidencia de la República/Departamento Nacional de Planeación, El Salto Social. Bases para el Plan Nacional de Desarrollo, 1994-1998, Bogotá Dez. 1990. El pensamiento del conservatismo colombiano, Programas del partido 1849-1985, Futuro Colombiano Fondo Cultural, Bogotá 1986. ¿Qué es un ciudadano en formación?, Bogotá 1994. Ramírez B., Luis Fernando, Todos ponen, todos toman, Bogotá 1994. (zitiert ais 1994b) Registraduría Nacional del Estado Civil, La democracia regional y local, Bd. 1, Bogotá 1992. Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones 97-98, CD-Rom, Bogotá 1999. Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones de Alcaldes, Consejos Municipales, Asambleas Departamentales y Consejos Intendenciales y Comisariales, Bogotá 1988. Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones departamentales y municipales, 30 de octubre de 1994, Bd. 1 und 2, Bogotá 1994. Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones de Presidente y Vicepresidente, Bogotá 1994. (zitiert ais 1994a) Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones de Congreso 1994, Bd. 1 und 2, Bogotá 1994. (zitiert ais 1994b) Registraduría Nacional del Estado Civil, Elecciones de senadores, representantes y gobernadores octubre 27 de 1991, Bd. 1 und 2, Bogotá 1991. Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales 1990, Asambleas Departamentales, Consejos Intendenciales, Consejos Comisariales, Consejos Municipales, Alcaldes y Consulta Popular, Bogotá 1990. Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales, 1990, 27 de mayo, Presidente de la República, Congreso de la República, Bogotá 1990. (zitiert ais 1990a) Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales, senado y cámera, marzo 9, 1985, Bogotá 1985. Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales, marzo 9, 1980, Bogotá 1980. Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales, junio 4, 1978, Bogotá 1978. Registraduría Nacional del Estado Civil, Estadísticas electorales, abril 19, 1970, Bogotá 1970. Registraduría Nacional del Estado Civil, Organización y estadísticas electorales, marzo de 1968, Bogotá 1968. Registraduría Nacional del Estado Civil, Organización y estadísticas electorales, marzo 20 y mayo 1 de 1966, Bogotá 1966.

Bibliographie

555

Registraduría Nacional del Estado Civil, Organización y estadísticas electorales, marzo 15 de 1964, Bogotá 1964. Registraduría Nacional del Estado Civil, Manual inscripción candidaturas, Elecciones octubre 30 de 1994, Bogotá 1994. (zitiert ais 1994c) Registraduría Nacional del Estado Civil, Modernización de la Organización Electoral 1991-1994 cuatro años hacia el logro de la excelencia, Bogotá 1994. (zitiert ais 1994d) Registraduría Nacional del Estado Civil, Normas electorales. Disposiciones constitucionales y legales que lo adicionan y reforman (código electoral), Bogotá 1992. (zitiert ais 1992a) República de Colombia, Anales del Consejo de Estado, Bd. CXXVIII, primera parte, Consejo Superior de la Judicatura, Bogotá Juli-Aug.-Sept. 1992: 33-70. República de Colombia. Ministerio del Interior, La reforma política: un propósito de Nación. Texto aprobado en primera vuelta por el H. Congreso de la República, proyecto de acto legislativo No. 018 de 1998 Senado No. 088 Càmera „sobre la reforma de la política colombiana e instrumentos para la paz", Serie de Documentos No. 5, Bogotá 1999. República de Colombia. Registraduría Nacional del Estado Civil, Historia electoral colombiana 1810-1988, Bogotá 1991. Rodríguez de Castellanos, Mujer cabeza de familia, ohne Ort, ohne Jahr. Senado de la República, Proyecto de ley 92 de 1992, por el cual se dictan normas sobre instituciones y mecanismos de participación ciudadana, Bogotá 1992. Texto definitivo del proyecto de acto legislativo Nr. 88 de 1998, acumulado con los proyectos de acto legislativo Nos. 005/98, 007/98, 023/98, 051/98, 079/98 y 087/98, aprobado en segundo debate ,en primera vuelta', en las sesiones plenarias de la honorable Càmera de Representantes los días 3,4, y 5 de noviembre de 1998, Bogotá 1998. Valencia Cossio, Fabio, Hechos en voz alta: „Una democracia madura, requiere ciudadanos informados ", ohne Ort, ohne Jahr.