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German Pages [312]
Axel Hutter und Anders Moe Rasmussen (Hrsg.) Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus
Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus Herausgegeben von Axel Hutter und Anders Moe Rasmussen
ISBN 978-3-11-025275-0 e-ISBN 978-3-11-025279-8 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Siglen Einleitung
VII 1
Axel Hutter Methodischer Negativismus Das Programm einer „Revolution der Denkart“ bei Kant, Hegel und 5 Kierkegaard Omri Boehm Faith, Reason, Disobedience: The Binding of Isaac and the Place of the Biblical Text in Kierkegaard and Kant 29 Anders Moe Rasmussen Glaube, Offenbarung, Existenz: Die Fortführung der Jacobischen Vernunftkritik 47 bei Schelling und Kierkegaard Marcia Sá Cavalcante Schuback The Tragedy of Freedom – Some Notes on the Relation between Schelling and Kierkegaard Regarding the Tragic and the Question Concerning Human Freedom 59 Philipp Schwab ‚Das Reich der Wirklichkeit ist nicht vollendet‘ Kierkegaard als Hörer Schellings und Kritiker Hegels
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Kazimir Drilo Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und 105 Hegel Jon Stewart Hegel und Kierkegaard: Die Frage von Glauben und Wissen Marius Timmann Mjaaland The Double Destruction of Hegel
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Inhalt
Franz Knappik Metaphysik der Kontingenz: Kierkegaards anti-nezessitarische und anti-hegelianische Modaltheorie im „Zwischenspiel“ der Philosophischen Brocken 151 Jan Rohls Kierkegaards Reflexionen über Geist und Sünde im Kontext des deutschen 203 Idealismus Arne Grøn Phenomenology of Despair – Phenomenology of Spirit Henrik Jøker Bjerre Kierkegaard’s Voice
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Literaturverzeichnis
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Danksagung
285
Autorenverzeichnis
291
Personenregister Sachregister
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Siglen AA AE AUN 1 – 2
Kant (1900 ff.): Gesammelte Schriften (Akademie-Ausgabe) Kierkegaard (2002): Afsluttende uvidenskabelig Efterskrift GWK 10 – 11: Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift zu den Philosophischen Brocken B GWK 25: Briefe BA Kierkegaard (1997): Begrebet Angest B&A Thulstrup (1953 f.): Breve og Aktstykker vedrørende Søren Kierkegaard BI GWK 21: Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates,. CA Kierkegaard (1980a): The Concept of Anxiety CUP Kierkegaard (1992): Concluding Unscientific Postscript DBA GWK 7: Der Begriff Angst DSKE Kierkegaard (2005 ff.): Deutsche Søren Kierkegaard Edition EO1 GWK 1: Entweder/Oder, 1. Teil EO2 GWK 2: Entweder/Oder, 2. Teil EUD Kierkegaard (1990): Eighteen Upbuilding Discourses FZ GWK 3: Furcht und Zittern GA Fichte (1964 ff.): Gesamtausgabe GW Hegel (1968 ff.): Gesammelte Werke GWK Kierkegaard (1950 ff.): Gesammelte Werke Jub Hegel (1928 ff.): Sämtliche Werke (Jubiläumsausgabe) KrV Kritik der reinen Vernunft (zitiert nach der Originalpaginierung der A- und B-Auflage) Ktl. Rohde (1967): Auktionsprotokol over Søren Kierkegaards bogsamling OT Kierkegaard (1998): Opbyggelige Taler 1844 Pap. Kierkegaard (1909 ff.): Søren Kierkegaards Papirer SD Kierkegaard (2006): Sygdommen til Døden SKS Kierkegaard (1997 ff.): Søren Kierkegaards Skrifter SUD Kierkegaard (1980b) Kierkegaard (1983): The Sickness unto Death SW Schelling (1856 ff.): Sämmtliche Werke T 1–5 Kierkegaard (1962 ff.): Die Tagebücher TWA Hegel (1969): Werke in zwanzig Bänden (Theorie-Werkausgabe) Tagebücher Kierkegaard (1962 ff.): Die Tagebücher VR 1 – 3 Hegel (1993 ff.): Vorlesungen über die Philosophie der Religion
Einleitung Die im vorliegenden Band versammelten Aufsätze vereint die gemeinsame Absicht, Kierkegaard in den Kontext der klassischen deutschen Philosophie zu stellen. Diese Absicht bedarf einer einleitenden Rechtfertigung, da ihr eine Überzeugung entgegensteht, die tief im Selbstverständnis des heutigen Denkens verankert ist und daher auch die gegenwärtige Rezeption Kierkegaards beherrscht. Es ist nämlich zu einer weit verbreiteten Selbstverständlichkeit geworden, die als solche kaum mehr eigens ins Bewusstsein gehoben wird, dass Kierkegaard im Kontext eines „Bruchs im Denken des 19. Jahrhunderts“ (Löwith) zu verstehen sei; im Kontext eines Bruches also, der das Denken der Gegenwart von der philosophischen Tradition im Allgemeinen, den Entwürfen der klassischen deutschen Philosophie von Kant bis Hegel im Besonderen unwiderruflich abtrennt und so alle späteren Denker zu Zeitgenossen der Junghegelianer macht. Diese gängige Überzeugung führt dann konsequenterweise zu den bekannten „posthegelischen“ oder „nachmetaphysischen“ Ausformulierungen des modernen Selbstverständnisses, in denen die Möglichkeiten, die dem heutigen Bewusstsein offen stehen,vorrangig dadurch bestimmt werden, dass gesagt wird,wie nicht mehr zu denken sei. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Distanzgefühl der Gegenwart gegenüber der Tradition, in dem stets ein gewisses Überlegenheitsgefühl mitschwingt, allenfalls eine antiquarische Beschäftigung mit einer Vergangenheit fördert, die häufig schon deshalb für „widerlegt“ gilt, weil sie nicht länger verstanden wird. Dass die geistige Situation in der fraglichen Zeit zwischen Hegel und Nietzsche nicht ganz so einfach gewesen ist, wie es sich ein späteres Denken zurechtlegt, hat schon Löwith selbst ausgesprochen, indem er im Vorwort zu seiner Studie Von Hegel zu Nietzsche festhält, dass das Vergangene „zwar in der Perspektive einer sich ihm überlegen dünkenden Zeit mit einem einzigen Schlagwort erfassbar und auch schon ‚überwunden‘ zu sein“ scheint, dass aber noch Nietzsche … sich bewusst [war], ein Erobernder und ein Erbender zu sein“.¹ Was für Nietzsche gilt, gilt aber noch mehr und offenkundiger für Kierkegaard: Er verstand sich ganz radikal und leidenschaftlich als Erbe, oder besser: von seinem Erbe (dem Christentum) her; zugleich verstand er sich gerade deshalb im Kontext seiner Gegenwart als unzeitgemäßer Denker, weil er seinen Zeitgenossen den Vorwurf machte, dieses Erbe gering zu schätzen und so leichtfertig zu meinen, in einem glücklichen „Fortschritt“ begriffen zu sein – einem Fortschritt, der für Löwith 1986, 8.
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Einleitung
Kierkegaard nur vom Geist des Christentums zur Geistlosigkeit der „Christenheit“ führen konnte. Die von Kierkegaard diagnostizierte Geistlosigkeit ist daher ein spezifisch „modernes“ Phänomen. Denn sie besteht nicht in einer schlichten Abwesenheit des Geistes, sondern in seiner Herabsetzung zur Gleichgültigkeit eines antiquarischen Schaustücks: „Die Geistlosigkeit kann daher“, so Kierkegaard, „bis zu einem gewissen Grade den ganzen Gehalt des Geistes besitzen, aber wohlgemerkt nicht als Geist, sondern als Gespensterspuk, Galimathias, Phrase usw. … Die Geistlosigkeit kann ganz und gar dasselbe sagen, was der reichste Geist sagen kann, nur sagt sie dies nicht inkraft des Geistes. Als geistlos bestimmt, ist der Mensch eine Sprechmaschine geworden“.² Von Kierkegaard her gesehen stellt sich der „Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts“ also nicht als befreiender Aufbruch zu neuen Ufern, sondern eher als katastrophaler Zusammenbruch des Denkens dar, als epochale Schwäche und Geistlosigkeit, die nicht mehr im Stande ist, sich zum Erbe der eigenen Vergangenheit in das lebendige Verhältnis eines kritischen Verständnisses zu setzen. Einem derart unzeitgemäßen Denker wie Kierkegaard wird man offenkundig nicht gerecht, wenn man ihn „zeitgemäß“ deutet. Deshalb kommt man ihm vielleicht näher, wenn man ihn in einen Kontext zurückstellt, von dem ihn das Gegenwartsdenken typischerweise abgrenzt: in den Kontext der klassischen deutschen Philosophie von Kant bis Hegel. Die Konstellation „Kierkegaard im Kontext der klassischen deutschen Philosophie“ wird aber nicht anvisiert, um Kierkegaard als „Klassiker“ zu neutralisieren, sondern um die unzeitgemäßen Einsichten der Klassiker sichtbar zu machen und ins Bewusstsein einer allzu selbstgewissen Gegenwart zu heben. Blickt man nämlich von Kierkegaards Diagnose der modernen „Geistlosigkeit“ her auf die Epoche von Kant bis Hegel zurück, so entdeckt man leicht verwandte Motive, in denen sich ein kritischer Protest gegen die akademische Inventarisierung und historistische Banalisierung des Geistes artikuliert. In diesem Sinne unterscheidet Kant in durchaus polemischer Absicht den bloßen Schulbegriff der Philosophie von seinem Weltbegriff; und bei Hegel findet sich der grimmige Hinweis: Bei „Gedanken, besonders bei spekulativen, heißt Verstehen ganz etwas anderes als nur den grammatischen Sinn der Worte fassen … Es fehlt daher nicht an bändereichen, wenn man will gelehrten Geschichten der Philosophie, welchen die Erkenntnis des Stoffes selbst, mit welchem sie sich so viel zu tun gemacht haben, abgeht. Die Verfasser solcher Geschichten lassen sich
Kierkegaard 1952, 96 f.
Einleitung
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mit Tieren vergleichen, welche alle Töne einer Musik mit durchgehört haben, an deren Sinn aber das Eine, die Harmonie dieser Töne, nicht gekommen ist“.³ Die kaum gezügelte Polemik Hegels gegen die Geistlosigkeit seiner Zeitgenossen, die sich ähnlich bei Kant, Fichte und Schelling finden lässt, um von Jacobi und Schopenhauer zu schweigen, ist aber der Polemik Kierkegaards und Nietzsches wesensverwandt. Das bedeutet durchaus nicht, dass es nicht auch zwischen Kant und Fichte, Fichte und Schelling, Schelling und Hegel zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen wäre, deren Heftigkeit der bekannten, vielleicht allzu bekannten Kritik Kierkegaards an Hegel in nichts nachstehen. Man darf hierbei aber nicht übersehen, dass die Heftigkeit des Streits nicht notwendigerweise auf eine völlige Unvereinbarkeit der Grundannahmen verweist. Denn häufig wird dort am leidenschaftlichsten gestritten, wo ein gemeinsames Projekt in Frage steht. Der im vorliegenden Band aus ganz unterschiedlichen Perspektiven unternommene Versuch, Kierkegaard in den Kontext der klassischen deutschen Philosophie zu stellen, soll daher den Blick für die Einigkeit und Uneinigkeit der verschiedenen Denker schärfen. Hiervon kann nicht nur das Verständnis Kierkegaards und das Verständnis der klassischen deutschen Philosophie profitieren; am meisten kann hiervon die zeitgenössische Philosophie gewinnen, wenn sie angeregt wird, ihre verlorengegangene historische Tiefendimension wiederzugewinnen, um sich so von dem allzu fürsorglich verordneten Denkschema eines „Bruchs im Denken des 19. Jahrhunderts“ zu emanzipieren. Denn es ist nicht nur das bessere Verständnis einer systematischen Sachfrage, das neue Perspektiven auf historische Formationen des Denkens eröffnet; ebenso kann das bessere Verständnis eines Lehrstücks der philosophischen Tradition wertvolle Anstöße für das Verständnis einer systematischen Sachfrage geben.
Hegel, TW 18, 17.
Axel Hutter
Methodischer Negativismus Das Programm einer „Revolution der Denkart“ bei Kant, Hegel und Kierkegaard
1 In Kierkegaards Angst-Abhandlung heißt es: „Dass das Denken überhaupt Realität hat, ist die Voraussetzung der ganzen antiken Philosophie und des Mittelalters gewesen. Durch Kant ist diese Voraussetzung zweifelhaft gemacht worden“. ¹ Mit dieser knappen Bemerkung verknüpft Kierkegaard den für sein Verständnis entscheidenden Wendepunkt in der Denkgeschichte der Menschheit mit der kritischen Philosophie Kants und deutet zugleich an, dass sein eigenes Denken nur von diesem Wendepunkt her angemessen zu verstehen ist. Der folgende Gedankengang will diesem Fingerzeig nachgehen und Kierkegaards Denken aus dem Kontext der klassischen deutschen Philosophie heraus verstehen, in den es sich selbst stellt; zugleich soll aber auch untersucht werden, ob sich von Kierkegaard her ein besseres Verständnis jener „Revolution der Denkart“ gewinnen lässt, die den Dreh- und Angelpunkt der kritischen Transzendentalphilosophie Kants bildet. Das Ziel der Überlegungen ist dabei, die Sachfrage angemessener zu verstehen, mit der sich das Denken von Kant bis Kierkegaard in immer neuen Anläufen und stets auf je eigene Weise auseinandersetzt.² Als Ausgangspunkt der Überlegungen soll dabei eine weitere Passage aus der Angst-Abhandlung dienen, die ein Seitenstück zu Kierkegaards eingangs angeführter Bemerkung über Kants Kritik an der Voraussetzung des antiken und mittelalterlichen Denkens bildet: „Wie alles antike Erkennen und Spekulieren in der Voraussetzung stand, dass der Gedanke Realität habe, so steht auch alle antike Ethik in der Voraussetzung, dass die Tugend realisierbar sei. Die Skepsis der Sünde ist dem Heidentum ganz und gar fremd. Die Sünde ist für das ethische Bewusstsein, was der Irrtum für dessen Erkennen ist, die vereinzelte Ausnahme, die nichts beweist“.³ Diese Passage ist bemerkenswert – und es empfiehlt sich, das Be-
Kierkegaard 1952, 8. Vgl. zum Verhältnis Kierkegaards zur klassischen deutschen Philosophie im Allgemeinen und zu Kant im Besonderen: Green 1992, Knappe 2004, Rapic 2007. Kierkegaard 1952, 17.
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Axel Hutter
merkenswerte sorgfältig herauszuarbeiten, um so einen angemessenen Zugang zu der hier verhandelten Sachfrage zu finden. Die Verbindung zwischen den beiden angeführten Stellen lässt sich zunächst unschwer herstellen: Kierkegaard stellt der von der Tradition zu wenig bezweifelten Voraussetzung, „dass der Gedanke Realität habe“, die analog strukturierte und ebenso problematische Voraussetzung zur Seite, „dass die Tugend realisierbar sei“. Es geht also in beiden Fällen um einen für Kierkegaard fraglich gewordenen naiven Realismus, der nicht nur (in epistemischer Hinsicht) das Denken, sondern ebenso (in ethischer Hinsicht) das Handeln betrifft; die eigentümliche, auf den ersten Blick freilich leicht misszuverstehende Kritik, die Kierkegaard im Anschluss an Kant zum Ausgangspunkt seines Denkens macht, richtet sich daher gleichermaßen gegen eine bestimmte Form des epistemischen Realismus und gegen eine bestimmte Form des ethischen Realismus. Die von Kierkegaard im Anschluss an Kant ins Feld geführte Skepsis ist also nicht als simpler „Anti-Realismus“ zu verstehen, der sich zum „Realismus“ wie ein bloßes Spiegelbild mit umgekehrten Vorzeichen verhielte. Vielmehr macht die Skepsis geltend, dass der unreflektierte Realismus der Tradition das Reale von Grund auf missversteht, so dass ihm ein neuer und kritischer Realismus entgegengestellt werden muss, der die Realität von der illusionären Verzeichnung befreit, die dem gewöhnlichen Realismus innewohnt. Kierkegaards Kritik gilt einem naiven Realismus des Gelingens, der sich positiv an der vermeintlichen Realität des üblichen Denkens und an der vermeintlichen Tugend des üblichen Handelns orientiert und sie zum Maßstab des allgemeinen Realitätsverständnisses erhebt. Dem setzt Kierkegaard mit Kant einen kritischen Realismus des Misslingens entgegen, der sich negativ am epistemischen Misserfolg des Irrtums und am ethischen Misserfolg der Sünde orientiert und ihn dialektisch als die Realität einer nicht sein sollenden Ausnahme begreift, die von einem unkritischen Realismus bloß als „vereinzelte Ausnahme, die nichts beweist“, missverstanden wird. Die in Rede stehende Revolution der Denkart meint daher eine radikale Kritik und Umwertung der hergebrachten Werte von Position und Negation, Erfolg und Misserfolg, Regel und Ausnahme. Sie führt konsequenterweise zu einer dialektischen Aufwertung des Negativen: Irrtum und Sünde sind nicht länger Ausnahmen von der Regel, die das Denken ignorieren kann, um die positive Regel im direkten Zugriff angemessen zu fassen. Vielmehr ist das wahrhaft Positive nur indirekt angemessen zu artikulieren, d. h. aber: im Ausgang vom Negativen und durch das Negative hindurch – wobei sich das vermeintlich Positive, das sich selbst positivistisch affirmiert, zugleich als eine besonders naive Form der Negativität entpuppt.
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Bemerkenswerterweise schreibt Kierkegaard den epistemischen Positivismus im zuerst angeführten Zitat „der ganzen antiken Philosophie und dem Mittelalter“ zu, während der historische Rahmen im zweiten Zitat enger ist, insofern es die „antike Ethik“ oder das „Heidentum“ ist, dem die Skepsis der Sünde „gänzlich fremd“ ist. Daraus ergibt sich bei Kierkegaard eine religions- und geschichtsphilosophische Dreiteilung: Das antike Denken ist von einem epistemischen wie ethischen Positivismus geprägt, der kennzeichnend für das Heidentum ist; die mittelalterliche Philosophie ist dagegen in sich zerrissen, weil sie den ethischen Negativismus, der für das Christentum kennzeichnend ist, mit dem epistemischen Positivismus der Antike zu vereinbaren versucht; erst der „kopernikanischen Wende“ Kants gelingt es, den Zwiespalt der Schulmetaphysik zu überwinden und den radikal negativistischen Realismus des Christentums in einer „Revolution der Denkart“ zur einheitlichen Grundlage der gesamten Philosophie zu machen. Kierkegaard situiert sein eigenes Denken mithin nicht nur innerhalb der großen Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum, sondern noch sehr viel spezifischer in der Nachfolge Kants. Denn Kants negativistische Revolution der Denkart steht am Anfang einer neuen Epoche der Philosophie, der sich Kierkegaard zugehörig fühlt. Seine Nähe und Distanz zu den einzelnen Entwürfen der klassischen deutschen Philosophie ergibt sich also aus seiner Einschätzung, inwieweit es diesen Entwürfen jeweils konkret gelingt, den kritischen Geist Kants zu wahren und zu entfalten. So versteht Kierkegaard das Unternehmen der Philosophie Hegels aus dem Anspruch heraus, „Kants Skepsis wirklich durchdacht“ zu haben, um freilich sofort hinzuzufügen: „mittlerweile dürfte dies doch immer eine große Frage bleiben“.⁴ Der bekannte, vielleicht allzu bekannte Dissens zwischen Kierkegaard und Hegel wird hier durch einen weit weniger bekannten, vielleicht allzu unbekannten Konsens fundiert und in die richtige Perspektive gerückt. Denn für Kierkegaard besteht eine tiefe systematische Gemeinsamkeit zwischen seinem eigenen Denken und dem Denken Hegels, die den motivierenden Hintergrund seiner Hegel-Kritik bildet: Das Projekt einer konsequenten Anknüpfung an „Kants Skepsis“, d. h. der Versuch, Kants transzendentale Revolution möglichst radikal und konsequent zu durchdenken. Der Dissens zwischen Kierkegaard und Hegel kann also in seiner inneren Logik und sachlichen Angemessenheit überhaupt erst in den Blick kommen, wenn zuvor die von Kierkegaard ausdrücklich anerkannte Gemeinsamkeit in der Anknüpfung an Kant verstanden und sehr genau auf den Begriff gebracht wurde, deren Bedeutung kaum überschätzt werden kann, weil die Orientierung an „Kants
Kierkegaard 1952, 8.
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Skepsis“ für Kierkegaard offenbar keine bloß historische Randnotiz ist, sondern das zentrale Sachproblem und den inneren Antrieb seines Denkens beim Namen nennt.
2 Nach der Veröffentlichung der Kritik der reinen Vernunft ist Kant deutlich geworden, dass der revolutionäre Grundgedanke seiner Vernunftkritik leicht übersehen oder missverstanden werden kann. Deshalb erläutert er in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik die zentrale Pointe seines Ansatzes, indem er selbst die Frage stellt: Was ist das eigentlich „für ein Schatz, den wir der Nachkommenschaft mit einer solchen durch Kritik geläuterten, dadurch aber auch in einen beharrlichen Zustand gebrachten Metaphysik zu hinterlassen gedenken?“⁵ Bereits die von Kant gewählte Formulierung der Frage macht deutlich, dass das angemessene Verständnis der transzendentalen Vernunftkritik vor allem auf eine eigentümliche Dialektik von Verlust und Gewinn zu achten hat. Das Wesen einer „Läuterung“ besteht nämlich genau darin, den irrigen Anspruch auf ein nur vermeintlich Positives aufzugeben, um durch diese Negation hindurch einen „beharrlichen Zustand“ zu gewinnen. Diese Dialektik von Verlust und Gewinn wird vollends deutlich, wenn Kant zur Antwort auf die von ihm selbst gestellte Frage übergeht: Man wird bei einer flüchtigen Übersicht dieses Werks wahrzunehmen glauben, daß der Nutzen davon doch nur negativ sei, uns nämlich mit der spekulativen Vernunft niemals über die Erfahrungsgrenze hinaus zu wagen, und das ist auch in der Tat ihr erster Nutzen. Dieser aber wird alsbald positiv, wenn man inne wird, daß die Grundsätze, mit denen sich spekulative Vernunft über ihre Grenze hinauswagt, in der Tat nicht Erweiterung, sondern, wenn man sie näher betrachtet, Verengung unseres Vernunftgebrauchs zum unausbleiblichen Erfolg haben, indem sie wirklich die Grenzen der Sinnlichkeit, zu der sie eigentlich gehören, über alles zu erweitern und so den reinen (praktischen) Vernunftgebrauch gar zu verdrängen drohen.⁶
Die von Kant anvisierte „Revolution der Denkart“⁷ beruht also ganz ausdrücklich auf einer dialektischen Umkehrung des Negativen in eine neue Form des Positiven – eine revolutionäre Umkehrung, die als ein methodischer Negativismus zu verstehen ist.
KrV B XXIV. KrV B XXIV f. KrV B XI.
Methodischer Negativismus
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Für eine „flüchtige Übersicht“ der Kritik der reinen Vernunft erschöpft sich der „Nutzen“ der transzendentalen Vernunftkritik bloß in einem negativen Resultat oder Verlust: Dem spekulativen Vernunftgebrauch wird die Fähigkeit zu genuin metaphysischen Erkenntnissen, die „über die Erfahrungsgrenze hinaus“ gehen, aus prinzipiellen Gründen abgesprochen. Denn dieser Gebrauch der Vernunft zielt wesentlich auf positive Erkenntnisse ab und ist deshalb mit den ihm eigenen „Grundsätzen“ auf empirische Erfahrung angewiesen. Eine solche Angewiesenheit folgt analytisch aus dem Abzielen auf positive Objekterkenntnis. Die naive Bindung an einen positiven Begriff der Wirklichkeit verengt die menschliche Erkenntnis folglich auf das Gebiet diesseits der „Erfahrungsgrenze“. Maßt sich ein derart verengter Erkenntnisbegriff nun an, die eigene positive Denkungsart „über alles zu erweitern“, dann führt dies zu keinem Gewinn an Erkenntnis, sondern zur Verdrängung eines alternativen (rein praktischen) Vernunftgebrauchs, dessen Denkungsart durch die strikte Abgrenzung von jeder Form eines „positiven“ Verständnisses von Erkenntnis und Realität charakterisiert ist. Die Kritik des angemaßten Monopols der positiven Erkenntnis ist also nur auf den ersten Blick negativ; denn ein tiefer blickendes Verständnis erkennt „alsbald“, dass die Metaphysik durch eine solche Skepsis „geläutert“ wird, indem sie aus der Befangenheit in einer positivistischen Denkart befreit wird, so dass die negativistische Alternative zum Positivismus nicht länger verdrängt zu werden droht. Die Skepsis und ihr scheinbar negatives Resultat, das die spekulative Erkenntnis auf die Erscheinungswelt restringiert und ihr eine metaphysische Realität abspricht, wird demnach durchaus positiv, sobald „man sie näher betrachtet“ und bemerkt, dass das vermeintlich Positive, die Erkenntnis innerhalb der Grenzen der Sinnlichkeit, in Wahrheit ein Negatives ist, so dass ein Denken, das die empirische Erkenntnisweise zum Maßstab eines gelingenden Vernunftgebrauchs macht, keine Erweiterung, sondern vielmehr eine Verengung der Vernunft bedeutet. Die Skepsis, die sich gegen den vermeintlichen Erfolg eines sich selbst missverstehenden Vernunftgebrauchs richtet, dient also am Ende dem wahrhaft Positiven: dem reinen (praktischen) Vernunftgebrauch.⁸ Die „Reinheit“ des eigentlichen Vernunftgebrauchs bezeichnet dabei seine grundsätzliche Negativität: Reine Vernunft befreit sich von aller Angewiesenheit auf vernunftfremde Gegebenheiten, die ihr seitens der sinnlichen Anschauung und empirischen Erfahrung aufgedrängt werden. „Praktisch“ ist die reine Vernunft aber deshalb, weil ihr radikaler Negativismus der Ausdruck einer spontanen Freiheit ist, deren positives Wesen sich allein in der strikten Negation aller positiven Gegebenheiten manifestiert.
Vgl. zu diesem Leitgedanken der transzendentalen Vernunftkritik: Hutter 2003.
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Axel Hutter
In seinem ersten transzendentalphilosophischen Werk zum praktischen Vernunftgebrauch aus reiner Freiheit, der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, reformuliert Kant deshalb die vernunftkritische Grundunterscheidung von empirischer Erscheinung und metaphysischem Ding an sich selbst anhand der Unterscheidung von Fremdbestimmung und Selbstbestimmung, Rezeptivität und Spontaneität. Es ist, so Kant, „kein subtiles Nachdenken erfordert“, um einzusehen, daß alle Vorstellungen, die uns ohne unsere Willkür kommen (wie die der Sinne), uns die Gegenstände nicht anders zu erkennen geben, als sie uns affizieren, wobei, was sie an sich sein mögen, uns unbekannt bleibt, mithin daß, was diese Art Vorstellungen betrifft, wir dadurch auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit und Deutlichkeit, die der Verstand nur immer hinzufügen mag, doch bloß zur Erkenntnis der Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen können.⁹
Solange das „Positive“ der Wirklichkeit also nach dem Modell der sinnlichen Rezeptivität als dasjenige verstanden wird, das der Erkennende passiv zu erleiden und hinzunehmen hat, solange wird das Denken „auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit“ bloß „zur Erkenntnis der Erscheinungen, niemals der Dinge an sich selbst gelangen können“. Denn das „Positive“ einer dergestalt verstandenen Realität entpuppt sich, wenn man sie näher betrachtet, alsbald als das Negative: als Verklärung der passiven Abhängigkeit, als Verdrängung der reinen Spontaneität der Vernunft, als Verneinung der Freiheit. Eine Erkenntnis wäre nämlich hier umso „realer“, je passiver, je unfreier sie wäre. Die transzendentalphilosophische Skepsis gegenüber der Realität einer solchen Erkenntnis rettet also die Freiheit vor dem ihr innewohnenden Selbstmissverständnis. So ist es Kant zufolge für den Menschen kennzeichnend, dass er sich mit der empirischen Gegenständlichkeit der Erscheinungswelt nicht zufrieden gibt, sondern „sehr geneigt ist, hinter den Gegenständen der Sinne noch immer etwas Unsichtbares, für sich selbst Tätiges zu erwarten“. Zugleich ist es aber für den Menschen ebenso kennzeichnend, dass er sein genuin metaphysisches Interesse „dadurch verdirbt, dass er dieses Unsichtbare sich bald wiederum versinnlicht, d. i. zum Gegenstande der Anschauung machen will, und dadurch also nicht um einen Grad klüger wird“.¹⁰ Aus dieser selbstverschuldeten Unmündigkeit eines Bewusstseins, das die Negativität der eigenen Freiheit positivistisch verdirbt, führt also nur die kritische Aufklärung eines methodischen Negativismus.
AA IV 450 f. AA IV 452.
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3 Kant setzt dem Positivismus der empirisch orientierten Denkart deshalb keinen anderen Positivismus, sondern einen entschiedenen Negativismus der metaphysischen Vernunftideen (Gott, Freiheit, Unsterblichkeit) entgegen. Von der für die Gesamtarchitektur seines Denkens zweifellos wichtigsten Vernunftidee, der Freiheit, sagt Kant daher mit großem Nachdruck: „die Unerforschlichkeit der Idee der Freiheit schneidet aller positiven Darstellung gänzlich den Weg ab“.¹¹ Wenn aber alle positive Darstellung aus prinzipiellen Gründen „abgeschnitten“ ist, dann ist der kritische Weg „allein noch offen“¹², d. h. der indirekte Weg einer negativen Darstellung. Das Oxymoron einer „negativen Darstellung“ macht dabei sehr gut deutlich, worauf Kants Kritik am Ende abzielt. Die von ihm anvisierte negative Darstellung der Vernunftideen ist einerseits Darstellung, d. h. sie meint keine abstrakte, pauschale Negation, die nur eine Nichtigkeit konstatiert, mit der sich nichts weiter anfangen lässt; sie ist aber nichtsdestotrotz negativ, d. h. sie meint eine bestimmte, methodisch geregelte Negation, die dem Negierten eine Grenze zieht und so dem Positiven, dessen Darstellung unmöglich ist, indirekt Kontur verleiht, es gleichsam vom Negativen her andeutet. Es liegt Kant mithin völlig fern, aus dem methodisch herausgearbeiteten Negativen (der Unerforschlichkeit und radikalen Unanschaulichkeit der Freiheit) den positivistischen Impuls zu gewinnen, gleichwohl zu versuchen, der Freiheit eine positive Darstellung zu geben, um sie den Menschen „näher“ zu bringen und so ihre positive Wirklichkeit und Brauchbarkeit zu erweisen; ganz im Gegenteil zieht er in kritischer Opposition zu „aller positiven Darstellung“ der Freiheit die negativistische Konsequenz, dass die Freiheit gerade aufgrund ihrer Negativität zu den metaphysischen Vernunftideen zu rechnen ist. Kants methodischer Negativismus der Freiheit ist aber des Näheren als Aufklärung, d. h. als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“¹³ zu begreifen, weil der unaufgeklärte Mensch seine eigene metaphysische Anlage missversteht und missbraucht, indem er die radikale Negativität und Unanschaulichkeit der drei Vernunftideen einerseits dunkel spürt und anerkennt, sie aber sofort verdirbt, indem er die Negativität der Vernunft andererseits doch irgendwie positiv veranschaulichen will und so ins Gegenteil ihrer selbst verkehrt.
AA V 275. KrV B 884 AA VIII 35.
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Bemerkenswerterweise ist sich Kant der religionsgeschichtlichen Dimension seines Negativismus, auf die dann Kierkegaard so viel Aufmerksamkeit verwenden wird, durchaus bewusst. In einer bedeutenden Passage führt er dazu aus: Vielleicht gibt es keine erhabenere Stelle im Gesetzbuche der Juden, als das Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen […] Dieses Gebot allein kann den Enthusiasmus erklären, den das jüdische Volk für seine Religion fühlte, wenn es sich mit andern Völkern verglich, oder denjenigen Stolz, den der Mohammedanismus einflößt. Eben dasselbe gilt auch von der Vorstellung des moralischen Gesetzes und der Anlage zur Moralität in uns. Es ist eine ganz irrige Besorgnis, daß, wenn man sie alles dessen beraubt, was sie den Sinnen empfehlen kann, sie alsdann keine andere als kalte, leblose Billigung und keine bewegende Kraft oder Rührung bei sich führen würde. Es ist gerade umgekehrt.¹⁴
Kant stellt seine negativistische Freiheits- und Moralphilosophie demnach ganz ausdrücklich in einen direkten Zusammenhang mit der Entdeckung des radikal unanschaulichen Monotheismus, dessen Negativismus sich exemplarisch im Verbot ausspricht, das wesentlich Unanschauliche in irgendeiner Weise zu veranschaulichen, d. h. ihm in irgendeiner Weise „eine positive Darstellung“ zu geben. Die typisch positivistische Sorge, ein Unanschauliches, dessen positive Darstellung derart radikal „abgeschnitten“ ist, könne auf die Menschen keine Wirkung haben, bleibe notwendig blass und abstrakt, müsse als bloßes „Hirngespinst“ abgetan werden, ist für Kant nicht nur unbegründet, sondern eine direkte Verfälschung des wahren Sachverhalts. Denn: „Es ist gerade umgekehrt“; und diese Umkehrung meint Kant, wenn er von der „Revolution der Denkart“ spricht, die er mit seiner Philosophie zu leisten hofft. Es muss freilich auffallen, dass in der angeführten Passage eine der drei abrahamitischen Religionen von Kant nicht erwähnt wird: das Christentum. Die Erklärung hierfür findet sich in der Fortsetzung der Passage, in der sich Kant gegen die falsche „Furcht vor Kraftlosigkeit dieser Ideen“ der Vernunft ausspricht und gegen die ebenso irrige Sorge, für die unanschaulichen Ideen „in Bildern und kindischem Apparat Hülfe zu suchen“. Kant fährt fort: Daher haben auch die Regierungen gerne erlaubt, die Religion mit dem letzteren Zubehör [scil. Bildern und kindischem Apparat] reichlich versorgen zu lassen, und so dem Untertan die Mühe, zugleich aber auch das Vermögen zu benehmen gesucht, seine Seelenkräfte über die Schranken auszudehnen, die man ihm willkürlich setzen und wodurch man ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann.¹⁵
AA V 274. AA V 275 f.
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Kants Programm einer negativistischen „Revolution der Denkungsart“ zeigt hier am Ende eine politische sowie religions- und ideologiekritische Dimension. Die scheinbar wohlmeinende Sorge, dem Menschen die „abstrakten“ Ideen veranschaulichen und in der Erfahrung „näher“ bringen zu müssen, entpuppt sich unter dem kritischen Blick Kants als absichtsvolle Entmündigung des „Untertanen“, der massenhaft mit Bildern und anderem positiven Zubehör versorgt wird, um ihm dadurch „das Vermögen zu benehmen“, sich kritisch über das bloß anschaulich Gegebene erheben zu können. Die kritische und aufklärerische Spitze des negativistischen Monotheismus wird so nicht nur abgestumpft, sondern ins unfreie und dogmatische Gegenteil verkehrt. Denn hinter der allgemein verbreiteten Anschauungs- und Gefühlsseligkeit, die Kant in seiner Gegenwart diagnostiziert, steckt insgeheim die planmäßige Abrichtung zu einer Passivität, die man politisch „leichter behandeln kann“, weil sie den spezifischen Enthusiasmus und Stolz verlernt hat, die der radikal unanschauliche Negativismus der Freiheit in einem mündigen Bewusstsein zu entfachen vermag. Der transzendentale Idealismus Kants wird somit als eine einzige kritische Anstrengung verständlich, vor dem Hintergrund der selbstverschuldeten Unmündigkeit einer positivistischen Regression die Wahrheit des Negativismus mit philosophischen Mitteln neu ins Bewusstsein zu rufen. Hieran werden Hegel und Kierkegaard auf je eigene Weise anschließen.
4 Hegel entfaltet die Dialektik von Positivem und Negativem, die für jede theoretische wie praktische Erkenntnis grundlegend ist, in seiner Wissenschaft der Logik, und zwar insbesondere in der Urteilslehre. Das Positive wird hier als positives oder bejahendes Urteil thematisch: „Die Rose ist rot“. Urteile dieses Typs scheinen so einfach und unverdächtig zu sein, dass sie gemeinhin nur die Frage aufwerfen, ob das in ihnen positiv Behauptete wahr oder falsch sei, d. h. ob das Urteil mit dem Gegenstand übereinstimme. Das führt dann für gewöhnlich zu der so richtigen wie trivialen Explikation: Das Urteil „Die Rose ist rot“ ist genau dann wahr, wenn die Rose rot ist. Hegels radikale Kritik an diesem gängigen Verständnis beginnt mit der Unterscheidung zwischen der Wahrheit und der Richtigkeit eines Urteils: Positive Urteile können zwar inhaltlich richtig (oder falsch) sein, doch sind sie der Form nach – als positive Urteile – stets unwahr. „Das positive Urteil hat“, so Hegel, „durch seine Form als positives Urteil keine Wahrheit“. Denn es gehört zur Form positiver Urteile, dass sie „keinen anderen Inhalt als ein unmittelbar Einzelnes
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und eine abstrakte Bestimmtheit zum Inhalte haben können und sollen“.¹⁶ Das Urteil „Die Rose ist rot“ ist also Hegel zufolge auch dann unwahr,wenn die Rose rot ist. Dieses auf den ersten Blick kaum verständliche Lehrstück wird von Hegel zudem unmittelbar mit seinem Verständnis wahrer Philosophie verknüpft. Denn wer die Richtigkeit einer Anschauung oder Wahrnehmung, die Übereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand Wahrheit nennte, hat wenigstens keinen Ausdruck mehr für dasjenige, was Gegenstand und Zweck der Philosophie ist. Man müßte den letzteren wenigstens Vernunftwahrheit nennen, und man wird wohl zugeben, daß solche Urteile wie daß Cicero ein großer Redner gewesen, daß es jetzt Tag ist usf. keine Vernunftwahrheiten sind.¹⁷
Offenkundig knüpft Hegel hier vermittels der Verwendung des Ausdrucks „Vernunftwahrheit“ an Kants Projekt der Vernunftkritik an; ebenso offenkundig ist aber, dass Hegel die transzendentale Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich selbst strenger noch als Kant aus einer immanenten Dialektik des Urteilens erhellen will. Ein angemessenes Verständnis dessen, was Hegel unter Philosophie versteht, steht und fällt also mit dem angemessenen Verständnis seiner Unterscheidung von Richtigkeit und Wahrheit, die wiederum in den Kontext einer in der Urteilslehre behandelten Dialektik von Position und Negation gehört. Ein isolierter Sachverhalt („Cicero ist ein großer Redner“, „Es ist jetzt Tag“) kann Hegel zufolge keine Wahrheit im emphatischen oder philosophischen Sinne, d. h. keine Vernunftwahrheit sein, weil die Wahrheit, die „Gegenstand und Zweck der Philosophie“ ist, sich wesentlich auf das Ganze eines Zusammenhangs bezieht, in den das Einzelne nur insofern eingehen kann, als es über seine Vereinzelung auch hinausweist: „Das Wahre ist das Ganze“¹⁸. Das Partikulare als unmittelbar positiv Gegebenes, d. h. als Isoliertes, das sich gegen den Zusammenhang, in dem es immer schon steht, abkapselt, ist daher für Hegel der Form nach unwahr, weil es in der isolierten Positivität seiner Partikularität die Form der Wahrheit negiert: das alle seine Teile übergreifende Ganze.¹⁹
TWA 6, 318. Hegels Werke werden, mit Band- und Seitenangabe, zitiert nach: G.W.F. Hegel, Werke in zwanzig Bänden, Frankfurt am Main 1970 (Sigle: TWA). TWA 6, 318. TWA 3, 24. Kant formuliert diesen zentralen Grundgedanken vermittels seiner transzendentalen Unterscheidung von Verstand und Vernunft. Der Verstand ist das Vermögen der positiven Einzelerkenntnisse in den empirischen Grenzen der Erfahrung, die sich stets innerhalb einer für den Verstand nicht thematischen Totalität vollzieht. Die Vernunft bezieht sich hingegen genau auf diese Ganzheiten oder Totalitäten (Seele, Welt, Gott), die niemals Gegenstand der Erfahrung
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Hegel bezeichnet daher den von Spinoza geprägten Satz omnis determinatio est negatio als einen Satz „von unendlicher Wichtigkeit“²⁰. Denn die scheinbar positive Bestimmung eines empirischen Gegenstandes oder partikularen Sachverhalts ist in Wahrheit eine Negation: die Verneinung dessen, wovon sich das Vereinzelte „positiv“ abgrenzt. Wenn aber das in bejahenden Urteilen ausgedrückte Positive in Wahrheit ein Negatives ist, wie ist umgekehrt das Positive im Negativen, das Ja im Nein zu begreifen? Die gedankliche Tiefendimension von Hegels kritischer Grundunterscheidung zwischen der Richtigkeit des positiven Urteils seinem Inhalt und der Unwahrheit desselben Urteils seiner Form nach wird daran deutlich, dass diese kritische Unterscheidung im weiteren Verlauf des Gedankengangs zu einer originellen und erhellenden Differenzierung zwischen zwei gänzlich verschiedenen Formen der Negation führt. Es gibt nämlich eine Verneinung, die so partikular und banal ist wie die Bejahung, von der sie abhängig bleibt; davon ist aber eine totale Verneinung zu unterscheiden, in der die Partikularität jeder vereinzelten Bejahung oder Verneinung als solche verneint wird. Die Negation in einem verneinenden Urteil kann sich einmal auf den Inhalt beziehen, wie es in jeder gewöhnlichen Verneinung der Fall ist: „Die Rose ist nicht rot“. Die einfache und übliche Gestalt des negativen Urteils negiert also nur den jeweiligen partikularen Inhalt des Urteils, lässt hingegen die allgemeine Form des positiven Urteils intakt; sie ist also der Form nach weiterhin ein positives Urteil. Hegel drückt dies so aus: Wenn z. B. gesagt wird, die Rose ist nicht rot, so wird damit nur die Bestimmtheit des Prädikats negiert […]; die allgemeine Sphäre, die Farbe, ist erhalten; wenn die Rose nicht rot ist, so wird dabei angenommen, daß sie eine Farbe und eine andere Farbe habe; nach dieser allgemeinen Sphäre ist das Urteil noch positiv.²¹
Das dem Inhalt nach negative, der Form nach aber weiterhin positive Urteil stellt mithin eine unselbständige Negation dar. Unselbständig ist diese Gestalt der
werden können, ihr aber als Bedingung ihrer Möglichkeit vorausliegen: „Jede einzelne Erfahrung ist nur ein Teil von der ganzen Sphäre ihres Gebietes, das absolute Ganze aller möglichen Erfahrung ist aber selbst keine Erfahrung und dennoch ein notwendiges Problem für die Vernunft, zu dessen bloßer Vorstellung sie ganz anderer Begriffe nötig hat, als jener reinen Verstandesbegriffe, deren Gebrauch nur immanent ist, d.i. auf Erfahrung geht, so weit sie gegeben werden kann, indessen daß Vernunftbegriffe auf die Vollständigkeit, d.i. die kollektive Einheit der ganzen möglichen Erfahrung, und dadurch über jede gegebene Erfahrung hinausgehen und transzendent werden“ (AA IV 328). TWA 5, 121. TWA 6, 322.
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Negation, weil sie sich innerhalb eines positiven, nicht negierten, sondern vorausgesetzten und affirmierten Rahmens bewegt und von ihm abhängig ist. So enthalten die Sätze „Es gibt Blumen, die nicht rot sind“ oder „Nicht alle Blumen sind rot“ zwar eine Verneinung, doch impliziert hier die Verneinung der bestimmten Farbe nur die Bejahung einer anderen Farbe, die mit der Farbe „Rot“ dasselbe Bezugssystem teilt. Die partikulare Verneinung ist also nur möglich, weil sie implizit eine bestimmte Klasse positiver Eigenschaften bejaht (hier: Farben). Deshalb sagt Hegel: „Das negative Urteil ist also nicht die totale Negation; die allgemeine Sphäre, welche das Prädikat enthält, bleibt noch bestehen; die Beziehung des Subjekts auf das Prädikat ist daher wesentlich noch positiv“.²² Die selbständige oder radikale Gestalt der Negation, die sich nicht nur auf den vereinzelten Inhalt eines Urteils, sondern auf die allgemeine Form des Urteils selbst bezieht, ist für Hegel erst die „totale Negation“. Sie negiert das Ganze des Urteils – und antizipiert gerade in dieser totalen Negation dialektisch eine positive Totalität, deren Positivität sich grundlegend von der partikularen Position des positiven Urteils unterscheidet.
5 Der formalen Unwahrheit des partikularen (positiven wie negativen) Urteils setzt Hegel das negativ-unendliche Urteil entgegen, in der die unwahre, d. h. endliche Form des Urteils „total“, d. h. auch der Form nach, negiert wird: „Das negative Urteil ist sowenig ein wahres Urteil als das positive. Das unendliche Urteil aber, das seine Wahrheit sein soll, ist nach seinem negativen Ausdrucke das NegativUnendliche, ein Urteil, worin auch die Form des Urteils aufgehoben ist“.²³ Der dem positivistischen Denken unbequeme Begriff des Unendlichen bezeichnet also die wahre, d. h. primäre und radikale Gestalt der Negation. Die im Unendlichen gedachte Verneinung bewegt sich nämlich nicht in der Klasse der endlichen Dinge, sondern negiert gerade diese Wirklichkeitsform als solche. Das Unendliche steht also nicht „neben“ dem Endlichen, sondern in einem sehr präzisen, durch diese spezifische Gestalt von Negation überhaupt erst deutlich gemachten Sinn „über“ dem Endlichen. Denn das Unendliche ist gerade die Bedingung der Möglichkeit des Endlichen, dessen vermeintliche Positivität sich nun als Form der Negativität erweist: Jedes Endliche ist eine so oder so bestimmte Negation des Unendlichen.
TWA 6, 321 f. TWA 6, 324.
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Mit anderen Worten: Die sekundäre oder unselbständige Gestalt der Negation bewegt sich stets innerhalb einer gewissen Teilmenge der Wirklichkeit und ist genau deshalb bloß sekundär. Die radikale oder dialektische Gestalt der Negation überschreitet hingegen die Partikularität als solche, insofern alles Partikulare bedingt oder endlich ist, so dass in der unendlichen Negation gerade etwas Positives (das Unbedingte) ausgedrückt wird, das ursprünglicher und grundlegender ist als jede positive Partikularität der stets bedingten Endlichkeit. Das Negativ-Unendliche ist die radikale Negation – und in dieser Hinsicht (als Negation der unwahren Form des undialektischen Positivismus) eine Vorform, ein negativer Statthalter des dialektisch vermittelten Positiven. Diese eigentümliche Negativität des Negativ-Unendlichen zeigt sich aber an ihm selbst als Zweideutigkeit, die sich aus der Perspektive des endlichen Positivismus als eindeutiger Widersinn darstellt. So erscheinen die konkreten Beispiele für unendliche Urteile zunächst mit innerer Notwendigkeit als unsinnig und zerstörerisch. [Solche] Beispiele von negativ-unendlichen Urteilen sind leicht zu haben, indem Bestimmungen zu Subjekt und Prädikat negativ verbunden werden, deren eine nicht nur die Bestimmtheit der andern nicht, sondern auch ihre allgemeine Sphäre nicht enthält; also z. B. […] die Rose ist kein Elephant, der Verstand ist kein Tisch und dergleichen. – Diese Urteile sind richtig oder wahr, wie man es nennt, aber einer solchen Wahrheit ungeachtet widersinnig und abgeschmackt. – Oder vielmehr sie sind keine Urteile.²⁴
Im unendlichen Urteil „Die Rose ist kein Elephant“ wird nicht ein bestimmter Inhalt, sondern die allgemeine Form des Urteils negiert, ja zerstört. Der Inhalt ist für sich genommen zwar „richtig“, doch wird diese Richtigkeit von der Negation der Urteilsform so überlagert, daß unendliche Urteile aus der Sicht der endlichen Positivität „widersinnig und abgeschmackt“ wirken müssen. Denn das unendliche Urteil negiert nicht dies oder das, sondern es negiert die allgemeine formale Voraussetzung, welche endliche Urteile (positive wie negative) überhaupt erst möglich macht. Die Negation der Endlichkeit als solcher muss aber – aus der Perspektive der Endlichkeit – als schlechthin widersinnig erscheinen. Der negativistische Realismus, der in Hegels logischen Erwägungen stets impliziert ist, wird nun daran deutlich, dass Hegel „reale“ Beispiele des negativunendlichen Urteils anzuführen weiß: Ein reelleres Beispiel des unendlichen Urteils ist die böse Handlung. Im bürgerlichen Rechtsstreit wird etwas nur als das Eigentum der anderen Partei negiert, so daß aber eingeräumt wird, es sollte das Ihrige sein, wenn sie das Recht dazu hätte, und es wird nur unter
TWA 6, 324.
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dem Titel des Rechtes in Anspruch genommen; die allgemeine Sphäre, das Recht, wird also in jenem negativen Urteile anerkannt und erhalten. Das Verbrechen aber ist das unendliche Urteil, welches nicht nur das besondere Recht, sondern die allgemeine Sphäre zugleich negiert, das Recht als Recht negiert. Es hat zwar die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Handlung ist, aber weil sie sich auf die Sittlichkeit, welche ihre allgemeine Sphäre ausmacht, durchaus negativ bezieht, ist sie widersinnig.²⁵
Unter positiv-endlichen Bedingungen ist das Negativ-Unendliche dergestalt das Gegenteil aller Erbaulichkeit: Widersinn und Verbrechen. Es ist das Grenzen- und Gestaltlose, das Ungebändigte und Chaotische, das sich den Grenzen der positiven Partikularitäten entzieht. Das Negativ-Unendliche geht aufs Ganze – indem es alles Bestimmte negiert. Ist es deshalb aber ausschließlich als das Chaotische und Unbestimmte zu verstehen, als das Nichts, aus dem nichts „Positives“ werden kann? Hegels negativistischer Realismus besteht genau darin, die eigentümliche Macht und Realität dieses „Nichts“ durchaus anzuerkennen, das dem endlichen Sinn als Widersinn, dem endlichen Leben als Tod entgegentritt: Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das Furchtbarste, und das Tote festzuhalten das, was die größte Kraft erfordert […] Nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht, wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg zu irgend etwas anderem übergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die es in das Sein umkehrt.²⁶
TWA 6, 324 f. TWA 3, 36. Das Negativ-Unendliche realisiert sich für Hegel also nicht nur in der sozialen Welt der Sittlichkeit, sondern auch und mehr noch in der Welt des natürlichen Lebens. Denn für Hegel „ist das Lebendige für sich selbst diese Entzweiung und hat das Gefühl dieses Widerspruchs, welches der Schmerz ist. Der Schmerz ist daher das Vorrecht lebendiger Naturen; weil sie der existierende Begriff sind, sind sie eine Wirklichkeit von der unendlichen Kraft, daß sie in sich die Negativität ihrer selbst sind […] Wenn man sagt, daß der Widerspruch nicht denkbar sei, so ist er vielmehr im Schmerz des Lebendigen sogar eine wirkliche Existenz“ (TWA 6, 481). Der Schmerz des natürlichen Lebens ist dabei kein Zufall, sondern Merkmal der Zufälligkeit der Natur. Er ist als Negativ-Unendliches nicht das partikulare negative „Gegenstück“ zu einem ebenso partikularen positiven Zustand der Natur (etwa dem Wohlbefinden oder der Gesundheit), sondern die totale Negation, die absolute Infragestellung der Natur als solcher. Das Lebendige steht daher innerhalb der Natur höher als Lebloses, weil es dieses „Vorrecht“ besitzt, die endliche Natur im Schmerz unendlich in Frage zu stellen.
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Mit „Geist“ bezeichnet Hegel demnach seit der Phänomenologie des Geistes die wahre Unendlichkeit, die durch das Negativ-Unendliche vermittelt wird, das die „totale“ Infragestellung und Negation des Endlichen leistet und so der menschlichen Erfahrung überhaupt erst den dialektischen Zugang zum Positiv-Unendlichen eröffnet. Der Begriff des Geistes ist das Erkennungs- und zugleich Rätselwort der Hegelschen Philosophie, weil in ihm die rätselhafte Unendlichkeit der menschlichen Existenz bezeichnet wird. Der Ausdruck Geist wird dabei ganz bewusst aus der Religions- und Philosophiegeschichte aufgenommen, deren Wahrheitsgehalt sich für Hegel in diesem Begriff zusammenfasst: Das Wort und die Vorstellung des Geistes ist früh gefunden, und der Inhalt der christlichen Religion ist, Gott als Geist zu erkennen zu geben. Dies, was hier der Vorstellung gegeben und was an sich das Wesen ist, in seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen, ist die Aufgabe der Philosophie²⁷.
Für Hegel gehört es daher insbesondere zur Aufgabe der Philosophie, die radikale Dialektik des Geistes gegen alle „positiven“ Versuche der Beruhigung und Entdramatisierung zu verteidigen. Denn das Positiv-Unendliche des Geistes wird gerade daran kenntlich, dass sein Sinn nicht unmittelbar zu bezeichnen ist, sondern nur durch die Negation des Negativ-Unendlichen, das seinerseits die Negation aller unmittelbaren Positivität ist. Das unendliche Urteil ist daher nicht unmittelbar Geist oder Sinn, sondern unmittelbar Widersinn oder Widergeist, in dessen unendlicher Negativität allerdings die Möglichkeit verborgen liegt, sich ins Gegenteil ihrer selbst zu wenden.
6 Kierkegaards Kritik an Hegel richtet sich gegen die Trennung von „Logik“ einerseits, „Realphilosophie“ (Natur- und Geistphilosophie) andererseits. Die zentrale Dialektik der Negation wird aufgrund dieser Trennung, so Kierkegaard, einmal im „logischen“ und einmal im „realphilosophischen“ Sinne behandelt – und deshalb nie wirklich begriffen. Verlässt man nämlich die „Logik“, um zur „Realphilosophie“ – etwa zur Ethik – überzugehen, so erfährt man zu seinem Erstaunen, daß das Negative das Böse ist. Nun ist die Verwirrung in vollem Gange […] Man sieht, wie unlogisch die Bewegungen in der Logik sein müssen,
TWA 10, 29 f.
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sintemal das Negative das Böse ist; wie unethisch sie in der Ethik sein müssen, sintemal das Böse das Negative ist. In der Logik ist das zu viel, in der Ethik zu wenig, nirgends paßt es, falls es beidenorts passen soll.²⁸
Diese Kritik Kierkegaards an der „doppelten Buchführung“ Hegels knüpft in ihrer Betonung der ethischen Wirklichkeit an Kants zentrales Lehrstück vom Primat der reinen praktischen Vernunft an; zugleich hält Kierkegaard aber an Hegels Einsicht in die universelle Geltung der Dialektik fest, die bei Kant noch auf einen bestimmten (wenn auch wichtigen) Systemteil beschränkt bleibt. Ein angemessener Zugang zu Kierkegaards Denken erfordert es also zu verstehen, wie er Hegels Dialektik des Unendlich-Negativen einerseits radikalisiert und immanent über sich hinaustreibt und dabei zugleich an wichtige Motive Kants anschließen kann, von denen sich Hegel gerade seinerseits abgrenzt. Kierkegaard denkt – wie bereits Kant und Hegel – die Dialektik mit dem Unendlichen zusammen. Man erkennt nämlich „die unendliche Reflexion“ Kierkegaard zufolge sofort an einem: sie hat überall die Dialektik bei sich. Sobald irgendetwas, es sei ein Wort, ein Satz, ein Buch, ein Mann, eine Gemeinschaft, es sei, was es wolle, in der Weise eine Grenze sein soll, daß die Grenze selbst nicht ebenfalls dialektisch ist, so ist das Aberglaube und Beschränktheit. Es lebt im Menschen immer ein solcher zugleich bequem-lässiger und ängstlich-besorgter Drang zu etwas richtig Festem, das die Dialektik ausschließen kann, aber das ist Feigheit und Betrug gegenüber der Gottheit.²⁹
Die Stelle macht nicht nur deutlich, wie sehr die Dialektik des Unendlich-Negativen, die alles Positive, Beschränkte und „Feste“ negiert, im Zentrum von Kierkegaards Denken steht; sie wirft ebenso Licht auf seine Anknüpfung an Kant. Denn die transzendentale Vernunftkritik richtet sich ja ebenfalls gegen den „bequemen und zugleich ängstlichen Drang“ des Menschen, die radikale Unanschaulichkeit der Vernunftideen zu verderben, indem er sie „sich bald wiederum versinnlicht, d.i. zum Gegenstande der Anschauung machen will“. Diese positivistische Fixierung des Unendlichen und Unbedingten ist aber „Feigheit und Betrug“ gegenüber den Vernunftideen, weil weder Gott noch Freiheit oder Unsterblichkeit zu einem „Festen“ zu positivieren sind, da sie dergestalt zu einem bloßen Aberglauben werden: Sobald ich das Dialektische wegnehme, bin ich abergläubisch und betrüge Gott um das jeden Augenblick nötige anstrengende Erwerben des einmal Erworbenen. Dagegen ist es bei
Kierkegaard 1952, 10 f. Kierkegaard 1957a, 31 Anm.
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weitem bequemer, objektiv und abergläubisch zu sein, und damit großzutun und die Gedankenlosigkeit zu proklamieren.³⁰
Hegels Kritik an Kant lässt sich zu einem großen Teil aus seinem Verdacht herleiten, Kant verderbe die Unendlichkeit der reinen Vernunft, indem er sie als „reine praktische Vernunft“ moralisch fixiere und so dem neuen Aberglauben einer positiven Freiheit des Menschen den Weg bereite. Deshalb zieht Hegel in seiner Wissenschaft der Logik die radikal negativistische Dialektik des Negativ-Unendlichen gleichsam vor die Klammer der gesamten Wirklichkeit, um zu zeigen, „dass es Nichts gibt, nichts im Himmel oder in der Natur oder im Geiste oder wo es sei, was nicht ebenso die Unmittelbarkeit enthält als die Vermittlung“.³¹ Allerdings hat Kierkegaard wiederum Hegel im Verdacht, das radikal dialektische Vermittlungsdenken seiner Logik zu verderben, indem er am Ende die dialektische Bewegung des Begriffs selbst positiviert, weil sie zwar alles relativiert, doch gerade deshalb selbst durch nichts und niemanden relativiert wird. Kierkegaard versucht deshalb, dem Undialektischwerden einer positiv verabsolutierten Dialektik dadurch vorzubeugen, dass er die Dialektik des NegativUnendlichen als einzig angemessene Antwort auf Kants Grundfrage „Was ist der Mensch?“ begreift, in der sich Kant zufolge alle Fragen der Vernunft zusammenfassen lassen.³² Dadurch wird die negativistische Dialektik situiert und die „doppelte Buchführung“ von Logik und Realphilosophie vermieden, da sich Dialektik und menschliche Selbsterfahrung nicht länger wie allgemeines Gesetz und besonderer Fall verhalten, sondern streng identisch sind: Negativistische Dialektik ist menschliche Selbsterfahrung und die Selbsterfahrung des Menschen ist der Negativismus einer radikalen Dialektik des Negativ-Unendlichen. Dadurch wird aber auch umgekehrt jede anthropologische, psychologische, soziale oder moralische Positivierung des Menschseins vermieden, da der Mensch nichts „Festes“ ist. Denn gerade dies erfährt der Mensch, wie Kierkegaard in immer neuen Anläufen zeigt, in der radikal dialektischen Erfahrung seiner selbst.
Kierkegaard 1957a, 31 Anm. TWA 5, 66. Vgl. AA IX 25.
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7 Die klassische Formulierung der Identität von dialektischem Negativismus und menschlicher Selbsterfahrung findet sich bei Kierkegaard in der zu Recht berühmten Eingangspassage der Krankheit zum Tode: Der Mensch ist Geist. Was aber ist Geist? Geist ist das Selbst. Was aber ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das an dem Verhältnis, daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält.³³
Der Sinn der auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehenden Passage wird im Zusammenhang des hier verfolgten Gedankengangs sehr deutlich: Das Wesen des Menschen ist nichts „Festes“, sondern Geist, dessen eigentümliche Dialektik sich des Näheren als das Negativ-Unendliche des Selbstseins bestimmen lässt. Denn das Selbst ist nichts Positives, sondern ein reines Verhältnis, und zwar nicht das Verhältnis selbst (das wäre immer noch zu positiv), sondern die negativ-unendliche Bewegung, dass das Verhältnis sich zu sich selbst als reines Verhältnis verhält. Freilich scheint das Denken hier in eine Sackgasse geraten zu sein. Denn so plausibel es sein mag, dass die Formel vom Selbstsein als einem Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, alle positiven und „festen“ Bestimmungen des Menschen erfolgreich negiert, so unvermeidlich drängt sich doch die Frage auf, was sich bei dieser Formel noch des Näheren denken lasse. Ist sie nicht am Ende völlig leer, ja widersinnig? Ihre Negativität ist zwar als solche verständlich, doch scheint sie nichts zu verstehen zu geben – nicht unähnlich dem unendlichen Urteil „Der Verstand ist kein Tisch“. Hegel griff an diesem heiklen Punkt zu einem „reelleren Beispiel“ (Verbrechen), um den Sinn des Negativ-Unendlichen näher zu erläutern – ein zweischrittiges Verfahren, das Kierkegaard vehement kritisiert. Deshalb führt Kierkegaard keine „Beispiele“ für das menschliche Selbstsein als ein Verhältnis an, das sich zu sich selbst verhält. Stattdessen gelingt es ihm, deutlich zu machen, dass der Mensch in seiner Selbsterfahrung tatsächlich gehaltvolle Erfahrungen des Negativ-Unendlichen machen kann, die Erfahrungen der negativistischen Dialektik selbst sind und keine bloßen Beispiele für sie. In Die Krankheit zum Tode wird die negativistische Selbsterfahrung als Verzweiflung gefasst. Der verzweifelte Mensch erfährt seine eigene Negativität in negativer Weise als Scheitern seines „bequemen Drangs“, sich selbst als etwas Kierkegaard 1957b, 8.
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„Festes“ zu fixieren. Kierkegaards meisterhafte Phänomenologie der einzelnen Gestalten der Verzweiflung sind zu Recht berühmt; es wird aber zu wenig beachtet, dass sich ihr eine Passage aus Hegels Phänomenologie des Geistes zur Seite stellen lässt, die einmal mehr verdeutlicht, wie verwandt beide Denker in ihrem jeweiligen Negativismus sind.³⁴ Denn der Weg der Phänomenologie hat für das natürliche Bewusstsein, so Hegel, eine negative Bedeutung, und ihm gilt das vielmehr für Verlust seiner selbst, was die Realisierung des Begriffs ist; denn es verliert auf diesem Wege seine Wahrheit. Er kann deswegen als der Weg des Zweifels angesehen werden oder eigentlicher als der Weg der Verzweiflung; auf ihm geschieht nämlich nicht das, was unter Zweifeln verstanden zu werden pflegt, ein Rütteln an dieser oder jener vermeinten Wahrheit, auf welches ein gehöriges Wiederverschwinden des Zweifels und eine Rückkehr zu jener Wahrheit erfolgt […] Sondern er ist die bewußte Einsicht in die Unwahrheit des erscheinenden Wissens, dem dasjenige das Reellste ist, was in Wahrheit vielmehr nur der nicht realisierte Begriff ist. [Mit anderen Worten: Er ist der] sich vollbringende Skeptizismus.³⁵
Dieser negativistische Weg des sich vollbringenden Skeptizismus, der nicht in endlicher Weise an dieser und jener positiven Wahrheit zweifelt, sondern am positiven Verständnis der Wahrheit und der Realität als solchem in unendlicher Weise verzweifelt, wird von Kierkegaard nicht nur als dialektische Selbsterfahrung der Verzweiflung, sondern ebenso als dialektische Selbsterfahrung der Angst vergegenwärtigt. Denn auch in der Angst entgleitet dem Menschen nicht nur dieses oder jenes Endliche, sondern ihm entgleitet alles – also auch und vor allem sein eigenes positives Festhalten an einem endlichen Bild seiner selbst.³⁶ Kierkegaards Ausführungen zur negativistischen Dialektik der Angst sind daher besonders erhellend, weil es ihm hier gelingt, nicht nur die negativ-unendliche Erfahrung des vollkommenen Selbstverlustes auszudrücken, sondern ebenso den eigentümlichen Selbstgewinn, der allein im Durchgang durch diesen unendlichen Verlust möglich wird. [Denn man] kann viel von der Endlichkeit lernen, aber nicht, daß man sich ängstige, außer in einem recht mäßigen und verderblichen Sinne. Wer es dagegen in Wahrheit gelernt, sich zu
Eine sehr willkommene Ausnahme hiervon bildet der Text von Arne Grøn im vorliegenden Band: Phenomenology of Despair – Phenomenology of Spirit. TWA 3, 72. Hier wird erneut deutlich, wie der Begriff eines methodischen Negativismus zu verstehen ist. Der methodische Negativismus „rüttelt“ nicht an dieser oder jener vermeinten Positivität, sondern er ist die bewusste Einsicht in die prinzipielle Unwahrheit jeder vereinzelten Positivität. Er ist der Weg des sich vollbringenden Negativismus.
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ängstigen, er wird wie im Tanze schreiten, wenn der Endlichkeit Ängste aufzuspielen beginnen und der Endlichkeit Lehrlinge Verstand verlieren und Mut.³⁷
Dass es sich bei diesem Grundgedanken Kierkegaards nicht um eine erbauliche und harmlose Sentenz handelt, wird daraus ersichtlich, dass aus ihm eine überaus scharfe und kompromisslose Kritik jener vermeintlichen Menschenfreundlichkeit hervorgeht, die das Negativ-Unendliche der menschlichen Selbsterfahrung in Angst und Verzweiflung mäßigen und entdramatisieren will, indem sie den Menschen an die „Wirklichkeit“ und an seine eigene „Endlichkeit“ verweist: [Denn in] der Wirklichkeit ist niemand so tief gesunken, daß er nicht noch tiefer sinken könnte, und daß da nicht einer oder viele sein könnten, die tiefer gesunken wären.Wer aber in der Möglichkeit versank: seinem Blicke schwindelte, sein Auge ward verwirrt, so daß er den Maßstab nicht faßte, den Krethi und Plethi dem Sinkenden reichen als rettenden Strohhalm, sein Ohr ward verschlossen, nicht vernahm, was unter den Zeitgenossen der Marktpreis für Menschen war, nicht vernahm: daß er ebenso gut sei wie die meisten. Er versank schlechthin, aber dann tauchte er wieder auf aus der Tiefe des Abgrundes, leichter als all das Drückende und Entsetzende im Leben.³⁸
Die absolute Würde und der eigentümliche Adel des Menschen sind somit untrennbar mit der nicht fixierbaren Unendlichkeit seines Selbstseins verknüpft, die ihn über jeden vergleichenden „Marktpreis“ erhebt, die er allerdings nur erfährt, wenn er sich durch den negativ-unendlichen Weg der Angst und der Verzweiflung bilden lässt, weil er nur auf diese Weise verlieren kann, woran ihn ein „bequemlässiger und ängstlich-besorgter Drang“ sich klammern lässt. Diesen spezifisch negativistischen Enthusiasmus, den Kant mit dem monotheistischen Bilderverbot in Verbindung bringt, richtet Kierkegaard gegen all jene „Krethi und Plethi“, die den Menschen „retten“ wollen, indem sie ihm die negativistische Leidenschaft des Unanschaulichen nehmen, „wodurch man ihn, als bloß passiv, leichter behandeln kann“.
8 Die hier unternommenen Überlegungen haben die Denkbewegung von Kant über Hegel zu Kierkegaard als die sich selbst aufklärende Radikalisierung eines me-
Kierkegaard 1952, 168. Kierkegaard 1952, 164. Vgl. zu Verhältnis von Unendlichkeit, Angst und Möglichkeit: „Wer durch die Angst gebildet wird, der wird durch die Möglichkeit gebildet, und erst wer durch die Möglichkeit gebildet wird, wird gebildet nach seiner Unendlichkeit“ (Kierkegaard 1952, 162).
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thodischen Negativismus verstanden, der seinen Ausgang von der „Revolution der Denkart“ der transzendentalen Vernunftkritik nimmt. Die innere Unruhe dieser Denkbewegung besteht dabei in der immer neu formulierten Kritik, dass eine bestimmte Gestalt des Negativismus den eigenen Anspruch nicht deutlich und radikal genug durchdenkt und deshalb Gefahr läuft, in positivistischer Weise missverstanden zu werden. Auch Kierkegaard ist – wie die Wirkungsgeschichte seines Denkens zeigt – diesem Missverständnis nicht entgangen. Vielleicht entbehrt es nicht einer gewissen inneren Konsequenz, dass seine besonders reflektierte und nachdrückliche Gestalt des methodischen Negativismus auch das größte positivistische Missverständnis hervorgerufen hat, – ein Missverständnis, das Kierkegaards Denken als „positive“ Analyse der menschlichen Existenz auffasst, bei deren Verständnis man getrost auf jede Form von dialektischer Anstrengung verzichten kann, da ja Kierkegaard ein „Gegner Hegels“ gewesen ist. Gegen eine solche Verharmlosung richtet sich der hier unternommene Versuch, Kierkegaard innerhalb des negativistischen Kontexts der klassischen deutschen Philosophie zu verstehen, in den er sein Denken selbst stellt. Ein wichtiges Merkmal dieses negativistischen Kontexts der klassischen deutschen Philosophie ist nicht zuletzt der Umstand, dass er sich in kritischer Auseinandersetzung mit einem gemeinsamen Gegner konstituiert, dessen Irrtum nicht durch das zu kennzeichnen ist, was er denkt, sondern wie er denkt. Diese neue Aufmerksamkeit auf ein für den Positivismus kennzeichnendes Unverständnis, dessen Fehler nicht so sehr vom Inhalt als vielmehr von der Art und Weise her zu bestimmen ist, wie der Inhalt aufgefasst wird, macht nicht nur eine weitere Gemeinsamkeit Kants, Hegels und Kierkegaards aus, sondern weist zugleich einem angemessenen Verständnis ihrer eigenen Denkanstrengungen den Weg. Hegel formuliert seine Kritik am Unverständnis des Positivismus in sehr deutlichen, ja gereizten Worten. Ihm zufolge muss nämlich auf eine ganz eigene, oft ignorierte und unterschätzte Schwierigkeit aufmerksam gemacht werden, „die Werke der Philosophen zu verstehen“. Denn Verstehen heißt hier „ganz etwas anderes als nur, den grammatischen Sinn der Worte zu fassen“. Deshalb genügt es keineswegs, die positiven Fakten eines philosophischen Textes zu verwalten. Man kann daher eine Kenntnis von Behauptungen, Sätzen, oder wenn man will, von den Meinungen der Philosophen besitzen, sich mit den Gründen und Ausführungen solcher Meinungen viel zu tun gemacht haben, und die Hauptsache kann bei allen diesen Bemühungen gefehlt haben – nämlich das Verstehen der Sätze. Es fehlt daher nicht an bändereichen, wenn man will, gelehrten Geschichten der Philosophie, welchen die Erkenntnis des Stoffes selbst, mit welchem sie sich so viel zu tun gemacht haben, abgeht; die Verfasser solcher Geschichten lassen sich mit Tieren vergleichen, welche alle Töne einer Musik mit
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durchgehört haben, an deren Sinn aber das eine, die Harmonie dieser Töne, nicht gekommen ist.³⁹
Es ist bemerkenswert, dass Hegel hier nicht nur mit der Möglichkeit einer „gelehrten“ Ignoranz rechnet, der die radikale Kritik am Positivismus wesensfremd sein muss, die für sein Verständnis von Philosophie konstitutiv ist, sondern dass er seine Gegenwart bereits durch die Wirklichkeit des Überhandnehmens einer solchen Ignoranz geprägt sieht. Der „gelehrte“ Philosophiehistoriker ist stolz auf seine stetig wachsende Sammlung positiver Kenntnisse, ohne auch nur zu ahnen, dass er auch bei der angestrengtesten Aufmerksamkeit auf sein geschichtliches Wissen nicht dazu gelangen wird, die von ihm antiquarisch verwalteten Werke der Philosophie zu verstehen. Bereits bei Kant findet sich eine verwandte Überlegung. In der transzendentalen Methodenlehre seiner Kritik der reinen Vernunft führt er aus, dass der, „welcher ein System der Philosophie, z. B. das Wolffische, eigentlich gelernt hat, ob er gleich alle Grundsätze, Erklärungen und Beweise zusamt der Einteilung des ganzen Lehrgebäudes im Kopf hätte und alles an den Fingern abzählen könnte, doch keine andere als vollständige historische Erkenntnis der Wolffischen Philosophie“ hat. Denn „er weiß und urteilt nur so viel, als ihm gegeben war. Streitet ihm eine Definition, so weiß er nicht, wo er eine andere hernehmen soll. […] Er hat gut gefaßt und behalten, d.i. gelernt, und ist ein Gipsabdruck von einem lebenden Menschen“.⁴⁰ Auch Kant rechnet also nicht nur mit der Möglichkeit, sondern mit der Wirklichkeit einer positivistischen Ignoranz, der die eigentümliche Lebendigkeit eines philosophischen Gedankens grundsätzlich verschlossen bleiben muss, weil sie ihn fixiert, ihn zu etwas Festem macht: zu einem Gipsabdruck im Museum des toten Wissens. Die prominente Stellung, die Kant diesem Gedanken in seiner „Methodenlehre“ einräumt, lässt zudem darauf schließen, dass er ihn in einen systematischen Zusammenhang mit dem negativistischen Leitgedanken seiner Vernunftkritik stellt. Deshalb kann man seine Kritik auch so formulieren: Der Mensch ist zwar geneigt, hinter dem fixen Buchstaben philosophischer Texte etwas Geistiges, für sich selbst Tätiges und Lebendiges zu erwarten, doch verdirbt er sich diese Erwartung, indem er dieses Unsichtbare sich bald wiederum versinnlicht und zum Gegenstand eines positiven Wissens machen will – und dadurch dem Verständnis der Philosophie „nicht um einen Grad“ näher kommt.
Hegel 1993, 2 f. KrV B 864.
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Vermutlich beruht dieses grundsätzliche Unverständnis der Philosophie auf der irrigen Annahme, dass es bei dem geforderten Verstehen um die Aneignung eines äußeren Wissensangebots gehe. Dagegen hält Hegel fest, „daß es der Philosophie nicht darum zu tun ist“. Denn es soll der Substanz nach nichts Neues in den Menschen gebracht werden; dies wäre ebenso verkehrt, als wenn man in einen Hund Geist hineinbringen wollte dadurch, daß man ihn gedruckte Schriften kauen ließe.Wer seine Brust nicht aus dem Treiben des Endlichen heraus ausgeweitet, in der Sehnsucht, Ahnung oder im Gefühl des Ewigen die Erhebung seiner selbst nicht vollbracht und in den reinen Äther der Seele geschaut hat, der besäße nicht den Stoff, der hier begriffen werden soll.⁴¹
Die angeführten Äußerungen lassen einigen Zweifel am geläufigen Verständnis der klassischen deutschen Philosophie aufkommen, es handele sich hierbei um ein überaus optimistisches Unternehmen, das sich in einem möglicherweise übertriebenen Selbstvertrauen anheischig macht, zu völlig neuen Ufern aufzubrechen. Denn ihr Enthusiasmus der Vernunft und des Geistes ist doch unübersehbar von der dringenden Sorge grundiert, dass die Kritik der Vernunft nötig ist, weil die gelebte Vernunft im Verschwinden begriffen ist, dass die Phänomenologie des Geistes erforderlich ist, weil die lebendige Erfahrung des Geistes sich anschickt, grau und antiquarisch zu werden. Am deutlichsten und nachdrücklichsten hat Kierkegaard diesen dunklen, ja verzweifelten Grund des negativistischen Enthusiasmus der Vernunft und des Geistes ausgesprochen. Ihm war nämlich völlig bewusst, dass seine negativistische Anstrengung, den Menschen als Geist zu verstehen, von einer allgemeinen Geistlosigkeit umzingelt ist, die sich anschickt, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Der Geistlosigkeit ist es dabei eigen, sich selbst mit dem Geist zu verwechseln, weil sie in der Lage ist, alles Geistige zu imitieren. Die Geistlosigkeit kann daher, so Kierkegaard, „ganz und gar das Gleiche sagen, was der reichste Geist gesagt hat“, nur sagt sie es eben nicht kraft des Geistes. Die Geistlosigkeit, der das genuine Verstehen des Geistes gerade fehlt, kann dergestalt „die Wahrheit zu eigen haben, jedoch wohl zu merken nicht als Wahrheit“. Denn eine geistlos wiederholte Wahrheit ist keine Wahrheit: „Als geistlos bestimmt, ist der Mensch eine Sprechmaschine geworden, und es steht dem nichts im Wege, dass er ebenso gut einen philosophischen Schwulst auswendig lernen kann wie ein Glaubensbekenntnis und ein politisches Rezitativ“.⁴²
TWA 16, 13 f. Vgl. Hegel, GW 17, 10 f. Kierkegaard 1952, 96 f.
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Axel Hutter
Für Kierkegaard ist der Umschlag von Geist in Geistlosigkeit gleichbedeutend mit dem Umschlag des radikal negativistischen Christentums in den Positivismus einer neu-heidnischen „Christenheit“. Dabei zögert er nicht, sich im Zweifelsfall für das alte Heidentum und gegen das neue Heidentum der Christenheit zu entscheiden. Denn „das Heidentum ist darin von der Geistlosigkeit unterschieden, dass es in Richtung auf Geist bestimmt ist, diese in Richtung fort von Geist“. Insofern „ist das Heidentum weit vorzuziehen“⁴³. Im Kampf gegen die heraufziehende Geistlosigkeit des Positivismus sind auf Kant, Hegel und Kierkegaard nur wenige gefolgt. Nietzsche ist hier uneingeschränkt zu nennen, Heidegger hingegen bereits mit großen Einschränkungen. Immerhin findet sich in seiner Einführung in die Metaphysik ein treffender Kommentar zu der Rede vom sogenannten „Zusammenbruch des deutschen Idealismus“. Diese Formel ist gleichsam ein Schutzschild, hinter dem sich die schon anbrechende Geistlosigkeit, die Auflösung der geistigen Mächte, die Abwehr alles ursprünglichen Fragens nach Gründen und die Bindung an solche verstecken und decken. Denn nicht der deutsche Idealismus brach zusammen, sondern das Zeitalter war nicht mehr stark genug, um der Größe, Weite und Ursprünglichkeit jener geistigen Welt gewachsen zu bleiben.⁴⁴
Fast 80 Jahre sind seit diesem Kommentar Heideggers und exakt 200 Jahre sind seit der Geburt Kierkegaards vergangen. Und die Gegenwart gefällt sich in der Frage: Was könnten wohl Kant, Hegel oder Kierkegaard für ein so weit fortgeschrittenes Bewusstsein wie das heutige noch bedeuten? Inwiefern lassen sie sich als „Vorläufer“ für den Gipfelpunkt der Gegenwart vereinnahmen? Doch vielleicht ist es höchste Zeit, einmal ganz anders zu fragen: Was bedeuten wir, was bedeutet das gegenwärtige Denken und die heutige Philosophie vor dem Maßstab des methodischen Negativismus, den Kant, Hegel und Kierkegaard auf je eigene Weise dem Denken gesetzt haben?
Kierkegaard 1952, 97. Heidegger 1987, 34 f.
Omri Boehm
Faith, Reason, Disobedience: The Binding of Isaac and the Place of the Biblical Text in Kierkegaard and Kant 1 Introduction Kierkegaard’s Fear and Trembling brings with it a temptation to enter “an absolute relation to the Absolute.”¹ By obeying God’s manifestly illegal order, Abraham, according to Kierkegaard, comes to stand in such an absolute relation. But must an absolute relation to the Absolute be a relation of obedience? Can disobedience perhaps constitute an absolute relation? And can any relation be itself absolute? In this paper I will tackle these questions mostly textually—and not, strictly speaking, philosophically—by interpreting what is arguably the most exemplary obedience story we have: the story of Abraham and Isaac. I will argue that it is not obedience, but disobedience to God, the Absolute, that Abraham exemplifies in the Binding of Isaac (Genesis 22).² Which is to say, Abraham presents us with a model of faith that is opposed to the model Kierkegaard takes for granted in Fear and Trembling: Abraham merits his position as the great founder of monotheism, as the knight of faith, by refusing divine authority. I will establish this argument by a philological, source-critical/literary study of the text. But how does this textual reinterpretation of Genesis 22 influence Kierkegaard’s position? What is its impact on such conceptions as the “teleological suspension of the ethical”? The answer to this second question depends on the answer to another: What is the relation between Fear and Trembling and the authority of the biblical text? Secular, philosophically-inclined readers (like myself) would tend to think that there is no essential relation between Fear and Trembling and the Bible—hence that the book remains unaffected by the model of faith presented by the biblical Abraham. But that tendency has to be resisted. Kierkegaard, I will argue, crucially relies on the authority of the text and, if this is so, in light of Abraham’s disobedience, his position may face grave objections. These objections will bring us back from Kierkegaard to Kant, who argued that Abraham ought to have disobeyed God’s command. We
Kierkegaard 2006, 86. I am thus drawing, and further elaborating, on themes I started to engage with in my The Binding of Isaac: a Religious Model of Disobedience (Boehm 2007).
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will find that there is a striking and surprising harmony between Kant’s Enlightenment-rational position and the Bible’s—a deeper harmony than Kant himself could have imagined. This harmony is most clearly seen when comparing the Bible’s notion of the “fear of God” to Kant’s attempt to reconstruct that notion, to reinterpret the biblical fear of God, in terms of the experience of the sublime.
2 There is no space here to quote the story of the binding, Akedat Itzhak (יצחק )עקדת, in full, but the outline of the narrative is well known. God commands Abraham, “take your son, your only son, Isaac, whom you love, and go to the land of Moriah and offer him as a burnt offering.” (Gen. 22:2) Abraham wakes up early the following morning, gathers his servants, takes his son, saddles the ass, cuts wood for the fire, and starts the journey. After three days, which makes a disproportionately lengthy journey—despite being very brief in the text—, Abraham “lifts up his eyes” and sees “the place which God had shown to him from afar off.” (Gen. 22:4) He continues to walk with Isaac and the servants, and eventually they reach the mountain pointed out by God. Abraham commands his servants to stay behind and wait: “Stay here with the donkey,” he tells them. “The boy and I will go to the mountain to worship, and then we’ll return to you.” (Gen. 22:5). Abraham then puts the wood for the altar’s fire on Isaac and together they begin to climb, when Isaac says, “Father,” and Abraham answers, “here I am, my son.” (Gen. 22:7) “Here is the fire and the wood” for the altar, “but where is the Lamb for the burnt offering?” (Gen. 22:8) Abraham answers, “Elohim Yir’e lo ha’se le’ola, bni [בני ,]אלוהים יראה לו השא לעלה.” (Translation can hardly do justice to this answer: “God will provide to himself”; “see for himself”; “show himself”; or “‘find out for himself the Lamb for the burnt offering”; all are possible translations of the Hebrew, and it is safe to speculate that this is just the effect the author had in mind.) Abraham and Isaac continue to walk, and eventually they reach the place that God had shown Abraham. This is where the last, crucial scene begins—the scene visualized to us by Rembrandt, Caravaggio, and Chagall: [9]Then they came to the place of which God had told him and Abraham built an altar there and placed the wood in order and he bound Isaac his son and laid him on the altar upon the wood; [10]And Abraham stretched out his hand and took the knife to slay his son; [11] But an angel of the Lord called to him from heaven and said “Abraham, Abraham” so he said “Here I am” and he said “Do not lay your hand on the lad or do any harm to him; [12] for now I know that you fear God, since you have not withheld your son, your only son, from me”; [13]And Abraham lifted up his eyes and looked and behold behind him was a
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ram caught in a thicket by its horns and Abraham went, and took the ram, and offered it up for a burnt offering instead of his son; [14]And Abraham called the name of the place Godwill-see, as it is said to this day in the mountain of the Lord it shall be seen [15]Then the angel of the Lord called to Abraham a second time from heaven; [16]And he said “By myself I have sworn, says the Lord, because you have done this thing and have not withheld your son, your only son [17]blessing I will bless you and multiplying I will multiply your descendants as the stars of the heaven and as the sand which is on the seashore; and your descendants shall possess the gate of their enemies; [18]in your seed all the nations of the earth shall be blessed because you have obeyed my voice; [19]and Abraham returned to his young men and they rose and went together to Beersheba; and Abraham dwelt in Beersheba.
On what was a common source-critical interpretation of that story, the text was written by the biblical source E (standing for the Elohist). This is because the story uses quite exclusively Elohim ()אלוהים, God, for the deity, and because it has obvious parallels to other stories that are also characteristically E stories. On that reading, the second angelic speech (vv. 15 – 18), occurring after Abraham sacrificed the ram instead of his son, is a later interpolation into the text. Those verses use Yahweh ()יהוה, the Lord, for the deity, not God (Elohim), and their style and composition is poetic and repetitive—in sharp contrast to the rest of the narrative, which is extremely economic and concise and avoids all poetic language.³ Moreover, if one simply skips those supposedly interpolated verses, the sentences continue to flow coherently, and the grammar and narrative remain undamaged.⁴ This is not an obvious phenomenon, if one takes into account that this text is probably the most concisely formulated narrative in the Hebrew Bible. One important biblical interpreter has referred to this angelic speech as nothing but a “clumsy addition” to what is otherwise a “beautifully written narrative.”⁵ More recently, biblical scholars have observed that the explanation cannot be so simple. Abraham’s obedience, they point out, necessitates some kind of blessing or reward—some positive reaction from God—but Abraham only receives such a blessing in the second angelic speech. Therefore, it is insensible to assume that that speech was simply inserted, interpolated into Genesis 22. What happens in those verses—textually abnormal as they may be—is in fact an indispensible component of the narrative, necessitated by Abraham’s obedience.⁶ What we face, then, is a contradiction—although I will argue that it is
Cf. Wenham 1994. Cf. Wenham 1994. Emerton 1982, 18. Cf. Coats 1973.
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more accurately an antinomy—between two, well-established observations. On the one hand, on literary and philological grounds, it seems that the angelic figure simply doesn’t fit the narrative; it appears to be, as Emerton says, a “clumsy addition.” On the other hand, these verses are necessitated by the content of the story—specifically, by Abraham’s obedience. Facing this ‘contradiction’, Whenham writes, “there may have been a simpler, shorter account of the sacrifice of Isaac, but to identify the original account with verses 1– 14 is too simple, for the author responsible for the second angelic speech must have also left his mark on the original version, so that the limits and the content of earlier versions of the story is elusive.”⁷ Very briefly, I take the following to resolve this antinomy:⁸ Scholars like Emerton and Wenham have overlooked that verses 11– 2—the ones in which the angel makes his appearance for the first time, thereby stopping Abraham at the last moment before he must kill his son—exhibit the same textual abnormalities as the second, ‘interpolated’ angelic speech. Verses 11 and 12 use Yahweh (“Lord”) rather than Elohim (“God”) for the deity; they are quite repetitive in contrast to the rest of the text, which is economical; and if we simply skip those verses, which come at what presents itself as the climax of this concisely formulated narrative, we find that the logic and the style of the text flows undamaged. In fact, I will argue that it improves. Yet the narrative that emerges on this reading turns out to be very different from the one so far known to us—and from the narrative that was known to Kierkegaard: [9]Then they came to the place of which God had told him and Abraham built an altar there and placed the wood in order and he bound Isaac his son and laid him on the altar upon the wood; [10]And Abraham stretched out his hand and took the knife to slay his son; [13] But Abraham lifted up his eyes and looked and behold behind him was a ram caught in a thicket by its horns and Abraham went, and took the ram, and offered it up for a burnt offering instead of his son. …ויבן האלוהים לו אמר אשר המקום אל ויבואו העצים ממעל המזבח על אותו וישם בנו יצחק את ויעקוד העצים את ויערוך המזבח את אברהם שם. וישלח נאחז אחר איל והנה וירא עיניו את אברהם וישא … בנו את לשחוט המאכלת את ויקח ידו את אברהם בנו תחת לעלה ויעלהו האיל את ויקח אברהם וילך בקרניו בסבך.שבע בבאר אברהם וישב.
It would seem that in the original narrative, Abraham sacrifices the ram instead of his son of his own volition, without any angelic intervention. A later redactor then added the figure of the angel of Yahweh, shifting responsibility for halting
Wenham 1994. For a detailed discussion, see Boehm 2007.
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the test from Abraham to the angel. The story thus became a story of great obedience, not of disobedience. (The angel, note, emphasizes this point, interpreting for us readers the fact that obedience is what this story is about; we are by now accustomed to taking this for granted, but there would have been no reason for us to do so if not for the angel.) Given this new meaning, in the story Abraham must indeed be rewarded for his obedience—a reward he receives in the interpolated second angelic speech. We can, therefore, not only resolve the antinomy in the scholarly literature, but can understand its source. The second angel of Yahweh is “clumsy interpolation” to the text at the same time that it is a necessary component of the story—necessary as a result of Abraham’s obedience, which was in the first place manufactured by the interpolation of the angel of Yahweh. With this in mind, let me make two more observations. The first still concerns the text itself. The binding is famously formulated along a fast and laconic stream of verbs, connected to each other by vav-ha’hibur (החיבור-)ו, which stands in biblical Hebrew for both “and” and “but”. The author uses this laconic sequence of verbs to create the tension of the story.⁹ “And they came, and Abraham built, and he placed the wood, and bound Isaac, and Abraham stretched forth his hand.” (Gen. 22:9 – 10) At this point the angel interrupts the laconic sequence, using long sentences and poetic language—and, to be sure, at first look this could seem only natural. Here indeed is the climax of the story: it seems quite normal that the angel interrupts the accelerating stream of verbs because the tension need not rise at this point but must be resolved—and indeed the angel resolves the tension by saving Isaac. However, note how the narrative picks up after the angelic figure had finished its intervention: the stream of action verbs continues to flow. In fact, the sequence of verbs accelerates, and with it the drama. “And Abraham lifted up, and looked and behold, and Abraham went, and took, and sacrificed.” There are five more action verbs here, which is, in fact, relatively more than in the stream of verbs preceding the angelic intervention. We find here, among others, a clause with the verb va’isa et eynav ()וישא את עיניו, “and he lifted up his eyes,” which in the Bible often describes a protagonist experiencing a turning point. We also find the word ve’hine (—)והנהliterally “and here” or “and now”, but actually signifying much abruptness (it could almost be translated as “suddenly”). This is awkward. Was not the tension of the narrative already resolved by the intervention of the angel? If at that point Isaac has already been saved, why does the tension not only fail to wane in what follows but actually wax? Indeed, it appears that in the original narrative the tension had not yet been broken. The verbs accelerate one after
For a study of the literary devices of Genesis 22, compare Auerbach 1968.
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the other up to verse 10: “and they came to the place which God had told him, and Abraham built an altar there, and placed the wood in order, and bound Isaac his son and laid him on the altar upon the wood.” This tension still hangs in the air of verse 13: “but Abraham lifted up his eyes, and looked, and behold behind him was a ram;” only then does the tension break, collapsing when Abraham independently saves his son: “and Abraham went, and took the ram and offered it up as a burnt offering instead of his son.” Another question, this time external to the narrative unity of Genesis 22. Is it reasonable to assume that Abraham, the father of monotheism, would disobey a direct divine command? Asked differently: Is it reasonable to assume that the Bible, a religious text thousands of years old, presents a theological conception that is, from our perspective at least, so progressive about man’s relation to God? Is it reasonable to assume that Abraham’s religious model, communicated already back then, put forward ideas that the west would then require thousands of years—years of philosophical critique—to regain? (It is only with the Enlightenment that western culture started to challenge divine authority, to toy with the idea that Abraham perhaps should have disobeyed the command. Kant, I will show in §4, was the first to raise this claim.) The answer to these questions is affirmative. To see how unequivocal this answer is, consider the story of Sodom and Gomorra in Genesis 18 (and thus no more than fifteen minutes of reading before the binding of Isaac in Genesis 22). God tells Abraham of his intention to destroy the sinning city of Sodom, and Abraham reacts immediately. He steps forward—the word is va’igash ()ויגש, which means to approach quite aggressively, even with a threat—and says: Will you also destroy the righteous with the wicked? . . . Far be it from you to do such a thing as this, to slay the righteous with the wicked, so that the righteous should be as wicked; far be it from you. Shall not the judge of all the earth do what is just? (Gen. 18:23 – 5)
Teleological suspension of the ethical is as far from Abraham as East is far from West—Abraham opposes just this notion, persuading God, forcing him to obey what is, for Abraham, unshakable justice. The question whether it is reasonable to think that Abraham may disobey an immoral divine command is not a good question, then. We should pose the question the other way around: Was it ever reasonable to think that the same Abraham of Sodom would silently bind his son on the altar? Are we to suppose that the biblical author who composed Abraham’s polemical speech with God then composed a story in which Abraham
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blindly obeys?¹⁰ The biblical model of faith, created by the father of monotheism, is a model of disobedience. Man on that model is committed to the absolute precisely by demanding justice—from God, from the world, from history—not by blindly obeying.¹¹ If this reinterpretation is correct, some immediate questions arise. Let me mention here only one, which already brings us much nearer to Kierkegaard and Kant. The crucifixion of Jesus is supposed to be prefigured in the binding of Isaac: as Abraham was willing to sacrifice his only beloved son, Isaac, so does God, the father, actually sacrifice his only beloved son—Jesus of Natzheret—for the redemption of the world. Irenaeus writes: Righteously also do we, possessing the same faith as Abraham and taking up the cross as Isaac did the wood, follow Him… For in Abraham man had learned beforehand and had been accustomed to follow the word of God. For Abraham, according to his faith, followed the command of the Word of God, and with a ready mind delivered up, as a sacrifice to God, his only begotten and beloved son, in order that God also might be pleased to offer up for all his seed His own beloved and only begotten Son, as a sacrifice for our redemption.¹²
What are we to make of this tradition? I will not comment on this question here,¹³ but the crucifixion, and especially Kant’s relation to it, will become relevant as we move along.
3 I want to move to the next question. How is Kierkegaard’s position in Fear and Trembling affected by the reinterpretation of Genesis 22 that I just developed? One way to think of this problem is to recall the epigraph to Fear and Trembling: “What Tarquin the Proud communicated in his garden with the beheaded poppies was understood by the son but not by the messenger.” The point of the epigraph seems to be: The genuine meaning of Fear and Trembling, the true mes-
To be sure, there are numerous scholarly and rabbinical explanations attempting to show how Abraham’s speech in Sodom can be rendered compatible with his (alleged) obedience in the binding. It is outside the scope of this paper to address these solutions here, the point being precisely that that the contradiction needs to be explained. I may add that the story of Job, which in many ways is constructed as a reflection-story of Abraham’s narrative, conveys a very similar theological message. See chap. 8 in Boehm 2007. Irenaeus 1903, 467. For a comprehensive treatment of the connection between the binding and the crucifixion (not in connection of Abraham’s disobedience, of course), see Levenson 1993.
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sage in some sense, is not on the surface of the text; it is concealed—available only to those who can discern the meaning of the book between its lines. But then one must ask, does not Kierkegaard in fact overlook the genuine message of Genesis 22? (I believe that this is what an interpreter such as Maimonides would have thought, for example.)¹⁴ On the other hand, one might suggest that there’s no problem for Kierkegaard at all. As I have said, this approach is tempting, and indeed commonsensical, for secular, philosophically inclined readers of Kierkegaard. We can—some would think we must—completely divorce the Abraham of Fear and Trembling from the Abraham of Genesis 22. On this view, Kierkegaard has his ideas about the “teleological suspension of the ethical,” the “two movements of faith” and so forth, and he uses the binding only rhetorically, or pedagogically, as an example, in order to communicate them. A philosophical position does not lose its ground if the example that illustrates it loses its effectiveness. In short, Kierkegaard could rely just as much on a merely fictional Abraham, of his own invention and imagination, who is similar but not identical to the biblical Abraham (call this Kierkegaardian fiction Abraham*); he could have used a completely different fictional example; or he could have used no example at all. I think that this approach is misguided. The dependence relation between Fear and Trembling and the biblical text, Genesis 22, is more intimate, and more interesting than this approach allows. For one thing, Kierkegaard himself is a religious thinker, a Christian, who obviously thinks of the authority of the text very differently from the way in which we—or I—think of it. This point would survive, in my opinion, the obvious (and to a certain extent justified) objection that it is not Kierkegaard, but his pseudonym Johannes de Silentio, who is the direct author of the book. (Johannes need not be as religiously committed as Kierkegaard is—in fact, his remarks sometimes suggest that he is not; one example follows below.) But let me address this issue from a different perspective, one that hopefully better illuminates the reliance of Fear and Trembling on the Bible’s authority. I want to suggest that Johannes’ own position, immanent to
Maimonides’ famously introduces a distinction between an exoteric level of meaning, and an esoteric one. Whereas the former is the plain meaning of the text and available on first reading, it does not contain the true doctrines of the Bible; those are contained only to those individuals capable of reading ‘between the lines’. Elsewhere I argue that according to Maimonides’ esoteric interpretation of the binding (Maimonides, Guide of the Perplexed, III: 24), the key to the true meaning of the story (the true prophecy, as he puts it) consists in Abraham’s disobedience rather than obedience. The key hermeneutical tool Maimonides’ uses to discern this meaning is the distinction between the appearance of God and that of an angel of Yahweh.
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the argument of Fear and Trembling, is what commits him to the biblical Abraham—to the text of Genesis 22. To make that point, let me say something more general about the role of examples philosophy. Their role is sometimes rhetorical or pedagogical, but often it may turn out that they are more essential than that—that they are intrinsic to the philosophical position they exemplify. For instance, an example in philosophy can be used to establish a counterfactual possibility, in which case it functions as a thought experiment. Thus, conceiving of a possible state of affairs—one that need not be actual—can serve to show that a certain philosophical position is false by naming an imaginary example that contradicts it. One can think here of the famous Gettier Problem. Before Gettier it was customary in the analytic tradition to define knowledge in terms of having a justified true belief. Gettier came up with an imaginary state of affairs, a conceivable example, in which someone, Smith, has a justified true belief that p but cannot be said to know that p. ¹⁵ Whether Smith ever existed, whether he was called John and not Smith, and whether the imagined state of affairs is likely to ever happen is irrelevant to the force of his argument. On the assumption that conceivability entails possibility—a dubious assumption in its own right, which I will not address here —the fictional Smith exemplifies a possible state of affairs that proves a certain philosophical position (namely, that having a justified true belief may not be sufficient for knowledge). The question is whether a merely fictional Abraham, Abraham*, can serve Kierkegaard in a similar way.¹⁶ A different way in which an example can sustain a philosophical position can be seen in transcendental arguments—i. e., arguments inquiring into the necessary conditions of the possibility of some factum. A classic instance of this is, of course, Kant’s Critique of Pure Reason, which is at least partly defined by the question, “How are synthetic a-priori judgments possible?” (B 20)¹⁷ It makes no sense to elaborate on this question unless we take synthetic a priori judgment to
Cf. Gettier 1963. I’m using here ‘merely fictional’ Abraham in order to leave room to the possibility that also the Biblical Abraham is a fictional character—but not merely fictional. It is possible (in my opinion very likely) that the biblical Abraham never actually existed, and that he never actually spoke with God. Nevertheless, that fictional Abraham is not merely fictional in the sense that we can truly predicate of it some extremely meaningful properties that we could not predicate of a merely fictional Abraham*. The most important of these properties is probably “father of monotheism.” This can be truly predicated of the biblical Abraham even if he never existed, and it cannot be predicated of Abraham*. All quotations from Kant’s works are from the Akademie Ausgabe. The first Critique is cited by the standard A/B edition pagination, and other works by siglum AA vol:page. All translations of the first Critique follow Norman Kemp Smith’s translation (cf. Kant 1965).
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be possible, and we know that they are, at least according to Kant, in virtue of (actual) examples of such judgments (cf. B 21). As is well known, Kant begins the Critique by arguing that mathematics and physics provide examples of synthetic a priori judgments. If mathematics were proven to be analytic rather than synthetic, and if physics were proven to be a posteriori, the transcendental enterprise of the Critique of Pure Reason would be subverted. In this case, an example cannot be merely fictional—the philosophical position crucially depends on the example’s reality. How does Fear and Trembling relate to Genesis 22? Is it a merely pedagogical example? Could Kierkegaard rely on a merely fictional Abraham? Or does his position require something more than that? The key to answering that question is Kierkegaard’s (or Johannes’) insistence that he cannot understand Abraham, his insistence that what Abraham achieves in the binding is completely inconceivable to him: “I can learn nothing from [Abraham] except to be amazed.”¹⁸ “The observer cannot understand him at all, neither rest his eye with confidence upon him.”¹⁹ The point is that all understanding—all conceiving—takes place in the universal—through concepts—and Abraham has exceeded conceptual understanding. It follows from this that Kierkegaard cannot be using Genesis 22 as a pedagogical example, or as a thought experiment in which fictional conceivability indicates some possibility, because in both cases we’d have to assume that the example only makes vivid some possibility of which Kierkegaard had conceived. His reliance on Genesis 22 is therefore more similar—only more similar—to how transcendental arguments rely on examples. Kierkegaard is referring to Genesis 22 as a factum that has to be dealt with—an anchor of his position—and moves up from this factum, which he cannot understand, to state what are the conditions that enable us, somehow, to deal with it (of course: not quite to understand it). Consider the following passage from the conclusion of Problem I: Either Abraham was every minute a murderer, or we are confronted by a paradox which is higher than all comprehension. The story of Abraham, therefore, contains a teleological suspension of the ethical. As the individual he became higher than the universal. This is the paradox which does not permit of comprehension. It is just as inexplicable how he got into it as it is inexplicable how he remained in it. If such is not the position of Abraham, then he is not even a tragic hero but a murderer. To want to continue to call him the father of faith – is thoughtless.²⁰
Kierkegaard 2006, 31. Kierkegaard 2006, 53. Kierkegaard 2006, 58.
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Kierkegaard cannot claim to know or to have shown that Abraham exceeded the universal. His method is rather to give us an either/or alternative: Either we affirm the paradox, or Abraham is just a murderer. Only by posing that either/or can he tempt us to embrace the paradox. He cannot refer here to some fictional Abraham* and declare: Either Abraham* is a Knight of Faith—either you embrace the inconceivable paradox—or faith is based on nothing but murder. He cannot do this, first because it would be rhetorically ineffective—Kierkegaard’s wonderful pathos would become pathetic—and second, because then he would be obviously wrong. By contrast to the biblical Abraham (regardless of the question whether he ever existed or not), Abraham* is not the father of the monotheistic faith. Therefore, even if Abraham* is a murderer, faith still isn’t based on murder. But then, in light of Abraham’s model of faith—his disobedience in Sodom and in the binding—Kierkegaard’s position remains intact more or less as Kant’s position would remain intact if mathematics were proven analytic. Kierkegaard writes in the prelude to Fear and Trembling that Johannes is not “a learned exegete;” he did not “know Hebrew.” Had he known Hebrew, he writes, perhaps he “would easily have understood the story and Abraham.”²¹ No doubt, this is very ironic. But the irony seems to have turned back against its author. To be sure, it is not clear (though it seems to be clear to Kierkegaard) that a disobedient Abraham will be more comprehensible to us than an obedient one. How obvious is it that the correct, that the ethical thing for Abraham to do would be to disobey a direct divine command? Modern readers certainly tend to make this assumption, but it is too fast, and overlooks the true force of the story. Modern readers, I believe, tend to be certain of what Abraham ought to have done because they actually doubt that God could have ever commanded him to kill his son. To be sure, the (conscious or not) assumption is not that God is necessarily good; it is rather that God doesn’t truly exist, or that if he exists, he doesn’t speak to people. On that assumption, it is all too obvious what Abraham ought to have done. In order to understand the force of the story, however, we must cling to the thought (a) that Abraham is facing a direct divine command; and (b) that he cannot trust that this command is moral (recall Sodom). Once we allow ourselves to take (a) seriously, even if just for the sake of understanding this story, it becomes unclear that disobedience would have been much more ethical than obedience. (To doubt that it is more ethical, think of the standard reasons: God’s knowledge is superior, and he may not be sharing it with me; I have reasons to think that God is good, and so forth.) Now this does not render it obvious
Kierkegaard 2006, 8.
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that I ought to obey—that obedience is the ethical choice; what it does is render it far from obvious that disobeying is the ethical thing to do. At the same time, taking (b) seriously renders it far from obvious that obeying God is the ethical thing to do. The force of the story ought not be mitigated, as it is mitigated by the assumption (made by modern readers and by Kierkegaard) that there is an ethical choice for Abraham to make. Such a choice is unavailable to Abraham, and it is by this fact that its true force is sustained.
4 It is perhaps not surprising that Kant was the first author in the history of the west to condemn the story as he knew it—to condemn Abraham’s obedience. This condemnation expressed a genuine Copernican revolution, not in the realm of theoretical philosophy but in the realm of the practical and the religious. Kant’s objection to Abraham is a direct result of his insistence that we stop basing morality on faith—and turn to basing faith on morality. More than anything, the position Kant takes about the binding contradicts his image as a proponent of obedience—an image that is certainly due to his insistence on the absolute force of duty; as well as to such essays as On a Supposed Right to Lie. It is remarkable, then, that this “philosopher of obedience” was in fact the first thinker in the history of the west to refer to the greatest symbol of obedience and to object to it. Kant’s interpretation of the binding turns on the claim that we cannot confidently verify a divine revelation as such, because any command that appears to be divine would overwhelm our senses, completely defy our experience (thus, it must provoke skepticism; it may or may not be truly God’s; we cannot know). This epistemological concern also severely affects the moral question. Should Abraham obey the command to kill his son even though he must remain ambivalent as to its source? Sartre reflects the dilemma in the lecture Existentialism is Humanism. Anyone in Abraham’s position, he contends, must wonder whether it was truly the deity that demanded the sacrifice: “If I hear voices, who can prove that they proceed from heaven and not from hell, or from my own subconsciousness or some pathological condition? Who can prove that they are really addressed to me?” “Where are the Proofs?”²² A similar worry is encountered in a Jewish Midrash, putting some highly rational and moral questions in the words of Satan, who, according to this Midrash, met Abraham on his long way
Sartre (1956).
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to the Moriah: “What has happened to you old man, have you gone crazy? …How do you know that it was God? Maybe tomorrow he will change his mind and call you a murderer.”²³ Yet Kant goes further than Sartre, and further also than Satan. He argues that there is, in fact, a type of heavenly revelation whose source we can verify with certainty, as our reason at least has “a negative criterion at its disposal.” “If something is represented as commanded by God in direct manifestation of him, yet is directly in conflict with morality, it cannot be a divine miracle [divine revelation] despite every appearance of being one.”²⁴ Any command that contradicts the moral law thus negatively discloses its source: it cannot be divine. This appears in Religion, within Kant’s general discussion of divine revelation, but Kant then brings an example in parenthesis: “for example, if a father were ordered to kill his son who, so far as he knows, is totally innocent.”²⁵ In the Conflict of the Faculties Kant then repeats this point much more explicitly: If God should really speak to a man, man could still never know that it was God speaking. It is quite impossible for man to apprehend the infinite by his senses, distinguishing it from sensible beings, and recognize it as such. But in some cases man can be sure the voice he hears is not God’s; for if the voice commands him to do something contrary to a moral law, then no matter how majestic the apparition may be, and no matter how it may seem to surpass the whole of nature, he must consider it an illusion.²⁶
Note Kant’s claim that it is “impossible for man to apprehend the infinite by the senses,” as well as how he speaks of the divine appearance “surpassing” even the “whole of nature.” This suggests a connection between Kant’s position here and his understanding of the notion of the sublime. I will return to this shortly. In a footnote to this comment Kant adds: We can use, as an example, the myth of the sacrifice that Abraham was going to make by butchering and burning his only son at God’s command (the poor child, without knowing it, even brought the wood for the fire). Abraham should have replied to this supposedly divine voice: “That I ought not to kill my good son is quite certain. But that you, this apparition, are God—of that I am not certain, and never can be, not even if this voice rings down to me from (visible) heaven.”²⁷
Genesis Rabbah. 56:4. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, AA 6:87. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, AA 6:87. Der Streit der Fakultäten, AA 7:102 f. Der Streit der Fakultäten, AA 7:102 f. It is controversial, but I think likely, that Kierkegaard had this passage in mind when writing Fear and Trembling. At least one further support of this I will
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In these words, Kant quite literally deconstructs the theology of the crucifixion, which, as we saw, draws on the binding. That this is a conscious intention of his becomes clear from a comment he adds in brackets in the passage just quoted above: “the poor child even brought the wood for the fire.” This recalls a famous affinity between Isaac and the prefigured Jesus, who had to carry his own cross.²⁸ And, to be sure, Kant then explicitly points out that Abraham’s offering functions “as a symbol of the world-saviour’s own sacrifice.”²⁹ The comparison to the crucifixion is crucial here because Kant is concerned in these texts with the problem of sin and radical evil, and with the question how we can understand our redemption from them. The story of the crucifixion is for him the platform of the idea of redemption, but he vigorously opposes its content—not so much the metaphysical miracle that is involved in the appearance of a son of God, but the idea that a person represented as divine can serve as an example for us; and the idea that another person’s sacrifice can redeem us from our own sin. For Kant, another person’s sacrifice cannot redeem us from our moral worthlessness; only our own moral integrity can do that. We have to work out our own redemption from sin, Kant writes, “with fear and trembling [Furcht und Zittern].”³⁰ How, then, can we establish some hope for moral worthiness despite our moral (and not only moral) fragility, as finite creatures? By way of beginning to answer that question, let me discuss the notion of fear, which is so intimately connected to obedience. Abraham is one of the only two people in the Bible who are called “God fearing” (( )ירא אלוהיםthe other person, importantly, is Job). Kant aspires to reinterpret the notion of the “fear of God” in terms of an experience much more suited to his rationalist Enlightenment ideals, the experience of the sublime. In the Lectures on Ethics Kant writes, “it is possible to fear God with-
mention below, though it is not my intension to argue here for Kant’s influence on Kierkegaard. For a comprehensive discussion, see Green 1992. Cf. Irenaeus 1903: “Righteously also do we, possessing the same faith as Abraham and taking up the cross as Isaac did the wood…” In Middrash Rabbah the same similarity is stressed: commenting on Genesis 22:6 (in which Abraham puts the wood for the burnt offering on Isaac), the sages writes, “like the one who has to carry his cross on his shoulder.” Der Streit der Fakultäten, AA 7:108. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, AA 6:68. This is of course a quote from Philippians, but it seems hardly a coincidence that it appears both here—where Kant also discusses the binding—and as Kierkegaard’s title, Fear and Trembling. What it would take to establish this comparison is to discuss the problem of moral worthlessness and redemption from sin in Fear and Trembling. Indeed on the surface this is an important concern of Kierkegaard, but not in Fear and Trembling. I find on this point Green’s The Hidden Debt quite helpful (cf. Green 1992, 183 – 223).
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out being afraid of him”; this is a repetition of what he says of the sublime in the third Critique: “we can consider an object as fearful without being afraid of it.” “A virtuous person fears God without being afraid of him.”³¹ Fearful, violent objects that defy sensual apprehension might reveal, thereby, our impotence as physical, needy creatures, yet nevertheless enhance our consciousness that there is within us—as morally legislating agents—a power that is stronger than any indefinite natural-physical force. (One need not think of natural forces plain and simple. One could think of personal or political situations just as much—situations that confront the individual by threatening external circumstances that, in principle, need not destroy her moral worth. In such a situation the individual may well feel not merely fear of the external powers but also an elevating feeling, the sublime, of her inner-indestructible power.) I take it that the Abraham that Kant would have liked to see disobeying would have experienced this rational fear of God—the sublime rather than fear—when opposing the divine voice “ringing from heaven,” commanding the sacrifice of the beloved son. For it is in virtue of his personal freedom, embedded in his power as moral agent, that Abraham, a finite human being, could find the power to disobey what presents itself as an absolute command. By the power of this experience he finds the strength to disobey, and by disobeying, or by giving an example of disobedience, he exemplifies this inner power—an example of a morally worthy human being. For Kant, I believe, looking up to such an example, rather than to that of an obedient Abraham—and rather than to the crucifixion as we know it—should give us hope for overcoming our moral worthlessness. As I mentioned before, Kant is saying that even if the command of sacrifice presents itself as Absolute (though of course it is not), even if the voice would “ring down from heaven” as a phenomenon exceeding “the whole of nature,” Abraham should have had within him the power to resist the command. It is important that Kant’s Enlightenment thinking here, aiming to replace a long religious tradition of fear by the sublime, is actually in striking harmony with the biblical text itself—and not merely because Abraham, as I argued, disobeyed. The harmony is textual. The translation of the clause “God fearing” is, in fact, inaccurate. Hebrew has another word for fear, pahad ()פחד, but Abraham (or Job) is not referred to by that word. Abraham (and Job) is referred to as yare elohim ()ירא אלוהים. The word yare ( )יראis difficult to translate. It is similar but not identical to fear, just as the sublime, or angst, are similar but not identical to fear. The word brings two crucial associations with it—first, that of seeing ( )ראהand, second, of law, or command (thus Torah comes from the same root as
Kritik der Urtheilskraft, AA 5:260
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yare). Thus, when Kant alludes to the sublime when he writes that “it is possible to fear God without being afraid of him,” he’s drawing on a distinction that is already very much at work in the biblical text. The full quote is: “It is possible to fear God without being afraid of Him. We are afraid of God when we have transgressed and feel guilty, but we fear him when we are so disposed to conduct ourselves that we can stand before him.” The harmony between this conception and Abraham’s ‘fear’ of God—yirat elohim—is striking. As we have seen, it is Abraham who comes forward to God in the story of Sodom and says, “I who am only dust and ashes take upon myself to speak to the Lord… Will you also destroy the righteous with the wicked? Far be it from you to do such a thing… far be it from you. Shall not the judge of all the earth do what is just?” This is the same Abraham who, in the binding of Isaac, “lifts up his eyes and looks and behold [va’year; ]ויראbehind him was a ram, caught in a thicket by its horns. And Abraham went, and took the ram, and offered it up as a burnt offering instead of his son.” Not obedience, but disobedience; not fear or trembling, but the sublime. Unlike Kierkegaard, Kant does not need the biblical text as an authority for his philosophical position. He believes, as is well known, that reason alone is sufficient to decide on matters of ethics and religion (though this does not mean that knowledge alone is sufficient, for there can and must be, according to Kant, also rational faith, irreducible to knowledge). For that reason he thinks that if the teachings of the Bible are true—those are strong words, and very untimely—then the Bible’s stories must convey the same moral-rational doctrines that we reach by a priori practical thought. Kant opens Religion within the Boundaries of Reason Alone by announcing an experiment testing the truth of the Bible: one can analyze a narrative of “historical revelation,” abstract its essential teaching from it, and see “if they do not lead back to the pure rational system of religion.” If they do, Kant writes, one “might say that between reason and Scripture there is not only compatibility but also unity, so that whoever follows the one (under the guidance of moral concepts) will not fail to come across the other as well.”³² Kant’s position here is hard for modern readers to digest. The Bible might convey religious truths—in this sense, it might be, for Kant, a work of revelation. Put even more disturbingly, he has room for regarding the Bible as a product of prophecy.³³ How irrelevant do secular modern readers take this view to be? When
Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, AA 6:12 f. Elsewhere I argue that Kant’s account of genius in the third Critique defends, in fact, the possibility of prophecy. It redeems the possibility that the faculty of the imagination may serve to
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such status is ascribed to the Bible, modern readers often feel offended; but note that many feel less bewildered when Nietzsche finds similar authority in Greek tragedy (or when Heidegger finds such authority in Hölderlin). Of course, the question whether modernity has room for treating cultural products (products of genius, perhaps) as in some sense prophetic will have to be left here open. Kant must have thought that Genesis 22 presents an instance in which the “experiment” he had announced fails; one instance that gives reason to reject the Bible as a source of ethical truth. He must have thought that in the story of the binding reason and scripture come to a clash: Abraham ought to have disobeyed. But exactly by putting forward this argument, and by interpreting the biblical “fear of God” in terms of the sublime, Kant managed to do much justice to the meaning of the biblical text itself—more justice than he could have imagined.
cognize ethical-religious truths. In this sense, Kant is answering Spinoza’s critique of the imagination and of prophecy.
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Glaube, Offenbarung, Existenz: Die Fortführung der Jacobischen Vernunftkritik bei Schelling und Kierkegaard 1 Die vielfältige Wirkung von Jacobis Kritik einer rationalen Philosophie Nicht ganz ohne Wahrheit ist die übliche Einstufung von Kierkegaard als Parteigänger des „revolutionären Bruchs im Denken des 19. Jahrhunderts“ (Löwith 1964) bzw. als Gründer der Existenzphilosophie, teilt er doch viele Überzeugungen und Motive der linkshegelianischen Bewegung so wie er auch im Grundsätzlichen das Existenzdenken des 20. Jahrhunderts vorbereitet hat. Dennoch unterscheidet sich Kierkegaards Denken grundsätzlich vom materialistischen Ansatz eines Feuerbach oder Marx und entspricht überdies auf keinerlei Weise dem radikalen Antiessentialismus und konsequenten Immanenzdenken, das den Existentialismus des frühen Heidegger sowie Sartres prägt. Damit soll nicht behauptet sein, das Denken Kierkegaards sei etwas schlechthin Außergewöhnliches, eine Ausnahme, die sich jeder Verortung verweigert. Kierkegaard gehört zu einer ganz eigenartigen Tradition innerhalb der modernen Vernunftkritik, die außer Kierkegaards Denken auch die Spätphilosophie Schellings umfasst und auf das Denken Friedrich Jacobis zurückgeht, insofern Jacobi, bei aller Differenz, sowohl das Denken Kierkegaards wie auch die Spätphilosophie Schellings im Wesentlichen vorbereitet hat. Es ist wohlbekannt, dass Jacobi einen fast unermesslichen Einfluss auf die Entstehung und Formierung des deutschen Idealismus ausgeübt hat. Dieser Einfluss bezieht sich aber nicht nur auf die ersten Entwicklungen der nachkantischen Philosophie, sondern bleibt auch in den Endphasen des deutschen Idealismus virulent und lebendig. Unter veränderten Bedingungen bleibt Jacobis Vernunftkritik und seine Vision einer neuen Denkungsart, die ihren Ausgang und ihr Ziel im bewussten Leben hat, bei aller Kritik und Abstandnahme sowohl für Kierkegaard wie auch für den späten Schelling ein Vorbild. Ehe wir uns dieser These genauer zuwenden, soll nun aber zunächst ein kurzer Überblick über die wesentlichsten Einflüsse, die Jacobis Denken in der Formierungsphase der nachkantischen Philosophie ausgeübt hat, gegeben werden. Diese Einflüsse lassen sich in drei Punkten zusammenfassen. Erstens: Die Kantkritik Jacobis. Wenn auch nicht allein, so hat die Kantkritik Jacobis doch in ganz entschiedener Weise die erste Überschreitung der kantischen
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Grenzlinie, nämlich die von Fichte unternommene, bewogen. Vielleicht wäre der Übergang vom transzendentalen Idealismus zum absoluten Idealismus auch von sich aus erfolgt; in jedem Fall hat Jacobis Aufweis eines inneren Widerspruchs im Denken Kants den Prozess jedoch beschleunigt. Zweitens: Die Spinozarezeption. In allen philosophischen Entwürfen der nachkantischen Generation spielt die Philosophie Spinozas eine nahezu konstitutive Rolle. Dies ist offenkundig bei Schelling und Hegel der Fall, gilt aber auch für Fichte, wenn auch in etwas indirekter Gestalt. Dabei geht es bei allen Idealisten um diejenige Rekonstruktion Spinozas, die in Jacobis Spinozabuch zu lesen war. Ohne diese Rekonstruktion wäre Spinoza wohl kaum zum Leitstern der Idealisten avanciert. Diese Rekonstruktion ist aber nur ein, wenn auch wichtiger, Teil dieses einflussreichen Buches. Daneben enthält es eine verheerende Kritik des allesumfassenden, in sich lückenlos geschlossenen, rein rationalen Systems Spinozas, das radikaler Zeitvergessenheit und prinzipieller Ausschließung von Freiheit angeklagt wird − Stichwort „Determinismus“ und „Fatalismus“. Schließlich enthält Jacobis Spinozabuch, wenn auch nur in Ansätzen, ein Programm für eine zukünftige Philosophie, eine Philosophie des Nichtwissens, die im unmittelbaren Wirklichkeitsbewussten ihren Ausgang nimmt − Stichwort, „Glaube“ und „Gefühl“. So widerstandslos die Spinozakritik von den jungen nachkantischen Philosophen adoptiert wird, so definitiv ist ihre Ablehnung der jacobischen Alternative, die als bloßer Irrationalismus und als philosophische Regression diskreditiert wird. Damit ist sowohl das Programm als auch das Grundproblem der nachkantischen Philosophie umschrieben: Bei vollständiger Ablehnung einer Philosophie der Unmittelbarkeit und gleichzeitiger Aufdeckung eklatanter Freiheitsdefizite im demonstrativen Vernunftsystem spinozistischer Provenienz geht es allen Idealisten um mehr als nur eine Versöhnung von Freiheit und Vernunft beziehungsweise von Freiheit und System.Vielmehr wird ausdrücklich behauptet, dass Freiheit nur in einem System des Wissens ihre Wirklichkeit gewinnt. Weitgehend lassen sich die verschiedenen Systementwürfe der nachkantischen Philosophie, wie sehr sie sich auch voneinander unterscheiden, als Versuche verstehen, Jacobis Antispinozismus mit Spinoza zu versöhnen.Wie wohl kein anderer unter den Idealisten hat sich Schelling diese Aufgabe gestellt, als es ihm ganz explizit darum ging, ein Gegenstück zu Spinozas Ethik zu entfalten. Diese Aufgabe ist Schelling bis in die letzte Phase seiner vernunftkritischen Spätphilosophie treu geblieben. Drittens: Das lebensphilosophische Motiv. Der wohl wichtigste Satz im ganzen Spinozabuch lautet wie folgt: „Nach meinem Urtheil ist das größte Verdienst des Forschers, Dasein zu enthüllen, und zu offenbaren […]. Erklärung ist ihm Mittel, Weg zum Ziele, nächster – niemals letzter Zweck. Sein letzter Zweck ist, was sich nicht erklären lässt: das Unauflösliche, Unmittelbare, Einfache“ (Jacobi 2000, 35).
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Wenn es möglich ist, diesen Satz als Vision einer Denkungsart, die darauf ausgerichtet ist, das je einzelne Dasein gegen alle objektivierenden Vormeinungen aus der Perspektive seiner lebenspraktischen Orientierung nachzuzeichnen, zu interpretieren, dann ist dieser Satz nicht nur das erste Dokument der Existenzphilosophie, von Kierkegaards Existenzdenken bis zur Phänomenologie im Sinne Heideggers, sondern hat auch, als Programm eines „enthüllenden Denkens“ , Eingang in die philosophischen Entwürfe der nachkantischen Philosophen gefunden. Dies ist vor allem bei Fichte der Fall, der sich ausdrücklich zum daseinsenthüllenden Programm bekennt,wenn er in den Tatsachen des Bewusstseins (1810) seine Wissenschaftslehre als „eine Wissenschaft vom Dasein“ charakterisiert und in diesem Zusammenhang Jacobis Satz zitiert. Wohl ist für Fichte Selbstbewusstsein oder Subjektivität philosophisches Prinzip bzw. Gründungsgedanke – und das sogar im prägnanten Sinn – und dennoch meint Subjektivität bei Fichte eben auch mehr, insofern es zu den Grundeinsichten Fichtes gehört, dass die Subjektivität sich nicht nach dem Muster der Ontologie der Dinge verstehen lässt. Entsprechend hat er sich die Aufgabe gestellt, die dem menschlichen Dasein eigentümliche Bewegtheit zu erschließen, um dadurch die Kluft zwischen Theorie und Leben zu überbrücken. Dass Jacobis Motiv einer Lebenserschließung tatsächlich bei Fichte eine Rolle spielt, davon zeugt auch die im Briefwechsel mit Jacobi mehrfach beschworene Gleichheit des Philosophieverständnisses, was wohl mehr als nur strategischer Absicht entstammt.
2 Jacobi in der Philosophie Schellings Auch beim jungen Schelling hat Jacobis Programm einer Lebenserschließung Eingang gefunden. So heißt es begeistert in Vom Ich als Prinzip der Philosophie: […] dass eine Philosophie, die auf das Wesen des Menschen selbst gegründet ist, nicht auf tote Formeln, als eben so viele Gefängnisse des menschlichen Geistes, oder nur auf ein philosophisches Kunststück gehen könne, das die vorhandenen Begriffe nur auf höhere zurückgeführt und das lebendige Werk des menschlichen Geistes in todte Vermögen begräbt; dass sie vielmehr, wenn ich es mit einem Ausdruck Jacobis sagen soll, darauf geht, Daseyn zu enthüllen und zu offenbaren, dass also ihr Wesen, Geist, nicht Formel und Buchstabe, ihr höchster Gegenstand aber nicht das durch Begriffe Vermittelte, mühsam im Begriffe Zusammengefasste, sondern das unmittelbare nur sich selbst Gegenwärtige im Menschen seyn müsse, dass ferner ihre Absicht nicht bloß auf eine Reform der Wissenschaft, sondern auf gänzliche Umkehrung der Prinzipien, d. h. auf eine Revolution derselben, gehe, die man als die zweite mögliche im Gebiete der Philosophie betrachten kann. (Schelling 1856 I/1, 156)
Eine höhere Auszeichnung als neben Kant gestellt zu werden ist wohl kaum denkbar. Kehren wir nun aber zurück zu der vorher aufgestellten Behauptung, der
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zufolge die Wirkungsgeschichte von Jacobis Philosophie sich bis in die Endphasen des deutschen Idealismus bzw. in die Anfangsphasen nachidealistischen Denkens erstreckt, d. h. die Spätphilosophie Schellings bzw. das Denken Kierkegaards. Fangen wir mit Schelling an: Mit Bezug auf den späten Schelling scheint sich vieles im Verhältnis zu Jacobi verändert zu haben. Offensichtlich hat der Versuch des jungen Schelling, den Anti-Spinoza Jacobis mit Spinoza zu versöhnen bzw. Freiheit mit rationalem Systemdenken zu vermitteln, derartig an Überzeugungskraft eingebüßt, dass die strikte Alternative Jacobis − die zwischen „Alleinphilosophie“, d. h. Philosophie im Modus rationaler Demonstrationswissenschaft, die paradigmatisch im Denken Spinozas zum Ausdruck kommt, und seiner eigenen, sogenannten „Unphilosophie“, d. h. Philosophie im Modus eines Denkens, das dem konkreten Wirklichkeitsbewusstein des Menschen Rechnung trägt − wenn nicht gar attraktiv so doch wenigstens bedenkenswert geworden ist. Dies wird von Schelling offen zugestanden, wenn er in der ersten Berliner Fassung der Philosophie der Offenbarung erklärt: „Im Denkmal auf Jacobi (1812) (Schellings polemischer Replik auf Jacobis Streitschrift Von den Göttllichen Dingen und ihrer Offenbarung von 1811) ist der Anfang der positiven Philosophie gegeben“ (Schelling 1993, 138). Diese Aussage darf unter keinen Umständen unterschätzt werden, denn tatsächlich lassen sich in der Spätphilosophie Schellings sowohl Grundmotive wie auch Denk- und Argumentationsfiguren Jacobis entdecken. Bis in das Herzstück seiner Kritik reinrationaler, negativer Philosophie scheinen sich Argumente kundzutun, die auf Jacobis Denken zurückgehen. Ein Haupteinwand Schellings gegen die reinrationale, negative Philosophie in der Gestalt der Hegelschen Logik bezieht sich darauf, dass Hegel seine eigens formulierte Restriktion des Logischen überschreitet, wobei er sich einer verheerenden Vermengung von Möglichem und Wirklichem schuldig macht. Indem Hegel das logische Denken zu etwas Objektivem macht, indem er die immanent verfahrende Begriffsanalyse zum Erklärungsprinzip der Wirklichkeitserfahrung erhebt, stellt sich laut Schelling augenblicklich eine Aporie ein, welche die anscheinende Voraussetzungslosigkeit des Logischen in einen Schein auflöst. Der Grundgedanke Hegels, dem zufolge ein voraussetzungsloser Diskurs der Vernunft automatisch alle Inhalte der Wirklichkeit in den Griff bekommt, ist derart problematisch, weil der logische Diskurs, als Wissenschaft vom nur Möglichen, gerade von der Realität lebt. So schreibt Schelling in der ersten Berliner Fassung der Philosophie der Offenbarung: „Die Begriffe sind doch erst nach der Natur, nicht vor ihr; Abstrakta können nicht eher sein, als das ist, wovon sie abstrahiert sind“ (Schelling 1993, 129). Das Schellingsche Argument, dem zufolge das reinrationale Denken einzig und allein dem Reich des Möglichen zugehört, wobei dies Denken gerade von der Realität zehrt, lässt sich nun aber auch bei Jacobi, wenn auch in dramatischer Gestalt, wiederfinden. Im berühmten Brief an Fichte schreibt er:
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Wir eignen uns das Universum zu, indem wir es zerreißen, und eine unseren Fähigkeiten angemessene, der wirklichen ganz unähnliche Bilder-Ideen und Wort–Welt erschaffen. Was wir auf diese Weise erschaffen, verstehen wir, insoweit es unsere Schöpfung ist, vollkommen; was sich auf diese Weise nicht erschaffen lässt, verstehen wir nicht; unser philosophischer Verstand reicht nicht über sein eigenes Hervorbringen hinaus. (Jacobi 2004, 2,1, 249)
Später im Text heißt es auch: Alle Menschen, insofern sie überhaupt nach Erkenntnis streben, setzen sich, ohne es zu wissen, jene reine Philosophie zum letzten Ziele; denn der Mensch erkennt nur indem er begreift; und er begreift nur indem er – Sache in bloße Gestalt verwandelnd – Gestalt zur Sache, Sache zu Nichts macht. (Jacobi 2004, 2,1, 249)
In diesem gegen Fichtes Lehre vom absoluten Ich gerichteten Einwand behauptet Jacobi die prinzipielle Abstraktionsanfälligkeit jedweden rationalen Diskurses. Reines Denken bleibt im Abstrakten und Möglichen restlos eingeschlossen, insofern sich sein Entstehen ganz und gar einer Verwandlung der Wirklichkeit − und zwar im Modus ihrer Vernichtung − verdankt. Obwohl Schelling eine solche Generaldiagnose rationalen Denkens auch im Zusammenhang der schroffsten Kritik an negativer Philosophie wohl nie hätte zustimmen können, bleibt die Vernunftkritik Jacobis wie auch deren Vision einer Wirklichkeitsenthüllung wenn nicht geradezu Vorbild so doch ein Spiegel, worin Schelling seinen eigenen philosophischen Entwurf wiedererkennen konnte. Das gilt im Kleinen, so wie es gerade mit Bezug auf die Abstraktionsanfälligkeit reinrationalen Denkens gezeigt wurde, wie auch im Großen, lässt sich doch die Unterscheidung zwischen negativer und positiver Philosophie als eine einfache Übersetzung von Jacobis Entgegensetzung zwischen in immanenten Begriffsanalysen verfahrendem Vernunftdiskurs einerseits und Wirklichkeit und Lebenspraxis entbergendem Denken andererseits verstehen. In einem Sinne ist dies ganz und gar wahr, und dennoch gesamthaft falsch. Es kann zwar daran nicht gezweifelt werden, dass der spätere Schelling viel Sympathie für die Vernunftkritik Jacobis wie auch für die Idee einer Philosophie, die sich dazu verpflichtet, Freiheit und Wirklichkeit zu offenbaren, aufbringt. Dennoch lehnt er die von Jacobi ausgearbeitete Glaubens- oder Gefühlsphilosophie auch jetzt noch genau so entschieden ab, wie er es in der ersten Auseinandersetzung mit dessen Glaubensphilosophie getan hat. Eigentlich scheint sich im Verhältnis zur ersten Auseinandersetzung nichts geändert zu haben: Auch in der Spätphilosophie bleibt es beim altbewährten Muster, d. h. der Sympathie für die Vernunftkritik und das Projekt einer Freiheitsphilosophie gekoppelt an die Verwerfung des faktisch ausgeführten Freiheitsdenkens. Anders formuliert: Wie der junge Schelling lehnt auch der späte das Entweder-Oder Jacobis, entweder „Alleinphilosophie“ oder „Unphilosophie“, ab. Neu ist aber,
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dass der Weg seiner früheren Identitätsphilosophie, deren Intention es war, Spinoza mit dem Anti-Spinoza Jacobis zu versöhnen, definitiv verschlossen ist. Dieser neuen Problemkonstellation werden wir uns bald zuwenden. Zunächst aber werfen wir einen Blick auf die recht ausführliche Darstellung der Philosophie Jacobis in Schellings Münchener Vorlesungen Zur Geschichte der neueren Philosophie. In diesem Text zeigt sich ganz konkret die eben besprochene Zweideutigkeit. Der Abschnitt über Jacobi steht gleich nach der kritischen Darstellung der Hegelschen Philosophie, wo sein Denken als Übergang zwischen Rationalismus und Empirismus dargestellt wird. Als solches ist es für Schelling hochinteressant. So heißt es: „Mit seinem Verstand gehörte er ganz und ungetheilt dem Rationalismus an, mit dem Gefühl strebte er aber vergebens über ihn hinaus. Insofern ist vielleicht Jacobi die lehrreichste Persönlichkeit in der ganzen Geschichte der neueren Philosophie“ (Schelling 1985, 168). Jacobi ist für Schelling deshalb interessant, weil seine Philosophie gerade als Übergangsphänomen nach dem Scheitern des Hegelschen Denkens die aktuelle geschichtliche Situation der Philosophie präzise umschreibt. Die anstehende Grundaufgabe der Philosophie besteht darin, das Verhältnis zwischen Rationalismus und Empirismus auf ganz neue Weise zu bestimmen. Diese Aufgabe jedoch verfehlt das Denken Jacobis ganz und gar. Damit kommen wir zum kritischen Teil von Schellings Jacobi-Darstellung. Sowohl seinem Rationalismus in Gestalt eines unmittelbaren Wissens von Gott (d. h. sein sogenannter „Theosophismus“) wie auch seinem Empirismus in Gestalt unmittelbaren Glaubens wird jeder Erkenntniswert abgesprochen, wobei Schelling jedoch durch eine Wiedererinnerung an den gewöhnlichen Gebrauch von „Glaube“ dem Glaubensbegriff Jacobis, der durchgehend unmittelbare Gewissheit signalisiert, einen gewissen Sinn abzugewinnen versucht. So schreibt er: „Glauben heißt im gemeinen Leben dasjenige mit Zuversicht für möglich halten, was unmittelbar unmöglich, was nur vermöge einer Folge und Verkettung von Umständen und Handlungen, kurz was nur durch mehr oder weniger zahlreiche Vermittlungen möglich ist“ (Schelling 1856, I/10, 183). Bei allem Entgegenkommen lautet jedoch das Schlussurteil, dass das Denken Jacobis in einem heillosen Dualismus verstrickt ist. So heißt es: „Wenn man ihm also ein System zuschreiben will, so kann man seine Philosophie nur als eine absolut dualistische ansehen, aber man muss hinzusetzen sie ist ein völlig unaufgelöster, aber eben darum selbst nicht erklärter Dualismus.“ (Schelling 1856, I/10, 181) Diesen Dualismus auflösen heißt, nicht noch einmal das identitätsphilosophische Programm auf den Weg zu bringen. Das wäre alles andere als eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Rationalismus und Empirismus. Eine wahrhafte Überwindung besteht stattdessen darin, das Primat des logischen Wissens vermittels einer immanenten Analyse aufzubrechen, um dadurch ein von Denknotwendigkeiten verdecktes und überschüttetes Wollen aufzudecken. Dies aber ist eine rationale Operation: Trotz
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vehementer Kritik rationaler Metaphysik hat Schelling die Idee nie aufgegeben, der zufolge das Denken grundlegend die Möglichkeit besitzt, die Wirklichkeit in den Griff zu bekommen. Unter dem Vorzeichen gescheiteter Versuche reinrationalen Denkens heißt das, ein Vernunftkonzept zu entwickeln, das sich nicht eo ipso im Denknotwendigen verfängt. Wenn wir uns für einen kleinen Augenblick erlauben, den Kreis des Idealismus zu verlassen, dann lässt sich darauf hinweisen, dass sich ein ähnliches Programm bei Habermas findet, der sich, um der heillosen Alternative Adornos zwischen instrumentaler Vernunft und Messianismus zu entgehen, im sprachlichen Austausch eine zwanglose Vernunft zu entdecken bemüht. Nun ist Schelling gewiss kein Habermas und das nicht nur dadurch, dass er das sprachphilosophische Paradigma nicht entdeckt hat. Schelling gestaltet das Programm eines Vernunftsdiskurses, der an ein praktisches Erkenntnisinteresse gebunden ist, in Form einer geschichtlichen Vernunft, die als „Philosophie der Mythologie“ und als „Philosophie der Offenbarung“ auftritt, wobei „Philosophie der Mythologie“ die Tradition einer Denkungsart anzeigt, die von den Anfängen des Mythologischen bis zur neuzeitlichen Philosophie reicht und durch einen charakteristischen Zwang des menschlichen Geistes gekennzeichnet ist. Diesem Zwang entgegengesetzt repräsentiert die „Philosophie der Offenbarung“ eine bevorstehende Befreiung, die darin besteht, die christliche Botschaft in philosophische Vernunftwahrheiten zu transformieren.
3 Kierkegaard zwischen Jacobi und Schelling Wenden wir uns nun endlich Kierkegaard zu, d. h. Kierkegaard in seiner Zwischenstellung zwischen Jacobi und dem späteren Schelling und fangen wir mit der Vernunftkritik Kierkegaards an. Die Abhängigkeit der Kierkegaardschen Vernunftkritik von der Vernunftkritik Schellings kann nicht überschätzt werden, da er fast alle Topoi der Schellingschen Kritik bloß wiederholt, wenn auch in seiner typisch ironischen Weise. Wenn Kierkegaards Kritik reinrationalen Denkens mehr als bloße Rhetorik ist, ist dies auf die Schellingsche Vernunftkritik zurückzuführen. So ist sowohl die These der Sphärenvermengung als auch der Abstraktionseinwand gegen das rein logische Denken bei Kierkegaard zu finden. In einem Punkt unterscheiden sie sich jedoch. Damit hat Kierkegaard aber dennoch nicht etwas ganz Neues in den vernunftkritischen Diskurs eingeführt. Wie oben gezeigt worden ist, behauptet Jacobi, dass reinrationales Denken, das nur im Abstrakten verfährt, dadurch entsteht, dass Realität und Wirklichkeit zerstört und vernichtet wird. So hat auch Hegel in der Differenzschrift von 1802 über den Verstand gesprochen, als er der Tätigkeit des Verstandes „die Macht der Entzweiung“ zugeschrieben hat. Aber ganz anders als bei Hegel, der vom Bestreben im „Interesse der
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Vernunft“ spricht, einem Interesse, das die verständige Zerstörungsmacht durch seine integrative „Macht der Vereinigung“ lebendig in sich aufzuheben vermag, enthält die Vernunft laut Jacobi weder ein Versöhnungspotential noch eine Wiederherstellungsressource. Vernunft kennt Jacobi nur noch als eine zerstörerische Macht. Dies ist aber auch der Fall bei Kierkegaard. So heißt es kritisch gegen die Hegelsche Methode gewendet: Die Selbstreflexion fährt so lange fort, bis sie sich selbst aufhebt; das Denken dringt siegreich durch und bekommt wieder Realität; die Identität und Sein ist im reinen Denken errungen. Was heißt das, dass die Selbstreflexion sich so lange fortführt, bis sie sich selbst aufhebt? Damit man die Misslichkeit der Selbstreflexion entdecke, braucht man sie nicht lange fortzuführen; andrerseits jedoch, solange sie fortfährt, ist es ganz und gar die gleiche Misslichkeit. Was soll alsdann das heißen: solange bis? (Kierkegaard 1958 Bd. 2, 38 – 39)
Und weiter heißt es: Jene zugrundeliegende Gewissheit, die den Zweifel trägt, kann sich keinen Augenblick hypostasieren, solange ich zweifle; denn der Zweifel verlässt sie beständig, um zu Zweifeln.Will ich dabei bleiben, zu zweifeln, so komme ich in alle Ewigkeit nicht weiter. (Kierkegaard 1958 Bd. 2, 38 – 39)
Laut Kierkegaard ist logisches Denken alles andere als ein unschuldiges Spiel mit Begriffen, insofern die nur negative Macht reinrationalen Denkens weitreichende praktische Konsequenzen nach sich zieht, führt sie doch letztlich zur Deformation nicht nur des Weltverhältnisses, sondern auch zur Deformation des Selbstverhältnisses. Eine solche Diagnose rationalen Denkens stellt auch Jacobi, wenn er Fichtes Theorie des Ich dafür anklagt, dass sie das Selbstverhältnis des Menschen regelrecht entfremdet. Indessen reichen die Ähnlichkeiten zwischen Kierkegaard und Jacobi weit über das Problemfeld der Vernunftkritik hinaus, lässt sich doch das existentielle Denken Kierkegaards geradezu als Variante der Idee einer Lebensenthüllung verstehen. Eigentlich lässt sich das ganze Existenzdenken Kierkegaards in die absolute Alternative zwischen „Alleinphilosophie“ und „Unphilosophie“ einschreiben und das in einer solchen Weise, dass er die Alternative zur alleräußersten verschärft. Dennoch ist das Denken Kierkegaards von demjenigen Jacobis grundverschieden. Anders gesagt: Kierkegaards Denken hat nichts mit Glaubens- oder Gefühlsphilosophie zu tun. Laut Kierkegaard haben wir ein für allemal die Unmittelbarkeit verlassen. Beides, d. h. sowohl die Identität wie auch die Differenz kommen in der Textpassage der Nachschrift, wo es um das Problem des Sprunges geht, zum Ausdruck. Es heißt dort: Hier muss ich einen Augenblick innehalten, es könnte scheinen, als würde schließlich Jacobi der Erfinder des Sprunges. Doch ist hierzu zu bemerken: Erstens ist sich Jacobi nicht klar
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darüber, wo der Sprung im Wesentlichen hingehört. Sein Salto Mortale dürfte wohl nur der Akt der Subjektivierung bezogen auf die Objektivität Spinozas sein, nicht der Übergang vom Ewigen zum Historischen. Ferner ist er sich dialektisch auch nicht klar über den Sprung, dass dieser sich nämlich nicht direkt dozieren oder mitteilen lässt, eben weil er der Akt der Isolierung ist und für das, was sich gerade nicht denken lässt, es dem einzelnen anheimstellt, ob er sich des Absurden will, es gläubig anzunehmen. Jacobi will einem vermittels der Beredsamkeit dazu verhelfen, den Sprung zu machen. Aber das ist ein Widerspruch. (Kierkegaard 1958 Bd. 1, 93)
Wenn Kierkegaard an dieser Stelle Jacobi kritisiert, stellt er nicht zugleich die Figur des Sprunges als solche in Frage.Wessen er Jacobi jedoch anklagt, ist, dass er sich trotz aller guten Intentionen nicht dem Vernunftdiskurs entwunden hat. Jacobi bleibt im Netz desjenigen Vernunftdiskurses, den er hinter sich lassen will, verstrickt. Anders gesagt: Die absolute Alternative Jacobis ist eine nur scheinbare. Geht es an diesem Punkt um eine wie auch immer geartete, scharfe Korrektur, so ist doch der erste Kritikpunkt, der sich auf die Ortsbestimmung des Sprunges bezieht, von gravierender Art. Obwohl er auch diese Rolle hat, dient der Hinweis auf den „Übergang vom Ewigen zum Historischen“ nicht nur der Profilierung, denn so sehr auch Kierkegaard den Begriff des Übergangs bzw. den Begriff des Sprunges mit dem paradoxen Inkarnationsgeschehen konnotiert, so kennt er auch eine andere Bedeutung des Überganges, nämlich die eines Zurücklassens des Diskurses des reinen Denkens zugunsten des Einstiegs in die praktische Lebensenthüllung. So gelesen aber enthält die Kritik der Ortsbestimmung einen krassen Einwand gegenüber Jacobis Denken. Nichts ist dadurch gewonnen, dass man Objektivität mit Subjektivität vertauscht. Damit ist die Glaubensphilosophie de facto verworfen. Was aber bedeutet nun all dies? Der Weg des rationalen Diskurses ist laut Kierkegaard ein für allemal verschlossen, ebenso aber auch der Weg der Unmittelbarkeit und des Glaubens. Wie aber lässt sich dann das Denken Kierkegaards bestimmen? Zwei Möglichkeiten bieten sich an. Die erste und eher trivial zu nennende ist diejenige, das Denken Kierkegaards als eine Philosophie des Willens zu bestimmen. In seinem gesamten Werk geht es Kierkegaard darum, die voluntative und dynamische Struktur des menschlichen Lebens hervorzuheben, um damit das Wesen des Menschen als Freiheit zu identifizieren. Ging es sowohl Kant als auch der nachkantischen Generation um Begründung und Bergung von Freiheit, so geht es auch Kierkegaard bei der Zurückweisung jedweder Grundlegungsversuche um das Offenbarmachen der wesenhaften Freiheit der menschlichen Existenz: Der Grundbegriff Existenz wird mit Freiheit gleichbedeutend. Anfangend mit der Selbstwahl des Ethikers läuft die Linie dieses Offenbarmachens über das unendliche Streben der ethisch-religiösen Existenz bis zur vollständigen Identifikation von Selbst und Wille bei Anti-Climacus. Hier heißt es: „Je mehr Bewusstsein, desto mehr Selbst; je mehr Be-
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wusstsein, desto mehr Wille, je mehr Selbst. Ein Mensch, der gar keinen Willen hat, ist kein Selbst.“ (Kierkegaard 1954, 25). Mit dieser Identifizierung von Bewusstsein und Wille behauptet Kierkegaard zugleich, dass jedwede Vorstellung eines neutralen oder objektiven Erkennens eine Illusion sei. Laut Kierkegaard ist alles Verstehen und alles Erkennen von einem Wollen getragen, wobei nicht leicht zu entscheiden ist, ob Kierkegaard dabei mehr in Richtung christlicher Tradition zurückblickt oder mehr in Richtung einer Willensphilosophie nietzscheanischer Provenienz vorschaut. Die zweite Möglichkeit lässt sich als „Phänomenologie des Negativen“ bezeichnen, wobei auf eine ganz entscheidende Textpassage im Werk Kierkegaards hinzuweisen ist. Es geht um jene Textstelle in Entweder-Oder, wo Kierkegaard eine scharfe Trennung zwischen Zweifel und Verzweiflung zieht. Die Bedeutung dieser Trennung oder Unterscheidung lässt sich in unserem Kontext kaum überschätzen, insofern sie sich als die Kierkegaardsche Variante von Jacobis Unterscheidung von „Alleinphilosophie“ und „Unphilosophie“ interpretieren lässt. Es heißt: Zweifel ist des Gedankens Verzweiflung.Verzweiflung ist der Persönlichkeit Zweifel…. Zweifel ist die innere Bewegung des Gedankens selber, und in meinem Zweifel verhalte ich mich als so unpersönlich als möglich. Ich will nun annehmen, indem es durchgeführt wird, das Absolute finde und darin ruhe. Alsdann ruht er darin nicht einer Wahl zufolge, sondern der gleichen Notwendigkeit, gemäß deren er gezweifelt hat; denn der Zweifel selber ist eine Bestimmung von Notwendigkeit. Und das Ruhen desgleichen.“ Und weiter heißt es: „Anderseits sieht man, vor allem in unsrer Zeit, Menschen welche die Verzweiflung im Herzen tragen und gleichwohl den Zweifel überwunden haben. Dies ist mir besonders auffallend gewesen bei der Betrachtung einzelner deutscher Philosophen. Ihr Gedanke ist beruhigt, der objektive Gedanke ist in der im gemäßen Objektivität zum Ruhen gebracht, dennoch sind sie Verzweifelte, obwohl sie sich zerstreuen mit objektiven Denken, denn ein Mensch kann sich auf mancherlei Weise zerstreuen und es gibt kaum noch ein derart betäubendes Mittel wie abstraktes Denken, weil es dabei darauf ankommt sich so unpersönlich wie nur als möglich zu verhalten. Zweifel und Verzweiflung sind mithin in ganz und gar verschiedenen Sphären zuhause, es werden durchaus verschiedene Seiten der Seele in Bewegung gesetzt. Doch hiermit bin ich noch nicht zufriedengestellt; denn so würden in Zweifel und Verzweiflung einander gleichgeordnet werden, und das ist nicht der Fall. Verzweiflung ist ein weit tieferer und vollständiger Ausdruck, ihre Bewegung ist weit umfassender als die des Zweifels: Verzweiflung ist eben ein Ausdruck für die ganze Persönlichkeit, Zweifel lediglich für den Gedanken. (Kierkegaard 1957c, 226 f.)
Hieraus geht mit aller Deutlichkeit hervor, dass es bei der Unterscheidung zwischen Zweifel und Verzweiflung um mehr als um subtile Begriffsbestimmungen geht, stehen doch Zweifel und Verzweiflung gerade für zwei streng entgegensetzte Denkweisen − die eines reinrationalen Denkens, das dadurch ausgezeichnet ist, die vollständige Anonymität anzustreben, und die eines existentiellen Denkens, das in aller Breite auf eine Aufhellung der praktischen Lebensorientierung an-
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gelegt ist. Laut Kierkegaard ist Zweifel das Herzstück rein logischen Denkens, insofern die Vernunft im Modus selbstbezüglicher Skepsis bar jeder Voraussetzung nur mit sich selbst beschäftigt ist. Fragwürdig an der Figur einer selbstbezüglichen Skepsis, von Descartes als Gründungsakt der neuzeitlichen Philosophie eingeführt und von Hegel als Prinzip vom Widerspruch radikalisiert, ist Kierkegaard zufolge nicht nur ihr Totalitätsanspruch, sondern vor allem die Idee, der zufolge die Negativität des Zweifels ins Positive umschlägt. Es ist bereits angesprochen worden, dass die Selbstreflexion laut Kierkegaard nie zu einem Resultat kommen kann, sondern sich, ihrer Natur entsprechend, im linearen Lauf interner Begriffsbestimmungen in alle Unendlichkeit fortsetzen muss. Mit dieser negativen Wertung des Negativen hat Kierkegaard aber keineswegs den Begriff des Negativen diskreditiert. Ganz im Gegenteil, steht doch das existentielle Denken ganz und gar im Zeichen der Verzweiflung. Beim Existenzdenken Kierkegaards geht es um eine Lebensenthüllung im Sinne Jacobis dergestalt, dass eine existentielle Phänomenologie des Negativen entfaltet wird. So lässt sich die sogenannte Stadienlehre als Phänomenologie defizienter Freiheitserfahrungen bzw. als Phänomenologie misslungener Brechungen der Immanenz lesen, geht es doch schon dem reflektierten Ästhetiker um einen Immanenzbruch, der aber bezeichnenderweise in Verzweiflung mündet. Ebenso ergeht es auch dem Ethiker, der in der Selbstwahl eine absolute Freiheitserfahrung erblickt, um dann untergründig die Erosion derselben zu vernehmen; und schließlich geht es derart auch der ethischreligiösen Existenz, die bei radikal zugespitzter Transzendenzerfahrung doch nur Immanenz reproduziert. Alle diese Phänomene negativer Erfahrung sind nun dem einzigen Immanenzbruch, der gegen Immanenzverfallenheit immun ist, nämlich dem paradoxen Inkarnationsgeschehen, nachgebildet, wobei dieses Geschehen ohne diese Transzendenzerfahrungen jedoch seinerseits nichts ist. Das absolute Paradox kann nicht vom Paradox der menschlichen Existenz getrennt werden. Der Einbruch der Transzendenz muss als gleichzeitig mit der transzendierenden Bewegung der menschlichen Existenz verstanden werden. Dies ist die Endgestalt des Kierkegaardschen Programms einer daseinsoffenbarenden Philosophie.
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The Tragedy of Freedom – Some Notes on the Relation between Schelling and Kierkegaard Regarding the Tragic and the Question Concerning Human Freedom “Von der Gestalt der künftigen Tragödie wissen wir nichts”¹ Botho Strauß, Anschwellender Bockgesang
Significant studies about the relation between the philosophies of Schelling and Kierkegaard have been published in recent years, with Kierkegaard und Schelling, Freiheit, Angst und Wirklichkeit ² (2003) being one of the best examples. Central issues in the volume concern the question of freedom, anxiety, and the determination of the meaning of reality and existence. Schelling’s expression Angst des Lebens, “the anxiety of life” as a constitutive dimension of “human freedom” could be considered, broadly speaking, as the main common thread in relation to which differences and similarities in their thoughts have been analyzed and discussed. The thread is both thematic and formal insofar as the main source to investigate the philosophical question concerning the meeting between Kierkegaard and Schelling are the references to Schelling made by Kierkegaard in his The Concept of Anxiety and the somehow implicit readings he makes of Schelling’s Essay on the Essence of Human Freedom ³. However, because Schelling’s consideration of human freedom as the “capacity of good and evil” in this celebrated essay can only be seized in its properly philosophical sense when drawn in connection to his concept of the tragic, I would like to propose the question of the tragic as a common thread in a reading of both Schelling and Kierkegaard. This question brings Kierkegaard’s reflections on the tragic and Antigone into play even if he, in the text under consideration here, namely “The Tragic in Ancient Drama reflected in the Tragic of Modern Drama”⁴, refers explic-
“We know nothing about the configuration of future tragedy” Hennigfeld / Stewart 2003. In his article “Kierkegaards Schelling”, published in Hennigfeld / Stewart 2003, Tonny Aagaard Olesen presents a very nuanced and enriched knowledge about the material that is relevant for an understanding of the relation between these two thinkers. Kierkegaard 1997a, 137– 162: “Det antike Tragiskes Reflex i det moderne Tragiske. Et Forsøg i den fragmentariske Stræben”. For English version see Kierkegaard 1987: transl. Howard V. Hong and Edna Hong, or see Kierkegaard 2004: transl. Alastair Hannay. I will quote Either/Or from this latter version.
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itly only to Hegel. Giving attention to the tragic dimension of the experience of human freedom, my claim here would be that such as conceived by both Schelling and Kierkegaard, the tragic plays a central role in Schelling’s and Kierkegaard’s understanding of human freedom as the experience of facing the possibility and reality of evil.
Schelling’s views on the tragic determination of human freedom In the preface to his Essay on the Essence of Human Freedom Schelling considers that the “innermost center point of philosophy” can only come into consideration when the “higher” and “genuine” opposition between necessity and freedom emerges.⁵ This “higher” and “genuine” opposition cannot be set up or established by philosophy; it has to emerge (hervortreten), so that philosophy can find its “innermost center point”. This higher and genuine opposition, even formulated as the opposition between system and freedom, between the totality of the world and individual human freedom, must be distinguished from a nongenuine opposition. A non-genuine opposition is an opposition that, following Schelling’s text, appears as the opposition between two independent parts or realms that contradict identity. A non-genuine opposition is when opposition as such is opposed to identity. It is non-genuine because it is unable to seize the genuine meaning of the principle of identity or the copula in a judgment. The “higher” and “genuine” opposition between necessity and freedom is an opposition that recognizes opposition as the very “life” of identity. It ought, therefore, to be expressed through the paradoxical formulations: necessity is freedom and freedom is necessity. Genuine opposition defines the core of the copula, of the “ist”, of “identity”. Identity does not mean sameness but oneness, and genuine “oneness” is, in Schelling’s words, schöpferische, “creative”⁶. Creation names the emergence and the appearance of something that did not exist before but shows pre-existence in itself. It names the appearing of what exists in the quality of Gewordenes ⁷, of what came into being, of what “came to be”. As Gewordenes, as what came to be, existence emerges and appears as the paradoxical relation of existing through another when existing through oneself. As Gewordenes, existence is dependent (Abhängiges) but also autonomous (Selbständiges)
Schelling 1997; Schelling 1856 – 61. Schelling 1997, 18 or Schelling 1856 – 61, 346 – 347. Schelling 1997, 18 or Schelling 1856 – 61, 346 – 347.
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precisely in and through this dependence. Schelling’s point of departure here is a critique of both mechanic and dynamic points of view insofar as both mechanism and dynamism depart from a view of what appears as opposed to the movement or process of appearing. Schelling’s critique implies a vision of opposites as oneness and identity, thus “dependence does not suspend or overcome (aufhebt) freedom”⁸ because, as “Gewordenes”, “every organic individual is what came to be through another and therefore dependent in regard to becoming and not to being” [“Jedes organische Individuum ist als ein Gewordenes nur durch ein anderes, und insofern abhängig dem Werden, aber keineswegs dem Sein nach”]⁹. The creative meaning of identity, of the “copula” in the formulations necessity is freedom, freedom is necessity, dependence is autonomy, autonomy is dependence, can therefore only appear from the standpoint of a becoming. From the viewpoint of becoming, identity is indifference, in the sense of within differentiation, as Kuno Fischer sharply formulated.¹⁰ The creative becoming that Schelling calls organic in contrast to mechanic and dynamic is not defined as merely Übergang from ground to existence, from creator to created, or from becoming to what has become. Schelling defines the creative becoming as Offenbarung, and more precisely as Selbstoffenbarung, revelation and selfrevelation¹¹. The difference lies in the non-successive character of the temporality of becoming. As Gewordenes, as what came to be, existence is not a result or consequence that comes after the creative act of the creator. It is the paradox of a “Folge”, a consequence that is its antecedence, thus at stake here is self-revelation and therefore the mysterious coincidence of before and after in an image as image. Schelling will describe this coincide as Zusammenklang, better translated as consonance than “harmony”, reinforcing the coincidence of before and after in the image through the experience of sound.¹² We can say that, for Schelling,
Schelling 1997, 18 or Schelling 1856 – 61, 346 – 347. Schelling 1997, 18 or Schelling 1856 – 61, 346 – 347. Fischer 1977, 563. See also Vetö 1977, 153. Schelling 1997, 19 or Schelling 1856 – 61, 346 – 347. Schelling 1997, 59 or Schelling 1856 – 61, 387– 388: “Weil in der Schöpfung der höchste Zusammenklang und nichts so getrennt und nacheinander ist, wie wir es darstellen müssen, sondern im Früheren auch schon das Spätere mitwirkt und alles in Einem magischen Schlage zugleich geschieht, so hat der Mensch, der hier entschieden und bestimmt erscheint, in der ersten Schöpfung sich in bestimmter Gestalt ergriffen, und wird als solcher, der er von Ewigkeit ist, geboren, indem durch jene Tag sogar die Art und Beschaffenheit seiner Korporisation bestimmt ist.” (English:) “Because there is the highest harmony in creation, and nothing is as discrete and consecutive as we must portray it to be, but rather in what is earlier that which comes later is also already active, and everything happens at once in one magic stroke, accordingly, man, who appears decided and determinate here, apprehends himself in aparticular
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“image” and “sound” are images and sounds of eternity, of the co-incidence of past and future (this becomes very clear in his readings of Dante).¹³ Affirming creation as revelation and self-revelation, Schelling proposes a meaning of identity and of the “copula” from which it can be said that the opposites are identical while not being identical. Understood as schöpferische, as “creative”, what became, das Gewordene is and is not the becoming, das Werden. The child is and is not the parents and the species. It is the parents and the species insofar as it cannot exist without this essential dependence or belonging to pre-existence; and it is not the parents and the species insofar as it is unique and can therefore only live autonomously, breaking the links with pre-existence. Being what became means here being born; being born, the child is both the continuity and the discontinuity of the species, of history, of origin. According to Schelling, the child – what exists as being born – can only be the continuity of history insofar as it is its own discontinuity. In this sense, the “organic” becomes the formal explanation of the creative meaning of identity, of copula as indifference, and it shall therefore be formulated more precisely as: freedom is and is not necessity; the ground is and is not the grounded. Again the difficulty lies in the coincidence and consonance of before and after and of being and non-being. It is from this creative meaning of identity that Schelling will discuss the essence of human freedom as “Vermögen des Guten und des Bösen”¹⁴ (capacity for good and evil as well as capacity of the good and the evil). Human freedom is seized here as “Gewordenes”, as what came to be, that is, seized from the standpoint of a becoming, of a coming into existence. As Gewordenes, as what came into existence, existence enters/comes into time in such a way that this coming into existence and into time belongs itself to the beginning of creation. In existence, what came into being is also the becoming of the unvordenkliche act of freedom that defines creation. That is why the life of man, as Schelling reads, “reaches the beginning of creation, (…) being a free and eternal beginning”.¹⁵ Human freedom is understood on the basis of this reaching back to the beginning of creation, which in itself is a free and eternal beginning. In whatsoever defining aspect, being human is here grasped as becoming human, since existence means coming into being, and it thus opposes an idea of being-in-itself, Seiende an-sich. However, being is becoming from the point of view of what
form in the first creation and is born as that which he had been from eternity since through this act even the type and constitution of his corporeal formation is determined” Schelling / Hegel 1985, 453 – 468: “Über Dante in philosophischer Beziehung”. English version see Rubenstein / Simpson 1988, 239 – 247. Schelling 1856 – 61, 352– 353. Schelling 1997, 57 or Schelling 1856 – 61, 385 – 386.
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has come into existence, and therefore from the vantage point of a fundamental tension with being. Thus, as what has become, or as what has come into being, existence can be described as a point where being and non-being intersects. As God of the living and not of the dead, God is becoming, self-revelation, and therefore a unity of opposites that are inseparable; revealing himself in man, the unity of opposites become separable, and this is the possibility of good and evil.¹⁶ To explain this, Schelling introduces a fundamental distinction between the ground of existence and existence, showing the contradictory movements involved in a becoming. Thus, becoming is a movement that strives at the same time to remain a movement, that is, to remain indeterminate and to become a being, that is, to reach determination. Becoming, or to put it even more generally, “life”, is a movement striving towards sharpness, for determination and individuation. Life, becoming, involves anxiety in the etymological sense of a striving for narrowness, for determinacy of limits, and it is in this sense that Schelling will use the expression “Angst des Lebens” in the Freedom Essay. ¹⁷ The longing for being, for determinacy as the longing of life to remain alive, is the possibility for both good and evil. In this “ambiguous” and “contradictory” movement – where the ground for existence strives to remain ground and thereby to deny existence, and where existence strives to remain existence and thereby to deny ground – Schelling situates the possibility of evil in the Hunger der Selbstsucht. ¹⁸ “For evil”, writes Schelling, “is surely nothing other than the primal ground [Urgrund] of existence to the extent that this ground strives toward actuality in created beings and therefore is in fact only the higher potency of the ground active in nature”.¹⁹ Or to recall another noteworthy passage: “evil does not come from finitude in itself but from finitude raised up to Being as a self”.²⁰ Evil, sin, fault and fall are descriptive terms of finitude raising up to Being as a self, that is, to infinite selfhood or selfishness, to the pretension to “become the one who creates its own grounds” (selbst schaffender Grund zu werden), appearing where God should be, (an die Stelle, da Gott seyn sollte), as an inverted God (der umgekehrte Gott).²¹ Evil, the raising up of finitude to in Schelling 1997, 37 or Schelling 1856 – 61, 364– 365: “Diejenige Einheit, die in Gott unertrennlich ist, muß also im Mensch zertrennlich sein – und dieses ist die Möglichkeit des Guten und des Bösen.” Schelling 1997, 53 or Schelling 1856 – 61, 381– 382. Schelling 1997, 62 or Schelling 1856 – 61, 475 – 477. Schelling 1997, 50 or Schelling 1856 – 61, 376 – 377: “Böse ist ja nichts anders als der Urgrund zur Existenz, inwiefern er im erschaffenen Wesen zur Aktualisierung strebt, und also in der Tat nur die höhere Potenz des in der Natur wirkenden Grundes.” Schelling 1997, 43 or Schelling 1856 – 61, 370 – 371. Schelling 1997, 61 or Schelling 1856 – 61, 389 – 390.
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finite selfhood or selfishness, the Erhebung des Eigenwillens, has therefore a meteoric nature, emerging suddenly as a sudden inversion of nature in God, a discontinuity in God’s continuous creation. That is why evil has and is history, the eruption of sin from innocence. On the basis of an understanding of creation as self-revelation, Schelling seizes the sense of becoming as a becoming that exposes continuity in discontinuity, absolute freedom in human freedom, and freedom of ground in necessity of grounded existence. In God, the oppositions between continuity and discontinuity, freedom and necessity, ground and existence are inseparable: in God freedom is necessity; in man this opposition is separable: freedom is and is not necessity. What in God is inseparable appears in man as separable. To be image means precisely to show as separable what is inseparable. It means to appear as inversion and thereby as self-estrangement. However, image is here the image of the life of God, and therefore image of the becoming of God and further image of an excess and abundance of becoming, a more than being. The inverted image of excess and abundance is hunger, hunger and struggle for more being. It is from this “economy” of excess that evil appears as a meteor of saturation, of an excess that exceeds itself, appearing as “tantalic anger”, inverting the principles and cutting off the bounds of forces.²² In this economy, the more the ground of life appears as excess and abundance and, in this sense, as groundless ground, the more finite human life discovers itself as the capacity of corresponding to the life of ground or as refusing it in its search for becoming itself the ground of all life. This is the excess of the excess, a hybris in which the refusal of the groundless ground of life appears as a search for the grounds for living. In the Freedom Essay Schelling presents not only a treatise on the essence of human freedom and related issues, but also a treatise on the tragic essence of human freedom. The higher and genuine opposition between freedom and necessity that constitutes the core of the Freedom Essay is indeed the core of his theory of the tragic, presented some years before in his Letters on Dogmatism and Criticism ²³, at the end of the System of Transcendental Idealism ²⁴ and in his Philosophy of Art. ²⁵ Schelling develops his theory of the tragic by pushing
Schelling 1997, 39: note 13 or Schelling 1856 – 61, 366 – 367. Schelling 1856 – 61: “Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kriticismus”. For a commentary on these letters focusing in the concept of the tragic see Lore Hühne 1998: “Die Philosophie des Tragischen. Schellings “Philosophische Briefe über Dogmatismus und Kriticismus””, in: Jantzen 1998, 95 – 128. Schelling 1957. For English translation (Peter Heath) see Schelling 1978. Schelling 1985: “Philosophie der Kunst”. For English translation (Douglas Scott) see Schelling 1989.
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Kant’s concept of the sublime to an extreme. The sublimity of tragedy lies in the claim that the tragic is the form in which the unconceivable and ungraspable and the absolute itself can be presented.²⁶ The unconceivable and ungraspable act of freedom that is creation as self-revelation appears in its extreme opposite in human freedom as the capacity of good and evil, thus, quoting Schelling, “only in human nature the conditions of possibility for necessity enacting without destroying freedom and for freedom becoming victorious without interrupting the course of necessity can emerge; thus the same person that succumbs under necessity can emerge anew through Gesinnung in the manner that freedom and necessity can appear in their indifference.”²⁷ This explains why the tragic hero appears as a guiltless guilty person that accepts punishment voluntarily. “This is the sublimity of tragedy”, says Schelling, and “thereby alone does freedom transfigure itself into the highest identity with necessity.”²⁸ Schelling’s theory of the tragic is not a theory confined to aesthetics but presents the fundamental elements for understanding the higher and genuine opposition between freedom and necessity, beyond a mere dialectics of opposites. The tragic presents a tragic sense of difference that is distinct from a dialectical one.
Kierkegaard’s views on the existential condition of human freedom Kierkegaard’s Concept of Anxiety ²⁹ has very few explicit references to Schelling.³⁰ The reference that is philosophically most central is implicit and indirect but quite clear. I refer to the passage in which Kierkegaard, discussing anxiety’s dialectical relationship to guilt, affirms that “the opposite to freedom is guilt” and not necessity.³¹ In some notes by Kierkegaard, we find another reference that re-
Courtine 1990: “Tragédie et sublimité”, in: Extase de la raison. Schelling 1856 – 61, Bd V, 690 – 91; for English version see Schelling 1989, 255. Schelling 1856 – 61, Bd V, 690 – 91; for English version see Schelling 1989, 255. Kierkegaard 1997b, 309 – 461. For English translation (Reider Thomie) see Kierkegaard 1981. Kierkegaard 1997a, 363 – 364, where Kierkegaard refers to Schellingian School as having payed attention to the alteration involved in the emergence of sin within creation. See Tonny A. Olesen’s chapter “Kierkekaard’s Concept of Anxiety” in: Hennigfeld / Stewart 2003, 74– 75 s, where he discusses the explicit and implicit references to Schelling. Kierkegaard 1997b, 364: SKS 4, Caput III, § 3: “Naar Friheden opfattes saaledes, har den sin Modsætning i Nødvendigheden, hvilket viser, at man har opfattet Friheden i en ReflexionsBestemmelse. Nei Frihedens Modsætning er Skyld, og det er det Høieste i Friheden, at den bestandig kun har med sig selv at gjøre, i sin Mulighed projekterer Skylden, og altsaa sætter den
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lates more extensively to Schelling. Here, Kierkegaard acknowledges the common subjects in his Concept of Anxiety and Schelling’s Freedom Essay such as anxiety, anger, suffering, freedom, etc. – but takes pains to make clear the huge difference between them, namely that Schelling’s God, in contrast to his, is a passionate God, a God that has nature in itself and not outside himself, a God full of melancholy, a God that feels anxiety and suffers in his creation act. For Kierkegaard, Schelling’s Freedom Essay is an aesthetic account of human freedom with glances of the ethical, but still lacking the religious. It is aesthetic because it is anthropomorphic, extending the realm of human freedom and its forms to nature.³² At stake here is the difference between two tragic views on the freedom of finite existence and between distinct views on Christianity that reverberates in both Schelling’s and Kierkegaard’s views on the distinction between the ancient and the modern tragic. In general terms, we could say that Kierkegaard’s criticism of Schelling is based on a distinction concerning the opposition between freedom and necessity on the one hand, and the opposition between freedom and guilt on the other. The highest and most genuine opposition between freedom and necessity is, according to Schelling, the fundament for defining the possibility of human freedom as the capacity of good and evil. For Kierkegaard, the opposition between freedom and guilt is not “the highest and most genuine” – this would rather lie between sin and faith – but it is in relation to guilt that freedom can be conceived as real experience, and the reality of freedom can be defined as “possibility for possibility”.³³ The difference between defining human freedom from its possibility as capacity of good and evil and defining freedom from its reality as possibility for possibility is very central. The vocabulary of the possible is in both Schelling and Kierkegaard very decisive. Kierkegaard aims to distinguish freedom from force, and in doing so he also hints at the necessity of distinguishing possibility from its metaphysical meaning of possibility for reality. He defines
ved sig selv, og hvis Skylden bliver sat virkeligen, sætter den ved sig selv. Hvis man ikke paaagter dette, har man aandrigt forvexlet Frihed med noget ganske Andet, med Kraft”. Kierkegaard 1997b, 381: “Hvo har galmet, at Naturphilosophien fandt dette Selviske i hele Skabningen, fandt det i Stjernernes Bevaegelse, der bestandig dog bandtes i LYdighed under Universitets Lov; at det Centrofugale i Naturen var det Selviske. Naar man først har bragt et Begreb saa vidt, da kan dette gjerne gaae hen att laegge sig, for om mulig at sove Rusen u dog blive aedru igen”. Here we can read an indirect but very clear reference to Schelling’s Naturphilosophie. Kierkegaard 1997b, 363: “Begrebet Angest seer man næsten aldrig behandlet i Psychologien, jeg maa derfor gjøre opmærksom paa, at det er aldeles forskjelligt fra Frygt og lignende Begreber, der referere sig til noget bestemt, medens Angest er Frihedens Virkelighed som Mulighed for Muligheden.”
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the reality of freedom as possibility for possibility and introduces the existentialism of existence, so to speak, in contrast to Schelling’s metaphysics of existence. At stake in Kierkegaard’s line of argument is the contrast between individual existence in its way of existing and individual existence grasped as the event of finitude as such. His departing point is the “individual leap” that cannot be traced back to original sin, that is, to the eruption of finite existence in the realm of infinite becoming. The individual, the enskilde, is a qualitative leap in which the discontinuity represented by the unique is a real rupture, an unredeemable rupture that is only redeemed by grace. The drama in Kierkegaard is therefore the drama of individual existence rather than the drama of the absolute. It is the drama of the grounded rather than the drama of the grounding, or, the drama of the creature rather than the drama of the creator, so to speak. This is what he criticizes most in Schelling. It is the drama of “existing subjectivity”, of existing individual existence and therefore the drama of modern self-consciousness, and not of self-becoming as consciousness. Anxiety, the reality of freedom as possibility for possibility, is the drama of modern self-consciousness, a consciousness that is already from the beginning entangled in what Schelling called the anger of evil, the hunger of selfness, the anger that breaks through when human existence puts itself as ground for all life as “the inverted God”, refusing the groundlessness of life. For Kierkegaard, the task is not to win back, as it is for Schelling, the balance of forces in which finite existence discovers itself through Gesinnung, as the inverted image of infinite becoming the image in which the divine balance of forces reveals itself in its contrary. The task is rather to envisage the existential dimension of this change in which individual self-consciousness breaks down to such an extent that the life of the enskilde, of the singular, a life redeemed from conscious self-justification, can break through. What Kierkegaard resents in Schelling’s accounts of human freedom is the account of the existential solitude of human existence, its need for choosing to choose to take upon itself its own situation, the situation of individual self-consciousness tormented by justification and guilt. Guilt, not necessity, is the problem, Kierkegaard claims, because anxiety is both anxiety about good and about evil, that is, the movements where individual existence can discover itself as the possibility for singular life and therefore becomes either anxious about evil or able to recover itself from the anger of self-consciousness, which is the anger of inneslutenhet, self-closeness, being moved instead by the anxiety about the good. If, for Schelling, evil comes from finitude, when elevated to self-
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hood or selfishness evil for Kierkegaard is rather the demonic,³⁴ understood as selfness’ drawing together within itself. It is self-closeness, non-freedom imprisoning itself, refusing communication or revelation, because revelation, says Kierkegaard, is communication.³⁵ In its self-closeness and incommunicability, the demonic is anxiety about the good, it is a lack of content and the very plenitude of boredom, a discontinuity that negates the reality of the self as split. Kierkegaard claims that individual existence as self-consciousness must still discover itself as anxiety, as the possibility of a qualitative leap that can only happen when self-consciousness breaks down. Only at the extreme of existence, existence becomes transparent for itself as the possibility for possibility³⁶. The “qualitative leap” is a leap from the tendency to self-closeness that selfconsciousness always enacts. Self-consciousness, the fundamental meaning of individual subjectivity, tends to increase monological self-closeness while seeking to negate the split of the self (self as becoming) and to determine itself as ground for all life. While this self-affirmation as ground is usurpation, self-consciousness is the same as a tormented search for the grounds for life. The stages of the aesthetic, ethical and religious can be considered as degrees of intensity in which the relation between grounding and choosing are gradually “disconstructed”, so to speak, where the logic of grounds appears as less and less able to grasp the radicality of existential choices. In the three stages the question is indeed the relation between having to choose and not being able to choose. The most radical moment of this tension appears when another kind of choice, the choice to not choose, the choice to listen to the voice of God, the impossible choice, to choose what can never be chosen but only accepted, namely grace, the religious stage, breaks through. Kierkegaard argues that self-consciousness redeems itself from the guilt of consciousness, e. g. from the guilt of human freedom when it accepts to accept, and in this sense the greatest human freedom would be to sacrifice freedom and thus to reach the domain that is no longer possible to choose. Non-choice, as Jean Wahl formulated it, appears here as superior to choice.³⁷ The greatest human freedom would then be the possibility of choosing not to choose, being reached by grace, by transcendence. Insofar as
Schelling also discusses the “demonic” in the Freedom Essay, see Schelling 1997, 52 or Schelling 1856 – 61, 380. Kierkegaard 1997b, 425 s: “Friheden er bestandig communicerende (selv om man vil tage et Hensyn til den |religieuse Betydning i Ordet, gjør det ingen Skade), Ufriheden bliver mere og mere indesluttet, og vil ikke Communicationen”. The radical character of this existential position inaugurated by Kierkegaard will be acknowledged and unfolded by Heidegger in his project of a fundamental ontology. Wahl 1969: “The third triad”.
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human freedom is related to choice and choice to grounding and justification, the experience of the “instant” in which human existence accepts to accept and chooses not to choose is the moment where the ground of life appears as having no grounds. Here, in this instant, ground appears as groundless. From Kierkegaard’s standpoint, Schelling’s accounts of human freedom fail to grasp both the transcendence of transcendence and the existentiality of existence. For him, Schelling ignores a description of existing finitude as a finitude which has to shoulder the guilt of consciousness, that is, to experience the breaking down of conscious self-closeness as well as the demoniac or Mephistophelean character of self-consciousness, to such an extent that the groundlessness of the ground of life can break through and singular life can live in correspondence with this grace. He blames Schelling for holding an aesthetic view, as already observed, when projecting upon nature human freedom. However, if Schelling’s view is, as we are claiming, tragic, we could infer that Kierkegaard blames Schelling for having a tragic, even if in a modern sense, view of human freedom. But does Kierkegaard’s determination of the reality of freedom as possibility for possibility not comprehend a sense of the tragic? In fact, not only Schelling’s Treatise on the Essence of Human Freedom, but also Kierkegaard’s Concept of Anxiety could be read as a contribution to a theory of the tragic. In these works we are dealing with the fundamental tragic categories described by Aristotle in his Poetics, such as hamartía (the problem of evil), sin, fault; peripéteia, instant, suddenness, lightning, leap; anagnôrisis, consciousness, guilty, Gewissen, Gewissenhaftgkeit, Entschlossenheit, Antigen/Eller, choice; pathos, moods and passions, fear, compassion and anxiety, and katharsis, reconciliation, redemption, salvation, and last but not least the endeavor of the fragmentary and of the caesura as constitutive for finite existence. But not only that, in these works we are dealing with a transformation of the understanding of the tragic that does not simply try to elevate the opposition between ancient tragedy and modern tragedy defined on the basis of a discussion with Christianity. In both Schelling and Kierkegaard, we find a profound discussion about the necessity of overcoming Hegelian dialectics and even dialectics as such in order to grasp the tragedy of freedom and the freedom of tragedy.
Kierkegaard’s concept of the tragedy of freedom Just as we can and should read Schelling’s Treatise on the Essence of Human Freedom in connection to his thoughts on the nature of the tragic, Kierkegaard’s Concept of Anxiety could be brought in connection with Either/Or and in particular to the third essay of the first part, entitled “The Tragic in Ancient Drama re-
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flected in the Tragic of Modern Drama”.³⁸ These texts have a different nature, character and purpose but they share what is usually called Kierkegaard’s “psychological perspective”. In this essay in Either/Or, we find a theory of the tragic that converges on several points with Schelling’s own theory on the sublimity of the tragic and the distinction he makes between ancient and modern tragedy³⁹. A fundamental common trait is the one of seizing tragedy as “fragmentary endeavour”. Of most interest is Kierkegaard’s own Antigone, which represents an existential drama of self-consciousness that allows us to consider it an existential version of Sophocles’ Antigone, exposing the tragic of existence. Here some hints about the possibility of speaking about a Christian sense of the tragic can be found that point toward a concept of the tragic beyond the romantic and idealistic attempts to ground a modern sense of the tragic. Similarly to Schelling, Kierkegaard distinguishes the modern tragic from the ancient, combining modern tragic with comedy. Comedy defines the tendency of modernity, the tendency to the ridiculous when the individual appears as its own caricature in isolation, as a number and thereby as a matter of indifference. If in tragedy, the individual is individual precisely for being an example of the universal (family, history, destiny, fate), in comedy the individual is individualized, isolated and therefore a caricature of his individuality. “All isolated individuals always become comic by asserting their own accidental individuality in the face of evolutionary necessity.”⁴⁰ Kierkegaard describes “our age”⁴¹ as an age that, in contrast to Greece, is much more melancholic because it is able to discover that there is something like responsibility when every one, as an individual, wants to rule but not to be responsible. The fundamental trace of the ancient world, insists Kierkegaard, is that “subjectivity was not fully conscious and reflective.”⁴² Its individuality was dependent on “substantial categories” such as state, family and fate. The downfall of the ancient tragic hero is suffering, in the sense that he suffers his fate, whereas the downfall of the modern tragic hero is his own action. Here “the hero stands and falls entirely on his own deeds.”⁴³ Kierkegaard also insists that this difference becomes clearer in relation
Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004. See also the discussions on the tragic in Kierkegaard 1845, for English version see Kierkegaard 1988. Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004, 142. The definition of Modernity and “our age” can be found in the very inspiring Literary Review written by Kierkegaard 1845 of Thomasine Christine Gyllembourg-Ehrenswärd’s novel a Story of Everyday Life, published as: Kierkegaard 1978. Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004, 142. Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004, 142.
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to the different kinds of guilts. The ancient Greek notion of guilt, hamartia, is inbetween activity and passivity; we can complement Kierkegaard and define it as medial guilt, insofar as the activity is in itself a passivity and vice-versa. Modern guilt is, on the contrary, Kierkegaard argues, the guilt of an individual entirely left to himself, a guilt that therefore becomes “ethical”. The tragic hero becomes bad and evil and as such he becomes the real object of tragedy. Kierkegaard opposes ancient tragic to modern and characterizes modern tragedy as fundamentally ethical. In this sense, the ancient tragic is considered as the tragedy of opposing the ethical. Kierkegaard opposes further the sadness of ancient tragic to the sorrow of modern tragic, which is closer to the “profound sorrow and profound joy of religion”⁴⁴ thus “only when the individual has the tragic he becomes happy.”⁴⁵ In his discussions, Kierkegaard alludes to Hegel, developing his own theory while taking a critical distance to him. There is no reference to Schelling in this writing, but the view on the tragic-comic nature of modern tragedy as well as the affirmation of tragedy as “life larger than life” and life after life connects Kierkegaard’s theory of the tragic with some important aspects of Schelling’s standpoint.⁴⁶ The most significant touching point between them is how they center the question of tragedy to the coming into finitude of infinite live, and therefore how they understand finitude. It is, however, in regard to their understanding of infinitude that they most differ. Differing form Schelling by departing from the identity between freedom and necessity, Kierkegaard changes the focus from the pathos provoked by tragedy upon the spectator to the notion of guilt from which the tragic moods can be understood. Focusing on the tragic relation between necessity and guilt, Kierkegaard proposes a distinction between sorrow and pain – sorrow as the ancient tragic pathos and pain as the modern. This distinction is closely related to another one proposed in The Concept of Anxiety between an ancient and modern understanding of the instant, Øieblikket⁴⁷. Pain expresses a reflexivity that sorrow does not know about.
Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004, 145. Kierkegaard 1997a, for English version see Kierkegaard 2004, 144. About the implicit reference to Schelling in Either/Or and Kierkegaard’s possible or not reading of Schelling’s thoughts about art, see Olesen 2003, 67– 73 s, in: Hennigfeld / Stewart 2003. In Begreb Angst, Kierkegaard 1997b, 390. Kierkegaard distinguishes here between an “abstract” concept of the instant such as formulated by Plato as “invisible” and the Modern one embodied by Ingeborg looking at the sea in the search for Frithiof, seizing with the eyes the untimely nature of time itself. For Plato, the instant is invisible whereas for modern view, pervaded by the spirit (what ancient Greeks did not know about) as consciousness, the instant is untimely. Jonna Hjerström Lappalainen made an inspiring interpretation of this passage and of
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The difference is exemplified by Kierkegaard in a child staring at the suffering of an old person and an old person staring at the suffering of a child. We can recall here two paintings by Edward Munch that elucidate this difference between sorrow and pain discussed by Kierkegaard. In the first one we see the child before the dead mother and in the other the mother before the dying sick child.
Fig. 1 Den døde mor og barnet (1897 – 1899) (Munch-museet, Oslo). Source: Archive of the author.
Fig. 2 Det sjuka barnet, The sick child (1907) (Thielska Galleriet, Stockholm). Source: Archive of the author.
the modern understanding of the instant embodied in Ingeborg’s gae as openness and acceptance. See Lappalainen 2009.
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In the first, we see sorrow and innocent self-disclosure; in the second, pain and reflective self-closeness, and this could be a way to look at these paintings from a Kierkegaardian perspective. The more innocence, the deeper the sorrow; the more reflection, the deeper the pain. True tragic sorrow, as in Ancient tragedy, requires an element of transparency; tragic pain requires, in its turn, an element of opaqueness. In tragic pain, human existence appears as “fragmentary extravagance” and when this assumes an overwhelming historic dimension as in modernity, another sense of the tragic is needed: what is needed is a sense of the tragic that exposes “essays in the fragmentary endeavor”⁴⁸, something that Kierkegaard also called the art of writing “posthumous papers”⁴⁹ or “ruins” as the art of becoming present in the past and not of simply letting the past remain present. He subsequently proposes a sense of tragedy whose fundamental mood is anxiety rather than sorrow or pain: “Anxiety is a genuinely tragic category”⁵⁰ insofar as it is a phenomenon of reflection, the mood of self-consciousness. “Anxiety”, says Kierkegaard, “is the organ through which the subject appropriates sorrow and assimilates it (…), it is the energy of the movement by which sorrow bores its way into the heart (…), not swift like the arrow’s, but gradual, not a once and for all but in constant becoming.”⁵¹ Anxiety, he continues, begins nevertheless suddenly, positing the whole sorrow in the here and now, always involving a reflection on time as what continuously withdraws. We can never be anxious about the present, only about past and future, or only about the absenting way that time gives itself to awareness. In anxiety, past and future are so tied up that the “present vanishes”, opening up nothingness as its ground. The tragic mode of “our age” can be performed in another Antigone, Kierkegaard claims. His Antigone is a strange mixture of the old Antigone and the bride of God that is the mother of Christ. She is a virgo mater, a silent and “secretive” Antigone, a “self-withdrawal, implicit in silence, makes her larger than life.”⁵² “Our age” appears here as a “larger-than-life age”. Kierkegaard’s Antigone is the tragedy of a life that lives insofar as it is over. It is the tragedy of a life after life, of a life larger than life, a clandestine life that does not belong to the world. She is the tragedy of a withdrawn and hidden life. When Kierkegaard rewrites Antigone he recalls the hidden presence of Antigone’s father. Antigone is Oedipus’ daughter and, unfolded through anxiety, in this modern version of the tragic Antigone bears Oedipus’ destiny in her own destiny. She, the daughter
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1997a, 1997a, 1997a, 1997a, 1997a,
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Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
2004, 150. 2004, 151. 2004, 153. 2004, 152– 153. 2004, 152– 153.
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of Oedipus, coincides with the mother of Christ; thus for Kierkegaard, Christ himself is the coincidence of absolute innocence and absolute guilt, the experience in which absolute action and absolute suffering is revealed. The suffering of Christ is absolute because his action is absolutely free; and the action of Christ is absolute because his suffering is absolute necessity. It is obedience and not heritage, just as in ancient tragic guilt. Antigone performs the tragedy of obedience in the etymological sense of ob-audire, of listening to withdrawing sounds of the past, of “re-echoing the sorry fate of Oedipus.”⁵³ She never talks about the father, but the father is always in her thoughts – this never saying but always thinking, this self-closeness of thought that denies communication, is her painful secret. While Oedipus the father lived, she knew about his fate but she lacked the courage to confide in her father. She carried this knowledge as a secret. When the father died she remained alive with this secret, the secret of already knowing but also of not knowing whether her father knew about his guilt. She knew everything but in this knowledge there was still an ignorance “which can always keep sorrow in motion, always transform it into pain.”⁵⁴ She loves her father more than herself and is drawn out of herself and into her father’s guilt. Antigone enacts “alienation from mankind”⁵⁵, a life “constantly at odds with her external surroundings.”⁵⁶ She is a “helpless alien, lodged with neither mortal man nor corpse, not with the living nor yet with the dead”⁵⁷, an unreality that is real pain. Kierkegaard’s Antigone bears in the heart her secret – the secret of not knowing if the father knew his fate – “like an arrow which life has driven constantly in, deeper and deeper, without depriving her of life, for as long as it remains in her heart she can live. But the moment it is drawn out she must die.”⁵⁸ She bears the arrow of anxiety in her heart, the arrow of the demonic self-closeness of self-consciousness or reflection, the arrow of a secret, the secret of domination. Kierkegaard’s Antigone is a strange bride; she knows not any man but she is a bride. She is not the sister but the daughter, the daughter of the dead Oedipus; she is the bride of her dead father’s recollection, she is the bride of her father’s sorrow, of his memory, she has “as much guilt” as her father, insofar as she is the incest of reflection.
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1997a, 1997a, 1997a, 1997a, 1997a, 1997a,
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Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
2004, 154. 2004, 158. 2004, 158. 2004, 158 – 159. 2004, 156. 2004, 161.
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In Kierkegaard’s Antigone, self-consciousness presents the guilt of self-closeness, inneslutenhet, refusal of openness, the demonic force of reflection. But the tragic conflict appears when she falls in love with a living person, when she is touched by the life of the livings, when the demonic is touched by the goodness of life beyond grounds. In love, she is compelled to tell, to say “thou” and to accept the groundless abundance of life. But she cannot; she is imprisoned in the non-freedom of self-consciousness, in the non-freedom of searching for grounds, for not being able to forget. Only in the moment of her death, in the moment of becoming entirely unable to belong to the beloved, can she say that she belongs to him. She speaks but we don’t hear her. Kierkegaard’s Antigone is intended to stage the tragedy of anxiety, the tragedy of the reality of freedom as possibility for possibility, a tragedy where the opposition between necessity and guilt defines the “reality of freedom”. The reality of freedom is anxiety, Kierkegaard insists, and to seize human freedom as anxiety means to be able to differentiate necessity from guilt. The most elevated in freedom is that it only has to do with itself, that only freedom imprisons freedom, that freedom in its possibility projects guilt rather than reflects it or upon it. When this is not the case, freedom is confounded with force, says Kierkegaard.⁵⁹ The opposition between freedom and guilt shows on the one hand the reality of freedom, that freedom cannot exist in abstracto, but only as reality. It shows further that freedom is infinite, coming from nothing⁶⁰, being without reason or ground. According to him, it is guilt and not necessity that introduces the quest for a reason or ground for freedom: It is guilty that claims a questioning about the why and the ground of freedom when making good and evil as object of freedom. Kierkegaard insists that to consider the object of freedom as good and evil is to make both freedom and the concepts of good and evil finite. To consider man’s guilt a necessity is an attempt to transform the “circle of the leap” (språngets cirkel) into a right line, and thereby to transform the groundlessness of freedom into a grounded freedom, into a freedom with a why, and further to neglect the distinction between sin and guilt, not perceiving how sin is a way of relating to guilt. Guilt is the reality in which finite, individual existence grasps itself as finite individuality and individual finitude, as non-freedom and thereby as in principle related to freedom. Guilt is the non-free relation to freedom’s infinite groundlessness that defines finitude and individuality. This shows itself in anxiety having two opposed directions, anxiety for the evil and anxiety for the good. In the Concept of Anxiety, the “anxi-
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ety for the evil” describes in some general terms the condition of singularity, of the enskilde, the sin of singularity, so to speak. Kierkegaard names here Schelling, en passant, criticizing him for thinking the singular from an idea of genius, of the exemplariness of the singular example.⁶¹ In the section that follows this discussion, “anxiety about the good” is described as the demonic and individuality as will to self-closeness, to “inneslutenhet.” In these two dimensions of anxiety, anxiety for the good and for the evil, that is, of the experience of finitude, we can read a distinction between awareness of finitude as singularity and awareness of finitude as individuality, a distinction that corresponds to the way finite existence can face infinite freedom, freedom’s groundlessness. The most central question entangled in this whole discussion is how human freedom means freedom towards freedom’s groundlessness, and how in this towardness human existence can encounter the limits of the human and thereby the divine. From Kierkegaard’s position, to consider as Schelling does the opposition between freedom and necessity as the highest and genuine opposition means on the one hand to keep the tension between humanity and divinity unsolved, and on the other to admit a “barbaric principle” – nature – in God, i. e., a “passionate God”. To assume that the opposition between freedom and guilt is the highest and most genuine, as Kierkegaard does, means admitting salvation and thereby a reunification of humanity and divinity by means of grace, beyond dialectics. In this respect, Schelling’s view on the tragic is very close to Hölderlin’s, where human existence appears as the placeless place where divinity reveals itself in its own withdrawal.⁶² This would be the endeavor of the fragmentary. For Kierkegaard, this would be revelation nevertheless, and therefore redemption of evil and finitude in fragmentary endeavor. Without aiming to “give reason” to one or to the other, the discussion here initiated about the tragic dimension of human freedom in both Schelling and Kierkegaard points toward the need for deepening the question about the tragic as the question about the freedom of groundless existence, about the abyss of God and last but not least about the fragmentary endeavor and the endeavor of the fragmentary constitution of finite human existence.
Kierkegaard 1997a, 117. For a discussion about Schelling, Hölderlin and Heidegger, and about tragedy and evil see Françoise Dastur 2010: “Tragedy and evil: from Hölderlin to Heidegger”, in: Hirvonen / Porttikivi 2010, 31– 41, and also my own contribution: “Interrupting evil and the evil of interruption: revisiting the question of freedom”, in: Hirvonen / Porttikivi 2010, 41– 57.
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‚Das Reich der Wirklichkeit ist nicht vollendet‘ Kierkegaard als Hörer Schellings und Kritiker Hegels „[D]as Reich der Wirklichkeit ist nicht vollendet“¹ – so notiert Kierkegaard Dezember 1841 in seinem Mitschrieb der 18. Vorlesung von Schellings Berliner „Philosophie der Offenbarung“. Es ist im Folgenden die leitende These, dass diese Konzeption einer unabgeschlossenen und vom Begriff uneinholbaren Wirklichkeit denjenigen Ort bezeichnet, an welchem Kierkegaard Schellings Spätphilosophie und zugleich dem deutschen Idealismus überhaupt am nächsten steht. Es gilt zu zeigen, dass Kierkegaards Analyse der konkreten Existenz in einer zentralen Hinsicht von Schellings Berliner Vorlesung 1841/42 inspiriert und beeinflusst ist; näher: von der Fundamentaldifferenz zwischen einer Sphäre des Denkens im Modus der Möglichkeit und einem ‚Reich‘ der Wirklichkeit, die in ihrer Unabgeschlossenheit und Faktizität dem bloßen Denken entzogen bleibt. Kierkegaard schließt insbesondere darin an den späten Schelling an, dass er diese Differenz – wie bereits Schelling selbst in seiner Berliner Vorlesung – kritisch gegen Hegel wendet. In der Nachfolge Schellings lautet der zentrale und gedoppelte Einwand Kierkegaards gegen die hegelsche Philosophie, dass diese sich einerseits einer ‚Sphärenvermengung‘ schuldig mache, indem sie Aspekte des ‚Reichs der Wirklichkeit‘ in das Logische (also die Denksphäre des bloß Möglichen) aufnehme;² eben damit bleibe zugleich andererseits die Faktizität wirklicher Existenz in ihrem Eigenrecht unterbestimmt. Gerade dort allerdings, wo Kierkegaard dergestalt dem Idealismus am nächsten steht, sofern er Schellings später (Selbst‐)Kritik eines einseitigen Idealismus folgt, lässt sich auch die Abstoßungsbewegung lokalisieren, durch die Kierkegaard den Horizont der klassischen deutschen Philosophie im Ganzen verlässt. Kierkegaard schreibt nämlich keineswegs einfach die schellingsche Fundamentaldifferenz fort, er transformiert sie vielmehr in grundlegender Weise: Die dem begreifenden Zugriff entzogene ‚Wirklichkeit‘ meint bei Kierkegaard die einzelne, je konkrete und mithin ethische Existenz³ – den Existierenden in seiner
Not11:18 (DSKE 3, 359 / SKS 19, 327). Vgl. zu dieser Kritik Hühn 2009, bes. 137– 141. Der Begriff des ‚Ethischen‘ verweist in diesem Zusammenhang nicht auf eine spezifische ethische Konzeption, etwa die ‚ethische Existenzform‘ aus Entweder/Oder. In Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift meint ‚ethisch‘
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uneinholbaren Singularität und seinem undelegierbaren Interesse für die eigene Existenz.⁴ Während bei Schelling der Begriff der Wirklichkeit für eine zweite, ‚positive‘ Philosophie einsteht, welche die erste, ‚negative‘ Philosophie in einem wesentlichen Sinne ergänzt und vollendet, so ist ‚Wirklichkeit‘ bei Kierkegaard der Grenzbegriff seiner Existenzphilosophie: ‚Wirklichkeit‘ ist nicht im eigentlichen Sinne ein ‚Gegenstand‘, der in der Philosophie abzuhandeln wäre; sie ‚ist‘ vielmehr nur im praktischen Vollzug der jeweiligen und singulären Existenz selbst. Mit dieser Akzentverschiebung sprengt Kierkegaard die Klammer, die bei Schelling beide ‚Reiche‘ – trotz aller Insistenz auf ihrer Trennung – noch zusammenhält. Zugleich suspendiert Kierkegaard ausdrücklich den idealistischen Anspruch eines wissenschaftlichen Systems, der noch für Schellings spätes Denken verbindlich bleibt.⁵ Mithin verschärft und vertieft Kierkegaard den schellingschen Hiatus: Die Existenzwirklichkeit des Einzelnen ist dem Begreifen schlechthin entzogen, eine ‚Versöhnung‘ des Denkens mit der Wirklichkeit erscheint im existenzphilosophischen Horizont als unmöglich. Entsprechend gibt es für Kierkegaard in letzter Instanz weder ein reines Denken im Modus der Möglichkeit – Schellings ‚negative Philosophie‘ – noch auch ein wissenschaftliches Denken des Wirklichen, das Schellings ‚positiver Philosophie‘ entspräche. Die spezifisch nachidealistische Denkform Kierkegaards ist vielmehr die Doppelbewegung der Zweideutigkeit: eine Philosophie, die auf den ihr entzogenen Bereich des Wirklichen zwar hindeutet und ausgreift – zugleich aber die Inkommensurabilität dieser Sphäre für den Begriff beständig vor Augen hat und sich so notwendig zurücknehmen muss. In dieser doppelten Bewegung von Hindeutung und Selbstzurücknahme zeigt sich die Signatur von Kierkegaards indirekter Methode.⁶ Diese spannungsreiche Konstellation von Anknüpfung und Abstandnahme, von Nähe und Differenz zwischen Kierkegaard und Schelling gilt es im Folgenden zu entfalten. Dabei versteht sich die Untersuchung als exemplarische Analyse von Kierkegaards Verhältnis zum deutschen Idealismus. Sie zeichnet einen bestimmten Ausschnitt dieses vielschichtigen Verhältnisses nach, welches im Ganzen als spannungsreiche Doppelgestalt von kritischer Abstandnahme und
vielmehr das je einzelne (menschliche) Existieren als solches; vgl. die zitierten Passagen unten, III.2. Heidegger spricht übrigens anlässlich dieser Verschiebung von einer ‚Einschränkung‘ des Begriffs der Existenz; vgl. Heidegger 1998, 433 u. 435. Vgl. Schellings Ausführungen zum Systembegriff in der ersten Stunde der Berliner Vorlesung, SW XIV, 364 f. – Diese Vorlesung ist separat gedruckt worden; Kierkegaard hat sie besessen, vgl. Ktl. 767. Vgl. dazu im Ganzen Schwab 2012.
‚Das Reich der Wirklichkeit ist nicht vollendet‘
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produktiver Aneignung aufzufassen ist.⁷ Zweifelsohne schließen eine Vielzahl von Kierkegaards Begriffen und Denkbewegungen an die klassische deutsche Philosophie an und sind nur vor diesem Hintergrund angemessen zu verstehen. Zum einen aber übernimmt Kierkegaard kaum jemals direkt die Begrifflichkeit des Idealismus, sondern eignet sie sich verwandelnd im Horizont seines eigenen denkerischen ‚Projekts‘ an – eben der Analyse konkreter und singulärer Existenz. Zum anderen steht auch diese verwandelnde Aneignung in beständigem Zusammenhang mit Kierkegaards Kritik idealistischen Denkens, die unmittelbar seinem denkerischen Ansatz entspringt: Der zentrale Vorwurf Kierkegaards an das idealistische Denken im Ganzen lautet, dass es in seinem Anspruch auf spekulative Erkenntnis des Absoluten die konkrete Existenz ‚übersehen‘ oder ‚vergessen‘ habe. Es wird zu zeigen sein, dass diese Kritik auch Schellings späte Philosophie noch mit einbegreift. Indem der folgende Versuch auf Kierkegaards Anschluss an und Abstandnahme von Schelling fokussiert, muss er andere Aspekte notwendig zurückstellen. Dies gilt insbesondere für Kierkegaards Verhältnis zu Hegel. Was die kritische Auseinandersetzung mit Hegel im Ganzen betrifft, so wäre einerseits, neben der Inspiration Schellings, der Einfluss weiterer ‚Gewährsmänner‘ zu berücksichtigen, insbesondere der Trendelenburgs.⁸ Andererseits wäre auch die ‚Vermittlungsfunktion‘ des dänischen Hegelianismus der 1830er und 1840er Jahre in den Blick zu nehmen – hat doch die neuere Forschung in einer Vielzahl von Fällen zeigen können, dass Kierkegaards Hegel-Kritik unmittelbar durch seine dänischen Zeitgenossen veranlasst ist.⁹ Schließlich hätte eine differenzierte Diskussion von Kierkegaards Verhältnis zu Hegel auch die affirmativen Bezugnahmen zu würdigen, die sich – entgegen der Tendenz der älteren Forschung, einseitig die Kritik und Differenz zu akzentuieren¹⁰ – durchaus nachweisen lassen, insbesondere im frühen Werk. Diese Aspekte kommen im Folgenden nur am Rande und insofern in den Blick, als sie die leitende Linie der Untersuchung zu beleuchten vermögen.¹¹ Die Darstellung gliedert sich in drei Schritte. Der erste Teil widmet sich Kierkegaards Mitschrift zu Schellings Vorlesung 1841/42 in Berlin und den dazugehörigen Dokumenten. Die Interpretation vollzieht sich bereits im Blick auf Kierkegaards eigenes Werk: Sie soll diejenigen Aspekte in Schellings Denken
Vgl. ausführlicher Hühn / Schwab 2013, hier bes. 62– 65. Vgl. hierzu und für einen Überblick über die Literatur González 2007. Vgl. bes. Stewart 2003. So bes. Thulstrup 1972; vgl. zur Kritik nochmals Stewart 2003. Vgl. dazu auch Hühn / Schwab 2013, hier 65 –80. Die dortige Darstellung orientiert sich ebenfalls am Begriffspaar von Wirklichkeit und Möglichkeit, bearbeitet aber einen weiteren Bereich, sofern sie Kierkegaards ambivalentes Verhältnis zu Hegel stärker mit einbezieht.
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herausarbeiten, an die Kierkegaard später anschließt; dabei antizipiert sie zugleich axial die Transformation, die Schellings Gedanke in Kierkegaards Horizont erfährt (I). Im zweiten Schritt gilt es, einem tatsächlichen Einfluss der SchellingVorlesung auf Kierkegaards Werk nachzuspüren, indem die Untersuchung eine denkerische Verschiebung herausarbeitet, die zeitlich mit dem Berlin-Besuch 1841/42 einhergeht. Dazu nimmt die Interpretation die 1841 vor der Berlin-Reise fertig gestellte Magister-Dissertation Über den Begriff der Ironie in den Blick und kontrastiert sie mit Kierkegaards nächstem Werk Entweder/Oder von 1843 (II). Zum vollen Austrag kommt Kierkegaards ambivalente Bezugnahme auf Schelling aber erst in den folgenden Schriften, insbesondere im Begriff Angst (1844) und der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift (1846). Im dritten Schritt soll daher anhand dieser beiden Werke zur Klarheit gebracht werden, inwiefern Kierkegaard Schellings Fundamentaldifferenz aufnimmt, sie aber zugleich verwandelt. Dabei gilt es auch zu zeigen, wie Kierkegaard seine indirekte Methode in der Terminologie von Wirklichkeit und Möglichkeit formuliert (III).
I Kierkegaard als Hörer von Schellings Vorlesung 1841/42 Einen knappen Monat nach der Verteidigung seiner Magister-Dissertation Über den Begriff der Ironie am 29. September 1841 reist Kierkegaard nach Berlin, um dort ab dem 15. November Schellings Antrittsvorlesung über die „Philosophie der Offenbarung“ zu hören. Dass Schelling ein wesentlicher Grund für diese Reise gewesen ist, geht aus einem Brief an den Bruder hervor, den Kierkegaard im Februar 1842 nach Kopenhagen sendet: „Hätte Schelling nicht in Berlin gelesen, wäre ich nicht fortgegangen“.¹² Die Erwartung, die Kierkegaard mit der Vorlesung Schellings verbindet, lässt sich durch einen kurzen Notizbuch-Eintrag beleuchten, den er etwa ein Jahr zuvor, im Sommer/Herbst 1840, niederschreibt: „Die Anschauung scheint sich immer mehr geltend zu machen, dass Hegel eine Parenthese in Schelling ist, und man wartet bloß darauf, dass sie geschlossen wird“.¹³ Da die Notiz selbst äußerst knapp ist und sich in den Aufzeichnungen dieser Zeit keine weiteren Erläuterungen finden, bleibt offen, auf welche Kenntnis von Schellings Philosophie Kierkegaard sich stützt und worauf die Rede von einer
B, 105 / B&A I, 110. Not5:18 (DSKE 3, 195 / SKS 19, 185).
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‚Parenthese‘ im Einzelnen Bezug nimmt.¹⁴ Deutlich wird aber in jedem Fall, dass Kierkegaards Erwartung an die späte Philosophie Schellings sich insbesondere auf dessen Verhältnis zu Hegel richtet. Wenigstens zu Beginn seiner Vorlesung scheint Schelling Kierkegaards Erwartung voll und ganz erfüllt zu haben. Wohl kurz nach der zweiten Stunde (vom 18. November 1841) notiert Kierkegaard: Ich bin so froh darüber, Schellings 2. Stunde gehört zu haben – unbeschreiblich. So habe ich dann lange genug geseufzt und die Gedanken haben in mir geseufzt; als er das Wort: „Wirklichkeit“ sagte, über das Verhältnis der Philosophie zur Wirklichkeit, da hüpfte die Frucht des Gedankens in mir vor Freude wie in Elisabeth [vgl. Luk. 1,41]. Ich erinnere mich an fast jedes Wort, das er von dem Augenblick an sagte. Hier vielleicht kann Klarheit kommen. Dieses eine Wort, das mich an all meine philosophischen Leiden und Qualen erinnerte. […] Jetzt habe ich all meine Hoffnung auf Schelling gesetzt […].¹⁵
Es ist der Begriff der Wirklichkeit und zugleich die Frage nach dem Verhältnis der Philosophie zur Wirklichkeit, die offenkundig Kierkegaards Interesse auf sich ziehen und von ihm geradezu enthusiastisch aufgenommen werden – und in der Tat ist dieser Zusammenhang für seine Anschlussnahme an Schelling zentral. Bereits dieser Notiz lassen sich allerdings vorab zwei Eigentümlichkeiten von Kierkegaards Rezeption ablesen. Einerseits nämlich zeigt sich eine spezifische Beschränkung oder Konzentration der Aufmerksamkeit. Zwar verweist die Notiz auch auf Schellings weitere Erläuterungen, sie werden aber nicht im Einzelnen genannt – augenscheinlich ist die Frage nach der Wirklichkeit der für Kierkegaard wesentliche Punkt. Seine Begeisterung bezieht sich vornehmlich auf das von Schelling angesprochene Thema und weniger auf dessen konkrete Entfaltung. Zu beachten ist dabei, dass Schelling offenbar das Verhältnis von Philosophie und Wirklichkeit am Ende der zweiten Vorlesungsstunde nur angezeigt hat – während die nähere Ausführung erst den folgenden Stunden angehört. Die Erläuterung Schellings, die Kierkegaard diesbezüglich aus der zweiten Vorlesungsstunde notiert, ist auch in den übrigen Mitschriften sehr knapp.¹⁶ Zugleich wird andererseits schon hier deutlich, dass Kierkegaard sich Schellings Gedanken aneignet. Indem es nämlich heißt, Schellings ‚Wort‘ habe ihn an seine eigenen ‚philosophischen Leiden und Qualen‘ erinnert, zeigt sich,
Diese Eintragung macht Olesen zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung von Kierkegaards Kenntnis Schellings vor seinem Berlinbesuch, vgl. Olesen 2003, 2– 33. Not8:33 (DSKE 3, 252 / SKS 19, 235) [Übers. leicht mod.]. Mit der ἐπιστήμη τοῦ ὄντος beginnt laut Kierkegaards Mitschrift bereits die dritte Stunde. Vgl. Paulus 1843, 98 f. sowie Frauenstädt 1842, 354; es handelt sich jeweils nur um einen (kurzen) Absatz.
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dass Kierkegaard eine spezifische und eigene Fragestellung zu Grunde legt, auf die er Schellings Darlegung bezieht und von der her er diese beurteilen wird. In welcher Richtung aber Kierkegaard den Begriff der ‚Wirklichkeit‘ zunächst verstanden haben könnte, ist in einer Passage angedeutet, die Frauenstädts Mitschrift dieser zweiten Vorlesung notiert: „Es ist um eine Philosophie zu tun, die auf das Leben eingeht, nicht von der Wirklichkeit sich losreißt und das Wirkliche verflüchtigt“.¹⁷ Es liegt durchaus nahe, dass Kierkegaard Schellings Akzentuierung der Wirklichkeit eben im Sinne einer Lebenswirklichkeit aufgefasst hat – und mithin in der Bedeutung, die bei ihm selbst später dem Begriff der Existenz zukommt. Aus Kierkegaards Mitschrift ist nun zu entnehmen, dass Schelling in seiner zweiten Vorlesung die Grundunterscheidung seiner Spätphilosophie einführt: die Differenz zwischen dem „quid sit“, nämlich was etwas ist, und dem „quod sit“, nämlich dass etwas ist.¹⁸ Diese Fundamentaldifferenz organisiert Schellings Grundriss von zwei Philosophien im Ganzen:¹⁹ Das Was-Sein, die „quidditas“ ist allein Gegenstand der negativen Philosophie oder der „reinen Vernunftwissenschaft“; diese hat es nur mit der „Möglichkeit“, mit dem „Wesen“ zu tun.²⁰ Das Dass-Sein, die „quodditas“ aber ist erst durch die positive Philosophie gegeben, und diese hat die Wirklichkeit, oder – wie Schelling dies auch ausdrückt – die „Existenz“ zum Inhalt.²¹ Mithin setzt Schelling eine Sphärentrennung zwischen die ‚Reiche‘ des Möglichen und des Wirklichen. Die Faktizität und Existenz ist noch nicht durch den Begriff gegeben, das Wirkliche steht jenseits des bloßen Begriffs: „ein Begriff ist nämlich ausgedrückt durch quid sit, aber daraus folgt
Frauenstädt 1842, 354 [Herv. v. Verf.]. Dieser Satz hat keine direkte Entsprechung in Paulus’ und Kierkegaards Mitschrift. Not11:2 (DSKE 3, 305 / SKS 19, 305). Allerdings wird diese Zuordnung in den ersten Vorlesungsstunden noch nicht explizit vorgenommen; die zweite Vorlesung leitet allein die Darstellung der negativen Philosophie ein und soll deren Bereich vorab konturieren. Schellings Erörterung ist insofern durchaus verwickelt, als er die positive Philosophie zunächst nur abgrenzend einführt; sie wird als ‚zweite Philosophie‘ erstmals angedeutet am Ende der 6. Vorlesung (vgl. Not11:6 (DSKE 3, 338 f. / SKS 19, 310); Paulus 1843, 110) und ausdrücklich als ‚positive Philosophie‘ zuerst in der 8. Vorlesung genannt (vgl. Not11:8 (DSKE 3, 341 / SKS 19, 312); Paulus 1843, 118 f.). In der folgenden Auseinandersetzung mit Hegel wird die positive Philosophie zwar schon in Anschlag gebracht; umfänglich entfaltet ist sie aber erst ab der 17. Vorlesung (vgl. Not11:17 (DSKE 3, 357 / SKS 19, 325); Paulus 1843, 146). – Vigilus Haufniensis’ spätere Bemerkung im Begriff Angst, es sei ihm ‚weniger klar‘ gewesen, was Schelling genau unter der ‚positiven Philosophie‘ verstand, ist wohl neben anderem durch dieses Vorgehen Schellings begründet (vgl. unten, III.1.). Not11:3 (DSKE 3, 334 f. / SKS 19, 306). Not11:3 (DSKE 3, 334 f. / SKS 19, 306).
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nicht, dass ich erkenne: quod sit“.²² Dies kann auch so ausgedrückt werden, dass sich die Wirklichkeit dem Begriff entzieht. Für Kierkegaard ist es nun richtungsweisend, dass Schelling vor dem Hintergrund dieser Fundamentaldifferenz in den Vorlesungen 9 – 14 seine Kritik an der Philosophie Hegels entfaltet. Der zentrale Vorwurf Schellings gegen Hegel lautet, dass dieser sich – vornehmlich in der Wissenschaft der Logik – nicht im Bereich der negativen Philosophie und der reinen Vernunftwissenschaft gehalten, sondern zugleich im Logischen Anspruch auf die Erkenntnis des Wirklichen erhoben habe.²³ Mit anderen Worten: Schelling wirft Hegel eine Vermengung der Sphären des bloß Logischen einerseits und der Faktizität des Wirklichen andererseits vor. Diesen Einwand präzisiert Schelling in Bezug auf den Anfang und das Ende der Logik. Zum einen habe Hegel dadurch, dass bei ihm das ‚reine Sein‘ als „purus actus“ – und nicht das ‚Seinkönnen‘ als Potenz – den Anfang der Logik bilde, seinem System sogleich „die Richtung hin auf ein Existenzialsystem“ gegeben.²⁴ In diesem Zusammenhang kritisiert Schelling auch die Bewegung in der Logik: Die „Begriffsbestimmungen“ würden bei Hegel nicht aus dem Sein entwickelt, sondern bloß in das „reine Sein […] sukzessiv gesetzt und aufgehoben, bis zur Idee“.²⁵ Zum anderen aber erhebe Hegel den Anspruch, schon in der Logik zur „wirklich existierende[n]“ oder „wirklich verwirklichte[n] Idee“ zu gelangen; er habe die „Logik“ konzipiert als „die Wissenschaft, die die Existenz des Absoluten beweisen soll“.²⁶ Die Wirklichkeit aber kann nach Schelling allein Gegenstand der zweiten, der positiven Philosophie sein – und indem Hegel sie schon in der Logik selbst zu erreichen glaubt, habe er die Philosophie „zu einem behauptende[n], dogmatischen System“ gemacht;²⁷ er habe „das Logische das Wirkliche werden“ lassen und so beide Sphären miteinander vermischt.²⁸ Gegen Hegel das Eigenrecht einer Sphäre des Wirklichen und der Existenz einzuklagen, die von dem Begriff und dem Logischen nicht erreicht werden kann – darin liegt Kierkegaards Anknüpfungspunkt an Schellings Berliner Vorlesung; und die angezeigten Kritikpunkte Schellings werden mutatis mutandis allesamt in
Not11:2.a (DSKE 3, 305 / SKS 19, 305). Vgl. bes. Not11:9 – 11 (DSKE 3, 341– 345 / SKS 19, 313 – 315). Auch Schellings Diskussion mit Hegel hat eine durchaus komplexe Struktur: Schelling nimmt nämlich zugleich Stellung zu Hegels Kritik an seiner eigenen Identitätsphilosophie (besonders dem Begriff der ‚intellektuellen Anschauung‘) und lässt dabei Hegels Denken aus der Identitätsphilosophie – genauer: aus einem Missverständnis derselben – hervorgehen. Not11:10 – 11 (DSKE 3, 344 f. / SKS 19, 314 f.). Not11:11 (DSKE 3, 345 / SKS 19, 315). Not11:10 – 11 (DSKE 3, 344 f. / SKS 19, 314 f.) [Herv. v. Verf.]. Not11:11 (DSKE 3, 345 / SKS 19, 315); „behauptende“ bei Kierkegaard deutsch. Not11:12 (DSKE 3, 348 / SKS 19, 317).
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Kierkegaards pseudonymem Werk wiederkehren. Hingegen scheint die konkrete Durchführung von Schellings Zweiteilung der Philosophie Kierkegaard fremd geblieben zu sein: Weder die Potenzenlehre der negativen Philosophie noch auch der Gedanke des ‚Überseienden‘ oder des ‚unvordenklichen Seins‘ in der positiven Philosophie zeitigen sichtbare Folgen in seinem Werk. Der Punkt, an dem Kierkegaard Schelling verlässt – oder vielmehr: sich seine Fundamentaldifferenz und die Kritik an Hegel produktiv-verwandelnd aneignet –, kann aber bereits im ‚Grundriss‘ der von Kierkegaard so emphatisch kommentierten zweiten Vorlesungsstunde ausgewiesen werden. Schelling bezieht nämlich die Differenz von quid sit und quod sit auf alles Seiende: An allem, was ist, kann in den Blick genommen werden, was es ist und dass es ist. Auch ordnet Schelling hier dem Dass-Sein – also Faktizität, Wirklichkeit und Existenz – das „Erkennen“ zu und beschreibt dieses geradezu als ‚Wiedererkennen‘ dessen, was schon im Begriff (als Was-Sein) gegeben ist: [M]an kann einen Begriff ohne das Erkennen haben, aber nicht das Erkennen ohne den Begriff. Im Erkennen ist nämlich das Doppelte, wodurch es Erinnerung ist. Indem ich eine Pflanze sehe, erinnere ich sie und führe sie hin zum Allgemeinen, indem ich sie als Pflanze anerkenne.²⁹
Demgegenüber wird Kierkegaard eine zweifache Umorientierung vornehmen: Einerseits gilt in seinem späteren Denken der Begriff der Wirklichkeit vornehmlich für die einzelne, menschliche Existenz in ihrer Konkretion.³⁰ Schellings ontologische und erkenntnistheoretische Differenz wird also gewissermaßen ‚ethisch‘ angeeignet. Zwar schließt Kierkegaard an Schellings Gedanken an, die Wirklichkeit gehe im Begriff nicht auf, das dem Begriff Entgehende selbst aber erfährt eine Umakzentuierung. Diese Verschiebung macht eine kurze Notiz aus dem Jahr 1843 deutlich, in der es heißt: „Jedes individuelle Leben ist inkommensurabel für den Begriff.“³¹ Gerade dieses ‚individuelle Leben‘ aber heißt bei Kierkegaard Existenz. Der Zusammenhang wird noch klarer in einer Journalnotiz von 1850: „Aber Existenz entspricht dem Einzelnen, der Einzelne liegt, was ja schon Aristoteles lehrt, außerhalb des Begriffs od. geht doch nicht in ihm auf“.³²
Not11:2 (DSKE 3, 305 / SKS 19, 305). Vgl. zu den verschiedenen Verwendungsweisen des Begriffs der Wirklichkeit bei Kierkegaard Kosch 2003. Papir 277:2 (T 1, 354 / SKS 27, 269). NB14:150.a (T 4, 74 / SKS 22, 435); vgl. auch NB15:103 (T 4, 106 / SKS 23, 72), wo es unter dem Titel „‚Wissenschaft‘. – Das Existenzielle“ heißt, die existenzielle „‚Wirklichkeit‘ lässt sich nicht begreifen“.
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Aus dieser Verschiebung folgt andererseits, dass Kierkegaard mit ‚Wirklichkeit‘ und ‚Existenz‘ nicht mehr ein Wiedererkennen dessen meinen kann, was schon im Begriff gegeben ist. Indem er die Existenz als Singularität und Interesse bestimmt, wird Kierkegaard den Hiatus vertiefen, den Schelling zwischen das Wirkliche und das Mögliche setzt: Das Existieren steht für Kierkegaard schlechterdings jenseits eines jeden wissenschaftlichen Systems. Dabei ist zu beachten, dass Schelling auch mit dem Entwurf der ‚positiven Philosophie‘ explizit einen wissenschaftlichen Anspruch verbindet. Dies wird am deutlichsten in der Vorrede zur Cousin-Schrift, die Kierkegaard selbst besessen hat: Die dort von Schelling angekündigte ‚letzte große Umwälzung‘ in der Philosophie bestehe darin, dass sie eine „Erklärung der Wirklichkeit gewähren wird, ohne daß andererseits der Vernunft das große Recht entzogen wird, im Besitz des absoluten Prius, selbst des der Gottheit, zu seyn“; dieser ‚Besitz‘ emanzipiere „von jedem realen und persönlichen Verhältniß“ und sei erforderlich, „um selbst die positive Wissenschaft als Wissenschaft zu besitzen.“³³ Kierkegaard wird aber gerade das persönliche Existieren gegen die Wissenschaft einklagen; dieses vergessen und übergangen zu haben ist der Vorwurf, den Kierkegaard später gegen die idealistische Philosophie im Ganzen erhebt – und der auch Schellings Konzeption der zwei Philosophien mit einschließt. Dieser späteren Kritik entspricht Kierkegaards Abbruch seiner Mitschrift in der 42. Vorlesung am 4. Februar 1842; und sie ist bereits vorweggenommen in den stark polemischen Briefen, die er zeitgleich nach Kopenhagen sendet. Dass Schelling seine „Erwartungen“ enttäuscht und ihn „ganz und gar nicht befriedigt“ habe, sind noch die sachlich neutralsten Formulierungen, in denen Kierkegaard sein Missfallen zum Ausdruck bringt.³⁴ Es gilt allerdings zu zeigen, dass Kierkegaard trotz dieser Enttäuschung einen wesentlichen Impuls Schellings aufnimmt – und zwar gerade im Sinne seines begeisterten Kommentars zur zweiten Vorlesungsstunde.
II Von der Ironieschrift zu Entweder/Oder Im Folgenden ist nun einem tatsächlichen Einfluss der Schelling-Vorlesung auf Kierkegaards Denken nachzuspüren; zugleich soll der ‚Rahmen‘ näher bestimmt werden, innerhalb dessen sich Kierkegaard Schellings Gedanken aneignet. Dabei gilt es zunächst, auf die 1841 publizierte Magister-Dissertation Über den Begriff der
SW X, 216; vgl. Ktl. 471. Vgl. B, 97, 99 / B&A I, 105 f.
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Ironie einzugehen. Hier zeigt sich einerseits, dass Kierkegaard die Frage nach dem Verhältnis von singulär-konkreter Existenz und Wissenschaft schon vor seinem Berlin-Besuch aufgeworfen hat; und eben diese Frage bezeichnet den Boden, auf dem er Schellings Begriff der Wirklichkeit versteht. Andererseits aber hat die Verhältnisbestimmung von Wissenschaft und Existenz 1841 noch nicht die scharfe Gestalt des späteren Werks. Unmittelbar neben der Akzentuierung der singulären Existenz steht nämlich in der Ironieschrift noch eine Hegel verpflichtete und affirmativ fortführende Perspektive – so etwa in der ‚weltgeschichtlichen‘ Bewertung verschiedener Formen der Ironie, insbesondere aber im Schlussabschnitt über die ‚beherrschte Ironie‘, die als Vermittlung von Möglichkeit und Wirklichkeit, von Innen und Außen gedacht ist. Gerade in Schellings Vorlesung aber wird – so die These – Kierkegaard klar, dass eine solche Überblendung der Existenzanalyse mit ‚spekulativen‘ Elementen ein unzulässiges Amalgam ist.³⁵ Der Einfluss Schellings lässt sich in einem ersten Schritt an Kierkegaards nächstfolgendem Werk Entweder/Oder von 1843 plausibel machen, wird doch hier auf mehreren Ebenen eine Umakzentuierung vorgenommen: Kierkegaard beginnt, die ‚Sondersphäre‘ singulärer Existenz deutlicher von einem Reich des bloßen Denkens und der Notwendigkeit abzugrenzen. Gleichwohl kommt diese Konstellation 1843 noch nicht zur vollen Klarheit: Auch in Entweder/Oder finden sich die ‚Vermittlungs‘-Aspekte der Ironieschrift, wenngleich in geringerem Ausmaß. Eine scharfe Grenzziehung wird erst den folgenden Werken vorbehalten bleiben.
1 Weltgeschichte, Existenz und Vermittlung – Über den Begriff der Ironie Die Magister-Dissertation Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates ist die umfänglichste und detaillierteste Auseinandersetzung mit der Philosophie Hegels in Kierkegaards Gesamtwerk. Im Unterschied zu späteren Schriften nimmt Kierkegaard hier eine ausführliche und textnahe Diskussion von
Die Frage nach dem Einfluss von Schellings Vorlesung auf Kierkegaard ‚zwischen‘ der Ironieschrift und dem Beginn des pseudonymen Werks ist nach Wissen des Verf. im Detail bislang nur von Fenves diskutiert worden (vgl. Fenves 2001, dazu Olesen 2003, 101). Fenves fokussiert auf die Ironieschrift und geht dabei nicht von der (für Kierkegaard aber offenkundig zentralen) Frage nach der Wirklichkeit aus; er vergleicht vornehmlich Schellings Gebrauch der Begriffe ‚Negativität‘ und ‚Positivität‘ mit Kierkegaards Akzentuierung der Ironie als Negation in der Magister-Dissertation.
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Hegels Werken vor, besonders der Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie ³⁶ – Hegel ist der zentrale Gesprächspartner für Kierkegaards Darstellung der Ironie. In Bezug auf das ‚Sachproblem‘ der Untersuchung zeigt sich dabei eine spezifische, allein für die Ironieschrift charakteristische Ambivalenz:³⁷ In seiner Diskussion der Ironie greift nämlich Kierkegaard in einer Vielzahl von Perspektiven affirmativ auf Hegels Ironie-Verständnis zurück, macht aber zugleich eine Reihe von kritischen Einwänden und versucht in Abgrenzung von Hegel einen eigenständigen Begriff der Ironie zu entwickeln.³⁸ In dieser Abgrenzung allerdings zeigt sich bereits keimhaft der zentrale Kritikpunkt, den Kierkegaards spätere Werke gegen den spekulativen Idealismus ins Feld führen – und mithin wird auch der ‚Boden‘ sichtbar, auf dem Kierkegaard Schellings Inspiration aufnimmt. Eine systematisch signifikante Anschlussnahme an Hegel liegt zunächst darin, dass Kierkegaard die Ironie in weltgeschichtlicher Perspektive betrachtet und bewertet. Dies zeigen bereits die Überlegungen zum Verhältnis von Philosophie und Geschichte in der Einleitung des ersten Teils;³⁹ insbesondere aber prägt sich dieser Zugriff im zweiten Teil aus, der die sokratische und romantische Ironie einer vergleichenden Analyse unterzieht. Zwar fallen die von Kierkegaard verwendeten Termini einer ‚berechtigten‘ und einer ‚unberechtigten‘ Form der Ironie bei Hegel selbst nicht, gerade in der Kritik der romantischen Ironie aber schließt Kierkegaard direkt an Hegel an. Durch die erste (sokratische) Form der Ironie habe sich – so lautet Kierkegaards weltgeschichtliche Distinktion – die ‚Subjektivität‘ erstmals in der Welt geltend gemacht; die zweite (romantische) Form aber stelle eine potenzierte Gestalt der Subjektivität dar, in der diese sich selbst genieße. Die Entwicklung der Ironie lässt nun Kierkegaard bei Hegel enden: Endlich fand auch die Ironie hier ihren Meister in Hegel. Während die erste Form der Ironie nicht bekämpft wurde, sondern dadurch beruhigt, dass der Subjektivität ihr Recht widerfuhr, wurde die zweite Form der Ironie bekämpft und vernichtet; denn da sie unberechtigt war, konnte ihr allein dadurch ihr Recht widerfahren, dass sie aufgehoben wurde.⁴⁰
Vgl. zu Kierkegaards expliziter Auseinandersetzung mit Hegel Stewart 2007a, zur Ironieschrift ebd., 103 – 127. Vgl. zur näheren Ausführung dieser Ambivalenz Schwab 2012, 455 – 483. Diese spezifische Ambivalenz ist im Übrigen ein triftiges Argument gegen die so genannte ‚Ironie-These‘, nach der Kierkegaard in der Ironieschrift selbst ironisch die Rolle eines ‚hegelianisierenden Philosophiehistorikers‘ annehme, um die Prüfungskommission zu täuschen. Überdies kritisiert Kierkegaard selbst rückblickend den (partiellen) Hegelianismus seiner Dissertation; vgl. z. B. NB21:35 (T 4, 233 / SKS 24, 32). Vgl. zur Ironiethese insbesondere Kütemeyer 1929, 343 – 345; Thulstrup 1972, bes. 178, 216; Mackey 1986; Poole 1993 und zu ihrer Diskussion Stewart 2003, 135– 144; Kleinert 2005, 119 f.; Hühn 2009a; Schwab 2012, Kap. III.1. Vgl. BI, 7– 10 / SKS 1, 71– 74. BI, 247 / SKS 1, 282; die Übers. der Hirsch-Ausgabe sind durchgehend modifiziert worden.
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Kierkegaards Kritik der romantischen Ironie ist also wesentlich welthistorisch motiviert. Damit macht aber Kierkegaard in der Magister-Dissertation selbst von eben jener Betrachtungsweise Gebrauch, die er in seiner späteren Polemik gegen Hegel und den Hegelianismus – insbesondere in der Nachschrift – kritisieren wird. Unmittelbar in der Kritik der romantischen Ironie zeigt sich aber bereits 1841 Kierkegaards Abstandnahme von Hegel. Zwar sei diesem in seiner Bewertung und Bekämpfung der romantischen Ironie gänzlich zuzustimmen – indem er aber die Ironie allein mit ihrer romantischen Form identifiziere, habe Hegel die Ironie im Ganzen missverstanden. Die „Schwäche“ von Hegels Verständnis liege darin, dass er die Ironie „einseitig“ aufgefasst, damit aber „die Wahrheit der Ironie übersehen“ und ihr „Unrecht getan“ habe.⁴¹ Dieser ‚Einwand‘ deutet auf Kierkegaards Versuch zurück, ein eigenständiges Verständnis der Ironie des Sokrates zu entwickeln. Obgleich Kierkegaard den bei Hegel an einer Stelle verwendeten Begriff der ‚unendlichen absoluten Negativität‘ aufnimmt, um Sokrates zu bezeichnen,⁴² weicht er in dieser Bestimmung von Hegels Sokratesverständnis ab. Während nämlich Hegel – wie Kierkegaard aus den Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie zitiert – die Ironie des Sokrates gemeinsam mit der Maieutik als „Methode“ und bloße „Manier der Konversation“ versteht,⁴³ möchte Kierkegaard sie als Sokrates’ Standpunkt auffassen: Sokrates ist Ironiker, oder Sokrates’ Wesen ist die Ironie. Es scheint sich zunächst bloß um einen Disput über das korrekte Verständnis des Sokrates zu handeln. In der Tat aber macht Kierkegaard hier schon einen Einwand geltend, der sich im späteren Werk gegen Hegel richten wird. Ist die Ironie nämlich als Standpunkt aufgefasst, so wird sie zu einer Existenzbestimmung und bezeichnet einen Ort, der von einer systematischen Betrachtungsweise nicht eingeholt werden kann. Hierzu heißt es: Man ist im Allgemeinen daran gewöhnt, die Ironie ideal aufgefasst zu sehen, ihr als verschwindendes Moment im System einen Platz angewiesen und sie deshalb nur sehr kurz beschrieben zu sehen; man kann aus dem Grunde nicht so leicht begreifen, wie ein ganzes Leben hier hineingehen könne, da ja der Inhalt dieses Lebens für ein Nichts angesehen werden muss. Aber man erinnert nicht, dass ein Standpunkt im Leben sich niemals so ideal findet, wie er im System ist […]. Dies ist das rein persönliche Leben, mit dem die Wissenschaft wohl nichts zu tun hat, wenn auch etwas genauere Bekanntschaft mit ihm sie von dem tautologischen idem per idem befreien würde, an dem solche Auffassungen häufig leiden.
BI, 270 f. / SKS 1, 303. Vgl. hierzu Hühn 2009a, 32. BI, 259 / SKS 1, 292. Hegel verwendet den Begriff in Bezug auf Solger, vgl. Hegel, TWA 13, 98; vgl. auch Hegel, TWA 13, 211, wo Hegel die romantische Ironie im Ganzen als „absolute Negativität“ bezeichnet. Vgl. BI, 271– 273 / SKS 1, 303 – 305; die entsprechende Stelle bei Hegel ist TWA 18, 456 – 464, das von Kierkegaard umschreibend wiedergegebene Zitat steht TWA 18, 461.
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Doch dies sei nun wie es wolle, lass die Wissenschaft mit Recht solcherlei ignorieren, derjenige, der das individuelle Leben verstehen will, kann das nicht tun.⁴⁴
Das individuelle Leben gegen Wissenschaft und System – darin liegt bereits in der Ironieschrift keimhaft Kierkegaards spätere Invektive gegen die ‚existenzvergessene‘ spekulative Betrachtungsweise.⁴⁵ Es ist wohl diese Frage, auf die Kierkegaard verweist, wenn er sich durch Schellings Akzentuierung der ‚Wirklichkeit‘ an seine ‚philosophischen Leiden und Qualen‘ erinnert sieht; und zugleich bereitet eben die Frage nach der von der Wissenschaft ‚vergessenen‘ individuellen Existenz den ‚Boden‘, auf dem Kierkegaard an Schelling anknüpft. Für den Zusammenhang mit Schellings Vorlesung zentral ist nun der Schlussabschnitt der Magister-Dissertation mit dem Titel „Ironie als beherrschtes Moment. Die Wahrheit der Ironie“.⁴⁶ Hier erreicht die skizzierte Ambivalenz der Ironieschrift ihren Kulminationspunkt. Einerseits möchte nämlich Kierkegaard – an seine Interpretation der Ironie als Standpunkt anschließend und gegen Hegels ‚Missverständnis‘ gerichtet – die Wahrheit der Ironie ausweisen, und dies gerade im Blick auf das individuelle Leben. Die Ironie als beherrschte sei der „absolute Anfang des persönlichen Lebens“, und „kein echtes humanes Leben ist möglich ohne Ironie“.⁴⁷ Deutlicher noch als zuvor grenzt Kierkegaard die Ironie als Existenzbestimmung von einer bloß wissenschaftlichen Betrachtung ab: Gerade „in unserer Zeit“ sei die beherrschte Ironie unverzichtbar, weil die Wissenschaft zu einem solch „ungeheuren Resultat“ gekommen sei, „dass es dabei kaum mit rechten Dingen zugehen kann“; hier helfe die beherrschte Ironie dazu, „die Re-
BI, 171 f. / SKS 1, 214 f. – Kierkegaard verweist allerdings mehrfach auf eine Bemerkung Hegels, nach der es bei Sokrates nicht so sehr um die Spekulation als vielmehr um das individuelle Leben gehe, und fügt hinzu, es sei „sonderbar genug“, dass diese Bemerkung ausgerechnet von Hegel stamme (BI, 226 Anm. / SKS 1, 263 Anm., vgl. auch BI, 172, 228, 233 / SKS 1, 215, 265, 270). Die Stelle lautet: „Seine [Sokrates’] Philosophie, als die [sic] das Wesen in das Bewußtsein als ein Allgemeines setzte, ist als seinem individuellen Leben angehörig anzusehen; sie ist nicht eigentliche spekulative Philosophie, sondern ein individuelles Tun geblieben“ (Hegel, TWA 18, 451). Noch in seinem zentralen Einwand gegen Hegel bezieht sich Kierkegaard also auf eine hegelsche Bemerkung. Dem entspricht es auch, dass Kierkegaard neben der an Hegel angelehnten weltgeschichtlichen Beurteilung der romantischen Ironie eine eigenständige, existenzanalytische Kritik der romantischen Subjektivität formuliert, die sichtbar auf die spätere Kritik des ästhetischen Typus vorausdeutet: Die romantische Subjektivität sei eine rein „hypothetisch[e] und konjunktivistisch [e]“ Existenz, die jegliche „Kontinuierlichkeit“ verliere; sie erschöpfe sich in „lauter Stimmungen“ – und die „einzige Kontinuität“, die sich hinter diesem diskontinuierlichen Wechsel der indifferenten Stimmungen zeige, sei die „Langeweile“ (BI, 290 f. / SKS 1, 319 f.). Vgl. hierzu bes. Tjønneland 2004, 262– 288; Kleinert 2005, 130 – 134; Schwab 2012, 476 – 480. BI, 331 / SKS 1, 355.
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sultate der Wissenschaft in das persönliche Leben zu übersetzen, sich diese persönlich anzueignen“.⁴⁸ Umgewendet formuliert: Die Wissenschaft ohne (beherrschte) Ironie ‚vergisst‘ und übersieht die individuelle und persönliche Existenz. Bemerkenswerterweise rekurriert Kierkegaard aber andererseits in seiner näheren Beschreibung der beherrschten Ironie wieder auf hegelianische Elemente. Obgleich Hegel im Schlussabschnitt nicht mehr genannt wird, ist die ‚beherrschte Ironie‘ geradezu nach dem hegelschen Modell der Vermittlung gedacht – und überdies als ‚Versöhnung‘ des Individuums mit dem Substanziellen. In diesem Kontext wird nun auch der Begriff der ‚Wirklichkeit‘ verwendet: Gegenüber dem Subjektivismus der romantischen Ironie lasse die ‚kontrollierte‘ Ironie „das Objektive herrschen“; in ihr sei „das Wesen […] nichts anderes als die Erscheinung“, und „die Wirklichkeit ist die Möglichkeit“; der Einzelne sei „orientiert und derart eingeordnet in die Zeit, in welcher er lebt, ist positiv frei in der Wirklichkeit, der er zugehört“; und keineswegs lasse die beherrschte Ironie den „substanziellen Gehalt in ein immer flüchtigeres Sublimat verdampfen.“⁴⁹ Im Begriff der Ironie ist also selbst noch der Einwand gegen eine ‚systematische‘ und ‚spekulative‘ Betrachtungsweise mit den begrifflichen Mitteln Hegels formuliert: Die Forderung nach einem ‚Eigenrecht‘ des ‚individuellen Lebens‘ gegenüber der Wissenschaft ist unmittelbar an eine Konzeption geknüpft, die Möglichkeit und Wirklichkeit,Wesen und Erscheinung miteinander vermittelt und versöhnt – und die zugleich den Einzelnen in die substanzielle Wirklichkeit seines Zeitalters ‚einordnet‘. Die ‚Wirklichkeit‘ ist also noch nicht verstanden als die Faktizität der Existenz; und zugleich ist sie derart gesetzt, dass sie mit der Möglichkeit in Übereinstimmung gebracht werden kann. Mithin sind die Begriffe von Möglichkeit und Wirklichkeit gänzlich anders akzentuiert als im schellingschen Entwurf. Es gilt nun zu sehen, wie sich die Konstellation in Kierkegaards nächstfolgendem und zugleich erstem pseudonymen Werk zeigt.
2 Innen vs. Außen, Freiheit vs. Spekulation – Entweder/Oder Während seines Aufenthalts in Berlin 1841/42 hat Kierkegaard bereits intensiv an seiner ersten pseudonymen Schrift Entweder/Oder gearbeitet. Das Vorwort zu dieser Schrift – und mithin das pseudonyme Werk im Ganzen – beginnt mit den folgenden, bekannten Zeilen:
BI, 338 f. / SKS 1, 355 f. BI, 328 – 331 / SKS 1, 352– 354.
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Es ist Dir vielleicht doch bisweilen eingefallen, lieber Leser, ein wenig an der Richtigkeit des bekannten philosophischen Satzes zu zweifeln, dass das Äußere das Innere ist, das Innere das Äußere. Du hast vielleicht selbst ein Geheimnis verborgen, von dem Du fühltest, dass es, in seiner Freude oder seinem Schmerz, Dir zu lieb war, als dass Du andere darin einweihen könntest. Dein Leben hat Dich vielleicht in Berührung mit Menschen gebracht, von welchen Du ahntest, etwas der Art sei der Fall, ohne dass doch Deine Gewalt oder Deine Bestrickung dazu imstande gewesen wäre, das Verborgene zur Offenbarung zu bringen. Vielleicht passt keiner der Fälle auf Dich und Dein Leben, und doch bist Du nicht unbekannt mit jenem Zweifel; er ist ab und an als eine flüchtige Gestalt an Deinem Gedanken vorübergeschwebt. Ein solcher Zweifel kommt und geht, und niemand weiß,woher er kommt oder wohin er fährt. Ich für meinen Teil bin an diesem Punkt der Philosophie stets etwas ketzerisch gesinnt gewesen […].⁵⁰
Der einleitend angeführte ‚bekannte philosophische Satz‘ findet sich im systematischen Zusammenhang von Hegels Wesenslogik, und es ist recht wahrscheinlich, dass er Kierkegaard vor allem über seine Popularisierung durch den dänischen Hegelianer J.L. Heiberg bekannt gewesen ist.⁵¹ Aufschlussreich sind die ersten Zeilen des pseudonymen Werks nun insbesondere im Rückblick auf die Magister-Dissertation über die Ironie. Bereits hier hatte Kierkegaard einen Gegensatz von Innen und Außen geltend gemacht, und zwar als spezifisches Charakteristikum des Sokrates. Am Ende der Einleitung heißt es, Sokrates gehörte nämlich zu derjenigen Art von Menschen, wo man nicht bei dem Äußeren als solchem stehen bleiben kann. Das Äußere deutete ständig auf ein Anderes und Entgegengesetztes hin. […] Das Äußere war überhaupt nicht in harmonischer Einheit mit dem Inneren, sondern eher sein Gegensatz, und allein unter diesem Brechungswinkel ist er aufzufassen.⁵²
In der spezifisch ironischen Existenz zeigt sich also ein Gegensatz, eine Kluft zwischen dem (verborgenen) Innen und dem (sichtbaren) Außen. Der Schlussabschnitt der Magister-Dissertation über die ‚beherrschte Ironie‘ aber hatte diesen Gegensatz zurückgenommen – sie hatte gerade eine Vermittlung von Wesen und Erscheinung, und damit auch eine Vermittlung von Innen und Außen gefordert. Der Zweck der ‚beherrschten‘ Ironie besteht darin, die Isolation des ironischen Subjekts aufzuheben und eine Versöhnung mit dem (substanziellen) Allgemeinen zuwege zu bringen. Die ersten Sätze des Vorworts von Entweder/Oder aber legen
EO1, 3 / SKS 2, 11. Vgl. Hegel, TWA 6, 179 f. Vgl. zu Heiberg Stewart 2003, 323 – 329. – Die ‚Innen/Außen‘-Figur kehrt im pseudonymen Werk an einer Vielzahl von Stellen wieder; vgl. exemplarisch die Partien der Nachschrift, in denen sie explizit gegen Hegel ausgespielt wird: AUN1, 50, 127, 130 / SKS 7, 58, 129, 131. BI, 10 / SKS 1, 74.
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dem Leser im Modus der hypothetischen Unterstellung nahe, bezüglich der individuellen Existenz überhaupt bestehe ein Gegensatz des Innen und des Außen.⁵³ Die Figur bleibt nicht auf den Ironiker beschränkt – sie bezeichnet vielmehr das Eingangstor von Kierkegaards Analyse der konkreten Existenz als solcher. Obgleich Schelling im Vorwort zu Entweder/Oder gar nicht und im ganzen Werk nur ein einziges Mal beiläufig genannt wird,⁵⁴ lässt sich doch bereits die Ausweitung der Existenz-Differenz von Innen und Außen, die zwischen dem Begriff der Ironie und Entweder/Oder nachzuweisen ist, auf Schellings Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit beziehen: Das Innen meint die Wirklichkeit der konkreten und einzelnen Existenz, die der äußeren Repräsentation im Möglichkeitsmodus des Denkens inkommensurabel ist. Darin zeichnet sich zugleich Kierkegaards Aneignung von Schellings Fundamentaldifferenz ab: Die dem Begriff inkommensurable Wirklichkeit bedeutet im Horizont Kierkegaards Existenzinnerlichkeit, sie ist die ‚ethische‘ Wirklichkeit des Singulären. Dass in dieser Verschiebung der Begrifflichkeit eine Kritik auch an Schelling liegt, verdeutlicht eines der „Diapsalmata“ des Ästhetikers A, in dem ein merkliches Echo von Kierkegaards Enttäuschung über Schellings Vorlesung zu vernehmen ist: Was die Philosophen über die Wirklichkeit sagen, ist oft eben so irreführend, wie wenn man bei einem Händler auf einem Schild liest: hier wird geplättet. Würde man mit seiner Wäsche kommen, um sie plätten zu lassen, dann wäre man angeführt: denn das Schild ist bloß zum Verkauf.⁵⁵
Die in Schellings positiver Philosophie gefasste Wirklichkeit ist Kierkegaard offensichtlich, wenn man so sagen darf, ‚nicht wirklich genug‘, sie entspricht nicht dem Interesse der Existenz für die Existenz – zweifellos aber hat ihn gerade Schellings Vorlesung auf ein Problem der ‚Wirklichkeit‘ in ihrem Verhältnis zur Philosophie aufmerksam gemacht.
Vgl. hierzu und zum Vorwort von Entweder/Oder ausführlicher Schwab 2008. Vgl. EO2, 145 / SKS 2, 135. EO1, 34 / SKS 1, 41. – Auch ein terminologisches Detail der „Diapsalmata“ verweist auf Schellings Vorlesung. Im ‚ekstatischen Vortrag‘ unter dem Titel „Entweder/Oder“ gebraucht der Ästhetiker mit Bezug auf Spinoza die Floskel „aeterno modo“ (EO1, 42 f. / SKS 2, 48 f.). Diese Wendung findet sich in Spinozas Ethik selbst nicht, wo zumeist die bekannte Wendung sub specie aeternitatis verwendet wird. Die Formel geht offenbar auf Schelling zurück, der sie mehrfach gebraucht (vgl. z. B. SW XIII, 64 u. 124); sie findet sich auch (in umgekehrter Folge) in Kierkegaards Mitschrieb der Berliner Vorlesung (vgl. Not11:12 (DSKE 3, 347 / SKS 19, 316)). Vgl. im Detail den Kommentar in DSKE 3, 795 f.
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Während dem Vorwort von Entweder/Oder eine wenigstens implizite Kritik am hegelschen Gedanken der Vermittlung von Innen und Außen und zugleich eine Korrektur an der Vermittlungsfigur der ‚beherrschten Ironie‘ aus der MagisterDissertation zu entnehmen ist, so lassen sich auf der anderen Seite auch in Entweder/Oder Passagen nachweisen, die die frühere Anschlussnahme an Hegel fortschreiben. Bemerkenswerterweise gilt dies nicht allein für den Ethiker B, dessen Verhältnis zu Hegel von der Forschung mehrfach diskutiert worden ist.⁵⁶ Vielmehr finden sich auch in den Papieren des Ästhetikers A Partien, die den Gedanken einer Vermittlung des Einzelnen mit dem Substanziellen wieder aufnehmen, namentlich der Essay „Der Reflex des antik Tragischen im modern Tragischen“.⁵⁷ Ausgangspunkt der Untersuchung ist dort die „Isolation“ der modernen Subjektivität, die „alle substanziellen Bestimmungen von Familie, Staat, verloren“ hat,⁵⁸ – und diesem Verlust soll durch eine „Wiedergeburt des antik Tragischen“ begegnet werden.⁵⁹ Dass der Ästhetiker dabei die Bestimmungen des antik Tragischen geradezu ‚reaktiviert‘, zeigt sich im Besonderen an dem leitenden Begriffspaar: Der antiken Tragödie wird die „Trauer“ zugeordnet – als Ausdruck für die „Erbschuld“ und den Bezug zum Substanziellen –, der modernen Tragödie hingegen „Schmerz“, als Ausdruck für die Reflexion der Subjektivität und die Innerlichkeit.⁶⁰ Die ‚moderne‘ Antigone soll nun beides in sich vereinen: Der Ästhetiker gibt der „Tochter der Trauer“ als „Aussteuer die Mitgift des Schmerzes“.⁶¹ Das Programm der Untersuchung über das Tragische entspricht mithin dem der ‚beherrschten Ironie‘: Die Neukonzeption des Tragischen durch die Wiederbelebung der antiken Tragödie dient einer Vermittlung und ‚Versöhnung‘ des Einzelnen mit dem Substanziellen, und gerade darin will schon der Ästhetiker selbst dem ‚Nihilismus‘ der Moderne begegnen, der sich in seinen schwermütig-
Vgl. das gleich Folgende. Die Vorlage für die dort gegebene Verhältnisbestimmung zwischen dem modern Tragischen und dem antik Tragischen wie auch für die Interpretation der Antigone ist, trotz aller Modifikation, zweifelsohne Hegels Ästhetik, insbesondere der Passus „Unterschied der antiken und modernen dramatischen Poesie“. Vgl. Hegel, TWA 15, 534– 538, zu Antigone besonders TWA 15, 544, 549 f. Vgl. zu den Bezügen zu Hegel im Einzelnen auch Stewart 2003, 218 – 225. EO1, 141, 151 / SKS 2, 141, 148. EO1, 171 / SKS 2, 158 [Herv. v. Verf.]. Im Ganzen bestimmt der Ästhetiker sein Vorhaben als „Versuch zu zeigen, wie das dem antik Tragischen Eigentümliche sich in das modern Tragische aufnehmen lasse, derart, dass das wahre Tragische zum Vorschein kommt“ (EO1, 151 / SKS 2, 140). Auch dieser Anspruch auf ein ‚wahres Tragisches‘ entspricht dem Anliegen des Schlussabschnitts der Ironieschrift, die ‚Wahrheit der Ironie‘ zu fassen. EO1, 158 – 161 / SKS 2, 147– 149. Diese Terminologie findet sich nicht in der hegelschen Vorlage. EO1, 164 / SKS 2, 152.
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spätromantischen „Diapsalmata“ ausspricht.⁶² Deutet sich in dem Vorwort also das schellingsche Motiv der Sphärentrennung an, so steht dieses auch in Entweder/Oder noch neben einem Vermittlungsmotiv hegelscher Färbung. Dieselbe spannungsreiche Konstellation zeigt sich deutlicher noch im zweiten Teil der Schrift: Einerseits klagt der Ethiker B gegen die Vermittlung der spekulativen Philosophie das einzelne – hier: spezifisch ethische – Existieren ein; andererseits aber konzipiert er das Ethische selbst noch als eine Vermittlung des Einzelnen mit dem Substanziellen. Klarer als im ersten Teil aber formuliert der Gerichtsrat die Abgrenzung des Existierens von der Spekulation im Vokabular der schellingschen Sphärentrennung. Zunächst spricht der Ethiker in seinem zweiten Brief mit offensichtlicher Anspielung auf Hegel von der „Lieblings-Theorie der neueren Philosophie, dass der Satz vom Widerspruch aufgehoben ist“.⁶³ Diese ‚Theorie‘ kann aber in der Perspektive des Ethikers allein für den Blick auf die „Vergangenheit“ Gültigkeit haben, und namentlich im Rückblick auf die „Weltgeschichte“.⁶⁴ Fragt man hingegen im „Praktische[n]“ und dem „Gebiet der Handlung“ nach der „Zukunft“, so zeigt sich ein „Gegensatz“ und ein „Entweder/Oder“, welches die verantwortliche Wahl des Existierenden fordert – und zwar die „absolute Wahl“ seiner selbst.⁶⁵ Diese Wahl aber widerspricht der von der Philosophie geforderten ‚absoluten Vermittlung‘. Hier nun findet sich diejenige Passage in Entweder/Oder, die am deutlichsten auf die Schelling-Vorlesung rekurriert: Die bezeichnete „Schwierigkeit“ hat nämlich nach Ansicht des Ethikers darin ihren Grund, „dass man zwei Sphären miteinander verwechselt, die des Denkens und die der Freiheit“.⁶⁶ Der Vorwurf der ‚Sphärenvermengung‘ rekurriert sichtbar auf Schellings Kritik an Hegel, und auch die Begrifflichkeit ist in Schellings „Philosophie der Offenbarung“ vorgeprägt: Dort wird die negative Philosophie der Sphäre des Begriffs und der Notwendigkeit zugeordnet, während Schelling die positive Philosophie als Reich der Freiheit apostrophiert.⁶⁷ Offenkundig versteht aber der
Die Ausführung der ‚modernen Antigone‘ selbst, die im Verlauf der Untersuchung Gestalt gewinnt, entspricht allerdings diesem ‚Programm‘ des Ästhetikers keineswegs. Antigone erscheint vielmehr als eine Gestalt der in sich reflektierten ‚verborgenen Innerlichkeit‘, wie sie auch in den „Schattenrissen“ und „Der Unglücklichste“ vorgeführt wird. Eine „Versöhnung“, die Hegel als zentrales Charakteristikum des Tragischen im Ganzen benennt und gerade an Antigone ausweist (vgl. Hegel, TWA 15, 524– 526, 547– 552), wird trotz der Aufnahme der antiken Trauer beim Ästhetiker nicht sichtbar. EO2, 181 / SKS 3, 166. Vgl. zu den Hegelbezügen in dieser Partie Stewart 2003, 195 – 209. EO2, 181 / SKS 3, 166. EO2, 181– 184 / SKS 3, 166 – 169. EO2, 184 / SKS 3, 169. Vgl. bes. Not11:18 (DSKE 3, 358 – 360 / SKS 19, 327 f.).
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Ethiker die ‚Sphäre der Freiheit‘ in einem spezifisch ethischen Sinne – und macht so sichtbar, dass bei Kierkegaard die individuelle Existenz an den systematischen Ort der positiven Philosophie tritt. Es hat nun zunächst den Anschein, dass der Ethiker allein auf den Unterschied dieser beiden Sphären aufmerksam machen will: Sofern die Philosophie in ihrer Sphäre bleibt – namentlich „das Logische, die Natur, die Geschichte“⁶⁸ – und nicht auch auf den Bereich der Freiheit übergreift, hat die ‚Theorie‘ des aufgehobenen Widerspruchs und der Vermittlung ihre Berechtigung. Bei einer strikten Trennung beider Sphären wäre das Entweder/Oder der Freiheit mit der Vermittlung des Denkens kompatibel. Bei dieser ‚kompatiblen‘ Lösung bleibt allerdings der Ethiker nicht einfach stehen, schreibt er doch, die Freiheit und die Existenz hätten eine „gültige Forderung an die Philosophie“, nämlich nach einer Antwort auf die Frage, was „ein Mensch in seinem Leben zu tun“ habe, – und es sei „in Wahrheit ein schreckliches Argument gegen sie [die Philosophie], falls sie nichts zu antworten hat.“⁶⁹ Schon der Gerichtsrat wendet gegen den ‚existenzvergessenen‘ spekulativen Philosophen ein, er sei „außerhalb“ und „nicht [im Leben] dabei“ – er mache „sich selbst zum Absoluten“.⁷⁰ Obgleich also der Ethiker im Ganzen die Vermittlung und die ‚Aufhebung des Satzes vom Widerspruch‘ in ihrem Recht belässt und diese Prinzipien als logische Prinzipien noch nicht ausdrücklich kritisiert, findet sich bereits in Entweder/Oder der Protest gegen die ‚Existenzvergessenheit‘ des Logisch-Spekulativen. Es ist allerdings für die Spannung in Kierkegaards frühem Werk charakteristisch, dass der Gerichtsrat trotz dieses ‚Protests‘ auch in eigener Sache noch eine ‚Vermittlung‘ in Anspruch nimmt, und zwar abermals eine Vermittlung der einzelnen Subjektivität mit dem Substanziellen der Sittlichkeit, mit den ‚bürgerlichen Tugenden‘. Obgleich die ‚Wahl seiner selbst‘ die fundamentale Bestimmung des Ethischen im zweiten Teil von Entweder/Oder ist, bleibt das Ethische doch nicht auf diese Wahl im Selbstverhältnis des Einzelnen beschränkt: Nur die „erste Form, die die Wahl sich gibt, ist die vollkommene Isolation.“⁷¹ Schon durch den Begriff der ‚Isolation‘ ist die gleiche Problemstellung aufgerufen, die sich auch in Über den
EO2, 185 / SKS 3, 170. – Die Geschichte hat allerdings in der Perspektive des Ethikers eine doppelte Seite: Sie ist einerseits äußere Geschichte und darin der weltgeschichtlich-spekulativen Betrachtung zugänglich; andererseits aber ist sie die innere Geschichte des Individuums, die Geschichte seiner Freiheit. Darin zeige sich die „Doppel-Existenz“ des Individuums (EO2, 185 f. / SKS 3, 170 f.). EO2, 183 / SKS 3, 168. EO2, 182 f. / SKS 3, 168. EO2, 255 / SKS 3, 229 [Herv. v. Verf.].
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Begriff der Ironie und dem Tragik-Text des Ästhetikers findet, und wie dort denkt der Ethiker eine Vermittlung mit dem Allgemeinen: Das Selbst, das das Ziel ist, ist nicht bloß ein persönliches Selbst, sondern ein soziales, ein bürgerliches Selbst. […] Das persönliche Leben als solches war eine Isolation und deshalb unvollkommen, aber indem es durch das bürgerliche Selbst zu seiner Persönlichkeit zurückkehrt, so zeigt sich das persönliche Selbst in einer höheren Gestalt.⁷²
Diese Bewegung ist damit erläutert worden, dass die Ethik des Gerichtsrats „den Bereich der Sittlichkeit einbezieht, ohne dass sie den Standpunkt der Moralität verlässt“,⁷³ – und vor diesem Hintergrund kann der Ethiker die Persönlichkeit als die „Einheit des Allgemeinen und des Einzelnen“ bestimmen.⁷⁴ Obgleich der Name Hegels im zweiten Teil von Entweder/Oder nicht genannt wird, ist es hinlänglich deutlich, dass in dieser Vermittlung von (existenziell-moralischer) Einzelheit und (substanziell-sittlicher) Allgemeinheit das hegelsche Element in der Ethik des Gerichtsrats liegt. Entsprechend wird Johannes de Silentio wenig später in Furcht und Zittern den Satz, dass das Ethische das Allgemeine sei, ausdrücklich mit Hegels Begriff der Sittlichkeit und seiner Rechtsphilosophie verbinden.⁷⁵ Die Existenz erhält also für den Ethiker noch nicht die Verschärfung in Richtung der Singularität, die sie vom Allgemeinen radikal trennt. Im Blick auf Schellings Vorlesung ist es dabei signifikant, dass auch der Begriff der Wirklichkeit in diesem Passus nicht das Sich-zu-sich-Verhalten und die Faktizität der Existenz bezeichnet, sondern (wie im Begriff der Ironie) die „gegebene Wirklichkeit“, die „Wirklichkeit, der man zugehört“⁷⁶ – und mithin das substanzielle Allgemeine, mit dem sich das Selbst zu vermitteln hat. *** Für die Frage nach einem Einfluss Schellings ist also im Blick auf Kierkegaards Frühwerk ein differenziertes Ergebnis festzuhalten: Schon vor dem Besuch der Schelling-Vorlesung arbeitet sich Kierkegaard an der Frage nach dem Verhältnis von (spekulativer) Philosophie und konkreter Existenz ab – und offensichtlich ist dies die Frage, in der er sich zunächst von Schelling Aufklärung erhofft. Dieser Hintergrund vermag Kierkegaards emphatische Aufnahme Schellings wie auch seine spätere Enttäuschung wesentlich zu beleuchten. Noch in der Ironieschrift
EO2, 280 / SKS 3, 250. Fahrenbach 1968, 171; vgl. dazu auch Greve 1990, 129 – 136 sowie Rapic 2007, bes. 18 – 31. EO2, 281 / SKS 3, 252. Vgl. FZ, 58 / SKS 4, 148 f. EO2, 262– 264 / SKS 3, 235 – 237.
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aber löst Kierkegaard das ‚Problem‘ durch ein ‚integratives‘ Modell: Die ‚beherrschte Ironie‘ soll zwar das Persönliche akzentuieren, aber zugleich – in einer hegelianisierenden Geste – eine Vermittlung von Innen und Außen, von Möglichkeit und Wirklichkeit zuwege bringen. Auch wenn sich in Entweder/Oder dieselbe Spannung zeigt, gewinnen doch die vermittlungs- und hegelkritischen Aspekte hier deutlich schärfere Kontur. Insbesondere der Einwand gegen eine ‚Vermischung‘ von zwei Sphären – der Sphäre der (Denk‐)Notwendigkeit mit der Sphäre der Freiheit – verweist deutlich auf schellingsche Gedanken; er reflektiert zugleich Kierkegaards Verschiebung, in welcher die konkrete einzelne Existenz den Ort der positiven Philosophie einnimmt. In den folgenden Werken wird nun Kierkegaard das ‚Sonderrecht‘ der konkreten Existenz immer klarer profilieren: Der ‚Vermittlungs‘-Gedanke tritt weitestgehend zurück, und der Begriff der Wirklichkeit erhält seine spezifisch existenzphilosophische Akzentuierung.
III. Vom Begriff Angst zur Nachschrift Erst mit der Verzögerung von einigen Jahren kommt Kierkegaards Diskussion mit Schellings Berliner Vorlesung zum vollen Austrag, namentlich im Begriff Angst (1844) und der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift (1846). Beide Werke rekurrieren in der Kritik an Hegel auf schellingsche Momente; dabei enthält der Begriff Angst die meisten expliziten Bemerkungen zu Schellings Vorlesung, während sich in der Nachschrift – ohne dass Schelling selbst ausführlich diskutiert würde – die am weitesten reichende Auseinandersetzung mit dem Begriffspaar von Wirklichkeit und Möglichkeit findet. In diesen Werken kommt Kierkegaards ‚Verschiebung‘ von Schellings Terminologie zur letzten Deutlichkeit, und in der Nachschrift wird auch die Methode der indirekten Mitteilung in der entsprechenden Begrifflichkeit formuliert.
1 Die Transzendenz des Einzelnen – Der Begriff Angst Der Begriff Angst enthält von allen Werken Kierkegaards die ausführlichste explizite Kommentierung Schellings – wenn auch selbst hier nur in Form beiläufig eingestreuter Bemerkungen.⁷⁷ Die Forschung hat im Blick auf dieses Werk ins-
Schelling wird in sieben verschiedenen Passagen insgesamt zwölf Mal genannt; vgl. im Detail Olesen 2003, 72– 77.
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besondere die Auseinandersetzung mit Schellings Freiheitsschrift diskutiert,⁷⁸ die wohl durch eine Lektüre der als Quelle genannten Schelling-Monographie von Rosenkranz angestoßen worden ist.⁷⁹ Das Pseudonym Vigilius Haufniensis verweist im Begriff Angst aber auch auf die von Kierkegaard selbst gehörte Berliner Vorlesung Schellings zurück, insbesondere in einer aufschlussreichen Partie der Einleitung.⁸⁰ Schon in einem Exzerpt aus Tennemanns Geschichte der Philosophie von 1842/43 hatte Kierkegaard zu Aristoteles am Rand festgehalten: „Schelling in Berlin wollte, dass die Logik πρωτη ϕιλοσoϕια sein sollte. / cfr. mein Manuskript“.⁸¹ Im Begriff Angst wird nun der gleiche Zusammenhang ausführlicher kommentiert: Schelling erinnerte an diesen aristotelischen Namen [πρώτη ϕιλοσoϕία] zugunsten seiner Distinktion zwischen negativer und positiver Philosophie. Unter negativer Philosophie verstand er die Logik, das war klar genug, hingegen war es weniger klar, was er eigentlich unter positiver verstand, außer insofern es unzweifelhaft wurde, dass positive Philosophie diejenige war, die er selbst liefern wollte. Doch es ist nicht tunlich, darauf weiter einzugehen, da ich nichts habe, um mich daran zu halten, außer meiner eigenen Auffassung.⁸²
Der zitierte Passus macht auf den ersten Blick den Eindruck, als nehme Vigilius Haufniensis hier nur lose und im Vorbeigehen auf Schelling Bezug. So sind die eigentümlichen Charakteristika der negativen Philosophie – etwa die Lehre von den Potenzen – gar nicht genannt.⁸³ Auf der anderen Seite spiegelt die Bemerkung, die positive Philosophie sei in den Berliner Vorlesungen nicht zur Klarheit gekommen, Kierkegaards Enttäuschung über Schellings Durchführung der ‚Wirklichkeits-Philosophie‘ wider. Auch die eigene Zweiteilung der Philosophie, die
In diesem Vergleich liegt – neben der Berliner Vorlesung – der zweite wesentliche Bezugspunkt im Verhältnis ‚Kierkegaard – Schelling‘. Vgl. für einen Überblick über die Forschung Olesen 2003, 82– 102; vgl. neuerdings auch Hennigfeld 2010 und Schwab 2010. Vgl. Rosenkranz 1843, 300 – 319; vgl. DBA, 28 Anm. / SKS 4, 337 Anm. sowie Pap. V B 53,18. Vgl. dazu Olesen 2003, 72– 77, der überzeugend nachweisen kann, dass Kierkegaard sich in vielerlei Hinsicht auf Rosenkranz’ Darstellung verlässt; ähnlich schon Hirsch (vgl. DBA, Anm. 91, 250). Vgl. im Detail auch die Nachweise in SKS K4, 317– 332. Kierkegaard hat allerdings die Freiheitsschrift wenigstens besessen, und zwar im Druck der Schriften von 1809, vgl. Ktl. 763. Vgl. darüber hinaus auch DBA, 59 Anm. / SKS 4, 363 Anm. Not13:27.a (DSKE 3, 433 / SKS 19, 394). Gemeint ist die Stelle Not11:16 (DSKE 3, 355 / SKS 19, 323); vgl. auch bereits Not11:6 (DSKE 3, 338 f. / SKS 19, 310). DBA, 18 Anm. / SKS 4, 328 Anm. Schelling verhandelt die negative Philosophie – zumeist unter dem Titel ‚reine Vernunftwissenschaft‘ – in den Vorlesungen 3 – 9, und zwar im Rückblick auf die eigene Identitätsphilosophie. Vgl. die Assoziation mit der Logik z. B. in Not11:3 (DSKE 3, 334 / SKS 19, 306), Not11:6 (DSKE 3, 338 / SKS 19, 306), Not11:8 (DSKE 3, 341 / SKS 19, 311).
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Vigilius Haufniensis in der Einleitung vorschlägt, weicht im Einzelnen erheblich von dem in Berlin Gehörten ab. Insbesondere die für den Begriff Angst charakteristische Distinktion zwischen erster und zweiter Ethik hat bei Schelling keine Entsprechung – und zeigt einmal mehr die ‚Richtung‘ von Kierkegaards Modifikation an. Gleichwohl verdankt sich Vigilius’ Grundriss einer schellingschen Inspiration. Das Wesen der ersten Wissenschaft, die mit der Metaphysik beginnt, wird nämlich als „Immanenz“ und „wissenschaftliche Totalität“ bestimmt; die zweite, mit der Dogmatik beginnende Philosophie hingegen wird als Sphäre der „Transzendenz“ bezeichnet.⁸⁴ Gerade diese Begriffe aber verwendet Schelling, um die positive Philosophie von der negativen abzugrenzen.⁸⁵ Die ‚Transzendenz‘ verweist auch in Vigilius’ Konstruktion auf denjenigen Bereich, der das Logische transzendiert – und mithin auf die dem Begriff sich entziehende Wirklichkeit. In der Tat wird nun dieser Terminus in der Angstabhandlung in einer signifikanten Bedeutung gebraucht, die auf Schellings Vorlesung zurückdeutet. Die Einleitung beginnt zunächst damit, dass Vigilius sich gegen eine Vermischung verschiedener Wissenschaften wendet,⁸⁶ – und nicht zufällig gilt dieser ‚Vorwurf‘ besonders einer Philosophie hegelscher Prägung. Gleich das erste Beispiel für eine solche Vermischung betrifft die ‚Wirklichkeit‘: Trage „der letzte Abschnitt der Logik“ den Titel „die Wirklichkeit“, so sei „weder der Logik noch der Wirklichkeit damit gedient“.⁸⁷ Die Wirklichkeit verliere ihr zentrales Charakteristikum, die „Zufälligkeit“, und die Logik habe „etwas in sich aufgenommen, das sie nicht assimilieren kann“.⁸⁸ Vigilius besteht also auf einer Trennung – oder eben:
DBA, 18 f. / SKS 4, 328 f. Hier lässt sich nochmals an terminologischen Details die Anschlussnahme und gleichzeitige Verschiebung illustrieren, die Kierkegaards Verhältnis zu Schelling bestimmt. Vigilius verwendet für die ‚zweite Philosophie‘ entsprechend der Bezeichnung Schellings den lateinischen – nicht den griechischen – Namen ‚secunda philosophia‘. Deren Wesen als ‚Transzendenz‘ aber wird durch den konkret-existenziellen Begriff der „Wiederholung“ bezeichnet und von der „Erinnerung“ gerade abgegrenzt, mit welcher Schelling das ‚quod‘ der zweiten Philosophie assoziiert hatte (s.o.). Vgl. bes. Not11:8 (DSKE 3, 341 / SKS 19, 312), Not11:18 (DSKE 3, 358 f. / SKS 19, 327 f.), Not11:21 (DSKE 3, 366 / SKS 19, 334). Die eigentümliche Mitteilungsform der Angstschrift besteht darin, dass sie zwar als wissenschaftliche Untersuchung auftritt und in der Einleitung einen neuen Grundriss der Wissenschaft vorlegt, aber zugleich der wissenschaftlichen Form im Ganzen entgegenarbeitet. Vgl. dazu Schwab 2012, 528 – 548. DBA, 6 f. / SKS 4, 317 f. DBA, 7 / SKS 4, 318. Tatsächlich ist der letzte Abschnitt von Hegels Logik nicht mit „Wirklichkeit“ überschrieben; der Begriff wird vielmehr im Zusammenhang des zweiten Teils, der Wesenslogik, behandelt. Einmal mehr ist es wahrscheinlich, dass Kierkegaard hier auf den zeitgenössischen Hegelianismus zielt; in diesem Fall auf die Populaire Foredrag over Hegels
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Sphärendifferenz – des Logischen und des Wirklichen. Dabei ist es allerdings bemerkenswert, dass für die Wirklichkeit keine ‚zuständige‘ Wissenschaft benannt wird, während Vigilius in den folgenden Beispielen stets die Vermischung zweier Wissenschaften kritisiert; so etwa der Logik und der Dogmatik oder der Logik und der Ethik. Der ‚Ort‘ der Wirklichkeit bleibt eigentümlich leer – gerade dies aber entspricht Kierkegaards Verschiebung des schellingschen Ansatzes. Obgleich nämlich der Begriff Angst in einigen Formulierungen Schellings Übergang von der negativen in die positive Philosophie sehr nahe kommt,⁸⁹ ist doch die ‚Transzendenz des Begriffs‘ anders bestimmt. Dies erhellt etwa aus einer Partie in Caput I, die auf die Konstellation der Einleitung zurückdeutet. Mit Blick auf die Sünde heißt es hier: Jede Wissenschaft liegt entweder in einer logischen Immanenz, oder in der Immanenz einer Transzendenz, die sie nicht zu erklären vermag. Die Sünde ist nun eben jene Transzendenz, jenes discrimen rerum, in welcher die Sünde in den Einzelnen als den Einzelnen eintritt.⁹⁰
Der ‚Ort‘, der dem begreifenden Zugriffe entzogen ist, ist also der existenzielle Selbstvollzug des Einzelnen. Und noch klarer heißt es am Ende von Caput II: Aber „Selbst“ bedeutet eben den Widerspruch, dass das Allgemeine als das Einzelne gesetzt ist. Erst wenn der Begriff des Einzelnen gegeben ist, erst dann ist die Rede vom Selbstischen gegeben, aber unerachtet dessen, dass zahllose Millionen solcher Selbste gelebt haben, kann keine Wissenschaft sagen, was das ist, ohne es wieder ganz allgemein auszusagen.⁹¹
Derart also zeigt sich Kierkegaards Variante der schellingschen Sphärentrennung in ihrer ‚reifen‘ Formulierung: Der Einzelne entzieht sich der Darstellung im Begriff (dem Allgemeinen); wird die singuläre Existenz im Modus des Wissenschaftlichen behandelt, so ist sie eo ipso verfälscht. Schließlich weist auch die Hegelkritik, die in Caput III mit Blick auf die Kategorien des Sprungs und des Augenblicks entfaltet wird, auf Schellings Vorlesung zurück, illustriert aber erneut zugleich Kierkegaards Verschiebung. Gegenstand
objective Logik [Populäre Vorträge über Hegels objektive Logik] des Hegelianers A. P. Adler. Vgl. dazu SKS K4, 350 sowie Stewart 2003, 371– 385. So heißt es an der zitierten Stelle, die Logik solle die Wirklichkeit nur „prädisponieren“ (DBA, 7 / SKS 4, 318); und wenig später schreibt Vigilius: „Die Wirklichkeit, mit welcher die Logik endet, bedeutet deshalb in Richtung von Wirklichkeit nicht mehr als das Sein, mit welchem sie [die Wirklichkeit] beginnt“ (DBA, 13 Anm. / SKS 19, 324 Anm.). Das entspricht recht genau Schellings ‚Übergang‘ in die positive Philosophie, vgl. z. B. Not11:20 (DSKE 3, 363 f. / SKS 19, 331 f.). DBA, 48 f. / SKS 4, 355. DBA, 78 f. / SKS 4, 380 f.
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der Kritik ist vornehmlich die Bewegung in der Logik und die ‚vermeintliche‘ Voraussetzungslosigkeit des Anfangs⁹² – beides Aspekte, die Kierkegaard in seiner Mitschrift der Schelling-Vorlesung notiert hatte. Gerade die ‚Sphäre‘, deren Hineinmengung in das Logische Vigilius kritisiert, zeigt aber wiederum den Abstand zu Schelling: „Das Wort Übergang ist und bleibt eine Geistreichigkeit in der Logik. Er ist im Bereich der geschichtlichen Freiheit zu Hause“.⁹³ Schon der zweite Teil von Entweder/Oder hatte gezeigt, dass diese ‚Sphäre der Freiheit‘ bei Kierkegaard ethisch-existenziell akzentuiert ist – und dieser Linie folgt auch die Abschließende unwissenschaftliche Nachschrift.
2 Möglichkeit und Wirklichkeit – Die Nachschrift Die im Begriff Angst aufgewiesene Konstellation schreibt sich in der zwei Jahre später erschienenen Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift fort – allerdings reflektiert Climacus hier noch eingehender auf das Begriffspaar von Wirklichkeit und Möglichkeit. Was zunächst die Kritik an Hegel betrifft, so setzt sich Climacus insbesondere in der vierten Lessing-These detaillierter mit der Bewegung in Hegels Logik auseinander und diskutiert zugleich kritisch die Frage des Anfangs. Auch Climacus stellt zwei Sphären einander gegenüber, und exponiert schärfer noch als Vigilius Haufniensis den Gegensatz zwischen Existenz und System: „a) ein logisches System kann es geben, b) aber ein System des Daseins kann es nicht geben“.⁹⁴ Einmal mehr mahnt Climacus eine strikte Trennung dieser beiden Sphären an: „Soll indessen ein logisches System konstruiert werden, so muss vornehmlich darauf geachtet werden, nichts aufzunehmen, das der Dialektik des Daseins unterworfen ist“.⁹⁵ Die Bewegung der hegelschen Logik aber komme wie auch ihr ‚voraussetzungsloser Anfang‘ nur dadurch zustande, dass man unter der Hand Bestimmungen mit hineinnehme, die dem Bereich der Existenz zugehörten – allerdings zugleich im spekulativen Denken den einzelnen Existierenden wieder vergesse und auslasse: Bewegung als solche gehöre überhaupt nur der Existenz zu und sei deshalb in der Logik unmöglich; der vermeintlich voraussetzungslose Anfang mit dem ‚Unmittelbaren‘ und dem ‚Ab-
Vgl. DBA, 82 f. / SKS 4, 384 f. – Obgleich Schelling in Berlin den Anfang der Logik kritisiert, findet sich die Kritik an ihrer Voraussetzungslosigkeit nicht explizit in Kierkegaards Mitschrift; dies ist aber Thema der Cousin-Vorrede, vgl. bes. SW X, 213. DBA, 83 / SKS 4, 385 [Herv. v. Verf.]. AUN1, 101 / SKS 7, 105. AUN1, 101 / SKS 7, 106.
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straktesten‘ hingegen verlange einen ‚Entschluss‘ desjenigen, der von allem abstrahiere.⁹⁶ Schon in diese Kritik spielt mehrfach der Begriff der ‚Wirklichkeit‘ mit hinein. Dass nun in der Tat Climacus’ Gegenüberstellung der Existenz auf der einen und des Systems auf der anderen Seite wesentlich von der schellingschen Fundamentaldistinktion zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit inspiriert ist, zeigt sich schließlich in Kapitel 3 des zweiten Abschnitts der Nachschrift mit dem Titel „Die wirkliche Subjektivität, die ethische, der subjektive Denker“. Schon der Titel selbst macht einmal mehr die Transformation sichtbar, die der Begriff der Wirklichkeit bei Kierkegaard gegenüber Schelling erfährt: ‚Wirklichkeit‘ bezeichnet die ‚subjektive‘, einzelne Existenz oder die ethische Existenz. Zugleich wird in diesem Kapitel deutlich, dass das Ethische und die Wirklichkeit nun nicht mehr – wie im Frühwerk – als ‚Versöhnung‘ des Einzelnen mit dem Allgemeinen gedacht werden. Vielmehr stößt sich das Interesse der Existenz gerade vom Allgemeinen ab, das nun als ‚existenzfernes‘ Medium des Begriffs und der Abstraktion verstanden wird. Trotz der ethischen Akzentverschiebung macht aber Climacus hier in einer Weise von dem Begriffspaar Wirklichkeit/Möglichkeit Gebrauch, die offensichtlich auf Schellings Berliner Vorlesung zurückverweist. So heißt es etwa: Das wie der Wahrheit ist gerade die Wahrheit. Es ist darum Unwahrheit, eine Frage in einem Medium zu beantworten, wo die Frage nicht auftreten kann. So etwa, die Wirklichkeit innerhalb der Möglichkeit zu erklären, innerhalb der Möglichkeit zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit zu unterscheiden.⁹⁷
Eingefordert ist in Schellings Nachfolge einmal mehr eine Sphärentrennung – hier nun explizit in dem Vokabular formuliert, das Kierkegaard in Berlin notiert hatte. Was aber genau unter der ‚Wirklichkeit‘ verstanden wird, macht insbesondere die folgende Partie klar: Jedes Wissen um Wirklichkeit ist Möglichkeit; die einzige Wirklichkeit, um die der Einzelne mehr als wissend ist, ist seine eigene Wirklichkeit, dass er da ist; und diese Wirklichkeit ist sein absolutes Interesse. Die Forderung der Abstraktion an ihn ist, interesselos zu werden, um
Vgl. AUN1, 101– 111 / SKS 7, 106 – 114. Als ‚Gewährsmann‘ für seine Kritik führt hier Climacus ausdrücklich A. Trendelenburg an, der schon in einem Entwurf zum Begriff Angst genannt worden war (vgl. AUN1, 102 / SKS 7, 106 f.; vgl. Pap. V B 49,6); dessen Schriften sind neben Schelling für Kierkegaards Hegelkritik zweifellos zentral. Vgl. für einen Überblick und weitere Literatur González 2007. AUN2, 24 / SKS 7, 295. Dieser Passus lässt sich allerdings auch als Kritik an Schelling lesen: Wird nämlich die ‚Wirklichkeit‘ konsequent ‚ethisch‘ verstanden (also im Sinne der Existenzwirklichkeit des Einzelnen), dann ist auch Schellings ‚positive Philosophie‘ noch im Bereich der Möglichkeit (nämlich der ‚spekulativen‘ Philosophie) zu verorten.
‚Das Reich der Wirklichkeit ist nicht vollendet‘
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etwas zu wissen zu bekommen; die Forderung des Ethischen an ihn ist, unendlich interessiert am Existieren zu sein. […] Die wirkliche Subjektivität ist nicht die wissende, denn durch Wissen ist er im Medium der Möglichkeit, sondern die ethisch existierende Subjektivität.⁹⁸
Es ist hinlänglich deutlich, dass die von Kierkegaard aufgerufene Opposition eines ‚bloßen Denkens‘ im Modus des Möglichen und einer Wirklichkeit, die nur im Vollzug der Existenz ist, zwar einerseits wesentlich auf Schelling Bezug nimmt, andererseits aber in produktiver Anverwandlung das Verständnis von ‚Wirklichkeit‘ gegenüber Schellings Ansatz verschiebt. Die Faktizität des Wirklichen und der Existenz von Begriff und Wissen abzugrenzen und als eigenständige Sphäre gegen eine logische Überformung hegelscher couleur einzuklagen – dies ist zweifelsohne die schellingsche Inspiration, die Kierkegaard aufnimmt. Dass aber das spekulative Denken im Ganzen als eine gegen die Existenz indifferente Abstraktion erscheint, und umgekehrt die Sphäre des Wirklichen als ethisches Interesse für die eigene und je konkrete Existenz gedeutet wird, bezeichnet Kierkegaards transformierende Aneignung dieser spätidealistischen Debatte.⁹⁹ Noch auf eine letzte Verwendungsweise des Begriffspaars von Wirklichkeit und Möglichkeit bei Kierkegaards ist abschließend hinzuweisen – und in dieser zeigt sich endgültig die Verwandlung der von Schelling hergenommenen Begrifflichkeit. In dem letzten Paragraphen des genannten Kapitels – „Der subjektive Denker, seine Aufgabe, seine Form d. h. sein Stil“ – entwirft Climacus den Gedanken einer Möglichkeitsmitteilung in Richtung von Existenzwirklichkeit. Der zu Grunde liegende Gedanke ist der folgende: Gerade weil auf die Wirklichkeit als unverfügbare, dem Begriff beständig entgehende hingedacht werden soll, wäre es verfehlt, die Wirklichkeit als Wirklichkeit zu denken und mitzuteilen – denn das hieße wieder, sie im Modus der Möglichkeit zu fassen. Kierkegaards ‚Lösung‘ besteht dann in einem nachdrücklichen Verzicht auf eine Philosophie, die direkt auf die Wirklichkeit zuginge. Vielmehr ist nur eine indirekte Mitteilung und Darstellung des Wirklichen möglich, die das beständige und unaufhebbare Verfehlen des ‚Gegenstands‘ zu ihrer Methode macht. Kierkegaards ‚indirekte Mitteilung‘
AUN2, 17 / SKS 7, 288 [Herv. v. Verf.]. Über die hier genannten Stellen hinaus ist noch eine weitere Hinsicht zu nennen, in der Schelling und Hegel im Begriff Angst und der Nachschrift ausdrücklich nebeneinander gestellt werden. Mehrfach verweisen die Pseudonyme in der Frage des ‚Anfangs‘ auf Hegels Kritik an Schellings Konzeption der ‚intellektuellen Anschauung‘. Obgleich die Pseudonyme den Begriff teilweise gegen Hegels Kritik verteidigen, scheint es nicht so, als würde Kierkegaard produktiv an diesen Gedanken Schellings anschließen. Vgl. DBA, 8 / SKS 4, 319; AUN1, 97 f., 139 Anm. / SKS 7, 102 f., 139 Anm.; AUN2, 38 / SKS 7, 306. Vgl. auch die Journalnotiz NB:128 (T 2, 80 f. / SKS 20, 89 f.) von 1847, in der Kierkegaard diese Überlegungen weiterführt.
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Philipp Schwab
wird in den unterschiedlichsten Kontexten und auf vielfältige Weise formuliert;¹⁰⁰ in dem genannten Passus findet sich die folgende, modalkategoriale Variante: Aber Existenzwirklichkeit lässt sich nicht mitteilen; und der subjektive Denker hat in seiner eigenen ethischen Existenz seine eigene Wirklichkeit. Wenn Wirklichkeit von einem Dritten verstanden werden soll, muss sie als Möglichkeit verstanden werden, und ein Mitteilender, der sich dessen bewusst ist, wird darauf achten, dass seine Existenzmitteilung, gerade um in Richtung der Existenz zu liegen, in der Form der Möglichkeit sein muss.¹⁰¹
Dazu gehört freilich, dass das Verfehlen der Form eigens unterstrichen wird – und dies gelingt Kierkegaard in einer Methode, die sich beständig entgegenarbeitet. In der indirekten Mitteilung entwirft Kierkegaard ein denkerisches Verfahren der Unabgeschlossenheit, die weder in einem absoluten Ausgangspunkt noch in einem finalen Resultat ihre Befriedigung und Ruhe erlangt, sondern unaufhebbar in perspektivischen Brechungen den Bereich umkreist, um den es ihr wesentlich zu tun ist – die Existenzwirklichkeit des Einzelnen. *** Vor diesem Hintergrund lässt sich in aller Kürze Kierkegaards Bezugnahme auf die von ihm selbst gehörte und mitgeschriebene Berliner Vorlesung Schellings zusammenfassen. Der schellingschen Fundamentaldifferenz von Möglichkeit und Wirklichkeit verdankt Kierkegaard offenkundig einen wesentlichen Impuls. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Kierkegaard in der Nachfolge Schellings gegen Hegel eine ‚Sondersphäre‘ des Wirklichen einklagt, die vom Logischen und dem Begriff klar zu scheiden ist. Gerade dieses Motiv lässt die ‚hegelianisierende‘ Vermittlung des Einzelnen mit dem (substanziellen) Allgemeinen, die in Kierkegaards Frühwerk noch präsent ist, zusehends zurücktreten. Gleichwohl ist schon in der Ironieschrift – also noch vor dem Besuch der Schelling-Vorlesung – die Akzentuierung der konkreten und einzelnen Existenz nachzuweisen, auf die Kierkegaard Schellings Sphärendifferenz bezieht. So wird in der Art und Weise, in der sich Kierkegaard Schellings Gedanken anverwandelt, sein Abstand zur klassischen Philosophie als solcher deutlich: nämlich in der systemkritischen Hinwendung zur singulären Wirklichkeit des je Einzelnen.
Vgl. Schwab 2012. AUN2, 62 / SKS 7, 327. Vgl. ausführlicher Schwab 2012, 139 – 142.
Kazimir Drilo
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel „Die Zeitlichkeit, die Endlichkeit ist das, worum sich alles dreht“.¹ Dieser Satz von Kierkegaard („Johannes de silentio“ in Furcht und Zittern) könnte auch von Hegel stammen. Die spekulative Philosophie hat es, anders als Kierkegaard ihr unterstellt, nicht mit abstrakten Denkbestimmungen zu tun, sondern mit der Idee, zu deren Wesen ihre Entäußerung in die Zeitlichkeit und Endlichkeit und das Beisichsein in der Endlichkeit gehört. Und an diesem Punkt treffen sich Kierkegaard und Hegel – trotz aller Polemik, die Kierkegaard in seinen Schriften unermüdlich an Hegel als den abstrakten, reinen Denker richtet: Es dreht sich alles um die Endlichkeit. Dass Kierkegaard die Natur der spekulativen Philosophie Hegels missverstanden hat, ist in der Sekundärliteratur schon oft diskutiert worden. Ich möchte auf einen Punkt eingehen, an dem dieses Missverständnis offensichtlich ist: an den Vorwurf Kierkegaards, Hegels Philosophie kenne nicht „das Verborgene“: Das Ethische ist als solches das Allgemeine, als das Allgemeine ist es wiederum das Offenbare. Der Einzelne ist als unmittelbar sinnlich und seelisch bestimmt der Verborgene. Dann ist seine ethische Aufgabe, sich aus seiner Verborgenheit herauszuwickeln und im Allgemeinen offenbar zu werden. ²
„Die Hegelsche Philosophie“, so Kierkegaard weiter, „nimmt keine berechtigte Verborgenheit, keine berechtigte Inkommensurabilität an“.³ Hegels Philosophie versteht nicht, was der Glaube ist, denn für sie ist der Glaube etwas bloß Unmittelbares. Das sei der Glaube jedoch nicht; er ist nicht, so wie Hegel ihn versteht, die „erste“ Unmittelbarkeit, sondern „eine spätere“, die Hegel nicht kennt. Der Glaube hat nämlich die unendliche Resignation zur Voraussetzung, er ist „das Paradoxon des Daseins“ und nicht ein unmittelbarer Trieb des Herzens.⁴ Durch die unendliche Resignation „leiste ich auf alles Verzicht, diese Bewegung mache ich durch mich selbst“, aber „durch den Glauben leiste ich nicht auf etwas Verzicht, im Gegenteil bekomme ich durch den Glauben alles“:
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1976a, 1976a, 1976a, 1976a,
229. 273. 273. 226 f.
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Kazimir Drilo
Es gehört ein rein menschlicher Mut dazu, auf die ganze Zeitlichkeit Verzicht zu leisten, um die Ewigkeit zu gewinnen; [..] aber es gehört ein paradoxer und demütiger Mut dazu, nun die ganze Zeitlichkeit kraft des Absurden zu ergreifen, und dieser Mut ist der des Glaubens.⁵
Hegels Philosophie fordert die Offenbarung, das Allgemeine, das Mitteilbare; deswegen kann sie nicht begreifen, was der Glaube ist: die aus der unendlichen Resignation sich erhebende Gottesbeziehung, in der der Einzelne als Einzelner höher ist als das Allgemeine. So lautet Kierkegaards Hegel-Kritik. Aber trifft seine Charakterisierung der Hegelschen Philosophie zu? Oder verbirgt sich das Verborgene vielleicht bei Hegel in dem Vollzug des spekulativen Denkens, das eine Bewegung beschreibt, die der Glaubensbewegung, die Kierkegaard meint, sehr ähnlich ist? Bei Fichte wiederum ist, insbesondere in der Periode seiner Schriften zwischen 1801 und 1805, das Verborgene in dem Nicht-Mitteilbaren, den Nihilismus der Reflexion Überwindenden enthalten: in der Methode der Wissenschaftslehre und dem in ihr dargestellten Vollzug des absoluten Wissens. Die Rückkehr zur Welt nach ihrer Negation ist in der Wissenschaftslehre, die eine Lehre von den Prinzipen des Wissens ist, vorbereitet und wird in den Populärschriften thematisiert. Obwohl Fichte der Endlichkeit einen geringeren Stellenwert einräumt als es Hegel und Kierkegaard tun, ist der Gedanke der Doppelbewegung von Negation und Affirmation in der Tätigkeit des absoluten Wissens bei ihm so wichtig, dass er als der eigentliche „Denker der Doppelbewegung“ bezeichnet werden kann. Festzuhalten ist, dass Kierkegaard mit Verborgenheit nicht irgendwelche geheimen Inhalte des Glaubens meint, sondern den Glaubensvollzug, der die Einheit von Selbstverhältnis, Weltverhältnis und Gottesverhältnis ist. Der Ritter des Glaubens „hat nur einzig und allein sich selbst, und darin liegt das Entsetzliche“; er ist „immer die absolute Isolation“;⁶ er setzt sich „als Einzelner in ein absolutes Verhältnis zum Absoluten“.⁷ Im Folgenden möchte ich diesem Moment des Verborgenen (die teleologische Suspension des Ethischen, durch die der Einzelne höher ist als das Allgemeine) im Glauben (der das Ergreifen des Endlichen ist, nachdem das Allgemeine suspendiert worden ist) nachgehen, indem ich Hegels, Fichtes und Kierkegaards „Lehre von der Doppelbewegung“ skizziere. Es kommt mir darauf an zu zeigen, dass Kierkegaard in die Reihe der idealistischen Denker gehört, die die Doppelbewegung von Negation der Welt und der Rückkehr zur Welt sowie das Moment des
Kierkegaard 1976a, 229. Kierkegaard 1976a, 268 f. Kierkegaard 1976a, 247.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
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Unsagbaren, „Verborgenen“ in ihr in den Mittelpunkt ihres Denkens gestellt haben.
1 Die Doppelbewegung des Glaubens Kierkegaard grenzt sich von Hegel in vier Punkten ab: a) Der Glaube ist das Paradoxon, dass der Einzelne höher ist als das Allgemeine; dieser Glaube lässt sich nicht verstehen; b) Der Einzelne muss das „Martyrium der Unverständlichkeit“ ertragen; der Glaube lässt sich nicht mitteilen; c) Der Glaube heißt, dass der Einzelne als der Einzelne in einem absoluten Verhältnis zum Absoluten steht; dieses Verhältnis lässt sich nicht simulieren; d) Dem Glauben geht die unendliche Resignation voraus, durch die die Ewigkeit gewonnen wird; der Glaube ergreift jedoch die Zeitlichkeit. Die vier Merkmale des Glaubensvollzugs sind also: nicht verstehen können, nicht mitteilen können, nicht simulieren können, die Endlichkeit (Zeitlichkeit) ergreifen wollen. Die Bewegung des Glaubens lässt sich zwar beschreiben, aber sie kann nur von jedem Einzelnen vollzogen werden.⁸ So, wie die Schwimmbewegungen zwar zu beschreiben sind, aber jeder nur selbst schwimmen kann, so kann man auch die Bewegung der unendlichen Resignation beschreiben, aber nicht die des Glaubens, die jeder selbst vollziehen muss: „die Bewegung des Glaubens muss ständig kraft des Absurden gemacht werden, doch wohlgemerkt derart, dass man die Endlichkeit nicht verliert, sondern ganz und gar gewinnt“. ⁹ Wie lässt sich das, was Kierkegaard mit dem Verborgenen meint, verstehen? Die Verborgenheit, um die es Kierkegaard geht, ist nicht diejenige einer „heimlichen Schrift“; sie besteht auch nicht im „Schweigen“, durch das der Einzelne höher sein will als das Allgemeine. Es ist weder eine ästhetische noch eine ethische Verborgenheit, um die es geht. Es ist eine Verborgenheit, in der sich „der Held“ nicht im Schweigen selbst genießt, sondern in der er Schmerz leidet. Das Schweigen hat „nicht seinen Grund darin, dass er sich als der Einzelne in ein absolutes Verhältnis zum Allgemeinen stellen wollte, sondern dass er als der Einzelne in ein absolutes Verhältnis zum Absoluten gestellt wäre.“¹⁰ Das Verborgene des Glaubensvollzugs besteht somit nicht nur darin, dass der Einzelne höher steht als das Allgemeine, sondern vor allem darin, dass er in einem absoluten Verhältnis zum Absoluten steht. Dieses absolute Verhältnis ist ge-
Kierkegaard 1976a, 214. Kierkegaard 1976a, 214 f. Kierkegaard 1976a, 288 f.
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kennzeichnet durch die unendliche Resignation, d. h. die Negation des Zeitlichen und Endlichen, und die Rückkehr zum Zeitlichen und Endlichen. Es ist Abraham, der „Vater des Glaubens“, der diese Doppelbewegung vollzieht: Er bestieg den Berg; noch in dem Augenblick, als das Messer blinkte, glaubte er – dass Gott Isaak nicht fordern werde. Er wurde dann zwar vom Ausfall überrascht; aber er war durch eine Doppelbewegung zu seinem ersten Zustand zurückgelangt, und deshalb empfing er Isaak froher als das erstemal.¹¹
Um die Zeitlichkeit zu ergreifen ist also die vorherige „Resignation“ nötig. Die Resignation muss so radikal sein, dass sie sich außerhalb des Bereichs des Allgemeinen bewegt; sie richtet sich auf das Ganze der Endlichkeit. Der Verstand „will“ ja, so Kierkegaard, seinen eigenen Untergang.¹² Kierkegaard hat die Suspension des Ethischen, aber auch die ihr nachfolgende Annahme des Ethischen im Blick: „denn groß ist es, seinen Wunsch fahren zu lassen; aber größer ist, daran festzuhalten, nachdem man ihn hat fahren lassen; groß ist, das Ewige zu ergreifen; aber größer ist, am Zeitlichen festzuhalten, nachdem man es hat fahren lassen.“¹³ Abraham glaubte ja, wie Kierkegaard betont, „für dieses Leben“.¹⁴ Das ist ein wichtiger Punkt: Der Glaube gilt diesem Leben, er richtet sich auf das Wiedergewinnen der Endlichkeit. Den „Sprung im Leben in Gang zu verwandeln“ – das kann nur der Ritter des Glaubens, der auch die Bewegung der Resignation vollzogen kann.¹⁵ Die Rückkehr in die Endlichkeit ist für Kierkegaard das Offenbarwerden des Verborgenen. Es ist entscheidend, diesen Gedanken so zu verstehen, wie er sich in seiner Sperrigkeit darbietet: Die Doppelbewegung des Glaubens „Verborgenes (Suspension des Allgemeinen) – Offenbarung (Wiederergreifen des Allgemeinen)“ bestehet nicht aus zwei voneinander unabhängigen Tätigkeiten, sondern aus einer Tätigkeit mit den beiden Momenten. Kierkegaard thematisiert in Furcht und Zittern eine Weise des Verborgenseins, die noch nicht das Moment der Rückkehr zum Allgemeinen enthält: die Reue. Die Reue ist der höchste ethische Ausdruck; ihr Gegenbegriff ist die Sünde, eine „spätere Unmittelbarkeit“, in der der Einzelne im Sinne eines „dämonischen Paradoxons“ höher ist als das Allgemeine.¹⁶ Die Reue kann nur, so wie die un-
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1976a, 212. 1976c, 60. 1976a, 194 f. 1976a, 197. 1976a, 219. 1976a, 294.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
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endliche Resignation, aus eigener Kraft vollzogen werden. Aber nur durch die „Bewegung des Absurden“ führt die Reue aus der Verborgenheit in die Offenbarung, d. h. in das erneute Ergreifen der Wirklichkeit.¹⁷ Auch die Reue braucht also die Ergänzung durch den Glauben. Für den Kierkegaard der Schrift Über den Begriff der Ironie ist (so wie auch für Hegel, an dessen Kritik der romantischen Ironie sich Kierkegaard orientiert) auch die Ironie ein Beispiel für die Suspension des Ethischen. Der Ironiker gerät fortwährend in den Streit mit der Wirklichkeit, der er zugehört, und „suspendiert“ Moral und Sittlichkeit, indem er ihnen eine bloß „poetische Gültigkeit“ zuspricht.¹⁸ In Furcht und Zittern wiederum entspricht der Ironie die Bewegung der unendlichen Resignation.¹⁹ Sie ist ein Mittel, das Wesentliche hinter der Maske des Zufälligen zu verstecken. Ohne die Ergänzung durch den Glauben bleibt sie aber, so wie die Reue, im Verborgenen, oder sie wird „dämonisch“, so dass ihre Inkommensurabilität eine des Bösen ist. Auch in der Schrift Die Wiederholung wird am Beispiel von Hiob gezeigt, dass Gott nicht ethischen Bestimmungen unterworfen werden darf, und vor allem, dass eine Simulation, ein „als ob“ der Annahme des Wirklichen, nachdem das Unglück eingetreten ist, nicht die wahre Rückkehr zum Wirklichen ist. Es ist eine „dämonische Leidenschaft“, dem Unglück in der Weise zu begegnen, dass man es „großmütig“ annimmt und dann mit der Gottesliebe einfach fortfährt.²⁰ Sie wäre genauso zum Scheitern verurteilt wie die „ästhetische“ Simulation der Wiederholung, die nach dem „Gewitter“ des Schicksalsschlags sich verzweifelt ein neues Leben einredet.²¹ Constantin Constantius charakterisiert diese simulierte Wiederholung folgendermaßen: In dem Augenblick, wo die zeitweilige Suspension aufgehoben wird, bekommt er [der „junge Mensch“] sich selber wieder, aber als Dichter, und das Religiöse geht zugrunde: bleibt als unaussprechlicher Untergrund. Hätte er einen tieferen religiösen Hintergrund besessen, so wäre er nicht Dichter geworden. Dann hätte alles religiöse Bedeutung erlangt. [..] Er würde dann mit religiöser Furcht und Zittern, aber auch mit Glauben und Vertrauen verstehen, was er von Anfang an getan hatte, und was er in Konsequenz davon später zu tun verpflichtet war [..].²²
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1976a, 296. 1961, XIII 354. 1976a, 232. 1976b, 418. 1976b, 430 f. 1976b, 439.
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Der „Anstoß“ zur religiösen Wiederholung, die die wahre (nicht bloß simulierte) Annahme der Wirklichkeit nach der Resignation ist, muss jedoch von einer „höheren Stelle“ kommen und nicht als „die zweite Potenz seines Bewusstseins“, also als Reflexion auf das geschehene Unglück.²³ Hiob dagegen handelt nicht so, dass er vorgibt, er könne verstehen,warum ihn Gott bestraft; er redet sich die Wiederholung nicht ein. Er bleibt bei seiner Behauptung, „er habe recht“: „Hiob hält in der Weise an seiner Behauptung fest, dass man in ihm jene Liebe und jenes Vertrauen gewahrt, das dessen gewiss ist, Gott werde schon alles erklären können, wenn man bloß bis zu ihm selber vordringe.“²⁴ Diese Einstellung, auf alle menschliche Gewissheit und Wahrscheinlichkeit zu verzichten, wenn alles verloren ist, „ewig recht“ und „ewig unrecht“ zu haben – beides durch die Gottesbeziehung – führt zu derjenigen Wiederholung, die die Annahme der Wirklichkeit ist. ²⁵ Die Wiederholung ist somit „der archimedische Punkt“, den man nicht aus eigener Kraft finden kann, der nur in der Gottesbeziehung gegeben wird.²⁶
2 Die Doppelbewegung des absoluten Wissens Die Doppelbewegung und das ihr immanente Moment des verborgenen, weil nicht mitteilbaren, sondern nur von jedem selbst zu vollziehenden Bezugs zum Absoluten ist auch bei Fichte zentral. Für Fichte wird nur in der strengen Methode der Wissenschaftslehre das Absolute sichtbar und erfahrbar, jedoch nicht als Objekt oder als Grund des Wissens, auch nicht als Postulat oder als regulative Idee. Die bis zu seiner Wissenschaftslehre unternommenen Versuche, das Absolute zu erkennen, bezeichnet er als unbefriedigend, denn sie suchten das Absolute in einem Jenseits des Wissens und nicht in der Lebendigkeit des Wissens selbst. In Fichtes transzendentalphilosophischem Konzept ist die Erkenntnis des Absoluten das immer neu zu leistende Festhalten einer unverfügbaren schöpferischen Kraft, die sich nur im Vollzug des Wissens, das Fichte seit 1801 „das absolute Wissen“ nennt, offenbart, dadurch das Wissen vor der Selbstvernichtung bewahrt und so der Reflexion innewohnenden Nihilismus entgegenwirkt. Das Absolute ist eine Kraft, die in einem Akt der Freiheit bejaht und angenommen werden muss. In der Wissenschaftslehre von 1804 und in den Principien der Gottes-, Sittenund Rechtslehre von 1805 bezeichnet das absolute Wissen den Standpunkt der
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1976b, 237. 1976b, 419. 1976b, 423. 1976b, 396.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
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Wissenschaftslehre selbst. Die in der Wissenschaftslehre durchgeführte Untersuchung wird „vom absoluten Wissen aus gesehen, von ihm abgeleitet, u. bestimmt“.²⁷ Auf dem höchsten Punkt der Untersuchung muss der Philosophierende selber zur Wissenschaftslehre werden. Das „Zur-Wissenschaftslehre-Werden“ ist unmittelbar verknüpft mit dem Selbstgefühl des Philosophierenden als derjenigen Instanz, die das Wissen vor dem Zerfließen ins Nichts bewahrt und es so im Sein hält. Der letzte Schritt der Wissenschaftslehre – das Selber-zum-absoluten-Wissen-Werden – ist auf das Annehmen der Wirklichkeit ausgerichtet, die jedoch nicht mehr als eine „tote“, vom Absoluten getrennte betrachtet wird, sondern als vom Absoluten durchdrungene und daher lebendige. Die Aufgabe der Philosophie ist die Darstellung des Absoluten, ihr Wesen besteht darin, „alles Mannigfaltige zurückzuführen auf absolute Einheit“.²⁸ Die Wissenschaftslehre hat mit einer Grundschwierigkeit zu kämpfen, die jedem Nachdenken über das Absolute eigen ist: Wird das Absolute gedacht, verliert es seine Unmittelbarkeit, wird objektiv und wir erkennen nur das Bild des Absoluten. Um diese Schwierigkeit – Wissen von Absolutem ist dessen Objektivierung – zu vermeiden, muss die Wissenschaftslehre, so Fichte, mit dem Absoluten zusammenfallen. Folgende Einsicht ist dabei wichtig: Wir, die Zuhörer und Leser, sind die Wissenschaftslehre selbst.²⁹ Die „wahre rechte Einheit“ von Wissen und Absolutem muss von uns eingesehen werden, denn sie besteht nur „in dieser absolut innerlich lebendigen, thätigen und kräftigen, keineswegs aber etwa ertödteten“ Einsicht. ³⁰ Diese Einsicht ist jedoch kein bloßes theoretisches Wissen, sie ist auch unser Lebensvollzug: „Mit Einem Worte: die Einheit kann durchaus nicht liegen in dem, was wir, als die W.=L. sehen und erblicken, denn das ist ein objektives, sondern in dem, was wir selbst innerlich sind, treiben und leben.“³¹ In der Wissenschaftslehre von 1805 schärft Fichte seinen Zuhörern schon in der ersten Stunde ein, dass er bei der Beantwortung der Frage „was ist das Wissen“ nicht an etwas Bekanntes erinnern wird. Das von ihm Dargestellte ist vielmehr „nur durch das Sprechen davon, und in diesem Sprechen“, und ansonsten ist es „durchaus nicht“.³² Das ist, so Fichte, das Eigentümliche des transzendentalen Denkens: Das energische Fassen des Gedachten „im vollen Ernst“ und „hier auf der Stelle“. Außerhalb dieses unmittelbaren Denkvollzugs wird „von Nichts ge-
Fichte 1986a, 6. Fichte 1986b, 7. Fichte 1986b, 33. Fichte 1986b, 56 f. Fichte 1986b, 56 f. Fichte, GAII.9, 179.
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Kazimir Drilo
redet“.³³ Nur dasjenige, das vom lebendigen Vollzug der Vernunft unmittelbar erzeugt wird, kann in der Wissenschaftslehre Bestand haben. Man muss sich „ganz mit allem seinem Vermögen“ in das Gedachte „versenken, es selber werden, und darin aufgehen“.³⁴ In der Wissenschaftslehre wird nichts Neues gelernt, sondern etwas hervorgebracht, was in dem Hörer der Wissenschaftslehre schon liegt. Die Wissenschaftslehre schafft zwar die Bedingung für die Aufnahme des von ihr Dargestellten, das Begreifen hängt jedoch davon ab, dass man sich selbst zur unmittelbaren Genesis des Absoluten macht. Diese Vorgehensweise, in der der Zuhörer kein passiv Aufnehmender ist, sondern die Bedingung des Sicherzeugens der Wahrheit in sich entstehen lässt und so selbst zu der eingesehenen Wahrheit wird, ist im Wesen der Wissenschaftslehre selbst begründet. Sie ist kein „gedrucktes Buch“, sondern „ein lebendiger, ewig neu, und frisch zu producirender Gedanke, der unter jeder andern Bedingung der Zeit, und der Mittheilung sich anders ausspricht“.³⁵ Zwar hat sie faktisch immer die Form der Subjektivität, die „unaustilgbar“ ist, sie zeigt jedoch, dass dieses faktisch nie wegzubringende Subjektive „in der That, und Wahrheit gar nichts bedeute“ und „auf das Wesen an sich gar keinen Einfluss habe, noch zu ihm gehöre, drum man es immer weglassen könne, wie man ja müsse“.³⁶ Die „Suspension“, d. h. die Negation richtet sich auf die Subjektivität des Wissens; es zeigt sich, dass diese Subjektivität, die ja das Moment des Endlichen und Zeitlichen im Wissen ist, unaustilgbar ist. Die Form der Subjektivität des Wissens ist somit notwendig; ihr soll man aber, so lautet Fichtes Pointe, keine Bedeutung geben. Das Einswerden mit der Wissenschaftslehre und das Durchdrungensein vom Leben des Absoluten erhebt den Philosophierenden auf das „Gebiet der höheren Moralität“.³⁷ So heißt es in der Anweisung zum seligen Leben: Das gottselige und selige Leben ist durch ihn [den Standpunkt der Wissenschaft] zwar keineswegs bedingt; dennoch aber gehört die Anforderung, diese Wissenschaft in uns, und anderen zu realisieren, in das Gebiet der höheren Moralität. Der wahrhaftige und vollendete Mensch soll durchaus in sich selber klar sein; denn die allseitige, und durchgeführte Klarheit, gehört zum Bilde und Abdrucke Gottes.Von der anderen Seite aber kann freilich keiner diese Anforderung an sich selber tun, an den sie nicht schon, ohne alles Zutun, ergangen, und dadurch selbst ihm erst klar, und verständlich geworden ist.³⁸
Fichte, GAII.9, 179. Fichte, GAII.9, 180. Fichte, GAII.9, 181. Fichte, GAII.9, 182. Fichte 2001, 83 f. Fichte 2001, 83 f.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
113
Die Aufforderung, zu einem „wahrhaftigen und vollendeten Menschen“ zu werden, ist durch die Offenbarung des Absoluten gegeben, die jedoch nicht bloß historisch, also zufällig sein kann, sondern als eine metaphysische, im Wissen tätige Offenbarung, erkannt werden muss. Der letzte Schritt, den das Subjekt tun muss, der Schritt in den Mittelpunkt des Wissens und somit in das „Licht“ des Absoluten, ist nicht weiter vermittelbar – ihn muss jeder für sich vollziehen, nachdem er die Reflexion und ihren Nihilismus in ihrem Scheincharakter durchschaut hat. Das geschieht, indem man bis zum Ende reflektiert.³⁹ Wie das zu verstehen ist, erläutert Fichte am Beispiel des Verhältnisses der Reflexion zu dem Glauben an das von der Reflexion unabhängige Absolute: Der Glaube an das Absolute „ist Unglaube an die absolute Reflektierbarkeit: er ist daher bedingt dadurch dass man diese, als absolut faktisch, erkenne, und als solche sie gelten lasse“.⁴⁰ Dem „blinden Nichtreflektieren“, das willkürlich mit der Reflexion aussetzt, um Raum für das Absolute zu schaffen, ist das „Setzen u. stehen lassen der absoluten Reflektierbarkeit“ entgegen zu halten, ohne „dem Scheine, den sie sich giebt“, zu glauben.⁴¹ Beides gehört somit zu der Doppelbewegung des absoluten Wissens: Negation und Affirmation des Endlichen, durch deren Dialektik das Absolute fassbar wird.
3 Die Doppelbewegung der Spekulation Welchen Stellenwert hat das in der Doppelbewegung enthaltene „Verborgene“ in Hegels Philosophie? Kierkegaard leugnet ja die Möglichkeit, im System des reinen Denkens einen Ort für das Verborgene zu finden: Das Ethische ist das Allgemeine [..]. Verhält es sich so, dann hat Hegel recht, wenn er den Menschen im Guten und im Gewissen nur als den Einzelnen bestimmt sein lässt, er hat recht, diese Bestimmungen als eine ‚moralische Form des Bösen‘ [vgl. besonders die Rechtsphilosophie] anzusehen, die in der Teleologie des Sittlichen aufgehoben werden soll [..].⁴²
Worin besteht für Hegel das Charakteristische einer allgemeinen, einer sittlichen Existenz? Die Rechtsphilosophie gibt darauf folgende Antwort: „Auf die Frage eines Vaters nach der besten Weise, seinen Sohn sittlich zu erziehen, gab ein Pythagoreer [..] die Antwort: wenn du ihn zum Bürger eines Staats von guten Gesetzen
Fichte 1984, 66. Fichte 1984, 66. Fichte 1984, 67. Kierkegaard 1976a, 237 f.
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machst“.⁴³ Und weiter heißt es: Der Staat hat „das höchste Recht gegen die Einzelnen [..], deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des Staats zu sein.“ ⁴⁴ Es sind Tugendhaftigkeit, Rechtschaffenheit und Pflichterfüllung, die einen Menschen zum sittlichen Subjekt machen, also die Tatsache, dass er Bürger eines Staates mit guten Gesetzen ist. Eine weitere, ähnliche Bestimmung des sittlichen Lebens finden wir auch am Ende der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, wo Hegel seinen Zuhörern nahelegt, an den Geist der Zeit „zu hören und ihm Wirklichkeit zu verschaffen“, ihn „zu ergreifen und aus seiner Natürlichkeit, d. h. Verschlossenheit, Leblosigkeit hervor an den Tag zu ziehen“ und ihn, „jeder an seinem Orte – mit Bewusstsein an den Tag zu bringen“.⁴⁵ Diese Textstellen bestätigen Kierkegaards Kritik, dass bei Hegel das Ethische, das Allgemeine das Höchste ist und dass es ihm darum geht zu zeigen, dass der Geist aus der Unmittelbarkeit und Verschlossenheit „an den Tag“ hervorzubringen ist. Dass der Einzelne höher steht als das Allgemeine, ist für Hegel in der Tat nicht ein Merkmal des Glaubens, sondern vielmehr der Ironie. Sie ist die sich als absolut wissende Subjektivität, die allen objektiven, allgemeinen Inhalt vernichtet, die die eigene Willkür zum Maßstab der Religion und der Philosophie erhebt und so das Böse, das Inkommensurable ist. Der Ironiker wird von Hegel folgendermaßen charakterisiert: „Ich bin der Vortreffliche und bin Meister über das Gesetz und die Sache“ – diese „absolute Selbstgefälligkeit“ des Ironikers ist „ein einsamer Gottesdienst seiner selbst“, der auch eine „Gemeinde“ der „schönen Seelen“ bilden kann.⁴⁶ Für Hegel zeigt sich an der Ironie das Charakteristische des moralischen Gewissens und der „formellen Subjektivität“: immer „auf dem Sprunge zu sein, ins Böse umzuschlagen“.⁴⁷ Ironie ist für Hegel die Suspension des Allgemeinen ohne das Verhältnis zum Absoluten (nur das eigene „Ich“ ist das Absolute). Gibt es in Hegels Philosophie eine Möglichkeit, die „absolute Beziehung zum Absoluten“, in der die Beziehung zum Ethischen (Allgemeinen) suspendiert wird, zu finden? Schauen wir uns zunächst an, was Hegel über Christus sagt. Er bezeichnet das Leben Christi als das einzelne unmittelbare Dasein, das die „Form des Begriffs“ angenommen hat. Hegel belegt diese These mit den Beispielen aus der Lehre Jesu. Sein Anliegen ist es, zu zeigen, dass von dem Inhalt seiner Lehre aus gesehen, Jesus nur ein Lehrer unter vielen war, vergleichbar mit Sokrates.⁴⁸ Das Leben Christi enthält jedoch „eine unendlich größere Tiefe als die Innerlichkeit
Hegel, TWA 7, § 153. Hegel, TWA 7, § 258. Hegel, TWA 20, 461. Hegel, TWA 7, § 140. Hegel, TWA 7, § 139. Hegel, VR 3, 244.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
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des Sokrates“. Diese unendlich größere Tiefe ist aber nicht „für den Unglauben“, der nur die „äußerliche Geschichte Christi [..] wie die Geschichte des Sokrates“ sieht.⁴⁹ Für den „Unglauben“ lassen sich zwar wichtige Lehren aus dem Leben Jesu gewinnen. So kann Jesus als ein Mensch betrachtet werden, der „nur der Wahrheit, nur der Verkündigung“ des Reiches Gottes lebt, der die Ankunft einer neuen Welt, einer neuen Wirklichkeit verkündet, so dass sein Auftreten eine „polemische Seite“ gegenüber dem Bestehenden hat und als jemand, bei dem „die Lehre der Liebe“ den Mittelpunkt seiner Verkündigung bildet, der prophetisch „aus Gott“ spricht und der schließlich zu einem „Märtyrer der Wahrheit“ wird.⁵⁰ Alle diese „Hauptmomente in der Erscheinung des Menschen“ ergeben aber, so Hegel, noch keine religiöse Betrachtung. Die moralischen und die sittlichen Eigenschaften, die Christus verkörpert, gehören zwar auch zu einem Leben in der Nachfolge Christi; im Unterschied zu seinen frühen Schriften, in denen er Jesus als einen Lehrer der Tugend verstanden hatte, betont Hegel seit der Phänomenologie, dass es sich bei der religiösen Betrachtung der Person Christi „nicht um eine moralische Lehre handelt, überhaupt nicht um Denken und Wollen des Subjekts in sich und aus sich“, sondern um „unendliches Verhältnis zu Gott, ein Verhältnis zum gegenwärtigen Gott“, das eine höhere Befriedigung verschafft als die Befriedigung in der Moralität, der Sittlichkeit oder im Gewissen.⁵¹ Das im Glauben erfahrene unendliche Verhältnis ist dadurch charakterisiert, dass Gott gegenwärtig ist und dass die Gegenwart Gottes „als eigenes Gefühl, als Selbstgefühl sein muß“. Diese Erfahrung gehört, so Hegel, notwendig zu der religiösen Betrachtung und nicht nur der Inhalt der Lehre Jesu, der ja auch für die Ungläubigen in seiner Wichtigkeit anerkannt werden kann. Nicht das Allgemeine des Ethischen ist das Entscheidende für das sich an Christus orientierende Gottesverhältnis, sondern eben das unendliche Verhältnis zu Gott. Dieses unendliche Verhältnis ist jedoch nicht als die Abkehr vom Allgemeinen zu verstehen, sondern als die Rückkehr in die Welt der Moralität und der Sittlichkeit, ohne dabei die im Glauben hergestellte Gottesbeziehung zu verlassen. Hegels Beispiel für diese durch das Gottesverhältnis konstituierte Grundlage der allgemeinen, der moralisch-sittlichen Welt ist der religiöse Kultus. „Kultus“ bezeichnet den Willen, die Entzweiung der menschlichen und der göttlichen Natur nicht nur theoretisch, sondern auch in der Praxis des Gottesbezugs aufzuheben. Nicht allein die denkende Versenkung in den Gegenstand der Anbetung, sondern
Hegel, VR 3, 244; vgl. auch 240. Hegel, VR 3, 240 – 244. Hegel, VR 3, 245.
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auch die fühlende, die ganze menschliche Existenz berührende Erfahrung ist das Ziel der kultischen Handlung: „Ich habe nicht nur den Gegenstand zu wissen, erfüllt zu sein, sondern mich als erfüllt von diesem Gegenstand zu wissen, ihn als in mir und ebenso mich als in diesem Gegenstand, der die Wahrheit ist, und also mich in der Wahrheit zu wissen. Diese Einheit hervorzubringen ist das Tun oder die Seite des Kultus.“ ⁵² Der Kultus will die Wiederherstellung der Einheit mit dem Absoluten durch „eine innere Umkehr des Geistes und des Gemüts“ erreichen.⁵³ Erst diese innere Umkehr bildet den substantiellen Grund des weltlichen, sittlichen Lebens des Menschen und seiner moralisch-sittlichen Welt.⁵⁴ Der Kultus ist deshalb die Grundlage der lebendigen Sittlichkeit. Die spekulative Philosophie, von Hegel in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Religion als „ein beständiger Kultus“ bezeichnet, muss diesen Praxisbezug beibehalten; das Sich- Erheben zum Absoluten ist daher immer auch das Ergreifen der Welt, in der wir leben. Wenn wir aber nach dem „Verborgenen“ in Hegels Philosophie fragen, so ist es vor allem wichtig festzuhalten, dass sich die „Suspension“ des Allgemeinen so vollzieht, dass das Verborgene, das Nicht-Mitteilbare nur in der mit der Negation gleichzeitigen Annahme des Negierten besteht. „Verborgen“ ist dasjenige, das nur im Nacheinander der sprachlichen Explikation dargestellt werden kann, das aber dadurch den Charakter des Verborgenen gerade verliert. Über das spekulative Verstehen, das sich von den im zeitlichen Nacheinander befangenen Verstandeskenntnissen grundlegend unterscheidet, sagt Hegel Folgendes: Denn bei Gedanken, besonders bei spekulativen, heißt Verstehen ganz etwas anderes als nur den grammatischen Sinn der Worte fassen und sie in sich zwar hinein-, aber nur bis in die Region des Vorstellens aufnehmen. Man kann daher eine Kenntnis von den Behauptungen, Sätzen oder, wenn man will, von den Meinungen der Philosophen besitzen, sich mit den Gründen und Ausführungen solcher Meinungen viel zu tun gemacht haben, und die Hauptsache kann bei allen diesen Bemühungen gefehlt haben, nämlich das Verstehen der Sätze. Es fehlt daher nicht an bändereichen, wenn man will gelehrten Geschichten der Philosophie, welchen die Erkenntnis des Stoffes selbst, mit welchem sie sich so viel zu tun gemacht haben, abgeht. Die Verfasser solcher Geschichten lassen sich mit Tieren vergleichen, welche alle Töne einer Musik mit durchgehört haben, an deren Sinn aber das Eine, die Harmonie dieser Töne, nicht gekommen ist.⁵⁵
Hegel, VR 1, 330 f. Hegel, VR 1, 99. Hegel, VR 1, 89. Hegel, TWA 18, 17.
Die Doppelbewegung und das Verborgene bei Kierkegaard, Fichte und Hegel
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Interessant ist die Frage, ob es bei Hegel, so wie bei Kierkegaard, eine „zweite“ Unmittelbarkeit gibt, in die die Negation der Zeitlichkeit eingeht. Einen Hinweis, dass das der Fall ist, gibt uns der Paragraph 50 der Enzyklopädie: Der Sinn der Erhebung des Geistes ist, dass der Welt zwar Sein zukomme, das aber nur Schein ist, nicht das wahrhafte Sein, nicht absolute Wahrheit, dass diese vielmehr jenseits jener Erscheinung nur in Gott ist, Gott nur das wahrhafte Sein ist. Indem diese Erhebung Übergang und Vermittlung ist, so ist sie ebensosehr Aufheben des Überganges und der Vermittlung, denn das, wodurch Gott vermittelt scheinen könnte, die Welt, wird vielmehr für das Nichtige erklärt; nur die Nichtigkeit des Seins der Welt ist das Band der Erhebung, so dass das, was als das Vermittelnde ist, verschwindet und damit in dieser Vermittlung selbst die Vermittlung aufgehoben wird.
Die Erhebung zum Absoluten, die durch die Negation der Welt, welche „ein Fallendes, Erscheinendes, an und für sich Nichtiges ist“, geschieht, entspricht der unendlichen Resignation bei Kierkegaard. Dass sich der Übergang (die Vermittlung) zum Absoluten dadurch selbst aufhebt und „verschwindet“ ist darin begründet, dass die Erhebung zu Gott zwei sich widersprechende Momente vereinen muss: die Negation und die Affirmation der Welt. Ohne die Welt gibt es nicht die Erhebung zum Absoluten, mit der Welt auch nicht. Dieser Gedanke, dass das Negierte durch die Negation als das Wesentliche affirmiert wird, den man z. B. auch in dem Anerkennungsverhältnis von Herr und Knecht finden kann, ist in der Dialektik der Grenze vorgebildet, so wie sie von Hegel in der Wissenshaft der Logik entwickelt wird. Das Negierte wird durch die Negation gesetzt; diese dialektische Natur der Grenze wird anhand der Beziehung von Etwas und Anderem erläutert. Etwas hat sein Dasein „nur in der Grenze“, diese ist „das Nichtsein des Anderen“. Das Andere ist jedoch „selbst ein Etwas überhaupt“ und so das Nichtsein des ersten Etwas. Die Grenze ist daher „die Vermittlung, wodurch Etwas und Anderes sowohl ist und nicht ist. ⁵⁶ Das Besondere der Grenze, das seiende Nichts zu sein, hat Auswirkungen auf die Bestimmung des Endlichen: Das Endliche ist „Etwas mit seiner immanenten Grenze gesetzt als der Widerspruch seiner selbst, durch den es über sich hinausgewiesen und getrieben wird“.⁵⁷ Nur für die Vorstellung erscheint das Endliche „als einfach positiv und zugleich als innerhalb seiner Grenze ruhig beharrend“, nicht für das spekulative Denken, das die dem Endlichen immanente Widersprüchlichkeit erkennt. Durch die Grenze „vergeht“ das Endliche, wird aber zugleich als Etwas „gesetzt“. Das Moment der „Suspension des Allgemeinen“ ist bei Hegel somit in der Selbstnegation des Endlichen enthalten, einer Selbstnegation, die sich auf das
Hegel, TWA 5, 136. Hegel, TWA 5, 139.
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Ganze, auf das Endliche als solches richtet. Da sie jedoch immer nur als ein Moment auftritt neben der Setzung des Endlichen, ist die Verborgenheit der Selbstsuspension des Endlichen nur zu antizipieren; sie ist der „Gegenstoß“, von dem in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes die Rede ist und der Grund, warum die Form des Urteils nicht geeignet ist, das Wahre auszudrücken.⁵⁸ Jede Explikation kommt schon zu spät, befindet sich schon im Allgemeinen und stellt so das suspendierte Allgemeine wieder her. Den „Augenblick“, in dem die Negation und die Affirmation des Endlichen geschehen, möchte ich als das Verborgene in Hegels spekulativem Erkennen bezeichnen. Es „versteckt“ sich im Vollzug einer Doppelbewegung, die nur im Nacheinander ihrer Momente beschrieben werden kann und die es für das nichtspekulative Denken deshalb so schwer macht, ihren verborgenen „Sinn“ und „die Harmonie der Töne“ zu verstehen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Fichte und Hegel geht es, so wie auch Kierkegaard, um den inneren Zusammenhang der beiden Bewegungen – der Negation und der Affirmation des Endlichen. Bei Kierkegaard ist diese Doppelbewegung jedoch nicht eine des absoluten Wissens oder des spekulativen Erkennens, sondern des Glaubens. Der Ritter des Glaubens, der sie vollzieht, zeigt nicht der „Allgemeinheit“, dass er in jedem Augenblick den Gottesbezug kraft des Absurden herstellt; er tut das im Verborgenen. So heißt es in Furcht und Zittern: Wüsste ich indessen, wo ein solcher Ritter des Glaubens wohnte, so würde ich stehenden Fußes zu ihm wandern; denn dies Wunder beschäftigt mich absolut. [..] Ich examiniere seine Gestalt von Kopf bis Fuß, ob nicht ein Riss vorhanden sein sollte, durch den das Unendliche herausguckte. Nein! [die Bewegung der Resignation ist ja verborgen-KD] [..] er gehört ganz der Welt an; kein Spießbürger kann ihr mehr angehören. [..] Er liegt in einem offenen Fenster und betrachtet den Platz, an dem er wohnt, alles was vorgeht, dass eine Ratte unter ein Brett des Rinnsteins schlüpft, dass die Kinder spielen; alles beschäftigt ihn mit einer Daseinsruhe, als sei er ein Mädchen von sechzehn Jahren. Und dennoch ist er kein Genie; denn die Inkommensurabilität des Genies habe ich vergebens bei ihm auszuspionieren versucht. [..] Und doch, doch, ja, ich könnte rasend darüber werden, wenn nicht aus einem anderen Grunde, dann aus Neid, und doch hat dieser Mensch die Bewegung der Unendlichkeit gemacht und macht sie jeden Augenblick.⁵⁹
Das Besondere dieser Lebensweise, dasjenige, was sie gegenüber anderen, auch „ethischen“, auszeichnet, geschieht vor allem in der Art und Weise, wie in ihr die Endlichkeit negiert, angenommen und glaubend durchdrungen wird. Der Ritter
Hegel, TWA 3, 59. Kierkegaard, 1976a, 214 ff.
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des Glaubens hat „auf alles unendlich resigniert, und dann hat er alles wiederum kraft des Absurden ergriffen.“ Die hier skizzierten Bewegungen, ob es die des spekulativen Erkennens, des absoluten Wissens oder des Glaubens ist, lassen sich nur in der verborgenen Aktualität des Tuns verstehen. Das ist, trotz aller sonstigen Unterschiede und Unvereinbarkeiten, das Gemeinsame von Kierkegaards, Fichtes und Hegels „Lehre von der Doppelbewegung“.
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Hegel und Kierkegaard: Die Frage von Glauben und Wissen Es ist allgemein bekannt, dass Kierkegaard in vielen Zusammenhängen schreibt, dass Hegels Philosophie auf das Christentum eine negative Wirkung gehabt habe. Kierkegaard hat Hegel z. B. vorgeworfen, dass er die Bereiche der Logik und der Religion miteinander verwechselt und die individuellen und absolut persönlichen oder subjektiven Aspekte des Glaubens vernachlässigt hätte; dass er die Fähigkeit, die endgültige Wahrheit oder das absolute Wissen erreichen zu können, auf arrogante Weise der Philosophie zugeschrieben hätte; dass er keinen Platz für etwas Höheres als das Allgemeine oder den Staat übriggelassen hätte, sowie dass Hegel seine eigenen Gedankenabstraktionen verdinglicht und den Bereich der Wirklichkeit und Existenz verfehlt hätte. Einer der wichtigsten Kritikpunkte Kierkegaards in diesem Zusammenhang ist Hegels Behauptung, dass Philosophie und Religion gleichartig in dem Sinne seien, dass sie beide – gleichwohl auf unterschiedlichen Ebenen – ein Wissen repräsentierten. Hegel ist allgemein bekannt für seine Auffassung, dass Philosophie und Religion in manchen wesentlichen Hinsichten denselben Gegenstand hätten. Tatsächlich schreibt Hegel am Anfang seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften folgendes: die Philosophie „hat zwar ihre Gegenstände zunächst mit der Religion gemeinschaftlich. Beide haben die Wahrheit zu ihrem Gegenstande“.¹ Am Anfang seiner Vorlesungen über die Philosophie der Religion drückt Hegel diesen Gedanken noch radikaler aus, wenn er schreibt, dass Philosophie und Religion eine Einheit seien.² In diesem Zusammenhang behauptet Hegel schließlich auch, dass Religion eine Form von Wissen und in diesem Sinne mit der Philosophie zusammenhängend sei. Ähnlich kritisiert Hegel folglich die Versuche, die Religion von der Philosophie trennen und ihr einen selbständigen Bereich zuschreiben zu wollen. Im Gegensatz dazu ging Kierkegaard von ganz anderen Voraussetzungen aus, und es war ihm sehr wichtig, Religion im Allgemeinen und Christentum insbesondere von allen Formen des Wissens zu trennen. Kierkegaard warf Hegel vor allem vor, dass er in seiner Philosophie die Natur der Religion missverstanden und der Religion und den verschiedenen Wissenschafts- und Wissensformen densel-
Hegel, Jub., Band 8, § 1, S. 41. Jub., Band 2, S. 602. Jub., Band 7, § 270, S. 349. Jub., Band 8, § 45, Zusatz, S. 135– 136. Siehe Jub., Band 2, S. 614. Hegel, Jub., Band 15, S. 37. Jub., Band 10, § 573, S. 458 – 474.
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ben Wert beigemessen hätte. In seinen pseudonymen Werken beharrt Kierkegaard darauf, dass Glauben und Wissen und insbesondere Christentum und spekulative Philosophie grundlegend unterschiedlich seien. Kierkegaards berühmte Worte aus seinem frühen Journal AA, geschrieben um 1835, klingen wie eine Art Kampfruf, der vieles seiner späteren Polemik vorahnen lässt: „Philosophie und Christentum lassen sich doch niemals vereinen“.³ Alle Versuche, eine solche Vereinheitlichung zustande zu bringen, resultieren Kierkegaards Meinung nach in einer gefährlichen Verzerrung und Verfälschung des Christentums. In meinem Vortrag möchte ich ausführlicher darlegen, was die leitende Idee hinter Hegels Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen gewesen ist, und warum er dafür argumentiert hat, dass diese beiden Bereiche miteinander vergleichbar sind. Das Ziel meiner Ausführungen wird dabei sein, eine möglichst klare Einschätzung darüber abzugeben, wie Hegel wohl Kierkegaards Auffassung vom Christentum beurteilt hätte, wenn er die Möglichkeit einer Lektüre Kierkegaards gehabt hätte. Zuerst werde ich eine kurze Zusammenfassung von Hegels Religionsphilosophie geben, wobei der Schwerpunkt auf der genannten Problemstellung liegen wird. Danach werde ich einen Überblick über die Kritik der Hegelschen Religionsphilosophie geben, wie sie in Kierkegaards pseudonym veröffentlichten Werken zu finden ist. Abschließend werde ich den Versuch einer skizzenhaften Antwort wagen, die Hegel auf Kierkegaards Kritik möglicherweise gegeben hätte.
I Hegels Auffassung von Glauben A Der Begriff des Glaubens und sein Verhältnis zu Wissen Hegel behauptet, dass das Denken der Mittelpunkt der verschiedenen Sphären der menschlichen Aktivitäten ist. Der Mensch ist gekennzeichnet durch den „Geist.“ Jede Sphäre des menschlichen Lebens ist davon durchdrungen Wodurch der Mensch Mensch ist, ist der Gedanke überhaupt, der concrete Gedanke, näher dieß, daß er Geist ist; von ihm als Geist gehen dann die vielfachen Gebilde der Wissenschaften, Künste, Interesses seines politischen Lebens, Verhältnisse, die sich auf seine Freiheit, auf seinen Willen beziehen, aus.⁴
SKS, Band 17, S. 30, AA:13 / DSKE, Bind 1, S. 31. Siehe auch SKS, Band 17, S. 34, AA:17 / DSKE, Bind 1, S. 36. SKS, Band 17, S. 34– 36, AA:18 / DSKE, Bind 1, S. 36 – 39. Siehe Deuser, 2003, 1– 19. Hegel, Jub., Band 15, S. 19.
Hegel und Kierkegaard: Die Frage von Glauben und Wissen
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Aus diesem Grund lehnt Hegel die Auffassung ab, dass Religion mit einigen speziellen Vermögen, wie z. B. Gefühl oder unmittelbares Wissen zu tun hätte, während Philosophie das Denken betreffen würde. In der Enzyklopädie weist er dabei auf dem Vorurtheil jetztiger Zeit, welche Gefühl und Denken so von einander trennt, dass sie sich entgegengesetzt, selbst so feindselig seyn sollen, dass das Gefühl, insbesondere das religiöse, durch das Denken verunreinigt, verkehrt, ja etwa gar vernichtet werde, und die Religion und Religiosität wesentlich nicht im Denken ihre Wurzel und Stelle habe.⁵
Hegel versucht diese Auffassung zu widerlegen, indem er schreibt, Bei solcher Trennung wird vergessen, dass nur der Mensch der Religion fähig ist, das Thier aber keine Religion hat, so wenig als ihm Recht und Moralität zukommt….Indem nur dem Menschen Religion, Recht und Sittlichkeit zukommt, und zwar nur deswegen, weil er denkendes Wesen ist, so ist in dem Religiösen, Rechtlichen und Sittlichen…das Denken überhaupt nicht unthätig gewesen; die Thätigkeit und die Productionen desselben sind darin gegenwärtig und enthalten. ⁶
Hegel argumentiert dafür, dass das Missverständnis oft daraus entsteht,wenn man denkt, dass das reflexive Denken auch in der religiösen, rechtlichen und sittlichen Sphäre immer tätig ist. Stattdessen behauptet Hegel, dass es dabei vielmehr um das notwendige Wirken vom logos oder der Vernunft geht, ungeachtet wie reflektiert der einzelne Mensch sein sollte. Damit das Christentum eine bestimmte Religion sein kann, muss es einen bestimmten Inhalt haben. Wenn dieser Inhalt fehlt, kann das vermeintliche Glauben im Christentum ein Glauben an was auch immer sein. Ohne einen bestimmten Inhalt kann man genau so gut glauben, „dass der Dalailama, der Stier, der Affe u. s. f. Gott ist“.⁷ Diese Bespiele zeigen, dass der Inhalt keineswegs ein unwesentlicher Teil der Religion ist. Der Inhalt ist genau das, was die einzelnen Religionen definiert und sie von anderen Religionen unterscheidet. Mit der bloßen Behauptung: „ich glaube“, hat man noch nicht die Religion definiert, noch nicht bestimmt, woran man glaubt. Die Tatsache, dass Religion einen Inhalt hat, beweist gerade, dass das Glauben mit Wissen zu tun hat. Man muss den Inhalt der Religion kennen, um diese Religion von anderen Religionen unterscheiden zu können, und sagen zu können, woran man eigentlich glaubt.
Hegel, Jub., Band 8, § 2, S. 42. Hegel, Jub., Band 8, § 2, S. 42 f. Hegel, Jub., Band 8, § 63, S. 168.
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B Der christliche Glaube als Offenbarung Da Religion eine Art Wissen ist, folgt sie derselben strukturellen Form, die andere Wissensformen auf anderen Gebieten haben. In Hegels idealistischer Metaphysik macht der Begriff die Grundstruktur der Welt und des menschlichen Geistes aus. Der Begriff besteht aus der dialektischen Bewegung von Allgemeinheit zu Besonderheit und dann zur Einheit dieser zwei: zur Einzelheit. ⁸ Das menschliche Denken funktioniert auf allen Gebieten so, d. h. auch wenn es darum geht,wie man das Göttliche denkt. Im Unterschied zu anderen Religionen ist es in Hegels Augen alleine das Christentum, das die spekulative Triade verkörpert. Die Dreieinigkeit repräsentiert eine dialektische Triade des Denkens und ist deswegen kein Gegenstand der Wahrnehmung oder des Gefühls. Die christliche Dreieinigkeit verkörpert den spekulativen Begriff in einer seiner höchsten Formen.⁹ (A) Der allgemeine Aspekt ist Gott der Vater, der sich im Jenseits aufhält. (B) Diese Allgemeinheit muss zum Besonderen werden, indem sie mit Christus, dem Sohn, heraus in die Wirklichkeit tritt. (C) Schließlich wird, mit dem Tod des Einzelnen, der Sohn mit dem Vater in der Einigkeit des Heiligen Geistes vereinigt. Wenn es richtig verstanden wird, findet man also in der Dreieinigkeit des Christentums die notwendigen Merkmale des spekulativen Begriffes. A. Gott in seiner Allgemeinheit: der Vater.¹⁰ Gott ist ursprünglich als eine abstrakte Idee im Jenseits vorgestellt. Das menschliche Bewusstsein abstrahiert von sich selbst und platziert sich selbst gegenüber einem anderen. Das Selbstbewusstsein wird auf diese Weise entäußert und in eine Sphäre platziert, die jenseits des gekannten Gebietes der Wirklichkeit liegt. Diese Auffassung von Gott ist völlig abstrakt und das Göttliche wird lediglich als das selbstbewusste Andere im Jenseits aufgefasst. Aufgrund seiner abstrakten Natur stellt dieser erste Schritt die Phase der Allgemeinheit dar, denn wäre das Göttliche auf irgendeine Art und Weise konkret, dann wäre die Allgemeinheit vom Besonderen abgelöst worden, d. h. die Allgemeinheit wäre zur Besonderheit übergegangen. Hegel deutet an, dass es geschichtlich gesehen das Judentum ist, das diesem Stadium entspricht. Nach Hegel kann diese rein allgemeine Auffassung nicht lange abstrakt und statisch bleiben. Die Natur des Begriffes ist, dass er sich entwickelt und dass er Teil eines dynamischen Prozesses ist: „Der Geist…ist Bewegung, Leben, diess ist, sich zu unterscheiden, [und] bestimmen“.¹¹ Das Allgemeine strebt danach, sich zu bestimmen und zur Besonderheit zu machen. Die ursprüngliche Idee Gottes ist die Hegel, Jub., Band 8, § 163, S. 358– 361. Hegel, Jub., Band 10, § 566, S. 455. Hegel, Jub., Band 16, S. 223 – 247. Jub., Band 2, S. 586 – 590. Hegel, Jub., Band 16, S. 226.
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Idee des Geistes „vor oder außer Erschaffung der Welt“.¹² Hier ist Gott unbestimmt, denn es gibt keinen anderen, von dem er sich unterscheiden könnte. Er hält sich sozusagen in der Allgemeinheit auf und hat nur einen Gegenstand, nämlich sich selbst. Aus diesem Grund bleibt er abstrakt. Der erste Versuch, sich zu entäußern und zum Besonderen zu machen, geschieht im Akt der Schöpfung. Durch die Schöpfung schafft Gott einen Gegensatz zu sich selbst, d. h. die Welt. Aber in diesem Gegensatz wird Gottes Natur nicht adäquat widergespiegelt. Das Problem ist, dass Gott Geist ist, aber sein Geist sich nicht in der Welt widerspiegelt, die er geschaffen hat. In der Dialektik des Erkennens und der gegenseitigen Bestimmung steht Gott also einem Ding und nicht einem anderen Geist gegenüber. Die Welt an sich ist „gottlos“, ein steriles Ding. Es wird daher eine neue Form der Entäußerung erforderlich, eine Entäußerung zum Besonderen, durch die Gott ein authentischer Geist werden kann. B. Gott in seiner Besonderheit: der Sohn.¹³ Das Telos ist also, dass sich Gott als Geist und nicht als Gegenstand entäußert. Im zweiten Schritt macht sich also Gott zur Besonderheit in der Form seines Sohnes: Jesus Christus. Durch den Sohn tritt Gott in die Welt der Wirklichkeit in der Form ein, die ihm am meisten entspricht, nämlich in der Form des Geistes. Auf diese Weise entsteht ein Gegensatz zwischen Vater und Sohn, die sich einander gegenseitig widerspiegeln und ergänzen. Auf dieser Stufe wird Gott durch Jesus Christus der „sich Entgegengesetzte oder Andere“.¹⁴ Das Allgemeine steht also im Gegensatz zur Besonderheit, das Abstrakte gegenüber dem Konkreten. In Hegels Augen ist Gottes Offenbarung in Christus eines der wichtigsten Hauptmerkmale des Christentums. Er sagt deshalb, dass Christentum „die geoffenbarte Religion“ ist. Im Moment der Offenbarung zeigt sich Gott der Welt, und er gibt sich selbst dem Menschen zu erkennen. Hegel hat in seinen Untersuchungen über das Göttliche gezeigt, dass es in der langen Entwicklungsgeschichte der Auffassungen des Göttlichen eine Entwicklung von der Unklarheit zur Klarheit stattfindet. Es ist nämlich nur für die frühen Religionen charakteristisch, dass es in ihnen zu einer Entfremdung von der Natur kommt und, dass die Welt des Göttlichen als etwas Unbekanntes, Dunkles und Undurchschaubares dargestellt wird. Im Gegensatz dazu ist das Göttliche im Christentum offenbar, und der Mensch kann sich deswegen damit versöhnen. Die andere wichtige Dimension von Gottes Offenbarung ist, dass sich Gott als ein Mensch, d. h. als Geist entäußert. Da Gott auf diese Weise menschlich ge-
Hegel, Jub., Band 16, S. 223. Hegel, Jub., Band 16, S. 247– 308. Jub., Band 2, S. 590 – 592. Hegel, Jub., Band 2, S. 587.
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worden ist, kann der Mensch in eine unmittelbare Beziehung zu ihm treten. Die frühen Religionsformen sind damit überwunden worden. Im Gegensatz zum Hinduismus z. B., wo sich das Göttliche in unterschiedlichen Tierarten zeigt, offenbart sich Gott als Mensch im Christentum und wird dadurch zum Höhepunkt der verschiedenen Offenbarungsformen. Nur in der christlichen Form der Offenbarung verschwindet das fremde Element des Göttlichen: „[Der Geist] wird gewusst als Selbstbewußtseyn und ist diesem unmittelbar offenbar, denn er ist dieses selbst; die göttliche Natur ist dasselbe, was die menschliche ist und diese Einheit ist es, die angeschaut wird“.¹⁵ In Übereinstimmung mit der Entwicklung des Begriffs entspricht Christus dem Besonderen, das aus dem Allgemeinen hervorgegangen ist. Als das konkrete Besondere hat Christus so das abstrakte Göttliche der vorherigen Stufe überwunden. Aber das Besondere, obwohl es ein Fortschritt in der Entwicklung des Begriffes repräsentiert, ist immer noch unzulänglich. Das Besondere ist empirisch und vorübergehend. Christus als das Besondere ist für die Menschheit nicht für immer da. Es zeigt sich daher als ein Missverständnis, wenn man seinen Glauben auf das konkrete Besondere festlegen wollte. Das führt zu der Art von Fetischismus, bei dem der Gläubige auf das Konkrete und Empirische fixiert ist: man sammelt Knochen des Heiligen oder Bruchstücke des Kreuzes; man sucht nach dem Heiligen Gral oder dem Totenhemd Jesu. Für Hegel ist es ein Missverständnis, Christus alleine als das Besondere auf diese Weise aufzufassen. Christus tadelt diejenigen, die nur glauben, weil sie Wunder gesehen haben. Das Besondere weist auf etwas Höheres, über es selbst Hinausgehendes hin. Aber um das zu erreichen, muss das Besondere untergehen. Erst wenn das Besondere verschwunden ist, kann das neue Prinzip hervortreten. C. Gott in seiner Einzelheit: der Heilige Geist.¹⁶ Der dritte Schritt in der Entwicklung des christlichen Begriffs ist der Heilige Geist, in dem der allgemeine Gott des Jenseits und der besondere, geoffenbarte Gott vereinigt sind. Der Heilige Geist ist der Geist des Göttlichen, wie er in der Gemeinschaft der Gläubigen fortlebt. Hegel schreibt: „Der Geist ist also in dem dritten Elemente, im allgemeinen Selbstbewußtseyn gesetzt; er ist seine Gemeinde“.¹⁷ Die Wichtigkeit dieses dritten und letzten Schrittes besteht darin, dass die Mängel der abstrakten Allgemeinheit und der konkreten Besonderheit beseitigt sind. Mit dem Tod Jesu ist es nicht mehr möglich, am Besonderen starr festzuhalten. Man ist jetzt gezwungen, die allgemeine Natur der Botschaft in Erwägung zu ziehen, die nicht etwas Empirisches,
Hegel, Jub., Band 2, S. 578. Hegel, Jub., Band 16, S. 308 – 356. Jub., Band 2, S. 592– 601. Hegel, Jub., Band 2, S. 594.
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sondern eine Idee ist. Aber es ist nicht mehr nur eine abstrakte oder leere Idee wie im ersten Schritt der reinen Allgemeinheit. Kraft Christi Leben und Lehre hat die christliche Idee im Heiligen Geist den vollen Inhalt erhalten. Die christliche Lehre ist im Geist der christlichen Gemeinschaften verkörpert. Das Besondere, d. h. Christus muss entschwinden, um der religiösen Gemeinschaft eine andauernde Form der Wahrheit zu geben. Auf diese Weise ist die Sphäre der Natur überwunden und die Offenbarung als Idee vollendet. Erst in seinem Tod ist die Idee Christi wahrhaftig verwirklicht. Im Heiligen Geist ist der abstrakte Gott vom Jenseits mit dem besonderen, offenbarten Gott vereinigt und der Dualismus hört damit auf. Das Allgemeine und das Besondere ist in der Einzelheit aufgehoben worden. Der einzelne Gläubige ist mit dem Geist vereinigt. Hegel betrachtet den Heiligen Geist als das Versöhnungsmoment etlicher Dualismen und Entfremdungsformen in früheren Religionen. Die Menschheit ist mit der Welt und dem wahren Wissen daher alleine im Christentum versöhnt. Die christliche Auffassung von der Bewegung von einem abstrakten Gott zum konkreten, geoffenbarten und letztlich auferstandenen Gott im Heiligen Geist verkörpert nach Hegel die spekulative Wahrheit des Begriffes auf dem Gebiet der Religion. Wie am Anfang erwähnt, ist Hegels entscheidende Annahme hierbei, dass Philosophie und Religion dieselbe Wahrheit oder denselben Inhalt haben. Der Unterschied zwischen Philosophie und Religion besteht lediglich darin, wie dieser Inhalt oder diese Wahrheit zum Ausdruck kommt. Philosophisches Wissen ist – in gewisser Hinsicht – dasselbe wie religiöses Wissen.¹⁸ Die spekulative Philosophie versucht die Notwendigkeit des Begriffes in unterschiedlichen Bereichen des Denkens zu zeigen. Es wird dabei zu zeigen versucht, dass gewisse Erscheinungen, die ursprünglich als voneinander getrennt und verschieden gedacht worden sind, notwendigerweise miteinander in Verbindung stehen und dadurch eine begriffliche Einheit bilden. Auf diese Weise überwindet die Philosophie die verschiedenen Formen von Dualismen, die auf den niedrigeren Stufen des Wissens stehengeblieben sind. Hegels spekulative Geschichte der verschiedenen Religionen dient demselben Zweck. Darin zeigt Hegel den Begriff des Göttlichen als eine Entwicklung, in der der Dualismus zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen und die Entfremdung, die der Mensch dem Göttlichen gegenüber fühlt, überwunden werden. Dieser Dualismus ist nur einer der vielen Dualismen, die die spekulative Philosophie aufzuheben versucht. Trotz dieser Ähnlichkeiten zwischen dem philosophischen und dem religiösen Denken gibt es aber auch einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden, nämlich wie sie ihren Gegenstand verstehen. Religiöses Denken betrachtet die
Siehe Jub., Band 15, S. 36 – 52. Siehe Lauer, 1970, 261– 278.
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Geschichte der Offenbarung und der Auferstehung als etwas Zufälliges. Diese Ereignisse haben so stattgefunden, aber sie hätten auch anders stattfinden können. Im Gegensatz dazu erkennt das spekulative philosophische Denken die Notwendigkeit dieser religiösen Entwicklung, denn diese verkörpert die Entwicklung des Begriffs. Wenn es das Allgemeine gibt, dann muss es notwendigerweise auch das Besondere geben. Wenn es sowohl das Allgemeine und das Besondere gibt, dann müssen sie sich notwendigerweise in der Einzelheit vereinigen. Das ist die unerlässliche Bewegung des Denkens. Es ist kein bloßer Zufall, sondern die notwendige ontologische Bewegung, die in allen Bereichen des menschlichen Denkens zu finden ist. Der christliche Glaube spiegelt so die drei Elemente des spekulativen Begriffs wider. Aber der christliche Gläubige kann die notwendige, der Dreieinigkeit zu Grunde liegende begriffliche Struktur nicht erkennen. Das ist der grundlegende Unterschied zwischen dem religiösen und dem philosophischen Denken. Der spekulative Philosoph kann den Begriff als Begriff sehen, d. h. ihn in seiner reinen begrifflichen Form betrachten, während der Gläubige den Begriff nur in seinen spezifischen religiösen Formen sehen kann. Die Entäußerung des Allgemeinen in das Besondere wird als die Geburt des Sohnes in die Welt verstanden. Statt die Begriffe des Allgemeinen und des Besonderen zu verwenden, spricht der Gläubige von dem Vater und dem Sohn. In Hegels Hierarchie des Denkens repräsentiert das religiöse Denken die zweithöchste Form des Denkens, und es geht unmittelbar dem philosophischen Denken voraus. Im religiösen Erkennen sind die verschiedenen Vorstellungen des Göttlichen getrennt aufgefasst und in ihrem Wesen ohne Verbindung. Ihr Verhältnis ist nur zufällig. Die Vorstellung ist deswegen begrenzt und ist keine vollkommen ausreichende und befriedigende Form von Wissen.¹⁹ Man benötigt daher die Philosophie, um die begriffliche Wahrheit der Religion zu erkennen und sie von Zufälligkeiten zu unterscheiden.
II Kierkegaards Kritik: Die Trennung von Glauben und Wissen Am Anfang der Abschliessende unwissenschaftliche Nachschrift lässt Kierkegaard seinen pseudonymen Verfasser eine grundlegende Unterscheidung aufstellen. Diese regelt dann sowohl den Inhalt als auch die Struktur des ganzen Werkes. Der Ausdruck „das objektive Problem“ bedeutet für Johannes Climacus das Problem
Hegel, Jub., Band 2, S. 520.
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der „Wahrheit des Christentums“.²⁰ Im Gegensatz hierzu sagt er vom subjektiven Problem, dass dieses das Problem „von dem Verhältnis des Individuums zum Christentum“²¹ ist. Die Nachschrift ist in zwei Teile gegliedert und spiegelt dadurch gerade diese Unterscheidung wider. Bereits hier wird also über den Zwiespalt zwischen Wissen und Glauben reflektiert. Das objektive Problem hat damit zu tun, was man über das Christentum wissen kann. Dagegen geht es bei dem subjektiven Problem um den individuellen Glauben des einzelnen Menschen. Climacus ordnet Hegels Philosophie eindeutig der objektiven Kategorie zu. Ein Beweis dafür liefert die Tatsache, dass Hegels Philosophie im zweiten Hauptkapitel des Ersten Teils der Nachschrift behandelt wird. Dieser Erste Teil ist ansonsten den verschiedenen Formen der objektiven Annäherung an das Christentum gewidmet. In dem kurzen Abschnitt mit dem Titel „Die spekulative Betrachtungsweise“ beginnt Climacus seine Polemik gegen diejenigen, die die objektive und die subjektive Annäherung miteinander verwechseln. Er versucht dann zu zeigen, dass der objektive Zugang nichts mit dem christlichen Glauben zu tun hat. Seine Polemik beschränkt sich aber keineswegs auf diesen Abschnitt. Die Kritik wird noch mehrmals im zweiten Teil des Buches wiederholt, dessen Thema „das subjektive Problem“ ist und in dem Climacus seine Auffassung über die subjektive Annäherung an das Christentum darlegt. Diese Auffassung ist oft skizziert und definiert worden als etwas, was in einem ausgesprochenen Gegensatz zur objektiven Auffassung steht. In der Einleitung skizziert Kierkegaards Pseudonym vorläufig die Unterscheidung zwischen der objektiven und der subjektiven Annäherung an Christentum, die er dann im Laufe der nächsten mehreren hundert Seiten ausführlich behandelt. Er erklärt, dass „das Problem nicht die Frage nach der Wahrheit des Christentums ist, sondern die Frage nach dem Verhältnis des Individuums zum Christentum, dass es sich also nicht um den systematischen Eifer des gleichgültigen Individuums handelt, die Wahrheiten des Christentums in §§ zu arrangieren, sondern um die Sorge des unendlich interessierten Individuums, in betreff seines Verhältnisses zu einer solchen Lehre“.²² Unter der subjektiven Annäherung versteht er als individueller Mensch dabei folgendes: „Ich, Johannes Climacus, hier in der Stadt geboren, nun 30 Jahre alt, und recht und schlecht ein Mensch, so wie die meisten Leute, nehme ich an, dass mir sowohl wie einem Dienstmädchen und einem Professor ein höchstes Gut in Aussicht steht, das ewige Seligkeit genannt wird; ich habe gehört, dass einem das Christentum dieses Gut bedingt: nun frage ich: Wie komme ich in ein Verhältnis zu dieser Lehre?“.²³ Mit dem Ausdruck „ewige
Kierkegaard, Kierkegaard, Kierkegaard, Kierkegaard,
SKS, SKS, SKS, SKS,
Band Band Band Band
7, 7, 7, 7,
S. S. S. S.
26 / GW1, Band 10, S. 15. 26 / GW1, Band 10, S. 15. 24 f. / GW1, Band 10, S. 14. 25 / GW1, Band 10, S. 14.
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Seligkeit“ macht Climacus eine klare Referenz auf die christliche Lehre von der Unsterblichkeit und der Auferstehung der Seele. Dies ist das leitende Motiv für Climacus und in seinen Augen auch für alle Menschen, da, wie er sagt, jeder Mensch ein unendlich persönliches Interesse am eigenen ewigen Glück hat. Das gerade Skizzierte ist also Climacus’ Auffassung von dem wesentlichen Unterschied zwischen der objektiven und der subjektiven Annäherung an Christentum. Daran angeknüpft ist die erkenntnistheoretische Frage nach dem Grad der Sicherheit, die durch die objektive Annäherung erreicht werden kann. Was die Sicherheit betrifft, werden laut Climacus sogar die am strengsten durchgeführten wissenschaftlichen Annäherungen zum Christentum – ob sie nun historisch, philologisch oder philosophisch sind – zu kurz kommen. Es wird immer etwas übrigbleiben, woran man zweifeln kann. Für die objektive Annäherung bedeutet das kein Problem, denn es liegt in der Natur der Wissenschaft, dass es mit dem Erwerb neuer Informationen und Methoden immer wieder versucht werden muss, der Wahrheit näher zu kommen. Auf diese Weise kommt man aber nur in die Nähe der Wahrheit („Approximation“) und man erreicht nie eine absolute Sicherheit.²⁴ Für den subjektiven Zugang ist dies aber gerade ein entscheidender Mangel. Auf dem Spiel steht hier nämlich das eigene ewige Glück, bei dem man sich nur mit einer absoluten Sicherheit zufriedengeben kann. Sogar die allerbesten objektiven wissenschaftlichen Resultate werden daher nicht die für das eigene ewige Glück erforderliche Sicherheit geben können. Von diesem Ausgangspunkt ausgehend gibt Climacus schließlich eine Reihe von Kennzeichen des subjektiven Zuganges zur Religion: Leidenschaft, Freiheit und Entschluss, Werden und Streben, Subjektivität, Innerlichkeit, Absurdität und Paradox, sowie indirekte Mitteilung. (A) Leidenschaft. Der wahre christliche Glaube enthält Leidenschaft, weil es dabei um das eigene ewige Glück geht. Im Gegensatz dazu mag der Historiker oder der Philologe in ihren objektiven Annäherungen zum Christentum eine gewisse, aus ihrer intellektuellen Neugier resultierende, Leidenschaft haben, aber diese lässt sich keineswegs mit der unendlichen Leidenschaft des christlichen Glaubens vergleichen. (B) Freiheit und Entschluss. Laut Climacus macht der christliche Glaube eine freie Entscheidung des Gläubigen erforderlich. Im Gegensatz dazu ist es das Ziel der Wissenschaft, diskursive Theorien und Beweise auf die Art und Weise zu konstruieren, dass keine Lücken übrigbleiben und dass sich jede Schlussfolgerung aus den vorangegangenen Prämissen notwendigerweise ergibt. Die objektive Annäherung funktioniert also mit Hilfe der Notwendigkeit und bedarf keines
Kierkegaard, SKS, Band 7, S. 36 / GW1, Band 10, S. 25 f.
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Entschlusses als solchem. Man muss nur den nächsten notwendigen Schritt auf dem Weg der Argumentation gehen, um zur Konklusion zu kommen. Im Gegensatz dazu gibt es keinen solchen argumentativen Weg zum christlichen Glauben. Der Gläubige muss sich bewusst und frei für den Glauben entscheiden, wobei die Notwendigkeit hierbei keine Rolle spielt. (C) Werden und Streben. Der subjektive Denker befindet sich immer im Prozess des Werdens und kann deshalb niemals zu einer endgültigen Lösung gelangen. Glauben ist kein Ruheplatz, sondern eine fließende Bewegung.²⁵ Der subjektive Denker strebt sich immer nach dem Ziel, ohne es je erreichen zu können.²⁶ (D) Subjektivität und Innerlichkeit.Während der objektive Denker etwas außer ihm Liegendes untersucht, richtet der subjektive Denker den Blick auf etwas in ihm Liegendes, d. h. auf seine eigene subjektive Beziehung zum Göttlichen: „Während das objektive Denken gegen das denkende Subjekt und dessen Existenz gleichgültig ist, ist der subjektive Denker als existierender wesentlich an seinem eigenen Denken interessiert und existiert in ihm“.²⁷ (E) Absurdität und Paradox. Kierkegaards Pseudonym Johannes Climacus beruft sich auf Tertullians berühmten Satz: „credo, quia absurdum est“. Er argumentiert, dass es alleine das objektive Denken ist, das auf Ursachen, Beweise und mögliche Argumente basiert. Im Gegensatz dazu erfordert der christliche Glaube, dass man „kraft des Absurden“ glaubt. Hier geht es Kierkegaard vor allem um den Widerspruch, der in der Inkarnation liegt, nämlich dass Gott, der Ewige, zeitlich wurde. Mit diesem Widerspruch kann keine Argumentation oder Beweisführung fertig werden. Das ist „des Denkens höchstes Paradox: etwas entdecken wollen, das es selbst nicht denken kann“.²⁸ Mittels dieser verschiedenen Charakteristika stellt Kierkegaard den Glauben als etwas vom Wissen grundlegend Unterschiedenes dar.
III Hegels mögliche Antwort Was wäre wohl Hegels Antwort auf diese radikale Kritik an einer Vereinigung von Wissen und Glauben gewesen, und was hätte er wohl zu dem Modell des christlichen Glaubens gesagt, wie es Kierkegaards Pseudonym in der Nachschrift dargestellt hat? Hegel hätte höchstwahrscheinlich einen Einwand gegen den For
Kierkegaard, Kierkegaard, Kierkegaard, Kierkegaard,
SKS, SKS, SKS, SKS,
Band Band Band Band
7, S. 73 / GW1, Band 10, S. 65. 7, S. 90 / GW1, Band 10, S. 84. 7, S. 73 / GW1, Band 10, S. 65. 4, S. 243 / GW1, Band 6, S. 35.
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malismus des Kierkegaardschen Glaubensmodells gehabt. Keines der von Kierkegaard skizzierten Kennzeichen des Glaubens, d. h. weder die Leidenschaft, noch die Freiheit oder der Entschluss, noch das Werden, das Streben oder die Innerlichkeit usw. legt einen bestimmten Inhalt des Christentums fest. Man kann ein leidenschaftlicher Moslem oder ein Buddhist mit großer Innerlichkeit sein, oder man kann frei und mit festem Entschluss einem modernen Kult folgen. Keine dieser Eigenschaften ist also notwendigerweise alleine dem Christentum zueigen. In Kierkegaards Texten gibt es in der Tat viele Passagen, die Hegels möglichen Einwand gegen das rein formelle und deswegen inhaltslose Glaubensmodell zu bestätigen scheinen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Johannes Climacus’ berühmte Unterscheidung zwischen dem, „was gesagt wird“, was die objektive Annäherung charakterisiert, und dem, „wie es [etwas] gesagt wird“, was für den subjektiven Zugang kennzeichnend ist.²⁹ Das bedeutet, dass der Schlüssel zum Glauben nicht der Gegenstand oder Inhalt des Glaubens ist, sondern vielmehr die Frage, wie man glaubt. Diese Auffassung scheint durch die sehr treffende Passage bewiesen zu werden, an der Climacus den angeblich christlichen Gläubigen mit dem Anbeter eines Abgottes vergleicht: Wenn einer, der mitten im Christentum lebt, in Gottes Haus, in des wahren Gottes Haus hinaufgeht, mit der wahren Vorstellung über Gott in seinem Wissen, und nun betet, aber in der Unwahrheit betet; und wenn einer in einem Abgötterei treibenden Lande lebt, aber mit der ganzen Leidenschaft der Unendlichkeit betet, obwohl sein Auge auf dem Bilde eines Götzen ruht: Wo ist dann am meisten Wahrheit? Der eine betet in Wahrheit zu Gott, obgleich er einen Götzen anbetet; der andere betet in Unwahrheit zu dem wahren Gott, und betet daher in Wahrheit einen Götzen an.³⁰
Obwohl Climacus keine Antwort hier gibt, ist die Implikation klar: sogar wenn man einen Abgott anbetet, kann man immerhin ein Christ sein. Voraussetzung ist nur, dass man diesen Abgott richtig verehrt. So eine Auslegung des christlichen Glaubens hätte für Hegel eine völlige Verkrümmung, sogar Zerstörung des Christentums bedeutet. Für Hegel hat Christentum einen bestimmten Inhalt und ohne diesen Inhalt kann Christentum nicht bestehen. Die Leere und Inhaltslosigkeit des christlichen Glaubens tritt bei Kierkegaard noch deutlicher in den Philosophischen Brocken hervor. Hier lässt sich Climacus sogar zur Behauptung hinreißen, dass es alleine reiche um ein Christ zu sein, dass einige an die Existenz Christi geglaubt haben:
Kierkegaard, SKS, Band 7, S. 185 / GW1, Band 10, S. 193. Kierkegaard, SKS, Band 7, S. 184 / GW1, Band 10, S. 192.
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Selbst wenn die gleichzeitige Generation nichts anderes hinterlassen hätte als die Worte: „Wir haben geglaubt dass der Gott anno so und so sich gezeigt hat in der geringen Gestalt eines Knechts, unter uns gelebt und gelehrt hat, und alsdann gestorben ist“— das ist mehr als genug. Das gleichzeitige Geschlecht hat getan was nötig war: denn diese kleine Anzeige, dies weltgeschichtliche N.[ota] B.[ene] reicht zu, um Veranlassung zu werden für den Späteren; und der umständlichste Bericht kann doch in alle Ewigkeit kein Mehr für den Späteren werden.³¹
Wenn von dem Gläubigen aber nur so wenig gefordert wird, dann bleibt nicht viel davon übrig, was man unter dem christlichen Lehrbegriff und den christlichen Dogmen normalerweise versteht. Das, was aus dem Inhalt des Glaubens übriggeblieben ist, ist in Wirklichkeit alleine die Inkarnation oder die Offenbarung davon, dass Gott Mensch wurde. In Kierkegaards Namen könnte man dafür argumentieren, dass er von der unendlichen Leidenschaft in der Tat behauptet, dass diese nur Gott als ihren richtigen Gegenstand haben kann. Man kann keine unendliche Leidenschaft für endliche Dinge haben. Aber dieser Einwand würde Hegel nicht befriedigen, da es in den anderen Religionen auch viele andere Götter gibt und man so nichts hätte, was den christlichen Gott vor den anderen Göttern als den einzig wahren (oder höchsten) Gott auszeichnen würde. Obwohl Kierkegaard immer wieder zu der Anforderung zurückkehrt, die das Christentum jedem Gläubigen auferlegt, dass er oder sie die Entscheidung zum Glauben treffen muss, scheint Kierkegaard die Tatsache zu ignorieren, dass auch andere Religionen ähnliche Forderungen geltend machen. Wie kann man dann aber zwischen dem „richtigen“ und dem „nicht (so) richtigen“ Glauben unterscheiden, wenn es keinen inhaltlichen Unterschied gibt? Was wären dann die Vergleichskriterien? Es folgen aus diesen Überlegungen einige – vielleicht etwas überraschende und nicht gerade offensichtliche – Schlüsse: (1) Es gibt eine gewisse Ironie in Kierkegaards wiederholter Kritik der Abstraktion des Hegelschen philosophischen Systems. Durch seine pseudonymen Verfasser wirft Kierkegaard Hegel immer wieder vor, dass er sich ohne jegliche Verbindung zur Wirklichkeit und Existenz in faden Abstraktionen verliert. Hegel ist angeblich nicht interessiert an den brennenden existentiellen Wahrheiten des Einzelnen. Aber der Fall scheint hier gerade umgekehrt zu sein. Man kann sagen, dass Kierkegaards Auffassung von Glauben diejenige ist, die zu abstrakt und ohne wirklichen Inhalt ist, während Hegel eine klare Auffassung vom Inhalt des Christentums hat. Dieser Inhalt ermöglicht es, das Christentum gegenüber anderen Religionen zu definieren und abzugrenzen.
Kierkegaard, SKS, Band 4, S. 300 / GW1, Band 6, S. 101.
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(2) Ein zweiter – vielleicht nicht selbstverständlicher – Punkt ist der Folgende: Es gibt mindestens eine Richtung in der Kierkegaardforschung, die Kierkegaard als einen großen christlichen Apologeten betrachtet. Man sieht in ihm den großen Befürworter der christlichen Religion in einer ansonsten säkularen Welt und jemanden, der den christlichen Glauben gegen dessen Verleumder verteidigt hat. Dieselbe Forschungsrichtung sieht in Kierkegaard auch beständig den großen Kritiker der Hegelschen Philosophie. Laut dieser Auffassung steht Hegels Philosophie in Opposition zum Christentum und ist der Inbegriff des modernen säkularen Vernunftdenkens. Wenn man aber diesen Sachverhalt näher betrachtet, dann zeigt es sich, dass Kierkegaards Verständnis des Christentums keineswegs als eine Empfehlung an Nichtgläubige gelten kann, den christlichen Glauben anzunehmen. Kierkegaards unerreichbar hohe Anforderungen an den Glaubenden können tatsächlich geradezu abschreckend für potentielle neue Gläubige und für diejenigen wirken, die sich bereits als Gläubige verstehen. Ironischerweise scheint der christliche Apologet in diesem Fall vielmehr Hegel zu sein. Er verteidigt das Christentum explizit als die einzige wahre Religion und er tut es manchmal sogar auf eine Weise, dass es unserer modernen Empfindlichkeit für religiöse Toleranz doch ziemlich nahe treten dürfte. (Übersetzt von Katalin Nun)
Marius Timmann Mjaaland
The Double Destruction of Hegel Kierkegaard’s relation to Hegel is admittedly a complex issue, both historically and methodologically. There are basically two dominant views on this relationship. Scholars mainly focusing on Kierkegaard’s criticism argue that his thinking is qualitatively different from any kind of speculative and idealist philosophy and that Kierkegaard establishes the most decisive alternative to Hegel in 19th century philosophy.¹ This point of view is then contested by scholars who study Hegel’s influence on Kierkegaard. They point out that it is hardly possible to understand Kierkegaard without knowing the basic principles of Hegel’s dialectics. Moreover, they consider Kierkegaard’s thought to be a true child of German Idealism–although some have doubts whether he reflects philosophically at all, since his dialectical stringency definitely falls short of Hegel’s system and his opposition to speculative philosophy seems to be mainly made on theological grounds.² It is time to look for a new approach to one of the basic antagonisms in modern philosophy. This debate has been going on for more than a century and there is no end in sight. Like the relationship between Plato and Aristotle, this has become one of the significant oppositions in the history of western philosophy. Still, I believe that the main positions fail in their argumentation. Admittedly, they are both partly right and have given valuable insights to the analysis of this relationship. But they are basically wrong since they tend to misunderstand the character and purpose of Kierkegaard’s adaption of Hegel’s philosophy, as well as his rejection of it. His suspicion is pervasive and the fundamental difference lies within the structure and understanding of basic concepts like spirit and self, God and the other, the system, Aufhebung, death, etc., rather than in his polemical attacks, which have more rhetorical than philosophical power. Hence, I believe that there are other ways of conceiving and analyzing this relationship. I will argue that Kierkegaard’s overarching strategy aims at a destruction of Hegel from outside the system, and yet from within a Hegelian dialectic. I thus draw on a term coined by Heidegger and further elaborated by Derrida–although its conceptual roots go back to Luther’s destruction of Aristotelian metaphysics in the Heidelberg Disputation (1518).
Cf. e. g. Thulstrup 1967; Malantschuk 1968; Evans 1998. Cf. Stewart 2003; Dunning 1985; Ringleben 1983.
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Kierkegaard and Hegel I will base my argument on Kierkegaard’s analysis of despair in The Sickness unto Death (1849) examine how his approach relates to the structure of Hegel’s thought, in particular according to The Phenomenology of Spirit (1807). The Sickness unto Death focuses on concepts like spirit, self, despair, and the other, which makes the Phenomenology a natural point of comparison. In Denmark, Hegel was considered to be the most influential thinker in the 1830s and 1840s. Although the direct references to Hegel’s works are rather rare, Kierkegaard has read most of his texts. The polemics against speculation and mediation seems to be directed towards Hegelian-style philosophy rather than Schelling’s, although he listened to the latter in Berlin in 1842. Still, I find Jon Stewart’s argument convincing when it comes to Kierkegaard’s adversaries, viz. that he attacks his contemporary scholars and teachers in Golden Age Denmark rather than seeking a direct confrontation with the German philosopher.³ Thus, “Hegel” becomes the label for a particular approach to philosophy which he criticizes on a general basis. This does not imply, however, that there are virtually no principal differences between Kierkegaard’s and Hegel’s thought. This is a short circuit in Stewart’s argumentation.⁴ Several scholars pay particular attention to The Sickness unto Death when they analyze the relationship between Hegel and Kierkegaard: German philosopher Michael Theunissen formulated his so-called “negativism thesis” based on this text and suggested a rather close relationship between the two.⁵ Arne Grøn has also affiliated himself to this position, albeit with some critical reservations. Jon Stewart’s approach is different, since he emphasizes a historical study of the text based on the sources available at the time. Whereas Stewart’s polemic is directed against the (often deficient) use of Hegel in Danish philosophy and theology, it does not question the basic principles of Hegel’s own thinking. Stewart even suggests that Kierkegaard secretly admired Hegel, whom he saw as a teach-
See Stewart 2003, 32– 44 and 64– 69. Indeed, the circuit is rather long, since the argument is pursued over more than 600 pages. Still, his conclusion does not really account for the substantial differences in the texts, and there are methodological reasons for this blind spot in Stewart’s Quellenforschung. See Stewart 2003, 624– 629. I will return to these critical remarks in the following argument. Cf. Theunissen 1991, Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung. Kierkegaards negativistische Methode, Frankfurt/Main. For a more detailed account of the different positions in the debate, cf. Mjaaland 2008, 241– 252. The following discussion takes the analysis of Kierkegaard in Autopsia as a point of departure but pursues the issue further into a detailed analysis of the concept of destruction which, as far as I know, has never been done in relation to Kierkegaard before.
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er and a thinker he could engage with, whereas he disdained the Danish Hegelians for their lack of originality and existential credibility.⁶ In the following I will base my analysis primarily on a discussion with Stewart and Theunissen, but will also refer to Grøn, who has presented thorough studies on The Sickness unto Death. I will focus on Part One (in particular section A.A and C.B) of this work, written under the pseudonym Anti-Climacus, and only briefly discuss Part Two at the very end. Kierkegaard’s direct criticism of Hegel is less important than the question of the extent to which he applies or rejects a Hegelian way of thinking throughout the “phenomenology of despair”. Hence, this is an analysis of Kierkegaard rather than Hegel, but with continual reference to Hegel. One of the most complicated, but also highly ambiguous, problems we will deal with is the role of Aufhebung in the analysis of despair in The Sickness unto Death. Jon Stewart claims that we find two forms of Hegelian dialectic in Part One of The Sickness unto Death. ⁷ He identifies in chapter C.A. a dialectic which has aspects in common with the one Hegel develops in The Science of Logic, where the concepts are elaborated in their reciprocal relationship.⁸ The justification for drawing this analogy is that the analysis is conceptually rather than phenomenologically orientated. Stewart concedes that there is also a clear “disanalogy” between Hegel’s Logic and Anti-Climacus’ analysis of despair. The disanalogy consists both in a failure to resolve the antitheses and in a lack of connection between one antithesis and the next: “The one category determines the other (i. e., finitude and infinitude mutually determine each other as do possibility and necessity), but there is no attempt to establish a logical connection or transition between these pairs.”⁹ This might be reason enough to ask what remains of the Hegelian dialectic from the Science of Logic. Some other philosophers have also formulated a thinking which takes its starting point in conceptual antitheses, and when some of the basic methodological choices differ this could of course indicate that Kierkegaard has an entirely different agenda. It is true that his use of terms such as synthesis, positing, the negative and the positive Third, Spirit, Self, consciousness, etc. indicates a certain influence from Hegel. Still, this does not suffice to conclude whether Kierkegaard thinks in a Hegelian way or in a way differing from Hegel in substantial matters.
See Stewart 2003, 482 f. Stewart 2003, 580 f. Stewart 2003, 579 f. Stewart 2003, 580.
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With regard to chapter C.B., Stewart claims that the dialectic is phenomenological in the sense that it continues an understanding of dialectic that we find in The Phenomenology of Spirit. This view is also held by Arne Grøn, who develops this idea both in his article “Kierkegaards Phänomenologie?” and in the dissertation Subjektivitet og negativitet. ¹⁰ Stewart points out that in this chapter, Anti-Climacus’ starting point is a figure which is immediate, and thus corresponds to Hegel’s natürliches Bewusstsein. ¹¹ We can also trace a development toward an ever higher consciousness of the self, since the consciousness progresses through various stages, each of which determines the next. In Hegel, it is true, the concept becomes ever more sophisticated, whereas Anti-Climacus describes how the increasing consciousness leads to a continuous intensification of despair;¹² but Stewart argues that in both cases, the dialectic leads to a clearly defined τέλος. In the case of Hegel, the goal consists in attaining a higher understanding of the science of the spirit; Anti-Climacus’ goal consists in attaining a consciousness of the despair of the self. Nevertheless, I agree that it is possible to speak of a phenomenological process in chapter C.B., albeit even Stewart admits that the process is “inverted.”¹³ Although inverted, Stewart sees so many agreements that he believes that it can hardly be a matter of chance: “Key words that Anti-Climacus employs here, such as ‘spirit,’ ‘dialectic,’ ‘immediacy’ and ‘the natural man,’ all self-consciously recall terms from Hegel’s philosophical terminology. These words in a sense announce to the reader the affinities with Hegel’s philosophy. Thus, Kierkegaard has Anti-Climacus use Hegel’s methodology here openly and unapologetically.”¹⁴ I find the inference from terminology to methodology somewhat hasty, though. Does Stewart really believe that the terminology and a certain dialectical teleology can be taken as a guarantee that Kierkegaard/Anti-Climacus is not speaking “apologetically” or even polemically? It is true that Stewart is not alone in pointing to a close connection between Hegel’s dialectic and The Sickness unto Death, and in particular the concerns of chapter C.B. As already mentioned, Grøn and Theunissen also find similarities with Hegel’s phenomenology. Still, both scholars maintain that there are some important differences here as well. Michael Theunissen describes the dialectical development in Anti-Clima-
Cf. Grøn 1996, 91– 116; here 109 – 13 and Grøn 1997a, 137– 142. Stewart 2003, 583. Cf. Stewart 2003, 582. “The absolute defiance of the devil is the end-point of the dialectic and thus the inverted analogue to Hegel’s notion of absolute knowing.” (Stewart 2003, 583). Stewart 2003, 584.
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cus as negativistic. ¹⁵ Arne Grøn accepts this thesis, but claims that the difference between Hegel’s positive dialectic (where the driving force is the negation of negation) and Anti-Climacus’ negativism is due primarily to the negative phenomenon that Anti-Climacus is describing, viz. despair.¹⁶ There are various views about how the substance, i. e. the analysis of despair, has influenced the form, the methodology, and the dialectic. Mark C. Taylor claims that Hegel anticipated The Sickness unto Death in his analysis of the unhappy consciousness, although Kierkegaard views Hegel’s thinking as an expression of the most despairing self-consciousness: “Ending where one ought to begin, Hegel becomes Kierkegaard’s unhappiest man, Kierkegaard remains Hegel’s unhappy consciousness.”¹⁷ Although it is a good observation, I would express it a bit differently by saying that he uses the analysis of unhappy consciousness as an illustration of how speculative thought flees from reality. When the philosopher leaves the state of unhappiness in favor of an Aufhebung of contradictions, Anti-Climacus raises the questions of suspicion: Is the contradiction really mediated? Is the person involved reconciled with himself? Has he actually understood himself and the depth of his own despair? Kierkegaard’s answers are in the negative. And he seeks to prove it dialectically, not by claiming that Hegel is wrong but by showing how despair remains a destructive force under the surface of philosophical reflection, despite the depth of philosophical inquiry. The dialectical double game implies that the higher and more subtle the philosophical conception of oneself as spirit becomes, the deeper runs the parallel development of despair. And the despair alternates between an active and a passive force: acting and suffering; the willing and the non-willing. In Kierkegaard’s view, this contradiction may only be identified and diagnosed in terms of an either/or: Either the self establishes itself or it is established by another. In the first case, the contradiction may be dissolved dialectically, and in the second case such dissolution is impossible by way of insight and reflection alone. Now, Anti-Climacus exposes the first alternative as appearance over against the second, which unveils the unpleasant reality of self-deception: If the self in despair is an acting self, it constantly relates itself to itself only by way of imaginary constructions, no matter what it undertakes, however vast, however amazing, however perseveringly pursued. It recognizes no power over itself; therefore it basically lacks earnestness (…) no self can give itself more than it is in itself by paying attention to itself
Cf. Theunissen 1991. Cf. Grøn 1997a, 142. Taylor 1980, 265.
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– it remains itself from the first to the last; in its self-redoubling it becomes neither more nor less than itself. In the whole dialectic within which it acts, there is nothing steadfast.¹⁸
My thesis is, therefore, that when Kierkegaard applies Hegelian terminology in The Sickness unto Death, he does so in order to initiate a destruction of Hegel’s concept of Spirit, by showing the self-destructive dynamic within Hegelian philosophy. Although his opponents probably are the Danish Hegelians, his argument goes to the heart of Hegel’s dialectics: His method of mediation, the logic of Aufhebung and the concept of Spirit. Hence, it is within this dialectical structure that he identifies the destruction and the fragmentation of the self, and sees it as his task to demonstrate the self-destruction of the Hegelian Spirit. Kierkegaard’s criticism of the Zeitgeist is devastating, annihilating. He does in fact identify a certain nothingness within the structure that penetrates the very process of speculative thinking, e. g. within the master/slave dialectic: The self is so far from successfully becoming more and more itself that the fact merely becomes increasingly obvious that it is a hypothetical self. The self is its own master, absolutely its own master, so-called; and precisely this is the despair, but also what it regards as its pleasure and delight. On closer examination, however, it is easy to see that this absolute ruler is a king without a country, actually ruling over nothing; his position, his sovereignty, is subordinate to the dialectic that rebellion is legitimate at any moment. (…) Consequently, the self is only building castles in the air, is only shadowboxing.¹⁹
The criticism is not exclusively directed against Hegel but against a certain spirit of German Idealism permeating academia, the arts, society, and the church. Still, the methodological tools he applies for reaching the conclusion are based on Hegel’s dialectics. Is this a Hegelian strategy? Yes, in a certain way. Is it, then, AntiHegelian? Yes, certainly. It destructs or de-constructs the dialectical method by venturing to prove–in terms of dialectical reflection–that the content of Hegelian philosophy is appearance (Schein) and its inner essence is nothing. Yet, identifying this nothing as such, in all its various forms, is a conclusion that makes the entire investigation worth the effort. Many thinkers who relate to Hegel find it problematic that his methodology and his systematic approach seem to swallow up the sharpest opposition by integrating it in his own system as a negation one ought to mediate and thus sublate through higher insight. Thus opposition to the system inside the system must look for alternative strategies. Derrida addresses this problem rather early in his
Kierkegaard 2006, 182 / Translation: Kierkegaard 1983, 68 f.. Kierkegaard 2006, 183 / Kierkegaard 1983, 68 f..
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career and analyzes death as a collapse within the Aufhebung of the sign–a collapse which is connected with the unconscious pit in the consciousness.²⁰ Derrida neither opposes Hegel openly nor follows him all the way through. He is not either for or against Hegel–he is both at the same time. He admits that he thinks in a Hegelian manner, but he questions some of the essential premises of such a way of thinking, in such a method and system. Although he is not referring directly to Destruktion or deconstruction in this essay, his analysis is a paradigmatic example of such a strategy: A rigorous and detailed de-structuring of Hegel’s thought without simply ending up as the dialectical negation of it. Compared to the inflation of this term in literary studies and postmodern philosophy, this is deconstruction in a very precise sense, still closely related to Heidegger’s dismantling critique (Abbau) of the history of metaphysics. The analysis of despair concerns the sickness unto death, and this is why it is also an analysis of death’s self-consuming circles in the interior of the spirit. Thus, Stewart’s assessment of the purpose and methodology of The Sickness unto Death as using Hegel’s method “openly” forces us to ask the following counterquestion: May not such an analysis of the self-destruction of the Spirit as we find in The Sickness unto Death imply a foundational questioning of Hegel’s dialectical phenomenology of the spirit? There is a repetition involved, but also a destruction of the concept of spirit. However, the notion of destruction would profit from a more precise historical and conceptual definition.
Two Approaches to the Concept of Destruction The philosophical concept of destruction is closely connected to doubt. It concerns the very basis of rational discourse, including the language, structure, logic, and metaphysical framework of thought. For Heidegger, it rather early becomes a key concept for the question of metaphysics and remains so for the late Heidegger, although the sense of the term is slightly changed. It includes both criticism and repetition (or re-appropriation) of some of the most central topics discussed in the history of philosophy while dismantling their inherent connection to the static stand [Gestell] of metaphysics. Heidegger seems to have discovered the concept when studying Martin Luther in the early 1920s. Hence, this is where I will look for the origin of the concept, and thus also the origin of a typically modern approach to philosophy.²¹
Cf. Derrida 1972, 79 – 127. See Mjaaland 2009, 42– 66
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The locus classicus for this expression by Luther is the Heidelberg Disputation (1518) with its 28 theological and 12 philosophical theses. The complex structure of destruction is developed in the elaborations of theses 19 – 22 and implies the unveiling of an alleged truth as a result of self-deception, as appearance (Schein) in contrast to reality (Sein). The destruction of appearance in this case is directed against Aristotelian metaphysics as the dominant framework and foundation for late medieval philosophy and theology. Luther believes that this framework is directly counterproductive for reading and understanding the scriptures, and even for the general understanding of the human condition. His concept of destruction implies a comprehensive reversal of the premises for truth, indeed, for understanding the world in its most elementary structures. In his explanation of thesis 21 in the Heidelberg Disputation, Luther argues that the cross destructs the works and crucifies old Adam and with him the entire wisdom of “the world.”²² The cross is called “good” because it destroys the works, including the thought that the works are something good. It is namely impossible, he writes, that the notion of “good works” will not be followed by an inflation of oneself, of an ego which already stands in the way of the reversed rationality of the cross. According to Luther, this inflated ego literally hinders the understanding of the cross, until the self is humiliated and realizes that it is nothing in itself [sciat seipsum esse nihil]. On the surface, this appears as a discussion of the relationship between theology and philosophy, but more precisely it is concerned with the role of Aristotelian metaphysics, be it in theological or philosophical discourse. Luther criticizes the so-called “theology of glory” because it seeks to define God in terms of summum ens, as the highest being who emanates the most perfect light of truth. Blinded by such concepts of God, he claims that the “theologian of glory calls the evil good and good evil.”²³ It is thus regarded as the complete confusion of categories, in ethical as well as ontological respects. The young Luther, and the Heidelberg Disputation in particular, jeopardize the dominant rationale for understanding reality, including the understanding of the subject, of the categories, of “things” (res), of the others, of the basic ethical principles, and, final-
“At Deum non inveniri nisi in passionibus et cruce, iam dictum est. Ideo amici crucis dicunt crucem esse bonam et opera mala, quia per crucem destruuntur opera et crucifigitur Adam, qui per opera potius aedificatur. Impossibile est enim, ut non infletur operibus suis bonis, qui non prius exinanitus et destructus est passionibus et malis, donec sciat seipsum esse nihil et opera non sua sed Dei esse.” (Martin Luther 1892), Disputatio Heidelbergae, in: D. Martin Luthers Werke: Kritische Gesammtausgabe, Vol. 1, Weimar [hereafter: WA 1], 362). All translations from the Latin text in the Weimarer Ausgabe [WA] are mine. WA 1, 362.
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ly, of God. According to Luther, only the theologian who views the world through the lens of the cross “calls the thing what it actually is” [quod res est].²⁴ Suffering and the cross play a hermeneutical role as optical principles [per passiones et crucem conspecta]. The cross enables the reader to discover an alternative way of reading the texts, of reading Scripture, by applying a principle for understanding that is discovered within Scripture. Paul’s proclamation of the cross has never been a secret. And still, according to Luther, the “crucial” point has been overlooked and thus remains secret within the tradition: The cross crosses out sense in general and introduces a different principle for understanding good and evil, God and humanity, life and death. The crucifixion of common sense, including both the philosophy and theology of glory, is the moment of alterity in this disputation, the chronic suspicion of oneself and the suspicion towards intuitive interpretations. Hence, the formal logos of the cross becomes the critical principle for re-discovering the literal sense of the texts and the more radical consequences thereof. The cross, understood as event, is presented as Luther’s preferred figure of revelation.²⁵ This event implies both destruction and continuity: It is the destruction of metaphysics, not only insofar as metaphysics seeks to reveal God in his glory, but also because metaphysics allegedly implies an inflation of oneself and a particular way of thinking, characterized by speculation. The question for God thus appears within the moment of destruction and is concerned with the unveiling event referred to as the cross: “That God does not come except in passion and cross.”²⁶ According to Luther, there is no revelation without destruction. Still, destruction is not the whole revelation. There is the surplus called grace. Luther refers to Paul when he introduces this destructive logic of the cross, or more precisely to the First Letter to the Corinthians, where Paul argues that the wisdom of Christ destroys the wisdom of the wise, i. e. the Greeks.²⁷ Heidegger explicitly refers to this passage by Paul and to Luther’s criticism of Aristotelian metaphysics in his 1921 lectures on Augustine and Neo-Platonism.²⁸ Although Heidegger is familiar with the text and applies the concept of Destruktion with reference to Luther, he is more concerned with the general question of metaphysics than with the ethical confusion of good and evil, which for Luther played a significant role. This tendency is even more dominant when Heidegger later ap-
WA 1, 362. Cf. Wolff 2005. “At Deum non inveniri nisi in passionibus et cruce” (WA 1, 362). Cf. 1 Cor 1: 18 – 25. See van Buren 1994, 166 and Heidegger 2004, 54; 96; 236.
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plies the concepts of Abbau and Destruktion in Being and Time (1927) and in the significant text On the Question of Being (1955/6). In Heidegger’s Being and Time, the work of destruction becomes a critical task of phenomenological analysis in its relation to the history of ontology. The aim is not only negatively to destroy but rather to inquire into the limits and possibilities indicated by a metaphysical concept.²⁹ Thereby, the destructive gesture is not primarily related to the past but to the present reception of traditional ontology: “it has a positive aim; its negative function remains inexpressible and indirect.”³⁰ This strategy implies, in fact, a repetition of the past within a different historical framework. Hence, it reflects the essential problem of Being and Time, viz., how being may be understood, perceived and analyzed in its temporality. Heidegger indicates that his intention is to destruct, or rather, to destructure the past, and thereby to “open our ears, to make ourselves free for what speaks to us through the tradition as the Being of being.”³¹ The concept of destruction remains profoundly ambiguous, however, and its negativity is again emphasized after 1929 when Heidegger gets more deeply involved with Nietzsche and the term “God is dead,” and what he sees as the total breakdown of traditional metaphysics. Heidegger’s more refined analysis of the “de-struction” of being occurs much later in the text On the Question of Being. Here he seeks to define the “place” of nihilism, of the breakdown and destruction of rational discourse within the very question of being, as a double crossing out of the word Sein, leaving it behind and yet being deeply involved in the question as such.³² As Heidegger points out, Kierkegaard is not particularly occupied with the question of being in terms of ontology, yet he is intensively occupied with “existence” and with notions that have become “familiar and thus empty of sense,” as Heidegger describes it. Such notions are the targets of Kierkegaard’s direct criticism in the Postscript and other texts, a critique of philosophical speculation in general and of Hegel and the Hegelians in particular. In the first part of The Sickness unto Death, the critique is more general and refined, yet no less devastating. On the contrary, I believe that it goes deeper into the very structure of Hegelian thought, in order to expose, criticize, and then destruct it. Moreover, in Part Two of the book, Anti-Climacus applies a strategy that has basic traits in common with the one we find in the Heidelberg Disputation.
Cf. Heidegger 1993, 22. Heidegger 1993, 23. My translation. Cf. Heidegger 2003, 73. Cf. Heidegger 1977, 37 ff..
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Redoubling the Concept of Spirit The key question of The Sickness unto Death is the human self, understood as Spirit; hence the famous introduction to paragraph A.A: “A human being is spirit. But what is spirit? Spirit is the self. But what is the self? The self is a relation that relates itself to itself or is the relation’s relating itself to itself in the relation; the self is not the relation, but is the relation’s relating itself to itself.”³³ The definition of Spirit looks rather Hegelian, and that impression is confirmed by the following specification of the self as synthesis of opposites, of body and soul, finitude and infinitude, etc. In this definition, the conscious self, relating itself to itself, is suggested to be the uniting positive Third, mediating dialectically and thus constituting a unity between the contrary aspects and perceived contradictions of the human self. This first impression is a bit misleading, however. Anti-Climacus’ point is not simply to confirm this definition. He rather seeks to question the structure of Spirit proposed by Hegelian philosophy, and the presuppositions thereby included. Hence, the introductory question “what is spirit?” already expresses a deep skepticism towards the scheme that follows. Throughout the short passage A.A (two pages) this skepticism breaks into open doubt and the exposure of a crisis within the Hegelian definition of Spirit.³⁴ The crisis is analyzed as “despair,” and AntiClimacus suggests that there are basically two reasons, mutually connected in a dialectical sense, for this diagnosis: First, in despair of willing to be oneself, and second, in despair of not willing to be oneself. For Michael Theunissen, it is important to show that these two forms of despair have the same origin, namely despairingly being unwilling to be oneself.³⁵ It is perfectly possible to show this, and even to find textual proof for doing so in Anti-Climacus’ text. Such a theory would have the advantage of being structurally compatible with Hegel’s dialectics; gradually unveiling the true self. Yet, the crux of the entire text thereby gets lost. Contrary to this hypothesis, I take the Abbau of Hegel’s theory of the self to begin exactly at this point, and the destruction takes an either/or as its point of departure: “Such a relation that relates itself to itself, a self, must either have established itself or have been established by another.”³⁶ In this short sentence, Kierkegaard identifies a problem that will occupy him for the rest of this book: the problem of otherness or alterity.
Kierkegaard 2006, 129 / Kierkegaard 1983, 13. Cf. my detailed analysis of this crisis in Mjaaland 2005, 58 – 80. See Theunissen 1993, 16 – 21. Kierkegaard 2006, 129 / Kierkegaard 1983, 13.
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The appropriation of otherness is a basic movement in speculative thinking in general and Hegel’s Idealism in particular: In order to establish a consistent system of thought, the other is either posited as opposed to the self and thereby constructed, or it is recognized and appropriated and thereby re-constructed. ³⁷ Within this movement of appropriation, which is also the movement of Aufhebung, Kierkegaard identifies a problem and a difference which is irresolvable and thus resists speculative thinking–it breaks up the system from within. Within this logic, which defines the structure of dialectical philosophy, Kierkegaard insists on redoubling the self by way of the disjunction: Either the self is posited by itself or it is posited by another.³⁸ The Idealist construction of the self remains the framework for Kierkegaard’s discourse on selfhood, yet this very framework is questioned when he points at the disjunction either/or within this structure. There is a doubling of the ellipsis (the relation that relates itself to itself) based on the double assumption that the self has established itself, and thus is bound to remain within the construction, although the self thus established also turns out to be dependent on another, on otherness. This otherness points towards a presupposition that the self is unable to control or consume, or even conceive of properly. The either/or therefore remains a true alternative throughout the book, the double hypothesis that the author seeks to expose [Danish: udvikle] and thus examine in his treatise on despair.³⁹ From this presupposed alterity follows the series of misrelations within the self, as he points out already at the end of the short introductory chapter A.A: “The misrelation of despair is not a simple misrelation but a misrelation in a relation that relates itself to itself and has been established by another, so that the misrelation in that relation which is for itself [for sig] also reflects itself infinitely in the relation to the power that established it.”⁴⁰ In Part One, Anti-Climacus focuses almost exclusively on the first definition of the self, the self that posits itself and thereupon relates itself to itself. The destruction of this self-defined self follows a pattern anticipating the approach we later encounter in Heidegger. Hegel’s many triads in the Phenomenology follow the structure of abstract–negative–concrete (rather than thesis-antithesis-synthesis). Kierkegaard’s implicit and explicit claim is that the actual movement of the Hegelian spirit goes in exactly the opposite direction, from the phenomena
Ringleben has adopted this concept as methodological principle for his interpretation of Kierkegaard. Cf. Ringleben 1983. Cf. Mjaaland 2008, 162– 179. Cf. the subtitle of The Sickness unto Death, where the whole work is described as an exposition (“Udvikling”); Kierkegaard 2006, 115. Kierkegaard 2006, 130 / Kierkegaard 1983, 14.
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of concrete everyday experience towards a highly abstract definition of the “absolute” Spirit. The stand [Gestell] of this spirit is the speculative method of Aufhebung, which therefore has to be de-structured from within in order to unwind the speculation and ground the analysis of Spirit in the experience of despair. The movement from the abstract to the concrete is thereby preserved, but turned upside-down. What is called the most concrete in Hegel, namely the absolute Spirit, is here the most abstract. The movement towards concretion emerges when the abstract concepts are analyzed as phenomena. But there is no resolution in the third, since the third is suffering under the evil of abstraction, under the emptiness of speculation–suffering the sickness unto death. The conceptual framework makes the analysis of the self possible but the analysis itself is a continuous destruction without resolution, dialectic without mediation. Thus, Part One ends with a high level of consciousness but without any absolute Spirit in sight: A self at war with itself, incessantly occupied with its own gradual destruction. The conclusion of Part One in The Sickness unto Death would thus be that anyone who seeks to develop self-consciousness according to the method of Hegelian dialectic ends up deceiving himself. Moreover, this self-deception conceals a profound self-destruction due to the denial of the other as other. Whatever the commentators conclude about the concordance between Hegel and Kierkegaard in method and approach, I will still insist that the conclusion is the absolute contradiction to the “absolute” consciousness: A deliberate destruction of the Hegelian self.
Double Destruction The double theory of spirit in The Sickness unto Death corresponds to the two ellipses of the self: The self as posited and constructed by oneself and the self as posited by the other. The former is dialectically developed in Part One, although in terms of a destruction of Hegel’s concept of spirit, from within. In Part Two, Anti-Climacus analyses the “theological self”, i. e. the self before God, and argues that the Hegelians turn the “logic” of the cross, of the Christian logos, into a speculative logic of Aufhebung. Again, I believe that we may speak of destruction, though of a different kind. This second form of destruction, developed in Part Two, comes closer to the one we observed in Luther’s Heidelberg Disputation. With limited space, the argument will only be briefly sketched in the following. Again, the historical occasion for Kierkegaard’s critique should probably be looked for in Denmark during the 1840s rather than in German philosophy. The
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attacks are directed against the speculative theology of his contemporaries, e. g. Hans Lassen Martensen. His theology is, in Anti-Climacus’ view, identified as a “theology of glory,” since it is based on German Idealism, including its new metaphysics, logic (or logos) and method of speculative mediation. Thus, Anti-Climacus can easily apply Luther’s polemic against metaphysics in the Heidelberg Disputation as mutatis mutandis a criticism of the speculative Geist in the Hegelian philosophy and theology of his times. ⁴¹ The key question in Part One is according to my analysis the question of Aufhebung. Anti-Climacus seeks to prove that the self is not able to arrive at such an Aufhebung with the help of Hegelian dialectic. The proclaimed unity, the Third that unites opposites like the finite and the infinite, necessity and possibility, and in particular the alleged unity of oneself and the Other within the Spirit, remains an abstract idea rather than a concrete experience of the synthesis. What appears to be a Hegelian dialectic of Aufhebung is therefore unveiled as the opposite, viz. an ever deeper contradiction within the self’s relationship to itself. The starting point is Hegelian logic, but this is turned against the Hegelian position shared by Martensen, namely that the self, following the dialectical method, would be able to resolve all contradictions. The intention of Anti-Climacus’ diagnosis of despair, whatever one thinks of it, is to uncover precisely such self-centeredness, logocentrism, egocentrism (and the unavoidable inflation of the self) as inherent to speculative philosophy. A similar point is reinforced in Part Two, where the argument is directed against the dialectic of Aufhebung in philosophy and theology, both among the common people and on the pulpit. Speculative philosophy is accused of having introduced modern paganism because the absolute distinction between God and the human person has allegedly been abolished by bringing together the divine and the human in the speculative category of the God-man.⁴² The argument against such use of dialectics in theology differs in some respects from the more general argument, though. Anti-Climacus applies the figure of the cross as the
Whereas Hegel defines God the Father as God an sich and Christ as God für andere, it is only as Spirit that God is conceived an und für sich, in being united with the community in its religious consciousness and thus making possible the definitive Aufhebung of the antithetical relationship between God and human beings: “God is thus here plainly visible, as he is; he is there, as he is an sich; he is there as Spirit. It is only in the pure speculative knowledge that God can be attained. It is only in this knowledge that he is, and is himself, for he is the Spirit; and this speculative knowledge is the knowledge of the public religion.” Cf. Hegel, GW 9, 420 f. and 406 f. My translation. Kierkegaard 2006 / Kierkegaard 1983, 117.
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definitive argument against the mediation of divine and human in the “logos” of Jesus Christ: Speculation does not take into consideration that with respect to sin the ethical is involved, always pointing in the direction opposite to that of speculation and taking the very opposite steps, for the ethical does not abstract from actuality but immerses itself in actuality and operates mainly with the help of that speculatively disregarded and scorned category: individuality. (…) Here Christianity steps in, makes the sign of the cross before speculation; it is just as impossible for speculation to get around this issue as for a sailing vessel to sail directly against a contrary wind.⁴³
Kierkegaard thus applies the principle of dismantling and destructing speculation, step for step, by making “the sign of the cross” before speculation. It is a repetition of Luther’s “per crucem destruuntur” under different historical conditions. Structurally, such crossing out and questioning of the concepts of Spirit and Self turns out to be the driving force in Part Two of The Sickness unto Death. Kierkegaard thereby seeks to demonstrate the despair which is actually there, although often unacknowledged. In rhetorical as well as argumentative force, he comes closer to Luther’s destruction of medieval ethics and metaphysics than the later Heidegger. Echoing Luther, he deliberately seeks to drive the individual into despair, i. e. to acknowledge and reveal the despair which is already there, in order to let the despairing reader discover the unconditional gift of grace. Kierkegaard insists on a basic contradiction between mediation (Vermittlung) and forgiveness (Vergebung). The former may be constructed by the self relating to itself, whereas the latter remains intrinsically dependent on another.⁴⁴ Hence, within the decisive disjunction of either being posited by oneself or being posited by the other, there is a logical connection between the two kinds of destruction. The deficiencies of the former are supposed to collapse in the surplus of the latter: The reconciliation which is only achievable through a gift, and not in terms of mediation, Aufhebung, etc. Saying that grace and faith are beyond our power and understanding, Luther concludes in thesis 17 of the Heidelberg Disputation, does not imply that the cross makes people despair, although despair may very well be the result of such an insight. On the contrary, only when despair is recognized as such will it be possible to seek grace beyond oneself. What is, then, the point of insisting on such a Kierkegaard 2006, 231 / Kierkegaard 1983, 120. Thus the story of the man who exclaims that he “cannot forgive” himself–betraying that he has completely misunderstood the conditions for the gift of forgiveness. Cf. Kierkegaard 2006, 223 f. / Kierkegaard 1983, 111 f..
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destruction from outside, from beyond, through the extra nos of the cross? According to Luther, the answer is simple: “A sick person seeks the physician when he recognizes the seriousness of his illness.”
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Metaphysik der Kontingenz: Kierkegaards anti-nezessitarische und anti-hegelianische Modaltheorie im „Zwischenspiel“ der Philosophischen Brocken Das Thema „Modalität“ steht in der Kantischen und nach-Kantischen Philosophie zwar nie so im Rampenlicht der philosophischen Diskussionen wie etwa die Begriffe „Wissen“, „Freiheit“ oder „das Absolute“. Dennoch hängt vieles von dem, was die beteiligten Autoren zu diesen und anderen Themen sagen, mehr oder weniger direkt von bestimmten Annahmen zur Logik, Metaphysik und Epistemologie der Modalbegriffe Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit ab: Man denke nur an die Rolle, die die Unterscheidung zwischen logischer (durch bloßes Denken erkennbarer) Möglichkeit und realer (nur durch Bezug auf Erfahrung erkennbarer) Möglichkeit für Kants Erkenntniskritik spielt;¹ an die Bedeutung des Gedankens, dass das Wirkliche nicht mehr als das bloß Mögliche enthält,² für seine Kritik am ontologischen Gottesbeweis; an die Diskussion der Modalkategorien und die folgende Verhältnisbestimmung von Notwendigkeit und Freiheit, die Hegel in seiner Wissenschaft der Logik am Übergang von der Wesens- zur Begriffslogik und somit an einer Gelenkstelle seines ganzen Systems verortet;³ oder an die Tatsache, dass der späte Schelling seine Unterscheidung von negativer und positiver Philosophie an der modalen Unterscheidung von logischer Modalität und faktischer Existenz festmacht.⁴ Am explizitsten hat die zentrale systematische Rolle der Modalkategorien für die philosophische Problemlage nach Kant ein Denker benannt, von dem man ein ausgeprägtes Interesse an derartigen Fragen gar nicht ohne weiteres erwarten würde. Søren Kierkegaard schreibt in einer Tagebuchnotiz im Jahr 1845: Was unser Zeitalter sehr wahrscheinlich am ehesten benötigt, um die Beziehung zwischen Logik und Ontologie zu klären, ist eine Prüfung der Begriffe: Möglichkeit, Wirklichkeit und
Vgl. z. B. KrV B XXVI n., B 301 f. KrV B 284; B 627. Hegel, Wissenschaft der Logik, TWA 6/200 ff. Vgl. z. B. Philosophie der Offenbarung 1841/42, 99, 101.
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Notwendigkeit. Man hofft indes, dass die Person, die etwas derartiges tut, von den Griechen beeinflusst ist. Die griechische Nüchternheit findet sich bei heutigen Philosophen selten […].⁵
Fragen wie die nach der Bedeutung und Rolle der Modalkategorien im Kontext des Verhältnisses von Logik und Ontologie zählen nicht unbedingt zu den Problemfeldern, die man gewöhnlich mit Kierkegaards Denken in Verbindung bringt. Tatsächlich ist aber Kierkegaard in den Jahren nach seiner ersten Berlin-Reise 1841/42 mit einem intensiven Studium logischer und ontologischer Fragen befasst, und zwar speziell bei den „Griechen“ (insbesondere Aristoteles) und den von ihnen „beeinflussten“ modernen Autoren (wie Trendelenburg).⁶ In den „nüchternen“ Analysen dieser Philosophen sucht Kierkegaard offenbar nach einer Fundierung der anthropologischen, moral- und religionsphilosophischen Überlegungen, die er zu diesem Zeitpunkt u. a. in den pseudonymen Schriften Entweder/Oder und Furcht und Zittern veröffentlicht hat, sowie der hiermit verbundenen Kritik an Hegel und seinen Anhängern.⁷ Die Frage nach dem Verhältnis von Logik und Ontologie stellt sich dabei u. a. deshalb, weil Hegel und seine Schüler beanspruchen, durch eine logische Untersuchung von kategorialen Strukturen des reinen Denkens zugleich Aufschluss über die ontologische Grundstruktur der Wirklichkeit zu gewähren.⁸ Dass Kierkegaard speziell in den Modalkategorien den Schlüssel zu einem richtigen Verständnis des Verhältnisses von Logik und Ontologie erblickt, liegt wohl in erster Linie daran, dass Hegel mit seiner spekulativen Logik nicht zuletzt die Grundlagen für ein Begreifen der natürlichen und geschichtlichen Wirklichkeit als einer notwendigen Ordnung schaffen will – ein
Kierkegaard (1967 ff.), Bd. 1, 80, Nr. 199; VI B 54:21. (Üs. vom Verf.; gegenwärtig liegt noch keine deutschsprachige Edition der Notiz vor.) (Zitierhinweis: Im vorliegenden Beitrag folgt auf Nachweise aus den Tagebüchern (Kierkegaard (1962 ff.)) bzw. den Journals and Papers (Kierkegaard (1967 ff.)) jeweils ein Verweis auf die Band- und Archivnr. der Papirer (Kierkegaard (1909 ff.)). Vgl. Thulstrup (1962a), lxiv; Come (1995), 142 f. Die Frage, ob Kierkegaard selbst ontologische Positionen im traditionellen Sinn vertreten hat und darauf seine Anthropologie aufbaut, oder ob er umgekehrt ontologische Fragen im Lichte seiner Anthropologie völlig uminterpretiert, ist umstritten; vgl. u. a. Evans (2006), Kap. 2 und 3; González (1997); Nason (2012), 141 f. Die ontologische Position des „Zwischenspiels“ in den Philosophischen Brocken, auf die wir uns im Folgenden beschränken, ist zwar sichtlich an der Frage nach der Stellung freien Handelns in der Welt orientiert (vgl. z. B. Come (1995), 142 ff.; s.u. 6.d), doch zugleich ist klar, dass Climacus beansprucht, eine allgemeine Metaphysik der Modalität und des Werdens zu präsentieren, die auch für die Natur gilt. Zur Rolle des Verhältnisses Logik-Ontologie in Kierkegaards Hegel-Kritik vgl. Thomas (1979), 412 f.
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Vorhaben, das speziell im Hinblick auf die geschichtliche Wirklichkeit aus der Sicht Kierkegaards die Möglichkeit menschlicher Existenz und Freiheit in Frage stellt. Kierkegaard löst also ein für sein philosophisches Schaffen wesentliches Desiderat ein, wenn er in den pseudonymen Schriften der folgenden Jahre, insbesondere in den Philosophischen Brocken und der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift, selbst Ansätze zu derjenigen „nüchternen“ Untersuchung der Modalkategorien liefert, die er in dem zitierten Tagebucheintrag fordert. Zugleich schafft Kierkegaard hiermit die Möglichkeit einer konstruktiven inhaltlichen Konfrontation mit der spekulativen Philosophie der Idealisten und insbesondere Hegels, wie sie bei ihm sonst nicht ohne weiteres gegeben ist. Denn in anderen Texten betrifft Kierkegaards Idealismus-Kritik häufig sehr grundsätzliche methodologische Entscheidungen (soll die Philosophie ein System entwickeln oder nicht? soll sie erbaulich sein oder nicht? kann sie voraussetzungslos anfangen oder nicht?); eine fruchtbare Diskussion zwischen beiden Seiten gestaltet sich in solchen Fällen als sehr schwierig, weil es kein (oder allenfalls ein sehr abstraktes) gemeinsames Erkenntnisinteresse gibt. In den modaltheoretischen Erörterungen der genannten Schriften bietet Kierkegaard dagegen Thesen und Argumente zu wichtigen metaphysischen und logischen Fragen, die auch die Idealisten beschäftigen. Mein Ziel in diesem Beitrag ist es, eine Interpretation von Climacus’ Modaltheorie in dem wichtigsten einschlägigen Text, dem „Zwischenspiel“ der Philosophischen Brocken, zu entwickeln und sie auf ihre argumentative Tragfähigkeit – auch in der kritischen Auseinandersetzung mit Hegel – hin zu untersuchen.⁹ Zu diesem Zweck resümiere ich zunächst den argumentativen Kontext des „Zwischenspiels“ (1.) und benenne mehrere exegetische Probleme, die dieser Text bereitet (2.). Anschließend rekonstruiere ich die Modalbegriffe, die in §1 des „Zwischenspiels“ eingeführt werden (3.), und diskutiere die wichtigsten Besonderheiten, die sie aufweisen (4.): die Tatsache, dass sie von Gegenständen, nicht von Sätzen oder Sachverhalten ausgesagt werden (a.); ihre extensionale Disjunktheit (b.); und die Einschränkung von Notwendigkeit auf absolute Notwen Weitere relevante modaltheoretische Diskussionen finden sich u. a. in der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift, insb. Zweiter Teil, Kap. 3, §§1 und 2 (vgl. hierzu Kosch (2003)), und in der Krankheit zum Tode, insb. in dem Abschnitt I.C.b „Verzweiflung gesehen unter der Bestimmung Möglichkeit-Wirklichkeit“. Da das Verhältnis dieser Texte zueinander und zu den Philosophischen Brocken eigene Probleme aufwirft, beschränke ich mich im Folgenden auf die (besonders detaillierte und präzise) Diskussion in den Philosophischen Brocken. – Zur Frage, ob die Modaltheorie der Philosophischen Brocken mit der der Krankheit zum Tode vereinbar ist oder ob Kierkegaard seine Position zwischen beiden Texten wesentlich verändert hat, vgl. die detaillierte Rekonstruktion der Entwicklung von Kierkegaards Modaltheorie bei Come (1995), Kap. 5; ferner Theunissen (1958), Kap. 2; Lübcke (1983); ders. (2000).
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digkeit (c.). Aus den (keineswegs trivialen) Annahmen, die mit diesen Modalbegriffen verbunden sind, folgen die Argumente in §§3 und 4 des „Zwischenspiels“ zugunsten der (anti-hegelianischen) These, dass das Vergangene nicht notwendiger als das Zukünftige ist, relativ unproblematisch (5.). Climacus muss also Argumente für diese Annahmen bieten, wenn die Argumentation im „Zwischenspiel“ nicht dogmatisch sein soll. In Abschnitt 6. rekonstruiere ich eine im Text mehr oder weniger implizite Argumentation, die die modalen Annahmen von §1 als notwendige Implikationen der Möglichkeit menschlicher Freiheit rechtfertigt (a.). Eine zentrale Rolle für die Rekonstruktion dieser Argumentation spielt dabei die Frage, für welche Position(en) die von Climacus kritisierte Aussage „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ steht. Ich plädiere dafür, dass sie für eine Klasse von Modaltheorien steht, zu der einerseits nezessitarische Theorien (b.) und andererseits hegelianische Theorien (c.) gehören. Diese Identifikation der Gegenpositionen, von denen Climacus sich absetzen will, erlaubt es, in §2 des „Zwischenspiels“ ein Argument auszumachen, nach dem menschliches Handeln in eine natürliche Ordnung eingebettet sein muss, deren zeitliche Gerichtetheit in einem freien Akt der Schöpfung einer kontingenten Welt fundiert sein muss (d.). Abschließend diskutiere ich, wie Hegels Position gegen dieses Argument verteidigt werden kann (e.). In einem Anhang bespreche ich mehrere Möglichkeiten dafür, wie der ontologische Status des Möglichen in Climacus’ Theorie verstanden werden kann.
1 Der argumentative Kontext des „Zwischenspiels“ Die leitende Fragestellung des „Zwischenspiels“ – „Hat das Vergangene größere Notwendigkeit als das Zukünftige? oder Ist das Mögliche damit daß es wirklich geworden ist notwendiger geworden als es gewesen ist?“ – knüpft direkt an die Fragen an, die Johannes Climacus, der pseudonyme Verfasser der Philosophischen Brocken, dem ganzen Text voranstellt: „Kann es einen geschichtlichen Ausgangspunkt geben für ein ewiges Bewußtsein; inwiefern vermag ein solcher mehr als bloß geschichtlich zu interessieren; kann man eine ewige Seligkeit gründen auf ein geschichtliches Wissen?“ (8/1, IV 173)¹⁰. Diese Fragen reagieren auf Lessings Problem des „garstige[n] breite[n] Graben[s]“¹¹ zwischen historischer und religiöser Wahrheit – „[Z]ufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von noth Kierkegaards Gesammelte Werke (Kierkegaard (1986 ff.)) werden im Text zitiert mit Angabe des Bandes und der Seitenzahl, gefolgt von Band- und Seitenzahl der Samlede Værker (Kierkegaard (1901 ff.)). „Über den Beweis des Geistes und der Kraft“, Sämtliche Schriften Bd. 13, 1– 8, hier 7.
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wendigen Vernunftswahrheiten nie werden“, so hatte Lessing argumentiert –¹², und zielen darauf, die spezifische Natur des religiösen Glaubens in Abgrenzung vom Wissen um „ewige Tatsachen“ (8/96, IV 262) einerseits und von der Kenntnis historischer Fakten andererseits greifbar zu machen. Als entscheidend hierfür erweist sich ein bestimmtes Verständnis der geschichtlichen Natur der Inkarnation. Das Verhältnis des Gläubigen zum menschgewordenen Gott als dem geschichtlichen „Gegenstand des Glaubens“ (8/59, IV 277) sucht Climacus als Verhältnis von Lernendem und Lehrer zu fassen, indem er es als Alternative zum gänzlich anders gearteten Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler im sokratischen Dialog entwickelt.Während in der sokratischen Maieutik der Lehrer und die Unterrichtssituation nur als gleichgültige „Veranlassung“ (8/9; IV 181) für die anamnêsis der immer schon gewussten außerzeitlichen Vernunftwahrheiten dient (8/7 f.; IV 179 f.), kommt im religiösen Verhältnis sowohl dem „Augenblick“ der Vermittlung als auch der Identität des Lehrers eine entscheidende Bedeutung zu: Als Lehrer fungiert hier Gott (8/13; IV 184), der zugleich Gegenstand des Glaubens ist; der Augenblick ist der Zeitpunkt, zu dem Gott dem Menschen einerseits die „Wahrheit“ des Glaubens vermittelt, andererseits die Bedingung (8/12; IV 184) verleiht, diese Wahrheit zu verstehen und zugleich einzusehen, dass er bisher in der „Unwahrheit“ bzw. Sünde gelebt hat („Sündenbewusstsein“, 8/45; IV 214). Diese Vermittlung verdankt sich einer freien Entscheidung Gottes aus Liebe (8/22; IV 193) und wird dadurch möglich, dass sich Gott in der Inkarnation dem Menschen gleichmacht (8/29; IV 199). Das Verhältnis des Glaubens zum inkarnierten Gott kann nun auf zweierlei Weise missverstanden werden (8/96; IV 262). Erstens gibt es das historistische Missverständnis, das den Glauben der Kenntnis von historischen Fakten assimiliert und deshalb der ersten Generation von Jüngern, die Augenzeugen des Lebens Jesu waren, einen „Vorteil“ beimisst (8/60; IV 228). Gegen dieses Missverständnis richtet sich Climacus in den Kapiteln 4 und 5 der Philosophischen Brocken. Sein Ergebnis wird hier lauten: „Es gibt keinen Jünger zweiter Hand“ (8/101; IV 266); denn auch der später geborene Gläubige empfängt sowohl die Wahrheit als auch die Bedingung zu ihrem Verständnis und das Sündenbewusstsein von Gott, und das Zeugnis der früheren Gläubigen dient hier lediglich als gleichgültiger „Anlass“ des Glaubens (8/101; IV 266). Das zweite mögliche Missverständnis ist das idealistische Missverständnis, wonach das Heilsgeschehen als notwendiger Prozess
Sämtliche Schriften Bd. 13, 5. Vgl., mit weiteren Nachweisen, Thulstrup (1962a), xlvi-lxvii; ders. (1962b), 149 – 152; Campbell (1969); Heywood Thomas (1994). – In der Abschließenden unwissenschaftlichen Nachschrift gibt Climacus dann der ausdrücklichen Diskussion Lessings breiten Raum.
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begriffen werden kann. Sofern – wie bei Hegel und seinen Anhängern¹³ – dieses Begreifen an die ex-post-Perspektive geknüpft wird, sind die späteren Generationen von Gläubigen im Vorteil, weil für sie die Inkarnation „in höherem Maße notwendig“ (8/84, IV 251) ist als für die „gleichzeitigen“ Jünger. Dieses Missverständnis bietet Climacus den Anlass zu der grundlegenden Diskussion von Modalität im „Zwischenspiel“, die zu dem Ergebnis kommt, dass etwas nicht dadurch notwendiger wird, dass es vergangen ist.¹⁴
2 Exegetische Probleme Wenngleich das unmittelbare argumentative Ziel des „Zwischenspiels“ im Rahmen der Brocken recht klar definiert ist – es soll die Annahme widerlegen, nach der historische Ereignisse und insbesondere die Inkarnation ex post als notwendig begriffen werden können – wirft dieser Text doch vielfältige exegetische Fragen auf. Johannes Climacus entwickelt darin eine überaus dichte Argumentation, die – oft nur durch Anspielungen oder durch die Nennung von Bezugsfiguren in Klammern – auf zahlreiche philosophiegeschichtliche Positionen und Debatten Bezug nimmt, wie etwa auf das Problem der contingentia futura bei Aristoteles, Diodor, Epikur und Chrysipp, oder auf das Problem des göttlichen Vorwissens bei Boethius. Wozu diese Bezugnahmen im Einzelnen dienen und welche Positionen jeweils genau gemeint sind, ist alles andere als klar. Ferner stellt Climacus häufig Behauptungen auf, die kryptisch (z. B. „Alles Werden ist ein Leiden“, 8/70; IV 237)
Stewart (2003), 359 – 368, argumentiert dafür, dass hier nicht Hegel das Ziel von Climacus’ Kritik bildet, sondern der dänische Hegelianer Hans Lassen Martensen, der die Inkarnation als notwendiges Ereignis interpretiert. Dabei lässt Stewart außer Acht, dass schon Hegel eine derartige Auffassung der Inkarnation vertreten hat und deshalb Climacus’ Kritik genauso auf ihn bezogen werden kann wie auf Martensen; vgl. u. a. TWA 17/277: „Das Moment der unmittelbaren Existenz ist aber im Geiste selbst enthalten. Es ist die Bestimmung des Geistes, zu diesem Momente fortzugehen. […] Insofern nun dem Menschen geoffenbart werden soll, was die Natur des Geistes ist, die Natur Gottes in der ganzen Entwicklung der Idee offenbar werden soll, so muß darin diese Form auch vorkommen, und das ist eben die Form der Endlichkeit. Das Göttliche muß in der Form der Unmittelbarkeit erscheinen. Diese unmittelbare Gegenwart ist nur Gegenwart des Geistigen in der geistigen Gestalt, welche die menschliche ist“. Dass Gott sich überhaupt offenbart, ist ebenfalls notwendig: vgl. TWA 17/193. – Vgl. insgesamt zu den Problemen in Stewarts Interpretation des Verhältnisses Kierkegaard-Hegel die Rezension von Westphal (2004). Durch seine Mittelstellung zwischen Kapitel 4 (die erste Generation von Jüngern) und Kapitel 5 (die späteren Generationen von Jüngern) drückt das „Zwischenspiel“ auch der literarischen Form nach das Verhältnis zwischen Gleichzeitigkeit und ex-post-Perspektive aus; Kierkegaard greift hier ausdrücklich (s. 8/68; IV 235) auf ein dramatisches Stilmittel zurück.
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oder vor dem Hintergrund eines gängigen Verständnisses von Modalbegriffen schlicht falsch sind (z. B. „[Man kann] dem Notwendigen nicht Möglichkeit beilegen“, 8/71; IV 238). Die vielleicht wichtigste exegetische Schwierigkeit besteht aber darin, dass die Argumentation in diesem Textstück in kritischer Abgrenzung von einer bestimmten Position entwickelt wird, von der aber nicht klar ist, wie sie genau zu verstehen ist und wer sie vertreten haben könnte. Climacus kennzeichnet die kritisierte Position durch das Schlagwort von der Notwendigkeit als „Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ (8/70 f.; IV 237). Dies haben Exegeten häufig als Bezugnahme auf Hegel interpretiert, der in der enzyklopädischen Logik (§147 A) diese Formel als „Definition“ der Notwendigkeit zustimmend zitiert. Allerdings wurde von den Vertretern dieser Lesart weder untersucht, welche konkretere Bedeutung Hegel mit dieser Aussage verbindet, noch, wie sich Climacus’ Diskussion zu der Hegels genauer verhält.¹⁵ – Ganz verworfen wurde die Deutung der fraglichen Aussage als Bezugnahme auf Hegel von Jon Stewart. Nicht nur, so Stewart, verwendet Hegel teils andere Modalbegriffe als Kierkegaard und bietet eine differenzierte Interpretation dieser Begriffe, die durch Climacus’ Diskussion nicht getroffen wird;¹⁶ er vertritt nach Stewart auch gar nicht die Auffassung, Notwendigkeit sei die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit: Er zitiert sie in §147 A der enzyklopädischen Logik nur, um sie als „oberflächlich und deswegen unverständlich“ (8/288) zu kennzeichnen.¹⁷ Positiv vertreten wurde die Charakterisierung der Notwendigkeit als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit dagegen von Kant,¹⁸ weshalb Stewart in Kants Modaltheorie das gemeinsame Ziel der Kritik Kierkegaards und Hegels sieht.¹⁹ Doch ist auch dies keine befriedigende Interpretation, fehlt doch sonst im „Zwischenspiel“ der Brocken jeder engere Zusammenhang zu Kants Modaltheorie, während, wie wir gesehen haben, durch die argumentative Rolle des Textstückes im Zusammenhang der Brocken ein klarer Bezug auf Hegel gegeben ist. Wie die exegetischen Debatten über das „Zwischenspiel“ zeigen, ist mit der Identifikation der Herkunft einzelner Formulierungen in diesem Text (wie der von
Belege bei Stewart (2003), 357 n.; vgl. ferner Come (1995), 139 f., 190, sowie zuletzt Nason (2012), 151 n. Stewart (2003), 358. Stewart (2003), 357. KrV B 111: „Nothwendigkeit“ ist „nichts anders, als die Existenz, die durch die Möglichkeit selbst gegeben ist“. Diese Aussage dient Kant zur Erläuterung der Behauptung, dass von den drei Kategorien einer Klasse die dritte jeweils „aus der Verbindung der zweiten mit der ersten ihrer Classe entspringt“ (KrV B 111). Stewart (2003), 357 f.
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der Notwendigkeit als „Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“) nicht viel gewonnen. Umgekehrt machen aber Aussagen in dem Text wie die oben zitierte These, man könne dem Notwendigen nicht Möglichkeit beilegen, eine reine Argumentrekonstruktion, die von den philosophiehistorischen Bezügen des Textes absieht, unmöglich. Im Folgenden untersuche ich deshalb in Bezug auf die wichtigsten modalen Begriffe und Annahmen, die in dem „Zwischenspiel“ eingeführt werden, jeweils sowohl den systematischen Gehalt als auch den historischen Hintergrund.
3 Die Modalbegriffe in §1 des „Zwischenspiels“ Der erste Abschnitt („§1. Werden“) des „Zwischenspiels“ führt die zentralen metaphysischen Begriffe des „Zwischenspiels“ ein: Werden, Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit, Sein, Wesen; eine untergeordnete Rolle spielen die Begriffe Veränderung, Verwandlung, Grund und Ursache. Das Verhältnis der zuerst genannten Begriffe ist durch zwei strikte Unterscheidungen geprägt, die sich zueinander orthogonal verhalten: erstens die Unterscheidung der beiden Sphären der Notwendigkeit einerseits und der Möglichkeit und Wirklichkeit andererseits, zweitens die Abgrenzung von Sein und Wesen. Die Argumentation vollzieht sich, indem die Bedeutung und gegenseitige Beziehung dieser Begriffe schrittweise entfaltet wird. Diese Schritte müssen wir im Folgenden rekonstruieren; wie sich zeigen wird, sind mit jedem einzelnen Schritt substantielle theoretische Annahmen verknüpft. Climacus eröffnet die Argumentation, indem er nach der Bedeutung des Begriffs „Werden“ fragt. Im Anschluss an Aristoteles und die Wiedergabe aristotelischer Positionen in Tennemanns Geschichte der Philosophie ²⁰ unterscheidet Climacus zwischen „Werden“ bzw. „Bewegung“ (κίνησις) einerseits und „Verwandlung“ (ἀλλοίωσις) andererseits als zwei Formen der Veränderung. Unter „Verwandlung“ fasst Climacus alle Veränderungen, die die Existenz dessen, was sich verändert, voraussetzen: also neben qualitativen, quantitativen und räumlichen Veränderungen auch Prozesse des Vergehens. In diesen Fällen existiert zu Beginn des Prozesses der Veränderung ein Substrat der Veränderung, und die Veränderung besteht darin, dass dieses Substrat entweder a. einzelne Eigenschaften verliert bzw. hinzugewinnt oder b. ganz zu existieren aufhört. Dagegen erklärt Climacus, dass im Fall des Werdens das, was wird, in bestimmter Weise
Tennemann, Geschichte der Philosophie, Bd. 3, 125 – 127. Vgl. Waaler (1998); Løkke / Waaler (2010b).
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unverändert bleiben muss. Climacus erklärt dies an Hand eines Plans und seiner Ausführung: „Wenn ein Entwurf, indem er wird, an sich selbst eine Veränderung erfährt, so ist es nicht dieser Entwurf der da wird“ (8/70; IV 236 f.). Der Gedanke scheint hier der zu sein, dass die inhaltliche Spezifikation des Plans (also die bestimmte Kombination eines Ziels mit konkreten Mitteln und Handlungsschritten) in der Ausführung nicht geändert werden darf, wenn es sich um eine Ausführung dieses Plans und nicht eines anderen Plans handeln soll. Dies soll anscheinend das Werden insbesondere von Fällen von Veränderung des Typs a., also Veränderungen von Eigenschaften, abgrenzen, wo gerade eine solche „inhaltliche“ Änderung stattfindet. Auf die anschließende Frage: „Wird [der Entwurf] hingegen ohne daß er eine Veränderung erfährt, welches ist dann die Veränderung des Werdens?“ antwortet Climacus: „Diese Veränderung bezieht sich denn also nicht auf das Wesen sondern auf das Sein, und ist Übergang von nicht da sein zu da sein“ (8/70; IV 237). Während Climacus zunächst aristotelische Terminologie verwendet hatte, sind hier offenbar ganz andere Bezugspunkte relevant. Der Gedanke, eine Ausführung eines Plans könne nicht in einer inhaltlichen Veränderung bestehen, scheint auf Kants Diskussion des Existenzbegriffs hinzuweisen.²¹ Gegen den ontologischen Gottesbeweis wendet Kant bekanntlich u. a. ein, dass Sein kein „reales Prädikat“ sei, sondern „bloß die Position eines Dinges, oder gewisser Bestimmungen an sich selbst“ (KrV B 626). Dies begründet Kant wie folgt: Wenn gegenüber dem, was wir in einem bloßen Begriff denken, in der Realisierung des Begriffs noch eine reale oder inhaltliche Bestimmung hinzukäme, dann würde es sich nicht um eine Realisierung dieses Begriffs handeln, bzw. der Begriff wäre nicht, in Kants Worten, „der angemessene Begriff“ des Gegenstandes.²² Climacus’ Beispiel des Plans bietet eine genaue Entsprechung zu dieser Überlegung. Folglich liegt es nahe, auch die Konklusion, wonach sich die im Werden enthaltene Veränderung auf das Sein, nicht das Wesen des Gegenstandes bezieht, im Sinne von Kants Unterscheidung zwischen Existenz und realen Prädikaten zu verstehen.²³ Unterstützt wird diese Lesart prima facie auch dadurch, dass Climacus an anderer Stelle in den Philosophischen Brocken ausdrücklich den ontologischen Gottesbeweis (in Spinozas Fassung) kritisiert (8/39 f. n.; IV 208 f. n.) und dabei zwischen
Vgl. Thomas (1979), 419. KrV B 627: „Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche. Hundert wirkliche Thaler enthalten nicht das Mindeste mehr, als hundert mögliche. Denn da diese den Begriff, jene aber den Gegenstand und dessen Position an sich selbst bedeuten, so würde, im Fall dieser mehr enthielte als jener, mein Begriff nicht den ganzen Gegenstand ausdrücken und also auch nicht der angemessene Begriff von ihm sein.“ So versteht Lübcke (2000), 94 Climacus’ Unterscheidung.
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„faktischem Sein“ (=Existenz) und „ideellem Sein“ (=realitas, Sachhaltigkeit) unterscheidet. Mit dieser Lesart gibt es allerdings zwei Probleme. Erstens stellt sich die Frage, warum Climacus an dieser Stelle – wie auch häufiger im Folgenden – als Gegenbegriff zum Sein den Begriff des „Wesens“ verwendet und nicht vielmehr von realen Prädikaten, Bestimmungen o. ä. redet. Manche Exegeten haben hierin eine weitere Anknüpfung an Aristoteles gesehen und die Rede vom „Wesen“ in diesem Kontext im Sinne aristotelischer Essenzen verstanden (und dementsprechend dann die „Notwendigkeit“ im weiteren Verlauf des Abschnittes als Inbegriff notwendiger Verknüpfungen in einem „Reich der Essenzen“).²⁴ Freilich hat auch diese Alternative ihre Probleme. Aristotelische Essenzen unterscheiden sich u. a. deshalb von Kantischen realen Prädikaten, weil die Verknüpfung realer Prädikate, die einen Begriff ausmacht und den ihm entsprechenden Gegenstand bestimmt, neben wesentlichen bzw. „essentiellen“ Eigenschaften auch akzidentelle Eigenschaften umfasst.²⁵ Nun führt Climacus den Begriff des Wesens für das ein, was im Werden gleichbleibt – und was sich in der anderen Art der Veränderung, der „Verwandlung“, ändert.Wären Wesen Essenzen, würde folgen, dass sich in jedem Fall einer Verwandlung bzw. ἀλλοίωσις essentielle Eigenschaften des Gegenstandes verändern – er also entweder aufhört, zu existieren, oder aufhört, er selbst zu sein. Das ist mit Climacus’ Begriff der Verwandlung aber kaum zu vereinbaren. Während ein Kantischer Hintergrund die Rede vom Wesen nicht erklären kann, bietet auch die aristotelische Lesart keine befriedigende Lösung. Zweitens definiert Climacus das Notwendige als das, dessen Wesen es ist, zu sein (8/71; IV 237). Notwendig in diesem Sinn ist also, was notwendig existiert (wenn es denn existiert – hierzu gleich mehr). Wenn Sein kein reales Prädikat ist und „Wesen“ als Verknüpfung realer Prädikate im Gegensatz zum Sein verstanden wird, dann ist aber die Aussage, es sei das Wesen des Notwendigen, zu sein, entweder nicht zulässig, oder aus ihr folgt, dass es nichts Notwendiges gibt. Dagegen redet Climacus so, als gäbe es Notwendiges; zumindest scheint er diese Möglichkeit jedenfalls nicht von vornherein ausschließen zu wollen. ²⁶
Waaler (1998), 285 f.; Lübcke (2000), 95 f.; Nason (2012), 149; vgl. Come (1995), 182. Das ist hinsichtlich des Begriffs zwar nur dann der Fall, wenn man an Leibnizianische „vollständige Begriffe“ denkt; Kant ist aber in diesem Kontext auf solche Begriffe angewiesen, weil nur in Bezug auf sie plausibel behauptet werden kann, dass jede Erweiterung eines Begriffs ihn seinem Gegenstand unangemessen macht. Nach einer anderen Deutung von Climacus’ Bestimmung der Notwendigkeit ist das „Sein“, das im Wesen des Notwendigen eingeschlossen ist, im Sinne des „ideellen“ Seins (realitas bzw. Sachhaltigkeit) zu verstehen, das Climacus an anderer Stelle in den Philosophischen Brocken (8/ 40 n.; IV 209 n.) vom „faktischen“ Sein (Existenz) unterscheidet und mit dem Begriff des
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Beide Probleme können gelöst werden, wenn Climacus’ Begriff des „Wesens“ als Anknüpfung an eine Terminologie gedeutet wird, die Kierkegaard kennengelernt hat, als er 1841/2 die Vorlesungen Schellings zur Philosophie der Offenbarung in Berlin besucht hat. Schelling eröffnet die von Kierkegaard begeistert aufgenommene²⁷ thematische Einführung, die er in seiner zweiten Vorlesung bietet, mit einer für seine Spätphilosophie grundlegenden Unterscheidung, die er hier terminologisch als Unterscheidung von „Sein“ (bzw. „Existenz“) und „Wesen“ fasst: „An allem Wirklichen ist zweierlei zu erkennen oder von ihm auszusagen:
Notwendigen in Verbindung bringt: „[S]obald ich ideell von Sein spreche, spreche ich nicht mehr von Sein, sondern vom Wesen. Die höchste Idealität hat das Notwendige, darum ist es. Aber dies Sein ist sein Wesen, vermöge dessen es in den Bestimmungen des faktischen Seins nicht dialektisch werden kann, eben weil es ist […]“ (8/40 n.; IV 209 n.) (so Pieper (1968), 22; Come (1995), 182; Wilder (1998), 286). Eine derartige Deutung kann auf zwei Weisen verstanden werden. Entweder bildet das „ideelle“ Sein ein eigenes ontologisches „Reich“, das von dem Bereich existierender Gegenstände unterschieden ist (Thulstrup (1962b), 216 deutet die Unterscheidung als platonistische Unterscheidung zwischen „irdischer veränderlicher Existenz“ und „idealer, unveränderlicher Substanz“; Waaler (1998), 285 f. spricht mit Blick auf das „Notwendige“ von einem „Reich von Essenzen“, die durch notwendige Beziehungen miteinander verknüpft sind und „ideales“, nicht „faktisches“ Sein besitzen; vgl. auch Come (1995), 182). So kann die Unterscheidung aber nicht gemeint sein, denn mit dem Begriff des „ideellen“ Seins bezieht sich Climacus ausdrücklich auf die Deutung von Sein als „realitas“ und „perfectio“ bei Spinoza; so verstandenes Sein besitzt alles Wirkliche und Mögliche, wenngleich in unterschiedlichem Grade (während „faktisches“ Sein keine Unterscheidung von Graden zulässt). Zweitens kann die fragliche Deutung so verstanden werden, dass wir, indem wir etwas als „notwendig“ kennzeichnen, nur behaupten, dass es kraft seines Wesens ideelles Sein (realitas) besitzt, und nichts darüber aussagen, ob es existiert oder nicht. Auch das kann aber nicht Climacus’ Gedanke sein. Denn da jedes „Wesen“, gleich ob es existiert oder nicht, ideelles Sein (wenngleich in unterschiedlichem Grad) besitzt, hat alles „kraft seines Wesens“ ideelles Sein – nach der fraglichen Deutung wäre dann alles notwendig. Stattdessen sollte die zitierte Stelle wie folgt verstanden werden: Die Konklusion von Spinozas Gottesbeweis – Gott existiert notwendig – sagt de facto nur etwas über das Wesen Gottes (und damit über sein „ideelles“ Sein) aus, nicht aber über die Frage, ob er existiert oder nicht. Sein Wesen wird durch diese Konklusion als „Notwendigkeit“ bzw. notwendige Existenz (im Sinne von „faktischem“ Sein) bestimmt („Die höchste Idealität hat das Notwendige“, d. h. das ens realissimum ist ens necessarium). Aus dieser Wesensbestimmung folgt aber nicht, dass Gott tatsächlich existiert – es folgt nur, dass er, wenn er existiert (faktisches Sein hat), notwendig existiert. (S. die folgende Diskussion im Haupttext.) Für Climacus hat dies ferner zur Folge (s.u.), dass Gott, wenn er existiert, immer existieren muss und nicht entstanden sein kann bzw. in der Zukunft einmal vergehen kann. In diesem Sinne kann Gott vermöge seines Wesens (das notwendige Existenz einschließt) „in den Bestimmungen des faktischen Seins nicht dialektisch werden“, d. h. er kann keinen Übergang von faktischem Nicht-Sein zu faktischem Sein und umgekehrt vollziehen. Vgl. den Tagebucheintrag vom 22. November 1841, in Kierkegaard (1962 ff.), Bd. 1, 273 f.; III A 179.
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quid sit und quod sit = was ein Seiendes ist und daß es ein Seiendes ist. Jenes macht, daß ich einen Begriff davon habe, dieses, daß ich seine Existenz weiß, d. h. daß ich es erkenne“.²⁸ Für das „quid sit“ führt Schelling dann gleich im Anschluss den Begriff „Wesen“ ein,²⁹ ohne dass damit an dieser Stelle essentialistische Implikationen verbunden wären. Umgekehrt fällt die Unterscheidung zwischen Sein und Wesen auch nicht einfach mit Kants Unterscheidung zwischen Existenz einerseits und realen Prädikaten bzw. deren Verknüpfung zu einem Begriff andererseits zusammen. Denn im weiteren Verlauf der Vorlesungen spielt der Gedanke eines Wesens, das notwendig existiert – also eines Wesens, dessen Begriff Existenz einschließt – eine zentrale, positive Rolle.³⁰ Schelling kann trotz seiner Kritik am ontologischen Gottesbeweis am Begriff eines notwendig existierenden Wesens festhalten, weil er den Fehler des ontologischen Beweises an anderer Stelle lokalisiert als Kant.³¹ Für Schelling scheitert der ontologische Gottesbeweis (in seiner Cartesianischen Fassung) nicht daran, dass Sein kein reales Prädikat ist,³² sondern daran, dass er das folgende non sequitur begeht: Statt der legitimen Konklusion „Gott kann nur das notwendig Existierende sein“, die nur etwas darüber aussagt, wie Gott beschaffen ist, wenn er existiert (nämlich: wenn er existiert, existiert er notwendig), folgert er aus seinen Prämissen ungerechtfertigterweise die stärkere Behauptung „Gott existiert notwendig“.³³ Wenn aber der Unterschied zwischen beiden Aussagen berücksichtigt wird, dann ist für Schelling
Schelling, Philosophie der Offenbarung 1841/42, 98 f. – Vgl. zu Kierkegaards Schelling-Rezeption den Beitrag von Philipp Schwab in diesem Band sowie die Beiträge in Hennigfeld/ Stewart (2003); Olesen (2007); Hühn (2009), insb. Teil II. Schelling, Philosophie der Offenbarung 1841/42, 99: „Allerdings; habe ich das Was oder Wesen begriffen, so habe ich ein Wirkliches begriffen […].“ Schelling, Philosophie der Offenbarung 1841/42, 154 ff. – Zur Rolle des notwendig Existierenden in Schellings Spätphilosophie vgl. Henrich (1967), 224 ff.; Hutter (1996), 97 ff., 144 ff. Zu Schellings Verhältnis zum ontologischen Gottesbeweis vgl. Henrich (1967), Kap. III B; Hutter (1996), 144 ff. Dies würde die Möglichkeit notwendiger Existenz ausschließen, sofern sie als ein „Dasein aus bloßen Begriffen“ (KrV B 635) bestimmt wird; vgl. Henrich (1967), 158, 166: Das ontologische Argument, demzufolge im Begriff Gottes seine Existenz enthalten ist, ist nach Kant die einzige Möglichkeit, den Begriff des notwendig Existierenden zu bestimmen; wenn Sein kein reales Prädikat ist, kann der Begriff des notwendig Existierenden also nicht deutlich gedacht werden. Schelling, Philosophie der Offenbarung 1841/42, 154, 156; ausführlicher in Zur Geschichte der neueren Philosophie, Schelling (1856 ff.), 1. Abt. Bd. 10, 15 f. Schelling grenzt in beiden Texten seinen Einwand ausdrücklich von Kants Kritik am ontologischen Beweis ab. Vgl. zum sachlichen Unterschied beider Einwände und ihrer jeweiligen Vorgeschichte Henrich (1967), 74, 219 ff. und passim. – Henrich weist auch darauf hin, dass Kant selbst den „logischen“ Einwand gegen den ontologischen Gottesbeweis, von dem Schelling eine Variante vertritt, zurückweist (Henrich (1967), 142 mit Verweis auf Reflexion 3796).
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der Begriff des notwendig Existierenden durchaus legitim. Mithin ist zumindest prima facie auch der Gedanke zulässig, dass ein Begriff bzw. ein Wesen Existenz enthalten kann: Der Begriff bzw. das Wesen von A enthält demnach genau dann Existenz, wenn A dann, wenn es existiert, notwendig existiert.³⁴ Vor diesem Hintergrund wird nicht nur Climacus’ Wahl des Begriffs „Wesen“ verständlich, sondern auch, warum Climacus zugleich den ontologischen Gottesbeweis verwerfen kann (s.o.) und dennoch das Notwendige als das, dessen Wesen Sein enthält, bestimmen kann. Climacus’ Definition der Notwendigkeit liegt nach dieser Deutung die folgende Äquivalenz zu Grunde: (1) Das Wesen von A enthält Sein ↔ Wenn A existiert, existiert A notwendig. Demnach gilt, dass im Fall von Gegenständen, die, wenn sie existieren, kontingent existieren, das Sein nicht im Wesen enthalten ist – weder im unrealisierten noch im realisierten Wesen. Deshalb haben hier der wirkliche und der bloß mögliche Gegenstand (wie z. B. in Climacus’ Beispiel der ausgeführte und der unausgeführte Plan) genau dasselbe Wesen. Im Fall von Gegenständen dagegen, die, wenn sie existieren, notwendig existieren, ist das Sein im Wesen enthalten (ihr „Wesen ist zu sein“, wie Climacus schreibt). Nichtsdestotrotz stellt sich in Bezug auf jedes denkbare Wesen, das Sein enthält, immer noch die Frage, ob dieses Wesen tatsächlich auch existiert.³⁵
Diese Schlussfolgerung zieht Schelling an anderer Stelle ausdrücklich: „Aber aus dem Wesen, der Natur, dem Begriffe Gottes (dies sind nur gleichbedeutende Ausdrücke) folgt in Ewigkeit nicht mehr als dieses: daß Gott, wenn er existirt, das a priori Existirende sein muß, anders kann er nicht existiren; aber daß er existirt, folgt daraus nicht“ (Philosophie der Offenbarung (1854), Schelling (1856 ff.), 2. Abt. Bd. 3, 156; vgl. Henrich (1967), 223). – Im Kontext der positiven Philosophie lehnt Schelling die Redeweise, dass im Fall des notwendig Existierenden die Existenz aus dem Begriff bzw. Wesen folgt, allerdings ab, weil das notwendig Existierende hier als das verstanden werden soll, dessen („unvordenkliche“) Existenz vor jedem Begriff vorhergehen soll (vgl. Philosophie der Offenbarung 1841/42, 156 f.). Vgl. auch Schellings Zustimmung zu Kants These, Sein sei keine Perfektion, in Zur Geschichte der neueren Philosophie, Schelling (1856 ff.), 1. Abt. Bd. 10, 14 f. Deshalb ist das Notwendige nicht dem Sein, sondern dem Wesen nach von den kontingent existierenden Gegenständen – die Climacus als das „Wirkliche“ bestimmen wird – unterschieden: Notwendigkeit ist nach Climacus „nicht Seinsbestimmung, sondern Wesensbestimmung“ (8/71; IV 237). – Climacus selbst unterscheidet sprachlich nicht immer strikt zwischen der Kennzeichnung von etwas als notwendig einerseits und als notwendig existierend (d. h. als notwendig und als de facto existierend) andererseits. So behauptet er z. B. „das einzige das nicht werden kann, ist das Notwendige, denn das Notwendige ist“ (8/70; IV 237). Gemeint ist hier wohl: Wenn das Notwendige existiert, dann existiert es notwendig und mithin immer – es kann also nicht werden. – Eine weitere erforderliche Präzisierung ist die, dass speziell in der Aussage „des Notwendigen Wesen ist zu sein“ mit dem „Wesen“ nicht nur eine Verknüpfung von Ei-
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Die somit präzisierte Unterscheidung von Sein und Wesen dient Climacus als zentrale Ressource für seine Bestimmung des Werdens und, verbunden damit, der Modalitäten Möglichkeit und Wirklichkeit. Um zu jenen Definitionen zu gelangen, stellt Climacus im Folgenden zunächst fest, das „Nicht-Sein, welches das Werdende verläßt“, müsse „ja auch da sein; denn sonst ‚bliebe das Werdende nicht unverändert im Werden‘“ (8/70, IV 237); überdies habe „jede Veränderung“ „stets ein Etwas vorausgesetzt“ (8/70, IV 237). Wörtlich genommen schreibt Climacus hier dem Wesen, der bloßen begrifflichen Bestimmung, Existenz (Dasein) zu; dies ist aber mit der vorangegangenen Überlegung kaum in Einklang zu bringen. Stattdessen ist hier offenbar gemeint, dass im Werden nicht auch das Wesen allererst entsteht, sondern es einen – vom „Sein“ im Sinne der „Existenz“ wohlunterschiedenen – Modus gibt, in dem das nicht-realisierte Wesen ist. In diesem Modus ist das, was möglich ist, während im Modus des Seins im Sinne der Existenz das ist, was wirklich ist („möglich“ heißt hier stets „bloß möglich“ und schließt Wirklichkeit aus; wir werden darauf zurückkommen): Aber ein solches Sein, welches dennoch ein Nicht-Sein ist, das ist ja die Möglichkeit; und ein Sein, welches Sein ist, das ist ja das wirkliche Sein, oder die Wirklichkeit; und die Veränderung des Werdens ist der Übergang von Möglichkeit zu Wirklichkeit (8/70, IV 237).
Climacus’ Bestimmung der Modalbegriffe „Wirklichkeit“ und „Möglichkeit“ sowie des Werdens scheint auf Anhieb paradox, wird aber verständlich, wenn wir die eben vorgenommene Unterscheidung zweier Sinne von „Sein“ so reglementieren, dass wir zwischen SeinExistenz und Seinunrealisiert unterscheiden und zusätzlich Seinneutral als Seinsbegriff einführen, der noch nicht auf einen der beiden Modi festgelegt ist: Aber ein solches Seinneutral, welches dennoch ein Nicht-SeinExistenz ist [sc. und deshalb ein Seinunrealisiert ist]³⁶, das ist ja die Möglichkeit; und ein Seinneutral, welches SeinExistenz ist, das ist ja das wirkliche Seinneutral, oder die Wirklichkeit; und die Veränderung des Werdens ist der Übergang von Möglichkeit zu Wirklichkeit.³⁷
genschaften überhaupt im Sinne von Schellings „Wesen“, sondern die Untermenge der essentiellen bzw. notwendigen Eigenschaften gemeint sein muss. Andernfalls könnte nämlich ein Wesen die Eigenschaft der Notwendigkeit (die Eigenschaft, nur durch ein notwendig existierendes Wesen instantiiert zu werden) durch eine Veränderung im Sinne der ἀλλοίωσις verlieren. Von „Sein“ im Sinne von „Seinunrealisiert“ ist in dieser Passage nicht ausdrücklich die Rede; vgl. aber Climacus’ vorherige Aussage: „Aber dieses Nicht-Sein […] muß ja auch da sein“, die folgendermaßen zu disambiguieren ist: „Aber dieses Nicht-SeinExistenz […] muß ja auch da seinunrealisiert“. Zur Frage nach dem ontologischen Status der Möglichkeit bzw. des Seinunrealisiert vgl. den Anhang am Ende dieses Beitrags.
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Ehe wir zumindest einige der zahlreichen Fragen besprechen, die diese Begriffsbestimmungen aufwerfen, müssen wir zunächst noch einen wichtigen Punkt aus Climacus’ weiterer Argumentation anführen. Die Stelle, die wir eben disambiguiert haben, liefert noch keine Definition von Wirklichkeit und Möglichkeit,weil SeinExistenz nur notwendig, nicht hinreichend für Wirklichkeit ist. Um die fehlende weitere Bedingung zu ermitteln, müssen wir uns zunächst der Bestimmung der Notwendigkeit zuwenden. Climacus schreibt vom Notwendigen, es könne nicht werden. Dies wird sich als eine der wichtigsten Aussagen des ganzen „Zwischenspiels“ erweisen, doch zunächst interessiert uns nur die Begründung dafür, dass das Notwendige nicht werden kann. Hierzu erläutert Climacus: „Werden ist eine Veränderung, aber das Notwendige kann überhaupt nicht verändert werden, da es ständig sich zu sich selbst verhält, und sich auf eine und die selbe Art zu sich verhält.“ (8/70; IV 237) Nach einer weiteren Erläuterung, die wir im Folgenden noch betrachten werden, schreibt Climacus: „Alles,was da wird, zeigt eben durchs Werden, daß es nicht notwendig ist; denn das einzige das nicht werden kann, ist das Notwendige, denn das Notwendige ist“ (8/70; IV 237). Und schließlich heißt es kurz darauf in einer Formulierung, die wir bereits zitiert haben, die Notwendigkeit sei eine Bestimmung nicht des Seins, sondern des Wesens, da „es des Notwendigen Wesen ist zu sein“ (8/71; IV 237). Wie ist der hier relevante Begriff des Notwendigen zu verstehen? Die angeführten Stellen enthalten zwei verschiedene Bestimmungen dieses Begriffs. Erstens wird das Notwendige als unveränderlich charakterisiert; es verhält sich immer auf dieselbe Weise zu sich. Zweitens heißt es vom Notwendigen, dass es ist und nicht anders kann als zu sein: wie wir schon gesehen haben, schließt sein Wesen Sein im Sinne von Existenz ein, d. h. wenn es einen Gegenstand mit diesem Wesen gibt, dann existiert er notwendigerweise. Diese notwendige Existenz soll nun jede Veränderung ausschließen. Für die notwendige Existenz von A genügt es also nicht, dass es notwendigerweise einmal A gibt oder gegeben hat oder geben wird – obwohl auch dies eine sinnvolle Bedeutung von „notwendiger Existenz“ wäre. Vielmehr interpretiert Climacus die notwendige Existenz nicht-zeitlich, so dass gilt: (2) A ist notwendig → (A existiert → Zu allen Zeitpunkten ist wahr: A existiert). Strenggenommen folgt auch hieraus noch nicht die völlige Unveränderlichkeit des notwendig Existierenden, denn auch wenn das Notwendige nicht werden bzw. entstehen kann, so könnte es sich doch prinzipiell im Sinne der „Verwandlung“ in seinem Wesen verändern – z. B. durch Ortsveränderung oder die Veränderung akzidenteller Eigenschaften. Climacus muss also eine weitere implizite Prämisse voraussetzen, um auf die Kennzeichnung des Notwendigen als gänzlich unveränderlich zu kommen. Eine Möglichkeit, wie diese Prämisse ergänzt werden kann, legt eine spätere Aussage in §3 des „Zwischenspiels“ nahe. Es heißt dort: „Wofern
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die Notwendigkeit auf einem einzigen Punkte eintreten könnte, so würde nicht mehr die Rede sein vom Vergangenen und Zukünftigen“ (8/74; IV 241). Demnach besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit einerseits und der Unterscheidung der Zeitdimensionen andererseits: Nur im Bereich dessen, was nicht notwendig ist, sondern möglich und wirklich ist, können Vergangenheit und Zukunft überhaupt unterschieden werden. Aus dieser weiteren Prämisse folgt im Übrigen auch die nicht-zeitliche Interpretation der notwendigen Existenz. Es ist also eigentlich die Annahme, dass das Notwendige außerhalb der Zeit ist, die Climacus den Schluss von notwendiger Existenz auf Unveränderlichkeit ermöglicht. (In Abschnitt 6.d werden wir sehen, wie Climacus diese – alles andere als selbstverständliche – Annahme begründen kann.) Aus der gewonnenen Klärung des Begriffs „Notwendigkeit“ ergibt sich ferner auch eine weitere Bestimmung von Möglichkeit und Wirklichkeit.Wirklichkeit und Möglichkeit sind nach Climacus wesentlich aufeinander bezogen, und zwar durch das Werden: alles, was wirklich ist, war zu einem früheren Zeitpunkt bloß möglich und ist durch einen Vorgang des Werdens in die Wirklichkeit überführt worden. Wenn etwas dagegen möglich ist, dann ist es weder wirklich noch notwendig (sondern besitzt Seinunrealisiert), muss aber durch einen Prozess des Werdens in die Wirklichkeit überführt werden können.³⁸
4 Besonderheiten von Climacus’ Modalbegriffen a Gegenstände als Argumente der Modalbegriffe Climacus’ Modalbegriffe weisen einige Besonderheiten auf, die wir nun genauer betrachten. Eine erste sehr wichtige Besonderheit besteht darin, dass die Modalbegriffe nicht als Satzoperatoren verwendet oder von Sachverhalten, Propositionen o. ä. ausgesagt werden, sondern von (existierenden oder nicht existierenden) Gegenständen: wirklich ist ein Gegenstand, wenn er existiert und zu einem früheren Zeitpunkt nicht existiert hat; möglich ist ein Gegenstand, wenn er nicht existiert, aber sein Wesen in der Zukunft realisiert werden kann; notwendig ist ein Gegenstand, wenn er ein Wesen hat, das nur durch Gegenstände realisiert werden
Lübcke (2000), 95 schlägt die folgende Deutung von Möglichkeit in Climacus’ Sinn vor: „~∃(x)[p1(x) & p2(x) & … pn(x)]“, wobei „p1“, „p2“ usw. für Kantische reale Prädikate stehen. Damit ist aber nur Nicht-Existenz ausgedrückt, nicht Möglichkeit. Für Möglichkeit in Climacus’ Sinn ist mindestens zusätzlich erforderlich, dass die Prädikate miteinander logisch kompatibel sind, evtl. auch noch mehr (s. die Diskussion im Anhang).
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kann, die notwendig existieren.³⁹ Diese Besonderheit hat v. a. im Fall der Notwendigkeit sehr wichtige Implikationen, wie sich im Vergleich mit einer anders gelagerten Deutung zeigen lässt. Poul Lübcke z. B. schlägt vor, Climacus’ Begriff der Notwendigkeit im Sinne der Notwendigkeit ewiger Wahrheiten von der Art „Die Eigenschaft E ist in allen möglichen Welten koextensional mit den Eigenschaften P1, P2, …, Pn“ zu verstehen, wo „E“ für eine Essenz steht und „P1, …“ für die Eigenschaften, die zusammen die Essenz ausmachen.⁴⁰ Wohlgemerkt werden nach dieser Deutung Climacus’ Modalbegriffe nicht von Gegenständen, sondern von Propositionen ausgesagt. Auch dann, wenn derartige Propositionen unkonditional gelten und insofern absolut notwendig sind, ergeben sich aus ihnen (in aller Regel) keine Implikationen hinsichtlich notwendiger Existenz.⁴¹ Nach der Deutung, die ich vorgeschlagen habe, zählt die notwendige Wahrheit von Propositionen dagegen nicht als Notwendigkeit im Sinne von Climacus’ Diskussion. Als notwendig gilt hier vielmehr nur etwas, das, wenn es existiert, notwendig existiert – wie nach der rationalistischen Metaphysik Gott.⁴² Dass Climacus’ Modalkategorien also von Gegenständen ausgesagt werden, bedeutet –
Climacus lässt allerdings offen, welche Arten von Gegenständen als Argumente der Modalbegriffe fungieren können, und insbesondere, welche Arten von Gegenständen möglich und wirklich sein können und daher dem Werden unterworfen sind. Hier droht deshalb das folgende Dilemma. Entweder werden die Modalbegriffe nur von Substanzen ausgesagt. In diesem Fall wird aber der Zusammenhang zwischen Werden und menschlichem Handeln weitgehend aufgelöst, den Climacus am Ende von §1 des „Zwischenspiels“ herstellt, denn nur in recht speziellen Fällen von menschlichem Handeln entstehen neue Substanzen. Oder die Anwendbarkeit der Modalbegriffe wird auf weitere Arten von Entitäten wie z. B. Ereignisse oder gar Sachverhalte ausgedehnt. In diesem Fall kollabiert aber die Unterscheidung von Werden (κίνησις) und Verwandlung (ἀλλοίωσις), weil jede Veränderung des „Wesens“ eines schon existierenden Gegenstandes (also jede Verwandlung) als Ereignis (Zustandsveränderung) oder als Auftreten eines neuen Sachverhalts und damit als Fall von Werden gedeutet werden kann. Es ist keineswegs klar, wie Climacus’ Position im „Zwischenspiel“ mit diesem Problem umgehen kann; die Tatsache, dass Kierkegaard sich in der Folgezeit intensiver mit der aristotelischen Kategorienlehre und ihrer Interpretation durch Trendelenburg beschäftigt (vgl. González (2007), 313, 315), könnte nicht zuletzt durch derartige sachliche Schwierigkeiten in der Position der Brocken begründet sein. Lübcke (2000), 96; vgl. Lübcke (1983), 118. Vgl. Kant, KrV B 621 f. zum Unterschied von „unbedingter Notwendigkeit des Urteils“ und „absoluter Notwendigkeit der Sache“. Lübcke (2000), 96 schließt diese Option mit Hinweis auf den aristotelischen Hintergrund von Climacus’ Diskussion aus, dem gemäß das „Wesen“ keine separate Substanz sein könne. Auch dann, wenn „Wesen“ in diesem Kontext tatsächlich als aristotelische Essenz gedeutet wird, ist dieser Einwand nicht stichhaltig: Daraus, dass Essenzen nur immanente Existenz in Gegenständen haben, folgt nicht, dass es nicht einen Gegenstand geben kann, dessen Essenz Existenz einschließt.
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besonders im Fall der Notwendigkeit – eine sehr starke Einschränkung gegenüber gängigen Auffassungen dieser Begriffe.
b Extensionale Disjunktheit und „zweiseitige“ Möglichkeit Eine zweite auffällige Besonderheit von Climacus’ Behandlung der Modalkategorien besteht in der Bestimmung ihres gegenseitigen Verhältnisses: Die drei Modalbegriffe sind für Climacus extensional disjunkt, während sonst normalerweise das Notwendige als Teilmenge des Wirklichen und dieses als Teilmenge des Möglichen verstanden wird. Dies kann durch folgende Diagramme ausgedrückt werden („M“ steht für für „möglich“, „W“ für „wirklich“, „N“ für „notwendig“): gewöhnlich:
Climacus:
Abb. : Gewöhnliche vs. Climacussche Modalbegriffe: Die extensionalen Verhältnisse der Modalbegriffe
Entsprechend ergeben sich auch völlig andere Schlussregeln für die Modalbegriffe, als sie sonst üblich sind („M“ steht für „möglich“, „W“ für „wirklich“, „N“ für „notwendig“, „⊨“ für „ist gültig“ und „⊭“ für „ist nicht gültig“): Climacus
gewöhnlich
Climacus
gewöhnlich
Climacus
gewöhnlich
⊨ Ma → ~Wa ⊨ Ma → ~Na
⊭ Ma → ~Wa ⊭ Ma → ~Na
⊨ Wa → ~Ma ⊨ Wa → ~Na
⊨ Wa → Ma ⊭ Wa → ~Na
⊨ Na → ~Ma ⊨ Na → ~Wa
⊨ Na → Ma ⊨ Na → Wa
Abb. : Gewöhnliche vs. Climacussche Modalbegriffe: Schlussregeln
Während ferner zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit für Climacus immerhin insofern ein Zusammenhang besteht, als das Mögliche wirklich werden kann und das Wirkliche früher einmal möglich war, ist das Notwendige auch dadurch vom Möglichen und Wirklichen geschieden, dass das, was notwendig ist, nie möglich
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bzw. wirklich gewesen sein oder noch werden kann, und vice versa – „das Notwendige ist schlechthin verschieden von beiden“ (8/71; IV 238). Bei dieser der wechselseitigen Bestimmung der Modalkategorien handelt es sich aber nicht einfach um eine willkürliche oder unbedachte Festlegung von Seiten Climacus’.⁴³ Entscheidend für das Verständnis dieser Besonderheit von Climacus’ Modalkategorien sind seine Hinweise auf Aristoteles’ Diskussion der Modalität in De interpretatione. Der erste Hinweis findet sich im Anschluss an einen Einwand gegen die These, Notwendigkeit sei die Einheit von Wirklichkeit und Möglichkeit. In diesem Fall, so der Einwand, würden „Möglichkeit und Wirklichkeit […] dadurch daß sie zu Notwendigkeit oder das Notwendige werden, das einzige werden, welches das Werden ausschließt, was ebenso unmöglich wie sich selbst widersprechend ist“ (8/71; IV 237 f.).Wenn Möglichkeit und Wirklichkeit Formen von Notwendigkeit wären (etwa in dem Sinn – so können wir ergänzen –, dass es Fälle gibt, in denen etwas möglich und wirklich ist und zugleich notwendig), dann wäre (zumindest in diesen Fällen) das Werden aufgrund der Unveränderlichkeit des Notwendigen tatsächlich ausgeschlossen. Warum wäre das unmöglich und widersprüchlich? Climacus ergänzt in Klammern: „Der aristotelische Satz ’es ist möglich’, ’es ist möglicherweise nicht’, ’es ist nicht möglich’“ (8/ 71; IV 238). Damit bezieht er sich auf Aristoteles’ Diskussion des logischen Verhältnisses verschiedener Modalaussagen in De interpretatione 12. Aristoteles argumentiert dort nicht nur für die These, das kontradiktorische Gegenteil von „es ist möglich“ sei nicht „es ist möglicherweise nicht“, sondern „es ist nicht möglich“; er scheint dort auch die viel stärkere Auffassung zu vertreten, dass „es ist möglich“ und „es ist möglicherweise nicht“ einander implizieren (21b35 ff.).⁴⁴ Demzufolge ist nur das möglich, was auch anders sein kann; das Notwendige ist in diesem Sinne nicht möglich, und das Wirkliche nur, insoweit es kontingent ist. Diese Auffassung kehrt auch im 13. Kapitel von De interpretatione wieder; Aristoteles bespricht dort u. a. den Einwand gegen sie, das Notwendige müsse doch möglich sein, weil es andernfalls unmöglich sei (22b10 ff.), und schließt mit einer Unterscheidung zweier Begriffe der Möglichkeit (23a7 ff.), die als Unterscheidung zwischen einer Möglichkeit, die die Möglichkeit des Gegenteils impliziert, und einer Möglichkeit, die
Vgl. zu diesem Problem auch die Diskussion bei Nason (2012), 146 ff. Die Deutung dieser Stelle ist umstritten; auf Grund von Problemen, die speziell diese Stelle betreffen, schlägt Hintikka (1973), 43 vor, dass Aristoteles hier nur von der Kompatibilität beider modaler Aussagen spricht. In Kapitel 13 behauptet Aristoteles dann aber eindeutig die gegenseitige Implikation.
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dies nicht tut, interpretiert werden kann.⁴⁵ Auf diese weitere Diskussion bezieht sich Climacus, wenn er die These von der völligen Verschiedenheit der Notwendigkeit von beiden anderen Modalitäten so erläutert: die Lehre des Aristoteles, von den zwei Arten des Möglichen in Beziehung auf das Notwendige. Der Fehler liegt darin daß er mit dem Satz beginnt: daß alles Notwendige möglich ist. Um nun der Folge zu entgehen daß er Widersprechendes, ja Selbstwidersprechendes über das Notwendige aussagen muß, hilft er sich damit, zwei Arten des Möglichen zu bilden, anstatt sich klar zu machen daß sein erster Satz unrichtig ist, da man dem Notwendigen nicht Möglichkeit beilegen kann (8/71; IV 238).
Dem heute gängigen Sinn von Möglichkeit entspricht natürlich derjenige Sinn, in dem auch das Notwendige möglich ist; Climacus verwirft dagegen diese von Aristoteles auch berücksichtigte Bedeutung zugunsten der anderen Bedeutung, nach der nur das möglich ist, was auch anders sein kann. Nun ist aber der zweite Möglichkeits-Begriff in De interpretatione – Möglichkeit als Kontingenz – durchaus nicht nur ein Fehlgriff oder eine Laune des Aristoteles. Vielmehr behandelt Aristoteles diese sog. „zweiseitige“ Möglichkeit (möglicherweise p und möglicherweise nicht p) im Gegensatz zur „einseitigen“ Möglichkeit (möglicherweise p) als den wichtigeren und adäquateren Begriff der Möglichkeit; insbesondere baut er auch seine modale Syllogistik auf diesem zweiseitigen Möglichkeitsbegriff auf.⁴⁶ Wenn man Möglichkeit im Sinne der zweiseitigen Möglichkeit (Kontingenz) liest, dann entsteht aber tatsächlich die Kluft zwischen Möglichkeit und Notwendigkeit, auf der Climacus so hartnäckig insistiert. (Nur bezüglich des Wirklichen würde Aristoteles Climacus nicht zustimmen, denn was notwendig ist, ist für Aristoteles in jedem Fall auch wirklich.) Führt man sich diesen aristotelischen Hintergrund vor Augen,⁴⁷ dann erscheint Climacus’ Verhältnisbestimmung der Modalkategorien nicht nur viel weniger idiosynkratisch,⁴⁸ es wird auch klarer, weshalb Climacus gleich im An-
Vgl. Hintikka (1973), 55 ff. – Kierkegaards Quelle für eine Interpretation der schwierigen Stelle in diesem Sinne sind wohl Poul Martin Møllers Vorlesungen über die Geschichte der antiken Philosophie; s. Løkke / Waaler (2010a), 17 f. Vgl. u. a. Bocheński (1956), 94 f.; Hintikka (1973), 30. Bei dem Bezug auf De interpretatione handelt es sich also keineswegs nur um ein „überflüssiges Stück logischer Spitzfindigkeit“, wie Thomas (1979), 419 meint. Kierkegaards Gebrauch des Begriffs „Möglichkeit“ als mit Notwendigkeit inkompatibel ist also nicht so speziell, wie Nason (2012), 148 meint – zumal unter dem Einfluss der aristotelischen Tradition in der Logik auch Hegel und Schelling ohne weiteres annehmen, dass ◊~p aus ◊p folgt; vgl. Hegel, Wissenschaft der Logik, TWA 6/204: „Weil er [sc. ein Inhalt] also nur ein möglicher ist, ist ebensosehr ein anderer und sein Gegenteil möglich. […] Die Möglichkeit ist die vergleichende Beziehung beider; sie enthält es in ihrer Bestimmung, als eine Reflexion der
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schluss an die zuletzt zitierte Passage die Sphäre des Werdens, der Wirklichkeit und der Möglichkeit als Sphäre der Freiheit interpretiert: „Die Veränderung des Werdens ist die Wirklichkeit, der Übergang geschieht durch die Freiheit“ (8/71; IV 238).⁴⁹ Wenn es eine modale Bestimmung gibt, die für Climacus als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit gelten kann, dann ist es die (im Text freilich nie genannte) Bestimmung der Kontingenz – also des Möglichen oder Wirklichen, das auch anders sein kann (d. h. des nicht Existierenden, das auch existieren könnte, und des Existierenden, das auch nicht existieren könnte). Weil alles, was wirklich ist, geworden ist, ist es kontingent; weil es kontingent ist, also auch anders hätte sein können, musste im Prozess seines Werdens festgelegt werden, welche der vorhandenen Möglichkeiten verwirklicht werden sollte. Eine derartige Festlegung, so nimmt Climacus an, bedarf eines Aktes der Freiheit – entweder der direkten freien Entscheidung eines menschlichen Akteurs oder der ursprünglichen Wirksamkeit einer „freiwirkenden Ursache“ (8/71 f.; IV 239.).
c Einschränkung der Notwendigkeit auf „absolute“ Notwendigkeit Die strikte Opposition zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit (Bereich des Werdens, Kontingenz, Freiheit) einerseits und Notwendigkeit andererseits – in Climacus’ Worten die Aussage, dass Notwendigkeit nicht die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit ist – hat zur Folge, dass der Begriff der Notwendigkeit in der gesamten Realität mit Ausnahme eventueller notwendig existierender Gegenstände keine Anwendung findet. Das widerspricht der (auch in der Philosophiegeschichte) üblichen Auffassung, wonach es neben der Notwendigkeit dessen, das, wenn es existiert, notwendig existiert, weitere Formen von Notwendigkeit gibt, die teilweise auch kompatibel mit Kontingenz sind, insbesondere: a. die unkonditionale, aber propositionale Notwendigkeit von formallogischen, mathematischen, analytischen u. ä. Wahrheiten, die keine notwendige Existenz impliziert – „logische Notwendigkeit im weiten Sinn“; b. sogenannte „metaphysische“ Notwendigkeit, der zufolge etwas zwar unter allen möglichen Umständen der Fall ist, aber nicht logisch, analytisch usw. wahr ist; und c. die hypothetische,
Totalität, daß auch das Gegenteil möglich sei“ (vgl. auch unten, 5.c); Schelling, Zur Geschichte der neueren Philosophie, Schelling (1856 ff.), 1. Abt. Bd. 10, 19: „[J]ede Möglichkeit zu seyn schließt auch die Möglichkeit nicht zu seyn in sich“. Dies zeigt auch, dass Climacus’ Unterscheidung der beiden Sphären keineswegs eine Ausprägung der platonischen Unterscheidung des Reichs des Seins und des Reichs des Werdens darstellt, wie es u. a. Thulstrup (1962b), 237 und Waaler (1998), 286 f. behaupten.
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konditionale oder relative physikalische Notwendigkeit von Sachverhalten, Propositionen oder Ereignissen infolge der geltenden Naturgesetze und der kausalen Vergangenheit. Physikalische Notwendigkeit schließt Kontingenz nicht aus, weil sie nur unter der Annahme von Bedingungen gilt, die selbst weder logisch (im weiten Sinn) noch metaphysisch notwendig sind, sondern auch anders hätten sein können. All diese weiteren Formen von Notwendigkeit berücksichtigt Climacus in seiner Theorie der Notwendigkeit nicht: Nur etwas, das absolut notwendig in dem Sinn ist, dass es (wenn es existiert) notwendig existiert, zählt für ihn als notwendig. Allerdings folgt aus Climacus’ terminologischer Einengung des Begriffs der Notwendigkeit nicht, dass er diejenigen Phänomene gänzlich leugnen würde, die gewöhnlich mit den schwächeren Formen von Notwendigkeit in Verbindung gebracht werden. Speziell zu Phänomenen, die gewöhnlich als Fälle von physikalischer Notwendigkeit interpretiert werden, äußert sich Climacus am Ende von §1 des „Zwischenspiels“ wie folgt: Das Täuschende der Zwischenursachen ist daß das Werden notwendig scheint; ihre Wahrheit ist, daß sie als selber geworden, letztgiltig zurückweisen auf eine freiwirkende Ursache. Selbst eine naturgesetzliche Folge erklärt nie die Notwendigkeit eines Werdens, sobald letztgiltig auf Werden reflektiert wird (8/72; IV 239).
Hier bestreitet Climacus einerseits, dass in Kausalrelationen⁵⁰ bzw. in Regularitäten, die Naturgesetzen gehorchen, Notwendigkeit in dem Sinn vorliegt, den er
Kausale Verknüpfungen hatte Climacus zuvor von Grund-Folge-Beziehungen abgegrenzt: „Alles Werden geschieht durch Freiheit, nicht aus Notwendigkeit; nichts Werdendes wird aus einem Grunde; alles aber aus einer Ursache.“ (8/71; IV 239) Die hier relevante Unterscheidung von „Grund“ und „Ursache“ geht offenbar auf die Schriften Adolf Trendelenburgs zurück (vgl. Come (1995), 182 ff.; Come (1991)), die Kierkegaard intensiv studiert hat. „Grund“ bestimmt Trendelenburg in den Logischen Untersuchungen als komplette Reihe von miteinander hinreichenden Bedingungen, die die Folge nezessitiert (Logische Untersuchungen, Bd. 2, 118 ff.). Die relevante Form von Notwendigkeit interpretiert Climacus als absolute Notwendigkeit und schreibt daher, dass nichts Werdendes „aus einem Grunde“ wird. Dagegen identifiziert Trendelenburg das Verhältnis von Ursache und Wirkung gerade mit dem Prozess der Bewegung und verweist für die Definition der Wirkursache auf Aristoteles’ Formulierung „τὸ ὅθεν ἡ κίνησις“ (Logische Untersuchungen, Bd. 1, 286). Vor diesem Hintergrund kann Climacus Kausalität schlicht mit dem Werden identifizieren; deshalb schließt Kausalität für ihn (absolute) Notwendigkeit aus. (Andere Exegeten, zuletzt Nason (2012), 151, sehen in Climacus’ Begriff „Grund“ einen Rückgriff auf die entsprechende Kategorie in Hegels Wissenschaft der Logik. Dagegen spricht aber, dass es bei Hegel keinen Anhaltspunkt für eine Opposition zwischen Grund und Ursache in Climacus’ Sinn gibt. (Vgl. zu Kierkegaards Rezeption von Trendelenburg auch Message (1997); González (2007).)
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zuvor eingeführt hatte: „Das Täuschende der Zwischenursachen ist daß das Werden notwendig scheint“ (Hervorhebungen vom Verf.).⁵¹ Dieser Punkt folgt direkt aus Climacus’ Definition von Notwendigkeit. Zugleich nimmt Climacus aber doch Phänomene in der Natur an, die zumindest nicht vollkommen zufällig sind (und die deshalb den Anschein von absoluter Notwendigkeit erwecken können). In der „Beilage“ zum „Zwischenspiel“ erkennt Climacus überdies an, dass Folgen von Ereignissen in der natürlichen Ordnung „bedingt notwendig“ (8/84; IV 251) sind. An dieser Stelle gebraucht er den Begriff der Notwendigkeit offensichtlich nicht in dem terminologischen Sinn, den er ihm in §1 gegeben hatte, sondern er macht eine Konzession an den gängigen philosophischen Sprachgebrauch und kennzeichnet natürliche Zusammenhänge, wie sie auch in der diskutierten Stelle am Ende von §1 angesprochen werden (Kausalverbindungen, Gesetzeszusammenhänge), als notwendig im Sinne der hypothetischen, konditionalen oder physikalischen Notwendigkeit. Bedingt ist diese Form von Notwendigkeit dabei für ihn durch das Wirken der „schlechthin freiwirkenden Ursache“, also einer kausal spontanen Ursache, die offenbar für die Naturgesetze und die Anfangsbedingungen der Natur verantwortlich ist. Freilich wäre es voreilig, hieraus zu schließen, dass Climacus Determinist in dem Sinn ist, dass alle natürlichen Ereignisse mit physikalischer Notwendigkeit erfolgen, und er entsprechend Freiheit kompatibilistisch deutet. Vielmehr werden wir in Abschnitt 6.d sehen, dass Climacus als Libertarier verstanden werden sollte. Wie sich zeigen wird, ist es aber ein wesentlicher Aspekt von Climacus’ Libertarismus, dass das freie menschliche Handeln in die natürliche Ordnung eingebettet ist und wir uns in jeder Handlungssituation entscheiden müssen, ob wir den natürlichen Verlauf der Dinge gewähren lassen oder in ihn intervenieren. Dies legt eine Deutung der „bedingten Notwendigkeit“ von Naturgesetzen und kausalen Verknüpfungen nahe, nach der diese in doppelter Weise bedingt ist: Erstens hängt alles, was in diesem Sinne notwendig ist, von dem Wirken der „schlechthin freiwirkenden Ursache“ ab, die sich auch anders hätte entscheiden können (also z. B. andere Naturgesetze hätte festlegen können); und zweitens tritt das bedingt Notwendige nur unter der Bedingung ein, dass keine „relativ freiwirkende Ursache“ interveniert und den natürlichen Gang der Dinge verändert.⁵²
Eine Position, die die Notwendigkeit kausaler Verknüpfungen tatsächlich als absolute Notwendigkeit versteht, ist der Nezessitarismus, den u. a. Spinoza vertreten hat; vgl. hierzu unten 6. b. In Climacus’ Diskussion ist allerdings unklar, ob natürliche Vorgänge, die in diesem Sinn bedingt notwendig sind, dennoch für sich genommen Fälle von Werden sein können oder ob (neben freien Handlungen innerhalb der Natur) nur die Natur als ganze ein Werden darstellt (vgl. unten Abschnitt 6.d).
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5 Die Argumente in §§3 und 4 des „Zwischenspiels“ In der Analyse von Climacus’ Theorie der Modalbegriffe in §1 des „Zwischenspiels“ hat sich gezeigt, dass Climacus eine Reihe von Festlegungen trifft, die alles andere als selbstverständlich sind. Die wichtigsten dieser Festlegungen seien noch einmal kurz genannt: 1. Modalbegriffe werden von Gegenständen ausgesagt. 2. Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit verhalten sich extensional disjunkt zueinander. (Insbesondere gilt: Was notwendig ist, kann niemals möglich oder wirklich werden; was möglich oder wirklich ist, kann niemals notwendig werden.) 3. Ein Gegenstand ist notwendig, wenn sein Wesen nur von einem notwendig existierenden Gegenstand instantiiert werden kann (sein Wesen enthält Sein); ein Gegenstand ist wirklich, wenn er kontingenterweise existiert (sein Wesen enthält sein Sein nicht; er hätte auch nicht existieren können). 4. Alles, was wirklich ist, ist geworden. („Werden“ ist der Vorgang, in dem ein zuvor bloß mögliches Wesen Existenz erhält.) 5. Jedes Werden geht (direkt oder indirekt) auf einen Akt der Freiheit zurück. Bei diesen modalen Annahmen scheint es sich um abstrakte Aussagen zu handeln, doch im weiteren Verlauf des Textes wird schnell deutlich, dass sie die wichtigsten Prämissen für Climacus’ Argumentation im „Zwischenspiel“ bilden. Tatsächlich beantworten sie schon für sich genommen die Frage des „Zwischenspiels“: „Hat das Vergangene größere Notwendigkeit als das Zukünftige? oder Ist das Mögliche damit daß es wirklich geworden ist notwendiger geworden als es gewesen ist?“ Schon daraus, dass etwas vergangen oder zukünftig ist, bzw. daraus, dass es möglich oder wirklich ist, folgt, dass es nicht notwendig ist, also auch nicht „notwendiger“ sein kann als etwas anderes. Daneben entwickelt Climacus auf der Grundlage der genannten Annahmen zwei Argumentationsgänge, die die zitierte Leitfrage beantworten sollen. In beiden Fällen wählt er auffälligerweise als Anknüpfungspunkte der Argumentation Problemstellungen der antiken Philosophie, die zur Zeit Kierkegaards zumindest sehr viel geringere Aktualität haben als die – damit zusammenhängenden, aber nicht identischen – Fragestellungen, ob die Geschichte (insbesondere die Heilsgeschichte und die Inkarnation) notwendig ist oder als notwendig begriffen werden kann usw. a. Der erste Argumentationsgang geht von einer Überlegung aus, die antike Autoren wie „der Stoiker Chrysipp“ und „der Megariker Diodor“ vorgetragen haben: „Was immer geschehen ist, ist geschehen, kann nicht wieder zurückgerufen
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werden; somit auch nicht umgeändert werden“ (8/73; IV 240). Diese Unveränderlichkeit impliziere Notwendigkeit, weshalb das Vergangene notwendig sei.⁵³ Hieraus lasse sich aber folgern, dass das Vergangene notwendiger als das Zukünftige sei: Dieses könne nämlich noch verändert werden, jenes nicht mehr.⁵⁴ Climacus wendet erstens gegen die Annahme einer modalen Asymmetrie zwischen Vergangenem und Zukünftigem ein, dass beide in gleicher Weise gemäß den zuvor eingeführten Modalbegriffen als Fälle des Werdens zu bestimmen sind.Wäre das Werden notwendig, dann wären Vergangenheit und Zukunft also gleichermaßen notwendig; es gibt hier keine Asymmetrie.⁵⁵ Zweitens fällt es Climacus auf Grund der modalen Annahmen des §1 leicht zu zeigen, dass das Vergangene (mithin auch das Zukünftige) nicht notwendig ist. Das Vergangene ist zwar in einem bestimmten Sinn unveränderlich (wir können es nicht revidieren), aber dies ist ein ganz anderer Begriff von Unveränderlichkeit als der, mit dem Climacus in §1 die Notwendigkeit gekennzeichnet hatte – nämlich die Unmöglichkeit jedes Werdens und jeder Verwandlung. Daraus, dass wir das Vergangene jetzt nicht mehr ändern können, folgt nicht, dass es nicht dennoch hätte anders sein können (8/73; IV 240 f.).⁵⁶ b. Auch die zweite Argumentation basiert wesentlich auf den einmal getroffenen modalen Annahmen, wenngleich Climacus nun noch weitere, epistemologische Spezifikationen seiner Position einführt. Climacus richtet sich hier gegen eine epistemische Lesart der These, das Vergangene sei notwendiger als das Zukünftige: Das Vergangene ist demnach insofern notwendiger als das Zukünftige,
Die These, das Vergangene sei notwendig, ist eine der Prämissen des „Meisterarguments“ des Diodoros Kronos, sie wird aber u. a. auch von vielen anderen antiken Autoren, darunter von Aristoteles und dem von Climacus genannten Chrysipp, vertreten: vgl. Hintikka (1973), 179 ff.; Gaskin (1995), passim (zu Chrysipp 310). Leibniz, Theodizée §170, Schriften Bd. 2.1, 505 schreibt diese Überlegung Kleanthes und Chrysipp zu. Kierkegaard hat diesen Text als Quelle für das „Zwischenspiel“ verwendet (vgl. unten Abschnitt 6.b). Daneben diente ihm wohl Tennemanns Geschichte der Philosophie, Bd. 2, 155 – 157, und Bd. 4, 272 f. als Quelle für die einschlägigen Positionen Chrysipps und Diodors. „Das Zukünftige ist noch nicht geschehen; deshalb aber ist es nicht weniger notwendig als das Vergangene […]. Wäre das Vergangene notwendig geworden, so könnte man daraus keinen Schluß in entgegengesetzer Richtung ziehen hinsichtlich des Zukünftigen, es würde vielmehr daraus folgen, daß das Zukünftige gleichfalls notwendig sei“ (8/74; IV 241). Ähnlich argumentiert Leibniz gegen Chrysipp und Kleanthes in Theodizée §170: Insofern Vergangenheit und Zukunft notwendig sind – nämlich qua hypothetischer Notwendigkeit –, sind beide im selben Maße notwendig. Climacus behauptet darüber hinaus auch, dass die „Unveränderlichkeit des Vergangenen“ „zuwegegebracht worden [ist] durch eine Veränderung, durch die Veränderung des Werdens“ (8/ 73; IV 240). Das ist allerdings nur unter der Annahme der Fall, dass alles, was innerhalb der Zeit angesiedelt ist, dem Werden unterworfen ist (s. die Abschnitte 3. und 6.d).
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als wir uns seiner gewiss sind (oder zumindest sein können), während das Zukünftige prinzipiell ungewiss ist.⁵⁷ Climacus’ Erwiderung kann abermals in zwei Schritte unterteilt werden. Erstens weist er darauf hin, dass aus der möglichen Asymmetrie in Bezug auf epistemische Modalität keine Asymmetrie in Bezug auf die objektive Modalität folgt. Zu diesem Zweck verweist er auf Boethius’ Diskussion göttlichen Vorwissens in Buch V der Consolatio philosophiae: Ein Wissen vom Gegenwärtigen verleiht diesem keine Notwendigkeit, ein Vorauswissen des Zukünftigen verleiht diesem keine Notwendigkeit (Boethius), ein Wissen von dem Vergangenen verleiht diesem keine Notwendigkeit; denn alles Auffassen so wie alles Wissen hat nichts herzugeben (8/76; IV 243).⁵⁸
Zweitens bestreitet Climacus, dass wir in Bezug auf etwas Wirkliches, gleich ob es vergangen, gegenwärtig oder zukünftig ist, überhaupt Gewissheit bzw. Wissen besitzen können. In Bezug auf das Vergangene schreibt er: „Unmittelbar kann das Historische nicht wahrgenommen werden, weil es die Trughaftigkeit des Werdens an sich hat“ (8/77; IV 244). Zwar kann unmittelbare Wahrnehmung nicht täuschen,
Von den beiden Versionen der These, das Vergangene sei notwendiger als das Zukünftige, entspricht diese am ehesten Hegels Position (die ihren bekannten Ausdruck im Bild der „Eule der Minerva“ in der „Vorrede“ zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts gefunden hat): Eine modale Asymmetrie zwischen Vergangenem und Zukünftigem gibt es für Hegel nur in Bezug auf epistemische Modalität. Erstens erfordert nämlich die Entwicklung angemessener philosophischer Kategorien, mit denen wir die wesentlichen Elemente der Wirklichkeit als notwendig begreifen können, empirisches Wissen über die faktische Beschaffenheit der Wirklichkeit (vgl. Enz. §12 A). Zweitens werden die begrifflichen Mittel, durch die wir Entwicklungen in der Geschichte des objektiven und des absoluten Geistes als notwendig begreifen können, für Hegel selbst erst als Resultat dieser Entwicklungen zugänglich. Diese stellen also zugleich einen Prozess der Bildung des Geistes dar. (Vgl. Grundlinien der Philosophie des Rechts, TWA 7/24: „Als der Gedanke der Welt erscheint sie [sc. die Philosophie] erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozeß vollendet und sich fertig gemacht hat. Dies, was der Begriff lehrt, zeigt notwendig ebenso die Geschichte, daß erst in der Reife der Wirklichkeit das Ideale dem Realen gegenüber erscheint und jenes sich dieselbe Welt, in ihrer Substanz erfaßt, in Gestalt eines intellektuellen Reichs erbaut.“) Aus diesen beiden Punkten folgt nicht, dass geschichtliche Entwicklungen objektiv im Nachhinein notwendiger sind als ex ante. Kierkegaard hat hierfür nachweislich Boethius’ Text im Original herangezogen. Die ersten beiden Teilsätze des Zitats – bis zur Nennung von Boethius – sind ein abgewandeltes Zitat aus Consolatio V (Westfall (2008), 214). Abermals gibt es aber auch einen Zusammenhang zu Leibniz’ Theodizée, und zwar dem Dialog am Ende, §§405 ff., der einen Dialog Lorenzo Vallas über Boethius’ Diskussion des göttlichen Vorwissens aufgreift; die Position des Boethius wird von Leibniz u. a. so wiedergegeben: „Wenn mein Wissen nicht bewirkt, daß die vergangenen oder gegenwärtigen Dinge existieren, so wird auch mein Vorherwissen nicht bewirken, daß die zukünftigen existieren“ (§407). Vgl. Westfall (2008), 208.
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so Climacus (8/78; IV 245); doch ist der „unmittelbare Eindruck einer Naturerscheinung oder eines Ereignisses […] nicht der Eindruck des Historischen“: Denn: „unmittelbar kann das Werden nicht wahrgenommen werden, sondern lediglich das Gegenwärtigsein; aber das Gegenwärtigsein des Historischen hat das Werden an sich, sonst ist es nicht das Gegenwärtigsein des Historischen“ (8/77; IV 244). Climacus hatte das Wirkliche bestimmt als das Gewordene; das Wirkliche ist deshalb eo ipso geschichtlich (vgl. §2 des „Zwischenspiels“), und wir können es nur als wirklich auffassen, indem wir es in seinem Werden erfassen. Den Gedanken, dass wir von diesem Werden kein Wissen haben können, scheint Climacus von Hume zu entlehnen: Werden ist eine Verbindung von Zuständen, und gemäß Humes atomistischer Auffassung von Wahrnehmung können uns solche Verbindungen nicht in der Wahrnehmung gegeben sein.⁵⁹ Deshalb benötigen wir für den epistemischen Zugang zum Wirklichen, mithin auch zu allem Vergangenen und Zukünftigen, einen anderen epistemischen Modus, nämlich den des Glaubens: „Glaube ist Sinn für Werden“ (8/81; IV 248), so Climacus. Somit ist nicht etwa das Vergangene wegen unserer vermeintlichen Gewissheit von ihm notwendiger als das Zukünftige; vielmehr haben wir bezüglich des Wirklichen (und damit Gewordenen) in Zukunft und Vergangenheit gar kein Wissen, sondern können uns darauf nur im Glauben beziehen. Der idealistische Anspruch auf ein wissenschaftliches Begreifen des Vergangenen als notwendig ist damit hinfällig. Zugleich hat Climacus hierdurch seine positive Bestimmung des religiösen Glaubens in den Philosophischen Brocken epistemologisch begründet.
6 Die Rechtfertigung von Climacus’ modalen Annahmen a Die Form des Arguments: Modalität und Freiheit Wie sich gezeigt hat, kann Climacus die Antwort, die er in §§3 und 4 des „Zwischenspiels“ auf dessen Leitfrage gibt, relativ unproblematisch aus den modalen Prämissen herleiten, die er in §1 eingeführt hat. Diese Prämissen sind alles andere als trivial und bedürfen daher ihrerseits einer Begründung, die Climacus aber nicht ausdrücklich bietet. Entweder ist sein Vorgehen in dem „Zwischenspiel“ also dogmatisch, oder der Text enthält doch zumindest implizit eine Rechtfertigung für die fraglichen modalen Prämissen. Im Folgenden rekonstruiere ich eine derartige Rechtfertigung, die auf der folgenden Argumentform beruht („Γ“ stehe für Cli-
Vgl. Kosch (2003), 248 f.
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macus’ Modaltheorie, wie wir sie oben analysiert haben; „__⊢__“ für „aus __ kann __ deduziert werden“): (1) Entweder ist Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, oder Γ ist wahr. (2) Wenn Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit ist, ist menschliche Freiheit nicht möglich. (3) Wir sind frei. (4) Γ ist wahr. (aus (1) bis (3); s. §1 des „Zwischenspiels“) (5) Γ ⊢ Das Vergangene ist nicht notwendig. (6) Das Vergangene ist nicht notwendig. (aus (4) und (5); s. §§3 – 4 des „Zwischenspiels“) Dass die Möglichkeit menschlicher Freiheit eine Grundlage für Climacus’ Argumentation bildet,⁶⁰ wird an mehreren Stellen im Text sichtbar. So heißt es am Ende von §1: „Alles Werden geschieht durch Freiheit, nicht aus Notwendigkeit“.⁶¹ Climacus vertritt hier offenbar eine libertarische Position:⁶² Er nimmt an, dass wir frei sind und dass Freiheit mit Notwendigkeit (in seinem terminologischen Sinn) inkompatibel ist; entsprechend wird so verstandene Notwendigkeit aus dem Bereich des Werdens (und damit der Freiheit) ganz ausgeschlossen. Da diese Aussage noch Teil der Diskussion ist, in der Climacus seine Position in kritischer Abgrenzung zur These entwickelt, Notwendigkeit sei die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, darf angenommen werden, dass Climacus’ Libertarismus wichtig für die Motivation seiner modalen Theorie ist. Wenn Climacus’ Vorgehen auf diese Weise verstanden wird, dann hängt der Rechtfertigungsstatus seiner modalen Annahmen davon ab, ob eine befriedigende Interpretation der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ gefunden werden kann. Eine solche Interpretation muss eine Po-
Vgl. Come (1995), 142 f.; Kosch (2003), 248: „What really bothers […] Kierkegaard [sc. in Bezug auf die Metaphysik der Modalitäten] is the idea that some sort of wholesale necessity could be determinative of actuality. The source of the worry […] is the suspicion that if we admit that the actual falls into the grip of necessity, we shall have to give up freedom and moral responsibility“. Allerdings ist nach der Deutung, die wir im Folgenden vorschlagen, Kierkegaards Auffassung des Verhältnisses von Notwendigkeit und Freiheit wesentlich komplexer, als Kosch sie hier darstellt. So heißt es in §3 speziell von der Annahme, das Vergangene sei notwendig: „Um die Freiheit wäre es dann übel bestellt, es stünde mit ihr zugleich zum Lachen und zum Weinen, da sie die Schuld an etwas trüge, das ihr nicht zugehörte, zur Welt brächte was die Notwendigkeit verschlänge, und die Freiheit selber würde eine Einbildung, und nicht minder auch das Werden; die Freiheit würde Hexerei, das Werden blinder Lärm“ (8/74; IV 241). S.u. 6.d.
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sition (oder eine Gruppe von Positionen) identifizieren, die sich hinter dieser Formel verbirgt und die zwei Bedingungen erfüllen muss: (a) Von ihr muss sinnvoll geglaubt werden können, dass sie inkompatibel mit Freiheit ist (s. (2)); (b) von ihr muss sinnvoll geglaubt werden können, dass sie die einzige Alternative zu Climacus’ eigener Modaltheorie bildet (s. (1)). (Die zweite Bedingung macht dabei gleich deutlich, dass die gesuchte Position nicht eine spezifische Theorie, sondern nur eine umfangreichere Klasse von Theorien sein kann.)
b Notwendigkeit als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, I: Nezessitarismus Einen Hinweis auf eine erste wichtige Option zur Interpretation der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ bieten Climacus’ Bezüge auf die antike Philosophie, insbesondere die bereits angesprochenen Hinweise auf Diodoros Kronos und Chrysipp sowie eine weitere Stelle, an der Climacus erklärt, die „Lehre von falschen und richtigen Sätzen (Epikur)“ (8/71; IV 348) sei irrelevant für die Frage nach der Notwendigkeit des Zukünftigen; gemeint ist Epikurs Ansicht, das Bivalenzprinzip müsse in Bezug auf Aussagen über Zukünftiges aufgegeben werden, weil andernfalls die Kontingenz des Zukünftigen ausgeschlossen sei.⁶³ Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass diese speziellen Verweise auf Autoren und Problemstellungen der antiken Philosophie in einem Text, der sich mit Fragestellungen aus Kierkegaards eigener Zeit auseinandersetzt, überraschen müssen. Ein wesentlich stärkerer Zusammenhang zwischen diesen antiken Bezugspunkten und modernen Diskussionen wird aber dann sichtbar, wenn Kierkegaards Quellen für die zitierten antiken Positionen berücksichtigt werden. Neben Tennemanns Philosophiegeschichte, aus der Kierkegaard die einschlägigen Positionen von Chrysipp und Diodor kannte, ist hier besonders Leibniz’ Theodizée wichtig, ein von Kierkegaard intensiv studiertes Werk.⁶⁴ Sowohl Kierkegaards Kenntnis der relevanten Position Epikurs als auch die Zusammenstellung von Epikur, Diodor und Chrysipp im „Zwischenspiel“ lassen sich auf die §§168 – 170 der Theodizée zurückführen. In diesen Paragraphen, denen im übrigen Vgl. Waaler (1998), 288 ff. Vgl. Løkke / Waaler (2009); Waaler (1998), 288 stellt einen Zusammenhang zwischen §3 des „Zwischenspiels“ und der Theodizée her, übersieht aber, dass §169 der Theodizée Climacus genau die Quelle für den Hinweis auf Epikur liefert, nach der Waaler in diesem Kontext sucht.
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auch die Fragestellung des „Zwischenspiels“, „Hat das Vergangene größere Notwendigkeit als das Zukünftige?“, entnommen ist,⁶⁵ diskutiert Leibniz modaltheoretische Einwände gegen seine Position. Diejenige Klasse von Einwänden, zu denen Leibniz die im Folgenden mitsamt den Erwiderungen von Chrysipp und Epikur erörterten Thesen Diodors rechnet, kennzeichnet er wie folgt: „Es hat Philosophen gegeben, die behauptet haben, daß nur das möglich sei, was wirklich geschieht. Es sind dies die gleichen, die glaubten oder zu glauben vermochten, daß alles unbedingt notwendig sei“.⁶⁶ Leibniz diskutiert hier also die Position von Nezessitariern, die glauben, dass alles, was möglich ist, auch wirklich und daher notwendig ist, dass also das Wirkliche unmöglich anders sein könnte. Im Folgenden präsentiert Leibniz seine Einwände gegen den Nezessitarismus zunächst an Hand von Diodor. Aber es liegt auf der Hand, dass der Nezessitarier, an dem er eigentlich interessiert ist, ein anderer ist: nämlich Spinoza. Tatsächlich erklärt Leibniz weiter: „Einige waren dieser Meinung [sc. des Nezessitarismus], weil sie bei der Ursache des Daseins der Dinge eine vernunftlose und blinde Notwendigkeit annahmen: und diese haben wir am meisten zu bekämpfen.“⁶⁷ Die Position Spinozas, die hiermit unmissverständlich gemeint ist, wird Leibniz dann auch später (§173 f.) eigens ausführlich diskutieren. Climacus’ Diskussion der Modalitäten muss also vor dem Hintergrund von Leibniz’ Auseinandersetzung mit dem antiken und modernen Nezessitarismus gesehen werden. Der Leibnizsche Text dient Climacus dabei nicht nur als Quelle für einige seiner philosophiehistorischen Bezüge, sondern er bietet auch eine wichtige Interpretation der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“. Für die von Leibniz diskutierte nezessitarische Position ist nämlich tatsächlich die Notwendigkeit die „Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“, denn ihr zufolge sind die drei Modalitäten koextensional. Die Modaltheorie, die Climacus einführt, ist dagegen auf radikale Weise anti-nezessitarisch, weil sie die Modalitäten als extensional strikt disjunkt behandelt. Von den beiden oben (6.a) genannten Bedingungen für eine befriedigende Interpretation der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ – dass die relevante Position sinnvoll (a) für inkompatibel mit Freiheit und (b) für die einzige Alternative zur Modaltheorie Climacus’ gehalten werden kann –, erfüllt die Deutung der Formel als Ausdruck des Nezessitarismus die erste Bedingung problemlos. Selbst Kompatibilisten würden normalerweise Freiheit für inkompatibel mit dem Nezessitarismus halten: Dieser lässt nämlich
Waaler (1998), 288. Leibniz, Theodizée, in Schriften Bd. 2.1, 493, §168. Leibniz, Theodizée, in Schriften Bd. 2.1, 493, §168.
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noch nicht einmal Raum für Kontingenz bzw. alternative Möglichkeiten in dem schwachen Sinn, dass die Naturgesetze bzw. die kausale Vorgeschichte anders hätten sein können.⁶⁸ Problematischer ist die zweite Bedingung, denn der Nezessitarismus scheint nicht die einzige Alternative zur Modaltheorie Climacus’ zu sein. Zwar haben wir gesehen, dass Climacus’ Theorie wohl auch die relative bzw. hypothetische Notwendigkeit von Prozessen zulässt und daher vereinbar mit vielen gängigen Theorien ist, was Notwendigkeit angeht.⁶⁹ Aber es besteht doch jedenfalls Raum für eine Position, die zwar nicht nezessitarisch ist, aber dennoch absolut notwendige Prozesse zulässt (und deshalb mit Climacus’ Theorie inkompatibel ist). Mehr noch – gerade die im „Zwischenspiel“ kritisierte hegelianische Position, nach der sich geschichtliche Ereignisse (und speziell die Inkarnation) ex post als notwendig begreifen lassen, kann (wie wir gleich genauer sehen werden) als derartige Position gedeutet werden (und wurde von Kierkegaard auch so gedeutet).
c Notwendigkeit als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, II: Hegelianismus Ist Hegels Modaltheorie also ein Gegenbeispiel gegen die Prämisse (1) des oben (6. a) vorgeschlagenen Arguments? Nicht zwangsläufig, denn auf gewisse Weise ist auch nach Hegel die Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, so dass Hegels Position – neben dem Nezessitarismus – als weitere relevante Interpretation dieser Formel angesehen werden kann. Wir betrachten im Folgenden zunächst die Rolle absolut notwendiger Prozesse bei Hegel und anschließend den nicht-nezessitarischen Charakter, der Hegels Position – auch aus der Sicht Kierkegaards – zukommt. Hegel kann plausiblerweise so interpretiert werden, dass er die folgenden Thesen vertritt:⁷⁰
Vgl. zu Kierkegaards Auseinandersetzung mit fatalistischen (darunter nezessitarischen) Positionen Watkin (2000); Kosch (2006). Anders verhält es sich mit Climacus’ Annahme, dass auch Möglichkeit und Wirklichkeit extensional disjunkt sind; diese Annahme widerspricht in jedem Fall dem gängigen Verständnis der Modalbegriffe (auch in der Tradition). Da für Climacus aber die strikte Abgrenzung der Notwendigkeit von den anderen Modalitäten im Vordergrund steht, abstrahiere ich in der folgenden Diskussion von dieser weiteren Schwierigkeit. Zur Rolle der Thesen (1) und (2) in Bezug auf das Problem der Kontingenz in Hegels System vgl. Beiser (2005), 76.
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(1) Die Idee existiert notwendigerweise.⁷¹ (2) Die Realität der Idee besteht in der Totalität der Wirklichkeit.⁷² (3) Die Totalität der Wirklichkeit ist ein teleologischer Prozess.⁷³ Hieraus folgt zum einen, dass die Wirklichkeit als ganze für Hegel nicht anders kann als zu existieren – dies ist seine Version der traditionellen Vorstellung von der notwendigen Existenz Gottes.⁷⁴ Zum anderen folgt aber, dass das, was somit notwendig existiert, keineswegs unveränderlich ist. In Climacus’ Terminologie enthält es erstens wesentlich „Verwandlungen“: Sofern die gesamte Realität monistisch als ein Gegenstand betrachtet wird, ist es für diesen Gegenstand wesentlich, dass er sich entwickelt, dass sich also sein „Wesen“ (in Climacus’ Sinn) auf ein Telos hin verändert. Zweitens kann im Hegelschen Modell auch sinnvoll von einem absolut-notwendigen Werden (ebenfalls in Climacus’ Sinn) die Rede sein. Hegels Monismus schließt es nämlich nicht aus, sondern erfordert es wesentlich, dass wir uns auf besondere „Momente“ des Ganzen der Welt als auf Gegenstände beziehen können. Unter diesen Gegenständen gibt es nun zumindest einige, deren Existenz notwendig für die Realisierung des Telos der Welt (also der vollständigen Realisierung der Idee) ist. Diese Gegenstände „erben“ daher gewissermaßen von der Totalität
Vgl. z. B. Vorlesungen über die Philosophie der Religion, TWA 17/205: „Die abstrakte Bestimmung nun dieser Idee [sc. der absoluten Idee, d. h. der Begriff, ’der durch sich selbst real ist’, TWA 17/205] ist die Einheit des Begriffes mit der Realität. In der Form des Beweises vom Dasein Gottes ist ein Beweis dieser Übergang, diese Vermittlung, daß aus dem Begriff Gottes das Sein folgt.“ – Begriffe wie „Existenz“ gebrauche ich hier im Folgenden im gängigen Sinn, nicht in Hegels terminologischem Sinn. Vgl. z. B. Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes, TWA 17/468: „Das Sein des Zufälligen ist nicht sein eigenes Sein, sondern nur das Sein eines Anderen, und zwar bestimmt seines Anderen, des Absolut-Notwendigen.“ Vgl. z. B. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte, TWA 12/20 f.: „Durch die spekulative Erkenntnis in ihr [sc. der Philosophie] wird es erwiesen, daß die Vernunft […] die Substanz wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist. […] [S]ie bedarf nicht, wie endliches Tun, der Bedingungen eines äußerlichen Materials, gegebener Mittel, aus denen sie Nahrung und Gegenstände ihrer Tätigkeit empfinge; sie zehrt aus sich und ist sich selbst das Material, das sie verarbeitet; wie sie sich nur ihre eigene Voraussetzung, ihr Zweck der absolute Endzweck ist, so ist sie selbst dessen Betätigung und Hervorbringung aus dem Inneren in die Erscheinung nicht nur des natürlichen Universums, sondern auch des geistigen – in der Weltgeschichte.“ Vgl. Inwood (1983), 243. – Wohlgemerkt unterscheidet Hegel, anders als der späte Schelling, nicht zwischen der Aussage „Der Begriff von A enhält seine Existenz“ (bzw. „Wenn A existiert, existiert es notwendig“) und der Aussage „A existiert notwendig“.
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der Welt absolut-notwendige Existenz: Sie können nicht anders als zu existieren. Bei diesen absolut notwendigen Gegenständen handelt es sich für Hegel um Arten von Einzelgegenständen, die absolut-notwendigerweise instantiiert sein müssen und in diesem Sinn absolut-notwendige Existenz haben: nämlich die grundlegenden Arten, die Hegel in seiner Realphilosophie entwickelt und untersucht. Es ist z. B. notwendig für die teleologische Entwicklung der Welt, dass es eine Natur gibt, innerhalb ihrer materielle Gegenstände, mithin auch Gegenstände in Raum und Zeit, die bestimmten mechanischen Gesetzen gehorchen usw.; ferner, dass es geistige Wesen gibt, die sich in Staaten zusammenschließen und die sich mit Kunst, Religion und Philosophie beschäftigen. Während nun die Natur für Hegel wohl in Bezug auf ihre grundlegenden Arten keiner wesentlichen Veränderung unterworfen ist, ist der Bereich des Geistigen für ihn wesentlich geschichtlich verfasst. Das bedeutet aber auch, dass notwendig existierende kategoriale Arten wie „bürgerliche Gesellschaft“, „absolute Religion“, „Reich des Sohnes“ (mithin auch die Inkarnation!⁷⁵) oder „absoluter Idealismus“ zunächst nicht instantiiert sind und erst im Lauf der Entwicklung der Welt hin zu ihrem Telos Existenz erhalten. Sie werden also in Climacus’ Sinn, wenngleich sie notwendige Existenz haben: Sie können nicht anders als zu einem bestimmten Zeitpunkt zu existieren. Für Hegels Position ist es also wesentlich, dass etwas absolut notwendig existieren kann, ohne deshalb immer und unveränderlich existieren zu müssen. Dies schließt Climacus mit seiner nicht-zeitlichen Interpretation der Notwendigkeit gerade aus. Daraus, dass es etwas gibt, das mit absoluter Notwendigkeit existiert, folgt aber noch nicht, dass alles, was es gibt, absolut notwendig ist (wie der Nezessitarier annimmt).⁷⁶ Tatsächlich betont Hegel selbst immer wieder, dass die Welt neben notwendigen auch kontingente Elemente umfasst (und sogar umfassen muss);⁷⁷ er vertritt also selbst eindeutig keine nezessitarische Position. Nun wäre es
Vgl. oben Fußnote 13. Nason (2012), 153 versteht Hegel als Nezessitarier, weil aus den obigen Thesen (1) und (2) folge, dass die ganze Wirklichkeit notwendig sei. Aber diese Konklusion ist nicht zwingend. (1) und (2) können zusammen auch folgendermaßen verstanden werden: Es ist zwar absolut notwendig, dass es die Welt gibt, und deshalb existiert auch alles, was dafür notwendig ist, dass es eine Welt qua Realisierung der Idee gibt, notwendig (s. die folgende Diskussion im Haupttext). Daraus folgt aber keineswegs, dass alles in der Welt ebenfalls absolut notwendig oder auch nur relativ notwendig ist. Für Textbelege vgl. die Betrachtung der Modalkategorien in der Wissenschaft der Logik im weiteren Verlauf des Abschnitts. Vgl. dazu Henrich (1971); di Giovanni (1980); Burbidge (1980); ders. (2007); Houlgate (1995); Kreines (2008). – Der (von Nason (2012), 153 aufgegriffene) Einwand Beisers (ders. (2005), 76), wenn es etwas Kontingentes in Hegels System gebe, müsse es außerhalb des Absoluten liegen, ist nicht stichhaltig, denn Hegel erklärt die Notwendigkeit der
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natürlich immer noch möglich, dass Kierkegaard bzw. Climacus Hegel dennoch als Nezessitarier interpretiert. ⁷⁸ Dagegen spricht aber, dass Kierkegaard in Entweder/ Oder dem Gerichtsrat Wilhelm eine Diskussion der hegelianischen Geschichtsphilosophie in die Feder legt, in der diese klarerweise nicht als nezessitarisch interpretiert wird: Die Geschichte ist […] mehr als ein Erzeugnis der freien Handlungen der freien Individuen. Das Individuum handelt freilich, aber diese Handlung geht ein in die Ordnung der Dinge, von der das ganze Dasein getragen wird. Was daraus hervorgehen wird, weiß der Handelnde eigentlich nicht. Diese höhere Ordnung der Dinge aber, welche die freien Handlungen sozusagen verdaut, und sie in ihre ewigen Gesetze verflicht, ist die Notwendigkeit, und diese Notwendigkeit ist in der Weltgeschichte die Bewegung, es ist daher durchaus richtig, daß die Philosophie hier die Vermittlung anwendet […]. […] Mit dem, was man die inwendige Tat nennen könnte, hat die Philosophie schlechterdings nichts zu tun; die inwendige Tat aber ist der Freiheit wahres Leben. Die Philosophie betrachtet die äußere Tat, und diese wiederum sieht sie nicht als einzelne, isolierte, sondern sieht sie als in den weltgeschichtlichen Prozeß aufgenommen und dadurch verwandelt (Entweder/Oder II, 4/185; II 158).
Offensichtlich wird hier die Notwendigkeit anders verstanden als im „Zwischenspiel“ der Brocken, denn sie schließt Zeitlichkeit und Veränderung nicht aus. Vor allem wird aber in dem Text aus Entweder/Oder eine nicht-nezessitarische hegelianische Geschichtsphilosophie skizziert, nach der die Notwendigkeit geschichtlicher Vorgänge die Freiheit nicht-determinierter individueller Entscheidungen nicht ausschließt⁷⁹ (wenngleich dabei die Sphäre individueller Freiheit außerhalb der Sphäre dessen, was geschichtsphilosophisch erfassbar ist, angesiedelt wird⁸⁰). Unabhängig davon, ob Kierkegaard selbst diese Geschichtsphilosophie in Entweder/Oder affirmiert oder nicht, ob hier Hegel oder einer seiner Anhänger die Vorlage bildet, ob es sich um eine Interpretation oder eine kritische
Kontingenz gerade damit, dass das Absolute bzw. die Idee einer Seite der zufälligen „Äußerlichkeit“ bedarf, um Realität zu gewinnen. Vgl. Knappik (i.Ersch.), 5.2.2. So Nason (2012), 150 ff., für den das „Zwischenspiel“ eigentlich gegen den Nezessitarismus gerichtet ist. Deshalb greift die Deutung von Kosch (2006), 91, die an dieser Stelle den Vorwurf eines „historischen Determinismus“ gegen Hegel ausgesprochen sieht, zu kurz. Dies entspricht durchaus Hegels eigener Auffassung; vgl. die „Vorrede“ zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts, TWA 7/25: „Darauf kommt es dann an, in dem Scheine des Zeitlichen und Vorübergehenden die Substanz, die immanent, und das Ewige, das gegenwärtig ist, zu erkennen. Denn das Vernünftige, was synonym ist mit der Idee, indem es in seiner Wirklichkeit zugleich in die äußere Existenz tritt, tritt in einem unendlichen Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen hervor […]. Die unendlich mannigfaltigen Verhältnisse aber, die sich in dieser Äußerlichkeit, durch das Scheinen des Wesens in sie, bilden, dieses unendliche Material und seine Regulierung ist nicht Gegenstand der Philosophie.“
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Aneignung der fraglichen Position handeln soll, so steht doch eines fest: Kierkegaard war eine theoretische Option bekannt, die absolut⁸¹ notwendige Prozesse zulässt, ohne nezessitarisch zu sein. Wenn deshalb die Argumentation im „Zwischenspiel“ der Philosophischen Brocken wohlwollend interpretiert werden soll, dann muss angenommen werden, dass der Möglichkeit einer solchen Interpretation auch in diesem Text Rechnung getragen wird. Die Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ muss also so verstanden werden, dass sie nicht nur für den Nezessitarismus steht, sondern auch für eine nichtnezessitarisch verstandene hegelianische Position. Wir haben bereits in Abschnitt 2. ein exegetisches Problem angesprochen, das sich für eine derartige Deutung ergibt: Wie Jon Stewart betont hat, charakterisiert Hegel die Kennzeichnung der Notwendigkeit als „Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ als „oberflächlich und deswegen unverständlich“ (Enz. §147 A). Muss also (wie Stewart meint) die Annahme aufgegeben werden, dass Hegels Theorie eine der Positionen ist, die für Climacus hinter der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ stehen? Eine genauere Prüfung von Hegels Diskussion der Modalkategorien zeigt, dass dem nicht so ist. In Bezug auf die Formel selbst sagt Hegel keineswegs, dass sie falsch ist; vielmehr stellt er sie als zwar richtig, aber – wegen ihrer „Oberflächlichkeit“ – wenig hilfreich („unverständlich“) dar. Die Frage ist also, inwiefern Hegel die Formel für zutreffend hält und was genau eine weniger oberflächliche Bestimmung des gegenseitigen Verhältnisses der Modalitäten zu ihr hinzufügen muss. Hegels Diskussion der Modalkategorien ist komplex und differenziert, und es gibt in ihr mehr als eine Hinsicht, in der sinnvoll von der Notwendigkeit als einer Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit die Rede sein kann.⁸² Um die für Climacus’ Diskussion im „Zwischenspiel“ relevanten Punkte in Hegels Diskussion hervorheben zu können, müssen wir zunächst diese Diskussion kurz zusammenfassen.⁸³ Hegel unterscheidet (in der ausführlicheren Fassung der Wissenschaft der Logik) drei Formen von Modalität, nämlich „formelle“, „reale“ und „absolute“ Von „absoluter“ Notwendigkeit ist im zitierten Text zwar nicht ausdrücklich die Rede, doch dass solche Notwendigkeit hier gemeint ist, geht u. a. daraus hervor, dass die Philosophie in Bezug auf die notwendige Ordnung der Geschichte „ihre Vermittlung anwendet“, hier also auf Hegels Anspruch auf ein voraussetzungsloses Begreifen Bezug genommen wird. Überdies gibt es erhebliche Unterschiede zwischen der Diskussion in der enzyklopädischen Logik, in der sich Hegel explizit auf die „Definition“ der Notwendigkeit als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit bezieht, und dem entsprechenden Kapitel in der Wissenschaft der Logik. Vgl. dazu Baptist (1992). Vgl. zum Modalitäts-Kapitel in der Wissenschaft der Logik neben den oben in Fußnote 76 genannten Arbeiten auch Hartmann (1929), 455 ff.; Mure (1950), 126 ff.; Findlay (1958), 208 ff.; Fleischmann (1964); Kusch / Manninen (1988); Baptist (1992); Ng (2009); Yeomans (2012), Kap. 7.
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Modalität. „Formelle“ Modalität hängt mit dem zusammen, was heute gewöhnlich als „logische“ Modalität bezeichnet wird (ist aber nicht identisch damit). Etwas ist dann „formell möglich“, wenn weder es selbst noch sein Gegenteil einen Widerspruch enthält (also eine „zweiseitige“ Form der Möglichkeit, wie Climacus sie aus Aristoteles’ Diskussion in De interpretatione übernimmt);⁸⁴ etwas ist „formell wirklich“, wenn es zugleich wirklich und formell möglich ist (wenn es also nur kontingenterweise wirklich ist).⁸⁵ Da das formell Wirkliche also auch anders sein kann (zumindest im Sinne von logischer Möglichkeit), ist es zufällig.⁸⁶ Deshalb bedarf es aber eines externen Grundes, der festlegt, ob es sich de facto so oder anders verhält.⁸⁷ Derartige Grund-Folge-Relationen kennzeichnen die zweite Form von Modalität, die „reale“ Modalität. Etwas ist dann „real möglich“, wenn seine notwendigen und zusammengenommen hinreichenden Bedingungen gegeben sind.⁸⁸ Diese Art von Möglichkeit führt zwangsläufig zur Realisierung (zur realen Wirklichkeit) des zuvor Möglichen: „Was […] real möglich ist, das kann nicht mehr anders sein; unter diesen Bedingungen und Umständen kann nicht etwas anderes erfolgen“ (TWA 6/211). Es ist also real notwendig, dass unter den gegebenen Bedingungen (der realen Möglichkeit) die reale Wirklichkeit des fraglichen Gegenstandes oder Sachverhalts eintritt. So ergibt sich ein Bild der Realität als eines durch reale Notwendigkeit bestimmten Prozesses, in dem reale Möglichkeit in reale Wirklichkeit übergeht, die ihrerseits wieder die reale Möglichkeit anderer Gegenstände ausmacht. Allerdings ist die reale Notwendigkeit, die den Prozess lenkt, selbst nur „relativ“, denn es ist kontingent, ob die Bedingungen, die die relative Möglichkeit ausmachen, tatsächlich gegeben sind.⁸⁹ In der dritten Form von Modalität hingegen, der „absoluten Modalität“, tritt eine nicht-relative Notwendigkeit auf: hier liegt eine „Wirklichkeit“ vor, „die nicht
TWA 6/203: „Im Sinne dieser formellen Möglichkeit ist alles möglich, was sich nicht widerspricht“; TWA 6/204: „Weil er [sc. ein Inhalt] also nur ein möglicher ist, ist ebensosehr ein anderer und sein Gegenteil möglich.“ TWA 6/205: „Diese Wirklichkeit ist nicht die erste, sondern die reflektierte, gesetzt als Einheit ihrer selbst und der Möglichkeit. Das Wirkliche als solches ist möglich […].“ TWA 6/205: „Diese Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit ist die Zufälligkeit.“ TWA 6/206: „Das Zufällige ist aber zweitens das Wirkliche als ein nur Mögliches oder als ein Gesetztsein, so auch das Mögliche ist als formelles Ansichsein nur Gesetztsein. Somit ist beides nicht an und für sich selbst, sondern hat seine wahrhafte Reflexion-in-sich in einem Anderen, oder es hat einen Grund.“ TWA 6/209: „So macht die reale Möglichkeit das Ganze von Bedingungen aus, eine nicht in sich reflektierte, zerstreute Wirklichkeit, welche aber bestimmt ist, das Ansichsein, aber eines Anderen zu sein und in sich zurückgehen zu sollen.“ TWA 6/211: „Diese Notwendigkeit aber ist zugleich relativ. – Sie hat nämlich eine Voraussetzung, von der sie anfängt, sie hat an dem Zufälligen ihren Ausgangspunkt.“
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mehr anders sein kann“ (TWA 6/213); das absolut Notwendige ist nicht durch einen externen Grund bedingt, sondern es „ist nur, weil es ist“ (TWA 6/215). Deshalb ist es auch, wie das Notwendige in Climacus’ Sinn, durch notwendige Existenz gekennzeichnet: „seine Möglichkeit ist seine Wirklichkeit“ (TWA 6/215). Nichtsdestotrotz eliminiert für Hegel die absolute Notwendigkeit weder die Möglichkeit von Prozessen noch die Kontingenz bzw. „Zufälligkeit“. – Im Hinblick auf die Prozesshaftigkeit unterstreicht Hegel besonders in der enzyklopädischen Logik (§149) die Kontinuität der absoluten Notwendigkeit zur realen Notwendigkeit: Das absolut Notwendige umfasst nämlich als „das eine mit sich identische, aber inhaltsvolle Wesen“ einzelne „selbständige[…] Wirkliche[…]“ (Enz. §149, TWA 8/293), die sich zueinander (wie in der realen Notwendigkeit) als Bedingungen und Bedingtes verhalten; Hegel hat hier wohl in erster Linie die absolut notwendige Substanz Spinozas vor Augen, die sich in den endlichen Modi manifestiert.⁹⁰ Dieses die Einzeldinge umfassende „Wesen“ ist selbst die „Tätigkeit des Aufhebens [der Unmittelbarkeit] in Vermitteltsein und der Vermittlung in Unmittelbarkeit“ (Enz. §149, TWA 8/293), es ist also selbst nichts anderes als der komplexe Prozess, in dem einzelne Gegenstände einander bedingen.⁹¹ Die Rolle der Kontingenz im Rahmen der absoluten Notwendigkeit (durch die sich Hegels Position, wie wir gesehen haben, prinzipiell vom Nezessitarismus unterscheidet) bleibt dagegen in Hegels „offizieller“ Diskussion der Modalkategorien in der Wissenschaft der Logik unterbestimmt.⁹² Wichtiger ist in dieser
Vgl. Fleischmann (1964). In der Wissenschaft der Logik wird dieser Punkt kurz als ein weiterer Aspekt der absoluten Notwendigkeit angesprochen: „Aber das Sein ist umgekehrt ebensosehr Wesen, und das Werden ist Reflexion oder Scheinen. So ist die Äußerlichkeit ihre Innerlichkeit, ihre Beziehung ist absolute Identität, und das Übergehen des Wirklichen in Mögliches, des Seins in Nichts [ist] ein Zusammengehen mit sich selbst, die Zufälligkeit ist absolute Notwendigkeit; sie selbst ist das Voraussetzen jener ersten absoluten Wirklichkeiten“ (TWA 6/217). Im Abschnitt über „Absolute Notwendigkeit“ in der Wissenschaft der Logik spielt die Kontingenz v. a. insofern eine Rolle, als die Einzelgegenstände, die am absolut Notwendigen teilhaben, trotz ihrer gegenseitigen Bedingungsverhältnisse „freie Wirklichkeiten“ sind, „deren keines im anderen scheint, keines eine Spur seiner Beziehung auf das andere an ihm zeigen will“ (TWA 6/216). Dies kann so verstanden werden, dass die zuvor genannten gegenseitigen Verhältnisse der Einzelgegenstände diese nur extrinsisch bestimmen und die intrinsischen Eigenschaften der Gegenstände unabhängig von den Bedingungsverhältnissen der Gegenstände zueinander sind. (Hegel spricht hier auch von einer „äußeren“ Notwendigkeit, die darin besteht, dass die Elemente in Prozessen der realen bzw. absoluten Notwendigkeit „die Gestalt selbständiger Existenz gegeneinander haben“ (Enz. §148 A, TWA 8/293).) Wegen dieses Mangels an wechselseitigen explanatorischen Verknüpfungen gilt von den einzelnen Gegenständen, dass die „Wirklichkeit des einen in dem anderen“ „die nur-Möglichkeit, die Zufälligkeit“ ist (TWA 6/ 216). Dieser Punkt ist im Kontext der impliziten Auseinandersetzung mit Spinoza zu sehen, die
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Hinsicht Hegels Theorie der „Idee“, die er in der Begriffslogik entwickelt und die die Idee als logische Kategorie fasst, deren Begriff ihre Realität enthält. Die Idee existiert also notwendig bzw. ist absolut notwendig.⁹³ Wie Hegel in der Begriffslogik immer wieder betont, muss die Realisierung des absolut Notwendigen zufällige Elemente umfassen, die sich ebenso gut anders verhalten könnten: Der „Begriff“ (die grundlegendste logische Kategorie, von der die „Idee“ eine Spezifikation darstellt) „ist die absolute Macht gerade darum, daß er seinen Unterschied frei zur Gestalt selbständiger Verschiedenheit, äußerlicher Notwendigkeit, Zufälligkeit, Willkür, Meinung entlassen kann“ (TWA 6/283).⁹⁴ Ganz allgemein gilt nämlich für Hegel, dass die Realisierung eines Begriffs neben notwendigen Elementen immer auch zufällige Faktoren enthalten muss: Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache […]. Aber eine Sache ist auch wesentlich zufällig und hat eine äußerliche Beschaffenheit […]. Die Sache selbst ist eben dies, daß ihr Begriff als die negative Einheit seiner selbst seine Allgemeinheit negiert und in die Äußerlichkeit der Einzelheit sich heraussetzt (TWA 6/348).
Inwiefern kann nun – in einem für Climacus relevanten Sinn – davon die Rede sein, dass für Hegel die Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit ist? Hegels eigener Hinweis auf diese „Definition“ der Notwendigkeit steht zunächst im Zusammenhang mit der realen Modalität. Ihr geht die folgende Feststellung Hegels voran: „Die entwickelte Wirklichkeit, als der in eins fallende Wechsel des Inneren und Äußeren, der Wechsel ihrer entgegengesetzten Bewegungen, die zu einer Bewegung vereint sind, ist die Notwendigkeit“ (Enz. §147, TWA 8/288). Die (reale) Notwendigkeit wird hier also identifiziert mit dem Prozess der „entwickelten“ realen Wirklichkeit, in dem Bedingungen (Möglichkeit) und Bedingtes (Wirklichkeit) einander ablösen. – Zugleich unterscheidet Hegel aber in der enzyklopädischen Logik nicht strikt zwischen formeller, realer und absoluter Modalität und gliedert stattdessen die ganze Diskussion als sukzessive Analyse
Hegel im Wirklichkeits-Kapitel vollzieht (s. Fleischmann (1964)): Die endlichen Modi sind für Spinoza zwar absolut notwendig, weil sie notwendig aus der Natur der absolut notwendigen Substanz folgen, aber es gibt keine Erklärung dafür, warum ausgerechnet diese und nicht andere Modi in der Natur der Substanz enthalten sind. Vgl. abermals den Hinweis in Fußnote 74. Vgl. daneben z. B. TWA 6/348: „Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache, ihre negative Einheit mit sich selbst; diese macht ihre Subjektivität aus. Aber eine Sache ist auch wesentlich zufällig und hat eine äußerliche Beschaffenheit; diese heißt ebensosehr deren bloße Subjektivität, jener Objektivität gegenüber. Die Sache selbst ist eben dies, daß ihr Begriff als die negative Einheit seiner selbst seine Allgemeinheit negiert und in die Äußerlichkeit der Einzelheit sich heraussetzt“; TWA 6/282 f., 7/25.
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von Möglichkeit (§143), Wirklichkeit (§§144– 147) und Notwendigkeit (§§147– 149); der zitierte Satz aus §147, der sich eigentlich auf die reale Notwendigkeit bezieht, kann ihm so zugleich als dialektische Herleitung des Begriffs „Notwendigkeit“ überhaupt dienen. Hegel bezeichnet also die Formel von der Notwendigkeit als der Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit einerseits deshalb als „richtig“, weil die (reale) Notwendigkeit die Einheit des Prozesses ausmacht, in dem (reale) Möglichkeit und (reale) Wirklichkeit ihren Ort haben, andererseits aber auch deshalb, weil es gemäß der Gliederung der Diskussion in der enzyklopädischen Logik genau dieser Zusammenhang ist, der überhaupt erst zur Kategorie der Notwendigkeit (gleich ob formell, real oder absolut) führt. Diese Ambivalenz in Hegels Darstellung bietet Climacus die textliche Rechtfertigung dafür, Hegels Rede von der Notwendigkeit als „Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ auch auf die absolute Notwendigkeit zu beziehen, von der seine eigene Diskussion ja ausschließlich handelt. Aus Hegels Sicht ist dies aber sachlich deshalb nicht falsch, weil – wie wir gesehen haben – der prozesshafte Charakter der realen Notwendigkeit (als „Bewegung“ und „Wechsel“ von realer Möglichkeit und Wirklichkeit) in der absoluten Notwendigkeit erhalten bleibt. Auch die absolute Notwendigkeit umfasst einen Prozess, in dem reale Möglichkeiten realisiert werden, und auch sie kann deshalb „richtig“, wenn auch „oberflächlich“ als Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit beschrieben werden. – Ferner gibt es noch einen weiteren für Climacus relevanten Sinn, in dem bei Hegel die Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit bildet. Formelle Möglichkeit und Wirklichkeit bestimmen gemeinsam laut Hegel die Zufälligkeit (nämlich als Wirklichkeit, deren Gegenteil ebenso formell möglich ist). Die absolute Notwendigkeit ist für Hegel also auch insofern eine Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit, als sie Raum für Kontingenz bzw. Zufälligkeit und damit für formelle Möglichkeit und Wirklichkeit lässt. – Hegel selbst drückt den Sachverhalt, dass auf die genannten Weisen die absolute Notwendigkeit Möglichkeit und Wirklichkeit (und zwar jeweils sowohl die formelle als auch die reelle Variante) in sich enthält, so aus: „Die absolute Notwendigkeit ist also die Wahrheit, in welche Wirklichkeit und Möglichkeit überhaupt sowie die formelle und reale Notwendigkeit zurückgeht“ (TWA 6/215).⁹⁵ Wie sich gezeigt hat, kann also Climacus’ Gebrauch der Formel „Die Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ mit gutem Grund (und trotz Hegels Vorbehalten gegenüber dieser Formel) so verstanden werden,
Entgegen der Behauptung Stewarts (2003), 357 f. spielt dagegen das ursprüngliche Kantische Verständnis der Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ für Climacus keine Rolle.
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Franz Knappik
dass sich Climacus damit – neben dem Nezessitarismus – auch auf Hegels Metaphysik der absoluten Notwendigkeit bezieht. Somit ergibt sich das folgende Bild: Gegenpositionen: „Die Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“; es gibt Werden, das absolut notwendig ist:
Nezessitarismus: alles Werden ist absolut notwendig; Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit sind koextensional
Climacus: Die Notwendigkeit ist nicht die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit; es gibt kein Werden, das absolut notwendig ist;
Hegel: nur einiges Werden ist absolut Möglichkeit, Wirklichkeit und notwendig; Notwendigkeit sind extensional Möglichkeit und Wirklichkeit disjunkt sind „Momente“ der Notwendigkeit
Abb. : Konkurrierende Modaltheorien gemäß Climacus’ Diskussion
Als modale These, die dem Nezessitarismus und dem Hegelianismus gemeinsam ist, erweist sich die Annahme, dass es (in Climacus’ Terminologie) absolut notwendiges Werden gibt. Nezessitarismus und Hegelianismus unterscheiden sich dadurch, dass für den Nezessitarier alles Werden notwendig ist, für den Hegelianer nur einiges Werden. Offensichtlich hat, wenn es absolut notwendiges Werden gibt, entweder der Nezessitarier oder der Hegelianer recht; wenn es dagegen kein absolut notwendiges Werden gibt, dann hat Climacus mit seiner Modaltheorie recht.⁹⁶ Unter der vorgeschlagenen Interpretation kann Climacus also tatsächlich sinnvoll die (oben als Prämisse (1) angeführte) These vertreten, dass entweder die Notwendigkeit die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit ist, oder seine eigene Modaltheorie zutrifft. Inwiefern ist für Climacus aber neben dem Nezessitarismus auch der Hegelianismus (gemäß Prämisse (2)) mit menschlicher Freiheit inkompatibel? Eine so offenkundige Inkompatibilität wie im Fall des Nezessitarismus besteht hier nicht, denn dass es manche absolut notwendigen Prozesse gibt, impliziert für sich genommen nicht, dass durch diese Prozesse das menschliche Handeln in irgendeiner Weise eingeschränkt wäre. Aufschluss über die relevante Hinsicht, in der aus der Sicht Climacus’ der Hegelianismus mit Freiheit inkompatibel ist, kann der §2 des „Zwischenspiels“ bieten, den wir bislang noch nicht betrachtet haben.
Erneut sei an die Qualifikation bezüglich des Verhältnisses von Möglichkeit und Wirklichkeit in Fußnote 69 erinnert.
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d Das Argument in §2: Freiheit, Zeit und Kontingenz Climacus kontrastiert in §2 des Zwischenspiels das Werden der Natur mit dem Werden, das freies menschliches Handeln kennzeichnet. Während die Natur nur ein „simultane[s] Werden“ kennt (8/72; IV 239), das eigentlich nur eine „Andeutung“ (8/72; IV 239) geschichtlichen Werdens darstellt, ist das Werden im Bereich des menschlichen Handelns „dialektisch […] in Richtung auf die Zeit“ (8/73; IV 240) und daher im eigentlichen Sinn geschichtlich. Die im weiteren Sinne geschichtliche Verfasstheit der Natur beschreibt Climacus auch so, „daß sie geworden ist, und das ist das Vergangene; daß sie da ist, das Gegenwärtige“ (8/72; IV 239). Zusammen mit der Rede vom „simultanen“ Werden der Natur legt diese Charakterisierung nahe, dass der quasi-geschichtliche Charakter der Natur nicht etwa im Ablauf natürlicher Prozesse in der physikalischen Zeit besteht, sondern im Gewordensein der Natur als ganzer („daß sie geworden ist“, Hervorhebung vom Verf.) und der daraus resultierenden elementaren zeitlichen Differenz zwischen Gegenwart (Wirklichkeit der Natur) und Vergangenheit (Gewordensein, d. h. Übergegangensein der Natur als ganzer aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit). Da Climacus ferner in diesem Abschnitt erneut auf den Gedanken einer „schlechthin freiwirkenden Ursache“ zurückkommt (8/73; IV 240), sollte das Gewordensein der Natur im Sinne einer freien Schöpfung verstanden werden. Die „Andeutung“ des Geschichtlichen in der Natur besteht also, anders ausgedrückt, in deren Status als Schöpfung. Dagegen ist das menschliche Handeln als das Wirken von „bedingt freiwirkende[n] Ursache[n]“ (8/73; IV 240) insofern „dialektisch in Richtung auf die Zeit“, als es einerseits in die übergreifende Zeitordnung eingebettet ist, die sich aus der Differenz zwischen Schöpfungsakt (Vergangenheit) und Wirklichkeit der Schöpfung (Gegenwart) ergibt, sich aber andererseits in Freiheit eine eigene Stellung in Bezug auf diese Ordnung geben kann. Climacus redet hier von einer „Verdoppelung“ im Werden und von einer „Möglichkeit des Werdens innerhalb seines eigenen Werdens“ (8/72 f.; IV 240); dies erläutert er folgendermaßen genauer: „Das Werden, das hier das Gemeinsame mit dem Werden der Natur ist, ist eine Möglichkeit, eine Möglichkeit, die für die Natur ihre ganze Wirklichkeit ist“ (8/73; IV 240). Diese Bemerkung kann ihrerseits folgendermaßen gedeutet werden. Menschliches Handeln erfordert eine Wahl zwischen Optionen, die jeweils für bestimmte mögliche Prozesse des Werdens stehen. Unter diesen Optionen wird sich jeweils mindestens eine finden, die dem normalen Verlauf entspricht, den die Natur nimmt, wenn eine Intervention ausbleibt. Eine solche Option kann im Unterlassen einer Handlung bestehen, sie kann aber z. B. auch darin bestehen, dass der Akteur natürlichen Handlungsimpulsen freien Lauf lässt. Diese „natürliche“ Option steht in der jeweiligen Situation für dasjenige „Werden, das hier das
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Gemeinsame mit dem Werden der Natur ist“.Während dieses Werden aber „für die Natur ihre ganze Wirklichkeit ist“, weil die Natur nicht anders kann, als ihrem normalen Verlauf zu folgen, ist es für den Menschen nur „eine Möglichkeit“, nämlich eine Option, die der Mensch ergreifen kann, aber nicht muss. Weil menschliches Handeln – nach der so verstandenen Position Climacus’ – in die Natur eingebettet ist und ihrem normalen Verlauf folgen kann (aber nicht muss), handelt es sich hier um eine „Verdoppelung“ des Werdens bzw. um eine „Möglichkeit des Werdens innerhalb seines eigenen Werdens“ (d. h. des Werdens der Natur). Wenn dies die Position ist, die Climacus in §2 des „Zwischenspiels“ in Bezug auf die Differenz von Natur und menschlichem Handeln vertritt, dann ist er einerseits Libertarier, weil die Möglichkeit, sich gegen den normalen Verlauf der Natur zu entscheiden, ihm zufolge wesentlich für Freiheit (d. h. das Wirken der „bedingt freiwirkende[n] Ursache[n]“) ist. Andererseits ist für ihn menschliches Handeln, anders als für viele Libertarier, nicht völlig unkonditioniert durch die natürliche Ordnung: Es ist Climacus zufolge nicht nur eine kontingente, sondern eine wesentliche Eigenschaft unseres Handelns, dass wir uns in ihm ständig zwischen dem „natürlichen“ Gang der Dinge und weiteren Optionen, die erst durch unsere Freiheit zugänglich werden, entscheiden müssen. Freies Handeln ist wesentlich „dialektisch in Richtung auf die Zeit“, weil es in eine umfassende natürliche Ordnung (und ihre elementare Zeitordnung, die sich aus der Differenz von Gewordensein und Wirklichsein ergibt) eingebettet ist, zu der es sich aber zugleich frei verhält. Nun ist auch für Hegel menschliches Handeln in Ordnungen (einerseits die Natur, andererseits die Geschichte des objektiven und des absoluten Geistes) eingebettet, zu denen es in Freiheit Stellung bezieht. Der relevante Unterschied zwischen beiden Positionen besteht hier darin, dass für Hegel diese übergreifenden Ordnungen (zumindest teilweise) absolut notwendig sind und nicht hätten anders sein (oder überhaupt nicht sein) können, während sie für Climacus kontingent sind: Die Natur ist für ihn – kraft ihres Charakters als „simultanes Werden“ – Schöpfung, mithin die frei bestimmte Wirkung einer „schlechthin freiwirkenden Ursache“, die auch anders hätte ausfallen können oder ganz hätte unterbleiben können. Dabei handelt es sich für Climacus nicht einfach um ein factum brutum, sondern um eine Tatsache, die selbst wesentlich für die menschliche Freiheit ist: „[D]ies eigentliche geschichtliche Werden [d.h. das menschliche Handeln] liegt doch innerhalb eines Werdens, das muß beständig festgehalten werden. Das besondere geschichtliche Werden wird durch eine bedingt freiwirkende Ursache, welche wiederum letztgiltig hinweist auf eine schlechthin freiwirkende Ursache“ (8/73; IV 240). Mit anderen Worten: Freies menschliches Handeln wäre nicht möglich, wenn nicht die natürliche Ordnung, in die es eingebettet ist, selbst aus
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freiem Handeln (nämlich einem frei bestimmten Schöpfungsakt) entspringen würde. Der Hegelianismus ist deshalb inkompatibel mit menschlicher Freiheit, weil in ihm die Ordnung, in die menschliches Handeln eingebettet ist, absolut notwendig ist. Warum kann Climacus aber eine derartige Abhängigkeitsbeziehung annehmen (und dadurch den Hegelianismus – und a fortiori den Nezessitarismus – als inkompatibel mit freiem menschlichem Handeln verwerfen)? Es ist wichtig festzuhalten, dass seine Motivation nicht die eines traditionellen Kompatibilisten ist, der gleichfalls die Kontingenz der natürlichen Ordnung als ganzer als notwendige Bedingung für menschliche Freiheit ansieht (weil er die für Freiheit erforderlichen alternativen Möglichkeiten dadurch erklärt, dass die Naturgesetze und/oder die kausale Vorgeschichte anders hätten sein können). Wie wir nämlich gesehen haben, ist Climacus Libertarier und benötigt deshalb die Kontingenz der Natur nicht, um alternative Möglichkeiten erklären zu können. Climacus’ Ausführungen im §2 des „Zwischenspiels“ legen stattdessen eine andere Lesart nahe: Wäre die Natur als ganze nicht eine aus Freiheit hervorgebrachte Schöpfung, sondern ein absolut notwendiger Gegenstand, dann wäre sie nicht durch eine zeitliche Ordnung strukturiert und könnte daher auch nicht den Rahmen für menschliches Handeln bilden. Wir haben bereits an früherer Stelle eine einschlägige Feststellung zitiert, die Climacus in §3 trifft: „Wofern die Notwendigkeit auf einem einzigen Punkte eintreten könnte, so würde nicht mehr die Rede sein vom Vergangenen und vom Zukünftigen“ (8/74; IV 241). Ähnlich kann auch die Darstellung des Verhältnisses von Natur und menschlichem Handeln in §2 so verstanden werden, dass der Schöpfungs-Charakter (und damit die Kontingenz) der Natur konstitutiv für die zeitliche Ordnung ist; tatsächlich hat sich ja die Differenz zwischen dem Schöpfungsakt und dem Resultat dieses Aktes – der Wirklichkeit der Natur – als elementare zeitliche Ordnung (Differenz Vergangenheit-Gegenwart) erwiesen, innerhalb derer die zeitliche Ordnung menschlichen Handelns angesiedelt ist. Die hier zu Grunde liegende Überlegung wird von Climacus nicht genauer erläutert. Als Grundlage für die folgende Rekonstruktion kann aber seine bereits zitierte Aussage dienen, das „eigentliche geschichtliche Werden“ liege „innerhalb eines Werdens, das muß beständig festgehalten werden. Das besondere geschichtliche Werden wird durch eine bedingt freiwirkende Ursache, welche wiederum letztgiltig hinweist auf eine schlechthin freiwirkende Ursache“ (8/73; IV 240). Von einer zeitlichen Ordnung kann nur dann die Rede sein, wenn es einen Zeitstrahl gibt, der gerichtet ist – wenn die Zeit von der Vergangenheit in Richtung Zukunft verläuft. Die oben zitierte Stelle aus §3 – „Wofern die Notwendigkeit auf einem einzigen Punkte eintreten könnte, so würde nicht mehr die Rede sein vom Vergangenen und vom Zukünftigen“ – kann so interpretiert werden, dass Notwendigkeit deshalb mit Zeitlichkeit inkompatibel ist, weil ein absolut notwendiges
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Ereignis innerhalb der Zeit die Gerichtetheit der Zeit eliminieren würde. Warum sollte es das tun? Wenn die Gerichtetheit der Zeit mehr als eine bloß subjektive Interpretation der objektiven Zeitordnung sein soll, dann muss sie in objektiven Phänomenen fundiert sein – es muss Sachverhalte geben, die dafür verantwortlich sind, dass die Zeit eine bestimmte Richtung hat.⁹⁷ Kontingente Phänomene in Climacus’ Sinn sind prinzipiell dazu geeignet, gerade eine solche Fundierung zu bieten. Denn für sie ist es wesentlich, dass ein Übergang von einem Zustand, in dem mehrere Möglichkeiten offenstehen, zu einem Zustand, in dem eine dieser Möglichkeiten wirklich geworden ist, stattfindet. Dieser Übergang wird durch eine freie Entscheidung geleistet. Deshalb schaffen Übergänge vom Möglichen zum Wirklichen einen Zuwachs an Bestimmtheit, der nicht determiniert und nicht vorhersehbar ist, also noch nicht im Zustand der Möglichkeit enthalten ist oder aus ihm abgeleitet werden kann. Es besteht somit eine ontologische Asymmetrie zwischen der Offenheit verfügbarer, noch nicht realisierter Möglichkeiten und der Abgeschlossenheit der bereits realisierten Möglichkeiten; diese Asymmetrie kommt als Kandidat für die Fundierung der Asymmetrie zwischen der offenen Zukunft und der abgeschlossenen Vergangenheit – und damit auch der Gerichtetheit der Zeit – in Frage.⁹⁸ Allerdings kann diese Fundierung nicht durch lokale Übergänge vom Möglichen zum Wirklichen innerhalb der Natur stattfinden.Vielmehr setzen alle lokalen Übergänge vom Möglichen zum Wirklichen – also insbesondere: alle freien menschlichen Handlungen – bereits eine globale zeitliche Ordnung voraus, die die ganze Natur umfasst. Die Gerichtetheit dieser globalen Zeitordnung kann nur in einem Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit fundiert sein, der selbst nicht innerhalb einer vorausgesetzten Zeitordnung angesiedelt ist, sondern diese Zeitordnung bzw. die Natur, die durch sie artikuliert wird, als ganze betrifft. Dieser Übergang besteht genau in dem Schöpfungsakt, durch den die „schlechthin
Der Gedanke einer solchen Fundierung impliziert keineswegs, dass in der Natur als Schöpfung die spezifische zeitliche Ordnung, die für Kierkegaard menschliches Handeln und menschliche Existenz kennzeichnet (z. B. Zukunft als Horizont von Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten, Bezug auf Ewigkeit; vgl. u. a. Der Begriff Angst 9/82 ff.; IV 350 ff. und Lübcke (1983); Come (1995), Kap. 4), bereits fertig gegeben ist. Vielmehr handelt Climacus’ Argument, wie es hier rekonstruiert wird, von notwendigen, nicht von hinreichenden Bedingungen dieser spezifischen Ordnung. Hier könnte ein Widerspruch zu Climacus’ Argumentation in §§3 und 4 des „Zwischenspiels“ gesehen werden, da dort eine objektive modale Asymmetrie zwischen Vergangenheit und Zukunft gerade abgelehnt wird. Der Widerspruch verschwindet aber, wenn berücksichtigt wird, dass Climacus in §§3 und 4 seine spezifischen modalen Begriffe aus §1 voraussetzt. Die vorgeschlagene Asymmetrie (geschlossene Vergangenheit – offene Zukunft) impliziert keine Asymmetrie im Sinne der Modalbegriffe aus §1.
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freiwirkende Ursache“ die Natur hervorbringt und damit aus freier Entscheidung eine unter vielen Möglichkeiten (darunter insbesondere die Möglichkeit, dass es überhaupt keine Natur gibt, also die Schöpfung ausbleibt) verwirklicht. Die aus diesem Akt resultierende Natur ist aber selbst durch und durch kontingent, d. h. nicht-notwendig im Sinne Climacus’ – es kann innerhalb ihrer keine absolut notwendigen Gegenstände oder Vorgänge geben, denn die „schlechthin freiwirkende Ursache“ hätte die Natur als ganze (und damit auch alles, was sich innerhalb der Natur befindet) auch anders oder gar nicht schaffen können.⁹⁹ Da also freies menschliches Handeln innerhalb der Zeit stattfinden muss und die Zeit wegen ihrer Gerichtetheit ein Fundament benötigt, das nur im kontingenten Übergang von Möglichkeit zur Wirklichkeit in Bezug auf die Natur als ganze – mithin in einem freien Schöpfungsakt – bestehen kann, ist freies menschliches Handeln nur in einer (in Climacus’ Sinn) durch und durch kontingenten Welt möglich. Deshalb sind absolut notwendige Prozesse im Sinne des Hegelianismus mit menschlicher Freiheit inkompatibel. – Wohlgemerkt setzt diese Argumentation die zusätzliche Annahme voraus, dass die Gerichtetheit der Zeit nicht nur durch einen kontingenten Übergang vom Möglichen zum Wirklichen fundiert werden kann, sondern dies überhaupt die einzige Option für eine solche Fundierung ist. Diese Prämisse kann der Hegelianer sehr wohl bezweifeln, wie wir noch im nächsten Abschnitt sehen werden. Aber zumindest zeigt die rekonstruierte Argumentation, dass Climacus durchaus über Ressourcen für die Verteidigung seiner modalen Prämissen verfügt. Sie erweisen sich nämlich (gemäß dem in 6.a dargestellten Argumentationsschema) als einzige Alternative zu derjenigen Gruppe von Positionen, die durch die Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von Möglichkeit und Wirklichkeit“ repräsentiert werden. Wie wir vorgeschlagen haben, sind diese Positionen dadurch gekennzeichnet, dass sie die Möglichkeit eines absolut notwendigen Werdens annehmen; sie umfassen – je nachdem, ob dieses notwendige Werden die ganze Wirklichkeit oder nur einen Teil von ihr umfassen soll – zum einen nezessitarische und zum anderen hegelianische Positionen. Diese Positionen sind laut Climacus’ Argumentation mit menschlicher Freiheit inkompatibel: Freiheit ist nur in einer gerichteten Zeitordnung möglich, diese erfordert eine Fundierung in einem freien Schöpfungsakt und mithin auch die durchgängige Kontingenz (Nicht-Notwendigkeit in Climacus’ Sinn) des Wirklichen. Überdies schließt speziell der Nezessitarismus Freiheit auch direkt aus, weil er noch nicht einmal Raum für kompatibilistisch verstandene Freiheit lässt. Da die Positionen, die Climacus durch die Formel „Notwendigkeit ist die Einheit von
Das schließt freilich nicht aus, dass es in einer frei geschaffenen Welt die anderen Spezies von Notwendigkeit gibt, die wir oben in Abschnitt 4.c genannt haben.
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Möglichkeit und Wirklichkeit“ bezeichnet, demnach mit der Möglichkeit menschlicher Freiheit inkompatibel sind, ist Climacus dazu berechtigt, seine eigene modale Theorie mit ihrer strikten Unterscheidung zwischen der Sphäre der Kontingenz und des Werdens einerseits und der Sphäre der Notwendigkeit andererseits anzunehmen. Wird Climacus’ Position im „Zwischenspiel“ so verstanden, dann ist es letztlich die Möglichkeit menschlicher Freiheit in ihrem Zusammenhang mit der Zeit, die ihm als Rechtfertigungsgrundlage für seine modalen Prämissen sowie für die daraus direkt folgende negative Antwort auf die Leitfrage des „Zwischenspiels“ – „Hat das Vergangene größere Notwendigkeit als das Zukünftige?“ – dient.
e Eine Replik auf das Argument in §2: Zeit und Teleologie bei Hegel Wie sich gezeigt hat, ist Climacus’ Position im „Zwischenspiel“ nicht einfach dogmatisch. Abschließend gehen wir kurz der Frage nach, wie überzeugend seine Gründe für sie sind, und zwar insbesondere, was die zuletzt auf der Grundlage von §2 des „Zwischenspiels“ rekonstruierte Argumentation gegen Hegels Position angeht. Wenn diese Argumentation mit Hegels „offizieller“ Zeittheorie in der Naturphilosophie verglichen wird, dann scheint Climacus tatsächlich eine Schwäche in Hegels Theorie zu treffen. Dort wird als ontologisches Fundament der zeitlichen Ordnung die Endlichkeit der (natürlichen und geistigen) Entitäten in der Welt genannt, die sich darin äußert, dass diese Entitäten entstehen und insbesondere auch wieder vergehen: „Weil die Dinge endlich sind, darum sind sie in der Zeit; nicht weil sie in der Zeit sind, darum gehen sie unter, sondern die Dinge selbst sind das Zeitliche; so zu sein ist ihre objektive Bestimmung“ (Enz. §258 Z, TWA 9/ 50). Die Zeitdimensionen ergeben sich hieraus so, dass der Übergang vom „Sein“ zum „Nichts“ (Vergehen) die Vergangenheit begründet, der Übergang vom „Nichts“ zum „Sein“ (Entstehen) dagegen die Zukunft; in der Gegenwart halten sich „Sein“ und „Nichts“ gewissermaßen die Balance.¹⁰⁰ Diese Erklärung der Zeit scheint keineswegs zwingend. Denn erstens kann es ebenso gut vergangene Entstehens- und zukünftige Vergehensprozesse geben. Und zweitens kommt hier
Enz. §259, TWA 9/51 f.: „Die Dimensionen der Zeit, die Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, sind das Werden der Äußerlichkeit als solches und dessen Auflösung in die Unterschiede des Seins als des Übergehens in Nichts und des Nichts als des Übergehens in Sein. Das unmittelbare Verschwinden dieser Unterschiede in die Einzelheit ist die Gegenwart als Jetzt, welches als die Einzelheit ausschließend und zugleich schlechthin kontinuierlich in die anderen Momente, selbst nur dies Verschwinden seines Seins in Nichts und des Nichts in sein Sein ist.“
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Climacus’ Punkt bezüglich der Gerichtetheit der Zeit zum Tragen: Entstehen und Vergehen verhalten sich zunächst einmal symmetrisch zueinander, besonders dann, wenn sie relativ abstrakt als Übergang vom Nichts zum Sein bzw. vom Sein zum Nichts beschrieben werden. Hier ist noch kein objektiver Anhaltspunkt für eine Gerichtetheit der Zeit gegeben. Hegel scheint die Unterbestimmtheit einer objektiven Zeitordnung durch die von ihm angeführten Phänomene des Entstehens und Vergehens selbst einzuräumen, wenn er anmerkt: „Übrigens kommt es in der Natur, wo die Zeit Jetzt ist, nicht zum bestehenden Unterschiede von jenen Dimensionen; sie sind notwendig nur in der subjektiven Vorstellung, in der Erinnerung und in der Furcht oder Hoffnung“ (Enz. §259 A, TWA 9/52). Wenn in der Natur die Zeit nur „Jetzt“, also Gegenwart ist, und die Differenz von Vergangenheit und Zukunft „nur in der subjektiven Vorstellung“ „notwendig“ ist, dann kann man zu Recht mit Climacus bezweifeln, ob Hegel über eine angemessene ontologische Erklärung für die gerichtete Zeitordnung verfügt, innerhalb derer unser freies Handeln angesiedelt ist. Wie verhält es sich aber, wenn über Hegels eigentliche Diskussion der Zeit in der Naturphilosophie hinausgegangen und in seiner Metaphysik als ganzer nach Ressourcen für eine Lösung des von Climacus aufgeworfenen Problems gesucht wird? Ein erster Ansatz könnte hier darin bestehen, auf die Rolle der Kontingenz in Hegels Metaphysik (die sie,wie wir gesehen haben,vom Nezessitarismus abgrenzt) zu verweisen: Auch wenn die Welt als ganze einen notwendigen Prozess bildet, scheint doch im Bereich des Kontingenten im Verlauf dieses Prozesses ein genuiner Zuwachs an Bestimmtheit zu erfolgen, der eine Asymmetrie des Prozesses erzeugt und als ontologisches Fundament für die Gerichtetheit der Zeit dienen könnte. Darauf kann Climacus aber erwidern, dass die Kontingenz in Hegels System auf lokaler Ebene angesiedelt ist und nicht die raumzeitliche Welt als ganze betrifft; alle lokalen kontingenten Ereignisse setzen aber schon eine Zeitordnung voraus und können daher nicht zur Fundierung von deren Gerichtetheit herangezogen werden. Der vielversprechendste Zug für den Hegelianer, so scheint es, besteht an dieser Stelle darin, nicht auf die Kontingenz innerhalb des notwendigen Prozesses, sondern auf die teleologische Struktur dieses Prozesses zu verweisen.¹⁰¹ Wie wir oben schon kurz angesprochen haben, deutet Hegel die Totalität des Wirklichen als teleologischen Prozess, dessen Ziel in der vollständigen Realisierung der Idee besteht. Zwar steht schon zu Beginn des Prozesses fest, welche wesentlichen – nämlich für die Realisierung des Ziels notwendigen – Elemente er umfassen
Vgl. zur Fundierung der gerichteten Zeit durch Hegels Idee Martin 2012, Abschnitte 3.5.2.4 und 3.5.3.
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wird.¹⁰² In diesem Sinne findet in Bezug auf diese wesentlichen Elemente im Verlauf des Prozesses kein Zuwachs an Bestimmtheit statt, wie er bei Climacus dem kontingenten Werden zukommt. Aber dennoch ist der Prozess nicht einfach umkehrbar. Hegel bemerkt hierzu: „Das Ansich erhält sich [sc. im Entwicklungsprozess], und doch ist der Unterschied ganz ungeheuer. Es kommt kein neuer Inhalt heraus; doch ist diese Form ein ungeheurer Unterschied. Auf diesen Unterschied kommt der ganze Unterschied in der Weltgeschichte an“ (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, TWA 18/40). Als Beispiel führt Hegel die menschliche Freiheit an (TWA 18/40): Potentiell oder „an sich“ ist der Mensch als solcher frei; aber es macht einen immensen Unterschied für die menschliche Existenz aus, ob der Mensch auch ein Bewusstsein seiner Freiheit hat und in diesem Sinne das Potential zur Freiheit realisiert ist oder nicht. Wenngleich also in Bezug auf die wesentlichen Elemente des Prozesses, in dem die Idee realisiert wird, im Lauf der Realisierung inhaltlich nichts Neues hinzukommt (sondern die anfangs unrealisierten Inhalte sukzessive realisiert werden), ist es doch (in Hegels Worten) ein „ungeheurer“ Unterschied, ob diese Elemente (und damit auch die Idee als solche) realisiert sind oder nicht. Climacus geht in der Argumentation, die wir ihm zugeschrieben haben, davon aus, dass die Gerichtetheit der Zeit nur durch ein kontingentes Werden (freie Schöpfung) fundiert werden kann; es scheint aber, dass eine solche Fundierung genauso durch einen die Welt als ganze umfassenden notwendigen Prozess erfolgen kann, vorausgesetzt dass dieser Prozess teleologisch strukturiert und deshalb asymmetrisch ist.
Fazit Wie ich eingangs bemerkt habe, bemüht sich Kierkegaard mit dem „Zwischenspiel“ in den Philosophischen Brocken und verwandten Texten darum, die logischen und metaphysischen Grundlagen seiner Anthropologie, Moral- und Religionsphilosophie durch „nüchterne“ theoretische Analysen zu sichern. Mit seiner eigenwilligen Modaltheorie, seinem gedrängten Stil, seinem Anknüpfen an antike Terminologie und Problemstellungen und seiner Fokussierung auf ein so spezielles Problem wie das des modalen Status der Inkarnation kann der Text aber leicht als eine merkwürdige und nicht weiter bedeutsame Episode, eben ein
S.o. Fußnote 57 über den rein epistemischen Charakter der modalen Asymmetrie, auf die sich Hegel mit seiner These, dass wir geschichtliche Entwicklungen erst ex post als notwendig erkennen können, festlegt.
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Zwischenspiel, in der seinerzeitigen Diskussion um das Erbe des Idealismus erscheinen. Die genauere Prüfung des Textes hat gezeigt, dass dieser Eindruck täuscht. Climacus’ Modaltheorie beruht auf kontroversen, aber im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Nezessitarismus und dem Hegelianismus durchaus verständlichen Annahmen, für die der Text zumindest ansatzweise auch mit tragfähigen Gründen argumentiert. Außerdem hat sich gezeigt, dass der kritischen Auseinandersetzung Kierkegaards mit Hegels Philosophie in diesem Text eine wesentliche Divergenz hinsichtlich des Verhältnisses von Zeit, Modalität und Freiheit zu Grunde liegt. Diese Divergenz ist auch über die spezifischen Fragestellungen des „Zwischenspiels“ hinaus wichtig und betrifft Kierkegaards Stellung zum deutschen Idealismus insgesamt. Denn zumindest zu bestimmten Zeitpunkten in ihren philosophischen Karrieren teilen Fichte, Schelling und Hegel bei allen sonstigen Unterschieden in ihren Positionen die (an Spinoza angelehnte) These, dass sich das Absolute notwendig in einer endlichen Welt manifestiert. Verbunden mit der Annahme, dass das Absolute selbst notwendig existiert, ergibt sich hieraus die Konsequenz, dass entweder Teile der Welt (wie bei Hegel) oder sogar alles, was es gibt (Nezessitarismus), mit absoluter Notwendigkeit existieren. Indem Kierkegaard im „Zwischenspiel“ der Philosophischen Brocken sein Pseudonym Johannes Climacus gegen diese Position die Annahme eines freien Schöpfungsakts und damit die durchgängige Kontingenz der Welt (zumindest was absolute Notwendigkeit angeht) verteidigen lässt, leistet er einen wesentlichen Beitrag zu den Debatten über die Metaphysik der Modalität in der nach-Kantischen Philosophie.
Anhang: Der ontologische Status der Möglichkeit im „Zwischenspiel“ Wir haben in Abschnitt 3. den Begriff „Seinunrealisiert“ eingeführt, um Climacus’ Gebrauch des Seins-Begriffs in Bezug auf die Kategorie der Möglichkeit zu disambiguieren. Dies wirft die Frage auf, wie dieser Modus des Seins genauer zu verstehen ist. Dass Kierkegaard hier überhaupt von „Sein“ redet, legt ein im weitesten Sinne Meinongianisches Bild nahe, nach dem die nicht realisierten Wesen dennoch eine sui-generis-Form eigenen Seins haben – nennen wir es „Subsistenz“. Die folgende Aussage Climacus’ spricht für diese Lesart: „Alles Werden ist ein Leiden, und das Notwendige kann nicht leiden, nicht das Leiden der Wirklichkeit leiden, welches darin besteht, daß das Mögliche (nicht bloß das Mögliche, welches ausgeschlossen wird, sondern sogar das Mögliche, welches aufgenommen wird) sich als ein Nichts erweist in dem Augenblick da es vernichtet
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wird; denn durch die Wirklichkeit ist die Möglichkeit vernichtet“ (8/70; IV 237). Wenn das bloß Mögliche – und zwar nicht nur diejenige Möglichkeit, die es neben der realisierten Variante noch gegeben hätte, sondern auch die tatsächlich realisierte Möglichkeit – in der Verwirklichung etwas erleiden soll, dann musste es zuvor etwas in irgendeinem Sinne Positives besitzen, das es in der Verwirklichung verliert, so dass es sich nun „als ein Nichts erweist“.Wenn das Seinunrealisiert in einer Art von Subsistenz besteht, dann ergibt diese merkwürdige Passage einen sehr klaren Sinn: Werden ist Leiden, weil das Wesen im Werden zwar die Existenz gewinnt, zugleich aber seine bisherige Subsistenz verliert. Es gibt allerdings in Climacus’ Text auch Hinweise auf andere mögliche Lesarten des Seinunrealisiert. Zum einen verweist er in einer Klammerbemerkung in §3 ohne weiteren Kommentar auf Leibniz’ Theorie der möglichen Welten. Das Seinunrealisiert könnte also in der Zugehörigkeit eines Wesens zu einer nicht-aktualen möglichen Welt bestehen¹⁰³. Allerdings passt dies weniger gut zu dem, was Climacus’ sonst über Möglichkeit und deren Träger sagt. Der paradigmatische Fall von Möglichkeit sind für Climacus Wesen, die bis zu einem Zeitpunkt t bloß möglich waren und beim darauffolgenden Zeitpunkt t1 Existenz erhalten. Der Vergleich von Möglichkeit und Wirklichkeit scheint also eher ein diachrones Verhältnis von (möglichen und wirklichen) Gegenständen innerhalb derselben Welt zu betreffen als ein synchrones Verhältnis von (möglichen und wirklichen) Gegenständen in verschiedenen Welten, und dies spricht dagegen, dem Verweis auf Leibniz’ mögliche Welten allzuviel Gewicht beizumessen. Zum anderen könnte man Climacus’ Rede von Möglichkeit so verstehen, dass Möglichkeiten immer an bestimmte Prozesse innerhalb der Sphäre der Kontingenz gebunden sind. Nicht alle beliebigen (widerspruchsfrei denkbaren) Gegenstände sind immer und überall möglich, sondern nur die Gegenstände, deren Werden jeweils eine konkrete Option ist – insbesondere eine Handlungsoption, denn der Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit soll ja stets direkt oder indirekt „durch die Freiheit“ geschehen. In diesem Fall wären zu jedem gegebenen Zeitpunkt nur diejenigen Gegenstände möglich, die durch die zu diesem Zeitpunkt wirklich vorhandenen Tätigkeiten und Fähigkeiten zu Tätigkeiten hervorgebracht werden können. Das hätte zum einen zur Folge, dass modale Tatsachen ihren Grund in der Wirklichkeit und nicht in einer eigenen Sphäre von Possibilia haben, und zum anderen, dass Climacus’ Möglichkeitsbegriff – der in der Meinongianischen Lesart in etwa rein logischer Möglichkeit entspricht – auf eine Form von realer (physikalischer und psychologischer) Möglichkeit restringiert würde. Diese „dispositionale“ Deutung der Climacusschen Möglichkeit kann zwar mit der
So scheint Waaler (1998), 281 Climacus zu verstehen.
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Passage über das Werden als Leiden bei weitem nicht so gut umgehen wie die Meinongianische Interpretation, passt dafür aber gut zum Zusammenhang zwischen Kontingenz, Werden und Freiheit sowie allgemein zum aristotelischen Hintergrund der Diskussion¹⁰⁴. Welche Lesart letztlich die befriedigendere ist, sei hier dahingestellt¹⁰⁵.
Auf das Primat der Wirklichkeit gegenüber der Möglichkeit bei Aristoteles weist auch Tennemann, Geschichte der Philosophie, Bd. 3, 238 hin. Für wertvolle Hinweise und Kritik zu diesem Beitrag gilt mein Dank Marcela García und Erasmus Mayr.
Jan Rohls
Kierkegaards Reflexionen über Geist und Sünde im Kontext des deutschen Idealismus Dass der Mensch Geist ist, steht für Kierkegaard außer Frage. Seine 1849 erschienene Schrift „Die Krankheit zum Tode“, eine „christlich-psychologische Entwicklung zur Erbauung und Erweckung“, beginnt mit den berühmten Worten: Der Mensch ist Geist. Aber was ist Geist? Geist ist das Selbst. Aber was ist das Selbst? Das Selbst ist ein Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält, oder ist das im Verhältnis, daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält; das Selbst ist nicht das Verhältnis, sondern daß das Verhältnis sich zu sich selbst verhält.¹
Wenn man den Menschen durch das Verhältnis von Seele und Leib charakterisiert sein lässt, so macht dieses Verhältnis noch nicht den Menschen als Geist oder Selbst aus. Sondern zum Geist wird der Mensch erst dadurch, dass dieses Verhältnis sich zu sich selbst verhält. Dieses Selbstverhältnis des Verhältnisses von Seele und Leib ist das positive Dritte neben Seele und Leib, nämlich das Selbst oder der Geist. Allerdings ist das als Geist bezeichnete Selbstverhältnis für Kierkegaard nicht etwas naturwüchsig Gegebenes, sondern der Mensch wird Geist, und zwar wird er Geist durch seine eigene Tat. Er setzt sich als Geist, das heißt: er, gefasst als das Verhältnis von Seele und Leib, setzt sich in ein bewusstes Verhältnis zu sich selbst. In seiner 1844 erschienenen Schrift „Der Begriff Angst“ stellt Kierkegaard eine Verbindung her zwischen der Konstitution des Menschen als Geist und der Sünde, so dass Geistlehre und Sündenlehre bei ihm aufs engste miteinander verflochten sind. Allerdings ist die Sündenlehre, wie Kierkegaard sie konzipiert, nicht die vom antipelagianischen Augustin geprägte Sündenlehre der altprotestantischen Orthodoxie.Von ihr setzt er sich vielmehr ausdrücklich ab. Die orthodoxe Sündenlehre, wie sie Kierkegaard vor allem durch die Bekenntnisschriften und die Dogmatik des Luthertums vermittelt wurde, geht von einem paradiesischen Urstand aus, in dem Adam als der erste Mensch alle Vollkommenheiten besaß, die er dann durch den Sündenfall verlor. Adams Fall hat dann seinerseits die Vererbung der Sünde an seine gesamte Nachkommenschaft, das Menschengeschlecht, also die Erbsünde als Strafe für die erste Sünde zur Folge. Kierkegaard lehnt genau diese Sündenlehre als Phantasiekonstruktion ab.
Kierkegaard 1976d, 31.
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Die Geschichte des Menschengeschlechtes erhielt einen phantastischen Anfang, Adam wurde phantastisch außerhalb ihrer gestellt, das fromme Gefühl und die fromme Phantasie bekamen, was sie verlangten: ein frommes Vorspiel; aber das Denken ging leer aus.²
Zwar leugnet Kierkegaard nicht die Historizität von Adams Fall, und er bestreitet auch nicht, dass sich von Adam als erstem Menschen aus die Sünde über die Menschheit immer stärker ausgebreitet hat. Aber die Sonderrolle, die die orthodoxe Dogmatik Adam als dem Protoplasten zuweist, stellt ihn völlig außerhalb der übrigen Menschheit und macht ihn zu einer Ausnahmegestalt. Wenn Adam der erste Mensch ist, so muss er Kierkegaard zufolge in Bezug auf die Sünde genau so gesehen werden wie alle übrigen Menschen. Oder – umgekehrt formuliert –: wie Adam gesündigt hat, so sündigt jeder Mensch. Dies hat seinen tiefsten Grund in dem, was das Wesentliche in der menschlichen Existenz ist, daß nämlich der Mensch Individuum ist und als solches zugleich er selbst und das ganze menschliche Geschlecht, und zwar in der Weise, daß das ganze Geschlecht am Individuum und das Individuum am ganzen Geschlecht partizipiert.³
Auch für Adam gilt daher, dass er er selbst und das ganze Geschlecht ist. „Was darum Adam erklärt, erklärt auch das Geschlecht, und umgekehrt.“⁴ Wie Adam er selbst und das ganze Geschlecht ist, so ist jeder Mensch er selbst und das ganze Geschlecht, so dass das ganze Geschlecht am Individuum und das Individuum am ganzen Geschlecht teilhat. Wenn man also sagen will, die Sünde der Menschheit sei durch Adams Sünde in die Welt gebracht, so kann man dies Kierkegaard zufolge von jedem Individuum sagen, dass es durch seine erste Sünde die Sündigkeit in die Menschheit hineinbringt. Der traditionelle Unterschied zwischen der Sünde Adams und der Sünde irgendeines anderen Menschen fällt daher weg. Es ist also nicht so, dass Adams Sünde die Sündhaftigkeit zur Folge hat, während die erste Sünde jedes anderen Menschen die Sündhaftigkeit voraussetzt. Zwar bestreitet Kierkegaard gar nicht, dass die Geschichte der Sündhaftigkeit von Adam ausgeht, aber diese Geschichte bewegt sich in quantitativen Schritten, wogegen die Sünde stets durch einen qualitativen Sprung des Individuums in die Geschichte eintritt. Da nun das Geschlecht nicht mit jedem Individuum wieder von vorne anfängt, erhält die Sündhaftigkeit des Geschlechtes allerdings eine Geschichte. Diese schreitet indessen in
Kierkegaard 1976e, 467. Kierkegaard 1976e, 470 f. Kierkegaard 1976e, 472.
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quantitativen Bestimmungen fort, während das Individuum im Sprung der Qualität daran teilnimmt.⁵
Wie von Adam kann man daher von jedem Individuum sagen, dass durch seine Sünde die Sündhaftigkeit in die Welt kommt. Dass die Sünde „vor Adams erster Sünde nicht da war, ist eine im Verhältnis zur Sünde selbst ganz zufällige und außerhalb des Zusammenhanges liegende Reflexion, die in keiner Weise die Bedeutung oder das Recht hätte, Adams Sünde größer oder jedes anderen Menschen erste Sünde kleiner zu machen“⁶. Die Sünde kommt demnach durch jeden Einzelnen auf eine gleichartige Weise in die Welt. Sie kommt aber in die Welt durch die Sünde jedes Einzelnen. Das heißt, dass die Existenz der Sünde nicht aus einem sündlosen Zustand abgeleitet werden kann, sondern die Sünde immer schon voraussetzt. Die Sünde kommt also hinein als das Plötzliche, das heißt durch den Sprung. Dieser Sprung jedoch setzt zugleich die Qualität; indem aber die Qualität gesetzt ist, ist der Sprung im gleichen Augenblick in die Qualität hineingenommen und von der Qualität vorausgesetzt, und die Qualität vom Sprunge.⁷
Für Kierkegaard ist dieser als Sprung bezeichnete Fall, den jeder Mensch vollzieht, nichts Vermeidbares, sondern es handelt sich um einen Akt der Selbstwahl, in dem sich das Selbst erst als freies konstituiert. Dabei ist der Fall, insofern er identisch ist mit der ethischen Selbstwahl des Menschen, einerseits notwendig für die Geistwerdung des Menschen, andererseits aber wird er negativ qualifiziert. Die biblische Geschichte vom Sündenfall schildert für Kierkegaard den Vollzug der Geistwerdung des Menschen, der zugleich der bei jedem wiederkehrende Übergang vom Stand kindlicher Unschuld in den Stand der Sünde oder Schuld ist. Mit dieser Verbindung von Geistwerdung und Sündenfall steht Kierkegaard in der Tradition der Deutung des Sündenfalls, wie sie sich in der Epoche des deutschen Idealismus seit Kant ausgebildet hat.
1 Kant und Schiller In seiner 1786 erschienenen Abhandlung „Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte“, entstanden als Reaktion auf Herders geschichtsphilosophische
Kierkegaard 1976e, 477. Kierkegaard 1976e, 474. Kierkegaard 1976e, 475.
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Rekonstruktion, liefert Kant eine einflussreiche Deutung der biblischen Erzählung von paradiesischem Urstand und Fall. Kant bezeichnet seine Mutmaßungen als eine bloße Lustreise, bei der er sich dieser „heiligen Urkunde“ Gen 2– 6 als Karte bedient. Er beginnt mit der aus keiner vorangehenden Naturursache vernünftig ableitbaren Existenz des Menschen in seiner ausgebildeten Größe, und zwar des Menschen in Gestalt eines ersten Paares, da nur so die Fortpflanzung erklärt werden kann. Zudem muss es sich um ein einziges Paar handeln, damit nicht sofort Krieg zwischen verschiedenen Gruppen entstehe. Dieses erste Menschenpaar lebt sicher vor Raubtieren und ausgestattet mit Nahrungsmitteln unter einem milden Himmelsstrich, also gleichsam in einem Garten. Es hat bereits einen mächtigen Entwicklungsschritt getan, insofern es sich seiner natürlichen Kräfte zu bedienen weiß. Das erste Menschenpaar konnte also stehen und gehen, es konnte sprechen und denken, alles Fähigkeiten, die nicht angeboren, sondern selbst erworben sind. Denn diese Geschicklichkeit ist die notwendige Voraussetzung der Entwicklung der Sittlichkeit des Menschen, um deren Erklärung es Kant geht. Dass der Mensch im Paradies von allen Früchten, ausgenommen den Früchten vom Baum der Erkenntnis, essen darf, das sagt ihm sein Instinkt als Stimme Gottes. Solange nun der unerfahrene Mensch diesem Instinkt gehorchte, ging es ihm gut. Dann aber fing die Vernunft sich an zu regen und versuchte beispielsweise über den nicht instinktgebundenen Gesichtssinn sich etwas vorzustellen, was die Kenntnis der Nahrungsmittel über die Schranken des Instinkts hinaus erweitert. Dadurch entstanden entbehrliche und sogar naturwidrige Neigungen. Die Veranlassung,von dem Naturtriebe abtrünnig zu werden, durfte nur eine Kleinigkeit sein; allein der Erfolg des ersten Versuchs, nämlich sich seiner Vernunft als eines Vermögens bewusst zu werden, das sich über die Schranken, worin alle Thiere gehalten werden, erweitern kann, war sehr wichtig und für die Lebensart entscheidend.⁸
Mochte der erste Schritt auch noch so gering gewesen sein, der Mensch entdeckte durch diesen ersten Versuch einer freien Wahl in sich das Vermögen, sich selbst eine Lebensweise auszuwählen und, anders als die Tiere, nicht an eine einzige, instinktmäßig festgelegte gebunden zu sein. Auf das augenblickliche Wohlgefallen, das ihm dieser bemerkte Vorzug erwecken mochte, musste doch sofort Angst und Bangigkeit folgen: wie er, der noch kein Ding nach seinen verborgenen Eigenschaften und entfernten Wirkungen kannte, mit seinem neu entdeckten Vermögen zu Werke gehen sollte.⁹
Kant 1968a, 111 f. Kant 1968a, 112.
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Er stand am Rand eines Abgrunds, da ihm nun, vom Instinkt befreit, statt genau bestimmten Gegenständen seiner Nahrungsbegierde eine Unendlichkeit solcher Gegenstände eröffnet wurde. Doch damit nicht genug. Auch der Sexualinstinkt, die Grundlage der Fortpflanzung, wurde durch die von der Vernunft beeinflusste Einbildungskraft tangiert. Darin besteht die zweite Stufe in der Entwicklung der Vernunft im Menschen. Das biblische Feigenblatt zeugt bereits von dem Bewusstsein einer gewissen Herrschaft der Vernunft über den bloßen Sexualtrieb. Weigerung war das Kunststück, um von bloß empfundenen zu idealischen Reizen, von der bloß thierischen Begierde allmählig zur Liebe und mit dieser vom Gefühl des bloß Angenehmen zum Geschmack für Schönheit anfänglich nur an Menschen, dann aber auch an der Natur überzuführen. Die Sittsamkeit, eine Neigung durch guten Anstand Andern Achtung gegen uns einzuflößen, als die eigentliche Grundlage aller wahren Geselligkeit, gab überdem den ersten Wink zur Ausbildung des Menschen als eines sittlichen Geschöpfs.¹⁰
Die dritte Stufe in der Entwicklung der Vernunft ist die Erwartung des Künftigen. Der Mensch geht nicht im Genuss der Gegenwart auf, sondern macht sich die Zukunft gegenwärtig, um sich auf zeitlich entfernte Zwecke vorzubereiten. Mit dem Bezug auf die Zukunft verbindet sich aber nicht nur Hoffnung, sondern auch Sorge und Todesfurcht. Der vierte und letzte Schritt in der Vernunftentwicklung liegt in der Erkenntnis, dass er, der Mensch, in Gleichheit mit allen anderen Menschen, selbst der Zweck der Natur und demnach allen Tieren überlegen sei.Wohl die Tiere dürfen von ihm als Mittel gebraucht werden, nicht aber darf der Mensch, als mit allen anderen Menschen gleich, andere Menschen nur als Mittel behandeln, da der Mensch Zweck an sich selbst ist. Die Entlassung des Menschen aus seinem rein natürlichen Dasein, die mit der Entwicklung seiner Vernunft einhergeht, ist so zwar einerseits ehrenvoll, aber andererseits auch gefahrvoll, da der Schritt aus dem sicheren Garten der Natur in die weite Welt mit der Erwartung von Sorgen, Mühen und Übeln verbunden ist. Es mag wohl in ihm zuweilen der Wunsch nach einer Rückkehr ins Paradies aufkeimen. Aber es lagert sich zwischen ihm und jenem eingebildeten Sitz der Wonne die rastlose und zur Entwickelung der in ihn gelegten Fähigkeiten unwiderstehlich treibende Vernunft und erlaubt es nicht, in den Stand der Rohigkeit und Einfalt zurück zu kehren, aus dem sie ihn gezogen hatte¹¹.
Kant 1968a, 113. Kant 1968a, 115.
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Der Ausgang des Menschen aus dem Paradies ist also für Kant der „Übergang aus der Rohigkeit eines bloß thierischen Geschöpfes in die Menschheit, aus dem Gängelwagen des Instincts zur Leitung der Vernunft, mit einem Worte, aus der Vormundschaft der Natur in den Stand der Freiheit gewesen“¹². Die Bestimmung seiner Gattung besteht aber in dem Fortschreiten zur Vollkommenheit, auch wenn die ersten Schritte auf diesem Weg fehlerhaft sein mögen. Die Geschichte der Menschheit wird so als Fortschrittsgeschichte konzipiert, die vom Schlechteren zum Besseren führt. Das betrifft aber nur die Gattungsgeschichte des Menschen, nicht den Menschen als Individuum. Ehe die Vernunft erwachte, war noch kein Gebot oder Verbot und also noch keine Übertretung; als sie aber ihr Geschäft anfing und, schwach wie sie ist, mit der Thierheit und deren ganzen Stärke ins Gemenge kam, so mussten Übel und, was ärger ist, bei cultivirterer Vernunft Laster entspringen, die dem Stande der Unwissenheit, mithin der Unschuld ganz fremd waren. Der erste Schritt also aus diesem Stande war auf der sittlichen Seite ein Fall; auf der physischen waren eine Menge nie gekannter Übel des Lebens die Folge dieses Falls, mithin Strafe. Die Geschichte der Natur fängt also vom Guten an, denn sie ist das Werk Gottes; die Geschichte der Freiheit vom Bösen, denn sie ist Menschenwerk.¹³
Gattungsgeschichtlich, auf die Natur bezogen, bedeutet die Entwicklung der Vernunft also einen Gewinn, da sie die allmähliche Kultivierung des Menschen mit sich bringt. Individualgeschichtlich bedeutet sie hingegen einen Verlust an instinktmäßiger Sicherheit und sittliche Lasterhaftigkeit. Das Individuum muss daher alles Böse, das es verübt, und alles Übel, das es erduldet, als selbstverschuldet ansehen, während es als Glied der Menschheitsgattung alles dies zugleich als Moment der zweckmäßigen Fortschrittsgeschichte betrachten muss. Kants Abhandlung legte Friedrich Schiller 1790 seinem Aufsatz „Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde“ zugrunde¹⁴. Auch er sieht den Menschen im Anfangsstadium von der Vorsehung durch den Instinkt gesteuert, da die Vernunft in ihm noch nicht ausgebildet war. Die Natur stellte dem Nahrungsbedürfnis genügend Nahrungsmittel zur Verfügung und leitete ihn durch die Sinnesorgane bei der Wahl. Die klimatischen Verhältnisse erlaubten ihm die Nacktheit, der Frieden sicherte ihm ein wehrloses Leben, und der Geschlechtstrieb sorgte für den Erhalt seiner Gattung. Als Pflanze und Tier war der Mensch so vollendet. Doch auch seine Vernunft hatte schon begonnen, sich zu entfalten, so dass es zur Ausbildung der Sprache kam.Wenn die Vorsehung auf dieser Stufe der Entwicklung stehen geblieben wäre, so wäre aus dem Men-
Kant 1968a, 115. Kant 1968a, 115. Vgl. Schiller 2004, 767– 772.
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schen zwar das glücklichste und geistreichste Tier geworden. Aber er wäre niemals aus der Vormundschaft des Naturtriebs getreten und seine Handlungen wären niemals frei und somit moralisch geworden. Er wäre also niemals über die Grenze der Tierheit hinausgeschritten, sondern hätte eine ewige Kindheit verlebt. Doch der Mensch war zu etwas ganz anderem bestimmt, und die in ihm schlummernden Kräfte riefen ihn zu einer ganz anderen Art von Glückseligkeit. Was zuvor der natürliche Instinkt für ihn geleistet hatte, sollte er mit seiner Mündigkeit selbst für sich selbst übernehmen. Er selbst sollte der Schöpfer seiner Glückseligkeit werden. Er sollte den Stand der Unschuld, den er mit seiner Mündigkeit verlor, wieder aufsuchen lernen durch seine Vernunft und als freier vernünftiger Geist dahin zurückkommen, wovon er als Pflanze und Kreatur des Instinkts ausgegangen war. Aus einem Paradies der Unwissenheit und Knechtschaft sollte er sich zu einem Paradies der Erkenntnis und der Freiheit hinaufarbeiten, in dem er dem moralischen Gesetz in seinem Innern ebenso unwandelbar gehorchen würde wie anfangs seinem Instinkt. Mit dem vollen Erwachen der Vernunft riss der Mensch sich daher, von einem Triebe gereizt, den er selbst noch nicht kannte, von dem leitenden Instinkt los, unwissend, was er in diesem Augenblick Großes tat, und warf sich mit seiner noch schwachen Vernunft in das wilde Spiel des Lebens. Er begab sich damit auf den gefährlichen Weg zur moralischen Freiheit. Schiller wie Kant deutet die Stimme Gottes, die ihm vom Baum der Erkenntnis zu essen verbot, als Stimme des natürlichen Instinktes, so dass der vermeintliche Ungehorsam des Menschen gegen das göttliche Verbot nichts anderes ist als ein Abfall von seinem Instinkt. Es handelt sich also um die erste Äußerung seines Selbstbewusstseins und den ersten Anfang seines moralischen Daseins. Dieser Abfall des Menschen vom Instinkt, der zwar das moralische Übel in die Schöpfung brachte, aber nur um das moralisch Gute darin möglich zu machen, ist für Schiller die glücklichste und größte Begebenheit in der Geschichte der Menschheit. Denn hier wurde der Grund gelegt für seine Freiheit und Moralität.Wohl handelt es sich um einen Fall, weil der Mensch aus einem unschuldigen Geschöpf ein schuldiges und aus einem vollkommenen Zögling der Natur ein unvollkommenes moralisches Wesen wurde. Doch Schiller gibt Kant darin Recht, diesen Übergang als einen Riesenschritt der Menschheit zu bezeichnen, da der Mensch aus einem Sklaven des Naturtriebs ein freihandelndes Geschöpf, aus einem Automaten ein sittliches Wesen wurde. Mit diesem Schritt trat er zuerst auf die Leiter, die ihn nach vielen Jahrtausenden zur Selbstherrschaft führen wird. Zwar musste er mit dem Verlust des instinktgesteuerten Lebens durch mühevolle Arbeit seine Bedürfnisse befriedigen und sich gegen Feinde sichern. Aber nur in diesem Kampfe konnte er seine Vernunft und Sittlichkeit ausbilden.
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2 Kant, Tieftrunk und Fichte Kant hat es allerdings nicht dabei belassen, den biblischen Sündenfall nur unter geschichtsphilosophischem Gesichtspunkt als notwendigen Schritt zur Ausbildung der Kultur und Sittlichkeit des Menschen zu interpretieren.Vielmehr bezieht er ihn in seiner 1793 erschienenen Schrift „Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ aus moralphilosophischer Perspektive auch auf jedes einzelne Individuum. Diese Perspektivenverschiebung beinhaltet aber auch eine andere Deutung des Sündenfalls. Was er in der geschichtsphilosophischen Abhandlung beschreibt, ist eine innergeschichtliche Entwicklung. Der Übergang des Menschen aus einer tierisch-instinkthaften Verfasstheit zu einem freien Kulturwesen ist ein Vorgang in der Zeit, der sich am mutmaßlichen Anfang der Menschheitsgeschichte ereignet hat. In der Religionsschrift geht es Kant hingegen darum, in Bezug auf jeden einzelnen Menschen die Frage zu beantworten, weshalb er moralisch böse ist. Dass der Mensch moralisch böse ist und dass seine Bosheit selbstverschuldet ist, hatte er auch in der geschichtsphilosophischen Abhandlung nicht in Frage gestellt, ohne dass er in ihr allerdings eine Antwort auf jene Frage gegeben hätte. In der Religionsschrift geht er hingegen zunächst davon aus, dass jeder Mensch nicht nur faktisch böse ist, sondern auch über einen Hang zum moralisch Bösen verfügt, der aus moralischen, das heißt aus praktisch vernünftigen Gründen nicht als angeboren, sondern nur als vom Menschen sich selbst zugezogen vorgestellt werden darf.Weil dieser Hang jeden Menschen auszeichnet, er also zum Menschen als Gattungswesen gehört, handelt es sich um einen natürlichen Hang. Kant ist zugleich der Auffassung, dass in der menschlichen Natur eine ursprüngliche Anlage zum Guten liegt. Denn zur Bestimmung des Menschen gehört die Anlage für seine Persönlichkeit als eines vernünftigen, zurechnungsfähigen Wesens. „Die Anlage für die Persönlichkeit ist die Empfänglichkeit der Achtung für das moralische Gesetz als einer für sich hinreichenden Triebfeder der Willkür.“¹⁵ Diese Anlage ist der subjektive Grund dafür, dass wir diese Achtung zur Triebfeder in unsere Maximen aufnehmen. Der natürliche Hang des Menschen zum Bösen ist hingegen in seiner höchsten Ausformung, der Bösartigkeit, „der Hang der Willkür zu Maximen, die Triebfeder aus dem moralischen Gesetz andern (nicht moralischen) nachzusetzen“¹⁶. Durch diesen Hang wird die moralische Gesinnung des Menschen verderbt. Da alles moralisch Böse der Freiheit der Willkür entspringen muss, aber bereits der Hang selbst moralisch, das heißt zurechnungsfähig böse ist, muss bereits dieser Hang der Freiheit der Willkür entspringen. Was aber der
Kant 1968b, 27. Kant 1968b, 30.
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Freiheit unserer Willkür entspringt, ist unsere eigene Tat. Daher muss auch der Hang selbst auf unsere eigene Tat zurückgeführt werden. Kant unterscheidet dabei zwei Bedeutungen des Begriffs der Tat. Es kann aber der Ausdruck von einer That überhaupt sowohl von demjenigen Gebrauch der Freiheit gelten, wodurch die oberste Maxime (dem Gesetze gemäß oder zuwider) in die Willkür aufgenommen, als auch von demjenigen, da die Handlungen selbst (ihrer Materie nach, d.i. die Objecte der Willkür betreffend) jener Maxime gemäß ausgeübt werden. Der Hang zum Bösen ist nun That in der ersten Bedeutung (peccatum originarium) und zugleich der formale Grund aller gesetzwidrigen That im zweiten Sinne genommen,welche der Materie nach demselben widerstreitet und Laster (peccatum derivativum) genannt wird¹⁷.
Mit dem ersten Begriff der Tat geht Kant nun aus moralphilosophischen Gründen über das hinaus, was er geschichtsphilosophisch als Erklärung für die moralische Bosheit des Menschen ins Spiel gebracht hat. Denn hier handelt es sich um eine intelligible Tat, die nur durch Vernunft ohne alle Zeitbedingung erkannt werden kann und von jeder empirischen Tat in der Zeit unterschieden ist. Im Vergleich mit den empirischen Taten kann die intelligible Tat, da sie ihnen allen zugrundeliegt, als angeborener Hang bezeichnet werden. Dass der Mensch moralisch böse ist, heißt also, dass er sich zwar des moralischen Gesetzes bewusst ist, aber die Abweichung von ihm in seine oberste Maxime aufgenommen hat. Da dies auf alle Menschen gleichermaßen, also auf den Menschen als Gattungswesen zutrifft, kann der Mensch als von Natur böse bezeichnet werden. Anders ausgedrückt: jeder Mensch verfügt über einen natürlichen Hang zum Bösen, der, obwohl wegen seiner moralischen Qualifikation selbstverschuldet, doch als angeboren und radikal bezeichnet werden kann, weil er den Grund aller Maximen verdirbt. Der Unterschied, ob der Mensch moralisch gut oder böse ist, ergibt sich dabei daraus, welche von beiden Triebfedern seiner Willkür, das moralische Gesetz oder die sinnliche Neigung, er zur Bedingung der andern macht. Der Mensch ist also dadurch böse, dass „er die Triebfeder der Selbstliebe und ihre Neigungen zur Bedingung der Befolgung des moralischen Gesetzes macht“¹⁸. Da er einen natürlichen Hang zu dieser Umkehrung der Triebfedern hat und dieser Hang ihm als intelligible Tat zugerechnet werden kann, ist der Hang selbst moralisch böse. Interessant ist nun, wie sich Kant, der die Frage nach dem Ursprung des Bösen im „Muthmaßlichen Anfang der Menschengeschichte“ geschichtsphilosophisch beantwortet hatte, den ersten Ursprung dieses natürlichen Hangs zum Bösen und damit den Ursprung des Bösen selbst in der
Kant 1968b, 31. Kant 1968b, 36.
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menschlichen Natur denkt. Unter einem ersten Ursprung versteht er entweder einen Zeit- oder einen Vernunftursprung. Wenn die Wirkung auf eine Ursache, die mit ihr nach Freiheitsgesetzen verbunden ist, bezogen wird, wie das mit dem moralisch Bösen der Fall ist: so wird die Bestimmung der Willkür zu ihrer Hervorbringung nicht als mit ihrem Bestimmungsgrunde in der Zeit, sondern blos in der Vernunftvorstellung verbunden gedacht und nicht als von irgend einem vorhergehenden Zustande abgeleitet werden; welches dagegen allemal geschehen muß, wenn die böse Handlung als Begebenheit in der Welt auf ihre Naturursache bezogen wird. Von den freien Handlungen als solchen den Zeitursprung (gleich als von Naturwirkungen) zu suchen, ist also ein Widerspruch¹⁹.
Daher lehnt Kant auch die Vorstellung einer Erbsünde im Sinne einer Vererbung des moralisch Bösen von Adam an alle seine Nachkommen strikt ab. Mehr noch: er lehnt schon den Ausgang der orthodoxen Sündenlehre bei einem ersten Menschen und dessen Fall aus moralphilosophischen Gründen ab. Eine jede böse Handlung muß, wenn man den Vernunftursprung derselben sucht, so betrachtet werden, als ob der Mensch unmittelbar aus dem Stande der Unschuld in sie geraten wäre. Denn: wie auch sein voriges Verhalten gewesen sein mag, und welcherlei auch die auf ihn einfließenden Naturursachen sein mögen, … so ist seine Handlung doch frei und durch keine dieser Ursachen bestimmt, kann also und muß immer als ein ursprünglicher Gebrauch seiner Willkür beurteilt werden.²⁰
Kant meint, dass seine Ansicht vom Ursprung des Bösen sich durchaus mit derjenigen am Anfang der Bibel deckt, die den Ursprung des Bösen als einen Anfang des Bösen in der Menschengattung schildert. Denn indem die Bibel narrativ verfährt, erscheint das, was der Natur der Sache nach als das erste gedacht werden muss, als das erste der Zeit nach. Nach ihr fängt das Böse nicht von einem zum Grunde liegenden Hange zu demselben an, weil sonst der Anfang desselben nicht aus der Freiheit entspringen würde; sondern von der Sünde (worunter die Übertretung des moralischen Gesetzes als göttlichen Gebots verstanden wird); der Zustand des Menschen aber vor allem Hange zum Bösen heißt der Stand der Unschuld.²¹
Der Mensch nahm aufgrund des Übergewichts der sinnlichen Antriebe über die Triebfeder aus dem Gesetz jene in seine Handlungsmaxime auf, fiel so aus der Unschuld und sündigte. Weil aber bei Adam die Unschuld der Zeit nach voraus-
Kant 1968b, 39 f. Kant 1968b, 41. Kant 1968b, 41 f.
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gesetzt wird, spricht man bei ihm von einem Sündenfall, während man bei der Sünde aller Nachkommen bereits einen angeborenen Hang zur Übertretung des moralischen Gesetzes voraussetzt. Doch einen zeitlichen Ursprung dieses Hangs lehnt Kant ab. „Wir müssen aber von einer moralischen Beschaffenheit, die uns soll zugerechnet werden, keinen Zeitursprung suchen; so unvermeidlich dieses auch ist, wenn wir ihr zufälliges Dasein erklären wollen (daher ihn auch die Schrift dieser unserer Schwäche gemäß so vorstellig gemacht haben mag).“²² Einen Zeitursprung des Hangs zum Bösen gibt es demnach nicht, während sein Vernunftursprung uns unerforschlich bleibt, weil das Böse nur aus dem Bösen entspringen kann und wir also bei der Auskunft stehen bleiben müssen, dass der Hang zum Bösen unsere eigene intelligible Tat ist. Diese Unbegreiflichkeit bringt die biblische Erzählung Kant zufolge dadurch zum Ausdruck, dass sie das Böse zunächst in einem gefallenen Geist, dem Teufel, verortet, so dass der erste Anfang des Bösen überhaupt für uns völlig entzogen ist. Insofern der Mensch durch diesen Geist verführt wird, ist er selbst nicht von Grund auf verderbt, sondern ist aufgrund seiner Anlage zum Guten der Besserung fähig. Von Seiten der protestantischen Theologie wurde dieser Ansatz durchaus rezipiert, am getreuesten wahrscheinlich von dem Hallenser Johann Heinrich Tieftrunk. In seiner 1795 publizierten „Censur des christlichen protestantischen Lehrbegriffs nach den Principien der Religionskritik“ kommt er auch auf den Ursprung des Bösen im Menschen zu sprechen, der auch von ihm als Vernunftursprung gefasst wird. Weiter könne man in der Erklärung nicht kommen, da der erste subjektive Grund der Wahl moralischer Maximen unerforschlich sei; denn da diese Annehmung frei ist, so kann man den Grund derselben nicht in einer Triebfeder der Natur, sondern immer nur wieder in einer Maxime suchen und da auch diese wiederum ihren Grund haben muß, außer der Maxime aber kein Bestimmungsgrund angeführt werden kann und soll, so wird man in der Reihe der subjektiven Bestimmungsgründe immer weiter zurück gewiesen, ohne je auf den ersten Grund zu kommen. Eine jede böse Handlung muß, wenn man den Vernunftursprung sucht, so angesehen werden als ob der Mensch unmittelbar aus dem Stande der Unschuld in sie gerathen wäre.²³
Denn der Mensch ist zu jedem Zeitpunkt frei und mit einer von der Freiheit nicht ablösbaren natürlichen Anlage zum Guten ausgestattet.Wenn man nun bei jedem Menschen einen Hang zum moralisch Bösen annimmt, also eine ursprüngliche Sünde, und diese gleichfalls auf eine freie Tat des Menschen zurückführt, dann spielt sich an jedem einzelnen Menschen das ab, was die biblische Erzählung vom
Kant 1968b, 43. Tieftrunk 1795, 119.
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Sündenfall nur auf den ersten Menschen bezieht. Doch Tieftrunk interpretiert die Geschichte so, dass sie eine Aussage über den Menschen als solchen enthält. Der Mensch, wie er aus der Hand seines Schöpfers kam, war mit Anlagen zum Guten ausgerüstet und lebte anfänglich im Stand der Unschuld. Da er kein reinvernünftiges, sondern ein zugleich von Sinnenneigungen afficirtes und versuchtes Wesen war, so erging das sittliche Gesetz als göttlicher Wille an ihn unter dem Namen eines Gebots und Verbots. Anstatt nun diesem Willen Gottes einzig und unbedingt zu folgen, sah er sich noch nach andern Triebfedern der Willkühr um, und machte es sich zur Maxime, dem Gesetze, nicht um des Gesetzes willen, sondern auch aus andern Absichten, zu folgen.²⁴
So kam es schließlich dazu, dass er sich die Unterordnung des Gesetzes unter die Neigung zur Maxime machte, und eben darin bestand der Sündenfall. Auch Tieftrunk lehnt nicht anders als Kant jede Erbsündentheorie als unvereinbar mit der Freiheit des Menschen ab. Wir sind nicht darum schuldig, weil Adam gesündigt hat, sondern weil wir alle gleicher Weise wie er gesündigt haben. Der Zeitursprung der Sünde erstreckt sich hierauf bis zum ersten Menschen; der Vernunftursprung aber liegt in jedem Menschen selbst.²⁵
Doch es sind nicht nur theologische Kantianer wie Tieftrunk, die Kants Lehre vom radikalen Bösen übernehmen. Auch Fichte knüpft in seinem „System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre“ von 1798 direkt an Kant an, wenn er nach der Ursache des Bösen im endlichen Vernunftwesen fragt.Wenn der Mensch ein Vernunftwesen ist, dann muss er sich irgendeiner Sache bewusst sein. Was die Gestände seines Bewusstseins angeht, so kennt Fichte eine zeitliche Entwicklung. Am Anfang wird sich der Mensch seines natürlichen Triebes bewusst und handelt ihm gemäß. Zwar verfügt er über formale Freiheit, aber er ist sich seiner Freiheit noch nicht bewusst. Auf diesem Standpunkt ist der Mensch lediglich ein Tier. Indem er aber über sich selbst zu reflektieren beginnt, begibt er sich auf eine höhere Stufe. Durch diese Reflexion reisst sich … das Individuum los vom Naturtriebe, und stellt sich unabhängig von ihm hin, als freie Intelligenz; erhält dadurch für sich selbst das Vermögen, die Selbstbestimmung aufzuschieben; und mit diesem das Vermögen zwischen mehreren Arten, den Naturtrieb zu befriedigen, eine Auswahl zu treffen²⁶.
Tieftrunk 1795, 123. Tieftrunk 1795, 126. Fichte 1971, 179.
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Fichte meint, dass der Mensch auf dieser Entwicklungsstufe zwar durch einen Akt der Freiheit eine Maxime wählen könne. Aber da er sich bislang nur des Naturtriebs bewusst ist, der die Lust zur Triebfeder hat, ist die Maxime nur die der eigenen Glückseligkeit. „Der Mensch wird auf dieser Stufe ein verständiges Thier.“²⁷ Wenn er aber sich selbst überlassen wird und äußere Einflüsse ausgeblendet werden, dann – so Fichte – ist zu erwarten, dass er sich des in ihm vorhandenen Triebes nach absoluter Selbständigkeit bewusst wird. Ist dieses Bewusstsein vorhanden, dann erhebt sich der Mensch zu einer ganz anderen Freiheit. Zunächst gelangt er zu dem, was Fichte die heroische Denkart nennt. Sie ist anders als die vorige Bewusstseinsstufe nicht auf Genuss, sondern auf die unbeschränkte und gesetzlose Oberherrschaft über alles außer uns aus²⁸. Doch von dieser Stufe ist es nur ein Schritt zur letzten Bewusstseinsstufe. Der Mensch hat nichts weiter zu tun, als jenen Trieb nach absoluter Selbständigkeit, der als blinder Trieb wirkend einen sehr unmoralischen Charakter hervorbringt, zum klaren Bewusstseyn zu erheben; und dieser Trieb wird durch diese blosse Reflexion sich in demselben in ein absolut gebietendes Gesetz verwandeln. … Der Mensch weiss nun, dass er etwas schlechthin soll.²⁹
Er soll nämlich das Sittengesetz unbedingt befolgen. Anhangsweise befasst sich Fichte nun auch mit Kants These von einem radikalen Bösen im Menschen. Er bringt sie in Verbindung mit der Tatsache, dass der Mensch zunächst auf der Stufe der eigenen Glückseligkeit stehen bleibt. Das positive radikale Übel liegt für ihn in einer ursprünglichen Trägheit des Menschen zur Reflexion³⁰. Denn der Natur als solcher eignet eine Trägheitskraft, und auf der angegebenen Stufe ist der Mensch nichts mehr als Natur. Unsere Kräfte sind Kräfte der Natur; und ob es gleich die Freiheit ist, die sie belebt, indem die Causalität der Natur mit dem Triebe zu Ende ging, so ist doch die Richtung absolut keine andere, als diejenige, welche die Natur, ihr selbst überlassen, gleichfalls genommen haben würde. … Was aber der ganzen Natur zukommt, muss auch dem Menschen, inwiefern er Natur ist, zukommen: das Widerstreben aus seinem Zustande herauszugehen, die Tendenz in dem gewohnten Geleise zu verbleiben.³¹
Bei dem radikalen Bösen im Menschen handelt es sich Fichte zufolge also um den Hang, beim Gewohnten zu bleiben, und dies ist für ihn die Kraft der Trägheit der
Fichte Fichte Fichte Fichte Fichte
1971, 180. 1971, 186 – 190. 1971, 191. 1971, 199. 1971, 200.
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menschlichen Natur. „Trägheit sonach, die durch lange Gewohnheit sich selbst ins unendliche reproducirt, und bald gänzliches Unvermögen zum guten wird, ist das wahre, angeborene, in der menschlichen Natur selbst liegende radicale Uebel“³² Nicht dass dem Menschen auf dieser Stufe die Kraft fehlen würde, sich über sie zu erheben. Denn diese Kraft ist seine Freiheit. Aber was ihm fehlt, ist das Bewusstsein dieser Kraft und der Antrieb, sie zu gebrauchen. Dieses Bewusstsein und damit auch dieser Antrieb kann nur von außen kommen. Da es einem jeden Individuum, ohnerachtet seiner Trägheit, doch immer möglich bleibt, sich über sie zu erheben, so lässt sich füglich annehmen, dass unter der Menge der Menschen einige sich wirklich emporgehoben haben werden zur Moralität. Es wird nothwendig ein Zweck dieser seyn, auf ihre Mitmenschen einzuwirken³³.
Darin sieht Fichte die Aufgabe der positiven Religion, auf andere zu wirken, um deren moralischen Sinn zu entwickeln.
3 Schelling und Hegel Fichte hält so zwar Kants Annahme eines radikal Bösen in der menschlichen Natur fest. Aber er erblickt den Ursprung dieses Bösen anders als Kant nicht mehr in einer intelligiblen Tat als einem grundlegenden Akt der Freiheit. Sondern das Böse im Menschen besteht darin, dass er auf einer bestimmten Entwicklungsstufe freiwillig verharrt und so gar nicht erst zum Bewusstsein wahrer Freiheit gelangt, das ihm den Antrieb vermitteln könnte, sich zu einem moralischen Wesen weiterzuentwickeln. Der Mensch bleibt so hinter seiner Bestimmung, Geist zu sein, zurück und ist nicht mehr als ein verständiges Tier. Schelling hat in seiner Abhandlung von 1809 „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“ Fichtes Position als einen Rückfall hinter Kant kritisiert. Er beklagt, dass Fichte „in der Sittenlehre wieder dem herrschenden Philanthropismus zufiel und jenes allem empirischen Handeln vorangehende Böse nur in der Trägheit der menschlichen Natur finden wollte“³⁴. Kant hingegen konnte sich Schelling zufolge das radikale Böse nur verständlich machen durch die Annahme eines „subjektiven, aller in die Sinne fallenden Tat vorangehenden Grundes der menschlichen Handlungen, der doch selbst wiederum ein Actus der Freiheit sein müsse“³⁵. Allerdings geht Schelling
Fichte 1971, 202. Fichte 1971, 205. Schelling 1975, 81. Schelling 1975, 81.
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über Kant hinaus, wenn er zunächst die Möglichkeit des Bösen aus der Struktur Gottes ableitet. Er unterscheidet nämlich zwischen dem inneren Grund seiner Existenz, den Gott in sich hat, der Natur in Gott, und Gott als Existierendem³⁶. Die Natur in Gott ist nicht Gott selbst, sondern verstandloser Wille, Sehnsucht und Begierde, die sich in Gott selbst den Verstand erzeugt³⁷. Dementsprechend gibt es auch zwei Willen, den Willen des Grundes und den Willen des Verstandes oder der Liebe. So sind in Gott Dunkel und Licht, und beide Prinzipien bilden in ihm wie im Menschen eine Einheit. Aufgrund dieser Einheit ist der Mensch Geist. Aber während diese Einheit der Prinzipien bei Gott unzertrennlich ist, ist sie beim Menschen zertrennlich³⁸. Damit ist aber die Möglichkeit des Guten und des Bösen beim Menschen gegeben. Denn: Der Mensch ist auf jenen Gipfel gestellt, wo er die Selbstbewegungsquelle zum Guten und Bösen gleicherweise in sich hat: das Band der Prinzipien in ihm ist kein notwendiges, sondern ein freies. Er steht am Scheidepunkt; was er auch wähle, es wird seine Tat sein³⁹.
Im Menschen wirkt nun der Wille des Grundes fort und erregt die Eigenheit und den besonderen Willen. Denn der Wille des Grundes ist es, alles zu partikularisieren, während es der Wille der Liebe ist, alles zu universalisieren⁴⁰. Daher wendet er sich auch gegen die Freiheit, die ja etwas Überkreatürliches ist, und erweckt in ihr die Lust zum Kreatürlichen, wie den, welchen auf einem hohen und jähen Gipfel Schwindel erfasst, gleichsam eine geheime Stimme zu rufen scheint, dass er herabstürze, oder wie nach der alten Fabel unwiderstehlicher Sirenengesang aus der Tiefe erschallt, um den Hindurchschiffenden in den Strudel hinabzuziehen⁴¹.
Schelling spricht von der Angst des Lebens, die so entsteht und den Menschen aus dem Zentrum treibt, in das er erschaffen wurde. Aber trotz dieser Bedrängnis durch den Willen des Grundes bleibt das Böse im Menschen immer die eigene Wahl des Menschen. „Das Böse, als solches, kann der Grund nicht machen, und jede Kreatur fällt durch ihre eigene Schuld“⁴². Das heißt aber, dass der Fall des Menschen auf dessen Freiheit zurückgeführt wird, und zwar auf eine Freiheit
Schelling Schelling Schelling Schelling Schelling Schelling Schelling
1975, 53. 1975, 55. 1975, 58. 1975, 67. 1975, 73. 1975, 74. 1975, 74.
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jenseits von grundloser Willkür und äußerem Zwang.Vielmehr handelt es sich um eine Freiheit, die identisch ist mit der inneren, aus dem Wesen des Handlungssubjekts selbst stammenden Notwendigkeit. Schelling knüpft dabei an Kants Gedanken des intelligiblen Wesens des Menschen an, das außerhalb von Zeit und Kausalität angesiedelt ist. Es kann daher nie durch irgend etwas Vorhergehendes bestimmt sein, indem es selbst vielmehr allem andern, das in ihm ist oder wird, nicht sowohl der Zeit als dem Begriff nach als absolute Einheit vorangeht, die immer schon ganz und vollendet da sein muß, damit die einzelne Handlung oder Bestimmung in ihr möglich sei.⁴³
Die freie Handlung folgt also aus dem intelligiblen Wesen des Menschen. Nun gibt es aber, da Schelling einen reinen Indeterminismus unter Verweis auf Buridans Esel ablehnt, keinen Übergang vom völlig Unbestimmten zum Bestimmten. Das intelligible Wesen kann sich daher nicht in einem freien Akt aus völliger Unbestimmtheit grundlos selbst bestimmen. „Um sich selbst bestimmen zu können, müsste es in sich schon bestimmt sein, nicht von außen freilich, welches seiner Natur widerspricht …; sondern es selber als sein Wesen, d. h. seine eigne Natur, müsste ihm Bestimmung sein.“⁴⁴ Das intelligible Wesen des Menschen kann nur seiner eigenen inneren Natur, seinem Wesen gemäß handeln, so dass seine absolute Freiheit identisch ist mit absoluter Notwendigkeit. Denn – wie Schelling im Anschluss an Spinoza erklärt – „frei ist, was nur den Gesetzen seines eignen Wesens gemäß handelt und von nichts anderem weder in noch außer ihm bestimmt ist“⁴⁵. Das Wesen des Menschen ist daher seine eigene Tat. Schelling bezieht diese Vorstellung am Rande auf die biblische Erzählung vom Fall. Der Mensch ist in der ursprünglichen Schöpfung … ein unentschiedenes Wesen – (welches mythisch als ein diesem Leben vorausgegangener Zustand der Unschuld und anfänglichen Seligkeit dargestellt werden mag) -; nur er selbst kann sich entscheiden. Aber die Entscheidung kann nicht in die Zeit fallen; sie fällt außer aller Zeit und daher mit der ersten Schöpfung (wenngleich als eine von ihr verschiedene Tat) zusammen.⁴⁶
Der empirische Mensch wird also immer schon als derjenige in der Zeit geboren, dessen Wesen von dem intelligiblen Menschen außerhalb der Zeit in einem freien Akt gewählt wurde. Und „so hat der Mensch, der hier entschieden und bestimmt
Schelling Schelling Schelling Schelling
1975, 76. 1975, 76 f. 1975, 77. 1975, 78.
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erscheint, in der ersten Schöpfung sich in bestimmter Gestalt ergriffen und wird als solcher, der er von Ewigkeit ist, geboren, indem durch jene Tat sogar die Art und Beschaffenheit seiner Korporisation bestimmt ist“⁴⁷. Wie der Mensch als intelligibles Wesen sich vorgeburtlich entschieden hat, ist bereits klar. Jeder Mensch hat sich als Bösen gewählt, wobei die Möglichkeit dazu durch den irrationalen Willen des Grundes gegeben war, der im Menschen die Eigenheit und den besonderen Willen erregt. Nachdem einmal in der Schöpfung … das Böse allgemein erregt worden, so hat der Mensch sich von Ewigkeit in der Eigenheit und Selbstsucht ergriffen, und alle, die geboren werden, werden mit dem anhängenden finstern Prinzip des Bösen geboren⁴⁸.
Dieses Böse im Menschen ist also in seinem Ursprung eigene Tat und darum allein ursprüngliche Sünde. „Nur jenes durch eigne Tat, aber vor der Geburt, zugezogene Böse kann daher das radikale Böse heißen“⁴⁹. Aber auch in dem durch das radikale Böse bestimmten Menschen ist das gute Prinzip nicht völlig erstorben, sondern es meldet sich in Gestalt der inneren Stimme seines eigenen besseren Wesens und fordert den Menschen zur Änderung auf. Für Schelling ist der Mensch als intelligibles Wesen bereits im Besitz der Freiheit und zieht sich durch einen freien Akt der Selbstwahl das Böse zu. Der intelligible Mensch will sich selbst als bösen. Dass der Mensch erst durch diesen Schritt der Betätigung der Freiheit Geist wird, ist die These, die kurz zuvor 1807 Hegel in seiner „Phänomenologie des Geistes“ vertreten hatte. Er leitet hier aus dem Begriff Gottes als des absoluten Geistes das Andere seiner selbst, die Welt und das einzelne Selbst, ab. Wie dies einzelne Selbst so unmittelbar erst gesetzt ist, ist es noch nicht Geist für sich; es ist also nicht als Geist; es kann unschuldig, aber nicht wohl gut genannt werden. Daß es in der Tat Selbst und Geist sei, muß es … zunächst sich selbst ein Anderes werden.⁵⁰
Es muss also, um Geist für sich zu werden, aus dem Stand der Unschuld und Unmittelbarkeit heraustreten, und dies geschieht durch die Ausbildung des entgegengesetzten Gedankens des Guten und Bösen. Dieser Schritt, der notwendig ist, damit der Mensch, der an sich Geist ist, auch für sich Geist wird, wird in der biblischen Erzählung vom Sündenfall als ein zufällige Geschichte vorgetragen.
Schelling 1975, 79. Schelling 1975, 80. Schelling 1975, 81. Hegel, TW3, 562.
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Der Mensch wird so vorgestellt, daß es geschehen ist als etwas nicht Notwendiges, – daß er die Form der Sichselbstgleichheit durch das Pflücken vom Baume des Erkenntnisses des Guten und Bösen verlöre und aus dem Zustande des unschuldigen Bewusstseins, aus der arbeitlos sich darbietenden Natur und dem Paradiese, dem Garten der Tiere, vertrieben wurde.⁵¹
Es ist deutlich, dass Hegel sich in seiner philosophischen Interpretation des Sündenfalls nicht an Kants Lehre vom intelligiblen Fall orientiert, wie sie von Schelling weitergesponnen wird. Vielmehr orientiert er sich eher an Kants und Schillers Ausführungen zum mutmaßlichen Anfang der Menschheitsgeschichte, insofern er den Verlust der paradiesischen Unschuld als einen notwendigen Übergang von der tierischen zu einer geistigen Existenzweise des Menschen deutet. Jener Verlust, den die biblische Erzählung am ersten Menschenpaar festmacht, ist also eigentlich ein Gewinn und ein notwendiger Schritt, den jeder Mensch vollziehen muss, um seine Geistigkeit zu realisieren. Hegels Interpretation der Geschichte vom Sündenfall hat sich im Laufe der Zeit nicht mehr grundlegend gewandelt. Noch in seinem vorletzten Kolleg über die „Philosophie der Religion“ 1827 in Berlin lehnt er die orthodoxe Lehre vom paradiesischen Urstand, in dem Adam über eine vollkommene Erkenntnis und Religion verfügt habe, schroff ab. Allerdings liegt der biblischen Erzählung ein richtiger Inhalt zugrunde, schief ist nur die Form, wonach es einen wahrhaften Zustand des Menschen am Anfang der Geschichte gegeben habe. Denn „daß dies Paradies ein verlorenes ist, schon zeigt, daß dieses nicht ein wesentlicher Zustand ist. Das Wahrhafte, das Göttliche geht nicht verloren, es ist ewig, an und für sich bleibend“⁵². Hegel liest aus der biblischen Erzählung heraus, dass der Mensch an sich, seinem Begriff nach Vernunft und Geist ist, und es entspricht der Form der Vorstellung, dass man sich das, was an sich ist, als etwas Vergangenes oder Zukünftiges vorstellt. Allerdings muss sich der Begriff des Geistes realisieren, und diese Realisierung muss von ganz anderer Art sein als der, der als Zustand des Paradieses und der Unschuld beschrieben wird. Denn der Geist ist wesentlich dies, für sich zu sein, frei zu sein, das Natürliche sich gegenüberzustellen, sich aus dem Versenktsein in die Natur herauszuziehen, sich mit ihr zu entzweien und erst durch und aus dieser Entzweiung sich erst mit der Natur zu versöhnen, und nicht nur mit der Natur, sondern ebenso mit seinem Wesen, mit seiner Wahrheit, auch diese sich gegenständlich zu machen, sie sich gegenüberzustellen, sich mit ihr zu entzweien und dadurch zu versöhnen⁵³.
Hegel, TW3, 562. Hegel, VR2, 422. Hegel, VR2, 423.
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Der Anfangszustand des Menschen kann kein wahrhafter sein, weil die geistige Einigkeit die Entzweiung des Menschen mit der Natur und sich selbst voraussetzt. Daher kann der Zustand der Unschuld, von dem der Mensch ausgeht, auch nicht positiv gedeutet werden, da es in ihm weder Gut noch Böse gibt. Es handelt sich bei ihm vielmehr um den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit und damit des Tieres. „In Wirklichkeit ist jene erste natürliche Einigkeit als Zustand, Existenz, nicht ein Zustand der Unschuld, sondern der Zustand der Rohheit, ein tierischer Zustand, ein Zustand der Begierde, der Wildheit überhaupt. Das Tier ist in solchem Zustand nicht gut und nicht böse, der Mensch aber ist im tierischen Zustand wild und böse, das heißt aber nicht, wie er sein soll. Der Mensch, wie er von Natur ist, ist nicht, wie er sein soll; er soll, was er ist, durch den Geist sein, wozu er sich selbst macht“⁵⁴. Daher wird der Genuss vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen von Hegel auch positiv gewertet, weil es zur Realisierung der Geistigkeit des Menschen gehört, dass er zur Erkenntnis des Guten und Bösen gelangt. Dass dieser Genuss mit einem Verbot belegt und somit negativ gesehen wird, geschieht Hegel zufolge deshalb, weil der Mensch durch die Erkenntnis des Guten und Bösen zwar frei wird und zwischen Gut und Böse wählen kann. Aber dies ist bloß der Standpunkt der formalen Freiheit, der zwar notwendig ist, damit der Mensch auch für sich Geist wird. Aber es ist ein Standpunkt, der aufgehoben werden muss in der Vereinigung mit dem Guten, der Versöhnung der Entzweiung. Was die biblische Geschichte vom Sündenfall erzählt, ist für Hegel nicht ein Ereignis in der Vergangenheit, sondern: Es ist die ewige Geschichte der Freiheit des Menschen, daß er aus dieser Dumpfheit, in der er in seinen ersten Jahren ist, herausgeht, zum Licht des Bewußtseins kommt … Das ist die wahrhafte Idee gegen die bloße Vorstellung des Paradieses, dieser dumpfen, bewußt- und willenlosen Unschuld.⁵⁵
Hegel hat diese Ausführungen, die sich in den religionsphilosophischen Vorlesungen in der Einleitung zur Naturreligion finden, später bei der Behandlung des Christentums, also der vollendeten Religion, noch einmal wiederholt. Er unternimmt hier den Versuch, die beiden entgegengesetzten Bestimmungen der theologischen Anthropologie so zu interpretieren, dass sie harmonisieren. Einerseits heißt es, dass der Mensch von Natur gut sei, während andererseits erklärt wird, der Mensch sei von Natur böse. Die erste Aussage bezieht Hegel auf das Wesen, den Begriff des Menschen, die zweite hingegen auf seine faktische Wirklichkeit. Gut ist der Mensch, insofern er seinem Wesen nach, also an sich Geist oder
Hegel, VR2, 424. Hegel, VR2, 427.
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Vernunft und sich als solcher durch Gottebenbildlichkeit auszeichnet. Wie Gott, der absolute Geist, ist auch der Mensch Geist, endlicher Geist. Aber: Der Mensch, insofern er Geist ist, muß, was er wahrhaft ist, wirklich, d. h. für sich sein. Die physikalische Natur bleibt beim Ansich stehen, ist an sich der Begriff. Gerade dieses, daß der Mensch an sich gut ist – dieses ‚an sich’ enthält diesen Mangel.⁵⁶
Im Unterschied zur Natur, die der Notwendigkeit unterworfen ist, soll der Mensch für sich selbst das sein, was er an sich ist. Denn „als Geist ist der Mensch dies, aus der Natürlichkeit herauszutreten, in diese Trennung seines Begriffs und seines unmittelbaren Daseins überzugehen“⁵⁷. Es liegt also im Begriff des Menschen als Geist, dass er nicht so bleiben soll, wie er unmittelbar ist. Unmittelbar ist er aber der natürliche Mensch, der seinen Leidenschaften und Trieben folgt und dem seine natürliche Unmittelbarkeit das Gesetz ist. Der Inhalt des Wollens des natürlichen Menschen ist nur seine triebhafte Neigung, und insofern ist der natürliche Mensch böse. Zwar ist er als Wollender der Form nach nicht mehr, wohl aber dem Inhalt seines Wollens nach Tier. Er ist – wie Kant im „Mutmaßlichen Anfang“ sagt – ein verständiges Tier. Was die orthodoxe Sündenlehre im Anschluss an die Erzählung der Genesis als ersten Zustand der Unschuld bestimmt, ist somit in Wirklichkeit der natürliche tierische Zustand. Im Begriff des Menschen als Geist liegt hingegen die Forderung, dass der Mensch nicht als natürlicher, trieb- und neigungsbestimmter und daher selbstsüchtiger Wille beharre, sondern dass sich sein Wille nach allgemeinen Gesetzen bestimme.Was so von jedem Menschen gilt, stellt die biblische Erzählung als etwas dar, was sich auf den ersten Menschen bezieht. Denn indem Adam von dem verbotenen Baum der Erkenntnis isst,verlässt er den tierischen Stand der Unschuld im Paradies, das heißt im Tiergarten, und erhebt sich zur Erkenntnis des Guten und Bösen. Er entzweit sich also mit dem natürlichen, tierischen Zustand, und erst mit seiner Bewusstwerdung gibt es für ihn überhaupt den Unterschied von Gut und Böse. Damit ist aber zugleich das weitere gegeben, daß der Mensch zu der Unendlichkeit dieses Gegensatzes von Gut und Böse in sich komme und daß er – er ist ein Natürliches – als Natürlichkeit sich böse wisse, daß er dieses Gegensatzes in sich bewußt werde, wisse, daß er der ist, der böse ist. Ebenso aber gehört dazu, daß sich das Böse zugleich auf das Gute bezieht, daß die Forderung des Guten, des Gutseins vorhanden ist, daß er zum Bewußtsein dieses Widerspruchs und zum Schmerz über ihn, über diese Entzweiung kommt.⁵⁸
Hegel, VR3, 221. Hegel, VR3, 221 f. Hegel, VR3, 228.
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Der Mensch verwirklicht also nur dann seinen Begriff als Geist, wenn er über die Erkenntnis des Guten und Bösen seinen eigenen trieb- und neigungsbedingten Willen als böse erkennt und seinen Willen am sittlichen Gesetz ausrichtet.
4 Daub und Vatke Sowohl Schellings als auch Hegels Auffassung über den Ursprung des Bösen im Menschen fanden Eingang in die protestantische Theologie. Was zunächst Hegels Auffassung angeht, so zog der Heidelberger Theologe Carl Daub sie schließlich derjenigen Schellings vor. Dabei hatte Daub selbst in seinem 1816 – 18 erschienenen Werk „Judas Isachariot oder Betrachtungen über das Gute im Verhältnis zum Bösen“ noch Anleihen bei Schelling gemacht, aber im Unterschied zu ihm die Möglichkeit des Bösen im Menschen nicht mit dem Willen des Grundes in Gott begründet, sondern mit Satan als dem vollkommen Bösen. Weil der Mensch von Anfang an dem Wirken Satans ausgesetzt war und er das Böse in seine von Gott geschaffene gute Persönlichkeit aufnehmen konnte, gab es für ihn immer schon ein Gesetz in Form eines Verbots. Während nämlich der Satan sündigen muss, gilt für den Menschen nur, dass er sündigen kann. Das Böse als das positive Gegenteil des Guten existiert somit auf eine zweifache Weise: zum einen in sich selbst als das absolut Böse und zum andern in dem Guten als das subjektiv und objektiv Böse. Im Guten, das heißt in der Schöpfung und vor allem im Menschen, könnte das Böse weder sich selbst bewirken noch dem Guten entgegenwirken, wenn es sich nicht in sich selber bewirkt und dadurch von dem Guten getrennt hätte. Denn „wäre nicht ein Haß ohne alle Liebe (die Gott und seine Schöpfung hassende Macht, das absolut Böse) so würde kein Haß in der Liebe (kein sub- und objectiv böses) möglich seyn“⁵⁹. Dieser Hass aber entsteht als Folge eines von ihm, wenn gleich unbewusst und unüberlegt, doch frey gefassten Entschlusses, das Böse in sich aufzunehmen und in sich wohnen zu lassen. Dieses ihm, d. h. dem Guten, innewohnende Böse ist ein Hang – und wird, genährt von ihm, folglich am Guten zehrend, Liebe zum Bösen.⁶⁰
Das objektiv Böse, das er liebt, sind aber die Werke des Teufels, so dass der Mensch den Teufel in dessen Werken liebt. „Wohin es aber kommen kann, wenn jener Hang Liebe wird, und der, dessen Liebe sie ist, sich mit dem Grunde und Urheber seines Hanges immer mehr befreundet, zeigt Judas Ischariot durch die Art, wie er
Hegel, VR3, 165. Hegel, VR3, 166.
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endigt.“⁶¹ Denn der Selbstmord des Judas ist die Manifestation des durch Gotteshass bedingten Selbsthasses des Satans. 1839 ließ David Friedrich Strauß in den „Hallischen Jahrbüchern für deutsche Wissenschaft und Kunst“ eine längere Abhandlung mit dem Titel „Schleiermacher und Daub, in ihrer Bedeutung für die Theologie unsrer Zeit“ erscheinen, die er noch im selben Jahr in seine Sammlung „Charakteristiken und Kritiken“ aufnahm. Strauß hebt zwar auch mit Recht den Einfluss Schellings auf Daub hervor. Aber gerade was die Freiheitsschrift betrifft, handelt es sich nicht um die Übernahme der dort vertretenen Auffassung vom Ursprung des Bösen. Schelling erklärt die Möglichkeit des Bösen mit dem dunklen Grund in Gott. Der dunkle Grund in Gott, der nicht Gott selbst, sondern nur seine Natur ist, der, für sich wild und regellos sich bewegend, erst durch das aus ihm aufgehende Licht der göttlichen Intelligenz zur Ordnung gebracht wird; der, in der Creatur wirkend, deren Selbstliebe erregt, welche, in sich entzündet, das Böse wird; dieser Grund, der bekanntlich von Beurtheilern der Schelling’schen Schrift der Teufel in Gott genannt worden war -: wie leicht konnte ein mit der übrigen Darstellung Einverstandener sie dadurch zu verbessern, und damit zugleich, was er suchte, ein außer Gott gelegenes Princip der Endlichkeit, gefunden zu haben glauben, wenn er jenes Wesen aus Gott herausnahm, und als Geschöpf, als den Lucifer Jakob Böhme’s hinstellte, der, ursprünglich gut geschaffene, sich im Uebermuthe in sich selbst entzündet, und aus sich sodann die, zuvor noch idealisch reine Welt in einen Brand gesteckt habe, von welchem die dunkle, spröde Körperwelt, in der wir leben, als tote Schlacke zurückgeblieben sei. So kam, vermöge der nahen Beziehung ihrer Form auf die erregbare Einbildungskraft, die Schelling’sche Schrift in Daub zuerst zur Wirksamkeit⁶².
In der Tat weicht Daub gerade in dem entscheidenden und von zahlreichen Zeitgenossen als anstößig empfundenen Punkt von Schelling ab. Der Ursprung des Bösen wird von ihm nicht in Gott selbst, sondern in dem außergöttlichen, geschöpflichen Teufel angenommen. Strauß kritisiert Daubs „Judas Ischariot“ als ein „gnostisches Product“⁶³. Denn für das gnostische Denken sei das „phantastische Umschlagen des Abstracten in’s Concrete, der Begriffe in gemeinte Persönlichkeiten“ charakteristisch⁶⁴. Es konnte nicht überraschen, dass die literarische Öffentlichkeit angesichts der verbreiteten Kritik an der Teufelsvorstellung Daubs Werk nicht begeistert aufnahm. Schließlich musste Daub selbst einsehen, „dass er in eine Sackgasse geraten war, wo, bei der Unmöglichkeit, weiter vorwärts zu gelangen, nichts übrig blieb, als in der Stille umzukehren“⁶⁵. Durch die von ihm
Hegel, VR3, 170. Strauß 1839, 105. Strauß 1839, 122. Strauß 1839, 122. Strauß 1839, 123.
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wesentlich unterstützte Berufung Hegels nach Heidelberg 1816 kam es während der nächsten Jahre zu einer engen Zusammenarbeit Daubs mit dem neuberufenen Philosophen, und mit der Aneignung der Hegelschen Philosophie verzichtete Daub dann auch auf seine Teufelshypothese zur Erklärung des Bösen. In einem Brief vom 19. September 1821 an den inzwischen in Berlin lehrenden Hegel schreibt Daub: Eine einzige Anmerkung zu Ihrer Rechtsphilosophie zu §140 hat mehr geleistet als ich mit allen meinen Heften ‚Judas Ischariot’ betitelt. Hoffentlich werden Sie, teuerster Freund, dieselben ungelesen lassen, denn was könnte Ihnen doch daraus entgegen kommen, wohin durch und worüber hinaus Sie nicht längst schon wären?⁶⁶
Daub nimmt hier Bezug auf den Schluss des Teils der 1821 erschienenen „Grundlinien der Philosophie des Rechts“, in dem Hegel die Moralität behandelt. Als die „letzte abstruseste Form des Bösen, wodurch das Böse in Gutes und das Gute in Böses verkehrt wird“, bezeichnet Hegel dort die „sich als das Absolute behauptende(n) Subjektivität“⁶⁷. Die höchste Form des Bösen ist für ihn also nicht eine außermenschliche Hypostase, sondern die sich absolut setzende menschliche Subjektivität. In seinen 1843 postum edierten Vorlesungen über das „System der theologischen Moral“, schließt sich Daub dieser Position an. In seinen Vorlesungen geht Daub bei der Behandlung der Sündenlehre zunächst auf die verschiedenen Antworten auf die Frage nach dem Ursprung des Bösen ein. Er unterscheidet dort drei Arten von Antworten. Denn die Frage werde entweder aus der theoretischen Menschenkenntnis oder praktisch oder spekulativ beantwortet. Unter den Antworten aus der theoretischen Menschenkenntnis führt Daub auch die traditionelle dogmatische Annahme des Teufels auf. Danach ist der Mensch von Gott ursprünglich vollkommen geschaffen worden, so dass sein Wille seiner Erkenntnis Gottes und des göttlichen Willens völlig gemäß war. Gleichwohl ist in den Willen des Menschen eine dem göttlichen Gesetz widerstreitende Bewegung gekommen. „Aber wie ist dieß Böse in jenen guten Willen gekommen? Die Hypothese antwortet: nur durch einen Willen kann das Böse in den Willen kommen.“⁶⁸ Der Wille Gottes scheidet aus, weil Gott aufgrund seiner Vollkommenheit nur einen guten Willen hat. Doch ebenso scheidet der Wille des Menschen aus, da der Mensch mit einem guten Willen geschaffen wurde. Das Böse kam in den guten Menschen durch einen von Gott erschaffenen Geist, einen Engel, der in seiner Endlichkeit dem Schöpfer untergeordnet war, dem aber diese Unterordnung
Hoffmeister 1953, Brief Nr. 401, 291. Hegel, TW7, 265. Daub 1843, 168.
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missfiel und der daher den Willen fasste, sich von Gott unabhängig zu machen. „So von Gott abgefallen, hat er sich an den von Gott erschaffenen und ihn erkennenden und liebenden Menschen gewendet, und durch seinen bösen Willen den Menschen zum Bösen verlockt.“⁶⁹ Daub, der diese These im „Judas Ischariot“ noch spekulativ untermauert hatte, entdeckt jetzt die Schwierigkeiten, die ihr innewohnen. Denn „was hat den guten Engel bewogen, hochmüthig zu werden? – Hier ist die Frage nach dem Ursprung des Bösen nicht beantwortet“⁷⁰. Eine zweite Schwierigkeit kommt hinzu. Mag der gute Engel ein Teufel geworden sein auf was für eine Art und durch wen auch immer, so ist der Mensch durch ihn doch nicht verführt worden, ohne dass sich der Mensch hat verführen lassen. Der Wille ist aber nicht ein Passives, sondern die Activität selbst.⁷¹
Die Teufelshypothese lässt also ungeklärt, wie Eva dazu kam, sich dem Bösen gegenüber aktiv zu verhalten. Daraus zieht Daub den Schluss, dass die Teufelshypothese gänzlich aufzugeben sei. Bei den Versuchen, das Böse in seinem Ursprung spekulativ zu begreifen, unterscheidet Daub dualistische und monistische Lösungsansätze. Zu den dualistischen rechnet er den platonischen und zoroastrischen Versuch, zu den monistischen die Ansätze der Gnosis, Schellings und Hegels, wobei er sich Hegel anschließt. Hegel stimmt in seinen Augen mit Kant und Schelling darin überein, „dass das Böse seinen Grund nicht habe in der willen- und bewusstlosen Natur, sondern allein im Bewusstsein, in der Vernunft“⁷². Der Natur als solcher fehlen das Bewusstsein und der Wille. Am Menschen hat die Natur jedoch die Möglichkeit, aus ihrer Bewusst- und Willenslosigkeit herauszukommen und sich ihrer selbst bewusst und mit freiem Willen tätig zu werden. Solange der Mensch sich allerdings noch nicht von der Natur unterschieden hat, solange ist das Wesen des Menschen das der Unschuld, wobei der Unschuldige zwar nicht der Böse, aber auch nicht der Gute ist. Wenn der Mensch sich hingegen von der Natur unterscheidet und erst dadurch zu sich selbst kommt und sich seiner bewusst wird, „ist seine Unschuld dahin, aber ohne daß von ihm gesagt werden könne, er sei nach diesem Verlust der Unschuld der Böse“⁷³. Vielmehr ist der Verlust der Unschuld notwendig, damit der Mensch ein vernünftiges und freies Subjekt werde. Damit erlangt der biblische Mythos vom Sündenfall eine völlig neue Bedeutung. Die
Daub Daub Daub Daub Daub
1843, 169. 1843, 170. 1843, 170. 1843, 223. 1843, 226.
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paradiesische Unschuld ist nicht länger ein Zustand der Vollkommenheit, den der Mensch mit dem Fall verliert. Sondern indem der Mensch zur Reflexion über sich kommt, tritt er aus dem Garten der Thiere heraus, ist in den Unterschied zwischen sich und der Natur getreten, die Unschuld ist verloren. Allein er ist zur Erkenntnis gekommen, und kann zwischen Gutem und Bösem unterscheiden. Gott weiß, er ist der Erkennende, und der Mensch ist jetzt auch der erkennende geworden, ist geworden wie unser einer⁷⁴.
Jetzt erst vermag der Mensch kraft der Vernunft sich selbst dem Gesetz gemäß oder ihm zuwider zu bestimmen. Nach dem Verlust der Unschuld besteht seine Würde darin, dass er selbst aus sich das Nothwendige und Allgemeine, das, was Recht und Pflicht ist, oder das Zufällige und Einzelne, oder das, was Unrecht und pflichtwidrig ist, beschließen und thun kann. Nicht der Verlust der Unschuld ist an sich der sogenannte Sündenfall oder das Böse, er vermittelt nur das, daß der Mensch der erkennende wird, aber was er nun als der erkennende beschließt und thut dem Gesetz zuwider, das erst ist Sünde und das ist seine Schuld, d.i. der Sündenfall, und diese erste Sünde ist der Brudermord.⁷⁵
So wie der Mensch sich selbst zum Guten bestimmt, so auch zum Bösen. „Zum Bösen wird der Mensch auch nicht verleitet, er bestimmt sich selbst dazu, und so ist er das Princip des Bösen, es wird von ihm gethan, weil er will.“⁷⁶ Daub ist nicht der einzige protestantische Theologe, der Hegels Auffassung rezipiert, dass die biblische Erzählung zu interpretieren sei als narrative Einkleidung der These, dass der Mensch sein Wesen als Geist nur realisieren könne, indem er den Schritt von dem tierischen Zustand in den des Bewusstseins von Gut und Böse vollziehe. Eine ganz ähnliche Position begegnet bei dem Straußfreund Wilhelm Vatke, und zwar in dessen 1841 erschienenen Werk „Die menschliche Freiheit in ihrem Verhältnis zur Sünde und Gnade“. Nachdem er über den Willen im Allgemeinen gehandelt hat, wendet sich Vatke der subjektiven Seite der Idee des Willens, das heißt aber der religiös-moralischen Sphäre zu. Er stellt dabei zunächst die wesentlichen Momente dieser Sphäre und dann die empirisch aufeinander folgenden Entwicklungsstufen des subjektiven Willens vor. Da der Wille oder die Freiheit wesentlich Selbstbestimmung ist, so kann es keinen angeborenen oder unmittelbar gesetzten wirklichen Willen geben; dieser ist als Selbstbestim-
Daub 1843, 226 f. Daub 1843, 227. Daub 1843, 227.
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mung innere Vermittlung, also Aufheben der Unmittelbarkeit, Entfaltung des mit der Geburt in den Menschen gelegten Keimes.⁷⁷
Der menschliche Wille ist von Natur aus nur als Anlage vorhanden und wird erst mit dem erwachenden Selbstbewusstsein zum wirklichen Willen, der wiederum zunächst als Willkür und erst später als wahrhafte Freiheit erscheint. Daher muss man drei Stufen der Entwicklung des Willens unterscheiden. Am Anfang steht der Zustand der unmittelbaren Einheit oder Indifferenz der Momente, gefolgt von dem Auseinandertreten der Momente zur Gestalt des moralischen Selbstbewusstseins und schließlich der Aufhebung des damit gegebenen Zweispalts zur Einheit der Idee. Von dem Zustand der Indifferenz, aus dem sich der wirkliche Wille allererst entwickelt, hat der Mensch keine erfahrungsmäßige Kenntnis. In ihm unterscheidet sich der Mensch „nur durch seine Potentialität und das durch dieselbe bedingte Vorspiel des Freien in der Bewegung der Nothwendigkeit vom Thiere“⁷⁸. Auch kann der Mensch auf dieser Stufe weder als gut noch als böse qualifiziert oder als unschuldig im moralischen Sinne bezeichnet werden. Was die im ersten biblischen Schöpfungsbericht behauptete Gottähnlichkeit des Menschen betrifft, so unterscheidet Vatke drei Stufen der Gottähnlichkeit. Zunächst ist diese bei der Schöpfung nur als substantielles Wesen, das heißt aber als Bestimmung der menschlichen Natur gesetzt, die sich erst mit dem Erwachen des moralischen Selbstbewusstsein, also dem durch die Tat des Menschen bedingten Wissen des Guten und des Bösen, im Menschen realisiert. Dies bringt der zweite Schöpfungsbericht mit der Sage vom Sündenfall mythisch-allegorisch zum Ausdruck. Auf dieser zweiten Stufe der Realisierung der Gottähnlichkeit wird die Differenz zwischen Gott und Mensch gesetzt, während die dritte und höchste Gestalt der Gottähnlichkeit erst durch die Erlösung und Wiedergeburt zustande kommt, durch die der Mensch geistig frei wird.Vatke wendet sich damit gegen die Vorstellung der altprotestantischen Orthodoxie von einem vollkommenen Urstand, in dem der Mensch über Gottähnlichkeit verfügt, die er dann durch den Sündenfall verliert, und verlegt statt dessen die vollkommene Gottähnlichkeit an das Ende eines Entwicklungsprozesses, in dem der Sündenfall eine notwendige Zwischenstufe darstellt. Ursprünglich ist der Mensch mit der Möglichkeit und Bestimmung zur Vernunft, Religion, Freiheit geschaffen; dies ist seine principielle Differenz, sein Begriffsunterschied von den Thieren. Aber unmittelbar ist der Mensch als ein natürliches Wesen geschaffen; sein Denken
Vatke 1841, 229. Vatke 1841, 231.
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und Wollen ist noch nicht zur in sich vernünftigen Allgemeinheit ausgebildet, ist noch sinnliche Vorstellung, Trieb, Begierde.⁷⁹
Wie der göttliche Geist schon ursprünglich und potentiell in der menschlichen Natur mitgesetzt ist, so ist damit zugleich auch die menschliche Natur in Gott gesetzt, und zwar als Naturbasis, aus der sich Gott zum wirklichen Geist entwickelt. Die göttliche und die menschliche Seite sind dabei auf der ersten Entwicklungsstufe der Gottähnlichkeit noch nicht voneinander geschieden. Man beschreibt diese Stufe als einen traumartigen Zustand der kindlichen Unschuld, in dem der Geist zwar an sich, aber noch nicht für sich ist und sich daher – was seinem Wesen unangemessen ist – noch nicht weiß. Deshalb muss die Unschuld aufgehoben werden, was durch die biblische Sage vom Sündenfall zum Ausdruck gebracht wird. Dabei wendet sich Vatke gegen deren Interpretation als Bericht von einem das erste Menschenpaar betreffenden historischen Ereignis. „Die höhere Wahrheit … der Erzählung besteht darin, daß sie einen sich stets wiederholenden Vermittlungsact des subjectiven Geistes, nicht ein vereinzeltes und damit zufälliges Factum schildert.“⁸⁰ Der Übergang von der ersten zur zweiten Stufe der Realisierung der Gottähnlichkeit ist Vatke zufolge notwendig, damit – wie es in Aufnahme der Teminologie Hegels heißt – die Substanz zum Subjekt und die Notwendigkeit zur Freiheit wird. Dabei unterscheidet Vatke drei Momente. Mit dem Erwachen des Gottesbewusstseins tritt erstens der allgemeine göttliche Wille dem subjektiven Ich als heilige Norm gegenüber. Dadurch wird zweitens der Gegensatz zwischen dem göttlichen und dem unmittelbaren natürlichen Willen offenbar. Drittens aber weiß sich erst damit auch das menschliche Subjekt als formelles Ich, dessen Wille, um gut sein zu können, auch die innere Möglichkeit haben muss, sich zum Bösen zu bestimmen. Die Wahrheit der biblischen Erzählung vom Sündenfall besteht darin, daß sie das Wissen des Guten und Bösen, also des Allgemeinen, durch die bestimmte That vermittelt sein läßt, wenngleich diese That nach dem Zwecke der ganzen Erzählung nur einseitig als Ungehorsam und überhaupt als einzelne dargestellt ist⁸¹.
Danach kann der Mensch nur durch eine Tat – symbolisch: der Genuss der verbotenen Frucht – zu dem moralischen Selbstbewusstsein gelangen, das durch den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen symbolisiert wird. Erst durch den
Vatke 1841, 235. Vatke 1841, 246. Vatke 1841, 257.
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Ungehorsam gelangt danach der Mensch zur Erkenntnis des Guten und des Bösen und damit zu moralischem Selbstbewusstsein. Er braucht zwar keine Reihe unsittlicher und lasterhafter Thaten zu vollbringen … Aber den inneren Zwiespalt, die Versuchung und Lockung zur Sünde, welche ohne alle wirkliche Sünde gar nicht denkbar sind, muß Jeder in sich erfahren haben, um vermittelst dieser besonderen Widersprüche und in denselben die allgemeine Erkenntniß des Guten und Bösen zu erlangen.⁸²
Deshalb wendet sich Vatke gegen die Vorstellung, dass dem Menschen die formelle Wahlfreiheit ebenso angeboren sei wie die Erkenntnis des Guten und Bösen. Vielmehr ist für ihn das wirkliche Eintreten des Bösen die notwendige Bedingung des moralischen Bewusstseins. „Daher ist das Böse das negative Moment am Guten, welches das Dasein der moralischen Willkür bedingt, und nothwendig entstehen muß, um überwunden zu werden und dem Guten wirkliche Selbständigkeit zu verleihen.“⁸³ Wenn aber das Böse ein notwendiges negatives Moment der Realisierung der wahren Freiheit ist, muss auch der These widersprochen werden, dass es unbegreiflich sei. Diese These wird aber sowohl von der sich an Augustin orientierenden altprotestantischen Orthodoxie vertreten, die einen vollkommenen Urstand annimmt, aus dem Adam aufgrund der Sünde herausfällt, wie auch von neueren Theologen, die von einer allen Menschen angeborenen formellen Freiheit ausgehen. Als bloß formale Freiheit enthält sie für keine Richtung den zureichenden Grund, und das Böse als Willkür geht auch aus keinem zureichenden Grunde hervor, sondern ist seinem Wesen nach das Grundlose, ein Heraustreten aus allem vernünftigen Zusammenhange, daher unbegreiflich⁸⁴.
Erkennt man hingegen das Böse als notwendiges negatives Moment des Guten, das heißt aber der Realisierung des göttlichen und menschlichen Geistes, so begreift man es zugleich.
5 Tholuck und Müller Vatkes Kritik der These von der Unbegreiflichkeit des Bösen richtet sich in erster Linie gegen den Hallenser Theologen Julius Müller, der seinerseits unter dem
Vatke 1841, 263. Vatke 1841, 273. Vatke 1841, 306.
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Eindruck der Sündenlehre des Erweckungstheologen August Gottreu Tholuck steht. Tholucks Briefroman „Guido und Julius. Die Lehre von der Sünde und vom Versöhner“ erschien erstmals 1823 und widmet sich in seinem ersten Teil der Frage, woher denn das Böse komme. „Drei Wege gibt es nur, das Böse zu fassen. Es ist entweder ewig neben Gott, d. h. es ist aus einem bösen Urwesen, oder es ist zugleich mit dem Guten aus Gott geworden, oder es ist aus dem Menschen.“⁸⁵ Der erste manichäische Weg scheidet natürlich von vornherein aus, weil er die Annahme zweier Götter impliziert. Der zweite Weg ist, ohne dass Tholuck es direkt sagt, der Weg Hegels, den er als pantheistisch kritisiert. Danach ist „das Böse nichts Anderes als die Begrenzung, die Gott sich selber setzt, der Mangel, der nothwendig allem Einzelnen ankleben muß, das Entwickelungstendenzen unterworfen ist. Das Böse ist dann die Form der Entwickelung durch das ganze Geisterreich hin.“⁸⁶ Doch nicht nur Hegel, auch Schellings Erklärung des Bösen im Rückgriff auf den dunklen Urgrund in Gott verfällt dem Verdikt des Pantheismus. Und schließlich wendet sich Tholuck auch gegen die Auffassung des theologischen Rationalismus, wonach das Böse zwar Tat des Menschen, aber Frucht des Keims und der Anlage ist, die Gott selbst bei der Schöpfung in den Menschen legte. Denn auch in diesem Fall gehört das Böse notwendig zur Entwicklung des Guten hinzu. Der einzig mögliche Weg, den Ursprung des Bösen zu erklären, ist für Tholuck der dritte. „Suche nun ein Anderer die Wurzel des Bösen, wo er will. Ich kann, nach dem was ich dartat, sie nirgend anders suchen als im Geschöpf selbst.“⁸⁷ Der erste Mensch ging von Gott aus als sein Ebenbild, „wahr in seiner Erkenntniß, unschuldig im Willen, und harmonisch in seinem Gefühl“⁸⁸. Der Mensch wurde also gut geschaffen, so dass sich die Frage umso dringlicher stellt, wie es zum Bösen kommt. Willst Du ableiten das Böse aus dem Guten, die Unvernunft aus der Vernunft, so wird es Dir freilich nicht gelingen … Gehst Du also aus um abzuleiten, um zu zeigen, wie es natürlich d. h. auch naturgemäßer Entwickelung und also vernünftig aus dem gut Geschaffenen hervorquellen konnte, so bist Du schon im Voraus mit Dir auf’s Reine gekommen, und hast das Böse gesetzt als das Vernünftige, Natürliche und Gesetzmäßige, als das, was sich wirklich in Einklang bringen lässt mit dem Guten.⁸⁹
Es gibt aber Tholuck zufolge gar keinen vernünftigen Grund für den Sündenfall des gut geschaffenen Menschen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht möglich
Tholuck Tholuck Tholuck Tholuck Tholuck
1871, 15. 1871, 16. 1871, 21. 1871, 21. 1871, 22.
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ist, dass der gute Mensch böse wird. Die Möglichkeit dazu ist vielmehr in seiner Endlichkeit begründet. Die Möglichkeit ist dabei von der Anlage zum Bösen zu unterscheiden, insofern sie nicht im Menschen selbst enthalten ist. Die Möglichkeit des Bösen ist zugleich seine Vernünftigkeit, denn sie war es, unter deren Voraussetzung allein freie endliche Geister geschaffen werden konnten. Aber daß es aus der Möglichkeit herausgetreten ist in die Existenz, das ist sein Fluch, und daß es als solches in Gottes Welt nicht sein soll, das hat Er factisch declarirt, denn er hat eine Erlösung vom Bösen geordnet.⁹⁰
Mit der Wirklichkeit des Bösen trat aber an die Stelle der ursprünglichen Vollkommenheiten des Urmenschen Adam das Gewissen, das Gefühl des Unfriedens und die gespaltene Willensneigung, „die mit schwacher Neigung das Göttliche wollte, mit starkem Triebe die Selbstsucht und die Willkür“⁹¹. Dass der Mensch ursprünglich gut war und aus einem unerklärlichen Grund böse wurde, das ist für Tholuck auch der Sinn der biblischen Erzählung vom Sündenfall: der Mensch, der vorher, gemäß seiner Bestimmung, sich einer reinen Unschuld erfreute, in der er von keinem anderen Willen wusste, als vom Willen Gottes …, trat aus sich heraus und wurde autonomisch, wollte nicht mehr das göttliche Lebensgesetz als das höchste anerkennen⁹².
Die These, dass die Sünde eine rein spekulative und theoretische Lösung nicht zulasse, übernimmt Julius Müller in seiner 1839 erschienenen Monographie „Die christliche Lehre von der Sünde“ von Tholuck. Wie Tholuck wendet sich auch Müller in erster Linie gegen die vor allem bei Hegel vorliegende Auffassung der Sünde als einem notwendigen Moment im Prozess der Selbstrealisierung des Absoluten und des endlichen Geistes, die er als „plattesten Pantheismus“ verwirft⁹³. Er lehnt als irrtümliche Auffassung der Freiheit ab, „dass der erste Gebrauch, den der Mensch von derselben gemacht habe, die erste Bestimmung, die der Wille sich selbst gegeben habe, hätte Sünde sein müssen“⁹⁴. Denn auf diese Weise werde das Böse zur notwendigen Voraussetzung der Konstitution der Persönlichkeit des Menschen. Müller knüpft zwar insofern an Kant an, als er das Böse oder die Sünde als Übertretung des sittlichen Gesetzes fasst, das im Gewissen präsent ist. Das Böse wird somit als das Nichtseinsollende bestimmt, als Störung
Tholuck 1871, 24. Tholuck 1871, 26. Tholuck 1871, 196. Müller 1839, 470. Müller 1839, 470.
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und Widerstreit gegenüber einer idealen sittlichen Forderung. Aber im Unterschied zu Kant betrachtet Müller das Sittengesetz nicht als Resultat der Selbstgesetzgebung der autonomen praktischen Vernunft, sondern identifiziert es mit dem göttlichen Gesetz, so dass an die Stelle der kantischen Autonomie die Theonomie rückt. Inhaltlich lässt sich das Sittengesetz daher mit dem Doppelgebot der Liebe gleichsetzen, wobei die Liebe zu Gott das Entscheidende ist. Die Störung der Harmonie, die mit dem Bösen in unser Wesen eintritt, kann somit nur in einer Zerrüttung unseres Verhältnisses zu Gott ihren Grund haben. Die Sünde ist ihrem Wesen nach Abfall von Gott zur Selbstvergötterung, da nur so der furchtbare Zwiespalt und das unermessliche Elend, das sich von der Sünde aus über das ganze menschliche Leben verbreitet hat, verständlich werden. Der Ungehorsam gegenüber Gott ist deshalb die Ursünde und die Quelle alles sonstigen sittlichen Verderbens. Er besteht in der selbstischen Isolierung des Geschöpfs, also in der Selbstsucht. Die eigentümliche Art, wie sich die Sünde in unserem Bewusstsein offenbart, ist aber das Schuldbewusstsein. Um die Sünde als Schuld zu erfahren, muss sie jedoch dem Menschen als ihrem Urheber zugeschrieben werden. Will man nicht Gott zum Urheber der Sünde machen, muss man die Sünde auf den menschlichen Willen zurückführen. Ihm attestiert Müller wie Kant eine selbständige Kausalität oder Freiheit, damit der Mensch überhaupt in der Lage ist, der idealen Forderung des göttlichen Sittengesetzes zu entsprechen. Die nur erfahrungsmäßig konstatierbare Wirklichkeit der Sünde setzt deren Möglichkeit voraus, die allein in der Freiheit des Menschen zu suchen ist. Denn gilt es die Entstehung der Sünde bis zum letzten, entscheidenden Quellpunkt zu verfolgen, so kann dieser nur in der Willensfreiheit der persönlichen Kreatur liegen, in einer Freiheit, die ursprünglich die Möglichkeit des Anderssichbestimmens an sich hat; denn unter dieser Voraussetzung ist die Sünde nicht Geschick, sondern Schuld ⁹⁵.
Müller unterscheidet dabei zwischen der realen und der formalen Freiheit. Die reale Freiheit ist die mit der Realisierung des Sittengesetzes identische Freiheit, also die Freiheit zum Guten und somit die Freiheit von der Sünde. Die Möglichkeit des Bösen lässt sich jedoch aus der realen Freiheit nicht erklären, sondern erfordert die Annahme der formalen Freiheit, sowohl das Böse als auch das Gute zu wollen. Die formale Freiheit besteht in dem Auchanderskönnen, ist also identisch mit der Wahlfreiheit. Dass es überhaupt außer Gott Freiheit und Selbstbestimmung gibt, ist für Müller in der schöpferischen Kausalität Gottes begründet. Gottes Wille hält nämlich soweit an sich, dass der Mensch sich seinen Inhalt als sittliches Wesen durch Selbstbestimmung setzen kann. Da der Mensch aber nur kreatürliche
Müller 1839, 453.
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Persönlichkeit ist, kann auch seine Freiheit nur die mitbestimmende Ursache seiner Erscheinung als ganzer sein. Denn die freie Selbstbestimmung des Menschen bleibt auf das Gebiet der Sittlichkeit beschränkt. Daher ist der Mensch auch nicht seinem Wesen nach gut, sondern nur insofern, als sich sein freier Wille auf Gott als das wesensmäßig Gute bezieht. Indem Gott freie Geschöpfe erschafft, lässt er die Möglichkeit des Bösen somit zu. Die Freiheit enthält aber an sich noch gar keinen hinreichenden Grund für eine bestimmte Richtung des Willens, sondern die Richtung des Willens hängt ausschließlich von der Tat ab, wie der menschliche Wille sich zu der göttlichen Norm verhält, die im sittlichen Bewusstsein präsent ist. Die Verwirklichung dieser Möglichkeit ist zunächst etwas nur Tatsächliches, ein Faktum, das allein durch die Erfahrung erkannt werden kann und sich in keiner Weise aus vorangehenden Momenten mit Notwendigkeit ableiten lässt. Hinsichtlich seines Wirklichwerdens muss das Böse als das Unbegreifliche charakterisiert werden, da es nur durch Willkür zustande kommt, die „Willkür aber ist Abbrechen von dem vernünftigen Zusammenhange und der höhern Zweckmäßigkeit“⁹⁶. Das Böse erweist sich so für Müller als das unergründliche Geheimnis der Welt, und die Unbegreiflichkeit seiner Entstehung ist nicht etwa eine Schranke, die nur an unserer subjektiven Erkenntnis des Bösen haftet, sondern sie ist in der Natur des Bösen selbst begründet. Man kann das Böse also nicht aus der Willensfreiheit als dessen Grund ableiten, wenngleich die Willensfreiheit die Voraussetzung für das Dasein des Bösen ist. Sie ist die „Möglichkeit, von der nur die That den Uebergang zur Wirklichkeit bahnen kann“⁹⁷. Denn „das Böse entspringt nicht aus dem freien Willen, sondern im freien Willen durch und mit dessen Selbstverkehrung“⁹⁸. Vor der ersten Tat ist der Wille völlig unbestimmt. Daher weigert sich Müller auch, dem Urmenschen einen „anerschaffenen positiv guten Willen“ zuzuschreiben⁹⁹. Der Wille der persönlichen Kreatur überhaupt kann von Anfang weder gut, noch böse sein; denn er kann Beides nur durch seine That werden. Andrerseits ist freilich der Wille nicht wirklich außer und vor der That; darum versteht es sich, daß diese vor aller That und Selbstentscheidung nothwendig vorauszusetzende Nichtentschiedenheit nicht als ein wirklicher Zustand, als eine erste Stufe des bewußten persönlichen Lebens vorgestellt werden darf.¹⁰⁰
Müller 1839, 457. Müller 1839, 461. Müller 1839, 462. Müller 1839, 469. Müller 1839, 469.
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Nun sieht sich aber auch der bibeltreue Müller mit der Tatsache konfrontiert, dass die Paradieserzählung der Genesis vor dem Sündenfall mit einer Zeit rechnet, in der sich der Wille des Menschen in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen befand. In seinen Augen war diese Übereinstimmung zwar durch die menschliche Freiheit bedingt. Aber es handelte sich nur um eine halbbewusste Übereinstimmung. Es handelte sich um eine „kindlich unschuldige Anschließung an Gott ohne klares Bewusstsein von der Bedeutung des Gehorsams im Gegensatz gegen den Ungehorsam“¹⁰¹. Um dem Menschen diese Bedeutung und damit ein klares Bewusstsein von Gut und Böse zu vermitteln, bedurfte es eines ausdrücklichen Verbots. Ein negatives, verbietendes Gesetz mußte ihm die objektive Vorstellung des Bösen, welche an sich durchaus noch keinen Anfang der Sünde, noch keine böse Vorstellung ist, vor sein Bewußtsein bringen, damit er sich rein und selbständig von dem Bösen scheide¹⁰².
Das heißt aber Müller zufolge nicht, dass der Mensch erst durch den Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis zu einem Wissen des Guten und Bösen gelangt. Sondern: „Der Baum der Erkenntniß des Guten und des Bösen sollte ihn nach der ursprünglichen göttlichen Absicht zu dieser Erkenntniß führen im Gehorsam und durch den Gehorsam gegen das Verbot.“¹⁰³ Auch in der zweiten, 1844 erschienenen Auflage seiner „Christlichen Lehre von der Sünde“ hält Müller an seiner Ablehnung der Erklärung des Bösen bei Hegel und seiner Schule fest. Zwar sagt Hegel zu Recht, dass das Böse dasjenige sei, was nicht sein soll. Aber das bedeutet bei ihm nur, dass es aufgehoben werden soll. „Das Böse soll nicht sein, heißt sonst: es soll überhaupt nicht geschehen, hier aber nur: es soll nicht bestehen, nicht bleiben, es soll überwunden werden.“¹⁰⁴ Es wird also die allgemeine Notwendigkeit des Bösen für die Realisierung des Geistes vorausgesetzt, so dass das Böse zum Begriff des Menschen als des endlichen Geistes gehört. Damit wird aber auch die Schuld zu einem notwendigen Realisierungsmoment des Geistes. Dem hält Müller seine These entgegen, „daß Schuld nur da ist, wo ein Wesen durch seine Selbstbestimmung in der Art Urheber seiner verkehrten Handlungen oder Beschaffenheiten ist, daß es sich auch anders hätte bestimmen können“¹⁰⁵. Der Fall setzt für Müller einen Zustand sittlicher Nichtentschiedenheit und nicht wie in der Dogmatik der altprotestantischen Ortho-
Müller 1839, 471. Müller 1839, 472. Müller, 1839, 472. Müller 1844a, 482. Müller 1844a, 489.
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doxie einen vollkommenen Urstand voraus. Vielmehr handelt es sich bei jenem Zustand um einen vorsittlichen Zustand natürlicher Unmittelbarkeit zu Gott, in dem der Mensch nicht verharren konnte, insofern die Erfüllung seiner Bestimmung wesentlich durch freie Selbstbestimmung vermittelt ist. Eine solche ursprüngliche freie Selbstbestimmung lässt sich aber Müller zufolge nur denken als eine Entscheidung, die allen sündhaften Entscheidungen in der Zeit bedingend vorangeht. Es handelt sich um eine außerzeitliche Selbstbestimmung zum Bösen, so wie sie auch von Origenes angenommen wurde und wie sie von Kant gelehrt wird, wenn er in seiner Religionsschrift die Sünde als das radikale Böse auf einen in der intelligiblen Welt vollzogenen Freiheitsakt zurückführt. Es muss also „die Freiheit des Menschen ihren Anfang im Gebiet des Außerzeitlichen haben, in welchem allein reine, unbedingte Selbstbestimmung möglich ist“¹⁰⁶
6 Kierkegaard Kierkegaard steht mit seinen Reflexionen zu Geist und Sünde im Kontext der von Kant ausgehenden Diskussion, wie sie in der Philosophie und protestantischen Theologie geführt wird. In seinem Werk „Der Begriff Angst“ legt er – wie es im Untertitel heißt – eine psychologisch-hinweisende Erörterung in Richtung des dogmatischen Problems der Erbsünde vor. Dabei geht es ihm darum, den Schuldcharakter der Sünde einsichtig zu machen, was in seinen Augen nur gelingen kann, wenn man ihren Ursprung in der Freiheit aufzeigt. Schuld setzt aber Unschuld voraus, und Kierkegaards Erklärung des Begriffs der Unschuld beginnt mit einer Absage an Hegel: will man in unseren Tagen eine dogmatische Bestimmung vornehmen, muß man den Anfang damit machen, dass man erst einmal vergißt, was Hegel entdeckt hat, um der Dogmatik zu helfen. Es wird einem ganz seltsam zumute, wenn man in Dogmatiken, die sonst Wert darauf legen, einigermaßen rechtgläubig zu sein, Hegels beliebte Bemerkung angeführt sieht, dass die Bestimmung des Unmittelbaren sei, aufgehoben zu werden, als wären Unmittelbarkeit und Unschuld völlig identisch miteinander¹⁰⁷.
Für Kierkegaard sind Unmittelbarkeit und Unschuld hingegen nicht identische Begriffe, sondern der Begriff der Unmittelbarkeit gehört in die Logik, der der Unschuld in die Ethik. Die Unschuld wird anders als die Unmittelbarkeit nicht einfach begriffslogisch aufgehoben. Vielmehr kann sie nur aufgehoben werden
Müller 1844b, 96. Kierkegaard 1976e, 479.
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durch die Schuld. Kierkegaard erklärt dies anhand von Adams Fall, den er nun ganz in Übereinstimmung mit Kants Religionsschrift, deren Rezeption bei Schelling ebenso wie die Interpretation des Sündenfalls bei Hegel und den theologischen Hegelianern nicht als ein historisches Ereignis fasst, sondern als einen Schritt, den jeder Mensch vollzieht. Aber anders als Hegel und die theologischen Hegelianer ist Kierkegaard zugleich wie Tholuck und Müller wesentlich daran interessiert, den Schuldcharakter des Verlusts der Unschuld herauszustreichen. „Wie Adam die Unschuld durch die Schuld verlor, so verliert sie jeder Mensch.“¹⁰⁸ Was den Zustand der Unschuld betrifft, so teilt Kierkegaard durchaus die Auffassung Hegels und der Hegelianer, dass die Unschuld in der Unwissenheit besteht. „Die Erzählung in der Genesis gibt nun auch die richtige Erklärung der Unschuld. Unschuld ist Unwissenheit.“¹⁰⁹ Die entscheidende Frage ist aber, wie die mit der Unwissenheit identische Unschuld verloren wird. Hier kommt nun die Psychologie ins Spiel, die erklären soll, wie es zu dem von der Dogmatik wie der Ethik vorausgesetzten qualitativen Sprung von der Unschuld zur Schuld kommt. Der Stand der Unschuld ist dadurch charakterisiert, dass der Mensch hier noch kein geistiges, sondern ein seelisches Wesen und der Gegensatz von Gut und Böse noch nicht gegeben ist. In der Unschuld ist der Mensch nicht als Geist bestimmt, sondern seelisch bestimmt in unmittelbarer Einheit mit seiner Natürlichkeit. Der Geist ist träumend im Menschen. Diese Auffassung ist ganz in Übereinstimmung mit der der Bibel, die dem Menschen in der Unschuld die Kenntnis des Unterschiedes zwischen Gut und Böse abspricht¹¹⁰.
Im Zustand der Unschuld ist der Mensch noch nicht als Geist bestimmt, sondern er ist seelisch bestimmt durch die unmittelbare Einheit mit seiner Natürlichkeit, das heißt seinem Leib. Es herrscht also eine unmittelbare Einheit von Seele und Leib, wenngleich in ihr der Geist bereits latent anwesend ist, der die Einheit aufhebt. Denn der Mensch ist anders als das Tier zum Geist bestimmt. Aber im Zustand kindlicher Unschuld ist der Geist nur unmittelbar als träumend im Menschen. In diesem träumerischen Zustand ist zwar Friede und Ruhe, aber insofern der Geist in ihm gegenwärtig ist, tritt er als feindliche Macht auf, die das harmonische Verhältnis von Seele und Leib beständig stört. Der Geist, zu dem der Mensch bestimmt ist, hat im Zustand der träumenden Unschuld noch keine Wirklichkeit, insofern er noch nicht realisiert ist. Die Wirklichkeit des Geistes ist im Zustand der Unschuld ein Nichts, das die Unschuld außerhalb ihrer selbst sieht, und die Wirkung dieses
Kierkegaard 1976e, 480. Kierkegaard 1976e, 482. Kierkegaard 1976e, 487.
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Nichts ist Kierkegaard zufolge die Angst. „Dies ist das tiefe Geheimnis der Unschuld, daß sie zugleich Angst ist. Träumend entwirft der Geist seine eigene Wirklichkeit, diese Wirklichkeit aber ist Nichts, dieses Nichts aber sieht die Unschuld beständig außerhalb ihrer.“¹¹¹ Die Angst als Bestimmung des träumenden Geistes ist nun Gegenstand der Psychologie. Kierkegaard verbindet so die Erklärung des Schritts aus der Unschuld in die Schuld mit dem psychologischen Phänomen der Angst. Im Unterschied zur Furcht richtet sich die Angst nicht auf einen bestimmten Gegenstand, sondern auf nichts. Wir fürchten uns vor etwas, aber wir ängstigen uns um nichts, oder – wie Kierkegaard sagt – die Angst entsteht angesichts des Nichts. Dieses Nichts ist aber die vom Menschen nicht realisierte Möglichkeit, sich als Geist zu setzen und somit seine Bestimmung zu realisieren. Das bedeutet, dass in der Angst die Möglichkeit der Selbstwahl und damit der Freiheit aufleuchtet. Daher ist sie etwas spezifisch Menschliches. „Man wird so beim Tier keine Angst finden, eben weil es in seiner Natürlichkeit nicht als Geist bestimmt ist.“¹¹² Mit dem Begriff der Angst greift Kierkegaard einen Begriff auf, der in der Gestalt der Lebensangst auch schon von Schelling herangezogen wurde, um den Zustand des intelligiblen Menschen vor seiner freien Selbstwahl zu charakterisieren, nur dass er diesen Begriff ins Zentrum seiner Erklärung des qualitativen Sprungs von der Unschuld in die Schuld rückt. Auch die psychologische Zweideutigkeit der Angst, das Abstoßende und zugleich Anziehende, übernimmt er aus Schellings Beschreibung jenes Zustands. „Angst ist eine sympathetische Antipathie und eine antipathetische Sympathie.“¹¹³ Der Zustand der Unschuld ist so zwar durch Angst gekennzeichnet. Aber die Angst widerspricht nicht der Unschuld, insofern sie erstens keine Schuld ist und zweitens kein Leiden, das die Seligkeit der Unschuld stören würde. Gerade die Attraktion, die das Ungeheure, Abenteuerliche und Rätselhafte bei Kindern ausübt, ist ein Beweis für das Vorhandensein der Angst im Zustand der Unschuld. Ein Tier kennt diese Attraktion nicht, und je weniger Geist vorhanden ist, desto weniger Angst. „Diese Angst gehört so wesentlich dem Kinde zu, daß es sie nicht entbehren möchte; und wenn sie es auch ängstigt, so fesselt sie es, doch mit ihrer süßen Beängstigung.“¹¹⁴ Im Zustand der Unschuld ist also der Geist nur unmittelbar als träumend im Menschen zugegen. Der Mensch ist aber dazu bestimmt, Geist zu sein. Geist wird der Mensch aber erst, wenn er an die Stelle des im Zustand der Unschuld bestehenden natürlichen und unmittelbaren Verhältnisses von Seele und Leib die bewusste Beziehung, die Synthesis von Seele und Leib vollzieht. Denn Seele und
Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard Kierkegaard
1976e, 487. 1976e, 488. 1976e, 488. 1976e, 489.
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Leib werden im Geist als einem Dritten bewusst vereinigt. Dieser Prozess der Vergeistigung ist nun durch die Zweideutigkeit der Angst, die mit der Präsenz des träumenden Geistes gegeben ist, bestimmt. „Insofern er nun anwesend ist, ist er in gewissem Sinne eine feindliche Macht; denn er stört beständig das Verhältnis zwischen Seele und Leib, das wohl besteht, aber doch wieder insofern nicht besteht, als es erst durch den Geist zum Bestehen kommt. Andererseits ist er eine freundliche Macht, die ja eben das Verhältnis konstituieren will.“¹¹⁵ Mit der Anwesenheit des Geistes im Menschen ist somit diese die Angst kennzeichnende Zweideutigkeit gegeben. Da der Mensch zum Geist bestimmt ist, kann er den Geist nicht loswerden und ins Tierisch-Vegetative herabsinken: „die Angst fliehen kann er nicht, denn er liebt sie; eigentlich lieben kann er sie nicht, denn er flieht sie“¹¹⁶. Damit ist aber die Spitze der Unwissenheit erreicht, wobei es sich nicht um eine tierische Unwissenheit handelt, sondern eben um eine Unwissenheit, die durch den Geist bestimmt ist. Der Mensch weiß nicht, wie er sich verhalten soll, da es im Stand dieser Unwissenheit kein Wissen um Gut und Böse gibt. Kierkegaard bringt nun die Angst in Verbindung mit dem göttlichen Verbot, vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Mit ihm wird der Mensch im Zustand der durch Angst gekennzeichneten Unschuld konfrontiert. Kierkegaards Deutung zufolge konnte Adam dieses Verbot gar nicht verstehen, da er ja den Unterschied von Gut und Böse noch nicht kannte und die Kenntnis dieses Unterschieds erst mit dem Genuss der Frucht vom Baum sich einstellen sollte. Das Verbot ängstigt Adam daher, weil es die Möglichkeit der Freiheit in ihm erweckt. Was an der Unschuld als das Nichts der Angst vorübergestreift war, ist nun in ihn selbst hineingetreten und ist auch hier ein Nichts, nämlich die beängstigende bloße Möglichkeit, überhaupt zu können. „Nur die Möglichkeit zu können ist da, als eine höhere Form von Unwissenheit, als ein höherer Ausdruck von Angst, weil es in einem höheren Sinne ist und nichts ist,weil er es in einem höheren Sinne liebt und flieht.“¹¹⁷ Adam – und das heißt für Kierkegaard jeder Mensch – ist also im Zustand der durch Angst gekennzeichneten Unschuld nicht etwa mit der Möglichkeit konfrontiert, entweder das Gute oder das Böse zu wählen, da er gar nicht weiß, was Gut und Böse ist. Er verfügt in diesem Zustand also nicht über die Freiheit zum Guten wie zum Bösen. Sondern: Die Möglichkeit besteht im Können. In einem logischen System ist es leicht gesagt, daß die Möglichkeit in Wirklichkeit übergeht. In der Wirklichkeit ist das aber nicht so einfach, und es
Kierkegaard 1976e, 490. Kierkegaard 1976e, 490. Kierkegaard 1976e, 491.
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bedarf einer Zwischenbestimmung. Diese Zwischenbestimmung ist die Angst, die den qualitativen Sprung ebenso wenig erklärt, als sie ihn ethisch rechtfertigt.¹¹⁸
Durch den qualitativen Sprung setzt das Individuum im Zustand der Angst vielmehr grundlos die Sünde, so dass auch die Angst nicht als Grund des Sündenfalls ausgegeben werden kann. Kierkegaards psychologische Beschreibung des Sündenfalls erinnert wieder an Schelling. Angst kann man vergleichen mit Schwindel. Wessen Auge in eine gähnende Tiefe hinunterschaut, der wird schwindlig. Der Grund seines Schwindels aber ist ebenso sehr sein Auge wie der Abgrund; denn gesetzt, er hätte nicht hinuntergestarrt! So ist die Angst der Schwindel der Freiheit, der aufsteigt, wenn der Geist die Synthese setzen will und die Freiheit nun hinunterschaut in ihre eigene Möglichkeit und dabei die Endlichkeit ergreift, um sich daran zu halten. In diesem Schwindel sinkt die Freiheit um. Weiter kann die Psychologie nicht kommen und will es auch nicht. Im gleichen Augenblick ist alles verändert, und indem die Freiheit sich wieder erhebt, sieht sie, dass sie schuldig ist. Zwischen diesen beiden Augenblicken liegt der Sprung, den keine Wissenschaft erklärt hat oder erklären kann.¹¹⁹
Das Ergreifen der Freiheit ist somit für Kierkegaard faktisch identisch mit dem Sündenfall. Denn die Möglichkeit der Selbstwahl in Freiheit zeigt sich als ein Abgrund, vor dem der Mensch zurückschrickt und angesichts dessen er sich an jene Möglichkeiten hält, die ihm als die nächstliegenden erscheinen. Im Ergreifen der Freiheit wird der Mensch daher schuldig. Mit der Selbstwahl wird der Mensch also nicht nur wirklicher Geist, sondern zugleich Sünder. Die Freiheit verfehlt sich somit in der Angst und sündigt damit. Faktisch hat die Freiheit immer schon die Möglichkeit gewählt, sich blindlings dem Endlichen hinzugeben. Aufgrund dieser immer schon gegebenen Verfehlung der Freiheit, als die Kierkegaard den Sündenfall deutet, ist eine Überwindung der Sünde durch die ethische Existenz unmöglich. Es bedarf dazu vielmehr des Glaubens der religiösen Existenz, der ebenso wie die Sünde nur durch einen unerklärlichen qualitativen Sprung zustande kommt.
Kierkegaard 1976e, 497. Kierkegaard 1976e, 512.
Arne Grøn
Phenomenology of Despair – Phenomenology of Spirit Existential thinking Kierkegaard’s existential thinking has in a critical sense formed philosophy after Hegel – yet it also reflects deep motifs in Hegel’s thought. Reconsidering this intricate relation, what is at stake for us? Of course, this is an open question that cannot be answered in such a way as to be left behind. What I would like to do here is to probe one – or rather one form of – answer. My suggestion is to look at the negative approach in Kierkegaard’s existential thinking, first and foremost in his analysis of despair,¹ and to focus on how question (Sache) and method are intertwined. In what sense are the figures of despair (Fortvivlelsens Skikkelser), described in The Sickness unto Death, figures of spirit? Can The Sickness unto Death be read as a phenomenology of despair in the context of a phenomenology of spirit? My aim is twofold: firstly, to re-read the negative analysis of despair in The Sickness unto Death on the background of what I take to be the negative point of departure in Kierkegaard’s Concluding Unscientific Postscript and, secondly, to outline a renewed answer to the question: what is it in the question (concerning human existence or selfhood) that is reflected in the negative method? Thus, both in terms of method and question the key issue will be negativity. Let us first take a look at how existential thinking begins in Kierkegaard’s Concluding Unscientific Postscript. The Postscript forms the notion of existence as human existence upon which later philosophies of existence draw. Two features are crucial here: being in becoming and subjectivity as self-relation. Human existence is ‘in becoming’: “to exist is to become” (AE 183/ CUP 199). It is important to note that this does not translate being into becoming. Rather, human existence is being in becoming. The question then is whether we, in becoming, become ourselves. In becoming we are relating to ourselves. The Postscript accentuates existence in order to let humans’ way of being come into view, thereby inaugurating existential thinking. Yet it does not offer a direct exposé of what existential thinking means. Rather, Johannes Climacus,
The seminal paper on Kierkegaard’s negativistic approach is Theunissen 1981. Cf. especially Theunissen 1993, Grøn 1993, and Grøn 1997a.
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the pseudonymous author, takes his point of departure in a remarkable fact of human existence: in existing, one can be distracted or even distract oneself from the fact that one is an existing human being. In accentuating existence as the human being’s way of being, the Postscript draws our attention to the enigmatic character of human existence. What are the implications of this move? If we wish to rethink the possibility of an existential approach, we should reflect upon how it begins. In reading the Postscript, we do not look into a treatise on human existence. Rather, we are ourselves to look for the point of departure. This is more a matter of finding than choosing. What it is to exist as human comes to the fore in questions humans ask themselves concerning their existence: in existing, they are brought to ask what this means. Yet, the problematic character of human existence is not just there to be described, taking as lead the questions humans ask themselves. It redoubles itself in that humans can also forget what it means to exist, as Climacus claims. But we do not simply forget this. We only do so by avoiding asking questions that point to the problematic character of our existence. More than that, we can also lose the sense of asking such questions. Thus, the point of departure for existential thinking is to be found in the negative. It concerns the situation in which we are placed as readers of the Postscript: “My main thought was that, because of the copiousness of knowledge, people in our time have forgotten what it means to exist”, Climacus declares (AE 226/ CUP 249). The situation is negative in a double sense. People are not simply in a state of not knowing what it means to exist. Rather, they are ignorant due to what they take themselves to know. That is, they have forgotten what it means. Not understanding themselves as existing human beings means: not taking themselves to be human in the emphatic sense of realizing this. This is the possibility of being ‘absent-minded’ (distrait). The enigmatic character of human existence lies in its self-relation. It is enigmatic to itself. When we ask the question of existence (what it means to exist), what is in question is existence itself but for us existing. It is in question not only in terms of the questions we ask ourselves. Existence also turns out to be problematic in the sense that, in existing, we can cover it up – also by the questions we ask, or do not ask. This complication in terms of question is to be reflected in the method. It is a task to come to see the problematic character of human existence. Existential thinking must be a countermove. It is itself called forth by a problem in the very existence it is to think. If we exist in such a way that we forget what this means, we do not simply come to live a different form of life. We come to live a life we do not understand. However, realizing that we do not understand is a way of understanding ourselves. The Postscript points to a different kind of
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not understanding: humans seeking to forget that they are human. Forgetting to be human does not just happen to humans but takes place in and through our ways of taking ourselves, in how we know what we claim to know. Existential thinking is a countermove against this kind of oblivion of human existence. It is to remind ourselves of the fact that we are human. In that sense it takes part in what it seeks to think. Here, we have a first indication of the intertwinement of question and method. The question of existence – what it means to exist – concerns the problematic character of human existence. This is where existential thinking is to begin. But the very beginning is complicated in that the question itself can be forgotten. And this has implications in terms of method. The Postscript insists on the question: what it means to exist. The question is to be asked in a concerned mode, realizing that the one asking is concerned. She is in this sense a self. It is easy to overlook that she as a self is socially situated. The tendency to forget is not invented by oneself, as it were. Neither is it simply inscribed in human existence as such. Rather, it presents itself as a tendency of ‘the age’. It is almost as if time – the age – has forgotten what it means to exist. The tendency to forget the question that points to the difficulty of existence appears to inhere in ways of existing: ways of being the social beings we are. When forgetting, we are under the influence of time – yet we are the ones forgetting. We forget as people “in our time”. But if we are distracted, we are the ones not asking the question. We let ourselves be absent-minded.
Movements, Positions, Figures If the approach of existential thinking is negative taking its point of departure in the fact that we, as humans, can forget what it means to exist, we still need to describe in positive terms what it is to exist. Existing, we are in becoming, and we are so in being moved and moving ourselves. In relating to the world, we make movements; we are ourselves in movement: moving, we are moved. Self-relation is implied in this. Therefore, an existential analysis must focus on how humans, in existing, situate themselves in relating to others and to a world more or less shared with others. The implications of existential thinking in terms of method are often overlooked. This also goes for the interpretation of Kierkegaard. His texts deal with movements, positions and figures: movements made by someone existing, and positions taken by her in and through her movements (cf. Grøn 1997a). The one making these movements, taking her position, can be seen as a figure that makes her appearance in a world shared by others who may be seeing her.
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Reading Hegel from this perspective, we can discern a sort of existential approach. His phenomenology concerns the relation of relating to the world, relating to others, and relating to oneself. These relations take place in movements in which humans take themselves, others, and the world to be in certain ways. Figures of spirit are ways of relating in this sense of ‘taking to be’. Returning to Kierkegaard, can we then understand his negative existential approach as a phenomenology of spirit? In earlier studies I have argued that Kierkegaard’s analyses of anxiety and despair can be read in terms of a phenomenology of subjectivity (see, e. g., Grøn 2006). What is meant by phenomenology here? First, Kierkegaard’s existential thinking works not least by describing phenomena such as anxiety, despair, hope, faith, and love – all of which comprise different phenomena to be captured by other notions such as (un‐)certainty, pride, humility, envy, jealousy, trust and mistrust. (It would therefore be more precise to speak of phenomena of, e. g., despair or hope). Particularly important are various forms of courage (Mod), such as patience (Taalmodighed: the courage to endure time – and to bear oneself in time),² and ‘bold confidence’ of ‘free spirit’ (Frimodighed: the courage to stand to oneself in relating to others).³ What is the point in describing such phenomena? I think the answer is twofold: We can point to the phenomena in question as ways of relating. The phenomena are subjective in the sense that we, in existing, relate to others, situating ourselves in a world more or less shared with others. The phenomena described are ways of existing. Furthermore, describing the phenomena is to insist that we should look once more, actually seeing what we think we see. It is to point towards what we tend to ignore – in the final analysis, what it means to exist. Maybe we should add a third point. Particularly important are not only phenomena of courage but also phenomena of concern. To be more precise, concern and courage go together. They do so as phenomena or indications of spirit. Being concerned we can lose courage. It is a matter of attitude in relating to others, situating ourselves in a world shared – or not shared – with others. Can we then discern a phenomenology of spirit also in terms of self-understanding (taken in the sense of coming to understand ourselves)? In what sense can self-understanding be an enterprise shared with others? In what sense is describing phenomena, such as anxiety and despair, also a matter of communication? As indicated, the phenomena described in Kierkegaard’s texts are also movements we Cf. in particular the first of the two upbuilding discourse from 1844 “To Preserve One’s Soul in Patience”, in: EUD. Cf. the second of the four upbuilding discourses from 1844 “The Thorn in the Flesh”, in: EUD, 340.
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make in existing, and these movements can be gestures of communication in which we make ourselves appear, uttering ourselves, addressing the other, seeking the other’s response, not least in terms of recognition. This is not only reserved for explicit gestures of communication. Rather, self-manifestation inheres in the phenomena of self-relating that are in focus in The Sickness unto Death. We relate to ourselves not only in explicit self-reflection. Rather, self-reflection draws upon self-relation being already at play in relating to the world and to others. In what we do towards others in responding to what happens to us, we relate to ourselves, take ourselves in certain ways. That is why we, in what we do, make us appear. In existing we come to appear. Relating, we ‘stand out’ from ourselves. In outlining phenomenology in the first sense as a reflected description of phenomena as ways of relating to a world more or less shared with others, we can see the contours of a phenomenology in the second sense: as a describing and analysing account and exposition of figures of consciousness. As indicated, figures (Gestalten) of consciousness mean forms of relating to a world, relating to others, and – in relating to others and the world – relating to oneself. Do such figures appear in isolation, or do they form – or ‘figure’ – a process of figures? Can we in Kierkegaard find something like a phenomenology of spirit in Hegel’s sense? In earlier studies (esp. Grøn 1996) I have argued that we do find a process of figures of consciousness in The Sickness unto Death Section C in the first part, entitled: “The Figures of this Sickness (Despair)”.⁴ However, before going into this, I would like to sketch a third sense of phenomenology. As indicated, phenomenology takes the form of a countermove. This is already to be seen in phenomenology in the first sense. It does not simply describe phenomena but reflect upon our ways of seeing. More than that, it can also point to complications in the way the phenomenon – as that which manifests itself by itself – shows itself. This goes especially for existential phenomena as anxiety and despair. In The Concept of Anxiety, anxiety comes into view as self-disclosure. In anxiety, we encounter ourselves. Yet we do not just manifest ourselves. We come to appear also in hiding ourselves. In The Sickness unto Death, despair is brought into view as a complex phenomenon – or rather as a variety of complex phenomena – which can also make itself unapparent. Describing the phenomena of despair thus takes the form of interpreting how the figure in question shows itself. Not least important is how the figure makes itself “Denne Sygdoms (Fortvivlelsens) Skikkelser”. The Hong-translation reads “The Forms of This Sickness (Despair)”, but “Skikkelser” point to the problem of how despair appears and how it is seen. “Skikkelse” suggests a human being approaching us. – The German translation by Emmanuel Hirsch reads: “Die Gestalten dieser Krankheit (der Verzweiflung)”.
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figure in what it says. In this third sense we are moving towards a hermeneutical phenomenology, or existential hermeneutics. In the following I shall focus on phenomenology in the second sense, having the question of the context of phenomenology of spirit in mind. What is at stake here is the meaning of a history of spirit. This can be indicated by a twofold question concerning subjectivity and negativity. Firstly, what is to be brought out in phenomenology as a countermove, in the context of the analysis of despair? The answer I am looking for – more systematic than exegetical in nature – is that the phenomenological countermove is necessary in order to get into view the ambiguity of subjectivity as intertwinement of passivity and activity, suffering and acting. It is about showing the intricacy in the existential movements made by the figure in question. Relating to others and a world more or less shared is not only a matter of acting but also of suffering. That is why we can come to appear in relating ourselves to the world and to others and the world between us. Secondly, how is the ambiguity of subjectivity a matter of spirit? The concept of spirit takes intensified negative possibilities with it, including the possibility of spiritlessness. Thus, the notion of negativity is to be refined.
Figures of Consciousness Let us now focus on the analysis of the figures of despair in the first part of The Sickness unto Death. It consists of two sections. While the first (C.A.) only considers despair “with regard to the constituents of the synthesis” (SD 145 / SUD 29), finitude / infinitude, possibility / necessity, the second (C.B) deals with “despair as defined by consciousness” (157 / 42). What does this mean? The forms of despair considered in C.A. are abstract, forming as it were the keyboard on which the analysis of the concrete figures of consciousness plays. In what sense is a figure of consciousness concrete? As consciousness, it relates to what it experiences. In experiencing, it can be changed. There is history to consciousness. What it means to despair we cannot tell from the exposition in C.A., precisely because it abstracts from consciousness and thereby from history. When a person comes to despair, she relates to herself in relating to that which has happened to her. She is affected in her sense of self by what she has experienced. How she is conscious of what happens to her brings into question how she takes herself. Therefore, consciousness is “decisive with regard to the self” (145 / 29). How the person despairs – how her despair develops in the course of time – is a matter of how she takes herself in taking what affects her. As consciousness, she relates to that of which she is conscious, thereby taking herself towards that which affects her. Only when considering despair within the category of consciousness it
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is possible to outline a process in which figures of despair come to figure as existential possibilities which can help us to orient ourselves. As indicated already in the beginning of the first part of The Sickness unto Death, despair – as a sickness of the spirit or the self – can take three forms: “in despair not to be conscious of having a self (not despair in the strict sense); in despair not to will to be oneself; in despair to will to be oneself” (129 / 13). This structures the exposition in C.B.. In the process described here the two main forms of figures are the second, the despair in weakness (defined as in despair not to will to be oneself), and the third, the despair in defiance (defined as in despair to will to be oneself). It turns out that one cannot be described without taking the other into the account. In the despair in weakness hides a form of defiance, and vice versa. This resembles the C.A. section in which despair of finitude and despair of infinitude, for example, are also dialectically related. But in contrast to C.A., C.B. describes a process of intensification of despair in terms of consciousness. However, the process begins with a form of despair “that is ignorant of being despair” (157 / 42). This first form could be interpreted as a minimal form of despair. Anti-Climacus, the pseudonymous author, speaks of “despair at its minimum”: it “is a state that – yes, one could humanly be tempted almost to say that in a kind of innocence it does not even know that it is despair” (157 / 42). Therefore, “it is almost a dialectical issue whether it is justifiable to call such a state despair” (157 / 42). If in this first form consciousness were simply lacking, how could we then come to figures of consciousness, in the double sense of consciousness of that which comes from outside, happening to oneself, and consciousness of oneself? If the process to be described in C.B. is about intensification of consciousness, what is required as the first form must also be a figure of consciousness. What does it mean that this first figure is not simply ignorant of having a self, but “despairing ignorance” (157 / 42)? Such question should make us look more closely at how the process begins. Again, question and method intertwine. My suggestion is that the beginning turns out to be complicated in the sense that in this first figure of despair the presupposition of the exposition of the process is in question: consciousness. From the beginning we face the double question: what is despair, and what is consciousness? The beginning is about what is at stake in the process to be described in C.B..
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Unconscious Despair? Or: Differences in Perspective The first form of despair – not knowing itself to be despair – is “not despair in the strict sense” (129 / 13). Is it then, strictly speaking, despair? Kierkegaard has Anti-Climacus emphasize: “every moment he [the one despairing] is in despair he is bringing it upon himself” (133 / 17). We are only in despair when we despair. But if we do not even feel ourselves despairing, if we do not experience ourselves as being in despair, it is as if despair only happens to us. What is it that Anti-Climacus seeks to bring into view when speaking of the first form of despair being “ignorant of being despair” (157 / 42)? Before beginning his exposition, Kierkegaard lets Anti-Climacus discuss the approach to the phenomenon in question, in terms of views or perspectives to be taken. Anti-Climacus distinguishes between “the common view” (den vulgaire Betragtning) and the view of “the physician of the soul” (139 f. / 23). The second view turns the first one upside down: “That one is in despair is not a rarity; no, it is rare, very rare, that one is in truth not in despair” (139 / 23). How is this claim to be justified? The second view inverses the question so that the problem is not how a human being gets into, but how she avoids or gets out of, despair. This inversion of the common view is in need of a justification that shows what the common view overlooks. The common view “completely overlooks that not being in despair, not being conscious of being in despair, is precisely a form of despair” (139 / 23). Again, this claim is in need of an account. Anti-Climacus then brings into view the apparently opposite phenomenon: “Despair can be affected” (140 / 24). Pointing to this possibility not only justifies that ‘the physician of the soul’ (den Sjelekyndige, the one knowing also by acquaintance the soul) moves beyond what the person in question says about herself. The very fact that a person affects despair – saying herself to be in despair – is of importance: “this very affectation is despair” (140 / 24). What does this further – let us call it existential and phenomenological – move mean? My suggestion is that it points to the subjectivity in question in the following sense: In relating to what happens to herself, a person is to bear and to endure herself, as she relates. What she does means something to her which is not just – as a matter of course – the meaning she herself acknowledges. It is not simply a matter of her attaching meaning to what she does. Not only may what she has done come to mean something differently to her. It is also a matter of acknowledgement. We can make ourselves blind to what we are doing. What Anti-Climacus calls “the common view”, refers to what we say about ourselves. According to this view, when someone claims not to be in despair,
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he is not in despair. However, the very act of referring to what we claim ourselves to be opens up the question: are we as we say ourselves to be? We are the one claiming ourselves to be in this way. Can we put ourselves into words? Being ourselves is already at play in seeking to say who we are. What we are trying to say concerns us as the one saying this. The very act of saying or claiming means something in terms of being the one saying this. We are not just who we are and then trying to say who we are. The question is already how we are who we are. In the context of a phenomenology of spirit, we can make the distinction between two perspectives: what the person – or figure – says about herself (seeking to say how it is for her to be herself), and what ‘the one knowing the soul’, the view from outside, sees in what the person shows – in and through what she says. The distinction between a view ‘für es’ (for the figure itself) and ‘für uns’ (for us observing the figure) is crucial in order to understand the exposition in The Sickness unto Death, not only in C.B but also in terms of the relation of the two parts of the book (cf. Grøn 1997b). Actually, we must distinguish three perspectives: the ‘for itself’, the ‘common’ view claiming the ‘for itself’ view, and the view of the ‘one acquainting herself’ with the soul as the ‘for us’ view. This further distinction concerns our view as readers. We cannot just place ourselves in the latter view – we also take part in the ‘common’ view. Or to put it differently, we are ourselves to be measured by the view of ‘the one being acquainted with the soul’. The second perspective (‘for us’) is a view from outside in contrast to the first perspective of the figure itself. Does the second perspective introduce a standard from outside into the description of the phenomenon? Anti-Climacus clearly states that the analysis of despair has a standard (Maalestok): “… if there is to be any question of despair, man must be regarded as defined by spirit [maa man betragte Mennesket under Bestemmelsen Aand]” (141 / 25). Therefore, he can claim: “But to be unaware of being defined [bestemmet] as spirit is precisely what despair is” (141 / 25). What does it mean, then, that despair is “a qualification [Bestemmelse] of the spirit” (140 / 24)? First, what does it mean to be aware of being defined (or determined) as spirit? What kind of ‘knowing’ is it? The first form of despair is marked by “unconsciousness” or “ignorance”. It does not know itself to be despair. This kind of knowing is acknowledging: ⁵ When Anti-Climacus states that one could be
In Danish: it is despair “men veed ikke af det” (SD 160). The Hong translation “but is ignorant of the fact” (SUD 45) does not capture the kind of knowing implied in “at vide af”: ‘knowing of’ in the sense of acknowledging.
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“tempted almost to say that in a kind of innocence it does not even know [ikke veed af] that it is despair” (157 / 42), the point is that this first form of despair is marked by this ignorance, not knowing or acknowledging that it is despair. This is what the account of despair that is ignorant of being despair must show. The account is also in this sense phenomenological. Second, describing the first form of despair marked by ignorance of being despair, we must also show what it means that this despair is a qualification of spirit. But how does being defined as spirit show itself in the negative? The answer, I think, is to be found in the fact that also the one not knowing (acknowledging) himself to be in despair relates to himself. This comes to the fore in the ways the “customary” view speaks, not going beyond “appearances”: “It assumes that every man must himself know best whether he is in despair or not. Anyone who says that he is in despair is regarded as being in despair, and anyone who thinks he is not is therefore regarded as not” (139 / 22 f). Appearances are also what we let – or want to let – appear. This is a critical point for my argument. Kierkegaard begins his exposition of the figures of despair in C.B. with a figure apparently representing the “minimum” of despair. Yet this figure already thinks and speaks, and it does so about itself, in relating to others. Moreover, it speaks or claims itself to be free of despair. This means that ‘we’ do not need to bring in the standard that a human being is defined as spirit. We do not need first to bring the figure to speak. It does so already, claiming itself to be what it knows itself to be. Not ‘knowing’ oneself to be in despair is thus a way of ‘knowing’ oneself – in the same way as we only forget what it means to exist in and through our ways of knowing. There are different forms of knowing oneself: one is to know oneself in acknowledging that one cannot claim to know oneself, another is to know oneself in claiming to be what one claims to be. What then do ‘we’ do? Orienting ourselves by the figure of the one being acquainted with the soul (den Sjelekyndige), we do not simply observe as spectators (in German: zusehen). What we do, in observing, is to turn the figure towards itself. The figure taking itself to be what it is, in immediacy, betrays itself: it shows itself to be different from what it claims. And it does so in claiming just to be what it is. How does the figure show itself not just to coincide with what it claims itself to be? Anti-Climacus points to anxiety: there is no one who does not secretly harbour an unrest, an inner strife, a disharmony, an anxiety about an unknown something or a something he does not even dare to try to know, an anxiety about some possibility in existence or an anxiety about himself, so that … he walks around with a sickness, carries around a sickness of the spirit that signals its presence [lader sig mærke med, at den er derinde] at rare intervals in and through an anxiety he cannot explain. (22 / 138)
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Anxiety is self-disclosure also in the sense that we show ourselves not to coincide with ourselves. Later, Anti-Climacus declares: “Despite its illusory security and tranquillity, all immediacy is anxiety and thus, quite consistently, is most anxious about nothing” (141 / 25). What is meant by “despite its illusory security and tranquillity”? The security is a matter of assuring oneself, ‘speaking oneself into’ feeling secure, against the unrest and anxiety that one carries around. Being defined as spirit shows itself precisely, albeit negatively, in this self-assured and self-assuring security. The unapparent phenomena – unrest, anxiety – show that we carry ourselves along. The self-relation we cannot avoid manifests itself in the effort to avoid it. Despite ourselves, we cannot avoid ourselves. When we do not understand ourselves as spirit, or take ourselves as a self, we have ourselves differently: in a sort of self-assuring movements. We cannot avoid taking ourselves in one way or the other. Consequently, Anti-Climacus claims that the despair which is ignorant of being despair hides a will – to ignorance. The will hides itself in this ignorance. Therefore, he must qualify his description of the phenomena in question: Actual life is too complex merely to point out [udvise: manifest] abstract contrasts such as that between a despair that is completely unaware of being so and a despair that is completely aware of being so. Most often the person in despair has a dim idea of his own state, although here again the nuances are myriad. To some degree, he is aware of being in despair, feels it the way a person does who walks around with a physical malady but does not want to acknowledge forthrightly the real nature of the illness … he may try to keep himself in the dark about his state through diversions and in other ways, for example through work and busyness as diversionary means, yet in such a way that he does not entirely realize why he is doing it, that it is to keep himself in the dark. (163 / 48)
This means that “there is indeed in all darkness and ignorance a dialectical interplay between knowing and willing” (163 / 48). A person can seek “to obscure his knowing” (201 / 88). Ignorance is not “original” but “later”, being “produced” [frembragt] (201 / 88). The one despairing can make himself ignorant of his own state. But this is not something he simply decides to do. It is not a matter of direct intention. Rather, it works precisely through diversion. This implies that one knows, by oneself,⁶ but seeks to avoid this knowing by becoming diverted. In that sense the intuitive insight is to be affirmed that one cannot be in despair without somehow knowing one to be so.
Cf. the notion of con-science (Samvittighed): knowing ‘with’ (con) oneself.
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All this means that the ‘unconscious’ despair – the first form of despair – is not a minimal form of despair that constitutes a straightforward figure with which the process begins. Rather, it amounts to a complicating possibility always in play: the possibility of spiritlessness. This is not spirit not yet being there, but the attempt not to understand oneself as spirit. In this sense, spiritlessness takes spirit. It is a phenomenon of spirit, to be accounted for by a phenomenology of spirit.
The Process If we ask where to find the analysis of despair in The Sickness unto Death, the best candidate would be the C.B. section in part one. What we find here is the exposition of the figures of despair. The exposition takes the form of describing a process in which the figures unfold themselves, observed by us. It is despair considered within the category of consciousness. The process displays an intensification of despair in terms of consciousness. This process of figures of consciousness begins with an ambiguous figure: unconscious despair. I have discussed this opening figure at some length because it tells something crucial about the character of the process that it opens up for. In reconsidering the opening figure we face the twofold question: what is despair, and what is consciousness? This is what is to be shown in the phenomenology of the figures of despair considered as figures of consciousness. In contrast to the opening figure, all the figures subsequently described declare themselves to be in despair. Within each of the two main forms – the despair in weakness and the despair in defiance – we find subseries of figures. Thus, within the despair in weakness (defined as in despair not to will oneself) a difference opens up between despair which is simply despair in weakness and despair which also despairs about its weakness. This is a difference in consciousness. The second figure can be seen as responding to the first. It is not only reflected in relation to the first but also reflects upon the first. Also within despair in weakness in the narrow (first) sense, we can observe an intensification of despair in terms of consciousness. The very first figure is characterized by immediacy. Despair here is “only a suffering, a succumbing to the pressure of external factors; in no way does it come from within as an act” (165 / 51). Something happens to the person and brings him to despair. On a closer look, this figure is problematic in much the same way as the unconscious despair being ignorant of despairing. Its problematic character makes the approach difficult. The one despairing does not see what he is doing: that he
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despairs. He is “conversely situated” (167 / 52). That is not something that just befalls him; rather it is how he situates himself, without realizing: he is not aware, so to speak, of what is going on behind him. He thinks he is despairing over something earthly and talks constantly of that over which he despairs, and yet he is despairing of the eternal, for the fact that he attributes such great worth to something earthly … this is in fact to despair of the eternal. (175 f. / 61)
What is Kierkegaard’s Anti-Climacus doing here? He does not simply look on but introduces a standard (Maalestok): Despair “is indeed the loss of the eternal and oneself” (176 / 61). However, he introduces this definition of despair by turning the figure towards itself. He brings to light how the figure is conversely situated in what it is doing. The consideration by Anti-Climacus takes up what the figure says about itself. In saying that it is in despair it attributes such decisive meaning to the loss it suffers that it makes the loss into a loss of the eternal. Again, describing the phenomena of despair is to describe movements made by the one despairing, movements of situating himself. Anti-Climacus, the observer, re-situates the figure, turning it back upon itself. This movement made by the observer, leads to the next figure. Despair is somewhat modified in that the individual in despair to a certain degree comes to ponder over his self: “It means something for such an individual to talk about being despair” (169 / 54). What gradually shows itself to the individual (the figure) is what he himself does: attributing significance to what happens to him, thereby determining himself. He can be brought to the point of ‘totalizing’, despairing over the earthly. Consciousness is intensified into a “new consciousness – that of his weakness”: “If the preceding despair was despair in weakness, then this is despair over his weakness” (176 / 61). The insight into the despair in weakness – developed from within this figure – is an insight into what the one despairing is doing by himself. This opens up the possibility of “definitely turning away from despair to faith and humbling himself under his weakness” (176 / 61). But if one resists this humbling move and does not acknowledge having been weak, one continues holding oneself in despair. The point made concerns existential movements. It is dialectical in an existential sense. If one does not acknowledge oneself, one is not free to be oneself. Instead, one becomes self-enclosed by what one is doing to oneself. This ambiguous selfrelation is “inclosing reserve [Indesluttethed]” (177 / 63). This leads to the second main figure, the despair in defiance: in despair to will to be oneself. The self that one wills to be is a self-constructed self. In constructing oneself, one does not will to be oneself as the one who one already is – already in seeking to be someone else. What comes to appear in this process is
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not only self-consciousness. Intensified is an ambiguous self-relation: (not) willing to be oneself. The one despairing shows himself not to be the one he wills to be. He is also the one suffering in defiance: being the one (not) willing to be oneself is to be in despair. Let us step back and ask: what is the significance of the process described, especially the transition from despair of weakness to despair in defiance? The process of figures begins with despair as “only a suffering” (165 / 51) and lets gradually despair as a doing appear. This opposition between suffering and doing is combined with another, implied in the question whether despair comes from without or from within. Interpreted along these lines, the process in which despair in weakness (intensified as despair of weakness) is succeeded by despair in defiance is a movement from a suffering despair coming from outside to an acting despair coming from within. What first appeared as equal forms of despair is now being described as a process in which the first turns into the second. Thus, the despair of defiance turns out to be the primary form, making manifest what it means to despair. The process described is indeed to be interpreted. On a closer look it is more dialectical than simply moving from a suffering form of despair to an active form. In play is also what the figures say and think (in German: meinen). This is appearance to a second degree by which the figures conceal themselves, but this ‘appearance’ (in German: Schein) to be brought to light also goes into the figures themselves. Thinking that despair comes from without hides what the one despairing himself is doing: attributing significance to what comes from outside. What is more, the process does not end in an active despair. Rather, the moment of suffering is intensified in the inclosing reserve. Furthermore, it is not clear that a suffering form of despair must come from without and an active from within. If someone despairs over himself, he also suffers from himself, subjected to himself. How then is the process to be interpreted? In its course it becomes manifest what despair means: having lost oneself. However, it is important to distinguish between the two meanings attached to the process: that it consists in the transition of the despair of weakness to the despair in defiance, especially when interpreted as the transition from suffering to active despair, and that the process uncovers what it means to despair. In the latter sense it means a “progress” in the consciousness of despair, making manifest what it is to despair. Apparently, Kierkegaard brings the two meanings together. When despair increasingly shows itself as defiance, it becomes manifest what despair means. Why then is it important to distinguish here? The one despairing is to come to understand what this means, to despair, thereby facing the task of acknowledging what he
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is doing. But the process described shows more than that. The telos of the process is not just to come to understand what despair means, but also to come to understand that consciousness and will are intertwined. The process is negative also in terms of telos in that it describes human possibilities of failing the task (coming to understand oneself) in a still more intense manner.
A Negative Phenomenology? In The Sickness unto Death, “figures of despair” are figures of consciousness. A figure (Gestalt, Skikkelse) is a way of relating to the world and in this relating to itself. In the process described in C.B., the one despairing is to come to understand that he is in despair and what this means. Consciousness in despair is to turn into consciousness of despair. However, in this process of self-consciousness there is inertia or even resistance. It is a process of figures that do not understand themselves. This already indicates the role of negativity in the process. The figures of (self)-consciousness only come to understand what it is to be in despair by realizing that they do – or rather did – not understand themselves. The beginning of the process described in C.B. is also remarkable in this light. As indicated, the beginning is twofold. First we have ‘unconscious’ despair, and next despair in ‘immediacy’. While the first ‘speaks itself free’ of despair, the second declares itself to be in despair. It is decisive that both speak about themselves, taking themselves to be what they claim to be. Already caught in language, they can contradict themselves. Thinking itself not to be in despair, the ‘unconscious’ despair does not form a straightforward initial figure. Rather, it constitutes a complex possibility which complicates the telos of the process, thereby indicating the possibility of a process of avoiding understanding oneself as spirit. This radical possibility being placed in the beginning qualifies the negative character of the phenomenology of despair. This means that the process is also about the possibility of failing the telos of the process: to come to understand what it means to do what one is doing, namely despairing, thereby coming to understand what it means to be a self. The process depicts self-consciousness in becoming, but precisely in becoming the outcome is open and self-consciousness at stake. Also in this sense, the phenomenology of despair is a phenomenology of spirit. The negative or broken character of the process has to do with the existential meaning of self-consciousness. Consciousness and will are intertwined so that consciousness becomes a matter of the will. This does not imply that one is in control of one’s consciousness. On the contrary, in question is the will in terms of the person willing. What
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is the will hiding in what the person claims herself to be? The process moving beyond the shift of the despair in weakness to despair of weakness traces not only inertia but also a counter-will, resisting the demand of becoming manifest. Thus, the intensified negative possibility of avoiding understanding oneself as spirit (spiritlessness) indicated in the opening figure of ‘unconscious’ despair accompanies the whole process. Even when the insight into the definition (or determination) of spirit is achieved, this definition can be not only missed but also lost. In terms of the Postscript, abstraction understood as becoming absentminded or thoughtless forgetting what it means to be spirit, is a constant possibility – of spirit. If the process is about what it means to despair, what is the answer? To cut a long story short, despairing is to give up hope and to lose courage – the courage to carry oneself in leading one’s life. Only in this sense is Kierkegaard’s claim to be defended: that despair comes ‘from within’ in that despairing is something the one despairing ‘does’. He does it to himself, by himself: he gives himself up. This radical negative possibility – to be distinguished from the intensified negative possibility of spiritlessness – accentuates the existential character of the process of (self)-consciousness described and interpreted in a negative phenomenology.
An Existential and Hermeneutical Phenomenology of Spirit When reconsidering Kierkegaard’s analysis of despair in the context of a phenomenology of spirit, what are the possibilities open to us? My suggestion was to focus on the intertwinement of question and method. What is in question? Let me summarize by making the following two points. First, I have argued that we should insist on the problematic character of human existence. Kierkegaard’s analysis of despair is about the fact that humans encounter themselves as a problem, not just in the sense that it calls for self-understanding but also in the deeper sense that their self-understanding is part of the problem. This is indicated by the negative point of departure in the Postscript that humans can forget what it means to exist and – we should add – forget the point in asking the question. In The Sickness unto Death the very approach to the phenomena of despair to be described is complicated by the intensified possibility of avoiding seeing oneself as spirit: as a self, facing the demand to answer for oneself. But this possibility requires a self. Spiritlessness is a possibility of spirit.
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Therefore, what we should do is to seek to give an account of selfhood that takes the intensified negative possibility into account. Second, what is needed then is a more refined analysis of the subjectivity implied in a phenomenology of despair as a phenomenology of spirit. I have argued that in reconsidering Kierkegaard’s analysis of despair the key issue is the interplay of suffering and doing. What is the subjectivity of suffering? If suffering inheres in existing, how is the ‘act’ of existing to be understood? Existential thinking is put to a test in the analysis of despair. If we construe this analysis in terms of passivity and activity, the critical point is that the person suffering in despair is the subject of despair. How should we understand that the one suffering is also doing something to himself in despairing, to the point of ‘totalizing’ his despair? What then about the method? Question and method are intertwined in the sense that what is in question complicates the approach to the question (Sache). To be further explored is the possibility of an existential and hermeneutical phenomenology of spirit. It is hermeneutical in that phenomenology – as logos – concerns that which is overlooked or not seen in that which is seen. In the analysis of despair in The Sickness unto Death we find ourselves between Hegel and Heidegger (cf. Grøn 2010). A figure of consciousness shows itself in such a way that it also conceals itself. However, in the analysis of despair we also move beyond both Hegel and Heidegger. We encounter a complication in self-relation that has to do with the concept of spirit. This is to be seen especially in the figure opening the analysis, the ‘unconscious’ despair, and in the open closing figure, the negativity of the self-inclosing despair. The hermeneutical phenomenology is existential in that a human being relates to herself in relating to the world: in situating herself, in taking positions. In despairing, the person in despair also relates to herself in relating to what happens to her – if not she were not despairing. This leads us back to the question: how should we account for the subjectivity implied? Being subjected to despair, in suffering, the person can come to see herself as incapable of relating to and situating herself in the world. Thereby, the task of self-understanding in terms of coming to understand oneself is intensified. This calls for a more refined analysis of the subjectivity implied.
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Kierkegaard’s Voice In one of his more poetic criticisms of Hegel, Kierkegaard, in the Concluding Unscientific Postscript, compares the task of existing as a subject with help from pure thinking to navigating in Denmark with the help of a map of Europe. Just as it is difficult to find, say, a place in the countryside if one has only a few major cities to navigate by, it is also an all but impossible task to find one’s own place in life if the broad, abstract concepts of systematic philosophy are all one has to enlighten the path. Something is missed in the crude Hegelian picture of the world, the metaphor seems to suggest, and one can almost see the forgotten subject standing at the side of a road, inaudibly shouting and waving to catch the attention of the conceptual monster hovering above. However, I think the image could be taken to indicate something slightly different from a mere problem of focus in Hegel’s philosophy. The problem with a map of Europe is not only that some of the local places are not marked on it, but that the style, graphics, and purpose of such a map are meant to address entirely different problems than finding one’s way around any local landscape. If one had a map of Denmark and needed to locate the fire escape in someone’s apartment in Copenhagen, the problem would be even more obvious. The principal problem of subjectivity in relation to philosophical language is not one about “zooming in” on the parts of the system, but one that concerns a level, the level of enunciation, which involves a qualitative leap in comparison to most philosophical rhetoric. Hegel’s philosophy does not pose a problem to Kierkegaard because its language is “difficult” or too theoretical, but because it does not address the qualitatively different problem of the relation between the enunciated content of philosophy and the position of its enunciation: Who writes and why? The hypothesis of this paper is that there is a productive alternative way of articulating a Kierkegaardian critique of Hegel by focusing on the poetological aspects of Kierkegaard’s writing. The claim is, furthermore, that a poetological reading can be informed by a Lacanian psychoanalytic take on the phenomenon of the voice, and finally that poetics can contribute to a more precise elaboration of Kierkegaard’s understanding of subject and spirit. I will pursue this ambition in four steps: 1) A more general identification of the voice that speaks in Kierkegaard’s works via Mikhail Bakhtin’s distinction between monologue and polyphony; 2) a presentation of Mladen Dolar’s analysis of voice and application of this to Kierkegaard’s voice; 3) a reading of the passage from Either Or to Fear and Trembling as paradigmatic of the problematic of the voice in Kierkegaard; and 4) some general remarks on spirit via Sickness Unto Death.
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1 Between monologue and polyphony In the Concluding Unscientific Postscript, Kierkegaard suggests that Hegel ought to have published his Wissenschaft der Logik without indication of the name of the author, without year of publication, without preface or footnotes, and without any disturbing elaboration of, or personal comments to, that which allegedly explains itself. This would have been a “Greek deed,” according to Kierkegaard, (or more precisely according to Johannes Climacus), since it would have been an honest adjustment of form and content. The “redublication of the content in the form” marks the artistic, as it is described (Kierkegaard 1994e, 36). In a beautifully precise, although unexplained, comparison, Climacus furthermore adds that the Science of Logic would thus, as an anonymous work, have been a counter part to the sounds of nature in Ceylon. The implicit reference is to G.H. Schubert’s description in Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft (1808) of an enigmatic occurrence of certain particular sounds in the natural environment on Ceylon (now Sri Lanka), the origins of which could not be explained at the time, i. e. a kind of “voice of nature” without any apparent bearer. Hegel’s logic would have been a wonderful parallel to this subject-less voice of nature as a “voice of reason” with no identifiable contingent or finite sender, if he had only observed the stylistic precautions that Climacus suggests. “Where does this voice come from?” readers would have asked, just like the ornithologists of Ceylon, and the only answer they would have come up with would have been: “As if from reason itself.” In this little anecdote, it is worth noticing that Kierkegaard does not describe Hegelian philosophy, or particularly the Science of Logic, as a futile enterprise which somehow violates or disregards real problems. If anything, one could even say that Hegel, according to Climacus, should have been more bold and gone all the way in letting reason speak for itself by erasing the traces of the author. Kierkegaard is thus not degrading Science of Logic to “just another subjective point of view” that could be written by anyone, like Judge Vilhelm or Vigilius Haufniensis. On the contrary, precisely by suggesting that it could have been published without an author, he indicates that something is going on that is bigger than any author one might imagine. In a way, this could even be seen as a tribute to Hegel–placing him at the extreme of the author-text relationship and his Logic as something like the closest one could get to a pure act of writing. Nevertheless, if one were to suggest a pseudonym for the author of Wissenschaft der Logik, it could perhaps be something like Vox Nullius – “the voice of no one.” However, even the sounds of nature in Ceylon do of course in fact depend on some conditions of their appearance, and the same goes for philosophy. The pure position of enunciation exists only in the fantasy of the Cartesian cogito, and any
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text is therefore always already inscribed into a contingent language that can never be absolutely mastered by its author. Although there is implicit praise of Hegel in Climacus’ suggestion of publishing Science of Logic without indication of the author, the point is still that even such a gesture would have been an orchestration of the relation between author and text. One would say something specific and interesting by insisting on letting reason speak for itself to the extent that this is at all conceivable, but it would still be a (Greek/heroic) literary experiment. To put the point bluntly, the criticism of Hegel and Hegelianism could therefore be said to be that he did not “even” perform this explicit gesture of stepping back and letting reason speak for itself, but instead spoke with the “voice of the master” (“Herskerens stemme”), as it is called in The Concept of Irony, as if Hegel, the author, could speak directly and unmediated on behalf of reason, or as if he was the voice of reason. Could Kierkegaard’s method then be said to acknowledge that a text always stems from someone and that any expression is therefore merely an expression from a certain point of view, such that values, insights, and opinions important to Johannes Climacus might be challenged by Anti-Climacus, etc.? Is Kierkegaard’s oeuvre, in other words, one big polyphonic display of the fundamental fact that “subjectivity is the truth” in the sense that any linguistic utterance is the utterance of someone, somewhere at some point in time, and cannot claim any more than this? I think this would be just as simplified a reading of Kierkegaard as the reading of Hegel that flatly rejects his philosophy as the sublation of all tension and difference in an ultimate synthesis.¹ Instead, I think it is worth going into some more detail to outline the poetics of Kierkegaard’s work. Using Mikhail Bakhtin’s distinction between monologic and polyphonic literary works, we can begin to see the problem more clearly. Bakhtin, in his Problems of Dostoyevsky’s Poetics, identified the great artistic achievement in Fedor Dostoyevsky’s work as that of “constructing a polyphonic world and destroying the established forms of the fundamentally monologic (homophonic) European novel” (Bakhtin 1984, 8). Unlike the traditional novelists, paradigmatically represented by Leo Tolstoy, the characters of Dostoyevsky’s novels (Prince Myshkin, Raskolnikov, Sonya Marmeladova, The Karamazovs) were “not only objects of authorial discourse but also subjects of their own directly signifying discourse” (Bakhtin 1984, 7). When Tolstoy depicted different characters in all their individual tastes and moods, he did this for the purpose of outlining a moral idea or a view of the world, which he himself had already comprehended at the outset. His
A simplification of Hegel, it must be admitted, which Kierkegaard himself was one of the first to commit.
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characters were in this sense literally marionettes in the master’s elaborate theatre. In Dostoyevsky’s books, on the contrary, ideas were incarnated in heroic figures that incessantly put them to the test in their actions and dialogues with others. Thereby, the accomplishment of literature became something quite different from the one it had been until then. Rather than offering a monologic philosophical vision of the world, a literary work could create a “genuine polyphony of fully valid voices” (ibid, 6) in their own right and play them out against each other in order for a higher, dialogical truth about the human being to appear. Dostoyevsky sought a hero, writes Bakhtin, “who would be occupied primarily with the task of becoming conscious, the sort of hero whose life would be concentrated on the pure function of gaining consciousness of himself and the world” (ibid, 50). On the face of it, the distinction between Tolstoy and Dostoyevsky seems to echo the one between Hegel and Kierkegaard: The master’s voice versus a polyphony of fully valid, individual voices. Kierkegaard’s writing would, in this view, resemble Dostoyevsky’s in its elaborate presentation of various perspectives on human life or in its exemplification of the stages of the aesthete, the ethical person and the (variously) religious. Further, it could be said to have a generally existential focus in underlining how the essential thing for a human being is not to live up to certain pre-established truths, but rather to “become conscious of oneself and the world” and take over the lead of one’s own life. As already indicated, however, I think this picture is a bit too easily attained. A second use of Bakhtin’s analysis could therefore be to see the distinction between monologue and polyphonic dialogue as different lines of interpretation of Kierkegaard’s work alone. The first line would thus be the one that emphasizes the religious ambitions of Kierkegaard’s work in particular and sees the books and articles published in his own name as the “truth” about the entire enterprise, whilst the individual voices of the pseudonym authorship are seen as Tolstoyian puppets in the overall plot. The second line, on the contrary, would be the one that insists on Kierkegaard’s ironic and profoundly literary genius. The pseudonyms are not stages on the road to higher insight, but contradictory and many faceted playful stagings of existential and poetic problematics. Kierkegaard’s (true) voice in the first line of interpretation is the one that he enunciates in the writings that he signed, while in the second line of interpretation there is no such thing as “Kierkegaard’s voice” but only something called “Kierkegaard’s voices” in the plural. My claim would be that most approaches to what Kierkegaard’s voice could be said to be end up in one of these two camps, and further that what is truly interesting in Kierkegaard’s poetics nonetheless lies between them.
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In a letter to his friend Emil Boesen from 1838 at an age of 25, Kierkegaard writes about his queries concerning finding the right form of expression. What he needs, he says, is a voice terrifying like the sigh of the giants, persistent like a sound of nature, in scope from the deepest base to the most delicate tones of the chest, modulated from the most sacred whisper to the fire-breathing energy of wrath (Koch 1901, 49).
In this quote, the peculiar status of Kierkegaard’s voice is nicely reflected: It is both one (“What I need is a voice”) and many (“from the most sacred whisper to the fire-breathing energy of wrath,” etc.). The voice that spoke in his works was always Kierkegaard’s own, but also more than just one “own” voice. In The Point of View of My Work as an Author, written in Kierkegaard’s own name in 1848, something similar resounds in a paragraph about the author’s relation to providence. Kierkegaard describes how he often has more than enough thoughts and is overwhelmed by God’s love “and what a man’s impotence is capable of with His aid,” so much so that he would give anything, including his life, to find the “expression” that could adequately describe what needs to be described, and die with it on his lips (Kierkegaard 2009, 66 – 67). It is then as if there is a voice that instructs him, says Kierkegaard, not to be so vain and stupid and instead simply do his duty, keep the pen right, and write. “And then I can do it, then I dare not do otherwise, then I write every word, every line, as good as ignorant about the next word and the next line” (Kierkegaard 2009, 67– 68, translation modified). A few pages later, Kierkegaard denies precisely that he should have been able to envision “the entire dialectical construction” from the beginning and even tries to show how his own understanding of his work is, from the point of view of a reader, peculiarly mixed between understanding and lack of understanding. No, I must say truly that I cannot understand the whole, just because to the merest insignificant detail I understand the whole, but what I cannot understand is that now I can understand it and yet cannot by any means say that at the instant of commencing it I understood it so precisely – though it is I that have carried it out and made every step with reflection (Kierkegaard 2009, 72).
It thus seems as if it would certainly be wrong to say that there was a sort of blue print of the “dialectical construction” at the outset; rather, the writing itself was constantly accompanied by a feeling of necessity and urge from the outside, and a lack of knowledge about “the next word and the next line”; something which a monologic writer would not have been plagued by. On the other hand, it also seems wrong to say that there was a particular interest in letting the different
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characters of the oeuvre speak for themselves, as “fully valid voices” expressing their own view of the world. Kierkegaard was never just telling good stories, and in this sense there certainly was a point of view of his work as an author. So, Kierkegaard’s voice is both one and many, or rather: It is articulated as a continuous excess of the writer himself as a biographical person. In order to cast more light on this, let us lend some inspiration from psychoanalysis and in particular Mladen Dolar’s work on voice.
2 A voice and nothing more In 2006, Slovene philosopher Mladen Dolar published his book A Voice and Nothing More. In it, he examines the phenomenon of the voice from its linguistic to its political dimension, always with the psychoanalytic use and analysis of voice in the background. I believe it is fair to say that Dolar’s book is one of the most comprehensive and widely acknowledged philosophical studies of the voice. Voice, most generally, is described by Dolar as “the flesh of the soul” (Dolar 2006, 71) and as nothing less than the pineal gland in Descartes’ sense–the missing link between body and language; “language is attached to the body through the voice” (ibid, 60), as Dolar puts it, and as such voice is in the body more than the body, coming from the inside when we speak yet curiously extra-material. Voice cannot be reduced to a material substance, since it is endowed with meaning and is literally “exhaled” from the body (in many languages, like in Danish, “spirit” and “breath” are almost the same word). On the other hand, the voice obviously depends on the body for its articulation, the details of which phonetics explains in great detail. How does one acquire a voice? How does a child move from its helpless, speechless infantile condition to becoming a person with a voice of his or her own? Initially, Dolar claims, by incorporating the voice of the Other (cf. Dolar 2006, 81). In the beginning, there is no voice, or there is only the voice as meaningless babble or screams, a kind of non-voice which is there before language proper. Children initially speak “à la cantonade” as Jacques Lacan said, meaning to no one in particular, but also with a somewhat immodest pun on the three syllables “à Lacan.” In a fundamental sense, children at first don’t know what they are saying, but they are still addressing someone in general with their babble, talking à la cantonade, and so even in its most rudimentary form the voice is already caught in the structure of language. Just like the analyst in psychoanalytic practice is supposed to know what the discourse of the analysand signifies, so are the very first beginnings at speaking addressed à Lacan–the analyst is supposed to know why people speak and what they intend to say. Incorporating
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the voice of the Other now means gaining mastery of language through a gradual articulation of the sense that the Other can apprehend. The child learns how to speak, which in a slightly paradoxical way means that it learns how to understand what it is saying. One gets the words from the Other, and gradually starts to realize their meaning. What one is saying is thus something acquired via the internalisation of the voice of the Other. In the beginning it, almost literally, speaks through me. This is why Dolar emphasizes how there is something uncanny about the voice, in the strictly Freudian sense of uncanny (unheimlich): What is the expression of my own innermost identity (that which I say) is strangely permeated by otherness to a degree that what I am saying can sometimes seem to be entirely unexpected to myself, as if spoken by someone else. As Dolar’s colleague, Slavoj Žižek, has expressed it: “even when we see a living person talking, there is always a minimum of ventriloquism at work: it is as if the speaker’s own voice hollows him out and in a sense speaks “by itself”, through him” (Žižek 2001, 58). In an existentialist perspective, one could of course say that this is precisely why the task of any one individual is to not only gain mastery of language, but to take over one’s own voice, to become able to lead one’s life in such a way that one is responsible for everything one says and does. Clearly, it would be possible to draw a direct connection here to Bakhtin’s interpretation of Dostoyevsky’s polyphonic novels as educational and formative dialogical experiments in acquiring and taking over a voice of one’s own. Read a lot of good (meaning polyphonic) novels and you will learn how to speak for yourself as a “fully valid voice.” What interests us here, however, is that something always remains; that the zero-level of the voice is not complete transparency and selfpresence, but rather the opposite: At its most fundamental, voice means not being completely transparent to oneself. Even when we speak with the greatest conviction, we can sometimes suddenly stumble and think: “Who was talking there?” or “How did I come up with that?”, and the voice can interrupt our speech or step forward as voice without really saying anything in particular (Dolar gives a list of what he calls the non-voices: Coughing, hiccups, babbling, screaming, laughing and singing). Freud’s original insight could be said to be the awareness that the human being is never entirely the master of its own discourse. Even the most enlightened and self-controlled person is standing in a relation to something which escapes, or even simply pre-dates, its own consciousness. Not only are there symptoms and disturbances that sometimes need interpretation, but there is something in the human being more primordial than its own conscious awareness. The “primordial repression,” as it is called, is not a repression of some particular content, but a repression of what one could almost call the human condition–the fact that we are never entirely in control of ourselves because we
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stand in a relation to something that conditions our existence. Subjectivity is grounded in a fundamental opacity, to use Judith Butler’s term. Simply put, the subject is never able to narrate the story of its own onto-genesis. I can remember some things, fragments and impressions from my early childhood, but I cannot remember how I became a conscious being or how I first acquired the ability to speak; I cannot account for it (again in Butler’s jargon). Something principally escapes the conscious mind, and this is why there is something called the unconscious. Allowing myself a slightly shortened line of explanation, one could say that the voice steps in where the primordial repression fades out. I gradually learn how to speak by taking over the voice of the Other and making it my own, while silently accepting the inscrutable emergence of my own conscious life. It is almost as if the voice I acquire is a cover up of the fact that ultimately I cannot speak for myself, or not entirely and without disturbance. We must take on a voice and speak for ourselves, but if we deny that a voice can never be entirely our own, we are misguided. When we accept our own voice unproblematically as our natural property with a transparent ability to convey meaning, we treat it as a fetish object; Dolar would say: “The voice as a fetish object consolidates on the verge of the void” (Dolar 2006, 69). A fetish voice could be compared to the descriptions Kierkegaard offers in Sickness unto Death of people who are “current as the King’s coin” but are nonetheless in despair because they do not even know that they are a self. Being in despair without knowing it means that one does not even reflect on one’s own position, origins or duties, but merely tumbles along as the world twists and turns, never stopping to listen, in our wording here, to one’s own voice. Dolar uses Edvard Munch’s famous painting The Scream to illustrate the direct opposite of the fetish voice: The painted scream is by definition mute, stuck in the throat; the black opening is without the voice which would mollify it, fill it, endow it with sense, hence its resonance is all the greater. [Here we have] a source of voice to which no voice can be assigned, but which for that very reason represents the voice all the more (Dolar 2006, 69).
Munch’s silent scream is the pure form of the voice as that which remains after the fetish voice has been removed; or positively stated: It is that which remains in the voice as its silent excess, a reminder of the primordial repression. What happens in psychoanalysis could be said to be that one encounters one’s own voice. Initially, of course, the analysand speaks. He or she is encouraged to narrate, to bring forward the story that is hidden under the surface. The narration, or the free association, is directed at the analyst, who represents the Other. The condition for analysis to begin is a minimum of transference, meaning
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that the analysand is seeing the analyst as someone who can help, someone who knows what the many words mean. It would not be entirely inappropriate to describe the analyst as a stand-in for the Other, who, as it was described earlier, speaks through the subject and is therefore supposed to know the meaning of that which is said. The subject is expecting to gain from the Other an answer to that which is troubling him or her, as if the Other would secretly know the answer already at the outset. However, the point of analysis is precisely not that the analyst should explain to the analysand what his or her words mean. On the contrary, the whole idea is that the speech of the analysand should bring its own clarification. Importantly, this now happens by way of the analyst’s silence. Since the analyst refrains from explaining that which he is expected to explain (but merely helps the speaking subject further, now and then), the words of the analysand are transposed into a dimension where they start to sound strange and hollow; the moment the analysand hears his or her own voice against the backdrop of that silence, there is a structural effect which we could call the dispossession of the voice. […] It ceases to be the asset of self-presence and auto-affection (ibid, 158).
In other words, when one suddenly hears oneself “from the outside,” one begins to see that which is said as strangely contingent and not at all as unproblematically meaningful. “[I]n the midst of the universe of speech there is a break introduced by silence, by this deaf voice, which dispossesses all other voices and disrupts the universe of sense” (Dolar 2006, 159). Dolar explains the possible end of analysis, that which is often referred to as La Passe, the passage from analysand to analyst, as something that can only be reached by “remaining faithful to this experience, to this event, to this voice, by assuming its position, by representing the very object voice.” This is one way of looking at la passe, as he says: “how to turn the impasse of confronting this voice into a passe, a new opening” (Dolar 2006, 162).
3 The passage from Either Or to Fear and Trembling So, back to Kierkegaard. It would be tempting to say that what is going on in his writings is precisely the confrontation with the object voice and a continuous effort at remaining faithful to this experience. Some of his own remarks in the reflections on authorship, such as the ones mentioned earlier, could speak for such an interpretation, and one could surely find corroboration of this in
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other works. In Repetition from 1843, for example, Constantin Constantius establishes that repetition is impossible; one cannot repeat oneself (remain the same, one could say), but nonetheless one can repeat the very impossibility of repetition. Thus, I cannot remain identical to myself and experience the same things again in the same way, but I can repeat the impossible attempt at repeating it, and in this way nonetheless remain faithful to a fundamentally important dimension of existence. “I had discovered,” as Constantius says, “that there was no repetition at all, and I had reassured myself of this, by having it repeated to me in all kinds of different ways” (Kierkegaard, 1994d, 150). In Constantin’s constant failure of repetition, or in the failure of remaining self-identical, lies the possibility of a sort of “higher” fidelity to the impossibility of repetition itself. A psychoanalytic interpretation of this could be one that emphasized how the confrontation with the impasse of repetition marks a new opening; a way of overcoming oneself and becoming someone else, or even becoming oneself. If, however, we stick to the problem of Kierkegaard’s voice more strictly, it should now be possible to reformulate its status as somewhere in between a monologic voice and a polyphonic set of voices. The writing itself, performed by an author “as good as ignorant about the next word and the next line,” contains an element of surplus that cannot be reduced to either monologue or playful, independent dialogue. In an important sense, the author does not know himself what he is doing, because he is investigating the voice that speaks in him or through him and articulating it, word by word, line by line, in order to clarify its profound status as an internal or internalized otherness that is never to be rooted out, but rather to be repeated and approached from different directions. Therefore, the author is not staging the views of the biographical person, Søren Aabye Kierkegaard, whether it be directly or through a shrewd “indirect” message that can be uncoded by the right hermeneutic approach. Indeed, if there is a message in Kierkegaard, it seems not entirely inappropriate to claim that it does not lie in the content of the opinions expressed at all, but in the form, because in the form we find a voice that is never entirely itself, but always in becoming. Or, slightly paradoxically expressed, only in becoming is itself. It seems that Kierkegaard’s voice could be detected in the writing that continuously, in an immensely intense production and sometimes almost as in a free association, is offered to anyone who cares to read it. The voice is produced in this writing, more precisely, because it is only in the rejection of the fetish voice that one may encounter the voice proper. As Dolar says about the analytic situation: “The voice comes back to us through the loop of the Other, and what comes back to us from the Other is the pure alterity of what is said, that is, the voice” (Dolar 2006, 160). In Kierkegaard’s writing, the voice is produced as a surplus of the writing itself. It is something more than Kierkegaard’s own particular
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view of the world, and it is something more than his ability even to imagine and create a series of different ideas and views of the world. The real effect of the writing is rather the production of a certain alterity in relation to any voice that seeks to articulate itself. Here is Dolar again: The voice is what is said turned into its alterity, but the responsibility is the subject’s own, not the Other’s, which means that the subject is responsible not only for what he or she said, but must at the same time respond for, and respond to, the alterity of his or her own speech (Dolar 2006, 160).
So, what happens if we look at the other two great books of 1843 (besides Repetition): Either Or and Fear and Trembling in this perspective? Isn’t it striking, first of all, that the main protagonists of Either Or, A. and Judge Vilhelm, both speak a lot? And secondly, how little dialogue the book actually contains, given that it is staged as a sort of exchange between the two? For a polyphonic novel, there is certainly not very much contact between the incarnated ideas. The staging of the book, furthermore, adds another dimension. The alleged editor of the book, one Victor Eremita, is a character in-between the narrators of the book and Kierkegaard (Kierkegaard being only “juridically responsible” as he calls it in the Concluding Unscientific Postscript). Eremita is the one who lives alone, or so his name indicates, excluded and as someone who doesn’t really seem to have much of a life of his own. He is a collector and spectator, or more precisely, in fact: a listener who has hearing as his favourite sense, “for just as it is the voice that reveals the inwardness which is incommensurable with the outer, so the ear is the instrument whereby that inwardness is grasped, hearing the sense by which it is appropriated” (Kierkegaard 2004, 27). What Eremita has learned from listening to people is to question the “familiar philosophical proposition” that the outward is the inward and the inward the outward, i. e. that people are what they appear to be. Much rather, he has found there usually to be a big difference. Eremita is the one who listens, and he is not listening for interesting tales or beautiful intonations, but for examples of his thesis. When he found the papers that are published in Either Or, his efforts were crowned with an unexpected stroke of good luck, he says, since they gave him the opportunity “to gain an insight into the lives of two men which corroborated my suspicion that the outward was not, after all, the inward” (ibid, 28). From the very first pages of Either Or, the stage is set for an investigation of that which separates its protagonists not only from each other, but from themselves; how what is “in” them does not correspond to what they appear to be. Maybe one could therefore risk the interpretation that what happens in the book is that the voices of A. and B., the aesthetic and the ethical person, are
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heard. Eremita does not intervene after his preface, but he is there to hear the stories that are told, and his silent observation may be construed as that which gives them back their voices in their true, inverted form. “The void,” says Dolar, referring to what he has called the void of the Other, the Other as void, which is the position of the analyst, “produces something out of nothing, albeit in the form of an inaudible echo” (Dolar 2006, 160). What is produced by the silent listener, on this interpretation of Either Or, is thus nothing more than in “inaudible echo,” a minimal effect of otherness that is inscribed into the heart of the discourses of the two talkative narrators. Judge Vilhelm, who is sometimes (too often, I think) interpreted as the true ethical hero of Kierkegaard’s entire oeuvre and as the mouthpiece of the authentic philosophical voice of the author, is being psychoanalyzed in the book by a silent listener, and the result of the analysis, one could claim, is the following book, Fear and Trembling, written by no other than Johannes de Silentio; someone a little less generous with his straightforward statements. Obviously, in Fear and Trembling the voice becomes the theme even more explicitly. The very problem of the book is the traumatic demand that is directed at Abraham from God (Genesis 22:1), namely that he must sacrifice his only son, Isaac: “Take now thy son, thine only son Isaac, whom thou lovest…” Where does this voice speak from? And why can it not be communicated to anyone else? For anyone who wants to make use of de Silentio’s text today as something other than a warning against religious fundamentalism, it might again be productive to interpret the voice as something which comes from deep within oneself, and, simultaneously at its purest, nonetheless as if from the outside. The voice that speaks to Abraham is strictly speaking unethical–it places an absurd command, seen from the point of view of the ethical community, higher than the rules and concerns that govern what is considered right and wrong. Although this may seem outrageous, it does echo a familiar structure of address. Indeed, if one can make no sense at all of such a voice, then a whole line of thinking in the Christian tradition is rendered invalid. As de Silentio says: For if the ethical life is the highest and nothing incommensurable is left over in man, except in the sense of what is evil, i. e. the single individual who is to be expressed in the universal, then one needs no other categories than those of the Greek philosophers, or whatever can be logically deduced from them. (Kierkegaard 2003, 84).
What is at stake in Fear and Trembling is the question of something that escapes communication and simply demands. No one can possibly understand Abraham; he cannot even understand himself. He is hearing voices, of course, but what he hears is not so entirely different from what has been heard even relative-
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ly recently. Is not the Kantian categorical imperative also something which demands unconditional action from the subject, something that tears one out of otherwise engrained practices and even love of one’s family and friends? And isn’t the voice of reason in its Kantian outlook also coming strangely from both inside and outside? As a law that reason gives to itself, it is simultaneously the subject’s own and nonetheless “more” than it. I am not free to invent my own little categorical imperative, nor is the community of which I am part. Dolar finds his best example of an ethical voice, which is both “inside” and “outside”, in Martin Heidegger’s Ruf des Gewissens. In Sein und Zeit, it is described as follows: Der Ruf wird ja gerade nicht und nie von uns selbst weder geplant, noch vorbereitet, noch willentlich vollzogen. “Es” ruft, wider Erwarten und gar wider Willen. Andererseits kommt der Ruf zweifellos nicht von einem Anderen, der mit mir in der Welt ist. Der Ruf kommt aus mir und doch über mich. (Heidegger 1993, 275)
A page later, Heidegger even goes on to say that the caller cannot be described by any traits, but is rather a kind of spectral inversion of Dasein itself. The call is coming from within the house. “Er ist das Dasein in seiner Unheimlichkeit, das ursprüngliche geworfene In-der-Welt-sein als Un-zuhause, das nackte “Dass” im Nichts der Welt” (Heidegger 1993, 276 – 277). Dasein in its uncanny dimension is the voice of conscience that speaks inside us and cannot be overheard, although it doesn’t say anything. Although explicitly an interpretation of one of the most gruesome stories from the Old Testament, Fear and Trembling is also about the voice of conscience, and I think the name of its author gives an immensely important aspect to the interpretation of this voice. Imagine the author of the book being called “Johannes the Believer” or “Johannes, the Knight of Faith.” Excluding for a moment the possibility of an ironic interpretation of such a name, it would indeed have been suspicious. Being told by “Johannes de Silentio” instead, it provides us with another possible approach to hearing what is being said. Is there something which speaks although it doesn’t say anything? Well, obviously: Silence.
4 Some general remarks on spirit So, what is spirit? “Spirit is the self. But what is the self? The self is a relation that relates itself to itself or is the relation’s relating itself to itself in the relation; the self is not the relation but is the relation’s relating itself to itself” (Kierkegaard 1983, 13). Spirit is not one of two–an immaterial substance as opposed to a carnal body. It is not the relation between the two either, but it is that in
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the relation that it relates to itself. Spirit, or the self, is thus strangely a condition of in-between–not a noumenal substance, but not phenomenal either. Spirit is neither the one, nor the other, but the curious fact of a self-relating relation. Just as one can encounter one’s own voice, one can encounter one’s own self. What Anti-Climacus says about the self resembles quite closely what Dolar says about the reflexivity that is implied when the resonance of the voice returns from the Other: “For it is not the same subject which sends his or her message and gets the voice bounced back – rather, the subject is what emerges in this loop, the result of this course” (Dolar 2006, 161). Just as the encounter with the voice in psychoanalysis is the encounter with an opacity or an otherness in the very core of one’s own existence, so Kierkegaard’s self is a relation that by relating to itself relates to a third, namely that which established the entire relation: “The human self is such a derived, established relation, a relation that relates itself to itself and in relating itself to itself relates itself to another” (Kierkegaard 1983, 13 – 14). A common imperative for Kierkegaardian subjectivity and Mladen Dolar’s psychoanalytic take on the voice could therefore be: “Listen to yourself!” Not in the sense, precisely, of paying more attention to your desires and the needs of your body, or as it is fashionable, the “inner child,” i. e. the need to play and dance and experience marvellous things. “Es gibt wichtigere Dinge als die Kindheit,” as Dolar quotes Franz Kafka. “Listen to yourself!” could instead mean: “Listen to your voice,” or to that in you which is more than you, the ground of your existence, the otherness through which you exist. “Listen to yourself!” means “listen to that which bounces back when you hear yourself talk,” which is directly the opposite of “staying true to oneself” if by that one means staying true to that which one currently is or how one currently thinks; even, or especially, the beliefs that one proudly claims always to have had. Staying true to oneself in that sense would mean staying true to Dolar’s “fetish voice,” and this concept therefore, once again, echoes Anti-Climacus’ definition of being in despair in the sense of willing to be oneself. If the human had itself established itself, says Anti-Climacus, then there could only be one form of despair: Not willing to be oneself (as in “Oh dear, why am I here, why am I poor, why is life so short,” etc.), but precisely because the human being has not established itself, there is also another form of despair–namely the despair to will to be oneself. Insisting on one’s own mastery and independence, for instance, would be a way of despairing in wanting to be oneself. Indeed, since the fact of the matter is that the human has not established itself and the self is a derived, established relation, the second form of despair is actually logically primary. Anti-Climacus says: “Yes, this second form of despair (in despair to will to be oneself) is so far from designating merely a distinctive kind of despair
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that, on the contrary, all despair ultimately can be traced back to and be resolved in it.” (Kierkegaard 1983, 13 – 14). Precisely because the self in relating itself to itself relates itself to another, the absence of relating oneself to another is a fundamental form of despair. One does not really relate to oneself at all, if one does not relate oneself to another, or to the otherness in oneself, and therefore the “original sin” of despair is in fact the lack of relation to otherness. In philosophical content, thereby, AntiClimacus comes close to saying what I have been trying to show about the conclusions one may draw from Kierkegaard’s form. Kierkegaard “remains faithful to his own voice” by constantly engaging with it, staging it, performing it, and listening to it. It is staged and rewritten, sometimes babbling on, à la cantonade, sometimes more closely reflecting its stylistic consciousness in the content of the written text. But it is a way of performing that which always accompanies the author, word by word and line by line. If the form is the message, as I said earlier, then maybe one could say that sometimes the content catches up with the form, as in Sickness Unto Death. Kierkegaard raises the question about who speaks in philosophy–a question which was initially addressed to Hegel’s systematic enterprise, but which is certainly as valid as ever today. The question could be posed as the question of what is produced when philosophy is written: Is it only the enunciated content of philosophical propositions, or is the problem of the very enunciation of philosophical sentences itself one that generates something more than propositional content, when it is skilfully considered and mastered as in the case of Kierkegaard’s writings? If an author is a human being, and the human being is spirit, and spirit is the self, and the self is a relation that relates to itself and in relating itself to itself relates itself to another, then maybe one could invert this order and conclude that someone is only a genuine author when he or she relates to the otherness that speaks in writing.
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Danksagung Der vorliegende Band geht auf zwei Tagungen zurück, die vom Nordic Network for German Idealism initiiert wurden. Die erste Tagung „Gestalten des Geistes. Kierkegaard im Kontext des deutschen Idealismus“ hat vom 26. bis 27. Mai 2010 in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München stattgefunden. Die zweite Tagung „German Idealism and its Critics“ wurde vom 10. bis 11. Dezember 2010 an der Universität Oslo abgehalten. Die Herausgeber danken der Siemens Stiftung wie auch dem Nordic Research Council für ihre großzügige Unterstützung. Ebenso danken die Herausgeber der Aarhus University Research Foundation für die finanzielle Unterstützung des Drucks wie auch Herrn Dr. Franz Knappik und Herrn Dr. Christian Martin für Ihre Hilfe bei der Durchführung der Münchener Tagung und der Redaktion des Bandes. Der Verlag de Gruyter hat die Drucklegung des Bandes in gewohnt professioneller und angenehmer Weise begleitet.
Autorenverzeichnis Henrik Jøker Bjerre, born 1972, MA in Philosophy and Russian, Ph.D. in Philosophy, both from Aarhus University, Denmark. Since 2012 Associate Professor at the Department of Learning and Philosophy, Aalborg University, Denmark. Numerous publications on German Idealism, Kierkegaard, psychoanalysis and politics, including Kantian Deeds (Continuum Books (UK), 2010), and The Subject of Politics (with Carsten Bagge Laustsen, Humanities-Ebooks (UK), 2010). Co-founder and member of the experiential philosophical collective Centre for Wild Analysis that produces books, interventions, newspaper columns and radio shows. Address: Department of Learning and Philosophy, Aalborg University, Sohngaardsholmsvej 2, 9000 Aalborg, e-mail: [email protected] Omri Boehm, born 1979, is Assistant Professor of Philosophy at the New School for Social Research. He studied at the Adi Lautman Program for Outstanding Students (Tel Aviv University) and received his PhD in Philosophy from Yale University (2009). He is the author of The Binding of Isaac: A Religious Model of Disobedience (Continuum, 2007) and Kant’s Critique of Spinoza (Oxford University Press, 2013). Other recent publications include e. g., “Kant’s Regulative Spinozism,” in Kant-Studien and “The Principle of Sufficient Reason, the Ontological Argument and the Is-Ought Distinction,” in The European Journal of Philosophy. Address: Department of Philosophy, The New School for Social Research, 6 East 16th St. New York, NY 10003, e-mail: [email protected] Kazimir Drilo, geb. 1957, Studium der Philosophie und Germanistik, Magister und Promotion in Heidelberg. Thema der Dissertation: „Leben aus der Perspektive des Absoluten. Perspektivwechsel und Aneignung in der Philosophie Hegels“. Seit 2007 tätig an der Fakultät für Philosophie der LMU München. Publikationen u. a. Leben aus der Perspektive des Absoluten. Perspektivwechsel und Aneignung in der Philosophie Hegels (Königshausen und Neumann: 2003), Der Eine oder der Andere. ‚Gott’ in der Philosophie des Deutschen Idealismus und im Denken der Gegenwart (Mohr Siebeck: 2010, hrsg. zusammen mit Christoph Asmuth). Anschrift: LudwigMaximilians-Universität München, Fakultät für Philosophie,Wissenschaftstheorie und Religionswissenschaft, Lehrstuhl für Philosophie II, Geschwister-SchollPlatz 1, D-80539 München, e-mail: [email protected] Arne Grøn, geb. 1952, Studium der Philosophie in Kopenhagen und an der FU Berlin; seit 1996 Professor für Ethik und Religionsphilosophie an der Universität Kopenhagen. Seit 2002 auch Mitbegründer von und Professor am Center for
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Subjectivity Research. Publikationen z. B.: Angst bei Søren Kierkegaard (KlettCotta: 1999), Subjektivitet og negativitet (Gyldendal: 1997), Herausgegeber von z. B. Subjectivity and Transcendence (Mohr Siebeck: 2007), Trust, Sociality, Selfhood (Mohr Siebeck: 2010). Anschrift: Det Teologiske Fakultet, Københavns Universitet, Købmagergade 46, DK-1150 Kopenhagen K, e-mail: [email protected] Axel Hutter, geb. 1961, Studium an der FU Berlin, 1993 Promotion, 2002 Habilitation; von 1998 bis 2006 Wiss. Mitarbeiter am Philosophischen Institut der RuhrUniversität Bochum und am dortigen Hegel-Archiv, seit 2006 Ordinarius für Philosophie an der Universität München. Publikationen u. a. Geschichtliche Vernunft. Die Fortführung der Kantischen Vernunftkritik in der Spätphilosophie Schellings (Suhrkamp: 1996); Das Interesse der Vernunft. Kants ursprüngliche Einsicht und ihre Entfaltung in den transzendentalphilosophischen Hauptwerken (Meiner: 2003); Bildung als Mittel und Selbstzweck. Korrektive Erinnerung wider die Verengung des Bildungsbegriffs (Hrsg., Alber: 2009, 2. Aufl. 2013), Gottesbeweise als Herausforderung für die moderne Vernunft (Hrsg., Mohr Siebeck: 2012). Anschrift: LMU, Lehrstuhl für Philosophie II, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München, e-mail: [email protected]. Franz Knappik, geb. 1980, Studium der Philosophie, Gräzistik und Musikwissenschaft in München, Oxford und Pittsburgh; 2011 Promotion an der LMU München (Titel der Dissertation: „Im Reich der Freiheit. Hegels Theorie autonomer Vernunft“). Ab 2009 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-MaximiliansUniversität, seit 2011 an der Humboldt-Universität zu Berlin (Lehrstuhl für Klassische Deutsche Philosophie). Publikationen u. a. Im Reich der Freiheit. Hegels Theorie autonomer Vernunft (De Gruyter: 2013). Anschrift: Institut für Philosophie, Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10099 Berlin, e-mail: franz. [email protected]. Marius Timmann Mjaaland, PhD, born 1971, studied philosophy and theology at the universities of Oslo, Copenhagen, Göttingen, and Heidelberg, and is currently professor at the university of Oslo. Since 2006 he has served as president of the Nordic Society for Philosophy of Religion (NSPR) and president (2006 – 08), resp. vice president (2008‐), of the European Society for Philosophy of Religion (ESPR). He has been a visiting scholar in Tübingen, Chicago, Rostock, and Hamburg. His book Autopsia (De Gruyter: 2008) received the Templeton Award for Theological Promise and he has published widely on Kierkegaard, Derrida, Luther, phenomenology, and political theology. Address: Nordbergveien 65, 0875 Oslo, Norway, e-mail: [email protected]
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Anders Moe Rasmussen, geb. 1956, Studium der Theologie an der Universität Aarhus. Ab 1992 Associate Professor für Religionsphilosophie, Theologische Fakultät und ab 1999 Associate Professor für Philosophie, Arts, Aarhus Universität. Seit 2009 Leiter des Forschungsnetzwerkes „Nordic Network for German Idealism“ (unterstützt von Nordic Research Council). Publikationen u. a. „Friedrich Heinrich Jacobi: Two Theories of the Leap“, in: Kierkegaard and the Renaissance and the Modern Tradition. Kierkegaard Research Sources (2009) und „Hegel and Kierkegaard on Freedom“, in: Kierkegaard Studies 1 (2011). Anschrift: Institute of Culture and Society-Philosophy, Aarhus University. Jens Chr. Skous Vej.7 8000 Aarhus C. Denmark, e-mail: [email protected] Jan Rohls, geb. 1949, Studium in Heidelberg, München und Oxford; seit 1989 Professor für Systematische Theologie mit besonderer Berücksichtigung der Philosophie an der LMU München; Forschungsschwerpunkte: Ideengeschichte des Christentums, Geschichte der neueren protestantischen Theologie, Geschichte der Ethik, Philosophie und Theologie, Kunst und Religion, Reformierte Theologie. Publikationen u. a. Protestantische Theologie der Neuzeit (2 Bde., Mohr Siebeck: 1997), Geschichte der Ethik (Mohr Siebeck: ²1999), Philosophie und Theologie in Geschichte und Gegenwart (Mohr Siebeck: 2002), Ideengeschichte des Christentums (2 Bde., Mohr Siebeck: 2012/13). Anschrift: Evangelisch-Theologische Fakultät, Abteilung Systematische Theologie, LMU München, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München, e-mail: [email protected] Philipp Schwab, geb. 1979, Studium der Philosophie, Germanistik und Anglistik. 2006 M.A., 2009 Promotion, ausgezeichnet mit dem Eugen-Fink-Nachwuchsförderpreis der Universität Freiburg; Titel: „Der Rückstoß der Methode. Kierkegaard und die indirekte Mitteilung“ (erschienen bei De Gruyter 2012). 2009 – 2012 Wissenschaftlicher Koordinator eines Editions- und Forschungsprojekts zu Schellings Erlanger Phase (Förderung Thyssen); 2012/13 Mitarbeiter in einem Projekt zu Heideggers Schelling-Rezeption (Förderung DFG) und Mitarbeiter für die Lehre am Philosophischen Seminar Freiburg. 2013/14 Visiting Scholar am Department of Philosophy, University of Chicago, mit einem Forschungsprojekt zum identitätsphilosophischen Ansatz Schellings und Hegels 1801 (Förderung DAAD, auf Einladung von Robert B. Pippin). Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift „Schelling Studien“ und der Reihe „Beiträge zur Schelling-Forschung“. Anschrift: Department of Philosophy, University of Chicago, 1115 E. 58th St., Chicago, IL 60637, e-mail: [email protected] Marcia Sá Cavalcante Schuback, born 1957, is professor of philosophy at Södertörn University (Sweden). She has also worked as associate professor at the Uni-
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Autorenverzeichnis
versidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ) in Brazil. Her field of research is continental philosophy, with focus on phenomenology, hermeneutics, German idealism, and hermeneutical readings of ancient philosophy. She is the author of the following books: O começo de deus: A filosofia do devir no pensamento tardio de F. W. J. Schelling (Vozes, 1998), A doutrina dos sons de Goethe a caminho da música nova de Webern (UFRJ, 1999), Para ler os medievais: Ensaio de hermenêutica imaginativa (Vozes, 2000), Lovtal till intet: essäer om filosofisk hermeneutik (Glänta, 2006), Olho a olho: ensaios de longe (7 letras, 2011), Att tänka i skisser: essäer om bildens filosofi & filosofins bilder (Glänta, 2011). She has also translated several works of philosophy into Portuguese, among others Being and Time by Martin Heidegger, e-mail: [email protected] Jon Stewart, born 1961, received his Ph.D. in 1992 from the University of California, San Diego. He received a Habilitation degree in theology at the University of Copenhagen in 2003 with his work, Kierkegaard’s Relations to Hegel Reconsidered (Cambridge University Press). He received a second habilitation degree in philosophy in 2007 for his A History of Hegelianism in Golden Age Denmark (C. A. Reitzel). Stewart is the founder and president of the International Kierkegaard Society. He is the editor-in-chief of the series Kierkegaard Research: Sources, Reception and Resources (Ashgate), Texts from Golden Age Denmark (Museum Tusculanum) and Danish Golden Age Studies (Museum Tusculanum). He is the coeditor of the Kierkegaard Studies Yearbook and the Kierkegaard Studies Monograph Series (both De Gruyter). He is the leader of the Nordic Network of Kierkegaard Research. Address: Søren Kierkegaard Research Centre, University of Copenhagen, Farvergade 27 D, 1463 Copenhagen K, Denmark. e-mail: [email protected]
Personenregister Abraham 29 – 45, 108, 270, 275 Adam 142, 203 – 205, 212, 214, 220, 222, 230, 232, 237, 239 Anti-Climacus 55, 137 – 139, 144 – 148, 247 – 251, 253, 261, 272 f. Antigone 59, 70, 73 – 75, 93 f. Aristoteles 69, 98, 135, 152, 156, 158, 160, 169 f., 172, 175, 186, 201, 276 f., 283 f. Auerbach, Erich 33, 275
Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 265, 275 Dunning, Stephen 135, 275
Bachtin, Michail 259, 261 f., 265, 275 Baptist, Gabriella 185, 275 Beiser, Frederick 181, 183, 275 Bjerre, Henrik Jøker 259, 287 Bocheński, Joseph Maria 170, 275 Boehm, Omri 29, 32, 35, 275, 287 Boesen, Emil 263, 280 Burbidge, John 183, 275 Buren, John van 143, 275 Butler, Judith 266
Fahrenbach, Helmut 96, 275 Fenves, Peter 86, 276 Feuerbach, Ludwig 47 Fichte, Johann Gottlieb 3, 7, 48 – 51, 54, 105 f., 110 – 113, 118 f., 199, 210, 214 – 216, 276 Findlay, John 185, 276 Fischer, Kuno 61, 276 Fleischmann, Eugène 185, 187 f., 276 Frauenstädt, Julius 81 f., 276 Freud, Sigmund 81, 91, 265
Campbell, Richard 155, 275 Caravaggio 30 Chagall, Marc 30 Christus 73f., 114f., 124–127, 132, 143, 148f. Chrysipp 156, 174 f., 179 f. Climacus, Johannes 101 – 103, 128 – 132, 152 – 161, 163 – 200, 241 f., 260 f., 284 Coats, George 31, 275 Come, Arnold 152 f., 157, 160 f., 172, 178, 194, 275 Constantius, Constantin 109, 268 Courtine, Jean-François 65, 275 Dante Aligheri 62 Daub, Carl 223 – 227, 275, 283 Derrida, Jacques 135, 140 f., 275, 288 Descartes, René 57, 264 Deuser, Hermann 122, 275 f., 280 Di Giovanni, George 275 Diodor 156, 174 f., 179 f. Dolar, Mladen 259, 264 – 272, 275
261 f.,
Emerton, John 31 f., 275 Epikur / Epicurus 156, 179 f. Eremita, Victor 269 f. Eva 226, 256, 265, 277 Evans, C. Stephen 135, 152, 275
Gaskin, Richard 175, 276 Gettier, Edmund 37, 276 Giles, James 276, 281, 284 González, Dario 79, 102, 152, 167, 172, 276 Green, Ronald M. 5, 42, 276 Greve, Wilfried 96, 276, 283 Grøn, Arne 23, 136 – 139, 241, 243 – 245, 249, 257, 276 f., 287 Hartmann, Nicolai 185, 277 Haufniensis, Vigilius 82, 98 f., 101, 260 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 1 –3, 5, 7, 13– 28, 48, 50, 53, 57, 60, 62, 71, 77, 79–84, 86 –91, 93f., 96f., 99–101, 103–107, 109, 113–119, 121–129, 131–141, 144–148, 151–154, 156f., 170, 172, 176, 181–185, 187–190, 192, 196–199, 216, 219–227, 229, 231f., 235–237, 241, 244f., 257, 259–262, 273, 275–278, 280–284, 287– 290
292
Personenregister
Heidegger, Martin 28, 45, 47, 49, 68, 76, 78, 135, 141, 143 f., 146, 149, 257, 271, 275, 277, 281, 284, 289 f. Hennigfeld, Jochem 59, 65, 71, 98, 162, 277, 280, 282 Henrich, Dieter 162 f., 183, 277 Hintikka, Jaakko 169 f., 175, 277 Hiob 35, 42 f., 109 f. Hirvonen, Ari 76, 277 Hoffmeister, Johannes 225, 277 Hölderlin, Friedrich 45, 76 Houlgate, Stephen 183, 277 Hühn, Lore 64, 77, 79, 87 f., 162, 278 Hutter, Axel 5, 9, 162, 277, 288 Inwood, Michael 182, 278 Irenaeus 35, 42, 278 Isaak 29 f., 32 – 35, 42, 44, 108, 270, 275, 287 Jacobi, Friedrich Heinrich 3, 47 – 57, 278, 289 Jantzen, Jörg 64, 278 Jaspers, Karl 284 Jesus 35, 42, 114 f., 125, 149 Kafka, Franz 272 Kant, Immanuel 1 – 3, 5 – 8, 10 – 14, 20 f., 24 – 26, 28 – 30, 34 f., 37 – 45, 48 f., 55, 65, 151, 157, 159 f., 162 f., 167, 205 – 218, 220, 222, 226, 232 f., 236 f., 276 – 278, 280, 282, 287 f. Kierkegaard, Søren 2, 7, 47, 136, 152, 161, 241, 275 – 285, 287 – 290 Kleinert, Markus 87, 89, 280 Knappe, Ulrich 5, 280 Knappik, Franz 151, 184, 280, 285, 288 Koch, Carl Frederik 263, 280 Kosch, Michelle 84, 153, 177 f., 181, 184, 280 Kreines, James 183, 280 Kusch, Martin 185, 280 Kütemeyer, Wilhelm 87, 280 Lacan, Jacques 264 Lappalainen, Jonna H. 71 f., 281 Lauer, Quentin 127, 281
Leibniz, Gottfried Wilhelm 175 f., 179 f., 200, 281, 284 Lessing, Gotthold Ephraim 101, 154f., 275, 281f. Levenson, Jon 35, 281 Løkke, Håvard 158, 170, 179, 281 Löwith, Karl 1, 47, 281 Lübcke, Poul 153, 159 f., 166 f., 194, 281 Luther, Martin 135, 141 – 143, 147 – 150, 275, 281, 288 Mackey, Louis Mackey 87, 281 Maimonides, Moses 36 Malantschuk, Gregor 135, 279, 281 Manninen, Juha 185, 280 Martin, Christian Georg 197, 281, 285 Marx, Karl 47 Message, Jacques 172, 281 Mjaaland, Marius Timmann 135 f., 141, 145 f., 281, 288 Müller, Julius 230, 232 – 237, 281 Munch, Edvard 72, 266 Mure, Geoffrey 185, 281 Nason, Shannon 152, 157, 160, 169 f., 172, 183 f., 282 Ng, Karen 185, 282 Nun, Katalin 19, 53, 134, 160, 170, 183, 192, 218, 235, 281, 283 Ödipus 73 f. Olesen, Tonny Aagaard 97 f., 162, 282
59, 65, 71, 81, 86,
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob 282 Pieper, Annemarie 161, 282 Poole, Roger 87, 282 Porttikivi, Janne 76, 277 Rapic, Smail 5, 96, 282 Rasmussen, Anders Moe 47, 289 Rembrandt 30 Ringleben, Joachim 135, 146, 282 Rohls, Jan 203, 289 Rosenkranz, Karl 98, 282 Rubenstein, Elizabeth 62, 282
81 f.,
Personenregister
293
Sartre, Jean-Paul 40 f., 47, 282, 284 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 3, 7, 47 – 53, 59 – 71, 76 – 87, 89, 92, 94, 96 – 104, 136, 151, 161 – 164, 170 f., 182, 199, 216 – 220, 223 f., 226, 231, 237 f., 240, 276 – 278, 280, 282 – 284, 288 – 290 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 224, 283 Schmitz, Kenneth 275, 283 Schubert, Gotthilf Heinrich 260 Schwab, Philipp 77 – 79, 87, 89, 92, 98 f., 104, 162, 278, 283, 289 Simpson, David 62, 282 Sokrates 7, 86, 88 f., 91, 114 f., 278, 280 Spinoza, Baruch de 15, 45, 48, 50, 52, 55, 92, 159, 161, 173, 180, 187 f., 199, 218, 276, 278, 287 Steinkraus, Warren 275, 283 Stewart, Jon 59, 65, 71, 79, 87, 91, 93 f., 100, 121, 135 – 138, 141, 156 f., 162, 185, 189, 276 f., 280 – 284, 290 Strauß, Botho 59, 224, 283 Strauß, David Friedrich 224, 283
Theunissen, Michael 136 – 139, 145, 153, 241, 283 Tholuck, August 230 – 232, 237, 283 Thomas, Heywood 152, 155, 159, 170, 283 f. Thulstrup, Niels 7, 79, 87, 135, 152, 155, 161, 171, 278, 284 Tieftrunk, Johann Heinrich 210, 213 f., 284 Tjønneland, Eivind 89, 284 Tolstoy, Leo 261 f. Trendelenburg, Adolf 79, 102, 152, 167, 172, 275 f., 281, 284
Taylor, Mark 139, 283 Tennemann, Wilhelm 98, 158, 175, 179, 201, 283
Yeomans, Christopher
Vatke, Wilhelm 223, 227 – 230, 284 Vetö, Miklos 61, 284 Waaler, Arild 158, 160 f., 170 f., 179 f., 200, 281, 284 Wahl, Jean 68, 284 Watkin, Julia 181, 284 Wenham, Gordon 31 f., 284 Westfall, Joseph 176, 284 Westphal, Merold 156, 284 Wolff, Jens 143, 284
Žižek, Slavoj
265, 284
185, 284
Sachregister Absolutes, das (absolute) 15, 18, 24, 29, 35, 40, 43, 48, 51, 54 f., 57, 64 f., 67, 74, 85, 88 f., 94, 102, 104, 106 f., 110 f., 113 f., 117 – 119, 121, 130, 138, 140, 147 f., 153, 167, 171 – 173, 176, 182 f., 185 – 190, 192, 199, 215, 218 f., 222 absolute, the s. Absolutes, das Absurdität 55, 106 f., 109, 118 f., 130 f. absurdity s. Absurdität Achtung (respect) 76, 142, 148 f., 207, 210 act, intelligible s. Tat, intelligible action s. Handlung actuality s. Wirklichkeit Allgemeinheit (generality) 96, 118, 124 – 127, 188, 229 Andersheit (otherness) 145 f., 265, 268, 270, 272 f. Angst (anxiety) 5, 7, 23 f., 59, 63, 65 – 69, 71, 73 – 76, 80, 82, 97 – 103, 194, 203, 206, 217, 236, 238 – 240, 244 f., 250 f., 277 – 280, 282, 288 animal s. Tier Anschauung (intuition) 9 f., 13 f., 20, 80, 83, 103 Antike (antiquity) 7 antiquity s. Antike anxiety s. Angst appearance s. Erscheinung argument, transcendental s. Argument, transzendentales Argument, transzendentales (argument, transcendental) 29, 37f., 45, 50, 67, 87, 95, 131, 136, 140, 147 –149, 153f., 162, 166 f., 174, 177, 181, 191, 194, 196, 250, 276, 287 Aufhebung (sublation) 95, 135, 137, 139 – 141, 146 – 149, 228, 261 Aufklärung (enlightenment) 10 f., 96 Augenblick (instant) 20,53f.,69,71f.,81,100, 108f., 118, 155, 199, 205, 209, 240, 263 author s. Autor Autor (author) 30, 32 – 34, 36, 39 f., 72, 146, 151 f., 174 f., 179, 242, 247, 260 f., 263 f., 268, 270 f., 273, 287, 290
becoming s. Werden Begriff (concept) 7, 9, 15 f., 18 f., 21, 23, 38, 44, 49 f., 54 f., 57, 59, 64 f., 69 – 71, 75, 77 – 88, 90, 92, 94 – 104, 109, 114, 122, 124, 126 – 128, 135 – 138, 140 – 144, 146 f., 149, 151, 157 – 163, 165 – 173, 175 f., 182, 188 f., 194, 199, 203, 211, 218 – 224, 235 f., 238, 246, 257, 259, 272, 278 – 280, 283 f. belief s. Glaube Belohnung (reward) 31, 33 Bewusstsein (consciousness) 1 f., 5, 10, 13, 23, 28, 43, 49, 55 f., 67 – 69, 71, 110, 114, 124, 137 – 139, 141, 147 f., 198, 207, 214 – 216, 220, 226 f., 230, 233 – 235, 245 – 247, 252 – 257, 262, 265, 273 blessing s. Segen body s. Leib Böse, das (evil) 19 f., 42, 59 f., 62 – 69, 71, 75 f., 109, 113 f., 142 f., 147, 208, 210 – 217, 219 – 237, 239, 270, 277, 283 certainty s. Gewissheit character s. Charakter Charakter (character) 37, 61, 68 – 70, 116, 135, 181, 189, 191 – 193, 198, 215, 242 f., 252, 255 f., 261 f., 264, 269 choice s. Wahl Christentum (christianity) 1 f., 7, 12, 28, 121 – 127, 129 f., 132 – 134, 221, 275, 282, 289 christianity s. Christentum cognition s. Erkenntnis comedy s. Komödie communication, indirect s. Mitteilung, indirekte concept s. Begriff conscience s. Gewissen consciousness s. Bewusstsein contingency s. Kontingenz continuity s. Kontinuität contradiction s. Widerspruch creation s. Schöpfung
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Sachregister
death s. Tod deconstruction s. Dekonstruktion Dekonstruktion (deconstruction) 141 despair s. Verzweiflung determinism s. Determinismus Determinismus (determinism) 48, 184 dialectic s. Dialektik Dialektik (dialectic) 8, 13 f., 19 – 23, 65, 69, 76, 101, 113, 117, 125, 135, 137 – 140, 145, 147 f., 278, 281 Dialog (dialogue) 155, 176, 262, 268 f. dialogue s. Dialog discontinuity s. Diskontinuität Diskontinuität (discontinuity) 62, 64, 67 f. disobedience s. Ungehorsam Dreieinigkeit (trinity) 124, 128 duty s. Pflicht
105 f., 108 f., 113 – 115, 142 f., 149, 262, 269 – 271 evil s. Böse, das Ewigkeit (eternity) 54, 61 f., 106 f., 133, 163, 194, 219, 282 existence s. Existenz existential philosophy s. Existenzphilosophie Existenz (existence) 18 f., 25, 47, 55, 57, 59 – 64, 66 – 70, 73, 75 – 79, 82 – 86, 89 – 92, 95 – 97, 100 – 104, 113, 116, 121, 131 – 133, 144, 151, 153, 156 – 167, 171, 174, 182 – 184, 187, 194, 198, 200, 204 – 206, 217, 221, 232, 240 – 243, 250, 256, 266, 268, 272, 283 Existenzphilosophie (existential philosophy) 47, 49, 78 experience s. Erfahrung
egocentrism s. Egozentrismus Egozentrismus (egocentrism) 148 Einzelheit (singularity) 76, 96, 124, 126 – 128, 188, 196 Endlichkeit / Endliche, das (finitude) 17, 23 f., 63, 67, 69, 71, 75 f., 105 – 108, 118, 137, 145, 156, 196, 224 f., 232, 240, 246 f. enlightenment s. Aufklärung Erfahrung (experience) 9, 13 – 15, 19, 21 – 23, 27, 30, 40, 42 f., 57, 60 f., 66, 69, 74, 76, 115 f., 147 f., 151, 234, 246, 248, 267 f., 272 Erhabene, das (sublime) 30, 41 – 45, 65 Erkenntnis (cognition) 2, 9 f., 13, 25 f., 51, 79, 83, 110, 116, 182, 206 f., 209, 220 – 223, 225, 227, 229 f., 234 f., 239 Erlösung (redemption) 35, 42, 69, 76, 228, 232 Erscheinung (appearance) 10, 14, 32, 36, 41 f., 60, 90 f., 115, 117, 127, 139 f., 142, 182, 184, 234, 243, 250, 254, 260 eternity s. Ewigkeit ethical s. Ethische ethics s. Ethik Ethik (ethics) 5, 7, 19 f., 44, 48, 57, 92 – 96, 99 f., 149, 236 f., 275 f., 282, 287, 289 Ethische, das (ethical) 5, 29, 34, 36, 38 – 40, 45, 66, 68, 71, 77, 94 – 96, 102 f.,
facticity s. Faktizität faith s. Glaube Faktizität (facticity) 77, 82 – 84, 90, 96, 103 fall s. Sündenfall fatalism s. Fatalismus Fatalismus (fatalism) 48 fear s. Furcht feeling s. Gefühl finitude s. Endlichkeit forgivenness s. Vergebung freedom s. Freiheit Freiheit (freedom) 9 – 13, 20 f., 43, 48, 50 f., 55, 59 – 62, 64 – 69, 71, 75 f., 90, 94 f., 97, 101, 110, 122, 130, 132, 151, 153 f., 171 – 174, 177 – 180, 184, 190 – 193, 195 f., 198 – 201, 208 – 219, 221, 227 – 230, 232 – 236, 238 – 240, 276 f., 280, 282 – 284, 288 Furcht (fear) 7, 12, 30, 42 – 45, 69, 96, 105, 108 f., 118, 152, 197, 238, 279 future s. Zukunft Gefühl (feeling) 13, 18, 27, 43, 48, 52, 115, 123 f., 204, 207, 231 f., 251, 263 Gegensatz (opposition) 60, 64 – 66, 69, 75 f., 91 f., 94, 101, 121, 125 f., 128 – 131, 135, 140, 160, 170, 222, 229, 235, 237, 254
Sachregister
Gegenwart (present) 1 f., 13, 26, 28 f., 32, 34, 43, 45, 59, 64 f., 73, 75, 115, 144, 156, 191, 193, 196 f., 207, 243, 287, 289 Gehorsam (obedience) 29, 31 – 33, 35 f., 39 f., 42, 44, 74, 235 Geistlosigkeit (spiritlessness) 2 f., 27 f., 246, 252, 256 Geist (spirit, mind) 2, 7, 18 f., 21 – 23, 27 f., 30, 33, 35, 41, 49, 53, 71, 114, 116 – 118, 122, 124 – 127, 135 f., 138 – 141, 145 – 148, 154, 156, 176, 178, 192, 203, 209, 213, 216 f., 219 – 223, 225, 227, 229 f., 232, 235 – 241, 244 – 247, 249 – 252, 255 – 257, 259, 264, 266, 271, 273, 277, 285 generality s. Allgemeinheit Gerechtigkeit (justice) 30, 34 f., 45 Geschichte (history) 2, 25, 35, 40, 52, 62, 64, 70, 87 f., 95, 98, 114 – 116, 127 f., 135, 141, 144, 158, 162 f., 170 f., 174 – 176, 182, 184 f., 192, 198, 201, 204 f., 208 f., 214, 219 – 221, 246, 277, 282 f., 289 Gesetz (law) 12, 21, 41, 43, 113 f., 183 f., 209 – 215, 218, 222 f., 225, 227, 231 – 233, 235, 271 Gewissen (conscience) 69, 113 – 115, 232, 271 Gewissheit (certainty) 41, 52, 54, 110, 176 f., 244 Glaube (belief, faith) 29, 35 – 40, 42, 44, 47 f., 52, 66, 105 – 109, 113, 115, 121 – 124, 126, 128 – 134, 149, 155, 177, 244, 253, 272 god s. Gott good s. Gute Gottesbeweis (proof of god’s existence) 151, 159, 161 – 163, 277, 288 Gott (god) 11, 14, 19 f., 52, 63, 108 – 110, 112, 115, 117, 123 – 127, 131 – 133, 155 f., 161 – 163, 167, 182, 206, 208 f., 214, 217, 219, 222 – 229, 231 – 236, 276, 287 Grenzbegriff 78 Grenze (limit) 8 f., 11, 14, 18, 20, 32, 41 f., 44, 63, 76, 117, 144, 209 f., 278 ground s. Grund Grund (ground) 6, 8 f., 26 f., 32, 36, 47, 61 – 64, 67 – 70, 73, 75, 80, 82, 88, 94, 103,
297
107, 110, 116, 118, 123, 125, 128, 135 f., 147, 158, 163, 169, 172, 175, 186 f., 189, 193, 199 f., 204, 209 – 213, 216 f., 219, 223 f., 226, 230 – 234, 240, 272, 277, 281, 283 guilt s. Schuld Gute, das (good, the) 34, 39, 41, 59, 62 f., 65 – 68, 75 f., 113, 139, 142 f., 208 – 210, 213 f., 217, 219 – 223, 225 – 231, 233 – 235, 239, 263 – 265, 268 f. Handlung (action) 17 f., 33, 52, 70, 74, 94, 116, 173, 184, 191, 194, 209, 211 – 213, 216, 218, 235, 262, 271 Heidentum (paganism) 5, 7, 28, 148 Held (hero) 38, 65, 70 f., 107, 262, 270 hermeneutics s. Hermeneutik Hermeneutik (hermeneutics) 246, 290 hero s. Held hidenness s. Verborgenheit history s. Geschichte Hoffnung (hope) 42 f., 81, 197, 207, 244, 256 hope s. Hoffnung human being s. Mensch humanity s. Menschheit Ich, das (I) 29 – 32, 34 – 44, 49, 51 f., 54, 56, 59, 65, 80 f., 83, 85, 91, 100, 105, 114, 116, 118, 122, 129, 135 – 139, 141, 144 f., 147, 153 f., 179, 229, 231, 241, 244 – 246, 250, 252, 256 f., 259, 261 – 268, 270 – 273, 276, 278, 281, 283 f. idealism s. Idealismus Idealismus (idealism) 13, 28, 47 f., 50, 53, 77 – 79, 87, 153, 183, 199, 203, 205, 277 f., 282, 284 f., 287, 290 Identität (identity) 22, 54, 60 – 62, 65, 71, 155, 187, 265 identity s. Identität ignorance s. Unwissenheit immanence s. Immanenz Immanenz (immanence) 57, 99 f. immediacy s. Unmittelbarkeit individual s. Individuum Individuum (individual) 36, 38, 43, 60 f., 67 f., 70 f., 75, 90, 95, 129, 149, 184,
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Sachregister
204 f., 208, 210, 214, 216, 240, 253, 261 f., 265, 270 infinity s. Unendlichkeit innocence s. Unschuld instant s. Augenblick intuition s. Anschauung Ironie (irony) 7, 39, 80, 86 – 93, 96 f., 109, 114, 133, 278, 280, 283 f. irony s. Ironie I s. Ich judgment s. Urteil justice s. Gerechtigkeit justification s. Rechtfertigung knowledge s. Wissen Komödie (comedy) 70 Kontingenz (contingency) 151, 170 – 172, 179, 181, 184, 187, 189, 191, 193, 195 – 197, 199 – 201 Kontinuität (continuity) 62, 64, 89, 143, 187 law s. Gesetz leap s. Sprung Leben (life) 18, 24, 47, 49, 52, 55, 59 f., 62 – 64, 67 – 69, 71, 73 – 75, 82, 84, 88 – 91, 95 f., 108 f., 112, 114 – 116, 122, 124, 127, 143, 155, 182, 184, 208 f., 217 f., 233 f., 242, 251, 256, 259, 262 f., 265 f., 269 f., 272, 276, 287 Leib (body) 145, 203, 237 – 239, 264, 271 f. Leidenschaft (passion) 24, 69, 109, 130, 132 f., 143, 222 Leiden (suffering) 66, 70, 72, 74, 81, 89, 139, 147, 156, 199 – 201, 238, 246, 252, 254, 257 libertarianism s. Libertarismus Libertarismus (libertarianism) 173, 178 Liebe (love) 30, 74 f., 110, 115, 155, 207, 217, 223, 233, 244, 263, 271 life s. Leben limit s. Grenze logic s. Logik Logik / Logische, das (logic) 7, 13, 19 – 21, 32, 50, 68, 77, 83, 95, 98 – 101, 104, 117, 121, 140 f., 143, 146 – 148, 151 f., 157,
170, 172, 183, 185, 187 – 189, 236, 260, 275 f., 281, 283 f. logocentrism s. Logozentrismus Logozentrismus (logocentrism) 148 love s. Liebe man s. Mensch Maxime (maxim) 210 f., 213 – 215 maxim s. Maxime mediation s. Vermittlung Menschheit (humanity) 5, 76, 126 f., 143, 204, 208 f. Mensch (man, human being) 2, 8 – 14, 17 – 27, 34 f., 41, 43, 49 – 52, 54 – 56, 61 – 66, 68, 74 f., 80, 88, 91 f., 94 – 96, 101, 107 – 110, 112 – 118, 122 – 127, 129 – 134, 138 f., 145, 148 f., 151 f., 154 – 156, 158, 160, 170, 175, 184, 192, 197 f., 200, 203 – 223, 225 – 240, 242, 245, 248 – 250, 257, 262 f., 265, 270, 272 f. metaphysics s. Metaphysik Metaphysik (metphysics) 8 – 10, 28, 53, 67, 99, 124, 135, 141 – 144, 148 f., 151 f., 167, 178, 190, 197, 199, 277 middle ages s. Mittelalter mind s. Geist Mitteilung, indirekte (communication, indirect) 68, 74, 97, 103 f., 130, 244 f., 270, 283, 289 Mittelalter (middle ages) 5, 7 Modalität (modality) 151 f., 156, 164, 169 f., 176 – 178, 180 f., 185 f., 188, 199, 281 modality s. Modalität Moderne (modernity) 45, 70, 73, 93 modernity s. Moderne Möglichkeit (possibility) 1, 15 f., 19, 24, 26, 37 f., 44, 53, 55 f., 60, 63, 65 – 70, 75, 77 – 80, 82, 86, 90, 92, 97, 101 – 104, 113 f., 122, 137, 148, 151, 153 f., 157 f., 160, 162, 164 – 166, 168 – 171, 174, 178 – 181, 185 – 196, 199 – 201, 217, 219, 223 f., 226, 228 f., 232 – 234, 238 – 240, 242, 246, 248, 250, 252 f., 255 – 257, 268, 271 Monolog (monologue) 259 f., 262, 268 monologue s. Monolog monotheism s. Monotheismus
Sachregister
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obedience s. Gehorsam Offenbarung (revelation) 40f., 44, 47, 50, 53, 61f., 68, 76 f., 80, 91, 94, 106, 108f., 113, 124–128, 133, 143, 151, 161–163, 282f. Opfer (sacrifice) 32, 35, 40 – 43, 68, 270 opposition s. Gegensatz otherness s. Andersheit
Paradies (paradise) 206 – 209, 220 – 222 paradise s. Paradies Paradox (paradox) 38 f., 55, 57, 61, 106, 130 f., 164 paradox s. Paradox passion s. Leidenschaft past s. Vergangenheit personality s. Persönlichkeit Persönlichkeit (personality) 52, 56, 96, 210, 223 f., 232, 234 Person (person) 42 f., 65, 72, 75, 115, 139, 148, 150, 152, 246, 248 f., 251 f., 255 – 257, 262, 264 f., 268 f. person s. Person Pflicht (duty) 40, 114, 227, 263 Phänomenologie (phenomenology) 19, 23, 27, 49, 56 f., 115, 118, 137 f., 141, 219, 241, 244 – 246, 249, 252, 255 – 257, 276 f., 288, 290 phenomenology s. Phänomenologie Polyphonie (polyphony) 259 f., 262 polyphony s. Polyphonie positivism s. Positivismus Positivismus (positivism) 7, 9, 11, 17, 25f., 28 possibility s. Möglichkeit postulate s. Postulat Postulat (postulate) 110 present s. Gegenwart principle s. Prinzip Prinzip (principle) 43, 49, 57, 60, 64, 75 f., 106, 126, 135 f., 142 f., 146, 149, 219 process s. Prozess Prozess (process) 48, 61, 124, 131, 138, 140, 155, 158, 166, 171 f., 176, 181 f., 185 – 191, 195, 197 f., 200, 232, 239, 245, 247, 252 – 256 Pseudonym (pseudonym) 36, 84, 86, 90 f., 98, 103, 122, 128 f., 131, 133, 137, 152 – 154, 199, 260, 262, 282 pseudonym s. Pseudonym Psychoanalyse (psychoanalysis) 264, 266, 272, 287 psychoanalysis s. Psychoanalyse
paganism s. Heidentum pantheism s. Pantheismus Pantheismus (pantheism) 231 f.
Realität (reality) 5 f., 9 f., 18, 23, 38, 50, 53 f., 59 f., 66 – 69, 75, 139, 142, 171, 182, 184, 186, 188, 278
Monotheismus (monotheism) 12 f., 29, 34 f., 37 morality s. Moral Moral/Moralität (morality) 12, 40 f., 96, 109, 112, 115, 123, 198, 209, 216, 225, 275 nature s. Natur Natur (nature) 18 f., 21, 41, 43, 50, 57, 63 – 66, 69 – 71, 76, 95, 105, 115, 117, 121, 124 – 127, 130, 152, 155 f., 163, 173, 183, 188, 191 – 195, 197, 207 – 213, 215 – 218, 220 – 222, 224, 226 – 229, 234, 246, 251, 260, 263 necessity s. Notwendigkeit Negation (negation) 6, 8 f., 11, 14 – 19, 86, 106, 108, 112 f., 116 – 118, 139 – 141 negation s. negation negativism s. Negativismus Negativismus (negativism) 5, 7 – 13, 21 – 23, 25, 28, 136, 139 Negativität (negativity) 6, 9 – 11, 16 – 19, 22, 57, 86, 88, 144, 241, 246, 255, 257 negativity s. Negativität Nichts (nothingness) 18, 21, 51, 55, 73, 88, 111, 117, 140, 187, 196 f., 199 f., 237 – 239, 271 nihilism s. Nihilismus Nihilismus (nihilism) 93, 106, 110, 113, 144 nothingness s. Nichts Notwendigkeit (necessity) 17, 56, 60 – 62, 64 – 67, 69 – 71, 74 – 76, 86, 94, 97, 127 f., 130 f., 137, 148, 151 – 154, 157 f., 160 f., 163 – 176, 178 – 181, 183 – 190, 193, 195 f., 199, 218, 222, 229, 234 f., 246, 263
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Sachregister
reality s. Realität reason s. Vernunft Rechtfertigung (justification) 1, 67, 69, 137, 177, 189, 248 Recht (right) 17 f., 22 f., 37, 75, 85, 87, 89, 95, 114, 123, 135, 176, 184, 197, 205, 209, 224 f., 227, 235, 262 f., 268, 270 reconciliation s. Versöhnung redemption s. Erlösung Reflexivität (reflexivity) 71, 272 reflexivity s. Reflexivität Religion (religion) 7, 12 f., 19, 41 f., 44, 71, 114, 116, 121, 123 – 125, 127 f., 130, 133 f., 148, 182 f., 210, 216, 220 f., 228, 277 f., 281 f., 288 f. religion s. Religion repentance s. Reue repetition s. Wiederholung resignation, infinite s. Resignation, unendliche Resignation, unendliche (resignation, infinite) 105 – 110, 117 f. respect s. Achtung Reue (repentance) 108 f. revelation s. Offenbarung Revolution (der Denkart) 5 – 8, 12 f., 25, 49 reward s. Belohnung right s. Recht sacrifice s. Opfer Schöpfung (creation) 51, 61 f., 64 – 66, 125, 154, 191 – 195, 198, 209, 218 f., 223, 228, 231 Schrift (scripture) 7, 27, 45, 80, 85 f., 90, 94, 98, 102, 105 – 107, 109, 115, 142, 152 – 155, 172, 175, 180, 203, 210, 213, 224, 278, 281 f. Schuld (guilt) 65 – 69, 71, 74 – 76, 178, 205, 217, 227, 233, 235 – 238 scripture s. Schrift Seele (soul) 14, 27, 56, 114, 130, 145, 203, 237 – 239, 248 – 250, 264 Segen (blessing) 31 Selbstbestimmung (self-determination) 10, 214, 227 f., 233 – 236, 281 Selbstbewusstsein (self-consciousness) 49, 67 – 70, 73 – 75, 124, 139, 147, 209, 228 – 230, 254 f.
Selbstoffenbarung (self-revelation) 61 – 65 Selbst (self) 22, 55 f., 60, 63 f., 67 – 69, 73 – 77, 96, 100, 133, 135 f., 138 – 142, 145 – 149, 172, 180, 203, 205, 215, 219, 230, 243 – 247, 251, 253, 255 – 257, 265 – 268, 271 – 273, 283 Selbstverhältnis (self-relation) 54, 95, 106, 203, 241 f., 245, 251, 253 f., 257 Selbstwahl (self-choice) 55, 57, 205, 219, 238, 240 self-choice s. Selbstwahl self-consciousness s. Selbstbewusstsein self-determination s. Selbstbestimmung self-relation s. Selbstverhältnis self-revelation s. Selbstoffenbarung self s. Selbst singularity, s. Einzelheit sin s. Sünde Sittlichkeit 18, 95 f., 109, 115 f., 123, 206, 209 f., 234 Skepsis (skepticism) 5 – 10, 40, 57, 145 skepticism s. Skepsis Sorge (sorrow) 12 f., 27, 71 – 74, 129, 207 sorrow s. Sorge soul s. Seele speculation s. Spekulation Spekulation (speculation) 89 f., 94, 113, 136, 143 f., 147, 149 spiritlessness s. Geistlosigkeit spirit s. Geist Sprung (leap) 54 f., 67 – 69, 75, 100, 108, 114, 204 f., 237 f., 240, 259, 283 Stimme (voice) 31, 40 f., 43, 68, 206, 209, 217, 219, 259 – 273 Streben (striving) 55, 63, 130 – 132 striving s. Streben subjectivity s. Subjektivität Subjektivität (subjectivity) 49, 55, 67 f., 70, 87, 89, 93, 95, 102 f., 112, 114, 130 f., 188, 225, 241, 244, 246, 248, 257, 259, 261, 272, 276 sublation s. Aufhebung sublime s. Erhabene substance s. Substanz Substanz (substance) 27, 139, 161, 167, 176, 182, 184, 187 f., 229, 264, 271 f. suffering s. Leiden
Sachregister
Sündenfall (fall) 20, 63, 70, 75, 87, 95, 135, 178, 203, 205, 210, 213 f., 218 – 221, 226 – 229, 231 f., 235, 237, 240 Sünde (sin) 5 – 7, 42, 63 – 67, 69, 75 f., 100, 108, 149, 155, 203 – 205, 212 – 214, 219, 227, 230 – 233, 235 f., 240, 273, 281, 283 f. Synthese (synthesis) 137, 145 f., 148, 240, 246, 261 synthesis s. Synthese system s. System System (system) 26, 44, 48, 52, 60, 64, 78, 83, 85, 88 f., 101 f., 113, 133, 135, 140 f., 146, 151, 153, 181, 183, 197, 214, 225, 239, 259, 275, 282 Tat, intelligible (act, intelligible) 8, 61 – 63, 65 f., 81, 88, 99, 102, 114, 121, 132 f., 140, 152, 174, 180, 183 f., 203, 211, 213, 216 – 219, 224, 228 f., 231, 234, 249, 252, 257, 260, 283 temporality s. Zeitlichkeit Theologie (theology) 42, 136, 142 f., 148, 213, 223 f., 236, 276, 281 – 283, 288 – 290 theology s. Theologie Tier (animal) 3, 25, 116, 206 – 209, 214, 216, 220 – 222, 237 f. time s. Zeit Tod 75, 135, 141, 143, 147 Tod (death) 18, 22, 124, 126 f., 153, 203, 278 f. tragedy s. Tragödie Tragödie 45, 59, 64 f., 69 – 71, 73 – 76, 93 f., 278 transcendence s. Transzendenz transference s. Übertragung Transzendenz (transcendence) 57, 68 f., 97, 99 f. trinity s. Dreieinigkeit truth s. Wahrheit Übertragung (transference) 266 Unbewusste, das (unconscious) 141, 252, 255 – 257, 266 uncanny s. Unheimliche unconscious s. Unbewusste
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Unendlichkeit (infinity) 19, 21, 24, 57, 118, 132, 207, 222 Ungehorsam (disobedience) 29, 33, 35 f., 39, 43 f., 209, 229 f., 233, 235 Unheimliche, das (uncanny) 265, 271 Unmittelbarkeit (immediacy) 21, 48, 54 f., 105, 108, 111, 114, 117, 138, 156, 187, 219, 222, 228, 236, 250 – 252, 255 Unphilosophie 50 f., 54, 56 Unschuld (innocence) 64, 73 f., 205, 208 f., 212 – 214, 218 – 222, 226 f., 229, 232, 236 – 239, 247, 250, 277 Unwissenheit (ignorance) 74, 208 f., 237, 239, 247, 249 – 251 Urgrund 63, 231 Urteil (judgment) 13 – 19, 22, 37 f., 60, 118, 167 Verborgenheit (hiddenness) 105 – 107, 109, 118 Vergangenheit (past) 1 f., 62, 73 f., 94, 144, 166, 172, 175, 177, 191, 193 f., 196 f., 221 Vergebung (forgivenness) 149 Vermittlung (mediation) 21, 52, 86, 90 f., 93 – 97, 104, 117, 136, 140, 147 – 149, 155, 182, 184 f., 187, 228 Vernunftkritik 8 f., 14, 20, 25 f., 47, 51, 53 f., 277, 288 Vernunft (reason) 7 – 12, 14 f., 20 f., 26 f., 33, 39, 41 f., 44 f., 48, 50, 53 f., 57, 75 f., 85, 112, 123, 136 f., 145, 182, 206 – 211, 220, 222, 226 – 228, 231, 233, 260 f., 266, 271, 277 f., 280, 288 Versöhnung (reconciliation) 48, 69, 78, 90 f., 93 f., 102, 149, 221 Verstand 10, 14, 17, 22, 24, 51 – 53, 108, 217 Verzweiflung (despair) 22 – 24, 56 f., 136 – 141, 145 – 149, 153, 241, 244 – 257, 266, 272 f., 283 voice s. Stimme volition s. Wille Wahl (choice) 40, 56, 68 f., 94 f., 137, 163, 191, 206, 208, 213, 217, 284 Wahrheit (truth) 9, 13 – 18, 23, 27, 44 f., 47, 88 f., 93, 95, 102, 112, 115 – 117, 121,
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Sachregister
127 – 130, 132 f., 142, 154 f., 167, 171 f., 189, 220, 229, 248, 261 f. Werden (becoming) 61 – 65, 67 f., 73, 75, 111, 130 – 132, 140, 152, 156, 158 – 160, 164 – 167, 169, 171 – 178, 182, 187, 190 – 193, 195 f., 198 – 201, 241, 243, 251, 255 f., 262, 264, 268 Widerspruch (contradiction) 18, 31 f., 35, 48, 55, 57, 94 f., 100, 117, 131, 139, 145, 147 – 149, 186, 194, 212, 222 Wiederholung (repetition) 43, 99, 109 f., 141, 144, 149, 268, 279 Wille (volition, will) 2, 5, 10 f., 14, 20, 24 – 26, 29 – 32, 34 f., 37, 39, 41, 44 f., 52, 55 f., 59, 61 – 63, 68, 76, 89, 93, 95, 107 f., 115 f., 122, 135 – 137, 141 f., 145, 147, 149, 152, 154, 187, 204, 214, 217, 219, 222 f., 225 – 229, 231 – 236, 239 – 241, 247, 251 – 256, 259, 265, 271 f. will s. Wille
Wirklichkeit (actuality) 9 – 11, 17 f., 20 f., 24, 26, 48, 50 f., 53, 59, 63, 77 – 86, 89 f., 92, 96 – 104, 109 – 111, 114 f., 121, 124 f., 133, 149, 151 – 154, 157 f., 164 – 166, 168 f., 171, 174, 176, 178 – 196, 199 – 201, 221 f., 232 – 234, 237 – 239, 276 f., 282 Wissen (knowledge) 23, 26, 37, 39, 44, 48, 52, 59, 74, 86, 102 f., 106, 110 – 113, 118 f., 121 – 124, 127 – 129, 131 f., 148, 151, 154 f., 176 f., 228 f., 235, 239, 242, 263, 278 Zeitlichkeit (temporality) 61, 105 – 108, 117, 144, 184, 193, 277 Zeit (time) 1, 28, 31 – 34, 40, 56, 62 f., 71, 73, 80, 89 f., 112, 114, 123, 135 f., 141, 148, 166, 174 – 176, 179, 183, 191 – 199, 210 – 212, 218, 220, 224, 235 f., 242 – 244, 246, 260 f., 269, 271, 277, 281, 283 Zukunft (future) 59, 62, 73, 94, 161, 166, 175, 177, 193 f., 196 f., 207